Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Am 19. April hat der Abgeordnete Diekmann seinen 70. Geburtstag gefeiert. Das Haus wünscht ihm Glück und Erfolg im neuen Lebensjahr.
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Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Schlüter ist am 14. April der Abgeordnete Barche in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.
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Mit Schreiben vom 19. April 1967 benennt die Fraktion .der CDU/CSU als Mitglied beim Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank den Abgeordneten Stiller. Gemäß § 7 Abs. 4 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank werden die Mitglieder beim Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank vom Bundestag gewählt. Wer für die Wahl des Abgeordneten Stiller ist, gebe ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Abgeordnete Stiller ist einstimmig gewählt.
Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung der in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat am 12. April 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen - Drucksache V/1424 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1639 verteilt worden.
Der Präsident des Bundestages hat am 14. April 1967 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete
Einhundertundvierte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({2})
- Drucksache V/1625 mit der Bitte um fristgemäße Behandlung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die Beihilfe für Ölsaaten
Verordnung des Rates über die Festlegung der Richtpreise und Interventionsgrundpreise für Ölsaaten für das Wirtschaftsjahr 1967/68
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Kriterien für die Bestimmung des Weltmarktpreises für Ölsaaten und des Grenzübergangsortes
- Drucksage V/1624 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. April 1967
Verordnung Nr. 71/67/EWG des Rates vom 7. April 1967 zur Änderung der Verordnung Nr. 68/67/EWG in bezug auf die von Frankreich und Italien zu treffenden Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1967/1968
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft
Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten
und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft
- Drucksache V/1647 überwiesen an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksachen V/1634, zu V/1634, V/1677 Zunächst kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Haase ({3}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Europäische Organisation für Kernforschung, die im Jahre 1966 mit über 36 Millionen DM aus Bundesmitteln gefördert wurde, sich bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen in deutschen Zeitungen am 4. April 1967 der englischen Sprache bediente?
Zur Beantwortung hat das Wort Herr Staatssekretär Dr. von Heppe.
Ich bitte um die Erlaubnis, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) gemeinsam zu beantworten.
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 2 des Abgeordneten Haase ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung willens, auf die in Frage 1 genannte Körperschaft einzuwirken, künftig bei Stellenausschreibungen in der deutschen Presse sich der deutschen Sprache zu bedienen?
4840
Zu Frage 1. Nach dem Abkommen zur Gründung der Europäischen Organisation für Kernforschung - CERN - vom 1. Juli 1953 sind Englisch und Französisch die Amtssprachen ,der Organisation. Der Bundesregierung ist bekannt, daß CERN dementsprechend alle amtlichen Verlautbarungen in diesen Sprachen herausgibt.
Zu Frage 2. CERN wird sich darauf berufen, daß eine einzelne Änderung der bisherigen Sprachenregelung zahlreiche ähnliche Wünsche hervorrufen könnte und damit zu einem nicht unbeträchtlichen administrativen Mehraufwand führen würde. CERN hat die bisherige Sprachenpraxis bei Stellenausschreibungen auch als ein Mittel zur Auswahl der Kandidaten angesehen, da Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden.
Die Bundesregierung beabsichtigt gleichwohl, bei CERN darauf hinzuwirken, daß Stellenausschreibungen in der deutschen Presse künftig in deutscher Sprache erscheinen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Haase.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es einen solchen administrativen Mehraufwand hervorruft, wenn sich diese Institution, die mit vielen Millionen deutscher Bürgergelder gefördert wird, der deutschen Sprache bedient? Sollte man diesen Aufwand an Verwaltungsbemühungen in Genf nicht in Kauf nehmen?
Herr Abgeordneter, der Aufwand ist nicht unbeträchtlich, wenn Sie berücksichtigen, daß sämtliche Verlautbarungen dann nicht nur in Englisch und Französisch, sondern auch in einer anderen Sprache herausgegeben werden. Wir haben diese Erfahrung bei ELDO und ESRO gemacht, wo wir Deutsch zwar nicht als Amtssprache, aber als Arbeitssprache eingeführt haben.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Haase.
Herr Staatssekretär, sehen Sie angesichts der Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland in immer stärkerem Maße Hauptfinanzier dieser internationalen Organisationen wird, Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, daß Versäumnisse der fünfziger Jahre wiedergutgemacht und gegebenenfalls in diesen Institutionen auch Deutsch als Amtssprache eingeführt wird?
Bei Gelegenheit des Abschlusses eines neuen Abkommens ja, würde ich sagen. Im Augenblick sind wir noch an das vorhandene Abkommen vom Jahre 1953 gebunden, Herr Abgeordneter. Aber wir werden uns in diesem Fall bemühen, zunächst darauf hinzuwirken, daß bei CERN Anzeigen in deutschen Zeitungen in deutscher Sprache erscheinen. Die Notwendigkeit der Einführung des Deutschen als Arbeitssprache hat sich bei CERN noch nicht im gleichen Maße herausgestellt wie bei anderen Organisationen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, da die Bundesregierung offensichtlich dem Gesichtspunkt der Haushaltseinsparungen bei den Stellenausschreibungen den Vorrang vor der Benutzung der deutschen Sprache gibt, wird sie sich dann dafür einsetzen, daß die Haushaltsmittel noch mehr geschont werden und in Zukunft diese Ausschreibungen nicht in zwei Sprachen, sondern nur noch in einer Sprache erscheinen, was ja auch den Gesichtspunkt der sprachlichen Übung der Aspiranten, den Sie hervorgehoben haben, mit unterstreichen würde?
Ich glaube, daß das kein ausschlaggebender Gesichtspunkt sein kann.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Staatssekretär, finden Sie nicht, daß Ihre Antworten auf die Frage des Kollegen Haase doch sehr stark den Gesichtspunkt der materiellen zusätzlichen Belastung betont haben. Das würde dafür sprechen, daß man sich für eine Stellenausschreibung einsetzen würde, die nur in einer Sprache vorgenommen wird.
Ich war in meinen Antworten bemüht, Ihnen den voraussichtlichen Einwand, der von der internationalen Organisation kommt, verständlich zu machen. Ich habe, glaube ich, klar zum Ausdruck gebracht, daß wir uns dafür einsetzen werden, die deutsche Sprache für die Stellenausschreibungen vorzusehen.
Bitte, Herr Dr. Martin, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Bundestag wiederholt den Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, Deutsch als Amtssprache durchzusetzen? Sehen Sie keine Möglichkeit, vor Ablauf des Vertrages in Revisionsverhandlungen einzutreten oder sie wenigstens einzuleiten?
Ich werde das prüfen lassen, Herr Abgeordneter.
Frau Geisendörfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage - wenn auch nicht heute -, uns schriftlich mitzuteilen, welche finanziellen Aufwendungen es bedeuten würde, wenn die deutsche Sprache als Amtssprache eingeführt wird? Das würde ja auch bedeuten, daß sämtliche wissenschaftliche Veröffentlichungen übersetzt und in Deutsch gedruckt werden müßten, so daß wahrscheinlich ein eigenes zusätzliches Referat eingerichtet werden müßte.
Ich werde mich bemühen, diese Angaben zu beschaffen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung ist heute zum erstenmal der Herr Parlamentarische Staatssekretär Jahn erschienen, den wir begrüßen. Wir wünschen gute Zusammenarbeit mit Ihrem Hause.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das entspricht auch meinem Wunsch, Herr Präsident.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Borm auf:
Woran ist trotz intensiver Bemühungen des Berliner Senats und des Roten Kreuzes bisher die Erteilung des Einreisevisums für die 20 ausgebildeten deutschsprechenden Nationalchinesinnen gescheitert, die für Krankenpflegedienste in Berlin dringend benötigt werden und seit Januar auf das Visum warten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mit Schreiben vom 6. Januar 1967 hat das Deutsche Rote Kreuz dem Generalkonsulat Hongkong mitgeteilt, es sei gelungen, 22 Krankenschwestern in Taipeh zu gewinnen; die Sichtvermerksanträge würden beim Generalkonsulat Hongkong eingereicht werden. Erst am 30. März 1967 sind beim Generalkonsulat Hongkong Sichtvermerksanträge für 16 Krankenschwestern eingegangen. Das Generalkonsulat hat sie unverzüglich an den Polizeipräsidenten in Berlin, Ausländerbehörde, zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis weitergeleitet. Eine solche Erlaubnis wird im allgemeinen nur erteilt, wenn gleichzeitig das zuständige Arbeitsamt die Erteilung der Arbeitserlaubnis zusichert. Die für eine Arbeitserlaubnis erforderlichen Anträge sind erst am 14. April 1967 beim Arbeitsamt Berlin vom Deutschen Roten Kreuz gestellt worden. Im Bericht des Generalkonsulats vom 16. April 1967 wird darauf hingewiesen, daß bis zu diesem Tag die Pässe für die ,16 Krankenschwestern noch nicht vorlagen.
Eine Zusatzfrage, Herr Borm.
Sind Ihnen weitere Fälle nicht bekannt, Herr Staatssekretär?
Das wäre die zweite Frage des Abgeordneten Borm.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auf die wollte ich gesondert antworten.
Dann habe ich keine weitere Frage.
Dann rufe ich die Frage 7 des Abgeordneten Borm auf:
Sind der Bundesregierung weitere als die in Frage 6 erwähnten Fälle bekannt, in denen Nationalchinesen, die beim Deutschen Generalkonsul in Hongkong um ein Visum für die Einreise nach Deutschland gebeten haben, Schwierigkeiten entstanden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, weitere Fälle sind nicht bekannt. Allerdings können Verzögerungen bei Anträgen auf Arbeitserlaubnis an außereuropäische Staatsangehörige eintreten, weil in solchen Fällen die Auslandsvertretung den Sichtvermerk nur mit Zustimmung der deutschen Ausländerbehörde erteilen kann. Diese muß sich zuvor .mit dem Arbeitsamt wegen der Arbeitserlaubnis in Verbindung setzen. In einer Reihe von Fällen, die allerdings Krankenschwestern nicht betrafen, mußte das Generalkonsulat Hongkong Sichtvermerke verweigern, da die Ausländerbehörde nicht zustimmte. Das war darauf zurückzuführen, daß für die betreffende Berufsgruppe kein Bedarf bestand.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht ein Fall bekannt oder würden Sie das prüfen lassen, in welchem Stipendiaten aus anderen Ländern Ostasiens die Einreisevisa erhielten, während eine Nationalchinesin, die an einer deutschen Universität studieren wollte, das Visum nicht bekommen hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin natürlich gern bereit, das zu prüfen, Herr Kollege Borm. Es wäre aber sehr hilfreich und würde die Prüfung leichter machen, wenn Sie uns die offenbar in Ihrem Besitz befindlichen näheren Unterlagen zu diesen beiden Fällen zugehen ließen.
Ich werde sie Ihnen zugehen lassen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
In welcher Weise hat sich der Vatikan mit der Bitte um Einhaltung des Reichskonkordats an die Bundesregierung gewendet?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister "des Auswärtigen: Der Apostolische Nuntius hat ein Schreiben an den Herrn Bundesminister des Auswärtigen gerichtet, in dem er eindringlich um die Einhaltung des Reichskonkordats gebeten und vor Verletzung dieses Vertrages gewarnt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Moersch.
Herr Staatssekretär, wie oft hat der Vatikan seit den Verfassungsänderungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei der Bundesregierung interveniert?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es hat eine ganze Reihe von Gesprächen mit dem Nuntius, seinen Beauftragten und verschiedenen Vertretern der katholischen Kirche in der Bundesrepublik gegeben, die .man nicht schlechthin als Interventionen bezeichnen kann.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Moersch.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für richtig, daß in dieser Sache Vertreter der Bundesländer in Rom direkte Gespräche geführt haben oder noch führen wollen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dagegen sind keine grundsätzlichen Einwendungen zu erheben, da diese Gespräche, soweit sie geführt worden sind, im Einvernehmen mit der Bundesregierung geführt wurden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen einen Auftrag der Bundesregierung gehabt, im Vatikan Gespräche über die Konkordatsfrage zu führen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Davon ist mir nichts bekannt.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann die Äußerungen, die dieser Minister über seinen Verhandlungsauftrag in der Öffentlichkeit gemacht hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mir sind diese Äußerungen nicht bekannt, Herr Kollege Dorn. Ich will dieser Frage gern nachgehen, würde aber zunächst einmal, ohne Kenntnis dieses Vorgangs im einzelnen, davon ausgehen, daß sich selbstverständlich jedes Mitglied der Bundesregierung für verpflichtet halten sollte, wenn möglich, einen Beitrag zu leisten, um die schwierigen anstehenden Probleme leichter zu machen.
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Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Staatssekretär, darf ich als ein Abgeordneter aus Niedersachsen - das ja das einzige Bundesland ist, das seit 1945 ein Konkordat abgeschlossen hat, in dessen Präambel ausdrücklich gesagt wird, daß es eine Weiterentwicklung sowohl des Preußenkonkordats als auch des Reichskonkordats von 1933 sei - Sie fragen, ob seit dem Abschluß und aus dem Vollzug dieses Konkordats irgendwelche Schwierigkeiten zwischen der Bundesregierung und dem Vatikan entstanden sind und ob Interventionen dieserhalb notwendig geworden sind.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn ich Sie recht verstehe, Herr Kollege, dann beziehen Sie sich auf das Land Niedersachsen. Insofern kann ich Ihre Frage vorbehaltlos mit Nein beantworten.
Eine Zusatzfrage von Herrn Dr. Bucher.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ,der Brief des Apostolischen Nuntius die Benutzung normaler diplomatischer Kanäle darstellt, wie es der Pressesprecher ,des Vatikans dargestellt haben soll?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich vermag nicht zu erkennen, was dem entgegenstehen sollte oder weshalb das eine andere Wertung erfahren sollte.
Noch eine Zusatzfrage.
Ist zum Beispiel der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl mit dieser Sache befaßt worden und in welcher Art und Weise?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich ist der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl über die verschiedenen Verhandlungen und Gespräche, soweit sie hier in Bonn bzw. auch in den Bundesländern geführt worden sind, unterrichtet worden. Er ist auch seinerseits in dieser Frage tätig gewesen.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Moersch auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den vollständigen Wortlaut des in Frage 8 erwähnten Petitums der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Nuntiatur hat bereits im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt den Wortlaut des Schreibens der Presse zur Verfügung gestellt. Er ist zum vorvergangenen Wochenende in mehreren Blättern vollständig veröffentlicht worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, gibt es außer diesem Brief des Herrn Nuntius Bafile noch weitere Schriftstücke ähnlicher Art, die bisher noch nicht veröffentlicht worden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Davon ist mir nichts bekannt.
Ist die Bundesregierung bereit, auch ihre Antwort auf diesen Brief zu veröffentlichen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das würde ich denken, - falls .es eine förmliche Antwort auf diesen Brief gibt.
Keine Zusatzfrage mehr? - Herr Moersch, Ihr Kontingent ist erschöpft.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Kultusministers von Baden-Württemberg, Professor Hahn, der geäußert hat, daß die Zeit der Konkordate vorbei sei?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung teilt die Auffassung von Herrn Professor Hahn nicht. Die Konkordate sind Verträge zur Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche. Sie erfüllen ebenso wie die Verträge mit den evangelischen Kirchen im staatlichen Leben eine Aufgabe, die auf andere Weise kaum gelöst werden kann.
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Eine Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung denn überhaupt für richtig, daß Schulfragen heute noch in Konkordaten geregelt werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Einen anderen Weg der Regelung vermag ich nicht zu sehen.
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Eine zweite Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Kultusminister. Professor Hahn mit seiner Äußerung, die Zeit der Konkordate sei vorbei, darauf hinweisen wollte, daß Schul- und Lehrerbildungsartikel in einem Konkordat ein fortschrittliches Bildungswesen zum Nachteil der Kinder blockieren könnten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich hatte bereits
darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung die Auffassung von Herrn Professor Hahn nicht teilt. Noch weniger ist sie aber in der Lage, vermutete Auffassungen von Herrn Professor Hahn zu teilen.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Genscher.
Herr Staatssekretär, da offenbar der Einfallsreichtum der Bundesregierung nicht ausreicht, um ohne Konkordate die Schulfragen zwischen Staat und Kirche zu regeln, werden Sie bereit sein, einmal in Nachbarstaaten nachzufragen, wie es dort geschieht, wo bekanntlich auch bei katholischen Mitbürgern das Verhältnis Staat/Kirche auch in Schulfragen ohne Konkordate ausgezeichnet funktioniert?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich wird die Bundesregierung bereit sein, aus den Erfahrungen in anderen Ländern Erkenntnisse für ihre eigenen Entscheidungen zu sammeln. Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, daß für uns das Reichskonkordat nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts gilt und seine Artikel Anwendung zu finden haben. Die Bundesregierung möchte keinen Zweifel daran lassen, daß sie gerade in den aufgetauchten Schwierigkeiten allen Wert darauf legt, unter Anwendung der Klausel des Art. 33 des Konkordats in gutem Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl die strittigen Fragen einer Klärung näherzubringen.
Zweite Zusatzfrage.
Ohne die Bundesregierung veranlassen zu wollen, Verträge, die vom Verfassungsgericht als gültig anerkannt werden, zu brechen, frage ich Sie dennoch: In welchen Staaten Europas gibt es Konkordate, insbesondere über Schulfragen, mit dem Vatikan?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diese Frage kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich bin aber gern bereit, falls Sie darüber eine genaue Aufstellung haben wollen, Herr Kollege Genscher, Ihnen diese zuzustellen.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie unter Erinnerung daran, daß im Niedersachsen-Kon4844
kordat nur ein einziger Artikel von Schulfragen handelt, fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß durch diesen Artikel im Niedersachsen-Konkordat die Weiterentwicklung des niedersächsischen Schulrechts und des niedersächsischen Schulwesens in irgendeiner Weise gehemmt worden ist.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Irgendwelche Beschwerden in dieser Richtung sind nicht laut und mir auch nicht bekanntgeworden.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Martin.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß der Vatikan nur unter Hinweis auf die Gültigkeit des Konkordats Positionen der deutschen Politik in der ganzen Zeit hat halten können, und sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Anzweiflung der Gültigkeit des Konkordats einen politischen Schaden bedeutet?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Eine Zusatzfrage von Herrn Ott. - Herr Ott verzichtet. Dann Herr Fellermaier.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die FOP in den langen Jahren als Koalitionspartner einmal in der Bundesregierung versucht hat, diesen Rechtsstandpunkt, der in den Fragen zum Ausdruck kommt, in irgendeiner Form durchzusetzen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe mich damals bemüht, Herr Kollege Fellermaier, die Tätigkeit und die Aktivitäten der Freien Demokraten innerhalb der Bundesregierung sorgfältig zu verfolgen. Das ist mir dabei nicht aufgefallen.
({0})
Zusatzfrage von Herrn Moersch.
Herr Staatssekretär, ist es Ihrer Erinnerung entgangen, daß diese Fragen erst aktuell geworden sind, seitdem Sie in der Regierung sind?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich fürchte, Herr Kollege Moersch, Sie irren sich. Diskutiert wird über diese Fragen in Deutschland seit vielen Jahren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Heilige Stuhl zu erkennen gegeben hat, daß er nicht gewillt ist, daraus, daß das Konkordat möglicherweise in Frage gestellt ist, irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen, etwa in der Frage der Haltung zur Oder-Neiße-Linie? Ist Ihnen bekannt, daß der Heilige Stuhl eine derartige Verbindung ausdrücklich abgelehnt hat?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube nicht, daß es sehr hilfreich ist, die Frage jetzt so zu erörtern, Herr Kollege Borm. Die Meinungen darüber sind unterschiedlich, und ich glaube, die Bundesrepublik Deutschland sollte ein Interesse daran haben, die Diskussion über das Konkordat und die möglicherweise darin liegenden Interpretationsmöglichkeiten nicht von sich aus auszuweiten.
Eine Zusatzfrage von Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, wenn Sie auch aus Hessen gebürtig sind, sind Sie doch schon sehr lange in der Politik tätig.
({0})
Ist Ihnen nicht bekannt, daß die FDP zu den Fragen des Reichskonkordats schon immer die gleiche Haltung eingenommen hat, ganz besonders auch im Zusammenhang mit der Bildung des Südweststaates und der damaligen Verabschiedung der dortigen Verfassung?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube nicht, daß es die Sache der Bundesregierung ist, hier das Verhalten und die einzelnen Einstellungen einer Partei zu bewerten. Aber wenn ich es für mich persönlich sagen darf, muß ich Ihnen ganz offen antworten; verehrte Frau Kollegin Diemer-Nicolaus: Es ist ein bißchen schwer, zu erkennen, was die jeweilige Meinung der FDP ist.
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Zweite Zusatzfrage, Frau Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie vielleicht bitten, die Protokolle nachzulesen, die sich mit unserer Haltung zu dem Reichskonkordat befassen. Da ist die Haltung eindeutig zu erkennen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Sie dürfen die Bitte äußern, und ich werde ihr gern folgen.
Zusatzfrage, Herr Busse. - Ist erledigt. Dann Zusatzfrage von Herrn Dr. Jaeger.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß die Aktualität, die die Freien Demokraten diesen Problemen heute beimessen, nicht davon herkommt, daß Sie und Ihre politischen Freunde der Bundesregierung angehören, sondern davon, daß die Freien Demokraten sich jetzt in der Opposition befinden?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Dr. Jaeger, hier sind natürlich vielerlei Vermutungen Tür und Tor geöffnet. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich an allen möglichen und denkbaren Vermutungen nicht beteilige. Aber ich will Ihnen nicht ausdrücklich widersprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es nicht Aufgabe der Fragestunde sein kann, das an Nachhilfeunterricht nachzuholen, was die FDP während ihrer Regierungszeit versäumt hat?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bitte um das Einverständnis des Herrn Präsidenten, daß ich auf diese Frage von hier aus keine Antwort gebe.
Zusatzfrage, Herr Raffert.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verhandlungskommission, die das Niedersachsen-Konkordat aushandelte, in den letzten, entscheidenden Monaten unter Führung eines FDP-Kultusministers gestanden hat und daß der stellvertretende Ministerpräsident von Niedersachsen, der sich als Kabinettsmitglied für diesen Konkordatsabschluß ausgesprochen hat, der heute der FDP-Bundestagsfraktion angehörende Kollege Carlo Graaff war?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist mir bekannt, Herr Kollege Raffert. Daher rühren u. a. auch meine Schwierigkeiten in der Interpretation bestimmter Parteiauffassungen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich um ein Problem handelt, das auf der Teilung des deutschen Volkes in Konfessionen beruht - eine Frage, die unser Schicksal immer wieder belastet hat -, daß diese spezielle Teilung unseres Volkes nach Konfessionen in den letzten Jahren und unter dem besonderen Eindruck auch der großen Regierungspartei, in der katholische und evangelische Christen bewußt zusammenarbeiten, sowohl im politischen Raum wie auch in den übrigen Bereichen unseres Lebens zu Ende zu gehen scheint und daß eine Diskussion, wie sie hier geführt wird, diesen guten Prozeß der Einigung unseres Volkes eher belastet als fördert?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube, daß die Überwindung gewisser konfessioneller Auseinandersetzungen das Ergebnis der Bemühungen aller Parteien gewesen ist und daß alle Parteien ihr gut Teil Verdienst daran haben, daß manche Fragen heute gelassener und souveräner diskutiert werden können, als das früher der Fall gewesen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Mertes.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Kultusminister Dr. Hahn, dessen Meinung hier als abwegig bezeichnet wurde, der CDU angehört?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Natürlich ist das der Bundesregierung bekannt. Allerdings lege ich Wert auf die Feststellung: ich habe diese Auffassung nicht als abwegig bezeichnet.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Trifft es zu, daß innerhalb der Bundesregierung Überlegungen angestellt werden, den Schwierigkeiten mit dem Reichskonkordat dadurch auszuweichen, daß einzelnen Bundesländern, z. B. Baden-Württemberg, der Abschluß von Konkordaten empfohlen werden soll?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es ist in erster Linie Sache der Länder, sich darüber klarzuwerden, ob sie in der Schulfrage mit der Kirche Vereinbarungen treffen wollen oder nicht. Die Bundesregierung glaubt allerdings, daß vereinbarte Regelungen der betroffenen Länder mit dem Heiligen Stuhl angesichts der gegenwärtigen Rechtslage, also der Fortgeltung des Art. 23 des Reichskonkordats, den besten Weg darstellen, um die bestehenden rechtlichen Bindungen den neuen Verhältnissen anzupassen. Überlegungen, die in diesem Zusammenhang von seiten der Bundesregierung angestellt worden sind, sind jedoch nicht so weit gegangen, daß den Ländern der Abschluß umfassender Konkordate empfohlen werden sollte. Die Bundesregierung beschränkt sich darauf, in Anwendung der Freundschaftsklausel des Art. 23 des Reichskonkordats auf Verhandlungen zwischen dem Heiligen
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Stuhl einerseits und dem Bund und dem betreffenden Land andererseits hinzuwirken. Sie würde es begrüßen, wenn die Länder versuchten, zu einer befriedigenden Lösung beizutragen. In welcher Form ein etwaiges Ergebnis der Verhandlungen seinen Niederschlag finden sollte, ist eine Sache der Zweckmäßigkeit und auch des Ermessens der beteiligten Partner.
Eine Zusatzsatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zur Verwirklichung der Ankündigung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, die Bundesregierung werde alles tun, um das gesamte Reichskonkordat von 1933 einzuhalten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung muß Wert darauf legen, daß ein Vertrag, der für sie selbstverständlich als gültig anzusehen ist, auch eingehalten wird. Sie wird also ihrerseits alle notwendigen Bemühungen unternehmen, die im Rahmen ihrer verfassungsgemäßen Möglichkeiten liegen, um auf die übrigen Beteiligten einzuwirken, daß dieser Vertrag auch beachtet wird.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, bezieht sich dieser Hinweis nur auf die Schulartikel, oder gilt er auch für alle anderen Bestimmungen, die Bestandteil des Reichskonkordats sind, z. B. für die Vorschrift über das Gebet für die Existenz des Deutschen Reiches nach 1933?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, in einzelnen Artikeln eine teilweise oder eingeschränkte Gültigkeit zu statuieren. Der Vertrag ist insgesamt gültig,' und die Bundesregierung muß sich darum bemühen, auf die Gültigkeit dieses Vertrages entsprechend einzuwirken.
Eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Hat die Bundesregierung den Herrn Bundesratsminister beauftragt, bei seinen Gesprächen mit den Bundesländern auf das niedersächsische Konkordat hinzuweisen, und auf welche verfassungsrechtlichen Bestimmungen stützt die Bundesregierung den Gesprächsauftrag für den Herrn Bundesratsminister?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat den Auftrag an den Herrn Bundesratsminister nicht so gestellt, daß ein ausdrücklicher
Hinweis auf ,die niedersächsische Regelung damit verbunden war. Die Bemühungen der Bundesregierung stützen sich auf die Freundschaftsklausel des Konkordats in Art. 33.
Noch eine Frage, Herr Moersch.
Herr Staatseskretär, welcher Art waren die im Schreiben des Apostolischen Nuntius erwähnten - ich zitiere - „Bemühungen, die die Bundesregierung entfaltet hat, um einzelne Landesregierungen bei ihrer schulgesetzgeberischen Tätigkeit zur gebührenden Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen des Reichskonkordats zu bewegen" ?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat in Briefen und Gesprächen gegenüber den Landesregierungen ihre Auffassung dargelegt und ihrerseits darum gebeten, daß ,die Bestimmungen des Konkordats, zu deren Einhaltung sie verpflichtet ist, auch in ,den Ländern entsprechend beachtet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, welche Vertreter der Bundesregierung waren an dem von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kürzlich mitgeteilten ziemlich intensiven Gedankenaustausch zwischen der Fuldaer Bischofskonferenz und der Bundesregierung beteiligt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Mitglieder der Bundesregierung im einzelnen daran beteiligt gewesen sind. Falls aber die Frage von besonderer Bedeutung ist, bin ich gern bereit, das festzustellen und Ihnen mitzuteilen, Herr Kollege Schmidt.
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, trifft der Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auch insoweit 'zu, als gesagt wird: „Es war ein weiteres Mißgeschick, daß der Vatikan, von deutschen Beamten um eine milde Aktion auf die Verletzung des Konkordats gebeten, seine Beschwerde in so zurückhaltende Form kleidete, ,daß die Sozialdemokratische Partei in Stuttgart angenehm überrascht von einem Einverständnis des Vatikans zu sprechen begann und damit die Sozialdemokratische Partei in Rheinland-Pfalz zu ähnlichem Vorgehen ermunterte."?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Schmidt, da bin ich überfordert. Sie wollen von mir wissen, ob bestimmte angenommene, in diesem BeParlamentarischer Staatssekretär Jahn
richt zitierte Wertungen richtig sind. 'Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß Konkordate bzw. Kirchenverträge so gestaltet sein müssen, daß sie auch den gewandelten Auffassungen Rechnung tragen können, insbesondere einer modernen Schulausbildung und der Tatsache, daß heute der überwiegende Teil der Bevölkerung für die christliche Gemeinschaftsschule und nicht mehr für die Bekenntnisschule ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das im Rahmen des geltenden Konkordats unter sinnvoller Anwendung des Art. 33, der Freundschaftsklausel, bereits heute möglich ist.
Zweite Zusatzfrage, Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, auch darüber zu verhandeln, daß gegebenenfalls eine Kündigungsklausel auch in Kirchenverträge aufgenommen wird, wie das in anderen Verträgen üblich ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung stellt gegenwärtig keine Überlegungen auf eine Änderung dieses geltenden Konkordats an. Ob diese Frage theoretisch in einem späteren anderen Zusammenhang auftauchen kann, vermag ich nicht zu sagen. Ich kann aber deswegen Ihre Frage weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Es ist durchaus möglich, daß solche Überlegungen dann, wenn es erforderlich ist, angestellt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Martin.
Herr Staatssekretär, halten 'Sie es nicht für störend, wenn hier der Eindruck erweckt wird, als ob die Frage der Konfessionsschule eine rein katholische Angelegenheit sei? Ist Ihnen bekannt, daß gestern oder vorgestern der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in 'Deutschland sich dahin geäußert hat, daß da, wo ,es möglich wäre, evangelische Konfessionsschulen zu errichten, er danach streben würde? Sind Sie nicht der Meinung, daß der Eindruck, als ob eine solche Schule nicht mit einer Leistungsschule zu vereinbaren sei, töricht und störend ist?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mir ist die zitierte
Äußerung nicht ,bekannt. Ich kenne andere, frühere vergleichbare Äußerungen. Ich glaube aber nicht, daß es jetzt Sache der Bundesregierung ist, hier in eine Schuldebatte einzusteigen und sich darüber zu äußern, welche Schulform sie für geeignet hält.
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Das ist eine Sache, die in den Ländern zur Entscheidung steht, die die Länder in eigener Verantwortung zu regeln haben. Die Bundesregierung sollte insofern hier kein Urteil abgeben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Niedersachsen, auf das wir ja immer zurückgreifen müssen, weil das niedersächsische Konkordat das einzige ist, das uns aus neuerer Zeit zur Beurteilunng zur Verfügung steht, seit dem Abschluß des Konkordats keine neue Konfessionsschule, weder evangelischen noch katholischen Bekenntnisses, gegründet worden ist, daß vielmehr seitdem mehrere Zusammenlegungen zu leistungsfähigeren Schulsystemen möglich geworden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Alle Einzelheiten der Schulentwicklung in Niedersachsen sind mir natürlich nicht bekannt; aber ich nehme auch diese Hinweise gern zur Kenntnis.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Staatssekretär, stehen der Bundesregierung über die Möglichkeiten des Art. 33 mit der Freundschaftsklausel hinaus etwa Zwangsmittel zur Verfügung, um auf die Länder einzuwirken, und wenn solche zur Verfügung stehen, gedenkt dann die Bundesregierung, Zwangsmittel zur Durchsetzung des Vollzuges des Konkordats in den Bundesländern anzuwenden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Zwangsmittel hat die Bundesregierung insoweit nicht zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.
Herr Staatssekretär, stehen die Forderungen des Bundesministers des Innern nach einem neuen Staatskirchenrecht in der Bundesrepublik in Zusammenhang mit den jetzt schwebenden Beratungen und Konsultationen mit dem. Vatikan?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister 'des Auswärtigen: Ich bitte um Verständnis, wenn ich mich nicht in der Lage sehe, hier Äußerungen .des Bundesministers des Innern zu interpretieren. Ich nehme an, das wird Herr Kollege Benda nachher in anderem Zusammenhang ohnehin
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
zu tun haben. Ich darf aber darauf verweisen, daß ich bereits vorhin zum Ausdruck gebracht habe, daß die Bundesregierung keine Änderung ,des gegenwärtigen Vertragszustandes anstrebt.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.
Darf ich vielleicht dem Herrn Präsidenten die Anregung geben, daß entsprechend einer schon früher praktizierten Übung der zufällig anwesende Staatssekretär des betroffenen Hauses antwortet.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Benda, sind Sie bereit einzuspringen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich bin gern bereit, die Frage zu beantworten, schlage aber vor, da sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit der Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dorn im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern steht, ,daß ich sie dann beantworte, unter Umständen in Form einer Antwort auf eine Zusatzfrage, die Sie, Herr Kollege Genscher, dann stellen können, wenn es Ihnen zweckmäßig erscheint.
Keine weiteren Zusatzfragen zur Frage 11.
Ich rufe dann die Frage 12 des Abgeordneten Kubitza auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Zeitschrift „Blickpunkt" ({0}) Nr. 158 vom März 1967 geschilderte Haltung der deutschen Botschaft in Tel Aviv gegenüber Jugendgruppen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Bisher ist dem Auswärtigen Amt bezüglich der Arbeit der deutschen Botschaft in Tel Aviv auf dem Gebiet des Studenten- und Jugendaustausches keine Kritik bekanntgeworden. Deshalb bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß ich die Frage nicht beantworten möchte, ohne bei unserer Botschaft zurückgefragt zu haben. Die Botschaft in Tel Aviv ist bereits um Stellungnahme zu dem Bericht gebeten worden. Sobald diese vorliegt, ist das Auswärtige Amt zur ergänzenden Beantwortung Ihrer Frage bereit. Bitte entscheiden Sie, ob Sie die Frage in einer späteren Fragestunde erneut einbringen wollen oder ob ich Ihnen unmittelbar schriftlich antworten soll.
Ich bitte Sie, mir unmittelbar schriftlich zu antworten, und hätte dazu gleich noch eine Zusatzfrage, die Sie vermutlich auch nicht sofort aus dem Handgelenk beantworten können, und zwar: Welche Vorstellungen hat Ihr Haus überhaupt über das Verhältnis der internationalen Jugendbegegnung zur Außenpolitik entwickelt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das Auswärtige
Amt bemüht sich darum, jede Möglichkeit der internationalen Jugendbegegnung und des Jugendaustausches zu fördern und zu unterstützen, wo immer das möglich ist.
Keine weiteren Zusatzfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär!
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Antworten werden von dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Benda gegeben. Sie waren schon einmal hier, seitdem Sie in Ihrer neuen Funktion sind.
Zunächst rufe ich die Frage 13 des Abgeordneten Büttner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß trotz der von ihr eingeleiteten Maßnahmen immer noch Verzögerungen bei den Visaerteilungen für Reisende aus den Ostblockstaaten entstehen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Büttner, der Bundesregierung ist natürlich bekannt, daß bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder behauptet wird, daß Verzögerungen bei der Visaerteilung für Reisende aus den Ostblockstaaten entstünden. Jedenfalls in dieser. allgemeinen Form treffen die Beschwerden aber nicht zu. Eine sorgfältige Nachprüfung des Sachverhalts in meinem Hause hat vielmehr ergeben, daß Sichtvermerkverfahren im Regelfalle innerhalb von zwei Wochen seit Eingang bei der innerdeutschen Behörde und in Einzelfällen in einer noch kürzeren Zeit durchgeführt werden.
Das Bundesinnenministerium hat Anlaß genommen, die konkret mit Beispielen an es herangetragenen Beanstandungen wie zu lange Dauer des Sichtvermerkverfahrens an Hand der vorliegenden Originalanträge nachzuprüfen. Dabei hat sich im allgemeinen ergeben, daß durch die eingeschalteten deutschen Behörden Verzögerungen nicht entstanden sind. Bei der sehr großen Anzahl der Anreiseanträge aus den Ostblockstaaten - es handelte sich etwa im März dieses Jahres, allein um über 6000 Anträge - können allerdings in Einzelfällen durch Versehen oder unglückliche Zufälle Fehler bei der Bearbeitung auftreten, die dann zu Verzögerungen führen. Dies sind - wie ich wiederholen möchte - ganz seltene Ausnahmefälle. In der Zwischenzeit ist durch innerdienstliche Maßnahmen auch sichergestellt, daß derartige Ausnahmen soweit wie irgend möglich vermieden werden.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß andererseits Staaten des Ostblocks Visa an Einreisende aus der Bundesrepublik nicht erteilen und daß dazu auch ein Mitglied des Bundestages gehörte, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Tatsache?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Vorgang, auf den
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
Sie Bezug nehmen, Herr Kollege, ist uns selbstverständlich bekannt. Wir bedauern derartige Vorfälle. Wir werden diesen und ähnliche Vorfälle zum Anlaß nehmen, um bei geeignetem Anlaß und zu einem geeigneten Zeitpunkt mit den dafür zuständigen ausländischen Behörden Fühlung aufzunehmen mit dem Ziel, eine Verbesserung der Situation zu erreichen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß am vergangenen Wochenende bei der Bundesjugendtagung der Deutschen Angestelltengewerkschaft zwar die Delegation aus Sowjetrußland und aus Rumänien rechtzeitig eintrafen, die Delegation aus Prag dagegen zu spät eintraf, und zwar offensichtlich wegen der Schwierigkeiten bei der Visaerteilung hier in Bonn?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich darf, Herr Kollege Moersch, vielleicht Ihren Hinweis zum Anlaß nehmen, um speziell zu dem auch in der Presse immer wieder dargestellten tschechoslowakischen Problem folgendes auszuführen. Ich beziehe mich hierbei auf eine neue Pressemitteilung in der Frankfurter Rundschau, die möglicherweise in einem Zusammenhang mit den Vorgängen steht, die Sie erwähnten. In dieser Pressemitteilung taucht verschiedentlich die Behauptung auf, daß Verzögerungen auf das umständliche Verfahren der französischen Botschaft in Prag zurückzuführen seien, die einen sehr langen Übermittlungsweg zu den zuständigen deutschen Stellen habe. Diese Behauptungen treffen aber, wie ich bei der Gelegenheit sagen darf, in dieser Form nicht zu.
Das Verfahren ist vielmehr, gerade um den gelegentlich auftretenden Schwierigkeiten bei Einreisenden aus der Tschechoslowakei zu begegnen, so, daß beim Eingang entsprechender Anträge diese unmittelbar von der französischen Botschaft in Bonn an das Bundesinnenministerium geleitet werden, während der Originalantrag zugleich an das Auswärtige Amt geleitet wird. Die Übermittlung der Anträge von der französischen Botschaft in Prag über die französische Botschaft in Bonn zum Bundesinnenministerium dauert im allgemeinen zwei oder drei Tage, so daß hierbei Verzögerungen nicht entstehen.
Im übrigen ist das Bundesinnenministerium im Einvernehmen mit den zuständigen anderen Ressorts der Bundesregierung gegenwärtig dabei, zu überprüfen, wie in besonders begründeten Eilfällen eine noch weitere Beschleunigung des Einreiseverfahrens - gerade auch unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, die Sie erwähnt haben - herbeigeführt werden kann. Die Bundesregierung wird dem Innenausschuß des Bundestages in seiner nächsten Sitzung die Einzelheiten des vorgesehenen Verfahrens mitteilen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, darf man aus Ihrer Antwort schließen, daß die Verzögerungen, die vorgekommen sind - und das ist wohl nicht zu bestreiten -, in Ihrem Hause eingetreten sind?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, nein, Herr Kollege. Ich glaube das in meiner Antwort auf die Frage, die Herr Kollege Büttner gestellt hat, bereits gesagt zu haben. Die Behauptung, die in allgemeiner Form immer wieder auftaucht - es würden Verzögerungen entstehen -, ist gerade in dieser Form nicht richtig.
Wir haben einen ganzen Teil der konkret beanstandeten Fälle überprüft. Dabei war Ausgangspunkt der Überprüfung das vom Antragsteller selber auf seinen Antrag gesetzte Datum. Es hat sich in einem Teil dieser beanstandeten Fälle ergeben - und zwar an Hand der von den Antragstellern selber vorgenommenen Datierung der Anträge -, daß die Behauptung einer Bearbeitungsdauer von sechs, acht oder gelegentlich mehr Wochen mehr falsch war und daß sie zum Teil auch wider besseres Wissen aufgestellt sein mußte. In einer Reihe anderer Fälle ergab sich, daß der Antrag zwar offenbar eine geraume Zeit vor dem beabsichtigten Einreisezeitpunkt ausgefüllt und auch datiert worden ist. Er war aber erst Wochen, teilweise sogar Monate nach dem eingetragenen Datum bei der zuständigen Auslandsvertretung eingegangen, ein Umstand, der also auch wieder nicht auf Verschulden deutscher Stellen oder unserer entsprechenden Schutzmacht in der Tschechoslowakei oder anderwärts zurückzuführen ist.
Eine Zusatzfrage von Herrn Dorn.
Herr Staatssekretär, wie bringen Sie diese Auskunft, die Sie gerade gegeben haben, in Verbindung mit einer Auskunft, die ich vor mehreren Monaten aus Ihrem Hause erhielt, daß sich in zwei von mir konkret vorgetragenen Fällen von Wissenschaftlern aus Ostblockstaaten die Einreise-und ,die Visaerteilung um mehr als sechs Wochen verzögert hat?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann hier selbstverständlich nicht konkrete Einzelfälle erörtern. Was ich gesagt habe, gilt für alle Regelfälle. Ich habe in der Antwort ,an den Herrn Kollegen Büttner eingeräumt, daß in Einzelfällen Verzögerungen eingetreten sein können. Ob das in dem Fall, den Sie eben darstellten, der Fall war und auf welchen Gründen das beruht, könnte nur an Hand des konkreten Falles untersucht werden. Ich werde Gelegenheit nehmen, den Vorgang, ,den Sie in meinem Hause bereits vorgetragen haben, nochmals daraufhin zu überprüfen, und werde Ihnen eine entsprechende Mitteilung geben.
Eine Zusatzfrage von Herrn Martin.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie groß die durchschnittliche Laufzeit eines Antrages aus einem Ostblockstaat ist?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister .des Innern: Ich habe vorhin bereits gesagt, Herr Kollege Dr. Martin, daß Sichtvermerkverfahren im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, gerechnet vom Tage des Eingangs bei den deutschen Behörden, in Eilfällen in kürzerer Frist, also in weniger ,als zwei Wochen, durchgeführt werden.
Ich rufe auf die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Büttner:
Ist die Bundesregierung bereit, die deutschen Handelsvertretungen zu ermächtigen, Visaanträge aus den Ostblockstaaten zur wesentlichen Vereinfachung des Verfahrensweges entgegenzunehmen, wie es z. B. im Falle Rumäniens bisher der Fall war?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung trägt keine Bedenken, den deutschen Handelsvertretungen die Wahrnehmung von Sichtvermerkangelegenheiten zu übertragen, wie Sie anregen. Dies kann allerdings nur mit Zustimmung des jeweiligen Empfängerstaates geschehen. Diese Frage ist bereits Gegenstand von Verhandlungen mit entsprechenden Staaten. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen, die noch nicht sämtlich abgeschlossen sind, sind unterschiedlich.
Herr Büttner, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir dies schriftlich mitzuteilen, sobald Ihre Bemühungen abgeschlossen sind, damit ich eine Industrie- und Handelskammer, die sich deswegen mit mir in Verbindung gesetzt hat, unterrichten kann?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich, Herr Kollege!
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für die vom Bundesinnenminister nach Pressemeldungen angekündigte Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Pressemeldungen, die Sie in Ihrer Frage erwähnt haben, Herr Kollege Dorn, beziehen sich auf eine Rede, die der Herr Bundesminister des Innern aus Anlaß der Einweihung des Wilhelm-Böhler-Hauses am 11. April dieses Jahres hier in Bonn gehalten hat. Ich darf vielleicht die wesentlichen Sätze aus der Rede von Herrn Minister Lücke zitieren. Er hat bei dieser Gelegenheit gesagt:
Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist nach dem Zusammenbruch gut und harmonisch gewesen. Das schließt natürlich nicht aus, daß Wünsche offengeblieben sind. Diese Wünsche für eine weitere Verbesserung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche werden immer häufiger geäußert. Die Erarbeitung konkreter Vorschläge sollte dabei von den Kirchen ausgehen. Diese Vorschläge sollten dann mit den verantwortlichen staatlichen und politischen Stellen eingehend besprochen .werden. Ich stehe für derartige gemeinsame Gespräche gern zur Verfügung.
So weit das Zitat aus der Rede ,des Herrn Ministers Lücke im Wilhelm-Böhler-Haus.
Bei gleicher Gelegenheit hat Herr Kardinal Döpfner in seiner Erwiderung auf diese Rede konkrete Vorschläge von kirchlicher Seite angekündigt. Wenn diese Vorschläge vorliegen, wird die Bundesregierung in Beratungen darüber eintreten, und sie wird Gelegenheit nehmen, das Hohe Haus zu gegebener Zeit über den Fortgang der Angelegenheit zu unterrichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt nur chronologisch geschildert haben, wie es zu der Pressemeldung gekommen ist, aber meine Frage nicht beantwortet haben, darf ich Sie fragen, ob Sie zur Frage selbst auch eine Antwort haben.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte mir, Herr Kollege Dorn, einen Kommentar zu Ihrer Kritik versagen. Wenn Sie das, was ich hier verlesen habe, noch einmal aufmerksam nachlesen, werden Sie feststellen, daß es keine chronoligsche Darstellung eines Vorgangs, sondern die Darstellung der Auffassung gewesen ist, die der Herr Bundesminister des Innern in dieser Frage hat.
({0})
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, konkret fragen, ob das, was Sie ausgeführt haben, besagt, daß die Bundesregierung trotz der Aussage des Herrn Bundesinnenministers keine konkreten Vorstellungen über die Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat hat, sondern die Kirche auffordert, sie möge Vorstellungen entwickeln, über die man dann mit ihr reden wolle.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dies ist Ihre Interpretation, Herr Kollege Dorn, die ich persönlich für falsch halte. Ich glaube, daß sie durch das, was ich vorgetragen habe, auch nicht gestützt werden kann.
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Herr Moersch, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gehört zu diesen Vorstellungen über die Neuordnung, die hier diskutiert werden, etwa auch die Vorstellung über die Gründung eines privaten katholischen Schulwerkes auf - wie mir gesagt wurde - öffentlich-rechtlicher Basis? Sind derartige Zusammenhänge besprochen worden?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte mich nicht wiederholen, Herr Kollege Moersch, aber noch einmal sagen, daß der Herr Bundesinnenminister die Kirchen aufgefordert hat, Vorschläge vorzutragen. Wenn sie vorliegen, werden wir darüber zu reden haben.
Zweite Zusatzfrage, Herr Moersch.
Ist bei der von Ihnen vorhin zitierten Konferenz diese Frage, die ich eben gestellt habe, nicht von dem Kirchenvertreter mit angesprochen worden?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es hat bei dieser Gelegenheit die von mir bereits erwähnte Rede von Herrn Kardinal Döpfner gegeben, die ich hier habe, aus der ich auch zitieren könnte. Die Frage ist, wenn ich den Text, den ich heute morgen noch einmal nachgelesen habe, richtig in Erinnerung habe, bei dieser Gelegenheit von Herrn Kardinal Döpfner nicht vorgetragen worden. Ich kann mich aber irren. Ich werde das noch einmal an Hand des Textes überprüfen.
Eine Zusatzfrage von Herrn Genscher.
Herr Staatssekretär, hat diese Aufforderung des Herrn Bundesministers des Innern einen Zusammenhang mit den jetzt gepflegten Konsultationen zwischen der Bundesregierung und dem Heiligen Stuhl?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Rede datiert, wie ich gesagt habe, vom 11. April dieses Jahres. Sie steht also sicherlich in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang. Im übrigen verfolgen selbstverständlich die Bundesregierung und auch der Bundesminister des Innern Vorgänge, die möglicherweise mit in ihren Zuständigkeitsbereich gehören. Ich bin sicher, daß der Bundesminister des Innern derartige Vorgänge bei seinen eigenen Vorstellungen und Überlegungen in dem Rahmen berücksichtigen wird, der ihnen jeweils gebührt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Genscher.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei der von ihr gewünschten Neuregelung des Verhältnisses von
Staat und Kirche, soweit es die evangelische Kirche angeht, alles unterbleiben muß,. was den evangelischen Christen im anderen Teil Deutschlands das Festhalten an der Einheit der evangelischen Kirche erschweren könnte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin ganz sicher, daß darüber volle Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten besteht. Ich benutze sehr gern die Gelegenheit Ihrer Frage, Herr Kollege Genscher, darauf hinzuweisen, daß Herr Kardinal Döpfner in seiner Rede, die ich bereits erwähnt habe, ausdrücklich gesagt hat - ich darf ihn insoweit zitieren -:
Es versteht sich von selbst, daß die eben nur sehr knapp angedeuteten Ansätze wie so viele Fragen des rechten Verhältnisses von Kirche und Staat nur im brüderlichen Einvernehmen mit unseren evangelischen Brüdern weiter bedacht und verfolgt werden können.
Ich glaube, daß dies genau die Auffassung ist, in der sich, wie ich hoffe, auch dieses Haus einig sein wird.
({0})
Ich rufe dann die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) auf:
Ist in absehbarer Zeit mit der Öffnung der Grenze zur CSSR in Bayerisch Eisenstein oder an anderen Orten der Landesgrenze in Bayern zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wie Ihnen bekannt ist, Herr Kollege, würde die Bundesregierung jede Initiative der tschechoslowakischen Seite zur Wiedereröffnung weiterer Grenzübergangsstellen begrüßen. Zur Zeit bestehen allerdings leider keine Anhaltspunkte dafür, daß daß in absehbarer Zeit mit der Öffnung von Eisenbahn- oder Straßenübergängen bei Bayerisch Eisenstein oder an anderen Stellen der Grenze zur Tschechoslowakischen Republik gerechnet werden kann. Dies ist durch eine neuerliche Rückfrage beim Bayerischen Staatsministerium des Innern erneut bestätigt worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es überhaupt Bemühungen seitens der Bundesregierung, die Frage der Grenzöffnungen an der Landesgrenze in Bayern zu aktivieren und unter Umständen mit der Schutzmacht darüber zu reden, welche Möglichkeiten der Öffnung der Grenze sich anbieten?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die tatsächlichen Möglichkeiten, die wir haben, Herr Kollege, sind natürlich sehr durch den Umstand behindert, daß, wie Sie wissen, keine diplomatischen Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
Deutschland bestehen. Im übrigen vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß in diesen Fragen die Initiative von der tschechoslowakischen Seite ausgehen sollte, und zwar deswegen, weil die Übergangsstellen von der Tschechoslowakei im Jahre 1945 einseitig geschlossen worden sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird es seitens der Bundesregierung Reaktionen darauf geben, daß nunmehr nach einer Mitteilung des Landrats von Cham die CSSR bereit ist, mindestens den Güterverkehr bei Bayerisch Eisenstein zu ermöglichen an Steile des nun von allen Beteiligten dort zunächst einmal gewünschten Personen- und Güterverkehrs?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dies wäre sicherlich nur eine beschränkte Verbesserung der Situation. Aber auch eine solche Teilverbesserung würde begrüßt werden, und von unserer Seite würde - soweit notwendig - sicherlich das etwa technisch Erforderliche geschehen, um den Übergang dann so teilweise zu öffnen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Unertl.
Herr Staatseskretär, treffen dann Pressenachrichten zu, die sich ungefähr auf das beziehen, was der Herr Kollege Fritsch jetzt gerade andeutete, daß nämlich die Tschechoslowakei auch gar nicht an der Öffnung der Grenze für den Personenverkehr bei Bayerisch Eisenstein interessiert ist, wobei in dem Organ, das ich hier zitieren möchte, ohne es zu nennen, nachzulesen ist, daß man wenigstens die Gütertransporte dort über die Grenze lassen möchte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann das, Herr Kollege Unertl, zur Zeit aus eigener Kenntnis nicht beantworten. Bisher haben wir, wie ich vorhin gesagt habe, leider wenig Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Tschechoslowakei eine Öffnung des Übergangs insgesamt für möglich hält oder beabsichtigt. Ob eine teilweise Erleichterung eintreten könnte, bleibt zu prüfen und abzuwarten.
Eine Zusatzfrage von Herrn Becher.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß solche Anfragen zum Anlaß genommen werden sollten, generell an die Tschechoslowakei die Aufforderung zu richten, alle Grenzübergänge zu öffnen, weil sonst in der Weltöffentlichkeit der Eindruck entstünde, die Bundesregierung sei daran schuld, daß keine Grenzübergänge offen sind?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich muß wiederholen - und Sie wissen das natürlich, Herr Kollege -, daß die Schließung der Übergänge nicht auf irgendwelche Aktionen von unserer Seite beruht - wir würden selbstverständlich bereit sein, die Grenze zu öffnen -, sondern auf der einseitigen Schließung der Grenzübergänge durch die Tschechoslowakei bereits im Jahre 1945 beruht.
Eine zweite Zusatzfrage von Herrn Becher.
Herr Staatssekretär, könnte die Bundesregierung nicht die Erörterung dieser Frage zum Anlaß nehmen, vor aller Weltöffentlichkeit an die Tschechoslowakei auch den Appell zu richten, den Minengürtel und den Stacheldrahtverhau, die quer durch Berge und Wälder gehen, endgültig zu beseitigen, zumal sie weder mit der Politik ,der friedlichen Koexistenz noch mit der Politik der Entspannung noch mit den in Mitteleuropa bestehenden Ansichten über eine Kulturlandschaft übereinstimmen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin sicher, Herr Kollege, daß die Bundesregierung mit der Auffassung, die Ihrer Frage zugrunde liegt, völlig übereinstimmt.
Die Frage 17 wird vom Herrn Bundesminister für Verkehr beantwortet.
Ich rufe Frage 18 der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesjustizministers, daß bei Beratungsgegenständen, zu denen die Bundesregierung sich keine Meinung gebildet hat, die physische Anwesenheit des zuständigen Bundesministers im Bundestag nicht erforderlich sei?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Art. 43 Abs. 1 des Grundgesetzes legt das Recht des Bundestages fest, die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung zu verlangen. Aus dieser Formulierung des Grundgesetzes ergibt sich, daß die Bundesminister nicht auf Grund der Verfassung gehalten sind, von vornherein bei jeder sie berührenden Bundestagsverhandlung anwesend zu sein. Vielmehr liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Bundesministers, zu entscheiden, ob er etwa anderen dienstlichen Obliegenheiten zunächst nachkommen soll oder ob die Teilnahme an einer Verhandlung des Bundestages für ihn vordringlich ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Funcke.
Darf ich daraus schließen, daß in Zukunft die Damen und Herren Minister auf der Regierungsbank nur dann anwesend sein werFrau Funcke
I den, wenn die Regierung sich jeweils eine Meinung zu anstehenden Fragen gebildet hat?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube nicht, daß dieser Schluß geechtfertigt ist, Frau Kollegin.
Eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, kann man aus Ihrer Antwort nicht schließen, daß es eigentlich üblich sei, daß die Minister nur dann anwesend sind, wenn der Bundestag es ausdrücklich verlangt?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister 'des Innern: Ich glaube, Herr Moersch, daß die Erfahrung, die ja auch Sie seit einer geraumen Zeit in diesem Hohen Hause haben, Ihre Vermutung widerlegt.
Wie erklären Sie sich dann, Herr Staatssekretär, die Antwort, die dem Bundestag von idem Herrn Bundesminister der Justiz auf diese Frage kürzlich gegeben worden ist?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube nicht, Herr Kollege Moersch, daß es einem Parlamentarischen Staatssekretär zusteht, von dieser Stelle aus das Verhalten eines Bundesministers irgendwelcher Bewertung zu unterziehen.
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Eine Zusatzfrage, Herr Genscher.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in Ihrer ersten Antwort vor allen Dingen juristische Gesichtspunkte herausstellten, darf ich Sie fragen: Teilen Sie nicht die Meinung, daß es bei dieser Frage nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine parlamentarische Stilfrage geht?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern : Auch dazu sage ich, daß die Frage, was in einer konkreten Situation der dem Hohen Hause angemessene Stil ist, zweckmäßigerweise von diesem Hohen Hause selber entschieden wird.
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Eine Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß, wenn Fragen an die Bundesregierung gestellt werden, die einen Minister betreffen, und Sie als Parlamentarischer Staatssekretär nicht antworten wollen, es dann zweckmäßigerweise der Minister wenigstens in diesem Hause tun sollte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich weiß nicht, worauf Sie abzielen. Ich glaube, daß ich die Fragen, ,die mir gestellt worden sind, beantwortet habe.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, sollte es Ihnen entgangen sein, daß Sie bei 'der Beantwortung der Zusatzfrage der Frau Kollegin Funcke gesagt haben, Sie 'als Parlamentarischer Staatssekretär wollten diese Frage nicht beantworten, weil es gegenüber einem Minister für Sie vielleicht peinlich sein könnte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr 'Kollege, das ist keine Frage der Peinlichkeit, sondern eine Frage des guten Stils. Ich glaube, auch wenn an meiner Stelle der Herr Bundesminister des Innern hier stünde, würde er sicherlich sinngemäß eine gleiche Antwort geben, nämlich die, daß ein Bundesminister wohl nicht das Verhalten eines anderen Bundesministers hier einer Wertung unterziehen sollte.
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Dies steht allen Mitgliedern des Hohen Hauses, zu denen ich mich selbst mit Freude zähle, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments zu. Im übrigen besteht nur der dem Herrn Bundeskanzler durch ,das Grundgesetz gezogene Rahmen, in dem er in gewissem Umfang das Verhalten der Bundesminister Wertungen unterziehen kann.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes ({0})
- Drucksachen V/48, V/1581, zu V/1581, V/1582 Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
- Drucksache V/1632 ({1})
Wird eine allgemeine Aussprache gewünscht? - Sie wird gewünscht.
Frau Funcke hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! „Die Umsatzsteuer stellt deshalb kein geeignetes Instrument für gezielte wirtschafts-und gesellschaftspolitische Maßnahmen dar." Das stand in der Begründung des ursprünglichen Antrages, den im Namen der damaligen, von CDU/CSU und FDP gebildeten Regierung der FDP-Minister
Dahlgrün eingebracht hatte. Ich glaube, es tut gut, sich am Ende einer langen Reise von fast vierjährigen Beratungen gelegentlich an die Grundsätze zu erinnern, die uns seinerzeit zu dem Schritt bewogen haben und auch Grundlage der heutigen Beratung sind.
Dieses Gesetz sollte eine Reihe von Zielen erfüllen, von deren Notwendigkeit wir überzeugt waren. Auf der einen Seite soll das Gesetz die Wettbewerbsneutralität im Innern herstellen, eine Neutralität, die deshalb zur Zeit nicht gegeben ist, weil der Umsatz bei jedem Übergang von Betrieb zu Betrieb steuerlich erfaßt wird und damit konzernierte Betriebe günstiger gestellt sind als Betriebe, bei denen die Waren beim Umsatz von Stufe zu Stufe in fremde Hände gehen. Dieses Anliegen der Gleichstellung ist durch den vorliegenden Gesetzentwurf zweifelsohne erfüllt.
Als weiteres sollte der Gesetzentwurf die Neutralität zum Ausland herstellen, und zwar dadurch, daß alle bis zur Ausfuhr gezahlte Mehrwertsteuer beim Übergang in das Ausland voll zurückgegeben wird, ohne daß eine neue Umsatzsteuerverpflichtung entsteht. Auch dieses Ziel ist durch die jetzt vorliegende Fassung erfüllt.
Meine Fraktion bejaht dieses Reform-Gesetz, wenn auch an einzelnen Punkten - wir kommen bei den Änderungsanträgen noch darauf zurück - diese Grundsätze nicht voll beachtet worden sind. Ich denke z. B. daran, daß zwar alle Lieferungen, nicht aber alle Leistungen an der Grenze entlastet werden sollen. Wir werden darüber später noch sprechen, denn es erscheint uns nicht gut, daß man diesen Grundsatz an dieser einzigen, kleinen Stelle durchbrochen hat. Es sollte die völlige Wettbewerbsneutralität in den heutigen Abstimmungen hergestellt werden.
Auch das dritte Anliegen, eine europäische Harmonisierung vorbereiten zu helfen, erfüllt das Gesetz. Es ist sicherlich gut, daß der Entwurf, den wir heute in weitgehender Übereinstimmung bis hierher gebracht haben, der Ausgangspunkt auch für Überlegungen der übrigen Länder sein könnte. Er hilft mit auf dem Wege, mindestens im Bereich der Steuern zu einer Harmonisierung im europäischen Raum zu kommen.
Eine weitere Zielsetzung für uns alle war, zu erreichen, daß wir in der Preiskalkulation zur Nettokalkulation mit nachträglich aufgeschlagener Steuer kommen. Das ist eine Voraussetzung der Wettbewerbsneutralität. Um diese Frage der Nettokalkulation werden wir uns allerdings noch etwas mühen müssen. Wir alle sind uns darüber einig - und gerade wir Freien Demokraten freuen uns darüber -, daß wir zum Vollabzug bei den Investitionen kommen werden. Das ist ein Punkt, den wir seit der ersten Lesung hartnäckig verfolgt haben, weil eine nicht hinreichend entlastete Investition zwangsläufig zu Bruttokalkulationen und damit wieder zu Steuerkumulation und Preiserhöhungen führt. Wir freuen uns also, daß wir zum Vollabzug kommen, wenn auch erst in Stufen, die wir schweren Herzens zwar mitzumachen bereit sind. Über einen weiteren Punkt aber, der den Übergang zur Nettokalkulation erschwert, sind wir uns jedoch in diesem Hause noch nicht einig. Darüber werden wir uns heute sehr intensiv unterhalten müssen. Ich meine die Entlastung der Altvorräte. Hier geht es ja darum, daß der Staat von allen Waren zweimal Steuern haben möchte. Einmal in Form der bis dahin angewachsenen kumulierten Umsatzsteuer, die beim Übergang zur Mehrwertsteuer in den Warenbeständen noch enthalten ist und deswegen natürlich kalkuliert werden muß, und dann in Form der Mehrwertsteuer bei einem Verkauf nach dem Stichtag in Höhe von weiteren 5 oder 10%.
An dieser Stelle wird es nun offensichtlich schwierig zwischen denen, die sich zur „konzertierten Aktion" bekennen. Denn was sich bei dieser Frage in den letzten Wochen an Dissonanzen zwische den Koalitionspartnern, zwischen den zuständigen Ministern untereinander und zwischen der Regierung vorgestern abend und den Fraktionen der neuen Koalition gestern abgespielt hat, ist sicherlich von Ihrer Seite aus schwerlich der Wirtschaft und den Beteiligten als eine „konzertierte Aktion" darzubieten. Wir sind immer noch ein bißchen in Erwartung, was denn nun eigentlich Ihre heutige Vorlage und Ihr heutiger Beschluß sein werden, nachdem - das darf ich zu unserer Genugtuung mit aller Offenheit sagen - wenigstens der zweite Teil des Kabinettsbeschlusses von Ihnen abgelehnt worden ist. Ich meine jenen Teil, wo es nach den Vorschlägen der Regierung heißt, daß die Steuer zwar mit 10% eingeführt wird, aber schon nach einem Jahr auf 10,5% angehoben werden soll.
Meine Herren und Damen, wir sind uns bisher in diesem Hause einig gewesen, daß die Steuer mit 10 % begonnen werden und möglichst lange auch bei 10% bleiben sollte. Daher ist es nur logisch, daß der Vorschlag der Regierung von vorgestern abend in den Koalitionsfraktionen auf Widerstand gestoßen ist. Das um so mehr, als mit diesen 0,5 % Plus eine große Unsicherheit schon in die Einführung der Mehrwertsteuer hineingebracht worden wäre. Denn so schnell rechnet es sich nicht um, so schnell können die Kalkulationen nicht umgestellt werden, und so schnell ist auch die Umstellung bis in das Formularwesen hinein nicht möglich.
Wir sind ein absoluter Gegner einer stückweisen Erhöhung der Umsatzsteuer in kleinen Stufen, weil jede Umstellung bis in die Buchhaltung, in die Formulare und in die Abrechnung hinein große Umstellungen mit sich bringt.
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Wir sind ebenso froh darüber, daß Sie offensichtlich auch jenen Antrag der Regierung abgelehnt haben, nämlich die Beruhigungspille: die Regierung zu ermächtigen, möglicherweise doch bei dem Satz von 10% zu bleiben.
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Diese fatale Neigung der derzeitigen Regierung zu Ermächtigungen führt allmählich bei all denen zu wachsender Besorgnis, die davon betroffen sind. So schön es für Abgeordnete sein mag, ein Problem dadurch loszuwerden, daß man es mit einer ErmächFrau Funcke
tigung an die Regierung abgibt - und das mag in den Fraktionen durchaus zur Beruhigung beitragen -, so ungewiß wird es dann für die Betroffenen draußen. Was wir in diesem Hause schon an Ermächtigungen haben annehmen sollen und in den nächsten Tagen mit Ihrer Zustimmung noch annehmen werden, führt zu einer wachsenden Unsicherheit im Wirtschaftsablauf.
({2})
Sie können gar nicht so schnell und so wirksam für die Fortenwicklung der Wirtschaft mit Investitionshaushalten und dergleichen sorgen, wie Sie gleichzeitig dadurch verlieren, daß Sie die Wirtschaft immer wieder vor völlig neue Eingriffe stellen, sei es in der Steuer, sei es in der Abschreibung oder wo immer.
Eine Wirtschaft, die nicht mit stabilen Steuern rechnen kann, ist eben instabil oder trägt den Keim der Instabilität in sich.
({3})
Wenn Sie Stabilität in der Wirtschaft haben wollen, dann stoppen Sie bitte diese Neigung zur unerwarteten Ausnutzung von Ermächtigungen. Ein entscheidender Punkt der Ermächtigungen ist es doch, daß sie unerwartet neues Recht setzen sollen, weil man den Weg durch das Parlament als zu langwierig ansieht. Man will den Dispositionen der Betroffenen zuvorkommen, und das gerade erscheint uns von der FDP verhängnisvoll.
Frau Abgeordnete Funcke, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Seuffert?
Bitte!
Frau Kollegin Funcke, nach diesen Ausführungen, denen ich durchaus zustimmen möchte, darf ich fragen: Warum beantragt eigentlich Ihre Fraktion eine Ermächtigung zu § 28 des Gesetzes?
Herr Kollege Seuffert, darauf komme ich gleich, wenn wir den § 28 behandeln. Dort geht es wirklich um eine kleine Detailfrage
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im Rahmen der Ermächtigung, wie Sie sie auch bei diesen umfassenden Gesetzen für notwendig halten. Aber was hier zur Debatte steht oder stand, nämlich einfach die Höhe der Steuersätze in die Ermächtigungen genereller Art einzubeziehen, ist doch etwas mehr als eine Ermächtigung zur Abgleichung von erkennbaren Ungereimtheiten,
({1})
die sich, wie Sie genau wissen, auf das durch den Windbruch gelagerte Holz bezieht. Darauf kommen wir nachher noch, und ich nehme an, daß Ihre Fraktion sogar dafür ist.
Wir sind nach wie vor der Meinung, daß die Entlastung der alten Vorräte ein Kernproblem der wirtschaftspolitischen Entwicklung der nächsten Monate ist. Deswegen sind wir über den anderen Teil Ihrer Entscheidungen nicht so erfreut, daß Sie nämlich nur eine Entlastung von unter 70% beantragen.
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- Unser Antrag kostet gar nicht so sehr viel mehr. Die rund 100 Millionen DM, um die Ihr Antrag billiger ist, werden Sie über den Investitionshaushalt und ähnliche Dinge zur Ankurbelung der Wirtschaft mit Sicherheit zusätzlich aufbringen müssen.
Ich habe schon in der zweiten Lesung gesagt, daß unser Antrag, wenn man es recht bedenkt, in Abwägung der Sorgen der Regierung und der Betroffenen ausgewogen und realisierbar ist. Deshalb haben wir uns auch trotz allem liebevollen. Zuspruch, unseren Antrag zugunsten Ihres Antrags zurückzuziehen, dazu nicht entschließen können. Sie, Herr Kollege Seuffert, haben uns in der zweiten Lesung zugerufen, wir machten erst die Wirtschaft scheu, wir brächten sie erst durch unsere Argumentation dazu, sich in den Warendispositionen zurückzuhalten. Ich glaube, was inzwischen alles an Argumenten auf Sie zugekommen ist, nicht zuletzt von den SPD-Länderfinanzministern, müßte uns alle miteinander überzeugt haben, daß es hier nicht darum geht, Agitationsanträge zu stellen und die Leute erst verrückt zu machen, sondern daß man hier vor einem sehr ernsten Problem der Wirtschaft steht, das unser aller Aufmerksamkeit und Sorge nötig hat.
Daher hoffen wir, daß unser Antrag in letzter Minute doch noch Ihre Zustimmung findet, wobei von der finanziellen Seite her gesehen unser Antrag die Verrechnung auf zwei Jahre vorsieht und daher für den Herrn Finanzminister tragbarer ist.
({3})
Eine weitere Hoffnung war - und die gehört schon in den Bereich der frommen Wünsche, die nicht ganz in Erfüllung gehen -, daß wir die vielen Verzerrungen und Ungereimtheiten des alten Umsatzsteuerrechts wenigstens weitgehend durch ein lupenreines und glasklares System beseitigen könnten. Das ist zweifellos nicht so ganz gelungen. Systemreinheit und Glasklarheit einerseits und gewisse Rücksichten sozialer, politischer oder kultureller Art andererseits sind nun einmal - das ist kein parteipolitisches Problem - nicht immer in Übereinstimmung zu bringen. Dennoch hätten wir gewünscht, daß manche unnötigen Verzerrungen und Ungleichheiten vermieden worden wären. Ich erinnere hier an die wenigen privaten Krankenanstalten mit den 1,1% Krankenbetten, die nach der derzeitigen Fassung aus der Steuerfreiheit herausfallen. Ich erinnere hier vor allen Dingen an unseren Antrag hinsichtlich der Gaststätten. Es stand in der ursprünglichen Begründung, die noch von der früheren Regierung stammt, daß die Systemreinheit der Umsatzsteuer nicht durchbrochen sei, wenn gewährleistet sei, daß miteinander in Wettbewerb stehende
Waren nicht verschieden belastet würden. Hier aber sollen im Wettbewerb stehende Waren unterschiedlich belastet werden, denn, meine Herren und Damen, es ist heute wie gestern nicht einzusehen, warum ein Stück Kuchen auf einem Papptablett und in Papier gepackt etwas anderes ist als ein gleiches Stück Kuchen, das man auf einen Porzellanteller legt. Das muß man uns doch klarmachen, warum es sich hier um zwei verschiedene Dinge handelt. Wir sind der Meinung, an dieser Stelle ist die Frage nach der Gleichheit vor dem Gesetz entscheidend gestellt.
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Wir wollten weiterhin die Aufbringungsgleichheit. Das heißt, die neue Umsatzsteuer sollte dem Staat nicht mehr und auch nicht weniger an Umsatzsteuer einbringen, als sie bei Fortsetzung des bisherigen Umsatzsteuergesetzes einschließlich der abzulösenden Beförderungsteuer gebracht hätte. Nun, meine Herren und Damen, wir sind alle darauf angewiesen, Berechnungen hierzu zu glauben oder nicht zu glauben. Man kann die Einnahmen aus- dem neuen Umsatzsteuergesetz nicht exakt berechnen, trotz aller sorgfältigen Bemühungen; hier beginnt also letztlich der Bereich des Tastens oder des Glaubens. Nur haben wir den Eindruck, daß das Ministerium - jetzt ist Herr Kollege Schulhoff gerade draußen, der eben nach den Mitteln für unsere Anträge gefragt hatte - eine größere Reserve einkalkuliert hat, als sie möglicherweise notwendig ist. Wir nehmen das dem Ministerium nicht übel. Es gehört nun einmal zu der Vorsicht eines jeden Finanzministers, daß er nicht leichtfertig kalkuliert. Aber ich glaube, es gehört ebenso zu der Sorgfalt eines Parlaments, daß es nicht jede Berechnung des Ministeriums für ein Evangelium nimmt. Wir sind der Auffassung, daß hier Reserven sind. Wir möchten sie nicht einmal alle verzehren. Aber wir sind auf der anderen Seite der Meinung, daß wir deswegen nicht auf notwendige Anträge zur Gleichstellung verzichten müssen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0})?
Bitte sehr!
Frau Funcke, halten Sie es .für erlaubt, diese Behauptung in diesem Hohen Hause aufzustellen, ohne auch nur ein Wort der Begründung zu sagen?
Ich wollte gerade darauf kommen, .Herr Kollege Schmidt. Ich danke Ihnen, daß Sie mich daran erinnert haben.
Ich habe in der zweiten Lesung ein Wort der Begründung angeführt, nämlich die Äußerungen von Herrn Bundeswirtschaftsminister Schiller bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, der ganz eindeutig durchblicken ließ, daß sich die Finanzmisere mit der Einführung der Nettoumsatzsteuer erleichtern würde. Dies ist allerdings ein Kronzeuge, von dem wir annehmen, daß wir ihm glauben können.
Wenn das Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller widerlegen kann - bisher hat er es nicht getan -, sind wir durchaus bereit, mit Ifo-Gutachten und ähnlichem in ,die Einzelheiten der Materie einzusteigen. Aber bisher steht dieses Wort eindeutig im Raum und gibt uns die Begründung für diese Behauptung.
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Das ganze Haus bewegt sicherlich der Wunsch, den Übergang zur Mehrwertsteuer all denen, die davon betroffen sind, soweit wie möglich zu erleichtern. Betroffen sind einmal die Steuerpflichtigen. Ich möchte dem Hohen Hause noch einmal besonders ans Herz legen, nicht zu leicht mit formalen Paragraphen über die unendlichen Schwierigkeiten in der Wirtschaft hinwegzugehen, Schwierigkeiten, die zweifelsohne dadurch besonders groß sind, daß der Übergangszeitraum zu knapp bemessen ist. Wir sollten das .Äußerste tun, den Steuerpflichtigen diesen Übergang von Staats wegen zu erleichtern und nicht noch zu erschweren. Wir werden Ihnen dazu eine Resolution vorlegen.
Zugleich sollten wir in besonderem Maße an die vielen Bediensteten in den Finanzämtern denken, auf deren Rücken ja diese Steuer ausgetragen wird bzw. die mit unendlich viel Arbeit und Mühe zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Gesetz stehen und nach beiden Seiten hin die Schwierigkeiten aushalten müssen. Hier ein Wort im vorhinein: Wir sollten sagen, daß wir auch deren Sorgen verstehen und mittragen und bereit sind, ihnen durch größere Zustimmung zu Stundung und Erlaß die Arbeit zu erleichtern. Dieses Anliegen möchten wir hier deutlich aussprechen und auch noch den Wunsch äußern, daß bei weiteren Steueränderungen, vor allen Dingen solchen, die durch Steuerermächtigungen auf uns zukommen sollen, den Finanzbeamten die Arbeit nicht noch schwerer gemacht wird, sondern daß nach Möglichkeit andere Umstellungen etwas hintangestellt werden, jedenfalls soweit sie Erschwerungen mit sich bringen.
Meine Herren und Damen, ich habe mir sagen lassen, daß die Einführung von Gleitklauseln sich in der Wirtschaft einspielt, daß man aber die größten Schwierigkeiten hat, eine Gleitklausel in einen Vertrag mit der öffentlichen Hand aufzunehmen. Hier ein Wort an alle, die es angeht, d. h. an alle öffentlichen Hände, Herr Bundesfinanzminister, verbunden mit der Bitte, zur Aufnahme von Gleitklauseln bereit und großzügig zu sein auf diesem unbekannten Gebiet. Das ist uns ein großes Anliegen. Denn es ist für jemanden, der morgen bereits ein Angebot abgeben muß für einen Auftrag, der erst im nächsten Jahr abgewickelt wird, sehr schwer, richtig kalkulierte Zahlen anzugeben. Hier müssen wir einfach von allen Seiten weitgehend entgegenkommen.
Wir bitten auch die Bundesregierung, in all den
Fällen, in denen die Einführung der Mehrwertsteuer Rückwirkungen auf andere Gebiete hat, bald und entgegenkommend diese Fragen aufzugreifen und zu behandeln. Ich führe hier nur stellvertretend für manches andere an, daß die Pauschalregelung, die im Verwaltungswege zur Besteuerung der SpielFrau Funcke
automaten vorgesehen ist, natürlich angepaßt werden muß. Dazu gehört auch die Frage, wie Notare und Anwälte ihre Gebühren - brutto oder netto - einsetzen können. All diese Regelungen bitten wir beschleunigt zu treffen, damit sich die Wirtschaft in Ruhe und rechtzeitig darauf einrichten kann.
Zum Abschluß darf ich meinen Dank den Mitarbeitern im Finanzministerium und in diesem Hause aussprechen, die uns über dreieinhalb Jahre hin bis in die letzten, sehr drängenden Tage hinein und ohne Rücksicht darauf, welche Koalition bestand, mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Auch die Änderungen der letzten Stunde, die heute auf unseren Plätzen liegen - wahrscheinlich werden wir schon morgen wieder neue wissen -, sind nicht zuletzt mit Hilfe der Damen und Herren im Ministerium und in diesem Hause zustande gekommen. Ich möchte an dieser Stelle - Herr Dr. Schmidt, nehmen Sie es mir nicht übel - gerade betont als Opposition diesen Dank aussprechen.
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Zur allgemeinen Aussprache liegt keine Wortmeldung vor. Wir treten in die Einzelberatung ein.
Zu den §§ 1 bis 3 liegen Änderungsanträge nicht vor. Der erste Änderungsantrag liegt vor zu § 4 Nr. 12, auf Umdruck 198*). Bei diesem Umdruck der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP geht es um die Nr. 12 Buchstabe a. Ein Plural - „Verpachtungen und Vermietungen" - soll in einen Singular - „Verpachtung und Vermietung" - verwandelt werden. Ich nehme an, daß es sich um eine redaktionelle Verbesserung handelt.
Keine Begründung, keine Aussprache dazu. Das Haus ist mit dieser Änderung einverstanden. Das ist so beschlossen.
Der nächste Änderungsantrag liegt vor zu § 4 Nr. 14, auf Umdruck 195 **). Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Tamblé.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzausschuß hat in den Drucksachen V/1581 und zu V/1581 beantragt, daß ärztliche und zahnärztliche Leistungen in § 4 Nr. 14 aus sozialpolitischen Gründen generell von der Mehrwertsteuer befreit werden. Diese Befreiung soll aber nicht gelten für die Lieferung von Einzelkronen, Brücken und herausnehmbarem Zahn-, ersatz.
In dem Schriftlichen Bericht wird darauf hingewiesen, daß der Finanzausschuß der Auffassung ist, daß sich durch die Befreiung dieser Leistungen eine Wettbewerbsverzerrung und möglicherweise eine Tendenz zur Ausschaltung der selbständigen Zahntechniker ergeben könnten. Obwohl meiner Auffassung nach kein hinreichender Grund für die Einbeziehung von Zahnersatz in die Mehrwertsteuer besteht - weitere Ausführungen hierzu möchte ich
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
dem Hohen Hause in Anbetracht der angespannten Geschäftslage ersparen -, beabsichtigen wir mit unserem Änderungsantrag zweierlei: erstens den Befürchtungen des Handwerks Rechnung zu tragen und zweitens alle Zahnärzte, die kein praxiseigenes Laboratorium besitzen, von einem unzumutbaren großen Verwaltungsaufwand zu befreien.
Aus diesen Gründen bitten wir, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 195 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, es können sich jetzt einige Schwierigkeiten ergeben. Die Änderungsanträge sind etwas spät eingegangen; sie liegen also nicht immer vor. Ich bitte, sie hier zu verlesen, und verweise auch auf die Geschäftsordnung, die es möglich macht, zum Schluß der Beratung die Abstimmung zu wiederholen, also erst dann zu wiederholen, wenn der Text allen Mitgliedern des Hauses vorliegt.
Das Wort hat Herr Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen aus den Unterschriften unter dem vorliegenden Antrag, daß er sowohl von ärztlicher Seite wie von seiten des beteiligten Handwerks befürwortet wird.. Die Verwaltung hat einige Bemerkungen über Schwierigkeiten gemacht, die entstehen könnten. Das sind aber doch wohl überwindbare Schwierigkeiten. Wir empfehlen im Einverständnis der Koalition Annahme des Antrages.
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 195 zu § 4 Nr. 14 lit. b. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Der nächste Änderungsantrag liegt zu Nr. 15 auf Umdruck 199 *) der drei Fraktionen des Hauses vor. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Kollege Schulhoff!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich darum, eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, die dadurch entstehen würde, daß die Versorgungsstellen dasselbe ohne Umsatzsteuer verkaufen, was die Einzelhändler und Handwerker mit Umsatzsteuer verkaufen müssen. Ich freue mich, daß die drei Fraktionen sich auf diese Gesetzesänderung geeinigt haben. Es soll also dem § 4 Nr. 15 angefügt werden:
Das gilt nicht für die Lieferungen von Brillen und Brillenteilen sowie von den in Nummer 45 der Anlage 1 bezeichneten Gegenständen.
- Das letztere sind Körperersatzstücke, orthopädische Apparate und andere orthopädische Vorrichtungen.
Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
*) Siehe Anlage 4
*) Siehe Anlage 5
Wird das Wort zu dem Antrag auf Umdruck 199 gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 199 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Der nächste Änderungsantrag *) liegt zu Nr. 20 vor. Wird er begründet? - Frau Funcke hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In dem Katalog von öffentlichen Veranstaltungen, die von 'der Umsatzsteuer freigestellt werden sollen, sind öffentliche Theater, Konzerte, Museen, Archive usw. enthalten. Nicht aufgenommen sind die Zoologischen Gärten und die Botanischen Gärten. Nach unserer Auffassung gehören sie unbedingt hinein. Sie haben leinen Antrag der Koalition vorliegen, die Einnahmen aus den Eintrittskarten mit 5 °/o zu besteuern. Das würde zur Folge haben, 'daß wir 'entweder zu laufenden Rückerstattungen oder zu sehr viel Arbeit kommen, aus der nichts herauskommt. Ich habe in diesen Tagen den Haushaltsplan eines Zoologischen Gartens von überregionaler Bedeutung durchgearbeitet und festgestellt, daß, wenn wir ihn mit 10 % besteuern, er nach Abzug der Vorsteuer genauso viel Steuer bezahlt, wie wenn wir ihn mit 0% besteuern und ihn die Vorsteuer tragen lassen. Darum fragen wir uns, ob eine Besteuerung sinnvoll ist. Denn ,es müßte dann dreizehnmal eine Erklärung abgegeben werden, bei der sich herausstellt, daß in Iden ersten vier Monaten des Jahres der Zoologische Garten etwas zurückbekommt, dann vier Monate lang der Zoologische Gartenetwas an das Finanzamt zahlt, weil im Sommer die Einnahmen kommen, und dann wieder vier Monate das Finanzamt dem Zoologischen Garten das Geld zurückerstattet. Wenn man sich 'das zum Schluß besieht, sind über dreizehn Erklärungen hin 2000 DM per Saldo hinüber- und herübergeschoben worden. Das scheint uns nicht sehr sinnvoll zu sein. Deswegen empfehlen wir, die ganze Arbeit zu sparen, d. h. die Besteuerung des Umsatzes einerseits und die Errechnung des Vorsteuerumsatzes andererseits fallenzulassen. Bei den Zoologischen Gärten, die sich selbst tragen, ergibt sich, daß sie bei 10% abzüglich Vorsteuer wahrscheinlich genauso dastehen wie heute bei einer Bruttobesteuerung von 4%, und da haben sie sich auch getragen. Es wäre also für sie keine Mehrbelastung. Letztendlich, meine Herren und Damen, ist ja auch nicht einzusehen, warum eine Ansammlung von ausgestopften Tieren als Museum steuerfrei Mist, während 'eine Ansammlung von lebendigen Tieren einer Steuer unterworfen werden soll.
Wir bitten, den Antrag anzunehmen und die Zoologischen, die Botanischen Gärten sowie die Tierparks aus der Besteuerung herauszunehmen.
({0}) *) Siehe Anlage 5
Das Wort hat Herr Dr. Schmid-Burgk. - Sie verzichten. Dann Herr Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können dem Hohen Hause nur 'empfehlen, die Ziffer 1 des Änderungsantrages Umdruck 194 aus den Erwägungen, die Frau Funcke hier angestellt hat, anzunehmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann stimmen wir über den Änderungsantrag Umdruck 194 Ziffer 1 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen angenommen.
Der nächste Änderungsantrag liegt zu Nr. 25 des § 4 auf Umdruck 1981 unter Ziffer 1 Buchstabe b vor. Es ist ein Antrag der drei Fraktionen des Hauses. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
- Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 198 Ziffer 1 Buchstabe b. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Der Antrag liegt nicht vor, wie ich höre.
({0})
- Ein Teil des Hauses scheint in der Verteilung der Drucksachen benachteiligt zu sein. Der Antrag liegt nicht überall vor. Dann bitte ich doch einen der Antragsteller, den Antrag kurz in Wortlaut und Inhalt vorzutragen. Bitte, Herr Kollege Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um eine redaktionelle Korrektur in § 4 Nr. 25 Buchstabe b des Gesetzes, der die Befreiung der in Verbindung mit Leistungen der förderungswürdigen Träger und Einrichtungen der freien und der öffentlichen Jugendhilfe gewährten Beherbergung, Beköstigung und üblichen Naturalleistungen regelt. Hier ist lediglich ein Umstellung erfolgt, es soll jetzt heißen:
b) in Verbindung mit den unter Buchstabe a bezeichneten Leistungen die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die den Jugendlichen und Mitarbeitern in der Jugendhilfe sowie den bei diesen Leistungen tätigen Personen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewährt werden...
Darf ich fragen, ob jetzt Klarheit über den interfraktionellen Antrag aller Fraktionen des Hauses besteht. - Dann können wir abstimmen. Wer dem Antrag auf Umdruck 198 Ziffer 1 Buchstabe b zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 2
Vizepräsident Dr. Mommer
Der nächste Änderungsantrag liegt auf Umdruck 194 Ziffer 2 *) vor, mit dem Petitum, eine neue Nr. 27 an den § 4 anzufügen.
Wird dieser Änderungsantrag der Fraktion der FPD begründet? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es handelt sich hier im Rahmen der gemeinnützigen Sportvereinigungen um einen Antrag, diejenigen Erlöse aus der Besteuerung herauszulassen, die sich im Verkehr der Sportvereine untereinander ergeben, d. h. gemeinnütziger Verband gegen gemeinnützigen Verband. Wir denken hier vor allem an die Startgelder, die die Vereine bei Freundschaftsspielen untereinander zahlen. Uns erscheint es nicht sinnvoll, hiervon Umsatzsteuer zu erheben. Daher bitten wir, nur für diese Umsätze und im Rahmen der Gemeinnützigkeit die Steuerfreiheit zuzugestehen.
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Eckhardt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Motiv dieses Antrags ist natürlich durchaus anerkennenswert. Ich darf aber auf folgende Punkte hinweisen. Die Sportvereine nehmen bereits als kleine Unternehmen an der Vergünstigung des § 19 teil und unterliegen daher in der Mehrzahl lediglich dem Steuersatz von 4 %. Sie sind außerdem, soweit sie gemeinnützig sind - und das sind sie in der Regel -, nach § 12 nur einem ermäßigten Steuersatz von 5% zu unterwerfen. Schließlich sind Mitgliederbeiträge, die durch den vorliegenden Antrag erfaßt werden, nach einer alten Rechtsprechung des Reichs- und des Bundesfinanzhofs nicht von der Umsatzsteuer betroffen; das heißt, sie sind nicht steuerbar, sie unterliegen überhaupt nicht der Steuer, weil es sich nicht um einen Leistungsaustausch im Sinne des Gesetzes handelt. Schließlich gibt es noch einen alten Erlaß des Reichsministers der Finanzen, der auch heute noch angewendet wird, wonach lediglich der platzhaltende Verein Umsatzsteuer für Eintrittsgelder und dergleichen zu entrichten hat. Bei dieser reichhaltigen „Speisekarte" von Vergünstigungen würde ich Sie bitten, den Antrag, der soeben begründet worden ist, abzulehnen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 194 Ziffer 2. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Zu den §§ 5, 6 und 7 liegen keine Änderungsanträge vor.
Der nächste Änderungsantrag liegt auf Umdruck 194 Ziffer 3 *) zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 vor. Frau Abgeordnete Funcke hat das Wort zur Begründung.
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe schon in der Einführung gesagt, es sei unverständlich, daß diese wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer, die den Waren- und Leistungsverkehr mit dem Ausland von der Umsatzsteuer voll entlasten will, für einen Restbestand von Dienstleistungen erhalten bleibt. Denn nach der derzeitigen Fassung werden bestimmte freiberufliche Leistungen und Beratungen, wenn sie für Ausländer mit Wirkung im Ausland erbracht werden, von der Umsatzsteuer nicht befreit. Wir meinen, daß es der Gleichheit vor dem Gesetz dient, diese Leistungen generell freizustellen. Es ist einfach nicht einzusehen, warum zwar eine wirtschaftliche oder technische Beratung für Ausländer mit Wirkung im Ausland steuerfrei sein soll, nicht aber die steuerliche und rechtliche Beratung, abgesehen davon, daß es vielfach sehr schwierig sein wird, eine wirtschaftliche Beratung von einer steuerlichen oder einer rechtlichen Beratung abzugrenzen. Vielfach wird es sich ergeben, daß diese Beratungen mehr oder weniger für das gleiche Objekt sogar vom gleichen Berater vorgenommen werden, und da ist es einfach nicht einzusehen, warum man das auseinanderteilt.
Wir sollten, wenn wir schon eine große Reform machen, konsequent sein. Vor allen Dingen aber können wir in einer solchen Reform die Begründung nicht akzeptieren, die gegen unseren Antrag immer wieder vorgebracht wird. Man kann nicht sagen: Da die meisten Steuerberater oder Rechtsanwälte ja doch nicht mit dem Ausland konkurrieren, entfällt die Konkurrenzlage, und deswegen brauchen wir sie nicht zu entlasten: Das scheint uns eine falsche Argumentation zu sein. Wenn sie keine Konkurrenz haben, entfällt auch eine Steuerfreiheit. Aber soweit eben eine solche Situation entsteht, ist auch eine Konkurrenzlage gegeben. Die Anwendung des Gesetzes soll nicht davon abhängig sein, wer es nötig hat und wer es nicht nötig hat; es soll vielmehr davon ausgegangen werden, was gerecht ist.
Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag bereits in der zweiten Lesung abgelehnt und haben damals auch die Gründe für unsere Ablehnung dargelegt. Wir sehen keinen Grund, weshalb hier ein Unterschied zwischen freiberuflichen und anderen entsprechenden Leistungen gemacht werden soll. Die Voraussetzungen, unter denen freiberufliche oder andere Leistungen, die nicht in den Nrn. 1 bis 8 des § 8 aufgeführt sind, unter die Exportvergünstigung fallen, sind in Nr. 9 dieses Paragraphen aufgeführt, nämlich Auswertung im Ausland und Nachweis durch den Unternehmer, daß ausländische Umsatzsteuer entrichtet worden ist.
Wir sehen nach wie vor keinen Grund, warum hier ein Unterschied zwischen freiberuflichen und anderen Leistungen gemacht werden soll, es sei
denn, Frau Kollegin Funcke, daß Sie durch Ihre Frage jetzt eine Begründung dafür vorbringen.
Eine Zwischenfrage bitte.
Herr Kollege Seuffert, ist Ihnen entgangen, daß wir nicht nur die freiberuflichen, sondern auch die übrigen beratenden Tätigkeiten mit diesem Antrag erfaßt haben, so daß es sich nicht nur um freiberufliche, sondern auch die von Gesellschaften ausgeführten beratenden Tätigkeiten handelt?
Frau Kollegin Funcke, der übrige Text Ihres Antrages entspricht dem vorgeschlagenen Text des § 8 Nr. 1. Weder in den Nrn. 1 bis 8 - besonders qualifizierte Leistungen - noch in der allgemeinen Klausel des § 9 wird ein Unterschied zwischen freiberuflichen und irgendwelchen anderen Leistungen gemacht. Wir glauben, diesen Unterschied nicht einführen zu können.
Herr Kollege Seuffert, ist Ihnen trotz zweimaliger Begründung entgangen, daß es sich hier nicht um den gleichen Text wie im Bericht handelt, sondern daß wir bitten, neben der wirtschaftlichen und technischen Beratung auch die steuerliche und rechtliche Beratung einzubeziehen und damit also alle denkbaren Leistungen nach dem Ausland hin freizustellen?
Verehrte Frau Kollegin Funcke, wir haben die Frage, ob die rechtliche und steuerliche Beratung für Ausländer einer Steuervergünstigung im Sinne einer Gleichstellung im Export bedarf, seinerzeit im Ausschuß besprochen. Wir haben sie nicht bejahen können.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 194 Ziff. 3. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Zu § 9 liegt kein Änderungsantrag vor, wohl aber zu § 10 auf Umdruck 193*). Herr Ott hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt auf Umdruck 193 ein Änderungsantrag mit dem Ziel vor, in § 10 Abs. 1 als Ergänzung anzufügen: „Auch die Gemeindegetränkesteuer gilt als durchlaufender Posten." Ich kann mich für diesen Antrag um so mehr einsetzen, als er keinen Einnahmenausfall bringt. Es ist nicht einzusehen, weshalb bei einem neuen Umsatzsteuergesetz, das eine größere Gerechtigkeit bringen soll, ausgerechnet auf die Getränkesteuer, die im Bundesgebiet sehr unterschiedlich erhoben wird, in bestimmten Gebieten ein besonderer Zuschlag dadurch
*) Siehe Anlage 6
erfolgen soll, daß die Umsatzsteuer mit 10% auf die Getränkesteuer hinzukommt.
Zur zahlenmäßigen Auswirkung darf ich folgendes sagen: Die Getränkesteuer erbringt im Bundesgebiet ein Aufkommen von 100 Millionen DM, davon allein in Bayern ein Aufkommen von 50 Millionen DM.
({0})
- Meine Damen und Herren, Sie kommen doch sehr gern nach Bayern! Ich möchte, daß Sie dafür nicht damit bestraft werden, daß Sie zu der Getränkesteuer noch einen Zuschlag bezahlen müssen. Sie sind sicherlich damit einverstanden.
({1})
Ich habe gesagt, daß die Erhebung der Umsatzsteuer aus der Getränkesteuer zu ungleichmäßigen Belastungen führt, so daß Sie in einem bestimmten Teil unseres Bundesgebietes dafür bestraft werden, daß Sie diese Dinge zu sich nehmen. Sie können selbstverständlich die Getränkesteuer abschaffen - wir sähen das sehr gern. -, wenn Sie das Geld haben, um den Ausfall zu decken. Die Getränkesteuer wird vor allem in Fremdenverkehrsgemeinden erhoben, die keine anderen oder keine ausreichenden Steuerquellen haben. Wenn dem Änderungsantrag nicht stattgegeben würde, würde bei der gegenwärtigen Fassung eine zusätzliche Belastung von 6 % aus der Getränkesteuer entstehen. Der Ausfall würde 6 Millionen DM betragen, wenn Sie den Antrag annähmen. Ein echter Ausfall entsteht aber deshalb nicht, weil bisher nur 4% Umsatzsteuer aus der Getränkesteuer erhoben worden sind. Aber auch diese 4 % Umsatzsteuer, die bei der Annahme des Änderungsantrages ausfallen würden, würden dadurch mehr als wettgemacht, daß 'im Gaststättengewerbe aus dem Bedienungszuschlag im Gegensatz zu bisher 4% in der Zukunft 10% zu erheben sind.
Ich glaube, das ist Begründung genug, diesem Antrag stattzugeben, um so mehr, als echte Ausfälle nicht zu erwarten sind. Auf der anderen Seite ist mehr als einmal betont worden, daß Mehreinnahmen durch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes nicht entstehen sollen.
Es wird nun sicherlich nachher noch darauf hingewiesen werden, daß es sich hier um eine Verbrauchsteuer handelt. Das ist richtig, aber insofern auch wieder nicht richtig, als der Bund bei der Getränkesteuer als einer Verbrauchsteuer nicht wie bei den übrigen Verbrauchsteuern die Möglichkeit hat, irgendwann einmal reformierend einzugreifen, sondern die Getränkesteuer wird in den Gemeinden unterschiedlich erhoben.
Ich darf Sie bitten, nachdem Sie den Damen dieses Hauses gegenüber stets sehr höflich gewesen sind, wenn sie zum erstenmal ein Anliegen vorgetragen haben, auch mir diese Höflichkeit im Sinne der Gleichberechtigung entgegenzubringen und den Antrag auf Umdruck 193 anzunehmen.
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Herr Dr. Stecker hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Selbstverständlich werden Steuerausfälle eintreten. Steuerausfälle verstehen wir ja in dem Sinne, daß eine Verschlechterung des bisher vorliegenden Ausschußentwurfs eintritt. Herr Kollege Ott, Sie verwirren die Dinge, wenn Sie das jetzt zum alten Umsatzsteuerrecht in Beziehung setzen. Hier sind also echte Ausfälle zu verzeichnen.
Für viel gefährlicher aber halte ich es, daß wir hier zu einer neuen Legaldefinition des Begriffes durchlaufender Posten kommen. Durchlaufende Posten sind diejenigen Einnahmen, die der Unternehmer für Rechnung eines anderen einnimmt. Der typische Fall ist, daß ein Rechtsanwalt den Gegenstand des Rechtsstreites entgegennimmt, um ihn seinem Mandanten auszuhändigen. Das ist ein durchlaufender Posten.
Die Getränkesteuer ist aber in weiten Teilen Deutschlands völlig anders konstruiert. Da ist der Gastwirt Schuldner dieses Betrages, und er läßt sich von dem Gast, wenn er die Getränkesteuer spezifiziert erhebt, seine Unkosten erstatten. Diese aber gehören immer zum Entgelt und sind daher in die Umsatzsteuer mit einzubeziehen. Mit Sicherheit werden ähnliche Wünsche an uns herangetragen, wenn wir diesen Fall so behandeln, wie der Kollege Ott das hier vorgetragen hat, auch in den Fällen, in denen wir eine spezifische Verbrauchsteuer haben. Da haben wir ja Fälle, in denen diese Steuer sehr hoch ist, wie etwa bei Branntwein, beim Tabak und bei Mineralöl.
Auch dort haben wir das Problem der Steuer von der Steuer, und wir werden Ihnen am Ende eine Entschließung vorlegen, in der wir die Regierung bitten, diese Dinge zu harmonisieren. Aber haargenau dahin gehört auch ein Antrag, die Getränkesteuer anders zu behandeln, als das hier vorgesehen ist.
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Das Wort hat Herr Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Kollege Stecker nur Formulierungsschwierigkeiten sieht oder die Sorge hat, hier könne eine neue systemfremde Legaldefinition kommen, sind wir gern bereit, uns mit Ihnen über eine Definition zu unterhalten. Die FDP-Fraktion hatte einen entsprechenden Antrag schon in der zweiten Lesung gestellt. Es ist selbstverständlich, daß wir hier diesen Antrag der Kollegen der CSU unterstützen. Vielleicht fällt es ,den Mitgliedern der Teilfraktion der CDU und den Mitgliedern der SPD leichter, einen Antrag eigener Fraktionskollegen zu unterstützen als den der Opposition. Wir jedenfalls stimmen zu.
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Das Wort hat Herr Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich auch die Verhältnisse in Bayern recht genau kenne, möchte ich folgendes noch klarstellen. Die Gemeinden haben es nach wie vor in der Hand, durch ,die Gestaltung ihrer Getränkesteuerordnungen - das gilt übrigens genauso gut für Kurtaxenordnungen usw. - zu bestimmen, ob die Getränkesteuer umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht. Das ist eine Entscheidung, die bei den Gemeinden liegt. Die Möglichkeit, die für den Wirt etwas ungünstiger ist, ist für die Gemeinde im allgemeinen etwas günstiger und bequemer. Das müssen die Gemeinden mit ihren Gemeindeangehörigen ausmachen. Falls sich die Umsatzsteuerbelastung derartiger Posten durch das neue System wesentlich verändern sollte, mag das ein Anlaß sein, die Getränkesteuerordnungen und Kurtaxenordnungen usw. in den Gemeinden neu zu erörtern. Aber von Bundes wegen können wir hier keine Sonderbehandlung vornehmen.
({0})
Herr Könen ({0}) hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht mit dem Antrag beschäftigen, sondern mit .dem, was Herr Dr. Stecker gesagt hat. Herr Dr. Stecker, ich weiß nicht, wie es in Bayern mit der Getränkesteuer ist. Wir wissen aus leidvoller Erfahrung - einschließlich der aus gerichtlichen Auseinandersetzungen -, daß die Getränkesteuer bei uns eine Steuer des einzelnen Gastes darstellt. Diese Steuer zieht der Wirt für das Finanzamt ein. Als die Stadt Düsseldorf ihren Prozeß verloren hatte und die Wirte ihr Geld kriegten, da haben ihnen gesagt: Weil das nicht euer Geld ist, sondern das Geld eurer Gäste, seid so nett und gebt davon einen Teil dem Sozialamt der Stadt Düsseldorf für seine Aufgaben. - Das haben sie zwar nicht getan. Aber ich wollte damit andeuten, daß es eine Steuer des Gastes ist, die der Wirt nur weiterleitet, also der klassische Fall eines durchlaufenden 'Postens.
({0})
Herr Ott hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Souffert sind für mich Veranlassung, noch einmal nachzuhaken. Herr Kollege Seuffert, Sie geben selber zu, daß es sich um einen Posten handelt, der je nachdem, wie die Satzung ist, von der Umsatzsteuer freigestellt werden könnte. Wenn dem so ist, bestünde eigentlich keine Veranlassung, daß wir heute nachmittag in § 10 Abs. 1 nicht die Ergänzung aufnähmen; wir sollten von uns aus
feststellen, daß die Getränkesteuer nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei.
In Bayern haben wir eine Satzung, die mir im Augenblick nichtgegenwärtig ist. Ich weiß aber, daß dort .die Umsatzsteuer 'aus 'der Getränkesteuer erhoben wind, obwohl der Gastwirt darauf keinen Einfluß hat, daß diese Getränkesteuer in seinem Entgelt enthalten ist. Ich bitte deshalb, den Antrag anzunehmen, wonach die Getränkesteuer als durchlaufender Posten zu behandeln
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 193. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe .das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Zu § 11 liegen keine Änderungsanträge vor.
Wir kommen dann zu § 12. Zu Abs. 1 keine Änderungsanträge. Zu Abs. 2 Nr. 1, betreffend die Anlage 1, liegen zahlreiche Änderungsanträge vor. Ich rufe zunächst den Antrag Umdruck 198 Ziffer 2 a *) auf; das ist der Antrag aller Fraktionen des Hauses. Wird er begründet?
({0})
- Besteht Klarheit über den Antrag?
({1})
Dann können wir abstimmen. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 198 Ziff. 2 a. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Der nächste Antrag ist der auf Umdruck Nr. 192 Ziffer 1 **). Das ist der Antrag der Abgeordneten Gibbert, Dr. Hofmann ({2}), Seither, Schultz ({3}) und Genossen. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Kollege Gibbert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 192, unterschrieben von Mitgliedern aller Fraktionen, hat das Ziel, den Wein und den Weinbau umsatzsteuerrechtlich wieder den landwirtschaftlichen Produkten und der Landwirtschaft gleichzustellen, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen war. Er ist in der zweiten Lesung nur avisiert und nicht eingebracht worden, um Raum und Zeit zu lassen für Überlegungen, ob und wie man dem Wein und dem Weinbau die Vergünstigungen des § 19 zugute kommen lassen könnte. Bei diesen Überlegungen ist nichts herausgekommen außer dem Hinweis auf die Optionsmöglichkeit, die im Gesetz gegeben ist und die ich schon bei der Begründung in der zweiten Lesung als für die meisten Weinbaubetriebe für unzumutbar erklärt habe.
Herr Kollege Gibbert, gestatten Sie, daß ich für einen Augenblick unterbreche. Ich glaube, Sie begründen jetzt den
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 7
Antrag Umdruck 192 Ziffer 2. Wir sind aber noch beim Antrag Ziffer 1.
Das gehört dazu.
Bitte, Sie haben das Wort!
Unter diesen Umständen und um zu vermeiden, daß sich aus einer steuerrechtlichen Herauslösung des Weinbaus aus der Landwirtschaft unübersehbare Weiterungen ergeben, bitte ich namens der Unterzeichner das Hohe Haus, dem Antrag zuzustimmen. Auf eine weitere materielle Begründung kann ich wohl verzichten, nachdem ich sie schon in der zweiten Lesung vorgetragen habe.
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Stecker!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unser Schicksal, hier die fiskalischen Dinge vortragen zu müssen. Das ist nicht immer gerade sehr populär. Mein niedersächsischer Landsmann Georg Christoph Lichtenberg hat schon vor etwa 200 Jahren gesagt, daß diejenigen Menschen, die Geld brächten, immer willkommener seien als diejenigen, welche etwas abholten. In diesem Zustand befinden wir uns auch heute noch. Ich darf hier die Zahlen nennen, die nun zur Debatte stehen. Sie werden dann verstehen, daß ich beantrage, diesen Antrag abzulehnen. Allein die Einstufung des Weins in den ermäßigten Steuersatz von 5% würde einen Steuerausfall von jährlich 115 Millionen DM bedeuten. Da alle Getränke substituierbar sind, ob es sich um Säfte, um Bier oder um Wein handelt, müssen Sie nach meiner Ansicht, wenn Sie auf Wein den ermäßigten Steuersatz anwenden wollen, diesen Satz auch für alle anderen Getränke gelten lassen. Das würde bei Bier einen Steuerausfall von 575 Millionen DM und bei Frucht- und Gemüsesäften einen Ausfall von 25 Millionen DM bedeuten. Der Steuerausfall, der hier zur Debatte steht, würde also - darauf möchte ich mit allem Ernst hinweisen - 715 Millionen DM betragen.
Meine Damen und Herren, es ist gesagt worden: Hier handele es sich um ein Produkt der Landwirtschaft. Nun, wohl! Der normale Steuersatz bei der Umsatzsteuer soll 10% betragen. Es hat einige Veranlassung vorgelegen, die große Masse der Lebensmittel in den Fünf-Prozent-Satz einzubeziehen, um hier verbilligend einzugreifen. Aber es besteht keine Veranlassung, die alkoholischen Getränke wie Bier oder Wein, die im wesentlichen Genußmittel sind, in einen begünstigenden, verbilligenden Steuersatz einzubeziehen. Da aber - das ist ein Grundsatz dieses Steuerrechts - substituierbare Güter auch gleichbesteuert werden müssen, läßt es sich hier nicht anders machen, als daß man auch den Wein und die Säfte in den 10%igen Steuersatz einbezieht.
Ich möchte darauf hinweisen, daß selbstverständlich in den Fällen, in denen der Landwirt den Wein produziert und liefert, er den Vorsteuerabzug pauschaliert für seinen Betrieb behält, soweit wir das für die Landwirtschaft vorgesehen haben, und daß er nur hinsichtlich des überschießenden Betrages die Steuer von 5% an das Finanzamt zu entrichten hat. Wir bitten also sehr dringlich, vor allem auch wegen der großen finanziellen Probleme, die hier angeschnitten sind, um Ablehnung dieses Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe mich leider außerstande, der Argumentation des von mir sehr geschätzten Kollegen Stekker hier zu folgen, und zwar einfach deswegen, weil Sie Wein nicht mit anderen Getränken gleichsetzen können. 'Ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe den Antrag meines Freundes Schmidt ({0}) wegen ,des Bieres nicht unterschrieben, weil es sich mit ,dem Bier anders verhält. Hier ist eine industrielle Bereitung notwendig, während der Wein ein natürliches Produkt ist.
({1})
- Also, meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Frage wollen wir dann diskutieren, wenn wir
über das neue Weingesetz sprechen. Da ist das,
glaube ich, besser zu machen.
({2})
Der Wein entsteht nämlich schon während 'der Weinernte, und zwar unmittelbar nach dem Abpressen der Trauben, selbsttätig 'und unvermeidbar durch ,den natürlichen Gärungsvorgang, ohne irgendwelche Zusätze. Sie können .diesen Produktionsprozeß also gar nicht untergliedern. Wenn Sie das tun würden, müßten Sie praktisch auch die Weinbaubetriebe untergliedern, ob sie mit einem Teil der Industrie- und Handelskammer oder mit dem 'andern Teil der Landwirtschaftskammer zugehören.
Es ist so, daß die Weinerzeugung schon seit jeher steuerrechtlich als der Landwirtschaft zugehörend zu bezeichnen ist und auch so gewertet wird. Es ist weiter so, daß auch in dem EWG-Vertrag der Wein nach Art. 38, Abs. 3 bei den im Anhang aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit enthalten ist.
Ich bin also der Meinung, daß wir hier nicht 'die Systematik „Getränk gleich Getränk"- setzen können, sondern daß hier der Wein in der Tat wie ein landwirtschaftliches Erzeugnis bewertet werden muß und daß es keinen Sinn hat, vielleicht zu versuchen, !den Verein der Blaukreuzler zu stärken, indem man hier besondere Steuermaßnahmen vornimmt. Ich meine, daß es aus rechtlichen und aus steuerlichen Gründen ungerechtfertigt ist, den Wein plötzlich anders zu behandeln, als ,er bisher behandelt worden ist. Wein bleibt Wein und ist nicht Getränk schlechthin. Ich bitte daher, den Antrag, der hier von einer großen Anzahl von Abgeordneten aller Fraktionen gestellt worden ist, anzunehmen.
({3})
Das Wort hat Herr Dr. Hofmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, sich diesem Antrag, wie er auf Umdruck 192 vorliegt, anzuschließen. Es geht hier nicht um die Frage, wie groß im Moment der Ausfall bei Bier sein würde, sondern im Augenblick steht bei diesem Umdruck, Herr Kollege Stecker, lediglich der deutsche Wein zur Diskussion.
({0})
- Sehr richtig, auch der eingeführte! Aber jedenfalls der Wein, um das klarzumachen. Wenn man hier jetzt Summen nennt, um
({1})
die es in Wirklichkeit nicht geht, Herr Kollege Stecker, kann in diesem Hohen Hause der -Eindruck entstehen, als handele es sich um 700 und mehr Millionen DM. In Wirklichkeit wissen wir, daß der Ausfall am Anfang der Beratung über die Vorlage höchstens 60 bis 90 Millionen DM - in der letzten Zeit wurde er auch so beziffert - betrug.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen hier etwas anderes vortragen. Hier geht es nicht um die materielle Auswirkung von 60 oder 90 Millionen, hier geht es um ein strukturelles Problem gesellschaftlicher Art. Man kann nämlich nicht auf dem Umweg über ein Steuergesetz plötzlich eine Gruppe von Menschen aus ihrer gesellschaftlichen Struktur herausnehmen und einer anderen Gewebeart zuordnen, nachdem man sie vorher als Landwirte bezeichnet hat. Unsere Winzer sind nach wie vor Landwirte und sie werden auch nach wie vor von den Landwirtschaftskammern und vom Bauernverband vertreten, aber nicht von der Handwerkskammer oder von der Industrie- und Handelskammer. Dieses psychologische Problem ist ungeheuer wichtig, und ich bitte Sie, das in erster Linie zu berücksichtigen. Es handelt sich beim Wein um ein landwirtschaftliches Produkt und um nichts anderes. Wir sind doch so stolz darauf, daß dieses Gesetz sehr systemgerecht ist. Systemgerechtigkeit ohne jegliche Ausnahme soll doch hier geschaffen werden. Ich darf Sie aber fragen: Was geschieht denn hier? Wir machen hier von der Ausnahme, daß wir nämlich die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Produkte generell mit 5 % besteuern, wiederum eine Ausnahme und nehmen den Wein heraus. Das ist nicht mehr systemgerecht, das ist sehr systemwidrig; darauf können wir nicht stolz sein. Ich meine, bei dieser klaren Feststellung, daß man ein für allemal den Winzer und den Wein als zur. Landwirtschaft gehörend betrachten muß, kann man nicht fragen: Wie hoch ist der Einnahmeausfall? Abgesehen davon, müssen wir feststellen, daß in der ganzen Welt die weinbautreibenden Länder den
Dr. Hofmann ({2})
Wein steuerlich als landwirtschaftliches Erzeugnis behandeln.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
van Delden ({0}) : Herr Kollege, sind Sie sich darüber im klaren, daß bei Annahme dieses Antrags die Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EWG beispielsweise nach Fortfall der Steuern am Ende der Übergangszeit dadurch nicht ausgeräumt, sondern verschärft wird?
({1})
Darf ich Ihnen darauf antworten, Herr Kollege, daß Sie hier einem Irrtum unterliegen. Im Augenblick ist es nämlich folgendermaßen - um das darzulegen; ich wollte es eigentlich nicht bringen, weil es für die Eingeweihten etwas langweilig ist -, daß in Frankreich zwar, wie wir gehört haben, 15 °/o Verbrauchsteuern auf dem Wein liegen. Aber was machen die Franzosen mit diesen Einnahmen? Sie unterstützen damit beispielsweise die Werbung für den französischen Wein, sie unterstützen damit die Qualitätskontrolle des französischen Weins und helfen bei den Vermarktungsfragen. Bei uns ist das leider anders. Unsere Winzer müssen das selbst tragen und bezahlen. Das muß man doch sehr scharf unterscheiden. In Italien wird auf den Wein im Augenblick überhaupt keine Steuer gezahlt; auch das sei einmal deutlich gesagt.
Welcher Unterschied besteht eigentlich gegenüber dem Tabak? Der Wein ist eine ebensolche Sonderkultur. Warum machen Sie das nicht bei anderen Erzeugnissen? Sie können nicht beliebig irgendwo ein Produkt herausgreifen und das dann anders behandeln als die allgemeinen landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
({0})
- Nein, ich frage Sie nur. Sie machen das auch nicht in der Industrie. Wir nehmen auch nicht plötzlich ein industrielles Produkt heraus und besteuern es höher.
Wir haben in den letzten Wochen sehr interessiert darüber gesprochen, wie das mit den Zeitschriften werden soll. Ich weiß nicht, wie nachher die Entscheidung fällt, aber eines weiß ich sicher: wir können innerhalb der Zeitungen und Zeitschriften keine Unterschiede machen. Bitte, das können wir auch hier beim Wein nicht tun. Ich wollte Sie deshalb bitten, sich nicht durch die Zahl von über 700 Millionen DM, die Herr Kollege Stecker eben genannt hat - um sie geht es nicht -, beeindrucken zu lassen, sondern sich dem Antrag anzuschließen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst meinen Kollegen Dr. Stecker etwas korrigieren. Er sprach vorhin davon, die Genußmittel Bier und Wein stünden zur Debatte. Das ist hier im Hause bereits früher einmal korrigiert worden, muß aber doch noch einmal gesagt werden. Es gab bei uns eine ganz andere Ausgangsbasis, um Bier mit 5 % zur Besteuerung heranzuziehen. Wir können bei Bier durchaus mit den Nahrungsmitteln anfangen. Das ist der Grund meiner Zurückweisung der Äußerung von Herrn Dr. Stecker. Bei uns gehört Bier zu den Nahrungsmitteln, und deshalb wäre eine Besteuerung mit 5 % gerechtfertigt.
({0})
- Ich verstehe nicht, daß Sie, wenn hier das Wort auf Bayern kommt, das lächerlich finden. Für mich ist das durchaus nicht der Fall.
Nun darf ich aber doch den Winzern etwas sagen. Herr Kollege Gibbert, ich glaube, daß Sie dann, wenn Sie den Wein in die 5%ige Besteuerung mit einbeziehen, vor allem den kleinen Winzern keinen Dienst tun. Ich darf das an einem Zahlenbeispiel beweisen. Die kleinen Winzer mit einem Jahresumsatz unter 60 000 DM haben nach § 19 des Gesetzes die Möglichkeit, den alten Satz von 4% in Anspruch zu nehmen und unter Umständen von der Freigrenze von 12 000 DM Gebrauch zu machen. Ich sehe einmal davon ab, daß das geschehen kann, und nehme einen Umsatz von 60 000 DM an. Bei 60 000 DM Umsatz ergibt sich nach § 19 eine Umsatzsteuerbelastung von 2400 DM. Ich gehe davon aus, daß in diesem Fall Vorsteuern nicht abgezogen oder verrechnet werden können. Ich schätze die Vorsteuern auf etwa 600 DM. Für die Masse der kleinen Winzer käme danach eine Steuerbelastung von 3000 DM in Frage.
Wenn wir nun den Wein in die 5%ige Besteuerung einbeziehen, bedeutet das für die kleinen Winzer vor allem, daß der Importwein an der Grenze ebenfalls nur mit 5 % Ausgleichsteuer belastet wird. Wenn ich ihn mit 10% belaste, dann habe ich bei einem Import von 60 000 DM eine Belastung von 6000 DM Ausgleichsteuer. Unsere kleinen Winzer dagegen kommen bei einem niedrigen Gesamtumsatz nach § 19 auf eine Besteuerungslast von 3000 DM. Mit anderen Worten, wenn wir dem Antrag des Herrn Kollegen Gibbert und der Weinfreunde nachgeben - wobei die Zahl der Weinfreunde weit größer ist als die Zahl derjenigen, die hier für die 5%ige Besteuerung eintreten -,
({1})
dann heißt das, daß wir die inländischen kleinen Winzer mit 5% benachteiligen gegenüber den Umsätzen, die aus dem Ausland hereinkommen. - Herr Kollege Gibbert, Sie lachen. Ja, manche Leute kann man von ihrem Vorteil nicht überzeugen. Ich möchte es also Ihnen überlassen, ob Sie das tun wollen, 3000 DM mehr zahlen bei 60 000 DM Umsatz. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, daß es zum Nachteil der Masse der kleinen Winzer ist, wenn wir hier auf einen Besteuerungssatz von 5 % gehen, weil wir dann gezwungen sind, auch die AusOtt
gleichsteuer für Importwein auf 5 % festzusetzen. Zur Zeit wird immerhin ein Drittel des bei uns konsumierten Weins aus dem Ausland importiert.
Ich bitte deshalb im Interesse der Masse der kleinen Winzer, es bei der 10%igen Besteuerung zu belassen und den Antrag auf Einbeziehung in die 5%ige Besteuerung abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wörner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich im Unterschied zu den Vorrednern mit der Ziffer 1 dieses Antrags beschäftigen, die zum Ziel hat, Frucht- und Obstsäfte auszunehmen. Ich bin der Meinung, daß die Argumente, die Sie für die Ziffer 2 beanspruchen, für die Ziffer 1 keine Geltung haben können. Denn unstreitig werden Frucht- und Obstsäfte hauptsächlich industriell gefertigt. Wenn wir vom Gedanken der Wettbewerbsneutralität ausgehen, ist es völlig unmöglich, eine Gruppe von Getränken auszunehmen.. Ich darf nur darauf hinweisen, daß beipielsweise Mineralwasser in einem Substitutionswettbewerb zu den Frucht- und Obstsäften steht. Ich wäre, wenn diese Ziffer 1 durchkäme, gezwungen, einen Ergänzungsantrag zu stellen, auch Mineralwasser in diese Ausnahme einzubegreifen.
Ich möchte also dringend bitten, da diese sämtlichen Argumente, die für die Ziffer 2 geltend gemacht werden können, für die Ziffer 1 nicht zutreffen, jedenfalls den Antrag unter Ziffer ,1 abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe viel Verständnis für das Engagement der Kollegen, die hier für den Wein eintreten. Ich würde auch gern Reden für den Wein halten. Ich glaube, daß ich einige Begeisterung dafür aufbringen könnte. Aber ich muß zusätzlich zu den Bemerkungen des Kollegen Ott, die sehr treffend und richtig waren, doch eine Klarstellung bringen und eine nüchterne Bemerkung machen.
Die Klarstellung ist die : Selbstverständlich sind und bleiben die Winzer Landwirte und genießen auch die Behandlung der Landwirte bei der Vorsteuerpauschalierung. Vom Weinberg und aus dem Weingut kommt normalerweise die Traube, allenfalls der Traubenmost. Normalerweise, wie es heute schon ist, wird der Wein in der Kellerei gemacht, d. h. in einem gewerblichen Betrieb. Der Winzer, der die Traube und den Most auf seinem Weingut produziert, hat dafür 5 % durch seine Vorsteuern abgegolten. Diese 5 % werden nachher beim Weinhändler wieder abgezogen. Lediglich der Winzer, der selbst den Wein verkauft, an den Verbraucher in der Straußwirtschaft oder wie sonst, hat wie der Weinhändler ebenfalls 10% zu zahlen.
Die nüchterne Bemerkung ist die, daß ich hier nun auch einmal etwas für das Bier sagen muß. Obwohl
wir den Antrag, der hier wegen des Bieres vorliegt, aus überzeugenden finanziellen Gründen nicht annehmen können, ist doch aus der Stellungnahme der Bierbrauereien vollständig klar, daß sie mit einem Steuersatz von 10 % für das Bier zwar angeben schwierig fertigzuwerden, daß aber - das haben sie immer nachdrücklich betont - die Lage für sie gänzlich unerträglich wäre und es für sie schlimmer wäre als der Steuersatz von 10 % für das Bier, wenn irgendein anderes in Substitution stehendes Getränk, insbesondere der Wein, niedriger besteuert würde. Das gilt genauso für die Fruchtsäfte. Mineralwasser - um das auch zu klären - zahlt ebenso 10%; da brauchen Sie gar keine neuen Ausnahmen zu beantragen, verehrter Herr Kollege. Aber das ist die Lage - wobei ich von Spirituosen gar nicht reden will - der Bierwirtschaft und der gesamten Getränkeanbieter, die es zwingend macht, die Gleichbehandlung, die tatsächlich nur auf der Basis von 10% erfolgen kann, vorzusehen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schwabe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jetzige Verlauf der Debatte zu diesem Punkt hätte den Eindruck erwecken können, als ob die leidenschaftlichen Verfechter der Winzer und ihrer Interessen nur auf einer Seite des Hauses vertreten seien. Ich darf Ihnen sagen, daß auch eine ganze Reihe meiner Freunde aus Rheinhessen, aus dem Rheingau, aus dem Moselgebiet, von der Pfalz und nicht zuletzt auch vom Kaiserstuhl und von meiner Heimat, von der Bergstraße, wo auch ein sehr guter Wein wächst, der Auffassung waren, daß man das Menschenmögliche tun müsse.
Auf der anderen Seite - das sage ich zu diesem Punkt und gleich zu anderen Punkten - ist uns spätestens gestern morgen ein mächtiger Schreck in die Knochen gefahren, als es hieß, daß man sich schon sehr bald unter Umständen mit einem höheren Steuersatz anzufreunden habe. Ich glaube, wir tun denjenigen, die wir vertreten und für die wir bei anderer Gelegenheit oft und gern in die Bresche gesprungen sind, den besten Gefallen, wenn wir auch diesen Punkt sehr ernst betrachten.
Ich kann für die Freunde, mit denen ich mich hierüber abstimmen konnte, sagen: wir würden es beklagen, wenn eine Mehrbelastung käme. Wir würden uns freuen, wenn die soeben vorgelegte finanztechnische Definition zu Recht bestünde, wonach die Winzer sogar noch einen Vorteil haben. Aber wir sehen den Winzer und auch die Bevölkerung in diesen Weinbaugebieten ebenso und in erster Linie wiederum als Verbraucher. Es darf auf gar keinen Fall etwa auf die Steuererhöhung hintreiben. Deshalb: Anteilnahme ja, aber Hochtreiben der Steuer nein!
({0})
Herr Abgeordneter Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir außerordentlich leid, Herr Kollege Seuffert, daß ich Ihnen jetzt noch einmal widersprechen muß. Ich hatte eigentlich nicht diese Absicht, aber nach dem, was Sie hier ausgeführt haben, muß ich sagen, daß im Finanzausschuß weitgehende Unkenntnis über die Verhältnisse besteht, die im Weinbau herrschen.
({0})
Mit dem, was Sie gesagt haben, würden Sie den Winzer dazu animieren, statt Weinbauer Traubenerzeuger zu sein, mit all den Schwierigkeiten und mit all den Strukturkrisen, die sich durch eine solche Art der Vermarktung seines Erzeugnisses ergäben. Es ist doch einfach nicht wahr, daß die Trauben erst beim Weinhändler zu Wein werden und praktisch dann in den gewerblichen Prozeß hineinkommen. Es ist doch so, daß .die Mehrzahl der Winzer - Gott sei Dank; deshalb haben wir seinerzeit hier im Bundestag das Weinwirtschaftsgesetz beschlossen - dazu übergegangen ist, ihre Trauben selbst zu Wein zu machen und den Wein zu verkaufen, sei es an den Letztverbraucher, sei es an den Handel.
Die Argumentation, Herr Kollege Seuffert, die Sie hier vorgebracht haben, spricht also für den Änderungsantrag, nicht für die Ablehnung.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Behauptungen können hier nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben. Die eine ist die des Herrn Seuffert, die schon Herr Schultz zurückgewiesen hat. Wein wird zu 90% in Weinbaubetrieben und in Winzergenossenschaften hergestellt.
({0})
Genossenschaften sind keine gewerblichen Betriebe.
({1})
- Genossenschaften sind Vereinigungen der Produzenten,
({2})
die nichts dazukaufen, sondern sich zum großen Teil auf die Verwertung des Weines ihrer Mitglieder beschränken.
({3})
- Herr Seuffert, Sie werden mir wohl zugestehen, daß ich die Verhältnisse etwas besser kenne. Ich lebe ja mitten drin. 90 % des Weins werden in Weinbaubetrieben und in Winzergenossenschaften hergestellt, wobei die Winzergenossenschaften beispielsweise an der Mosel nur rund 30% der Produktion aufnehmen. Also Weinbau ist und bleibt Landwirtschaft.
Eine zweite Behauptung ist hier von Herrn Kollegen Ott aufgestellt worden. Herr Kollege Ott, Ihr Argument und Ihre Rechnung wären richtig, wenn die Preise für Weine im In- und Ausland gleich
wären. Aber leider sind bei uns die Produktionskosten ungeheuer viel höher; sie liegen beim Zwei-und Dreifachen dessen, was die Produktion beispielsweise in Frankreich und in Italien kostet. Infolgedessen sind auch die Weinpreise höher. Das, was Sie vorgetragen haben, würde - je höher die Steuer wäre - zu einer größeren Wettbewerbsverzerrung zwischen Inlands- und Auslandsweinen führen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst wird abgestimmt über die Ziffer 1 des Änderungsantrages der Abgeordneten Gibbert, Dr. Hofmann ({0}), Seither, Schultz ({1}) und Genossen auf Umdruck 1921
({2})
- Das sind die Küchenkräuter. Ich sage das ausdrücklich. Wenn ich richtig verstehe, ist das noch nicht die gefährliche Entscheidung. Die andere kommt aber! - Wer der Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um. ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Abgeordneten Gibbert, Dr. Hofmann ({3}), Seither, Schultz ({4}) und Genossen in Ziffer 2 auf Umdruck 192; das betrifft Traubenmost und Wein. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Auf Anhieb sage ich, das zweite ist die Mehrheit. Aber die Abstimmung wird wiederholt. Das wollen wir ganz genau wissen. Ich will nicht wieder Einwände haben.
- Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, der Vorstand ist der Meinung, daß das zweite die Mehrheit ist; aber bei der Bedeutung der Sache machen wir den Hammelsprung.
({5})
Meine Damen und Herren! Die Auszählung hat den Eindruck des Präsidiums bestätigt: Der Antrag ist abgelehnt, und zwar mit einer Mehrheit, die bei der Verteilung der Stimmen quer durch das Haus von hier aus so nicht auszumachen war. Der Antrag ist mit 216 Nein-Stimmen gegen 101 Ja-Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen abgelehnt.
Wir fahren fort. Ich rufe den Änderungsantrag der Abgeordneten Ertl, Schmidt ({6}) und Genossen auf Umdruck 197 **) auf.
Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({7}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser ausgedehnten Weindebatte müßte eigentlich, wenn es nach dem Sprichwort: „Wein auf Bier, das rat ich dir; Bier auf Wein, das laß sein" ginge, das Bier jetzt nicht kommen. Vor Ihnen liegt auf Umdruck
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 8
Schmidt ({0})
197 erneut der Antrag einiger Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, das Bier ebenfalls in den 5 %-Katalog aufzunehmen. Wir haben bereits in der zweiten Lesung darüber diskutiert. Auf Grund der damaligen ablehnenden Stellungnahmen haben wir die Dinge noch einmal überprüft. Wir sind erneut zu der Meinung gekommen, daß eine Besteuerung mit 5 % .den Tatsachen besser entsprechen würde.
Ich will nicht auf das hinweisen, was der Kollege Ott gesagt hat, daß man von dem gesamten Ernährungskatalog her sagen könnte, Bier sei weitgehend ein Volksnahrungsmittel. Ich will Ihnen nur einige konkrete Zahlen vortragen. Sie sollen dann selber entscheiden, ob es nicht besser wäre, Bier in diesen Katalog aufzunehmen.
Es steht fest - im Gegensatz zu dem, was teilweise von Rednern in der Debatte der zweiten Lesung gesagt worden ist -, daß die jetzige Besteuerung bei den kleineren und mittleren Brauereien bei 5 % und bei den größeren Brauereien bei 10% liegt. Es steht weiter fest, daß durch die Heraufsetzung auf 10% im Schnitt eine Verteuerung um 2,5% erfolgen würde, das heißt, für einen Hektoliter Bier würden im Durchschnitt etwa 4 DM mehr an Steuern anfallen. Daraus ergibt sich, daß eine Verteuerung einfach nicht zu umgehen ist. Wenn man es einmal über den Daumen rechnet, heißt das, daß das kleine Bier um 5 Pf, das große
um 10 Pf teurer werden muß. Das ist nicht zu umgehen, das wird Ihnen jeder Fachmann sagen, und das haben alle Rechnungen erwiesen.
Auf Grund der Tatsache, daß ein großer Teil der zum Bierbrauen notwendigen Dinge nur mit 5 % Steuern belegt sind, wird sich sowieso noch eine Verschiebung ergeben. Durch die 10%-Skala muß dann ,das nachgeholt werden, was vorher eingespart wurde. Aus all diesen Gründen wird eine Preisanhebung bei dem Volksgetränk Bier nicht zu umgehen sein.
Das ist der Grund, weshalb wir Ihnen auf Umdruck 197 unseren Antrag noch einmal vorgelegt haben. Wir bitten um Annahme.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen, wenn wir diesem Antrag stattgeben würden, über einen Steuerausfall von 575 Millionen DM.
({0})
Im Rahmen .des Aufkommens ist ein solcher Ausfall einfach nicht zu verkraften. Da sich die Mehrheit des Hauses dem Antrag angeschlossen hatte, hinsichtlich des Weines von der Regelbesteuerung nicht abzuweichen, ist es völlig ausgeschlossen, diesem Antrag hier stattzugeben. Ich beantrage deshalb, den Änderungsantrag abzulehnen.
({1})
Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, ob ,er das Wort dazu wünscht. - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, den Gang der Debatte aufzuhalten oder mich zu dieser Einzelfrage konkret zu äußern. Aber ich muß pflichtgemäß darauf aufmerksam machen, daß das von uns verabredete und beschlossene Entgegenkommen in Gestalt der besseren Behandlung der Altvorräte für das Jahr 1968 einen Ausfall von rund 750 Millionen DM erbringen wird. Die Bundesregierung hat sich schweren Herzens entschlossen, dieses Risiko zu tragen und dafür die Reserve des Jahres 1969 voll
einzusetzen, und zwar im klaren Bewußtsein, daß im Jahre 1968 auf irgendeine Weise, die lich noch nicht näher schildern kann, eine Vorfinanzierung erfolgt. Aber jeder weitere Antrag, der eine Minderung des Ertrages erbringt, gefährdet zwangsläufig entweder die bessere Behandlung der Altvorräte oder die Beibehaltung des Steuersatzes von 40 und 5 %.
Ich bitte, das bei der Beschlußfassung über die folgenden Anträge zu berücksichtigen.
({0})
Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 197 der Abgeordneten Ertl und Genossen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 200*) der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf. Ich frage, ob zur Begründung des Antrages das Wort gewünscht wird. - Keine Wortmeldungen. Wird das Wort zum Antrag gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 200 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 207 **) der Abgeordneten Dr. Schober, Dr. Martin und Genossen auf, zunächst Ziffer 1. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schober!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist die Absicht dieses Hohen Hauses, die Waren des Buchhandels und die Erzeugnisse des graphischen Gewerbes mit Ausnahme der Erzeugnisse, die auf Grund des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in eine Liste aufgenommen sind, mit einem Steuersatz von 5% zu begünstigen. In Buchstabe a der Nr. 42 heißt es, daß Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 10
und Blättern, darunter fallen sollen. Nun hat sich die Frage erhoben, wie mit antiquarischen Werken verfahren werden soll. Diese Frage ist deswegen aufgekommen, weil antiquarische Werke, die älter als 100 Jahre sind, nicht von der Nr. 46 der Liste der Anlage 1 gedeckt werden, die ebenfalls begünstigt ist. Sie fallen nicht unter Kunstgegenstände und Sammlungsgegenstände, sondern sie gelten nach Nr. 9906 des Zolltarifs als Antiquitäten. Das, meine Damen und Herren, halte ich für eine Ungereimtheit. Man kann z. B. die Erstausgaben unserer Klassiker, die großen wissenschaftlichen Werke des vergangenen Jahrhunderts, die älter als 100 Jahre sind, nicht als Antiquitäten bezeichnen. Antiquitäten sind alte Gegenstände, die hauptsächlich ihres Sammlerwertes wegen begehrt sind. Die alten antiquarischen Werke haben aber oft eine große wissenschaftliche Bedeutung. Jede neue Klassikerausgabe z. B. muß, wenn sie zuverlässig sein will, auf diese Erstdrucke zurückgehen. Ich glaube, daß gerade das, was unter Nr. 42 begünstigt werden soll, in hohem Maße für diese älteren antiquarischen Werke zutrifft.
Man könnte, meine Damen und Herren, auf dem Standpunkt stehen, daß es sich dabei sehr stark um alte Bücher handelt, die ihrer besonders guten Ausstattung wegen einen hohen Preis haben und deswegen begehrt sind. Das ist aber nicht der Fall. Wer den Antiquariatsbuchhandel kennt, weiß, daß die meisten Umsätze dieses Teiles des Buchhandels bei den älteren Werken in den Bereichen getätigt werden, die ich eben umrissen habe, bei Büchern, die durchaus wissenschaftlichen Wert und nicht etwa nur Sammlerwert haben. Das wollte ich zu Punkt 1 des Änderungsantrages sagen.
Ich möchte bitten, gleich noch zu Ziffer 2 etwas sagen zu dürfen. Um die einheitliche Behandlung möglichst aller Buchhandelsumsätze mit 5 % zu erreichen, sollten auch Kalender begünstigt werden.
Ich glaube, daß große Steuerausfälle durch unsere Anträge nicht eintreten werden. Ich glaube sogar, daß die Verwaltungsvereinfachung, die sich bei der Finanzverwaltung sicherlich ergibt, wenn man es bei diesem Berufszweig nur mit einem Steuersatz zu tun hat, erheblich mehr zu Buche schlägt als der geringe Steuerausfall, der durch die Beseitigung dieser kleinen Unebenheit in dem Gesetz zustande kommen würde.
Ich möchte Sie im Namen von Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind geneigt, der Ziffer 1 des Antrages zuzustimmen. Was Ziffer 2 des Antrages anlangt, so werden wir sicherlich Kunstkalender und ähnliche Erzeugnisse, die als Bücher anzusehen sind, ebenso behandeln wollen wie Bücher. Wir wollen aber Geschäftskalender, Abreißkalender usw., die ganz andere Erzeugnisse sind, nicht in diese Begünstigung einbeziehen. Wir müssen also
um eine Aufklärung seitens des Ministeriums bitten, ob die hier vorgeschlagene Fassung 49.10 des Zolltarifs diese Unterscheidung deckt oder überschneidet.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Schober, wenn Sie wirklich alle Umsätze des Buchhandels hätten freistellen wollen, dann wäre es natürlich logisch gewesen, Sie hätten auch die jugendgefährdenden Schriften eingeschlossen; denn jetzt muß eben allein deswegen ja doch der gespaltene Steuersatz angewendet werden. Das haben Sie aber nicht getan und wir werden in dieser dritten Lesung auch diesen Antrag hier nicht stellen. Im übrigen werden wir dem gemeinsamen Antrag von Kollegen aller drei Fraktionen zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. - Ich sehe aber, die Konferenz dauert noch an ({0}). - Will der Herr Bundesfinanzminister etwas sagen? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der entsprechenden Position des Zolltarifs, die wir eben nachgesehen haben, wird kein Unterschied zwischen den verschiedenen Kalenderarten gemacht, gleichgültig, ob es sich um Abreißkalender, Taschenkalender oder um literarisch-künstlerisch wertvolle Kalender handelt.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. - Ich lasse getrennt abstimmen.
Abstimmung über Änderungsantrag auf Umdruck 207 *) der Abgeordneten Dr. Schober und Genossen, zunächst über Ziffer 1. Wer dem zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! -
Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen über Ziffer 2 auf demselben Umdruck ab. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 194 Ziffer 4 **). Aber ehe ich ihn aufrufe, möchte ich über folgendes eine Verständigung herbeiführen. Auf Umdruck 198 ***) - das ist der interfraktionelle Änderungsantrag, den wir vorhin angenommen haben - ist ein Buchstabe c aufgeführt, wonach die Nr. 34 betreffend Speisesalz verändert werden
*) Siehe Anlage 10 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 2
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
soll. Meiner Erkenntnis nach handelt es sich um eine rein redaktionelle Änderung.
({0})
Offenbar soll es statt A - III - wie es in der Vorlage steht - A - II heißen. Ist das richtig?
({1})
- Gut, das wird also zur Kenntnis genommen. Es wird entsprechend redigiert.
Nun zu Umdruck 194 Ziffer 4, Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als wir in diesem Hause Ende vorigen Jahres das Steueränderungsgesetz berieten, in dem einige Steueränderungen und -erhöhungen enthalten waren, hat meine Fraktion ernsthaft davor gewarnt, dem gleichen Gewerbezweig zuviel neue Lasten aufzubürden, und zwar die Abschaffung des Mineralölsteuerprivileges, die Erhöhung der Mineralölsteuer, die Senkung der Kilometerpauschale und die Erhöhung der Haftpflichtversicherung und der Gebühren für die technische Überwachung.
({0})
- Nein, wir sind bei den Lebensmitteln, bei den Gaststätten.
({1})
- Ich bitte um Entschuldigung, ich war bei den Gaststätten.
({2})
Wir dürfen bei diesem Antrag auf unsere Begründung in der zweiten Lesung verweisen. Seinerzeit hatten wir die Freude, einen gleichlautenden Antrag von der SPD-Fraktion vorzufinden. Er ist, soweit ich sehen kann, nicht wieder eingebracht worden.
({3})
- Er ist wieder eingebracht? - Um so erfreuter sind wir.
Nach den Beschlüssen der Mehrheit des Finanzausschusses sollte der ermäßigte Steuersatz von 5 % für Bücher und Zeitungen und nur für einen Teil der Zeitschriften vorgesehen werden. Die Begründung, die man in den Gängen dieses Hauses und auch im Ministerium immer wieder hörte, war einerseits, daß es bestimmte Zeitschriften nicht nötig hätten; sie ließen sich auch mit einem höheren Satz verkaufen und würden auch das aufbringen. Die andere Begründung, die man so zwischen den Zeilen las, war die, daß man bestimmte Arten von Zeitschriften nicht noch begünstigen wolle. Hier klangen moralische Erwägungen an, die man bei dieser Gelegenheit mit beachten wollte. Nun, meine Herren und Damen, die Unterscheidungen, die sie gefunden haben - religiöse Zeitschriften und nichtreligiöse, wissenschaftliche und Fachzeitschriften
einerseits und nichtwissenschaftliche und Nichtfachzeitschriften andererseits -, sind nun eigentlich schwer mit diesen beiden Überlegungen in Einklang zu bringen. Denn es ist ja nicht gesagt, daß die Zeitschriften, die sich finanziell leichter tun, nun unbedingt die nichtreligiösen und die nichtfachlichen sind. Und die Unterscheidung von besonders moralischen und weniger moralischen deckt sich auch nicht zwingend mit der Abgrenzung des vorliegenden Gesetzes. Wenn also die beiden Argumente wirklich der Beweggrund für eine so zweifelhafte Unterscheidung sind, wie sie das Gesetz in der Vorlage vorgesehen hat, dann müssen wir noch zu ganz anderen Definitionen kommen, und das Problem der Unterscheidung wird dann unlösbar. Denn es ist bei Zeitschriften mit sehr gemischtem Inhalt nicht festzustellen - ich meine jetzt nicht moralisch gemischten Inhalt, sondern thematisch unterschiedlichen -, ob ein überwiegend wissenschaftlicher oder kultureller oder religiöser Inhalt gegeben ist. Das Problem ist noch viel unlösbarer, wenn etwa der Finanzbeamte darüber entscheiden soll, ob eine religiöse oder eine nichtreligiöse Zeitschrift, eine wissenschaftliche oder eine nichtwissenschaftliche Zeitschrift, eine Fachzeitschrift oder eine Nichtfachzeitschrift vorliegt.
Ich bitte daher - und ich freue mich, daß wir Unterstützung von der SPD bekommen -, Zeitschriften generell in die Liste der Druckerzeugnisse allgemein aufzunehmen, da wir ja auch bei Büchern und bei Zeitungen nicht irgendwelche Wertungen des Inhalts vornehmen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Meinung - ich spreche für einige Freunde von der CSU -, daß dieses Gesetz nicht der richtige Ort ist, etwa zwischen guten und schlechten Zeitschriften zu unterscheiden. Wenn man so etwas will, muß das ganz anders geschehen. Hier kann es nicht geschehen.
Lassen Sie mich ganz kurz ein paar Gedanken zu Zeitungen und Zeitschriften sowie zu den Bestimmungen des heute vorliegenden Gesetzes über die Presse sagen. In ganz Westeuropa ist die Presse grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Das gilt zumindest für den Vertriebserlös. Es gilt nach den alten Steuergesetzen und auch nach den neuen Steuergesetzen, die innerhalb der EWG - in Frankreich - und im EFTA-Raum z. B. Dänemark .erlassen worden sind. Dort ist die Presse mit den Vertriebserlösen grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Auch ich bin der Meinung, wir sollten das tun, schon um zur Harmonisierung in Europa beizutragen.
Nun haben wir gestern abend - jedenfalls eine Reihe von Abgeordneten - noch einen Eilbrief des Verlegerverbandes bekommen, in welchem er selber eine Besteuerung des Vertriebserlöses mit 5 % vorschlägt. Wir wollen heute nicht päpstlicher sein als
der Papst, zumal, wie wir wissen, ,die Haushaltslage des Bundes außerordentlich schwierig ist. Ich selbst bleibe der Meinung, daß bei den Betriebserlösen ein Steuersatz von 0% der richtige wäre. Bei einer Vorsteuerverrechnung wäre damit eine wirkliche Umsatzsteuerbefreiung möglich, Herr Kollege Schmidt. Nachdem der Verlegerverband selbst 5 % vorschlägt, möchte auch ich heute nicht weitergehen. Aber die Hoffnung, daß wir im Zuge der Harmonisierung zu einer Umsatzsteuerfreiheit für die Presse wie in ganz Europa auch bei uns kommen, möchte ich nicht aufgeben und hier die herzliche Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister aussprechen, dieses Thema bei nächster Gelegenheit auf der europäischen Finanzministerkonferenz anzuschneiden. Ich weiß aus Gesprächen, Herr Bundesminister, daß das Ihren Ansichten entspricht: daß wir der Presse helfen müssen, und zwar nicht nur bei der Umsatzsteuer. Wir können dieses Problem nämlich tatsächlich nicht nur von der Umsatzsteuer her anfassen.
Wir müssen - meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit dieser Bitte abschließen - die Vielfältigkeit unserer Presse erhalten. Sie wissen, daß wir heute örtlich und regional eine Vielfältigkeit sogar wieder erst schaffen müssen, daß wir oft nur eine Zeitung in einem Gebiet haben. Hier besteht die Gefahr, daß die Demokratie von der Wurzel her verdorrt, daß sich Meinungsmonopole bilden oder schon gebildet haben. Wir wollten auf diese Gefahr heute noch einmal aufmerksam machen.
Es ist ein Bündel von Maßnahmen für unsere Presse nötig. Wir müssen das ganze Problem natürlich auch im Zusammenhang mit Funk und Fernsehen betrachten.
Für heute kann ich nicht mehr tun, als Sie zu bitten, eine unterschiedliche Besteuerung verschiedener Presseerzeugnisse nicht vorzusehen. Es würde in der Praxis zu unerhörten Unzuträglichkeiten führen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Augenblick steht das Anliegen unseres Kollegen Dr. Schulze-Vorberg gar nicht zur Debatte. Ich glaube, man kann es auch nicht mit dem Problem in Zusammenhang bringen, das hier jetzt ansteht, nämlich der Frage der Differenzierung der Zeitschriften. Das Problem ist schlechterdings anders.
Aber eine einzige Bemerkung kann ich mir Herrn Dr. Schulze-Vorberg gegenüber nun nicht versagen, daß nämlich die Berufung auf die französische Lösung bedeutet, eine nachteilige Lösung für die EWG und für die deutsche Presse zu fordern. Denn in der französischen Lösung ist es praktisch so, daß die Vorsteuern bei der befreiten Presse in die Kosten eingehen und daß eine Erstattung nicht möglich ist. Das ist teurer, als wenn in unserem Fall die Vorsteuern gegen die 5%ige Belastung verrechnet werden können. Ich persönlich glaube, daß wir im ganzen mit der Lösung der kulturellen Probleme einen Weg beschritten haben, der auch für die deutsche Presse der bestmögliche Weg gewesen ist.
Aber nun zu dem Problem der Differenzierung der Zeitschriften. Meine Damen und Herren, ich befinde mich hier gegenüber dem Anliegen, diese Differenzierung wieder zu beseitigen, sicherlich in einer verhältnismäßigen Minderheit. Ich möchte zur Vorgeschichte sagen, daß dieser Antrag vom Finanzausschuß nur zähneknirschend angenommen worden ist, und zwar als uns vom Finanzministerium klargemacht wurde, daß bestimmte Deckungsmittel unter Wahrung einer gewissen Reserve noch gesucht werden müssen. Bei den Überlegungen ist dann jene Differenzierung zustande gekommen, die keine Zensur ist und auch keine moralische Wertung irgendwelcher Gruppen darstellt. Denn wenn ich religiöse Zeitschriften, wissenschaftliche Zeitschriften und Fachzeitschriften gegen die übrigen Zeitschriften setze, dann kann man sagen, die Abgrenzung ist vielleicht nicht in Ordnung. Die eine oder andere Zeitschriftenart müßte noch dahin gruppiert werden. Aber man kann hier nicht etwa argumentieren, es handele sich um eine Art von moralischer Herabsetzung.
Frau Funcke hat bei ,der zweiten Lesung mit Recht die Zeitschrift „Mann in der Zeit" genannt und sich dafür warm eingesetzt. Ja, wer wollte sich von uns nicht ebenso warm dafür einsetzen. Es ist bestenfalls eine Frage der Abgrenzung, ob das noch eine religiöse Zeitschrift oder eine Zeitschrift jenseits dieses Komplexes ist.
Meine Damen und Herren, ich bin selbst Zeitschriftenverleger und ich weiß ganz genau: wenn ich hier für diese Differenzierung eintrete, dann werde ich innerhalb meines Berufsstandes sicherlich nicht willkommen geheißen werden. Das ist ganz klar. Wenn ich rein unter sachlichen Gesichtspunkten entscheiden würde, dann würde ich auch meinen: es ist zweckmäßig, die Presse bzw. die Zeitschriften einheitlich zu behandeln. Wenn ich aber trotzdem hier zu sagen wage, wir sollten nichts daran ändern, wir sollten es so lassen, wie es in der zweiten Lesung beschlossen wurde, dann mit Rücksicht nicht nur auf den Ausfall von 70 Millionen DM, die bei diesem Antrag in Rede stehen, sondern auch mit Rücksicht auf den Antrag, der hier folgt, nämlich den Gaststättenantrag, der, hochgerechnet, einen Ausfall von etwa 162 Millionen bzw. 200 Millionen DM bedeuten würde.
Meine Damen und Herren, glauben Sie doch nicht, daß ich nicht ebenso gern wie alle, die hinter solchen Anträgen stehen, all diesen Kreisen diesen Wunsch und diesen Gefallen auch erfüllen würde. Natürlich würde ich das gern tun. Aber machen Sie sich doch klar, daß jede Erfüllung eines Wunsches, nachdem wir die Reserve dieser Steuer bis zum letzten Heller ausgeschöpft haben, bedeuten würde, an die Erhöhung des Steuersatzes zu gehen. Wenn wir mit der Bundesregierung am Montag und am Dienstag bis zum äußersten gerungen haben, dann darum, um nicht durch Befriedigung neuer Wunschvorstellungen das Plenum dahin zu bringen, daß
Dr. Schmidt ({0})
wir die Sitzung unterbrechen und den Haushaltsausschuß anrufen müssen, der uns dann mit Sicherheit sagen wird: Es geht nur noch über die Erhöhung der Steuersätze.
Meine Damen und Herren, das gilt für Ihre Haushaltsleute wie für unsere Haushaltsleute: Wir werden kein vollkommenes Gesetz schaffen. Aber in dieser Stunde ist entscheidend, ob wir den Mut zu einer realistischen Lösung haben. Deshalb habe ich sogar den Mut, mich auch in meinem eigenen Berufskreis unbeliebt zu machen. Und ich bitte Sie alle miteinander, die Sie nun mit dem Gaststättenantrag umgehen, doch auch bitte soviel Objektivität aufzubringen, daß Sie um des Gemeinwohls willen ein ganzes Gesetzeswerk nicht gefährden und daß Sie daran denken, daß jeder Wunsch etwas kostet; entweder wirkt er sich in der Preissituation der Betroffenen aus oder er kostet die Allgemeinheit etwas in Gestalt der Erhöhung der hier anstehenden Verbrauchsteuer. Deshalb bitte ich Sie zu überlegen, ob Sie im Ernst diesem Antrag zustimmen können und wieweit Sie mit dieser Entscheidung die nachfolgende Entscheidung der Gaststättenfrage präjudizieren werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Sänger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit großem Respekt habe ich dem Kollegen Schmidt ({0}) zugehört. Aber mit großer Entschiedenheit möchte ich dem Beispiel, das er uns zuletzt aufgezeigt hat, widersprechen.
({1})
Es gibt einen grundsätzlichen, überhaupt nicht zu vereinbarenden Unterschied zwischen dem Beispiel Gaststättenantrag und dem Beispiel Presse.
({2})
Die Position der Presse in der demokratischen Ordnung, wie sie durch unser Grundgesetz festgelegt wird, macht es notwendig, daß wir keine Unterscheidung zwischen den Zeitungen verschiedener Tendenz, Zeitschrift oder Zeitung, wissenschaftliche oder Fachzeitung, unterhaltende Zeitung oder Zeitschrift - oder welche Aufteilung wir auch immer vornehmen wollen - machen dürfen. Es geht hier nicht darum, ob wir über mehr oder weniger Millionen entscheiden wollen, die dabei fehlen werden oder, was auch bestritten werden kann, nicht fehlen werden, wenigstens nicht in dem Umfange. Es geht hier darum, den Respekt vor dem Grundgesetz zu wahren und uns nicht durch Zahlen einschüchtern zu lassen, wenn es darum geht, unsere Ordnung in der Demokratie, d. h. die Freiheit der Presse unteilbar zu erhalten.
Es geht hier um zwei Umdrucke, die wir vor uns haben. Wir haben den Umdruck 194, den Antrag der Freien Demokraten, in der Formulierung: „Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern". So soll der Text lauten an Stelle des Beschlusses des 14. Ausschusses. Meine politischen Freunde von der SPD haben den Antrag gestellt, zu
formulieren: „Zeitungen und Zeitschriften, auch mit Bildern". Wir nehmen unseren Antrag zurück zugunsten der besseren, umfangreicheren, exakteren Formulierung der FDP. Wir meinen, daß es nützlich ist, einem solchen Antrag zuzustimmen, wenn wir uns überlegen, daß eine solche Frage nicht mit materiellen Argumenten beantwortet werden kann, sondern ausschließlich mit der Rücksichtnahme darauf, uns die Zeitungen, die Zeitschriften jeder Richtung, jeder Tendenz und jeder Art zur freien Diskussion zu erhalten. Darüber, ob eine Zeitung gut oder schlecht ist, gibt es einen Zensor, das ist der Leser, der sie bestellt oder abbestellt.
({3})
Meine Damen und Herren, ich stelle also zunächst fest, daß der Parallelantrag der Fraktion der SPD *) zurückgezogen ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dichgans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Alles, was zur Sache zu sagen ist, hat Herr Dr. Schmidt soeben gesagt, dem ich voll zustimme. Ich möchte nur noch zwei Dinge zu den rechtlichen Argumenten sagen, die der Kollege Sänger hier vorgetragen hat.
Selbstverständlich sind wir nach dem Grundgesetz gezwungen, gleiche Dinge gleich zu behandeln. Wir dürfen aber ungleiche Dinge ungleich behandeln, und ich halte es für falsch, wenn man sagt, Zeitschrift ist gleich Zeitschrift. Das ist für uns eine pragmatische Aufgabe. Ich halte es auch für falsch, wenn man den Versuch macht, hier die Kategorien „gut" oder „schlecht" hineinzubringen. Wir haben z. B. die Getränke unterschieden, Milch anders behandelt als Bier, ohne daß wir damit gesagt haben: Milch ist gut, und Bier ist schlecht. Wir haben uns die Frage vorgelegt: Wie wollen wir die 30 Milliarden DM Umsatzsteuer, die wir hereinbringen müssen, auf die Steuerzahler verteilen? Wenn wir uns diese Frage vorlegen, so spricht, glaube ich, sehr viel für den Beschluß des Finanzausschusses, der der Meinung war, daß man die Käufer von Illustrierten ebenso behandeln müsse wie die Käufer von lebensnotwendigen Dingen, Bekleidung und anderem. Niemand will eine Zensur ausüben, aber der Finanzausschuß und dieses Hohe Haus haben das Recht, sich über eine gerechte Verteilung der Steuern Gedanken zu machen. Ich glaube, das ist in der Ausschußfassung geschehen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß leider dem verehrten Kollegen Dichgans mit seiner Beweisführung heftig widersprechen. Es handelt sich hier um die Frage der Gleichbehandlung, und Sie kön-
*) Siehe Anlage 11
nen Ihre Definition von der Ungleichheit nicht aufrechterhalten, Herr Kollege Dichgans. Ich glaube, Herr Kollege Sänger hat das treffend zu der Sache selbst gesagt. Wir von der FDP sind ihm dankbar, daß er sich hier auf unseren Antrag stützt, den auch ich für den klareren halte. Aber die Logik der Sache sollten Sie doch sehen, denn es ist leider nicht allein eine Frage der Zahl; Zahlen mögen eine Rolle spielen, aber sie gehören hier nicht her, Herr Dr. Schmidt, so wichtig sie im einzelnen sind.
({0})
Das Hohe Haus hat sich mit Definitionen in Gesetzen schon öfters vergaloppiert. Sie können heute bei der modernen Entwicklung der Presse nicht diese Unterscheidung machen, die Sie machen wollen. Das hält nicht stand.
Wir haben in diesem Hause vor vielen Jahren einmal ein Gesetz über jugendgefährdende Schriften beschlossen. Danach unterliegen beispielsweise die Illustrierten, die nachher eine Selbstkontrolle eingerichtet haben, diesem Gesetz, während ihm z. B. Wochenzeitungen nicht unterliegen, wenn sie politischen Charakter haben. Nun gab es einen sehr berühmten Fall eines nicht ganz unbekannten deutschen Schriftstellers, der ein Buch geschrieben hat, das sehr amüsant zu lesen ist, aber zugegeben nicht in allen Teilen jugendfrei. Hätte dieses Buch eine Illustrierte .abgedruckt, dann wäre sie aller Wahrscheinlichkeit nach indiziert worden. Da eine politische Wochenzeitung dieses Buch abgedruckt hat, konnte sie nicht indiziert werden, weil sie sich „politische Wochenzeitung" nennt. In Wahrheit ist die Frage, wie groß der politische Gehalt beider konkurrienden Blätter ist, niemals geklärt worden.
Genau das passiert hier. Die Veränderung im Zeitschriftenmarkt ist so groß, daß es heute nicht erlaubt sein darf, in .einem Umsatzsteuergesetz zwischen Zeitungen und Zeitschriften überhaupt Unterscheidungen zu treffen. Sie ergänzen sich gegenseitig. Zum Teil ersetzen sie sich gegenseitig. Es ist vom rechtlichen Gesichtspunkt her nicht haltbar, hier Differenzierungen vornehmen zu wollen, weil sich, wie gesagt, die Verhältnisse stets ändern. Es gibt Wochenblätter, die sich Zeitungen nennen, und andere, die sich Zeitschriften nennen. Sie können doch im Gesetz nicht danach unterscheiden, ob etwa einer den Rand beschneidet oder ob er ihn nicht beschneidet. Das war früher einmal ein Merkmal zur Unterscheidung von Zeitungen und Zeitschriften. Es gibt ein Organ, das jetzt im Tiefdruck hergestellt wird und das nach früheren Begriffen Magazincharakter oder Zeitschriftencharakter hat, das aber tatsächlich Zeitungsfunktionen mitübernimmt, nämlich Informationen auch zu Tagesereignissen gibt.
Sollten später Prozesse geführt werden, werden Sie den Bundestag bei diesen Prozessen in ein schiefes Licht bringen, wenn Sie es bei den jetzigen Gesetzesbestimmungen lassen, weil Ihnen jeder Anwalt nachweisen kann, daß das, was in der zweiten Lesung beschlossen worden ist, in sich nicht logisch und nicht durchdacht war. Sie müssen hier die Presse als Einheit nehmen. Sie kommen um diese Antwort nicht herum. Sie müssen, wenn 'Sie unter
ganz bestimmten Gesichtspunkten Qualifikationen vornehmen wollen, irgendeine andere Steuer erfinden. Aber in der Umsatzsteuer können Sie das meiner Ansicht nach nicht tun. Deshalb bitte ich Sie dringend, den Antrag der FDP zu 'unterstützen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was seitens der Antragsteller zur Sache zu sagen ist, hat mein Freund Fritz Sänger schon alles gesagt. Ich muß aber doch der Ordnung halber, damit keine Schiefheiten und Unklarheiten unwidersprochen im Protokoll stehenbleiben, den Andeutungen des verehrten Herrn Kollegen Schmidt ({0}) widersprechen, als wäre bei Annahme dieses Antrags eine Unterbrechung der Sitzung zur Bemühung des Haushaltsausschusses nach § 96 der Geschäftsordnung oder etwas Ähnliches möglich. Wir beschließen hier über Steuergesetze für das Jahr 1968, und der Haushalt 1968 ist weder vorgelegt noch in Beratungen oder in Vollzug. Eine Anwendung des § 96 und eine Bemühung des Haushaltsausschusses kommt also hier nicht in Frage.
Herr Abgeordneter Seuffert, ich mache darauf aufmerksam, daß hier die Übung im Hause nicht völlig eindeutig ist. Im Zweifelsfall muß der Präsident nach § 128 der Geschäftsordnung entscheiden. Aber ich hoffe, daß ich dieser Entscheidung enthoben werde.
Nun liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Punkt mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 194 Nr. 4 *). Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag Umdruck 194 Nr. 4 ist angenommen.
Der Antrag Umdruck 208 **) ist zurückgezogen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 207 auf. Der Änderungsantrag Umdruck 207 ist schon erledigt.
Im Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP auf Umdruck 198 heißt es unter Ziffer 2 Buchstabe b:
in Nr. 45 wird Buchstabe e gestrichen.
Meine Damen und Herren, ist das einvernehmlich?
({0})
- Dann ist es so beschlossen. Damit sind die Änderungsanträge zu der Anlage 1, soweit ich sehe, erledigt.
Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 194 Ziffer 5 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Funcke!
*)Siehe Anlage 5
**) Siehe Anlage 11
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als wir gegen Ende letzten Jahres das Steueränderungsgesetz berieten, das eine vielfältige Belastung des Autofahrers mit sich bringen sollte, hat die FDP-Fraktion nachdrücklich gewarnt und gesagt, das könnte sich sehr nachteilig auf die Kraftfahrzeugindustrie und damit auf eine Schlüsselindustrie auswirken. Wenige Stunden später war die Kurzarbeit im Volkswagenwerk verkündet.
Was wir hier tun, hat eine gewisse Parallelität dazu. Denn wenn wir dieses Gesetz betrachten, so stellt sich heraus, daß das Fremdenverkehrsgewerbe in ganz besonderem Maße belastet wird.
Dies geschieht einmal dadurch, daß die Übernachtung als ein starkes Dienstleistungsgewerbe mit 10% der Steuer unterliegt. Keiner von uns wird dazu einen Änderungsantrag stellen, obwohl wir wissen, daß viele Dienstleistungsbetriebe, nicht nur die Hotels, unter einer stärkeren Belastung leiden werden. Als Zweites kommt aber das hinzu, was Sie soeben durch Ihre Abstimmung noch bestätigt haben: Die Besteuerung der Steuer, nämlich der Getränkesteuer, erfolgt nun statt mit 4 % mit 10%. Weiterhin muß das Hotel- und Gaststättengewerbe, nachdem Sie in der Zweiten Lesung die Besteuerung der Post abgelehnt haben, auf jedes Telefongespräch, das der Gast führt, 10 % an Steuern zusätzlich aufbringen. Und nun kommt hinzu, daß Sie, anders als der ursprüngliche Regierungsentwurf, auch die Gaststättenumsätze statt mit 5 % mit 10% besteuern.
Aus all diesen Verteuerungen ergibt sich zwangsläufig eine schwierige Konkurrenzlage für das Hotel- und Gaststättenwesen, und damit wird der Urlaub in Deutschland teuer. Ein Nachteil innerhalb des Inlandes wird sich ergeben, weil es nun einmal nicht wegzudiskutieren ist, meine Herrn und Damen - auch wenn Sie es gern wollen -, daß die Gaststätte in einem Konkurrenzverhältnis zum Fertiggericht steht. Ich erwähnte schon vorhin in meiner Rede, daß das Stück Torte ein Stück Torte bleibt, ob auf dem Pappteller oder auf dem Porzellanteller. Eine unterschiedliche Besteuerung wird hier dazu führen, daß in verstärktem Maße auf eingekaufte Fertiggerichte zurückgegriffen wird.
Hier möchte ich einmal die Kolleginnen an unsere Debatte zur Frauenenquete erinnern. Wenn die Wahl besteht zwischen dem Selbstwirtschaften im Urlaub und dem Aufenthalt in einer Pension, dann wird dies zur Folge haben, daß, je stärker wir den Pensionspreis besteuern, desto eher zugunsten des Selbstwirtschaftens und damit zu Lasten der überlasteten Mutter entschieden wird. Das sollten wir auch einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen. Je stärker die Steuerspanne zwischen Selbsttun und der Benutzung der Gaststätte ist, um so stärker wird die Belastung der Frau werden. Darüber sollten wir uns völlig klar sein.
Eine natürliche Wettbewerbslage ist zudem in bezug auf das Ausland gegeben. Wenn wir auch häufig genug gehört haben, daß es in manchen Dienstleistungsbereichen keine Konkurrenzlage gibt - das mag bei dem örtlichen Reparaturgewerbe vielleicht stimmen, wenngleich das auch sehr fragwürdig ist -, so ist aber ganz zweifelsohne im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes eine Konkurrenzlage mit dem Ausland gegeben. Man kann sich doch heute sowohl als Inländer wie als Ausländer frei entscheiden, wo man seinen Urlaub verleben will, ob in Island, in Indien oder in Bayern. Wir meinen deshalb, daß es im Interesse unserer Volkswirtschaft einerseits - vielleicht haben wir einmal wieder die Devisen sehr nötig -, vor allem aber im Interesse unserer Bevölkerung andererseits liegt, die Steuer für Verpflegung zu senken. Wir mühen uns in anderen Bereichen, mehr Menschen einen Urlaub außerhalb des Wohnorts zu ermöglichen - hier ist ein Weg dazu. Wir bitten daher, die Besteuerung der Gaststättenumsätze generell mit 5 % vorzusehen.
Dabei möchte ich auf das zurückkommen, was Herr Kollege Dr. Schmidt gesagt hat. Bisher war nach den Berechnungen des Ministeriums immer von 150 Millionen DM Ausfall die Rede. Offensichtlich ist dieser Ausfall in kurzer Zeit so viel größer geworden, wenn man nun plötzlich von 160 Millionen DM bis 200 Millionen DM spricht. Meine Herren und Damen, wir glauben nicht, daß es sehr richtig, um nicht zu sagen, sehr redlich ist, wenn man hier die einmalige Entlastung oder - ich möchte es deutlicher sagen - die einmalige Zurückgabe von Doppelsteuern, die der Staat einnehmen möchte, in Verbindung bringt mit dem laufenden Steuersatz. Das sollten wir ganz klar trennen. Es gibt einen Steuersatz, der auf die Höhe abgestimmt werden muß, mit der eine Gleichheit vor und nach der Einführung des Gesetzes erreicht wird und es gibt eine einmaligemalige Entlastung von Steuern, die der Staat nicht doppelt einnehmen sollte, wenn er es redlich mit seinen Bürgern meint. Hier eine Parallelität oder eine Alternative herzustellen, ist nicht ganz richtig. Daher glauben wir, daß es im Rahmen dessen, was ich auch in meinen ersten Ausführungen sagte, tragbar und möglich ist, diese 150 Millionen DM ohne Erhöhung des Steuersatzes zu verkraften.
({0})
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter erteile, frage ich den Herrn Abgeordneten Stücklen als Erstunterzeichner des Änderungsantrages auf Umdruck 206*): Ist das wirklich identisch mit dem, was im FDP-Antrag vermerkt ist? Der Buchstabe b ist weggelassen. Ist das ein Versehen, oder hat das einen tieferen Sinn?
({0})
- Gut! Auf diese Weise lerne ich noch etwas dazu, auch wenn ich nicht im Finanzausschuß bin.
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich darf den Antrag Umdruck 206 begründen, der neben den Unterschriften der Abgeordneten aus CDU, SPD und FDP, die auf dem Umdruck .aufgeführt sind, weitere 87 Unterschriften trägt.
*) Siehe Anlage 13
Ich darf vorneweg - Herr Präsident, Sie haben recht - sagen, daß .der Antrag eine weitere Ergänzung braucht, und zwar muß bei Annahme des Antrags .der Satz 2 der Nr. 1 gestrichen werden.
Eine Augenblick, Herr Abgeordneter Unertl! Der Antrag ist jetzt wörtlich identisch mit dem Änderungsantrag der FDP.
({0})
Dieser Änderungsantrag ist begründet. Also können Sie jetzt nicht mehr begründen; sie sprechen in freiem Diskussionsbeitrag zu diesem Antrag. Ich kann nur einmal abstimmen lassen.
Das tue ich sehr gern, Herr Präsident. Ich will .den Antrag nicht mehr begründen, muß aber ins Gedächtnis rufen, daß Gründe, die für den Antrag sprechen, ja schon in der zweiten Lesung vor 14 Tagen von mir klargelegt wurden.
Es wurde von der Deckung gesprochen. Mein Vorredner Herr Dr. Schmidt sagte, .er würde sehr gern den Wunsch der Gaststätten erfüllen, aber es gehe nicht. Da frage ich mich .als einer, der da unten aufmerksam zugehört hat, wieso man dann bei dem anderen Wunsch - in bezug auf die Altvorräte - innerhalb von 14 Tagen - von der zweiten zur dritten Lesung - zu der Auffassung kommen konnte, einen Ausfall von .schätzungsweise 700 Millionen DM verkraften zu können. Da sind also die fiskalischen Bedenken für mich gar kein Ausgangspunkt, wenn man gegen .diesen jetzt noch einmal eingebrachten Antrag zu Felde zieht.
Es gibt, wurde hier und auch in der heutigen Fraktionssitzung bei uns gesagt, in der Steuergesetzgebung keine absolute Gerechtigkeit. Ich darf dazu sagen: Wenn schon die totale Gerechtigkeit nicht möglich 'ist -dann wenigstens nicht mehr Ungerechtigkeit als heute bei der Umsatzsteuergesetzgebung, die wir als Nettoumsatzsteuergesetzgebung bezeichnen, einer Gesetzgebung, die wir für die nächsten 50 Jahre oder noch länger machen und bei .der wir Antragsteller in der dritten Lesung davon ausgehen, daß berechtigte Einwände nun einmal von niemandem wegdiskutiert werden können.
Vor der berühmten Beschlußfassung des Finanzausschusses in Berlin über den Gesamtkomplex der Besteuerung der verarbeiteten Lebensmittel im Gaststättengewerbe war ja nur von 5 % Umsatzsteuer ganz generell die Rede. Hätte man diesen Beschluß in Berlin nicht geändert, 'dann wäre 'auch das beibehalten gewesen, was bei den vielen jahrelangen Besprechungen vorher nicht nur von 'den Beteiligten gewünscht, sondern von den Gefragten auch zugestanden war.
Meine Damen und Herren, bedenken Sie doch bitte - ich will es so kurz wie möglich machen -, daß heute eine Reihe von Menschen, vor allem Berufstätige, gezwungen sind, in Kantinen und Gaststätten ihr Mittagessen einzunehmen. Andererseits haben wir seit einem Jahr und länger der Preisauftriebstendenz den Kampf angesagt. Hier haben wir eine echte Chance und Möglichkeit, den Preisauftrieb, der ganz unweigerlich kommen muß, zu bremsen. Wenn wir im Gaststättenbereich bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, die mit 5 % auch in anderen Bereichen besteuert sind, nicht dem Preisauftrieb entgegenwirken, wenn wir, die Antragsteller, zur dritten Lesung das weglassen, was in dem Antrag zur zweiten Lesung noch darin enthalten war, nämlich die Begünstigung von Getränken - teils sogar landwirtschaftlicher Herkunft wie Milch, Tee oder Kaffee, soweit nicht Importkaffee, sondern Malzkaffee getrunken wird - durch einen Satz von 5% Umsatzsteuer, und wenn wir auch die nichtalkoholischen Getränke hier völlig weglassen und dafür sogar die 10%ige Besteuerung der alkoholischen Getränke hinnehmen, dann darf ich doch die herzliche Bitte im Namen derer aussprechen, die den Antrag unterschrieben haben, die in allen Fraktionen dieses Hohen Hauses - in der CDU/ CSU, der SPD und der FDP - sitzen, den Antrag wenigstens in dieser bescheidenen Form anzunehmen.
Es gibt, meine Damen und Herren, ein altes, vielleicht auch etwas zu stark strapaziertes Wort von Treu und Glauben. Ich darf mir deshalb erlauben, das hier hineinzubringen, weil ich hier nicht als Interessenvertreter spreche. Ich bin zwar Gastwirt; aber ich sage das hier nicht nur als Gastwirt, sondern als einer, der weiß, wie es in diesem Berufszweig aussieht. Den Gastwirtschaften, denen in so netter Art die Vorzüge der bestehenden Umsatzsteuervergünstigung bei Umsätzen bis 40 000 oder 60 000 DM schmackhaft gemacht wird, haben sowieso keine Existenzgrundlage mehr. Wir haben genug auslaufende Betriebe in der Gaststättenbranche. Erhalten Sie, meine Damen und Herren, diesem Gewerbe die Wettbewerbschancen gegenüber der großen Konkurrenz, die uns das Ausland bietet. - Ich möchte nicht wiederholen, was meine Vorredner über die Vergünstigungen gesagt haben, die der Fremdenverkehr im Ausland erfährt. Die deutsche Gastronomie, die unter schwierigen Verhältnissen und hohen Unkosten arbeiten muß, um ihre Existenz aufrechtzuerhalten und konkurrenzfähig zu sein, hat ein Recht darauf, von diesem Hohen Hause unterstützt zu werden. Ich wiederhole es noch einmal und bitte Sie, dem von uns so weitgehend abgeänderten Antrag, der nur für die Zubereitung von Speisen den Steuersatz von 5% fordert, jetzt in der dritten Lesung Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwabe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind hier eine Reihe wichtiger Gründe zu den beiden Anliegen genannt worden. Ich will gleich aufzeigen, daß das Problem noch vielgestaltiger ist; aber es drängt mich, vorher noch eine andere Bemerkung zu machen.
In dem intensiven Bemühen um dieses Steuergesetzgebungswerk ist, glaube ich, uns allen, auch
denen, die wir Änderungswünsche, die wir andere Vorstellungen da und dort haben, bewußt geworden, daß wir denen, die sich um dieses Werk bemüht haben, sehr viel Dank und Anerkennung schuldig sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, daß aus der Fülle der Zuschriften, aus der Fülle der Telegramme - zunächst scheint mir die Deutsche Bundespost die Hauptgewinnerin aus dieser Steuer zu sein - eine Mitteilung und eine Veröffentlichung herausragt, die meines Erachtens in aller Schärfe hier kritisiert und angeprangert werden muß. Eine Fachzeitung hat einen Offenen Brief eines Hamburger Hoteliers, der in der dortigen Organisation des Hotelverbandes eine Rolle spielt, an den Kollegen Seuffert geschickt, und in diesem Offenen Brief, der, wie das so üblich ist, vorher in der Zeitung abgedruckt wurde, ist in unqualifizierter Art geschrieben worden:
Ich darf Ihnen versichern, daß wir feststellen werden, welche Abgeordneten in klarer Erkenntnis, daß sie ein Sondergesetz für das Gastgewerbe beschließen,
- wahrscheinlich meint der Mann ein Sondergesetz gegen das Gastgewerbe Ihrem Antrag zustimmen und welche nicht. Wir werden in Plakataktionen die Namen in jeder Gemeinde in unseren Betrieben mit Kommentar veröffentlichen.
({0})
Eine derartige Sache macht es einem schwer, sich sachlich, sinnvoll und ruhig mit dem Anliegen des ganzen Gewerbes auseinanderzusetzen.
Ich möchte noch einmal sagen: es handelt sich hier auf ,gar keinen Fall nur um ein Anliegen der Gastronomie oder des Hotels. Die Sache geht viel weiter. Kollege Unertl hat soeben einiges angeführt.
Auch wenn ich einer derer bin, die hier auf Schwierigkeiten hinweisen, so möchte ich andererseits doch sagen: Wir dürfen auf keinen Fall die oberste Grenze von 10% gefährden. Ich meine, es wäre unsere Aufgabe, uns in den nächsten Jahren alle miteinander den Kopf zu zerbrechen, wie eine derartige Steuer abgebaut werden kann; wir sollten sie nicht etwa aufbauen.
Die Getränke werden jetzt höher belastet, die Speisen werden höher besteuert; die Getränkesteuer als solche wird belastet. Die Kurtaxe wird belastet. Mein Kollege Seuffert hat hier zum Ausdruck gebracht, das hänge nur an einer Modifizierung der Kurtaxenordnung. Meine Eingabe an den Kollegen Seuffert ist schon unterwegs, für meine Heimatgemeinde Lindenfels die Kurtaxenordnung so zu modifizieren, daß wir bei 100 000 DM Gemeindesteuern, in denen seither 4000 DM Bundessteuer enthalten sind, in Zukunft nicht 10 000 DM Bundessteuer zu bezahlen haben.
Die durchlaufenden Telefongebühren belasten die Rechnung. Wir haben das alles gehört. Die Beherbergungskosten werden höher besteuert, als es nach der französischen Regelung zu erwarten ist. Die Reisebüros haben Sorgen wegen des neuen Gesetzes. Die Bundesbahn hat Sorgen; wir haben es gehört. Private Sanatorien sind betroffen. Bergbahnen, die in Konkurrenz mit solchen aus den Nachbarländern stehen, sind betroffen. Das ist ein breiter Fächer, und es ist noch nicht alles; ich fasse mich kurz. Es muß dargestellt werden, daß es vielerlei ist. Das, was im weitesten Sinne des Worte unter „Erholung, Reise, Urlaub", also Gastronomie und Tourismus, verstanden wird, ist offenbar beeinträchtigt. Man sieht das aus den Drucksachen. Aber das muß zunächst getragen werden. Ein besserer Ausgleich ergibt sich vielleicht in der Zukunft. Im Augenblick sind das jedenfalls Härten.
Bezüglich dieses ganzen Katalogs der Sorgen hatte man nicht 10 oder 15 Änderungsanträge formuliert, für die man vielleicht auch eine Unterstützung gefunden hätte, sondern nur einen einzigen. Man hat sich auf die Besteuerung der Speisen konzentriert. Man hat nur gebeten, den Zustand wiederherzustellen, wie er zu Beginn der Gesetzesarbeit vorgesehen war. Die Lebensmittel sollen mit 5 % und die zubereiteten Lebensmittel ebenfalls mit 5% versteuert werden. Die Regierungsvorlage brachte nachträglich eine Änderung der Versteuerung auf 10 %. Hier ist also eine anderthalbstufige Belastung gegeben, und das muß die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen.
Sehen wir das einmal ganz klar, damit dieses Gebiet nicht in ein falsches Licht kommt. Der Bereich des Tourismus, des Gaststättengewerbes, des Urlaubs und der Erholungsbranche hat sich in der deutschen Wirtschaft vor den anderen entwickelt. Die Zuwachsraten sind hier verhältnismäßig besser als diejenigen der anderen Wirtschaftszweige in Deutschland. Aber im Vergleich zum Ausland liegen wir zurück. Ich möchte hier den Gedanken zerstreuen, der mir von Freunden entgegengehalten wurde, daß daran die spanische Sonne und die italienische Küste und diese Dinge schuld seien. Nein, nein, auch gegenüber Ländern wie Schweden, England, Irland und anderen liegen wir in der Progression zurück. Wir bemühen uns darum, daß das besser wird. Deshalb sollten wir auch hier Verständnis aufbringen.
Einmal geht es um den Inlandsbereich. Denken Sie an das, was Herr Unertl gesagt hat, an die Leute, die überall in unsere kleinen Gaststätten essen gehen. Sie haben vor der Tür unsere Kantine drüben oder die kleine Gaststätte an der Adenauerallee. Das sind zunächst einmal Speiselokale, wo die Angestellten aus den Ministerien, die Angestellten aus dem Bundespresse- und Informationsamt mit Unterstützung ihrer Arbeitgeber ein preiswertes Mittagessen einnehmen. Darum geht es. Das sollte hier betont werden.
Wir sollten uns wieder auf die alte Vorlage einigen. Wenn nun wirklich der Staat daran Schaden nehmen sollte, dann - aber erst dann - sollten wir untersuchen, ob man härter zupacken muß. Hier und heute sollten wir uns für den Satz von 5 % entscheiden. Es ist ein einziger Punkt, für den plädiert wird. Zehn andere, wesentliche Punkte wurden anfangs aufgezählt, aber sie sind nicht Gegenstand von Anträgen. Das ist die bewußte Bescheidung auf einen
Punkt, auf einen - wie ich zugebe - wichtigen Punkt. Wir sollten diesen Punkt ernst nehmen und sollten nicht glauben, daß es einigen wenigen zugute kommt. Es ist ein wirklich wichtiges Anliegen, um dessen Unterstützung ich Sie bitte.
({1})
Ehe ich das Wort weiter erteile, danke ich dem Herrn Abgeordneten Schwabe für seinen Protest gegen eine unziemliche Äußerung gegenüber nicht nur einem, sondern sämtlichen Mitgliedern des Parlaments.
({0})
Auch wenn es nicht die Pflicht des Präsidenten des Hauses wäre, nach dem Wortlaut des § 7 die Würde und die Rechte des Bundestages zu wahren, schiene es mir doch an der Zeit zu sein, daß auch die breite Öffentlichkeit einmal darauf hingewiesen wird, daß der Art. 38 des Grundgesetzes den Abgeordneten von Aufträgen und Weisungen freistellt und ihn nur seinem Gewissen unterwirft.
({1})
Ich spreche für das ganze Haus, wenn ich sage, daß wir uns dafür nicht nur Verständnis in der deutschen Öffentlichkeit erbitten, sondern daß wir uns hin und wieder auch gegen einen Ton wehren müssen, der überhaupt nicht in Übereinstimmung zu bringen ist mit dem Sinn und dem Geist des Art. 38 des Grundgesetzes. Er verpflichtet nicht nur den Deutschen Bundestag, sondern auch jeden Bürger in diesem Lande.
({2})
Meine Damen und Herren! Wir fahren jetzt in der Beratung fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir offen gestanden sehr schwer, Sie von diesem Pult aus nicht sehr emotionell anzusprechen. Ich will mich aber bemühen, bei der Sache zu bleiben.
In dem von Herrn Kollegen Schwabe zitierten, an Herrn Kollegen Seuffert gerichteten und uns allen zugegangenen Schreiben aus Hamburg heißt es unter anderem - und das ist die sachliche Seite der Angelegenheit, mit der ich mich auseiandersetzen möchte -:
Der Grund, für das Gastgewerbe ein Sondergesetz zu erlassen, ist nicht die Vereinfachung unserer Abrechnung. Der Grund ist sehr einfach: Sie rechnen mit einem Mehraufkommen von 150 Millionen DM, und das ist Ihnen die Vergewaltigung des Gesetzes wert.
So zu lesen in dem Brief, der uns allen zugegangen ist. Der Schreiber dieses Briefes, meine Damen und Herren, hat überhaupt nicht begriffen, worum es geht.
({0})
Es geht nämlich darum, daß wir ein Mehrwertsteuergesetz erlassen und kein Sondergesetz für das Gaststättengewerbe haben wollen.
({1})
Wir bemühen uns, in diesem Mehrwertsteuergesetz möglichst alles gleichzubehandeln, soweit es aus Gründen der Gerechtigkeit gleichbehandelt werden muß. Es ist überhaupt nicht einzusehen, daß wir den ermäßigten Steuersatz von 5 v. H., den wir bewußt auf einige wenige Kategorien, auf Gegenstände des täglichen Bedarfs beschränkt haben, auf alle möglichen anderen Dinge ausdehnen sollen. Sie sind doch sicherlich mit mir einig, daß es ein Unterschied ist, ob ich in einem sehr gut gelegenen und sehr anspruchsvollen Restaurant zu Mittag speise oder ob ich mir das Lebensnotwendigste erwerbe. Zum Lebensnotwendigsten gehört auch die einfachste Bekleidung, die den Menschen im Winter vor Erkältungskrankheiten schützt. Wenn wir diese mit 10% besteuern, meine Damen und Herren - hier kann ich nur wiederholen, was der Herr Kollege Dr. Stecker in der zweiten Lesung gesagt hat -, dann ist überhaupt nicht einzusehen, warum für Gaststätten nicht auch ein Mehrwertsteuersatz von 10 v. H. Anwendung finden soll.
({2})
Es handelt sich hier nicht um einen diskriminierenden Satz, sondern es handelt sich um den Regelsteuersatz des Gesetzes, der alle Tatbestände trifft.
({3})
Ich darf dann noch darauf verweisen - hier wird von 150 Millionen DM mehr gesprochen -, daß es sich bei diesen 150 Millionen DM mehr darum handelt, daß auf diesen Betrag im Aufkommen, auf der Basis des Jahres 1964 berechnet, verzichtet werden müßte. Wenn Sie diesen Betrag auf das Jahr 1968 projizieren, verzichten wir auf eine Steuereinnahme von 200 Millionen DM, sofern wir dem Antrag, den Frau Kollegin Funcke und die Herren Kollegen Unertl und Schwabe begründet haben, stattgäben. Auch in Anbetracht des Ausfalles ist es nicht gerechtfertigt, diesen Anträgen zuzustimmen. Ich kann Sie daher nur bitten, die Anträge abzulehnen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wie Herr Kollege Krammig die gegenwärtige Fassung der Ausschußdrucksache verteidigt hat, ist meiner Meinung nach das Verhältnis der beiden Besteuerungen der Lebensmittel nicht. Ich möchte vorausschicken: wir besteuern hier nicht Stände - das ist bei der Debatte über den Wein vorhin angeklungen - und wir besteuern auch nicht landwirtschaftliche oder industrielle Erzeugnisse, sondern letzten Endes besteuern wir Leistungen bzw. Bedürfnisse des Verbrauchens. Wir sind bei den Beratungen des Ausschusses bis in die allerletzten Tage hinein davon ausgegangen, daß wir mit Rücksicht auf die eigentlich im allgemeinen
für alle gleich wirkende Besteuerung eines Umsatzes bei dem Bedarf von Lebensmitteln eine Ausnahme machen wollen. Nun, Sie wissen, die Lebensmittel, wenn wir von dem immer geringer werdenden Kreis der Selbstversorger absehen, kommen in rohem Zustand auf den Tisch. Sie kommen in einem Zustand auf den Tisch, wie wir sie bereits im Geschäft erwerben, und sie kommen nach einer Zubereitung auf den Tisch. Das alles geschieht sowohl im Haushalt als auch in der Gaststätte.
Nun wird hier geltend gemacht, daß die Leistungen der Gaststätte etwas ganz anderes seien als die Leistungen, die ich mir im Haushalt verschaffe auf Grund dessen, was ich an Einkäufen getätigt habe. Meine Damen und Herren, sicher, es ist so, daß das Entgelt, das ich dem Gastwirt zahle, natürlich nicht ein Preis der Ware ist, sondern ein Entgelt dafür, daß ich die so zubereitete Ware in diesem Lokal, zu dieser Stunde, unter diesen mehr oder weniger aufwendigen Umständen serviert bekomme. Das ist unzweifelhaft richtig. Aber, meine Damen und Herren, vom Verbraucher aus gesehen, der die Gaststätte aufsucht, sind das alles nur Nebensachen. Was er haben will, ist die Deckung seines Nahrungsbedarfs, die er sich aus irgendwelchen Gründen nicht im eigenen Haushalt beschaffen kann.
({0})
Nun gebe ich Ihnen zu, es gibt natürlich Fälle, in denen ich eine Gaststätte aufsuche, um mir ein Vergnügen zu leisten, weil ,es mir in der Gaststätte gefällt, weil ich mir ein besonderes Menü erlauben will. Diese Fälle gibt es, aber wir können hier ja nun leider nicht so wie bei Hummer und Backsteinkäse bei den Leistungen der Gaststätten für die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs unterscheiden. Wir müssen bei der Frage, wie wir eine solche Leistung besteuern sollen, davon ausgehen, wie es im allgemeinen und überwiegend damit steht. Ich möchte sagen, überwiegend liegt der Fall so, daß der Verbraucher, der eine Gaststätte besucht, sie deswegen aufsucht, weil er seinen Nahrungsbedarf nicht im Haushalt decken kann, sei es, weil er keinen Haushalt hat, sei es auch - das ist ebenfalls berücksichtigenswert, was Frau Funcke gesagt hat -, weil er sich im Urlaub befindet, sei es, weil er seiner Hausfrau einmal die Mühe der Zubereitung eines Mittagessens ersparen will. Das ist meiner Meinung nach der ganz überwiegende Vorgang bei dem Erwerb von Nahrungsmitteln in einer Gaststätte, die in einer Gastwirtschaft auf den Tisch kommen, die dort zubereitet worden sind.
Daher glaube ich, daß mit dem Antrag, wie er jetzt in der Ausschußfassung vorliegt, etwas Ungleiches in das Gesetz kommt, und daß der Antrag, den hier die Fraktion der FDP und Kollegen aus allen Fraktionen eingebracht haben, in der Tat das Richtige bezweckt, nämlich in das Gesetz die Gleichstellung in der Besteuerung gleicher Bedürfnisse zu bringen. Ich meine, auf die Dauer gesehen dürfen wir nicht übersehen, daß wir ein Gesetz machen, das die fiskalischen Bedürfnisse bis zuletzt beachten muß, in dem aber auch daran gedacht werden muß, daß in der Steuergesetzgebung die steuerliche
Gleichbehandlung gleicher Dinge nicht ganz außer acht gelassen werden darf. Ich meine, es ist gleich, ob ich meinen Nahrungsbedarf auf Grund der Einkäufe in Geschäften am eigenen Tisch decken kann oder ob ich gezwungen bin, ihn in Gaststätten zu decken.
Ich bitte daher doch, dem Antrag stattzugeben.
({1})
Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nach den Ausführungen ,des Kollegen Schlee kann ich es ganz kurz machen. Was uns auffallen muß, ist, daß hier die Mehrwertsteuer ,nicht mehr als wertneutral bezeichnet werden kann, nachdem nun Nahrungsmittel einmal mit 5 % und im anderen Fall mit 10 % belastet sind und wir dann praktisch zu einer 15%igen Mehrwertsteuer kommen. Sie verteuern, wenn Sie den Gesetzentwurf so lassen, wie Sie ihn in der zweiten Lesung .beschlossen haben, nicht nur das Essen im Grand-Hotel, sondern auch das in einer kleinen Gaststätte, wo ein Arbeiter oder Angestellter aus Gesundheitsgründen sein warmes Mittagessen einnimmt. Sie verteuern auch das Essen in der Werkskantine. Das wollen wir auch einmal ganz klar herausstellen.
Noch ein Letztes! Die achtzehn Auslandsvertretungen .der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr haben vor wenigen Tagen in Konstanz getagt. Sie haben dort festgestellt, daß das Entscheidende für die Werbung für Reisen nach Deutschland die verhältnismäßige Preisstabilität in der Bundesrepublik gewesen ist und ,daß aus manchen Ländern der Zustrom .ausländischer Reisender abfallen wird, wenn diese ,Stabilität der Hotelpreise nicht mehr gewährleistet ist. Auch das sollte man in die Gedankengänge hineinnehmen. Man sollte wissen, daß es nicht .ein Gaststättenproblem, sondern letzten Endes ein Problem des Fremdenverkehrs in Deutschland schlechthin ist.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muß Verständnis dafür haben, daß es Abgrenzungsschwierigkeiten gibt, sobald man überhaupt mehr als einen Steuersatz einführt. Das 'ist der Kern der Problematik, mit der wir es zu tun haben.
({0})
Ich habe schon das letzte Mal ausgeführt - und der Kollege Schlee hat es ,eigentlich eindeutig bestätigt -, daß das, was ich in der Gaststätte bekomme, nicht eben nur ein Lebensmittel ist, sondern daß der Service, die Dienstleistung, mit einbegriffen
ist, ,d. h. eine Dienstleistung, die Bereitstellung von gewerblichen Räumen usw.
({1})
Wenn Sie hier auf den ermäßigten Steuersatz eingingen, würden Sie neue Ungleichheiten zur anderen Seite hin schaffen. Ich nenne Ihnen ,ein Beispiel, das ich schon das letzte Mal anführte. Wenn ich zu einem Friseur gehe der eine andere ,einfache Dienstleistung in Anspruch nehme, ist diese mit 10% zu versteuern. Hier treten dann neue Ungerechtigkeiten auf. Herr Kollege Schlee, Sie sagten, wenn ich mir das Essen im Haushalt zubereite, brauche ich die Steuer nicht zu zahlen. Nun gut, wenn Sie sich die Haare zu Hause selber 'schneiden, wird die 'Steuer auch nicht fällig.
({2})
Das ist in ,der Tat einfach nicht vergleichbar. Sie vergleichen hier Unvergleichbares. Ich will keineswegs sagen ich habe das nie getan -, daß es sich in jedem Falle um einen Luxus handelt, wenn man in ein Gasthaus geht. Ich sage nur, wir müssen Iden Umfang der Dienstleistung und der Nahrungsmittelbereitstellung gegeneinander abwägen. Wir sind zu der Meinung gekommen, daß der Dienstleistungsanteil so wichtig ist, daß es nicht gerechtfertigt ist, hier vom Regelsatz abzuweichen.
({3})
Ich sage noch einmal und immer wieder, ,es handelt sich nicht um eine Ausnahme, sondern um die Anwendung des Regelsatzes auf die Speisen in den Gaststätten. Ich bitte daher, den Antrag !abzulehnen.
({4})
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 194 Ziffer 5 *) Buchstaben a und b. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 194 Ziffer 6 *) der Fraktion FDP auf. Wird der Antrag begründet? - Frau Abgeordnete Funcke begründet ihn.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es war, wie Herr Kollege Stecker eben sagte, nicht immer leicht, in diesem Gesetz Abgrenzungen zu finden bzw. zu rechtfertigen. Wir haben in der zweiten Lesung allerdings eine Abgrenzung besonders schwierig gemacht. In dieser zweiten Lesung haben wir beschlossen - und zwar mit gutem Recht -, die Bausparkassenvertreter von der Steuer freizustellen. In dem Gesetz ist außerdem die Bestimmung enthalten, daß Banken bei der Vermittlung von Krediten von der Steuer befreit sind:
Nun sind wir aber durch 'diese Beschlüsse im Hinblick auf die Immobilienmakler in eine sehr schwierige Abgrenzungsfrage hineingekommen. Denn die Immobilienmakler stehen ja insofern außerhalb der
*) Siehe Anlage 5
normalen Umsatzsteuerkette, als Grund und Boden nicht der Umsatzbesteuerung unterliegt, sondern der Grunderwerbsteuer. Wie an mancher anderen Stelle, wo ein Objekt außerhalb der normalen Umsatzsteuerkette steht und uns besondere Schwierigkeiten bereitet hat, ist hier ein solcher Fall gegeben.
Wenn wir die Makler besteuern, können sie diese Last nicht abwälzen, weil das Objekt von der Umsatzsteuer befreit ist. Zugleich aber - und das macht die Sache besonders schwierig -- sind die Bausparkassenvertreter und die Banken steuerfrei. Sie stehen im unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zu den Maklern, die ja nicht nur Immobilien vermakeln, sondern ebenfalls Hypotheken und andere Finanzierungen vermitteln. Außerdem stehen die Makler in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zu freien Berufen - etwa zu Architekten -, die zwar nicht unmittelbar vermakeln können, aber doch Hinweise auf die Möglichkeiten von Grundstücks-und anderen Immobilienkäufen geben können.
Aus all dem ergibt sich, daß die Immobilien- und Finanzierungsmakler in einer sehr ungünstigen Wettbewerbslage gegenüber den eben genannten, zum Teil völlig freigestellten Berufszweigen stehen, die die gleichen oder ähnliche Aufgaben ohne Steuerpflicht erfüllen, einerseits die Banken, andererseits die Bausparkassenvertreter.
Wir bitten nicht um Freistellung, aber wir glauben, daß es ein Anliegen wäre, hier eine Teilangleichung dadurch herbeizuführen, daß man die Makler in die Besteuerung nach der 5%-Liste hineinnimmt. Eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber sonstigen Handelsvertretern kann sich nicht ergeben, weil der Handelsvertreter in der normalen Kette steht, während sich der Immobilienvertreter außerhalb der Kette befindet.
Wir bitten, den Antrag anzunehmen.
({0})
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Versicherungsvertretern und den Bausparkassenvertretern liegt die Besonderheit vor, daß sie ihrem Beruf nach ausschließlich für Unternehmen arbeiten, die mit einer Vorsteuer nichts anfangen können. Das trifft für die Immobilienmakler nicht zu, die zum allergrößten Teil oder jedenfalls zu einem erheblichen Teil für Unternehmen arbeiten. Es kann ernsthaft nicht die Rede davon sein, daß die Immobilienmakler irgendwie zu Bausparkassenvertretern in Konkurrenz stehen, das sind vollkommen getrennte Angelegenheiten. Niemand hat bisher etwas davon gehört, daß es dem Immobilienmakler, dem Hypothekenmakler usw. schwergefallen wäre, seine Gebühren zu erhalten und sie so zu bemessen, wie es für seine Tätigkeit und für seinen Verdienst nötig ist. Die Frage, warum Immobilienmakler und andere hier Genannte einen 5 %-Satz zahlen sollten, aber der gewöhnliche Handelsvertreter einen 10 %-Satz,
wäre überhaupt nicht zu beantworten. Wir bitten, den Antrag abzulehnen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 194 Ziffer 6. An sich ist Ziffer 6 noch nicht an .der Reihe, aber ich habe sie vorzeitig aufgerufen. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zu dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 201 *). Wird das Wort gewünscht? Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten in der zweiten Lesung dem § 12 Abs. 2 eine Nr. 5 a angehängt; dabei sind aber versehentlich einige Diskriminierungen entstanden. Beispielsweise sind die Leistungen der Architektengesellschaften, die den freiberuflichen Tätigkeitsmerkmalen entsprechen, nicht aufgeführt worden. Ebenfalls ist vergessen worden, die wohnungswirtschaftlichen Baugesellschaften, die im Zweiten Wohnungsbaugesetz Betreuungsunternehmen heißen, so zu bezeichnen. Dann sind die Beratungsstellen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Betreuungsstellen des Handwerks und der Landwirtschaft, vergessen worden. Das alles und einiges mehr haben wir versucht in dem. vorliegenden Antrag zu reparieren. Der Antrag ist von allen drei Fraktionen eingebracht worden. Ich bitte um Annahme des Antrages.
Keine weiteren Wortmeldungen. - Wir stimmen ab über den Antrag auf Umdruck 201. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Er ist einstimmig angenommen.
Ich rufe dann den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 221 **) auf. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hatte bei der zweiten Lesung den Antrag schon einmal vorgelegt. Nun haben Sie einen Teil dieses Antrages hier inzwischen akzeptiert, nämlich die Gleichstellung der Zeitschriften mit den Zeitungen. Wir glauben, aus Gesichtspunkten, die hier vorgetragen worden sind, nämlich zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Presse, diesen Antrag stellen zu sollen, und möchten Sie bitten, ihm zuzustimmen.
Sind keine weiteren Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf die Anzeigenerlöse der Zeitungen würde automatisch die Frage aufwerfen, wie dann andere, in Konkurrenz stehende Werbeaufwendun-
*) Siehe Anlage 12 **)_ Siehe Anlage 14
gen besteuert würden, z. B. Plakate, Reklameschilder, Dekorationen und alles andere. Außerdem sind wir uns vollkommen klar - ohne daß ich jetzt eine genaue Zahl nennen kann -, daß das ein gewaltiges Loch in die Kasse reißen würde. - Nein, Verzeihung, hier muß ich mich berichtigen. Der Steuerausfall würde bei den rein privaten und den Behördenanzeigen entstehen. Das ist meines Wissens ungefähr ein Sechstel des Geschäfts. In dem übrigen Geschäft, auf das es ja doch wohl ankommt, wird überhaupt kein Effekt auftreten. Nur die von mir vorhin erwähnten Berufungsfälle für andere Werbemaßnahmen usw. würden entstehen. Wir bitten, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. - Wir stimmen ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 221. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 202 *) auf. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Abgeordneter Eckhardt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zur sachlichen Begründung des Antrags lediglich darauf hinweisen, daß es gerechtfertigt ist, die Umsätze von Urheberrechten den Umsätzen von Büchern, graphischen Erzeugnissen usw. gleichzustellen. Der Antrag bedarf jedoch einer technischen Korrektur. Er muß folgendermaßen lauten:
In § 12 Abs. 2 Nr. 6 erhält Buchstabe d folgende Fassung:
„d) die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,"
Der bisherige Buchstabe d des § 12 Abs. 2 Nr. 6 wird Buchstabe e.
Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Wir haben von der Änderung Kenntnis genommen. Wir stimmen also über den Antrag Umdruck 202 in der geänderten Fassung ab. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Brenck, Schmidt ({0}), Schwabe und Genossen auf Umdruck 205 **) auf. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Brenck!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gemeinsame Antrag von zahlreichen Kollegen aus allen Fraktionen auf Umdruck 205 hat zum Ziel, die Bergbahnen wie den Personennahverkehr zu behandeln. Der Grund liegt einfach darin, daß sonst für unsere Betriebe, die im Grenzland liegen, eine äußerst prekäre Wettbewerbslage gegenüber den ausländischen Unter-
*) Siehe Anlage 15 **) Siehe Anlage 16
nehmen der gleichen Art entsteht. Teilweise befinden sich ja diese Betriebe ohnehin in dieser besonderen Wettbewerbssituation, häufig schon in wirtschaftlich schwachen Gebieten, die der Bund in den regionalen Förderungsprogrammen zu fördern versucht. Es ist kein Zufall, daß andere Staaten Finanzhilfen mannigfacher Art in vielen Fällen gerade dafür geben, um den Ausländerreiseverkehr zu fördern, mit all den Chancen, die in der ganzen Welt bekannt sind. Dies paßt gar nicht in unsere jahrelangen Bemühungen, eine Steigerung des Ausländerreiseverkehrs zu erreichen. Wer die Entwicklung nicht so genau kennt, weiß vielleicht auch nicht, daß große Veränderungen im Fremdenverkehr auf uns zukommen und schon eingetreten sind. Ich darf sagen, daß riesige Bemühungen im Westen und im Osten angestellt werden, ausländische Touristen zu gewinnen, weil darin vielerlei Chancen erblickt werden.
Im besonderen Falle waren die Beförderungspreise bisher mit zirka 25% über denen des Auslands ohnehin zu hoch. Es gibt zudem neue Verzerrungen im Wettbewerb, beispielsweise zwischen den Bahnen und den Omnibussen. Aber es geht letzten Endes nicht allein um die Bergbahnen, sondern auch um die Orte, für die die Bergbahnen lebenswichtig sind; denn man weiß, daß die ausländischen Orte im Blick auf ihre Bergbahnen eine bessere touristische Entwicklung genommen haben als die unsrigen.
Als letztes: Ich fürchte, daß das Steuermehraufkommen mit knapp 500 000 DM mehr Schaden als Nutzen bringt. Deshalb haben sich ja auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen in dem Ihnen vorliegenden Antrag für eine angemessene Regelung ausgesprochen. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
({0})
Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag aus den Gründen abzulehnen, die in der zweiten Lesung bereits dargelegt worden sind. Wir haben die Befreiungen des Beförderungsteuergesetzes in das Mehrwertsteuergesetz übernommen. Die Bergbahnen waren aus guten Gründen bei der Beförderungsteuer nie begünstigt oder befreit.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß leider dem Herrn Kollegen Seuffert widersprechen. Wir haben diesen Antrag deshalb wieder gestellt, weil wir festgestellt haben, daß einige der Argumente, die in der zweiten Lesung zur Ablehnung des Antrags führten, einer Überprüfung nicht standhielten. Deshalb möchte ich einiges ganz klar noch einmal feststellen.
Was hier für die Bergbahnen beantragt wird, ist keine Sonderlösung, sondern eine gleiche Behandlung, wie sie für alle Nahverkehrsträger in dieser Gesetzesvorlage vorgesehen ist.
Zum zweiten möchte ich noch einmal festhalten, daß die Seilbahn in manchen Bereichen ein echter Nahverkehrsträger ist. Wir haben Beispiele -ich könnte sie Ihnen aufzählen, aber das würde zu weit führen -, wo gleichzeitig eine Omnibuslinie und eine Seilbahn zwei Orte miteinander verbinden. Es gibt etliche solcher Beispiele. Hier ist also eine echte Wettbewerbsverzerrung in das Gesetz hineingekommen.
Aber etwas anderes erscheint mir noch wichtiger. Bei der Anhörung der Sachverständigen, auf die das letzte Mal Herr Kollege Krammig einging, ist anscheinend bei etlichen der Anhörer ein gewisser Irrtum unterlaufen, weil sie davon ausgingen, daß neben den 6% Beförderungsteuer zur Zeit auch noch 4% Umsatzsteuer gezahlt würden. Das ist aber nicht der Fall. Das mußte korrigiert werden. In Wirklichkeit werden jetzt 6% - genau: 5,66 % - gezahlt. Damals hat man gesagt: Wenn ihr jetzt sowieso fast 10 % zahlt, spielt es ja. keine Rolle; im Gegenteil, ihr kommt sogar durch den Vorsteuerabzug noch besser weg. Das ist aber nicht der Fall. Es ist inzwischen auch protokollarisch festgestellt: 5,66% jetzt; Verteuerung. Das ist völlig klar.
Drittens komme ich noch einmal ganz kurz auf den Grenzverkehr zurück. Osterreich hat zur Zeit 4% Umsatzsteuerbelastung auf den Berg- und Seilbahnen, Italien hat 3%, die Schweiz hat keine Umsatzsteuer. Wir würden- jetzt durch die Verteuerung eine wesentliche Verschlechterung für die Berg- und Seilbahnen herbeiführen. Die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr in Form der sogenannten Umwegrentabilität würden Sie erleben.
Ich will es Ihnen an einem einzigen Zahlenbeispiel sagen, damit Sie konkret sehen, worum es in bestimmten Fällen hier geht. Die Söllereckbahn und die Kanzelwandbahn sind mehrere hundert Meter auseinander. Dazwischen ist die Grenze nach Osterreich. Auf der Söllereckbahn kostet bereits heute der Meter 0,9 Pf, auf der Kanzelwandbahn 0,74 Pf. Eine weitere Verteuerung um die entsprechende Mehrbelastung durch die Steuer würde die Konkurrenzfähigkeit noch mehr beeinträchtigen.
Meine Damen und Herren, wollen wir das denn wirklich? Ich denke an die Worte, die Herr Schwabe vorhin aus der Sicht des Fremdenverkehrs zu den Gaststätten gesagt hat. Ich denke an vieles, was in der letzten Lesung dazu gesagt worden ist. Hier sind 450 000 DM im Spiel, keine 70 Millionen oder 100 Millionen DM, sondern 450 000 DM, die aber ein Drittel der gesamten zukünftigen Steuerbelastung bei den Bergbahnen ausmachen. Das gesamte Aufkommen bei ihnen wird nach den Berechnungen, wenn ein Steuersatz von 10 % kommt, etwa 1,5 bis 1,7 Millionen DM betragen. Davon sind 450 000 DM die Mehrbelastung, die jetzt dazu kommt, also praktisch ein Drittel mehr.
Meine Damen und Herren, das waren die Gründe, die auch dazu geführt haben, daß diesmal zahlreiche
Schmidt ({0})
Kolleginnen und Kollegen mehr als in der zweiten Lesung diesen Antrag unterschrieben haben. Wir glauben, daß wir sowohl um .der Gleichberechtigung und der echten Wettbewerbschancen willen, aber auch im Interesse unserer Fremdenverkehrswirtschaft, die bei uns von seiten des Staates bisher nicht so besonders gefördert worden ist, einen solchen Einschnitt nicht tun sollten. Ich darf Sie um Annahme des Antrags bitten.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nur um keinen falschen Eindruck hier entstehen zu lassen, möchte ich darauf hinweisen, daß ein Vergleich mit dem Nahverkehr nicht möglich ist. Den Nahverkehr haben wir in erster Linie deshalb begünstigt, weil wir hier die sogenannten Sozialtarife haben, die wir nicht erhöhen wollten. Bei den Bergbahnen aber handelt es sich in erster Linie um Touristik. Hier werden Preise verlangt, von denen wir glauben, daß für sie eine, wenn auch nur geringe Mehrbelastung durch die Nettoumsatzsteuer durchaus vertretbar ist. Ein Vergleich mit dem Nahverkehr ist also nicht möglich. Ich bitte daher um Ablehnung dieses Antrags.
Ich lasse jetzt über den Antrag Umdruck 205 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Die Annahme, der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 203 *) sei erledigt, ist irrig, wird mir gesagt. Er muß behandelt werden. - Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin die gemeindlichen Zoos freigestellt. Die Koalitionsparteien haben nun beantragt, die Privatzoos ebenso wie Zirkusvorführungen und Schausteller mil .dem ermäßigten Steuersatz zu bedenken. Wir bitten um Annahme.
Nach unseren Beschlüssen zum Änderungsantrag Umdruck 202 muß es allerdings jetzt statt Buchstabe d Buchstabe e heißen.
({0})
Auf Umdruck 203 muß es also Buchstabe e, nicht Buchstabe d heißen. - Bitte, Frau Funcke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben vorhin beschlossen, die öffentlichen zoologischen Gärten wie öffentliche Museen, Theater und Orchester von der Umsatzsteuer freizustellen. In der gleichen Nummer des § 4 steht, daß private Einrichtungen dieser Art ebenso wie öffentliche behandelt werden, wenn sie die gleichen Aufgaben erfüllen. Nun möchten wir annehmen, daß ein privater Zoo die gleichen Auf-
*) Siehe Anlage 17
gaben erfüllt wie ,ein öffentlicher Zoo, und ich meine, damit ist alles abgedeckt. Wenn jedoch noch ein Sonderfall auftaucht, könnten wir ihn ohne Schaden in die 5 %-Liste ebenso wie einen Zirkus aufnehmen. Vielleicht bleibt in der Tat noch ein Rest übrig, den wir nicht bedacht haben, aber an sich scheint uns diese Bestimmung jetzt nicht mehr notwendig zu sein.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur vollständigen Klarstellung: Die Befreiung von Privattheatern und 'infolgedessen auch Privatzoos in § 4 des Gesetzes 'ist von einer Bescheinigung der Landesbehörde abhängig. Wir haben uns 'entschlossen, den ermäßigten Steuersatz genauso wie Zirkusse und Schausteller ohne Bescheinigung der Landesbehörde auch für Privatzoos auf jeden Fall vorzusehen. Ich glaube, wir sollten den Antrag nun ohne weitere Diskussion annehmen.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 203 mit der Änderung des Buchstabens d in Buchstabe e. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. Damit ist der Antrag angenommen.
Ich rufe dann den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 209 *) auf. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Müthling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf den schriftlichen Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu § 12 verweisen. Er bezieht sich gegebenenfalls auf zwei Vorschriften des § 12.
Im Rahmen der Versorgungsbetriebe wird erneut für Wasser statt 5% ein ermäßigter Steuersatz von 3 % beantragt. Damit soll eine Preissteigerung für den Verbrauch, auch hier für Wirtschaftsgüter des lebensnotwendigen Bedarfs vermieden werden. Nach sorgfältigen Berechnungen der Sachverständigen und der Wirtschaftsverbände würden die auf den Wirtschaftsgütern ruhenden Vorsteuern mit die- sen 3 % ausgeglichen werden.
Konjunkturpolitisch mag daran von Bedeutung sein, daß der zur Zeit so wichtige Investitionsanreiz in vollem Umfang erhalten bliebe. Für die Verbraucher würde im wesentlichen eine Steuerbefreiung eintreten. Gegenüber den Steuerertragsberechnungen würde nach den neuesten Feststellungen ein Steuerausfall von etwa 25 Millionen DM eintreten. Gewiß ist das formal und organisatorisch, also aus der Sicht des Steuersystems, eine Sonderregelung. Aber im Steuerrecht selbst ist die Sonderstellung des Wassers immer anerkannt worden. In meinem Beitrag zur zweiten Lesung habe ich in diesem Sinne auf die bisherigen bewährten Regelungen im Umsatzsteuer- und im Vermögensteuergesetz verweisen können. Es geht bei diesem Antrag nicht darum, daß die Wirtschaftsgrundlagen der Produ-
*) Siehe Anlage 18
zenten entlastet werden. Es geht hier vielmehr um den Schutz des Verbrauchers, der jetzt einer Häufung staatlich ausgelöster Preissteigerungen gegenübersteht. Ich bitte, dem Antrag stattzugeben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Der Antrag geht darauf hinaus, das Wasser,
({0})
das in den Haushalten verbraucht wird, mit einem Sondersteuersatz von 3% zu besteuern. Wir haben sehr sorgfältige Überlegungen über diese Frage angestellt und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das Wasser im Durchschnitt mit einer Vorsteuer von 3,1% belastet ist. Da die Wassergewinnung in Deutschland sehr unterschiedlich ist - sie ist z. B. dort sehr einfach, wo das Wasser in natürlicher Qualität anfällt, und hat daher dort wenig Vorsteuern -, können Sie sich ausrechnen, daß ein großer Teil des Wassers, das insbesondere in unseren Ballungsgebieten anfällt, mit einem erheblich höheren Vorsteuersatz als 3% belastet ist. Wenn wir also jetzt einen Steuersatz von 3% mit vollem Vorsteuerabzug genehmigten, so würde das bei einigen Wasserwerken, die sehr hohe Investitionen vorgenommen haben, laufend zu Steuererstattungen führen. Eine solche Praxis aber würde den EWG-Richtlinien ganz klar widersprechen, die so etwas untersagen. Sie würde aber auch eine völlig ungezielte und mit vernünftigen Gründen nicht zu belegende Subventionierung einzelner Gruppen von Wasserwerken bedeuten.
Ich möchte hier noch hinzufügen, daß wir mit den Vertretern der öffentlichen Wasserwerke gesprochen haben. Wir haben sogar in Erwägung gezogen, ähnlich wie bei der Forstwirtschaft Pauschalierungen mit 3 % Vorsteuer vorzunehmen, in dem Sinne, daß generell und unausweisbar 3 % Steuern 3 % Vorsteuern gleichgestellt würden. Das haben die Herren abgelehnt, und daraus ergibt sich meines Erachtens eindeutig, daß die Vorsteuern in wesentlichen Bereichen der Wasserwerke höher liegen als 3 %, so daß Erstattungen eintreten würden.
Wir sind daher der Meinung, daß wir beim Wasser, wie wir es bei anderen lebensnotwendigen Gütern getan haben, einen Steuersatz von 5 % annehmen sollten. Ich meine das auch im Hinblick darauf, daß wir zu ständig kapitalintensiveren Wassergewinnungsmethoden kommen und insbekondere in unseren Ballungsgebieten der Steuersatz von 5% auf die Dauer die Vorsteuerentstehung abdeckt. Das heißt, daß hier eine ganz vernünftige, alle befriedigende Lösung gefunden worden ist.
Nun darf ich noch einen Gesichtspunkt nennen, der es mir besonders geboten erscheinen läßt, diesen Antrag abzulehnen. Wir würden hier erstmals einen Sondersteuersatz von 3 % für das Wasser einführen. Das wäre geradezu eine Aufforderung an andere Gruppen, in Zukunft auch gesonderte Steuersätze von 4, 3, 6 und 7 % zu fordern. Wir sind daher der Meinung, daß auch aus diesem Grunde prinzipiell an den Steuersätzen 0 %, 5%, 10 % festgehalten werden sollte, und wirglauben auch nicht, daß ndarin eine unzumutbare Belastung des Verbrauchers liegt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müthling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Abgeordneten Stecker darauf hinweisen, daß die Werke - etwa 700 an der Zahl - sich mit einer derartigen Regelung einverstanden erklärt haben. Sie hätten das nicht getan, wenn sie die Nachteile zu befürchten hätten, die Sie, Herr Kollege, soeben an die Wand gemalt haben. Das ist also berücksichtigt; es geschieht in Übereinstimmung mit den Werken.
Sie sprechen ferner davon, daß möglicherweise ein Verstoß ,gegen ,die EWG-Richtlinien vorliegen würde. Bitte berücksichtigen Sie, daß das französische Mehrwertsteuergesetz eine entsprechende Begünstigungsvorschrift hat und seitens der EWG-Kommission in dieser Hinsicht kein Einspruch erhoben worden ist. Wir haben also auch hier wohl keine Einsprüche zu erwarten.
Nun haben Sie recht, wenn Sie sagen, daß an sich in den Beratungen auch erwogen worden ist, ob nicht eine Pauschalierung stattfinden könnte, etwa im Sinne der Regelung, die wir für die Forstwirtschaft gefunden haben. Es ist aber bei der Würdigung dieses Vorschlages von Ihnen unerwähnt geblieben, daß auch hierüber Sachverständige sich geäußert haben und in ihrer Würdigung zu dem Ergebnis gekommen sind, daß darin die bei weitem schlechteste Lösung liegen würde. Die Sachverständigen haben den Nachweis geführt - wiederum in Übereinstimmung mit den etwa 700 Wasserwerken -, daß diese Investitionen naturgemäß bei den einzelnen Unternehmungen und in den einzelnen Jahren in ganz unterschiedlicher Höhe anfallen, und sie haben dargelegt, daß unter diesen Umständen die Pauschalierung des Vorsteuerabzuges dazu führen würde, ,daß große Teile der Vorsteuern, die bei den Unternehmen auf Investitionen anfallen, einfach nicht verrechnet werden könnten, also praktisch dem Finanzamt zugute kämen. Es geht dabei nicht um große und kleine Betriebe, sondern um ,das Verhältnis der Investitionen zum Umsatz.
Aber ,es gibt - auch das haben die Sachverständigen nachgewiesen - noch einen ganz bedeutungsvollen Einwand gegen diese schlechteste aller Lesungen. Die Pauschalierung der Vorsteuern führt nämlich zu einer steuerlichen Bevorzugung der Eigenarbeit ,der Unternehmen gegenüber den Fremdlieferungen, und zwar bei den Reparaturen wie bei 'den Investitionen. Mit einer solchen Regelung würde
also gerade das vermieden, was sich hier als 'ernstes
Hemmnis einstellt. Man würde die so umstrittene
Regiearbeit durch diesen Vorschlag erneut fördern.
Zusammenfassend und winderholend darf 'ich sagen, daß auch dieser Versuch, über den Weg der Pauschalierung zu einer Lösung zu kommen, denkbar ungeeignet ,ist.
Ich wiederhole meinen Vorschlag, dem Antrag stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige ganz kurze Bemerkungen machen.
Erstens. Wir reden immer von einem Steuerausfall von 25 Millionen DM. Das mag nicht zu umgehen sein. In Wirklichkeit ist es so: statt 45 Millionen DM nimmt hier der Bund erstmalig 20 Millionen DM Steuern vom Wasser ein. Bisher hat er nämlich vom Wasser gar nichts bekommen.
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- Wir reden hier vom Wasser und nicht von Lebensmitteln.
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- Entschuldigen Sie, ich darf doch wohl jemandem, der dauernd von einem Steuerausfall redet, sagen, daß es sich in Wirklichkeit nicht um einen Steuerausfall handelt, sondern um eine Mindermehreinnahme oder eine neue Einnahme, die es bisher nie gegeben hat.
Zweitens. Sie sprachen, Herr Dr. Stecker, von den anderen lebensnotwendigen Gütern. Ich bitte doch, bei dem Vergleich mit den anderen lebensnotwendigen Gütern auch daran zu denken, daß bisher das Wasser eben anders behandelt worden ist als die anderen lebensnotwendigen Güter. Das ist also gar nicht neu.
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- Sicher, wir bekommen ein neues Steuerrecht, und ich hoffe, daß es ein vernünftiges Steuerrecht wird. - Ich bin der Meinung, Herr Dr. Stecker, daß man der Systematik nicht alles opfern darf.
Was die EWG-Richtlinien anlangt, wünschte ich, die Empfindlichkeit und der Blick auf die EWG-Richtlinien würde sich durch das ganze Gesetz ziehen. Sie wissen doch sehr gut, daß wir in dem Gesetz eine Menge Dinge haben, die mit den EWG-Richtlinien im Grunde gar nichts mehr zu tun haben.
Denken Sie schließlich bei der Entscheidung über diesen Antrag bitte an folgendes. Eine Menge Anträge sind hier ja nicht mehr gestellt worden. Ich erinnere nur an den Antrag auf dem Energiesektor. Man ist also so bescheiden geworden, wie es nur eben möglich ist.
Ich bitte Sie deshalb recht herzlich, dem Antrag mit den 3 % zuzustimmen. Die Welt geht davon nicht unter, und das Gesetz geht daran nicht kaputt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Freund Könen ist ein kluger Mann; aber er hat soeben etwas gesagt, was insofern nicht zutreffend ist, als er offenbar etwas übersehen hat, was gerade mit eine Ursache dafür gewesen ist, daß wir von der bisherigen BruttoAllphasensteuer auf das Mehrwertsteuerrecht übergehen wollen, und da trifft eben das, was er sagte, nicht zu. Man kann nicht so argumentieren: weil im bisherigen Umsatzsteuerrecht etwas befreit oder begünstigt war, darf es nun im Mehrwertsteuerrecht nicht belastet werden. Diese Argumentation ist falsch.
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- Ich würde aber lieber von null sprechen. Sehen Sie, jetzt kommen wir auf den Kern der Dinge. Wissen Sie, was passiert, wenn wir 'das Wasser völlig befreien, es also in den Katalog des § 4 aufnehmen? Dann bleiben die Wasserwerke auf ihrer Vorsteuer sitzen. Jetzt haben sie den ganz großen Vorzug - und das muß hier deutlich herausgestellt werden -, daß sie bei einem 3%igen Steuersatz im Durchschnitt wahrscheinlich zu jedem Vorauszahlungszeitraum zum Finanzamt gehen, den Hut aufhalten und sagen: bitte gebt uns den Überschuß an Vorsteuer heraus, den wir dann in unsere Tasche stecken. Das ist der Sinn dieses Antrages, und daher spricht sehr viel dafür, so zu verfahren, wie Herr Kollege Dr. Stecker vorgeschlagen hatte, nämlich auch hier das zu tun, Herr Kollege Dr. Müthling, was wir bei der Forstwirtschaft getan haben: Vorsteuerabzug pauschaliert 3% und Mehrwertsteuer pauschaliert auch 3%. Dann ist die Sache in Ordnung. Aber wenn der Antrag dazu führt - und er führt dazu -, daß hier ein Steuersatz eingeführt wird, wo ständig zu Lasten des Mehrwertsteueraufkommens herausgezahlt werden muß, dann ist das Völlig unberechtigt. Aus diesem Grunde - neben den anderen Gründen, die hier schon erwähnt worden sind - muß der Antrag abgelehnt werden.
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Wir stimmen über den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 209 ab. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Wir wollen die Abstimmung durch Erheben von den Plätzen wiederholen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Wir müssen auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Es sind 277 Stimmen abgegeben worden, davon 132 mit Ja und 142 mit Nein bei drei Enthaltungen.
Vizepräsident Dr. Dehler
Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 209 Ziffer 1
abgelehnt. Umdruck 209 Ziffer 2 ist damit erledigt.
Wir stimmen über den § 12 mit ,den erfolgten Änderungen ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - § 12 ist gebilligt.
Wir kommen dann zu dem Antrag auf Umdruck 198 Ziffer 3 *). Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Es erhebt sich kein Widerspruch. § 16 ist dann in dieser Fassung gebilligt.
Ich rufe dann den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 194 Ziffer 7 **) auf.
Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem Antrag auf Umdruck 194 Ziffer 7, zu ,dem ich die Anträge in Ziffer 8 und 9 hinzunehmen zu dürfen bitte, weil sie inhaltlich zusammengehören, geht es wie bei der zweiten Lesung darum, daß wir bitten, den Termin für die Erklärung und die Zahlung der Steuer vom 10. bis zum 15. des folgenden Monats zu verschieben.
Wir sind uns vielleicht in diesem Hause noch nicht so ganz klar darüber, was eigentlich an zusätzlichen Arbeitsgängen nötig ist, um in der Zukunft eine Umsatzsteuererklärung abzugeben. Es war schon bisher nicht ganz einfach, den 10-TageTermin einzuhalten, zumal inzwischen ja die Fünftagewoche eingeführt worden ist und mitunter zwei Wochenenden in diese 10 Tage hineinfallen. Aber was jetzt hinzukommt, bedeutet doch, daß wir auch die Eingangsrechnungen bis zu diesem Termin verbucht und registriert haben müssen. Da normalerweise niemand eine Rechnung verbucht, ,die er nicht geprüft hat, stellt sich doch einfach die Frage, wie es 'die Wirtschaft hinzaubert, Rechnungen, die noch vom 31. des alten Monats stammen, bis zum 6. oder 7. des nächsten Monats geprüft, gebucht und die Zahlen einschließlich der Vorsteuer addiert zu haben und das alles sollen nun auch noch die steuerberatenden Berufe für viele Steuerpflichtige in den wenigen Tagen bewerkstelligen. Sie können doch nicht am 9. des Monats nachmittags alle ihre Klienten gleichzeitig versorgen; sie brauchen eine gewisse Spanne Zeit, um diese Arbeiten abzuwickeln.
In der Tat hat ja die Finanzverwaltung bereits Leine gelassen, indem sie es als zulässig ansieht, wenn Erklärung und Steuerzahlung tatsächlich bis zum 15. des Monats eingehen.
Man stellt sich ganz einfach die Frage, warum das, was nun durch die Praxis zwingend geworden ist, nicht auch bei einer Reform in das Gesetz aufgenommen wird. Die steuerberatenden Berufe werden nicht 'durchkommen.
Nun weiß ich, daß Sie das Argument dagegen anführen, die Länder kämen damit nicht zurecht. Dagegen habe ich allerdings ganz ernsthafte staatspolitische Erwägungen anzuführen. Wenn wir dem
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 5
Bürger eine solch ungeheuer große Arbeit in der Umstellung und in der laufenden Abwicklung aufbürden, dann kann ich einfach nicht verstehen, warum der Staat erklärt, für ihn dürfe aber auch kein bißchen Umstellung damit verbunden sein, er wolle natürlich all das so haben wie bisher, er sei nicht bereit, dem Staatsbürger auch nur ein bißchen entgegenzukommen.
Das, meine Herren und Damen, ist mir in einem demokratischen Staat unverständlich. Die Länder bzw. die Finanzverwaltungen meinen, sie könnten nicht mit zwei verschiedenen Steuerterminen - einmal dem 10. und einmal dem 15. des Monats - fertig werden. Merkwürdigerweise wird dem Bürger so etwas aber längst zugemutet; denn für die Gemeindesteuern besteht bereits jetzt der 15. des Monats als Termin. Offensichtlich geht also bei dem Bürger alles, was bei dem Staat nicht geht. Aber wenn es nun wirklich nicht gehen sollte, dann wäre es doch durchaus möglich, alle Steuertermine auf .den 15. des Monats zu verschieben. Ich garantiere den Ländern, daß sie dadurch keinen Steuerausfall am Jahresende wegen der späteren Möglichkeit zu mahnen haben, außer dem, der sowieso aus praktischen Gründen unvermeidlich ist. Unvermeidlich deshalb, weil der Steuerpflichtige mit absoluter Sicherheit bis zum 10. des Monats nicht fertig wird.
Die Wirtschaft wird sich auf dreierlei Weise helfen. Sie wird entweder laufend um Stundung bitten, und dann kommt das Geld eh nicht früher, oder sie wird zunächst geschätzte Vorauszahlungen später genau abrechnen; das bedeutet, daß die Finanzkassen jeden Vorgang zweimal buchen müssen. Oder die Unternehmen werden gemahnt werden, und sie werden dann mit allen möglichen Begründungen, und zwar berechtigten Begründungen, nachträglich bitten, die Säumniszuschläge zu erlassen. Das alles miteinander kann nur zu Mehrarbeit führen.
Mir scheint es nicht klar zu sein, warum Sie unseren Antrag ablehnen wollen - jedenfalls heute ablehnen. Unter der Hand hat mir bereits mancher der Herren Länderfinanzminister in dem Gespräch halbwegs zugegeben: Was heute abgelehnt wird, wird man in spätestens einem Jahr zugestehen müssen. Die praktische Anwendung des Gesetzes wird das bestätigen, was wir heute voraussagen. Ich habe einige Erfahrungen auf diesem Gebiet, sowohl aus der betrieblichen Praxis als auch aus der steuerberatenden Praxis. Wir werden alle miteinander erleben, daß wir diese Regelung, wenn wir sie heute ablehnen, in der ersten oder zweiten Novelle zugestehen müssen. Und darum, meinen wir, ist es dem Staatsbürger gegenüber glaubwürdiger und verständnisvoller, daß, wenn wir ihn schon mit neuer Arbeit belasten, wir ihm auf der anderen Seite dieses kleine Entgegenkommen zeigen. Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
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Herr Abgeordneter Dr. Stecker hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns
im Finanzausschuß sehr eingehend über die Problematik dieser Fristen unterhalten. Sie, Frau Kollegin, waren mit dabei, als wir ein sehr eingehendes Gespräch mit den Finanzministern aller Länder hatten, in dem wir uns auch über diese Dinge unterhalten haben. Die Finanzminister waren nahezu einstimmig der Meinung, daß eine Verschiebung dieses Termins im Hinblick auf die übrigen Steuertermine zu Unzuträglichkeiten und außerordentlichen Schwierigkeiten führen müßte. Wir haben daraufhin noch einmal im Finanzausschuß darüber gesprochen und haben von der Verwaltung die Zusage bekommen, daß für die Übergangszeit, in der die Schwierigkeiten besonders groß sind, die Karenzzeit überschritten werden kann. Das heißt also, daß wir von der Verwaltung eine Handhabung dieser Fristen erwarten können, die auch dem Anliegen des Steuerzahlers gerecht wird.
Daher bin ich der Meinung, daß wir das abwarten sollten, daß wir uns nicht unnötig mit den Länderfinanzministern auseinandersetzen sollten, sondern daß wir dem Anliegen der Wirtschaft am besten dadurch gerecht werden, daß wir von der Verwaltung eine großzügige Handhabung der Karenzzeit erbitten und erwarten.
Ich bitte daher, den Antrag auf Verlängerung der Frist vom 10. auf den 15. abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
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- Dann können wir abstimmen. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 194 Ziffer 7, Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind auch die Ziffern 8 und 9 dieses Änderungsantrages erledigt. Besteht darüber Einverständnis?
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Wir kommen dann zu den Änderungsanträgen zu § 19, zunächst zu dem Änderungsantrag Umdruck 198 Ziffer 4 - dem Antrag der drei Fraktionen -:
In § 19 Abs. 1 erhält der vorletzte Satz die Fassung „§ 4 bleibt unberührt."
Kann ich das Einverständnis des Hauses feststellen? -- Es ist so beschlossen. -
Der Antrag Umdruck 198 Ziffer 4 ist erledigt.
Die Änderungsanträge zu § 23 sind auch erledigt.
Dann rufe ich zu § 26 den Änderungsantrag der drei Parteien auf Umdruck 198 Ziffer 5 auf. Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. In Abs. 1 werden die Worte „Unbilligkeiten und Härtefällen" durch die Worte „Unbilligkeiten in Härtefällen" ersetzt. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest.
Zu § 26 liegt der Änderungsantrag Umdruck 204 *) der drei Fraktionen vor, einen Abs. 1 a einzufügen.
*) Siehe Anlage 19
Besteht Einverständnis des Hauses? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu § 27. Hierzu liegt von den drei Fraktionen der Änderungsantrag Umdruck 215 *) vor, hinter Abs. 2 einen Abs. 3 einzufügen mit der Folge, daß die bisherigen Abs. 3 und 4 Abs. 4 und 5 werden. - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Jetzt zu den Änderungsanträgen zu § 28. Zunächst liegt der Änderungsantrag der FDP Umdruck 194 Ziffer 10 **) vor. Weiterhin liegt vor der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Umdruck 216 ***). Der Änderungsantrag der FDP ist wohl der weitergehende. Besteht Einverständnis? - Abg. Dr. Staratzke begründet ihn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in der zweiten Lesung zu dem Antrag der Fraktion der Freien Demokraten gesprochen, und zwar zu dem Problem der Entlastung der Altvorräte. Ich habe diesen Antrag auch ausführlich begründet.
Wir haben .den Änderungsantrag damals - das darf ich in die Erinnerung zurückrufen - aus großer Sorge heraus eingebracht, weil die von der Bundesregierung und der Bundesbank eingeleiteten konjunkturellen Belebungsmaßnahmen durch ungenügende Entlastung dieser zirka 100 Milliarden DM Altvorräte sehr erheblich gestört werden müssen.
Mir sei erlaubt, hier zunächst einmal festzustellen, daß unsere Einbringung dieses Änderungsantrags in der zweiten Lesung goldrichtig war; denn er hat die Ressorts und alle Fraktionen dieses Hohen Hauses noch einmal zum Nachdenken über dieses wichtige konjunkturpolitische Problem gebracht.
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Dies zeigt der heute vorliegende Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Es war sicher auch gut - auch das darf ich noch einmal feststellen -, daß wir zwischen der zweiten und der dritten Lesung eine Denkpause von Vierzehn statt von acht Tagen, wie es ursprünglich vorgesehen war, gefordert hatten.
Nun bin ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch überzeugt - das darf ich noch einmal ausführlich begründen -, daß unser Antrag zur Erreichung des Ziels sachlich der bessere ist. Wir wissen alle, daß die Entlastung sowohl für die im Betrieb hergestellten wie für die bezogenen Waren natürlich gleich ungenügend ist. Das wissen alle Kollegen dieses Hauses, die irgendwie direkt mit der Wirtschaft zu tun haben, und das wissen natürlich auch die Herren Minister der Finanzen und Wirtschaft.
Wenn man aber nun nicht alle Vorräte voll entlasten kann, weil dies zu teuer ist, so sollte man nach unserer Meinung eine bessere Entlastung wenigstens an den konjunkturell wichtigsten Stellen
*) Siehe Anlage 20 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 21
vornehmen. Und genau das sieht unser Antrag vor, nämlich eine weitere 75%ige Entlastung der bezogenen bzw. angeschafften Waren. Dazu gehören, wie wir alle wissen, vor allem die Läger der Handelsstufen aller Art.
Der Antrag hat unseres Erachtens weiterhin den Vorteil, daß die Entlastung auf der Basis der Ausfuhrhändlervergütung vorgenommen wird. Die Ausfuhrhändlervergütung gemäß § 20 des Umsatzsteuergesetzes scheint mir als Basis sehr viel besser zu sein, als die Ausfuhrvergütungssätze für diese hier bezogenen Waren ebenfalls zur Bemessungsgrundlage zu nehmen, weil bei den Ausfuhrvergütungssätzen - das weiß jeder heute - Verzerrungen enthalten sind, die man dann für die bezogenen Waren übernehmen würde. Die Ausfuhrhändlervergütung als Basis für die bezogenen Waren ist nach unserer Auffassung daher sehr viel reiner, gerechter und sauberer.
Schließlich haben wir in unserem Antrag vorgesehen, diese weitere Entlastung der sogenannten bezogenen Waren auf der Basis der Ausfuhrhändlersätze auf zwei Jahre zu verteilen, um aus den bekannten finanzpolitischen Gründen die Manövriermasse im ersten Jahr nicht allzu sehr zu belasten. Alle Rechnungen, die aufgemacht worden sind, scheinen mir - soweit wir überhaupt die Möglichkeit haben, uns danach zu richten und danach zu arbeiten - darauf hinauszulaufen, daß wir bei unserem Antrag bei 850 oder maximal 900 Millionen DM liegen, während ich mir habe sagen lassen, daß der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ungefähr 750 Millionen DM kosten würde. Aber ich betone noch einmal: die Entlastung sollte bei uns auf zwei Jahre verteilt werden. Ich bin auch davon überzeugt, daß die Wirtschaft eine solche Verteilung der Entlastung auf 24 Monate durchaus begrüßen würde, weil die Unternehmen dadurch gegenüber der Finanzverwaltung sofort Gläubiger werden und dieses dann auch in ihren Kalkulationen berücksichtigen können.
Schließlich darf ich noch .einmal darauf hinweisen - ich habe es schon das letztemal getan -, daß in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses zum Stabilitätsgesetz die ausreichende Entlastung des Vorratsvermögens zum Stichtag eine große Rolle gespielt hat, und die letzten Beratungen haben die Kollegen aller Fraktionen dazu bewogen, eine mögliche Ermächtigung auf eine Investitionssteuerprämie bis zu 7,5 % erst von dem 1. Januar 1969 an vorzusehen, um eine ausreichende Entlastung des Vorratsvermögens jetzt nicht zu gefährden, um die Konjunkturbelebung unter keinen Umständen zu gefährden. Ich glaube, das ist unser aller Ziel. Daher bitte ich das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pohle zur Begründung des Antrags Umdruck 216.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Staratzke hat den Antrag der FDP begründet. Ich möchte hierzu kurz sagen, daß wir bitten, den Antrag abzulehnen, einmal wegen des von Herrn Staratzke selbst ins Feld geführten höheren Ausfalls - er kommt an die Milliardengrenze heran -, zweitens, weil ich glaube, daß ein Abstellen auf die Ausfuhrhändlervergütung verwaltungsmäßige Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Schon die Ausfuhrvergütung macht den Wirtschaftszweigen, die bisher keine Ausfuhrvergütung beansprucht haben, Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten würden sich noch erhöhen, wenn auch die Ausfuhrhändlervergütung hinzukäme.
Was unseren eigenen Antrag anlangt, so ist hier in
der zweiten Lesung schon darüber gesprochen worden, daß eine höhere Entlastung der Altvorräte eine vordringliche Aufgabe sei. Wir haben die Zwischenzeit benutzt, darüber ernsthafte Erwägungen anzustellen. Unser Antrag hat .eine weitere ganz kräftige Entlastung der Altvorräte über die bisherige Regelung hinaus zum Inhalt, indem er die Sätze statt auf 100 und 120% der Ausfuhrvergütungssätze - ich brauche das System hier vor diesem sachverständigen Kreis nicht weiter darzulegen - .auf 120 und 150 % festsetzt. Sah die ursprüngliche Fassung des Finanzausschusses eine Entlastung der Altvorräte um 57% vor, so kommen wir damit auf eine Gesamtentlastung der Altvorräte von annähernd 70%. Ich möchte gleich betonen, daß zu diesem Entschluß der beiden Koalitionsfraktionen die beiden hierfür zuständigen Häuser der Bundesregierung, nämlich das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium, wesentlich beigetragen haben, weil inzwischen 'im Wirtschaftskabinett ähnliche Erwägungen angestellt wurden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte Sie fragen, ob Sie als Wirtschaftler wirklich glauben, daß 70% als Entlastung genügen, um die von mir in der letzten Sitzung geschilderten Auswirkungen - Beunruhigung der Wirtschaft - zu verhindern?
Ich möchte das aber mit einem Dank verbinden,
({0})
daß die Koalition immerhin unseren Vorschlägen schon weitgehend gefolgt ist.
({1})
Ich halte aber den Vorschlag von 'uns für besser. Glauben Sie das nicht auch?
Sehr verehrter Herr Dr. Menne, es wird niemanden in den Reihen der Koalition geben, der nicht für eine höhere Entlastung der Altvorräte einträte. Deshalb haben wir uns auch viele Gedanken gemacht. Ich halte Ihren Vorschlag nicht für besser, denn er krankt daran, daß keine Deckungsmöglichkeiten aufgezeigt worden sind, und er krankt zum anderen daran, daß die
Ausfuhrhändlervergütung ganz zweifellos zu einer Erschwerung der Situation führen würde.
({0})
- Ich komme gleich noch einmal zu Ihrer Frage zurück, indem ich ausführe, warum wir nicht höher gehen können.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dr. Pohle, gestatten Sie mir doch vorher eine Frage: Ist Ihnen entgangen, daß ich den Vorschlag gemacht habe, diese Entlastung auf 24 Monate zu verteilen, so daß der Antrag im Jahre 1968 wahrscheinlich weniger Manövriermasse erfordern wird als Ihr Antrag?
Das ist mir nicht entgangen, Herr Kollege Staratzke. Nur glaube ich, daß im Jahre 1968 oder 1969 - oder wie lange Sie es auch immer verteilen wollen - auch nicht mehr Mittel vorhanden sind, um die Deckungslücke zu schließen. Ich habe jedenfalls von Ihnen noch nichts darüber gehört, wie das vor sich gehen soll.
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- Da sind wir alle dabei, Herr Moersch, dazu müssen wir alle zusammenwirken. Wir dürfen aber nicht noch weitere Deckungslücken reißen, ohne daß gesagt wird, wie sie geschlossen werden sollen. Ich finde also, die Erhöhung der Entlastung - und das müssen Sie sich doch selbst sagen, meine Herren - ist fühlbar und wird sich konjunkturell auswirken.
Ich komme gleich darauf zurück, wie hoch die Gesamtentlastung wäre, die bei 120 und 180 % vorgeschlagen worden ist. Das wären nämlich nach neuen Berechnungen auch nur 7 Punkte mehr, nämlich 77 % der Gesamtbesteuerung der Altvorräte mit der kumulativen Umsatzsteuer. Die dadurch herbeigeführte Entlastung häte also nur sieben Punkte mehr gebracht. Ich finde, daß das Risiko der dadurch entstehenden Deckungslücke dann nicht in Kauf genommen werden kann, wenn, wie der Bundesfinanzminister ganz unzweideutig zu erkennen gegeben hat, in einem solchen Fall der Steuersatz von 10 auf ,10,5% hätte erhöht werden müssen, auch wenn das erst am 1. Januar 1969 eingetreten wäre.
Das schwierige Reformwerk und den ohnehin schwierigen Systemwechsel über die Beschlüsse der zweiten Lesung hinaus durch eine Steuererhöhung auch von nur einem halben Prozent zu belasten, erschien uns aus den verschiedensten Gründen untunlich, auch wenn diese Erhöhung erst am 1. Januar 1969 eintritt oder erst durch eine Ermächtigung der Regierung herbeigeführt werden soll. Denn jede Erhöhung des Steuersatzes, um die Altvorräte zu entlasten - und wir, die wir hier die zweite und die dritte Lesung erleben, wissen doch, wie schwierig es ist, dieses Gesetzgebungswerk unter Dach und Fach zu bringen und auch einzelne berechtigte Wünsche der verschiedensten Berufsgruppen und -stände hier einzuordnen -, hätte unweigerlich zur Folge,
daß andere Gruppen kämen und sagten: Wenn schon 101/2%, warum dann nicht 11 %, warum nicht 111/2 %, um unsere Ansprüche zu befriedigen? Die gesetzliche Festlegung eines erhöhten Steuersatzes ab 1. Januar 1969 hätte also Präjudizien für alle weiteren Wünsche geschaffen und mit Recht alle jene wieder auf den Plan gerufen und rufen müssen, deren weitergehende verständliche Wünsche wir in diesem Hause haben abschneiden müssen.
Es kommt dazu, daß es letztlich, wenn der Markt es hergibt, natürlich der Verbraucher ist, der die Erhöhung bezahlen muß. Das entspricht nun einmal dem System. Aber je höher der Steuersatz, desto größere Auswirkungen ergeben sich normalerweise für das Preisgefüge.
Nun kommt die Konjunktur. Natürlich ist es richtig - keiner, der in der Wirtschaft steht, wird das bestreiten -, daß die Konjunktur zur Zeit nicht gerade sehr rosig aussieht und daß vielleicht gerade jetzt entscheidende Impulse nötig sind. Das ist das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister vorgetragen hat; und deshalb haben er und das Kabinett empfohlen, Sätze von 120 und 180 % zu wählen. Aber, meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: Wenn das nur unter Erhöhung eines Steuersatzes oder unter Ankündigung der Erhöhung eines Steuersatzes ab 1. Januar 1969 möglich ist, dann sollte man äußerst vorsichtig sein. Man sollte nicht durch einen erhöhten Steuersatz diese Erhöhung der Entlastung der Altvorräte abzugelten suchen, ganz abgesehen davon, daß dann sofort die Schwierigkeiten entstehen, was bei einem Steuersatz von 101/2% mit dem halbierten Steuersatz werden soll. Soll er bei 5 % bleiben, soll er auf 51/4% erhöht werden, soll er 6% betragen oder was sonst?
So berechtigt im übrigen das Verlangen auf Entlastung der Altvorräte ist, so wenig kann das gesamte Problem nur unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten gesehen werden. Denn letztlich, meine Damen und Herren - auch das muß gesagt werden -, richtet sich die Vorratshaltung nun einmal auch und in erster Linie nach Marktüberlegungen. Kein Unternehmer wird sich seiner Vorräte völlig entblößen können, zumal er gar nicht weiß, ob er bei Wiederansteigen der Konjunktur auch im nächsten Jahr seinen Bedarf wieder zügig wird decken können. Kein Unternehmer wird sich in seiner Vorratshaltung bis aufs Hemd ausziehen, wenngleich er selbstverständlich und erst recht in Zeiten wie der heutigen eine übergroße Vorratshaltung vermeiden muß. Das ist aber für jeden Unternehmer eine Binsenwahrheit und eine Frage des Rechenstifts. Wenn wir deshalb bis 70% der Altvorräte entlasten und damit gewaltig über das hinausgehen, was der Finanzausschuß seinerzeit beschlossen hat, dann kommen wir sowohl den berechtigten Belangen der vorrathaltenden Industrie wie den berechtigten Belangen des vorrathaltenden Handels entgegen.
Ich darf aber auch darauf verweisen, daß die Frage, mit wieviel kumulativer Vorsteuer die alten Vorräte belastet sind, recht theoretisch ist. Das ist von Produkt zu Produkt sehr verschieden. Niemand vermag exakt zu sagen, wieviel an wirklicher Vor4888
Belastung im Einzelfall in der bevorrateten Ware steckt. Deshalb haben wir als Aushilfsmittel für die Bemessungsgrundlage die Ausfuhrvergütung für Exportwaren gewählt, die nach Pauschsätzen annähernd die Vorbelastung mit Umsatzsteuer feststellt, und damit zum Ausdruck gebracht, daß wir annehmen, die Sätze der Ausfuhrvergütung entsprächen in etwa der Vorbelastung der hergestellten Warenvorräte.
Auf den erworbenen Vorräten - deshalb die Differenzierung von 120 zu 150, das wollen Sie ja auch - liegt eine zusätzliche Umsatzsteuerstufe von zirka 3,6%. Das haben wir durch die Differenzierung anerkannt. Aus diesem Grunde sollen diese Vorräte eine höhere Entlastung erfahren durch einen prozentualen Aufschlag auf die Ausfuhrvergütung. Einen gewissen Abstand zwischen beiden Entlastungssätzen zu wahren, war auch unser Anliegen. Wir haben uns zu der Ansicht bekannt, daß der Abstand von 120 zu 150, 30 Punkte, der richtige ist. Es war auch von Sätzen von 110 zu 160 die Rede, um eine stärkere Entlastung der Warenvorräte und eine geringere Entlastung der industriellen Vorräte zu ermöglichen und den Abstand zwischen beiden zu vergrößern. Wir haben uns hierzu nicht bereitfinden können. Wenn auch der Produzent aus den schon vorgetragenen Gründen nicht in der Lage ist, die Warenlager in gleichem Maße einzuschränken, wie es z. B. der Handel kann, so konnten wir uns doch nicht entschließen, die Spanne weiter zu verringern.
Bei den Überlegungen des Wirtschaftskabinetts und des Kabinetts war auch die Rede davon - das will ich der Vollständigkeit halber sagen -, bei Sätzen von 120 und 180 Prozent die notwendige Deckung nicht über eine Erhöhung der Steuersätze zu schaffen, sondern durch ein Anhalten des sogenannten Stufenplans, der bekanntlich dazu dient, in Stufen, aber nach sechs Jahren endgültig, den sofortigen Abzug der Neuinvestitionen einzuführen. Man hatte daran gedacht, die Steuer für den Selbstverbrauch, durch die bekanntlich dieses Ziel erreicht werden soll, auch im Jahre 1969 nicht nur 7, sondern 8 % betragen zu lassen. Dies hätte die Deckungslücke bei einer höheren Entlastung der Altvorräte ausgeglichen. Wir haben uns zu diesem Wege jedoch nicht entschließen können, weil das eine Benachteiligung der Investoren zugunsten der Handelsläger gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, wir haben den Stufenplan und die Entlastung der Altvorräte gerade wegen der entstehenden Deckungslücke stets gemeinsam betrachtet, zumal bekanntlich die Entlastung der Vorräte aus den Überschüssen des Stufenplans im ersten und zweiten Jahr mitfinanziert werden soll. Es erschien uns untunlich, dieses wohlausgewogene System des Stufenplans - und ein Anhalten des Stufenplans käme praktisch auf eine Verlängerung hinaus - nun in letzter Minute zugunsten der Altvorräte zu ändern. Die Unternehmen haben immer wieder nachdrücklich um eine Abkürzung und nicht um eine Verlängerung oder ein Anhalten des Stufenplanes gebeten. Wir glaubten deshalb ein Eingreifen in den Stufenplan nicht verantworten und die Entlastung der Altvorräte mit einer Modifikation des Stufenplans erkaufen zu können. Ich gebe freilich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister durchaus recht, wenn er sagt: Mir ist das Hemd näher als der Rock, wenn er auf die Konjunkturlage 1967 verweist und mit uns allen in der Hoffnung lebt, daß sich 1969 die Verhältnisse wieder anders, d. h. besser, entwickelt haben werden. Aber, meine Damen und Herren, wir sind elastisch genug, um zu wissen, daß wir auch ohne Eingriffe in den Stufenplan den wirtschaftlichen Notwendigkeiten jederzeit Rechnung tragen können.
Ich möchte noch eines hinzufügen. Ich glaube, die jetzt gefundene Regelung ist besser, als wenn wir den ursprünglichen Gedanken aufgegriffen hätten, eine Ermächtigung zu schaffen, die der Regierung die Möglichkeit gegeben hätte, flexibel zu sein. Jetzt ist eine gesetzliche Regelung über eine weitere erhebliche und ins Gewicht fallende Entlastung der Vorräte gegeben.
Der Änderungsantrag findet auch die Zustimmung des Haushaltsausschusses. Die Mehrbelastung beträgt - Herr Staratzke hat das schon gesagt -750 Millionen DM. Sie wird gedeckt durch die noch vorhandene kleine Reserve, die nach Abschluß der zweiten Lesung entstanden war und die bis auf die Zeitschriftenfrage teilweise aufrechterhalten worden ist, und durch die rund 600 Millionen DM, die auf Grund der Übergangsmaßnahmen nur 1968 anfallen und 1969 wieder verfügbar sind. Außerdem handelt es sich bei der Entlastung der Altvorräte bekanntlich um einen einmaligen Vorgang, der nach seiner Durchführung endgültig abgeschlossen ist.
Ich möchte am Ende meiner Begründung noch folgendes zusammenfassend sagen: Das neue Umsatzsteuersystem soll neben ,der Herstellung der Wettbewerbsneutralität der deutschen Wirtschaft eine Verbesserung ihrer Wirtschaftsstruktur bringen, ein klares Preissystem ermöglichen und sie von allen versteckten Steuerbelastungen befreien, ohne daß im Durchschnitt die Belastung des Verbrauchers erhöht wird. Um diese Wirkung baldmöglichst zu erreichen und Übergangsschwierigkeiten auszuschalten, sind Steuermittel bis zur Grenze des finanziell Vertretbaren insbesondere zur Entlastung der Altvorräte und zur stufenweisen Entlastung der Neuinvestitionen vorgesehen worden. Darüber hinaus ist eine weitere Entlastung mangels Mittel leider nicht möglich.
Wir sind der Auffassung, daß die Marktwirtschaft mit dieser Regelung den Übergang in das neue System durchaus bewältigen kann, ohne daß einerseits eine Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus, andererseits Absatzhemmungen oder Produktionseinschränkungen - jedenfalls ,aus diesem. Grunde - befürchtet werden müssen. Wir meinen, daß die für das Jahr 1968 gesetzten Daten sowohl mit einer gesunden Wirtschaftsentwicklung als auch mit der Sicherheit der öffentlichen Finanzen vereinbar sind. Eine Erhöhung der Verbraucherbelastung über die vorgesehenen Steuersätze hinaus halten wir nicht
für vertretbar. Wir bitten deshalb, unserem Antrag und nicht dem der FDP-Fraktion zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete van Delden.
van Delden ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit ich nicht in einen falschen Verdacht komme, möchte ich von vornherein sagen, daß ich -dem Koalitionsantrag zustimmen und den FDP-Antrag ablehnen werde. Der Grund dafür, warum ich um das Wort gebeten habe, ist einzig und allein der, daß ich doch noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Dr. Staratzke und von Herrn Dr. Menne machen möchte. Sie hatten hier zweimal die Frage des Urheberrechts betont. Glauben Sie ja nicht, daß sich die Koalition die Entlastung der Altvorräte so leicht gemacht hat. Hier handelt es sich ja darum, daß eine Steuer, die der Bund 'bereits vereinnahmt, verplant und verbraucht hat, zurückerstattet wird.
Herr Kollege van Delden, wie erklären Sie sich bei Ihrem Hinweis auf das Urheberrecht die Tatsache, daß bei der letzten Beratung, nämlich bei der zweiten Lesung, eine ganze Reihe von Kollegen aus unserer Nachbarschaft, die an diesem Problem sehr interessiert waren, bei der Abstimmung plötzlich gefehlt haben?
Das weiß ich nicht. Ich bin nicht verantwortlich für diejenigen, die gefehlt haben. Ich darf nur daran erinnern, -daß wir in der zweiten Lesung auch diesem Problem dadurch Beachtung geschenkt hatten, daß wir - wenn ich mich richtig entsinne - eine Ermächtigung vorhatten, wonach der Bundesfinanzminister je nach Lage auch eine andere Bewertung vornehmen konnte.
({0})
Herr Kollege van Delden, halten Sie die Rückforderung einer Schuld bei einem Schuldner, der Ihnen erklärt, er habe das Geld bereits verbraucht, für gerechtfertigt oder nicht?
van Delden ({0}): Ich möchte mich jetzt nicht auf juristische Spitzfindigkeiten einlassen. Es dreht sich darum, Herr Kollege Zoglmann, daß der Bundesfinanzminister mit diesem Geld bereits gerechnet und gearbeitet hat und daß es der Haushaltsausschuß auch in dem Sinne verplant hat.
({1})
- Lassen Sie mich bitte jetzt zu Ende reden, denn ich will hier nicht zum Schluß noch zur Erheiterung beitragen bzw. Ihnen die Möglichkeit geben, sich hier noch länger über die Frage des Urheberrechts zu verbreiten. Ich möchte nur auf eines aufmerksam machen: Wenn man alle die Zuschriften, die wir bekommen haben, genauer studierte, könnte man wirklich der Meinung sein, viele glaubten, die Änderung der Umsatzbesteuerung von der Allphasen- in eine Mehrwertsteuer wäre u. a. zu dem Zweck vorgenommen worden, um hier zusätzlich Gewinnmöglichkeiten für die Wirtschaft zu schaffen.
Ich gebe ohne weiteres zu, daß auch ich mir, gleich als dieses Gesetz eingebracht wurde, zu Hause überlegt habe: was kostet es mich, und was bringt es uns? Ich glaube, wir sollten noch einmal mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß keiner an dieser Änderung des Steuersystems verdienen kann und darf, sondern daß wir ein gerechteres Steuersystem haben wollen. Es ist zuzugeben, daß in einer Zeit der Hochkonjunktur der Verbraucher derjenige gewesen wäre, der die meiste Last hätte. Jetzt werden natürlich die größeren Kämpfe intern auf dem Markt ausgefochten werden - Vorlieferant - Kunde, wieder der nächste Kunde -, weil ja der Angebotsdruck dafür sorgt, daß eine etwaige Steuermehrbelastung nicht in dem Sinne einer Preissteigerung den Verbraucher trifft.
Ich möchte aber in diesem Zusammenhang noch einen Punkt aufgreifen; das ist der § 28 Abs. 2, der Stichtag der Bewertung. Dort ist zwar geregelt, wie in bezug auf die Altvorräte bei denjenigen verfahren werden soll, die am 31. Dezember nicht bilanzieren. Trotzdem richte ich an den Bundesfinanzminister die Bitte, die Durchführungsverordnungen so zu gestalten, daß diejenigen, die anders als zum 31. Dezember bilanzieren, nicht besser - oder auch: nicht schlechter; wie Sie wollen - gestellt sind. Denn derjenige, der am 31. Dezember seine Bilanz aufstellt und nach dem Niedrigstwertprinzip vorgeht - vorgehen muß, wenn er nicht in eine höhere Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer kommen will -, muß anders bilanzieren als derjenige, der möglicherweise nur einen Vermögensstatus aufstellt. Ich denke hierbei z. B. an den Bremer Erlaß, wodurch ich die Vorräte ganz legitim herauf- oder herunterdrücken kann. Derjenige, der eine Bilanz an dem Tage aufstellt, wird sie herunterdrücken müssen, und dem, der nur einen Vermögensstatus aufstellt, steht es ja, wenn man der bisherigen Handhabung folgt, frei, den Bremer Erlaß, den Importwarenerlaß, für diesen Zweck herauszulassen und dann z. B. am 30. Juni wieder hineinzunehmen. Also auch hier muß für eine Kontinuität in irgendeiner Form gesorgt werden, so daß diejenigen, die eine andere Bilanzierungsgrundlage oder einen anderen Bilanzierungstag als den 31. Dezember haben, nicht anders gestellt sind als die, die am 31. Dezember bilanzieren.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Staratzke.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns in so später Stunde noch über dieses Problem unterhalten, so ist das, glaube ich, deshalb notwendig, weil es eine sehr, sehr ernste Sache ist.
Ich will nur noch auf ein paar Dinge eingehen.
Zunächst einmal: Herr Kollege van Delden, wir brauchen uns nicht über ein Urheberrecht zu streiten. Wir wollen alle das Beste tun. Ich habe vorhin lediglich festgestellt, daß wir in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag in dieser Richtung eingebracht haben und Sie nicht. Weiter nichts!
({0})
Zweiter Punkt! Ich darf mit großer Freude feststellen, daß Sie sich unserem Änderungsantrag nähern.
Eine dritte Bemerkung, Herr Kollege Dr. Pohle, an Sie. Da vermisse ich eine gewisse Logik. Sie haben gesagt, daß Ihr Antrag 750 Millionen DM kostet, daß Sie den Mehrwertsteuersatz nicht zu erhöhen brauchen, also bei 10 % lassen wollen. Wir sagen: 850 Millionen - nicht eine Milliarde, wie Sie sagen - und wollen die Entlastung auf zwei Jahre verteilen, was nach meiner Meinung besser ist, auch finanzpolitisch.
Ich sehe also nicht ein, warum unser Antrag in dieser Beziehung schlechter sein sollte. Ich sage nach wie vor: er ist besser.
Ein vierter Punkt: Unser Antrag unterscheidet sich im wesentlichen von dem Ihrigen in der Basis. Wir halten nach wie vor - ich möchte das in aller Form noch einmal sagen, und ich glaube, in dieser Hinsicht einige Kenntnisse zu haben - die Basis der Ausfuhrhändlervergütung für besser als die Basis der Ausfuhrvergütung; denn die ist verzerrt, und wenn Sie sie auf bezogene Vorräte bringen, dann verzerren Sie den zweiten Teil noch einmal. Die Basis des § 20 des Umsatzsteuergesetzes scheint mir also in der Tat besser zu sein.
Letzter Punkt: Wir sind dezidiert der Meinung, daß an den Stellen, wo sich die konjunkturellen Dinge am meisten abzeichnen, nämlich bei den bezogenen Vorräten allenthalben, insbesondere im Handel, eine größere Entlastung sein muß, und zwar noch mehr, als Sie es mit der Bezugsgröße von 150 vorsehen. Wenn Sie schon Ihren Antrag in dieser Form stellen, dann würde ich Ihnen jedenfalls den Rat geben, es mit 110 : 160 zu machen, das wäre dann wenigstens konjunkturgerechter.
({1})
Wir können dann abstimmen, zunächst über den Antrag der FDP Umdruck 194 Ziffer 10. Wer zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 216 ab. Wer zustimmt, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen einstimmig angenommen.
Der Antrag der FDP auf Umdruck 196*) ist dann gegenstandslos geworden - oder nicht? - Bitte, Frau Abgeordnete Funcke!
*) Siehe Anlage 22
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Dr. Staratzke hat soeben darauf hingewiesen, daß die Ausfuhrvergütungssätze nicht immer der wirklichen Vorbelastung entsprechen, nicht nur daß sie nicht die volle Höhe haben, sondern vor allen Dingen dadurch, daß sie oft in ungleichen Relationen zu der wirklichen Vorsteuerbelastung stehen. Das hat zum Teil seinen Grund darin, daß durch mehrere Novellen im Umsatzsteuerrecht bestimmte besonders export- oder importbedrückte Industrien eine stärkere Angleichung an die Wirklichkeit erfahren haben als solche, bei denen ein solcher Import- oder auch Exportdruck nichtgegeben war. Wenn wir uns jetzt in der Altvorräteentlastung allein an die Ausfuhrrückvergütungssätze anlehnen, so hat das einmal den unguten Effekt, den wir angedeutet haben, daß wir hier doppelt ungleich handeln; es hat aber vor allen Dingen auch eine Rückwirkung auf jene Bereiche, die sich in der Vergangenheit nicht sonderlich um eine richtige Anpassung an die Vorbelastung bemüht haben, weil ein Export nicht gegeben war und sich deshalb eine Notwendigkeit, Exportrückvergütung zu bekommen, praktisch nicht ergab. Das ist z. B. bei der Kohle und auch nicht unbeträchtlich beim Holz der Fall.
Hier ergibt sich zweifellos eine nur sehr unzureichende Entlastung, wenn wir nur die Ausfuhrvergütungssätze nehmen. Da wir für alle diese Fälle jedoch nicht eine neue Liste aufstellen können, möchten wir wenigstens dem Herrn Bundesfinanzminister die Möglichkeit in die Hand geben - und hier sind wir für Ermächtigung, Herr Kollege Seuffert -, in solchen Ausnahmefällen einer besonders starken Diskrepanz zwischen tatsächlicher Vorbelastung und Ausfuhrrückvergütungssatz einen gewissen Ausgleich durch eine etwas angehobene Altvorräteentlastung herbeizuführen. Es handelt sich nicht zuletzt um die Holzwirtschaft, die durch Windbruch ungewöhnliche Lagervorräte haben wird, und die bei einer unzureichenden Entlastung auf den ersten Schaden noch einen weiteren Schaden daraufgesetzt bekommt. Wir bitten daher, in diesem Falle dem Herrn Bundesfinanzminister diese sparsame Ermächtigung zu geben
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Frau Kollegin Funcke, wenn ich die Ablehnung Ihres Antrags beantrage, so muß ich mich hierzu auf Ihre teilweise recht treffenden Ausführungen in der allgemeinen Aussprache dieser Beratung beziehen. Es mag durchaus zweifelhaft sein, in welchen Fällen es richtig oder falsch ist, ein Gesetz mit allzu vielen Ermächtigungen vollzupacken. Ermächtigungen als Instrumentarium sind eine Sache; eine andere Sache ist es, ob wir das nun gerade hier tun, wo wir am heutigen Tage die Daten für die Rechnungen setzen, die bis zum 1. Januar 1968 vorzunehmen sind und die für die Entwicklung von diesem Tage an maßgebend sind. Sie haben nicht begründen können, Frau Kollegin Funcke, wieSeuffert
so in diesem Punkt eine Ermächtigung in Frage kommt. Auch wir haben Überlegungen angestellt, sind aber von allen diesen Gedanken abgekommen. Wie der Herr Kollege Pohle vorhin sagte: wir haben jetzt die Daten für 1968 gesetzt. Es darf nun keinen Zweifel mehr geben, daß diese Daten für die anzustellenden Rechnungen zugrunde zu legen sind. Andernfalls ist die Aufgabe, die wir der Wirtschaft stellen, nicht lösbar.
Wir bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich persönlich stehe dem Antrag, den Frau Funcke soeben begründet hat, mit viel Sympathie gegenüber. Wir haben in unserer Fraktion das Problem der Entlastung der Altvorräte - vor allen Dingen beim Kohlebergbau - sehr ausführlich erörtert. Die Regelung, die hier durch Abstimmung in diesem Hause in bezug auf die Altvorräte angenommen worden ist, hat für die Kohle die Konsequenz, daß etwa 30 % der Vorsteuern auf Altvorräte zur Entlastung kommen, während im allgemeinen in der Volkswirtschaft 70% der Bestände entlastet werden. Das ist zweifellos kein befriedigendes Ergebnis.
Wir haben uns aber, Frau Kollegin, bei unseren Erörterungen auf den Standpunkt gestellt - ich glaube, daß das doch der richtigere Weg ist -, daß hier ein Anwendungsfall des § 131 der Abgabenordnung gegeben ist. Ich werde, wenn der Fall eintritt, das beim Bundesfinanzministerium auch entsprechend vertreten. Ich meine, so sollte man helfen und jetzt nicht in diesem Hohen Hause irgendwelche Ausnahmeregelungen beschließen.
Herr Kollege Staratzke hat soeben das Wort gesprochen, daß die Bass der Ausfuhrvergütung verzerrt sei. Das ist in der Tat der eigentliche Kern dieser Beschwerde und dieses Anliegens, das hier vorgetragen worden ist. Durch diese Systemänderung kommen wir zu einem sauberen Grenzausgleich. Diese Tatsache hat aber bei unseren Handelspartnern sehr starke Befürchtungen und starkes Befremden ausgelöst.
Die EWG verhandelt zur Zeit offiziell über die Frage, ob nicht die anderen EWG-Partner ihrerseits jetzt Ausgleichsmaßnahmen durchführen sollten, weil wir in Zukunft diese Preisänderung, bedingt durch künftigen sauberen Grenzausgleich, bekommen. Es wird insofern allen Ernstes dort erörtert, entweder Ausgleichsteuererhöhungen in .den Beneluxländern oder die Gewährung eines fiktiven Vorsteuerabsatzes für deutsche Importe oder aber irgendwelche zollrechtlichen Maßnahmen vorzunehmen.
Als ich im vorigen Jahr in den USA war, habe ich feststellen müssen, daß sogar im Handelsministerium und im Schatzministerium der Vereinigten Staaten entsprechende Überlegungen angestellt werden. Man ist dort der Meinung, daß die Systemänderung in Deutschland einen abwertungsähnlichen
Effekt habe, der den amerikanischen Handel schädige, weshalb die Bundesrepublik Deutschland gehalten sei, :kompensatorische .Aufwertungsmaßnahmen zu beschließen. Man ist wirklich überrascht, wenn man feststellt, mit welcher Sorgfalt im Ausland nicht nur Gesetzesbeschlüsse dieses Hohen Hauses, sondern sogar Debatten nachgelesen und nachgeprüft werden. Deshalb sehe ich mich veranlaßt, diese Bedenken, die sich teilweise schon in Forderungen an die deutsche Adresse artikulieren, hier zurückzuweisen.
Die Wissenschaft spricht in bezug auf die Auswirkungen des Systemwechsels in Deutschland einmal von einem sogenannten Niveaueffekt und zum anderen von einem Entzerrungseffekt. Mesenberg - ich will ndarauf nur Bezug nehmen - hat in mehreren Publikationen eindeutig nachgewiesen, daß der Entzerrungseffekt überhaupt keine nachteiligen Auswirkungen für unsere Handelspartner zeitigen kann und daß in bezug auf den sogenannten Niveaueffekt lediglich die Importwaren, die nach Deutschland hineinfließen, in Zukunft mehr belastet sein könnten. ,Soweit also die Wettbewerbsverhältnisse der ausländischen Konkurrenz durch 'den Übergang zur Mehrwertsteuer in Deutschland überhaupt verschlechtert werden könnten, ist zweierlei festzustellen:
Erstens. Der Niveaueffekt und der Entzerrungseffekt stellen das volle umsatzsteuerliche Gleichgewicht beim grenzüberschreitenden Verkehr her. Diese Folge aber ist nicht nur vom deutschen Gesetzgeber, sondern gerade auch von der EWG gewollt.
Zweitens. Der bloße Vergleich der Belastungsverhältnisse im alten System mit denen im neuen System ergibt kein vollständiges Bild. Zu Lasten des deutschen Außenhandels - das muß das Ausland zur Kenntnis nehmen - muß nämlich am Tage X berücksichtigt werden: einmal, daß Neuinvestitionen noch für etwa fünf Jahre durch die Investitionssteuer und den sogenannten Stufenplan belastet sind; ferner, daß Altinvestitionen am Tage X mit etwa 20 Milliarden DM alter Umsatzsteuer belastet sind, die nicht zum Abzug im neuen System zugelassen werden wird; und schließlich, daß nicht neinmal die Altvorräte voll von der alten Umsatzsteuer entlastet werden - das haben wir eben beschlossen; es sind durchschnittlich nur 70%.
Nach alledem muß ich mit Nachdruck feststellen: sowohl im Hinblick auf die EWG als auch auf das übrige Ausland kann nicht die Rede davon sein, daß der Systemwechsel in Deutschland generell einen abwertungsähnlichen Effekt haben könnte. Deshalb ist die .an uns gerichtete Forderung, gleichzeitig eine kompensatorische Aufwertung durchzuführen, zweifellos unbegründet.
Wir können nun über den Änderungsantrag ,der Fraktion der FDP auf Umdruck 196 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte nein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe den Änderungsantrag aller Fraktionen auf Umdruck 198 Ziffer 6 *) auf. Er betrifft die Änderung der Anlage 2. Dieser Antrag besteht nach wie vor. Einstimmige Annahme. Ichstelle das fest. Damit ist der § 28 in der Form dieser Beschlüsse angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag der drei Fraktionen auf Umdruck 198 Ziffer 7 zu § 29 auf. Das ist lediglich eine redaktionelle Änderung. Einverständnis, es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 194 Ziffer 11") zu § 30. Ich bitte Frau Abgeordnete Funcke, zur Begründung ,das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben es in § 30 mit der Investitionssteuer, d. h. dem Stufenplan bis zur Vollentlastung der Investitionen von der Vorsteuer, mit einem Problem zu tun, das sich ebenfalls aus der Umstellung ergibt. Wir haben noch eine Reihe von Investitionen, die zum Teil im alten Jahr und zum Teil im neuen Jahr hergestellt oder beschafft werden. Nun kann es doch nicht Sinn unserer Bemühungen um eine Entlastung sein, daß wir angefangene Bauten oder selbstgebaute Maschinen im alten Jahr noch mit der kumulierten Umsatzsteuer belasten, dann denselben Gegenstand aber nachher im neuen Jahr, weil er fertig ist, mit der vollen Beschaffungssumme auch noch der Investitionssteuer unterwerfen. Denn das würde bedeuten, daß wir nicht nur zweierlei Steuern nebeneinander für das gleiche Gut nehmen, sondern das würde dazu führen, daß wir die Investitionssteuer auch noch auf die alte kumulierte Umsatzsteuer aufschlagen. Das werden wir alle nicht wollen.
Nun haben Sie in der zweiten Lesung einen Antrag angenommen, nach dem die Regierung ermächtigt wird, irgend etwas Sinnvolles dagegen zu tun, um „angemessen zu mildern". Meine Herren und Damen, auf diese vage Zusage hin, daß das Parlament meint, die Regierung möchte ein bißchen angemessen mildern, würde ich, wenn ich als Unternehmer über Investitionen nachdenke, heute nicht eine große Investition beginnen. Und an dieser Stelle fängt das nun wieder an, in das Gebiet des Herrn Bundesministers Schiller hineinzugeraten. Wenn wir nicht zumindest denen, die jetzt Investitionen beginnen könnten und vielleicht möchten, wenigstens die Sicherheit geben, daß sie von dieser Doppelbesteuerung entlastet werden, dann ist es genau wie bei den Altvorräten; dann wird eben nicht nur das Lager herunterdisponiert, sondern dann werden auch die Investitionen verschoben. Ich glaube, deswegen ist es ebenfalls im Sinne einer fortlaufenden und einer möglichst wieder stärker in Gang kommenden Wirtschaft unerläßlich, daß wir denen, die jetzt über Investitionen beraten, die Sicherheit geben, daß sie nicht Steuer neben Steuer und sogar noch Steuer von der Steuer zahlen müssen, sondern daß sich die Investitionssteuer, so wie es gemeint ist, nur auf all das bezieht, was nach dem
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 5 1. Januar 1968 angeschafft wird, und all das dabei herausbleibt, was als halbfertiges Anlagegut im Anlagevermögen des Unternehmers besteht. Man hat den Einwand gemacht, daß unser Vorschlag unter Umständen zu Doppelentlastungen führen könnte, wenn auf der einen Seite der Bauunternehmer das halbfertige Bauwerk als Vorratsvermögen führt und deswegen die Entlastung nach § 28 in Anspruch nimmt, während zugleich der Investierer bereits die Dinge auf Anlagevermögen schreibt und nun eben von diesem neuen § 30 Gebrauch machen möchte. Diese Sorge brauchen wir nicht zu haben, denn wir haben ausdrücklich vorgesehen, daß nur das als bereits versteuert von der Berechnungsgrundlage für die Investitionssteuer abgesetzt werden kann, was nicht bei anderen Leuten oder auch im gleichen Betrieb unter Umlaufvermögen verbucht und nach § 28 entlastet worden ist.
Meine Herren und Damen, das ist gar nicht so schwierig; denn bei all diesen über die Grenze des 1. Januar 1968 sich hinziehenden Investitionen werden Lieferer und Besteller sowieso wegen der Preise verhandeln müssen. Und da läßt sich dann leicht eine Bestätigung geben, ob der eine nach § 30 oder der andere nach § 28 entlastet. Deshalb kann eine Doppelentlastung - das dürfen wir den besorgten Damen und Herren vom Ministerium sagen - leicht vermieden werden.
Ich bitte daher, im Interesse einer fortlaufenden Wirtschaft diesen Antrag anzunehmen, damit nicht neue Hemmnisse im Bereich der Investition eintreten.
Herr Dr. Pohle!
Dr. Pohle: ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben sehr viel Verständnis für das Anliegen, das Frau Funcke für die FDP-Fraktion vorgetragen hat, glauben aber, daß es zweckmäßig ist, diese Dinge in Ausnutzung der in der zweiten Lesung beschlossenen Ermächtigung in § 30 Abs. 9 im Zusammenwirken mit der Verwaltung zu regeln.
Wir haben neulich schon zusammengesessen und dabei festgestellt, daß der Fall, der in Ziffer 11 des FDP-Antrags angesprochen ist, nur einer von vielen denkbaren Fällen ist und daß es eine Unzahl von anderen Fällen gibt, die gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium geregelt werden können. Ich glaube nicht, daß es zweckmäßig ist, im Gesetzestext einen dieser Fälle herauszugreifen und alle anderen Fälle unberücksichtigt zu lassen. Deswegen sind wir der Ansicht, daß der Antrag abgelehnt werden sollte und daß wir auf die Verwaltungsverordnung durch das Bundesfinanzministerium verweisen sollten.
Herr Abgeordneter Seuffert! - Ist erledigt.
Wir stimmen dann über den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 194 Ziffer 11 ab. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - EnthaltunVizepräsident Dr. Dehler
gen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Damit sind wir am Ende der Abstimmung über die Änderungsanträge; sie sind alle verbeschieden.
Vor der Schlußabstimmung hat zunächst Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ist ein bedeutsames und schwieriges Werk getan, so ist die Stunde da, den Werkleuten zu danken. Wofür ist zu danken? Meine Kollegen im Finanzausschuß werden sicher mit mir darin übereinstimmen: das Entscheidende war die gute Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der beteiligten Gruppen, sondern auch zwischen Regierungskoalition und Opposition, und zwar vor und nach der Regierungsumbildung, zwischen Ausschuß und Regierungsvertretern und zwischen allen Beteiligten und dem Büro des Ausschusses. Diese Zusammenarbeit war getragen von disziplinierter Sachlichkeit, fachlicher Legitimation und großer Zielstrebigkeit. Ich darf sagen, es war eine Freude, in dieser Atmosphäre zu arbeiten.
Es ist schwierig für mich, Namen zu nennen. Stellvertretend für alle darf ich zunächst die Obleute der drei Fraktionen nennen: Frau Kurlbaum-Beyer für die SPD,
({0})
Frau Liselotte Funcke für die FDP
({1})
und Herrn Pohle für die CDU/CSU
({2})
sowie die Spitze des Ressorts, zunächst Herrn Bundesfinanzminister a. D. Dahlgrün und Herrn Bundesfinanzminister Strauß, mit ihren Beamten: Herrn Staatssekretär Grund, Herrn Ministerialdirektor Falk, Herrn Ministerialdirigent Juretzek und Herrn Ministerialrat Müller.
({3})
Was insbesondere diese Arbeitsgruppe des Ministeriums mit ihrem Stab geleistet hat, kann nur der zutreffend beurteilen, der ständiger Zeuge dieser Arbeit gewesen ist. Unermüdlich und mit einer Sach- und Fachkunde ohnegleichen standen die Herren immer bereit, die Vorlage zu verteidigen, neue Anregungen zu geben und aufzunehmen, abwegige Gedanken zu widerlegen, Material bereitzustellen, Hilfen zu geben und vor Fehlentscheidungen zu warnen. Die Herren verloren nicht ein einziges Mal die Geduld, vor allem nicht mit mir, und dafür bin ich ihnen besonders dankbar. Sie kehrten nicht ein einziges Mal ihre natürliche Überlegenheit heraus, wurden andererseits nicht müde, immer aufs neue zu erklären und aufzuklären. Wir danken ihnen, diesen hochspezialisierten Filigranjuristen, daß sie menschlich mit uns umgegangen sind.
({4})
In diesem Zusammenhang habe ich auch den verschiedenen Sachverständigen, die wir zuzogen, zu danken. Stellvertretend für alle Herren nenne ich Herrn Dürrwächter.
({5})
Praktische Erfahrung und konkrete Veranschaulichungen haben oft gute Dienste getan.
Die Presse hat über die Verhandlungen mit Aufmerksamkeit und Sorgfalt berichtet. Dafür gebührt ihr besonderer Dank.
({6})
Eine große Last hatte das Büro des Ausschusses mit wenigen Kräften unter der Leitung von Frau Regierungsdirektorin Wetzel zu bewältigen.
({7})
Neben der Protokollarbeit und der Vorbereitung der Sitzungen und Berichte waren die Organisation und die Durchführung der umfassenden Hearings, eine Überfülle von Eingaben, Schriftwechsel und Besuchen zu bewältigen, wie sie in diesem Hohen Hause ihresgleichen suchen werden. Herzlichen Dank vor allem für das persönliche Engagement!
Auch die Vorgeschichte dieses Entwurfs weist verdienstvolle Promotoren auf, deren Namen nicht unterschlagen werden sollen. Ich nenne stellvertretend Herrn Kurt Becker, unseren früheren Kollegen, und Herrn Luda.
({8})
Auch der Mitarbeit der Lobby muß gedacht werden. Wenn sie sich auch oft bis zur Erschöpfung an unsere Fersen heftete, wenn sie auch nicht müde wurde, immer wieder dasselbe vorzutragen, und zwar bis in die letzte Stunde hinein, manchmal ohne von den Grundlagen des neuen Systems überhaupt Kenntnis zu nehmen,
({9})
so gebührt ihr trotzdem Dank. Manche Hinweise waren förderlich und fruchtbar.
Die Hearings, ein besonderer Ereignis in der Geschichte dieses Parlaments, boten gewichtige Beiträge zur Lösung von Einzelfragen. Sie trugen wesentlich dazu bei, ,die öffentliche Meinung für das neue Umsatzsteuersystem einzunehmen. Auch hier möchte ich mit der Erwähnung eines Namens alle ehren, die mitgewirkt haben: Herr Dr. Burghardt, der Vertreter des Bekleidungshandwerks. Er hätte Grund gehabt, meine Damen und Herren, vor allen anderen aggressiv ein Klagelied anzustimmen. Wer hätte es so schwer, meine Damen und Herren, eine hohe Wertschöpfung mit dem vollen Gegenwert plus Steuer an den Letztverbraucher zu bringen wie der Schneidermeister, der im Verhältnis zur hochautomatisierten Konfektion einen schrumpfenden Handwerkszweig vertritt! Der Vertreter begann seine Darlegungen bezeichnenderweise mit den Worten: „Meine Sorgen werden kleiner, wenn ich von Ihren Sorgen höre." Es folgte eine sachliche Darstellung der besonderen Verhältnisse seines Handwerkszweigs, und er endete mit den Worten:
Ich sehe es völlig ein, es muß sich ausgleichen:
die einen haben mehr, die anderen haben we4894
Dr. Schmidt ({10})
niger zu zahlen. Meine Angst ist, daß die Ärmsten die sind, die am meisten betroffen werden, und das wären meine Schneider. Das möchte ich nicht gern.
Wenn ich an so manche Eingaben und Vorstellungen von Mächtigen dachte, die alle Grenzen angemessener Form bei dem, was sie vorbrachten, außer acht ließen, konnte ich mich nur bedanken für die symphatische Art der Verteidigung der Interessen der Schneider. Ich tat es mit den Worten: „Sie haben unser Herz erreicht." Der Ausschuß hat dieses Wort honoriert - für alle mit niedrigem Umsatz.
Die differenzierte Regelung des C. 19 des Gesetzes für Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vergangenen Kalenderjahr 60 000 DM nicht überstiegen hat, ist der Versuch einer positiven Antwort, um die sich der ganze Ausschuß, besonders aber die Kollegen Frau Funcke und Herr Schulhoff, bemüht haben. Es 'ist der Versuch, starre Freigrenzen und Freibeträge zugunsten einer Gleitlösung zu vermeiden, die sich dynamisch unterschiedlicher Wertschöpfung anpaßt. Jeder soll die Chance haben, in größere Verhältnisse hineinzuwachsen, insbesondere wenn er vornehmlich an Unternehmer liefert. Niemand soll sich aber durch die Begünstigung bescheidener Verhältnisse versucht fühlen, sich um der Vergünstigung willen an den bescheidenen Rahmen zu klammern. Er soll ihn sprengen. So wollen wir auch die nicht belastende und nicht belästigende Regelung zugunsten unserer Landwirtschaft verstanden wissen. Sie befindet sich im Umbruch und Aufbruch. Aber das Optionsrecht soll ihr das Tor in die Zukunft sein. Der auf rationale Wirtschaftsführung bedachte Landwirt kann es für sich aufstoßen. Wer Steuern zahlt, wirtschaftet besser, scheint mir 'die einzig mögliche Parole für eine zukunftsträchtige Landwirtschaft zu sein.
Meine Damen und Herren, wir sind nicht vermessen genug, zu behaupten, das Werk sei ohne Fehl. Mit der Mehrwertsteuer haben wir nicht die ideale, aber sicher die bessere Umsatzsteuer gefunden. Auch das vorliegende Gesetz hat seine Nachteile und Mängel. Einem völlig lupenreinen Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug standen gewisse elementare sozial- und kulturpolitische Erwägungen gegenüber. Teilweise war es auch die Macht des Faktischen, die zu Zugeständnissen zwang. So wäre es z. B. wünschenswert gewesen, die Bundespost in das System einzubeziehen, um das erstrebte Ziel einer lückenlosen Nettokalkulation der Unternehmer zu verwirklichen. Angesichts der technischen und organisatorischen Schwierigkeiten jedoch ergab die Abwägung der Vorteile und Nachteile: der Preis wäre für die Allgemeinheit in jeder Hinsicht zu hoch gewesen. Im ganzen gesehen kann aber gesagt werden, daß die nicht systemgerechten Ausnahmen in einem erträglichen Rahmen gehalten werden konnten. Vielen Sonderwünschen, die an den Ausschuß in Hunderten von Eingaben herangetragen wurden, konnte nicht Rechnung getragen werden. In sehr vielen Fällen diente dies sogar dem wohlverstandenen Interesse der Antragsteller. Das gilt insbesondere für die in den ersten Jahren in Anlehnung an das geltende Umsatzsteuerrecht immer wieder erhobene Forderung nach einer Befreiung von der Mehrwertsteuer. Es hat lange gedauert, bis es sich herumgesprochen hatte, daß eine Befreiung wegen der mit dem System verbundenen Nachholwirkung in der Regel nur scheinbar ein Vorteil ist und sich im Ergebnis als ein erheblicher Nachteil für den befreiten Unternehmer auswirkt.
Leider gibt es auch im Rahmen dieses Werkes Kompromißläsungen, die zu Berufungsfällen werden könnten. Wir sollten aber nicht müde werden in dem Bemühen, das Gleichgewicht einer schiefen Ebene vorzuziehen. Ich warne davor, weiteren Berufungsfällen nachzugeben. Der Ruf nach Gerechtigkeit ist selten so oft erhoben worden wie bei den Beratungen dieses Gesetzes. Davon waren Sie auch heute Zeuge. Wir haben uns gemüht, diesen Ruf nach Gerechtigkeit nicht zu überhören. Wir werden uns infolgedessen dem Vorwurf der Komplizierung des Gesetzes ausgesetzt sehen. Auch da ist die objektiv richtige Grenze wohl nicht immer gefunden worden.
Der Übergang vom alten zum neuen System wird seine unvermeidlichen, oft natürlichen Schwierigkeiten mit sich bringen. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, die Schwierigkeiten vorauszusehen und ihnen mit geeigneten Mitteln zu begegnen. Mit einem höheren finanziellen Einsatz hätte vielleicht mehr erreicht werden können. Aber hier waren uns natürliche Grenzen gesetzt. Daß aber in dieser Hinsicht ausgerechnet laut Lärm von denen geschlagen wurde, die von diesem Gesetz große Vorteile haben, offenbart nur den mangelnden Sinn für das Mögliche. Es soll auch nicht verkannt werden, daß insbesondere in der Übergangszeit eine unvermeidbare zusätzliche Arbeitsbelastung auf die Unternehmer zukommt. Alles hat seinen Preis. Diese Mehrbelastung ist der Preis der Wirtschaft, den sie für die Einführung der wettbewerbsneutralen Mehrwertsteuer zu zahlen hat. Hat sich das neue System einmal eingespielt, wird an der Hand der Erfahrung zu überprüfen sein, was ohne Gefahr für das Steueraufkommen noch vereinfacht werden kann. Der reibungslose Ablauf des Systemwechsels wird weitgehend von der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Finanzverwaltung abhängen. Dabei wind die Verwaltung insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen beratend zur Seite stehen müssen.
Ich verzichte bewußt darauf, Vorteile und Nachteile des alten und neuen Umsatzsteuersystems einander gegenüberzustellen. Wer seinen Vorteil bei der alten Umsatzsteuer hatte, wird geneigt sein, bei der neuen nur die Nachteile zu sehen, und umgekehrt. Ein Gesichtspunkt, der mir für die Disposition des Unternehmers sowohl als auch für die volkswirtschaftliche Entwicklung im ganzen wesentlich zu sein scheint, verdient meines Erachtens mehr Aufmerksamkeit als bisher: die Netto-Kalkulation, die Netto-Preisbildung. Die Kumulation der alten Umsatzsteuer beruht ja nicht nur darauf, daß die Steuer sich mit jeder Wirtschaftsstufe vervielfacht; darüber hinaus geht sie auch in die Kosten jeder Stufe ein. Die nächste Stufe schlägt auch noch Umsatzsteuer auf die Umsatzsteuer. Also eine zweite, dritte, überDr. Schmidt ({11})
haupt nicht mehr errechenbare zusätzliche Umsatzsteuerlast wird ausgelöst. Dem macht die Mehrwertsteuer ein ' Ende. Sie erfordert nicht nur eine Eliminierung der offenen Last in den verschiedenen Wirtschaftsstufen, sondern auch der versteckten Last infolge der Brutto-Zuschläge. Denn Netto-Kalkulation heißt, die Steuer als Kostenfaktor ausschließen und in die Rolle des durchlaufenden Postens verweisen. Die Anlauffrist des Gesetzes erwartet also vom Unternehmer eine spezifische unternehmerische Leistung: das harte Preisgespräch mit seinen Lieferern und Leistern über die Netto-Bereinigung. Wer in diesem Ringen erfolgreich sein wird, hat die Chance, seinen Marktanteil zu erweitern. Er wird zu billigeren Nettopreisen anbieten können. Er wird mit Sicherheit seinen Kunden netto Mehrwertsteuer andienen können, an deren Gutschrift dieser im Verhältnis zum Finanzamt interessiert ist.
Die Konjunkturlage, meine Damen und Herren, übt selbstverständlich einen entscheidenden Einfluß auf das Preisniveau und das Preisgefüge aus. Im Falle einer Übernachfrage besteht die Gefahr, daß die Umschichtung der Belastungen der alten Umsatzsteuer nur in einer Einbahnstraße verläuft, nämlich in Richtung auf Preiserhöhungen. Deswegen hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium schon 1960 davor gewarnt, den Systemwechsel während eines Booms vorzunehmen. Wir sind heute in der für die Mehrwertsteuer günstigen Lage, daß diese Gefahren von seiten der Konjunktur nicht drohen. Der Übergang kann zur Zeit konjunkturneutral verlaufen, und damit können die steuerlich bedingten Umschichtungen durchschlagen, so daß mit großer Wahrscheinlichkeit das Preisniveau und Preisgefüge insgesamt stabil bleiben.
Es ist einzuräumen, daß ein falsches Verhalten vieler die Konjunktur und damit die Steuereinnahmen des Fiskus beeinträchtigen kann. Das ist das Risiko des Staates, vor dem wir in den nächsten Monaten stehen. Aber das Risiko der Unternehmer, daß Nachfrage auf leere Märkte stößt, wiegt größer. In der jetzigen Konjunkturlage wird die Nachfrage nicht lange unbefriedigt bleiben. Es stehen diejenigen bereit, die sich nicht von dieser Psychose haben anstecken lassen, und es stehen die Importe bereit, um in Angebotslücken einzudringen. Die Quittung für ein unkluges Verhalten besteht in nicht nachzuholenden Umsatzeinbußen und, was noch schwerer wiegt, in verlorenen Marktanteilen. Ich glaube daher, daß eine Baise-Spekulation nicht aufgehen wird.
Das Preisgefüge muß um der Mehrwertsteuer willen weithin elastisch auch nach unten bleiben. Unternehmerinitiative braucht Spielraum zum Handeln. Dieser Spielraum muß eher erweitert als verengt werden, wenn der Übergang im Sinne eines klaren Nettopreisangebots sich vollziehen soll. Das liegt im Interesse der Unternehmer, die sich in der Unternehmerkette in Zukunft bei einer nur vorübergehenden Zahllast voll von der Umsatzsteuer freistellen können, und voll im Interesse der Verbraucher, die zwar die ganze Umsatzsteuer zu tragen haben, aber mit der Chance eines klar netto kalkulierten Preises unter Ausschaltung der Umsatzsteuer als Kostenfaktor. Ich möchte wünschen, daß unsere Unternehmer diese große Marktchance nutzen und den Wettbewerb neu entfachen, um auch den Verbraucher an den Vorteilen des neuen Steuersystems voll teilnehmen zu lassen.
In diesem Zusammenhang kann ich mir auch eine entsprechende Mahnung 'an die allgemeine Wirtschaftspolitik nicht versagen. 30 Milliarden DM 'Staatseinnahmen geraten mit dem Übergang in das neue System in Bewegung. Kein Wunder, meine Damen und Herren, daß ein Machtkampf ohnegleichen entbrannte um Besitzstände, um den größeren oder kleineren Anteil am Kuchen. Diesem Machtkampf ist mit der Verabschiedung des Gesetzes heute einvorläufiges Ende gesetzt. In dem nun einsetzenden Kampf um die Preise wird er neu entbrennen. Je weniger dieser Kampf durch Subventionen beeinflußt wird, je weniger künstlich Nachfrage erzeugt wird, um so mehr wird der Kampf seine natürlichen Grenzen finden in dem Rahmen des bisherigen Preisniveaus. Die Kämpfe werden dann im Preisgefüge ausgetragen werden, wo ohnehin notwendige wettbewerbsentzerrende Veränderungen eintreten müssen.
Mit der Verabschiedung dieser Vorlage nehmen wir Abschied von der Allphasenbruttoumsatzsteuer. Diese hatte ihre Vorteile und Vorzüge. Mein verstorbener Freund, der langjährige Vorsitzende des Umsatzsteuersenats des Bundesfinanzhofs, Senatspräsident Hübschmann, wurde nicht müde, auf sie hinzuweisen. Er grämte sich zutiefst, wenn er daran dachte, sie könnte der Mehrwertsteuer geopfert werden. Aber sie war durch die Überziehung des Steuersatzes und die Fülle systemwidriger Ausnahmen schlechthin pervertiert. Die ihr aufgepfropften Fehler ließen sich nicht rückgängig machen. Das Bundesverfassungsgericht ließ in seinen Entscheidungen deutlich erkennen, daß gehandelt werden müsse.
Wir waren jedoch längst auf dem Wege der Reform. Angestoßen von den Steuerharmonisierungsbestrebungen der EWG, befruchteten wir mit den Gesetzentwürfen der 'Regierung und des Parlaments die Richtlinienentscheidungen der europäischen Kommission und des Ministerrats. Die Entscheidungen, die in den EWG-Ländern bis 1970 und darüber hinaus zwangsläufig in Drittländern fallen müssen, werden sich auch an 'dem Werk orientieren müssen, das wir heute als Beispiel setzen. Es wird Richtung und Ziel :der Integration weithin mitprägen.
In der Diskussion um dais Gesetz ist immer wieder von einzelnen argumentiert worden, wir sollten mit .den übrigen EWG-Partnern gemeinsam die Mehrwertsteuer in Kraft setzen. Hier wird übersehen, daß wir keine europäische Vorleistung ,erbringen, zu der wir von außen gedrängt werden. Wir haben diese Reform im Interesse der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft nach innen und außen betrieben. Aber gleichzeitig errichten wir mit der heutigen Entscheidung, die aus unserer Interessenlage heraus geboren wurde, bewußt ein Zeichen auf .dem Weg zur europäischen Einigung. Wir hof4896
Dr. Schmidt ({12})
fen, daß mit diesem Schritt die Harmonisierung einen kräftigen Anstoß erhalten wird.
Vor uns, meine Damen und Herren, liegt das bedeutsamste Steuerreformwerk, das bisher dieses Hohe Haus beschäftigt hat. Am Beginn der Diskussion über die Notwendigkeit einer Umsatzsteuerreform stellte einmal der bekannte Kölner Finanzwissenschaftler Professor Schmölders die Frage, ob die bei uns praktizierte Form der Demokratie überhaupt eine echte Steuerreform zuwege bringen könne. Denn eines war klar: Eine echte Reform mußte den Interessen einzelner auch gelegentlich auf die Füße treten. Seine Frage gipfelte in der Formel: Führung oder bloßes InteressenClearing? Ich glaube, meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat wiederum einmal bewiesen, daß er zu sachgerechten, großen Reformen fähig ist. Eine Unzahl von Interessen werden durch das vorliegende Gesetz berührt. Trotzdem wird der Deutsche Bundestag nun ein Gesetz verabschieden, das sich am Wohle .des Ganzen orientiert und klare und saubere Lösungen anbietet.
Wenn Sie den Umfang der Finanzmasse, die der Neuordnung unterliegt, die Wirkung des Gesetzes .auf Wirtschaft und Gesellschaft, die Bedeutung des Vorgangs für die europäische Integration und den Rang in Betracht ziehen, den die Reform für die nun in Gang gekommene Finanzverfassungsreform einnimmt, dann, meine Damen und Herren, ist es nicht übertrieben, von einem Gesetz zu sprechen, das bestenfalls nur einmal in einem Jahrhundert ansteht. Ich möchte wünschen, meine Damen und Herren, daß es sich als so reif und so gehaltvoll erweisen möge wie ein Jahrhundertwein. Ich möchte fast à la Werner Höfer ein Prosit auf dieses neue Mehrwertsteuerrecht ausbringen in der Hoffnung, damit nicht nur unsere Winzerfreunde, sondern auch den letzten Widersacher in 'diesem Hause zu versöhnen.
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Das Wort hat Frau Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist schwer, diesen Ausführungen noch etwas Wesentliches hinzuzufügen. Aber wir sind wohl alle der Auffassung, daß mit der Einführung der Nettoumsatzsteuer eines der umfassendsten Reformwerke, die seit 1949 in diesem Hause beraten wurden, verabschiedet wird. Es ist erfreulich, welch großes Interesse die Öffentlichkeit und nicht nur die interessierten Verbände einschließlich der Verbraucherverbände an den Beratungen der zurückliegenden Jahre genommen haben. Herr Dr. Schmidt hat dankenswerterweise auf diese erfreuliche Mitarbeit bereits hingewiesen.
Es ist ein weiter Weg, meine Herren und Damen, von der alten Warenumsatzstempelsteuer aus dem Jahre 1916 mit einem Satz von 0,1 % bis heute in das Jahr 1967. Im Jahre 1951 wurde der Satz auf 4% angehoben, und mit dieser Anhebung wurden auch die Mängel des bisherigen, jetzt noch gültigen Allphasen-Bruttoumsatzsteuergesetzes immer deutlicher. Die Steuererhebung auf jeder Stufe, wie wir sie alle kennen, hat bestimmte Mängel, und die Steuer wird immer wieder auf die Steuer erhoben; denn sie ist ja im Warenpreis enthalten. Hier sprechen wir also von der Kumulativwirkung. Die Folge davon ist - und deshalb führe ich es an -, daß ein Teil der Waren mit einem ziemlich hohen Steuersatz belastet ist.
Entscheidend für die Reformbestrebungen war für meine Fraktion, daß das alte, jetzt noch vorhandene System einen zusätzlichen Anreiz zur vertikalen Konzentration bietet. Darauf beruht zweitens eine schädliche Wirkung für die Spezialisierung der kleinen und mittleren Unternehmen. Drittens werden mit dem jetzt noch vorhandenen System die Investitionen doppelt belastet, einmal beim Kauf der Investitionen, zum andern durch die Abschreibungen auf Investitionen, die als Kostenbestandteile wiederum in den Verkaufspreis eingehen. Viertens schließlich - darauf hat auch Herr Kollege Schmidt bereits hingewiesen - machte diese kumulative Wirkung eine exakte Be- und Entlastung im grenzüberschreitenden Verkehr nicht oder kaum möglich. Die Tatsache, daß wir heute 17 Novellen haben, beweist, wie kompliziert dieses Gesetz ist. Wenn die Wirtschaft nun oftmals stöhnt, daß neue Belastungen auf sie zukämen, so meine ich zumindest darauf hinweisen zu sollen, daß mit diesem neuen System auch gewisse Erleichterungen in der Handhabung verbunden sind. Jedenfalls wird es einfacher werden.
Das Parlament hat auf Grund dieser von mir dargelegten Tatbestände bereits 1954 einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen beraten, der zum Inhalt hatte, eine Reform und vor allem Vorschläge für die Änderungen vorzulegen. Ich habe hier den Bericht aus dem Jahre 1954, aus der dritten Legislaturperiode. Es verlockt, einiges daraus vorzulesen. Darin wird von seiten der Finanzverwaltung noch heftig das alte System verteidigt. Die konzentrationsfördernde Wirkung wird bestritten. Ich glaube, es sitzen noch eine Anzahl Beamte hier auf der Regierungsbank, die sicherlich inzwischen ihre Meinung längst geändert haben, denn sie haben uns - das hat der Kollege Dr. Schmidt sehr ausführlich gewürdigt - bei unserer zumindest für uns wichtigen Arbeit in bedeutsamen Fragen unterstützt.
Im Jahre 1956 hat die SPD-Fraktion in einem Antrag einen Bericht über die Möglichkeiten des Abbaus der kumulativen Wirkung verlangt. Im Juni 1962 haben wir eine Große Anfrage eingebracht, bereits im November 1962 einen vollständigen Gesetzentwurf auf der Grundlage der Mehrwertsteuer. Das Ziel war - und deshalb führe ich es an - eine einmalige statistische Erhebung auf der Grundlage eines Mehrwertsteuer- oder Nettoumsatzsteuergesetzes. Damit sollten die Auswirkungen der neuen Steuer in jedem Bereich festgestellt werden. Heute kann man sagen, daß, wäre man diesem Vorschlag der SPD-Fraktion gefolgt, viele Schwierigkeiten bei der Beratung vermieden worden wären. Vor allem hätten die Verbände und Unternehmen die Wirkung des neuen Systems selbst feststellen können. Viele Denkfehler, die uns noch bis in die jüngFrau Kurlbaum-Beyer
ste Zeit hinein verfolgten, wären vermieden worden.
Die SPD-Fraktion hat auch ein eigenes Gutachten durch ein allgemein anerkanntes Institut erstellen lassen, um festzustellen, welcher Steuersatz auf der Grundlage dieses Gesetzentwurfs notwendig ist. Ich kann hier feststellen, daß sich der Steuersatz mit dem vom Ministerium errechneten Satz von 10 % deckte. Mit dieser Festlegung von 10 % war natürlich auch die Erhaltung des Steueraufkommens verbunden. In diesem Zusammenhang muß ich darauf hinweisen, daß damit auch den Ausnahmen enge Grenzen gesetzt waren. Für die SPD-Fraktion war es oberster Grundsatz, vor allem den Prozentsatz von 10 % zu erhalten, um damit Preiserhöhungen im Durchschnitt zu unterbinden. Daß dort, wo die bisherige Umsatzsteuerbelastung höher ist, jetzt auch Preisbereinigungen vorgenommen werden müssen - Herr Dr. Schmidt hat bereits auf die notwendige Nettokalkulation hingewiesen -, ist eine Aufgabe, der sich die Öffentlichkeit und vor allem auch die Unternehmen und Verbände widmen müssen. Ich denke z. B. an den Automobilsektor und kann darauf hinweisen, daß hier immerhin eine steuerliche Belastung von etwa 14 % vorliegt. Auf diesem Sektor müßte nach dem 1. Januar 1968 eine entsprechende Preisbereinigung eintreten. Eine ähnliche Feststellung ist weitestgehend für den Gebrauchsgütersektor zu treffen. Ich denke hier an Textilien und Schuhe. Ich erinnere mich -an ein Gespräch mit Vertretern der Schuhindustrie, die mich darauf hinwiesen, daß ihre Belastung sogar bei etwa 20 % liegen wird.
Wir haben bereits beim letztenmal von dem Minister gehört, ,daß auf dem Lebensmittelsektor nach Einführung der Mehrwertsteuer mit Entlastungen zwischen 1 bis 2 % gerechnet wird. Jetzt gilt es also, auch das Interesse der Öffentlichkeit weiter wachzuhalten. Ich wende mich hier sowohl an die Verbraucher als auch an die Unternehmer.
Wir waren uns klar, daß diese Umstellung nicht in einer Boom-Zeit vorgenommen werden kann - ich kann mich auch hier kurz fassen, denn Herr Dr. Schmidt hat bereits auf diesen Tatbestand hingewiesen -, um zu verhindern, daß der Markt dann praktisch jede Preisforderung möglich macht.
Wir sind der Auffassung, daß am 1. Januar 1968 ein Zeitpunkt erreicht sein wird, wo wir von einer normalen Konjunktur sprechen können. Jedenfalls ist das ja unser aller Ziel und unsere Hoffnung.
Ein schwieriges Problem war die Behandlung der Altvorräte. Bis in die letzten Tage - wir haben ja vorhin noch einmal eingehend darüber debattiert - hat diese Frage in den Fraktionen und auch im Kabinett eine Rolle gespielt. Der Wirtschaftsminister hat mit Recht ,darauf hingewiesen, daß mit diesem Gesetz keine zusätzlichen konjunkturpolitischen Schwierigkeiten auftreten können. Voraussetzung war aber für uns alle - das möchte ich auch für meine Fraktion noch einmal deutlich aussprechen -: keine Erhöhung des Steuersatzes. Damit waren natürlich auch der Lösung des Altvorräteproblems Grenzen gesetzt. Bei einer Entlastung von 70´%
hoffen wir, daß die Marktwirtschaft den Übergang in das neue System bewältigen kann, und auch meine Fraktion ist, wie Herr Dr. Pohle schon ausgeführt hat, der Auffassung, daß die Marktwirtschaft mit dieser Regelung den Übergang in das neue System bewältigen kann, ohne daß eine Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus, Absatzhemmungen oder Produktionseinschränkungen befürchtet werden müssen.
Mein Dank gilt aber an dieser Stelle vor allen Dingen auch den Bereichen, die in der dritten Lesung Anträge, die sie für notwendig gehalten haben, nicht noch einmal gestellt haben.
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Ich denke z. B. an unsere Wohnungsbaupolitiker. Die zweite Lesung hat deutlich gemacht, daß es hier ein echtes Problem gibt. Natürlich bezieht es sich in erster Linie auf den Bereich des öffentlich finanzierten Wohnungsbaues. Wir haben deutlich gemacht, daß unter Umständen durch Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse oder aber durch Erhöhung der Mietbeihilfen geholfen werden kann.
Dasselbe darf ich auch für den Kreis derer sagen, die sich vor allem mit den energiepolitischen Fragen - Gas, Wärme, Elektrizität usw. - beschäftigt haben. Ich bedaure, daß die Entlastung des Wassers heute nicht angenommen worden ist; das darf ich für die Freunde, die sich in dieser Hinsicht besonders eingesetzt haben, noch einmal zum Ausdruck bringen.
Meine Fraktion hat eingehend auch die Frage erörtert, ob der Bundesfinanzminister eine Ermächtigung erhalten soll, die Umsatzsteuer nicht nur für den grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr mit Luftfahrzeugen, sondern auch für den internationalen Eisenbahn-Personenverkehr erlassen zu können. Wir haben davon abgesehen, entsprechende Änderungsanträge einzubringen. Sollte sich jedoch zeigen, daß der Eisenbahnverkehr durch den Gebrauch der Ermächtigung zugunsten des Luftverkehrs im Wettbewerb benachteiligt wird, werden diese Fragen erneut geprüft und wird gegebenenfalls eine Neuregelung verlangt werden müssen.
Ich möchte sagen, daß wir auch besonderen Wert darauf legen, daß der Entschließungsantrag, der uns in Umdruck 212 vorliegt, heute angenommen wird. Er hat zum Inhalt, daß die Bundesregierung ersucht wird, rechtzeitig dem Bundestag zu berichten, in welchem Umfange die Einbeziehung der speziellen Verbrauchsteuern in die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer Mehrbelastungen bei Waren hervorruft. Unter Umständen müssen spezielle Maßnahmen bei den Verbrauchsteuern in Erwägung gezogen werden, um unvertretbare Mehrbelastungen eines Produkts zu vermeiden.
Die Presse hat sich vor allem zwischen der zweiten und dritten Lesung bemüht, die Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Gesetzes zu unterrichten. Dabei wurde wiederholt lobend hervorgehoben, daß es gelungen sei, Ausnahmewünsche weitgehend einzuschränken, um den Steuersatz von 10% halten zu können. Zu Beginn der zweiten Lesung haben wir diesen Grundsatz aufgestellt, und damit
waren - ich habe es schon gesagt - Ausnahme- wünschen Grenzen gesetzt. Wir sind stolz darauf - ich glaube, wir alle zusammen -, jetzt am Schlusse der dritten Lesung feststellen zu können, daß wir diesem Grundsatz treu geblieben sind.
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Ich möchte aber auch der Presse für diese objektive Berichterstattung unseren Dank aussprechen.
Was den Dank an die Herren des Ministeriums wie auch den Dank an das Sekretariat des Ausschusses, und hier vor allen Dingen an Frau Dr. Wetzel, anbetrifft, so kann ich mich den Worten von Herrn Dr. Schmidt nur anschließen.
Ich möchte mich aber am Schluß bei all den Kollegen herzlich bedanken, die hier fair gekämpft haben, obwohl sie - im Interesses des Steuersatzes - ihre Anträge als verloren ansehen mußten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Vorsitzende des Finanzausschusses bereits vieles gesagt hat, was auch unseren Beifall findet und gefunden hat, kann ich mir erlauben, die Erklärung für die Fraktion der Freien Demokraten etwas kürzer zu halten.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt den Systemwechsel in der Umsatzsteuer. Diese Steuer gehört zu den größten Einnahmequellen des Bundeshaushalts. Über 40% der Einnahmen des Bundes resultieren aus der Umsatzsteuer. Heute sind das fast 25 Milliarden DM. Das heißt, diese Steuer hat neben dem Bund auch größte Bedeutung für den Steuerzahler selbst.
Die Umsatzsteuer muß allen Unternehmen ohne Ansehen der Größe und ohne Ansehen der organisatorischen Gestaltung dieser Unternehmen im wirtschaftlichen Wettbewerb die gleiche Chance bieten. Eine nur der Gesamtheit verpflichtete Regierung muß darauf bedacht sein, jeden Wettbewerbsvorteil, soweit er etwa durch Maßnahmen der Konzentration von Unternehmungen begründet sein sollte, auszuschalten. Die bisherige Umsatzsteuer hat leider derartige Wettbewerbsverzerrungen nicht verhindern können.
Der Ruf nach einer Reform ist jahrelang erhoben worden. Die Fraktion der Freien Demokraten rechnet es sich als ein Verdienst an, daß die Vorarbeiten für die Ablösung des konzentrationsfördernden und mittelstandsfeindlichen bisherigen Umsatzsteuersystems unter der Verantwortung einer Regierung erfolgt sind, in der die Freien Demokraten Verantwortung getragen haben, und daß es unser Kollege Dr. Dahlgrün war, der als damaliger Finanzminister den Mut zur Einbringung des neuen Gesetzes hatte, das heute hier verabschiedet werden soll.
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Der Grundgedanke, von dem wir uns bei der Einbringung gemeinsam mit der Fraktion der CDU/ CSU leiten ließen, war, ein Steuersystem zu schaffen, bei dem jeder Unternehmer immer nur für den Teil des Wertes einer Ware Steuer zu zahlen hat, den er selbst hinzugefügt hat, also für den von ihm geschaffenen Mehrwert. Dieses System sollte wettbewerbsneutral sein. Wir gingen dabei auch von der Überlegung aus, daß das neue System zwar nicht weniger, aber - Herr Finanzminister, lassen Sie mich das bitte auch einmal deutlich sagen - auch nicht mehr als das bisherige Steuersystem bringen soll. Schließlich waren wir uns immer darüber einig, daß Gefahren für die Stabilität der Preise bei der Einführung des neuen Umsatzsteuersystems vermieden werden sollten. Die Wahl eines konjunkturell richtigen Zeitpunktes für die Einführung dieser Steuer ist daher von allergrößter Bedeutung.
Am Ende der mehrjährigen Beratungen dieses wichtigen Gesetzes stellen meine Freunde die Frage, ob diese Überlegungen auch immer verwirklicht werden konnten. Wir denken dabei nicht nur an die Ungereimtheiten, wie sie durch einen Teil der Änderungsanträge auch am heutigen Tage wieder sichtbar wurden. die teilweise auch durch die Initiative meiner Freunde verhindert werden konnten.
Mit Sorge erfüllt es uns, daß das Hohe Haus hinsichtlich der Entlastung der Altvorräte unseren Anträgen nicht gefolgt ist. Hier wurde für die künftige konjunkturelle Entwicklung unserer Wirtschaft, die schon heute unter einem erheblichen Umsatzrückgang leidet, eine schwere, noch nicht übersehbare Hypothek aufgenommen. Wir können nur hoffen, daß unsere Befürchtungen sich nur zum Teil erfüllen. Wir möchten aber bereits jetzt - wir hoffen, daß wir dafür bei Ihnen auf Grund unserer Oppositionssituation Verständnis finden - die Verantwortlichkeiten für diese nach unserer Auffassung schlechte Entscheidung festhalten.
Der Hinweis darauf, daß dem Herrn Finanzminister eine konjunkturgerechte Entlastung der Altvorräte wegen der dann eintretenden Steuerausfälle nicht zumutbar sei, ist nicht stichhaltig. Dem Herrn Finanzminister wird von uns eine Mindereinnahme nicht zugemutet; es wird ihm nur eine Mehreinnahme verweigert. Diese Klärung scheint uns notwendig zu sein.
Die Fraktion der Freien Demokraten geht bei der Schlußabstimmung davon aus, daß die Bundesregierung an eine Mehrbelastung insgesamt nicht denkt. Wir hoffen, daß die in der Schlußphase der Beratungen sichtbar gewordene Eile nichts mit der Überlegung zu tun hat, etwa die Sorgen des Finanzministers über eine baldige Anhebung des Steuersatzes wieder loszuwerden.
In diesem Sinne wird ,die Fraktion der Freien Demokraten in der dritten Lesung diesem Gesetz zustimmen. Sie bedauert, daß es nicht möglich war, auch noch die Änderungsanträge durchzusetzen, die uns diese Zustimmung leichter gemacht hätten. Im übrigen sind wir sicher, daß mancher Antrag, der hier von unserer Kollegin Funcke für die Fraktion
der FDP wohlbegründet vorgetragen worden ist, in einer Gesetzesnovelle, die Sie vielleicht in nicht allzu ferner Zeit einbringen, wiederkehren wird.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte, am Ende der Aussprache über das neue Umsatzsteuergesetz nur wenige abschließende Worte zu sagen. Ich glaube nicht, daß mein Beitrag die geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit auslösen wird, die Aussprache als wieder eröffnet zu erklären.
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Ich glaube, wir sollten uns nicht der weiteren Arbeit unserer Tagesordnung zuwenden, ohne der Bedeutung dieser Stunde ein kurzes Gedenken zu widmen, Wie das der Vorsitzende des Finanzausschusses und die anderen Redner in ihren Ausführungen getan haben.
Mit Ihrem Beschluß, daß die Mehrwertsteuer künftiges Recht werde, haben Sie, meine Damen und Herren, die lange und ereignisreiche Geschichte der Umsatzsteuerreform, in die ich mich erst wesentlich später als die meisten Mitglieder des Finanzausschusses einzuarbeiten bemüht habe, beendet. Welche Widerstände waren zu überwinden, welche Unkenntnisse erschwerten den Weg - wenn ich nur an den Posteinlauf der letzten Wochen denke -, bis endlich dieses Ziel erreicht werden konnte! Sie haben ohne Zweifel mit dieser Entscheidung einen neuen Abschnitt der deutschen Finanz-und Steuergeschichte eingeleitet, über dessen große politische und wirtschaftliche Bedeutung wir uns alle einig sind, auch wenn draußen darüber noch weitgehende Unklarheit besteht. Aber schon heute hat ein sehr großer Teil der Unternehmer den Sinn, die Notwendigkeit und, ich darf sagen, die geschichtliche Unvermeidbarkeit der Umsatzsteuerreform begriffen. Sie glauben nicht mehr an das Schlagwort, daß die Mehrwertsteuer mittelstandsfeindlich, praktisch undurchführbar sei, letztlich nur eine Vorleistung für die EWG sei. Man hat verstanden, welche Chancen das Umsatzsteuersystem neuer Art im wirtschaftlichen Wettbewerb geben wird, und man ist jetzt bereit, diese Chancen zu nützen.
Aber auch die anderen, die heute noch zweifeln, werden eines Tages die Vorteile und Möglichkeiten der Mehrwertsteuer zu würdigen wissen. Wer die Zusammenhänge richtig sieht, weiß, daß nicht die neue Steuer selbst, sondern nur der Übergang zum neuen Recht Schwierigkeiten bereitet. Haben wir diesen Übergang hinter uns, werden wir nicht mehr verstehen, daß die Notwendigkeit der Einführung des Mehrwertsteuersystems überhaupt einmal in Frage gestellt werden konnte. Ich sage jedenfalls zu, daß das Bundesministerium der Finanzen alles tun wird, um den Unternehmern, den großen, aber
vor allen Dingen auch den mittleren und kleineren, zu helfen, den Übergang zu vollziehen, und daß der Buchstabe des Gesetzes mit Verstand und Vernunft und nicht mit letzter bürokratischer Schikane angewendet werden wird.
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Das gilt gerade auch für die Termine. Wir wissen, daß wir unserer Wirtschaft mit dem Übergang zum neuen Recht gewisse Mühen und Kosten der Umstellung auferlegen. Wir wissen auch, welche finanziellen Risiken wir mit dem Übergang auf uns nehmen und welche Preissorgen wir. dabei in Kauf zu nehmen haben, obwohl gerade die gegenwärtige Konjunkturlage die Umstellung erleichtert.
Die Frage, ob man wegen der Einführung der Mehrwertsteuer für .das nächste Jahr überhaupt mit einem zusätzlichen Zuwachs des nominalen Bruttosozialprodukts um 1 % rechnen muß, wie es gewisse Prognostiker und Experten der Ökonometrie tun, möchte ich vorerst doch noch mit einem Fragezeichen versehen. Die Auswirkungen, die sich für den Finanzminister daraus ergeben, wenn diese Erwartung erfüllt wird, sind andererseits wieder nicht erfreulich, weil sie die Deckungslücke um 800 bis 900 Millionen DM vergrößern würden. Aber das wäre in diesem Fall ,das kleinere Übel, weil dann bewiesen wäre, daß mit der Einführung des Mehrwertsteuersystems keine Preisauftriebswelle herbeigeführt worden ist.
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- Wir werden uns darüber noch unterhalten!
Wir haben daher den Problemen des Übergangs zur neuen Steuer bei unseren Beratungen ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir haben auch mit der konjunktur- und preispolitisch so bedeutsamen Entlastung der Altvorräte in der weitgehenden Form, wie sie von Ihnen, meine Damen und Herren, jetzt beschlossen worden ist, ein außerordentliches Opfer gebracht. Ich darf dem Kollegen Zoglmann versichern, daß hier keine Reservekasse gebildet wird, die etwa weitere Entnahmen erlauben würde. Ich habe bei Beginn der zweiten Lesung gesagt, daß das Mehrwertsteuergesetz nicht etwa ein Haushaltssicherungsgesetz unter der Tarnung einer Steuerreform darstellt und daß der Ertrag keine zusätzliche Reservebildung erlaubt. Im Gegenteil, ich muß darauf hinweisen, daß durch diese Entlastung der Altvorräte mit einem Steuerausfall in Höhe von 750 Millionen DM zusätzlich zu der Aufzehrung sämtlicher Reserven durch die früheren Anträge gerechnet werden muß und daß wir deshalb für das Jahr 1968 eine Vorfinanzierung bewältigen müssen. In welcher Form diese Vorfinanzierung möglich ist, muß auch mit der Bundesbank abgesprochen werden. Wir bringen dieses Opfer bewußt, weil wir glauben, daß dieser Ausfall sozusagen ein produktiver Ausfall ist, während bei einer weniger großen Entlastung der Altvorräte ein unproduktiver Ausfall vielleicht in genau dem gleichen Umfang eingetreten wäre. Darum habe ich mich nicht leichten
Herzens entschlossen, die Grenze noch etwas weiter hinauszuschieben.
Es soll unseren Unternehmern die Möglichkeit gegeben werden, sich beim Übergang zur Mehrwertsteuer so zu verhalten, daß die konjunkturelle Situation nicht aus steuerlichen Überlegungen nachteilig beeinflußt wird. Ich glaube auch nicht, daß die Frage der Lagerhaltung oder des Lagerabbaus ausschließlich nach steuertechnischen Gesichtspunkten behandelt wird.
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Hier spielt auch noch eine Reihe anderer Überlegungen eine Rolle.
Mit Nachdruck möchte ich feststellen, daß sich alle, die am Zustandekommen dieses Gesetzes beteiligt waren, stets mit Ernst, und zwar mit großem Ernst, um eine gerechte Lösung der Probleme bemühten, die durch die Einführung der neuen Steuer entstehen. Der Beobachter konnte sehen, .daß Ihre Entscheidungen, meine Damen und Herren, von dem Wunsch getragen waren, Anträgen nach einer besseren Regelung im Einzelfall nur dann zu entsprechen, wenn eine solche Bitte wirklich berechtigt und mit dem allgemeinen Wohl, dem Interesse aller, vereinbar erschien und im übrigen nicht die Gesamtkonstruktion gefährdete.
So haben Sie, meine Damen und Herren, ein Gesetz beschlossen, das - von Randeinbrüchen abgesehen, die in der Realität des Lebens ja nie ganz zu vermeiden sind, man soll ja nie perfektionistische Idealvorstellungen haben - den Zweck erfüllen wird, der über dieser großen Reform steht: die Wettbewerbsneutralität im Innern und im Handelsverkehr mit anderen Staaten.
Dieses neue Gesetz wird auch die Erwartungen erfüllen, die der Gemeinsame Markt an uns stellt. Wennn die EWG-Kommission in den letzten Tagen gegen die Regelung, die Sie für die Pauschalierung land-und forstwirtschaftlicher Umsätze beschlossen haben, Bedenken geäußert hat, so sollte man diese kleine Differenz nicht überbewerten. Wir werden selbstverständlich mit der EWG-Kommission über diese Frage die gebotene Konsultation in einer offenen Aussprache durchführen, weil wir einen Gegensatz zu den Vorstellungen über die gemeinsame Mehrwertsteuer nicht wünschen. Ich bin davon überzeugt, daß wir die Bedenken der Kommission ausräumen können.
Am Schluß möchte ich all denen danken, die am Zustandekommen dieses Gesetzgebungswerkes mitgearbeitet haben. Viele von Ihnen haben sich hierbei - Herr Kollege Schmidt hat ja eine ganze Reihe von Mitarbeitern der Legislative und der Exekutive genannt - in besonderer Weise verdient gemacht. Aber ich glaube, es wird mir niemand verwehren, wenn ich jetzt einen aus Ihrer Mitte, nämlich den Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({4}), den Vorsitzenden des Finanzausschusses, besonders hervorhebe.
({5})
Ohne seine unerschöpfliche Aktivität und seinen auf höchster Energie gesteigerten Zeitdruck,
({6})
siehe Berliner Beratung, hätten wir diese Reform nicht so plangemäß vollenden können.
Vor uns stehen jetzt neue schwere Aufgaben, das ganze Paket der Finanzreform, die Konsequenzen der mittelfristigen Finanzplanung, wobei auch die Frage der Reform des Haushaltsrechts - Art. 113 des Grundgesetzes usw. - eine Rolle spielen. Wir waren uns klar darüber, Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer hat das erwähnt, daß wir dieses Gesetz entweder erst am 1. Januar 1968 in Kraft setzen müssen oder frühestens wieder - wenn überhaupt dann - am 1. Januar 1970. Wenn wir über 1970 hinausgekommen wären - erlauben Sie mir diesen etwas banalen Ausdruck -, dann hätten wir uns in Brüssel klassisch blamiert, gerade weil wir - auch die früheren Regierungen wie die jetzige - die stärksten Vorkämpfer einer EWG-Steuerharmonisierung gewesen sind. Wenn wir dann ausgerechnet das schlechteste Beispiel gegeben hätten, wäre diese Haltung etwa für weitere Brüsseler Beratungen nicht sehr überzeugend gewesen. Aber auch unabhängig von der EWG, auch wenn wir das Problem der Harmonisierung des Umsatzsteuersystems innerhalb der EWG nicht hätten, hätte diese Steuer eingeführt werden müssen. Sie ist keine Vorleistung an die EWG,
({7})
wie es von da und dort manchmal in einer törichten Propaganda dargestellt wird.
Ich möchte nicht nur den Gesichtspunkt hervorheben, daß Sie endlich die vertikale Konzentrationsbegünstigung einstellen. Sicherlich muß man ehrlicherweise hinzufügen, daß die Frage der Begünstigung einer horizontalen Konzentration, vor allen Dingen, wenn der Sofortabzug bei den Investitionen eines Tages in Kraft tritt, nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Aber jedenfalls ist dieser Nachteil wesentlich geringer als die massive Begünstigung der vertikalen Konzentration, wie sie das bisherige Umsatzsteuersystem erbracht hat.
Ich möchte auch als Bundesminister der Finanzen Ihnen ganz besonders danken, Herr Kollege Schmidt, weil Sie die Erfüllung des Zeitplanes für die weiteren Arbeiten ermöglicht haben. Wären wir jetzt nicht zu Rande gekommen, wären unsere weiteren Termine in Frage gestellt worden. Wir müssen bis zum Ende der Legislaturperiode noch eine ganze Reihe von Aufgaben lösen, und wir müssen sie so lösen, daß die Sachgerechtigkeit nicht in Widerspruch zum politisch Möglichen steht, d. h. so lösen, daß die Sachgerechtigkeit nicht unter dem Schatten heraufziehender Wahlen etwa weniger groß sein könnte.
Mein Dank gilt auch den wirtschaftlichen Vereinigungen und Verbänden, die durch ihre Mitarbeit an der Reform, ihre Untersuchungen und Beiträge geholfen haben, daß wir die Probleme niemals einseitig betrachtet haben. Viele von ihnen haben in
der Öffentlichkeit das Verständnis für die Umsatzsteuerreform schon früh gefördert.
Schließlich möchte ich auch hier den Beamten meines Hauses danken, die jahrelang und oft unter großen persönlichen Opfern für diese Reform gearbeitet haben
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und für die Frage der Einhaltung einer bestimmten wöchentlichen Arbeitszeit von soundso viel Stunden, jedenfalls im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungswerk, niemals eine Rolle gespielt hat. Ich wünsche, daß uns der Erfolg, der Umsatzsteuerreform Kraft und Auftrieb und Recht gibt, daß er uns auch die Kraft gibt, die übrigen vor uns stehenden großen finanz- und steuerrechtlichen Aufgaben, die ich vorhin nur in Umrissen erwähnt habe, zu einem guten Ende zu führen. Ich darf herzlich danken.
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Herr Abgeordneter Stoß hat seine Erklärung zu Protokoll gegeben.
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Herr Abgeordneter Mick hat in einer Erklärung seine Stimmenthaltung begründet.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem-Gesetz zustimmt, erhebe sich. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Herr Abgeordneter Mick hat sich der Stimme enthalten. Im übrigen ist das Gesetz angenommen.
Wir haben noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 abzustimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Ihre Zustimmung stelle ich fest.
Dann kommen wir zu den Entschließungsanträgen, zunächst zu Umdruck 210 *), Abgeordneter Schulhoff und Genossen. Herr Kollege Schulhoff verzichtet auf die Begründung. Wir können über den Antrag abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 210 zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 211 **) auf. Damit korrespondiert der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 220 ***).
Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag Umdruck 211 zeigt, daß wir dem Problem unsere Aufmerksamkeit widmen. Wir bitten, den Antrag Umdruck 220 zurückziehen zu wollen. Wir wollen eine Lösung, und wir haben die Lösung gesehen. Es dürften aber erhebliche Zweifel bestehen, ob die außerordentlich spitze Lösung Ihres Entschließungsantrags die richtige ist. Sie wissen, Frau Kollegin Funcke, aus den Verhandlungen im Ausschuß selbst, daß das Finanzministe-
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24 ***) Siehe Anlage 25
rium und das Justizministerium schon die nötigen Überlegungen angestellt haben. Ich hoffe also, daß wir auf einen Nenner kommen.
Frau Abgeordnete Funcke, wollen Sie sich äußern? - Ich rufe den Entschließungsantrag -der Fraktion der FDP auf Umdruck 220 auf. Bitte, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Seuffert, es ist natürlich nicht ganz leicht, weil hier wiederum die Regierung nicht gesagt hat, wie sie es machen will. Unser Antrag unterscheidet sich nicht in 'der Zielsetzung, sondern nur darin, daß wir klar gesagt haben, und zwar auch ziffernmäßig klar gesagt haben, wie wir uns 'die Lösung vorstellen. Sie müssen uns also erst noch sagen, ob die Regierung in dieser zahlmäßigen Größenordnung auch eine Vorlage vorgesehen hat. Vielleicht können wir uns dann verständigen.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf ganz kurz erläutern, daß wir eben vermeiden wollen, daß -es Anwälte und Notare gibt, die 5 % Umsatzsteuer auf die Rechnung setzen, und andere Anwälte und Notare, die 4,16 % auf die Rechnung setzen. Der Prozentsatz der Gebührenerhöhung läßt sich so nicht ausrechnen. Andere Lösungsmöglichkeiten .sind schon im Gespräch.
Wir stimmen dann über den Entschließungsantrag Umdruck 211 ab. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Der Antrag ist angenommen.
Soll noch über den Antrag Umdruck 220 abgestimmt werden?
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Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 220 der Fraktion -der FDP zustimmt, gebe bitte Zeichen. -Gegenprobe! - Gegen die Stimm-en der Antragsteller abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag der drei Fraktionen Umdruck 212 *) 'auf. Ich darf wohl feststellen, daß dieser Entschließungsantrag angenommen ist. - Kein Widerspruch.
Darf ich das gleiche für den Entschließungsantrag der -drei Fraktionen Umdruck 213 **) feststellen? - Ebenfalls kein Widerspruch.
Darf ich das gleiche für -den Entschließungsantrag Umdruck 214 ***) feststellen? - Auch dieser Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag -Umdruck 217 ****) der Abgeordneten Schwabe, Haehser, Dr. Brenck,. Stücklen, Spitzmüller, Frau Funcke und Ge-
*) Siehe Anlage 26 **) Siehe Anlage 27 ***) Siehe Anlage 28 ****) Siehê Anlage 29
Vizepräsident Dr. Dehler
nassen auf. Herr Abgeordneter Schwabe hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ganz kurz ein Hinweis. Dieser Entschließungsantrag versucht, erkennen zu lassen, daß das Hohe Haus den Schwierigkeiten, über die wir heute gesprochen haben, durchaus Rechnung tragen will, daß es sie erkannt hat und daß man die Absicht hat, hier in Zukunft den Schwierigkeiten, wo es geht und wo es keine unzumutbaren Opfer von der Staatskasse verlangt, wenigstens einigermaßen zu entsprechen. Nach meiner Feststellung ist hier ein „Rütli-Schwur" der Fraktionen nicht mehr wichtig und nicht mehr so gewichtig wie bei den anderen Dingen. Ich würde wirklich sagen: Wir sollten hier den guten Willen zeigen. An dem Gesetz, das wir eben gelobt und beschlossen haben, wird dadurch nichts zerstört.
Herr Abgeordneter Stecker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, den Antrag abzulehnen, weil er zum Teil Selbstverständlichkeiten enthält. Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung, insbesondere das Finanzministerium, die Entwicklung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer aufmerksam verfolgen muß, Sie wird sich in sehr vielen Dingen darum bemühen müssen, die Entwicklungen genau zu erfassen und danach eventuelle Änderungsvorschläge zu machen.
Mir ist entscheidend, nicht den Eindruck hervor-. zurufen, daß unsere Entscheidung von vorhin eine vorläufige sei. Es ist notwendig, daß in weiten Bereichen eine ganz klare Sicherheit über die Lösung, die wir getroffen haben, besteht. Natürlich müssen wir uns selber das Recht vorbehalten, Verbesserungen vorzunehmen; das ist selbstverständlich. Aber ich lege Wert auf die Feststellung, daß gerade die Sicherheit in der Wirtschaft draußen im Augenblick das Wichtigste ist.
Können wir dann über den Entschließungsantrag Umdruck 217 abstimmen? - Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 218 *). Herr Abgeordneter Moersch zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen oder Fraktion der Freien Demokraten habe ich diesen Umdruck 218 zu begründen, der die Gleichbehandlung aller Schulen im Umsatzsteuerrecht vorsieht. Sie haben in dem Gesetz sicherlich aus systematischen Gründen unseren Änderungsantrag in der zweiten Lesung abgelehnt. Ich glaube, wenn man diesen Entschließungsantrag annehmen würde, könnte mancher Streitfall aus der Welt geschafft werden, der 'dadurch entstanden ist oder entsteht, daß die Einstufung der Schulen von
*) Siehe Anlage 30
Land zu Land auf Grund der Meinungen (der ,Schulbehörden verschieden ist. Es handelt sich um eine geringe Zahl von Streitfällen. Ich glaube, Sie -geben mit diesem Entschließungsantrag der Verwaltung die Möglichkeit, einige Streitverfahren, die hier noch schweben, niederzuschlagen. Das wäre auch im Sinne der Gleichbehandlung aller. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt. Dr. Eckhardt ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, den Antrag auf Umdruck 218 abzulehnen. Der Bundesfinanzhof hat zu dieser Frage bereits Stellung genommen. Er hat die verschiedene Behandlung der Privatschulen in den Ländern als verfassungsmäßig erklärt. Ein Erlaß von Steuern deswegen, well Schwierigkeiten in Streitverfahren entstanden sind, ist überhaupt nicht möglich. Ein Erlaß 'ist nur unter den Voraussetzungen des § 131 ,der Abgabenordnung zulässig. Und wenn .ein Antrag nach § 131 AO berechtigt ist, dann wird die Finanzverwaltung ihm nachkommen.
Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag Umdruck 218. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Entschließungsantrag Umdruck 219 *) der Fraktion der FDP. Frau Abgeordnete Funcke zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem wir soeben die Rede des Herrn Bundesfinanzministers gehört haben, würde ich sagen: Ganz im Sinne dieser Ausführungen ist unsere Bitte, von der wir annehmen, daß sie nach den Ausführungen, die von allen Seiten gemacht worden sind, auch allgemeine Meinung dieses Hauses ist. Vielleicht sollten wir - obwohl es von der Regierungsbank bereits gesagt worden ist -, es noch einmal als den gemeinsamen Willen dieses Hauses bekunden, da wir dem Steuerpflichtigen möglichst, soweit es irgend angeht, 'bei der Umstellung auf das neue Mehrwertsteuersystem helfen wollen. Es wird sicherlich Fälle geben, in denen sich - da wir nicht an alles gedacht haben können - erst (in der Praxis ,die Schwierigkeiten zeigen und die nur durch eine Novelle ,ausgeräumt werden können. In diesen Fällen sollte 'großzügig Stundung oder Erlaß gewährt werden.
Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag Umdruck 219. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Einstimmi'ge Annahme - und damit eine schöne, harmonische Beendigung dieser so bedeutsamen Verhandlung.
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, den 27. April, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.