Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir treten in die Tagesordnung ein und beginnen mit der
Fragestunde ({0}).
Ich rufe auf die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen - des Abgeordneten Faller -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Abschlußklassen von Mittelschulen, die die alte Hauptstadt Berlin besuchen wollen, keine Fahrtzuschüsse erhalten, wohl aber Oberschulklassen, die die „mittlere Reife" hinter sich haben, also etwa gleichaltrig sind wie die Mittelschüler?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Faller mit Ja.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, wenn Sie die Frage, ob Ihnen das bekannt sei, schon bejahen, sind Sie bereit, dafür zu sorgen, daß hier Abhilfe geschaffen wird und nicht nur Abschlußklassen von Oberschulen nach Berlin kommen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat hier keinerlei Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, da die Durchführung der Berlinfahrten, für die Mittel aus dem Bundesjugendplan und Landesmittel zur Verfügung stehen, ausschließlich bei den Ländern liegt.
Eine zweite Zusatzfrage?
Herr Minister, schätzen Sie Ihre Einwirkungsmöglichkeit so gering ein, daß es Ihrem Einfluß nicht gelingen würde, auch die Länder zu veranlassen, so zu handeln?
Da nach dem Grundgesetz die Zuständigkeit bei den Ländern liegt, ja, Herr Kollege.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und rufe auf die Frage VII/1 - des Abgeordneten Varelmann -:
Ist die Bereitschaft der Industrie, in wirtschaftlich wenig entwickelten Gebieten mit hohen Zahlen von Auspendlern, Arbeitskraftreserven und hohen Geburtenüberschüssen neue Betriebe zu errichten, seit Hereinnahme der ausländischen Arbeitskräfte rückläufig?
Herr Staatssekretär Dr. Westrick, ich darf bitten.
Nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und des Instituts für Raumforschung hat sich in den wirtschaftlich schwach strukturierten Gebieten die Zahl der während der Jahre 1958 bis 1960 neu angesiedelten Betriebe gegenüber der Vorperiode von 1955 bis 1957 mehr als verdoppelt. Für die beiden darauf folgenden Jahre liegen keine so speziellen Untersuchungen vor. Die Industrieberichterstattung weist jedoch auch für die Zeit von 1960 bis 1962 in einer großen Zahl wirtschaftlich bisher noch weniger entwickelter Landkreise einen deutlichen Anstieg der Beschäftigten in der Industrie aus. Es besteht demnach kein Anlaß zu der Annahme, daß die Bereitschaft der Unternehmer, Industriebetriebe in den strukturschwachen ländlichen Gebieten anzusiedeln, in den letzten Jahren nachgelassen hat. Dies schließt nicht aus, daß möglicherweise der Drang der Industrie, neue Betriebe in denjenigen Gebieten der Bundesrepublik 'zu errichten, die noch über Arbeitskraftreserven verfügen, noch größer gewesen wäre, wenn keine ausländischen Arbeitskräfte in den industriellen Ballungszentren eingestellt worden wären.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Varelmann.
Herr Staatssekretär, wurde die Bundesregierung von den Länderregierungen nicht darüber unterrichtet, daß tatsächlich die Bereitschaft der Industrie, sich in ländlichen, wirtschaftlich schwach entwickelten Gebieten anzusiedeln, erheblich nachgelassen hat?
Von dieser Unterrichtung ist mir nichts bekannt, Herr Abgeordneter.
Eine zweite Zusatzfrage.
Hat nicht die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit ihren Mitteln, die sie für die Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte zur Verfügung stellte, die regionale Ballung der Industrie in erheblichem Ausmaße gefördert?
Ich werde diese Frage gern der Bundesanstalt für Arbeisvermittlung und Arbeitslosenversicherung übermitteln und Ihnen die Antwort demnächst zugehen lassen oder den Herrn Bundesminister für Arbeit bitten, die entsprechenden Nachforschungen anzustellen.
Zwei Zusatzfragen; damit ist diese Frage erledigt.
Ich komme zur Frage VII/2 - des Abgeordneten Varelmann -:
War die seit 1950 in so großem Ausmaß vollzogene regionale Ballung der Wirtschaft von erheblichem Einfluß auf die Steigerung der arbeitsunfähigen Krankheitsfälle ({0})?
Zur zweiten Frage des Herrn Abgeordneten Varelmann ist zu sagen, daß es richtig ist, daß der Krankenstand bei den Landkrankenkassen nur etwa halb so hoch ist wie bei den Orts- und den Betriebskrankenkassen. Jedoch läßt sich bisher nicht nachweisen, daß dieser erstaunliche Unterschied, der in früheren Jahren geringer gewesen ist, auf die regionale Ballung der Wirtschaft zurückgeht. Es spricht aber einiges dafür, daß in den Ballungsgebieten die Inanspruchnahme der körperlichen Kräfte und der Nerven größer ist als auf dem Lande, so daß möglicherweise auch die Anfälligkeit für Krankheiten hier größer ist als in ländlichen Bezirken.
Zusatzfrage?
Wäre das Bundeswirtschaftsministerium bereit, zu prüfen, ob nicht auch bei den Ortskrankenkassen in ländlichen Gebieten der Krankenstand sehr unterschiedlich von dem in den Großstädten ist, und darauf die Wirtschaft hinzuweisen?
Die Ortskrankenkassen haben in der Tat einen Prozentsatz, der, wie ich eben sagte, doppelt so hoch ist wie der der Landkrankenkassen. Das gleiche gilt für die Betriebskrankenkassen. Darüber ist die Wirtschaft unterrichtet, Herr Abgeordneter.
Eine zweite Zusatzfrage.
Mein Hinweis ist gerichtet auf den Unterschied zwischen den Ortskrankenkassen in den Landgebieten und den in den Großstädten.
Ich glaube, das ist keine Frage. - Die Angelegenheit ist damit erledigt.
Ich komme zur Frage VII/3 - des Abgeordneten Varelmann -:
Ist die Steigerung der Lohnnebenkosten ({0}) nicht in beachtlichem Umfang begründet durch die regionale Ballung der Wirtschaft?
In den industriellen Ballungsgebieten ist im allgemeinen der Anteil der Großbetriebe sehr stark. Bei diesen Großbetrieben liegen erwiesenermaßen die Lohnnebenkosten erheblich höher als bei Klein- und Mittelbetrieben. Genaue statistische Unterlagen stehen hierüber nicht zur Verfügung.
Damit ist die Frage erledigt.
Ich komme zur Frage VII/4 - des Abgeordneten Ertl -:
In welchem Umfang werden Holz und Holzprodukte aus Ostblockländern eingeführt?
Ich darf annehmen, daß sich die verlangte Auskunft über die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf die verschiedenen Sorten und Güteklassen von Holz erstrecken soll, also Nadelfaser- und Schichtnutzholz, Nadelstammholz, Nadelgrubenholz, Laubfaser- und Schichtholz, Laubstammholz, sowie Schnittholz aller Güteklassen aus Nadel- und Laubholz. Die Gesamteinfuhr dieser Hölzer erreichte im Jahre 1962 einen Wert von rund 1245 Millionen DM. Davon entfielen auf die Staatshandelsländer rund 16,6 % = 207 Millionen DM. Bei dem großen Warenbereich der Holzhalbwaren und Holzwerkstoffe liegt der Gesamteinfuhrwert aus Staatshandelsländern nur bei 0,3% mit einem Gesamtwert von 639 000 DM; er konnte daher hier unberücksichtigt bleiben.
Der Anteil der in den Jahren 1960 bis 1962 aus Staatshandelsländern eingeführten Holzarten und Holzsortimente läßt sich im Vergleich zum Inlandsverbrauch folgendermaßen beziffern:
Erstens. Nadelfaserholz: Der Inlandsverbrauch stieg um 7,6 % auf 4,6 Millionen rm im Jahre 1962. Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem Inlandsverbrauch fiel von 12 % auf 8 %.
Zweitens. Nadelgrubenholz: Der Inlandsverbrauch fiel um 10 % auf 2 Millionen fm im Jahre 1962. Der Anteil der Staatshandelsländer am Inlandsverbrauch fiel von 10 auf 6 %.
Drittens. Laubfaserholz: Der Inlandsverbrauch stieg um 10,2 % auf über 3 Millionen rm im Jahre 1962. Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem Inlandsverbrauch stieg von 11 auf 13 %.
Viertens. Nadelschnittholz: Der Inlandsverbrauch stieg um 8,9 % auf 10,3 Millionen cbm im Jahre 1962. Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem Inlandsverbrauch stieg von 9 auf 10 %.
Das Bundeswirtschaftsministerium steht wegen der Einfuhr von Holz aus den Staatshandelsländern mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem Deutschen Forstwirtschaftsrat und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände in ständiger Fühlungnahme.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie wirken sich diese Importe auf die Inlandspreise aus?
Herr Abgeordneter, die Preise für Roh- und Schnittholz im Inland richten sich nach den Weltmarktpreisen. Für Nadelroh- und -schnittholz werden die Importpreise weitgehend von den skandinavischen Ländern und von Österreich bestimmt. Die Preisdifferenzen zwischen diesen und den Staatshandelsländern sind ziemlich gering und üben nach unserer Beobachtung keinen nennenswerten Einfluß auf die Gestaltung der Inlandspreise aus. Im Durchschnitt liegen die Preise für Importholz sogar höher als die für vergleichbare Inlandsware.
Vergleichsmöglichkeiten zwischen europäischem Laubroh- und -schnittholz und der deutschen Erzeugung sind aus Qualitäts-, aber auch aus Dimensionsgründen nicht leicht gegeben. Im übrigen sind diese Einfuhren so geringfügig, daß sie auf den Inlandspreis kaum Einfluß haben können.
Die Einfuhr von Buchenfaserholz erfolgt etwa je zur Hälfte aus Frankreich und den Staatshandelsländern. Ein Vergleich des Preises frei Werk des Verbrauchers zwischen inländischem Buchenfaserholz und dem aus Staatshandelsländern bezogenen ergab, daß der Preis aus diesen Ländern im Oktober 1962 um 2 %, im April 1963 sogar um 4,7 % höher lag.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß bei öffentlichen Bauten sowohl zum Bau als auch zur Einrichtung wenn irgendwie möglich vorwiegend einheimische Holzarten verwendet werden, um damit der deutschen Forstwirtschaft aus einer schwierigen Situation zu helfen?
Herr Abgeordneter, sosehr ich das Interesse an einer solchen Handhabung erkenne, möchte ich Sie doch bitten, mich nicht 71.1 nötigen, hier jetzt eine exaktere Antwort zu geben als die, daß wir gern die von Ihnen gegebene Anregung mit den übrigen Ministerien sorgfältig prüfen, und zwar wenn möglich in dem von Ihnen erbetenen Sinne.
Damit ist die Frage VII/4 erledigt.
Ich rufe auf die Frage VII/5 - des Abgeordneten Dr. Wuermeling Ist die Bundesregierung angesichts der erneuten Unruhe im Siegerländer Erzbergbau bereit, sich durch persönliche Verhandlungen mit den Ruhrhütten eindringlich für die Erhaltung der letzten einheimischen Erzgruben im Siegerland einzusetzen, nachdem die Ruhrhütten durch erneute Reduzierung der Abnahme Siegerländer Erze die Stillegung einer weiteren Grube und damit die Entlassung zahlreicher nicht anderweit zu vermittelnder Bergleute unvermeidlich machen wollen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick vom 13. Juni 1963 lautet:
Der Aufschluß reicher und vorwiegend im Tagebau billig gewinnbarer Lagerstätten in Übersee hat seit etwa 1960 zu einem tiefgreifenden Strukturwandel auf dem Eisenerzmarkt geführt. Infolge der zunehmenden Darbietung reicher Auslandserze, der sich daraus ergebenden Preissenkungen am Erzmarkt und der niedrigen Frachtraten im Überseeverkehr hat sich die Wettbewerbslage des deutschen Eisenerzbergbaus entscheidend verschlechtert. So sind beispielsweise die Preise für hochhaltige Schwedenerze im Jahre 1959 um 10 %, 1962 um 5 % und 1963 um weitere 7% gesenkt worden. Einem Durchschnittspreis von 0,99 DM je Eiseneinheit für inländische Thomaserze stehen Preise für entsprechende Auslandserze zwischen 0,67 DM und 0,80 DM gegenüber.
Die Auswirkungen dieses tiefgreifenden Wandels auf den Eisenerzbergbau der Bundesrepublik zeigen sich in der Stillegung von 17 Gruben und einer Einschränkung der Förderung bei den meisten übrigen Betrieben. Seit dem Jahre 1960 ist die Gesamtförderung von rund 18,9 Mill. t auf rund 16,6 Mill. t im Jahre 1962, also um rund 12% zurückgegangen, die Belegschaftszahl von 19 646 auf 14 043, mithin um 28,5 % abgesunken. Der gegenwärtige Belegschaftsstand ist 12 572. Mit einer Schrumpfung der Eisenerzförderung um etwa ein Drittel auf 11-12 Mill. t im Jahr muß gerechnet werden.
Dieser Strukturwandel ist keineswegs auf die Bundesrepublik beschränkt; er hat u. a. auch den Eisenerzbergbau der übrigen EWG-Länder betroffen, selbst vor dem bedeutenden MinetteRevier Frankreichs nicht haltgemacht und vor kurzem zwei schriftliche Anfragen an die Hohe Behörde der EGKS ausgelöst. In ihrer eingehenden Antwort vom 2. Mai 1963 ({0}) hat die Hohe Behörde zu der Frage, ob und mit welchem Produktionsniveau die Hohe Behörde die Aufrechterhaltung einer Eisenerzförderung in der Gemeinschaft für wünschenswert halte, eine Studie über das Gesamtproblem angekündigt; diese soll u. a. auch die Sicherung der Versorgung behandeln.
Nach diesen allgemeinen Darlegungen darf ich zu Ihrer eigentlichen Frage darauf hinweisen, daß ich das Problem, ob und wieweit der deutsche Eisenerzbergbau erhalten werden könnte, am 31. Januar 1962 sehr eingehend mit Vertretern der Hüttenindustrie, des Bergbaus und der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie erörtert habe. Nachdem auch die Vertreter der IGBE nicht die Aufrechterhaltung unwirtschaftlicher Grubenbetriebe fordern konnten, gingen meine Anregungen dahin, zum Abbau anstehende Erzreserven noch zu gewinnen und damit unabwendbare Stillegungen so zu strecken, daß der für die Ansiedlung neuer Industrien erforderliche Zeitraum gewonnen würde.
Die Vertreter der Hütten wiesen demgegenüber auf die abgeschwächte Konjunktur der Stahlindustrie und ihre verschärfte Wettbewerbslage hin, die zur Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten zwinge.
Das Problem des Siegerländer Spateisensteinbergbaus ist - abgesehen von dem störenden Kupfergehalt eines Teiles dieser Erze - bei 50 % Eisengehalt und 10 % Mangangehalt keine Qualitätsfrage, sondern. eine Kostenfrage. Die Siegerländer Erze müssen unter sehr ungünstigen Lagerstättenverhältnissen in großen Teufen gewonnen werden, so daß der Wettbewerb gegenüber den meist im Tagebau gewonnenen Auslandserzen selbst bei einer Normalisierung der z. Z. sehr niedrigen Seefrachten außerordentlich schwierig ist. Überdies haben neue hüttentechnische Verfahren den früheren Vorteil des hohen Mangangehalts im Siegerländer Spateisenstein weitgehend aufgehoben, da Mangan im Stahleisen nur noch mit einem geringen Prozentanteil benötigt wird und in Auslandserzen billiger gekauft werden kann.
Der derzeitige Unterschied im Preise je Eisen- und Manganeinheit gegenüber vergleichbaren Auslandserzen ist mit 30-35 % so erheblich, daß es der Entscheidung der Hüttenwerke, die hier vorwiegend gleichzeitig die Aktionäre der Erzbergbau Siegerland AG sind, überlassen bleiben muß, ob sie Mehrkosten in dieser Höhe tragen können oder nicht.
Nach meiner mit allen Beteiligten geführten Aussprache am 31. Januar 1962 halte ich es nicht für aussichtsreich, die bereits behandelten Probleme erneut mit den Vertretern der Ruhrhütten zu erörtern. Mit der Verantwortung für die Erhaltung ihrer großen Hüttenwerke haben sie als Eigentümer auch die Entscheidungsfreiheit über die von ihnen als notwendig angesehenen Maßnahmen; sie haben andererseits die sich daraus
Vizepräsident Dr. Jaeger
ergebenden Lasten und insbesondere die volle Verantwortung für ihre Maßnahmen zu tragen.
Sollte die Erzbergbau Siegerland AG in der Lage sein, die obengenannte Preisdifferenz auf die eine oder andere Weise zu überspringen, so würde ich es begrüßen, wenn die abnehmenden Hüttenwerke ein solches Angebot akzeptieren würden. Meine Vermittlung und Mitwirkung bei der Suche nach einer befriedigenden Lösung würde ich schon im Hinblick darauf nicht versagen, daß durch eine vereinbarte Auslauffrist die Umstrukturierung des Gebietes, für die das Land Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren bereits viel getan hat, erleichtert würde. Die bisher im Siegerland und in den übrigen Erzrevieren durchgeführten Stillegungen haben zu besonderen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Schwierigkeiten nicht geführt.
Es ist das besondere Anliegen der Bundesregierung, auch in Zukunft Härtefälle, die sich aus einer Entscheidung der Ruhrhütten ergeben könnten, so weit wie irgend möglich zu vermeiden. Sie wird deshalb die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten und sich dabei insbesondere die Förderung der Ansiedlung geeigneter Industriebetriebe in dem betroffenen Raum im Rahmen des regionalen Förderprogrammes angelegen sein lassen.
Im übrigen ist die Bundesregierung - wie bisher - selbstverständlich bereit, zu den Anpassungsbeihilfen, die Art. 56 § 2 MUV für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Eisenerzbergbaus vorsieht, den Bundesanteil zu leisten.
Ich rufe auf die Frage VII/6 - des Abgeordneten Dr. Wuermeling -
Hält die Bundesregierung nach der bereits erfolgten Stillegung mehrerer Erzgruben des Siegerlandes eine Stillegung der letzten noch betriebenen einheimischen Erzgruben für vertretbar gegenüber den werks- und heimatverbundenen Belegschaften und für verantwortbar angesichts der zur Erhaltung der einheimischen Erzförderung in den letzten 10 Jahren eingesetzten 14 Millionen DM aus öffentlichen Mitteln.?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick vom 13. Juni 1963 lautet:
Soweit hier die Eisenerzgruben im Siegerländer Revier gemeint sind, muß die aus Absatzgründen etwa unvermeidbar werdende Stillegung einer Grube nicht auch die Einstellung der beiden restlichen Förderbetriebe zwangsläufig zur Folge haben. Nach meinen Informationen wollen die Ruhrhütten Ende 1963 über ihre Bezugsmengen im 2. Halbjahr 1964 Verhandlungen mit der Erzbergbau Siegerland AG führen.
Der Eisenerzbergbau der Bundesrepublik wird, wie zur Frage 1) bereits ausgeführt, mit einer Förderkapazität von etwa 11-12 Mill. t im Jahr erhalten bleiben, wobei das Schwergewicht beim Bergbau der erzgebundenen Hüttenwerke, insbesondere der Hüttenwerk Salzgitter AG liegen wird.
Die Gewährung von Beihilfen für die Aufsuchung und Untersuchung von Eisenerzvorkommen - seitens der Länder ab 1948 und seitens des Bundes seit 1951 - erfolgte unter ganz anders gelagerten Verhältnissen. Sie war damals volkswirtschaftlich sinnvoll, denn die Inlandserze waren nach ihrem Eisengehalt am gesamten Erzverbrauch aller deutschen Hüttenwerke im Jahre 1952 mit rund 36 % und im Jahre 1958 noch mit rund 27 % beteiligt; bis zum Jahre 1961 fiel ihr Anteil allerdings auf 20 % ab. Dabei muß hervorgehoben werden, daß die Bergbauunternehmen zwischen 55 % und 90 % der Aufwendungen für solche Aufsuchungsarbeiten auf ihr eigenes Risiko genommen und selbst finanziert haben.
Die aufgefundenen Erzvorräte sind zum Teil nutzbar gemacht worden oder noch zur Gewinnung vorgesehen. Andere Teile mußten indessen aufgegeben werden, weil sie bei den heutigen Qualitätsanforderungen wirtschaftlich nicht mehr abbauwürdig sind.
Die ab 1960 einsetzende Verdrängung der Inlandserze durch reiche und billigere Auslandserze hat die Bundesregierung selbstverständlich zu einer scharfen Drosselung der Bundesbeihilfen zur Aufschlußförderung im Eisenerzbergbau veranlaßt. Sie wurden letztmalig im Haushaltsjahr 1962 mit 450 000 DM gewährt, davon 70 000 DM für Untersuchungsarbeiten in den noch betriebenen Gruben des Siegerlandes. Die Länder gewähren solche Beihilfen auch weiterhin.
Daß auch die Hüttenwerke als Eigentümer der Bergbaugesellschaften die heutige Entwicklung nicht vorausgesehen haben, ergibt sich aus ihren erheblichen Investierungen in Gruben, die inzwischen stillgelegt worden sind.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Frage VIII/1 - wieder eine Frage des Herrn Abgeordneten Ertl -:
Trifft es zu, daß seit Jahren die Mittel für die Biologische Schädlingsbekämpfung ({1}) bis zur Hälfte des vorgesehenen Ansatzes nicht verbraucht wurden, obwohl allein auf dem Sektor Vogelschutz laufend Mittel benötigt und angefordert worden sind?
Herr Minister, darf ich bitten.
Ich darf wie folgt antworten: Von 1952 bis 1963 standen bei Titel 614, Einzelplan 10, für die biologische Schädlingsbekämpfung nach Abzug der gesetzlichen Ausgabesperren insgesamt 2 887 050 DM zur Verfügung. In der gleichen Zeit wurden für die biologische Schädlingsbekämpfung Zuwendungen in Höhe von 2 865 131,50 DM bewilligt; auf den Sektor Vogelschutz entfielen hiervon 802 200 DM.
Es trifft somit nicht zu, daß die Haushaltsmittel zur Förderung der biologischen Schädlingsbekämpfung nur bis zur Hälfte des vorgesehenen Ansatzes verbraucht worden sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind die bewilligten Mittel auch verbraucht worden, und trifft somit die Behauptung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, wonach für den Vogelschutz nur 20 000 DM zur Verfügung gestellt worden sind, nicht zu?
Wir haben den Vorwurf, wir hätten für diesen Zweck wenig Geld ausgegeben, schon wiederholt der betreffenden Institution gegenüber richtiggestellt. Es muß hier ein Irrtum vorliegen. Die bewilligten Gelder sind mit Ausnahme der Gelder, die der Ausgabesperre unterliegen, ausgegeben.
Eine zweite Zusatz frage des Herrn Abgeordneten Ertl,
Beabsichtigt Ihr Ministerium, zu prüfen, inwieweit man für den Vogelschutz eventuell sogar einen eigenen Haushaltsansatz schaffen könnte, wie es von interessierten Kreisen wiederholt gewünscht wurde?
Herr Kollege Ertl, wir haben nicht die Absicht, diese Frage einer Prüfung zu unterziehen, weil wir glauben, daß die Fragen der biologischen Schädlingsbekämpfung insgesamt in einem Titel untergebracht werden müssen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) !
Herr Minister, wären Sie bereit, die von Ihnen genannten Zahlen dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitzuteilen, und zwar Jahr für Jahr, damit man kontrollieren kann, ob all das entsprechend den Ansätzen auch gegeben ist?
Herr Kollege Dr. Schmidt, dazu bin ich gern bereit.
Ich danke Ihnen sehr.
Ich komme zu der Frage VIII/2 - des Abgeordneten Ertl -:
Wie ist es möglich, daß trotz der seit dem 1. Januar 1962 in Kraft getretenen Bestimmungen des Grundstückverkehrsgesetzes, das den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben an landwirtschaftsfremde Interessenten von bestimmten, genehmigungspflichtigen Auflagen abhängig macht, weiterhin bäuerliche Familienbetriebe zu reinen Spekulationspreisen von NichtLandwirten erworben und dadurch die Bodenpreise weiter in die Höhe getrieben werden?
Wie bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 8. Mai 1963 ausgeführt worden ist, bietet das Grundstückverkehrsgesetz bei richtiger Anwendung eine wirksame und ausreichende Handhabe, die Bodenspekulation und die Abwanderung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen in landwirtschaftsfremde Hände zu verhindern.
Die Ausführung des Grundstückverkehrsgesetzes obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden, die es damit in der Hand haben, agrarstrukturell unerwünschte Bodenveräußerungen zu unterbinden. Da im Genehmigungsverfahren die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung zu hören ist, nimmt auch der Berufsstand selbst an der Verantwortung für die richtige Handhabung des Grundstückverkehrsgesetzes teil. Dies gilt auch für den Fall, daß die Landwirtschaftsgerichte die Genehmigung zu Grundstückveräußerungen erteilt haben, nachdem sie von den Genehmigungsbehörden versagt worden war, da den oberen Landwirtschaftsbehörden das Recht eingeräumt ist, gegen die Entscheidungen des Landwirtschaftsgerichts Rechtsmittel einzulegen.
Wenn dennoch landwirtschaftliche Familienbetriebe an Nichtlandwirte veräußert werden, ohne daß es sich dabei um nach dem Grundstückverkehrsgesetz zulässige Fälle handelt, dürfte dies daran liegen, daß die Genehmigungsbehörden, Landwirtschaftsbehörden und landwirtschaftlichen Berufsvertretungen das Gesetz nicht mit Entschlossenheit handhaben.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, hat die Bundesregierung oder Ihr Ministerium bereits einmal eine Untersuchung über das Ausmaß und die Auswirkungen auf die Bodenpreise im Hinblick auf diese Verkäufe angestellt, und meinen Sie nicht, daß vielleicht auch die Wiedereinführung einer Bieterlaubnis eine Möglichkeit wäre, diesem Problem zu Leibe zu rücken?
Herr Kollege Ertl, wir sind diesen Fragen, die Sie eben angeschnitten haben, dauernd auf den Fersen und beobachten peinlich genau die Auswirkungen dieser oder jener Maßnahme, die möglicherweise auch nicht richtig durchgeführt wurde. Wir glauben aber nach dem derzeitigen Stand der Dinge nicht, eine Bieterlaubnis geben bzw. eine Genehmigung versagen zu sollen, weil wir die Frage der Zwangsversteigerung als nicht so gravierend ansehen, daß durch sie der Grundstücksmarkt entscheidend beeinflußt werden könnte.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß dieses Problem auch in Nachbarländern heiß diskutiert wird und zur Zeit In Dänemark sogar Gegenstand einer Volksbefragung wird oder geworden ist, und sollte das nicht Veranlassung sein, auch in der Bundesrepublik alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese Fälle einmal ernsthaft zu überprüfen?
Meinem Ministerium ist bekannt, daß in Nachbarländern auch auf diese Frage außerordentlicher Wert gelegt wird. Herr Kollege Ertl, Sie dürfen aber überzeugt sein, daß - die Vorlage 'des Grundstückverkehrsgesetzes beweist es - auch der Bundesregierung diese Frage sehr am Herzen liegt und, wie ich versichern darf, weiter am Herzen liegen wird.
Ich rufe auf die Frage VIII/3 - des Abgeordneten Herold -:
Welche unmittelbaren Auswirkungen hat die Senkung der Getreidefrachten und die Frachthilfe des Bundes im Zuge der Durchführung der Verordnung 19 der EWG auf die Wettbewerbslage auf dem Braumalzmarkt?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen des Herrn Abgeordneten Karl Herold zusammen beantworten zu dürfen, da sie die gleiche Sache 'betreffen.
Bitte sehr, Herr Minister. Ich rufe dann noch auf die Frage VIII/4 - des Herrn Abgeordneten Herold -:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, entstandene Wettbewerbsverzerrungen auf dem Braumalzmarkt zu beseitigen?
Mit dem Inkrafttreten der EWG-Getreidemarktordnung am 30. Juli 1962 wurden in der Bundesrepublik, um eine möglichst weitgehende Angleichung an die Getreidefrachten in den übrigen EWG-Mitgliedsländern zu erzielen, die Getreidefrachten der Deutschen Bundesbahn und des gewerblichen Güterfernverkehrs um 25 v. H. gesenkt. Die Getreidefrachten des gewerblichen Güternahverkehrs und der Binnenschiffahrt blieben unverändert. Gleichzeitig wurde für alle gewerblichen Getreidetransporte eine Frachthilfe in Höhe von 25 v. H. der zu zahlenden Fracht eingeführt.
Dadurch trat bei den Getreidetransporten mit der Bundesbahn und mit Fahrzeugen des gewerblichen Güterfernverkehrs eine Ermäßigung um rund 44 v. H., bei der Binnenschiffahrt und beim gewerblichen Güternahverkehr eine solche von 25 v. H. ein. Diese Frachtermäßigungen wirken sich also auch auf den Transport von Braugerste aus und führen zu
einer nicht unerheblichen Entlastung beim Einkauf des Rohstoffes.
Die Schwerpunkte der deutschen Malzindustrie sind durchweg im unmittelbaren Versorgungsgebiet der großen Brauereien zu finden. Das gilt sowohl für Süd- als auch für Nord- und Nordwestdeutschland. Die Menge des für den innerdeutschen Bedarf bestimmten Braumalzes, das von Süddeutschland nach Norddeutschland befördert wird, beträgt jährlich etwa 150 000 Tonnen. Nur bei dieser Menge wirkt sich das jetzt unterschiedlich hohe Frachtniveau zwischen Braugerste und Braumalz aus.
Infolge des zunehmenden Bierkonsums in der Bundesrepublik ist jedoch damit zu rechnen, daß sich - entsprechend der Entwicklung in den vergangenen Jahren - vor allem in Süddeutschland ein Mehrbedarf an Braumalz ergibt, der annähernd die Menge erreicht, die im innerdeutschen Markt von Süden nach Norden befördert wird. Dadurch dürften die in Süddeutschland ansässigen Mälzereien ihre Kapazitäten im gleichen Umfang ausnutzen können wie vor der Senkung der Getreidefrachten.
Der Anteil, den die Bundesbahn an den innerdeutschen Malztransporten besitzt, ist wesentlich geringer als derjenige der Binnenschiffahrt. Ein großer Teil des Braumalzes wird außerdem im Werkverkehr befördert. Die Frachtsenkung für Getreide bei der Bundesbahn wirkt sich also nur für einen geringen Anteil der innerdeutschen Malztransporte aus. Er dürfte, wenn man die Vergünstigungen beim Transport der Braugerste gegenüberstellt, nicht so erheblich sein, daß er zu tiefgreifenden Veränderungen in der Wettbewerbslage der deutschen Mälzereien führt. Jedenfalls halten sich die Verschiebungen in dem Rahmen, der mit Inkrafttreten der EWG-Getreidemarktordnung auch bei den übrigen getreideverarbeitenden Industrien gegeben ist.
Die Frage, ob und in welchem Umfang Wettbewerbsverschiebungen infolge der Senkung der Getreidefrachten durch die Bundesbahn und den gewerblichen Güterfernverkehr sowie durch die Gewährung einer Frachthilfe für Getreide entstanden sind, wird im einzelnen bei der Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP - Bundestagsdrucksache IV/1236 - zu behandeln sein. Ob und in welchem Umfang dann Korrekturen erforderlich sind, wird der Entscheidung des Hohen Hauses vorbehalten bleiben.
Im übrigen hatte die Bundesbahn auf Anregung der deutschen Braumalzindustrie einen Antrag auf Genehmigung eines Ausnahmetarifes für Braumalz vorgelegt. Dieser mußte jedoch auf Einspruch einzelner süddeutscher Mälzereien zurückgezogen werden, weil sich diese durch den Ausnahmetarif in ihrer Wettbewerbslage benachteiligt fühlten. Es ist damit zu rechnen, daß die Bundesbahn in Kürze erneut einen abgeänderten Entwurf für einen Ausnahmetarif vorlegen wird.
Diese beiden Fragen sind erledigt.
Ich rufe auf Frage VIII/5 - des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel -:
Hat die Bundesregierung sich über das Vordringen der afrikanischen Schweinepest in Portugal und Spanien informiert?
Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe dann auf die Frage VIII/6 - des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel -:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um ein Übergreifen der afrikanischen Schweinepest auf die EWG- Länder, insbesondere die Bundesrepublik, zu verhindern?
Auch diese Frage wird schriftlich beantwortet, da Herr Abgeordneter Dr. Vogel nicht anwesend ist.
Wir kommen zur Frage VIII/7 - des Herrn Abgeordneten Drachsler -:
Woran liegt es, daß die Mittel aus dem Grünen Plan für den Wirtschaftswegebau den Ländern und damit den unteren Behörden in der Regel sehr spät zur Verfügung gestellt werden, so daß sie im laufenden Rechnungsjahr nicht mehr ganz verbaut werden können?
Die Bundesmittel aus dem Grünen Plan für den Wirtschaftswegebau werden den Ländern in jedem Jahr von meinem Ministerium so frühzeitig wie nur möglich zur Verfügung gestellt, um die Baubehörden in den Stand zu setzen, bei Eintritt offenen Wetters mit den Baumaßnahmen beginnen zu können. So sind z. B. von den Bundesmitteln des Rechnungsjahres 1961 bereits am 23. Januar 1961 90 % des Vorjahresansatzes bereitgestellt worden. Die volle Zuteilung der Bundesmittel mit 100 % erfolgte nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes am 10. Januar 1961.
Im Jahre 1962 sind von den zur Verfügung stehenden 80 Millionen DM sämtliche Mittel bis auf einen Rest von 116 000 DM fristgerecht zur Verfügung gestellt worden; die 116 000 DM sind wegen des Wetters hängengeblieben.
Die Bundesmittel für das laufende Rechnungsjahr sind bereits am 31. Januar dieses Jahres mit 90% des Vorjahresansatzes - allerdings mit dem Vorbehalt der endgültigen Verabschiedung des Bundeshaushaltsplans - den Ländern zur Verfügung gestellt worden.
Ich bin bemüht, die Bundesmittel so frühzeitig wie nur möglich den Ländern zur Verfügung zu stellen, damit Verzögerungen im Baufortschritt vermieden werden.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage IX/1 - des Abgeordneten Schmidt ({0}) - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Pressemeldungen zufolge südländische Gastarbeiter aus Unkenntnis der deutschen Naturschutzbestimmungen häufig durch Fangen von Singvögeln und anderen wildlebenden Tieren immer wieder gegen diese Bestimmungen verstoßen?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Ich möchte die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt zusammen beantworten, da sie in einem Zusammenhang stehen.
Bitte sehr. Dann rufe ich die Frage IX/2 - des Abgeordneten Schmidt ({0}) - ebenfalls auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Gastarbeiter
über die deutschen Naturschutzbestimmungen aufzuklären?
Die Pressemeldungen, nach denen ausländische Arbeitnehmer häufig gegen die deutschen Jagd- und Tierschutzbestimmungen verstoßen, sind der Bundesregierung bekannt. Allerdings liegen zuverlässige Feststellungen über das Ausmaß solcher Verstöße nicht vor.
Dessen ungeachtet ist die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Organisationen des Naturschutzes, des Jagdschutzes und des Tierschutzes schon seit langem bemüht, die in Deutschland beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer über die deutschen Naturschutzbestimmungen aufzuklären. Zu diesem Zweck wurde folgendes veranlaßt. In den Warteräumen der deutschen Anwerbekommissionen im Ausland wunden Plakate angebracht, die darauf hinweisen, daß der Vogelfang nach deutschem Recht verboten ist. Ferner werden die ausländischen Arbeitnehmer immer wieder in den für sie bestimmten Presseorganen auf die deutschen Naturschutzbestimmungen hingewiesen. Die neueste Auflage des Ratgebers für die italienischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, der allen über die deutschen Anwerbekommissionen in Italien angeworbenen italienischen Arbeitskräften ausgehändigt wird, enthält einen Hinweis auf die deutschen Naturschutzbestimmungen. Gegenwärtig wird durch die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und die Organisationen zur Betreuung der ausändischen Arbeitnehmer ein in italienischer Sprache verfaßtes, vom deutschen Jagdschutzverband herausgegebenes Merkblatt über die deutschen Tierschutzbestimmungen an die italienischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland verteilt.
Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft angelegen sein lassen, die ausländischen Arbeiter in Deutschland über die Vorschriften des Naturschutzes aufzuklären. Vor allem wird sie die anerkennenswerten Bemühungen der Organisationen des Naturschutzes, des Jagdschutzes und des Tierschutzes auf diesem Gebiet weiterhin nach Kräften unterstützen.
Ich rufe auf die Frage IX/3 - des Abgeordneten Fritsch -:
Hält die Bundesregierung den Zustand, daß im Bayerischen und Oberpfälzer Wald jährlich Tausende von Familienvätern durch Auswärtsvermittlung von ihren Familien getrennt werden, mit einer gerechten Familienpolitik für vereinbar?
Kann ich die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Fritsch gleich mit beantworten?
Bitte sehr. Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -:
Gedenkt die Bundesregierung geeignete Schritte zu unternehmen, um die durch die Auswärtsvermittlung von Arbeitskräften verursachte Zerreißung von Tausenden von Familien im Bayerischen und Oberpfälzer Wald zukünftig zu verhindern oder mindestens einzuschränken?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß in den industriearmen Grenzgebieten der Bundesrepublik Deutschland ein Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung darauf angewiesen ist, eine Arbeit außerhalb des Wohnortes aufzunehmen. Das hat zur Folge, daß je nach der räumlichen Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz Familienväter und andere Familienangehörige vorübergehend von ihren Familien getrennt sind. Eine solche Trennung ist angesichts der von der Bundesregierung verfolgten Familienpolitik unerwünscht, läßt sich aber nicht unter allen Umständen vermeiden.
Die Bundesregierung ist seit Jahren mit Erfolg bemüht, die Zahl der Familientrennungen nach Möglichkeit zu vermindern und die familienfeindlichen Auswirkungen der auswärtigen Beschäftigung möglichst zu mildern. So hat sie in ,den letzten Jahren ständig die Ansiedlung von Industriebetrieben und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen am Familiensitz der Arbeitnehmer finanziell gefördert. Diese Maßnahmen wurden durch den Bau von familiengerechten Wohnungen in der Nähe der Arbeitsplätze unterstützt. Wegen näherer Einzelheiten hierzu darf ich Sie auf die 1961 erschienene Schrift meines Ministeriums „Die Standortwahl der Industriebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum von 1955 bis 1960" verweisen. Die entsprechenden Unterlagen für die Jahre 1961 und 1962 sind leider noch nicht vollständig ausgewertet. Ich kann Ihnen jedoch in bezug auf die in Ihrer Frage angesprochenen Gebiete sagen, daß in den Arbeitsamtsbezirken Cham, Marktredwitz, Schwandorf, Weiden, Deggendorf und Passau allein im Jahre 1961 25 industrielle Neuansiedlungen mit 2445 Arbeitsplätzen zu verzeichnen waren.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin die Industrieansiedlung im Bayerischen und Oberpfälzer Wald fördern. Die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung hatten den Erfolg, daß die Zahl der Arbeitskräfte, die aus den in Ihrer Frage erwähnten Arbeitsamtsbezirken nach auswärts vermittelt wurden, ständig zurückgegangen ist. Hierzu möchte ich nur die nachfolgenden Beispiele anführen. Betrachten Sie einmal die Zahl der Auswärtsvermittlungen. Sie betrugen in Weiden im Jahre 1959 702, 1962 nur noch 130, in Cham im Jahre 1959 3336, 1962 nur noch 1634, in Deggendorf 1959 2802, 1962 nur noch 884, in Passau 1959 2574, 1962 nur noch 747, in Pfarrkirchen 1959 1180, 1962 nur noch 330. Besonders bemerkenswert ist dabei, daß die Arbeitsverwaltung die weitaus meisten Arbeitnehmer aus diesen Arbeitsamtsbezirken in angrenzende Arbeitsamtsbezirke oder innerhalb des Landesarbeitsbezirks vermittelt hat, so daß ihnen ein tägliches, zumindest aber wöchentliches Pendeln von .der Arbeitsstätte zu ihren Familien möglich ist.
Auf Grund dieser Tatsachen glaube ich dargetan zu haben, daß die Bundesregierung alle Anstrengungen gemacht hat, die familienungünstigen Auswirkungen der auswärtigen Beschäftigung von Arbeitnehmern der industriearmen Grenzgebiete zu mildern.
Eine Zusatzfrage? -Bitte sehr, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß z. B. gerade heute die „Süddeutsche Zeitung" eine Meldung bringt, derzufolge in den Arbeitsamtsbezirken Deggendorf und Passau je 5000 Arbeitnehmer auspendeln oder auswärtige Arbeit aufnehmen, und daß neben der von den Arbeitsämtern nach auswärts vermittelten Zahl eine außerordentlich große Zahl von Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslosen, nachdem sich ihnen in ihrer Heimat keine Arbeitsmöglichkeit bietet, selber eine auswärtige Arbeit gesucht haben und insofern die von Ihnen genannten reduzierten Zahlen den wirklichen Tatbeständen nicht ganz entsprechen?
Herr Kollege, ich habe die „Süddeutsche Zeitung" heute nicht gelesen; aber auch wenn ich sie gelesen hätte, würde ich zu den dort angegebenen Zahlen hier nicht Stellung nehmen, denn ich habe mir angewöhnt, solche Dinge erst sehr genau auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Ich muß Sie also hier um Geduld bitten.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ungeachtet Ihrer Darstellung darf ich die Frage stellen, ob Sie der Meinung sind, daß Art. 6 unseres Grundgesetzes, der die Familie und die Pflege und Erziehung der Kinder als das natürliche Recht der Eltern unter den Schutz der staatlichen Ordnung stellt, bei den im Bayerischen und Oberpfälzer Wald gegebenen und dargestellten Zuständen gewahrt ist?
Ich bin durchaus der Meinung, daß ich die Frage mit Ja beantworten kann; denn daß es unterschiedliche wirtschaftliche Verhältnisse nun einmal gibt und damit unterschiedliche Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen, ist bekannt. Das steht nicht im Gegensatz zu den Bestimmungen unseres Grundgesetzes. Wir haben uns, wie ich eben in Zahlen dargetan habe, sehr bemüht, Abhilfe zu schaffen, und werden das auch in Zukunft tun. Ich glaube, wir haben damit unsere Pflicht erfüllt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß sich auch kirchliche Stellen - ich nenne hier nur das Bistumsblatt der Diözese Passau - gegen diese Zustände bei Arbeitsaufnahmen auswärts mit den familienpolitischen Folgen gewandt haben?
Ich muß auch darauf antworten, daß ich das Bistumsblatt von Passau nicht gelesen habe. Den Tatbestand selber glaube ich ausführlich behandelt zu haben. Ich habe auch dargetan, was wir zur Behebung der Notstände bisher unternommen haben.
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, sehen Sie keine Möglichkeit, mindestens auf dem Wege der Auslegung des § 78 Abs. 5 AVAVG die Arbeitsämter zu veranlassen, die Bestimmungen, die besagen, daß keine Sperrfrist verhängt werden darf bei einer Arbeitsaufnahme, bei der die sonstige Versorgung der Familie nicht gesichert ist, in weitgehendem Maße zugunsten der Betroffenen anzuwenden, die auswärtige Arbeit unter Hinweis auf die sowohl in wirtschaftlicher als auch in sonstiger Hinsicht nicht genügende Versorgung ablehnen.
Da das Geschehen in den Arbeitsämtern bis hinauf zur Bundesanstalt weitgehend von der Selbstverwaltung bestimmt wird, bin ich der festen Überzeugung, daß man das so extensiv wie möglich im Interesse der Betreffenden tut.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Folger.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Notwendigkeit der Auswärtsvermittlung der Arbeitskräfte im Bayerischen Wald hauptsächlich auf die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse zurückzuführen ist, daß dieselben Arbeitskräfte etwa vier Wochen später in ihrer Heimat eine Arbeit finden könnten, daß aber das Arbeitsamt sie vorher woandershin vermittelt hat? Wäre es nicht möglich, auf die Arbeitsverwaltung dahin einzuwirken, daß diese unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse berücksichtigt werden?
Herr Kollege, das ist mir ehrlich gestanden etwas zu kompliziert. Wenn jemand keine Arbeit hat, muß sich doch das Arbeitsamt darum bemühen, ihm eine zu verschaffen. Wenn sich das nun ermöglichen läßt, wie ich soeben dargetan habe, dann ist doch zunächst einmal für den Betroffenen gesorgt. Man kann doch nicht sagen: das Arbeitsamt unterläßt die Bemühung, ihm einen Arbeitsplatz zu verschaffen, weil es von der Tatsache ausgeht, daß unter Umständen in vier Wochen die klimatischen Verhältnisse eine andere Situation schaffen. Es steht ja den Arbeitskräften völlig frei, nach vier Wochen bei dem einen Arbeitgeber zu kündigen und dann dort tätig zu sein, wo die klimatischen Verhältnisse am Ort es ihnen gestatten.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, sehen Sie eine Möglichkeit, das Problem der auswärtigen Arbeitsvermittlung dadurch zu lösen, daß die vorwiegend ungelernten und angelernten Arbeitskräfte zu Facharbeitern fortgebildet werden und dann an Ort und Stelle verwendet werden können?
Selbstverständlich, aber dabei wäre zu prüfen, ob es nicht genauso schwer ist, Arbeitsplätze :in den gelernten Berufen zu vermitteln wie in den ungelernten Berufen. Natürlich ist es Aufgabe der Arbeitsverwaltung, auch berufliche Weiterbildung zu betreiben und damit den Betroffenen in die Lage zu versetzen, eine andere Tätigkeit als die bisherige auszuüben. Die Bemühungen der Bundesanstalt auf diesem Gebiet sind hinreichend bekannt und sehr lobenswert.
Herr Abgeordneter Bading zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, halten Sie, ungeachtet der Verhältnisse im Bayerischen Wald, die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung um die Schaffung von neuen gewerblichen Arbeitsplätzen in, sagen wir einmal, nicht vollentwickelten Gebieten der Bundesrepublik für ausreichend?
Das wäre eine Frage, die sich eigentlich an die Wirtschaftspolitik und damit an den Wirtschaftsminister richten würde. Aber ich will Ihnen nicht ausweichen. Ich will sagen: wenn Sie den gigantischen Aufbau der Wirtschaft in Deutschland sehen, wo wir über 7 Millionen neue Dauerarbeitsplätze geschaffen haben, werden Sie mir zugeben, daß wir Erhebliches geleistet haben und auf diese Leistung sogar sehr stolz sein können.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich habe Sie nicht nach den bisherigen Leistungen der Bundesregierung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen allgemein gefragt, sondern nach der Schaffung von Arbeitsplätzen in Gebieten, in denen die gewerblichen Arbeitsmöglichkeiten noch zu gering sind.
Darauf darf ich noch einmal antworten: die bisherigen Leistungen deuten darauf hin, daß die Bundesregierung auf 'diesem Gebiete das ihr Menschenmögliche getan hat und daß sie eine Nachprüfung dieser Dinge nicht zu scheuen braucht. Aber auch sie wird mit gewissen Gegebenheiten immer rechnen müssen. Wie ich schon dargetan habe, sind eben die Möglichkeiten unterschiedlich, weil das Leben und alle Lebensvorgänge unterschiedlich sind.
Wir kommen zur Frage IX/5 - des Abgeordneten Fritsch -:
In welchen Härtefällen in der Kriegsopferversorgung, die nach § 89 Abs. 1 BVG zu beurteilen sind, ist, mit Ausnahme der Fälle, für die nach § 89 Abs. 3 BVG bereits eine allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers vorliegt, Härteausgleich gewährt worden?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die Zustimmung zur Gewährung einer Leistung im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes ist in einer großen Anzahl von Fällen erteilt worden. Die Fälle sind sehr verschiedenartig. Es handelt sich in der Regel um reine Einzelentscheidungen. Wir haben uns die Mühe gemacht, die in den letzten Jahren ergangenen Entscheidungen nach Fallgruppen zusammenzustellen. Es sind insgesamt 36 Gruppen. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, wenn ich diese lange Liste hier nicht vorlese. Ich bin aber gern bereit, Herr Kollege Fritsch, Ihnen diese Aufstellung, die ich hier bei mir habe, zu überlassen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, hätten Sie nicht Verständnis dafür, wenn ich Sie darum bäte, nur einige wenige dieser Gruppen, die wichtigsten Gruppen vielleicht, schon jetzt zu nennen?
Ja, aber es ist mir unmöglich, zu sagen, welche unter den 36 die wichtigste ist.
Ich glaube, es liegt auch im Interesse des Hauses an der Fragestunde, daß allzu umfangreiche Antworten nicht hier, sondern schriftlich gegeben werden.
Ich bin damit einverstanden.
Ich will Ihnen die Liste gern zur Verfügung stellen.
Sie kommt ins Protokoll, wenn sie uns gegeben wird, so daß der Fragesteller damit zufrieden sein kann. *)
Wir kommen zur Frage IX/6 - des Abgeordneten Dr. Wuermeling -:
Trifft die im „Wirtschaftsbild" vom 24. Mai 1963 verbreitete Meldung zu, derzufolge im Bundesarbeitsministerium bei der Übertragung der gesamten Aufgaben aus der Kindergeldgesetzgebung auf die Bundesanstalt in Nürnberg mit einer Verminderung der Verwaltungsausgaben von 4,5 % auf 3 % gerechnet wird, nachdem die Verwaltungsausgaben der Familienausgleichskassen im Jahre 1960 bei 2,3 %, im Jahre 1961 bei 2,4 % und im Jahre 1962 sicher auch unter dem bei der Bundesanstalt erwarteten Satz von 3 % lagen?
Herr Kollege Wuermeling! Übernimmt die Bundesanstalt - was ja zweifelhaft sein kann nach dem derzeitigen Stand der Beratung der Gesetzgebung - auch die Gewährung des Kindergeldes für dritte und weitere Kinder, so ist mit Verwaltungskosten von etwa 3 % der Aufwendungen zu rechnen. Dies ist der Begründung des Entwurfs eines Bundeskindergeldgesetzes zu entnehmen.
*) Siehe Anlage 2
Zu dem Vergleich mit den bei den Familienausgleichskassen entstandenen Verwaltungskosten, die mit 2,4 % im Jahre 1961 richtig angegeben worden sind, ist folgendes zu bemerken. Auch bei den Familienausgleichskassen betrugen die Verwaltungskosten in der ersten Zeit nach der Errichtung dieser Kassen etwa 3 %. Erfahrungsgemäß liegen diese Kosten nach der Übernahme einer neuen Aufgabe durch eine Verwaltung zunächst über der Höhe, die erreicht wird, nachdem der Verwaltungsapparat sich eingespielt hat. So wird man auch hier mit einem späteren Rückgang der Kosten bei der Bundesanstalt rechnen können.
Aber: die geringe Höhe der Verwaltungskosten bei den Familienausgleichskassen erklärt sich auch noch daraus, daß etwa ein Drittel der Kassen die Auszahlung des Kindergeldes den Arbeitgebern überlassen hat. Insoweit fällt die Verwaltungsarbeit also bei den Betrieben an. Andere Kassen lassen das Kindergeld bei den Postämtern abholen. Die Bundesanstalt dagegen läßt das Kindergeld - soweit nicht Überweisung auf ein Bankkonto verlangt wird - durch die Post zustellen. Diese Art der Auszahlung wird zwar allgemein als fortschrittlich begrüßt, ist aber teurer als das Abholen bei der Post; denn die Zustellung von 50 DM durch die Post kostet 35 Pf, also etwa 0,7 % der Aufwendungen.
Drittens erfordert die Zahlung des Kindergeldes durch die Bundesanstalt auch deswegen höhere Verwaltungskosten, weil sie auch das Kindergeld für Zweitkinder zu zahlen hat, wobei auch die Einkommensverhältnisse der Berechtigten überprüft werden müssen.
Ich möchte zusammenfassend, Herr Kollege Wuermeling, sagen: Ich nehme nicht an, daß die Bundesanstalt mit weniger Verwaltungskosten auskommt als die bisherigen Kindergeldkassen, sondern ich glaube, daß es, wie ich soeben dargetan habe, im Laufe der Zeit, wenn Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, wirklich etwa auf dasselbe hinausläuft. Ich möchte abschließend sagen: Die Verwaltungskosten der Kindergeldkassen waren bemerkenswert gering.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Darf ich mit meinem Dank für die ausführliche Beantwortung der Anfrage, Herr Kollege Blank - wenn ich im Übergang noch „Herr Kollege" sagen darf -, die Frage verbinden, ob Sie es nicht mit mir begrüßen, daß dieser Propaganda, die jahrelang mit einem angeblich so hohen Verwaltungskostenaufwand der Familienausgleichskassen betrieben worden ist, durch diese Klarstellung hier in der Fragestunde einmal öffentlich entgegengetreten werden konnte?
Gern. Ich darf aber auch darauf hinweisen, Herr Kollege Wuermeling, daß ich bei Behandlung des Kindergeld-Neuregelungsgesetzes und bei ähnlichen Anlässen - z. B. bei Einführung des Zweitkindergeldes -, als wir damals dazu kamen, die verwaltungsmäßige Durchführung von der Bundesanstalt übernehmen zu lassen, hier in diesem Hohen Hause und damit vor der Öffentlichkeit dem Verband der Kindergeldkassen mehrfach meinen Dank für die vorbildliche Arbeit und auch dafür ausgesprochen habe, daß es doch mit relativ geringen Kosten geschehen ist. Die Propaganda gegen diese Ausgleichskassen besteht völlig zu Unrecht.
Ich rufe die Frage IX/7 - des Abgeordneten Diebäcker - auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen zu treffen, die Spätestheimkehrer, welche nach Beendigung ihrer nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft begonnenen oder fortgesetzten Berufsausbildung erstmalig sozialversicherungspflichtig werden und in der Folgezeit die untere Pflichtversicherungsgrenze von mindestens 60 Kalendermonaten innerhalb von 10 Jahren infolge Gehaltssteigerung über die Jahresarbeitsverdienstgrenze von 15 000 DM nicht mehr erreichen, in den Stand zu versetzen, sich freiwillig in der Sozialversicherung weiterzuversichern?
Herr Kollege Diebäcker, bei der in Aussicht genommenen Novelle zur Beseitigung von Härten auf dem Gebiet der Rentenversicherungen werden auch die Auswirkungen der Vorschriften über die freiwillige Weiterversicherung auf bestimmte Sonderfälle eingehend geprüft werden. Im Zusammenhang damit wird die von Ihnen erwähnte Frage der freiwilligen Weiterversicherung von Spätestheimkehrern mit erörtert werden. Ich möchte Sie bitten, das Ergebnis dieser Prüfung abzuwarten.
Eine Zusatzfrage.
Läßt es sich schon übersehen, Herr Minister, in welchem Zeitraum etwa man hier zu ganz konkreten Folgerungen kommt?
Ja, Herr Kollege, - und zwar würde diesen Zeitraum das Hohe Haus selbst bestimmen. Ich habe hier mehrfach erklärt, daß es die Absicht der Bundesregierung ist, wenn so bedeutsame Sozialgesetzentwürfe wie die Krankenversicherungs-Neuregelung und einige andere Entwürfe, die gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung sind, einen Stand der Beratung erreicht haben, daß man mit ihrer baldigen Verabschiedung rechnen kann, rechtzeitig zu diesem Zeitpunkt eine Regierungsvorlage einzubringen mit dem Vorschlag, all das in der Rentengesetzgebung auszumerzen oder zu ändern, was sich im Laufe der Zeit an - ich möchte mich einmal vorsichtig ausdrücken - Unzuträglichkeiten, Unbequemlichkeiten oder Unebenheiten herausgestellt hat. Aber ich glaube nicht, daß ich in der Lage wäre, ein solches Gesetzgebungswerk vorzulegen, wenn ich vor der Tatsache stünde, daß eine Verabschiedung für die laufende Legislaturperiode nicht mehr in Frage käme, weil der entsprechende Fachausschuß hoffnungslos mit seiner Arbeit überlastet ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Diebäcker.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob Sie persönlich der Auffassung sind, daß in diesem konkreten Fall eine Reform dringend notwendig ist, und ob Sie demgemäß demnächst in die Regierungsvorlage Derartiges aufnehmen werden?
Herr Kollege, es würde zu weit gehen, im Zusammenhang mit all den Fragen, die da geregelt werden müssen, heute schon ganz präzise in einem Punkt zu sagen: Wir machen diesen oder jenen Vorschlag. Da wir das ganze Gebiet fortlaufend überprüfen und uns fortlaufend mit diesen Fragen, die an uns herangetragen werden, beschäftigen, kann ich Ihnen nur eines Tages einmal, insgesamt gesehen, sagen, was nun alles bei dieser Gelegenheit, bei der ersten Überholung der Renten-Neuregelungsgesetze von 1957, gebracht würde. Es wäre falsch, wenn ich jetzt schon einen Detailpunkt hier präzise beantwortete und sagte: Dies muß so oder so geändert werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Frage wird mit in den Kreis der Betrachtungen gezogen. Darum hatte ich Sie auch gebeten, Sie möchten doch bitte abwarten, bis das Ergebnis der Prüfung konkret vorliegt. Ich werde Sie gern auf dem laufenden halten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Minister, haben Sie Verständnis dafür, daß ein Spätestheimkehrer, der nach seiner Heimkehr aus russischer Gefangenschaft noch sechs Jahre Tbc-krank gewesen ist, dann in den Arbeitsprozeß eingegliedert wurde und wegen seiner langen Tbc-Erkrankung nicht versicherungspflichtig geworden ist, seine soziale Sicherheit gewährleistet haben möchte?
Herr Kollege, dafür habe ich volles Verständnis. Käme man jetzt zu einer solchen gesetzlichen Regelung - das ist doch eine bare Selbstverständlichkeit -, dann müßte sie so lauten, daß man ihm später nicht sagen kann, er habe Antragsfristen versäumt. Ich glaube, der Hinweis genügt. Daß die Sache selbst einer Regelung bedarf, steht außer Zweifel.
Danke, das wollte ich hören.
Ich komme zu der von dem Abgeordneten Faller gestellten Frage IX18:
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Verhandlungen mit der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Abschluß eines Sozialabkommens darauf hinzuwirken, daß der Begriff „Grenzgänger" miteingebaut, aber auch dafür Sorge getragen wird, daß die legitimen sozialrechtlichen Interessen der im deutschen Grenzgebiet wohnhaften „Grenzgänger" berücksichtigt werden?
Die Bundesregierung hält es nicht für zweckmäßig, einen besonderen Begriff „Grenzgänger" in das deutsch-schweizerische Abkommen aufzunehmen. Die von der Bundesregierung erstrebte Regelung soll allen Personen zugute kommen, die in
Deutschland wohnen, aber in der Schweiz beschäftigt sind. Darunter fallen zwar auch die Genzgänger im engeren Sinne, aber eine besondere Begriffsbestimmung des Grenzgängers im Text des Abkommens ist dafür nicht nötig. im Gegenteil: wenn die Regelung auf bestimmte Grenzgänger beschränkt würde, die in den Grenzgebieten wohnen oder sonst besondere Voraussetzungen erfüllen, wäre dies ein Nachteil.
Daß die EWG besondere Rechtsvorschriften für Grenzgänger und einen engeren Grenzgängerbegriff hat, ist auf den Wunsch ausländischer Staaten zurückzuführen. Die Bundesregierung hat bisher keinen Grund gehabt, diesem Vorbild beim deutschschweizerischen Abkommen zu folgen.
Die Anliegen der deutschen Grenzgänger in der Schweiz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit gehören zu den wichtigsten Problemen, um deretwillen die Bundesregierung die schweizerische Regierung um Revision des geltenden deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens gebeten hat. Bei den Verhandlungen hat die deutsche Delegation z. B. vorgeschlagen, den Grenzgängern den vollen Schutz der schweizerischen Krankenversicherung zu gewährleisten, da sich das geltende Abkommen auf die Renten- und Unfallversicherung beschränkt. Sie hat ferner vorgeschlagen, den Grenzgängern die Rehabilitationsmaßnahmen der schweizerischen Rentenversicherung zur Verhütung und Beseitigung von Invalidität zukommen zu lassen.
Ich kann hier nicht alle Vorschläge aufzählen. Ich bitte aber, überzeugt zu sein, daß die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tun wird, die Rechtsstellung des betroffenen Personenkreises entscheidend zu verbessern. Der Erfolg ihrer Bemühungen hängt natürlich von der Bereitschaft der Schweizer Regierung ab, unseren Vorschlägen zuzustimmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Faller.
Herr Minister, in dem jetzt als Arbeitsunterlage bei den Verhandlungen in der Schweiz vorliegenden Dokument ist u. a. vorgesehen, daß seitens der Schweiz eine Alterssicherung nur gewährt wird, wenn der Betreffende in der Schweiz wohnt. Halten Sie das für richtig?
Verzeihen Sie, das ist ein Vorschlag. Wenn man Verhandlungen beginnt, dann legen die Verhandlungspartner Vorschläge auf den Tisch, über die verhandelt wird. Was das Ziel der Verhandlungen deutscherseits ist, habe ich dargelegt. Das Ziel geht dahin, einen möglichst umfangreichen sozialen Schutz für die in der Schweiz beschäftigten Deutschen zu erreichen. Aber im gegenwärtigen Stand der Verhandlungen vermag ich noch nicht zu sagen, wieweit wir mit diesem unserem Begehren durchdringen werden. Es wäre höchst unklug, wenn ich schon jetzt öffentlich sagen wollte, dieses oder jenes, was die Schweizer Regierung uns als Vor3834
schlag auf den Tisch gelegt hat, halte ich für nicht richtig. Ich bin der Meinung, der Austausch muß über die Vorschläge am Verhandlungstisch erfolgen. Das ist doch internationale Gepflogenheit.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Faller.
Herr Minister, ich habe Sie also richtig verstanden: Sie sind der Meinung, daß man jetzt noch nicht dazu Stellung nehmen kann. Nach Kenntnis der Vorlage glaube ich aber, Sie noch fragen zu müssen, ob der Begriff „Grenzgänger" nicht doch notwendig ist, weil nach dem jetzigen Dokument der größte Teil der in der Schweiz arbeitenden Grenzgänger, die täglich die Grenze überschreiten, von diesem Abkommen überhaupt nicht erfaßt wird.
Herr Kollege, wir sind nach Prüfung der Angelegenheit bisher der Meinung, daß das nicht vorteilhaft wäre, daß es vielmehr vorteilhaft wäre, mit der Schweiz zu einem Abkommen zu kommen, das nun den sozialen Schutz aller in der Schweiz beschäftigten deutschen Arbeitnehmer bringt, ganz gleich, ob sie die Grenze täglich überschreiten oder nicht. Aber ich glaube, Herr Kollege, wenn Sie diese Details interessieren, daß wir sie kaum mit Frage und Antwort in der Fragestunde behandeln können. Darüber müßte man sich doch einmal - vielleicht auch zusammen mit den sachverständigen Beamten, die die Verhandlungen führen - länger unterhalten, und dazu würde ich Sie gerne einladen, Herr Kollege Faller.
Keine Zusatzfrage. - Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung.
Ich rufe auf die Fragen X/1 und X/2 - des Abgeordneten Spies Welche Bundesländer haben bisher die Abschlußzeugnisse der Aufbaulehrgänge der Bundeswehrfachschulen als gleichberechtigt mit den Zeugnissen der staatlichen und staatlich anerkannten höheren Schulen, die die sogenannte mittlere Reife einschließen, anerkannt?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine bundeseinheitliche Anerkennung der Zeugnisse der Bundeswehrfachschulen zu erwirken?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers von Hassel vom 18. Juni 1963 lautet:
Die Bundeswehrfachschulen führen Aufbaulehrgänge in den Fachrichtungen Verwaltung, Technik und Wirtschaft durch.
Das Abschlußzeugnis des Aufbaulehrganges Verwaltung haben die Bundesressorts und die für das Beamtenrecht zuständigen Ressorts der Länder als Nachweis eines ausreichenden Bildungsstandes für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst einer Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes anerkannt. Die Bundeslaufbahnverordnung und die Laufbahnverordnungen einiger Länder enthalten bereits entsprechende Bestimmungen. Da einige Verwaltungen sonst nur Bewerber mit Abitur annehmen, geht also die Anerkennung des Abschlußzeugnisses der Bundeswehrfachschule erfreulich weit. Das Abschlußzeugnis des Aufbaulehrganges Technik hat die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder als Nachweis der für die Aufnahme in eine Ingenieurschule erforderlichen gehobenen allgemeinen und fachtheoretischen Bildung anerkannt.
Ein entsprechender Beschluß der Kultusministerkonferenz über die Anerkennung des Abschlußzeugnisses des Aufbaulehrganges Wirtschaft als Nachweis der für den Besuch einer höheren Wirtschaftsfachschule verlangten Vorbildung wrd in Kürze erwartet.
Bei der dargelegten Sachlage sind weitere Initiativen der Bundesregierung nicht erforderlich.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich rufe auf die Frage XII/1 - des Abgeordneten Berkhan -:
Gedenkt der Herr Bundespostminister sich für die postalische Würdigung der 775-Jahrfeier des Hamburger Hafens durch die Herausgabe einer Sonderbriefmarke einzusetzen?
Herr Präsident, ich bitte damit einverstanden zu sein, daß ich die drei Fragen des Herrn Kollegen Berkhan im Zusammenhang beantworte.
Bitte sehr. Ich rufe also auf Frage XII/2:
Was hat das Bundespostministerium veranlaßt, bisherige Wünsche Hamburgs nach der Herausgabe von Sondermarken stets abzulehnen, selbst den Hinweis auf die Hamburger IGA, was sich bei der Serie „Flora und Philatelie" geradezu anbot?
Weiterhin rufe ich auf Frage XII/3:
Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach der Herr Bundespostminister gegenüber einem Mitglied des Hamburger Senats geäußert hat, er habe nicht mehr den Wunsch, hamburgischen Boden zu betreten?
Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß ich aus betrieblichen Gründen darauf bedacht sein muß, die Zahl der Sonderpostwertzeichen möglichst niedrig zu halten. Bei Beachtung dieses Grundsatzes könnte auch für die 775-Jahrfeier des Hamburger Hafens die Herausgabe eines Sonderpostwertzeichens nicht gerechtfertigt werden. Im Rahmen einer Länderserie, die die bisherige Dauerserie ablösen soll, besteht aber die Möglichkeit, den Wünschen Hamburgs zu entsprechen. Es wird also für das 775jährige Jubiläum des Hamburger Hafens eine Sondermarke erscheinen. Der Senat von Hamburg ist davon bereits verständigt.
Zur zweiten Frage. Zu dem Hinweis auf die IGA darf ich bemerken, daß Messen, Ausstellungen und ähnliche Veranstaltungen schon seit Jahren nicht mehr zum Anlaß einer Herausgabe von Sonderpostwertzeichen gemacht werden. Um aber der Bedeutung der „Internationalen Gartenbau-Ausstellung 1963" in Hamburg gerecht zu werden, habe ich zum Tag der Eröffnung dieser bedeutenden Ausstellung eine Markenserie von vier Werten mit Blumenmotiven herausgegeben. Verbunden damit ist ein Sonderpostamt und ein Sonderstempel.
Zur dritten Frage. Es ist mir nicht erinnerlich, jemals eine solche Äußerung gemacht zu haben.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Berkhan!
Herr Bundesminister, darf ich dann annehmen, daß der Fußballfreund Stücklen sich in meiner Vaterstadt wieder sehen läßt, sofern ihm ein großes Fußballspiel dazu Anlaß gibt?
Ja, sobald der HSV sich wieder fängt und es Wert hat, nach Hamburg zu fahren.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan.
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Bemerkung über den HSV so auffassen, daß Sie es wünschen, daß der HSV sich wieder fängt?
({0})
Genauso dürfen Sie es auffassen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Sind Sie bereit, Herr Minister, auch aus dem Bereich der Bezirksliga eine Frage entgegenzunehmen, die sich aber auf die Briefmarken bezieht? Billigen Sie es, daß die von Ihnen in Aussicht gestellte Herausgabe einer Sondermarke dem sozialdemokratischen Landrat und Bundestagsabgeordneten abgelehnt wird, daß man dann aber später in der Zeitung liest, nachdem sich nun der christlich-demokratische Bundestagsabgeordnete darum bemüht habe, komme die Sache zum Zuge? Halten Sie das für gut?
Einen Augenblick! Wo soll das gewesen sein?
Das betrifft das Kloster Lorch.
Also, meine Damen und Herren, das steht nicht in innerem Zusammenhang mit den drei hier gestellten Fragen. Ich kann damit die Frage nicht zulassen. Diese Frage müssen Sie als eine neue Frage für die nächste Fragestunde einbringen.
Ich komme nun zu der Frage XII/4 - des Abgeordneten Schwabe -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Postangehörige, die im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen nur in Dienststellen außerhalb ihres Wohnortes beschäftigt werden können und die ihren Umzug wegen eines Eigenheimes oder aus anderen Gründen ablehnen, durch die ihnen täglich entstehenden Fahrkosten zusätzlich zu dem entstehenden Zeitverlust stark belastet werden?
Herr Präsident, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich die beiden Fragen zusammenfasse.
Jawohl. Ich rufe also auf die Frage XII/5 - des Abgeordneten Schwabe -:
Ist die Bundesregierung bereit, die Möglichkeit von Freifahrten auf Kraftpostlinien von und zur Arbeitsstätte für Postbedienstete, die einen Umzug wegen eines Eigenheimes oder aus anderen Gründen ablehnen, betrieblich und finanziell zu prüfen?
Postangehörige, die im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen von ihren bisherigen Dienststellen nach anderen Orten versetzt werden müssen, können ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht anders behandelt werden als alle anderen versetzten Beamten. Ihnen kann deshalb nach den allgemein geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften weder Trennungsentschädigung noch Fahrtkostenersatz an Stelle von Trennungsentschädigung gewährt werden, wenn sie wegen eines Eigenheimes oder aus anderen persönlichen Gründen einen Umzug an den neuen Dienstort ablehnen. Auch auf Grund der erst im Januar dieses Jahres vom Herrn Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Haushaltsausschusses dieses Hauses bekanntgegebenen Richtlinien über die Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte in besonderen Fällen kann den Betroffenen in derartigen Fällen leider kein Zuschuß gewährt werden, weil auch hierfür Voraussetzung ist, daß der Beamte beabsichtigt, Wohnung am Dienstort zu nehmen. Ich kann daher diesen Postbediensteten keine Freifahrten gewähren.
Ich bin gern bereit, die zweite Frage 2u prüfen.
Eine Zusatzfrage.
Ich frage Sie, ob Sie nicht auch der Ansicht sind, daß die Verweigerung derartiger Freifahrten mit dazu beiträgt, Ihnen die Personalschwierigkeiten gerade in \den niedriger besoldeten Gruppen zu erhöhen.
Herr Kollege, ich kann das nicht bestreiten und ich bin auch gern bereit, soweit sich die Möglichkeit bietet, an einer Änderung der bisherigen Richtlinien im Sinne einer Verbesserung mitzuarbeiten.
Ich komme damit zur Frage XII/6 - des Abgeordneten Peiter -:
Welche Anordnungen beabsichtigt die Bundesregierung zu treffen, damit sichergestellt wird, daß in Landgemeinden von öffentlichen Fernsprechern aus auch außerhalb der für die Poststellen festgesetzten Öffnungszeiten Gespräche geführt werden können?
In ländlichen Gebieten der Bundesrepublik bestehen folgende öffentliche Sprechstellen: etwa 10 000 gemeindliche öffentliche Sprechstellen, etwa 1400 öffentliche Sprechstellen bei Posthilfsstellen, etwa 12 300 öffentliche Sprechstellen bei Poststellen II, etwa 8300 öffentliche Sprechstellen bei Poststellen I, weiter eine verhältnismäßig kleine Zahl von öffentlichen Sprechstellen mit FernwahlMünzfernsprechern.
Zur Dienstbereitschaft der öffentlichen Sprechstellen mit gewöhnlichen Apparaten ist folgendes zu sagen. Früher wurde von den Inhabern der Sprechstellen, ohne daß hierfür eine besondere Entschädi3836
gung gezahlt wurde, verlangt, daß die Sprechstellen werktags von 8.00 bis 21.00 Uhr und sonntags und feiertags eine Stunde lang während der Mittagszeit sprechbereit sein sollten. Weil zumindest die Inhaber der gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen und der öffentlichen Sprechstellen bei Posthilfsstellen und Poststellen II in der Regel eine Gastwirtschaft oder ein Ladengeschäft betreiben und deshalb ohnehin anwesend sind, bedeutete diese Forderung im allgemeinen keine große Belastung. Bei den gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen, die nur in allerkleinsten Orten, in denen keine Poststelle besteht, eingerichtet werden, wird auch heute noch entsprechend verfahren.
Anders liegen die Verhältnisse bei den Poststellen, insbesondere bei den Poststellen I. Gemäß Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten vom 15. Juni 1954 haben auch die Posthalter Anspruch auf Anrechnung von Dienstbereitschaftszeiten, die zur Hälfte auf das Wochenleistungsmaß anzurechnen sind. Die sogenannte Fernmeldedienstbereitschaft, die früher von den Posthaltern verlangt wurde und heute noch von den Inhabern der gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen verlangt wird, ist aber nie so aufgefaßt worden, daß der Posthalter bzw. der Inhaber der gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen während dieser Zeiten das Haus nicht verlassen durfte. Sie besagte lediglich, daß er, sofern er - oder ein Familienangehöriger bzw. ein Angestellter - während dieser Zeit anwesend war, auch Gespräche anzunehmen hatte
usw.
Es ist zu bemerken, daß ,die ausgeführten Leistungen für den Fernmeldedienst auf jeden Fall vergütet werden, ganz gleich, ob sie während oder außerhalb der Schalterstunden ausgeführt werden.
Leider kennt die Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten keine Tätigkeit, die der vorstehend beschriebenen Fernmeldedienstbereitschaft gerecht wird. Die Berufsverbände der Posthalter verlangen deshalb die Anerkennung der Fernmeldedienstbereitschaft als Bereitschaftsdienst im Sinne der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten, d. h. die Anrechnung von 50 v. H. dieser Zeit auf das Wochenleistungsmaß.
Bei der verhältnismäßig geringen Inanspruchnahme der öffentlichen Sprechstellen auf dem Lande einerseits und den außerordentlich hohen Aufwendungen, die bei Durchführung eines bezahlten Bereitschaftsdienstes erforderlich wären, andererseits, erscheint es aber abwegig, eine solche Möglichkeit überhaupt zu erörtern. Bei Annahme einer im Durchschnitt 20stündigen Wochenarbeitszeit je Poststelle und einer zu fordernden werktäglichen Betriebszeit der öffentlichen Sprechstellen von 8 bis 21 Uhr, also 78 Werktagsstunden je Woche, wären bei rund 22 000 Posthaltern wöchentlich 58 Dienstbereitschaftsstunden zu vergüten. Die Selbstkosten hierfür würden annähernd 209 Millionen DM im Jahr betragen.
Dieser Betrag ist so hoch, daß es billiger käme, bei jeder Poststelle ein Fernsprechhäuschen mit Fernwahl-Münzfernsprecher einzurichten. Hierfür würden ein einmaliger Kapitalbedarf von 110 Millionen DM und jährliche Aufwendungen für Amortisation, Unterhaltung usw. von rund 33 Millionen DM erforderlich werden.
Der einzig vernünftige Weg, die Fernmeldedienstbereitschaft auf dem Lande zu verbessern, besteht also in der Einrichtung einer größeren Zahl von jederzeit zugänglichen Fernsprechhäuschen oder Ähnlichem mit Fernwahl-Münzfernsprechern. Die Deutsche Bundespost ist bei der derzeitigen Finanzlage nicht in der Lage, sofort die Einrichtung einer solch großen Zahl von öffentlichen Sprechstellen mit Fernwahl-Münzfernsprechern zu finanzieren. Weiter kommt noch hinzu, daß die Münzfernsprecher erst dann eine optimale Ausnutzung gewähren, wenn der Selbstwählferndienst bis nahe der 100-%-Grenze ausgebaut ist.
Ich darf zusammenfassend sagen: Erstens muß der Ausbau des Selbstwählferndienstes möglichst rasch abgeschlossen werden, und zweitens muß die Aufstellung von Münzfernsprechern vermehrt werden. Um diese Maßnahmen durchführen zu können, sind hohe Investitionen erforderlich.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, ich danke Ihnen. Aber darf ich noch eine Zusatzfrage stellen? Sind also die Inhaber von Poststellen verpflichtet, falls sie anwesend sind, auch nach der Dienstzeit Gespräche anzunehmen?
Soweit die Posthalter in die Gruppe fallen, die ich hier ausführlich beschrieben habe, ja.
Wir kommen damit zur letzten Frage, der Frage XII/7 - des Abgeordneten Liehr -:
Wann ist damit zu rechnen, daß moderne Telefonapparate neuzeitlicher Formgebung generell von der Post installiert werden dürfen?
Die neuen Sprechapparate stehen bereits jetzt zu den gleichen Bedingungen wie die Fernsprechapparate in Elfenbeinfarbe zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß gerade auch die Bundespost verpflichtet wäre, ihren Kundendienst zu verbessern und zu modernisieren und auch zur Geschmacksbildung beizutragen, anstatt, wie das in einer Auskunft der Landespostdirektion geschehen ist, lediglich auf private Betriebe zu verweisen?
Die öffentlichen Fernsprecher werden ja nicht von Privatfirmen geliefert. Die Privatfirmen liefern nur die Nebenstellenanlagen, nicht den Hauptanschlußapparat, wenn nicht eine Nebenstelle
damit verbunden ist. Gerade der neue Apparat der Deutschen Bundespost entspricht, glaube ich, genau dem, was Sie von uns erwarten. Das Gerät ist in der Geschmacksrichtung modern und von einer besonderen Güte im Sprechverkehr.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung der von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau ({0});
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Balke, für seinen schriftlichen Bericht. Ist eine mündliche Ergänzung angebracht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf § 1. Wird das Wort gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 1 ist angenommen.
Ich rufe auf § 2 und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 304 *).
Zur Begründung der Anträge der Fraktion der SPD hat das Wort der Abgeordnete Arendt.
({4})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion darf ich Ihnen die Änderungsanträge auf Umdruck 304 begründen.
Bei der letzten Energiedebatte in diesem Hause am 29. März hatten wir Gelegenheit, auf Grundsatzfragen der Energiepolitik der letzten Jahre einzugehen. Wir hatten auch Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau nach unserer Meinung nicht der gegenwärtigen Situation gerecht wird und daß der vorgesehene Rationalisierungsverband nicht geeignet ist, die Schwierigkeiten, die sich seit Jahren im Steinkohlenbergbau und in der Energieversorgung ergeben, zu lösen.
Wir haben deshalb einige Änderungsanträge gestellt.
In § 2 des Entwurfs werden die Aufgaben des Rationalisierungsverbandes festgelegt. Unter anderem ist vorgesehen, daß der Verband darauf hinwirken s o 11 , daß gewisse Aufgaben, die die einzelne Schachtanlage oder das einzelne Bergbauunternehmen nicht durchführen kann, als Gemeinschaftsaufgabe durchgeführt werden. Ich betone: es
*) Siehe Anlage 3
ist nur vorgesehen, daß der Verband darauf hinwirken soll.
Darf ich Ihnen ein Beispiel aus der Praxis sagen, um deutlich zu machen, was eintreten kann, wenn hier nicht eine zwingende Vorschrift Platz greift. Wir haben vor einigen Jahren im Bochumer Raum einige Schachtanlagen stillgelegt, und man hat sich bemüht, auf der Basis der Freiwilligkeit - weil die gesetzliche Grundlage des Bergbaues aus dem Jahre 1865 stammt und darin keine Regelungen für Schäden unter Tage vorgesehen sind, sondern das Gesetz nur eine Regelung von Schadensfällen vorsieht, die durch den Bergbau über Tage eintreten können -, eine sogenannte Pumpgemeinschaft zu schaffen. Wir haben feststellen müssen, daß auf dieser freiwilligen, privatwirtschaftlichen Ebene eine solche Pumpgemeinschaft, die in der Lage gewesen wäre, die anfallenden Grubenwässer zu pumpen, nicht zustande kam. Die Folgen des Nichtzustandekommens sind für die Schachtanlagen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen, verheerend. Die Schachtanlage Robert Müser beispielsweise pumpt bereits in der stillgelegten Schachtanlage Mansfeld Wasser; die Zeche Karolinenglück muß auf der stillgelegten Schachtanlage Zentrum-Morgensonne Wasser pumpen, wenn sie nicht selbst in Gefahr geraten will.
Die Notwendigkeit, diese erheblichen zusätzlichen Wassermengen zu fördern, beeinflußt natürlich das Kostenbild dieser Schachtanlagen erheblich. Ich darf eine Zahl nennen: für eine Schachtanlage in diesem Gebiet fallen zusätzliche Wasserhaltungskosten in der Größenordnung von 2,80 bis 3 DM pro Tonne an. Anders ausgedrückt: wegen der Notwendigkeit dieser zusätzlichen Wasserhaltung muß ein Betrag von 5 % der Gestehungskosten zusätzlich aufgewendet werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, aus diesem kurzen Beispiel wird deutlich, daß der geplante Rationalisierungsverband nicht nur darauf hinwirken sollte, daß eine solche Gemeinschaftsaufgabe übernommen wird. Es müßte eine zwingende Vorschrift sein, daß bei bestimmten Aufgaben, die das einzelne Unternehmen allein nicht zu bewältigen vermag, die Gesamtheit aller Bergbauunternehmen, d. h. in diesem Fall der Rationalisierungsverband, eingreift. Wir möchten deshalb mit unserem Antrag erreichen, daß eine solche Gemeinschaftsaufgabe, wie es zweifellos die Pumpgemeinschaft darstellt, eine zwingende Aufgabe wird.
In diesem Zusammenhang darf ich aber noch ein paar andere Bemerkungen machen. Sie wissen sicherlich, meine Damen und Herren, daß den Beschäftigten im Steinkohlenbergbau durch tarifvertragliche Bestimmungen der Bezug verbilligter Hausbrandkohle garantiert ist. Soweit es sich um Anlagen handelt, die sich im Konzernverbund befinden, ist das sicherlich kein Problem, wenn sie stillgelegt werden; denn die Ansprüche werden dann von anderen Schachtanlagen des betreffenden Konzerns erfüllt. Das sieht aber ganz enders aus - es gibt sicher in diesem Hohen Hause einige Kollegen, die das Problem genausogut kennen wie ich -, wenn es sich um die Stillegung einer Einzelzeche handelt. Dann gehen nämlich in vielen Fällen, wie die Pra3838
Arendt ({0})
xis eindeutig gezeigt hat, diese Ansprüche unter. Nun ist bekannt - und ,das weiß auch die Bundesregierung -, daß gerade die Frage verbilligten Hausbrandkohlebezugs für die bergmännische Belegschaft ein außerordentlich wichtiger Punkt ist. Wir möchten, daß in solchen Fällen, wenn eine Einzelschachtanlage stillgelegt wird, auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Sicherstellung der tarifvertraglichen Ansprüche der Rationalisierungsverband als eine Gemeinschaftseinrichtung auftreten muß. Hier wäre nach unserer Auffassung eine echte Gemeinschaftsaufgabe, weil die Belegschaftsmitglieder, die .auf solchen Schachtanlagen gearbeitet und ihre Gesundheit darangesetzt haben, auch einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Anliegen haben.
Zu § 6 liegt einanderer Antrag vor. In dieser Bestimmung des Entwurfs ist vorgesehen, daß die Verbandsversammlung als Zusammenfassung aller Mitglieder des Rationalisierungsverbandes die Aufgabe hat, die Satzungen zu beschließen. Abs. 3 des § 6 soll folgendermaßen lauten - ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Die Verbandsversammlung beschließt die Satzungen. Sie beschließt ferner über die Aufnahme von Darlehen und Anleihen, über sonstige ihr durch dieses Gesetz oder durch Satzung vorbehaltene Gegenstände sowie über die Entlastung des Verwaltungsrates und des Vorstandes.
Wenn man diese Aufgabe der Verbandsversammlung in Verbindung mit § 7, der das Stimmrecht regelt, sieht, wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die großen Gesellschaften, die über einen höheren Anteil an der gesamten Förderung verfügen, zweifellos die Möglichkeit haben, in der Verbandsversammlung Entscheidungen herbeizuführen, die sich - ich darf das einmal etwas härter ausdrücken - nicht zum Wohle der Gesamtheit, sondern zum Wohle der großen Unternehmungen auswirken müssen.
Sie wissen sicherlich, daß pro 500 000 t Jahresförderung eine Stimme festgelegt ist, so daß die großen Gesellschaften, die 8, 9 oder 10 Millionen t Kohle fördern, zweifellos in der Lage sind, in der Verbandsversammlung eine Reihe von Entscheidungen herbeizuführen, die sich nicht unbedingt zum Wohle des gesamten Bergbaus auswirken müssen. Wir möchten deshalb, daß gerade in der Verbandsversammlung die Beschlüsse über die Satzungen sowie über die Aufnahme von Darlehen und Anleihen nicht mit einfacher Mehrheit, sondern, um hier einen gewissen Riegel vorzuschieben, mit Zweidrittelmehrheit gefaßt werden müssen.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein paar Worte zu § 8 des Entwurfs sagen. Dieser Paragraph regelt die Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Zweifellos ist dieser Verwaltungsrat eine sehr wichtige Einrichtung des geplanten Rationalisierungsverbandes. Aber selbst wenn in diesem Gremium Entscheidungen fallen, sollte man doch zugeben, daß die Stillegung einer Schachtanlage ein
Vorgang ist, der nicht nur das unmittelbar beteiligte Unternehmen angeht. In einer großen Zahl von Fällen wird auch das Schicksal der Kommunen oder des Kreises oder sogar des Landes in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb meinen wir, daß dieser Verwaltungsrat, der letztlich die Entscheidungen vorbereitet und auch fällt, nicht nur aus Interessenten zusammengesetzt sein kann, sondern daß hier auch die Beteiligten und interessierten Stellen der Kommunen und Länder Berücksichtigung finden müssen. Wir schlagen daher vor, daß sich dieser Verwaltungsrat nicht aus mindestens sieben oder höchstens fünfzehn Mitgliedern der angeschlossenen Unternehmen zusammensetzt, sondern daß er unter Beteiligung der Vertreter der Kommunen und der Bergbau treibenden Länder umgestaltet wird. Dieser Antrag ist um so eher gerechtfertigt, als wir auch aus der Vergangenheit wissen, daß mit der Stilllegung einer oder mehrerer Anlagen eine Vielzahl von Problemen aufgeworfen werden, die nur in gemeinsamer Anstrengung und unter gemeinsamer Beteiligung möglichst vieler Stellen zu einer vernünftigen Lösung geführt werden können.
Damit darf ich ein paar Anmerkungen zu § 13 des Gesetzentwurfes machen. In der Zwischenzeit sind ja immerhin 25 Schachtanlagen stillgelegt worden. Wir wissen, daß die Stillegungen in der Vergangenheit nicht immer nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten oder nach Marktgegebenheiten erfolgten. Diese Stillegungen wurden vielmehr in erster Linie der Initiative der einzelnen Unternehmen und Konzerne überlassen. Das hat dazu geführt - ich darf in diesem Zusammenhang an meine Ausführungen vom 29. März erinnern -, daß beispielsweise Schachtanlagen, in denen bestimmte Kohlensorten gefördert wurden, Hausbrandsorten, die noch einen Markt haben und sogar knapp waren, stillgelegt wurden, während andere Schachtanlagen, die nichtmarktgängige Kohlensorten förderten, zu einer intensivierten Abbaupolitik aufgerufen wurden. Dadurch wurden größere Schwierigkeiten auf dem Markt ausgelöst.
Bei der Stillegung von Schachtanlagen werden 25 DM pro Tonne bezahlt und zur Hälfte ist die öffentliche Hand beteiligt. Wenn das so ist, dann sollte aber sichergestellt werden, daß die Stillegung von Schachtanlagen nicht nach den Möglichkeiten und Interessen der einzelnen Unternehmungen, sondern nur aus einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit heraus erfolgt. Wir wissen, daß auch im Steinkohlenbergbau die Ertragslage der Gesellschaften recht unterschiedlich ist, weil sich ja die meisten Konzerne und Unternehmungen nicht auf die Förderung von Kohlen beschränken, sondern auch Interessen in anderen Bereichen unserer Wirtschaft haben, die nicht notleidend sind. Deshalb sollte nach meiner Auffassung und auch nach Auffassung meiner politischen Freunde die Möglichkeit vorgesehen werden, daß die öffentliche Hand nur in den Fällen einen Zuschuß zahlt, in denen feststeht, daß bei den stillzulegenden Unternehmen erstens die Gewähr geboten ist, daß die Stillegung aus volkswirtschaftlichen Gründen geschieht, und daß zweitens die zweifellos vorhandenen Totlasten nicht vom eigenen Unternehmen getragen werden können.
Arendt ({1})
Schließlich darf ich noch auf den letzten Punkt unseres Änderungsantrags hinweisen. Wir möchten, daß nach § 31 ein neuer Paragraph eingefügt wird, in dem die Lohnsteuerfreiheit für jene Zuwendungen an die Belegschaftsmitglieder vorgesehen ist, die sich aus sogenannten Sozialplänen ergeben.
Ich darf zur Verdeutlichung folgendes sagen. Sie wissen, daß es nach den Bestimmungen des Montanunionvertrages gewisse Anpassungsbeihilfen und Übergangsgelder für Beschäftigte gibt. Diese Anpassungsbeihilfen werden dann gezahlt, wenn der Betreffende in einen anderen Beruf kommt und umgeschult werden muß. Es gibt aber auch einen Teil der Belegschaftsmitglieder - ich kann das aus der Praxis bestätigen -, die in der Zwischenzeit ein Alter erreicht haben, welches ihnen die Invalidisierung und das Ausscheiden aus dem Produktionsprozeß noch nicht erlaubt, auf der anderen Seite aber auch nicht gestattet, daß sie für einen anderen Bereich umgeschult werden. Für diesen Teil - zweifellos ist das, gemessen an der Gesamtbelegschaft, ein kleiner Teil - wurden in der Vergangenheit von den Werksleitungen mit den Betriebsräten Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, die sogenannte Sozialpläne zum Inhalt hatten. Nach diesen Sozialplänen wurde diesem Teil der Belegschaft ein Minimum an Einkommen im Monat garantiert, so daß er nicht der öffentlichen Fürsorge zur Last zu fallen brauchte. Die Zuwendungen aus diesen Sozialplänen sind aber steuerpflichtig.
Da die Anpassungsbeihilfen und Übergangsmaßnahmen nach dem Montanunionvertrag steuerfrei sind, hielten wir es für zweckmäßig, wenn für jenen kleinen Kreis der Belegschaftsmitglieder, die nicht unter die Anpassungsmaßnahmen fallen, die aber auf der anderen Seite auch noch nicht invalidisiert werden können, eine Gleichbehandlung stattfände.
Der vorliegende Gesetzentwurf über die Einrichtung eines Rationalisierungsverbandes sieht eine Vielzahl von steuerlichen Vergünstigungen für die angeschlossenen Unternehmungen vor; darauf konnten wir schon in der Vergangenheit hinweisen. Mit keiner Silbe und mit keinem Satz wird aber an das Schicksal der in diesem Wirtschaftszweig Beschäftigten gedacht. Weil das so ist, möchte ich Sie im Namen meiner politischen Freunde um die Annahme dieser Änderungsanträge recht herzlich bitten.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Verständnis dafür, daß von der SPD versucht wird, Anträge, die in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses, des Finanzausschusses und des Haushaltsausschusses schon Gegenstand der Gespräche waren und dort mit der notwendigen Mehrheit abgelehnt wurden, hier noch einmal vorzubringen. Das ist für die Änderungsanträge auf Umdruck 304 Ziffer 1 bis 4 der Fall. Diese lagen in den Ausschußberatungen vor, wurden gründlich erörtert, und dann wurde anders beschlossen. Wir glauben deshalb berechtigt 'zu sein, dem .Hohen Hause vorzuschlagen, die genannten Anträge auf Umdruck 304 abzulehnen, und zwar mit Rücksicht darauf, daß sie Gegenstand gründlicher Beratungen in den Ausschüssen waren.
Der Antrag unter Ziffer 5 dagegen ist neu. Er ist auch nach unserer Ansicht sehr erwägenswert. Der Antrag ist aber nicht im Finanz-, im Haushalts- und im Wirtschaftsausschuß gewesen. Aus grundsätzlichen Erwägungen möchten wir nicht, daß gerade in einem Punkte, wo es sich um das Lohnsteueraufkommen handelt, ohne die Mitberatung des Finanz- und Haushaltsausschusses etwas beschlossen wird.
Wir schlagen deshalb vor, daß die Ziffer 5 insofern Beachtung findet, als das Hohe Haus gebeten wird, eine Entschließung anzunehmen, die folgenden Wortlaut hat:
Die Bundesregierung wird beauftragt, zu prüfen, ob nicht auch die Leistungen stillegender Unternehmen aus Sozialplänen ({0}) beim Arbeitnehmer von der Lohnsteuer befreit werden können.
Ich darf diesen Entwurf dem Herrn Präsidenten übergeben.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich auf Erörterungen zur Sache nicht mehr eingehe, weil die Ziffern 1 bis 4 in den von dem Hohen Hause dazu beauftragten Ausschüssen ausgiebig beraten worden sind.
Ich bitte also, Ziffer 1 bis 4 sowie Ziffer 5 abzulehnen, die vorgesehene Entschließung aber anzunehmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch in einigen Punkten eine sachliche Antwort auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Arendt geben. Die Fraktion der FDP hat sich entschlossen, dem Entwurf in der Vorlage der Ausschußberatungen zuzustimmen. Dieser Entschluß ist uns gar nicht so leicht gefallen, weil wir - wie in diesem Hause bekannt sein dürfte - allen Überlegungen in bezug auf staatliche Beziehungen zur Wirtschaft mit Vorsicht und gewissen Bedenken gegenüberstehen.
Wir haben uns nach den langen Beratungen in den Ausschüssen und nach Prüfung der dort erzielten Ergebnisse davon überzeugt, daß man insbesondere in Durchführung einer einheitlichen Entschließung dieses Hohen Hauses von Mai 1962 der Bundesregierung nun die Möglichkeit geben muß, eine der von ihr auf unser Verlangen gemachten Zusagen zu erfüllen. Daß dieses Gesetz in sich etwas Neuartiges ist, hängt mit der Neuartigkeit der gesamten Situation zusammen, die uns dazu zwingt, bei strukturellen Veränderungen einmalige Maßnahmen zu treffen.
Als wir uns entschlossen, zuzustimmen, war uns klar, daß wir für alles eintreten wollten, was not3840
wendig ist, um den beabsichtigten Erfolg sicherzustellen. Wir glauben aber, daß dies durch die Bestimmungen dieses Gesetzes erreicht ist. Wir sind nicht der Meinung, daß die von der Fraktion der SPD jetzt vorgetragenen Ergänzungsanträge dieses Gesetz in einem nützlichen Sinne perfektionieren, und sind nicht bereit, sie zu akzeptieren.
Ich darf mit dem letzten anfangen. Herr Kollege Arendt, ich glaube, daß man uns nicht den Vorwurf machen kann, wir hätten das Schicksal der Belegschaften von vornherein nicht in Betracht gezogen. Es steht völlig außer Streit, daß die zur Verfügung gestellten Mittel zum Bezahlen der Totlasten dienen sollen, die der Bergbau infolge seiner strukturellen Lage zur Zeit nicht tragen kann, und es ist unstreitig, daß zu diesen Totlasten selbstverständlich alle erworbenen Ansprüche der Belegschaft einschließlich der auf Grund verschiedener Vereinbarungen festgelegten Kohledeputate gehören, so daß nach unserer Auffassung eine besondere Erklärung dazu nicht notwendig ist. Wir sind aber gern bereit, die Frage der Lohnsteuer für Gelder aus den Sozialplänen in Ihrem Sinne mit zu unterstützen, zumal richtig bemerkt worden ist, daß diese Dinge im Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft steuerfrei sind, während sie im nationalen Raum besteuert werden.
Dagegen ist zu den anderen Fragen doch etwas zu sagen. Ein Gesetz, das eine neuartige Zusammenarbeit der staatlichen Stellen und der freien Wirtschaft vorsieht, kann ich unter keinen Umständen unter Aufgabe unserer grundsätzlichen Vorstellungen von der Wirtschaftsordnung mit einem Zwang zu bestimmten Maßnahmen belasten. Wir haben über das Problem der Wasserhaltung und alle diese Schwierigkeiten im Ausschuß gesprochen. Aber, sehr verehrter Herr Kollege, die Sachdarstellung über die bisherigen Fehlergebnisse auf dem Gebiet der Pumpengemeinschaft ist nicht ganz vollständig. Es hat eben bisher überhaupt eine Vorstellung darüber gefehlt, was und wie das gemacht werden kann. Ich hoffe, daß im Laufe der Debatte noch darüber berichtet werden wird, was inzwischen auf dem Gebiet der Pumpengemeinschaft bereits existent geworden ist, und bin der Überzeugung, daß bei verständiger und verantwortlicher Führung nicht nur eines Verbandes, sondern auch der Unternehmen die Probleme der Wasserhaltung bei künftiger Stillegung auch von dort aus geregelt werden können.
({0})
- Ich sagte schon: bisher war das - wir haben es beide gleichmäßig bedauert - nicht möglich. Um so erfreulicher ist eine mir zugegangene Nachricht, daß es nunmehr durchführbar ist. Wir werden darüber vielleicht etwas hören.
Der Antrag zu § 6, eine Zweidrittelmehrheit einzuführen, widerspricht einfach der Erfahrung des praktischen Lebens. Es ist nicht möglich, einen derartigen Verband mit einer von vornherein vorgesehenen qualifizierten Mehrheit zu führen.
Interessanterweise ist geprüft worden, ob denn eine Majorisierung durch Großzechen überhaupt erfolgen kann. Die Veränderung der Mitglieder dadurch, daß auch die anderen Reviere, nämlich Aachen, die Saar, Niedersachsen und Bayern, hinzutreten und ein Minderheitsvertretungsrecht im Verwaltungsrat haben, schließt nach meiner Auffassung schon weitgehend eine derartige einseitige Überstimmung aus.
({1})
- Das betrifft den Verwaltungsrat. Hinsichtlich der Verbandsversammlung haben wir durch eine Vorlage des Ministeriums nachprüfen lassen, wie sich die Stimmenzahl zusammensetzt. Dabei hat sich interessanterweise ergeben, daß durch das Hinzutreten anderer Reviere die vielleicht mögliche Übermacht einiger Großzechen aus dem Ruhrgebiet außerordentlich stark verkleinert wird. Außerdem ist nicht zu verkennen, daß durch den Zutritt der Saar der Anteil derjenigen Zechen, die im Besitz des Bundes sind, so stark ansteigt, daß auch über diesen Weg der Bund meiner Ansicht nach eine ausreichende Möglichkeit hat, gegen einen Mißbrauch einer irgendwo einzeln auftretenden Konzentration anzukämpfen.
Wir sehen also effektiv keine Veranlassung, die Dinge durch eine grundsätzliche Einführung einer qualifizierten Mehrheit zu erschweren. lm übrigen ist es nicht verboten, in der Satzung zu beschließen, daß für bestimmte Fälle eine solche qualifizierte Mehrheit notwendig ist.
Gänzlich anderer Meinung sind wir aber in bezug auf den § 8. Wenn wir bisher grundsätzlich auf dem Standpunkt stehen, daß die unternehmerische Wirtschaft in Selbstverantwortung arbeiten soll, sehe ich nicht ein, warum Sie in einem Gesetz, nach dem Staat und Wirtschaft eine gemeinsame Aufgabe zu lösen haben - aber nur insofern, als der Staat die Aufsicht darüber übernimmt, daß sich die Gesellschaften an die Bestimmungen des Gesetzes halten -, nun außerhalb der Verpflichteten stehende Organe wie Gemeinden oder Bundesländer zur Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten berufen wollen. Wir sehen darin einen Vorstoß in die Prinzipien einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung, die wir in dieser Form auch in diesem kleinen Punkt nicht wünschen.
Ich komme zu § 13. Sie wollen, daß die Möglichkeit der Gewährung von Prämien davon abhängig gemacht wird, daß zunächst untersucht wird, ob ein Unternehmen in der Lage ist, die Belastung aus eigenen Mitteln zu verkraften. Das bedeutet die Annahme des Prinzips der negativen Selektion. Der Grundgedanke dieses Gesetzes war - gegenüber der EWG wäre das sonst auch gar nicht möglich gewesen -, einen Anreiz zu schaffen. Diesen Anreiz muß ich jedem geben. Ich kann unmöglich eine erste und eine zweite Klasse, Reiche und Arme machen. Nach meiner Ansicht besteht die Möglichkeit eines gerechteren Ausgleichs in der Beitragsordnung. Manches läßt sich intern ausgleichen. Über diese Möglichkeit wird vielleicht nachher noch zu sprechen sein. Aber wir sind als Bundestag, glaube ich, nicht dazu berufen, die internen Ausgleiche
eines Wirtschaftsverbandes in sich zu regeln. Dazu sollte man ihn selbst anhalten.
Überhaupt steht das ganze Gesetz unter zwei Voraussetzungen. Wir erwarten, daß der Bergbau mit außerordentlicher Intensität von dieser Gelegenheit mit völliger Verantwortung auch Gebrauch macht und daß umgekehrt das Wirtschaftsministerium die ihm übertragenen Aufsichtsrechte im Interesse der Gesamtheit ausübt, woran für uns kein Zweifel besteht. Wir glauben aber nicht, meine Herren, daß Sie sagen können: eine volkswirtschaftliche Überlegung muß verengt werden auf die Problematik, ob ein bestimmtes Unternehmen einen Teil seines Betriebes wegen allgemein volkswirtschaftlicher Überlegungen stillegen kann. Es handelt sich hier doch ausschließlich um die Überlegung, ob ein Unternehmen übersteht oder nicht. Soweit wir Zechen, die ein Unternehmen nicht mehr halten kann, aus anderen Gründen halten zu müssen glauben, werden solche Überlegungen an anderer Stelle eintreten müssen.
Ich möchte mich auf diese paar grundsätzlichen Bemerkungen beschränken und nochmals erklären: meine Fraktion wird dem Gesetz in der vorliegenden Formulierung der Ausschüsse zustimmen, bedauert, die Ergänzungsanträge aus den von mir angeführten Gründen nicht akzeptieren zu können, und ist bezüglich des Vorschlages der Ziffer 5 bereit, den Vorschlag, den Herr Burgbacher gemacht hat, zu unterstützen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Philipp.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz zu den Tatsachen Stellung nehmen, die insbesondere von Herrn Kollegen Aschoff bezüglich der Pumpgemeinschaft erwähnt worden sind. Ich kann hier den Beweis antreten, daß die Sache an der Ruhr schon sehr weit gediehen ist, daß ein entsprechender Vertrag in Vorbereitung ist und wahrscheinlich in ganz kurzer Frist abgeschlossen werden wird. Der entsprechende Paragraph, der mir hier vorliegt, lautet fast wörtlich so wie die Formulierung, die Sie von der SPD in Ihrem Antrag gewählt haben. Ich möchte fast sagen: das muß ein guter Animus von Ihnen gewesen sein, daß Sie geahnt haben, der Bergbau werde Ihren Wünschen in dieser Richtung schon folgen. Diese Bestimmung würde dann wie folgt lauten:
Zweck der Pumpgemeinschaft ist es, nachteilige Auswirkungen,
- ich darf das mit Genehmigung des Präsidenten kurz vorlesen die sich aus der Stillegung eines Steinkohlenbergwerks im Vertragsgebiet für die Wasserhaltung der im Vertragsgebiet gelegenen Steinkohlenbergwerke der Mitgliedsgesellschaften ergeben, nach Möglichkeit abzuwenden und unter den beteiligten Mitgliedsgesellschaften auszugleichen.
Auch wird weiter darüber befunden werden, wie die Geldmittel aufzubringen sind. Ich glaube, dann würden alle Sorgen, die hier von verschiedenen Seiten dargelegt worden sind, behoben sein.
Das zweite Problem, das immer wieder behandelt wird, ist die Frage der Deputatkohlengewährung. Ich darf Ihnen auch da versichern, daß die Tarifpartner an der Ruhr schon sehr fortschrittlich waren, und zwar damals schon, als man noch nicht von Rationalisierungsverband und Stillegungsmaßnahmen in. Bonn sprach. In dem § 97 des Manteltarifvertrages, der im übrigen schon aus den Jahren 1958/59 stammt, hatte man die einschlägigen Bestimmungen wie folgt gefaßt:
Jedes Bergwerksunternehmen ist verpflichtet, im Falle seiner Auflösung, der Stillegung oder des Verkaufes seiner Zechen ({0}) die Erfüllung der sich gegenüber den Bezugsberechtigten ergebenden Ansprüche sicherzustellen.
Das ist zunächst einmal ,das rein Finanzielle für die Schlußbilanz. Sie wissen auch, daß die materielle Seite der Kohlenlieferung von den übrigen Gesellschaften geregelt wird.
Wir haben ja auch jetzt schon Fälle der Stillegung erlebt. Ich komme selbst aus einem Bereich, wo der gesamte Betrag, der auf Grund der Stillegung zur Verfügung gestanden hat, und zwar ein Betrag von insgesamt 3,5 Millionen DM, ausschließlich - ich betone: ausschließlich - für soziale Maßnahmen und zur Sicherstellung der Ansprüche der Deputatkohleberechtigten verwendet worden ist. Das waren die beiden Behauptungen, für die ich den Beweis antreten wollte.
Vielleicht noch ein Wort zu der Tatsache, daß bestimmte Bergwerksgesellschaften den Standpunkt vertreten, sie würden durch die Stichtagsfestlegung gewisse Nachteile erleiden. Wir haben uns damals im Ausschuß nicht dazu bereit finden können, den Stichtag zurückzuverlegen. Ich glaube aber, wir sollten darauf nicht wieder zurückkommen. Vielmehr meinen wir, daß die Zechen, die vor dem Stichtag - 15. Mai 1962 - stillgelegt haben, ihrerseits jedenfalls auch steuerliche Vorteile genießen. Diese Unternehmen meinen aber, daß sie Nachteile erleiden, wenn sie etwa zu Umlagen aus Anlaß der Stillegung anderer Betriebe herangezogen werden sollten, obwohl sie keine Prämienvorteile durch den Rationalisierungsverband haben.
Nach meiner Meinung steht schon auf Grund von § 12 Abs. 2 des Gesetzes ohne weiteres fest, daß die Interessen dieser Gesellschaften im Rahmen der Beitragsordnung Berücksichtigung finden müssen, weil eben tatsächlich ein „gerechter Ausgleich" stattfinden soll. Bei diesem „gerechten Ausgleich" ist auch zu berücksichtigen, wann eine Gesellschaft infolge der Stichtagsregelung nicht in den Genuß der Prämien kommen kann, wohl aber dann zu Umlagen für die Stillegung anderer herangezogen werden soll. Ich glaube, man kann das bereits aus der derzeitigen Fassung des Gesetzes in bezug auf die Gestaltung der Beitragsordnung entnehmen, so daß wir deshalb keine weitere Ergänzung oder Ände3842
rung des Gesetzes brauchten. Das wollte ich noch abschließend dazu sagen.
Wie Herr Kollege Burgbacher und Herr Kollege Aschoff bin auch ich der Auffassung, daß man im übrigen die Anträge ablehnen sollte, weil sie im Ausschuß tatsächlich schon hinreichend erörtert worden sind. Im übrigen bin ich auch bereit, der von Herrn Burgbacher hier verlesenen Entschließung zuzustimmen. Ich bitte das Hohe Haus, dieser Entschließung die Zustimmung zu geben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier heute eine sehr interessante Begründung für die Ablehnung von Anträgen im Plenum des Bundestages gehört: 1. Weil angeblich diese Anträge schon im Ausschuß behandelt und sehr ausgiebig erörtert worden sind - Herr Kollege Burgbacher -, müßten sie abgelehnt werden. 2. Weil es - das Thema „Lohnsteuerbefreiung - noch nicht erörtert worden ist - der letzte Punkt -, müsse sie hier als Antrag abgelehnt, im übrigen aber in Gestalt einer Entschließung akzeptiert werden.
Meine Damen und Herren, die Anträge sind im Wortlaut nicht gestellt worden. Der Sache nach ist das Problem zwar erörtert worden; aber als dieses Problem der Sache nach erörtert war - ich beziehe mich hier nur auf die Pumpgemeinschaft, auf die Gefahr des Absaufens von Gruben -, ist uns seitens der Regierung ganz eindeutig mitgeteilt worden, daß sehr große Widerstände innerhalb des Bergbaus vorhanden sind, die einer eindeutigen Klärung dieses Problems abträglich sind.
Jetzt trägt hier Kollege Philipp Teile eines Vertragsentwurfes vor, aus denen man entnehmen darf, daß sich der Steinkohlenbergbau uneingeschränkt - trockene wie nasse Gruben - zu einer solchen Pumpgemeinschaft bereit findet. Es wäre doch ganz nützlich, wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang einmal ganz eindeutig sagte, wie weit die Gespräche 'hierüber gediehen sind. Wenn wir über dieses Gesetz beschließen, das zur Lösung des Problems beitragen soll, dann wäre es auch gut, dem Hause zur Kenntnis zu geben, inwieweit solche sich aus der Stillegung ergebenden Gefahren für benachbarte Gruben und Zechen und auch für die betroffenen Gemeinden abgewendet werden können. Da das bis zur Stunde nicht geschehen ist und wir nicht sicher sind, ob das, was Sie vorgetragen haben, Herr Kollege Philipp, von allen Betroffenen uneingeschränkt mitgemacht wird, weil wir da Bedenken haben, sind wir der Meinung, daß die Bestimmung, die jetzt im Gesetzentwurf steht, die keine so verpflichtende Bestimmung ist, in eine alle Beteiligten wirklich verpflichtende Bestimmung umgewandelt werden müßte.
Es könnte sein, daß sich das Problem entschärft, wenn hier entsprechende Aussagen gemacht würden. Ich würde wirklich Wert darauf legen, daß seitens des Wirtschaftsministeriums ein wenig mehr über den Sachverhalt ausgesagt wird, den hier Herr Kollege Philipp als Geschäftsführer ohne Auftrag zum besten gegeben hat.
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Westrick.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der so starken Aufforderung des Herrn Abgeordneten Lange will ich selbstverständlich sehr gern entsprechen. Ich kann dabei gleichzeitig dem Ausschuß, in dem diese Fragen behandelt worden sind, das Kompliment machen, daß seine Haltung einen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der Dinge innerhalb des Bergbaus gehabt hat.
In der Tat ist die Herbeiführung einer Pumpengemeinschaft keine leichte Sache gewesen, und sie ist auch heute noch nicht endgültig geregelt. Ich habe im Ausschuß aus gutem Wissen heraus berichtet, daß starke Widerstände gegen eine solche Gemeinschaft bestünden. Ich möchte nämlich nicht, daß Sie mir eines Tages vorhalten können, ich hätte die Dinge zu günstig dargestellt. Ich freue mich aber, daß in der Zwischenzeit die Beratungen innerhalb der bergbaulichen Unternehmungen eine Wendung im günstigen Sinne genommen haben. Zumindest hat uns der Unternehmensverband Ruhrbergbau schriftlich mitgeteilt, daß die Verhandlungen dort eine gute Entwicklung nehmen.
Es ist naheliegend, Herr Abgeordneter Lange, daß die Unternehmen und der Unternehmensverband selber am besten über den Stand der Verhandlungen unterrichtet sind. Ich glaube, wir können damit rechnen, daß eine solche Gemeinschaft in absehbarer Zeit freiwillig zustande gebracht wird. Eine Zwangsgemeinschaft würde die Bundesregierung nicht gerne sehen.
({0})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 304 Ziffer 1 a) und b). - Die Antragsteller sind damit einverstanden, daß über beide Buchstaben gemeinsam abgestimmt wird. Wer diesem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 304 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich muß die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag der SPD Umdruck 304 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über § 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf §§ 3, - 4, - 5. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 6 und dazu den Antrag Umdruck 304 Ziffer 2, der meines Wissens schon begründet ist. Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der 'Fraktion der SPD Umdruck 304 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit wie der Antrag unter Ziffer 1 abgelehnt.
Wer § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die 'Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 7. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 8 und dazu den Antrag Umdruck 304 Ziffer 3, der ebenfalls schon begründet ist. Wird sonst das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 304 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, 'den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wer § 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 9, - 10, - 11 und 12. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zu § 13 und dem Antrag Umdruck 304 Ziffer 4. Auch er ist schon begründet. Wird noch das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 304 Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit wie vorhin abgelehnt.
Wer § 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 14 bis 31. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 304 Ziffer 5 - Einfügung eines neuen § 31 a -. Auch dieser Antrag ist meines
Wissens schon begründet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer der Einfügung des § 31 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu den §§ 32 bis 48 sowie Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1958, das heißt seit nunmehr etwa fünf Jahren, steht der deutsche Steinkohlenbergbau in einer auch für die Öffentlichkeit deutlich sichtbaren Krise. Das ist für die deutsche Volkswirtschaft im ganzen von größter Bedeutung. Erstens stellt der deutsche Kohlenbergbau auch heute noch reichlich 50 % der Energieversorgung für die gesamte Volkswirtschaft und ist daher eine der wichtigsten Säulen unserer Volkswirtschaft. Zweitens ist die Krise im deutschen Steinkohlenbergbau von großer Bedeutung, weil auch heute noch nahezu eine halbe Million Menschen in ihm beschäftigt sind. Hierbei gilt für uns nicht nur die Zahl einer halben Million, sondern auch die Tatsache, daß es sich bei dem Beruf des Bergmanns um einen Beruf handelt, der ein Höchstmaß von Mut, Ausdauer und Erfahrung erfordert. Schließlich muß bei der Beurteilung der schwierigen Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus auch berücksichtigt werden, daß in ihm seit dem Jahre 1948 etwa 10 Milliarden DM netto neu investiert worden sind, ein Betrag, an dem wir bei unseren Überlegungen unter keinen Umständen vorübergehen können.
Aus all diesen Gründen hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den schwierigen Problemen des deutschen Steinkohlenbergbaus von jeher ihre besondere Aufmerksamkeit und eine besondere Sorgfalt gewidmet. Dabei ist auch maßgebend, daß der deutsche Steinkohlenbergbau seit einigen Jahren vor außerordentlich schwierigen Problemen steht.
Wir alle wissen, daß seine Wettbewerbslage sehr schwierig ist, insbesondere gegenüber der ausländischen Steinkohle und gegenüber dem Mineralöl. Die Lage gegenüber dem Mineralöl wird gerade dadurch noch besonders verschärft, daß sich die internationalen Ölkonzerne bekanntlich in einer einzigartigen Ertragslage befinden und daher eine Finanzmacht darstellen, die in der Weltwirtschaft ohnegleichen ist. Die Lage wird weiter verschärft durch die Tatsache, daß die internationalen Ölkonzerne ihre Großmacht in ihrem Konkurrenzkampf gegenüber der finanziell zweifellos sehr viel schwächeren deutschen Steinkohle rücksichtslos ausnutzen, und dadurch, daß die Bundesregierung leider - das bedauern wir besonders - es bis heute nicht für notwendig gehalten hat, der Mineralölindustrie bei ihrem rücksichtslosen Kampf gegen den deutschen
Steinkohlenbergbau auch nur irgendwie wirksam in die Arme zu fallen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat schon vor längerer Zeit den Vorschlag gemacht, doch die Handhaben des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes auch auf dem Mineralölmarkt wirksam zu machen, um dadurch dem deutschen Steinkohlenbergbau besser als in der Vergangenheit helfen zu können. Leider hat sich die Bundesregierung für diesen Vorschlag nicht aufgeschlossen gezeigt.
Eine zweite Schwierigkeit liegt für den deutschen Steinkohlenbergbau in seiner Zersplitterung. Das wird besonders deutlich im Vergleich mit dem Steinkohlenbergbau in Frankreich und Großbritannien, zwei der Hauptkonkurrenten des deutschen Steinkohlenbergbaus. In beiden Ländern ist der Steinkohlenbergbau bekanntlich verstaatlicht und daher zentral organisiert.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen, daß die Probleme des deutschen Steinkohlenbergbaus nicht allein dadurch gelöst werden können, daß es die Bundesregierung dem Steuerzahler und dem Verbraucher überläßt, durch seine finanziellen Beiträge die Widerstandskraft des deutschen Steinkohlenbergbaus zu stärken, daß es vielmehr notwendig ist, daß die Bundesregierung ihre eigene Verantwortung in diesem Bereich erkennt und sich entsprechend betätigt.
Steuerzahler und Verbraucher haben in den letzten Jahren - das muß in diesem Zusammenhang festgehalten werden - jährlich ungefähr eine Milliarde zugunsten des deutschen Steinkohlenbergbaus aufgebracht. Nach vorläufigen Schätzungen wird sich dieser vom Steuerzahler und vom Verbraucher aufzubringende Betrag in den nächsten Jahren auf etwa 1,5 Milliarden DM jährlich erhöhen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion war immer der Meinung, daß die Erhaltung des deutschen Steinkohlenbergbaus wirksame und erhebliche finanzielle Hilfen zur Voraussetzung hat.. Sie war aber gleichzeitig immer der Ansicht, daß es dem Steuerzahler und dem Verbraucher nicht zugemutet werden kann, so große Beträge aufzubringen, wenn nicht auch sichergestellt ist, daß diese Mittel nicht nur im betriebswirtschaftlichen Interesse des einzelnen Bergbauunternehmens, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll und optimal verwendet werden. Mein Parteifreund Arendt hat hier schon im einzelnen dargelegt, warum das bei dem vorliegenden Gesetzentwurf in keiner Weise gesichert ist. Lassen Sie mich seine Ausführungen durch zwei kritische grundsätzliche Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf ergänzen.
In den vergangenen Jahren haben Steuerzahler und Verbraucher im Zuge der bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung erhebliche Beträge für den Fortbestand des deutschen Steinkohlenbergbaus aufgebracht. Jetzt sollen - und das ist das Bedenkliche -- für die Stillegung derselben Zechen, für deren Erhaltung in der Vergangenheit große Beträge aufgewendet worden sind, noch einmal neue, erhebliche öffentliche-Mittel - 150 Millionen DM sind es - aufgebracht werden. Wenn die Bundesregierung das Problem rechtzeitig erkannt und rechtzeitig planmäßig vorgegangen wäre, hätte man diesen bedauerlichen Zickzack-Kurs in der Energiepolitik vermeiden und erhebliche Millionenbeträge einsparen können.
Es gibt noch ein zweites, schwer ins Gewicht fallendes, grundsätzliches Bedenken. Wir stellen die Frage, ob es überhaupt vertretbar ist, daß Unternehmungen lediglich für die Einschränkung oder die Einstellung ihrer Tätigkeit hohe Millionenbeträge zu Lasten des deutschen Steuerzahlers erhalten, und zwar, ohne daß man fragt,. ob im Einzelfall diese, sagen wir einmal deutlich: ureigenste unternehmerische Aufgabe, nämlich die Anpassung an neue Verhältnisse, nicht von dem einzelnen Unternehmen selbst bewältigt werden kann. Wir wissen, daß es eine ganze Reihe von Unternehmungen des Bergbaus gibt, die das ohne weiteres aus eigener Kraft tun können.
Wir fragen zweitens, ob eine solche Vergütung für bloße Einschränkungen der unternehmerischen Tätigkeit auch dann gegeben werden soll, wenn in keiner Weise überprüft wird, ob die prämiierte Stilllegung auch volkswirtschaftlich richtig ausgewählt ist. Hier wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, an den wir uns wahrscheinlich später noch einmal erinnern werden. Man braucht kein großer Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß wahrscheinlich sehr bald andere wichtige Wirtschaftszweige auf den Gedanken kommen werden, gleiche Beträge dafür zu verlangen, daß nichts anderes geschieht, als daß sie ihre Tätigkeit als Unternehmen einschränken.
Schließlich ist auch die Frage berechtigt, ob es heute nicht gerade auch im Bereich der kleineren und mittleren Unternehmen zahlreiche Fälle gibt, in denen diese Unternehmen vor die Aufgabe gestellt sind, sich neuen Verhältnissen anzupassen, und in denen dieser Anpassungsprozeß aus Mangel an finanziellen Mitteln und durch das Fehlen der Möglichkeiten eines Risikoausgleichs unter Umständen sehr viel schwieriger zu bewältigen ist als bei der Mehrzahl der Großunternehmen des Kohlenbergbaus, die hier zur Diskussion stehen.
Leider, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie alle unsere wesentlichen Änderungsanträge zu dem vorliegenden Gesetzentwurf abgelehnt, jedenfalls alle die Anträge, mit denen wir versucht haben, die grundsätzlichen Mängel des Gesetzentwurfs wenigstens zu mildern. Wir kommen daher zu der bedauerlichen Feststellung, daß auch hier wiederum die Politik der Regierung fortgesetzt wird, privaten Unternehmern ohne ausreichende Sicherungen öffentliche Mittel in einem Umfang zur Verfügung zu stellen, den wir nach wie vor nicht für vertretbar halten. Wir sehen uns daher zu unserem Bedauern gezwungen, den Gesetzentwurf abzulehnen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst stellen meine Freunde mit Bedauern fest, daß nach den feierlichen Proklamationen der SPD, dem Bergbau helfen zu wollen, wie so oft auch heute das klassische Nein zum praktischen Gesetz kommt.
({0})
- Sie brauchen nur die Protokolle nachzusehen.
Die deutsche Kohle hat in der Vergangenheit jahrzehntelang eine entscheidende Rolle für den Aufbau der deutschen Wirtschaft gespielt. Sie hat auch nach dem Kriege unter Sonderrecht gelebt, und sie hat unter diesem Sonderrecht Milliarden an Einnahmen entbehren müssen, die ihr ohne das Sonderrecht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugeflossen wären. Dann hat die Kohle im Montan-Vertrag im Interesse der sich damals damit schüchtern anbahnenden europäischen Entwicklung ein großes Opfer gebracht, indem sie heute noch unter einem Sonderrecht lebt, das zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den anderen Energien, insbesondere dem Öl, ständig und in sehr verschieden hohem Maße Anlaß gibt. Wenn die Kohle aus diesem Sonderrecht befreit werden könnte, das durch die Entwicklung der Verhältnisse zu einer gewissen Fessel geworden ist, wäre in mancher Beziehung die Lage anders.
Der Rationalisierungsverband, den die Bundesregierung und die Ausschüsse Ihnen heute zu beschließen vorschlagen, ist nicht, wie unser Kollege Kurlbaum sagte - wenigstens habe ich ihn so verstanden - ein „Schrumpfungsverband". Er heißt nicht „Einschränkungsverband", er heißt nicht „Stilllegungsverband"; er heißt: „Rationalisierungsverband". Das will besagen, daß die Stillegung einer Zeche oder von Teilen von Zechen keineswegs zwingend den Verlust der darauf entfallenden Fördermenge bedeutet; im Gegenteil, wir hoffen zuversichtlich, daß der deutsche Bergbau unter dem ihm immer verbleibenden Wettbewerbsdruck Mittel und Wege findet, die entsprechenden Mengen auf anderen Zechen unter günstigeren Verhältnissen zu wettbewerbsmöglichen Bedingungen zu fördern.
Warum aber nun die Prämien? Aus den Ausführungen unseres Kollegen Kurlbaum könnte der unbefangene und die Details nicht kennende Hörer oder Leser den Eindruck gewinnen, das wären mal wieder, nun, sagen wir einmal anklingend an eine vergangene Terminologie, die heute nicht mehr gern von Ihnen benutzt wird, Zahlungen an die Zechenbarone. Es ist aber bekannt - auch Ihnen, meine Herren von der Opposition -, daß diese Gelder nicht an die „Zechenbarone" fließen oder an die Unternehmer, sondern an die Unternehmen zur Abgeltung von außergewöhnlich hohen Folgekosten, die sich bei Stillegungen im Bergbau in einem Maße ergeben, wie sie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig in der deutschen Volkswirtschaft gegeben sind. Das ergibt sich aus der Lohnschwere, das ergibt sich aus der Kapitalschwere, das ergibt sich aus dem Bergrecht, insbesondere dem Bergschädenrecht. Ohne die Prämien für die Stillegung würden wir Gefahr laufen, daß an sich als zweckmäßig erkannte Stillegungen unterbleiben, weil die volkswirtschaftliche Berechtigung privatwirtschaftlich überdeckt wird durch die bei der Stillegung eintretenden Folgekosten. Diese Hemmung, die in der Natur der Sache betriebswirtschaftlich begründet liegt, soll durch die Prämie im Rationalisierungsverbandsgesetz beseitigt werden.
Es ist müßig, darüber zu streiten, ob wir früher eine präzisere Energiewirtschaftspolitik hätten machen können und sollen oder ob wir sie jetzt erst machen sollen. Meine Herren, Sie wissen: pantarhei, alles fließt. Ob das die Programme von Parteien betrifft oder die Energiewirtschaftspolitik, man wird eben immer klüger, und wir haben jetzt doch wohl nach den Debatten in den letzten zwei Jahren hier in diesem Hohen Hause über die Energiewirtschaftspolitik in der Bundesrepublik eine Konzeption. Der Rationalisierungsverband ist ein Teilstück dieser Konzeption. Ob es Kohleimportkontingente, ob es Kohlenzoll, ob es Heizölsteuer, ob es den Rationalisierungsverband oder ob es demnächst das Vorratshaltungsgesetz, oder was sonst noch kommen möge, betrifft, es ist alles ein Bukett mit einem Ziel.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, daß wir uns in der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes befinden, daß die Übergangszeit 1970 zu Ende ist und daß dann auch auf dem Gebiet ,der Gemeinschaftskohle der Gemeinsame Markt hergestellt sein soll. Das bedeutet, daß, wenn der Gemeinsame Markt auf dem Gebiet der Gemeinschaftskohle hergestellt ist, nach den Gesetzen des Gemeinsamen Marktes die Güter innerhalb dieses Gemeinsamen Marktes dort produziert werden sollen, wo sie unter relativ günstigsten Bedingungen produziert werden können. Es läßt sich aber nicht bestreiten, daß, im großen Schnitt gesehen, die Kohle in der Bundesrepublik innerhalb der Gemeinschaftskohle, der Kohle im Gemeinsamen Markt, die relativ beste Position hat. Es ist deshalb unsere Aufgabe, für die deutsche Kohle die geeigneten Mittel und Wege aufzuzeigen, damit sie bis zum Abschluß der Übergangszeit des Gemeinsamen Marktes mit der denkbar größten Wettbewerbsfähigkeit in diesen Gemeinsamen Markt eintritt, da wir doch wohl alle in diesem Hohen Hause der Meinung sind, daß wir von unserer Volkswirtschaft das, was möglich ist, im Gemeinsamen Markt erhalten sollen und müssen.
Im übrigen möchte ich der Überzeugung meiner Freunde Ausdruck geben, daß die Prämien, die jetzt aufgewandt werden, nicht expressis verbis, aber der Logik der bundesrepublikanischen Energiepolitik gemäß aus den Mitteln der Heizölsteuer gedeckt werden, zwar Geld kosten, aber immer noch weit billiger sind als jedes System der Vergemeinschaftung unter Ausschluß der persönlichen Verantwortung.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
({0})
- Er verzichtet. Keine weitere Wortmeldung. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, keine Enthaltungen. Mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Opposition angenommen.
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsantrag, der von Abgeordneten der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebracht worden ist. Ich darf ihn noch einmal verlesen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, zu prüfen, ob nicht auch die Leistungen stillegender Unternehmen aus Sozialplänen ({1}) beim Arbeitnhmer von der Lohnsteuer befreit werden können.
Der Antrag ist bereits begründet worden. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen in der Mitte. Ohne Gegenstimme vom Hause angenommen.
Meine Damen und Herren, mir ist mitgeteilt worden, daß eine interfraktionelle Vereinbarung darüber besteht, nunmehr das Baustoppgesetz zu behandeln. Hiergegen wird kein Widerspruch erhoben.
Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit ({2}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({3}) ({4})
({5}).
Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Matthöfer, noch das Wort? - Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung meines Schriftlichen Berichts, der dem Hause als „zu Drucksache IV/1271" vorliegt, darf ich Ihnen folgendes als Ergebnis der heutigen Ausschußsitzungen mitteilen.
Den Ausschüssen lagen vor der Änderungsantrag der Fraktion der FDP und der Abgeordneten Strauß und Genossen auf Umdruck 302 und der Änderungsantrag der Abgeordneten Strauß und Genossen auf Umdruck 303 zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des
Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit - Drucksachen 1257 und 1271 -. Die Abgeordneten Strauß und Genossen beantragen auf Umdruck 302, in § 7 des Gesetzes die Wörter „30. Juni 1963" durch die Wörter „30. Juni 1964" zu ersetzen. Auf Umdruck 303 beantragen die Abgeordneten Strauß und Genossen in Widerspruch zu ihrem eigenen Antrag auf Umdruck 302, die Wörter „mit Ablauf des
30. Juni 1963" durch die Wörter „mit Ablauf des
31. Dezember 1963" zu ersetzen.
Beide Ausschüsse lehnten den Antrag auf Umdruck 302 ab. Im Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung wurde der Antrag auf Umdruck 303 angenommen, der Wirtschaftsausschuß lehnte ihn ab. Der Wirtschaftsausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf - Drucksache IV/1257 - unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich komme zur zweiten Beratung und rufe auf Art. 1. Besteht noch der Änderungsantrag der Fraktion der FDP und der Abgeordneten Strauß und Genossen?
({0})
- Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der Antragsteller die Ehre, den Ihnen vorhin neu vorgelegten Antrag auf Umdruck 308 *) zu begründen.
Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses verfolgen seit langem mit großer Sorge die Entwicklung auf dem Baumarkt. Das Mißverhältnis zwischen den Baukapazitäten auf der einen Seite und der Nachfrage nach Bauleistungen auf der anderen Seite hat zu Preissteigerungen erheblichen Umfangs geführt, die vor .allem den Bausparer sehr hart treffen, der immer wieder die Erfüllung seines Wunsches nach einem eigenen Haus zurückstellen muß, weil in der Zwischenzeit die Baukosten dem angesparten Kapital davongelaufen sind.
Steigende Baukosten bleiben selbstverständlich auch nicht ohne Wirkung auf die Höhe der Mieten. Hierbei handelt es sich um ein ökonomisches Gesetz und nicht etwa um die Raffgier von irgendwelchen Hausbesitzern, wie man leider manchmal hören kann.
Sie wissen aus der Vergangenheit, daß wir uns bemüht haben, dieser unerfreulichen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ich erinnere an die Sperre der Baumittel des Bundes in Höhe von 20% in § 8 des Haushaltsgesetzes. Ich erinnere weiter an die teilweise Aussetzung des § 7 b. Dem gleichen Ziel sollte auch das sogenannte Baustoppgesetz dienen, das heute verlängert werden soll.
Wir wissen nun aber, daß dieses Baustoppgesetz enttäuscht hat. Wir haben heute morgen bei den
*) Siehe Anlage 4
Ausschußberatungen gehört, daß durch dieses Baustoppgesetz lediglich ein Bauvolumen in der Größenordnung von 800 Millionen DM verhindert wurde. Wenn Sie diese 800 Millionen DM zu dem Gesamtbauvolumen in Beziehung setzen, sehen Sie, wie gering der Prozentsatz ist. Er liegt nach meinen Berechnungen noch unter 2%.
Zur weiteren Erläuterung darf ich Ihnen einige Zahlen nennen, die ich aus Baden-Württemberg bekommen habe. Danach beläuft sich der Anteil der vom Baustoppgesetz betroffenen Bauvorhaben am Rohzugang von neuen Gebäuden bezüglich der Gesamtzahl auf 0,2 %, bezüglich des umbauten Raumes in Kubikmetern auf 0,4% und bezüglich der veranschlagten reinen Baukosten auf 0,7 %.
Selbstverständlich müssen wir alle Maßnahmen, die zur Beruhigung der Konjunktur auf dem Baumarkt getroffen wurden, im Zusammenhang sehen. Dennoch - das haben die Zahlen unterstrichen, die ich genannt habe - ist es ein offenes Geheimnis, daß das Baustoppgesetz für sich allein die Hoffnungen nicht erfüllt hat. Allein die Tatsache, daß in der Drucksache IV/1257 eine Verlängerung um lediglich ein halbes Jahr vorgesehen ist, drückt doch eine gewisse Unzufriedenheit mit diesem Gesetz aus. Wir müssen uns heute fragen: was soll nach diesem halben Jahr kommen? Es kann sein, daß die Situation auf dem Baumarkt dann so ist, daß man sagt: Wir können dieses Baustoppgesetz auslaufen lassen. Aber auch dann müßte meines Erachtens trotz des geringen Wirkungsgrades Vorsorge getroffen werden, daß der aufgestaute Bedarf nicht in einem plötzlichen Nachfragestoß auf den Markt drängt. Auch in dieser Hinsicht soll der von uns vorgelegte Änderungsantrag wirken. Oder - was wahrscheinlicher ist - man muß sich etwas Besseres einfallen lassen als das zur Zeit noch geltende Gesetz. Über dieses Bessere läßt sich ohne weiteres reden.
Das kann uns jedoch heute nicht daran hindern, einen großen Nachteil des zur Zeit geltenden Gesetzes zu beseitigen, nämlich die Diskriminierung des Handels, des Gaststätten- und des Beherbergungsgewerbes. Hier werden einem Teil der gewerblichen Wirtschaft Fesseln angelegt. Notwendige Investitionen werden unmöglich gemacht, oder wenn sie im Rahmen dieses Gesetzes noch erlaubt sein sollten, wird in vielen Fällen verhindert, daß mit diesen Investitionen ein Optimum erreicht wird. Daraus erwachsen wieder zusätzliche neue wirtschaftliche Nachteile für den gewerblichen Mittelstand. Daneben wird - um das nur anzudeuten - auch die Städteplanung erschwert, weil vor allem in den Einkaufszentren der Städte die Errichtung bestimmter Gebäude verboten ist.
Auf der anderen Seite ist - wie ich schon sagte - der Anteil dieser Bauten am Gesamtbauvolumen so gering, daß eine nennenswerte Beeinflussung des Marktes durch eine entsprechende Lockerung des Gesetzes, wie sie unser Antrag will, nicht zu befürchten ist. Es besteht einfach keine vernünftige Relation zwischen den Behinderungen und den Existenzsorgen der mittelständischen Wirtschaft.
Zudem wissen wir alle doch sehr genau, daß die Situation auf dem Baumarkt wesentlich besser werden wird, wenn die öffentliche Hand sich bei der Verwirklichung ihrer Bauvorhaben größere Zurückhaltung auferlegt. Hier liegt das Kernproblem, das im Auge zu behalten ist, wenn das Wirklichkeit werden soll, was ich mit den Worten „besseres Gesetz" umschrieben habe.
Das Gefährlichste an dem Baustoppgesetz ist das Sonderrecht, das für den Handel, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe geschaffen wurde. Sie wissen, daß bereits eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht läuft. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung ausfallen wird.
Bei Annahme des Änderungsantrags auf Umdruck 308 bliebe das Verbot für die Errichtung von Gebäuden bestehen, die zu der Kategorie der Verwaltungs- und Repräsentationsbauten gehören. Die genannten Gruppen Handel, Gaststätten und Beherbergungsbetriebe würden aber der übrigen gewerblichen Wirtschaft gleichgestellt, und ich meine, das ist echte Gleichheit vor dem Gesetz. Die auf Umdruck 308 vorgeschlagene Verlängerung bis zum 30. Juni 1964 soll uns lediglich die Zeit geben, in Ruhe nach neuen Möglichkeiten zu suchen, weil ich befürchte, daß die wenigen Herbstwochen dazu nicht ausreichen werden, vor allem, wenn wir uns überlegen, welche politischen Veränderungen sich in dieser Zeit auch noch ergeben werden.
Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustimmung zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 308.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ramminger,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben bereits gehört, daß dem Hohen Hause ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache IV/1257 vorliegt, der die Verlängerung des Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit fordert.
({0})
Ich möchte nun nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Mertes noch etwas eingehender zu dem Problem des Baustoppgesetzes überhaupt Stellung nehmen; denn seit wir vor einem Jahr über dieses Gesetz hier diskutiert haben, ist in der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik etwas Entscheidendes vor sich gegangen. Wir können im Jahre 1963 nur noch mit einer 3- oder 4%igen Steigerung des Sozialprodukts rechnen. Damit sind die allgemeinen wirtschaftlichen Abflachungserscheinungen doch allen sichtbar geworden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht auf Einzelheiten eingehen. Über allem Zweifel allerdings steht noch die Blüte der Konjunktur auf dem Baumarkt, die man Überhitzung nennt. Angesichts der rückläufigen Tendenzen in vielen Wirtschaftszweigen kann man die Frage stellen, ob eine echte konjunkturelle Dämpfungsmaßnahme auf dem so gut florierenden Baumarkt noch dringend notwendig ist. Das ist eine sehr wichtige Frage.
Diese Frage - ich möchte es vorwegnehmen - möchte ich ausdrücklich verneinen, und zwar schon deshalb, weil wir über kurz oder lang vielleicht froh sein müssen, auf diesem Wirtschaftssektor noch eine wirklich gute Konjunktur zu haben, zumal das Baugewerbe ein Schlüsselgewerbe ist und sich auf viele Wirtschaftszweige belebend auswirkt. Sollte man einen solchen Wirtschaftsfaktor nicht lieber sorgsam pflegen, statt ihn in einer Zeit zu drosseln, in der es nicht an wirtschaftlichen Alarmzeichen fehlt?
Daher bin ich strikt gegen eine Verlängerung des Baustoppgesetzes. Hat denn das Baustoppgesetz überhaupt seinen Zweck erfüllt? Mein Herr Vorredner hat darüber schon Ausführungen gemacht. Lassen Sie mich noch einiges dazu sagen. Schon von Anfang an konnte man Zweifel haben, ob dieses Gesetz seinen Zweck erfüllen wird.
({1})
Sicher, es gehört zu einem Teil des Stabilisierungsprogramms der Bundesregierung. Aber auch die Bundesregierung hat in einem ersten neuen Entwurf eines zweiten Baustoppgesetzes - Drucksache IV/1083 - seinerzeit in der Begründung selbst zugegeben, daß die Nachfrage nach Bauleistungen nur etwas gemindert wurde. Sie hoffte aber in dieser Begründung, daß sich die volle Wirkung des Gesetzes erst im Frühjahr 1963 einstellen werde.
Inzwischen hat die Erfahrung gezeigt, daß diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen ist. Das ist zu beweisen. Infolgedessen ist grundsätzlich die I Frage zu klären, ob durch das Gesetz eine wirksame Dämpfung der Baukonjunktur erreicht wurde und ob das Ansteigen der Baupreise gestoppt werden konnte.
Zur Dämpfung der Übernachfrage auf dem Baumarkt stellt jetzt der letzte Konjunkturausweis der Bauindustrie folgendes fest: „Die Auftragsbestände haben im April wie in jedem Jahr zugenommen. .Sie stehen jedoch einem personell und maschinell erweiterten Angebot an Bauleistungen gegenüber." Das heißt: die Baukonjunktur wurde nicht gedämpft, aber die Bauindustrie ist durch erweiterte Baukapazität in der Lage, der Nachfrage zu entsprechen. In diesem Punkt möchte ich allerdings mein Land Bayern ausnehmen. Darauf komme ich später noch zurück.
Nun ist gesagt worden, daß von dem im Baustoppgesetz ausgesprochenen Verbot nur 3 % des gesamten Bauvolumens erfaßt worden seien, daß das Bauvolumen trotz Baustoppgesetz auf etwa 50 Milliarden angestiegen sei und damit nicht einmal ein Betrag von 1 Milliarde vom Baumarkt ferngehalten worden sei. Von einem Betrag von einer Milliarde bei einem Bauvolumen von 50 Milliarden kann kein dämpfender Einfluß auf eine überhitzte Baukonjunktur ausgehen. Dabei muß man allerdings zugeben, daß es eine exakte statistische Erfassung des durch das Baustoppgesetz vom Markt ferngehaltenen Bauvolumens überhaupt nicht gibt. Schließlich ist es doch so, daß es dem Bauwilligen unbenommen bleibt, Anträge zur Genehmigung einzureichen, weil die Behörden die Baugenehmigung mit der Auflage erteilen, daß mit den Bauarbeiten erst nach dem Auslaufen des Baustoppgesetzes begonnen
werden darf. Man kann also daraus wohl Schlüsse ziehen, die aber nie genau sind. Man kann nicht mit Sicherheit feststellen, wieviel Bauvorhaben infolge des Gesetzes nicht beantragt, also vom Baumarkt ferngehalten wurden; nur soweit Anträge gestellt und zurückgestellt wurden, verfügt das Statistische Bundesamt über konkrete Unterlagen. Diese konkreten Unterlagen aber besagen, daß bis Ende 1962 das gestoppte Bauvolumen nur 526 300 cbm umbauten Raumes mit reinen Baukosten in Höhe von nur 54,8 Millionen DM ausmacht, also ein ganz unbedeutendes Bauvolumen. Der vorher von mir genannte Betrag von fast einer Milliarde ist also wahrscheinlich nur geschätzt und deshalb sehr zweifelhaft.
Hier ist allerdings zu bemerken, wie es auch schon mein Herr Vorredner getan hat, daß es die öffentliche Hand war, die einen besseren Erfolg des Gesetzes selber vereitelt hat. Dazu nur eine Zahl. Die Baugenehmigungen für die Sparte „Anstaltsgebäude" gingen bei den privaten Unternehmen um 22,9 % - das sind fast 4 Millionen Kubikmeter umbauten Raumes - zurück, während aber gleichzeitig eine Zunahme auf der Seite der öffentlichen Hand von 27,1 % verzeichnet wird. In einigen Ländern soll der Prozentsatz sogar bis 37 % gestiegen sein.
Dieser Hinweis beweist zur Genüge, daß das Baustoppgesetz falsch angelegt war und seine Wirkung zur Baudämpfung daher verfehlen mußte. 20 % Streichung 'der Baugelder vom Bund können die erhöhte Bautätigkeit der Länder und Kommunen nicht wettmachen. Also die Dämpfung der Baukonjunktur wurde so nicht erreicht. Außerdem ist festzustellen, daß im Bauhauptgewerbe Ende März um 4,8 % mehr Arbeitskräfte beschäftigt waren als in der gleichen Zeit des Vorjahres, während der Anteil in der Industrie in der Zahl der Beschäftigten kleiner geworden ist.
Nun zur zweiten Frage: wurde das Ansteigen der Baupreise gestoppt? Nach der Statistik des Bundeswirtschaftsministeriums vom ersten Vierteljahr 1963 ist der Preisindex für Wohngebäude im Jahre 1961 von 116 auf 127, also um 11 Indexpunkte, gestiegen, im Jahre 1962 von 127 auf 137, also um 10 Indexpunkte. Dazu wird freilich im Text des Vierteljahresberichts folgendes gesagt: „Bei den Baupreisen verlangsamte sich in ,der Berichtszeit" - also im ersten Vierteljahr 1963 - „die Aufwärtsbewegung merklich." Es heißt dann sehr hoffnungsvoll: „Ein etwas geringerer Baupreisantrieb als in den beiden vorangegangenen Jahren dürfte jedoch nach den maßvolleren Tariflohnerhöhungen" - bekanntlich nur 4,9 % - „dieses Jahres und den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen zu erwarten sein". Diesem Optimismus in dem Bericht des Wirtschaftsministeriums möchte ich entgegenhalten, daß etwa ein Viertel der Ende April vom IFO-KonjunkturTest, München, befragten Baufirmen eine erhebliche Erhöhung der Baupreise in dieser Zeit gemeldet hatten. Außerdem möchte ich noch darauf 'hinweisen, daß bekanntlich zwischen Tariflohn und effektivem Lohn ein Unterschied besteht. Er betrug in den Jahren 1955 bis 1960 jeweils nicht weniger
als 10 %. Wenn der Tariflohn in dieser Zeit um
33 % gestiegen ist, dann der Effektivlohn um 43 %.
Die weitere Frage ist: Wie steht es mit den sozialen Aufwendungen und den Lohnnebenkosten? Die sozialen Aufwendungen sind in dieser Zeit, 1955 bis 1960, um 83 % und .die reinen Lohnnebenkosten um 75 % gestiegen. Sie muß man auch noch hinzurechnen. Wir können also froh sein, wenn die Baupreise in diesem Jahr, 1963, nur etwa um 6 oder 7 % statt wie im Vorjahr um 8 oder 10 % steigen werden.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Sie haben das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 308 bekommen. § 80 der Geschäftsordnung zwingt den Präsidenten des Hauses - es steht nicht in seinem Ermessen, es anders zu handhaben -, eine Beratung in zweiter Lesung nur zu den einzelnen Änderungsanträgen bzw. zu den unmittelbar zur Verhandlung stehenden Gegenständen zuzulassen. Eine allgemeine Beratung findet in der zweiten Lesung nur statt, wenn der Bundestag das zuläßt.
Ich möchte deshalb bitten, daß Sie zur Begründung des Antrags sprechen.
Herr Präsident, ich darf darauf aufmerksam machen, daß ich zu dem Gesetzentwurf Drucksache IV/1257 spreche.
Ich habe in meiner Notiz gesehen, daß Sie sich zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 308 gemeldet und dazu das Wort bekommen haben. Nun hat inzwischen der Vorsitz gewechselt; ich will Ihnen das konzedieren. Aber wir führen, Herr Abgeordneter, in der zweiten Lesung eine allgemeine Beratung nur dann, wenn sie der Bundestag zuläßt.
({0})
- Es bestehen keine Bedenken. Fahren Sie bitte fort!
Ich sagte eben, daß es eine vage Hoffnung ist, wenn wir annehmen, daß die Baupreise in diesem Jahre, 1963, nur um 6 oder 7 % steigen werden. Nebenbei möchte ich nur noch bemerken, daß sich die Bauindustrie bereits ausgerechnet hat, daß die Einführung der Mehrwertsteuer - sie ist natürlich noch in weiter Sicht - eine durchschnittliche Erhöhung der Baupreise um mindestens 3 % bedeutet.
Man hat bei den erhofften Auswirkungen des Baustoppgesetzes auf die Preise vielleicht etwas übersehen: daß der Anstieg der Baupreise nicht in erster Linie nachfragebedingt ist, also nicht bloß durch die Einschränkung des Bauvolumens gedämpft werden kann. Die Baupreise sind vielmehr meistens kostenbedingt, und bei der Kostenentwicklung spielen die eben genannten übertariflichen Lohnzahlungen, die steigenden Soziallasten und die Lohnnebenkosten neben dem Rationalisierungsbemühen im Baugewerbe eine große Rolle.
Den Grund für einen langfristigen Anstieg der Baupreise findet z. B. das Ifo-Institut in München in den produktionstechnischen Gegebenheiten; denn das Baugewerbe gehört zu jenen Wirtschaftszweigen, in deren Kostenstruktur die kostensteigernde Komponente ' der Lohnerhöhungen stärker ausgeprägt ist als die kostensenkende Komponente der Rationalisierung.
Der Rede kurzer Sinn ist, daß die Preisbewegungen im Baugewerbe eine langfristige Entwicklung haben, also durch kurzfristige Maßnahmen, wie der Baustopp nun einmal eine ist, nicht wirksam gebremst werden können. Daher geht die erhoffte Wirkung, die steigenden Baupreise zu stoppen, von dem Bundesbaustoppgesetz auch in keiner Weise aus.
Weil es sich bei den Preisbewegungen im Baugewerbe um langfristige Entwicklungen handelt, ist auch keineswegs ein starker Preisauftrieb durch die nach diesem Winter aufgestaute Nachfrage zu befürchten, wie es im Bericht des Herrn Abgeordneten Matthöfer zur Verlängerung des Baustoppgesetzes heißt. Außerdem möchte ich feststellen, daß es sich bei dem sogenannten Bauüberhang aus dem Winter nicht um solche Größen handelt, die dem Baumarkt sehr stark durcheinanderbringen würden. Denn von 582 000 Wohnungen waren Ende 1962 bereits rund 371 000 unter Dach und Fach. Es ist also mehr eine Sache des Ausbaugewerbes, ob es den Rückstand irgendwie aufholen kann.
Zu der Frage, warum sich das Baustoppgesetz nicht dämpfend auf die Preise ausgewirkt hat, muß man noch sagen: Auch eine Abschwächung der Nachfrage kann bei der komplizierten Zusammensetzung der Herstellungskosten im Baugewerbe das Preisniveau nicht ausreichend beeinflussen. Solange der Satz gilt: „Jetzt bauen ist billiger als warten", hat ein solches Gesetz keine Wirksamkeit, weil es im Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung steht.
Allerdings gebe ich zu, daß man durch die Verschiebung der Baunachfrage von einem Jahr mit überbeschäftigten Kapazitäten auf ein darauffolgendes Jahr mit schwächeren Kapazitätsauslastungen eine Kostenersparnis und eine entsprechende Preisberuhigung erzielen könnte, wenn wir die Gewißheit hätten, daß im nächsten Jahr tatsächlich eine Entspannung auf dem Baumarkt eintreten wird. Diese Gewißheit haben wir aber eben nicht. Im Gegenteil, wir wissen genau, daß wir einem wachsenden Bedarf entgegensehen.
Versucht man nun, zur Dämpfung der Baukonjunktur weniger Bauten zu genehmigen, dann bleiben viele dringend notwendige Bauten unausgeführt, und wir müssen doch zugeben: wenn es in der Bundesrepublik Mangelerscheinungen gibt, so sind sie meist darauf zurückzuführen, daß die Bautätigkeit hinter dem Bedarf zurückgeblieben ist. Das ist nicht nur im Straßenbau so, sondern spiegelt sich auch im Mangel an Schulen, Krankenhäusern und Altersheimen wider. Wird aber durch eine Verschiebung dieser notwendigen Bauten der Bedarf immer noch drängender und größer, dann drückt dieser Bedarf notwendig auf den Baumarkt. Der
Baumarkt wird durch diese Verschiebung also nicht geordnet, sondern wir geraten in den kommenden Jahren in noch größere Schwierigkeiten. Es ist daher meines Erachtens besser, den Baumarkt dem .ausgleichenden Marktmechanismus zu überlassen, als mit unzureichenden Gesetzen einzugreifen. Ich bin sogar überzeugt, daß es gar kein zureichendes Gesetz gibt, das die Wirkungen erzielen könnte, die wir für den Baumarkt erhoffen. Es gibt heute schon Anzeichen, daß das erreichte Preisniveau einen Kreis von Bauwilligen von 'Bauabsichten .abschreckt. Das ist eben schon eine Wirkung des Marktmechanismus selbst.
Wenn wir eine Nachfrageberuhigung auf dem Baumarkt erreichen wollen, dann kann das nur durch Einschränkung der Bauten der öffentlichen Hand angestrebt werden. Aber man sagt, das sei unmöglich. Ich bin anderer Meinung. Dazu möchte ich kurz noch folgendes sagen. Wenn man vom Staat her schon in die Bauwirtschaft eingreifen zu müssen glaubt, dann muß man eben gegen die hektisch anmutenden Ansprüche der öffentlichen Hand zur Errichtung von Großbauten etwas tun. Deshalb sind notwendig: erstens ein wirtschaftsgerechtes Verhalten aller Parlamente bei der Bewilligung der Baumittel,
({0})
zweitens sollte man daran denken, ob man nicht eine Koordinierungsstelle für Bund, Länder und Gemeinden in der Form irgendeiner obersten Baubehörde schaffen sollte. Wenn man das Wort „Behörde" hört, ist man etwas geschreckt. Diese Behörde wäre aber ungleich wirkungsvoller 'als ein Baustoppgesetz oder eine Bausteuer oder gar ein Gesetz zur Lizenzierung. Diese oberste Baubehörde würde schon in der Errichtung eine wirksamere Bremse gegen die öffentlichen Bauten darstellen, als sie sonst möglich wäre.
Zumindest könnte diese Behörde, die Koordinierungsbehörde, den Wettlauf der drei Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen um Baukapazitäten regeln und so wirklich eine Ordnung auf dem Baumarkt von dieser Seite her schaffen; denn es ist für Sachkenner heute klar, daß der gewerbliche Baumarkt eine stagnierende Tendenz aufweist, während das Bauvolumen der öffentlichen Hand anwächst, und zwar in sehr starkem Maße, wie die von mir eingangs genannten Zahlen zeigen.
Es gilt daher, das offensichtliche Mißverhältnis zwischen Bauvolumen und Baukapazität auf den drei Teilgebieten des Wohnungsbaus, der gewerblichen Bauten und der öffentlichen Bauten grundsätzlich zu regeln, wenn man vom Staat her etwas Wirksames tun will. Dazu ist das Baustoppgesetz ungeeignet. Hier könnte nur etwa eine Koordinierungsstelle für Bund, Länder und Gemeinden etwas ausrichten; dann hätten wir einen wirklichen Baustopp erzielt.
Nun noch ein Wort zur Baukonjunktur in Bayern. Unter dem 4. Juni 1963 meldet der Bayerische Bauindustrieverband einen starken Rückgang der Nachfrage im Hochbau. Diese stark rückläufige Tendenz der Nachfrageentwicklung halte an, so heißt es in diesem Bericht. Die Zahl der Baugenehmigungen war in Bayern im März 1963 um ein volles Drittel kleiner als im März 1962. Der Rückgang betrug bei Wohngebäuden 27 %, bei den Nichtwohnbauten der privaten und öffentlichen Bauherren zusammen sogar 40 %. Für das erste Vierteljahr 1963 ergibt sich somit in Bayern ein Rückgang der neugenehmigten Hochbauten um 32 % und des hierfür veranschlagten Bauaufwands um 29 % gegenüber dem ersten Quartal 1962. Diese amtliche Statistik wird durch das Bauhauptgewerbe bestätigt.
Dies bedeutet nun weiter, daß in den meist revierfernen Gebieten Bayerns die Baukonjunktur heute rückläufig zu werden beginnt und keiner Bremse mehr durch ein Baustoppgesetz bedarf. Man muß ja schließlich bedenken, daß Konjunkturwellen erst zuletzt die revierfernen Gebiete erreichen, dafür aber auch dort wieder zuerst abebben.
Was hier für ganz Bayern gilt, gilt insbebsondere für die revierfernen Gebiete Ostbayerns. Hier ist laut Bericht des Arbeitsamtes Passau erstmals die Tatsache zu verzeichnen, daß es im Monat Mai arbeitslose Bauarbeiter gab, weil die Vermittlungsmöglichkeiten in die südlichen bayerischen Ballungsgebiete in diesem Jahr stark nachgelassen haben.
Sie werden nun verstehen, meine Damen und Herren, daß uns solche Erscheinungen dazu bestimmen, weder einer Verlängerung des Baustoppgesetzes noch einer Neuauflage eines eventuell schärferen Gesetzes zuzustimmen. Daher bitte ich das Hohe Haus, das Baustoppgesetz auslaufen zu lassen und der Verlängerung nicht zuzustimmen, den Antrag auf Drucksache IV/1257 also abzulehnen.
Für den Fall, daß sich jedoch dafür keine Mehrheit in diesem Hause bildet, möchte ich noch kurz die Änderungsanträge auf den Umdrucken 308 und 309 berühren. Nach dem Änderungsantrag auf Umdruck 308, über den Herr Mertes schon gesprochen hat, sollen im § 1 Abs. 1 Nr. 1 die Worte „Geschäftsoder Warenhaus" gestrichen werden. Außerdem sollen die Bauverbote für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, § 1 Abs. 1 Nr. 3, aufgehoben werden. Nun, ich bin nicht der Meinung, daß es bei uns nicht genügend Warenhäuser und Gaststätten gebe,
({1})
aber diese Bestimmungen bedeuten für diese Wirtschaftszweige eine diskriminierende Härte und unterbinden außerdem den Ausbau des Fremdenverkehrs in den neu erschlossenen und noch nicht überlaufenen Fremdenverkehrsgebieten der Bundesrepublik; sie unterbinden vor allem auch den weiteren Ausbau eines so hervorragenden neuen Thermalbades wie Füssing an der bayerisch-österreichischen Grenze. Diese Bestimmungen des Baustoppgesetzes sind - das wurde schon angesprochen - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sie gegen die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Berufsausübung verstoßen. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß eine Verfassungsbeschwerde läuft. Daher können wir eigentlich nicht anders, als daß wir die Bestimmungen, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, streichen.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß bei Ablehnung des Änderungsantrages auf Umdruck 308 und bei eventueller Annahme des Änderungsantrages auf Umdruck 309 die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausgeräumt sind, wenn auch nach der hier vorgesehenen Klausel die Länder das Bauen von Warenhäusern und Gaststätten bei Bedarf erlauben können.
Meine Damen und Herren, die Annahme des Änderungsantrages auf Umdruck 308 ist also notwendig, und darum möchte ich Sie bitten.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kempfler zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 309 *).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den grundlegenden Ausführungen meiner Vorredner kann ich mich zur Begründung des Antrags Umdruck 309 auf einige Sätze beschränken.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß sich der Konjunkturaufschwung in der Bundesrepublik regional sehr verschieden vollzogen hat. Wenn es dazu der Beweise bedürfte, dann wäre das Frage-und-Antwort-Spiel in der heutigen Fragestunde ausreichend. Dementsprechend gibt es in der Bundesrepublik natürlich auch Gebiete, in denen die Nachfrage nach Bauleistungen weit über das Angebot hinausgeht. Es gibt aber andererseits Gebiete, in denen sich Angebot und Nachfrage die Waage halten, und es gibt wiederum vereinzelte Gebiete, in denen das Angebot die Nachfrage noch übersteigt.
Diesem Umstand wollte § 1 Abs. 4 des Gesetzes vom 8. Juni 1962, das jetzt ausläuft, Rechnung tragen. Er hat dies aber nur unvollkommen getan, indem er eine Ausnahme vom Baustopp nur für die Notstandsgebiete zuließ. Der Begriff „Notstandsgebiete" deckt sich aber nicht mit dem Begriff „Gebiete ohne Bauüberhitzung". Um nun den Landesregierungen die Möglichkeit zu geben, auch hier einzugreifen, hat der neue Regierungsentwurf den Abs. 4 so fassen wollen, wie wir es mit unserem Änderungsantrag beantragen, nämlich ohne Rücksicht darauf, ob ein Gebiet Notstandsgebiet ist oder nicht, Zonenrandgebiet oder nicht, die Landesregierungen zu ermächtigen, den Baustopp nicht anzuwenden. Die Fassung des Gesetzentwurfs, die auch unsere Fassung ist, hat der Bundesrat gebilligt, und einige Länder haben schon angekündigt, daß sie den Vermittlungsausschuß anrufen werden, wenn diese sogenannte Regionalklausel nicht Aufnahme in das Verlängerungsgesetz findet.
Die Antragsteller stehen auf dem Standpunkt, daß man durch Gesetz für die Gebiete, die einer Korrektur nicht bedürfen, die also die in unserem Antrag näher bezeichneten Eigenschaften aufweisen, Ausnahmen durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen zulassen sollte. Viele dieser Gebiete liegen im Zonenrandgebiet und genießen die regio-
*) Siehe Anlage 5
nale Förderung. Es wäre sinnwidrig, wenn man die normale Aufwärtsentwicklung dieser Gebiete durch den Baustopp drosselte, während man anderseits durch Bundesleistungen gezielte Verbesserungen anstrebt. Der Herr Kollege Ramminger hat bereits Beispiele angeführt. Ich kann mich also auf diese wenigen Ausführungen beschränken. Die Auswirkungen des Gesetzes sind sowieso außerordentlich umstritten. Auch hier darf ich mich auf die Ausführungen meines Herrn Vorredners beziehen. Es besteht aber kein Zweifel darüber, daß bezüglich der Gebiete ohne Konjunkturüberhitzung durch die vorgesehene Regelung das klassische Wort verwirklicht würde: Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen, wie das heute auch schon der Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung getan hat.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich suche krampfhaft nach einer Überschrift für diese Debatte.
({0})
Ich schlage vor: „Komödie der Irrungen", „Stunde der Fehldiagnosen" oder „Viel Lärm um" - na, ich will nicht sagen: „um nichts" ; sagen wir: „um wenig".
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist I das gute Recht eines Mitglieds dieses Hauses, ein Gesetz gut oder schlecht zu finden. Im allgemeinen ist dies das Vorrecht der Opposition, weil das Gesetz gegen ihre Stimmen verabschiedet worden ist. Aber es gibt auch Gesetze, die von der Regierungsmehrheit verabschiedet werden und trotzdem von dieser Regierungsmehrheit oder einem Teil derselben als schlecht angesehen werden.
({1})
Zu diesen Gesetzen gehört auch das Baustoppgesetz.
- Ja, warum soll man so etwas nicht offen sagen?
- Aber etwas, was ich einfach nicht verstehen kann ist, daß die Vorredner sagen: „Das ist ein schlechtes Gesetz, das nutzt überhaupt nichts, das erfüllt den hohen Zweck nicht, für das es gedacht ist, damit kriegt man die Baukonjunktur nicht in den Griff"; und dann spricht man über ein verhindertes Thermalbad mit einer Enzyklopädie über Baupreise und über die Bauwirtschaft.
Ich glaube, so große Worte sollte man um die Dinge gar nicht machen. Wenn das Baustoppgesetz schlecht ist - und ich behaupte nicht, daß es gut ist -,
({2})
wenn es nicht gut ist, dann wäre es meiner Meinung nach logisch - wenn man schon sagt, die Baukonjunktur ist überhitzt; und das ist nicht bestritten worden -, an Stelle des angeblich schlechten Ge3852
seizes ein besseres Gesetz zu verabschieden. Meine Damen und Herren, ich habe keine Vorschläge gehört, wie wir der Baukonjunktur besser zuleibe rücken könnten als mit diesem Baustoppgesetz. Im Gegenteil: dieselben Leute, die sagen, das Gesetz nutzt nichts, wollen dieses Gesetz in seiner Wirkung halbieren und dann das noch schlechtere Gesetz um ein ganzes Jahr verlängern. Wo da die Logik liegt, ist mir einfach unerfindlich. Ich kann mir da nicht helfen, ich komme da nicht mit.
Mir schiene es sinnvoller zu sein, wenn man die Regierung - und wenn Sie so wollen, auch die Koalition in diesem Hause - unter Zeitdruck setzte, innerhalb eines halben Jahres etwas Besseres vorzulegen als das geltende Baustoppgesetz. Das scheint mir doch das Sinnvollste zu sein, was wir in dieser Stunde machen können.
Meine Damen und Herren, nun einmal im Ernst.
({3})
- Man kann hier doch einmal einen Spaß machen, Herr Jacobi; dafür sind wir beide doch Kölner Bürger; oder?
Meine Damen und Herren, lohnt sich diese Dramatik für ein halbes Jahr Verlängerung dieses Gesetzes? Ich meine, sie lohnt sich nicht; auch wenn man davon spricht, daß hier bestimmte Berufszweige besonders betroffen sind; ich gebe das zu, und wir wollen das ja auch ändern, und zwar möglichst schnell ändern.
({4})
Ich darf deshalb darum bitten - Sie sehen, daß ich mich sehr kurz fasse -, beide Anträge, sowohl den auf Umdruck 308 als auch den auf Umdruck 309, abzulehnen, weil sie genau die entgegengesetzte Wirkung hätten als die, die wir wohl alle in diesem Hause erzielen möchten.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Börner.
Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis, zu beiden Anträgen sprechen zu dürfen, weil ich glaube, daß die Dinge, die in ihnen angesprochen sind, unmittelbar zusammengehören.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man den Ausführungen meiner Herren Vorredner mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, kann man sich sicher zu der Feststellung durchringen, daß noch nie ein von der Koalition so einmütig und gegen die Warnungen der Opposition verabschiedetes Gesetz nach einem Jahr Geltungsdauer eine so vernichtende Kritik erfahren hat wie das hier heute zur Debatte stehende Baustoppgesetz. Wenn das so ist, dann soll man, glaube ich, zwar nicht dramatisieren, aber aus der Verantwortung für die wirtschaftspolitischen Probleme, um die es hier geht, doch etwas tiefer in die Dinge hineinsteigen und sich einmal die Mühe machen, zu fragen, warum denn dieses Gesetz nach einem Jahr Geltungsdauer eine so vernichtende Kritik selbst von den Anhängern des Gesetzes, die es vor einem Jahr befürwortet haben, erfahren hat.
({0})
- Ich komme gleich darauf.
Ich darf daran erinnern, daß vor gut zwölf Monaten, vor der dritten Lesung des Baustoppgesetzes, die sozialdemokratische Fraktion durch ihre Sprecher darauf hingewiesen hat, daß mit einem solchen Gesetz langfristige wirtschaftspolitische Probleme berührt werden und daß solche wirtschaftspolitischen Maßnahmen nur dann erfolgversprechend sein können, wenn sie langfristig angelegt werden. Darüber hinaus haben wir damals auch festgestellt - ich glaube, gerade das ist ein Argument, das wegen der beiden Änderungsanträge heute erneut zu dieser Betrachtung gehört -, daß unserer modernen Volkswirtschaft mit einer Dämpfung der Nachfrage auf dem Baumarkt nicht gedient ist, sondern daß es wirtschaftspolitisch sinnvoll wäre, insbesondere im Hinblick auf längerfristige Entwicklungen das Angebot zu erhöhen.
Diese Auffassungen, die damals von uns vertreten worden sind, haben in der öffentlichen Diskussion nicht nur von der Bauwirtschaft, sondern aus allen Kreisen eine Unterstützung erfahren, die sich über langfristige Wirtschaftspolitik in unserem Lande Gedanken machen. Wir sind in den vergangenen Monaten immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Fülle der Vorschläge, deren man sich auch gesetzgeberisch annehmen konnte - wie z. B. die staatliche Förderung des Montagebaus und des Fertigbaus -, kaum genutzt worden ist. Meine Damen und Herren, wenn wir nun heute vor der Frage stehen, wem das Baustopgesetz eigentlich genützt hat, dann muß ich sagen, daß die konjunkturpolitischen Erwartungen, die damals an seine Verabschiedung geknüpft worden sind, durch die zwölfmonatige Anwendung des Gesetzes restlos widerlegt sind.
Es ist der Bundesregierung nicht möglich gewesen, innerhalb der Geltungsdauer des auf ein Jahr befristeten Gesetzes dem Parlament konkrete Vorschläge für seine Ablösung durch andere konjunkturpolitische Maßnahmen auf dem Baumarkt zu machen. Ich gebe zu, daß die Vorlage, die noch im Ausschuß liegt, einen Anhaltspunkt für eine weitere Diskussion gibt; aber was uns heute empfohlen wird, was durch die Mehrheitsentscheidung des Ausschusses von heute morgen untermauert worden ist, ist doch die Verlängerung des mit den von der Koalition so plastisch dargestellten Mängeln behafteten Gesetzes. Meine Damen und Herren, wenn man diese Mängel sieht und sie als Gesetzgeber nicht aufgreift und ausräumt, dann ist das - gestatten Sie bitte diesen harten Ausdruck - Flucht aus der Verantwortung. Es gibt auch nicht das Argument, daß im Ausschuß keine Zeit gewesen wäre. Denn Sie haben vor einigen Tagen eine fundierte Ausschußberatung dadurch verhindert, daß Sie den Gesetzentwurf, der nur die zeitliche Verlängerung des bestehenden Gesetzes vorsieht, ins Plenum geBörner
bracht haben un dann gestern selbst gemerkt, daß doch noch etwas daran zu ändern ist.
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen sagen, die sachliche Arbeit ist uns auch durch die Bundesregierung und ihre Stellungnahme im Ausschuß nicht leichter gemacht worden. Denn das, was an statistischem Material über die Auswirkungen des Gesetzes und überhaupt die Entwicklung des Baumarkts geliefert worden ist, ist mehr als dürftig und ist zum Teil so widersprechend, daß ich mich nicht noch einmal auf das beziehen möchte, was meine Herren Vorredner schon vorgetragen haben; vielmehr muß ich feststellen, daß es in der Koalition und in der Bundesregierung bis heute keine klare Vorstellung gibt, wie dieses Gesetz weiter auf dem Baumarkt wirksam sein soll.
Der Bundestag hat unter dem Datum vom 7. Juni vom Bundeswirtschaftsministerium einen Bericht über die Entwicklung auf dem Baumarkt erhalten. Dieser Bericht enthält Zahlenangaben, zu denen ich mich nicht näher äußern will, weil sie sehr umstritten sind. Da steht unter III zur Entwicklung der Baupreise folgender Satz:
Während die Baupreise im Jahre 1962 um rund 7 v. H. gestiegen sind, blieben sie vom November 1962 bis zum Februar 1963 konstant.
Meine Damen und Herren, in dieser Zeit waren 15 Grad Kälte! Mit dieser Formulierung ist weiter nichts bewiesen. Das ist so, wie wenn der Versuch gemacht wird, klarzumachen, daß jedes Jahr am 24. Dezember Weihnachten ist. Mehr steht dort nicht.
({1})
- Sie wissen schon, was ich meine. Sie wissen auch, Herr Kollege, daß diese Aussage für unsere Beratung über dieses Gesetz im Grunde genommen wertlos ist. Auch die Zahlen, die hier und im Ausschuß genannt worden sind, müssen wegen ihrer Problematik, wegen ihrer geringen statistischen Klarheit bezweifelt werden.
Nun ist für uns die Frage: Was hat die Bundesregierung noch getan, oder welche Aufträge hatte sie aus der Debatte über das Baustoppgesetz? Da möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, in Erinnerung rufen, daß wir alle uns bei der Beratung im vergangenen Jahr darüber einig waren, daß z. B. die Einfuhr von Fertighäusern nicht mit hohen Zollsätzen, praktisch mit Abschrekkungszöllen, belastet werden darf. Fragen Sie Ihren Wirtschaftsminister, Ihre Mitglieder in der Bundesregierung, was 'hieraus geworden ist.
({2})
- Mit der Formulierung, daß die Brüsseler Behörde in dieser Frage nicht den Vorstellungen der Bundesregierung gefolgt sei, können Sie sich nicht herausreden. Da muß die Bundesregierung auch den Mut haben, einmal vor dem Parlament zu sagen, mit welcher Deutlichkeit sie diesen Auftrag des Parlaments in Brüssel erfüllt hat. Es gibt sehr verschiedene Meinungen über die Aktivität der Bundesregierung in dieser Frage.
Nicht nur uns, sondern alle in diesem Hause geht die Frage an, ob es nicht zur weiteren Ausweitung der. Kapazität der Bauindustrie - ich durfte das schon im vorigen Jahr hier in der Debatte erwähnen - notwendig ist, den Bauarbeiterberuf durch gesetzgeberische und andere Maßnahmen attraktiver zu machen. Ich muß mit aller Deutlichkeit noch einmal die Argumentation von Herrn Professor Erhard ins Gedächtnis zurückrufen und zurückweisen, der im vergangenen Jahr von Ihnen nicht widersprochen wurde und die da lautete: um Gottes willen keine große Kapazitätsausweitung; denn dann kommt der Tag, wo die Bauarbeiter bzw. die Bauwirtschaft nicht mehr genügend beschäftigt werden können. Hier liegt wohl ein Problem in Ihren gesamtwirtschaftlichen Überlegungen, dessen Erörterung noch zu harten Auseinandersetzungen mit uns führen wird; denn schließlich haben wir große von der Bauwirtschaft zu leistende Zukunftsaufgaben vor uns, und zwar nicht nur auf dem Sektor Verkehr. Ich erinnere Sie hier an die Ausführungen, die der Herr Bundesminister für Wohnungsbau und Städteplanung zur Frage der Raumordnung und der Städtesanierung gemacht hat. Da ergeben sich Probleme, denen sich die Bauwirtschaft nicht nur im nächsten Jahr, sondern auch noch im nächsten Jahrzehnt gegenübersehen wird. Deshalb ist es mehr denn je notwendig, daß der Bauwirtschaft, die als Schlüsselindustrie für uns genauso wichtig wie der Bergbau und andere Zweige unserer Wirtschaft sein muß, durch gesetzgeberische Maßnahmen geholfen wird, diese Aufgaben zu bewältigen.
Wenn wir diese Fragen gemeinsam im Ausschuß läsen wollen, dann gehört dazu mehr als nur die Stellung von Änderungsanträgen, die eine zeitliche Begrenzung vorsehen. Insofern bin ich den Kollegen aus Ihren Reihen dankbar, die durch die Stellung von Änderungsanträgen zur Sache ihrem Unmut einigen Ausdruck gegeben haben. Ich meine, daß die Diskussion dieser Änderungsanträge uns in der sachlichen Beratung dieser Frage schon etwas weiterbringen wird.
Ich möchte nun zunächst namens meiner Freunde etwas zu dem Änderungsantrag Umdruck 308 sagen. Ich muß darauf hinweisen, daß man nur eines tun kann: entweder man muß das Gesetz im ganzen auslaufen lassen bzw. es ablehnen - wie der Herr Kollege im ersten Teil seiner Ausführungen unterstrichen hat, und seine Rede war ja ein Plädoyer für die Ablehnung des Ausschußantrages -, oder aber man muß sich zu dem sachlichen Punkt des Antrags auf Umdruck 308 bekennen. Zu dem einen oder zu dem anderen muß man sich schon bekennen; sich zu beiden zu bekennen, wird sicher nur schwer möglich sein. Lassen Sie mich also etwas zu den einzelnen Punkten des uns vorgelegten Änderungsantrages auf Umdruck 308 aus unserer Sicht sagen.
Wir haben uns nicht erst bei Vorlage von bestimmten Stellungnahmen aus den betroffenen Wirtschaftskreisen, sondern schon - Sie können das im Protokoll nachlesen - im vergangenen Jahr über die Problematik dieser - wie hier gesagt worden ist - Diskriminierungsbestimmungen sehr deutlich unterhalten. Es war nicht die SPD, die die
Klausel für Warenhäuser, Gaststätten und Hotels in das Gesetz hineingebracht hat, sondern es war die CDU/CSU, die diese Bestimmung seinerzeit mit aller Härte verfochten hat. Wir können uns nur freuen, daß Sie davon heute teilweise abrücken.
Wir meinen aber, daß die vorgeschlagenen Formulierungen keine Plattform darstellen, von der aus Sie in dieser Stunde eine Mehrheit bekommen können. Wir hätten in den Ausschußberatungen mehr Zeit 'haben müssen, als uns heute morgen zur Verfügung stand. Hier werden nur Teilgebiete des Katalogs angesprochen. Ich gebe zu, daß aus der Sicht des einen Bundeslandes die Fremdenverkehrsbelange anders aussehen können als aus der Sicht eines anderen Bundeslandes. Deshalb meine ich, daß bei aller grundsätzlichen Sympathie, die die SPD-Fraktion diesem Anliegen entgegenbringt, heute nicht die Zeit dazu ist, eine solche Bestimmung ad hoc in das Gesetz hineinzubringen.
Dann müßte man nämlich auch etwas .zu dem Abs. 5 des gleichen Paragraphen sagen, nach dem Wochenendhäuser über 30 qm nicht gebaut werden dürfen. Wissen Sie, wie sich dieser 'Paragraph in der Praxis ausgewirkt hat? Wenn ein Mann, wie der Herr Kollege Storch, der das Zimmerhandwerk erlernt hat, sich nun völlig abseits der allgemeinen Baukonjunktur ein Wochenendhaus bauen und das mit verwandtschaftlicher Hilfe machen will, weil er die Baukonjunktur nicht zusätzlich belasten möchte, dann bekommt er vom zuständigen Kreisbauamt einen Bescheid, eine Bauerlaubnis. Darin steht: Das Wochenendhaus ist genehmigt; Einwendungen bestehen nicht; der Bauleitplan ist in Ordnung, aber Sie dürfen erst anfangen, wenn das Baustoppgesetz wieder abgeschafft worden ist. - Wir haben nämlich diese Klausel mit den 30 qm Grundfläche, die sich in der Praxis - gestatten Sie bitte das harte Wort - als grober Unfug herausgestellt hat, in das Gesetz eingefügt, d. h. nicht wir, sondern Sie. Ich will Ihnen nur an diesem Beispiel eines Wochenendhauses, das in Selbsthilfe gebaut wird, was also konjunkturpolitisch hier überhaupt nicht zur Debatte steht, klarmachen, wie unsinnig dieser Katalog ist, den Sie in das Gesetz hineingebracht haben.
Ich bin heute aber - genauso wie im vergangenen Jahr - mit meinen Freunden darin einig, daß es nicht angängig ist, diesen Katalog nun von heute auf morgen durch eine Formulierung, wie Sie sie in dem Änderungsantrag vorschlagen, abzulösen und zu der zweifellos vorhandenen Vollbeschäftigung auf dem Baumarkt noch einen zusätzlichen Nachfragestoß jetzt auszulösen. Wir hätten uns darüber im Ausschuß unterhalten können und wir hätten uns auch darüber unterhalten können, ob wir nicht noch andere Kategorien, die von dem Gesetz ebenfalls betroffen sind, nun in dieses Gesetz hineinnehmen sollten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Baier.
Herr Kollege Börner, ich habe bis jetzt auf Ihre Vorschläge gewartet. Da diese nicht kommen, darf ich Sie fragen: Besteht Ihr einziger konstruktiver Beitrag zur Beruhigung der Baukonjunktur nur darin, daß Sie die Vorschläge der Bauwirtschaft aufgreifen, nämlich die Kapazität auszuweiten, oder sind Sie nicht auch der Meinung, daß wir auch auf gewissen Gebieten auf dem Bausektor Einschränkungen vornehmen müssen? Welche Vorschläge für diese Einschränkungen haben Sie, nachdem Sie unsere Vorschläge hier so kritisieren?
Herr Kollege, Sie wissen sehr genau, daß die sozialdemokratische Fraktion in der Frage der Zurückhaltung der öffentlichen Hand bei Behördenbauten hier mit Ihnen übereinstimmt und die entsprechenden Beschlüsse in diesem Hause gemeinsam mit Ihnen gefaßt hat.
({0})
- Herr Kollege, soll ich Ihnen die Rathäuser aufzählen, die durch Ihre Freunde im Lande im letzten Jahr angefangen worden sind?
({1})
- Ja, das Argument mußte ja kommen, das war ja zu erwarten. Hier geht es letztlich um ganz andere Dinge, und ich meine, daß das, was wir gemeinsam in der Diskussion über den § I b festgestellt haben, eine viel nützlichere Maßnahme zur Dämpfung gewisser Erscheinungen auf dein Baumarkt gewesen ist als dieser ganze Katalog, der hier im Gesetz verzeichnet ist, Herr Kollege.
Zweitens. Sie glauben, die Vorschläge der Bauindustrie hier mit dem Wörtchen „nur" klassifizieren zu können. Dazu muß ich Ihnen sagen, ich warte immer noch darauf; daß sich die Bundesregierung in dieser Beziehung ähnliche Mühe gibt wie z. B. skandinavische Regierungen oder auch die französische Regierung, durch staatliche Hilfe das Montagebauverfahren im sozialen Wohnungsbau so attraktiv zu machen, daß eine entscheidende Entlastung des Baumarktes hinzukommt.
({2})
Ich will Ihnen noch einmal eine ganz persönliche Meinung zu dem Problem der Attraktivität der Bauberufe sagen, die ich mit meinen Freunden nicht abgesprochen habe; aber wenn Sie mich schon über Vorschläge befragen, dann möchte ich auch folgenden Vorschlag hier einmal zur Diskussion gestellt haben, weil es dazu in einem westeuropäischen Nachbarland eine Parallele gibt.
Sie alle wissen, daß der Verteidigungsbau in bestimmten Bereichen der Bundesrepublik nicht unerheblich zu der Überhitzung auf dem Baumarkt beiträgt. Sie alle wissen auch, daß in unseren Bündnisverpflichtungen in dieser Beziehung in absehbarer Zeit keine Änderung eintreten wird und daß wir oder der Haushaltsausschuß hier nicht mit dem Rotstift frei wirken können, wie wir wollen, wobei wir
es sicher auch nicht für richtig halten, aus Gründen
der nationalen Sicherheit hier Abstriche zu machen.
Aber wenn das so ist und wenn also eine Reihe von Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt pro Jahr auf den Baumarkt zukommt, dann - vielleicht können Sie jetzt zuhören, meine Damen und Herren von der Koalition, da Sie doch für Vorschläge ein offenes Ohr haben wollen - wäre doch die Frage zu überlegen, ob wir es nicht so machen könnten wie die Holländer, die Angehörige bestimmter Bauberufe von der Wehrpflicht zurückstellen, weil sie sich sagen, daß der Bauarbeiter, wenn er für Verteidigungsbauten tätig ist - und das ist ja in weiten Gebieten der Bundesrepublik der Fall -, volkswirtschaftlich den gleichen Nutzen und den gleichen Beitrag erbringt wie der Soldat, der den Dienst mit der Waffe ausübt.
Natürlich gibt es da Probleme. Sie werden mir vorhalten können, daß derjenige, der eingezogen wird, Wehrsold erhält und der andere die Chance hat, 3,50 DM oder 4 DM pro Stunde zu verdienen. Das ist richtig. Dieses Problem sehe auch ich. Wir sollten uns aber nicht der Frage verschließen, daß trotz eines verhältnismäßig hohen Lohnniveaus und trotz einer guten Sozialpolitik, die in der Bauwirtschaft von den Tarifpartnern auf beiden Seiten sehr nachdrücklich unterstützt wird, der Bauarbeiterberuf nicht so attraktiv ist, daß wir heute dort die Arbeitskraftreserven hätten, die wir brauchen.
Doch zurück zu Ihrem Katalog. Das Gespräch um die Ausweitung der Kapazität wird uns hier nicht mehr loslassen. Der Deutsche Bundestag muß in absehbarer Zeit darauf eine Antwort geben, oder es kommt zu volkswirtschaftlichen Störungen, die niemand will. Sie greifen mit Ihrem Antrag Umdruck 308 konjunkturpolitische Fragen auf. Der Herr Kollege von der CSU hat sich zu der Forderung durchgerungen, die Hotels und Gaststätten sowie die Warenhäuser nicht mehr miteinzubeziehen. Da muß ich doch fragen, weshalb nun unter Ziffer 2 dieses Antrags eine Verlängerung des Gesetzes bis zum 30. Juni 1964 angestrebt wird. Das halten wir für volkswirtschaftlich nicht vertretbar, weil dann gerade das Gegenteil von dem eintritt, was meine Freunde immer hier gefordert haben, nämlich daß die zusätzliche Nachfrage auf dem Baumarkt in den Wintermonaten und nicht im Hochsommer kommen muß.
In diesem Antrag sind unausgegorene Vorschläge zu einem Bündel zusammengefaßt. Wir sehen uns deshalb leider nicht in der Lage, dem Antrag zuzustimmen, wenn wir auch zugeben müssen, daß die Herausnahme einiger Teile des Katalogs zweifellos eine gute Sache ist.
Wir möchten deshalb eher denen zustimmen, die den Antrag Umdruck 309 unterschrieben haben. Dort begrüßen wir einen alten Bekannten, nämlich den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom vergangenen Jahr. Wir begrüßen ferner als alten Bekannten einen Antrag des Bundesrats bzw. der sozialdemokratisch geführten Länder, den diese in dem vergangenen Jahr leider durch die „Mitarbeit" Ihrer politischen Freunde nicht durchsetzen konnten.
Wir sind stolz darauf, daß sich nun diese unsere Auffassung bis weit in die Reihen der Koalition hinein doch durchgesetzt hat.
Deshalb werden wir dem Antrag Umdruck 309 unsere Zustimmung geben. Den Abgeordneten der CDU/CSU wird die Annahme dieses Antrags ganz besonders leichtfallen, wenn sie wissen, daß Herr Minister Lücke sich mit Datum vom 30. März dieses Jahres in einem Interview mit der „Neuen RheinZeitung" sehr entschieden für die Einfügung einer Regionalklausel ins Bundesbaustoppgesetz ausgesprochen hat.
({3})
Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewiß ist nicht zu leugnen, daß das zur Diskussion stehende Gesetz nicht gerade mit dem Herzblut eines freiheitlichen Wirtschaftspolitikers Ludwig Erhard geschrieben und nicht der Wunschtraum seiner schlaflosen Nächte geworden ist. Aber so schlecht, wie das Gesetz in manchen Ausführungen der Redner, die hier zu Wort gekommen sind, dargestellt wird, ist das Gesetz eben nicht. Ich bin glücklich, Ihnen als Beweis für diese meine Behauptung eine Anzahl von handfesten Zahlen gleich geben zu können. Ich möchte aber vorausschicken, daß die Bundesregierung es außerordentlich bedauern würde - und zwar im Interesse der wirtschaftlichen Stabilität und im Interesse der Dämpfung weiteren Preisauftriebs -, wenn das Gesetz zum 30. Juni ersatzlos wegfiele.
Aus diesen Überlegungen auch kann ich leider nicht ganz meinen Wunsch erfüllen, Sie darum zu bitten, auf beide Änderungsvorschläge zu verzichten. Ich hätte das am liebsten getan und wäre insofern der Waffengenosse von Herrn Mick gewesen. Wenn wir dem aber folgen, werden wir höchstunwahrscheinlich in den Stand versetzt werden, daß das Gesetz bis zum 30. Juni noch verabschiedet wird. Angesichts der Auseinandersetzungen, die in vielstündigen Beratungen im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates erfolgten, und der dort angestellten Überlegungen geben wir dem Änderungsantrag Umdruck 309 den Vorzug, der ja in einer Anwendung auch wieder die Möglichkeit bietet, einen Teil der Anliegen des Umdrucks 308 mit zu bereinigen.
Der Herr Abgeordnete Ramminger hat sich sehr ausführlich unter anderem mit der öffentlichen Hand und ihren Ausgaben befaßt. Er hat uns damit aus dem Herzen gesprochen. Die öffentliche Hand kann aber - ich hoffe, daß Sie mir diese Äußerung nicht verübeln - nicht eine D-Mark ausgeben, die nicht der Bundestag, die Landtage, die Gemeindeparlamente bewilligen. Infolgedessen befinden wir uns hier in einer ausgezeichneten und guten Gesellschaft. Sie werden aus den eben angekündigten Zahlen aber hören, daß die öffentliche Hand mehr getan hat, als gemeinhin bekanntgeworden ist.
Herr Ramminger hat ferner gemeint, eine Dämpfung der Baukonjunktur sei gar nicht notwendig. Nun, eine solche Behauptung ist uns schlechterdings unverständlich. Wenn Sie den Bericht der Bundesbank gelesen haben, dann werden Sie finden, daß die Bundesbank exakt das bestätigt, was das Bundeswirtschaftsministerium sagt: daß nahezu der einzige Sektor in der gewerblichen Wirtschaft, der unter einer eindeutigen Überhitzung, unter einem eindeutigen Überhang der Nachfrage über das Angebot steht, der Baumarkt ist. Infolgedessen ist eine Dämpfung auf diesem Gebiet unerläßlich. Das ist dadurch zu erklären, daß gerade durch das Gesetz ein gewaltiger Stau von Bauvorhaben sich angesammelt hat, so daß bei einem ersatzlosen Fortfall genau das Gegenteil von dem eintreten würde, was wir alle zu erreichen suchen.
Die Herren haben die Frage gestellt: Hat das Gesetz seinen Zweck erfüllt? Ich gebe Ihnen zu, daß die Antwort auf diese heikle Frage nicht ganz leicht ist. Bei einer objektiven Würdigung der Antwort dürfen Sie aber nicht außer acht lassen, daß bei Inkrafttreten des Gesetzes eine Fülle von Genehmigungen in den Verwaltungsstuben aller Länder lag, die dort aufgehalten wurden. Infolgedessen ist die Anzahl der genehmigten Anträge, die während der Laufzeit dort liegengeblieben sind, sehr beachtlich. Dagegen ergeben sich die von Herrn Ramminger genannten 50 Millionen oder 80 Millionen nur aus jenen Anträgen, die während der Laufzeit des Gesetzes mit der Maßgabe genehmigt wurden, daß die beantragten Bauten erst ab 1. Juli 1963 verwirklicht werden dürften. Das ist selbstverständlich ein kleiner Bruchteil jener Anträge, die in Wirklichkeit auf den Markt kommen.
Ich gebe Ihnen nun eine kurze Zusammenfassung jener Konsequenzen, die sich aus dem Vorhandensein des Gesetzes ergeben haben. Diese Zahlen, meine verehrten Damen und Herren, können keinen Anspruch darauf erheben, ganz exakt errechnet zu werden, auch nicht auf 20 und 50 Millionen genau. Aber in der Größenordnung fußen sie auf soliden, redlichen Schätzungen. Sie sind außerdem zum großen Teil aus den Meldungen der Länder zusammengestellt.
Bei der Behandlung des Baumarkts haben wir uns zwei Dinge angelegen sein lassen, einmal die Beschränkung der Nachfrage und dann die Steigerung des Angebots. Ich möchte zuerst etwas zur Beschränkung der Nachfrage sagen. Durch das Gesetz, das heute eine so harte Kritik hier erfahren hat, wurden immerhin Bauvorhaben im Volumen von 800 Millionen DM verhindert. Das ergibt sich aus der Zusammenstellung aus den Meldungen der Länder.
Ferner wurden in dem Entwurf des Bundeshaushaltsgesetzes die für den Baumarkt interessanten Ansätze wie folgt gekürzt: für den Fernstraßenbau - ich gebe zu, das ist natürlich nicht Hochbau, aber auch dort werden ja vor allen Dingen die Arbeitskräfte benötigt - um 380 Millionen DM, für den Bundeshochbau um 225 Millionen DM und für den sozialen Wohnungsbau um 125 Millionen DM.
({0})
- Das sind die exakten Ziffern! - Darüber hinaus wurde durch die Sperre von 20% der Haushaltsmittel für den Bundeshochbau die Nachfrage in Höhe von rund 350 Millionen DM zurückgehalten. Schließlich wurden durch Versagung der Zustimmung zum Beginn von Hochbaumaßnahmen des Bundes Bauvorhaben im Volumen von 300 Millionen DM hinausgeschoben, und bei Ländern und Gemeinden wird das Ergebnis der Dämpfungsmaßnahmen auf etwa 300 Millionen DM geschätzt; das ist dort ziemlich solide geschätzt.
Nun hatte einer der Herren kritisch auf die Prognose des Wirtschaftsministeriums hinsichtlich der Preisentwicklung abgezielt. Es ist zuzugeben, daß die Bautätigkeit vom November vorigen Jahres bis Februar dieses Jahres wegen des sibirischen Winters eine gewaltige Einschränkung erfahren hat. Trotzdem bin ich glücklich, Ihnen nun sagen zu können, daß unsere Erwartungen auch in der Zeitspanne von Februar bis Mai zumindest einigermaßen erfüllt wurden. Für diese Zeit von Februar bis Mai, also für immerhin vier Monate, wird ein Anstieg der Baupreise um 2,2 % verzeichnet - in diese Zeitspanne fällt der Lohnanstieg -, während er in der gleichen Zeit des Vorjahres reichlich 4 % betragen hat. Wir können also hoffen, daß sich die Erwartungen der Bundesregierurng auch hier einigermaßen erfüllen.
Ich möchte noch ein Wort zur Steigerung des Angebots sagen. Hier sind wir in der Tat der Meinung, daß insbesondere durch Rationalisierung alles geschehen sollte, was geschehen kann. In den vergangenen vier Jahren ist aber schon einiges erreicht worden. Gerade durch das kontinuierliche Bauen haben wir die Leistung von 100 000 Bauarbeitern zusätzlich erwirkt.
Da Herr Abgeordneter Börner auf die vorfabrizierten und Fertighäuser abgestellt hat, möchte ich auch hier die Zahl nennen. Sie ist nicht sehr spektakulär; das gebe ich zu. Es sind 11 000 in der Fabrik vorgefertigte Häuser aufgestellt worden. Aber ich kann Sie, Herr Abgeordneter Börner, auch nach der Richtung beruhigen, daß wir in Brüssel für die Einfuhr von Fertighäusern alles getan haben, was wir tun konnten. Ich möchte hinzufügen - vielleicht beantworte ich damit schon die von Ihnen beabsichtigte Frage -, daß zwar nur eine kleine Zahl genehmigt wurde, daß aber diese Zahl von Fertighäusern in der Bundesrepublik nicht einmal untergebracht werden konnte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß ein wesentliches Problem des vorgefertigten Wohnungsbaues in dem hohen Kapitalaufwand besteht, den das Unternehmen erbringen muß, ehe es mit einem vernünftigen Ausstoß der Produktion und damit mit einer preislichen Entwicklung, die mit dem traditionellen Bau
vergleichbar ist, rechnen kann? Und würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die öffentliche Hand hier die Aufgabe hätte, solche Versuche gerade aus der Sicht der Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Zukunft mehr zu unterstützen?
Ich bin nicht der Meinung, Herr Abgeordneter, daß es Angelegenheit der öffentlichen Hand ist, diese Dinge zu unterstützen, um so mehr, als - wie Sie 'selber in Ihrer Rede soeben erwähnt haben - im europäischen Ausland hier schon beachtliche Fortschritte gemacht worden sind. Ich gebe Ihnen zu, daß ein ziemlicher Kapitalaufwand für diese Produktion erforderlich ist. Ich glaube aber andererseits, daß diese Bauweise in fortschreitendem Maße auch in unserem Lande an Boden gewinnt. Am Niederrhein z. B. können Sie feststellen, daß bei neuen industriellen Siedlungen schon in weitem Umfang nach dieser Methode gebaut wird.
Zum Schluß ein paar Zahlen, mit denen ich begründen möchte, daß ich die regionale Lösung, die Sie wünschen, für akzeptabel halte. Diese Zahlen sind interessant. Der Bund hat im vorigen Jahr für Bauten - alles zusammen: Verteidigung, Hochbau, Tiefbau - 5,5 Milliarden DM aufgewendet. In diesem Jahr wird für 5,3 Milliarden DM gebaut werden, gerechnet in den laufenden Preisen 'für 1963. Die Länder hatten beabsichtigt 3 Milliarden und wollen 3,3 Milliarden. Da haben wir im Bundesrat die Bitte geäußert, daß mit der Einräumung einer solchen regionalen Lösung doch die Sicherung gegeben wird, daß die Länder sehr behutsam vorgehen. - Die Gemeinden dagegen haben im Jahre 1962 7 Milliarden DM aufgewendet und werden im Jahre 1963 8 Milliarden DM aufwenden. Das ist natürlich eine bedenkliche Steigerung, die es uns nahelegt, eine behutsame Anwendung der regionalen Erleichterung zu erbitten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Staatssekretär, ich war überrascht über Ihre Antwort auf meine Frage hinsichtlich der 'Gewährung von Zuschüssen oder Kapitalhilfen der öffentlichen Hand für den Fertigbau. Würden Sie wenigstens darin mit mir übereinstimmen, daß, wenn Zuschüsse oder andere Kapitalhilfen wie Zinsverbilligungen Ihrer Meinung nach nicht angebracht sind, eventuell die Möglichkeit bestehen müßte, über steuerliche 'Maßnahmen den betreffenden Unternehmen einen Anreiz zu geben?
Diesen Weg könnten wir prüfen. Dann müssen wir aber den Finanzminister um seine Meinung fragen.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe den Eindruck, daß der Herr Kollege Mick sich die Sache ein bißchen einfach machte, als er als Alternative nannte: entweder, wir verlängern das Gesetz, oder gar nichts. Als wenn es für uns Abgeordnete nicht gelegentlich Möglichkeiten differenzierteren Denkens und Handelns gäbe! Es ist natürlich das Einfachste und mitunter auch das am wenigsten Ärgerliche, wenn man etwas verlängert, was sich inzwischen eingespielt hat. Aber ich halte es für unzuträglich, etwas zu verlängern, wenn man es expressis verbis und mit guter Überlegung befristet hat. Gerade weil von dem Gesetz, das wir vor einem Jahr beschlossen haben, bestimmte Gewerbezweige sehr nachhaltig betroffen sind, kam es entscheidend auf diese Befristung an. Da können wir nicht einfach sagen, diese Maßnahme könne jetzt einfach noch einmal um ein halbes Jahr verlängert werden.
Diese Verlängerung wirft drei entscheidende Probleme auf. Das eine Problem liegt darin, daß man versucht, ein Gesetz zehn Tage vor seinem fristgemäßen Ablauf in aller Eile zu verlängern. Das ist eine sehr unschöne Angelegenheit, die wir der Bevölkerung nicht häufig zumuten sollten, gerade dann nicht, wenn über die öffentliche Hand hinaus bestimmte Gewerbezweige betroffen sind, die in Konkurrenz mit anderen stehen. Schon aus diesem Grund halte ich es nicht für tunlich und nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht für gut, wenn wir hier eben die Sperrung für bestimmte Gewerbezweige - es ist schon auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit hingewiesen worden - verlängern. Darum unser Antrag, nach dem gerade diese Gewerbezweige aus dem sonst noch weiterbestehenden Stoppgesetz herausgenommen werden sollen.
Das zweite Problem, das aufgeworfen wird, ist das des Auslaufens. Wir haben gerade recht eindrucksvolle Zahlen gehört. Wir wollen sie glauben, weil sie vom Ministerium sicherlich mit großer Sorgfalt erarbeitet sind. Diese Zahlen zeigen uns doch, was auf uns zukommt, was jetzt, Herr Mick, am 1. Januar nächsten Jahres nach dem Willen der Initiatoren dieses Gesetzentwurfs genau in den Frühjahrsboom hinein noch an aufgestauten Dingen dazukommt. Und gerade das wird nicht klein sein. Wir von der FDP waren deswegen der Auffassung, daß wir ohne Härte, ohne nennenswerte Härte, so will ich vorsichtigerweise sagen, den Weg eines schrittweisen Auslaufens finden müßten. Aus diesem Grunde haben wir diese Abstufung vorgenommen, um jetzt einiges herauszunehmen, und zwar gerade das, was aus verfassungsrechtlichen Gründen sowieso Schwierigkeiten macht und was von Anfang an in besonderer Weise als befristet versprochen war, und nun die anderen Vorschriften noch um ein Jahr zu verlängern, nämlich die Vorschriften, die mindestens vom Staatsbürger als nicht so belastend im Einzelfall empfunden werden. Genau das ist der Grund für den Antrag auf dieses schrittweise Auslaufen.
Frau Funcke ({0})
Nun zum dritten Problem; es klang bei der Rede von Herrn Kollegen Mick an, und das hat uns sehr hellhörig gemacht. Er hat nämlich gesagt: Wir brauchen die Zeit, um uns bis zum. Jahresende wieder etwas Neues einfallen zu lassen. - Meine Herren und Damen, wir haben schon einmal die Sorge gehabt, daß hier so etwas wie Lizenzierung herauskommt, und da sind wir sehr empfindlich. Wir möchten also nicht, daß in irgendeiner Form nicht nur hier im Hause, sondern vor allen Dingen bei der interessierten Öffentlichkeit, die ja einmal disponieren will, der Eindruck entsteht, daß wir jetzt hier wieder eine bloße Atempause konstruieren, um dann im Dezember mit möglicherweise noch massiveren Begrenzungen und Lizenzierungen an die erstaunte Öffentlichkeit zu kommen. Hier sagen wir von den Freien Demokraten nein. Wir sind deswegen der Meinung, mit unserem Antrag auf schrittweise Überwindung dieser Grenzen doch den richtigen Weg zu gehen. Wir bitten um Annahme unseres Antrages.
Eine Zwischenfrage!
Frau Kollegin, sind Sie nicht mit uns der Meinung, daß es marktkonformer wäre - und das wollten Sie doch soeben mit Ihrem Vorschlag eigentlich erreichen -, wenn Sie diesem anderen Änderungsantrag zustimmten, wonach die Länderregierungen ermächtigt werden sollen, je nach Lage der Baukapazität das Gesetz dort nicht in Anwendung zu bringen, wo es nicht notwendig ist?
Wir hoffen zunächst ja noch, daß unser Antrag angenommen wird und sich die Frage damit im wesentlichen erledigt.
({0})
Im übrigen werden wir dann sehen, wie das Hohe Haus beschließt.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren - und ich unterstreiche das, was Frau Kollegin Funcke hier gesagt hat -, daß es ein etwas schwieriges Unterfangen ist, wenige Tage vor dem Ablauf eines so einschneidenden Gesetzes die Verlängerung zu beschließen. Ich glaube, wir sind uns auch darüber im klaren - und das zeigen auch die vorliegenden Anträge -, daß dieses Baustoppgesetz gewisse Unebenheiten - ich möchte nicht sagen: Ungerechtigkeiten - enthält. Aber ich bin persönlich der Meinung, daß das, was in diesem Gesetz steht, das mindeste von dem ist, was überhaupt noch einen Sinn haben kann.
({0})
Wir dürfen nicht nur davon sprechen, daß die Baukonjunktur überhitzt ist und daß man etwas tun muß, und in dem Augenblick, wo man etwas tun muß, dann davor zurückschrecken.
({1})
Für die Mehrzahl meiner politischen Freunde möchte ich ganz offen sagen: wir beschließen die befristete Verlängerung nicht mit großer Freude, aber wir glauben, die Verantwortung dafür nicht übernehmen zu können, daß dieses Gesetz ohne Ersatz kurzfristig ausläuft und der ganze aufgestaute Bedarf bei der ohnehin überhitzten Lage auf dem Baumarkt hinzutritt.
Wenn dieses Gesetz allerdings - und das sage ich für mich persönlich. -, das ohnehin nur eine sehr milde Waffe im Kampf gegen die Überhitzung der Baukonjunktur ist, noch durch Einschränkungen so entwertet wird, daß praktisch nur die Überschrift übrigbleibt, dann, meine Damen und Herren, sehe ich mich persönlich - das sage ich ganz offen - außerstande, der Verlängerung dieses Gesetzes überhaupt noch zuzustimmen.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge, zunächst Umdruck 308. Ich nehme an, die Antragsteller sind damit einverstanden oder legen Wert darauf, daß nach Ziffern getrennt abgestimmt wird. Umdruck 308 Ziff. 1! Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Legen die Antragsteller Wert darauf, daß auch über den Antrag Umdruck 308 Ziff. 2 abgestimmt wird?
({0})
- Damit ist auch Ziff. 2 erledigt.
Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 309 im ganzen! Einverstanden?
({1})
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 309 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es besteht keine Einigkeit im Vorstand. Die Abstimmung wird wiederholt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag Umdruck 309 zuzustimmen wünschen, aufzustehen. - Gegenprobe! - Zwei Schriftführer sind der Meinung, das erste sei die Mehrheit gewesen.
({2})
- Meine Damen und Herren, so geht es nicht; aber ich glaube, die beiden Herren haben recht. „Zwei zu eins" kann man nicht sagen, wenn es sich um eine pünktliche und gewissenhafte Feststellung handelt; aber ich glaube, das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag Umdruck 309 ist angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das
Wort gewünscht? - Das Wort zur allgemeinen AusPräsident D. Dr. Gerstenmaier
sprache in dritter Lesung wird nicht gewünscht. Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen mir nicht vor. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages Umdruck 309 - der ist jetzt Abstimmungsgrundlage - zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, das ist auf keinen Fall feststellbar. - Enthaltungen? - Ich bedaure, meine Damen und Herren, es muß ausgezählt werden. Ich bitte, die Türen zu schließen.
({3})
- Jetzt bin ich in der Abstimmung. Jetzt kann ich einen anderen Antrag überhaupt nicht zulassen, meine Herren; das tut mir leid. Ich muß jetzt in der Abstimmung fortfahren. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 196 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 88 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 46 Mitglieder des Hauses. Danach ist das Gesetz auf Drucksache IV/ 1257 in dritter Lesung angenommen, und zwar in Entsprechung zu dem Änderungsantrag in der zweiten Lesung auf Umdruck 309.
Ich schlage dem Hause vor, daß die Überschrift geändert wird. Sie ist ein Bestandteil des Gesetzes. In dem Änderungsantrag ist eine Änderung der Überschrift nicht beantragt worden. Ich müßte also insoweit den Gesetzentwurf Drucksache IV/1257 aufnehmen. In der Drucksache IV/1257 heißt es: „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit". Nun haben wir hier aber nicht nur eine Verlängerung der Geltungsdauer, sondern auch eine Änderung des Gesetzes. Also müßte es heißen: „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes und der Geltungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit". Ist das Haus damit einverstanden? Redaktionelle Änderung! - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes ({4}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({5})
({6}).
Dazu liegen Änderungsanträge Umdrucke 305, 306 und 307 vor *).
Ehe ich der Berichterstatterin, Frau Beyer ({7}), das Worte gebe, teile ich mit, daß eine interfraktionelle Übereinkunft erzielt worden ist, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß zurückzuüberweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
({8})
*) Siehe Anlagen 6, 7 und 8
- Mit den Änderungsanträgen, die vorliegen, an den Ausschuß zurück. Das Haus ist einverstanden?
- Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über öffentliche Jugendzahnpflege ({9}) ({10}),
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Jugendzahnpflege Bundesjugendzahnpflegegesetz) ({11}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Zunächst zu dem Entwurf Drucksache IV/1260 Herr Abgeordneter Dr. Tamblé.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die Begründung zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache IV/1260 geben zu dürfen. Ich möchte hierzu zunächst einige kurze grundsätzliche Ausführungen machen. Mehr als 90 % der zivilisierten Menschheit leiden an Zahnfäule - Karies - und in vielen Gegenden der Bundesrepublik sind auch schon die Schulkinder zu 60 bis 70 % von dieser ernst zu nehmenden Volkskrankheit befallen. Die Behandlung der Zahnkaries erfordert jährlich Hunderte von Millionen D-Mark, für die zum großen Teil die Allgemeinheit aufzukommen hat. Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß diese erschreckende Zahl verkleinert werden könnte, wenn gewisse Vorbeugungsmaßnahmen durchgeführt würden.
Aus diesen Erwägungen entstand die Initiative zu einem Jugendzahnpflegegesetz, das der Vorbeugung gegen Gebißerkrankungen dienen soll. Mit einem gewissen Recht sind wir zunächst etwas skeptisch, wenn wir davon hören, daß die Gesundheit durch gesetzgeberische Maßnahmen gefördert werden soll. Es liegt jedoch auf der Hand, daß, wenn je derartige Gesetze sinvoll sind, auf jeden Fall das geplante Jugendzahnpflegegesetz zu ihnen gehören muß.
Zwei grundsätzliche Erwägungen sind es, auf denen sein Gedanke beruht, und zwar einmal die, daß Gebißerkrankungen, vor allem die Zahnfäule, durch vorbeugende Maßnahmen tatsächlich zum großen Teil verhindert werden können, weiter die Erkenntnis, daß diese vorbeugenden Maßnahmen beim Schulkind sehr oft schon zu spät kommen. Nur die systematische Überwachung und Betreuung des Kindes vom dritten Lebensjahr an, des Schulkindes und des Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr ermöglichen es, wirklich vorbeugend wirken zu können. Von diesem Alter an kann man erwarten, daß die jungen Menschen an die Überwachung und Behandlung gewöhnt und dann auch einsichtig genug sind, sich weiterhin freiwillig zahnärztlich überwachen zu lassen.
Niemand denkt daran, eine zahnärztliche Behandlung zu erzwingen. In Griechenland und auch in Japan gibt es Gesetze, nach denen jeder Bürger
durch die Polizei zum Zahnarzt gebracht werden kann, wenn er versäumt, sich dort vorzustellen. Diese Gesetze gründen in erster Linie auf der Tatsache, daß durch den Kariesbefall des einzelnen die Gemeinschaft geschädigt wird. Natürlich lehnen wir einen solchen Zwang ab, so verständlich auch seine Begründung sein mag. Ein derartiges Verfahren würde einen Eingriff in die vom Grundgesetz garantierten Persönlichkeitsrechte darstellen. Außerdem wäre es weder den kleinen Patienten noch den behandelnden Zahnärzten zuzumuten.
Den Erkrankungen des Gebisses kann man am leichtesten und erfolgreichsten vorbeugen. Die Gebißkrankheiten unterscheiden sich durch einige ganz wesentliche Punkte von fast allen übrigen Störungen der Gesundheit des menschlichen Organismusses. Die für alle Betrachtungen entscheidende Eigenart des Zahnes und seines Versorgungsorganes, der Pulpa, besteht darin, daß sie keine Regenerationsmöglichkeit besitzen. Ein einmal begonnener Prozeß kann also als eine chronisch-fortschreitende, nicht heilbare Erkrankung betrachtet werden, die vom Ausgangspunkt von der Größe einer Stecknadelspitze über die Pulpa an das Nerven- und Gefäßsystem des Organismusses eindringt und in der Lage ist, in Form dentogener Fernstörungen neue Krankheiten - Erkrankungen anderer Organe, wie Herz, Gelenke, Nieren usw. - zu setzen.
Trotz zahlreicher Versuche einer echten kausalen Therapie oder einer echten Prophylaxe bleibt der gegenwärtigen Zahnheilkunde nach wie vor als erfolgversprechendes Mittel ausschließlich die rechtzeitige Behandlung, die den Zahn und die Gesamtheit des Kauorgans nicht nur kaufähig erhält, sondern ihn auch biologisch am Leben erhält. Gerade die Forderung nach der Lebenderhaltung des Zahnes ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Die unabdingbare Voraussetzung für eine solche zahnärztliche Behandlung ist aber das rechtzeitige Erscheinen des zahnkranken Menschen in der Praxis des Zahnarztes. Dann und nur dann ist die zahnärztliche Kunst in der Lage, die Lebenderhaltung und das Stoppen eines kariösen Prozesses über viele Jahre hinaus mit großer Wahrscheinlichkeit zu ermöglichen.
Dabei handelt es sich keineswegs nur darum, alle kleinsten Schäden möglichst früh zu erkennen und zu beseitigen, sondern vor allem auch um die Aufklärung der Eltern über vorbeugendes Verhalten, beispielsweise über richtige Ernährung und die sonstige Lebensweise des Kindes. Dem, der meint, damit sei im Grunde doch wieder alles freiwillig, und so werde ein Gesetz, das nur Untersuchungen vorsieht, nichts nützen, widerspricht die Erfahrung der Zahnärzte aus großen Modellversuchen. In Großbetrieben und in Schulen, in denen nach dem Prinzip der systematischen Untersuchung mit ausschließlicher freiwilliger Behandlung verfahren wurde, hat sich gezeigt, daß der weitaus größere Teil der jugendlichen Patienten ohne weiteres „mitspielt".
Die meisten Eltern wollen ja das Beste für die Gesundheit ihrer Kinder. Die Aufklärung erreicht sie nur nicht in hinreichendem Maße. Hierzu soll die systematische Untersuchung Abhilfe schaffen. Bei dieser Gelegenheit kann mit den Eltern schon des dreijährigen Kindes der Wert zweckmäßiger Ernährung, regelmäßiger Pflege des Milchgebisses und der Frühbehandlung erörtert werden. Wenn dann die Eltern erst einmal wissen, daß auch das Milchgebiß erhalten werden muß, daß Schäden an ihm oft für Dauerschäden ausschlaggebend sind, daß seine Pflege und Erhaltung maßgebend sind für die Verhütung von Stellungsfehlern und Kiefermißbildungen, dann werden sie auch auf die notwendige Frühbehandlung des Kindes achten.
Leider werden nur 35 % aller Jugendlichen in der Bundesrepublik in dieser oder ähnlicher Weise auf zahnärztlichem Gebiet sozialhygienisch betreut. Weitaus der größte Teil unserer Jugend wird noch immer nicht untersucht und veranlaßt, sich rechtzeitig in Behandlung zu begeben.
In Deutschland liegen genügend Erfahrungen auf allen Gebieten der Jugendzahnpflege vor, und zwar aus den Kommunen und Kreisen, die aus bürgerlichem Gemeinsinn und Verantwortungsgefühl vielfach schon seit mehr als 50 Jahren Jugendzahnpflege in irgendeiner Form betreiben, obwohl der Gesetzgeber es bisher nicht von ihnen verlangt hat. Dieser Eigeninitiative der kommunalen Selbstverwaltung soll selbstverständlich in keiner Weise durch eine bundesgesetzliche Regelung irgendeine Beschränkung auferlegt werden. Das Gesetz muß sich vielmehr an diejenigen richten, die ein Mindestmaß des Notwendigen bisher nicht realisieren konnten.
Unsere Gesetzesvorlage steckt den Rahmen für die öffentliche Jugendzahnpflege ab. Die Zuständigkeit des Bundes ist nach Art. 74 Ziffer 7 des Grundgesetzes gegeben und liegt im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Aufgabe dieser sozialhygienischen Maßnahmen für Kinder und Jugendliche soll es sein, die vorbeugende Zahnpflege zu fördern, Schäden rechtzeitig zu erkennen und auf notwendige zahnärztliche Behandlung hinzuwirken. Die Behandlung selbst soll uneingeschränkt den frei praktizierenden Zahnärzten überlassen bleiben.
Der Bundeshaushalt wird nicht in Anspruch genommen. Die Durchführung dieses Gesetzes wird nur vorübergehend einen erhöhten Einsatz von öffentlichen Mitteln erfordern. Großversuche haben bewiesen, daß schon nach dreijähriger systematischer Betreuung die Gesamtkosten erheblich zurückgehen. Damit ist auch die Wirtschaftlichkeit des Gesetzes sichergestellt.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion berücksichtigt weitgehend Vorschläge, die von verschiedenen im Bereich der Gesundheitspflege tätigen Organisationen nach mehrjährigen Beratungen ausgearbeitet worden sind. Schon im Jahre 1957 hatte der Bundesgesundheitsrat folgendes Votum erstattet:
Die gesetzliche Regelung der Jugendzahnpflege wird für notwendig gehalten. Die Jugendzahnpflege soll nach vollendetem vierten Lebensjahr beginnen und bis zur Schulentlassung durchgeführt werden.
Der für ein derartiges Gesetz damals zuständige Bundesminister des Innern hielt es für angebracht, eine gesetzliche Regelung zurückzustellen, bis die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt sei. Wir halten diese Bedenken nicht für gerechtfertigt.
Später hat dann auch die Bundesregierung mehrfach angekündigt, im Bereich der öffentlichen Jugendzahnpflege gesetzgeberisch tätig zu werden. Diesen Ankündigungen sind aber bis heute keine Taten gefolgt. Die Passivität des Gesundheitsministeriums paßt sich allerdings der politischen Vorstellungswelt des Herrn Arbeitsministers Blank an, der die zahnärztliche Untersuchung sogar mit zusätzlichen Gebühren belegen will. Während sich Herr Blank und die CDU/CSU mit diesen sozialpolitisch bedenklichen Plänen beschäftigen, beschränkt sich das Gesundheitsministerium darauf, zu beobachten, wie sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung immer mehr verschlechtert. Dieses unverantwortliche Zögern der Bundesregierung hat die sozialdemokratische Fraktion veranlaßt, nunmehr selber die Initiative für die Erstellung eines Jugendzahnpflegegesetzes zu ergreifen.
Wir beantragen, die Drucksache IV/1260 an den Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen.
({0})
Zur Einbringung und Begründung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube kaum, daß nach den dezidierten Ausführungen meines Kollegen Dr. Tamblé jemand nicht davon überzeugt ist, wie nötig Jugendzahnpflege ist. Ich habe die Ehre, hier unseren Antrag, den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Jugendzahnpflege zu begründen.
Bei der Vorlage eines Jugendzahnpflegegesetzes stellt sich die Frage, ob denn die bisherigen Regelungen der Schulzahnpflege nicht ausreichend gewesen sind. Sie wissen, daß auf Grund des Vereinheitlichungsgesetzes von 1934 die Länder durch die Gesundheitsämter diese Schulzahnpflege durchgeführt haben, jedes Land aber mit verschiedenem Ausmaß. Da es trotzdem zu einem erschreckenden Anstieg der Zahnerkrankungen und der Kieferanomalien bei unseren Kindern und Jugendlichen gekommen ist, ist eine einheitliche bundesgesetzliche Regelung notwendig geworden.
Dazu kommt, daß es sich hier um ein besonders wichtiges Vorsorgegebiet handelt, weil Zahnerkrankungen auf die Dauer auch Schäden am Gesamtorganismus hervorrufen können. Wenn man darüber hinaus die Nachlässigkeit nicht nur bei den Kindern, sondern leider auch bei den Eltern und die uns allen bekannte Angst vor dem Zahnarzt sowie die Eigenart der Zahnerkrankungen berücksichtigt, Schmerzen erst dann zu verursachen, wenn schon irreparable Schäden eingetreten sind, scheint uns
Anlaß genug gegeben zu sein, eine weitere Möglichkeit zur Früherkennung dieser Schäden zu schaffen.
Sie finden in der Vorlage eine Ausweitung des Personenkreises gegenüber den bisherigen Maßnahmen der Länder. Aus der Erkenntnis, daß auch Schäden am Milchgebiß Auswirkungen auf die spätere Zahnentwicklung haben, sind die Kinder vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr miteinbezogen worden, und, um eine mögliche Lücke zwischen dem Zeitpunkt der Schulentlassung und dem Eintritt in das Berufsleben und damit meistens ja auch in einen Versicherungsstatus zu schließen, sind die Jugendlichen vom 14. bis zum 18. Lebensjahr miteinbezogen worden. Alle Kinder im Alter von drei bis 18 Jahren erhalten also einen Rechtsanspruch auf die unentgeltlichen Leistungen nach diesem Gesetz, und zwar auf eine mindestens einmal jährlich stattfindende zahnärztliche Untersuchung und die erforderlichen Nachuntersuchungen sowie die regelmäßigen zahnärztlichen Belehrungen.
Da es uns auf eine klare Abgrenzung zwischen Diagnostik und Therapie ankam, wurde die Formulierung „zahnärztliche Untersuchung zur Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit" gewählt. Wir sind der Meinung, daß die Behandlung eine Sache der freipraktizierenden Zahnärzteschaft ist. Aufgabe einer staatlichen Jugendzahnpflege kann es nur sein, Möglichkeit und Anreiz zur Untersuchung zu geben und darüber hinaus verstärkt auf die Kinder und Jugendlichen, aber auch auf die Eltern und Erzieher durch Belehrung und Beratung einzuwirken.
Diese Dinge sind seit geraumer Zeit durch verschiedene Vorschläge aus den beteiligten Kreisen im Gespräch, und sie finden ja auch einen Niederschlag in dem Entwurf der SPD. Nach eingehender Prüfung sind wir der Meinung, daß in unserem Antrag alle diese Anliegen berücksichtigt worden sind und daß darüber hinaus den Ländern die Möglichkeit zu weitergehenden diagnostischen Maßnahmen durchaus offengeblieben ist.
Wir beantragen, unsere Vorlage dem Gesundheitsausschuß zu überweisen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. - Beantragt ist, beide Anträge, Drucksachen IV/1260 und IV/1266, an den Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. Das Haus ist damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ehe ich die Sitzung schließe, teile ich mit, daß ich die Präsenzpflicht für Dienstag, den 25. Juni 1963, aufhebe in der Erwartung, möglichst viele Mitglieder des Hauses dann in Frankfurt wiederzusehen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf Freitag, den 21. Juni 1963, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.