Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/13/1963

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Die Sitzung ist eröffnet. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Abgeordnete Schwabe hat mit Schreiben vom 8. März 1963 seine mündlichen Anfragen XII/2, XII/5 und XII/6 auf Drucksache IV/1019 zurückgezogen. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({0}) Drucksache IV/1041 dem Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 9 über den Europäischen Sozialfonds - Drucksache IV/1050 -an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Sozialpolitik - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. März 1963, Richtlinie des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen - Drucksache IV/1051 an den Ausschuß für Gesundheitswesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. Mai 1963, Verordnung Nr. 12/63/EWG des Rats vom 20. Februar 1963 zur Änderung der Verordnung Nr. 42 des Rats und zur Verlängerung der Verordnungen Nr. 45, 46 und 116 des Rats ({1}) an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden. Zu den in der Fragestunde der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. Februar 1963 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Hamm ({2}) Nr. III/1 und Nr. III/2 *) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Dr. h. c. Erhard vom 11. März 1963 eingegangen. Sie lautet: Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen beantworte ich Ihre Fragen wie folgt: a) Zusammengefaßt für die Fragen III./1 und III./2: Es trifft zu, daß nach einem Gutachten, das im Auftrage der Landesregierung Nordrhein-Westfalen eingeholt worden ist, einige Stoffe aus der Gruppe sogenannter „weicher" Detergentien geprüft worden sind, die eine etwas höhere Giftigkeit gegenüber Kaltblütern ({3}) zeigten als die zur Zeit verwendeten sogenannten „harten" Detergentien; *) Siehe 61. Sitzung Seite 2782 B die Giftwirkung wurde allerdings bei wesentlich höheren Konzentrationen der Detergentien beobachtet, als sie in unseren Gewässern praktisch vorkommen. Gegenüber Warmblütern zeigten sich bei Untersuchungen von anderer Seite keine Unterschiede in dre Giftigkeit, die hier vergleichsweise sehr gering ist. Außerdem überwiegt bei den geprüften „weichen" Detergentien die gute Abbaubarkeit ihre höhere Giftigkeit gegenüber Kaltblütern, so daß im Falle ihrer späteren Verwendung nicht damit zu rechnen ist, daß sie den Fischbestand in den Gewässern oder die Trinkwasserversorgung gefährden. Die Ergebnisse des erwähnten Gutachtens erlauben im übrigen für die Praxis noch keine abschließende Beurteilung, da die von der Industrie im Jahre 1960 begonnene Entwicklung sogenannter „weicher" Detergentien zur Zeit noch keineswegs abgeschlossen ist. So vermitteln zum Beispiel vor etwa drei Monaten bekanntgegebene Forschungsergebnisse den Eindruck, daß gewisse neu entwickelte Detergentien unter Laboratoriumsbedingungen zum Teil über 90 % abbaubar und mit den bekannten „harten" Detergentien verglichen praktisch ungiftig sein sollen; in der Folgezeit wird eine weitere Prüfung ergeben müssen, ob dieser erste Eindruck allen Erfordernissen der Praxis an Abbaubarkeit und Wascheigenschaften standhält. Da die Meinung der Fachleute, auch derjenigen der Industrie, dahin geht, daß bei Inkrafttreten der Rechtsverordnung brauchbare Detergentien verfügbar sein werden, d. h. Stoffe, die auch hinsichtlich ihrer Giftigkeit weder für den Fischbestand noch für die Trinkwasserversorgung eine erhöhte Gefahr mit sich bringen, sieht das Bundeswirtschaftsministerium keinen Anlaß, in diese Entwicklung durch eine Änderung bzw. Ergänzung von Rechtsvorschriften einzugreifen. b) Im einzelnen führe ich hierzu noch folgendes aus: Zu Frage III./1: Die Landesanstalt für Fischerei von Nordrhein-Westfalen in Albaum ({4}) hat im Auftrag des Herrn Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes NordrheinWestfalen am 18. Mai 1962 einen ausführlichen Bericht „über die Untersuchung der Störungsschwelle bei Fischen und Fischnährtieren" durch Detergentien erstattet. Gegenstand des Berichtes waren toxikologische Untersuchungen mit sogenannten weichen, abbaufähigen Detergentien. Die Landesanstalt für Fischerei in Albaum hat sechs verschiedene Detergentien geprüft und eine höhere Giftigkeit einiger neuer, sogenannter „weicher" Detergentien nachgewiesen. Aus diesem Grunde und im Zusammenhang mit Verlautbarungen der Presse und des Rundfunks wurde die Frage einer etwa erhöhten Giftigkeit der neuen Detergentien von Sachverständigen der Wasserwirtschaft, der Hygiene, der Fischerei und der Detergentien herstellenden Industrie im Hauptausschuß „Detergentien und Wasser" behandelt. Vorsitzender des Ausschusses ist Professor Dr. Husmann, Essen, der den Bundestagsausschuß 26 bei der Erörterung des Entwurfes für das Detergentien-Gesetz beraten hat. Vom Hauptausschuß „Detergentien und Wasser" wurde für diesen Zweck ein besonderer Unterausschuß eingesetzt, der in Ringversuchen in mehreren Instituten ({5}) die Abbaufähigkeit von insgesamt 15 neuen Detergentien und ihre Giftwirkung auf Fische und Fischnährtiere untersuchte. Die Ergebnisse wurden zusammengefaßt und auf der 11. Sitzung des Hauptausschussus „Detergentien und Wasser" am 21. Mai 1962 in Essen vorgetragen und diskutiert. Dabei stellte sich heraus, daß die Ergebnisse dieser unabhängig voneinander durchgeführten Versuchsreihen weitgehend übereinstimmten. Die Versuche ergaben insbesondere, daß die neuen Detergentien bis auf einen geringen Restbetrag biologisch abbaubar sind. Der 'Abbau konnte, wie von allen beteiligten Stellen bestätigt wurde, mit einem Wirkungsgrad von über 80 % durchgeführt werden. Zum Teil wurden sogar Abbauleistungen von über 90 % erzielt, während bei den zur Zeit verwendeten „harten" Detergentien nur etwa 20 % erreicht wurden. Bezüglich der möglichen Gefahren für die Fischwelt bestätigten die Versuche, daß die neuen, leicht abbaubaren Waschrohstoffe für Fische und Fischnährtiere giftiger sind als die bisher verwendeten sogenannten „harten" Detergentien. Während nämlich bei diesen die Schädlichkeits- bzw. Tödlichkeitsgrenzen bei etwa 10 bis 15 mg pro Liter liegen ({6}), liegen sie bei den hier geprüften neuen Stoffen, soweit diese für Wasch- und Reinigungsmittel in Betracht kommen, bei 5 mg/l. Vizepräsident Dr. Dehler Dem Nachteil der stärkeren Giftwirkung steht aber bei den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden neu entwickelten Detergentien der Vorteil gegenüber, daß sie wesentlich besser biologisch abgebaut werden. Der Hauptausschuß „Detergentien und Wasser" und die offiziellen Vertreter der Fischerei im Lande NordrheinWestfalen, dazu gehört insbesondere auch die eingangs erwähnte Landesanstalt für Fischerei in Albaum, vertreten seitdem die Auffassung, daß der Vorteil der besseren Abbaubarkeit den Nachteil der stärkeren Giftwirkung in diesem Falle überwiegt. Hierbei haben sie mit berücksichtigt, daß sich bisher keine Bestätigung für die Befürchtung ergeben hat, der Abbau der Detergentien könne zu Produkten führen, die mit den üblichen Analysenverfahren für anionaktive Detergentien zwar nicht mehr feststellbar, aber deswegen nicht weniger giftig seien. Nach den vorliegenden Äußerungen zu diesen Fragen scheinen die Abbauvorgänge vielmehr zu weitgehend ungiftigen Produkten zu führen. Hierüber liegen Versuche des Hygiene-Institutes in Hamburg vor, denen zufolge die geprüften neuen Waschrohstoffe nach der Reinigung der Abwässer in einwandfrei arbeitenden biologischen Anlagen bei gleichen Konzentrationen sogar weniger giftig sind als die Ausgangsprodukte. Auch die speziell zu dieser Frage durchgeführten Versuche des Institutes für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes mit verschiedenen Waschrohstoffen bestätigten diese Beobachtung. Zu der Auffassung, daß bei den bisher geprüften neuen, weichen Detergentien der Vorteil einer besseren biologischen Abbaubarkeit den Nachteil einer stärkeren Giftigkeit bei weitem überwiegt, haben nicht zuletzt auch folgende Überlegungen beigetragen: 1. Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen des biologisch leicht abbaubaren Dodecylbenzolsulfonats, das vorbehaltlich weiterer Entwicklungen zunächst als Ersatz für die harten Detergentien in Frage kommt, ergeben sich im Säugetierorganismus und damit für den Menschen praktisch keine Unterschiede in der Eigengiftigkeit dieses Stoffes im Vergleich zu dem bisher überwiegend verwendeten Tetrapropylenbenzolsulfonat ({7}). Beispielsweise beträgt nach Prüfungen die mittlere tödliche Dosis ({8}) für das alte „harte" Detergens Tetrapropylenbenzolsulfonat ({9}) 1220 mg pro kg Körpergewicht, für ein neues „weiches" Detergens der Chemische Werke Hüls AG Hüls 1260 mg pro kg Körpergewicht. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die entsprechende Dosis für Kochsalz etwa 3000 mg pro kg Körpergewicht beträgt. Wenn man also überhaupt von einer „Giftwirkung" der neuen geprüften Detergentien sprechen will, dann würde diese gegenüber Warmblütern etwa der von Kochsalz entsprechen. Echte Gifte liegen in Wirklichkeit weit unter diesen Verträglichkeitsgrenzen. Untersuchungen über die chronische Wirkung des neuen Produktes der Chemische Werke Hüls AG, die über ein Jahr lang mit 120 Ratten sowohl für diese Produkte als auch für den Vergleichsversuch ({10}) und 240 Kontrolltieren durchgeführt wurden, ließen dementsprechend auch keine gesundheitlichen Schäden erkennen. 2. Wenn somit anzunehmen ist, daß eine Giftwirkung praktisch nur auf Fische und Fischnährtiere möglich ist, würde sie auch nur dann auftreten, wenn diese Organismen mit so hohen Detergentien-Konzentrationen in Berührung kommen, daß die Giftschwelle erreicht ist. In der Praxis ist es jedoch nicht erlaubt, schädliche Konzentrationen in die Wasserläufe einzuleiten, diese gelangen also praktisch nur in die Kanalisationsleitungen und werden erst hochgradig verdünnt, bevor sie - bzw. erst nach Passieren und Abbau in einer Kläranlage - in den Vorfluter gelangen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in den Vorflutern im allgemeinen nur 0,1-0,3 mg/I und nur in äußerst ungünstig gelagerten Fällen bis etwa 0,9 mg/1 Detergentien nachgewiesen wurden. Abgesehen davon, daß die Abwässer der Kanalisationen andere Giftstoffe von viel stärkerer Wirkung enthalten, ist somit in der Praxis nicht damit zu rechnen, daß durch diese neuen Detergentien das biologische Leben im Vorfluter geschädigt wird. Zu Frage III./2: Die 1960 begonnene Entwicklung der beteiligten Industriebetriebe zur Herstellung sogenannter weicher, d. h. biologisch weitgehend abbaufähiger Detergentien ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Zunächst sind Forschungsergebnisse vorgelegt worden, die eine höhere Abbaubarkeit ({11}) aber auch eine höhere Giftigkeit für Fische und Fischnährtiere ergaben, während die Giftigkeit gegenüber Warmblütern nicht erhöht war. Die Entwicklung von den alten „harten" zu den neuen „weichen" Detergentien macht verständlicherweise bei den verschiedenen beteiligten Firmen verschiedene Stadien durch. Man kann nicht jetzt schon - 19 Monate vor Inkrafttreten der Bestimmungen - erwarten, daß alle Entwicklungen im positiven Sinne abgeschlossen sind. Der lange Zeitraum von der Verkündigung des Gesetzes ({12}) bis zum Inkrafttreten der Verordnung ({13}) zum 1. Oktober 1964 ist nach eingehenden Verhandlungen zwischen den Bundesressorts, dem zuständigen Bundestagsausschuß und der Detergentien herstellenden Industrie festgelegt worden, damit gewährleistet wird, daß beim Inkrafttreten der Verordnung auch tatsächlich Detergentien mit den erwünschten Eigenschaften in Verkehr gebracht werden. Daß sich die Industrie intensiv um eine Weiterentwicklung in dieser Richtung bemüht, zeigt die Tatsache, daß vor etwa drei Monaten Forschungsergebnisse über Detergentien mitgeteilt wurden, die eine wesentlich höhere Abbaubarkeit ({14}) und eine wesentlich geringere Giftigkeit haben sollen als die gegenwärtig im Handel befindlichen harten Detergentien. Hier lassen allerdings die bisher nur unter Laboratoriumsbedingungen angestellten Abbau- und Waschversuche noch keinen endgültigen Schluß zu auf die Ergebnisse einer Nachprüfung unter den Bedingungen der Praxis. Die allgemeine Meinung der Fachleute, auch derjenigen der Industrie, geht dahin, daß einwandfreie, der Verordnung entsprechende Detergentien, die hinsichtlich ihrer Giftigkeit keine erhöhte Gefahr für den Fischbestand oder die Trinkwasserversorgung mit sich bringen, rechtzeitig zur Verfügung stehen werden. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht daher gegenwärtig keinen Anlaß, in diese Entwicklung durch eine Änderung bzw. Ergänzung von Rechtsvorschriften einzugreifen. Wir beginnen mit der Fragestunde ({15}). Wir behandeln zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Rasner -: Sind gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Merten, Stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, und den SPD-Bundestagsabgeordneten Jahn, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Ermittlungen wegen des Verdachtes der Weitergabe von Verschlußsachen geheimen und militärischen Charakters geführt worden, die sich auch auf Räume dieses Hohen Hauses erstreckten?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich beantworte die Frage mit Nein. Ermittlungen gegen die genannten Bundestagsabgeordneten können so lange nicht geführt werden, wie die Immunität nicht aufgehoben ist.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, liegen Tatbestände - wie in meiner Frage aufgeführt - vor, in denen nach Ziffer 4 b der Grundsätze dieses Hohen Hause in Immunitätsangelegenheiten verfahren wurde oder in denen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wären, wenn dem nicht die Immunität entgegengestanden hätte?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich möchte den ersten Teil Ihrer Frage bejahen; der zweite ist hypothetisch.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, laufen oder liefen noch gegen andere Abgeordnete dieses Hauses, wie gelegentlich in der Presse behauptet, gleiche oder ähnliche Untersuchungen?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Nein, solche Untersuchungen sind weder gelaufen noch laufen sie jetzt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Abgeordneter Benda, eine Zusatzfrage!

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind über die Frage, ob das von dem Herrn Abgeordneten Jahn nach seinen eigenen öffentlichen Erklärungen an den „Spiegel" weitergegebene Protokoll des Verteidigungsausschusses materielle Staatsgeheimnisse enthält, Sachverständigen-Gutachten eingeholt worden?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ein solches Gutachten ist bereits eingeholt worden; ein zweites steht noch aus.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Benda!

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Läßt sich auf Grund des Inhalts des von dem Herrn Abgeordneten Jahn an den „Spiegel" gegebenen Protokolls sowie auf Grund des bisher weiterhin vorliegenden Materials die von dem Herrn Abgeordneten Jahn in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung aufrechterhalten, daß das dem „Spiegel" zugeleitete Protokoll lediglich die Erörterung personalpolitischer Fragen eines Offiziers und nicht darüber hinaus weitere Tatsachen enthält, die möglicherweise als Staatsgeheimnisse angesehen werden müssen?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Die Beantwortung dieser Frage, Herr Kollege Benda, hängt eben von den beiden genannten Gutachten ab, von denen das eine noch nicht vorliegt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Wittrock, eine Zusatzfrage bitte!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Präsident des Bundestages den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion über den Sachverhalt, der ja irgendwie der Frage des Abgeordneten Rasner zugrunde liegt, vertraulich unterrichtet und vertraulich um Hilfe gebeten hat?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Das ist mir bekannt.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß diese so vertraulich erbetene Hilfe gewährt worden ist?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ja! Wittrock ({0}) : Danke schön!

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Hirsch, eine Zusatzfrage!

Martin Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000909, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben Sie Anhaltspunkte dafür, daß vertraulich zu behandelnde Vorermittlungen in Ihrem Hause oder sonstwo dem Herrn Fragesteller bekanntgeworden sind?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Dafür, daß das in meinem Hause geschehen ist, liegen keine Anhaltspunkte vor; ob sonstwo, weiß ich nicht.

Martin Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000909, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie erklären Sie es sich dann, daß diese Informationen in die Öffentlichkeit gekommen sind?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Dafür habe ich bis jetzt keine Erklärung. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Erler zu einer Zusatzfrage!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie bereit, zu prüfen, ob unter Umständen aus Ihrem Geschäftsbereich derartige Fragen den Fragestellern zugänglich gemacht worden sind?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich bin durchaus gewillt, das zu tun, da ich ja auch nicht auf meinem Hause die Behauptung ruhen lassen möchte, daß dort undichte Stellen seien.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Schäfer zu einer Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es richtig, daß es in dem Protokoll, um das es sich hier handelt, um eine Personalangelegenheit des Oberstleutnants Barth ging, die mit der Fallex-Übung 1962 gar nichts zu tun hat?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Es ist richtig, daß es in diesem Protokoll in erster Linie darum geht. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Haase zu einer Zusatzfrage!

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, es geht aber 'in diesem Protokoll nicht nur um die Personalsache Barth, wenn ich Sie richtig verstanden habe?

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich bitte, Herr Abgeordneter Haase, die Frageform zu wählen. Sie sollen Fragen stellen.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es aber nicht nur um die Personalsache Barth in dieser Angelegenheit? ({0}) Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Minister? ({1})

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich darf sagen, ich hätte die Frage auch ohne Fragezeichen verstanden. ({0}) Sie haben mich richtig verstanden. Ich habe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Schäfer vorhin gesagt, daß es in erster Linie um diese Personalfrage geht.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, aber habe ich Sie recht verstanden, oder ist es richtig - ({0}) Ist es richtig, daß es dabei auf jeden Fall nicht um Fallex 1962 ging?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Jawohl.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das hat sich erledigt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Also keine Zusatzfrage mehr zu dieser ersten Frage des Herrn Abgeordneten Rasner? Ich rufe seine zweite Frage - IV/2 - auf: Haben andere sozialdemokratische Abgeordnete dieses Hauses über die in Frage IV/1 bezeichneten Ermittlungen und über die Frage der Aufhebung der Immunität dieser Abgeordneten mit Angehörigen des Bundesjustizministeriums oder der Ermittlungsbehörden Gespräche geführt?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Die zweite Frage beantworte ich wie folgt. Über diese Sache hat mein Vorgänger auf Anraten von Herrn Präsident Gerstenmaier die Abgeordneten Erler und Arndt informiert. Mit beiden Herren habe in der Folge auch ich je ein Gespräch geführt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Rasner, eine Zusatzfrage.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wie oft, wann zum erstenmal und mit welchen speziellen Gesprächsthemen und welchem Ziel sind diese SPD-Bundestagsabgeordneten im Justizministerium vorstellig geworden?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Eine etwas inquisitorische Frage! Wie oft? Einmal. Ich habe gesagt: ich habe mit beiden Herren je ein Gespräch geführt. Beide Herren sind nicht im Justizministerium vorstellig geworden, sondern im ersten Fall ging die Initiative, wie ich sagte, vom Herrn Präsidenten dieses Hauses aus, im zweiten Fall von mir. Das Gespräch mit Herrn Arndt fand, erinnere ich mich zufällig, am 1. Februar in Berlin statt, das mit Herrn Erler, glaube ich, 14 Tage vorher.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte gefragt: Wann, wie oft und mit welchem Ziel?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Mit welchem Ziel? Mit dem Ziel, die beiden Herren von mir aus zu informieren.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Abgeordneter Rasner, bitte sehr!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, war das Hauptziel dieser sozialdemokratischen Abgeordneten die Verhinderung oder die Hinauszögerung des Immunitätsverfahrens?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Davon war keine Rede. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Erler, zu einer Zusatzfrage!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben sozialdemokratische Abgeordnete je versucht, die ordnungsmäßige Aufklärung und Verfolgung etwaiger Straftaten durch das Bundesjustizministerium oder durch die Ermittlungsbehörden in diesem Zusammenhang zu behindern? ({0})

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich darf mir die Antwort zu eigen machen, die der Herr Kollege Memmel gegeben hat: Nein. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Schäfer zu einer Zusatzfrage. ({0}) Herr Abgeordneter Schäfer, bitte sehr!

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben auch CDU-Abgeordnete Unterhaltungen über diesen Fragenkomplex mit Ihnen geführt, und ist auch dabei die Anregung zu der Unterredung von Ihnen oder von dem Herrn Präsidenten ausgegangen, oder haben diese Abgeordneten die Unterredung erbeten?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich habe über diese Sache nur - wenn Sie ihn als Abgeordneten bezeichnen - mit dem Herrn Bundeskanzler und mit dem Herrn Abgeordneten Güde gesprochen, letzteres mit Wissen von Herrn Jahn, vor allem um die Frage der Immunität zu klären. ({0}) - Mit Herrn Gilde. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine Zusatzfragen mehr? - Dann rufe ich auf Frage IV/3 - des Herrn Abgeordneten Rasner -: Stehen die in Frage IV/1 bezeichneten Ermittlungen gegen sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen das Mitglied des Sicherheitsausschusses beim Bundesvorstand der SPD, den „Spiegel"-Redakteur Schmelz?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Die Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Redakteur Schmelz, aber, wenn ich so sagen darf, nicht in Zusammenhang mit der Sache, wegen der gegen Schmelz ermittelt wird, sondern insofern, als die beiden Protokolle bei Schmelz gefunden worden sind.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wissen Sie, ob der Spiegelredakteur Schmelz immer noch Mitglied des Sicherheitsausschusses beim Bundesvorstand der SPD ist? ({0})

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Damit bin ich überfordert. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Schäfer zu einer Zusatzfrage, bitte.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen die Erklärung des Mitglieds des Präsidiums der SPD Fritz Erler vom 14. November 1962 bekannt, in der es wie folgt heißt: Der Sicherheitsausschuß beim Vorstand der SPD hat zu keiner Zeit geheime Dokumente von irgendeiner Stelle zur Verfügung gehabt und sie seinen Mitgliedern zugänglich gemacht. Seine Aufgabe besteht darin, Beschlüsse des Parteivorstandes oder der Parteitage auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik vorzubereiten. Dabei ist niemals geheimes Material verwendet worden. Ist Ihnen diese Erklärung bekannt?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Sie war mir im Augenblick nicht gegenwärtig.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Trifft es zu, Herr Bundesjustizminister, daß der Journalist Schmelz nicht nur laufend Informationen durch das Bundesverteidigungsministerium erhielt, sondern auch zu Manövern der Bundeswehr als Beobachter eingeladen wurde?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Auch hier bin ich überfragt, da ich über diese Gepflogenheiten des Bundesverteidigungsministeriums nicht informiert bin.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Dr. Mommer zu einer Zusatzfrage.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist vielleicht der anwesende Herr Verteidigungsminister in der Lage, diese Frage zu beantworten?

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich möchte doch meinen, daß das keine sachdienliche Frage im Anschluß an die Frage des Herrn Abgeordneten Rasner ist. Weitere Zusatzfragen? - Ich rufe dann auf die Frage IV/4 - des Herrn Abgeordneten Blumenfeld -: Sind auch gegen ein sozialdemokratisches Mitglied des Bundesrates, nämlich den Hamburger Innensenator Schmidt, Ermittlungen wegen des Verdachtes der Weitergabe von Verschlußsachen geheimen und militärischen Charakters geführt worden?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Die Frage ist mit Ja zu beantworten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage? ({0}) - Keine Zusatzfrage? - Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es richtig, daß Herr Senator Schmidt die der öffentlichen Diskussion zugrunde liegende Einladung an Journalisten zur Teilnahme im Benehmen mit dem zuständigen Wehrbereichskommando und in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Bundesregierung ergehen ließ?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Entschuldigung, ich muß mich berichtigen. Die Frage ist nicht mit Ja, sondern mit Nein zu beantworten. Es wird gegen Herrn Senator Schmidt nicht wegen des Verdachts der Weitergabe von Verschlußsachen geheimen und militärischen Charakters ermittelt, sondern wegen eines anderen Sachverhalts. Ich bitte um Entschuldigung.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir kehren also zurück. Herr Abgeordneter Blumenfeld, Sie haben die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen.

Erik Bernhard Blumenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie mir bekanntgeben können, aus welchem Motiv oder Tatverdacht heraus dann gegen den Herrn Senator Schmidt ermittelt wird?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Gegen Herrn Senator Schmidt wird wegen folgenden Sachverhalts ermittelt. Er soll dem Redakteur Ahlers bei der Abfassung des Artikels „Bedingt abwehrbereit" behilflich gewesen sein. Dieser Verdacht bestand. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Blumenfeld zu einer Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, halten Sie es dann nicht auch für etwas erstaunlich, daß der Senator Schmidt bei der Einleitung des Verfahrens gegen die Spiegel-Redakteure als Senator für Inneres besonders intensive Vorstellungen und Angriffe gegen die Bundesanwaltschaft gerichtet hat?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Für erstaunlich würde ich das dann halten, wenn sich ,der Verdacht, der gegen Herrn Senator Schmidt besteht, zu einem rechtskräftigen Urteil verfestigen würde. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß der Herr Senator Schmidt in seiner Eigenschaft als ein Sachkenner in militärischen, militärpolitischen und strategischen Fragen, als der Verfasser von Büchern, als - ({0}) - Entschuldigen Sie, wenn ich eine Zwischenbemerkung mache. Daß bei uns Leute - wenn von Büchern die Rede ist - nicht nur mit Krimnalromanen zu tun haben, ist doch 'wohl eine Ehrensache. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Meine Damen und Herren - einen Augenblick, Herr Abgeordneter Wehner! -, es ist eine Verständigung erzielt worden auf Initiative des Präsidenten dieses Hauses, daß in der Fragestunde gefragt und geantwortet, aber kein Beifall oder kein Mißfallen gezollt wird. Ich schlage vor, daß wir uns an diese Übung halten. Bitte, Herr Abgeordneter Wehner, vielleicht beginnen Sie Ihre Frage noch einmal.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich wiederholen: ich frage den Herrn Bundesminister der Justiz, ob ihm bekannt ist, daß der Herr Senator Schmidt in seiner Eigenschaft als Sachkenner in militärischen, militärpolitischen, strategischen Fragen, als der Verfasser von Büchern, von Artikeln und als Teilnehmer an internationalen Tagungen, die sich mit diesen Fragen befaßt haben, vom Redakteur Ahlers gefragt worden ist hinsichtlich der strategischen und Verteidigungskonzeptions-Angelegenheiten, die Ahlers beschäftigten, als er seinen Artikel verfaßte? ({0})

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Das ist mir bekannt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wehner?

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Aigner.

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, haben die Ermittlungen im „Spiegel"-Verfahren ergeben, daß der „Spiegel" leider vor Einleitung des Verfahrens gewarnt war und unter Umständen belastendes Material rechtzeitig weggeschafft wurde, ({0}) unter Umständen auch Material, das in dieses Haus führt?

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich glaube nicht, daß diese Frage im Zusammenhang steht. - Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, darf ich noch einmal den Zusammenhang mit der letzten Frage -

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Nein; nein; ich lasse diese Frage nicht zu. Sie steht mit dieser Frage nicht im Zusammenhang.

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, es steht mir leider keine Kritik zu.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Natürlich nicht. - Herr Abgeordneter Spies zu einer Zusatzfrage.

Josef Spies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, hat ein Sachkenner auf dem militärischen Sektor Vorrechte, mit anderen über Staatsgeheimnisse zu sprechen, gegenüber anderen Sterblichen? ({0})

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Sicher nicht.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Wittrock zu einer Zusatzfrage.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß Herr Senator Schmidt, als er auf Grund seiner Sachkunde von dem Redakteur Ahlers beratend in Anspruch genommen wurde, ausdrücklich von der Veröffentlichung bestimmter Punkte abriet, und zwar gerade aus Geheimhaltungserwägungen heraus abriet?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Es ist mir bekannt, daß Herr Senator Schmidt, als er zu der Sache gehört wurde, sich so geäußert hat. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Wagner zu einer Zusatzfrage.

Dr. h. c. Leo Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, was werden Sie noch tun, um den Herrn Bundesanwalt Kuhn gegen den wirklich ungeheuerlichen Vorwurf des Abgeordneten Dr. Arndt in Schutz zu nehmen, eine gesetzeswidrige Ermittlung zum Vorwand für eine staatsgefährdende Hetze gegen die SPD genommen zu haben?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich kann dagegen das tun, daß ich hier an dieser Stelle diesen Vorwurf entschieden zurückweise, und ich muß sagen, es ist mir unerklärlich, wie ein so hervorragender Jurist, wie es Herr Arndt ist, dazu kommen kann, einem Beamten, gegen den kein Verdacht vorliegt, ein derartig schweres Verbrechen vorzuwerfen. Es ist ja ein Verbrechen, das mit Zuchthausstrafe bedroht ist. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir wollen uns - das ist meine Bitte - daran halten, daß wir Beifall und Mißfallenskundgebungen unterlassen. Wir kommen zu der Frage IV/5 - des Herrn Abgeordneten Blumenfeld -: Haben Mitglieder des SPD-Parteivoistandes, der SPD-Bundestagsfraktion, des Senats oder der Senatsbehörden von Hamburg in der Frage IV/4 bezeichneten Angelegenheit mit Angehörigen des Bundesjustizministeriums oder der Ermittlungsbehörden Gespräche geführt?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Für diese Frage gilt dasselbe: Es sind dieselben genannten Herren informiert worden; außerdem in Vertretung des damals kranken Herrn Bürgermeisters Nevermann der Zweite Bürgermeister Engelhard.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Erler, eine Zusatzfrage.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat der Herr Bundesjustizminister den Eindruck, daß diese Unterrichtung zur Behinderung oder zur Erschwerung von Ermittlungen in irgendeiner Weise mißbraucht worden ist?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Nein!

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich danke Ihnen, Herr Minister; die Sie angehenden Fragen sind erschöpft. Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf, zunächst die Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -: Hält es die Bundesregierung für richtig, einen Staatssekretär im Amt zu halten, gegen den ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Amtsmißbrauchs und der Freiheitsberaubung schwebt und der nach vorübergehender Beurlaubung wegen des gleichen Sachverhalts wieder eingestellt wurde?

Kai Uwe Hassel (Minister:in)

Politiker ID: 11000824

Ich beantworte diese Frage wie folgt: Eine Beantwortung der Frage würde nach meinem Dafürhalten auf eine Beeinflussung des schwebenden Verfahrens hinauslaufen können. Ich bitte daher um Verständnis, daß ich eine solche Frage in der Fragestunde nicht beantworten kann.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Frage VI/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -: Trifft es zu, daß Angehörige der Bundeswehr bei schweren Verletzungen im Dienst, z. B. bei Verlust eines Beines, eine Rente von nur 45 DM monatlich erhalten?

Kai Uwe Hassel (Minister:in)

Politiker ID: 11000824

Wehrdienstbeschädigte Soldaten der Bundeswehr erhalten nach dem dritten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Der Umfang dieser Versorgung richtet sich nach dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen ist. Für den Verlust eines Beines ist nach den Verwaltungsvorschriften zu § 30 des Bundesversorgungsgesetzes eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 70 v. H. festzusetzen. Es stehen alsdann im wesentlichen folgende Versorgungsleistungen zu: 1. freie Heilbehandlung einschließlich orthopädischer Versorgung und Einkommensausgleich im Falle einer Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, 2. Berufsförderungsmaßnahmen, 3. eine vom Einkommen unabhängige Grundrente in Höhe von 105 DM monatlich, 4. eine von der Höhe anderweitigen Einkommens abhängige Ausgleichsrente bis zu 120 DM, 5. Familienzuschläge zur Ausgleichsrente für die Ehefrau in Höhe von 25 DM monatlich, für jedes Kind in Höhe von 40 DM monatlich, 6. als Ersatz für außergewöhnliche Kosten für Kleider- und Wäscheverschleiß 7 DM monatlich. Die für den Verlust eines Beines genannte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. ist die Mindestminderung der Erwerbsfähigkeit. Je nach dem Umfang des Beinverlustes kommt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 v. H. oder sogar 90 v. H. in Betracht. Ist der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem Beruf besonders betroffen, so ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit weiter zu erhöhen. Die genannten im Einzelfall in Betracht kommenden Erhöhungen führen zu entsprechend höheren Leistungen, und zwar bei der Grundrente bis zu 200 DM monatlich und bei der Ausgleichsrente ebenfalls bis zu 200 DM monatlich. Der in der Anfrage genannte Rentenbetrag von 45 DM entspricht der monatlichen Grundrente bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Meine Damen und Herren, ich darf dringend bitten, Ruhe im Saal zu halten. Man kann einem Mitglied der Bundesregierung nicht zumuten, Antworten zu geben, wenn es nicht gehört wird. Darf ich bitten, grundsätzlich Privatgespräche in die Nebenräume zu verlegen. Herr Abgeordneter Dorn, eine Zusatzfrage!

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß das zwar theoretisch möglich sein kann, daß aber in der Praxis solche Zuschüsse und Hilfeleistungen, wie Sie sie hier dargestellt haben, bis heute noch nicht spürbar geworden sind? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich habe dargelegt, welche rechtlichen Möglichkeiten gegeben sind, und ich gehe davon aus, daß ein jeder diese rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen kann.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir kommen darauf zurück.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe auf Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Wegener -: Trifft es zu, daß der Bau einer Überführung für Panzerfahrzeuge über die L. I. O. 758 im Raume Dörenkrug ({0}) nicht zur Ausführung gelangen soll?

Kai Uwe Hassel (Minister:in)

Politiker ID: 11000824

Es wird anerkannt, daß der Bau einer Überführung für Panzerfahrzeuge über die Landstraße I. Ordnung Nr. 758 bei Dörenkrug als Zufahrt vom Lager Augustdorf an der Senne zum Standortübungsplatz Orne erforderlich ist. Das Vorhaben, das mit 1 876 000 DM veranschlagt ist, konnte jedoch leider wegen der angespannten Haushaltslage im Haushaltsjahr 1962 nicht begonnen werden; es ist zur Etatisierung für künftige Haushaltsjahre vorgemerkt, wird jedoch voraussichtlich nicht vor Ende 1964 zur Ausführung kommen können.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf Frage VI/4 - des Herrn Abgeordneten Wegener -: Was gedenkt das Bundesverteidigungsministerium zu tun, um die steigende Gefährdung des zivilen Verkehrs auf den Straßen im Wohnbereich der Gemeinde Augustdorf, die sich vor allem aus dem Befahren dieser Straßen durch alliierte Panzerfahrzeuge ergibt, zu beseitigen?

Kai Uwe Hassel (Minister:in)

Politiker ID: 11000824

Als Hauptverkehrsstraßen des Ortes Augustdorf sind die Pivitsheiderstraße und die Haustenbeckerstraße anzusehen. Für die Anlegung eines Gehweges an der Pivitsheiderstraße, die vom Lager Augustdorf bis etwa zur Ortsmitte führt, ist der Gemeinde Augustdorf im Oktober 1961 ein Zuschuß in Höhe von 43 500 DM aus Mitteln des Verteidigungshaushalts bewilligt worden. Dieser Gehweg ist bereits fertiggestellt, so daß die Gefahrenmomente beseitigt sind. Die Haustenbeckerstraße, die vom Truppenübungsplatz Senne kommend in bzw. durch den Ort Augustdorf führt, wird außer von zivilen Verkehrsteilnehmern und der Bundeswehr vornehmlich von alliierten Fahrzeugen benutzt. Die Gemeinde Augustdorf beabsichtigt, an der Straße einen Fußweg anzulegen, der vor allem als Schulweg dienen und eine Gefährdung der Schulkinder ausschließen soll. Die Gemeinde hat hierfür einen Bundeszuschuß in Höhe von 33 000 DM erbeten. Eine Verkehrszählung hat ergeben, daß der zivile Verkehr mehr als das Vierfache des militärischen Verkehrs ausmacht. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage wurde deshalb der Herr Minister für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten des Landes Nordrhein-Westfalen am 20. Dezember 1962 gebeten, der Gemeinde Augustdorf die erbetene Finanzhilfe landesseitig zur Verfügung zu stellen. Nach meiner Unterrichtung wurden der Gemeinde Augustdorf inzwischen die Antragsunterlagen von dem zuständigen Landschaftsverband zugeleitet, so daß in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung gerechnet werden dürfte.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe auf die Frage II - des Herrn Abgeordneten Rademacher - auf Drucksache IV/1052: Ist die Ausstattung der zur Beförderung von Personen bestimmten Fahrzeuge mit mehr als 14 Fahrgastplätzen ({0}) sowie der gemäß § 57 a StVZO betroffenen Lastkraftwagen und Zugmaschinen der Bundeswehrverwaltung mit Fahrtschreibern - wie am 31. März 1960 durch den Bundesverteidigungsminister mit Drucksache 1773 der 3. Wahlperiode zugesichert - durchgeführt, bzw. wann wird sie durchgeführt sein?

Kai Uwe Hassel (Minister:in)

Politiker ID: 11000824

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausstattung der zur Beförderung von Personen bestimmten Fahrzeuge mit mehr als 14 Fahrgastplätzen - Kraftomnibusse - sowie der gemäß § 57 a der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung betroffenen Lastkraftwagen und Zugmaschinen der Bundeswehrverwaltung mit Fahrtschreibern wurde bis Dezember 1960 durchgeführt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich danke Ihnen, Herr Minister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe auf die Frage VII/1 - des Abgeordneten Josten -: Warum wurde mit dem Bau der Umgehungsstraße Sinzig ({0}) 1962 nicht begonnen, obwohl hierfür eine Zusage in der Fragestunde am 22. Februar 1962 gegeben wurde?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, bei der Beantwortung der Frage nach dem Baubeginn der Umgehungsstraße Sinzig am 22. Februar des vorigen Jahres war als Voraussetzung für den Baubeginn im Jahre 1962 genannt worden, daß das Planfeststellungsverfahren durch die Behörden des Landes Rheinland-Pfalz spätestens im April 1962 abgeschlossen wird. Außerdem war vorausgesetzt, daß die Mittelzuweisung nicht gekürzt wurde. Der Abschluß des PlanfeststellungsverfahBundesminister Dr.-Ing. Seebohm rens ist aber zum genannten Zeitpunkt nicht erfolgt, weil gegen den Beschluß ein Einspruch beim Verwaltungsgericht vorlag und der Beschluß daher nicht rechtskräftig wurde. Die Mittelzuweisung wurde durch den Nachtrag zum Bundeshaushalt 1962 empfindlich gekürzt, nachdem zuvor Mittel in noch größerem Umfang eingespart worden waren. Trotz dieser Schwierigkeit, die eine mehrmonatige Verzögerung brachte, konnte das Brückenbauwerk über den „Grünen Weg" noch im vorigen Jahr in Auftrag gegeben werden. Wegen des frühzeitig einsetzenden Winterwetters war es aber der Baufirma nicht möglich, das Brückenbauwerk schon 1962 zu beginnen. Die Arbeiten werden jetzt nach Beendigung des Frostwetters anlaufen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine Zusatzfrage. Wir kommen zur Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm -: Wer überwacht die Einhaltung der Hygiene in den bei der Deutschen Bundesbahn mitgeführten Speisewagen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die gewerbepolizeiliche und insbesondere die gewerbehygienische Aufsicht über den Speisewagenbetrieb in ihrem Bereich führt die Deutsche Bundesbahn. Zuständig ist dafür der bahnärztliche Dienst. Bei der Deutschen Schlaf- und SpeisewagenGesellschaft ist außerdem ein Arzt tätig, der die ortsfesten und rollenden Einrichtungen sowie das Personal ständig überwacht und dessen Aufgabe es auch ist, Vorschläge für Verbesserungen auszuarbeiten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage VII/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm -: Welche Möglichkeiten sieht das Bundesverkehrsministerium, die hygienischen Verhältnisse des Betriebes der Speisewagen im allgemeinen und mancher Speisewagen im besonderen zu verbessern?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die Frage hängt mit der vorigen Frage zusammen. Die Speisewagen-Gesellschaften - sowohl die DSG als auch die ISG - bemühen sich, dauernd eine einwandfreie Hygiene in ihren Wagen sicherzustellen. Die Schulung des Personals ist verstärkt worden. In den Küchen sind zahlreiche moderne Einrichtungen wie Müllschlucker, Tiefkühltruhen und gasbeheizte Herde eingebaut worden; Kochküche und Spülküche werden systematisch getrennt. Ich wäre Ihnen, Herr Kollege Hamm, sehr dankbar, wenn Sie mir verbesserungswürdige Tatsachen oder Vorschläge hinsichtlich der Hygiene der Speisewagen sowie die von Ihren Wünschen betroffene Gesellschaft, also die DSG oder die ISG, freundlichst mitteilen würden. Ich kann dann auf Grund des Bundesbahngesetzes, falls Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen oder sonstige die Hygiene betreffenden Vorschriften vorliegen sollten, im Wege der Rechtsaufsicht auf die Deutsche Bundesbahn einwirken.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Schwabe zu einer Zusatzfrage!

Wolfgang Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002119, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie, Herr Minister, nicht auch den Eindruck gewonnen und bestätigt bekommen, daß die Mitarbeiter und Angehörigen der DSG gerade jetzt im abgelaufenen Winter Hervorragendes geleistet haben und daß, alles in allem gesehen, die Leistung dieser Gesellschaft und der dort arbeitenden Menschen wirklich Anerkennung verdient, weil die Mehranforderungen in ausgezeichneter Weise gemeistert worden sind?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Schwabe, ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich darf hinzufügen, daß nicht nur jetzt im Winter, sondern vor allem auch in den Sommermonaten an das Personal in den Speisewagen außerordentlich hohe Anforderungen gestellt werden, die noch dadurch verstärkt werden, daß bei der Beschleunigung der Züge das Arbeiten in diesen Wagen und in den Kücheneinrichtungen sehr anstrengend und nervenbelastend ist.

Wolfgang Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002119, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie auch den Eindruck gewonnen, Herr Minister, daß sich die Einstellung weiblicher Kräfte, insbesondere bei den Schnellzügen, ausgezeichnet bewährt hat?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Schwabe, ich darf das als ein Lob für mich entgegennehmen, denn ich habe Wert darauf gelegt, in den TEE-Zügen eine weibliche Bedienung in den Speisewagen zu bekommen. ({0}) - Das kommt nicht ins Protokoll: ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir kommen zur Frage VII/4 - des Herrn Abgeordneten Hansing -: Welche Verantwortung trägt die Bundesregierung für die schweren Schäden, die am 15. Februar 1963 an dem holländischen Fahrgastschiff „Maasdam" und am 27. Februar 1963 an dem liberianischen Tanker „Chrysanthy" durch Auflaufen auf eines der Wracks des gesunkenen britischen Frachters „Harborough" bzw. russischen Frachters „Kholmogory" entstanden, nachdem ich durch meine Frage in der Fragestunde vom 3. Juni 1959 auf die große Gefahr hingewiesen habe, die für die Schiffahrt in Richtung der Weser- und Elbhäfen durch die beiden Wracks entstanden war?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die Wracke der Schiffe „Harborough" und „Kholmogory", auf die das holländische Fahrgastschiff „Maas-dam" und wahrscheinlich der liberianische Tanker „Chrysanthy" aufgefahren sind, befinden sich außerhalb der Dreimeilenzone, also auf hoher See. In diesem Bereich hat die Bundesrepublik keine Rechtsverpflichtung zur Sicherung des Verkehrs; sie kann also für die durch die Wracks entstandenen Schäden auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden. Die Bundesrepublik hat dennoch in Fürsorge für die Schiffahrt die Wracks durch Seezeichen kenntlich gemacht, aber damit eine zivilrechtliche Verantwortung nicht übernommen. Sie hat außerdem die Zufahrten zur Elbe, Weser und Jade so weit entmint und verlegt, daß die Wracks nunmehr außerhalb der neugeschaffenen Schiffahrtswege liegen. Solange sich die Schiffahrt auf den ihr bekanntgemachten minenfreien Wegen befindet und die Seezeichen sinnvoll zur Navigationshilfe heranzieht, ist sie auf diesen Wegen am wenigsten gefährdet. Nur bei Navigationsfehlern - auf Grund unsichtigen Wetters oder falscher Positionsbestimmung - oder im Falle der Vertriftung der Tonnen im Eise sind Unfälle möglich. Hierfür kann aber die Verwaltung nicht verantwortlich gemacht werden; denn die Schiffahrt wird in den amtlichen Seenachrichten immer wieder darauf hingewiesen, daß sie, insbesondere bei Eislagen, mit vertriebenen Tonnen rechnen muß. Das Seeamt Bremerhaven hat bekanntlich inzwischen festgestellt, daß die beiden Tonnen, die die Wracklage bezeichneten, durch den schweren Eisgang etwas versetzt waren, hat jedoch als maßgeblichen Grund des Unfalls ein Versagen des Lotsen herausgestellt. Wie bereits in der Beantwortung Ihrer früheren Anfrage 1959 mitgeteilt, ist die Beseitigung des Wracks außerhalb der Dreimeilenzone . nur dann möglich, wenn entweder die Eigentümer selbst die gesunkenen Schiffe entfernen lassen oder wenn sie auf ihren Eigentumsanspruch ausdrücklich verzichten; erst dann wird der Bundesrepublik freie Hand bei der Wrackbeseitigung außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer auf ihre Kosten gegeben. Jeder vorherige Eingriff wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß in den letzten Jahren weit über 100 000 Schiffe die Liegestelle der Wracks passiert haben, ohne Schaden zu nehmen. Auf Grund von Eigentumsverzichten sind im Raum um das Feuerschiff „Weser" in den letzten Jahren drei Wracks geräumt worden. Ein viertes Wrack, nämlich der holländische Bagger „Beverwijk 15", wird in diesen Tagen beseitigt. Wegen der Räumung eines weiteren Wracks, der „Santos", laufen zur Zeit noch Verhandlungen. Lediglich bei den Wracks der „Maipu", der „Harborough" und der „Kholmogory" konnte trotz aller Bemühungen bisher ein Eigentumsverzicht nicht erreicht werden. Die Bundesregierung wird mit Nachdruck ihre Bemühungen fortsetzen, um die Voraussetzung zur Entfernung der Wracks zu schaffen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Hansing, eine Zusatzfrage!

Hermann Hansing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000808, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist nunmehr die Bundesregierung bereit, da die Verlegung des Schifffahrtsweges keine wirksame Maßnahme zur Verhütung von Schiffskollisionen war, den Eigentümern von Schiff und Ladung einen Termin zur Beseitigung der Wracks zu stellen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, Sie wissen, daß die Eigentümer gar nicht direkt von uns, sondern nur über ihre Regierungen angesprochen werden können und daß ich Eigentümern niemals einen Termin setzen kann, wenn es sich um ein Gebiet handelt, in dem wir keine Hoheitsrechte haben.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Zusatzfrage!

Hermann Hansing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000808, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, beim Haager Gerichtshof hiergegen ein Urteil zu erwirken?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich habe mich danach erkundigt. Mir ist mitgeteilt worden, ,daß sich der Internationale Gerichtshof voraussichtlich mit einer solchen Frage nicht beschäftigen wird.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seifriz!

Hans Stefan Seifriz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002154, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß sie wegen der erheblichen Gefährdung von Menschenleben beim Auflaufen von Schiffen auf die Wracks, wie hier soeben dargelegt wurde, einen Notstand möglicherweise auch dann zu beseitigen hätte, wenn die Bundesrepublik für die Erfüllung eventueller Rechtsansprüche verantwortlich gemacht werden könnte?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich habe soeben darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik nicht für irgendwelche Unfälle verantwortlich gemacht werden kann, die außerhalb der Dreimeilenzone eintreten. Damit ist die Angelegenheit für uns vom Standpunkt des Hoheitsrechts aus erledigt. Was wir hier im übrigen tun und uns zu tun bemühen, hat den Zweck, die Zufahrt zu unseren Seehäfen so sicher wie möglich zu gestalten. Das tun wir aber freiwillig.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zweite Zusatzfrage.

Hans Stefan Seifriz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002154, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß verschiedene ausländische Reedereien offenbar Überlegungen anstellen, 'die Nordseehäfen so lange nicht mehr anzulaufen, bis diese Schwierigkeiten beseitigt sind?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, solche Dinge stehen wohl in den Zeitungen, haben aber keine reale Grundlage.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie eine Auskunft darüber geben, ob seitens der Bundesregierung oder des Auswärtigen Amtes diplomatische Schritte bei den Regierungen der Länder eingeleitet worden sind, unter deren Flagge 'die gesunkenen Schiffe fuhren?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Müller-Hermann, wir haben in den ersten Märztagen eine Verbalnote sowohl an die argentinische als auch an die sowjetische Regierung gerichtet, um die entsprechenden Möglichkeiten zu erhalten. Sollten diese Verbalnoten nicht rechtzeitig beantwortet werden, werden wir versuchen, weitere diplomatische Schritte aufzunehmen. Wir werden auch versuchen, nach Möglichkeit einen gewissen moralischen Druck auf diese Regierungen auszuüben, soweit man das eben diplomatisch tun kann.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Frage VII/5 - des Herrn Abgeordneten Kaffka -: Beabsichtigt die Bundesregierung die Eisenbahnverbindungen nach Frankreich zu verbessern durch Ausbau der Eisenbahnstrecke Pirmasens-Bitsch ({0}) unter Zugrundelegung der seit Jahrzehnten bereits existierenden Pläne?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, wie mir die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mitteilte, war bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Eisenbahnstrecke von Pirmasens nach Bitsch in Lothringen geplant. Die Pläne sind jedoch niemals verwirklicht worden. Es besteht auch heute seitens der beteiligten Eisenbahngesellschaften, also auf französischer und auf deutscher Seite - wie mir berichtet wird -, keine Absicht, diese Strecke zu bauen, da angeblich nach wie vor weder ein genügendes betriebliches noch ein genügendes verkehrliches Bedürfnis dafür gegeben ist. Grund dafür sollen vor allem die durch .die Gelände-und Trassierungsverhältnisse sehr hohen Baukosten sein, die die Strecke unwirtschaftlich machen würden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage?

Rudolf Kaffka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, welche Möglichkeiten sehen Sie, die Verkehrslage der Stadt Pirmasens 'zu verbessern, nachdem diese Stadt durch die strategische Planung der vergangenen Jahrzehnte - als die Gegensätzlichkeiten gegen Frankreich bestanden - besonders benachteiligt worden ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich bin gerade vorgestern in Pirmasens gewesen und habe dort in aller Öffentlichkeit diese Fragen beantwortet; sie sind auch ausführlich in den Zeitungen wiedergegeben worden. Es würde zu weit führen, glaube ich, hier diese Fragen in allen Einzelheiten darzulegen. Die weitere Entwicklung hängt natürlich auch sehr stark davon ab, welche Verhandlungen im Zuge des deutsch-französischen Vertrages nunmehr mit der französischen Seite, vor allen Dingen wegen der Führung von Straßen nach Süden, geführt werden. Der Ausbau der Bundesstraße 10, der Bundesstraße 270 nach Kaiserslautern und der Verbindung über die Bundesstraße 40 nach Mainz ist in dem zweiten Vierjahresplan, der Ihnen vorliegt, eingehend geschildert.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Kaffka.

Rudolf Kaffka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, hätte Ihre Reise nach Pirmasens und in diesen Raum nicht schon viel früher stattfinden müssen und nicht erst zu diesem Zeitpunkt des rheinland-pfälzischen Wahlkampfes? ({0})

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich bin auch im vorigen Jahr bei meiner alljährlichen Straßenbereisung in diesem Gebiet gewesen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würden ,Sie vielleicht im nächsten Jahr, wo kein Wahlkampf in Rheinland-Pfalz ist, einer Einladung der pfälzischen SPD-Bundestagsabgeordneten in die Pfalz Folge leisten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich würde das sehr gern getan haben, wenn Sie mir nicht so liebenswürdigerweise zwei mit grünen Nummern versehene Autos mit entsprechend unfreundlichen Aufschriften während meiner ganzen Bereisung beigegeben hätten. ({0})

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, könnten Sie nicht meine Frage beantworten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich habe gesagt: ich würde das sehr gern getan haben; darin liegt eine liebenswürdige Verneinung.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, das war ein Mißverständnis. Ich habe Sie gefragt, ob Sie bereit seien, eine Einladung für das nächste Jahr anzunehmen.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich bin in jedem Jahr, wie männiglich bekannt ist, auf der Straße unterwegs. Ob ich im nächsten Jahr noch im Amt sein werde, kann ich bekanntlich wegen der Verhältnisse, die im Herbst kommen, noch nicht entscheiden. ({0}) Wenn ich in meinem Amt bin, werde ich mir überlegen, ob ich der Einladung folgen soll, und wenn es möglich ist, werden wir uns darüber schon verständigen. Sie werden mir aber erlauben, daß ich dann einen Wagen mit CDU-Inschriften hinter mir herführe. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Frage VII/6 - des Herrn Abgeordneten Kaffka -: Nach welchen Gesichtspunkten stellt das Bundesverkehrsministerium die Reihenfolge der Dringlichkeit bei Ausbauten der Bundesstraßen fest? Bitte, Herr Minister!

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Den Mitgliedern des Hohen Hauses ist am 29. Januar 1963 der zweite Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Rechnungsjahren 1963 'bis 1966 auf Grund der mir vom Bundeskabinett erteilten Ermächtigung mit der Bitte um Kenntnisnahme überreicht worden. In den Vorbemerkungen hierzu ist ausgeführt worden, daß .der Plan darauf abgestellt ist, neben der Fortführung der in den Vorjahren begonnenen Bauobjekte solche Maßnahmen bevorzugt zur Durchführung zu bringen, die der Überlastung bestimmter Bundesstraßen und Bundesautobahnen durch die vorhandenen und noch weiter zunehmenden Verkehrsmengen entgegenwirken. Dabei wurde für besonders dringlich der Ausbau oder Neubau von Bundesstraßen im Vorfeld der größeren Städte und in den Ballungsgebieten gehalten. Außerdem ist dringlich der Bau von Bundesstraßen als Ergänzung zu den überlasteten und noch unvollständigen Nord-Süd-Verbindungen, die Durchführung von Maßnahmen zur Erleichterung bestimmter Verkehrsbeziehungen zu und in den Randgebieten der Bundesrepublik und zu den Nachbarstaaten im Hinblick auf eine gedeihliche Einpassung in den Wirtschaftsraum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Im einzelnen ergibt sich die Reihenfolge der Dringlichkeit aus dem Grad der Überlastung und der Unfallhäufigkeit auf der vorhandenen Straße oder den Straßen im Zuge neuer oder alter Verkehrsbeziehungen. Bei der Reihenfolge der Bauinangriffnahme ist außerdem der Stand der Vorarbeiten einschließlich des Grunderwerbs ausschlaggebend. Infolge der starken Beschränkung in den Mittelzuweisungen können eine große Anzahl vordringlicher Bauvorhaben 1963 nicht begonnen und andere nicht 1963, wie vorgesehen, beendet werden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Nach der langen Antwort doch keine Zusatzfrage mehr?!

Rudolf Kaffka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wird bei der Verkehrszählung, die ja sicher mit zugrunde gelegt wird, auch der verstärkt anfallende militärische Verkehr in den Räumen berücksichtigt, wo Lager und Depots der NATO stationiert sind?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Jawohl, Herr Kollege. Deswegen bauen wir z. B. auch die Umgehung Lauterecken ab diesem Jahr.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Aigner!

Dr. Heinrich Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß zur Entwicklung förderungswürdiger Gebiete in der Bundesrepublik eine der wesentlichsten Voraussetzungen die Verkehrserschließung ist, und werden auch diese Momente bei Ihren Planungen berücksichtigt?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ja. Ich erkenne das voll und ganz an und bemühe mich, soweit es mir im Rahmen der mir zugewiesenen Mittel möglich ist, die entsprechenden. Arbeiten so aufzuteilen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe auf die Frage VIII? - des Herrn Abgeordneten Kaffka -: Bestehen Pläne, die Eisenbahnstrecke Zweibrücken-LandauKarlsruhe wieder zweigleisig auszubauen, wie es vor Jahren schon von verschiedenen Expertengremien vorgeschlagen worden ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Derartige Pläne, Herr Kollege, bestehen zur Zeit, wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, nicht. Ihre Frage war bereits dreimal Gegenstand einer Anfrage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages. Damals habe ich den anfragenden Herren Kollegen mitteilen müssen, daß die eingleisigen Streckenabschnitte Zweibrücken-Landau und Winden-Wörth, die auch heute noch eingleisig sind, nur zur Hälfte ihrer Leistungsfähigkeit ausgenützt waren und daher ein Bedürfnis für ihre zweigleisige Wiederherstellung nicht bestand. Dieser Sachverhalt ist auch heute noch gegeben, wie mir die Bundesbahndirektion Mainz gerade noch in den letzten Tagen an Ort und Stelle mitgeteilt hat. Hinzu kommt, daß mit der Vollendung der Elektrifizierung der weiter nördlich gelegenen Strecke Saarbrücken-Kaiserslautern-Neustadt ({0})-Ludwigshafen - und zwar ist diese Elektrifizierung im Frühjahr 1964 beendet - die Belastung der Strecke Zweibrücken-Landau-Karlsruhe noch geringer als bisher sein dürfte, weil die Bundesbahn eine große Anzahl von Güterzügen auf die andere Strecke verlegen wird. Aus diesen Gründen ist seitens der Deutschen Bundesbahn auch heute nicht beabsichtigt, die eingleisigen Streckenabschnitte wieder zweigleisig auszubauen. Wie sich das im Zuge des Neuaufbaus des Industriezentrums im Raume Wörth-Karlsruhe in der Zukunft entwickelt, ist jetzt noch nicht zu übersehen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Kaffka zu einer Zusatzfrage!

Rudolf Kaffka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht der Ansicht, daß die geringere Benutzung dieser Bahnlinie darauf zurückzuführen ist, daß die Verkehrsverbindungen so schlecht geworden sind?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, der Ansicht bin ich nicht. Ich habe das auch jetzt bei meinen verschiedenen Besprechungen noch einmal festgestellt. Sicher könnten durch die Fahrplangestaltung noch manche Verbesserungen im Personenzugverkehr erfolgen. Das kann aber sicher ohne weiteres bei einer eingleisigen Strecke unter den heutigen technischen Voraussetzungen mit der Indusi-Zugsicherung und neuen Signalanlagen geschehen. Wir haben ja auf der Strecke StuttgartHorb-Singen ähnliche Verhältnisse.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe auf die Frage VII/8 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -: Wie können die Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren geschützt werden, die sich dadurch ergeben, daß die Fahrzeuge der ausländischen Streitkräfte ohne jegliche Radabdeckung unsere öffentlichen Straßen benutzen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, auf Grund des Truppenvertrages vom 26. Mai 1952 ist keine rechtliche Handhabe gegeben, die Einhaltung bestehender deutscher Vorschriften für Radabdeckungen an Kraftfahrzeugen auch für die Fahrzeuge der ausländischen Streitkräfte zu fordern. Nach Art. 17 Abs. 5 Satz 2 des Vertrages über Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland sind Kraftfahrzeuge, die Eigentum der Streitkräfte oder ihrer Mitglieder sind oder von ihnen betrieben werden, von deutschen Gesetzen, Vorschriften oder polizeilichen Maßnahmen befreit, die Änderungen oder Ergänzungen in dem Bau, der Ausführung oder Ausrüstung der Fahrzeuge erfordern würden, wie z. B. bei Erkennungszeichen, Warnsignalen, Bremsen, Beleuchtungs- und Richtungsanzeigern. Solange bei der deutschen Bundeswehr die Versuche, ob an allen Fahrzeugen die Anbringung und die Erhaltung von wirksamen Radabdeckungen möglich sind, ohne daß hierdurch die militärische Gebrauchsfähigkeit dieser geländegängigen Fahrzeuge eingeschränkt wird, noch nicht abgeschlossen sind, ist es mir leider nicht möglich, mit begründeter Aussicht auf Erfolg den Versuch zu machen, für Fahrzeuge der ausländischen Streitkräfte die Anbringung von Radabdeckungen auf freiwilliger Basis zu erbitten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage Herr Abgeordnete Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es eine nahezu unerträgliche Belästigung bedeutet, insbesondere in den stark mit alliierten Truppen belegten Gebieten, daß der Teilnehmer am öffentlichen Verkehr durch diese nicht geschützten Militärfahrzeuge ununterbrochen gefährdet wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, selbstverständlich bin ich im Grunde genommen Ihrer Ansicht. Aber ich bin auch der Ansicht, daß das Militär eben besondere Rechte für sich in Anspruch nehmen kann, wenn es seinen besonderen Zwecken dienlich ist. Daher die Versuche, die ich bei unserer Bundeswehr erbeten habe. Ich glaube, wenn die Versuche bei unserer Bundeswehr entsprechend ausgehen, auch an die anderen Streitkräfte auf unserem Boden herantreten zu können.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie, wenn bei der Bundeswehr die Dinge geklärt sind, bereit sein, unmittelbare Versuche dahin gehend zu unternehmen, daß die Vertragsbestimmungen für die alliierten Streitkräfte entsprechend geändert werden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, die Vertragsbestimmungen können wir nicht ändern; denn sie sind ja ein ratifiziertes Gesetz. Seine Änderung würde erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Aber man kann immerhin - und nicht ohne Erfolg - auch bei den Streitkräften, die bei uns sind, durch begründete Vorsprache und Bitten zu Ergebnissen gelangen. Das ist vorgesehen, sobald ich ihnen auf Grund der Versuche nachweisen kann, daß militärische Belastungen durch eine solche Maßnahme an den Fahrzeugen nicht eintreten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe die Frage VII/9 - des Herrn Abgeordneten Felder - auf : Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß im Lastwagendirekt- und Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und Österreich die Zeitdifferenz beim Sperrstundenbeginn zu einem nicht unerheblichen Wagenstau an der Landesgrenze ({0}) führt?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident, darf ich mir erlauben, die Fragen 9 und 10 gemeinsam zu beantworten?

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Selbstverständlich. Ich rufe auch die Frage VII/10 - des Herrn Abgeordneten Felder - auf: Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, mit seinem österreichischen Kollegen in Verhandlungen über einen gleichzeitigen Sperrstundenbeginn einzutreten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Im Jahre 1962 befaßte sich die Europäische Konferenz der Verkehrsminister mit der Frage, ob die Zeiten des Verkehrsverbots für Nutzfahrzeuge an Sonn- und Feiertagen vereinheitlicht werden können. Nach eingehenden Erhebungen bei den europäischen Ländern über die Dauer des Sonntagsfahrverbots empfahl der Rat der europäischen Verkehrsminister am 27. November 1962 das Verkehren von Nutzfahrzeugen über ein von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung bestimmtes zulässiges Gesamtgewicht an Sonn- und Feiertagen zu verbieten, soweit dies durch die wirtschaftlichen Erfordernisse und die Eigenarten des Verkehrs gerechtfertigt ist. Für Samstage empfahl der Ministerrat ein solches Verbot nicht. Im übrigen vertrat die Europäische Verkehrsministerkonferenz die Auffassung, daß weder die Verkehrssicherheit noch der Verkehrsfluß es gebiete, die Verbotszeiten in den verschiedenen Ländern zu koordinieren. Ich bin nicht sicher, ob eine Anstauung von Lastkraftwagen durch die unterschiedlichen Zeiten des Verkehrsverbots verursacht wird. Dies dürfte vielmehr eher darauf zurückzuführen sein, daß sowohl auf der 'deutschen als auch auf der österreichischen Seite - übrigens auch auf der deutschen und der niederländischen Seite - die Zollabfertigung des gewerblichen Güterverkehrs an Samstagen nur bis 13.00 Uhr stattfindet. Infolgedessen stauen sich auf beiden Seiten der Grenze 'die Fahrzeuge, die nicht mehr rechtzeitig zur Zollabfertigung angekommen sind. Über den Umfang solcher Stauungen bin ich im Augenblick nicht zuverlässig unterrichtet. Diese Frage lasse ich zur Zeit prüfen, ebenso die Frage, mit welchen Mitteln ihnen abgeholfen werden könnte, etwa durch Anlegung von Parkplätzen. Die Prüfung erfolgt gemeinsam mit der Bundeszollverwaltung und in Ihrem Fall mit dem Bayerischen Staatsministerium 'des Innern. Sie ist noch nicht 'abgeschlossen. Ich werde mir erlauben, Ihnen, Herr Kollege, nach Durchführung aller nötigen Erhebungen schriftlich weitere Nachricht zukommen zu lassen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Mit meinem Dank, Herr Minister, verbinde ich die bescheidene Bitte um Kürze der Antwort. Wunschgemäß rufe ich jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen auf, zuerst die Frage VIII/l - des Herrn Abgeordneten Faller -: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundespost die bewährte Einrichtung des sog. Drahtfunks - beispielsweise im Bereich der Oberpostdirektion Freiburg - zum 30. Juni 1963 aufgeben will?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich darf mir erlauben, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Faller betreffend Drahtfunk zusammen zu beantworten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage VIII/2 - des Herrn Abgeordneten Faller - auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Rundfunkempfang in den Randgebieten bei Aufgabe des sog. Drahtfunks erheblich erschwert, bei Besitzern älterer Geräte sogar fast unmöglich wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Es trifft zu, daß der Drahtfunk, der zur Zeit nur noch etwa 33 000 Teilnehmer hat - das sind 0,5 % der Rundfunkteilnehmer -, wegen Unwirtschaftlichkeit zum 1. Juni 1963 eingestellt werden wird. Zur Vermeidung von Härten, die in Einzelfällen auftreten können, wird jedoch geprüft, ob der Drahtfunk in den Gebieten, in denen eine ausreichende drahtlose Rundfunkversorgung noch nicht besteht, für eine gewisse Übergangszeit aufrechterhalten werden kann. In diese Prüfung werden auch die Gebiete der beiden Drahtfunknetzgruppen der Oberpostdirektion Freiburg, Appenweier und Lörrach, einbezogen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Faller.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade in dem von Ihnen zuletzt genannten Gebiet z. B. der Sender Stuttgart oder der Hessische Rundfunk nur mit einem Spitzengerät und nur mit einer Antenne zum Preis von über 400 DM empfangen werden kann, wenn kein Drahtfunk vorhanden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist uns bekannt, daß noch gewisse Versorgungslücken in topographisch ungünstigen Gebieten bestehen. Die Sendeanlagen für den Tonrundfunk mit Ausnahme derjenigen, über die die Programme des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle ausgestrahlt werden, sind Eigentum der Rundfunkanstalten und werden von ihnen betrieben. Damit haben diese Anstalten auch primär die Verpflichtung, eine ausreichende Rundfunkversorgung sicherzustellen und vorhandene Lücken zu schließen. Ich darf dennoch wiederholen, was ich soeben vorgetragen habe: Wir werden uns bemühen, diese vorübergehenden Schwierigkeiten durch ein längeres Aufrechterhalten des Drahtfunks in diesen Gebieten zu beseitigen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Faller.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, als Mitglied des Post -und Fernmeldeausschusses darf ich Sie nun noch fragen: Wie konnte es in einem technisch so gut geführten Haus vorkommen, daß dem Verwaltungsrat auf Fragen, ob diese Maßnahme den Empfang in den betreffenden Gebieten beeinträchtige, mit Nein geantwortet wurde und daß nur daraufhin dieser Beschluß gefaßt wurde?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich glaube sagen zu können, daß jener Beschluß nicht wegen einer so formulierten Antwort gefaßt worden ist. Es ist meines Wissens sehr ausführlich über noch vorhandene Lücken gesprochen worden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich rufe die von dem Abgeordneten Lemper gestellte Frage VIII/3 auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, den Fortfall der Freifahrt für Begleitpersonen Schwerkriegsbeschädigter bei der Deutschen Bundespost aufrechtzuerhalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bestimmungen über die gebührenfreie Beförderung der Begleitpersonen von Schwerkriegsbeschädigten sind durch die Gebührenverordnung im Postreisedienst nicht geändert worden. Vielmehr werden wie bisher auf allen Kraftpostlinien Begleitpersonen von Schwerkriegsbeschädigten, Schwerbeschädigten und Blinden gebührenfrei befördert, wenn in den amtlichen, von den Fürsorgestellen ausgegebenen Schwerbeschädigtenausweisen die Notwendigkeit der ständigen Begleitung anerkannt ist. In der bisher geltenden Verordnung war bestimmt, daß die Notwendigkeit einer Begleitung „nachgewiesen" sein mußte. Die Art des Nachweises ist durch Ausführungsbestimmung geregelt worden. Diese Regelung wurde jetzt - materiell unverändert - in den Verordnungstext übernommen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt. Ich rufe die von dem Abgeordneten Lemper gestellte Frage VIII/4 auf: Hält es die Bundesregierung für richtig, daß auch in der Übergangszeit zur Einführung der neuen Postgebühren für im Ortsverkehr mit 0,10 DM freigemachte Postkarten ({0}) eine Nachgebühr oder Strafporto in Höhe von 0,35 DM erhoben wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Absicht der Deutschen Bundespost, eine Reihe von Postgebühren wegen der gestiegenen Kosten zu erhöhen, ist seit Monaten bekannt und in der Öffentlichkeit lebhaft erörtert worden. Die Erhöhungen im einzelnen sind am 26. Januar 1963 im Bundesanzeiger verkündet worden und am 1. März 1963 in Kraft getreten. Bereits am 31. Januar 1963 ist der Presse eine ausführliche Darstellung der Gebührenänderung übersandt worden. Am 22. Februar 1963 sind der Presse nochmals die wichtigsten Änderungen mit der Bitte um Veröffentlichung mitgeteilt worden. Am gleichen Tag sind Presse, Rundfunk und Fernsehen auch durch besondere Fernschreiben über die Gebührenänderungen informiert worden. Presse, I Rundfunk und Fernsehen haben die neuen Gebührensätze der Öffentlichkeit auch zur Kenntnis gebracht. Leider läßt sich nicht sicherstellen, daß auch der letzte Postkunde bei Gebührenänderungen von den neuen Sätzen rechtzeitig Kenntnis nimmt. Erfahrungsgemäß ändert auch die Gewährung einer längeren Übergangsfrist, als sie bei dieser Gebührenänderung gegeben war, hieran nichts.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt. Ich rufe die von dem Abgeordneten Freiherrn von Mühlen gestellte Frage VIII/5 auf: Ist der Herr Bundespostminister bereft, die Verordnung zur Einführung von Gebühren für Post- und Paketabholer ab 1. März 1963 ({0}) angesichts der großen Erbitterung, die diese Maßnahme bei allen Betroffenen hervorgerufen hat, nochmals zu überprüfen bzw. zu ändern, zumal es sich hier uni eine neue Gebührcnbelastung eines Kundenkreises der Deutschen Bundespost handelt, der durch Selbstabholung der Post- und Paketsendungen den Zustelldienst nicht belastet, sondern entlastet?

Not found (Staatssekretär:in)

Eine die gleiche Materie betreffende Frage des Herrn Abgeordneten Junghans für die letzte Fragestunde ist schriftlich beantwortet worden. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich die schriftliche Antwort, die in vollem Umfang auch für die Frage des Herrn Abgeordneten von Mühlen gilt, vorlesen: Da die Deutsche Bundespost verpflichtet ist, die Sendungen den Empfängern zuzustellen, ist der Postbetrieb auf die Zustellung der Sendungen eingerichtet. Werden die Sendungen abgeholt, so werden zwar durch den Wegfall der Zustellung gewisse postbetriebliche Leistungen gespart. Dafür entsteht aber bei den meisten Postämtern eine Zweigleisigkeit in der Behandlung der Sendungen, die entgegen einer leider weitverbreiteten irrigen Meinung einen besonderen personellen und materiellen Aufwand erfordert und damit zum Teil sogar erhebliche Mehrkosten verursacht. Zunächst einmal können die Sendungen, die abgeholt werden, nicht wie die Masse der Sendungen bis zum Zusteller durchlaufen, sondern sie müssen vorher ausgesondert werden. Die Aussonderung ist besonders schwierig, wenn die Sendungen, wie in vielen Fällen, nicht als Abholsendungen bezeichnet sind. Die ausgesonderten Sendungen müssen sodann bereitgestellt und ausgehändigt werden. Aussonderung, Bereitstellung und Aussonderung erfordern zusätzliches Personal. Die Bereitstellung der Sendungen zur Abholung erfordert darüber hinaus aber auch noch zusätzlichen Raum bei den Postämtern, der nicht anderweitig genutzt werden kann, weil die Lagerflächen ständig für abzuholende Sendungen bereitgehalten werden müssen. Der für die Bereitstellung abzuholender Pakete benötigte Raum ist naturgemäß besonders groß. Es wäre daher von der Deutschen Bundespost, die nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu arbeiten gesetzlich verpflichtet ist, nicht vertretbar, wenn die durch die Abholung entstehenden besonderen personellen und sächlichen Kosten durch eine entsprechende Gebühr nicht wenigstens teilweise gedeckt würden. Diese Regelung gilt jedoch nur für regelmäßig zur Abholung bereitgestellte Sendungen. In allen anderen Fällen, so z. B. wenn im Rahmen des allgemeinen Kundendienstes, insbesondere bei Poststellen, Sendungen ohne Abholungserklärung auf Nachfrage gelegentlich ausgehändigt werden, ist keine Gebühr zu erheben. Es mag sein, daß dies Wünschen von Einzelabholern, insbesondere auf dem flachen Lande, nicht immer genügt. Deshalb hat der Herr Bundespostminister bereits Anweisung zu einer weiteren Auflockerung erteilt. Ohne Ihnen heute bereits konkrete Angaben machen zu können, darf ich jedoch versichern, daß bei einfachen und übersichtlichen Platzverhältnissen und betrieblichen Gegebenheiten, vor allem bei den Poststellen I und II und den kleineren Postämtern der Gruppen G bis L, eine gebührenfreie Einzelabholung ermöglicht werden wird.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Mühlen!

Klaus Mühlen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001538, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß dem großen Kundenkreis der Post und den Selbstabholern diese von Ihnen gegebenen, in vielen Punkten durchaus einleuchtenden Begründungen für die Einführung dieser zusätzlichen Gebühren völlig unbekannt geblieben sind und daß die Postkunden lediglich in einem kurzen hektographierten, im Weisungston gehaltenen Schreiben von dieser Maßnahme in Kenntnis gesetzt wurden? Halten Sie es nicht für richtig, in Zukunft solche Begründungen seitens des Ministeriums zusammen mit der Veröffentlichung neuer Verordnungen eindeutig und klar herauszubringen, damit die Postkunden das Gefühl haben, daß sie wirklich Kunden der Post sind und dort nicht nur als Verwaltungsobjekte registriert werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist mir bekannt, daß alle diese Gründe und Ursachen für unsere, wie wir meinen, berechtigten Maßnahmen nicht allen Abholern bis zum letzten bekannt sind. Wir sorgen in diesen Tagen dafür, daß sie bis zum letzten kleinen Ort des Bundesgebietes bekanntwerden, und wir hoffen, daß wir damit auch auf etwas größeres Verständnis stoßen werden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr von Mühlen, eine weitere Zusatzfrage!

Klaus Mühlen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001538, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich die Anregung geben ,in Zukunft solchen hektographierten Schreiben wenigstens in kurzer Form die Begründung für neue Maßnahmen gleich hinzuzufügen, so daß es sich nachher erübrigt, in der Fragestunde des Parlaments Begründungen herbeizuführen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich danke Ihnen sehr. Wir werden Ihre Anregung gern verwirklichen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Rademacher zu einer Zusatzfrage!

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie jetzt schon übersehen, ob die Einführung dieser sehr unbeliebten Abholgebühr zu einer erheblichen Einschränkung der Zahl der Abholer geführt hat? Denn das ist ja doch wohl der Sinn Ihrer Maßnahme.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Rademacher, nach so kurzer Zeit können wir natürlich noch nicht feststellen, inwieweit das der Fall ist. Aber ich darf sehr offen aussprechen: wir hoffen, daß sich die Zahl der Abholer verringert.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rademacher.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in einer absehbaren Zeit hierüber eine Auskunft zu geben, damit man die Offentlichkeit davon überzeugen kann, daß diese Maßnahme wirklich einen Sinn gehabt und zu einer Rationalisierung der Arbeit der Post geführt hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich kann diese Ihre Frage uneingeschränkt mit Ja beantworten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dürr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß z. B. ein Gewerbetreibender in der Lage ist, die Abholgebühr dadurch zu umgehen, daß er sich nicht mehr als Selbstabholer meldet, dafür aber seine Lieferanten bittet, ihm die Pakete möglichst postlagernd zu schicken?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich möchte diese Möglichkeit nicht ausschließen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Faller.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nach Ihrer Antwort muß ich Sie fragen: Wäre es dann nicht ehrlicher gewesen, wenn die Bundespost diese Möglichkeit bezahlter Abholung gleich aufgehoben hätte - denn das ist ja der Sinn der Gebührenerhöhung -?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin so ehrlich, zu sagen, daß ich Ihre Frage nicht ganz verstehe. Bei Gebührenerhöhungen kann es sich ja nicht um Unehrlichkeiten handeln. Ich muß noch einmal sagen, daß ich den Sinn Ihrer Frage nicht verstehe.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wollen Sie bitte die Frage wiederholen, Herr Abgeordneter.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage Sie nochmals, Herr Staatssekretär. Sie haben geantwortet, daß der Sinn der Maßnahme sei - so mußte ich Sie doch verstehen -, die Paketabholung gegen Gebühr langsam ad absurdum zu führen. Deshalb frage ich, ob es dann nicht ehrlicher gewesen wäre, diesen Sinn der Maßnahme den Abholern sofort bekanntzugeben und sie nicht erst durch eine höhere Gebühr zu veranlassen, von der Selbstabholung Abstand zu nehmen.

Not found (Staatssekretär:in)

Verehrter Herr Abgeordneter, ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Denn einmal hat der Postverwaltungsrat auf die Vorlage des Herrn Ministers diese Maßnahme aus betrieblichen Gründen getroffen, zum anderen aber spielt dabei noch ein Punkt eine wesentliche Rolle, nämlich der, daß die Paketgebühr nur die Aufwendungen von der Auflieferung bis zum Eingang in die Packkammer des Bestimmungsamtes deckt. Für die besonderen Kosten am Bestimmungsort haben wir in unserer-Gebühr nichts drin. Im übrigen gibt es selbstverständlich Gründe, die wir als berechtigt anerkennen müssen, Pakete selStaatssekretär Dr. Steinmetz ber abzuholen. Diesen berechtigten Wünschen -nicht nur auf dem flachen Land, sondern auch in Iden großen Städten bei Großauflieferern - wollen wir selbstverständlich Rechnung tragen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde. Der Tagesordnungspunkt 2 - zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt ({0}), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes - soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung heute nicht aufgerufen werden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Finanzverwaltung, der Reichsabgabenordnung und anderer Steuergesetze ({1}). Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2}) ({3}). Der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Besold liegt vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter und gebe ihm das Wort zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berufe mich auf meinen Schriftlichen Bericht, muß aber den Antrag stellen, daß in der Drucksache IV/1005 ein Fehler berichtigt wird. Auf Seite 6 der Drucksache muß unter Artikel 2 das, was in Ziff. 1 a rechts steht, in Ziff. 1 b, andererseits das, was in Ziff. 1 b steht, in Ziff. 1 a gebracht werden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ziff. 1 a und Ziff. 1 b werden also verschoben?

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Müssen ausgetauscht werden, ja. Das ist sehr wichtig, weil ,der Zeitpunkt für das Inkrafttreten für beide Bestimmungen verschieden ist.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Wir können in die Einzelberatung eintreten. Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2 mit der Änderung, die der Herr Berichterstatter bekanntgegeben hat, daß die Ziffern 1 a und 1 b ausgetauscht werden, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Art. 6, - Art. 7, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen. Ich schließe die zweite und eröffne die dritte Beratung. Wer dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen will, erhebe sich vom Platz. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Es liegt ferner der Entschließungsantrag des Ausschusses unter B Nr. 2 vor. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eben- falls einstimmige Annahme. Der Tagesordnungspunkt 4 soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung am Freitag aufgerufen werden. ({0}) - So ist mir mitgeteilt worden. ({1}) - Das liegt mir schwarz auf weiß vor, und ich bin ja sehr schriftgläubig. Er soll sofort aufgerufen werden? ({2}) - Besteht eine Verständigung? ({3}) - Also Punkt 4 soll auf jeden Fall im Augenblick nicht aufgerufen werden? - Doch? - Bestehen Bedenken? - Bitte, Herr Kollege Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, den Punkt 6 der Tagesordnung vorzuziehen. Ich glaube, daß die Begründung der Vorlage nicht lange dauern wird. Sprecher unserer Fraktion ist der Kollege Wilhelmi. Sie wissen, daß gegenwärtig die Synode der Evangelischen Kirche tagt und daß der Herr Kollege Wilhelmi dort Vorsitzender des Rechtsausschusses ist. 'Er hat den verständlichen Wunsch, sofort wieder nach Bethel zurückzufahren. Deswegen bitten wir, diesen Punkt vorzuziehen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns immer eine Selbstverständlichkeit, auf solche Wünsche Rücksicht zu nehmen. Aber hier stehen zwei wahrscheinlich gleichwertige Bedürfnisse einander gegenüber. Einer unserer Redner, der zum Flüchtlingsgesetz sprechen will, muß ebenfalls weg, und zwar zu einer wichtigen Sitzung im Ausland. In diesem Konflikt würde ich es für richtig halten, daß wir bei der Vereinbarung bleiben.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Da keine Verständigung erzielt wird, rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einschränkung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes ({0}) ; Vizepräsident Dr. Dehler Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) ({2}) . Es liegt der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses vor, erstattet durch den Herrn Abgeordneten Seuffert. Ich danke dem Herrn Abgeordneten. Keine Ergänzungen? - Keine Wortmeldungen? Wir können dann in die Einzelberatung eintreten. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite und eröffne die dritte Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt es, daß diese Gesetzesvorlage nach einigen Mühen und Widerständen nun endlich zur Beschlußfassung durch das Haus kommt. Es ist der Beweis dafür, daß ausnahmsweise auch einmal eine Maßnahme durchgeführt werden kann, obwohl sie in einer Regierungserklärung angekündigt worden ist. ({0}) Die Gesetzesvorlage suspendiert den § 7 b des Einkommensteuergesetzes für die Zeit bis zum März nächsten Jahres, also für eine Zeit, in der sich der bestehende Überhang an Wohnungsbauten noch auswirken dürfte. Sie suspendiert ihn nicht für Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen usw. Es ist aber nicht so, daß dieser Paragraph nur zeitweilig außer Kraft gesetzt wird, sondern er wird wirklich „wegen Umbau geschlossen" oder, um es genauer zu sagen, er wird „abgerissen". Er soll in dieser Form nicht mehr wiederkehren, jedenfalls nicht außerhalb des Bereichs, der auch jetzt ausgenommen worden ist - Einfamilienhäuser usw. -. Darüber werden noch Überlegungen anzustellen sein. Der Entschließungsantrag, den der Finanzausschuß vorlegt, ist in diesem Falle also fast wichtiger als die Gesetzesvorlage selbst. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt nicht nur die Gesetzesvorlage, sondern auch diese Entschließung, insofern sie nunmehr anstelle der sich schlecht auswirkenden und nicht mehr mit Gerechtigkeit wirksamen Begünstigung des Häuserbauens eine dauerhafte Regelung der steuerlichen Behandlung des Hausbesitzes einschließlich aller ihrer Auswirkungen auf Mietberechnungen usw. vorsieht. Wir sind deswegen froh, daß wir heute zu dieser Beschlußfassung kommen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmt, erhebe sich. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. ({0}) - Abgeordneter Spies hat dagegen gestimmt. Es liegen die Anträge des Ausschusses vor - Ziffer 2 -, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD für erledigt zu erklären und - Ziffer 3 - den dort formulierten Entschließungsantrag anzunehmen. Kann gleichzeitig abgestimmt werden? - Wer den beiden Anträgen zustimmt, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - -Einstimmige Annahme des Entschließungsantrages unter Ziffer 3. Ich rufe dann den Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechte der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ({1}) ({2}). Frau Abgeordnete Korspeter hat das Wort zur Begründung.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion legt dem Hause mit Drucksache 694 einen Gesetzentwurf vor, der schon durch seinen Titel „Entwurf eines Gesetzes über die Rechte der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin" zum Ausdruck bringt, daß wir hierdurch den gesamten Rechtsbereich für die Flüchtlinge zusammenfassen wollen, eine Regelung, die sich unseres Erachtens wegen der Zersplitterung des Flüchtlingsrechts als dringend notwendig herausgestellt hat. Darüber hinaus sollen aber mit unserem Gesetzentwurf zwei Grundprobleme der Flüchtlingsgesetzgebung neu geordnet werden. Einmal wollen wir die Stellung der Flüchtlinge untereinander neu regeln, das heißt, mit der Kategorisierung in anerkannte und nicht anerkannte Flüchtlinge soll Schluß gemacht werden, weil eine solche Praxis schon von jeher unendliche Härten und Schwierigkeiten mit sich brachte und weil sie keineswegs dem Schicksal der Flüchtlinge und auch der politischen Entwicklung in der Zone gerecht werden konnte. Zum anderen wollen wir die Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen herbeiführen, weil unseres Erachtens beide Gruppen hier in der Bundesrepublik vom gleichen Schicksal betroffen sind und deshalb auch mit gleichen Maßstäben in der Gesetzgebung gewertet werden müssen. Bevor ich auf die einzelnen politischen Schwerpunkte unseres Gesetzentwurfes eingehe, muß ich einige Ausführungen zur Problematik unserer bisherigen Flüchtlingsgesetzgebung und der Entwicklung machen, um allen unsere Zielsetzung verdeutlichen zu können. Seit Kriegsende haben 10 Millionen Heimatvertriebene aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und zirka 3,7 Millionen Flüchtlinge aus Mitteldeutschland hier in der Bundesrepublik ihre Aufnahme gefunden. Bei den Grundsätzen, die die bisherige Gesetzgebung bestimmten, ging man davon aus, allen Vertriebenen, auch den jetzt noch ständig zu uns kommenden Spätaussiedlern, einen eindeutigen Status zu geben, nach dem jeder, der die Ver- treibungsgebiete verläßt, auch als Vertriebener anerkannt wird und die ihm zustehenden Rechte und Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann. Dagegen ging man bei den Deutschen, die aus der Zone in die Bundesrepublik flüchteten - zum Unterschied vom allgemeinen Vertriebenenschicksal als Massenschicksal - vom Einzelschicksal aus, weil die Ansicht vorherrschte, daß die Flucht aus der Zone auf Grund einer individuellen Entscheidung ausgelöst worden sei. Diese Betrachtungsweise führte dazu, daß die Fluchtgründe sowohl für die Aufnahme in der Bundesrepublik durch das Notaufnahmegesetz als auch für die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling im engeren Sinne nach dem § 3 des Bundesvertriebenengesetzes einer eingehenden individuellen Bewertung unterzogen wurden. Nur der wurde als Flüchtling anerkannt, von dem man meinte, daß seine Flucht aus Mitteldeutschland in einem engen Zusammenhang zu überdurchschnittlichen individuellen Verfolgungsmaßnahmen stand. Vom Flüchtling wurde verlangt - das schreibt der § 3 des Bundesvertriebenengesetzes vor -, seine besondere Zwangslage, die ihn zur Flucht veranlaßt hatte, zu beweisen. Jeder von uns, der sich mit dieser Problematik beschäftigt hat, weiß, daß die den Antragstellern zugeschobene Beweislast in vielen Fällen zur Beweisnot führte, die für den Flüchtling große Härten mit sich brachte und die ihn in vielen Fällen nach seiner Flucht in die Freiheit an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik zweifeln ließ. Die Kluft, die durch die Bestimmung des § 3 zwischen den anerkannten ) und den nichtanerkannten Flüchtlingen aufgerissen wurde, wiegt um so schwerer, weil wir niemals in der Lage waren, die zur Erlangung der Flüchtlingseigenschaft angegebenen Fluchtgründe einwandfrei zu überprüfen. Die Fragwürdigkeit der Überprüfung der Fluchtgründe wurde insbesondere im Hinblick auf den unbestimmten Rechtsbegriff der besonderen Zwangslage immer wieder deutlich. Nur aus der von jeher engherzigen Fassung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes läßt es sich überhaupt erklären, daß von den 3,7 Millionen Flüchtlingen nur rund 700 000 die Anerkennung im engeren Sinne erhalten haben und daß auch mit den verschiedenen Novellierungen keine entscheidenÄnderungen - etwa rückwirkend durch Zweitanträge - erreicht werden konnten. Wir sind immer der Meinung gewesen - die Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte im Bulletin vom 12. September und 4. Oktober des vergangenen Jahres bestätigen die von uns ständig vertretene Auffassung -, daß man diesen Flüchtlingen, denen man den Charakter des politischen Flüchtlings abgesprochen hat, unrecht tat. Im Bulletin vom 12. September 1962 wird ausgeführt: Die Flucht der 3,7 Millionen Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone seit 1945 war zu keiner Zeit wesentlich durch wirtschaftliche Überlegungen der Flüchtlinge bestimmt. Sie wichen vielmehr vor einem unerträglichen Druck, dem sich nun, nach der Errichtung der Mauer in Berlin, nur noch wenige unter Todesrisiko entziehen können. Damit sind also auch nach der Meinung des zuständigen Ministeriums alle, die zu uns gekommen sind, politische Flüchtlinge, die Jungen wie die Alten, die Arbeiter wie die Angestellten und die Selbständigen. Sie sind Flüchtlinge, weil sie unter Zurücklassung der Heimat, des Besitzes und des Grund und Bodens, der Existenz und unter Zerreißung ihrer Familienbande unter dem Druck des Systems eine Entscheidung für die Freiheit getroffen haben. Das in der Vergangenheit von offiziellen Stellen gegen unsere Auffassung und unsere Versuche, eine Änderung des § 3 herbeizuführen, immer wieder benutzte Argument der Sogwirkung ist damit unseres Erachtens auch für die Vergangenheit offiziell und amtlich widerlegt worden, eine Feststellung, die wir begrüßen; aber sie bleibt nur Theorie, wenn wir nicht den Versuch unternehmen, daraus grundsätzliche gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen. ({0}) Wenn wir in der öffentlichen Diskussion immer wieder von den 3,7 Millionen Flüchtlingen sprechen, die die Zone des Unrechts verlassen haben, wenn wir immer wieder diese Tatsache herausstellen, so sind wir auch verpflichtet, diese Menschen als politische Flüchtlinge anzuerkennen, weil sie letzten Endes nur von dem Grundrecht Gebrauch gemacht haben, das wir für uns in Anspruch nehmen und das nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch für die Zonenbewohner geltendes Recht sein soll. Unser Entwurf wird dieser Sachlage gerecht, indem er allen Flüchtlingen, die nicht dem Zonenregime Vorschub geleistet oder sonst gegen die Grundsätze unserer freiheitlichen, demokratischen Rechtsordnung verstoßen haben, den Flüchtlingsstatus gewährt. Damit würden endlich die verschiedenen Kategorien von Flüchtlingen beseitigt, und die Flüchtlinge würden untereinander gleichgestellt. Damit würde aber auch erreicht, daß auf alle Flüchtlinge die gleichen Betreuungsmaßnahmen Anwendung finden können statt der bisher unterschiedlichen und ungerechten Regelung, die fünf Sechstel der Flüchtlinge rechtlich und sozial schlechter stellt als das restliche eine Sechstel der anerkannten Flüchtlinge. Während im Zweiten Abschnitt unseres Gesetzentwurfs eine Reihe von Maßnahmen und Bestimmungen festgelegt ist, die voraussichtlich keine grundsätzliche politische Auseinandersetzung hervorrufen, wird im Dritten Abschnitt die Aufnahme von Deutschen aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet neu geregelt. Obgleich die Praxis der Notaufnahme angesichts der Tatsache, daß zur Zeit alle Flüchtlinge unter Todesrisiko die Mauer überwinden, dahin geht, selbstverständlich alle aufzunehmen, erscheint doch gerade im Hinblick auf diese Situation das Notaufnahmegesetz als völlig wirklichkeitsfremd. Die von uns vorgeschlagene Regelung berücksichtigt deshalb einerseits das allen Deutschen nach Art. 11 des Grundgesetzes zustehende Recht auf Freizügigkeit, andererseits aber 2976 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 64. Sitzung. Bann, Mittwoch, den 13. März 1963 auch das berechtigte Interesse der Bundesrepublik an der restlosen Erfassung von Personen, die in der sowjetischen Besatzungszone beheimatet waren und in der Bundesrepublik ihren ständigen Aufenthalt nehmen. Unser Vorschlag ermöglicht es gleichzeitig, die Menschen, die zur Begründung ihres ersten Wohnsitzes der öffentlichen Hilfe bedürfen, im Rahmen eines geregelten Verfahrens auf die Länder und Gemeinden zu verteilen. Nach diesen Vorschlägen soll das Notaufnahmeverfahren in ein unbürokratisches Registrierverfahren mit einer Meldepflicht umgewandelt werden. Der Sechste Abschnitt unseres Gesetzentwurfs behandelt die rechtliche und soziale Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen im Hinblick auf die Schadenfeststellung und den Lastenausgleich. Dabei - ich muß es noch einmal wiederholen - gehen wir von der Erkenntnis aus, daß Flüchtlinge und Heimatvertriebene gemeinsam das gleiche Schicksal tragen, das seine Ursachen in dem Ausgang des Krieges und in der vorausgegangenen politischen Entwicklung hat. Wir verweisen in diesem Zusammenhang erneut auf das Gutachten von Herrn Professor Weber, Göttingen, das er vor der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Landwirte und Bauern abgegeben hat. Ich zitiere wörtlich: Das alles geschah und geschieht nach einem einheitlichen, wohlüberlegten Plan in einer einheitlichen Aktion. Heimatvertriebene und Zonenflüchtlinge sind hier in gleicher Weise Opfer. Man kann die erste Ursache dieser Opfersituation in die militärische Niederlage Deutschlands oder weiter noch in die Fehler und Verfehlungen der Politik Hitlers zurückverlegen. Das ist im Ergebnis gleichgültig; an der Einheitlichkeit des Ereignisses ändert sich dadurch nichts, und jedenfalls sind alle Einbußen, die der Vertriebenen wieder Sowjetzonenflüchtlinge, die unmittelbare Folge ein und derselben Aktion, nämlich der Ausbreitung des sowjetrussischen Macht- und Beherrschungssystems in das Gebiet der sogenannten Satellitenstaaten und Deutschlands hinein bis zu der Linie, für die die Bezeichnung „Eiserner Vorhang" gebräuchlich geworden ist. Dabei kommt Herr Professor Weber zu der Schlußfolgerung, daß sich vor dem Forum der Gesetzgebung eine unterschiedliche Behandlung in einer Besserstellung der Heimatvertriebenen einerseits und einer Benachteiligung der Flüchtlinge andererseits nicht vertreten läßt. Beide Gruppen hätten Heimat, Besitz und Existenz verloren und müßten hier wieder eine neue Existenz aufbauen, beiden Gruppen hätten, so sagt er, gleiche Rechte und Vergünstigungen gewährt wenden müssen. Das. ist bisher nicht der Fall gewesen. Ich möchte in diesem Zusammenhang gleichzeitig der oft, auch von offizieller Seite, geäußerten Ansicht entgegentreten, daß die C-Flüchtlinge den Heimatvertriebenen in den wesentlichen Punkten gleichgestellt seien. Auch die Flüchtlinge mit C-Ausweis erhalten keine Ausgleichsleistungen, sondern laut Härtefonds des Lastenausgleichs Beihilfen zur Milderung von Härten, Beihilfen, auf die kein Anspruch besteht und die nur nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel gegeben werden können. Darüber hinaus sind den C-Flüchtlingen gegenüber den Vertribenen weitere Rechte und Leistungen vorenthalten, .die sich auf die Schadensfeststellung und die Ausgleichsleistungen beziehen. Ich möchte auch der oft gehörten Argumentation entgegentreten, daß eine rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen unseren gesamtdeutschen Interessen entgegenstehe und daß man aus dieser Haltung heraus die Flüchtlinge auf einen späteren gesamtdeutschen Gesetzgeber vertrösten solle. Ebensowenig wie die Heimatvertriebenen durch die Einbeziehung in den Lastenausgleich auf die Rechte in der Heimat verzichtet haben, wird der Flüchtling aus der sowjetisch besetzten Zone bei einer Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen seine Rechte in .der Heimat aufgeben. Die Präambel des Lastenausgleichsgesetzes muß für die Flüchtlinge die gleiche Bedeutung wie für die Vertriebenen haben. Wir sind der Meinung, daß der Anspruch der Flüchtlinge auf volle Gleichstellung mit den Vertriebenen damit gerechtfertigt ist. Es geht jetzt nicht mehr darum, wie es die Bundesregierung mit dem Flüchtlingshilfegesetz beabsichtigt, den Flüchtlingen - übrigens auch nur wieder einem sehr kleinen Teil von ihnen - nur Hilfen karitativen Charakters zu geben. Vielmehr haben die Flüchtlinge einen Anspruch darauf, aus einem gleichen Schicksal heraus die gleiche rechtliche und soziale Stellung in der Gesetzgebung zu erhalten wie die Heimatvertriebenen. ({1}) Herr Minister Mischnick, der zuständige Ressortminister, weiß sehr genau, daß die Flüchtlinge und ihre Verbände die Bestimmungen des Flüchtlingshilfegesetzes, das er vorzulegen beabsichtigt, nicht für ausreichend halten, ja, daß sie es ablehnen, und die Regierung sollte sich sehr genau überlegen, ob sie einen Gesetzentwurf einbringen will, der auf die berechtigten- Wünsche und Hoffnungen dieses Personenkreises überhaupt keine Rücksicht nimmt. ({2}) Der Gesetzgeber wird den Flüchtlingen nur gerecht, wenn er ihnen nicht mehr, aber auch nicht weniger gibt als den Heimatvertriebenen. Aus diesem Geist heraus haben wir in unserer Gesetzgebung für die Flüchtlinge eine Schadensfeststellung vorgesehen, wobei wir gesetzestechnisch bewußt den Weg gegangen sind, die Feststellung der Schäden der Flüchtlinge in das bereits bestehende Feststellungsgesetz für die Heimatvertriebenen hineinzuarbeiten. Wir haben in unserem Gesetzentwurf ferner vorgesehen, den Flüchtlingen dieselben Entschädigungsleistungen zu geben, wie sie die Vertriebenen nach dem Lastenausgleichsgesetz erhalten. Es ist bekannt, daß ein in der vorigen Legislaturperiode beratenes Beweissicherungsgesetz insbesondere deshalb nicht verabschiedet wurde, weil sich die Bundesregierung und auch die damalige Mehrheit des Parlaments einer echten Schadensfeststellung widersetzten und nicht bereit waren, den beFrau Korspeter rechtigten Wünschen der Flüchtlinge Rechnung zu tragen. ({3}) Die Flüchtlinge haben das begrüßt. Sie haben es begrüßt, daß dieses Beweissicherungsgesetz nicht zum Zuge kam, da sie mit Recht eine Feststellung ihrer Schäden in gleicher Weise und im gleichen Umfang verlangen, wie sie den Vertriebenen gewährt wird. Schon in der Regierungserklärung des Jahres 1961 wurde den Flüchtlingen ein Beweissicherungsgesetz oder ein Feststellungsgesetz in Aussicht gestellt. Wir bedauern außerordentlich, daß man bis heute von seiten der Regierung dem berechtigten Verlangen der Flüchtlinge noch nicht nachgekommen ist, ja, daß laut Regierungserklärung von 1963 auch noch nicht einmal über die Grundsätze entschieden wurde, in welcher Weise nun von seiten der Regierung vorgegangen werden soll. Die Regierungserklärung brachte uns jedenfalls keine Klarstellung darüber, was die Regierung beabsichtigt. Es ist ganz selbstverständlich, daß die Flüchtlinge über eine solche Haltung aufs tiefste enttäuscht sind. Selbstverständlich sind wir uns der Schwierigkeiten der gestellten Aufgabe bewußt. Auch wir wissen, daß die Feststellung der Schäden der Heimatvertriebenen durch die Eindeutigkeit des Schadenstatbestandes leichter durchzuführen war, als es angesichts der Differenziertheit der Schadenstatbestände bei den Flüchtlingen möglich ist. Aber das Problem wird schließlich nicht dadurch gelöst, daß ständig nur auf diese Schwierigkeiten hingewiesen wird. Im Gegenteil, man kann sich beinahe des Eindrucks nicht erwehren, daß man mit einer solchen Argumentation eigentlich die Lösung dieser Fragen auf die lange Bank zu schieben versucht. Wir hoffen deshalb, daß dieser Abschnitt in unserem Gesetzentwurf eine gute Grundlage für unsere Beratungen schafft, wobei wir - ich sage das ganz offen und in aller Eindeutigkeit - selbstverständlich bereit sind, uns in Einzelfragen durch einen besseren Sachverstand überzeugen zu lassen. Dabei möchte ich aber sehr deutlich sagen: wir sind grundsätzlich der Meinung - davon lassen wir uns nicht abbringen -, daß sich die Feststellung der Schäden der Flüchtlinge zwangsläufig nach den Regeln und Grundsätzen des bisherigen Feststellungsgesetzes richten muß, d. h. daß der Zonenfluchtschaden und der Kriegssachschaden der Flüchtlinge in derselben Weise festgestellt und anerkannt werden muß wie der der Heimatvertriebenen. Uns war bei unseren Überlegungen völlig klar, daß, wenn wir auch eine rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen herbeiführen wollen, eine solche Feststellung auf das Ziel, Ausgleichsleistungen zu gewähren, gerichtet sein müßte. Wir haben deshalb in § 26 unseres Entwurfs die Leistungen für die Flüchtlinge in das bestehende Lastenausgleichsgesetz eingeordnet, so daß den Flüchtlingen für den erlittenen Zonenfluchtschaden einschließlich Kriegssachschaden und Sparerschaden ein Anspruch auf alle Entschädigungsleistungen zustehen soll. Aus gesamtdeutscher Sicht wurde in § 26 Ziffer 17 b bestimmt, daß der Auszahlungsbetrag der Hauptentschädigung, der auf 'Grund eines Zonenfluchtschadens zu leisten ist, bis auf eine spätere gesetzliche Regelung als zinsloses Darlehen gegeben werden soll. Eine solche Regelung der Ansprüche der Flüchtlinge im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes kann und darf selbstverständlich nicht zu Lasten der Vertriebenen gehen. Deshalb muß hinsichtlich der Finanzierung für die Flüchtlinge eine neuer Weg gegangen werden. Die vorgesehene Bildung eines Sonderfonds wird dieser Sachlage gerecht, indem die Finanzierung des vorgesehenen Sonderfonds durch Haushaltsmittel des Bundes und der Länder festgelegt wird. Da die Auszahlung der Hauptentschädigung erst in einigen Jahren anlaufen und sich dann ebenso wie bei der Hauptentschädigung für Vertriebene bis 1979 erstrecken wird, werden in den nächsten Jahren vor allem die Aufwendungen für Hausratsentschädigung und Unterhaltshilfe einschließlich Entschädigungsrente ins Gewicht fallen. Die dafür und für sonstige noch anfallenden Leistungen für Flüchtlinge in den nächsten Jahren aufzubringenden Mittel werden jedoch keinesfalls mehr Haushaltsmittel beanspruchen, als in den Haushalten des Bundes und der Länder in den Jahren 1960 bis 1961 für die gesamten Betreuungs- und Eingliederungsmaßnahmen der Flüchtlinge in Ansatz gebracht worden sind. Im Rahmen dieses Gesetzentwurfs war es noch notwendig, eine Reihe von allgemeinen Regelungen festzulegen, und zusätzlich haben wir versucht, die Frage der Prüfungen und Befähigungsnachweise zu lösen, die seit dem 8. Mai 1945 in der sowjetisch besetzten Zone abgelegt worden sind. Die augenblickliche Praxis hat zu willkürlichen, oft nur von dem Interesse an der Arbeitskraft abhängigen Maßnahmen geführt, bei denen die gesamtdeutschen Gesichtspunkte nur geringe Berücksichtigung fanden. Schließlich erwies es sich noch als notwendig, in dem vorhandenen Bundesvertriebenen- und Flücht_ lingsgesetz die notwendigen Streichungen vorzunehmen, um es zu einem reinen Vertriebenengesetz zu machen. Wir sind uns dessen bewußt, daß wir mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs eine Materie zu regeln versuchen, die - das geben wir zu - sicher in ihrer Komplexheit schwierig, aber im Interesse der Flüchtlinge notwendig ist. Wir alle wissen, daß sich unter den Flüchtlingen eine große Unruhe bemerkbar gemacht hat, die darauf zurückzuführen ist, daß sie sich ungerecht behandelt fühlen. Wenn im „Flüchtlingsanzeiger", dem Presseorgan des Gesamtverbandes der Sowjetzonenflüchtlinge, von einem Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes geschrieben wird: Man kann eine rechtlich verschiedene Behandlung im Schicksal gleicher Gruppen eine kurze Übergangszeit vertreten. Die Verantwortlichen müssen sich jedoch darüber klar sein, daß dieser Diskriminierung der Sowjetzonenflüchtlinge eine Grenze gesetzt ist, wenn nicht der Glaube an die Gerechtigkeit und an den guten Willen der politischen Kräfte in der Bundesrepublik in Verbitterung umschlagen soll ... dann, meinen wir, sollte dieses Haus diese Äußerungen sehr ernst nehmen. Wir dürfen deshalb auch im Parlament einer Auseinandersetzung über diese Probleme - und, wie ich hoffe, einer Lösung dieser Probleme - nicht ausweichen. Schließlich darf dabei nicht übersehen werden, daß der Beitrag der Sowjetzonenflüchtlinge für den Wiederaufbau unserer Wirtschaft von unschätzbarem Wert war und auch noch ist. Es wäre sicher auf die Dauer ungerecht, wenn die Flüchtlinge zwar an allen Pflichten in der Bundesrepublik teilnehmen müßten, aber, gemessen an den Rechten der Vertriebenen, benachteiligt würden. ({4}) Wir sind selbstverständlich jederzeit bereit, jede Anregung die von einer anderen Seite kommt, zu prüfen und uns mit dieser Anregung auseinanderzusetzen. Aber - ich möchte das zum Schluß sehr deutlich sagen - wir wären froh, wenn es zu einer gemeinsamen konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Ziel käme, den Flüchtlingen und ihrem Schicksal endlich gerecht zu werden. Wir bitten, unseren Gesetzentwurf um seiner politischen Bedeutung willen dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - federführend - und zur Mitberatung dem Ausschuß für Heimatvertriebene, dem Ausschuß 'für den Lastenausgleich und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. ({5})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Die Antragstellerin hat ihren Entwurf begründet. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte am Anfang meiner Ausführungen mich bei der Vorrednerin dafür bedanken, daß sie das Anliegen, das sie vertreten hat, so objektiv und so unpolemisch vertreten hat. Das steht in einem geradezu erfreuenden Gegensatz zu manchen Äußerungen von Wahlkampfreden und Wahlkampfartikeln. Ich kann mir manches, _ worauf ich vorbereitet war, Gott sei Dank ersparen. Für die Fraktion der CDU/CSU erkläre ich hiermit, .daß die Fraktion die Weiterbildung der Flüchtlingsgesetzgebung bejaht. Es ist eine erwünschte Gelegenheit, anläßlich dieses Gesetzentwurfs der Opposition in den entsprechenden Ausschüssen sich ernsthaft mit diesen Dingen zu befassen und die Probleme wieder neu zu sehen und wieder neu zu besprechen. Der Anruf zu einer gemeinsamen konstruktiven Arbeit, den Sie, Frau Kollegin Korspeter, am Schluß an uns gerichtet haben, wird von uns erwidert. Wir hoffen, daß dann auch die Regierung etwas Genaueres über die Einzelheiten ihrer Entwürfe mitteilen kann und daß die Gedanken der Regierungsentwürfe, vielleicht die Entwürfe selbst, in diesen Beratungen mit verwendet werden können. Wir werden also diese Dinge mit politischem Verstand und mit heißem Herzen bearbeiten; denn schließlich sehen wir ja in den Flüchtlingen - und hier spreche ich ausdrücklich für meine Fraktion - die unfreiwilligen Sendboten der Menschen drüben in der Zone, denen unser heißes Mitgefühl durch alle diese Jahre unvermindert gilt. Ich glaube, es ist aus den Ausführungen der Vorrednerin schon deutlich geworden, daß diese Fragen nicht nur soziale, sondern in erster Linie politische Fragen sind; denn schon die Besonderheit der Not und der Hilfsbedürftigkeit dieser Menschen ist ja politisch begründet, und so sind eine Reihe von politischen Entscheidungen zu fällen. Schon die eine Frage: Sollen die Flüchtlinge mit den Vertriebenen gleichbehandelt oder gesondert betrachtet und behandelt werden? - ist eine politische Frage. Ich muß schon sagen - entschuldigen Sie -, daß in Ihrem Entwurf ein gewisser Widerspruch vorliegt. Einmal trennen Sie die Flüchtlinge von den Vertriebenen, indem Sie sie aus dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz heraus in ein besonderes Flüchtlingsgesetz nehmen. Andererseits wollen Sie wieder, daß die Regelung der Probleme, die jetzt angegriffen werden sollen, im Feststellungsgesetz und im Lastenausgleichsgesetz gemeinsam erfolgt. Man kann es nämlich theoretisch auch umgekehrt machen. Man kann etwa sagen: Flüchtlinge und Vertriebene gehören, gerade wenn auf eine Gleichstellung hingezielt wird, in e i n Gesetz, aber .die Besonderheit der Leistungen für die Flüchtlinge wird außerhalb des Lastenausgleichs und außerhalb des Feststellungsgesetzes in parallelen Gesetzen geregelt. Das ist eine Frage, über die wir uns unterhalten müssen. Über zwei Dinge muß man, glaube ich, noch einiges sagen. Das eine ist die Frage der Notaufnahme und der Flüchtlingsanerkennung. Frau Korspeter sagte, die Notaufnahme sei heutzutage in ihrer Durchführung „wirklichkeitsfremd". Ich darf vielleicht in aller Höflichkeit daran erinnern, daß wir unter Vorsitz Ihres Kollegen Wehner im Winter 1961/62, also schon in der neuen Situation, im Notaufnahmelager Marienfelde über diese Frage verhandelt haben und bei uns der Eindruck entstehen mußte, als ob die Sozialdemokratische Partei die Notaufnahme, wie sie dort von uns praktisch miterlebt und dann behandelt wurde, keineswegs als wirklichkeitsfremd betrachtet. Wir sind der Meinung, daß die Notaufnahme nicht einfach in eine Registrierung verwandelt werden könnte. Ich glaube, die Notaufnahme hat auch etwas Gutes darin, daß Beschlüsse, die auf Grund politischer Erwägungen zu fällen sind, eben nicht im Einmannverfahren - gewissermaßen durch behördliche Entscheidung -, sondern auf Grund von Ausschuß-und Kollegialbeschlüssen gefaßt werden. Das ist eine sachdienliche, bewährte Lösung der Angelegenheit. Bloß wünschte ich dabei, daß es in dem Anerkennungsverfahren ähnlich gemacht würde! Wenn es nach mir persönlich ginge, würde in der Notaufnahme auch schon über die Anerkennung entschieden. Aber das ist leider nicht durchführbar. Nun ist die Frage, wie Sie es mit der „Anerkennung" machen wollen. Sie haben gesagt, Frau Kollegin Korspeter, es soll keinen Unterschied mehr zwischen anerkannten und nichtanerkannten Flüchtlingen geben. Nach Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie aber ein Anerkennungsverfahren und einen Anerkennungsausweis beibehalten. Wir müssen uns also darüber unterhalten: Soll das Anerkennungsverfahren völlig abgeschafft werden, oder soll es, wie es nach Ihrem Gesetzentwurf erscheint, in einer entscheidenden Weise weitergebildet und reformiert werden? Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt - und ich glaube, auch die Regierung ist bereit, in diesem Sinne zu verfahren -, daß wir durchaus noch einmal sehen sollten, ob und wie das Anerkennungsverfahren und die Formulierung der Anerkennungsbedingungen weiterentwickelt werden können. Dabei müßte auch festgestellt werden, ob das Verfahren, wie S i e es jetzt vorschlagen, praktikabel ist. Das ist eine Aufgabe für den Ausschuß. Vor anderthalb Jahren haben wir eine Novellierung durchgeführt, deren Ergebnis Sie als völlig unbefriedigend hingestellt haben. Nach meiner Unterrichtung ist es noch gar nicht abschätzbar, wie sie sich tatsächlich ausgewirkt hat, namentlich nachdem sich das Bundesverwaltungsgericht, dem ich dafür meine Reverenz erweise, den Anschauungen gegenüber, die uns bei dieser Neuformulierung des § 3 bewegt haben, sehr verständnisvoll gezeigt hat. Das wird ja auch nach unten weiterwirken. Wir haben damals eine vierte Novelle verabschiedet, in der ursprünglich daran gedacht war, auch die Entscheidungen in erster Instanz gewissermaßen kollegial zu machen und mit Sachverständigen zu unterstützen. Ich bedauere heute noch, daß uns die Länder auf diesem Wege nicht gefolgt sind. Es wäre für die Beruhigung unter den Flüchtlingen und für ihr Gefühl, gerecht behandelt zu werden, sicher ein wichtiger Fortschritt gewesen. Nun müssen wir natürlich fragen: Wollen Sie allen, die aus Mitteldeutschland herübergekommen sind, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen oder nicht? Natürlich dürfen wir das nicht von der Zahl aus beurteilen, sondern müssen es als politisches Problem sehen. Ich bin schon der Meinung, daß, wenn man eine Definition in § 1 macht, in der der Flüchtling definiert wird als einer, der die Zone „verlassen hat", wir diesen Mann ja gar nicht mehr Flüchtling nennen könnten, sondern er eben schlechtweg ein Mitteldeutscher in der Bundesrepublik wäre. Hier möchte ich ausdrücklich und mit Beifall zitieren den Professor Werner Weber aus Göttingen, dessen Ausführungen Sie ja auch beifällig zitiert haben, der in demselben Vortrag erklärt hat: Wenn die Flüchtlinge den Anspruch erheben, mit den Vertriebenen gleichbehandelt und ihnen gleichgestellt zu werden, dann können sie das nur auf Grund eines Vergleichsmoments, nämlich des „Verdrängtsein-Tatbestandes." Das bedeutet doch, daß eben nicht jeder herübergekommene Mitteldeutsche schon damit ein Flüchtling ist, sondern daß er eben ein Verdrängter, d. h. ein durch Zwang Herausgetriebener sein muß. Wenn man nämlich Ihrer Lesart folgt - und das ist der Differenzpunkt bei unseren Anschauungen -, wenn man mit Ihrem Gedanken jeden aus Mitteldeutschland Herübergekommenen schon als einen Verdrängten und Vertriebenen ansieht, dann machen wir aus der mitteldeutschen Zone ein Vertreibungsgebiet, und das dürfen wir aus politischen Gründen nicht tun. Um es so zu sagen: Wir setzen bei jedem Vertriebenen voraus, daß er beseelt ist von dem Rückkehrwillen. Darauf bauen wir unser Verlangen, die uns entrissenen Gebiete wiederzubekommen. Entsprechend setzen wir bei jedem Mittteldeutschen seinen Ausharrewillen voraus. Darauf basiert unsere Forderung nach der Selbstbestimmung dieser Menschen auf Freiheit und Zugehörigkeit zu uns. Ausharrewille ist ein Recht und eine Pflicht, und das Anerkennungsverfahren ist ja im Grund weiter nichts als eine Kontrolle im Interesse der Mitteldeutschen, ob der Betreffende die ihm durch Schicksal auferlegte Solidaritätspflicht seinen Mitmenschen gegenüber gewahrt hat oder ob er sich etwa an die Unterdrücker dort herangedrängt oder sich diesem Schicksal ohne Not entzogen hat. Natürlich, das Grundrecht der Freizügigkeit kann man niemandem bestreiten, und wir sind auch mit der Bundesregierung der Meinung, daß denen, die nicht als Flüchtling anerkannt werden konnten, soziale Hilfen in einer Notlage gegeben werden müssen. Ich würde das nicht ohne weiteres ablehnen mit der sachlichen Schärfe, mit der Sie das getan haben. Das ist die eine Frage, über die wir uns unterhalten müssen, und ohne Zweifel ist das eine politische Frage. Wir sind uns einig, daß man dieses Anerkennungsverfahren weiterentwickeln kann. Nur fehlen uns noch Vorschläge, die uns das praktisch deutlich machen. Eine weitere Frage ist einmal die von Ihnen gestellte, ob wir es überhaupt beibehalten müssen. Ein neuer Gedanke in diesem Gesetz ist das Problem einer Entschädigung der Flüchtlinge. Wir sind darüber einig, glaube ich, daß eine Entschädigung in dem Sinne, daß der Entschädigte gewissermaßen seinen Verlust drüben als irreparabel hinnimmt und sich deshalb in Geldwert entschädigen läßt, wegen ihrer Auswirkung unmöglich ist. Wir können und wollen vor dem In- und Ausland nichts tun, was uns in Verdacht bringt, als ob wir die gewaltsam hergestellten Eigentumsverhältnisse drüben als gültig und jedenfalls unaufhebbar ansehen. Darum setzen Sie die praktische Auswirkung einer Entschädigung aus und wollen dafür ein zinsloses Darlehen einführen. Ich glaube, man müßte sehr ernst überlegen, ob es dann nicht richtiger wäre, wegen dieser Mißdeutbarkeit den Ausdruck „Entschädigung" überhaupt fallen zu lassen. Man sollte aber auch diese Frage nicht nur negativ beantworten, sondern sich sehr ernsthaft überlegen: Was kann in dieser Richtung geschehen? Ich bin der Meinung, daß die Flüchtlinge, auch wenn sie jetzt nominell keine Entschädigung bekommen können, Ausgleichsleistungen für die Nachteile beanspruchen können, die sie den Vertriebenen gegenüber dadurch haben, daß sie eben diesen Anspruch nicht erfüllt bekommen. Daraus folgt, daß alle die, die durch Zwang. getrieben Heimat und Eigentum verlassen mußten und die in ihrem Vermögen, Betrieb, Geschäft oder Gut die Versorgung ihres Alters gesichert hatten, mindestens dann - und dann bestimmt - eine Hilfe brauchen, wenn sie weder einen Rentenanspruch noch einen Pensionsanspruch haben und hier bloß auf die Unterhaltshilfe angewiesen sind. Ich bin der Meinung, daß eine Ersatzkonstruktion geschaffen werden muß, durch die sie denen, die als Vertriebene eine Entschädigungsrente bekommen, sozial gleichgestellt werden. Ob man das nun einen Vermögenszuschlag oder eine Entschädigung für den entgangenen Nutzen nennen soll, darüber können wir uns unterhalten. Ich freue mich jedenfalls, daß ich von Regierungsseite gehört habe, daß man einen solchen Gedanken keineswegs ablehnt, sondern bereit ist, sich über seine Durchführbarkeit zu unterhalten, und daß die Regierung selbst schon Pläne in dieser Richtung hat. Um es noch einmal zu sagen: die vordringliche Aufgabe in der Flüchtlingsbetreuung ist, den früher selbständigen, nicht mehr arbeitsfähigen Menschen etwas zu geben, was sie vor sozialer Deklassierung bewahrt. Ich glaube, dieser Pflicht kann sich die Bundesrepublik nicht länger entziehen. Und nun zum Schluß! Die Flüchtlinge wissen, daß sie, wenn sie in die Bundesrepublik gekommen sind, eine Luft der Freiheit atmen, die sie drüben nicht atmen durften, daß sie hier Arbeit und durch ihre Arbeit einen vergleichbaren Wohlstand erreichen können.. Sie sollen für das, was sie als besondere Nachteile haben, Rechtens so gestellt werden, daß sie in gleicher Weise leben, wirken und existieren können wie die Menschen, die hier von Geburt an gelebt haben. Bei allen unseren Überlegungen haben wir hieran zu denken. Bei allen unseren Überlegungen haben wir auch daran zu denken: Was ist nützlich, dienlich und gut für die Menschen, die in der Zone leben? Was müssen wir vermeiden, um diesen Menschen nicht zu schaden, um ihren Widerstandswillen zu erhalten und zu kräftigen? Nun fällt es mir leicht, Frau Korspeter, am Schluß eine Bemerkung anzufügen, von der ich anfangs nicht wußte, ob sie in meine Rede passen würde. ({0}) Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, ich halte es für einen entscheidenden Vorteil, daß Regierungsparteien und Opposition sich gefunden haben in der gemeinsamen Bejahung bestimmter Grundprinzipien auf dem Gebiet der Außenpolitik, auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik und, was mich besonders bewegt und erfreut, auf dem Gebiete der Wiedervereinigungspolitik. Ich glaube, daß man nun den Wunsch aussprechen sollte, zu prüfen, ob nicht die Beratung dieses Gesetzes dazu führen kann, daß wir auch auf dem mit der Wiedervereinigungspolitik so eng zusammenhängenden Gebiet der Flüchtlingspolitik gemeinsame Grundlinien finden können. ({1}) Ich zeige sie hier nicht auf; denn ich will ja gerade das Gemeinsame als Ziel. Es gibt Probleme, bei denen eine Einigkeit in diesem Hause von vornherein stillschweigend geradezu vorausgesetzt wird -ich denke an das Gebiet der Wiedergutmachung-, und es hat Gebiete gegeben und gibt Gebiete, wo - Gott sei es geklagt - die Fraktionen aufeinanderprallen: in der Frage der Betreuung bestimmter Bevölkerungsschichten, die an diesem Aufeinanderprallen und Aneinanderschlagen ganz bestimmt keineswegs interessiert sind. Ich würde mich freuen, wenn wir in Zukunft Flüchtlingspolitik treiben könnten mit der Überschrift: „Ohne Parteihader". ({2})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion begrüße ich die hier soeben von Frau Kollegin Korspeter und Herrn Kollegen Eichelbaum gemachten Ausführungen auf das wärmste und möchte beiden sehr herzlich dafür danken, daß heute eine grundsätzliche Bereitschaft zur gemeinsamen Arbeit an diesen Aufgaben zum Ausdruck kam. Meine Freude wäre allerdings noch größer, wenn diese Bereitschaft bereits im Jahre 1958 vorhanden gewesen wäre, als wir Freien Demokraten einen Entwurf auf den Tisch des Hauses legten, der in diese Richtung zielte und die Dinge anpacken wollte. Leider entwickelte sich nach drei Jahren daraus ein Gesetzentwurf, dem wir unsere Zustimmung nicht mehr geben konnten, weil dieser Entwurf so aussah, daß es besser war, kein Gesetz zu machen. Da gebe ich der Frau Kollegin Korspeter vollkommen recht, die vorhin von diesen Dingen sprach. Ich glaube, eines darf hier gesagt werden. Wir Freien Demokraten können für uns in Anspruch nehmen, schon sehr zeitig auf die dringend notwendige Gleichstellung und auf die dringend notwendige Beweissicherung hingewiesen zu haben. Wir können auch für uns in Anspruch nehmen, daß das vorhin von Frau Kollegin Korspeter aus der Regierungserklärung aufgegriffene Wort zu diesen Fragen die Handschrift unseres FDP-Vertriebenenministers Wolfgang Mischnick trug. Bei dem, was dazu in der Regierungserklärung stand, war - das wurde jedem, der die Dinge kannte, sehr deutlich - die Handschrift der FDP dabei. Ich komme nachher darauf zu sprechen, warum es etwas länger gedauert hat, bis wir zu entsprechenden Gesetzesvorlagen seitens des Vertriebenenministers kommen. Auch wir Freien Demokraten haben das sehr bedauert. Aber es gibt nun einmal Dinge, die nicht so leicht über die Bühne gehen können. Nun etwas zu dem von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vorgelegten Entwurf. Wir begrüßen aus unseren Gedanken und Initiativen, die ich erwähnt habe, diesen Entwurf. Wir begrüßen vor allem die Fülle der darin enthaltenen grundsätzlichen Überlegungen und freuen uns, daß daraus eine gewisse Weiterentwicklung der Gedanken Schmidt ({0}) auch in der Fraktion der SPD zu ersehen ist. Aber eines scheint uns etwas weniger geeignet zu sein: das ist die Form. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob es sehr glücklich ist, die Regelung all der Fragen, die in diesem Zusammenhang auftauchen und auf die wir in den Beratungen ja immer noch im einzelnen kommen werden, in die bestehende Lastenausgleichsgesetzgebung einzubauen. Ich glaube, es sind doch zu viele Unterschiede vorhanden - auf einige darf ich nachher zu sprechen kommen -, die eine eigenständige Gesetzgebung auf diesem Gebiet als besser erscheinen lassen. Wir glauben sogar, daß zwei Gesetze nötig sind, ein Flüchtlingsgesetz, das die Fragen der Gleichstellung vor allen Dingen auf sozialem Gebiet regelt und das eventuell später einmal durch Zusammenlegungen und durch Koordinierungen zu einem großen Gesetzeswerk werden kann, und ein Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz als eigenständiges Gesetz neben dem derzeitigen Lastenausgleichsgesetz. Denken Sie daran, daß wir allein 28 verschiedene nachweisbar vorhandene Verlustmöglichkeiten in der Zone haben. Es gibt nun einmal auf Grund der jahrelangen Entwicklung des Zonenregimes völlig verschiedene Fakten. Es dürfte sehr schwer sein, sie in einen echten Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz zu bringen. Ich erinnere nur an einige: Verluste aus der Zeit der Bomben- und Kriegseinwirkungen, die Kontensperrungen 1946, die Enteignungen in den ersten Monaten, die Bodenreform, die Kollektivierungen und die im Zusammenhang damit immer wieder neu auftauchenden Gesetze, dann die verschiedenen Arten der Flucht unter Zurücklassung. All das sind zusammen 28 Tatbestände. Ob man sie durch Einbau in ein vorhandenes Gesetz besser regeln könnte, ist sehr fraglich. Wir glauben, daß ein eigenständiges Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz hier besser wäre.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf jetzt einmal die Frage an Sie stellen, Herr Kollege Schmidt: Was meinen Sie nun eigentlich, ein Beweissicherungsgesetz oder ein Feststellungsgesetz?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Beweissicherung und Feststellung!

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das sind zwei grundlegend verschiedene Gesetze.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Beweissicherungs- oder Feststellungsgesetz; ({0}) so ist es von uns im Jahre 1958 bereits einmal angeschnitten worden. Nun eine andere Frage, die Sie vorhin aufgeworfen haben und zu der selbstverständlich auch einiges zu sagen ist: Warum hat die Bundesregierung, warum hat der Bundesvertriebenenminister noch kein solches Gesetz vorgelegt, wie es in der Regierungserklärung vorgesehen war? Auch wir bedauern dies; das sage ich Ihnen ganz offen. Denn wir haben diese Frage für eine der dringlichsten Fragen aus dem Gebiet der Kriegs- und der Nachkriegsfolgen in den letzten Jahren gehalten. Aber ist daran wirklich, wie so gern gesagt wird, der Bundesvertriebenenminister oder die Bundesregierung schuld? Müssen wir nicht abwarten, und ist es für diese Gesetzesvorlagen nicht auch wichtig, was in den Gott sei Dank in 14 Tagen stattfindenden Endberatungen der 16. Novelle entschieden werden wird? Bei der heute zutage tretenden Gemeinsamkeit kann ich mir vorstellen, daß wir hier eine sehr gute Lösung finden, die für den dann allerdings dringenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Gleichstellungsfrage maßgeblich sein dürfte. Außerdem ist es kein Geheimnis, daß der Entwurf des Flüchtlingsgesetzes praktisch vorliegt und daß nur noch die Verabschiedung der 16. Novelle abgewartet werden muß, ferner daß der Vertriebenenminister in seinem Haushalt bereits 90 Millionen DM für diese Gleichstellung eingesetzt hat. Es ist also ganz klar, daß die Vorlage erfolgen soll. Wir hoffen, daß dieser Gesetzentwurf im Laufe der nächsten Wochen vorliegen wird. Wenige Monate später erwarten wir von der Bundesregierung allerdings auch das Beweissicherungs- oder Feststellungsgesetz. Zu unseren eigenen Vorstellungen nur einige kurze Worte; denn ich kann auf das verweisen, was von uns bereits 1958 zu diesen Fragen gesagt wurde. Auch wir glauben, daß eines der vordringlichsten Probleme die von Herrn Kollegen Eichelbaum angeschnittene Versorgung oder Unterstützung der früher selbständigen alten Menschen ist. Ich halte es für unmöglich, daß wir Menschen, die sich ihre Existenz selbst aufgebaut und sich eine Altersversorgung geschaffen hatten und die nach 1945 nach der Flucht zum Teil noch einmal anfingen, heute länger der Fürsorge oder Sozialhilfe überantworten müssen. Wir glauben weiter, daß die bisher noch nicht fest geregelte Einrichtungshilfe eine feste gesetzliche Fundierung brauchen wird. Wir glauben zum dritten, daß die Frage der Darlehen zur Schaffung von Wohnungseigentum, zur Schaffung von neuen Existenzen so geregelt werden muß, daß hier keinerlei Unterschiede in der Behandlung der Sowjetzonenflüchtlinge und der Heimatvertriebenen mehr vorhanden sind. Noch eines zu den vorhin auch schon von Frau Kollegin Korspeter erwähnten Argumenten, die uns manchmal wegen der politischen Bedeutung solcher Gesetze entgegengehalten werden. Ich gehe völlig mit Ihnen einig in der Meinung, daß die Behauptung, die manchmal von gewissen Seiten kommt, eine Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge würde eine Anerkennung der Mauer darstellen oder die Wiedervereinigung verzögern und vielleicht 'überhaupt unmöglich machen, bedeuten Schmidt ({1}) würde, daß dieses Haus mit der Verabschiedung der Lastenausgleichsgesetze die Ansprüche auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie bereits aufgegeben hätte. Ich glaube, keiner von Ihnen, meine Damen und Herren, hat das damals getan. Also soll man heute nicht mit diesen Argumenten kommen, wenn wir uns um die notwendigen Hilfen für die Flüchtlinge aus der Sowjetzone bemühen. ({2}) Auch ein anderes Argument kommt immer einmal wieder aus den bei uns ja vorhandenen Solidarbegriffen heraus. Es kommt das Argument: „Diese Menschen, die von drüben kommen, helfen ja kein bißchen mit dazu, die Mittel aufzubringen, die nun einmal notwendig sind." Diesen Kritikern sollte man entgegenhalten, daß erstens von den aus der Zone zu uns kommenden Brüdern und Schwestern 50 % unter 24 Jahre alt sind, 50 % also Menschen sind, die sehr viel und sehr Gutes für unsere gesamte Konzeption weiter leisten werden, und daß zweitens interessanterweise die Alterspyramide bei dieser Gruppe Menschen sogar wesentlich günstiger ist als bei allen anderen Gruppen unserer Bevölkerung. ({3}) Auch diese Sachverhalte sollte man ganz genau sehen, und man sollte nicht glauben, mit den erwähnten Argumenten berechtigte Forderungen beiseite schieben zu können. ({4}) Zum Schluß, meine Damen und Herren, nur noch etwas Grundsätzliches dazu. Ich glaube, wenn wir an die Frage herangehen und sie gerecht lösen wollen, müssen wir uns darüber klar sein, daß es jedem Rechtsstaat, jedem sozialen Rechtsstaat eine Verpflichtung ist, Menschen zu helfen, die aus Angst um ihr Leben, um ihre Existenz, aus Gewissensnot und anderen für den in Freiheit Lebenden nur zu verständlichen Gründen alles zurücklassen und sich vertrauensvoll an ihn wenden. Jedem Rechtsstaat wird es zustehen, diesen Menschen zu helfen; doppelt und dreifach sogar aber sollte wohl unsere Verpflichtung hier sein, da es sich ja um unsere Brüder und Schwestern handelt, die durch eine geschichtliche und von uns nicht zu vertretende Situation in diese Lage gekommen sind, in die jeder von uns auch hätte kommen können, wenn er 1945 nicht zufällig woanders gewesen wäre. Das muß noch einmal sehr deutlich gesagt werden. Deshalb glaube ich, daß wir in den nächsten Monaten dieses Jahres die soziale Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Vertriebenen und die Frage der Beweissicherung der gesamten Vermögensverluste und -schäden dringend behandeln müssen. Bei der bisher festzustellenden grundsätzlichen Bereitschaft aller darf ja wohl mit einem positiven Ergebnis gerechnet werden. Allerdings erwarten wir Freie Demokraten auch, daß die Bundesregierung nun gemäß der Regierungserklärung sobald wie möglich nach der Verabschiedung der 16. Novelle eigene Vorlagen - die ja an sich vorhanden sind - auf den Tisch des Hauses legt. Ich hoffe, daß wir dann - ich darf mich dem anschließen, was meine beiden Vorredner gesagt haben - zu einer guten Zusammenarbeit kommen werden. Noch ein Wort zur Ausschußüberweisung. Hier allerdings sind wir Freien Demokraten nicht der Meinung, daß der vorliegende Gesetzentwurf dem Gesamtdeutschen Ausschuß als federführendem Ausschuß überwiesen werden sollte. Wir stellen den Antrag, den Entwurf dem Lastenausgleichsausschuß - federführend -, dem Ausschuß für Heimatvertriebene, dem Gesamtdeutschen Ausschuß und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. ({5})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.

Wolfgang Mischnick (Minister:in)

Politiker ID: 11001512

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich aus voller Überzeugung dem Dank der Fraktionssprecher anschließen. Ich danke dafür, daß diese Fragen, die nach meiner Überzeugung in der Öffentlichkeit leider oft nicht die nötige Beachtung finden, hier in dieser sachlichen Form behandelt worden sind. Ich habe volles Verständnis dafür, daß Vorschläge und Wünsche weiter als das gehen, was die Bundesregierung bisher tun konnte oder an Überlegungen angestellt hat. Die Grundsatzhaltung ist ja in den beiden Regierungserklärungen zum Ausdruck gekommen, nämlich die soziale Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge gesetzgeberisch voranzutreiben und darüber hinaus für die Vermögensverluste in der Zone eine Beweissicherung oder Feststellung zu treffen. Ich darf zu diesen Punkten anschließend noch ein paar weitere Bemerkungen machen. Zunächst darf ich darauf hinweisen, sehr verehrte Frau Kollegin Korspeter, daß politische Argumente, die hier zum Teil angeführt worden sind, von der Bundesregierung selbstverständlich in aller Nüchternheit geprüft werden müssen. Manches dieser Argumente, das auf den ersten Blick nicht als so wichtig oder stichhaltig erscheint, muß von der Bundesregierung doch bis ins Letzte überdacht werden, bevor man zu einer grundsätzlichen Entscheidung in diesem oder jenem Sinne kommen kann. Dabei pflichte ich dem bei, was Sie ebenso wie der Kollege Schmidt sagten, daß manche Argumente, die als politische Argumente genannt werden, nicht die Durchschlagskraft haben, die man ihnen gern geben möchte. Ich bitte zu bedenken, daß diese Fragen nicht einfach vom Tisch gewischt werden können, sondern im Rahmen der Gesamtberatung bedacht werden müssen. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten eingehen. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Wünsche der Verbände, die Wünsche der Vertreter der Sowjetzonenflüchtlinge, erheblich über das hinausgehen, was z. B. in dem unter dem Arbeitstitel - ich darf es so bezeichnen - Flüchtlingshilfegesetz laufenden Entwurf vorgesehen und bereits mit den Bundesminister Mischnick Landesflüchtlingsverwaltungen und mit den Verbänden in ersten Aussprachen beraten worden isst. Auf der anderen Seite bitte ich auch Verständnis dafür zu haben, daß der zuständige Minister sich in die Gesamtkonzeption einordnen muß, die die Bundesregierung hat und die auch vom Parlament durch die Bewilligung der Mittel für die einzelnen Positionen im Haushalt jeweils gesetzt wird. Daß jeder darum bemüht ist, einen möglichst großen Anteil an dieser Gesamtposition für die Sachfragen zu erreichen, die er zu vertreten hat, ist selbstverständlich. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem meine verehrten Kollegen aus dem Kreis der Vertriebenen und Flüchtlinge, es ist notwendig, auch hier zu bedenken, daß nicht alles auf einmal geschehen kann und daß wir schrittweise vorgehen müssen. Die Bereitstellung von 90 Millionen DM - wenn ich die Mittel für die Fortsetzung der Hausratshilfe mit einbeziehe - hat ja den Sinn, für diesen Gesetzentwurf im Haushalt die finanziellen Voraussetzungen zu eröffnen. Mit diesen 90 Millionen DM, die der Haushaltsausschuß inzwischen qualifiziert gesperrt hat, sollen gewisse soziale Gleichstellungsmaßnahmen in Angriff genommen werden. Insbesondere soll das vom Kollegen Eichelbaum genannte und vom Kollegen Schmidt unterstrichene Petitum durchgesetzt werden, den ehemals Selbständigen unter den Sowjetzonenflüchtlingen eine Unterhaltshilfe zu gewähren. Ich will auf diesen Punkt nicht im einzelnen eingehen. In diesem Zusammenhang darf ich die drei Schwerpunkte des Flüchtlingshilfegesetzes nennen: erstens die gesetzliche Regelung der Einrichtungshilfe, zweitens die Frage der Unterhaltshilfe für ehemals Selbständige und drittens das Problem der Darlehensgewährung zur Schaffung von Wohnungseigentum für Flüchtlinge.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Korspeter?

Wolfgang Mischnick (Minister:in)

Politiker ID: 11001512

Ja, bitte.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Mischnick, ist Ihnen nicht klar, daß dieses Petitum durch unseren Vorschlag Ausgleichsleistungen zu gewähren und damit auch Entschädigungsrente für die früher Selbständigen zu zahlen, selbstverständlich in unserem Gesetzentwurf enthalten ist? Ist Ihnen nicht klar, daß durch Ihre Bemerkung der Eindruck erweckt werden könnte, in unserem Gesetzentwurf sei dieses Petitum nicht enthalten?

Wolfgang Mischnick (Minister:in)

Politiker ID: 11001512

Entschuldigen Sie, das war bestimmt nicht so gemeint, und ich bin sicher, daß es auch wohl im allgemeinen nicht so verstanden worden ist. Ich bezweifelte nicht, daß der SPD-Entwurf z. B. die Unterhaltshilfen für ehemals Selbständige enthält. Selbstverständlich, denn Ihre Vorschläge gehen ja durch den Einbau in den Lastenausgleich - das ist von Ihnen dargelegt worden - weiter als das, was hier vorgesehen ist. ({0}) - Dann bitte ich um Entschuldigung, wenn es so klang. Es ist eindeutig, daß die in Ihrem Gesetzentwurf enthaltenen Bemühungen darauf abgestellt sind, alle Rechte der Vertriebenen voll zu übertragen. Ich habe dargelegt, daß Ihnen durch das Flüchtlingshilfegesetz in erster Linie drei Positionen vorgeschlagen werden sollen und daß dafür die entsprechenden Mittel im Haushaltsplan bereitgestellt worden sind. Ich darf eine weiteres Kapitel als den zweiten großen Komplex, der in der Regierungserklärung angekündigt ist und hier in der Debatte eine Rolle spielt, etwas ausführlicher behandeln. Es handelt sich um die Frage eines Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes. In der Zwischenzeit ist dazu von der Bundesregierung ein Grundsatzbeschluß gefaßt worden, und das Finanzministerium und das Vertriebenenministerium sind, wie das auch beim Lastenausgleich der Fall war, beauftragt worden, gemeinsam die vom Kabinett festgelegten Grundzüge nunmehr in einen Referentenentwurf zu gießen. Der erste Referentenentwurf liegt vor und wird zwischen den Ressorts beraten. Ich darf Ihnen heute die Grundsätze dazu bekanntgeben. Dabei möchte ich eines aufklären: Beweissicherung und Feststellung schließen sich nach Auffassung der Bundesregierung nicht aus. Die Bundesregierung denkt daran, ein Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz in der Richtung vorzulegen, daß die im Rahmen des Lastenausgleichs behandelten Vermögensverluste auch im Rahmen dieses geplanten Gesetzes festgestellt werden sollen. Die Bundesregierung denkt darüber hinaus aber daran, die Dinge, die im Rahmen des Feststellungsgesetzes für die Heimatvertriebenen nicht festgestellt werden, zu einer Beweissicherung zuzulassen, um aus diesem Gesamtkomplex heraus gleichzeitig eine Art Dokumentation des Schadens, des Vermögensentzuges, der in der Zone eingetreten ist, vorlegen zu können. Die Bundesregierung will also nach den bisherigen Grundsatzbeschlüssen beide Gesichtspunkte berücksichtigen. Die Skizze dieses Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes sieht nach dem Beschluß des Kabinetts etwa wie folgt aus: Erstens. Gegenstand der Beweissicherung und Feststellung sollen Vermögensverluste sein, die im Bereich der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin eingetreten sind, sofern der Verlust beruht auf a) Enteignungen, Beschlagnahmen oder ähnlichen Maßnahmen durch die Besatzungsmacht oder die Zonenbehörden nach dem 8. Mai 1945, b) sonstigen zonentypischen Schäden, z. B. Zurücklassung von Vermögen durch Flucht, c) Kriegssachschäden im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes. Zweitens. Es werden die Beweise für die auf diese Art entstandenen Einbußen an beweglichen und un- beweglichen Sachen, ferner z. B. an privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen sowie an Anteilen an Kapitalgesellschaften gesichert. Drittens. Das Verfahren soll auf Antrag durchgeführt werden. Viertens. Die Beweissicherung und Feststellung erstreckt sich insbesondere auf a) den Vermögensbestand vor der Schädigung, b) die Ursache und den Zeitpunkt der Schädigung, c) den Umfang des Schadens, d) die Elemente einer Schadensbewertung. Fünftens. Als Beweismittel sollen zugelassen sein Zeugen, Urkunden und Sachverständige. Sechstens. Die Durchführung des Verfahrens obliegt den Feststellungsbehörden. Siebentens. Den Abschluß des Verfahrens soll der Erlaß eines Bescheides bilden, der rechtsmittelfähig und jederzeit auf Grund neuer Beweise ergänzungsfähig sein soll. Achtens. Das Verfahren soll für die Antragsteller kostenfrei sein. Die Frage der Tragung der Verwaltungskosten soll noch geprüft werden. Das sind die Grundsätze, die für die Ausarbeitung des Referentenentwurfs durch das Kabinett festgelegt worden sind und die im Augenblick von den zunächst beauftragten beiden Ressorts beraten werden, um die Paragraphierung vorzunehmen. Ich darf wiederholen, was dankenswerterweise von den Sprechern aller drei Fraktionen hier gesagt worden ist, und das damit bestätigen: die Paragraphierung ist schwieriger als bei dem Feststellungsgesetz für die Heimatvertriebenen, weil die Schadenstatbestände sehr unterschiedlich sind. Ich darf Ihnen versichern, Frau Kollegin Korspeter, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, aus dieser Tatsache nun den Schluß zu ziehen, man habe Zeit mit der Vorlage des Gesetzes. Wir gehen aber davon aus, daß es angesichts der komplizierten Rechtsfragen, die in ihren Wirkungen ganz anders sind als das Feststellungsgesetz für Heimatvertriebene, besser ist, alle Tatbestände, soweit sie überhaupt überschaubar sind, möglichst gründlich zu prüfen. Bitte vergessen sie nicht, daß der größere Teil derjenigen, die einen Schaden erlitten haben oder erlitten haben könnten, nach wie vor in der Zone lebt. Ein Teil der nach diesem Gesetz Anspruchsberechtigten lebt hier und ein Teil noch drüben in der Zone. Daraus entstehen für uns sehr schwierige rechtliche Fragen. Die Bundesregierung beabsichtigt, das Notaufnahmegesetz im Grundsatz beizubehalten, aber in der technischen Durchführung gewisse Überlegungen anzustellen und Modulationen vorzunehmen, um das Gesetz der Entwicklung der letzten Monate anzupassen. 'Ich denke dabei an die Fragen, die dadurch aufgeworfen werden, 'daß sich in den letzten Monaten Möglichkeiten einer verstärkten Familienzusammenführung ergeben haben. Besprechungen darüber sind im Gange. Lassen Sie mich zum Grundsatz des Gesetzentwurfs noch folgendes bemerken. Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob es richtig ist, alles, was mit dem Flüchtlingsrecht zusammenhängt, in einem eigenen Gesetz zusammenzufassen, das Flüchtlingshilfegesetz vielleicht als erste Stufe zu nehmen und es dann weiter auszubauen, wobei ich ebenfalls der Meinung 'bin, daß die Form der Zusammenfassung, die Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, in Ihrem Gesetzentwurf vorsehen, nicht zweckmäßig ist. Man sollte das auseinandernehmen: einmal das Flüchtlingsgesetz - sei es vom sozialen Gesichtspunkt, sei es vom Grundsatz her 'gesehen -, auf der anderen Seite die Fragen der Beweissicherung und der Feststellung. Noch ein paar Bemerkungen zu den einzelnen Beiträgen. Sehr verehrte Frau Kollegin Korspeter, Sie haben darauf hingewiesen, daß fünf Sechstel der Zonenflüchtlinge nicht anerkannt seien und demzufolge nur ein Sechstel den C-Ausweis erhalten hat. Man mußte Ihren Ausführungen entnehmen, daß diese Zahl exakt berechnet ist. Ich darf Sie aber auf einen Irrtum aufmerksam machen. Bis zum 31. Dezember 1962 sind bei 3,7 Millionen Flüchtlingen im Bundesgebiet insgesamt rund 1 045 000 Anträge auf einen C-Ausweis gestellt worden. Von diesen Anträgen sind rund 537 000 bewilligt worden. Das sind 51,4 %. In dieser Zahl soll - vielleicht wird mich ein bayerischer Kollege darauf hinweisen - eine Unrichtigkeit für das Land Bayern enthalten sein. Stellt sich heraus, daß die Beanstandung richtig ist, so würde der Anteil derjenigen, die 'den C-Ausweis erhalten haben, von 51,4 % auf etwa 52,5 % steigen. Ich will damit nur sagen, daß über die Hälfte der Antragsteller den C-Ausweis erhalten haben. Das zur Situation einmal festzustellen, scheint mir durchaus notwendig zu sein.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage? - Bitte, Frau Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß man von den 3,7 Millionen Flüchtlingen ausgehen muß, wenn man die Zahl derer betrachtet, die den C-Ausweis bekommen haben, und sind Sie nicht ebenfalls der Meinung, daß die enge Fassung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes viele Flüchtlinge von vornherein davon abgehalten hat, den Antrag auf Ausstellung des C-Ausweises zu stellen? ({0})

Wolfgang Mischnick (Minister:in)

Politiker ID: 11001512

Verehrte Frau Kollegin, ich will nicht ausschließen, daß vielleicht die Fassung des § 3 den einen oder anderen davon abgehalten hat, den Antrag zu stellen. Ich bitte aber doch an die Zahl zu denken, die vorhin genannt wurde, nämlich daß 50 % der Flüchtlinge 24 Jahre und jünger sind. Da der Ausweis C erst mit dem 16. Lebensjahr, wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe, ausgestellt wird, sind bei einer Umrechnung etwa 15 bis 18 % der Flüchtlinge automatisch von der Gewährung eines Ausweises ausgeschaltet, weil sie zu jung sind. Das bedeutet, daß von diesen 3,7 Millionen etwa 500 000 bis 600 000 gar kein Recht haben, einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises zu stellen. Ich möchte deshalb bitten, die Zahl der ausgestellten C-Ausweise nicht mit der Gesamtzahl von 3,7 Millionen zu vergleichen, sondern mit der Zahl derer, die nach dem Gesetz überhaupt in der Lage sind, den Antrag zu stellen. Dann bitte ich wiederum zu vergleichen zwischen der Zahl der Antragsteller und der Zahl der Bewilligungen. Dabei ist immerhin festzustellen, daß die Zahl der Bewilligungen bei über 50 % liegt. Nun werden Sie sagen: Ja, aber die Ergänzungen und die Verbesserungen, die wir vorgenommen haben, haben nicht den Erfolg gezeitigt, den man sich bei der Änderung des § 3 versprach. Ich darf auch hier eine Zahl nennen. Nach dem Stand vom 31. Dezember 1962 sind rund 37 000 Anträge neu eingegangen. Sie sehen es mir bitte nach, wenn ich die Zahlen nicht bis auf die letzte Einerstelle nenne. Von diesen rund 37 000 Anträgen wurden bei einer erneuten Überprüfung rund 40 % positiv entschieden. Es zeigt sich also, daß die Veränderung des § 3 durchaus für die Antragsteller eine Verbesserung gebracht hat. Es ist allerdings - das darf ich hinzufügen - landschaftlich sehr unterschiedlich. Im Lande Schleswig-Holstein liegt z. B. der Bewilligungsstand bei über 65 %, während er im Lande Bayern bei etwa 43 %, 44 % liegt. ({0}) Hier ist festzustellen, daß es in den Ländern, die bisher einen niedrigeren Stand hinsichtlich der Ausstellung hatten, natürlich durch die Möglichkeit, neue Anträge zu stellen, zu einer höheren Bewilligung kommt als in den Ländern, die bisher schon einen hohen Anteil hatten. Weiterhin ist, um nur auf einzelne Punkte einzugehen - ich will nicht zu allen Fragen Stellung nehmen -, davon gesprochen worden, daß die Maßnahmen, die die Bundesregierung vorgesehen hat, von den Verbänden und Organisationen als unzureichend angesehen werden. Daß ich das genau weiß, kann ich Ihnen durchaus bestätigen, Frau Kollegin Korspeter. Aber genauso wie Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie mit diesen Fragen zu tun haben, im Gespräch mit den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß immer wieder die übergeordneten Notwendigkeiten feststellen und manche berechtigten Wünsche zurückstellen müssen, geht es dann im Gesamtrahmen des Kabinetts auch dem Vertriebenenminister. Ich glaube, die Debatte, die wir heute geführt haben, wird mit dazu beitragen, manche Schwierigkeiten in Einzelfragen auszuräumen. Es ist für uns eine wertvolle Erkenntnis, hier aus den Erklärungen festzustellen, daß im Grundsatz übereinstimmend der Weg zur sozialen Gleichstellung bejaht wird, wenn auch von seiten der sozialdemokratischen Fraktion verlangt wird, in rechtlicher Hinsicht einen Schritt weiterzugehen. Dieses gemeinsame Bemühen aller Fraktionen wird dazu beitragen, daß die Bundesregierung möglichst bald die angekündigten Gesetzentwürfe vorlegen kann. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesminister hier einige interessante Ausführungen über Absichten des Kabinetts hinsichtlich der Beweissicherung und der Beweisfeststellung gemacht hat, möchte ich nur noch einmal die Gelegenheit benützen, zu sagen: Die Stellung meiner politischen Freunde zu diesem Komplex war immer und wird auch bei der weiteren Behandlung der Entwürfe, die wir nun wohl in absehbarer Zeit zu sehen bekommen werden, die sein, daß Folgerungen aus Beweissicherungen und aus Feststellungen nicht durch ein Gesetz ausgeschlossen werden dürfen. Wir haben uns damals gegen die Art gewandt, in der mit einem Beweissicherungsgesetz der Eindruck erweckt wurde, als sei das eine wesentliche Maßnahme, die alle Flüchtlinge betreffe, während dies in Wirklichkeit beinahe ein Messer ohne Heft war, dem dazu auch noch die Klinge fehlte. ({0}) -- Na, Sie wissen, was das dann ist. - Insofern hoffen wir, daß man aus diesem Vorgang einiges gelernt hat. Der Herr Minister war selber der Initiator eines solchen Vorschlages, über den dann meine politischen Freunde und ich hinausgegangen sind, - aber in Konsequenz dessen, was der Herr Minister, der damals noch Abgeordneter war, in dieser Sache gewollt hat. Er wird also unsere Haltung wohl verstehen. Ich werde mich bei diesem Stand der Debatte und den drängenden anderen Punkten nicht sehr ausführlich dazu äußern. Der Entwurf, den wir eingebracht haben und der ja für sich selber spricht, wird sicher bei einer sachlichen Beratung eine brauchbare Grundlage für all die Gedanken hergeben, die im Zusammenhang mit dieser Gesetzgebung aufzubringen sind von denen, die sich um die Menschen Sorgen machen, die damit gemeint sind. Wenn nun jetzt diese oder jene Einzelheit kritisch betrachtet wird, so ist das ein gutes Recht aller, die mit diesem Entwurf konfrontiert werden. Wenn der Minister sozusagen schon ein Urteil vorwegnimmt, daß unser Entwurf vielleicht nicht zweckmäßig sei, wenn man an die von ihm gewünschte oder gedachte Grundteilung einer Flüchtlingsgesetzgebung denke, - nun, wir haben jedenfalls diesen Anfang gemacht. Wir können ja nicht alles wissen, was in den Kabinetten und in den Ressorts im einzelnen gesprochen wird. Wir nehmen es gern auf uns, dann wenigstens das Rohmaterial geliefert zu haben, an dem andere sich dann nicht nur entzünden, sondern als die wirklichen Bildner beweisen können. ({1}) Ich hoffe, daß wir dazu einen Grundstock mit geliefert haben. Herr Minister, jetzt kein Streit über die Sache mit den Prozenten! Ich denke, wir wollen da nicht mit anderen wetteifern, die an Stelle von Argumenten - ich werfe Ihnen das nicht vor - häufig Prozente setzen. Darüber könnte man wohl manches sagen. Was Sie meinten, ist mir verständlich. Sie wollen sagen: die Zahl derer, die keinen Ausweis bekommen haben, ist nicht so groß, wie es erscheinen muß, wenn man sie mit der Zahl der Flüchtlinge überhaupt vergleicht. Gut, dann müßte man hierüber weiter reden. Sachlich sind wir da wohl jedenfalls nicht an einem Punkt, wo wir unvereinbare Vorstellungen hätten. Aber ich möchte nicht alte Meinungsverschiedenheiten aufbringen. Ich habe mit einem gewissen Schmunzeln festgestellt, daß mein verehrter Kollege Eichelbaum seine Rede damit begann, daß er einen Teil seiner Notizen wieder zu sich gesteckt hat, weil er gefunden hat, daß bei der Begründung dieses Entwurfs die Kollegin Korspeter nicht das gesagt hat, was sie nach seiner Meinung sagen würde. ({2}) - Ich gehöre in diesem Fall, muß ich sagen - man wird schon allmählich grau in diesem Hause -, nicht zu den heurigen Hasen, genauso wie Sie nicht. Wir werden nicht Einzelfälle oder Überspitzungen, die gelegentlich von 'dem oder jenem vorgebracht worden sind, unsererseits als maßgebend nehmen. Sie haben am Schluß - der Anfang war gut, das Ende war auch gut ({3}) an alle appelliert, man sollte ohne Parteihader versuchen, gemeinsame Grundlinien für die Behandlung der Probleme, die für die Flüchtlinge anstehen, zu finden. Ich denke, das sollte man praktisch bei der Behandlung dieses Entwurfs versuchen. Wir sind offen für alle Erörterungen. Was wir nur nicht möchten, ist ein Auf-die-lange-Bank-Schieben. ({4}) Insofern sind wir uns hoffentlich einig. Der Entwurf ist klar, auch für denjenigen, der an ihm etwas auszusetzen hat oder der es sich anders denkt. Wir haben ja soeben gehört, daß der Minister sich manches anders denkt. So dürfen wir hoffentlich die Freude haben, ihn wieder in unserem Ausschuß begrüßen zu können, dessen Mitglied er früher war, diesmal als Minister; eine solche Rückkehr ist ehrenhaft. Da, meine ich, können wir wohl miteinander über diese Dinge reden. Ich sagte, daß ich selber nicht alte Meinungsverschiedenheiten aufbringen will. Es hat ja immer bestimmte unterschiedliche Wertungen des Notaufnahmeverfahrens oder dessen, was sich daraus ergab oder dem zugrunde lag, gegeben. Das ist auch nicht schlimm. Aber man sollte die Unterschiede auch nicht verwischen. Dabei ist es, Herr Kollege Eichelbaum, wenn man das Wesentliche sagen will, immer darum gegangen, das, was für die Behandlung eines solchen Phänomens an Staatlichem und Organisatorischem unvermeidlich ist, für die große Menge Menschen zu entbürokratisieren, die im eigenen Vaterland aus dem sowjetisch besetzten und inzwischen so scharf von uns getrennten Teil zu uns kommen oder zu uns zu kommen versuchen. Das war immer 'die wesentliche Sorge. Es ist dabei immer darum gegangen, soweit wie möglich das Verständnis für die Menschen auch bei den unvermeidlichen behördlichen Behandlungen wirken zu lassen. Darüber hat es manchmal unterschiedliche Auffassungen gegeben, und zwar - das möchte ich gerne unterstellen - nicht weil die einen weniger und die anderen mehr humanitär waren, sondern weil es da verschiedene politische Gesichtspunkte gab. ({5}) - Nun streiten wir uns doch nicht! Im Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - es wird jetzt vielleicht anders, es würde mir sehr leid tun - streiten wir über eine solche Sache nicht, darüber reden wir, bis wir einen Punkt gefunden haben, an dem wir sagen können, daß wir entweder Dissens oder Übereinstimmung haben. Aber sachlich zeigen wir nicht mit den Fingern aufeinander. Ich bin das so gewohnt, und ich denke, solange ich damit zu tun habe, behandeln wir die Fragen so und nicht anders. Es handelt sich um das schwierige Problem - und das ist auch aus den Reden meiner verehrten Vorredner hervorgegangen -: Kann man bei der Fortführung der Flüchtlingsgesetzgebung - und wir haben ja dazu in unserem Entwurf einen Versuch gemacht; der steht zur Kritik und zur Entscheidung und vorher zur Beratung - einen Weg finden, bei dem die Menschen nicht darunter leiden, daß wir als Sprecher für Gesamtdeutschland bestimmte politische und Rechtsansprüche nicht aufgeben können und dürfen? Darum geht es. Einiges ist bei Ihnen angeklungen. Dies ist ein Problem. Wir haben früher manchmal auch ringen müssen - das gebe ich zu; ich gebe es nicht nur zu, ich habe es auch immer gesagt; ich denke da an den verehrten verstorbenen Kollegen Kaiser, als die großen Flüchtlingswellen kamen - hinsichtlich dessen, was Sie heute hier wieder aufgebracht haben, Herr Kollege Eichelbaum, hinsichtlich der Notwendigkeit, den Aushaltewillen zu bekräftigen und die Rückkehrabsicht als Voraussetzung zu behandeln. Manche der Worte - nehmen Sie mir das bitte nicht übel - sind angesichts der inzwischen eingetretenen tatsächlichen Verhältnisse - die schreckliche Mauer in Berlin, die Einpferchung der Menschen in der Zone, Vertiefung der Gräben, Stacheldrahtverhaue und Minenfelder - doch wohl zu überdenken. Das, glaube ich, müßten Sie ebenso tun, wie es seinerzeit der frühere Minister für gesamtdeutsche Fragen, Kaiser, getan hat. Ich habe ihn einmal erlebt, als er mecklenburgischen Bauern gegenübersaß und sagte: „Aber Sie hätten doch dort weiter ausharren müssen." Einer hat ihm dann gesagt: „Ich kann und darf jetzt für uns alle sprechen, Herr Minister; meine Familie hatte diesen Hof 400 Jahre in fortwährender Folge, glauben Sie, ich wäre von ihm gegangen, wenn ich nicht durch die Verhältnisse gezwungen worden wäre?" Da finden wir uns wahrscheinlich. Wir werden uns mit dieser Veränderung, mit dieser schrecklichen Verschlimmerung der Verhältnisse, unter denen die Menschen dort zu leben haben, näher befassen. Ich glaube nicht, daß wir in diesem Punkt bleibende Meinungsverschiedenheiten haben werden. Es geht darum, sich um die Menschen zu kümmern, so wie sie sind, so wie sie zu uns haben kommen können und zu uns haben kommen müssen ohne all das, was Menschen sonst sich in ihrem Leben zusammengespart und erarbeitet haben, und auch wie dieses Schicksal sie getroffen hat. Da ist ein Punkt, in dem ich ganz empfindlich bin. Heute macht die ganze Sache mit den Flüchtlingen ja nicht mehr Zeitungs- und Fundfunknachrichten aus; denn auf der anderen Seite hat es Änderungen in einer Weise gegeben, daß Vergleiche nicht mehr so möglich sind. Wir dürfen nicht auf der einen Seite erklären, daß jenes System drüben, unter dem die Menschen in dem anderen Drittel unseres Vaterlandes leben müssen, ein eigentlich unerträgliches System ist, und auf der anderen Seite von den Menschen, die zu uns gekommen sind und zu uns kommen, sogar wenn sie Mauerspringer sind, erst noch einmal im Einzelfall den Beweis verlangen, daß es für sie drüben tatsächlich unerträglich gewesen sei. Diese Diskrepanz finde ich unerträglich: auf der einen Seite unsere Feststellung, was ein System, wie es dort herrscht - vermischt sogar mit der Fremdherrschaft -, für die Menschen, die unter ihm leben müssen, bedeutet, und auf der anderen Seite müssen diejenigen, denen es geglückt ist, zu uns zu kommen, und die unsere Hilfe in Anspruch nehmen müssen - denn anders kommen sie nicht weiter, und wir haben die Pflicht, ihnen zu helfen; darüber gibt es überhaupt keinen Streit -, im einzelnen Fall, so kann man es spitz sagen, faktisch immer noch beweisen, daß es für sie unerträglich geworden sei. Das ist der Punkt. Der Bundeskanzler hat in einem anderen Zusammenhang, in einer Regierungserklärung vom Oktober, in bezug auf die Menschen, die in der Zone leben und gezwungen sind, dort zu leben, und in bezug auf die Möglichkeiten, deren Lebensverhältnisse, wenn es ginge, im Sinne der Schaffung freiheitlicherer Verhältnisse zu bessern, gesagt, da ließen wir, weil es uns so wichtig sei, über manches mit uns reden. Nun möchte ich sagen: wenn es sich um die Opfer der Spaltung unseres Landes und jenes Systems handelt, soweit sie zu uns haben gelangen können, müssen wir nicht nur mit uns reden lassen, sondern müssen das, was wir tun können, was in unseren Kräften steht, auch tatsächlich tun, und wir können es auch tun. Daran werden uns unübersteigbare Meinungsverschiedenheiten sicher nicht hindern können. Sie haben daran erinnert, daß wir verschiedentlich, auch in den späteren Zeiten, nach der Errichtung der Mauer, in Marienfelde versucht haben, uns selbst einen Eindruck von den Umständen zu verschaffen, unter denen die Menschen schließlich diesen Entschluß faßten, selbst bei riesigem Risiko wegzugehen. Nun bitte ich Sie herzlich, Herr Kollege Eichelbaum, lassen wir doch das so, wie es wirklich ist! Bei den Überlegungen, die wir hatten, ist es immer um das auch unter diesen Verhältnissen unvermeidliche und notwendige Maß von Sicherung gegenüber Personen gegangen, die - sagen wir es einmal vorsichtig - die Flüchtlingseigenschaft für andere Zwecke mißbrauchen wollen oder sogar sollen, weil sie einen Auftrag haben; das gibt es selbst unter denen, die dramatische Fluchtumstände aufzuweisen haben. Nichts wird von unserer Seite abgelehnt oder unmöglich gemacht werden, was dieser unvermeidlichen Sicherung dient. Aber das heißt doch nicht, daß man unter den Umständen, unter denen heute eine Flucht möglich ist, einfach fortfährt, als wäre fast nichts geschehen, außer den entsprechenden Einsparungen im Beamten-, Angestellten- und Mitarbeiterstab, der ja vom zuständigen Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte in, soviel ich beurteilen kann, sauberer Weise behandelt wird, so daß man sagen kann, hier ist nichts versäumt worden. Wir sind darüber auch immer auf dem laufenden gehalten worden. Aber wir sollten wohl einen Schritt weiter in Richtung dessen tun, was Sie Flüchtlingsgesetzgebung nennen. Und wenn es dann noch Unterschiede gibt, nun gut, lassen Sie die uns klar finden und, wenn es geht, zum Wohle aller Betroffenen den besten Weg wählen. Wir sind nicht ehrgeizig, aber wir glauben, daß unser Entwurf vieles dessen, was dafür notwendig ist, in sich hat. Nun darf ich noch ein Wort über die Ausschußüberweisung sagen, auch wenn es komisch wirkt, daß ich das sozusagen in eigener Sache tue. Der Kollege Schmidt von der FDP hat ja gesagt, daß Sie hinsichtlich der Ausschußüberweisung anderer Auffassung sind. Ich würde sagen - entschuldigen Sie diese Sentimentalität -: es täte mir leid, wenn damit zum erstenmal in diesem Hause seit dem Jahre 1949 ein Gesetzentwurf von solcher politischer gesamtdeutscher Tragweite von einem anderen Ausschuß als dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen federführend behandelt würde. Ich würde darin eine andere Art des Herangehens an die Behandlung dieser Fragen erkennen müssen. Ich halte es nach wie vor für berechtigt, daß dieser Ausschuß mit dem vorliegenden Entwurf federführend befaßt wird, weil es sich zweifellos um Probleme handelt, die für den Zusammenhalt unseres Volkes, ungeachtet der Spaltung, wesentlich sind. Da gibt es politische Gesichtspunkte, die nicht einfach beiseite gelassen werden sollten. Es würde mir leid tun, würde man von der bisherigen Übung abweichen. Ich will damit nicht sagen, andere Ausschüsse hätten nicht ihre Aufgaben. Jeder, der mit diesem Ausschuß zu tun gehabt hat, weiß, daß jede Meinung eines mitberatenden Ausschusses sorgfältigst behandelt wird. Das wird in anderen Fällen auch so sein. Aber wenn dieser Ausschuß mitberatend wäre, so wäre das nicht die richtige Reihenfolge. Weil es sich um wesentliche politische Gesichtspunkte handelt, sollte man auch diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen überweisen. Die Entscheidung muß ich zwar Ihrem Urteil überlassen. Ich möchte Sie aber herzlich bitten, in diesem Fall nicht von einer alten Übung abzugehen. Vielleicht würde sogar der Minister, dessen Fraktion diesen Antrag gestellt hat, als ein ehemaliger Angehöriger dieses Ausschusses, wo er selber als Abgeordneter in dieser Richtung Initiativen gestartet hat, finden, daß es nicht ungut wäre, diesen Ausschuß auch diesmal politisch mit der Federführung zu betrauen. ({6})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts des Standes der Diskussion möchte ich mich nicht mit Einzelheiten des Entwurfs befassen. Aber nachdem die Bundesregierung trotz jahrelangen Drängens bis zum heutigen Tag - wir haben heute aus dem Munde des Vertriebenenministers zum erstenmal von einem gewissen Grundsatzbeschluß gehört - keinen Absprung in dieser schweren Gesetzgebungsaufgabe gefunden hat, ist doch wohl die Feststellung erlaubt, daß sich die Kollegin Korspeter und die Freunde, die die Initiative entwickelt und sich der Arbeit unterzogen haben, die dieser Gesetzentwurf verkörpert, um die vielen Millionen Sowjetzonenflüchtlinge ein wirkliches Verdienst erworben haben. Denn ich habe den Eindruck, daß ohne diese Vorlage die Grundsatzbeschlüsse, von denen wir heute erfahren haben, wahrscheinlich auch noch nicht zustande gekommen wären. Noch ein weiteres Wort halte ich für angebracht, und zwar aus dem Munde eines, der zu der anderen großen Millionengruppe gehört, die - nach der Begründung der Frau Kollegin Korspeter - aus dem eigenen Vertreibungsschicksal dem Schicksal der Zonenflüchtlinge besonders nahesteht. Ich selber bin Heimatvertriebener und möchte deshalb nachdrücklich feststellen, daß meine heimatvertriebenen Freunde und ich voll hinter diesem Gesetzentwurf stehen. ({0}) In manchen Köpfen besteht die Vorstellung von vermeintlichen Rivalitäten zwischen Heimatvertriebenen und Zonenflüchtlingen in der Frage der Gesetzgebung, über gewisse Prioritäten usw. Ich möchte dazu erklären, daß ein Protest gegen die eigene Benachteiligung immer auch ein Protest gegen die Benachteiligung des anderen sein muß, wenn er moralisch standhalten will. Man kann Solidarität von anderen nur verlangen, wenn man sie selber beweist. ({1}) Infolgedessen möchte ich wiederholen, daß meine heimatvertriebenen Freunde alles tun werden, um die Grundgedanken dieses Gesetzentwurfs in den Ausschüssen zum Erfolg zu führen. Natürlich haben wir Heimatvertriebenen -und das möchte ich in diesem Augenblick wegen der besonderen Situation anmerken - selber noch schwere Sorgen. Die Lage ist für große Teile unserer vertriebenen Landsleute keineswegs so, wie sie sich der Öffentlichkeit infolge tendenziöser und irreführender Erfolgsberichte und Zahlenspiele darstellt. Hier liegt noch manches im argen, und wir werden auch hierüber in diesem Bundestag bei anderer Gelegenheit eingehend zu reden haben. Von diesen berechtigten Forderungen soll und darf deshalb auch nichts beiseite gedrückt werden. Deswegen ist aber im vorgelegten Entwurf ausdrücklich vorgesehen, daß die Mittel, die für die Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich werden, aus einem Sonderfonds kommen müssen, der den Lastenausgleichsfonds nicht berührt. Das ist nach meinem Dafürhalten der kardinale Punkt, nicht so sehr das dabei anzuwendende Verfahren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muß sich selbstverständlich darüber klar sein, ,daß die finanzielle 'Gesamtaufgabe durch die neuen Maßnahmen nach diesem Gesetz nicht leichter wird. Wir nehmen sie genauso ernst wie jeder auf der Regierungsseite, der angesichts der derzeitigen Finanzsituation verspätete Maßhalte-Parolen für ein geeignetes Heilmittel hält. Aber Unterlassungen früherer Jahre können damit nicht repariert werden. Es wird eben, wie Frau Kollegin Korspeter es in ihrer Begründung betont hat, unsere gemeinsame Aufgabe sein müssen, Mittel und Wege zu finden, um das richtige Maß der Gerechtigkeit für alle zu finden. Ich meine, daß auch für dieses notwendige Bemühen der vorliegende Gesetzentwurf ein gutes Beispiel sein kann. ({2})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht besonders erwidern. Ich möchte bloß noch etwas zu der Frage der Ausschußüberweisung sagen. Die CDU unterstützt den Antrag der FDP, den Gesetzentwurf dem Lastenausgleichsausschuß - federführend -, dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, dem Ausschuß für Heimatvertriebene und entsprechend dem § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Zur Erklärung, Herr Kollege Wehner, ein Wort! Ich glaube, wenn wir das so machen, ehren wir den Ausschuß, dessen Vorsitzender Sie sind, in der Weise, 'daß er das erste Wort in der Angelegenheit hat. Das ist deshalb von Wichtigkeit und Bedeutung, weil ja die politischen Fragen zuerst behandelt und entschieden 'werden müssen, ehe man an die Sachbehandlung der anderen Fragen herangehen kann. Also ich glaube, wir geben zeitlich und auch mit Gewicht Ihrem Ausschuß ein Prae. Ich möchte bitten, daß Sie das so auffassen und nicht als eine Mindereinschätzung des von Ihnen geleiteten Ausschusses, dem anzugehören ja auch ich die Ehre und die Freude 'habe. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Vizepräsident Schoettle Wir kommen zur Entscheidung der Ausschußüberweisung. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich, den Ausschuß für Heimatvertriebene, den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. Strittig ist die Frage der Federführung. Es liegen zwei Anträge vor. Die sozialdemokratische Fraktion beantragt die Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - federführend -, während die FDP-Fraktion beantragt hat, die Federführung dem Ausschuß für Lastenausgleich zu übertragen. ({0}) - Na, das werden wir ja bei der Abstimmung sehen. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion lag zuerst vor. Ich kann ja nicht nach „weitergehend" oder „nicht weitergehend" entscheiden lassen. Ich lasse deshalb über diesen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuerst abstimmen. Wer stimmt dem Antrag auf Federführung des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist hier keine Übereinstimmung im Präsidium. Wir müssen auszählen. Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 128 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 172; enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen als federführenden Ausschuß ist abgelehnt. Muß ich noch eine Abstimmung über die Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich als federführenden Ausschuß herbeiführen? - Vielleicht ist es besser, wir stimmen ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Ausschuß für den Lastenausgleich ist also federführend. Damit ist die Beratung des Punkts 5 abgeschlossen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes ({1}). Zur Begründung hat der Abgeordnete Wilhelmi das Wort.

Dr. Hans Wilhelmi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002512, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den ich Ihnen namens der Fraktion der CDU/CSU als Initiativentwurf vorzulegen und zu begründen habe, befaßt sich mit zwei Problemen. Wir schlagen vor, die Anteilsrechte bei der Veranlagung zur Vermögensteuer mit Hälfte des Kurswertes anzusetzen, und wir schlagen Ihnen zweitens vor, den bisherigen sogenannten Hauptveranlagungszeitraum von drei Jahren für die Bewertung von Anteilsrechten auf ein Jahr herabzusetzen, so daß die Festsetzung alle Jahre neu zu erfolgen hat. Zum ersten Punkt unseres Vorschlages, Herabsetzung der Bewertung von Anteilsrechten, ist zur Begründung folgendes zu sagen. Seitdem es eine Vermögensteuer gibt, ist es sehr umstritten, ob es richtig ist, neben den Vermögen der Gesellschaften auch die Anteilsrechte als Vermögen zu besteuern. Das ist mit Recht sehr bestritten, weil unzweifelhaft - darüber ist kein Streit - hier ein Vermögen zweimal besteuert wird. Das Vermögen, um das es sich handelt, ist das Vermögen der Gesellschaft. Das Anteilsrecht ist an sich kein Vermögen, sondern weist nur aus, in welchem Umfange der Besitzer dieses Anteilsrechtes am Vermögen dieser Gesellschaft beteiligt ist. Es ist also grundsätzlich etwas anderes, ob ich ein Anteilsrecht an einer Gesellschaft habe - das ist also als gängigstes und bekanntestes die Aktie oder ein GmbH.-Anteil - oder ob ich etwa eine Industrieobligation habe. Wenn ich eine Aktie von einem Werk habe, bin ich an dem Vermögen dieser Aktiengesellschaft zu einem Bruchteil beteiligt, der sich aus der Höhe des Aktienbesitzes ergibt. Die Aktiengesellschaft hat ohne Rücksicht darauf, daß ich eine Aktie besitze, ihr Vermögen nach dem Vermögensteuergesetz voll zu versteuern. Anders ist das Verhältnis, das sich durch eine Obligation ergibt. Wenn ich eine Obligation desselben Unternehmens habe, habe ich eine ganz bestimmte Forderung gegen dieses Unternehmen. Wenn ich also eine Obligation zum Nennbetrag von 1000 DM habe, dann habe ich eine Forderung von 1000 DM, die mir das Unternehmen zahlen muß, wenn die Obligation fällig ist. Das Unternehmen zieht die 1000 DM, die es mir schuldet, an seinem Vermögen ab. Hier findet also keine Doppelbesteuerung statt. Der Vermögenswert befindet sich eindeutig als Forderung in der Hand desjenigen, der die Obligation besitzt, und die Gesellschaft hat eine Schuld in dieser Höhe. Beim Anteilsrecht ist es anders. Hier wird das Vermögen zweimal versteuert, einmal bei der Gesellschaft, zum anderen bei dem Aktionär bzw. dem Anteilseigner. Weil diese offensichtliche wirtschaftliche Schwierigkeit besteht, haben sich die Steuerfachleute schon immer bemüht, eine vernünftige Lösung zu finden. Zehn Jahre lang, von 1924 bis 1934, hat die Regelung gegolten, die wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf vorschlagen. Danach soll der Aktionär oder Anteilseigner nur mit der Hälfte des Verkehrswertes seines Anteils, der häufig mit dem Kurswert an der Börse gleichgesetzt ist, zur Vermögensteuer veranlagt werden. Ich glaube, hinreichend dargetan zu haben, daß das keine Benachteiligung der Leute ist, die eine Forderung haben. Ich habe Ihnen das soeben an dem Beispiel der Industrieobligation gezeigt. Das gilt aber auch sonst. Wenn Sie als Steuerpflichtiger eine Sparkassenforderung besitzen, muß diese selbstverständlich versteuert werden, weil sie bei der Sparkasse eine Schuld darstellt. Bei den Anteilen ist das etwas anderes. Durch die Belastung bei demjenigen, der das Anteilsrecht hat, entsteht eine Unbilligkeit. In Steuersachen macht man häufig Kompromisse. So hat man auch auf diesem Gebiet seit Jahrzehnten immer Kompromisse gemacht. Es gibt verschiedene Kompromißmöglichkeiten. Früher, vor der eigentlichen Vermögensteuer, als man in Preußen noch die sogenannte Ergänzungsabgabe hatte, hat man das Vermögen beispielsweise der Gesellschaften bei der Veranlagung zur Vermögensteuer um das Grundkapital reduziert. Es gibt Leute, die auch heute noch sagen: Wir wollen die Anteilsrechte lieber bei der Gesellschaft von der Vermögensteuer freistellen. Es gibt alle möglichen Vorschläge. Insgesamt, glaube ich, sind sich die Fachleute - will ich vorsichtig sagen - weitgehend darüber einig, daß es sich hier um eine Unbilligkeit handelt, gegen die etwas unternommen werden muß. Wir Isind der Auffassung, daß es richtig ist, auf die Regelung zurückzugreifen, die von 1929 bis 1934 gegolten hat. Die Anteile sollen also bei der Veranlagung zur Vermögensteuer nur mit dem halben Verkehrswert bewertet werden. Nun wird vielfach gesagt: Jetzt kommt ihr mit diesem Gesetz; warum seid ihr nicht gekommen, als die Börsenkurse in die Höhe gingen und ein gewisser Vorteil darin lag, daß man nach der Kursbewertung ging? - Das ist sehr einfach zu sagen. Selbstverständlich wirkt sich eine ungerechte Besteuerung besonders stark aus, wenn - wie es inzwischen der Fall ist - die Bewertung nach steuerlichen Gesichtspunkten höher ist als der im Augenblick vorhandene Verkehrswert. Dann wird ein ungerechter Druck stärker empfunden. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß in der Zeit, in der die Börsenkurse stiegen, die Belastung durch die Vermögensteuer für solche Anteilsrechte weniger empfindlich war als heute, zumal die Frage des Veranlagungszeitraums, die in diesem Gesetz ebenfalls behandelt wird, hereinspielt. Da sich nach der augenblicklichen Rechtslage der Veranlagungszeitraum auf drei Jahre erstreckt, war es natürlich bei steigenden Kursen sehr angenehm, wenn man nur den Vermögenswert zu versteuern hatte, der längst überholt, der längst durch steigende Kurse überkompensiert war. ({0}) - Sicher, Herr Kollege, das ist zweifellos so gewesen. Die Ungerechtigkeit, die in dieser Doppelversteuerung lag, ist dadurch de facto wesentlich gemildert worden. Aber jetzt sind die Börsenkurse rückläufig und selbstverständlich auch die Bewertung der GmbH-Anteile, also dessen, was nicht an der Börse ist. Das Ergebnis ist, daß die Ungerechtigkeit, die in unserem Bewertungssystem liegt, nunmehr ganz eklatant und sehr drückend für alle Beteiligten wird. Ich darf Ihnen dazu folgendes vor Augen führen. Wir haben jetzt den neuen Stichtag; die Veranlagungen sind auch noch nicht heraus. Im Augenblick werden die Vermögen noch nach den Bewertungen vom 31. Dezember 1959 veranlagt. Wenn aber damals eine Aktie einen Kurs von etwa 800 hatte, hat sie heute einen Kurs von 400, und wenn Sie heute diese Aktie kaufen, müssen Sie die Vermögensteuer nach dem Kurs von 800 bezahlen. Sie müssen also doppelt soviel versteuern, als Sie selbst aufgewendet haben. Dadurch gibt es natürlich in erheblichem Umfang Verzerrungen hin und her. Alle 'diese Verzerrungen sollen nun für die Zukunft ausgeglichen werden. Deshalb haben wir weiterhin den Vorschlag gemacht, die Bewertungssätze nicht mehr für einen Zeitraum von drei Jahren festzulegen, vielmehr soll für diese Anteilsrechte eine alljährliche Bewertung erfolgen. Das ist auch deshalb sachlich richtig, weil die Aktie wie jedes Anteilsrecht ein 'Risikopapier ist und weil in der Regel, wie wir es ja nun erlebt haben, Kursschwankungen vorkommen. Es ist nach beiden Seiten ungerecht, einen so langen Veranlagungszeitraum als Grundlage der Bemessung zu wählen. Infolgedessen glaube ich, daß wir einen Akt der Gerechtigkeit tun, wenn wir die jährliche Veranlagung vorsehen. Es wird hiergegen eingewandt, das mache zuviel Verwaltungsarbeit. Wir haben diese Frage geprüft. Nach unseren Feststellungen ist das nicht der Fall, ganz .gewiß nicht bei den Aktien, die an der Börse gehandelt werden; denn es ist eine verhältnismäßig einfache Sache, jedes Jahr festzustellen, welchen Wert sie haben. Aber auch bei der etwas schwierigeren Bewertung von GmbH-Anteilen fällt das nicht ernstlich ins Gewicht, weil Neuveranlagungen praktisch sowieso nur notwendig sind, wenn Verkäufe stattgefunden haben und deshalb eine Neubewertung vorgenommen werden muß. Diese rein technische Frage, mit der sich im übrigen auch der Ausschuß befassen muß, scheint mir also nicht ins Gewicht zu fallen. Zusammenfassend kann ich folgendes sagen. Wir streben hier die Berichtigung nur einer Ungerechtigkeit aus dem Komplex des gesamten Bewertungsgesetzes an. Wir alle sind uns völlig bewußt, daß manches an dem Bewertungsgesetz zu ändern wäre, daß sehr viel größere und wichtigere Fragen zu regeln wären. Aber ich glaube, man kann uns nicht entgegenhalten, daß wir nun mit der Beseitigung eines Unrechts solange warten müßten, bis wir in der Lage sind, alle Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Ich stehe immer auf dem Standpunkt, man soll einmal an einer Ecke anfangen; vielleicht gibt es dann Luft, so daß auch an anderen Stellen etwas geschehen kann. Wie wirkt sich das nun finanziell aus? Zunächst einmal ist der Bund nicht betroffen, sondern die Länder. Der Bund ist nur indirekt betroffen. Die Länder sind diejenigen, die die Vermögensteuer erhalten. Selbstverständlich ist dabei zu beachten, daß letztlich alles eine Einheit bildet, und deshalb müssen wir die Mindereinnahmen durchaus veranschlagen. Die Schätzungen der Fachleute sind sehr unterschiedlich. Sie schwanken zwischen etwa 150 und 200 Millionen. Ob diese Schätzung der Mindereinnahmen richtig ist, wird noch zu prüfen sein. Manche sagen, der Ausfall sei überhaupt nicht nennenswert, weil inzwischen die Vermögensteuer aus anderen Gründen angestiegen sei. Aber ich gebe ohne weiteres zu: wenn man es nur darauf abstellt, mag es bei den Ländern einen Steuerausfall von 150 oder 200 Millionen DM geben. Ich bin der Auffassung, daß dieser relativ geringe Ausfall nicht als Begründung dafür dienen kann, einem Gesetz, das den wirtschaftlichen Verhältnissen und der Rechtslage Rechnung trägt, nicht zuzustimmen. Ich bitte, den Gesetzentwurf .an den Finanzausschuß - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - zu überweisen. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Damit ist der Gesetzentwurf begründet. Meine Damen und Herren, bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich noch einmal auf Punkt 5 der Tagesordnung zurückkommen. Es sind Zweifel aufgetaucht, ob die Überweisung an die vorgesehenen Ausschüsse tatsächlich erfolgt sei. Wir haben auszählen müssen, um die Frage der Federführung zu entscheiden. Es mag sein, daß ich die Frage an das Haus unterlassen habe, ob der Überweisung zugestimmt wird. Ich darf aber jetzt, wenn ich keinen Widerspruch höre, feststellen, daß außer der Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich - federführend -, die Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Ausschuß für Heimatvertriebene - mitberatend - sowie nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß erfolgt ist. - Das Haus widerspricht nicht; dann ist dieser kleine Fehler nachträglich wiedergutgemacht. Wir kehren nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung zurück. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, zu dieser Angelegenheit so kurz Stellung zu nehmen, wie es die Bedeutung der Sache erlaubt, und andererseits so eindeutig, wie es die Geschäftsordnung des Hauses gestattet. Ich will mich dabei nicht lange mit demjenigen Antrag aufhalten, auf den auch von den Antragstellern weniger Wert gelegt worden ist, nämlich mit der Einführung eines einjährigen Feststellungszeitraums für die Bewertung der Wertpapiere und Anteile. Es ist natürlich auffallend, daß, nachdem einige Jahre lang der dreijährige Feststellungszeitraum - wie auch der Herr Kollege Wilhelmi hervorgehoben hat - zugunsten der Aktienbesitzer gewirkt hat, genau in dem Augenblick, in dem nunmehr die Befürchtung besteht, er könne sich gegen die Aktienbesitzer auswirken, ein Antrag auf Verkürzung dieses Zeitraums gestellt wird. ({0}) Wenn man darauf rechnet, daß in den jetzt folgenden Jahren sich die Aktienkurse wieder erhöhen - und ich sehe an sich nichts, was dagegen spricht -, so würde allerdings dieser Antrag ein sehr geeignetes Mittel sein, die Kurserhöhungen rechtzeitiger und wirksamer für die Vermögensteuer einzufangen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Insoweit kann die Sache überlegt werden. Aber der Kern des Antrags ist die Herabsetzung des Vermögensteuerwertes von Aktien auf die Hälfte des an sich maßgebenden Wertes. Wir können nur sagen, daß die sozialdemokratische Fraktion es bedauert, daß hier ein solcher Antrag gestellt wird. Es handelt sich darum, die Vermögensteuer zugunsten der Aktienbesitzer um mindestens 200 Millionen DM jährlich zu verringern; ich sage „mindestens", denn der Betrag von 200 Millionen DM ist von den Befürwortern dieses Antrags berechnet worden; es würde noch einer Nachprüfung bedürfen, ob er nicht höher ist. Die Tatsache, daß das zu Lasten der Länder und nicht zu Lasten des Bundes geschieht, scheint uns erst recht ein Grund zu sein, den Antrag zu bedauern. ({1}) Zur Begründung ist natürlich wieder von der Doppelbesteuerung des Aktienvermögens gesprochen worden. Das ist eine alte Streitfrage, um nicht zu sagen: ein alter Ladenhüter, bei dem wir Sozialdemokraten, wie Sie doch wissen, nicht mit uns reden lassen. Unserer Ansicht nach ist die Besteuerung der Körperschaften keine systemwidrige Doppelbesteuerung, sondern sie ist im gesamten System des Ertrag- und Vermögensteuerrechts notwendig. Es ist eine Besteuerung, die der Art und der Form des in Körperschaften personifizierten Vermögens und den wirtschaftlichen und machtmäßigen Möglichkeiten, die gerade diese Form der Organisation des Vermögens bietet, angemessen ist und angemessen bleiben muß. Man kann doch nicht auf Grund der Tatsache, daß ein Aktienvermögen auch noch die seiner Art und Form entsprechende Steuer zu tragen hat, sagen, daß es dann bei der Vermögensteuer Vergünstigungen haben müsse. Da könnte man auch sagen, daß ein Grundvermögen Vergünstigungen haben müsse, weil für dasselbe als Grundvermögen auch noch Grundsteuer zu zahlen ist, oder ein Betriebsvermögen, weil es als Betriebsvermögen auch noch Gewerbesteuer zu zahlen hat. Sie wissen, darüber könnte man einmal anders reden, wenn wir soweit wären, einmal über eine allgemeine Unternehmens- oder Betriebsteuer zu reden. Aber Sie wissen: soweit sind wir noch lange nicht. ({2}) - Jawohl, aber soweit sind wir noch lange nicht, Herr Kollege Dresbach.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) ?

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würde sich Ihrer Meinung nach bei einer allgemeinen Betriebsteuer das Problem der Doppelbelastung nicht ergeben?

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, der Gedanke einer allgemeinen Betriebsteuer ist, die Besteuerung der Unternehmen und infolgedessen auch des Unternehmensvermögens von der Organisationsform unabhängig zu machen. Selbstverständlich würde sich von dieser Grundlage aus das Problem der Vermögenbesteuerung des Aktienbesitzes anders ansehen, als es sich bei der heutigen Rechtslage ansieht. ({0}) - Verzeihung, die rechtlichen Grundlagen hätten sich geändert, das ganze System der Steuergesetzgebung hätte sich geändert. Das gäbe eine andere Grundlage. Es gäbe ein Argument, das man wohlweislich für die Herunterbewertung der Aktien nicht aufgeführt hat. Es gibt eine gewisse Überbewertung der Aktien z. B. gegenüber dem Grundvermögen, ({1}) aber nicht nur der Aktien, weil es eine Unterbewertung des Grundvermögens gibt. Wir wissen alle, warum diese Unterbewertung von den Antragstellern die ganze Zeit hindurch aufrechterhalten wird und aus welchen sehr eindeutigen politischen Gründen dies geschieht. ({2}) - Ich höre Ihren Widerspruch, Herr Kollege Schmidt, und freue mich sehr über die Aussicht, die sich daraus ergibt, daß sich das ändert. Wir freuen uns jedenfalls darüber, daß dieses Argument hier nicht ins Feld geführt worden ist. Denn dann wäre ja die Frage: was ist dann mit dem Betriebsvermögen? Ist es auch gegenüber dem Grundvermögen überbewertet? Vor allem: was ist mit den Geldsparern? Und das ist nun die Frage zu diesem Antrag zugunsten der Aktienbesitzer: Was ist mit den Geldsparern, deren Vermögen trotz der eingetretenen Korrektur der Aktienkurse immerhin noch viel stärker als die Aktien durch Entwicklungen, insbesondere Preisentwicklungen, bedroht ist, mit denen wir uns ja jeden Tag zu beschäftigen haben? Sparkapital, langfristiges Geldsparen ist für die Volkswirtschaft mindestens ebenso lebensnotwendig wie Aktienbesitz und Aktienstreuung, ({3}) ganz abgesehen davon, daß nach wie vor für den Kleinsparer und für den Anleger kleiner Vermögen das Geldsparen - sei es Kontensparen, sei es Versicherungssparen, Versorgungssparen, seien es festverzinsliche Wertpapiere - doch immer noch die weitaus angemessenere, jedenfalls wichtigere Form des Sparens darstellt. Wir müssen diesen Antrag zugunsten der Aktienbesitzer aber auch in Zusammenhang sehen mit der Haltung der Antragsteller zu anderen Anliegen, die auf gewisse Steuererleichterungen abzielen. ({4}) Die Antragsteller sind nicht bereit, bei der Umsatzsteuer an Entlastungen heranzugehen. Ich erinnere an die immer noch schwebenden Anliegen der freien Berufe und der Dienstleistungsgewerbe. ({5}) Sie sind nicht bereit gewesen, den berechtigten Forderungen auf Entlastung der kleinen Einkommen bei der Einkommensteuer näherzutreten. ({6}) Vor allen Dingen besteht ein sehr fühlbarer Kontrast zu der Behandlung der Forderungen zugunsten der Arbeitnehmer. ({7}) Ich will gar nicht von unserem Antrag Drucksache IV/67 - Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages - sprechen, den Sie abgelehnt haben. Ich spreche von unserem Antrag Drucksache IV/721 - Erhöhung der Sonderausgabenpauschale für Arbeitnehmer -, ein Antrag, dessen Annahme nicht nur zur Entlastung der Steuerpflichtigen, sondern auch zur Entlastung der Finanzverwaltung ({8}) und der Lohnsteuerstellen dringend gefordert wird. Dieser Antrag würde nach den dem Ausschuß vorliegenden Berechnungen die Länder auch nicht viel mehr kosten als der hier gestellte Antrag zugunsten der Aktienbesitzer. Die Berechnungen, die vorliegen, sind zudem umstritten, und außerdem könnte der Antrag, wenn es darauf ankäme, ja auch modifiziert werden. Sachlich ist dem Antrag zugunsten der Lohnsteuerpflichtigen und zugunsten der Finanzverwaltungen nichts entgegenzusetzen. Das hat der Ausschuß bereits festgestellt ({9}) und in einem Beschluß festgehalten. Man hat den Antrag im Ausschuß vergraben, man hält ihn wegen der Ausfallfrage zurück, d. h. man hat sich überhaupt noch nicht getraut, mit den Ländern über diesen Ausfall zu verhandeln. Während man also das zurückstellt, will man hier einen Antrag vorwärtstreiben, bei dem es sich um etwa denselben Betrag zu Lasten der Länder handelt, aber hier zugunsten der Aktienbesitzer und nicht zugunsten der Arbeitnehmer und auch nicht zugunsten der Finanzverwaltung. - Herr Kollege Schmidt, bitte!

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Seuffert, glauben Sie nicht, daß der Besitzende einen Anspruch auf Steuergerechtigkeit auch gegenüber demjenigen habe, der lediglich einen Entlastungsanspruch aus sozialen Gesichtspunkten geltend macht?

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidt, ich habe Ihre Frage nicht verstanden. Den Unterschied zwischen einem Anspruch auf Steuergerechtigkeit und einem Anspruch auf Steuerentlastung verstehe ich nicht. ({0}) - Selbstverständlich gibt es soziale Gerechtigkeit auch für den Besitzenden. Aber über dieses „auch", Herr Kollege Schmidt, unterhalten wir uns ja gerade. Ich spreche von sozialer Gerechtigkeit auch für den Arbeitnehmer. ({1}) Herr Kollege Schmidt, wir bedauern es eben, daß man die Arbeitnehmer und die Lage der Finanzverwaltung nicht so interessant findet wie die Aktienbesitzer und daß man diesen Antrag ohne Rücksicht auf den Steuerausfall hier einbringt. Ich möchte doch sehr hoffen, Herr Kollege Schmidt, daß auch in den Reihen der antragstellenden Fraktion sich genug Abgeordnete finden, die nach reiflicherer Überlegung dem Antrag ihre Zustimmung nicht geben werden, weil man ihn nur als einen Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer und der Geldsparer auffassen kann. ({2}) Letztens, Herr Kollege Schmidt, bedauern wir, daß dieser Antrag gestellt wird, weil er aussichtslos ist. Es ist doch bekannt, daß die Länder auf Sondierungen des Bundesfinanzministeriums, in welchen nur die Hälfte des hier beantragten Abschlags vorgeschlagen wurde, bereits erklärt haben, daß sie dazu nicht bereit sind. Es ist ein Zustimmungsgesetz, und wir werden dieses Gesetz nicht gegen den Bundesrat und nicht gegen die Länder verabschieden können. Dadurch, daß Sie jetzt einen Initiativantrag an der Regierung vorbei machen - außerdem müßte sich das Bundesfinanzministerium ja eigentlich auch zu der Sache äußern -, dadurch, daß Sie die Stellungnahme des Bundesrates an das Ende der Beratung schieben, verändern Sie doch die tatsächliche Lage nicht. Also wozu das? Wozu dieser aussichtslose Antrag? Meine Damen und Herren, wir bedauern den Antrag. Wir protestieren gegen ihn. Wir sehen ihn als einen Prüfstein der Steuerpolitik an. Wir werden ihm unter keinen Umständen zustimmen. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete van Delden. van Delden ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Kollege Seuffert den Antrag namens der Sozialdemokratie bedauert, so muß ich ihm zwar konzedieren, daß er ein guter Sozialdemokrat alten Stils ist, muß aber auch sagen, daß er in meinen Augen ein schlechter Steuerberater oder Steueranwalt ist. Auch wir bezweifeln keineswegs, daß die Aktienbesitzer - und noch dazu, wenn ihr Vermögen oberhalb des Freibetrags liegt - nicht zu den Ärmsten der Armen gehören. Aber 'deswegen haben sie, wie Herr Kollege Schmidt in seinem Zwischenruf vorhin schon zum Ausdruck gebracht hat, nach dem Grundgesetz doch Anspruch darauf, daß wir prüfen, ob hier nicht eine steuerliche Verzerrung vorliegt. Ich darf daran erinnern, daß gerade die freien Berufe, die Sie in einem anderen Zusammenhang hier zitiert haben, in der ganz großen Masse für ihre Altersversorgung auch die Aktie heranziehen. Es gibt tatsächlich Aktienbesitz - das wissen Sie genauso gut wie ich, Herr Kollege Seuffert -, bei dem man noch Geld aus anderen Quellen mitbringen muß, um ihn zu erhalten. Herr Kollege Seuffert, es ist doch nicht so, daß hier eine Entlastung nur zugunsten des sehr Reichen herbeigeführt wird, sondern gerade diejenigen Witwen, freien Berufe usw., die einen Teil ihres späteren Lebensunterhalts aus diesem Kapitalanlagevermögen bestreiten wollen, müssen teilweise noch zulegen. - Bitte sehr, Herr Kollege Seuffert!

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege van Delden, wieviel schätzen Sie, entfällt von den geschätzten Steuerausfällen von 200 Millionen DM jährlich auf Witwen? ({0}) van Delden ({1}) : Ich bin im Augenblick außerstande, diese Schätzung vorzunehmen. Aber damit bringen Sie mich gleich auf ein Thema. Wir sind gerade bei der Beratung des neuen Aktiengesetzes, und da wollen wir alle - ich glaube, auch Sie - die Aktie populärer machen, d. h. wir wollen ja gerade das Eigentum durch die Aktie breiter streuen. Dabei müssen wir auch einmal bedenken, daß aus den kleinen Aktienbesitzern nachher Aktienbesitzer werden, die außerhalb des Freibetrags für die Vermögensteuer kommen. Denken Sie auch daran, Herr Kollege Seuffert, daß gerade die kleineren und mittleren Betriebe, soweit sie Aktiengesellschaften sind, es sehr schwer haben, ihren Kapitalbedarf zu dekken, und daß wir aus diesem Grunde schon die Aktie, auch stimmrechtslose Aktien usw., populärer machen müssen. Das geht aber nur, wenn man die Unerträglichkeit, die sich aus dem Doppelbesteuerungssystem ergibt, in einem gewissen Maße mildert. - Bitte, Herr Kollege Seuffert!

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege van Delden, wollen Sie ernsthaft behaupten, daß der Aktienabsatz unter der, wie Sie sagen, „untragbaren Besteuerung" der letzten Jahre irgendwie gelitten hat? van Delden ({0}): Bisher ja, natürlich! Bitte bedenken Sie auch einmal, daß die Kurse, die teilweise als überhöht betrachtet worden sind, u. a. vielleicht auch durch das Bewertungsgesetz in die Höhe getrieben worden sind, nämlich dadurch, daß die 'Kapitalgesellschaften, die einen großen Teil der Aktien in ihren Portefeuilles haben, gar nicht in der Lage sind, diese zu veräußern, weil sie 'dann zur Mehrsteuer herangezogen werden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? van Delden ({0}) : Bitte sehr.

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege van Delden, werden Sie mir zugeben, daß die Frage der Veräußerungsgewinne mit dem Bewertungsgesetz wirklich nichts zu tun hat? van Delden ({0}) : Nein. Sie fragten vorhin, ob der Absatz der Aktien darunter gelitten hat. Indirekt hat er auch durch das Bewertungsgesetz gelitten. ({1}) - Sie behaupten ja auch manchmal etwas, gnädige Frau, ohne daß Sie es dezidiert beweisen. Vor allem, wenn ich eine Antwort auf eine Zwischenfrage geben muß, kann ich keinen Beweis antreten, da ich annehmen muß, daß Sie sich vorbereitet haben, ({2}) während ich aus dem Stegreif antworten muß. Ich will noch einmal auf den Sachverhalt zurückkommen. Wir, die Antragsteller, sehen in dem, was wir vorschlugen, einen Weg zur Steuergerechtigkeit. Herr Kollege Wilhelmi hat vorhin schon zum Ausdruck gebracht, daß das gesamte Bewertungsgesetz gewisse Ungerechtigkeiten in sich birgt. Sie, Herr Kollege Seuffert, haben es nicht bestritten. Deswegen möchten wir Sie bitten, daß Sie der Überweisung dieses Gesetzentwurfs, nachdem ihn Herr Kollege Wilhelmi begründet und uns aufgerufen hat, endlich einmal an einer Ecke anzufangen, eine gewisse Steuer) gerechtigkeit herbeizuführen, auch im Hinblick - ich wiederhole es - auf die Beratung des Aktiengesetzes und die mit ihm verbundene breitere Aktienstreuung, trotz der Bedenken, die Sie hier geäußert haben, zustimmen. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Finanzausschuß - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der Überweisung an diese Ausschüsse einverstanden? - Das ist der Fall. Die Überweisung ist beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Gewerbesteuergesetzes ({0}). Wird die Vorlage begründet? - Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Koch.

Dr. Gerhard Koch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001147, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Antrag Drucksache 722, der im Prinzip die Soll- und Habenverzinsung bei der Einkommen-, der Gewerbe- und der Körperschaftsteuer vorsieht, für meine Fraktion begründen. Eine durch das ganze Steuerrecht sich hindurchziehende Einteilung der Steuern ist die nach der Form, in der die Leistung bestimmt wird. Wir unterscheiden danach Festsetzungssteuern und selbsttätig zu entrichtende Steuern. Dieser Grundsatz führt bei der Einkommensteuer zu der Unterscheidung zwischen Veranlagten 'und Lohnsteuerpflichtigen. Bei jeder Gehaltszahlung behält der Arbeitgeber die Lohnsteuer ein, so daß der Steuergläubiger sie unverzüglich in seine Kasse bekommt. Dadurch ist der Steuergläubiger auch automatisch an allen steigenden Gehaltsbezügen beteiligt, so daß man etwa sagen kann: wenn im öffentlichen Dienst irgendwie eine Erhöhung der Bezüge eintritt, gehen davon 20 % ohne weiteres wieder in die Staatskasse. Während der Staat seinen Anteil an dem Einkommen der Lohnsteuerpflichtigen also sehr schnell erhält, ist die Situation für die Veranlagten sehr viel günstiger. Sie geben ihre Steuererklärung erst nach Jahresablauf ab. Vom Finanzamt wird sie dann je nach Arbeitslage bald schnell, bald recht langsam geprüft, so daß der Steuerbescheid unter Umständen erst 12 bis 15 Monate später zugesandt wird und damit die Fälligkeit entsprechend später eintritt. Wir haben in der Abgabenordnung die besondere Regelung, daß die Steuerschuld nicht schon mit ihrem Entstehen fällig wird, d. h. zu entrichten ist, sondern die Fälligkeit der Steuerschuld knüpft sich an ein besonderes Verfahren an. Das Finanzamt muß erst zur Zahlung auffordern. Die Fristen für die Einreichung der Erklärungen werden dann noch vom Finanzamt oft recht großzügig verlängert, wenn ein Steuerberater am Verfahren beteiligt ist, der auf seine Überlastung verweist. Nun kann man bezüglich 'des Antrags natürlich sagen: Sie vergessen die Vorauszahlungen! - Allerdings die Vorauszahlungen! Aber diese Vorauszahlungen bemessen sich nach der Vergangenheit und hinken dadurch bei steigenden Einkünften hinter den tatsächlichen Verhältnissen her. Sicherlich kann die Steuerbehörde anpassen, und sie versucht das auch. Ich habe mich in dieser Beziehung bei der Finanzverwaltung sehr genau erkundigt. Man versucht auf Grund der Umsatzsteuervoranmeldungen im Oktober festzustellen: Aha, hier hat sich das Einkommen erhöht; wir werden die letzte Einkommensteuervorauszahlung, sagen wir für 1962, per 10. Dezember 1962 erhöhend anpassen. - Wenn das immer so einfach wäre! Bitte, gehen Sie zu den Finanzämtern, fragen Sie die Veranlagungsbeamten, die mit diesem Verfahren zu tun haben! So ohne weiteres läßt sich der Steuerzahler diese erhöhende Anpassung der letzten Einkommensteuervorauszahlung nicht gefallen, und das ist verständlich. Gerade wenn es sich um einen guten Geschäftsmann handelt, ist das durchaus einzusehen. Nehmen wir folgendes Beispiel: Die Vorauszahlung per 10. Dezember 1962 soll für einen gut florierenden Mittelbetrieb für 1962 um 150 000 DM erhöht werden. Wenn der Steuerpflichtige diese Erhöhung verhindern kann, so daß er mit diesem Betrag für 1962, sagen wir, bis Ende 1963 arbeiten kann, dann kann er bei dreimaligem Kapitalumschlag im Jahr und 10 °/o Verdienstspanne mit den 150 000 DM 45 000 DM verdienen. So ist es nur zu natürlich, daß die Steuerpflichtigen an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands sehr interessiert sind, und ich zweifle keinen Augenblick daran, daß, wenn etwa ein Herr von der CDU zu diesem Antrag noch Stellung nimmt, er dann sagen wird: Das ist doch im Augenblick alles bestens! Der jetzige Zustand führt aber dazu, daß das Finanzamt auf stillem Wege Kredite gibt, die den Vorzug haben, daß sie zinslos sind und ohne Sicherheit gewährt werden. Hier greift nun der Gesetzentwurf ein. Die Antragsteller sind sich darüber im klaren, daß sie mit der Soll- und Haben-Verzinsung eine sehr einschneidende Veränderung des Veranlagungsverfahrens herbeiführen. Aber wir glauben uns zu diesem Schritt gezwungen, um die verfassungsmäßige Gleichheit vor dem Gesetz im Verhältnis der Veranlagten zu den Lohnsteuerpflichtigen herzustellen. Das deutsche Steuerrecht hat in Richtung des Antrags schon gewisse, wenn auch zaghafte Schritte getan. Ich erinnere an die §§ 155 und 251 a der Abgabenordnung, die bereits vor Fälligkeit, von Rechtshängigkeit ab, eine Verzinsung für den Steuerpflichtigen und gegen den Steuerpflichtigen vorsehen. Ich beziehe mich zur Begründung weiter auf das Besteuerungsverfahren in den Vereinigten Staaten, das zur Vermeidung von Steuerausfällen bei der Selbstberechnung die gleiche Verzinsung vorsieht, wie wir sie fordern. Wir möchten den Zinssatz an den Gang der wirtschaftlichen Entwicklung anpassen und stellen deshalb die Höhe des Zinsfußes, abweichend von dem Steuersäumnisgesetz, auf den Notenbankdiskont plus 2 % ab. Zur Vereinfachung soll als Zinszeitraum nur der volle Kalendermonat gelten, und es soll von der Eehebung von Zinseszinsen abgesehen werden. ({0}) - Das können wir einmal abwarten, wer dabei am besten abschneidet. Ich bin da für 'die Staatskasse nicht so bange, wie Sie es zu sein scheinen. ({1}) Da die Zinszahlung automatisch, kraft Gesetzes, am 1. August beginnt, sind Maßnahmen der Stundung, Niederschlagung und Aussetzung auf die Verzinsung ohne Einfluß. Geldbeträge, die als Sicherheitsleistung hinterlegt worden sind, sind für die Verzinsung wie Zahlungen zu berücksichtigen, die am 1. August des auf die Veranlagung folgenden Jahres oder, wenn die Hinterlegung später erfolgt ist, im Zeitpunkt der Hinterlegung geleistet worden sind. Vom Geist unserer Gesetzesvorlage aus ist es nur logisch, daß wir die Verzinsung auch auf Nachforderungen und Erstattungsansprüche ausdehnen, die sich aus nachträglichen Änderungen des Steuerbescheids ergeben. Gerade bei Berichtigungen, die die Folge von Betriebsprüfungen sind, kann man häufig die Begünstigung der veranlagten Steuerpflichtigen gegenüber den Lohnsteuerpflichtigen sehr gut erkennen. Im übrigen sehen wir ja - das darf ich noch einmal betonen - eine Verzinsung nicht nur pro Fiskus, sondern auch für den Steuerzahler vor, so daß der Steuerpflichtige, wenn er redlich erklärt hat, bei Betriebsprüfungen durchaus die Chance hat, noch ganz erhebliche Beträge erstattet zu bekommen. Da das gewerbliche Einkommen nicht nur von der Einkommensteuer, sondern auch von der Gewerbesteuer erfaßt wird, ist der Gesetzentwurf auch auf diese Steuer auszudehnen. Der gleiche Gesichtspunkt gilt für die Einkommensteuer der juristischen Personen, d. h. also die Körperschaftsteuer. Hier ist unseres Erachtens eine besondere Bestimmung im Gesetz nicht erforderlich, da sich die entsprechende Anwendung bereits aus § 20 des Körperschaftsteuergesetzes ergibt. Es ist vorgesehen, daß der Gesetzentwurf zur Mitberatung auch an den Haushaltsausschuß überwiesen wird. Obgleich die Überweisung an den Haushaltsausschuß den Vorschriften der Geschäftsordnung durchaus entspricht, würde ich vorschlagen, eine Beratung nur im federführenden Finanzausschuß stattfinden zu lassen. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Annahme der Gesetzesvorlage zu einem Plus für die Bundeskasse führen. Ich beantrage somit, den Gesetzentwurf zur Beratung an den Finanzausschuß zu überweisen und von einer Überweisung an den Haushaltsausschuß abzusehen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Artzinger.

Dr. Helmut Artzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann für die CDU/CSU-Fraktion erklären, daß wir durchaus bereit sind, ein Gespräch mit der Opposition über diesen Antrag zu führen. Ich muß Sie also, sehr geehrter Herr Vorredner, enttäuschen: ich bin keineswegs gewillt, die Zustände, die Sie geschildert haben, in Bausch und Bogen zu verteidigen. Ich bin nur der Meinung, daß Sie in gröblicher Form verallgemeinert haben. Wenn Sie die Veranlagungspraxis der Finanzämter kennen, so wissen Sie, daß erhebliche Nachzahlungen bzw. Abschlußzahlungen nur bei einem stark steigenden Einkommen entstehen können. Im allgemeinen wird man davon ausgehen können, daß die Einkommensverhältnisse sich von Jahr zu Jahr nicht so sehr ändern, daß die Steuerschuld durch die Vorauszahlungen in erheblichem Umfang nicht gedeckt ist. Wir sind aber, meine Damen und Herren, mit Ihnen der Auffassung, daß wir uns im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung selbstverständlich darüber Gedanken machen müssen, wie man den Status des veranlagten Steuer2996 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 64. Sitzung. iBonn, Mittwoch, den 13. März 1963 pflichtigen möglichst weitgehend dem des Lohnsteuerpflichtigen, also des im Abzugsverfahren erfaßten Steuerpflichtigen, annähern kann. Die Frage des sogenannten Steuerkontokorrents mit dem Finanzamt ist ja ein uralter Schuh. Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie die Frage wieder auf den Tisch bringen. Aber wir können Ihnen nicht verhehlen, daß wir gegen diese Fassung doch einige Bedenken anmelden müssen. So wie das Veranlagungsverfahren jetzt in der Abgabenordnung vorgesehen ist, scheint uns diese Regelung noch nicht der Weisheit letzter Schluß zu sein. Denn bitte bedenken Sie auch, daß es unter Umständen eine erhebliche Härte für einen Steuerpflichtigen bedeuten kann, mit 2 O/o über Bundesbankdiskont verzinsen zu müssen. Der Prüfungszeitraum für Klein-und Mittelbetriebe beträgt im regelmäßigen Turnus fünf Jahre. Wenn der Steuerpflichtige unter Umständen für diesen Zeitraum eine Nachzahlung auf Grund der Betriebsprüfung verzinsen muß, so ergibt sich ein Betrag, der ihn - ohne sein Verschulden - möglicherweise doch sehr belastet. ({0}) Ich würde daher sagen, wir sollten uns überlegen, ob wir nicht im Zuge der Behandlung dieses Vorschlages auch zu einer Änderung der Reichsabgabenordnung etwa im Sinne nicht nur einer Selbstberechnung, sondern einer Selbstveranlagung kommen. Das geht ja sehr viel weiter als die Selbstberechnung. Selbstveranlagung würde bedeuten, daß mit Einreichung der Steuererklärung beim Finanzamt die Steuerschuld nach der von dem Steuerpflichtigen selbst aufgemachten Berechnung festgesetzt ist. Ich meine, daß man sich darüber ausgiebig unterhalten und selbstverständlich dazu auch die Stimme des Ministeriums hören muß. Aber dazu werden wir, hoffe ich, im Finanzausschuß ausreichend Gelegenheit haben. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Ausschußüberweisung. Es ist auf jeden Fall Überweisung an den Finanzausschuß beantragt. Darüber besteht Einverständnis. Wird auch Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt? - Das ist nicht der Fall; dann bleibt es allein bei der Überweisung an den Finanzausschuß. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes ({0}). Wird der Antrag begründet? - Bitte sehr, Herr Dr. Imle. ({1})

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr vergeehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben den Antrag eingebracht, den § 172 des Bundeswohnungsbaugesetzes, der die Änderung grundsteuerlicher Vorschriften betrifft, aufzuheben. Zunächst darf ich darauf hinweisen, welche Gründe dafür gesprochen haben, diesen § 172 in das Bundesbaugesetz einzufügen. Man wollte das drängende Problem der Baulandbeschaffung einer Lösung zuführen, überhaupt den Mangel an Baugrundstücken beheben und schließlich - das wurde als Hauptgrund angeführt - Angebot und Nachfrage wieder in Einklang bringen, um damit eine Preisminderung zu erreichen. Das Gesetz war dazu bestimmt, die Baupreise wieder in den Griff zu bekommen. Es sei notwendig, sagte man, um dieses Ziel zu erreichen, daß baureife Grundstücke sofort baulich genutzt werden. Man hatte sich vorgestellt, daß das nur auf dem Wege über eine erhöhte Besteuerung möglich sei. Welche Wirkungen hat aber dieses Gesetz vom Juni 1960 gehabt? Von zahlreichen Gemeinden, besonders von Großstädten in Hessen und Bayern, wurde die Möglichkeit der Erhebung der Grundsteuer C dazu benutzt, hohe Hebesätze einzuführen, die sich im Durchschnitt zwischen 300 und 500 % einerseits und 500 und 800 % andererseits bewegten, ja sogar bis auf 1000 und über 1000 % hinaus stiegen. Davon getroffen wurden eigentlich nur diejenigen, denen die Aufbringung schwerfiel. Denn wer in der Lage war, höhere Steuern aufzubringen, wurde durchaus nicht gezwungen, die Folgerungen zu ziehen, die man mit diesem Gesetz bezweckt hatte. Getroffen wurde also derjenige, der noch nicht so viel erspart hatte, daß er sofort mit dem Bauen beginnen konnte, der also noch nicht in der Lage war, mit dem Bauen anzufangen, weil er mit seinen Sparraten noch nicht so weit war. Es gab zwar nach dem Gesetz die Vergünstigung, daß derjenige, der innerhalb von zwei Jahren nach Erhebung der Baulandsteuer, dieser Grundsteuer C, baute, die erbrachte Grundsteuer zurückfordern konnte. Aber erst mußte er den Betrag aufbringen. Hierin liegt also schon ein Nachteil. Wir sehen den Sinn dieser Vorschriften in einem indirekten Verkaufs- oder Bauzwang. Die Frage ist, ob auf diese Weise in das Recht zur freien Verfügung über das Eigentum eingegriffen wurde; und diese Zweifel sind dadurch zum Ausdruck gekommen, daß vor dem Bundesverfassungsgericht bereits einige Verfahren laufen, die die Unwirksamkeit dieser Bestimmungen herbeiführen sollen. Welche Gedanken liegen hier nun im einzelnen zugrunde? Ich darf das noch kurz anführen. Da ist einmal die Tatsache, daß die Grundsteuer als Objektsteuer grundsätzlich den Eigentümer trifft und darauf abgestellt ist, daß die zu bewirkenden Leistungen aus den laufenden Erträgnissen erbracht werden können. Es hat sich gezeigt, daß das bei 'dem zügigen Anheben der Grundsteuer C nicht mehr möglich ist. Schon die Befolgung des obigen Leitsatzes des Bundesverfassungsgerichts müßte dazu führen, daß das Bundesverfassungsgericht zu der Entscheidung kommt, daß 'das Gesetz nicht mehr tragbar ist. Darüber hinaus muß auch bei einer Objektbesteuerung auf die wirtschaftliche LeistungsfähigDr. Imle keit Rücksicht genommen werden. Das trifft hier keineswegs zu, weil die Festsetzung der Hebesätze völlig unabhängig davon durchgeführt wird. Problematisch ist auch, ob es sich hier um eine Steuer mit einem wirtschaftspolitischen Zweck handelt; denn sie darf z. B. in Gebieten mit geringer Wohnbesiedlung überhaupt nicht angesetzt werden. Der dritte Gesichtspunkt ist die unterschiedliche Besteuerung von Gemeinde zu Gemeinde. Diese drei Grundsätze, die ich hier herausgestellt habe, mögen einmal genügen. Wir sollten uns im Parlament davor hüten, daß ein Gesetz für ungültig erklärt wird. Hinzu kommt folgendes. Seit geraumer Zeit bemühen wir uns darum, die Baukonjunktur zurückzuschrauben. Wir haben ein sogenanntes Baustoppgesetz erlassen und haben heute nach sehr vielen Wehen auch den § 7 b endlich zu Grabe getragen, indem wir ihn nur noch auf bestimmte Fälle anwenden. Da kann man nicht auf der anderen Seite durch ein solches Gesetz die Menschen, die noch nicht so weit sind und noch gar nicht bauen wollen, zum Bauen anreizen. Die Steuer ist - das darf ich hier ruhig einmal sagen; draußen wird es allgemein getan - zum Teil auch als unmoralisch und als unsozial bezeichnet worden. Selbst von maßgebender Stelle ist erklärt worden, daß eine Entwicklung, die darauf abziele, baureife Grundstücke, die zum Zwecke der Altersversorgung oder der Vermögensanlage für die Zukunft erworben worden sind, den Eigentümern zu entziehen, nicht gebilligt werden könne. Da wir immer wieder die Forderung nach einer breiten Streuung des Eigentums erheben, ist es damit aber sehr schlecht zu vereinbaren, daß hier das in der Hand einzelner befindliche Eigentum verkauft werden soll. Herr Kollege Dresbach, haben Sie etwas vor?

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Imle, eine Frage. Haben Sie bei Ihren Feststellungen über die hohen Zuschläge zur Grundsteuer C feststellen können, ob den Gemeinden diese hohe Grundsteuer inzwischen eine sehr beliebte Einnahmequelle geworden ist, so daß der Sinn dieser Steuer ins Gegenteil verkehrt ist? Der Sinn war ja: Die sollen verkloppen oder bauen. Aber es könnte für die Gemeinden ja herauskommen, daß ihnen hier eine beliebte Einnahmequelle entstanden ist. ({0}) - Herr Präsident, Verzeihung. - Ihnen sind ja solche Fälle aus der Finanzgeschichte sicher bekannt. Ich meine, man hat früher -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Dresbach, Sie dürfen nur eine Frage stellen und keine Erklärung abgeben.

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe die Frage soweit verstanden.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich versuche alle philologischen Kräfte anzuspannen, um in Fragestellung zu kommen. ({0}) Herr Imle, ist Ihnen bekannt - Herrgott noch mal, muß ich denn mir einen solchen Däu antun, wie man im Heiligen Köln sagt?-, daß man z. B. den Schnaps früher besteuert hat, um eine Art von Prohibition einzuführen, und als dann die Steuer floß, nicht genügend gesoffen werden konnte, und sind Sie nicht bei Ihren Feststellungen auch zu der Feststellung gekommen, daß den Gemeinden diese Steuer als Steuerquelle dauernd erwünscht ist?

Dr. Wolfgang Imle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000994, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dresbach, ich kann Ihnen diese Frage mit Ja beantworten. Die Steuer ist in zahlreichen Fällen, gerade in Großstädten - ich darf auf München, Frankfurt, Regensburg u. a. hinweisen - so hoch angesetzt worden, daß sie zu einer erheblichen Erhöhung der Gemeindeeinnahmen geführt hat. ({0}) - Herr Kollege Dresbach, ich hoffe, daß Sie aus Ihrem Kuraufenthalt Ihre gute Meinung, die Sie bisher von mir hatten, auch beibehalten haben. Wir sollten auch folgendes berücksichtigen. Bei der Einführung der Baulandsteuer war sie auch gewissermaßen als Vorläufer für eine grundsätzliche Durchführung der Neubewertung von Grundstücken gedacht. Es ist ja allgemein bekannt, ich brauche das in diesem Hause gar nicht zu wiederholen, daß die Bewertungsgrundsätze von 1935 heute völlig überholt sind. Andererseits sind die Gründe bekannt, warum bis heute die Neubewertung nicht gekommen ist. Wir sind aber, glaube ich, hier im Hause der Meinung, daß wir nun endlich dazu kommen müssen, die Neubewertung durchzuführen, und die Bundesregierung wird sicherlich nicht umhinkönnen, weitere Verzögerungen zu vermeiden. Andererseits können wir diese Entwicklung nicht abwarten; wir können nicht sagen: Wir werden die Baulandsteuer erst dann aufheben, wenn die Neubewertung vorgenommen ist; es muß jetzt hier etwas geschehen. Welche anderen Wege wären viellicht noch möglich gewesen? - Ich bin gleich so weit, Herr Kollege Schmidt. Ich hatte eben, als ich hier heraufging, überlegt, ob ich überhaupt noch sagen könnte: „Meine Damen und Herren!" Inzwischen ist aber, glaube ich, nur noch eine Dame im Hause, so daß ich mir das beinahe hätte sparen können. Die Härten, die in der Baulandsteuer liegen, hätte man vielleicht etwas abschwächen können. Man hat daran gedacht, die von mir vorhin erwähnte Zweijahresfrist auf vier Jahre zu verlängern. Aber das ist ja insofern wieder schwierig, als dann die Baulandsteuer gleichwohl wieder vorher aufgebracht werden muß und dann die Belastung für den einzelnen noch schwieriger ist. Alle diese Gründe, die ich Ihnen hier vortrug, haben die Fraktion der Freien Demokraten veranlaßt, einen Gesetzesantrag auf Streichung des § 172 des Wohnungsbaugesetzes herbeizuführen. Wir sind der Meinung, daß sonst das Eigentum in unerwünschte Kanäle fließt. Dabei ist keineswegs nur an Privatleute gedacht; es soll hier auch durchaus einmal gesagt werden, daß bestimmte gemeinnützige Gesellschaften von diesem Gesetz Gebrauch gemacht haben und daß das ebenfalls unerwünscht ist. Ich beantrage die Überweisung der Vorlage an den Finanzausschuß - federführend - und an den Wohnungsbauausschuß - mitberatend -. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich muß die Damen verteidigen. Es waren vier Damen im Hause, und soeben kommt eine fünfte. 'Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher keine sehr gute Sache, wenn eine Gesetzesbestimmung, die erst vor drei Jahren von diesem Haus erlassen worden ist, nun wiederaufgehoben werden soll. Aber dennoch werden meine politischen Freunde von der CDU/ CSU im Ausschuß sehr ernsthaft die Frage prüfen, ob es angebracht ist, die Baulandsteuer entweder zu suspendieren oder ganz aufzuheben. Ich glaube, ein I Parlament und eine Bundesregierung, die im Zuge des Wiederaufbaus in einem kühnen und großen Wurf viele wichtige Gesetze beschlossen haben, die im Zusammenwirken wirklich beachtliche Erfolge gebracht haben - diese Erfolge werden auch vom Volk respektiert -, können ohne Scheu auch einmal prüfen, ob ein Gesetz, das Ziel und Zweck nicht erreicht hat, suspendiert oder vorzeitig aufgehoben werden sollte. Ich möchte nicht sagen, daß die Baulandsteuer von vornherein schon ein totgeborenes Kind war. Als das Gesetz erlassen wurde, waren seine Ziele und Zwecke unbedingt anzustreben. Es sollte, wie aus dem Bericht zu ersehen ist, das Angebot an baureifen Grundstücken zur Wiederherstellung eines funktionsfähigen Bodenmarktes vermehren. Andererseits sollte es nach Aufhebung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke im Zusammenwirken mit der früheren Fälligkeit der Erschließungsbeiträge Preissteigerungen verhindern. Auf Grund einer nicht voraussehbaren wirtschaftlichen Entwicklung sind die Verhältnisse auf dem Baumarkt dem, was mit der Baulandsteuer erreicht werden sollte, einfach davongelaufen. Das ist sicher auf die damals 'übergroße Zahlungsbilanz und ihre Auswirkungen auf das Wirtschaftsgefüge in der Bundesrepublik zurückzuführen. Wir haben eine Überhitzung des Baumarktes erlebt. Auf der einen Seite hatten wir nun die Baulandsteuer und auf der anderen Seite den Baustopp. Das sind aber widersprechende Maßnahmen, die sich gegenseitig aufheben. Hinzu kommt, daß die immer noch hohen Bauleistungen im gegenwärtigen Zeitpunkt mit weiteren Preissteigerungen erkauft werden müssen. Das alles lag aber nicht in der Absicht des Gesetzgebers. Es liegt auch nicht im Interesse unserer Sparer, insbesondere unserer Bausparer. Auf Grund der Entwicklung am Baumarkt wird durch die Baulandsteuer der kleine Mann am empfindlichsten getroffen. Die Steuer hat für ihn tatsächlich Enteignungscharakter, während der wirkliche Spekulant die Steuer in ganz kalter Berechnung verdaut und sein Grundstück für ein besseres und sicheres Geschäft retten will. Das war aber nicht der Wille des Gesetzgebers. Ich möchte hier dem Haus für die Beratung noch einige Gedanken eines Wählers mit auf den Weg geben, der im April 1962 an alle Fraktionen dieses Hauses geschrieben hat. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich einiges von dem zitieren, was er schreibt: Freilich wird die Zahl derer, die durch dieses Gesetz Unrecht erleiden müssen, relativ nicht groß sein. Kann das aber rechtfertigen, in einer Demokratie gegen eine vielleicht kleine Minderheit rigoros und mit solcher Härte vorzugehen? Das sollten wir uns hier einmal sagen lassen. Nach draußen möchte ich aber auch sagen, daß es nicht so ist, daß wir hier Gesetze nur für die breite Masse und zur Erzielung von Wirkungen bei unseren Wählern machen. Wir haben, auch wenn nur wenige oder der kleine Mann davon betroffen wird, den Mut, solche Gesetze zu überprüfen. Der Betreffende schreibt dann weiter: Bitte bedenken Sie, daß es sich bei diesen Kreisen des deutschen Volkes um solide und staatsbejahende, somit auch staatserhaltende Kräfte handelt, an deren Erhaltung interessiert zu sein Regierung und Gesetzgeber stets behaupten. Es ist in der Tat so, daß durch die nicht voraussehbare Erhitzung des Baumarkts nicht der Bauspekulant, sondern diese Kreise erfaßt worden sind, für die wir den Mut haben müssen, diese Baulandsteuer wiederaufzuheben. Ich möchte diesen Wähler, der an uns alle geschrieben hat, noch deutlicher sprechen lassen, damit wir sehen, wie das Volk draußen diese Dinge betrachtet. Er schreibt: Wie verträgt sich dieses gegen Gartenbesitzer gerichtete und auf kalte Enteignung abzielende Gesetz aber mit dem Plan der Bundesregierung nach breiter Eigentumsstreuung? Will man dem finanziell nicht Starken, der noch nicht bauen kann, den Boden abnehmen, um den finanziell Stärkeren noch zu kräftigen? Es ergibt sich in diesem Zusammenhang die Frage, warum so viele Menschen bauen wollen. In den meisten Fällen möchten diese doch ihr Geld in Sachwerten anlegen, um der bereits laufenden . . . Inflation - so hart drückt er sich aus zuvorzukommen. Und zu diesem Zeitpunkt sollen die Gartenbesitzer zum Verkaufen gezwunDr. Besold gen werden bei der sicheren Voraussicht, daß ein Erlös nach einem Jahr bereits nur noch einen Teil des ursprünglichen Geldwertes darstellen würde. Meine Damen und Herren, ich habe diesen Satz hier zitiert, weil er vom Volke draußen gesprochen wird. Es ist nicht so weit; das können wir ruhig sagen. Wir haben in allernächster Zeit über den Wirtschaftsbericht zu debattieren. Das sind sehr schwierige Fragen, bei denen wir alle uns bemühen müssen, solche Sorgen, die hier im Hinblick auf eine Steuer ausgesprochen werden, wo Menschen, kleine Leute ihr Grundstück, das sie als ihren köstlichsten Besitz betrachten, hergeben sollen, auszuräumen. Ich glaube, wir sollten das hören. Wir sollten gerade bei den Auseinandersetzungen in den kommenden Wochen diese Meinung des kleinen Mannes draußen hören. Wenn man aber dazu kommt, die Baulandsteuer aus eben diesen Gründen aufzuheben oder zu suspendieren, dann muß die Bundesregierung und muß das Parlament etwas anderes ersinnen und überlegen, um die wirklichen Bodenspekulanten zu treffen, unter denen nicht nur Privatleute, sondern auch große Unternehmen und hier und da auch Gemeinden zu suchen sind. Herr Kollege Seuffert ist jetzt gerade nicht da. Er hat soeben von sozialer Gerechtigkeit gesprochen, die geübt werden müsse. Ich glaube nicht, daß es sozial gerecht ist, wenn in Gemeinden ein Grundstück mit Hebesätzen von 1000 % belastet wird. Dabei handelt es sich um ungefähr fünf oder sechs große Städte, Städte, die wahrscheinlich unter der Führung der SPD stehen. ({0}) Ich möchte als Leitgedanken für solche neuen Überlegungen folgendes mitgeben. Es sollen die Spekulanten durch neue Maßnahmen getroffen werden, die eine Bodenvorratswirtschaft als Selbstzweck betreiben, um daraus äußerst lukrativen und unverdienten Gewinn zu erzielen, Spekulanten, die mit ihrem Tun unseren gesellschaftspolitischen, sozialpolitischen und wohnungsbaupolitischen Vorstellungen diametral entgegenstehen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich in den Saal schaue und auf die Regierungsbank blicke, müßte ich die Meinung vertreten: Das ist ein Bagatellgesetzchen, um das es hier geht, und es findet in diesem Hause fraglos keinen Verteidiger mehr. Ich bin mir nicht ganz im klaren, ob ich berechtigt bin, eine solche Feststellung zu treffen. Als federführend mag sich in dem Fall das Finanzministerium betrachten, von dem einige Herren zu sehen sind. Vom Bundeswohnungsbauministerium, das diese Baulandsteuer mit Zähigkeit verteidigt und sie sogar mit großer Begründung eingeführt hat, ist niemand zu sehen. Ich weiß, daß der Herr Minister persönlich verhindert ist. Er gibt dem verstorbenen früheren Kollegen Albers die letzte Ehre, und ich kritisiere ihn nicht. Ich meine aber, bei einem solchen Gesetz hätte sein Haus vertreten sein können und vertreten sein müssen. Ich muß das ausdrücklich rügen. ({0}) Ihre Ausführungen, Herr Kollege Dr. Besold, sind für mich nicht nur interessant, sondern zum Teil auch verwunderlich gewesen; denn Sie haben kritische Stimmen zitiert, und zwar so, als ob diese Stimmen erst laut geworden wären, nachdem das Gesetz verabschiedet worden ist. Die hat es schon vorher gegeben. Man könnte förmlich der Meinung sein, Sie hätten sich, ohne sich darüber im klaren zu sein, noch in den letzten Stunden einige kritische Bemerkungen der Opposition aus der Zeit der Beratung des Bundesbaugesetzes zu eigen gemacht; ({1}) denn wir haben mit solchen und ähnlichen Argumenten diese Baulandsteuer bekämpft. Wir haben dargetan, .daß war sie für wirkungslos halten. Nun, es freut uns nie, in einem solchen Fall recht zu behalten, es freut uns nicht, weil es uns allen schadet, daß Gesetze, die verabschiedet werden, sich nach einiger Zeit als überholt oder als verfehlt herausstellen. Darunter leiden wir alle, von dem Aufwand, der sinnlos vertan zu sein scheint, ganz abgesehen. Herr Kollege Dr. Besold, ich muß Ihnen entgegenhalten, daß nicht nur Steuerüberlegungen bei der Verabschiedung des Gesetzes eine Rolle gespielt haben und daß man die Bestimmungen über die Baulandsteuer nicht isoliert betrachten kann. Als seinerzeit hier in diesem Hause ein ziemlich leidenschaftlicher Kampf für und wider diese Steuer einsetzte, da hat es Reden gegeben - Freunde aus Ihren Reihen waren daran beteiligt -, in denen es hieß - Herr Dr. Hesberg sagte Derartiges -, die Baulandsteuer entspreche dem gesellschaftspolitischen Leitbild der CDU für die Eigentumsbildung. ({2}) Herr Kollege Dresbach, Sie selbst gehören zu den Abgeordneten, die von Anfang an kritische Bernerkungen gemacht haben, und es gereicht Ihnen zur Ehre, daß Sie bei einer Abstimmung, in der es um die Baulandsteuerbestimmungen ging, mit den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten gestimmt haben. Sie gehören zu denen, die von Anfang an vor dieser Steuer gewarnt haben. Sie haben mit uns recht behalten - leider. Warum treffe ich diese Feststellung, Herr Dr. Besold? Nicht aus Freude an ihr, sondern weil Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke bis zu dieser Stunde zu den Verfechtern der Baulandsteuer gehört hat, und zwar mit der Begründung, sie könne und dürfe nicht isoliert betrachtet und bewertet werden, sondern sie gehöre zu dem geschlossenen Jacobi ({3}) und wirksamen Instrumentarium des Bundesbaugesetzes. Es ist für uns hochinteressant, von Ihnen als dem Sprecher der CDU/CSU das Gegenteil zu hören und damit bestätigt zu erhalten, was wir seit Jahren erklären: dieses Bundesbaugesetz mit seinem sogenannten Instrumentarium verhindert nicht Bodenwucher und Bodenspekulation, es kann den Baumarkt nicht beleben, es kann nicht dazu führen, daß Baulandpreise entstehen, die vertretbar sind. Wir müssen heute also eine sehr wichtige Feststellung treffen: das ganze große Gerede vom Bundesbaugesetz, soweit in ihm bodenordnungspolitische Maßnahmen vorgesehen sind, hat sich als das erwiesen, was wir von vornherein befürchten mußten, als eine Hoffnung, die nicht erfüllt worden ist. Das Bundesbaugesetz hat insoweit, bei aller Bedeutung, die ihm sonst zukommt, offensichtlich versagt. Die Grundsteuer C, die sogenannte Baulandsteuer als eines der Instrumente des Bundesbaugesetzes, scheint zu dieser Stunde im Hohen Hause nicht einen Verteidiger mehr zu finden. Wenn sie aber fällt, was bleibt dann eigentlich noch an Maßnahmen, an Möglichkeiten vom Gesetz her, der Entwicklung der 'Bodenpreise, der Bodenspekulation und dem Bodenwucher entgegenzutreten? Die Vorverlegung der Erschließungsbeiträge, die Einrichtung der Gutachterausschüsse, jene beiden Instrumente, die neben dem hier heute anstehenden den Kernpunkt der Regelungen bilden? Dann bleibt doch nichts mehr! Ich treffe diese Feststellung mit dem Hinweis 'darauf, daß wir uns Ge) danken darüber machen sollten, ob, wenn die Baulandsteuer aufgehoben wird, das wirklich völlig ersatzlos geschehen kann, oder ob wir uns dann nicht doch noch einmal sehr ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen haben, was denn, da sie versagt hat, an ihrer Stelle an Maßnahmen getroffen werden kann. Herr Kollege Besold machte eine Andeutung, daß auch er der Meinung ist, 'daß nach dieser Richtung hin 'in den Ausschußberatungen Überlegungen angestellt werden müßten. Es wird aber auch allmählich Zeit. Wir haben zwei- oder dreimal in diesem Bundestag einstimmig die Bundesregierung aufgefordert, wirksame Maßnahmen gegen Bodenwucher und Bodenspekulation einzuleiten und Vorlagen zu unterbreiten. ({4}) Jahr für Jahr, und nichts ist geschehen. Wir haben im federführenden Wohnungsbauausschuß noch einen Antrag der SPD unerledigt anstehen, der aus dem vergangenen Jahr stammt und in Verbindung mit unserer Großen Anfrage über die Baulandpreise angenommen wurde. In dem Antrag heißt es: Die Bundesregierung wird ersucht, bis spätestens 1. Oktober 1962 dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Wertzuwachs abgabe auf die Spekulationsgewinne aus Bauboden einführt oder durch den auf andere Weise Spekulationsgewinne abgeschöpft werden, die aus einer Steigerung der Bodenwerte und der Bodenpreise entstanden sind. Dieser Antrag und andere Anträge, die wir stellen werden, geben uns hoffentlich bald Gelegenheit, nun endlich einmal wahrzumachen, was aus diesem Hause der Öffentlichkeit gegenüber so oft als der Wille aller bezeichnet worden ist. ({5}) - Herr Kollege Dresbach kommt nach vorn. Ich weiß, welche Frage er mir stellen will. Ich versuche einmal zu raten, was er mich fragen will. Er will mich fragen, ob mir nicht bekannt ist, daß eine solche Besteuerung oder Regelung nach dem Grundgesetz nicht Angelegenheit des Bundes ist. Wollten Sie das fragen, Herr Kollege? ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Jacobi, darf ich fragen - ich muß ja fragen -: Erstens, ist Ihnen bekannt, daß eine solche Wertzuwachssteuer zu den Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis gehört, also nicht unter die Jurisdiktion dieses Hohen Hauses fällt? Zweitens frage ich: Herr Jacobi, sind Sie nicht auch der Meinung, daß wir, bevor wir an diese recht komplizierte und zum Betrug verführende Wertzuwachssteuer herantreten, an eine ehrliche Einheitsbewertung herangehen sollten?

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dresbach, ich kann beide Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten. ({0}) - Herr Kollege Dresbach, ich bin der Auffassung gewesen, Sie hätten die Reihe Ihrer Fragen abgeschlossen, und ich wollte sie beantworten. Wollten Sie - ich bitte sehr um Entschuldigung - noch ergänzend etwas fragen? ({1}) - Herr Kollege Dresbach, darüber können wir zu einem späteren Zeitpunkt einmal reden. ({2}) Selbstverständlich sind uns die grundgesetzlichen Schwierigkeiten bekannt. Wenn sich im Laufe der Zeit herausstellen sollte, daß es anders nicht geht, müßte unter Umständen uns allen, das wissen wir, der Gedanke nähergebracht werden, sogar im Wege einer Grundgesetzänderung Möglichkeiten zu schaffen. Aber der von mir erwähnte Antrag der SPD ist ja nur einer der Anträge, von denen ich sprach. Wir haben bei der Beratung des Bundesbaugesetzes und besonders bei der Beratung der Bestimmungen über die Baulandsteuer einen Antrag eingebracht - damit komme ich auf Ihre zweite Frage zu sprechen, Jacobi ({3}) Herr Kollege Dresbach, und kann sie wahrscheinlich positiv beantworten -, einen Antrag im Hinblick auf eine Einheitsbewertung, die den veränderten Verhältnissen Rechnung trägt. Nach unserem Antrag sollte an die Stelle der schließlich von der Mehrheit dieses Hauses angenommenen Bestimmungen über die Baulandsteuer eine Regelung treten, die grundsteuerrechtlich und bewertungsrechtlich gefaßt, entsprechend fundiert und rechtlich so abgesichert war, daß sie in die Zuständigkeit dieses Hauses fiel. Unser Antrag sah Regelungen vor, die gleichmäßig sind und die vor allen Dingen nicht den Irrtum gestatten, daß man einer Entwicklung entgegentreten könne, die wirtschaftspolitisch leider danebengegangen war. Es ist also ein Anliegen, das Ihnen vom Steuerrecht und vom Finanzrecht her, glaube ich, immer näher stand. Wirtschaftspolitik soll man nicht unbedingt mit Steuergesetzen betreiben. ({4}) Wir haben nach der Richtung hin Überlegungen angestellt, und wir werden Ihnen alsbald eine entsprechende Vorlage unterbreiten. Es bleibt mir nur noch weniges festzustellen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Baulandsteuer etwas bewirken sollte, was nach unserer Überzeugung nicht mit ihr erreicht werden konnte. Offenbar stellt sich nunmehr auch bei Ihnen die Überzeugung heraus, daß Sie sich unserer von uns schon früher vertretenen Auffassung leider anschließen müssen. Die Baulandsteuer sollte den Bodenmarkt regulieren, vor allem das Angebot an Bauland anreichern, indem sie die Zurückhaltung baureifen Bodens verhinderte. Es bedarf nach einigen Jahren Praxis in der Tat keines weiteren Abwartens, sondern man kann schon jetzt feststellen, daß alle diese Zwecke nicht erreicht worden sind und mittels dieser Steuer auch nicht erreicht werden können. Von Anfang an war erkennbar, daß wirtschaftlich schwache Eigentümer kleiner Grundstücke, vor allem Bausparer, in Schwierigkeiten geraten würden, weil sie von der Baulandsteuer in ihrer ganzen Schwere getroffen wurden, dagegen kapitalkräftige Grundstückseigentümer bei dieser Besteuerung in völliger Gelassenheit die Entwicklung abwarten konnten. Wir haben diese Steuer von Anfang an als ungerecht, als unsozial und als für die gedachten Zwecke unwirksam bezeichnet. Wir können uns also heute bei unserer Stellungnahme zu dem FDP-Antrag kurzfassen. Wir werden ihn unterstützen. Dabei können wir davon absehen, alle angeschnittenen Fragen mit zu erwägen, z. B. die, ob die Steuer verfassungswidrig ist. Sie ist in ihrer tatsächlichen Gestalt unvertretbar, und ich glaube, daß sich in diesem Hause entsprechende Mehrheiten finden werden, sie abzuschaffen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Memmel?

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jacobi, was soll mit den Leuten geschehen, die jetzt loyal und treu dem Gesetz nachgekommen sind und verkauft haben? Was soll mit denen geschehen? Die sind doch dann die Dummen.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Memmel, das ist doch eine Frage, die nicht ich zu beantworten habe. Die müssen Sie beantworten. Sie haben ja zu denen gehört, die die Steuer eingeführt haben; ({0}) wir waren von Anfang an dagegen. Die Opposition ist doch nicht dazu da, Schwierigkeiten, die die Bundesregierung oder die sie tragende Mehrheit herbeigeführt haben, zu aplanieren. Sie kann nur dazu Stellung nehmen, indem sie erklärt: Das hättet ihr euch vorher überlegen müssen!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Memmel?

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jacobi, befürchten Sie nicht, daß wegen der Ungerechtigkeit - daß diejenigen bevorzugt sind, die sich hartnäckig geweigert haben, den Zweck des Gesetzes zu erfüllen - von den Benachteiligten Ansprüche gestellt werden? ({0})

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Memmel, wenn Sie diesen Standpunkt vertreten, der Sie an sich ehrt, dann muß ich Sie fragen: wie sollen wir sonst das Leben regulieren, wenn wir eines Tages feststellen, daß wir eine falsche Entscheidung getroffen haben, die revidiert werden muß? Da ist es doch einfacher, sich zu überlegen, wie man dies oder jenes, was in der Vergangenheit angerichtet worden ist, korrigiert, statt an einer Maßnahme festzuhalten, die für alle Zukunft unvertretbar und im Hinblick auf das Anliegen derer, die sie eingeführt haben, unwirksam gewesen ist! Wir Sozialdemokraten - ich betone das noch. einmal - können den FDP-Antrag bedingungslos unterstützen, soweit er die Aufhebung der Baulandsteuer bezweckt, sind aber der Meinung, daß wir allesamt daran mitzuwirken haben, daß nun wirklich Maßnahmen getroffen werden, die der Bodenpreisentwicklung und der Spekulation entgegenwirken. Wir möchten infolgedessen dazu raten, diesen Antrag möglichst beschleunigt zu beraten und die nötige Zeit aufzubringen, um vertretbare, gerechte und allgemein wirksame Maßnahmen zu treffen, die Bodenwucher, Bodenspekulation und Bodenpreissteigerungen und den großen Nutznießern derselben entgegentreten. Wir werden Ihnen nach der Richtung einige Vorschläge zu unterbreiten versuchen, mit denen Sie sich dann hoffentlich positiver beschäftigen, als Sie das bei der Beratung des Bundesbaugesetzes in der Vergangenheit getan haben, als Sie, die Mehrheit, alle unsere Anträge und darin vorgeschlagenen Regelungen abgelehnt haben. Jacobi ({0}) Es steht fest, daß die Baulandsteuer keine wirkliche Waffe gegen die Bodenspekulation gewesen ist, wie das von seiten der CDU/CSU behauptet worden ist. Sie 'war bis zu dieser Stunde ein gesellschaftspolitisches Alibi und gar nichts anderes. Sie ist nicht mehr vertretbar, und wir werden mit dazu beitragen, daß sie fällt. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000166, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Jacobi, ich nehme sehr gern eine Kritik entgegen. Aber gegen eines möchte ich hier doch auftreten, und zwar dagegen, daß Sie denen, die dieses Gesetz gemacht haben, unterstellen wollen, sie hätten damit nicht sozialpolitische Erwägungen, nämlich Förderung des Eigentums usf., verfolgt. ({0}) - So hat es aber geklungen. Damals war die Situation am Baumarkt noch so, daß die Ziele und die Zwecke, die ich aufgezeigt habe und die auch im Gesetz festgelegt worden sind, mit diesem Gesetz und mit dieser Baulandsteuer angestrebt werden konnten. Daß wir nicht Hellseher sind und voraussehen können, darüber sind wir froh; denn sonst könnte man wahrscheinlich in der Politik überhaupt nicht leben. Ich verstehe nicht, daß Sie Kritik daran üben, daß wir jetzt an die Aufhebung gehen, nachdem Sie selbst dieses Gesetz kritisieren. Dann müssen Sie doch eigentlich zustimmen und sagen: Gut, Respekt! Sie haben die Konsequenz gezogen und Sie suchen einen neuen Weg! ({1}) - Das ist eine sehr erfreuliche Feststellung. Ich habe eingangs schon gesagt, daß wir uns gar nicht zu genieren brauchen, einmal ein Gesetz aufzuheben, das Auswirkungen in einer ganz anderen Richtung gezeigt hat, als man von Anfang an ernstlich gewollt hat. Wir wollten nicht die Spekulanten unterstützen und wir wollten nicht 'diejenigen, die sich die Baulandsteuer leisten können, unterstützen. ({2}) Ich verstehe Ihre Argumentation nicht. Jetzt mißbilligen Sie dieses Baulandsteuergesetz, während Sie seinerzeit, als das Gesetz gemacht wurde, weit höhere Belastungen an Baulandsteuer wollten. Zu welchem Zweck? Damit vielleicht das erreicht wird, was man in den Städten, die dieses Gesetz mißbraucht haben und die Tausend-Prozent-Hebesätze eingeführt haben, erreicht hat: diesen Leuten das Eigentum abzunehmen? Die Argumentation, die Sie gegen meine Ausführungen vorgebracht haben, hat also nicht einer ehrlichen und guten Handhabung eines Gesetzes das Wort geredet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Stiller.

Georg Stiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jacobi, ich wollte zu diesem Thema eigentlich nicht sprechen, weil ich, wie Sie wissen, kein Freund der Baulandsteuer war. Ich muß jetzt aber 'doch das Wort nehmen, weil Sie sich hier gewissermaßen als das Unschuldslamm hingestellt haben: Sie könnten nichts für die Baulandsteuer. Warum ist es denn dazu gekommen, Herr Jacobi? Sie wissen sehr genau, daß Sie selbst, daß die SPD im Ausschuß während der zweiten und dritten Lesung des Bundesbaugesetzes den Antrag auf eine Mehrwertsteuer gestellt hatte. Diese Mehrwertsteuer ist nichts anderes als eine gewandelte Wertzuwachssteuer, die wir schon einmal vor Jahrzehnten hatten und von der jeder weiß, daß sie sich nicht bewährt hat. Glauben Sie, Herr Kollege Jacobi, daß die sogenannte Mehrwertsteuer, die gewandelte Wertzuwachssteuer den Bausparer, von dem Sie jetzt gesprochen haben, mehr geschont hätte, als es die Baulandsteuer getan hat? Das wäre sicher nicht der Fall gewesen. Nun noch etwas zur Baulandknappheit. Die Baulandsteuer sollte nicht als einziges Mittel dazu dienen, wieder zu einem Baulandmarkt zu kommen. Sie wissen genau, daß wir im Bundesbaugesetz verschiedene Maßnahmen niedergelegt haben. Es wird dazu verhelfen, daß wir wieder zu einem Baulandmarkt-kommen. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Sie dürfen nicht vergessen, daß wir in den letzten 10 Jahren 7 Millionen Wohnungen erstellt haben. Dafür mußte ja auch das Bauland bereitgestellt werden und ist bereitgestellt worden. Heuer, im Jahre 1963, werden wieder 500 000 Wohnungen gebaut und im nächsten und im übernächsten Jahr ebenfalls. Auch für diese Wohnungen ist das Bauland schon bereit. Daß das Bauland knapp wird, wenn ein solcher Baulandbedarf besteht, ist klar. Aber wenn das Bundesbaugesetz richtig angewendet wird, wird es Bauland schaffen. Die Gemeinden haben durch das Bundesbaugesetz die Möglichkeit bekommen, durch Bebauungspläne Bauland auszuweisen. Sie haben die Möglichkeit bekommen, dieses Bauland zu erschließen. Die Grundeigentümer werden sofort herangezogen, die Beiträge zu zahlen, sobald erschlossen ist. All diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, führen dazu, daß wir genügend Bauland bekommen werden. Allerdings müssen auch die Gemeinden dabei helfen und müssen das Bundesbaugesetz anwenden. Aber besonders die größeren Gemeinden tun das nicht. Heute wurde schon über die hohen Hebesätze der Baulandsteuer gesprochen. Ich muß darauf hinweisen, daß z. B. die Städte Regensburg und Offenbach - beide haben sozialdemokratische Oberbürgermeister - für die Baulandsteuer Hebesätze von 1000 % eingeführt haben. Daß eine derart hohe Steuer Enteignungscharakter trägt, ist natürlich klar. Gerade diese Dinge haben die Baulandsteuer auch in der Bevölkerung draußen nach und nach unmöglich gemacht. Darum sind wir der Meinung, daß sie jetzt endlich geändert werden sollte. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für Sie, meine Herren Kollegen von der CDU/CSU, natürlich nicht ganz einfach, jetzt mit Argumenten zu kommen, die die Baulandsteuer rechtfertigen, nachdem zwei Parteien dieses Hauses von Anfang an gegen diese Steuer gewesen sind. Aber wir wollen hier jetzt nicht richten und rechten, sondern bei den nüchternen Tatsachen bleiben. Ich muß Ihnen, Herr Kollege Stiller, entgegenhalten, daß just diese Baulandsteuer aus der Sicht z. B. des Herrn Bundeswohnungsbauministers Lücke bis zu dieser Stunde das stärkste Instrument des Bundesbaugesetzes gewesen ist. Was bleibt denn da sonst noch? Die Vorziehung der Erschließungsbeiträge, die Verpflichtung der Gemeinden, Bauland aufzuschließen. Das wirkt sich auf den Bodenmarkt nicht so fühlbar aus, daß man Spekulation und Bodenwucher damit entscheidend entgegentreten könnte. Verkehrswert und viele andere Dinge - Sie wissen das alles - stehen einer solchen Entwicklung entgegen, wie wir sie alle wünschen. Damit komme ich zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Besold. Herr Kollege Dr. Besold, zu keiner Stunde hat einer meiner Freunde oder habe ich unterstellt, daß die Vertreter der Maßnahmen des Bundesbaugesetzes das Spekulantentum hätten fördern wollen. Geirrt haben sie sich, sie haben geglaubt Maßnahmen zu treffen, die wirksam seien, und haben jetzt wie wir ihre Unwirksamkeit feststellen müssen. Das ist eine ganz nüchterne Tatsachenfeststellung, und Sie werden keine Stimme aus unseren Reihen anführen können, die etwa behauptete, Sie hätten bewußt die Bodenspekulanten unterstützen wollen. Aber die Erkenntnis, die heute dem ganzen Hause kommt, hätte keine drei Jahre auf sich warten zu lassen brauchen. Die hätten wir damals schon haben können, denn es ist ja gewarnt worden. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, Herr Kollege Stiller und Herr Kollege Besold, nun zu untersuchen, ob in dieser oder jener Gemeinde mehr oder weniger hohe Hebesätze zugrunde gelegt worden sind. Auch in den Gemeinden gibt es unterschiedliche Situationen. Ich kann mir vorstellen, daß es z. B. im Innengebiet von Städten Besitzer von Grundstücken gibt - also Grundstücksbesitzer, die nicht unbedingt zu den wirtschaftlich Schwachen gehören müssen -, die durch ihre Zurückhaltung städtebaulichen Notwendigkeiten nicht in dem Maße entsprechen, wie es gefordert werden muß. Das alles mag örtlich seine Gründe haben. Im übrigen basiert das alles ja noch auf Einheitswerten aus dem Jahre 1935. Und wenn Sie einmal durchrechnen - ich habe die Zahlen da, aber in der Eile soeben nicht gefunden -, wie hoch die Belastung im Verhältnis zu dem wirklichen wirtschaftlichen Wert des betroffenen Grundstücks ist, dann werden Sie finden, daß, von sozialen Härtefällen abgesehen, dieser Steuer selbst in einem solchen Fall nicht die Bedeutung zukommt, die Sie ihr beimessen möchten. Kurz und gut, das Instrument scheint praktisch erledigt zu sein, und ich glaube, wir sind gut beraten, ihm alsbald den Garaus zu machen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir seinerzeit die Baulandsteuer einführten, haben wir sie ganz klar als ein Ersatzmittel gewählt. Insbesondere wir im Finanzausschuß waren uns darüber klar, daß dieses Problem an sich durch eine Reform des Reichsbewertungsgesetzes gelöst werden müßte. Ich bin auch heute noch der Auffassung, daß das der einzige Weg ist, um zu klaren und vernünftigen Lösungen zu kommen. Weder eine Wertzuwachssteuer noch die Idee des Wertausgleichs noch das, was sonst noch vorgeschlagen ist, insbesondere von unserem Freund Lubahn, der uns ja alle mehr oder weniger stark in Anspruch genommen hat, bedeutet einen Ausweg. Sowenig es ein Ausweg war, eine Baulandsteuer einzuführen, ist es ein Ausweg, sie wiederaufzuheben. Wir müssen an das Problem der Reform des Bewertungsgesetzes heran. ({0}) Wir haben es soeben im Zusammenhang mit der Bewertung von Anteilen von inländischen Kapitalgesellschaften gesehen: wo auch immer wir uns über Steuerfragen und vor allem über Finanzverfassungsreformprobleme unterhalten, immer wieder stoßen wir auf diese Frage. Wir stecken den Kopf in den Sand. Nach meiner Auffassung dürfen wir das nicht länger tun. Wir müssen das Problem der Reform des Reichsbewertungsgesetzes anpacken. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, \der Herr Kollege Jacobi hat mich soeben angesprochen. Er glaubte meine Meinung richtig zu interpretieren, als er sagte, man solle bei einem Steuergesetz nicht zu viele wirtschaftspolitische und sonstige Überlegungen anstellen. So habe ich Sie verstanden, Herr Jacobi, und ich möchte das ausdrücklich bejahen. Die Baulandsteuer, die Grundsteuer C, ist seinerzeit \als unbedingte Ordnungssteuer ohne Rücksicht darauf geschaffen worden, ob sie Erträge bringt oder nicht. Wir haben eine Paral3004 lele dazu. Das ist die Heizölsteuer, die seinerzeit geschaffen worden ist, um Ordnung zu schaffen, ohne Rücksicht darauf, ob sie Erträge bringt oder nicht. Neuerdings haben wir ja eine Ausflucht dafür gefunden: wir verwenden sie an der Ruhr. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, ich möchte am Schicksal der Baulandsteuer einmal ablesen, wie verheerend der Begriff der Ordnungssteuer wirken kann, indem er nämlich zur Unordnung im öffentlichen Abgabenrecht führt. Also ich bin Herrn Professor Gerloff in Frankfurt wirklich nicht dankbar, daß er diesen Begriff so eingeführt hat. Ich persönlich halte es immer noch mehr mit der alten Finanzwissenschaft Adolf Wagners in Berlin, wenn er auch schon lange tot ist. Und nun noch eine Bemerkung, die die Zuständigkeit betrifft. Ich spreche hier nicht nur als Mitglied des Steuerausschusses. Aber wie ist es mit unserer Zuständigkeit allmählich geworden? Die Mineralölsteuer, bestimmt eine Verbrauchsteuer wie jede andere auch, geht in die Zuständigkeit des Verkehrsministeriums über. Die Heizölsteuer geht in die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums über. Die Baulandsteuer, die Grundsteuer C, eine Objektsteuer, eine Realsteuer wie die anderen auch, geht in die Zuständigkeit des Wohnungsbauministeriums über. Und das Finanzministerium und der Steuerausschuß üben bestenfalls noch die Rolle von Justitiaren oder, sagen wir, von Reparaturschlossern aus. Das ist die Zersplitterung 'hinsichtlich der Zuständigkeit im Abgabenrecht. Die Beispiele ließen sich, glaube ich, noch um einige vermehren. Ich wollte nur - seien Sie mir darum nicht böse; Sie können ja auch schimpfen; dem Publizisten, der 'ich nun einmal bin, ist es fast egal, ob er gelobt oder kritisiert wird; nur wenn er totgeschwiegen wird, dann ist das blamabel ({1}) die Konsequenz allgemeiner Art daraus ziehen, daß man die öffentliche Abgabe, eine Steuer, nicht vornehmlich zum Dirigismus verwenden, sondern sie als eine echte Steuer betrachten sollte, die Geld einbringen soll, ein Geld, das auf Grund exakter alljährlicher Beschlüsse zur Ausgabenseite verausgabt wird. Hier haben Sie den Beweis dafür, wie man gegen diese alte gefestigte Auffassung - meines Erachtens sollte sie gefestigt sein - von Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts gesündigt hat. Tun wir es in Zukunft nicht mehr! ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - mitberatend - zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes ({0}) . Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 116 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1961 über die Abänderung der Schlußartikel ({1}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 14. Mai 1962 zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am 8. April 1960 unterzeichneten Vertrag über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung ({2}) ({3}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zusatzabkommen vom 14. Mai 1962 zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am 8. April 1960 unterzeichneten Finanzvertrag ({4}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wiedergutmachung - federführend - und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - mitberatend - vor. - Das ist beschlossen. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses ({5}) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht Antrag der Gesamtdeutschen Partei ({6}) wegen Verletzung des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes durch Maßnahmen und Unterlassungen in bezug auf Kapitel 06 02 Tit. 612 des Bundeshaushaltsgesetzes für 1962 ({7}) ({8}). Vizepräsident Dr. Jaeger Berichterstatter ist der Abgeordnete Benda. Ich erteile ihm das Wort. ({9}) Der Abgeordnete Benda ist nicht im Saal. Ich schlage vor, daß das Haus auf einen Bericht verzichtet. - Das ist der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/1035 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. - Einstimmig angenommen! Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen ({10}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates der EWG über Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für pharmazeutische Erzeugnisse ({11}). Der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. Dittrich, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Das Wort wird nicht gewünscht? - Wer dem Antrag des Ausschusses Ziffern 1 und 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({12}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates der EWG zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen ({13}). Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Sühler, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Antrag des Ausschusses Ziffern 1 und 2 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen! Damit komme ich zu Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({14}) über die von der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge der Kommission für Verordnungen des Rates der EWG betreffend Änderungen der Verordnung Nr. 55 ({15}). Berichterstatter sind die Abgeordneten Dr. Rinderspacher und Glüsing ({16}); sie haben einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihnen danke. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen! Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({17}) über die von der Bundesregierung erlassene Achte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({18}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Löhr. Ist das Wort erforderlich? - Das ist nicht der Fall; das Haus verzichtet auf den Bericht. Werden Anträge aus der Mitte des Hauses gestellt? - Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall, dann stelle ich fest, daß das Haus Kenntnis von dem Bericht auf Drucksache IV/1037 genommen hat. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({19}) über die von der Bundesregierung erlassene Einundvierzigste, Fünfundvierzigste und Sechsundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({20}). Berichterstatter sind die Abgeordneten Junker, van Delden und Sander. Wird das Wort hierzu gefordert? - Das ist nicht der Fall; das Haus verzichtet auf weitere Berichte. Anregungen? - Anträge? - Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann hat das Haus von dem Bericht auf Drucksache IV/1036 Kenntnis genommen. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Dreiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({21}) ({22}). Das Wort wird nicht gewünscht? - Ich schlage Überweisung an den Außenhandelsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; es ist beschlossen. Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: Beratung der von der Bundesregierung erlassenen Zweiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({23}) ({24}). Das Wort wird nicht gewünscht? - Ich schlage Ihnen Überweisung an den Außenhandelsausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - vor. - Widerspruch erfolgt nicht: es ist beschlossen. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 14. März, 14.00 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.