Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren fort in der unterbrochenen
Fragestunde ({0}),
und zwar sind wir noch bei Frage I1/7, die der Abgeordnete Wittrock gestellt hat:
Wer veranlaßte die spanische Polizei, den „Spiegel"-Redakteur Ahlers in Malaga festzunehmen?
Es wurde noch eine Reihe von Zusatzfragen gestellt, und die Sitzung wurde unterbrochen, als der Abgeordnete Erler seine Zusatzfrage stellen wollte.
) Ich erteile ihm das Wort zu seiner Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem sich auf Grund Ihrer gestrigen Schilderung herausgestellt hat, daß das mit der Telefonbezeichnung „Interpol" an die spanischen Behörden gerichtete Telegramm erst nach der Festnahme von Ahlers dort eingegangen ist und dann die Grundlage bot für die Verhandlungen über die Art der „freiwilligen" Rückkehr und nachdem ja wohl die spanischen Behörden den Auftrag nicht von sich aus erfunden haben können, möchte ich von Ihnen gern wissen: wer hat auf wessen Weisung in welcher dienstlichen Zuständigkeit auf welcher Rechtsgrundlage und auf welche Weise
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erstmalig und damit entscheidend von den spanischen Behörden die Festnahme des deutschen Staatsbürgers Ahlers erbeten?
Herr Kollege Erler, ich bin der Sache noch einmal in sehr mühsamer Arbeit nachgegangen und habe alle mir zur Verfügung stehenden Beamten, vor allem den Herrn stellvertretenden Präsidenten Dickopf und den Leiter der Einsatzgruppe bei der Sicherungsgruppe eingehend gehört. Ich muß wiederholen, was ich gestern gesagt habe, daß Herr Dickopf nicht, wie es von der spanischen Seite behauptet worden ist, früh um 2 Uhr - so hieß es ja in der ersten Meldung - telefoniert oder einen solchen Auftrag gegeben hat und daß auch Herr Saevecke das nicht gemacht hat. Ein Beamter steht noch aus, Herr Erler; er ist dienstlich im Ausland. Ich habe ihn zurückrufen lassen, konnte ihn aber noch nicht befragen. Es besteht also die Möglichkeit, ohne daß ich jetzt etwas Bestimmtes sagen könnte. Ich habe auch versucht, bei der Post nach den Telefonzetteln usw. zu ermitteln; das war aber in der ganz kurzen Zeit auch nicht festzustellen. Obwohl es gar nicht in meinem Dienstvertrag steht, daß ich jeden Tag bis 24 Uhr arbeiten muß,
({0})
habe ich bis abends 12 Uhr festzustellen versucht, ob nun an Hand eines Telefonnachweises usw. das genau festgestellt werden könnte. Das ist nicht möglich. Aber nach meinen Vermutungen besteht noch die Möglichkeit, die ich noch nicht so konkretisieren kann. Ich bin fortgesetzt an der Sache, um Ihnen die gewünschte ganz genaue Auskunft geben zu können.
Zweite Zusatzfrage!
Ist Ihnen etwas davon bekannt, oder haben Sie eine Vermutung, daß vielleicht der Militärattaché Oster diese Festnahme veranlaßt haben könnte?
Herr Kollege Erler, ich nehme an, daß Sie diese Frage an das zuständige Ressort richten wollen und daß der Herr Verteidigungsminister auf diese Frage antwortet.
Bitte.
Ich kann auf diese Frage nach meinen Feststellungen folgendes antworten. Das Bundesverteidigungsministerium ist durch die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes am 27. Oktober zwischen 1 und 2 Uhr morgens wie folgt verständigt worden: Bei dem erfolglosen Versuch der Festnahme des Herrn Ahlers in seiner Hamburger Wohnung habe sich ergeben, daß sich Herr Ahlers in Spanien oder Tanger aufhalte. Der deutsche Militärattaché in Madrid sei über diese Reise unterrichtet.
Auf dem Wege der Amtshilfe für die Strafverfolgungsbehörden hat das Verteidigungsministerium den Militärattaché in Madrid gefragt, ob diese Mitteilung zutreffe. Der Militärattaché bestätigte die
Bundesverteidigungsminister Strauß
Mitteilung, er könne aber nicht sagen, ob sich Herr Ahlers in Spanien oder Tanger aufhalte. Der spanische Aufenthaltsort des Herrn Ahlers sei ihm bekannt. Daraufhin wurde dem Militärattaché erklärt, daß gegen Ahlers ein höchstrichterlicher Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts eines landesverräterischen Verbrechens vorliege. Der Haftbefehl sei mit Flucht- und Verdunkelungsgefahr begründet. Der Attaché wurde in der bei Behörden üblichen Weise angewiesen, diese Tatsache den spanischen Behörden mitzuteilen. Diese seien außerdem bereits auf dem polizeilichen Wege von dem vorliegenden Haftbefehl unterrichtet. Der Attaché sollte den spanischen Behörden den ihm bekannten Aufenthaltsort angeben. Er solle außerdem auch eventuelle polizeiliche Ersuchen bei der spanischen Behörde unterstützen.
({0})
Sie haben Ihre Zusatzfragen erschöpft.
Herr Abgeordneter Schäfer!
Herr Minister Höcherl, wollen Sie mit Ihren Ausführungen sagen, daß die Darstellung der ,spanischen Regierung, die heute in der Presse hier. veröffentlicht ist, unrichtig ist, wonach zweimal von Wiesbaden aus angerufen worden sei
({0})
und beim ersten Anruf der Leiter, der stellvertretende Präsident Herr Dickopf, die sofortige Festnahme von Ahlers erbeten habe?
Herr Kollege Schäfer, ich habe Herrn Dickopf eingehend dienstlich zu dem Vorgang gehört. Herr Dickopf sagt wiederholt und ganz überzeugend und kann das auch nachweisen, daß von ihm aus ein solches Gespräch in der Frühe nicht geführt worden ist. Herr Dickopf hat zwar am 27. um 11 Uhr oder um 10 Uhr 30 herum den Haftbefehl durchgegeben an die Botschaft zu Händen von Herrn Oster, und er hat dann um 15 Uhr eine spanische Fassung des Haftbefehls durchgegeben, in der noch als Ergänzung zum Ausdruck kommt, daß er darum bitte, auf eine freiwillige Rückkehr zu drängen. Das ist das Ganze, was Dickopf gemacht hat. Es steht noch ein Beamter aus. Aber Dickopf war es bestimmt nicht; das versichert er glaubwürdig. Es steht, wie gesagt, noch der Beamte aus, der sich dienstlich im Ausland befindet. Ich habe ihn zurückrufen lassen und bin dabei, das so schnell, gründlich und gewissenhaft aufzuklären, wie Sie ein Recht auf Fragen haben.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, meine Frage richtet sich .an einen der beiden Herren. Hat sich nun der Militärattaché Oster an die spanischen Polizeibehörden gewandt, und hat er die Festnahme erbeten?
Herr Kollege Schäfer, es ist möglich, daß noch ein Beamter von der Sicherungsgruppe das gemacht hat.
Meine Frage richtet sich dahin, ob Oster das getan hat.
Ja, der Herr Verteidigungsminister hat gerade mitgeteilt, daß sich Oster unabhängig von den Vorgängen der Sicherungsgruppe, die ich nun nicht bis zum allerletzten aufklären kann - einfach aus einer faktischen Unmöglichkeit heraus, wegen der Abwesenheit des Beamten -, zu den spanischen Dienststellen begeben hat.
Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, in jeder Behörde gibt es genaue Unterlagen über Gespräche und Telegramme in wichtigen Fragen. Was ist am 26. von Ihrer Behörde von Wiesbaden mit Madrid gesprochen worden? Ich bitte, hierüber eine genaue Auskunft zu geben.
Herr SchmittVockenhausen, am 26. gar nichts. Bezüglich dessen, was am 27. geschehen ist - in der Nacht vom 26. auf den 27., zeitlich schon am 27. -, hatte ich noch soeben, bevor ich hereinkam, weitere Gespräche über die Frage des Telefonbuchs, soweit es in der Behörde geführt wird. Es ist natürlich noch nicht die allerletzte Feststellung. Ich kann noch nicht sagen, was am 27. war. Ich vermute, daß noch ein Gespräch war, kann es aber nicht sagen. Ich muß erst die Leute hören. Ich konnte es his zum allerletzten Punkt nicht aufklären.
Eine Zusatzfrage!
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Minister, sagen Sie also, daß am 26. von Wiesbaden aus weder ein Gespräch mit Madrid geführt noch ein Telegramm nach Madrid geschickt worden ist?
Am 26. nicht - es 'war der Freitag -, wenn ich den 26. bis 12 Uhr nachts nehme, Herr Schmitt-Vockenhausen.
Sie haben Ihre zwei Fragen gehabt. - Abgeordneter Mommer!
Herr Minister, wer hat die Weisung an Herrn Oster gegeben, das Bundeskriminalamt, die Bundesanwaltschaft oder das Bundesverteidigungsministerium?
Das Bundeskriminalamt kann keine Weisung an Herrn Oster geben.
Wer war es also?
Ich habe auch keine Feststellung darüber getroffen, daß eine Weisung gegeben worden wäre. Es könnte auch keine Weisung geben.
Aber der Bundesverteidigungsminister könnte Auskunft geben.
Würden Sie die Frage wiederholen? Ich bin im Augenblick gestört worden.
Wer hat die Weisung an Herrn Oster gegeben, die Festnahme von Herrn Ahlers zu veranlassen?
In der Fragestellung steckt eine Behauptung, die in dieser Form wohl nicht zutrifft.
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Eine deutsche Behörde kann diese Veranlassung überhaupt nicht treffen, weil alle Maßnahmen dieser Art nach dem in dem jeweiligen Lande geltenden nationalen Recht von der nationalen Behörde getroffen werden.
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Meine Damen und Herren, wir müssen Ordnung halten in dieser Fragestunde.
Ich habe aber vorher in meiner Antwort vermerkt, daß die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts das Bundesverteidigungsministerium in der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr verständigt habe, daß sich bei der erfolglosen Festnahme des Herrn Ahlers ergeben habe, daß sich Herr Ahlers in Spanien oder Tanger aufhalte. Ferner wußte die Sicherungsgruppe bereits in der Nacht, daß der 'deutsche Militärattaché in Madrid über diese Reise unterrichtet war.
Nun ist folgendes bekannt. Der Verfasser des Artikels, der immerhin wahrscheinlich im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens steht, ist Herr Ahlers. Herr Ahlers war früher Pressereferent bei der sogenannten Dienststelle Blank. Herr Ahlers ist die wichtigste Auskunftsperson, nicht nur als Beschuldigter, sondern auch für die Informanten, die
im Verteidigungsministerium eventuell Unterlagen oder Dokumente geliefert haben könnten. Wenn das Verteidigungsministerium diesem Hinweis nicht nachgeht, dann würde mit Recht der Vorwurf erhoben oder zumindest die Frage gestellt werden: Warum weiß der deutsche Militärattaché nichts von der Ausreise des Mannes, der am besten über Informanten Auskunft geben kann? Darum sind wir diesem Hinweis pflichtgemäß nachgegangen.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Ritzel.
Ich weiß nicht, welchen der Herren Minister ich ansprechen soll. Die Frage, die ich zu stellen habe, ergibt sich aus einem heutigen Bericht in der Bonner oder Kölnischen Rundschau mit einer Fotokopie des Telegramms, das am 27. von Wiesbaden an die Interpol Madrid ergangen ist, und aus der Erläuterung, die der Informationsminister Spaniens dazu gegeben hat. Danach ist festzustellen - und ich frage nun: was kann die Bundesregierung dazu sagen? -, daß bereits 12 Stunden vor dem Eingang dieses Telegramms - das also jetzt zugegeben werden muß, denn es liegt in Fotokopie vor - der Bundeskriminalpolizei Wiesbaden an Interpol Madrid die Verhaftung des Herrn Ahlers erfolgt war. Wer, welche Stelle, welches Ministerium haben diese Verhaftung 12 Stunden vorher bereits bewirkt? Das ist bis jetzt noch nicht klar; ich bitte um Klarstellung.
Herr Kollege Ritzel, ich bin außerordentlich überrascht über Ihre Behauptung, daß jetzt ein Telegramm zugegeben würde. Ich habe gestern gerade auf Ihre Fragen den ganzen Text des Telegramms bekanntgegeben.
({0})
Ich halte es für eine Ungehörigkeit sondersgleichen, das einfach abzuleugnen. Ich habe den ganzen Text bekanntgegeben,
({1})
und ich habe ferner festgestellt, daß eine zweite
({2})
Meine Damen und Herren, ich habe doch - ich habe hier laut Protokoll gestern den Text des Telegramms, des Haftbefehls bekanntgegeben. Ich wußte noch nicht - und ,das habe ich heute früh bereits gesagt -, daß um 15 Uhr eine spanische Übersetzung dieses Telegramms durchgegeben wurde mit einer Ergänzung am Schluß, in der es heißt, daß darauf gesehen werden sollte - wegen des Art. 3 InterpolStatut -, daß Herr Ahlers freikommt und nicht in Halt bleibt. Das ist ein Zusatz, den ich gestern noch nicht kannte, den ich heute früh bereits erwähnt habe. Das sind einmal die Vorgänge, so daß es gar keine Schwierigkeiten macht, zu fragen, wer von den beiden Ministerien hier für die Frage zuständig ist.
2016 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den a November 1962
Bundesinnenminister Höcherl Das ist das eine.
Und zweitens: Ich habe schon erklärt, daß ich nun seit Stunden und seit Tagen und bis herein in die Morgenstunden von heute festzustellen versuche, wer noch zusätzlich von der Sicherungsgruppe - so wie das spanische Informationsministerium es behauptet - in der Frühe um 2 Uhr, also am 27., das wären diese 12 Stunden vorher - durchtelefoniert hat. Ich konnte es noch nicht feststellen, habe ich erklärt, weil ein entscheidender Beamter sich dienstlich im Ausland befindet und von mir zurückgerufen worden ist.
Ich muß annehmen, der Herr Verteidigungsminister hat in seinem Bereich solche Feststellungen getroffen. Ich muß annehmen, daß noch etwas dazwischen liegt, wais, sobald es aufgeklärt ist, mit minutiöser Genauigkeit Ihnen und dem ganzen Hause bekanntgemacht wird. Aber ich muß jeden Zweifel zurückweisen, als ob hier nicht die Absicht bestünde, das 'ganz ibis zum äußersten vollkommen klarzulegen, Herr Kollege Ritzel.
({3})
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Herr Bundesinnenminister, ich will mir an 'dieser Stelle - weil es nicht zur Frage gehört - das zusagen versagen, was ich zu Ihrer
.({0})
unqualifizierten Bemerkung gegenüber einem Abgeordneten zu sagen habe.
({1})
Herr Abgeordneter Ritzel, es ist - Ritzel ({0}) : Aber ich habe folgende Frage. Herrscht in dem (Bereich, der Ihnen unterstellt ist,
Herr Abgeordneter Ritzel, es ist unzulässig, einen Minister 'in der Fragestunde zu kritisieren. Sie können Fragen stellen.
({0})
Darf ich weitersprechen.
({0})
Ich habe die Zusatzfrage zu stellen: Herrscht in Ihrem Amtsbereich, Herr Bundesinnenminister - und das sage ich als Berufsbeamter -, in der Tat eine solche Unzuverlässigkeit, daß es nach Tagen dem Bundesinnenminister nicht möglich ist, zu sagen, 'wer von der zuständigen oder nicht zuständigen Stelle ein Telefongespräch mit Madrid geführt hat,
herrscht ein solcher Zustand, daß der Beamte nicht fähig ist, zu seiner Verantwortung zu stehen
({1}) und seinem Minister rechtzeitig zu 'berichten?
({2})
Herr Kollege Ritzel, ich darf auf Ihre Frage antworten. Zunächst bin ich der Meinung, daß die Fragestunde keine Treibjagd darstellt, bei der die Minister die Hasen bilden.
({0})
Zweitens, Herr Kollege Ritzel, verstehe ich - ({1})
- Herr Kollege Ritzel, ich verstehe Ihre Erregung nicht. Ich habe auf Ihre Frage geantwortet. Daß ich gestern den Text des Haftbefehls, des von Herrn Dickopf durchgegebenen Haftbefehls hier in aller Deutlichkeit und Ausführlichkeit bekanntgegeben habe und daß mir zweitens die spanische Fassung mit dem Zusatz gestern noch nicht bekannt war, das habe ich heute früh vor Ihrer Frage genau erklärt.
Nun die allgemeine Frage, Herr Kollege Ritzel, ob in dem Amtsbereich die und die Unzuverlässigkeit herrscht. Ich glaube nicht, Herr Kollege Ritzel, daß Sie selber davon ausgehen, daß es so ist. Ich glaube das nicht. Aber wenn Sie tatsächlich dieser Meinung sein sollten, dann sage ich Ihnen ein ganz entschiedenes Nein.
({2})
Drittens, Herr Kollege Ritzel, darf ich noch darauf hinweisen, daß die Beamten ja nicht in der Zuständigkeit der Sicherungsgruppe tätig werden, sondern alle als Hilfsbeamte des Bundesanwalts. Damit sind gewisse Grenzen gesetzt. Aber ich bitte mir zu glauben, daß wir intensive Bemühungen unternommen haben, um das genau festzulegen. Um aber ja kein falsches, unzutreffendes Wort zu sagen, um jede Stelle genau belegen zu können, dazu sind Nachforschungen notwendig, die fortgesetzt angestellt werden. Aber ich muß Ihnen noch sagen, daß in der Nacht von Freitag auf Samstag ein entscheidender Beamter dienstlich zur Vorbereitung einer wichtigen Staatsreise sich in das Ausland begeben hat. Ihn konnte ich bisher nicht befragen, obwohl ich ihm Fernschreiben zugeschickt habe, um eine Antwort zu bekommen, um Sie rechtzeitig bedienen zu können. Es ist mir deswegen unerklärlich, daß jemand von Ihnen der Meinung sein kann, daß hier auch nur die geringste Absicht besteht - und das kommt doch zum Ausdruck -, die Dinge zu verzögern. Ich möchte eine ganz konkrete und ganz belegbare, einwandfreie Auskunft geben. Alles andere, meine Damen und Herren, in dieser Art von Polemik, wie sie jetzt mit der letzten Frage angestellt worden ist, kann ich nicht mitmachen. Das verträgt die Sache und die Wichtigkeit der Sache nicht.
({3})
Meine Damen und Herren! Eine Fragestunde ist sicher keine Treibjagd. Aber die Minister müssen sich fragen lassen.
({0})
Es ist ihre Sache, ob sie antworten wollen oder nicht; aber fragen lassen müssen sie sich, auch wenn die Fragen unangenehm sind.
({1})
- Sie werden mir doch gestatten, daß ich diese Ausführungen mache!
Herr Abgeordneter Kohut!
Warum ist es eigentlich so maßlos schwer, von der Bundesregierung eine klare Auskunft darüber zu bekommen, auf welchem legalen Wege ein deutscher Staatsbürger im Ausland verhaftet wurde?
({0})
Herr Kohut, ich darf Ihnen folgendes sagen. Sie stellen eine Frage, und der Katalog der Fragen wurde erst gestern oder vorgestern vorgelegt. Daraufhin habe ich minutiös, wie das üblich ist, minutiös Schritt um Schritt, Befragung um Befragung angesetzt, und all das, was bis dahin ermittelt werden konnte, wurde Ihnen mitgeteilt. Mehr habe ich noch nicht. Ich habe Ihnen aber gestern schon angekündigt, daß laufend Ermittlungen stattfinden, und ich werde dann die weiteren Ergebnisse mitteilen. Das wird am laufenden Band geschehen, aber nur nach minutiöser Klärung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kohut.
Ist es nicht außerordentlich beschämend für eine Bundesregierung,
({0})
wenn sie in einem Einzelfall nicht einmal innerhalb weniger Stunden feststellen kann, wie die Rechte eines deutschen Staatsbürgers im Ausland beschnitten worden 'sind?
({1})
Herr Abgeordneter Kohut, Fragen nach Werturteilen sind nicht zulässig.
Ist diese Frage zugelassen worden?
Nein. Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Bundesinnenminister, würden Sie bei Ihren weiteren Ermittlungen und Feststellungen 'dem Hause darüber Bericht erstatten, auf welche Rechtsvorschriften und auf welche Bestimmungen des internationalen Rechtshilfeverkehrs in Strafsachen sich das von der Bundesregierung und auch von dem Herrn Bundesverteidigungsminister dargestellte Verfahren in diesem konkreten Fall stützt?
Höcherl. Bundesminister des Innern: Ich bin sehr gern bereit, Herr Wittrock.
Darf ich dann die Zusatzfrage stellen. Herr Bundesinnenminister, wie kommt es, daß in der Fragestunde vom 3. Mai 1961 auf meine Frage der damalige Bundesminister des Innern erklärte, eine Auslieferung und eine Ergreifung von NS-Verbrechern im Ausland sei deshalb nicht möglich, weil dem die Bestimmungen des Art. 3 des Interpol-Statuts entgegenstehen, während heute die Bundesregierung, jedenfalls nach Ihrer Auffassung, durchaus andere Wege zur Ergreifung von Tätern im Ausland sieht? Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
({0})
Herr Kollege Wittrock, ich darf Ihnen ein Beispiel erzählen, das uns gemeinsam angeht. Sie erinnern sich noch an den Fall des Studienrats Zind in Offenburg, der verurteilt worden ist. Es bestand ein gemeinsames Interesse, die Strafe zu vollziehen. Sie 'wissen, daß Zind flüchtete und dann in Italien festgenommen wurde, um ihn nach Deutschland zu überstellen, damit er hier seine Strafe verbüßen konnte. Dieses Ersuchen ist ebenfalls nicht über Interpol möglich gewesen, weil Interpol mit seinen drei Ausnahmen die Verfolgung nicht möglich machte. Da gab es - genauso wie hier - den kurzgeschlossenen Verkehr zwischen den Kriminalpolizeien. Es steht fest - ich habe die Sache nachgeprüft -, daß Osterreich und Italien auf dem Polizeiwege angegangen wurden und daß Italien dann Zind festgenommen hat, daß aber im Rahmen einer Auslieferungsverhandlung mit Rücksicht auf Art. 3 die Überstellung nach Deutschland nicht vollzogen werden konnte. Offenbar ist hier auch so verfahren worden. Das ist, ich möchte einmal sagen, etwas außerhalb der Legalität,
({0}) aber wir alle sind der Meinung, - ({1})
- Es ist tatsächlich so. Ich weiß nicht, warum Sie lachen, meine Herren. Das ist mir völlig unerklärlich. Ich habe an dem Fall Zind dargestellt, in welchen Schwierigkeiten sich die Regierung befindet, die den Mann zurückhaben will, weil er eine unqualifizierbare Beleidigung gegen einen Teil unserer Bevölkerung ausgesprochen hat. Wir haben ihn dann auf dem Polizeiwege festhalten lassen. Leider hat uns im Fall Zind das Auslieferungsgericht nach sechswöchiger Haft nicht recht gegeben. Ich nehme nicht an, daß Sie deswegen der Kriminalpolizei einen Vorwurf machen wollen.
Wenn nun die Polizei versucht haben sollte - ich kann das noch nicht verifizieren -, einen Landesverräter vielleicht auch auf diesem kurzgeschlos2018
Bundesinnenminister Höcherl
senen Wege zu bekommen, dann könnte man sagen: Es ist außerhalb der Bestimmungen;
({2})
aber moralische Vorwürfe möchte ich deswegen niemanden machen.
({3})
Herr Abgeordneter Metzger!
Herr Verteidigungsminister, ich habe die Frage -
Herr Abgeordneter Metzger, befragt ist jetzt der Innenminister. ({0})
Der Herr Innenminister wird noch befragt.
Ich habe aber eine Frage an den Herrn Verteidigungsminister!
({0})
Wir befragen zur Zeit den Herrn Innenminister. Es sind noch Zusatzfragen an ihn erlaubt.
Also gut; ich habe die Frage an die Bundesregierung -
Wenn der Herr Verteidigungsminister anstatt des Herrn Innenministers antworten will, so ist das seine Sache. Aber Sie können ihn jetzt nicht befragen.
({0})
Ich habe die Frage an die Bundesregierung -
Nein, es wird der Innenminister befragt.
Schön, dann frage ich den Herrn Innenminister, der ja für die Dinge auch verantwortlich ist. Ich habe die Frage, ob Herr Oster die spanische Regierung nur von der Adresse des Herrn Ahlers verständigt hat oder ob er die spanische Regierung gebeten hat, die Festnahme des Herrn Ahlers zu veranlassen, und auf welche internationalen Bestimmungen, auf welches Recht diese Maßnahmen des Herrn Oster gegründet werden.
Ich beziehe mich auf die Auskunft, die der Herr Verteidigungsminister in der Sache gegeben hat.
Diese Frage ist nicht beantwortet worden,
Natürlich ist sie beantwortet worden.
({0})
Ich darf vielleicht die Antwort wiederholen, soweit sie sich nicht im Gedächtnis niedergeschlagen hat.
({0})
Die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes ({1})
- Ich weiche nicht der Frage aus. Wenn Sie mich aber unterbrechen, mache ich von meinem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch, mich wieder hinzusetzen.
({2})
Ich bitte dem Minister Gelegenheit zu geben, die Frage zu beantworten.
({0})
Das Verteidigungsministerium ist - ({0})
Meine Damen und Herren, es ist für den -befragten Minister unmöglich, die Antwort zu erteilen, wenn er befürchten muß, nicht gehört zu werden.
Ich darf vielleicht jetzt doch auch noch einige Vergleichsfälle dazu bringen, wenn Sie schon in dieser Weise von mir Auskunft verlangen, und zwar in einer Weise, wie ich aus den Zwischenrufen entnehmen muß, die mit einer - ({0})
Herr Minister Strauß, wollen Sie nicht antworten?
Ich habe mich zweimal bemüht.
Ich frage Sie jetzt, ob Sie antworten wollen. Sonst rufe ich die nächste Frage auf.
Ich bin ja aufgestanden, weil ich meinen Willen zur Antwort bekunden wollte.
Sie stehen wieder und werden antworten.
({0})
Das Verteidigungsministerium ist in der Periode der Durchführung der staatsanwaltschaftlichen und durchweg richterlich angeordneten Maßnahmen von keiner Festnahme oder von keinem Festnahmeversuch informiert worden außer aus einem ganz bestimmten Grunde im Falle Ahlers, und zwar deshalb, weil sich bei dem erfolglosen Versuch der Festnahme ergeben hat, zur Kenntnis der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes gekommen ist, daß Herr Ahlers nicht anwesend sei, daß Herr Ahlers sich im Ausland befinde - diese Information wäre für uns ohne jede Bedeutung gewesen -, daß Herr Ahlers sich in Spanien befinde - 'diese Information wäre auch ohne Bedeutung gewesen -, aber daß er sich in Spanien befinde u n d der deutsche Militärattaché unterrichtet sei. Die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes hat sich sicherlich nicht aus reinem - ich bitte mir dieses ironische Wort nachsehen zu wollen - Mitteilungsbedürfnis in dieser Weise geäußert, sondern weil die Sicherungsgruppe auf dem Wege der Amtshilfe - Art. 35 des Grundgesetzes - erfahren wollte: Was ist denn da dran? Wir haben einen höchstrichterlichen Haftbefehl, und der Verfasser des in der Hauptsache inkriminierten Artikels befindet sich mit Wissen, sagen wir einmal, einer Stelle des Verteidigungsministeriums im Ausland.
Gerade angesichts der ungeheuren Bedeutung dieses Verfahrens, das nicht an den Rand herausgerückt werden darf - was ich hier in aller Bescheidenheit, aber mit aller Deutlichkeit feststellen darf -,
({0})
gerade angesichts der ungeheuren Bedeutung dieses Verfahrens muß hervorgehoben werden, daß es dem Verteidigungsministerium - ich darf das hier ganz offen und klar feststellen .- nicht in erster Linie um Redakteure, sondern darum geht, daß die durchlässigen Stellen im Ministerium,
({1})
in hohen Kommandobehörden oder anderswo endlich einmal bekannt werden, worum wir uns seit Jahren bemühen.
({2})
Aus diesem Grunde ist der deutsche Militärattaché, der Herrn Ahlers aus der Zeit der gemeinsamen Tätigkeit bei der Dienststelle Blank kennt - der eine war Pressereferent; das ist ja allgemein bekannt, und darum sage ich hier keine Besonderheit; der andere war Abwehroffizier - in der Nacht verständigt und gefragt worden, ob er etwas von dieser Reise wisse. Denn wenn Herr Ahlers - was in der Nacht in keiner Weise zu übersehen war - nach Marokko weitergereist wäre, ein Urlaubsziel, das er angegeben hatte, und nicht mehr zurückgekehrt
wäre - was zu verhindern das Ziel der Bemühungen war -, dann wäre der Schatten eines Verdachts hängengeblieben, daß mit Hilfe einer Stelle oder einer Person aus 'dem Dienstbereich des Verteidigungsministeriums ein Mann nicht mehr zur Auskunft hätte veranlaßt werden können, der nach unserer Kenntnis der Dinge am besten über viele Informanten Bescheid weiß.
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Ich glaube, unser Bemühen, nicht im eigenen Bereich - wenn der Verdacht landesverräterischer Verbrechen vorliegt - zu vertuschen, sondern auch nur jeden Ansatz aufzuklären, sollte gerade in diesem Hohen Hause honoriert werden.
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Ich entsinne mich jetzt eines Zeitungsartikels, den ich vor wenigen Tagen gelesen habe. Aus ihm war zu entnehmen, daß mein britischer Kollege wegen eines Spionagefalles im Parlament heftig getadelt worden ist, nicht, weil er sich mit allen Mitteln bemüht hat, den Fall aufzuklären und weil er dabei alle ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausgenutzt hat, sondern weil man kritisiert hat, daß eventuell nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt worden seien.
({5})
Ich wäre sehr dankbar dafür, Herr Kollege Metzger, wenn die Debatte einmal darum ginge - auch in der Kritik an mir und meinen Mitarbeitern -, ob alle Möglichkeiten ausgenutzt worden sind, um den Landesverrat zu verhindern,
({6})
und nicht darum, wie in einem Notfall von den Dienststellen des Innenministeriums und von den Dienststellen des Verteidigungsministeriums verfahren worden ist.
({7})
- Wenn Sie mir gestatten, wollte ich Vergleichsfälle bringen.
Zusatzfrage!
Ich stelle die Zusatzfrage, indem ich meine konkrete Frage wiederhole, ob nämlich Herr Oster veranlaßt hat, daß Herr Ahlers von der spanischen Regierung festgenommen wurde. Die Frage ist nicht beantwortet. Ich habe ferner die Frage, die ich vorhin zugleich gestellt habe: Ist die Regierung der Meinung oder ist sie nicht der Meinung, daß in allen Fällen - sie mögen heißen, wie sie wollen - das Recht beachtet werden muß?
({0})
Wer ist befragt? Metzger ({0}): .Der Herr Minister will die Frage offenbar nicht beantworten.
({1})
So unstrittig sind die gar nicht.
({0})
Herr Metzger, haben Sie die Frage an mich gestellt?
An die Bundesregierung!
({0})
Herr Wehner, sehen Sie denn nicht, in welch schwierige Situation Sie sich selbst durch diese ganzen Fragen bringen? Sehen Sie das nicht?
({0})
Aber ich bin gern bereit, die :Frage zu beantworten. Ich war sogar der Meinung, daß das Beispiel Zind - ich habe es mit gutem Grund erzählt - Ihnen klarstellt, in welchen Schwierigkeiten, in welchen moralischen Schwierigkeiten sich Dienststellen befinden, die Haftbefehle von Gerichten ausführen wollen.
Auf der einen Seite steht der ganz schwere Vorwurf des Landesverrats, auf der anderen Seite ist möglicherweise ohne Einschaltung von Interpol - das war nach § 3 Interpol-Statut nicht möglich - durch den kurzgeschlossenen Draht zwischen den Polizeibehörden die Festnahme versucht worden. Ich nehme an, daß es so war. Der Herr Verteidigungsminister, Herr Metzger, that ja in seiner Rede darauf Bezug genommen. Ich kann das bloß noch nicht so konkretisieren, wie ich es selber wünschen möchte, so daß ich annehmen und vermuten muß, daß ein solches Ersuchen an die spanische Polizeibehörde ergangen ist. Das ist 'das eine, genau so wie dieselbe Polizeibehörde, die mir untersteht, damals im Jahre 1961 ein solches Ersuchen, das gegen § 3 InterpolStatut ist - - Aber es interessiert uns gemeinsam, daß dieser Mann zurückkommt, damit wir ihn wegen seiner unqualifizierbaren Behauptungen und Beleidigungen zur Strafvollstreckung bringen können. Auf 'der einen Seite, ich möchte einmal sagen: ein Gebot der Sühne, die Strafe zu vollziehen, auf der anderen Seite sind formelle rechtliche Schwierigkeiten, und dazwischen haben sich die Behörden bewegt. Meine Damen und Herren, ich möchte so sagen: Moralisch gesehen hat überhaupt jeder dazu beizutragen, einen Landesverräter zurückzubringen und zur Strafe zu stellen.
({1})
Das ist das eine. Zweifellos ist es so - das ist auch gestern genau geklärt worden -: Die Bundesregierung steht natürlich auf dem Standpunkt, daß die Bestimmungen einzuhalten sind. Aber in einem solchen Zwiespalt, Herr Kollege Metzger, sollte man nicht mit dem kleinsten Maßstab messen.
Herr Abgeordneter Wacher zu einer Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage an den Herrn Bundesinnenminister: Herr Bundesinnenminister, sind damals bei der Verhaftung von Ludwig Zind Beschwerden, insbesondere Beschwerden durch die SPD, laut 'geworden?
({0})
Es sind keine Beschwerden lautgeworden, obwohl das Verfahren nicht ganz korrekt war. Die SPD und die Bundesregierung waren der Meinung, es wäre sehr gut, wenn Herr Zind nach Deutschland zurückgebracht werden ({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!
Herr Innenminister, eine kunze Zusatzfrage: Warum haben die verantwortlichen Ministerien, nämlich das Justizministerium und das Innenministerium, die deutsche Öffentlichkeit über die Art und Weise der Verhaftung des Herrn Ahlers so spät informiert und dadurch verschuldet, daß über diese Frage die widersprechendsten Veröffentlichungen in der Presse festzustellen waren?
Herr Kollege, wenn Sie die Mitteilungen des Bundesinnenministeriums, die bei ihrer Feststellung mühsam zusammengesucht 'werden mußten, weil sich die Dinge ja über die deutschen Grenzen vollzogen haben, mit der Wirklichkeit vergleichen, dann werden Sie feststellen, daß all das, was vom Innenministerium, vom Justizministerium und vom Verteidigungsministerium mitgeteilt worden ist, peinlich genau den Tatsachen entspricht. Das ist eben zeitlich etwas umständlicher und schwieriger als eine ganz oberflächliche Behauptung, so wie sie gelegentlich in Fragen sich niederschlägt.
Eine Zusatzfrage ¡des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert.
° Dr. Müller-Emmert ({0}) : Wollen Sie damit behaupten, Herr Minister, daß es nicht möglich gewesen wäre, allen Ernstes nicht möglich gewesen wäre, diese ganze Angelegenheit früher in korrekter Weise der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Herr Kollege Müller-Emmert, ich gebe alles, was ich bekanntgebe, in korrekter Weise bekannt. Das einmal vorweg.
({0})
Bundesinnenminister Höcherl
Zweitens habe ich erklärt: Ich kann die letzte Auskunft immer noch nicht geben - ich habe das schon mindestens fünfmal erklärt -, weil ein entscheidender Beamter noch nicht von der Dienstreise zurück ist. Ich bitte doch, das einmal zur Kenntnis zu nehmen und nicht immer zu unterstellen, daß wir ausweichen, wie es gestern behauptet wurde, und daß wir unkorrekt sind. Wir sind mindestens genau so korrekt wie die Fragesteller.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Figgen!
Herr Minister, wer hat veranlaßt, daß Frau Ahlers verhaftet worden ist, und wessen ist sie bezichtigt worden?
Niemand hat das veranlaßt.
({0})
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) !
Herr Minister, wird die Selbständigkeit und verantwortliche Entscheidungsfreudigkeit Ihrer Beamten durch die Art und Weise des Fragens in dieser Fragestunde gefördert?
({0})
Herr Kollege Schmidt, Ihre Frage ist sehr berechtigt, und sie ist auch sehr einfach zu beantworten: Nein. Aber die Beamten sind ja nicht als Polizeibeamte tätig geworden, sondern als Hilfsbeamte des Bundesanwaltes.
Damit ist die Frage II/7 jetzt erledigt.
Frage II/8 - des Abgeordneten Wittrock -:
Sind ,auch gegen andere Zeitungen, die schon vor -dem „Spiegel" ausführlich über das Manöver „Fallex 62" berichtet haben, darunter insbesondere die „Deutsche .Zeitung und Wirtschaftszeitung", Ermittlungen geführt worden?
Ich darf für den Herrn Kollegen Stammberger die Frage wie folgt beantworten. Wie die Bundesanwaltschaft vorgestern der Presse mitgeteilt hat, hat sie bisher keinen Anlaß gesehen, Ermittlungen wegen anderer Zeitungsartikel einzuleiten.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Wittrock? - Bitte.
Eine Zusatzfrage: Bedeutet das nach Ihrer Meinung als hier im Parlament stehender verantwortlicher Minister, daß die Darlegungen in der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" vom 29. und 30. September 1962, die sich weitestgehend mit den Ausführungen in dem inkriminierten „Spiegel"-Artikel decken, nicht den Tatbestand des Landesverrates erfüllen?
Die Entscheidung in dieser Frage steht dem Herrn Oberbundesanwalt für das Ermittlungsverfahren zu.
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Zusatzfrage? - Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Schmitt-Vockenhausen (SPD: Hat das Verteidigungsministerium sich auch einmal mit diesem Aufsatz beschäftigt und die Frage des Landesverrats bei diesem Aufsatz geprüft?
Ich bin bereit, in Unterbrechung der Reihenfolge auf diese Frage kurz zu antworten. Das Verteidigungsministerium prüft unabhängig vom Generalbundesanwalt alle Veröffentlichungen dieser Art. In den meisten Fällen, in denen ein Verdachtsmoment vorliegt, tritt der Generalbundesanwalt an das Verteidigungsministerium heran. Das ist in diesem Falle nicht geschehen. Es hatte von sich aus keinen Anlaß, hier etwas zu unternehmen.
Letzte Zusatzfrage!
Hatten Sie keinen Anlaß, Herr Minister, einmal nachzuprüfen, ob und auf welchem Wege diese Zeitung in den Besitz eventueller Informationen gekommen ist?
Ich habe nicht gewußt, daß es bis jetzt das Recht der Bundesregierung ist, die Zeitungen daraufhin zu prüfen, woher sie ihre Informationen bekommen.
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Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Wittrock!
Darf aus der Beantwortung der Frage und der Zusatzfrage entnommen werden, daß das Interesse der Bundesregierung gegenüber solchen Veröffentlichungen unterschiedlich gelagert ist, je nachdem, ob es sich um eine Zeitung handelt, die der Regierung nahesteht oder die ihr entgegensteht?
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Ich darf die Frage beantworten. Bei der Bundesregierung besteht ein einheitliches und ungeteiltes Interesse
Bundesinnenminister Höcherl
daran, daß die Legalitätsuntersuchungen des Oberbundesanwaltes ungestört von allen Seiten vor sich gehen.
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Frage II/9 - des Abgeordneten Wittrock -:
Auf Grund welcher Rechtsgrundlage können Personen, die sich freiwillig zwecks Vernehmung zur Verfügung halten und nicht vorläufig festgenommen sind, in eine Zelle eingeschlossen werden?
Für Herrn
Kollegen Stammberger darf ich sagen: Die Einschließung in eine Zelle ist im Strafverfahren, abgesehen von den Fällen, in denen eine Freiheitsbeschränkung durch den Richter angeordnet worden ist, nur unter den Voraussetzungen der vorläufigen Festnahme nach § 127 der Strafprozeßordnung zulässig.
Zusatzfrage!
Wie erklären Sie sich dann in rechtlicher Hinsicht die Vorgänge, die zur Einschließung des Redakteurs Dieter Jaene geführt haben?
Ich nehme an, daß ein Haftbefehl vorlag oder ein Haftbefehl nach § 127 Strafprozeßordnung ergangen war. Ich weiß es nicht. Ich lasse es erst nachprüfen. Aber es ist gar kein Zweifel, daß das Verfahren rechtlich vor sich gegangen ist.
Letzte Zusatzfrage!
Abgesehen davon, daß es nach § 127 keinen Haftbefehl gibt,
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darf ich Sie darum bitten, Herr Minister, diesem Vorgang - das ist eine Frage, meine Damen und Herren -, den ich ja hier näher konkretisiert habe, noch die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, um zu prüfen - ich anerkenne durchaus, daß es hier noch manches zu prüfen gibt -,
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ob- hier die Bestimmungen des Gesetzes beachtet worden sind.
Ich werde das selbstverständlich tun.
Wir kommen zu den Fragen III - Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung -.
Ich rufe die Frage III/1 - des Abgeordneten Erler - auf:
Was hat der Herr Bundesverteidigungsminister bisher unternommen, um die Presse über Probleme und Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung zu unterrichten?
Die Probleme und Erfordernisse der Geheimhaltung ergeben sich aus den rechtlichen Bestimmungen. Die Presseoffiziere in der gesamten Bundesrepublik sind über die Frage „Geheimhaltung und Presse" besonders unterrichtet und werden laufend informiert. Sie stehen mit den Vertretern der Presse einerseits und mit den Abwehrstellen andererseits in laufender Verbindung. Sie haben von mir Anweisung, die Vertreter der Presse auf deren Anfrage oder von sich aus zu beraten. Bis jetzt hat sich erfreulicherweise gezeigt, daß die deutsche Presse fast ausnahmslos volles Verständnis für die Erfordernisse der Geheimhaltung gezeigt und den Willen zu einer guten Zusammenarbeit bekundet hat.
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Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn die Lage so ist, aus welchem Grunde ist dann dem Begehren des Deutschen Presserates nicht entsprochen worden, das seit den Jahren 1960 und 1961 über Ihren Pressereferenten an Sie herangetragen worden ist, daß eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und den Vertretern der deutschen Presse stattfindet, in der einige Grundsatzfragen der Abgrenzung von militärpolitischer Diskussion und Wahrung von Staatsgeheimnissen erörtert werden?
Das Petitum des Presserates bezog sich nicht ausschließlich auf das Verteidigungsministerium, sondern auf 'den gesamten hier in Frage kommenden Bereich. Nach unserer Auffassung liegt die Federführung dafür entweder beim Bundespresse- und Informationsamt oder beim Innenministerium, insbesondere im Zusammenhang mit der Notstandsgesetzgebung. Ich habe aber den führenden Abwehroffizier und den Pressereferenten angewiesen, die Teilfragen, die sich auf dem Gebiet des Verteidigungsministeriums ergeben, vorzuklären.
Sie beziehen sich wahrscheinlich auf das Telegramm des Presserats,
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das vor einigen Wochen veröffentlicht worden ist. Es ist hier auch nicht möglich, zu schematischen Festlegungen oder zu einem Katalog der positiven und der negativen Momente zu kommen.
Wir haben dafür ein pragmatisches Verfahren gewählt. Die Presse weiß, daß es sich an das Pressereferat wenden kann. Sie weiß, daß das Pressereferat die Abwehrstellen einschaltet, wenn es offen ist, ob eine Information preisgegeben werden darf oder nicht. Ich verkenne durchaus nicht die Schwierigkeit der Situation, weil es sich bei der Frage der Staatsgeheimnisse nicht um formelles Recht, sondern um materielles Recht handelt. Das ist einerseits gut, weil nicht alles, was formell einen Geheimstempel trägt, bis zum letzten Satz hinunter auch als geheim behandelt werden kann. Andererseits ist es nicht leicht, bei materiellem Recht festzustellen, ob eine bestimmte Information unter diesen Begriff fällt oder
Bundesverteidigungsminister Strauß
nicht. Gerade deshalb hat sich das System der Beratung, das nur auch in Verbindung mit der Abwehr durchgeführt werden kann, als im pragmatischen Sinne am besten funktionierend erwiesen.
Ich darf auch bemerken, daß bei Einzelinformationen, die ein Journalist zu gewinnen sucht und an denen er vielleicht eine ganz bestimmte Freude hat, weil es ihm gelungen ist, sie zu bekommen, niemals ein strenger Maßstab angelegt worden ist.
Letzte Zusatzfrage.
Würde es einer unter Wahrung des notwendigen Geheimnisschutzes stattfindenden sachlich fundierten militärpolitischen Diskussion in unserem Lande nicht bekömmlich sein, wenn Sie, Herr Minister, sich in sinngemäßer Anwendung von Beispielen aus anderen demokratischen Ländern dem Begehren des Presserats auf eine persönliche Aussprache mit dem für die Landessicherheit verantwortlichen Verteidigungsminister nicht entzogen hätten und die Frage nicht vertagt hätten, bis man erst im Zusammenhang mit der Notstandsgesetzgebung darüber reden will?
Ich entziehe mich dem bestimmt nicht, Herr Kollege Erler. Sie wissen genau, daß ich fast auf jedes Ansuchen um ein Gespräch positiv reagiere. In diesem Falle konnte ich es aber wegen der Gesamtbedeutung der Angelegenheit nicht für das Verteidigungsministerium einseitig tun, sondern mußte die Vorklärung des gesamten Bereichs verlangen, bevor es möglich ist, zu speziellen Festlegungen auf dem militärischen Bereich zu kommen.
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Ich bin gerade hier außerordentlich vorsichtig.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Eine fundierte militärpolitische Diskussion ist außerordentlich wünschenswert. Es gab Zeiten, in denen eine fundierte militärpolitische Diskussion wegen bestimmter emotionaler oder auch ressentimentaler Vorgänge nicht möglich war.
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Ich darf anerkennen, daß sich die Voraussetzungen für eine fundierte militärpolitische Diskussion wesentlich verbessert haben.
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Frage III/2, gestellt vom Herrn Abgeordneten Erler:
Wann hat eine Stelle des Bundesverteidigungsministeriums bei der Bundesanwaltschaft Anzeige gegen die Nr. 41 des „Spiegel" erstattet?
Vom Bundesministerium für Verteidigung wurde keine Strafanzeige erstattet.
Zusatzfrage?
Ja. - Wann ist das Bundesministerium für Verteidigung nach dem Erscheinen des inkriminierten Artikels von der Bundesanwaltschaft davon unterrichtet worden, daß dort ex officio ein Verfahren eingeleitet worden ist, und - ,falls ein längerer Zeitraum zwischen dem Erscheinen und dieser Mitteilung liegt - warum wurde dann nicht inzwischen doch das Verteidigungsministerium tätig?
Eine für mich ganz besonders interessante und von mir dankbar begrüßte Frage! Einen Tag nach dem Erscheinen des Artikels hat der führende Abwehroffizier der Bundeswehr Gelegenheit bekommen, festzustellen, daß der Generalbundesanwalt und die Dienststelle des Generalbundesanwalts gedenken, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, oder einen Akt über ein Ermittlungsverfahren angelegt haben. Es bestand selbstverständlich auch für das Verteidigungsministerium die Pflicht der Prüfung.
Erlauben Sie mir aber hier auch eine persönliche Bemerkung. Hätte das Verteidigungsministerium -übrigens in einem Zeitpunkt, in dem ich noch fast eine Woche in Urlaub war - Anzeige erstattet, hätte es geheißen: „Racheakt!" Erstattet es keine Anzeige, heißt es gerne und leicht: „Pflichtverletzung!" Wo ist der Mittelweg?
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Zusatzfrage!
Herr Minister, Sie sprachen bis jetzt nur von dem .ersten Zeitpunkt, als Ihnen das bekannt wurde, einen Tag nach der Veröffentlichung. Wann wurde das Ersuchen der Bundesanwaltschaft an iSie gerichtet?
Ich darf bemerken, 'um einen kleinen, eventuell mißdeutbaren sprachlichen Fehler auszuschalten, daß das, was ich von der Verständigung des Verteidigungsministeriums ,oder einer Dienststelle des Verteidigungsministeriums durch den Generalbundesanwalt gesagt habe, nicht für meine Person gilt, sondern für einen Abwehroffizier, der in einem Telefongespräch mit der Dienststelle des Generalbundesanwalts diese Information ader diesen Hinweis bekam.
Meine Frage richtet sich darauf: Wann wurde die Bundesanwaltschaft dann in dem Sinne Ihnen gegenüber tätig, daß ein Gutachten von Ihnen angefordert wurde?
Am 9. Oktober ist, wie ich erfahre, das Gutachtenersuchen gekommen. Mir persönlich ist diese Tatsache, daß ein ,Gutachtenersuchen vorliegt, am 16. Oktober bekannt gewonden.
Zusatzfrage!
2024 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den B. November 1962
Herr Bundesverteidigungsminister, habe ich Sie soeben richtig verstanden, daß es im Bundesverteidigungsministerium durchaus Fachleute gibt, die in der Lage sind, binnen 24 Stunden das Delikt des mutmaßlichen Landesverrats in der deutschen Presse festzustellen, und wäre es nicht - besonders im Hinblick auf Ihre letzte Bemerkung hinsichtlich dessen, was Sie persönlich betrifft - wesentlich besser gewesen, sofort die nötigen Schritte beim Bundesjustizminister, beim Bundesanwalt einzuleiten, um von vornherein jeden Verdacht abzulenken, daß es sich um irgendeine Vergeltungsaktion handeln könnte?
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Ich glaube, daß Ihre Frage irgendwie unlogisch oder unsystematisch ist.
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Ich bitte mir diese Bemerkung nachzusehen, aber ich muß zunächst wenigstens diesen Eindruck äußern. Denn hätte das Verteidigungsministerium vor einer genauen Prüfung oder in der von Ihnen vorgeschlagenen Weise reagiert, dann wäre doch der von Ihnen hier angedeutete Vorwurf als sehr gerechtfertigt dargestellt worden.
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Ich darf Ihnen noch ein zweites dazu sagen. Die Fachleute, die innerhalb von 24 Stunden feststellen können, ob in einem für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichenden Sinn Geheimhaltungsverrat begangen worden ist, gibt es nicht. Die Tatsache, daß am 9. Oktober ein Gutachten angefordert worden ist, und die Tatsache, daß es am 19. Oktober abgeliefert worden ist, beweisen, daß die Erstattung des Gutachtens eine gründliche Prüfung voraussetzte. Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich weiß aus einer Reihe von Verfahren in der Vergangenheit, daß es nicht genügt, wenn irgendeine geheimzuhaltende Information veröffentlicht wird, sondern daß dafür nachgewiesen werden muß, daß hier materiell ein Staatsgeheimnis im Sinne des Wortes vorliegt, nachgewiesen werden muß, daß geheime Dokumente oder geheime Informationen verwendet worden sind, und bis zu einem gewissen Grade auch nachgewiesen werden muß, daß diese Dokumente oder Informationen anderswo noch nicht veröffentlicht sind.
Sie werden bei der ungeheuren Fülle des Materials, so hoffe ich, mit mir übereinstimmen, daß diese Prüfung nicht innerhalb von 24 Stunden erfolgen kann. Würde nämlich ohne eine ausreichende Prüfung in spontaner Reaktion auf eine Vermutung hin eine Anzeige erstattet werden, dann wäre sehr bald, auch hier in der Fragestunde, der Vorwurf zu hören, daß hier übereilt, leichtfertig mit ungeheuerlichen Vorwürfen umgegangen wird.
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Zweite Zusatzfrage!
Darf ich fragen, Herr Minister, ob nicht in Ihrer Antwort auch ein logischer Sprung insofern war, als ja noch immer die Bundesanwaltschaft dazwischengeschaltet ist, um zu prüfen, ob das in 24 Stunden erarbeitete Material ausreichend ist? In jedem Fall hätte doch wohl der Vorwurf, daß es sich um eine Vergeltungsaktion handele, von vornherein abgebogen werden können.
({0})
Der ist gerade dadurch abgebogen worden, daß erstens - soweit es meine Person betrifft - ich bei der Einleitung des Verfahrens durch die Dienststelle des Generalbundesanwalts überhaupt nicht in Deutschland war, sondern erst nach einigen Tagen zurückgekehrt bin,
({0})
daß zweitens der Generalbundesanwalt sich ex officio am Tage des Erscheinens mit diesem Artikel befaßt hat und am Tage darauf einen führenden Abwehroffizier der Bundeswehr telefonisch verständigt und am gleichen Tage noch, wie ich soeben höre, ein Gutachten angefordert hat.
Die Gutachter, die ja nicht wahlweise bestellt werden, sondern immer die gleichen sind, gleichgültig, um welches Verfahren es sich handelt, haben eine eingehende Erfahrung in der Erstattung von Gutachten, und sie wissen, daß ein Gutachten nicht innerhalb weniger Stunden erstellt werden kann, sondern angesichts der Folgen, die damit unter Umständen für einen Betroffenen oder Beschuldigten auftreten, erst nach einer sehr sorgfältigen Prüfung der Materie abgeliefert werden kann. Ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, daß die Dienststelle des Generalbundesanwalts das Gutachten sogar einmal angemahnt hat. Aber unser Gutachter hat sich angesichts der Schwere der erhobenen möglichen Vorwürfe nicht in der Lage gesehen, das Gutachten in kürzerer Zeit zu erstatten. Der Ablauf sowohl im zeitlichen Sinn wie auch hinsichtlich der Reihenfolge schließt auch die leisteste Vermutung, daß so etwas vorliegen könnte, aus, und ich muß mich gegen eine solche Unterstellung auch in Form einer Frage nachdrücklich zur Wehr setzen.
({1})
Zusatzfrage des Abgeordneten Kohut.
Herr Minister, sind Sie gewillt und in der Lage, das Gerücht zu dementieren, daß der Mann, der in Ihrem Hause das Gutachten erstellt hat, früher einen hohen SS-Rang bekleidet hat?
({0})
Ich weiche bestimmt nicht einer Antwort aus, aber
Bundesverteidigungsminister Strauß
bitte, haben Sie Verständnis dafür, daß ich eine solche Frage nicht beantworte.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich Sie dahin verstehen, daß Fragen nach der früheren Tätigkeit in der SS in der Bundesrepublik Deutschland unter der Regierung Adenauer nicht mehr gestellt werden dürfen?
({0})
Ich würde ({0})
am liebsten, Herr Kollege Kohut, auch hier keine Antwort geben, nicht, weil ich sie in der Sache nicht geben kann,
({1}) sondern weil die Fragestellung unmöglich ist.
({2})
Ich habe auch Grund zur Annahme, daß die Grundlage dieser Fragestellung hier auch von vielen in diesem Hause und in Ihren eigenen Reihen nicht gebilligt wird. Sie wissen aber ganz genau - ({3})
- Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich habe das Wort.
({4})
Sie erweisen damit der deutschen Demokratie einen schlechten Dienst.
({5})
Ich habe nur nach einem gefragt, der das Gutachten gemacht hat, ob der einen SS-Rang hatte.
Gerade Ihre Frage - Dr. Kohut ({0}) : Weichen Sie doch nicht immer aus, Herr Minister, wenn es unangenehm wird.
({1})
Herr Kollege Kohut,
({0})
ich bin Ihnen gegenüber höflich, wenn auch deutlich, und ich bitte Sie, mir gegenüber nicht die Rolle eines Vernehmungsrichters zu spielen.
({1})
Ich will Ihnen eine Antwort geben. Ich darf für den Dienstbereich des Bundesministeriums der Verteidigung sagen, daß für die Übernahme ehemaliger SS-Leute in die Bundeswehr durch mich persönlich eine besondere Prüfkammer aus speziellen Fachleuten eingerichtet worden ist,
({2})
um sicherzugehen, daß kein ehemaliger SS-Mann oder SS-Soldat oder SS-Offizier in der Bundeswehr Dienst tun kann, der nicht den Erfordernissen dieses demokratischen Staates entspricht. Ich bin in der Lage, darüber sowohl hier, wenn Sie wünschen, wie im Verteidigungsausschuß genauestes Zahlenmaterial vorzulegen; aus ihm werden Sie entnehmen, daß in vielen Polizeibehörden und in vielen Dienststellen mehr Angehörige dieser Organisation sind - prozentual gesehen - als innerhalb der Bundeswehr.
({3})
Aber ich erlaube mir, - ({4})
ich gehe jetzt speziell auf diese Frage ein. Ich kenne die Vergangenheit derer,
({5})
die an diesem Gutachten gearbeitet haben, nicht und habe mich nie darum gekümmert. In dem Augenblick, wo jemand als Beamter oder Offizier zugelassen ist, höre ich auf, in seiner Vergangenheit zu forschen und eine zweite und dritte Entnazifizierung zu betreiben.
({6})
Herr Abgeordneter Kohut, Sie haben keine Zusatzfrage mehr.
Meine Damen und Herren, die 60 Minuten sind überschritten.
Herr Kohut, ich bin sogar bereit, wenn der Herr Präsident es gestattet, noch einen Satz hinzuzufügen, weil ich
({0})
Ich habe die Fragestunde abgeschlossen.
(({0})
Wir fahren in der Fragestunde morgen vormittag fort.
Ich bin aber bereit, noch einen Satz hinzuzufügen.
({0})
Die Fragestunde ist abgeschlossen.
Danke sehr.
Wir fahren morgen in dier 'Fragestunde fort. Es ist noch eine Reihe von Fragen offen.
Wir haben jetzt, meine Damen und Herren, eine Überweisung vorzunehmen. Es handelt sich um die Punkte i6 und 7 der Tagesordnung:
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen ({0})
sowie die
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern ({1}).
Hier ist ein Streit darum entstanden, welcher Ausschuß federführend sein soll.
Sie wollen einen Antrag begründen? - Bitte schön. Herr Abgeordneter Bauknecht hat -das Wort.
Meine Damen und Herren, es sind Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden, wer für die Abschöpfungen, die in den neuen EWG-Marktordnungen vorgesehen sind, federführend. sein soll. Verschiedene Meinungen gehen dahin, daß die Abschöpfungen etwa das gleiche seien wie Zölle. Dem ist ;aber nicht so. Abschöpfungen sind im wesentlichen etwas ganz anderes. Abschöpfungen sind nämlich Instrumente der Marktpolitik.
({0})
Meine Damen und Herren, der Redner ist außerstande, sich vernehmlich zu machen. Ich bitte doch um Ruhe.
Ein zweites. Aus diesen Gründen ist nicht etwa das Wirtschaftsministerium, sondern das Ernährungsministerium federführend für die Behandlung der Abschöpfungen, und dort auch nicht etwa die Abteilung Außenhandel - VII
-,
sondern die Abteilung Ernährung - III -.
Drittens. Dieser Auffassung hat sich der Bundesrat in vollem Umfang angeschlossen. Er ist ebenfalls der Meinung, daß hier der Ernährungsausschuß federführend sein muß.
Bei der ersten Sitzung war auch der Ältestenrat der Meinung, daß nicht der Außenhandels- oder der Wirtschaftsausschuß federführend sein sollten, sondern der Ernährungsausschuß.
Ich darf Sie deswegen im Namen meiner Fraktion bitten, so zu entscheiden, daß für die Abschöpfungssätze der Ernährungsausschuß federführend bleibt und der Außenhandels- und der Wirtschaftsausschuß mitberatende Ausschüsse sind.
({0})
Wird das Wort erbeten? - Spricht jemand dagegen? - Herr Abgeordneter Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauknecht hat eben beantragt, daß für die Entscheidung über die Änderung von Abschöpfungen der Ernährungsausschuß und nicht der Außenhandelsausschuß federführend zuständig sein soll. Er hat diesen Antrag damit begründet, daß die Abschöpfungen im Gegensatz zu Zöllen Instrumente der Marktpolitik seien. Ich möchte da die Gegenfrage stellen: Sind denn Zölle nicht Instrumente der Marktpolitik? Selbstverständlich sind auch die Zölle nicht nur reine Finanzeinnahmen des Staates, sondern auch Instrumente der Marktpolitik. Daran beißt doch keine Maus einen Faden ab. Infolgedessen ist die Auswirkung der Abschöpfungen auf die Höhe des Letztverbraucherpreises natürlich die gleiche wie die der Zölle.
({0})
Deswegen kann nicht allein der Ernährungsausschuß zuständig sein. Federführend muß vielmehr der Außenhandelsausschuß sein, da es sich um eine Angelegenheit des außenwirtschaftlichen Verkehrs handelt.
({1})
Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bading, kein Mensch denkt doch daran, den Außenhandelsausschuß etwa als mitberatenden Ausschuß in dieser Frage auszuschalten. Aber das, was der Kollege Bauknecht schon ausgeführt hat, daß Zölle und Abschöpfungen etwas völlig Verschiedenes sind, dürfte doch allein schon durch folgende Tatsache erhärtet sein. Zölle werden durch Gesetze in Kraft gesetzt oder außer Kraft gesetzt. Das Instrument der Abschöpfung ist ein ausgesprochenes markt- und wirtschaftspolitisches Instrument zur Überleitung und Überführung unserer Agrarwirtschaft in die EWG-Gemeinschaft. Diese Abschöpfungen sind von vornherein befristet und laufen aus, wenn die Gemeinsamkeit dieses europäischen Marktes hergestellt ist, nämlich 'im Jahre 1970. Allein schon an diesem Unterschied können Sie erkennen, daß es sich bei den Abschöpfungen nicht um die finanziellen Wirkungen handelt, sondern um ein markt- und wirtschaftspolitisches Mittel, die unterschiedlichen Agrarsysteme im Laufe der nächsten sieben, acht Jahre in eine Gemeinsamkeit überzuführen. Ich glaube, typischer und deutlicher kann man es nicht mehr sagen, als daß es sich hier um ein wirtschaftliches Instrument handelt. Darum bin ich der Meinung, daß der Ausschuß, der wirtschaftlich dafür zuständig und verantwortlich ist, auch die Federführung haben sollte.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! Mein Kollege Bading hat hier einen Standpunkt vertreten, den ich persönlich nicht teilen kann.
({0})
Die Abschöpfungen sind das Kernstück der europäischen Marktordnungen, und auch diese Marktordnungen sind im Ernährungsausschuß als federführendem Ausschuß behandelt worden. Diese Abschöpfungen werden allein nach agrarökonomischen Gesichtspunkten festgesetzt; sie liegen daher in der Zuständigkeit des Ernährungsausschusses. Wir haben, als es die innerdeutschen Abschöpfungen noch gab, auch nie davon gesprochen, daß sie dem Außenhandelsausschuß zugehörten; für sie war auch damals allein der Ernährungsausschuß zuständig.
Ich bitte also, der Überweisung an den Ernährungsausschuß zuzustimmen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, in Abänderung des Vorschlages des Ältestenrates die Federführung dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu geben. Wer dafür ist, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 6 und 7 sind also an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Außenhandelsausschuß und den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - überwiesen.
Damit ist die Tagesordnung für heute vormittag erledigt. Wir fahren fort heute nachmittag um 16 Uhr: Aussprache über den Haushalt.
Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Meine Damen und Herren! Nach der Vereinbarung der Fraktionen sind jetzt die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung aufzurufen:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 ({1}), ({2}),
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung 'des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 ({3}) ({4}),
und zwar soll mit der Aussprache begonnen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
({5})
- Der Bundeskanzler ist da, und das deckt alles....
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsdebatten sind in diesem Hause 'selten große Tage, und ich befürchte, daß auch das 'Eintreffen des Herrn Bundesfinanzministers diesen Tag nicht größer macht, als er der Natur der Sache nach und unseren bedauerlichen Gewohnheiten nach an sich ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern den Haushalt für das Haushaltsjahr 1963 im Schatten einer schweren innenpolitischen Auseinandersetzung in diesem Hause eingebracht, einer Auseinandersetzung, die, abgesehen von ihrem eigentlichen Anlaß, Grundfragen unserer innerstaatlichen Ordnung berührt hat. Das Echo, das diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gefunden hat, sollte eigentlich diejenigen, die in diesem Hause infolge ihrer größeren Zahl zur Zeit über die größere Lautstärke verfügen, darüber belehren, daß sie in einer falschen Frontstellung gekämpft haben.
Der Bundeshaushalt ist, abgesehen von seiner finanz- und haushaltspolitischen Bedeutung, ein so wesentlicher Teil der Gesamtpolitik der Regierung, daß auf einige Bemerkungen zu dieser Regierung selbst nicht verzichtet werden kann.
Der Herr Bundesfinanzminister war ja, wie wir heute wissen, selber so sehr mit der Bewältigung der vorläufig letzten Koalitionskrise beschäftigt, daß er seine Rede nicht rechtzeitig fertigstellen konnte, so daß wir diese Debatte um einen Tag verschieben mußten. Das war Pech, vielleicht auf beiden Seiten.
Betrachtet man das Ergebnis dieser Krise, dann bleibt als ein festzuhaltender und beunruhigender Eindruck die Tatsache, daß die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber dem Parlament für Vorgänge in ihrem Amtsbereich offensichtlich abgeschafft worden ist und daß an ihre Stelle der total bevollmächtigte Staatssekretär gesetzt worden ist, der dann aber, wenn die Dinge einen unerwünschten Verlauf nehmen, vielleicht über die Klinge springen muß.
({0})
- Ich weiß, daß das nichts Neues ist. Es ist vielleicht auch nicht gerade angenehm, es noch einmal gesagt zu bekommen, Herr Kollege Dollinger, aber schaden kann es Ihnen 'auf keinen Fall.
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- Herr Kollege Schütz, beruhigen 'Sie sich. ({2})
- Das ist schön, 'da sind wir ja beide gleich. ({3})
Eine besonders pikante Nuance dieser Koalitionskrise, die den Haushalt unmittelbar betraf, war ja dann die beiläufige Verabschiedung eines so wichtigen und auch finanziell bedeutungsvollen Gesetzeswerks, wie es das sogenannte Sozialpaket ist, durch das Rumpfkabinett, während die FDP-Minister, sozusagen im Nebenzimmer, sich gerade den Wunden widmeten, die 'sie in der Krisenschlacht
davongetragen hatten. Es ist schwer, darüber keine Satire zu schreiben. Die „Frankfurter Allgemeine", die in der Regel doch wohl eher regierungsfreundlich ist, überschrieb eine Glosse zu diesem Thema mit den Worten „Mühsam geflickt", und es scheint durchaus nicht unangebracht zu sein, ein Stückchen dieses Kommentars zu zitieren, damit es in die Protokolle dieses Hohen Hauses eingeht. Ich nehme an, Sie haben es gelesen. Aber vielleicht lesen Sie es noch einmal nach. Es ist immer gut, auch sich selber im Spiegel anderer zu sehen. In der Glosse heißt es:
Es ist ja nicht so, daß nur die Freien Demokraten sich vergaloppiert und in eine Lage gebracht hatten, in der jede Konzession wie ein „Umfallen" aussehen mußte. Ihr Widerpart oder Koalitionspartner hatte ihr Tempo mutwillig gesteigert, indem er selbst sich nicht einmal zum sanftesten Trab bewegen ließ. Der Bundeskanzler hat so lange die Berechtigung der Klagen Stammbergers bestritten, so lange mißzuverstehen und zu bagatellisieren versucht, so lange darauf beharrt, den Ernst seiner Koalitionspartner zu ignorieren, bis diese ihn immer lauter und in immer größerer Öffentlichkeit herausschreien mußten. Er zwang die FDP geradezu, so sehr zu übertreiben, daß sie schließlich damit selbst demonstrierte, daß sie der kleinere Partner ist. Ein Meisterstück politischer Taktik? Beileibe nein! Ganz von der Jämmerlichkeit des Schauspiels, das die Bundesrepublik in diesen Tagen weltpolitischer Krisen bietet, abgesehen: diese Koalition hat sich nicht zu festerem Verein zusammengerauft. Sie ist mühsam geflickt.
Meine Damen und Herren, dieses „mühsam geflickt" könnte auch sehr gut als Haupttitel über dem Entwurf stehen, den der Herr Bundesfinanzminister gestern dem Hause vorgelegt hat, einem Entwurf, der mit so schönen Titeln versehen wurde, wie „Haushalt der Besinnung", „Haushalt der Sparsamkeit", „Haushalt der Stabilisierung", „Haushalt der Entspannung", und ich weiß nicht, mit welchen schönen Eigenschaften dieser Haushaltsentwurf sonst noch belegt wurde. Es will uns scheinen, daß man diesen Entwurf weit eher als einen Haushalt der Lücken bezeichnen könnte; denn er zeichnet sich vor allem durch. die Positionen aus, die nicht in ihm veranschlagt sind. Ich werde auf diesen Punkt im einzelnen noch zu sprechen kommen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern seine Rede mit einer Bemerkung eingeleitet, die deutlicher als manches andere die anormale Lage kennzeichnet, der sich das Parlament bei der Wahrnehmung eines seiner wichtigsten Rechte, nämlich des Budgetrechtes, seit Jahren gegenübersieht. Ich sage hier auch etwas, was schon öfters gesagt worden ist, und es hat keinen polemischen, sondern einen tatsächlichen Gehalt. Ich meine die Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Verabschiedung des Haushalts zum gesetzlich vorgeschriebenen Termin, nämlich zum Beginn des neuen Haushaltsjahres. Es gibt bisher keinen Etat der Bundesrepublik, der rechtzeitig hätte in Kraft gesetzt werden können.
Die Schuld daran trifft sicher nicht das Parlament, das den Haushalt beraten, und zwar gründlich beraten muß, wenn es seiner Verpflichtung gerecht werden will. Sie trifft zu einem Teil die Bundesregierung, nämlich dort, wo diese auf Grund von inneren Schwierigkeiten, wie z. B. in den beiden letzten Jahren, den Haushalt mit großer Verspätung vorlegt. Entscheidender Grund allerdings, das muß ich sagen, sind die unmöglichen Fristen, die wir der Regierung und uns selber in den einschlägigen Gesetzen beschert haben. Hier muß endlich - und das ist eine Bitte, ein Wunsch, den ich mit allem Nachdruck vortrage - eine Korrektur erfolgen, wenn das Haushaltsrecht des Parlaments nicht zu einer Farce werden soll. Ich richte die Aufforderung an die Bundesregierung, von sich aus Vorschläge zu machen, die uns zu einer normalen und dem Grundgesetz gerecht werdenden Verfahrensweise in Haushaltsfragen verhelfen.
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- Das Wie, mein lieber Herr Kollege Conring, ist gerade die Frage, die die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister untersuchen sollen und die das Haus dann mit ihm gemeinsam auf Grund von Vorschlägen zu den Gesetzen zu prüfen und zu entscheiden hat. Darum kommen wir nicht herum.
Sie wissen übrigens so gut wie ich, Herr Kollege Conring, was an diesen Fristen falsch ist. Es ist nicht nur die Frist in den Gesetzen, sondern es ist zum Teil auch die Arbeitseinteilung dieses Hauses,
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und das ist die Frage, die an uns selber gerichtet ist, wenn es wirklich einmal zur Entscheidung in diesen Dingen kommt. Ich bin mir bewußt, meine Damen und Herren, daß ich das schon zum x-ten Male in diesem Hause gesagt habe und andere auch; ich will da kein Monopol für mich in Anspruch nehmen. Denn wir, die wir wirklich unmittelbar mit diesen Dingen beschäftigt sind, wissen ja, wo uns in diesem Falle der Schuh drückt. Das Unbehagen über die anormale Situation ist, glaube ich, groß genug und sollte endlich zu entscheidenden Maßnahmen führen.
Und nun zum Haushalt selber! Er ist u. a., wie ich vorhin schon sagte, auch ein Haushalt der Stabilisierung genannt worden. Damit ist wohl gemeint, daß mit den Mitteln der Haushaltspolitik der ständigen Aufwärtsbewegung nicht nur in den öffentlichen Haushalten, sondern auch und vor allem bei den Preisen Einhalt geboten werden sollte. Bei genauerem Hinsehen allerdings erweist sich, daß diesem Ziel der Haushaltspolitik der Bundesregierung durch sie selber in einer Reihe von Punkten entgegengewirkt wird.
Um gleich einen solchen Punkt herauszugreifen: der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede auf das Beispiel der Schweiz hingewiesen, das nach seiner Meinung zeige, daß es für ein hochindustrialisiertes Land richtig und für den Verbraucher zumutbar sei, der Landwirtschaft neben staatlichen Hilfen ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu schaffen. Ein ausreichendes EinkomSchoettle
men für die Landwirtschaft ist etwas, das wir Sozialdemokraten auch wünschen. Aber das, was der Herr Bundesfinanzminister gestern in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, war doch eigentlich ein Plädoyer für Preissteigerungen gerade auf einem Gebiet, das für die großen Massen der deutschen Verbraucher wesentlich ist.
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Das ist nur ein Punkt aus einer Reihe noch bedenklicherer. Ein anderer ist die Behandlung der Bundesbahn im Bundeshaushalt. Die Lage der Bundesbahn ist zu bekannt, als daß darüber noch Einzelheiten gesagt werden müßten. Die Bundesregierung hat es bisher leider unterlassen, die Bundesbahn mit einer ausreichenden Kapitalausstattung zu versehen, und so kam es zu einem permanenten Defizithaushalt der Bundesbahn. Nach § 28 des Bundesbahngesetzes muß der Bund die Defizite der Bahn ausgleichen. Seit etwa einem Jahrzehnt ist das alles bereits so. Jedes neue, nicht ausgeglichene Defizit im Haushalt der Bundesbahn belastet aber den Bundeshaushalt künftiger Jahre. Wir haben immer gefordert, daß die Bundesbahn endlich saniert wird; denn dann würde das größte Sondervermögen des Bundes saniert werden, dann würde endlich dieses Sondervermögen des Bundes über eine gesunde Kapitalstruktur verfügen, und die Bundesbahn wäre in der Lage, ihre Tarifpolitik nach ihrem eigenen Status zu bestimmen und die Tarife für Massengüter vermutlich zu senken. Eine solche Sanierung der Bundesbahn wäre eine echte I stabilisierende Maßnahme.
Die Haltung der Bundesregierung und ihre Haushaltspolitik zwingen dagegen die Bundesbahn zu Tariferhöhungen, die zumindest im Berufverkehr zu einer wachsenden Abwanderung von der Schiene auf die Straße führen werden, die Betriebsverluste also nicht auffangen, sondern die Spannung noch vergrößern. Das gilt nicht nur für die Wirkungen auf den Berufsverkehr, es gilt auch für den Güterverkehr in einem hohen Maße. Wir meinen, daß die von der Bundesregierung bewußt verzögerte saubere Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn ein Musterbeispiel einer falschen Politik mit preierhöhenden Folgen ist.
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Nicht sehr viel anders steht es bei der Post, die nach dem Postverwaltungsgesetz von ihrem Umsatz 62/3 % - das sind im Jahre 1963 etwa 400 Millionen DM - an den Bund abführen muß, dafür aber dann ein Defizit von etwa 330 Millionen DM einhandelt, das auch sie zu Tariferhöhungen zwingt. Alle diese Erhöhungen werden - dessen kann man sicher sein -nicht ohne Einfluß auf das Preisniveau bleiben; denn die von den Tariferhöhungen Betroffenen, vor allem aber die Unternehmungen der Wirtschaft werden diese höheren Kosten in ihren Kalkulationen und in ihren Preisen zum Ausdruck bringen, mit all den Konsequenzen, die sich aus einer solchen Entwicklung ergeben. Also auch hier scheint uns ein eklatanter Widerspruch zu der vorgegebenen Absicht der Stabilisierung zu liegen, die dieser Bundeshaushalt verfolgen soll.
Überhaupt scheint uns die Grundkonzeption, die diesem Haushalt unterstellt wird, in mancher Hinsicht umstritten. An Stelle der vielen kritischen Äußerungen zitiere ich nur aus dem Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 26. Oktober 1962. Dort heißt es u. a. im Hinblick auf den Bundeshaushalt:
Maßnahmen von heute sind auf die Konstellation von gestern zugeschnitten, statt sich an der Situation von morgen zu orientieren. Denn es ist schon seit längerem sichtbar, daß ein Abschnitt in der konjunkturellen Entwicklung erreicht ist, in dem die wirtschaftsimmanenten Kräfte selbst für eine fortschreitende Marktentspannung sorgen. Diese Entspannung wird schließlich bis zu den wenigen verbliebenen eigentlichen Engpaßsektoren ausstrahlen. Daher wäre erforderlich, daß die Nachfragedispositionen der öffentlichen Hand - sollen sie nicht wie früher die Überhitzung, so jetzt die Entspannung forcieren - gegen diese immanenten Kräfte und nicht mit ihnen angesetzt werden. So wenig unmittelbare Gefahren für den Moment von diesem prozyklischen Gebaren auch ausgehen, so sehr ist andererseits zu bedenken, daß durch die auf diese Weise verstärkte Unstetigkeit des wirtschaftlichen Fortschritts die langfristigen Wachstumschancen beeinträchtigt werden.
Ich habe gesagt, daß man den Haushalt 1963 auch als einen Haushalt der Lücken 'bezeichnen kann. Nach unserer Auffassung gibt es solche Lücken im Entwurf in mehrfacher Hinsicht. Da ist einmal -und das ist eine 'bezeichnende Lücke - die Deckungslücke, ein auf dem Papier durch das Einsetzen von Einnahmepositionen herbeigeführter Ausgleich, Positionen, die noch keineswegs sicher sind unid erst ausgehandelt werden müssen. Damit meine ich die Inanspruchnahme eines höheren Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Für den Haushalt 1962 hatte der Bundesfinanzminister bereits die Länder mit etwas mehr als 1 Milliarde DM, genau 1050 Millionen DM, in 'Anspruch genommen. Das Verfahren, das 'damals angewandt wurde, hat schließlich zu einem Erfolg geführt. Wie der Herr Bundesfinanzminister uns mitge't'eilt hat, gehen die entsprechenden Beträge von den Ländern beim Bundeshaushalt ein.
Das Verfahren selbst war außerordentlich bedenklich. Das ist schon damals von vielen Seiten bestätigt worden. Schon .damals aber konnte die Bundesregierung auch wissen - und sie wußte es -, daß auch im Haushalt 1963 eine Lücke zu schließen sein würde. Wenn sie jetzt wiederum über das Ausmaß von 1962 hinaus ihren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu Lasten der Länder erhöhen will, dann ist erstens die nunmehr angewandte Methode lebenfalls zu kritisieren; denn obwohl die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz nach Art. 106 des Grundgesetzes angekündigt hat, muß man doch sagen, daß es im Grunde 'die Wiederholung der Prozedur des Vorjahres ist.
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Man verhandelt eben mit den Ländern nicht anders als unter dem Druck bereits in den Haushalt eingesetzter Summen.
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- Ja, es wird vorgelegt, Herr Kollege Etzel, das ist durchaus richtig. Aber inzwischen hat man bereits die Summen in 'den Haushalt eingesetzt. Die Länder äußern sich jetzt - das wissen Sie auch - am laufenden Band zu diesem noch nicht vorhandenen Gesetz und der ihm zugrunde liegenden Forderung.
Zweitens füge ich hinzu: Es ist absolut nicht sicher, daß die höhere Inanspruchnahme notwendig und gerechtfertigt ist. Mein Freund Dr. Alex Möller wird sich in dieser Debatte sehr eingehend mit dieser Seite des Haushalts und insbesondere mit den finanz- und steuerpolitischen Fragen beschäftigen, denen ja auch 'der Herr Bundesfinanzminister gestern einen großen Teil seiner 'Redegewidmet hat.
Ich möchte für meinen Teil nur darauf hinweisen, daß die Länder - und dabei insbesondere die von der CDU/CSU geführten - sich bereits sehr nachdrücklich gegen die 'Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer über das Maß von 1962 hinaus gewandt haben. Es 'ist allzu leicht und bequem, von den vollen Kassen der Länder zu sprechen, ohne zugleich zu bedenken, daß die Länder gerade in der letzten Zeit 'beträchtliche Mehrleistungen sowohl für den Bund wie auch für die ihnen zu treuen Händen anvertrauten Gemeinden zu erbringen hatten.
Daß das nicht leere Behauptungen sind, möchte ich Ihnen an einigen Beispielen beweisen. Was die Mehrleistungen der Länder für den Bund betrifft, so ist zu sagen: Die für den Bundeshaushalt 1962 ursprünglich vorgesehenen Mittel für die Förderung der Atomforschung in Höhe von 46,7 Millionen DM sind auf 37,7 Millionen DM gekürzt worden. Die wissenschaftlichen Hochschulen konnten daher nur niedrigere Beträge, als erwartet, bekommen. Die Länder mußten zusätzlich Beträge im Nachtragshaushalt 1962 zur Verfügung stellen. Das wird sich 1963 und in ' den folgenden Jahren fortsetzen.
Das Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern sieht vor, daß Bund und Länder zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen in der Zeit von 1963 bis 1967 jährlich je 250 Millionen DM, zusammen also 500 Millionen DM, bereitstellen. Für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen ist im Entwurf des Bundeshaushalts bei Kap. 06 02 Tit. 616 ein Ansatz von 220 Millionen DM vorgesehen. Bei der angespannten Haushaltslage, so sagt man, konnte ein höherer Betrag nicht angesetzt werden. Aber praktisch bedeutet das, daß schon im Anlaufen dieses Abkommens der Bund hinter den von ihm übernommenen Leistungsverpflichtungen um 30 Millionen DM zurückbleibt.
Die Mittel für die Durchführung des Honnefer Modells wurden bisher vom Bund mit zwei Drittel und von den Ländern mit einem Drittel aufgebracht. Für 1963 ist bereits unabhängig von dem vorgesehenen Verwaltungsabkommen vereinbart worden, daß Bund und Länder je die Hälfte der Mittel bereitstellen. Dementsprechend ist im Haushaltsentwurf bei Kap. 06 02 ein Betrag von 56 Millionen DM veranschlagt worden, der dem 50-v.-H.-Anteil des Bundes entspricht. Gegenüber dem Rechnungsjahr 1962 hat sich dabei eine Einsparung von 22 Millionen DM ergeben, für die die Länder eintreten.
Schließlich das Siedlungsprogramm! 1961 entfallen von diesem Programm auf Hessen 66,2 Millionen DM Bundesmittel, Landesanteil 7,3 Millionen DM. 1962 hat der Bund seine Mittel vermindert, so daß das Land, um dieses Programm für Hessen durchführen zu können, sich im Verhältnis 2 zu 1 beteiligen müßte. Hessen müßte weitere 11,5 Millionen DM bereitstellen. Einen Teil hat es bereits im Nachtragshaushalt vorgesehen. Da das Programm 1963 erweitert werden soll, werden bei einem Beteiligungsverhältnis von 2 zu 1 die Landesmittel noch erhöht werden.
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Im Haushaltsentwurf 1963 des Landes BadenWürttemberg, also keines sozialdemokratisch geführten Landes, sind folgende Positionen vorgesehen: Darlehen des Bundes zur Finanzierung des Wohnungsbaues zugunsten von Zuwanderern aus den sowjetisch besetzten Gebieten - Aussiedler und Gleichgestellte - 1962 72 Millionen DM, 1963 24 Millionen DM, also eine Minderung um 48 Millionen DM; Darlehen aus dem Lastenausgleichsfonds für Wohnraumhilfe der Geschädigten 1962 3 Millionen DM, 1963 500 000 DM, eine Minderung der Bundesleistung um 21/2 Millionen DM; dagegen aber Darlehen des Landes an die Landeskreditanstalt zur Förderung des Wiederaufbaus und zur Wohnraumbeschaffung, also für die Zwecke, für die der Bund seine Leistung gemindert hat, 1962 100 Millionen DM, 1963 123 Millionen DM, also eine Mehrung um 23 Millionen DM. Das sind Leistungen, die die Länder - was hier für Hessen und Baden-Württemberg gesagt worden ist, trifft auch auf die anderen Länder zu - dem Bund abgenommen haben.
Auf der anderen Seite haben die Länder ihre Leistungen an die Gemeinden in den letzten Jahren beträchtlich verstärkt, verstärken müssen, weil die Gemeinden einfach nur dann in der Lage waren, ihre Aufgaben zu erfüllen, wenn sie stärker aus Landesmitteln bezuschußt wurden. Auch wieder ein Beispiel aus dem Lande Baden-Württemberg. Im Jahre 1958 betrug die Summe aus dem Steuerverbund Einkommen- und Körperschaftsteuer, die dem Lande Baden-Württemberg zur Verfügung stand, 340,4 Millionen DM, aus dem Kraftfahrzeugsteuerverbund 16,6 Millionen DM und ,aus Leistungen für vornehmlich kommunale Aufgaben 144,6 Millionen DM, zusammen also 501,6 Millionen DM. Das waren 145,28 °/o, verglichen mit dem Jahre 1954. 1962 hat das Land Baden-Württemberg einen Betrag von 749,3 Millionen DM aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuerverbund, von 76 Millionen DM aus dem Kraffahrzeugsteuerverbund und für vornehmlich kommunale Aufgaben darüber hinaus 341,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt, insgesamt 1166,8
Millionen DM oder 316,43 % der Leistungen des Jahres 1954.
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- Herr Kollege Stoltenberg, das ist eine These, die Sie aufstellen! Daß die Länder nicht arm geworden sind, darüber brauchen wir uns wohl nicht zu streiten. Daß sie ihre Leistungen an die Gemeinden erhöht haben, ist natürlich zum Teil mit Ausfluß der Tatsache, daß ihre Steuereinkünfte nicht unbeträchtlich gewachsen sind. Das will ich nicht leugnen. Aber Tatsache ist, daß sie diese Leistungen vollbracht haben. Sie mußten sie vollbringen, weil die Gemeinden sie brauchten.
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Überlegen wir uns einmal die Ausgabensteigerungen bei den Ländern. Ich will es auch an dem Beispiel von Baden-Württemberg exemplifizieren. Es hat einen Sinn, daß man sich auch das einmal ansieht. Die Ausgabensteigerungen lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen. Die Personalausgaben haben sich um 16,2 % gesteigert. Ich glaube, das ist ein durchaus normaler Prozentsatz. Er entspricht den allgemeinen Steigerungstendenzen unserer gesamten Volkswirtschaft. Die Ausgaben für Schule und Wissenschaft haben sich gegenüber 1961 um 32,5 % erhöht, und die Leistungen an die Gemeinden haben sich gegenüber 1961 um 64,3 % erhöht. Auch hier kann man sagen, daß die Länder - in diesem Falle spreche ich nur von Baden-Württemberg - Aufgaben erfüllen, von denen allgemein bekannt ist, daß sie absolut vordringlich sind und daß wir bei ihrer Erfüllung auf weiten Gebieten in einem bedauerlichen und bedrohlichen Rückstand sind. Ich denke nur an Schule und Wissenschaft.
({13})
Das sind Beispiele aus Ländern, deren politische Führung teils bei der Sozialdemokratie, teils bei der CDU liegt. Wir sind überzeugt, daß gleiches oder ähnliches auch für die übrigen deutschen Länder gilt.
Zu diesem Punkt will ich abschließend noch zitieren, was der Finanzminister des Landes RheinlandPfalz bei seiner Haushaltsrede am 2. Oktober 1962. sagte. Er führte aus:
Ich kann für uns nur sagen - das ist der Punkt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt -, daß der Etatausgleich 1963 bei einer Erhöhung des Bundesanteils, wie zu hören ist, auf 40 oder 41 % nicht möglich wäre.
- Herr Glahn sprach vom Etat des Landes Rheinland-Pfalz. Eine solche Erhöhung würde bedeuten, daß das Land 80 bis 90 Millionen DM an Steuereinnahmen und weitere 30 bis 35 Millionen DM an Zuweisungen aus dem horizontalen Finanzausgleich verlieren würde. Das sind Beträge, die Rheinland-Pfalz sicher nicht verkraften
könnte und die sicherlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Leistungen des Landes an seine Gemeinden bleiben würden.
Daß die letztere Bemerkung des Herrn Finanzministers Glahn keine Drohung, sondern eine beinahe sicher zu erwartende Realität sein wird, daß nämlich die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern um ihren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer schließlich auf dem Rücken der Gemeinden geführt würde, das veranlaßt uns Sozialdemokraten, der beabsichtigten Erhöhung des Bundesanteils auf 40,5 % entschieden entgegenzutreten.
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- Warten Sie! Sie warten nicht vergebens.
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- Das könnte man auch sagen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede davon gesprochen, daß der Bund mit der Anrufung des Art 106 des Grundgesetzes eine pragmatische Lösung für die im Augenblick vordringlichsten Finanzprobleme suche. Auch wir sind für pragmatische Lösungen. Aber wenn der Herr Finanzminister dann erklärte, daß ihm in der gegenwärtigen Situation die pragmatische Lösung realistischer erscheine als der Versuch, ein Modell einer idealen Finanzverfassung in die Wirklichkeit umzusetzen, so scheint uns das der ausgesprochene Opportunismus eines Finanzministers zu sein und zugleich - das muß ich hinzufügen - ein Grabgesang auf die so viel berufene und von allen Seiten geforderte Finanzreform,
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bei der es übrigens gar nicht um das Modell einer idealen Finanzverfassung geht, sondern um eine den Realitäten unseres heutigen staatlichen Lebens besser gerecht werdende Finanzverfassung als die im Augenblick gültige.
Ich ziehe aus diesem Teil meiner Betrachtungen die Bilanz und komme zu dem Ergebnis, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf nicht ausgeglichen ist; denn für die 2 Milliarden DM, die der Herr Finanzminister als Mehr aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet, gibt es, wenigstens vorläufig, keine gesetzliche Grundlage.
Nun einige Bemerkungen zu dem, was ich die Lücken in diesem Entwurf genannt habe. Ich kann diese Lücken sicher nicht erschöpfend darstellen. Es handelt sich dabei um diejenigen Aufgaben, die für jedermann, auch für die Bundesregierung, sichtbar sind, die in diesem Haushalt aber keinen Niederschlag gefunden haben.
Da steht an erster Stelle das sogenannte Sozialpaket. Was immer man über seinen Inhalt denken mag, vom Standpunkt des Haushalts aus ist dazu zu sagen, daß die Methode, die die Bundesregierung in diesem Fall. anwendet, nach unserer Meinung,
milde ausgedrückt, nicht haushaltsehrlich ist. Denn die Finanzierung dieses Sozialpakets wird, anstatt daß man ihren Aufwand, der doch offenbar in Umrissen errechenbar ist - denn es wird ja von der einen Milliarde gesprochen -, in den Haushalt einstellt, nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers auf künftige Preissteigerungen und daraus erwachsenden höheren Steueraufkommen aufgebaut.
Ganz abgesehen davon, daß auch da ein eklatanter Widerspruch zu dem angeblichen Stabilisierungscharakter des Haushaltsentwurfs besteht, muß dazu gesagt werden: Hier werden neue Sozialgesetze des Bundes mit einem Aufwand für den Bundeshaushalt von mehr als einer Milliarde DM als Faktum angesehen, und es wird angekündigt, daß hierfür ein Nachtragshaushalt eingebracht wird. Dieser Nachtragshaushalt aber wird auf die gleichen finanziellen Probleme - man kann auch sagen „Scheinprobleme", wenn man die Erfahrungen mit dem Nachtragshaushalt 1962 in Rechnung stellt - stoßen wie die sofortige Einbeziehung des Vorhabens in den regulären Haushalt. Entweder sind die zusätzlichen Sozialausgaben mit den bisherigen Einnahmequellen zu finanzieren - und nach unserer Meinung sind sie es -, oder sie verlangen Steuererhöhungen bzw. eine stärkere Verschuldung des Bundeshaushalts. Die Ankündigung kann also entweder nur als Hinweis an den Bundestag aufgefaßt werden, die Sozialgesetze während der Haushaltsberatungen zu etatisieren - dann müssen aber auch die vorhandenen Einnahmereserven aufgezeigt werden -, oder als ein leeres Versprechen an die potentiell Begünstigten.
In der Rede des Herrn Bundesfinanzministers begegnete uns übrigens eine Gleichung, die bisher in dieser Weise selten verwendet worden ist. Er gruppierte die großen Positionen des Haushalts in zwei Kategorien: die Aufwendungen für die äußere Sicherheit, die mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben des Bundes ausmachen, nämlich 35,3 %, und die Aufwendungen für die innere Sicherheit, worunter in erster Linie soziale Sicherung verstanden worden ist, mit einem Gesamtaufwand von etwas über 15 Milliarden DM oder 27,3 % der Gesamtausgaben, wobei die Aufwendungen für das Sozialpaket noch nicht mitgerechnet sind.
Über unsere Haltung zu den Fragen der äußeren Sicherheit, die in ihrer Hauptsache Verteidigungsfragen sind, habe ich vor wenigen Monaten, im März dieses Jahres, anläßlich der Haushaltsberatungen für den Haushalt 1962 hier Ausführungen gemacht, aus denen klar hervorgeht, daß wir zu den dafür notwendigen Aufwendungen positiv stehen, ohne freilich darauf verzichten zu können, diese Aufwendungen im einzelnen auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Unausweichlichkeit hin zu prüfen, soweit das innnerhalb der Grenzen der Sicherheit möglich ist, und daß wir nicht den Verteidigungshaushalt als unantastbar ansehen können. Dabei bleiben wir, gerade angesichts der Tatsache, daß von dieser Seite her durch bereits angekündigte Mehrforderungen, die an die Milliardengrenze herangehen, der Plafond gesprengt zu werden droht, den die Bundesregierung auf 56,8 Milliarden DM beziffert hat.
Was nun die Probleme der inneren Sicherheit angeht, so möchte ich dazu vom sozialdemokratischen Standpunkt folgendes bemerken. In der Tat ist das, was wir zur sozialen Ordnung unternehmen oder unterlassen, von großer Bedeutung für die gesellschaftspolitische Stabilisierung unseres Landes. Dieser Gedanke muß sich auch in der Bewältigung der großen Ausgabenblöcke und der Beziehung, die unter ihnen besteht, widerspiegeln.
Beurteilen wir den Bundeshaushalt im Lichte der Sozialpolitik, so ergeben sich zwei wichtige Gesichtspunkte. Erstens: Es handelt sich dabei nicht um abstrakte Zahlen, sondern hinter dem Sozialaufwand stehen Menschen, für die diese Sozialleistungen die wesentliche Grundlage ihrer Existenz darstellen. Zweitens: Das Gewicht des Finanzaufwandes für die Sozialleistungen kann nur dann hinreichend beurteilt werden, wenn er in Beziehung gesetzt wird zu dem Sozialprodukt im ganzen und insbesondere zum Ausmaß des Bundeshaushalts.
Eine solche Betrachtung ergibt dann folgendes Bild. Der Anteil der Sozialleistungen aus Mitteln des Bundes ist auf 22,9 % der Bundesausgaben herabgesunken, nachdem er noch im Jahre 1953 fast 32 v. H. der Bundesausgaben betragen hat.
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Auch gemessen am Bruttosozialprodukt sind die Sozialausgaben des Bundes rückläufig. Noch eine dritte Zahl: Alle Sozialleistungen, des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherung, werden sich nach den Vorausschätzungen im Laufe des Jahres 1963 auf kaum mehr als 12 % des Bruttosozialproduktes belaufen und mit diesem Anteil dem niedrigsten Stand seit der Errichtung der Bundesrepublik äußerst nahe kommen.
Den dringenden Fragen nach der Weiterentwicklung der sozialen Leistungen versucht sich die Bundesregierung seit langem mit der allgemeinen Formel vom „Sozialpaket" zu entziehen. Wir erleben das seit einem Jahr. Ich will das an zwei hervorragenden Beispielen deutlich machen.
Initiativen zur Verbesserung der Kriegsopferversorgung und des Familienausgleichs sind bisher nicht verwirklicht worden. Tatsache ist, daß der Ansatz für die Kriegsopferversorgung im neuen Haushalt um 320 Millionen DM niedriger ist als das IstErgebnis des Jahres 1961
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und daß sich zum andern die Zahl der Personen, für die Zweitkindergeld gewährt wird, um über 300 000 vermindert hat. Die These der Regierung von heute scheint zu lauten: weiter warten.
Ferner muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß zu den vordringlichen Gemeinschaftsaufgaben nicht e i n überzeugendes Wort in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers gesagt worden ist. Hinsichtlich der Gesundheitspolitik wurden wir im wesentlichen nur wieder mit den Zuständigkeitsproblemen des neugebildeten Ministeriums konfrontiert. Zu der Tatsache selbst und zur
Frage eines sinnvollen Beitrags zur Volksgesundheit hören wir nichts.
Das gleiche trifft zu für die alle Industrienationen in unserer Zeit bewegende Frage, wie denn nun eigentlich die sozialen Voraussetzungen für die Ausbildung und somit für den beruflichen, kulturellen und sozialen Aufstieg der Menschen in unserem Lande verbessert werden können und sollen. Es scheint uns ein unerträglicher Zustand, daß draußen im Land über diese Frage geredet, aber bei der Gestaltung des Bundeshaushalts nicht sichtbar gemacht wird, wie die Worte in die Tat umgesetzt werden sollen.
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Zu den nach unserer Meinung im Bundeshaushalt bestehenden Lücken oder ungenügend ausgestatteten Positionen gehört auch der Verkehr. Es ist nicht ohne Grund gesagt worden, daß die Verkehrswirtschaft im Haushalt 1963 unterentwickeltes Gebiet geblieben sei. Ich könnte mich dabei auch auf die Klagen eines Mitglieds der Bundesregierung beziehen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in den vergangenen Monaten mehr als einmal im Hinblick auf den Haushalt 1962 Alarmrufe ausgestoßen. Die Lage im Haushalt 1963 ist nicht besser geworden; denn die Haushaltsansätze halten sich auf der Vorjahreshöhe. Sie tragen aber damit den wirklichen Erfordernissen in der Verkehrswirtschaft nicht im geringsten Rechnung. Im Straßenbau setzt die Bundesregierung die Politik der Aushöhlung der Zweckbindung der Mineralölsteuer fort.
({20})
- Ich danke Ihnen, Herr Kollege Dresbach. Ich nehme an, daß Sie in diesem Fall einen anderen Standpunkt einnehmen als ich.
({21})
- Das ist mir in der Tat bekannt. Ich kenne Ihre Überlegungen zur Frage der Zweckbindung überhaupt, und eben darum handelt es sich.
({22})
- Woher wissen Sie das, Herr Kollege Niederalt?
({23})
- Ich glaube, Sie sind in diesem Punkt im Irrtum; Sie kennen mein Innerstes nicht.
Jedenfalls, meine Damen und Herren, wurde im Jahre 1962 der Straßenbau - angeblich aus konjunkturpolitischen Gründen - in die 20 %ige Mittelsperre einbezogen. Sie erinnern sich alle daran, wie in diesem Hohen Hause vor allem von meinen Kollegen Ritzel und Bleiß gegen diese Einbeziehung der Straßenbaumittel in die Sperre gekämpft worden ist, obwohl alle fachkundigen Stellen mit dem Bundesverkehrsminister an der Spitze, so kann man sagen, darüber einig waren, daß im Straßenbau von einer Konjunkturüberhitzung nicht die Rede sein könne.
({24})
- Was heißt hier „na, na"? Es gibt gewisse Tatbestände, die sich nicht leugnen lassen, und auf der anderen Seite bestimmte Situationen im Straßenverkehr, die auch nicht zu leugnen sind.
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Damals hat der Bundesfinanzminister versichert, daß es sich nur um eine vorläufige Sperre handle. Aber der Nachtragshaushalt für das Jahr 1962, der diesem Hause vorliegt, verwandelt die Sperre von 180 Millionen DM in eine echte Kürzung. Die 180 Millionen DM wandern in den Topf der allgemeinen Haushaltsdeckung. Für das Jahr 1963 werden schon gar keine konjunkturpolitischen Motive mehr vorgebracht. Diesmal werden die Straßenbaumittel auf der Vorjahreshöhe blockiert, und das Mehraufkommen aus der Mineralölsteuer wird für die allgemeine Deckung verwendet.
({26})
- Herr Kollege Dresbach, man sollte bestimmte Dinge auch einmal im Lichte der wirklichen Erfordernisse der Zeit sehen und nicht nur unter theoretischen Gesichtspunkten.
({27})
Ob die Bundesregierung mit einer Vernachlässigung des Straßenbaues den von ihr erstrebten Zweck der Stabilisierung erreicht, erscheint mehr als zweifelhaft. Ganz abgesehen davon wäre auch einmal die Frage ganz ernsthaft zu erwägen, ob das Zurückbleiben des Straßenbaues weit hinter den Bedürfnissen eines ständig wachsenden Verkehrs nicht auch unter verteidigungspolitischen Gesichtspunkten ein großer Fehler ist.
({28})
Straßen dienen ja bekanntlich nicht nur dem zivilen
Verkehr. Eine Verteidigungsorganisation, deren
Transportmittel auf schlechten und engen Verkehrswegen steckenbleiben, ist der Gefahr des Zusammenbruchs im Ernstfall schon im Anlauf ausgesetzt.
({29})
- Nein, mein lieber Herr Kollege, das ist gar keine neue Masche, sondern das ist einfach eine Tatsache. Lassen Sie sich einmal schildern, wie z. B. auf dem Heuberg die Straßen in der Umgebung des großen Truppenübungslagers aussehen. Und stellen Sie sich vor, wie dann die Situation wäre, wenn die dort stationierten Truppen in diesen Straßen stecken- und hängenblieben! Sie würden Wunder erleben.
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Die andere Seite des gegenwärtigen Zustandes unseres Straßennetzes ist ebenso betrüblich wie volkswirtschaftlich bedenklich. Die hohe Zahl der Verkehrstoten ist alarmierend und allen bekannt. Aber schließlich summieren sich auch andere Dinge, nämlich größerer Verschleiß und unnötig großer Verbrauch an Kraftstoff zusammen mit der zusätzlichen Verunreinigung der Luft und den immer wieder entstehenden Fahrzeugschlangen, auch volks2034
wirtschaftlich gesehen, zu beträchtlichen Größen. Ich glaube, die Sachverständigen auf diesem Gebiete könnten Rechnungen aufmachen, die die volkswirtschaftlich Veranwortlichen zum Nachdenken veranlassen müßten.
({31})
- Ich bin selber Kraftfahrer, Herr Kollege Dresbach, und ich weiß -
Herr Abgeordneter Dresbach, solche belebenden Bemerkungen sollten Sie ins Mikrophon neben Ihrem Platz sprechen, damit alle etwas davon haben und nicht nur der Redner und ich.
Herr Präsident, wir kennen ja alle die Art, wie der Herr Kollege Dresbach auch parlamentarische Gespräche zu führen pflegt, und ich schätze sie, ich muß es offen sagen,
({0})
weil ich glaube, daß sie auch ohne Mikrophon zur Belebung der Unterhaltung beitragen.
Herr Abgeordneter, ich glaube, es ist egoistisch, solche Freuden für sich reservieren zu wollen. Alle möchten daran teilhaben.
Herr Präsident, ich akzeptiere diesen Tadel, der ja mich als einen Egoisten darstellt, der das Vergnügen nur für sich allein haben will. Ich bin also 'deshalb gerne bereit, auch dem Herrn Kollegen Dresbach die Chance zu geben, sich am Mikrophon mit mir über bestimmte Fragen, die uns entweder gemeinsam sind oder uns trennen, zu unterhalten. Aber ich glaube, im Augenblick haben wir das Gesprächsthema erschöpft. Wir sind verschiedener Meinung, und das soll lediglich festgestellt werden. Jedenfalls möchte ich für die sozialdemokratische Fraktion sagen, daß wir gegen die nach unserer Meinung fiskalisch orientierte Verkehrspolitik der Bundesregierung so erhebliche Zweifel anmelden müssen, daß wir uns auch im Rahmen dieser Haushaltsdebatte mit dem hier eingeschlagenen Weg der Mittelkürzung und mit seinen Konsequenzen noch eingehender zu beschäftigen haben werden.
Gestatten Sie mir nun einige Bemerkungen zum Kapitel Agrarpolitik. Der Grüne Plan ist bereits in den Einzelansätzen im Haushalt verankert, ohne daß der Grüne Bericht 1963, wenn auch nur in einem ersten überschlägigen Bericht, vorläge. Dagegen haben wir keine grunsdätzlichen Einwendungen. Wir müssen aber darauf aufmerksam machen, daß die Zusammenhänge zwischen dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan nicht beiseite geschoben werden dürfen. Daher sollte bei der Vorlage des Grünen Berichts geprüft werden, ob die dortigen Ansätze richtig sind und ob eventuell ein Nachtragshaushalt zur Erfüllung des Landwirtschaftsgesetzes erforderlich wird.
Wir wollen gern anerkennen, daß die Ansätze im Grünen Plan unseren Vorstellungen und unserem Standpunkt stark angenähert worden sind. Wir haben aber den Wunsch, daß die vorhandenen Mittel effektiver eingesetzt 'werden im Sinne der Bildung von Schwerpunkten.
Wir sollten auch nicht vergessen, daß die Einführung der gemeinsamen Agrarpolitik der EWG gewisse Konsequenzen hat. Sie kann auch auf die Gestaltung des Haushalts und des Grünen Plans nicht ohne Einfluß bleiben. Darüber werden wir uns in den kommenden Wochen und Monaten Gedanken zu machen haben und neue Formen entwickeln müssen.
Schließlich, meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zu Fragen der inneren Politik, die der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede gestern auch angesprochen hat. Er fand unter anderem goldene Worte für die Besoldungssituation im öffentlichen Dienst. Nur hat die Bundesregierung diese Grundsätze bisher nicht beherzigt, und die Verbitterung der Beamtenschaft in den letzten Wochen und Monaten ist 'darauf zurückzuführen, daß die Bundesregierung die von ihr selber verkündeten Grundsätze in der Praxis nicht angewandt, vielmehr mißachtet hat. Selbst in diesen Tagen ist immer noch nicht klar, ob die dringend notwendige Überbrükkungszahlung geleistet werden kann. Leider sind auch die im Haushalt vorgesehenen Mittel für eine Verwirklichung des von der Regierung vorgelegten Entwurfs nicht ausreichend.
Der Herr 'Finanzminister hat unter anderem auch die Sportförderung angesprochen, ein wichtiges, für die Volksgesundheit sehr wesentliches Thema. Leider - auch hier muß man das feststellen - hat die Bundesregierung die Zusagen für eine notwendige Erhöhung der Mittel für Turn- und Sportstätten im Rahmen des „Goldenen Planes" nicht erfüllt. Wir werden in den Haushaltsberatungen selbst entsprechende Anträge stellen.
Zur Förderung des Films muß bemerkt werden, daß, obwohl die Bundesregierung auf unseren Antrag einen Bericht erstattet hat, immer noch keine grundlegenden Maßnahmen eingeleitet sind. Die Erhöhung der Förderungsbeiträge ist nur ein Ausweichen vor einer grundsätzlichen Klärung der Frage der Filmwirtschaft.
Sehr wichtig scheint uns zu sein, daß die Bundesregierung den zivilen Bevölkerungsschutz in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen gestellt bat. Leider hat sie in den vergangenen Jahren mehr vom zivilen Notstand geredet als praktisch getan, und es (scheint, daß erst die Kuba-Krise dazu geführt hat, daß sich auch die Bundesregierung ernsthafte Gedanken über wirksame Schutzmöglichkeiten für die Zivilbevölkerung gemacht hat. Solche Maßnahmen hätten auf Grund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen getroffen werden können, wenn man ernsthaft gewollt hätte. Es ist da viel versäumt worden und wahrscheinlich manches nicht mehr einzuholen. Viele dieser wichtigen Aufgaben könnten heute zum groSchoettle
ßen Teil verwirklicht sein. An Anregungen und Vorschlägen dazu hat es seit 1954 nicht gefehlt.
({0})
- Nein, Herr Kollege. Sie können nicht die Reden eines einzelnen Mannes, der zufällig Sozialdemokrat ist, für die Haltung der sozialdemokratischen Partei ausgeben. Das scheint mir ein ungerechtes Verfahren zu sein. Sie müssen sich da schon an das halten, was wir Sozialdemokraten hier in diesem Hause gesagt haben, und das, glaube ich, war anders.
({1})
Das von der Bundesregierung bereits ratifizierte Verwaltungsabkommen mit den Ländern sieht vor, daß die Länder und der Bund in den kommenden Jahren 250 Millionen DM für den Ausbau der wisschenschaftlichen Hochschulen bereitstellen. Ich habe schon festgestellt, daß der Bund in seinem eigenen Haushalt um 30 Millionen DM unter dieser Summe geblieben ist und nur 220 Millionen DM eingesetzt hat. Damit wird das mit soviel Begeisterung verkündete Verwaltungsabkommen, bevor es in Kraft getreten ist, eigentlich unterboten. Wir fordern mit allem Nachdruck, daß die Vorschläge des Wissenschaftsrates nicht von vornherein durchlöchert werden.
Eine Bemerkung zu den Finanzmaßnahmen für die Heimatvertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegsgeschädigten. In den jeweiligen Einzelplänen sollen für diesen Personenkreis gewisse Anhebungen und Verbesserungen vorgenommen werden, die wir begrüßen. Auf der anderen Seite sind aber auch Kürzungen und Veränderungen vorgesehen, die einer sorgfältigen Prüfung bedürfen. Der insoweit sichtbar gewordenen Politik der Bundesregierung müssen wir mit allem Nachdruck unsere Auffassung entgegenstellen, daß die soziale Integration dieser Personengruppen noch manches zu wünschen übrig läßt. So wird zu prüfen sein, ob die Bedingungen des Mittelansatzes für die Räumung der Wohnlager und der Notunterkünfte ausreichen, um endlich die kurzfristige Beseitigung dieses menschlich nicht mehr vertretbaren Notstandes zu ermöglichen.
({2})
Wir bedauern auch ausdrücklich, daß die ursprünglich für Heimkehrer und ehemalige Kriegsgefangene vorgesehenen Hilfen auf Einspruch des Bundesarbeitsministers herabgesetzt worden sind.
Ein besonders schwieriges, aber auch dringliches Problem bleibt ferner die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Bauern. Die auf dem zweiten ostdeutschen Bauerntag auch seitens der Regierungsvertreter hierzu abgegebenen Zusagen sollten realisiert werden.
({3})
Vor allem sollte dafür gesorgt werden, daß die im Haushalt für die Siedlung angesetzten Mittel bereits am Jahresanfang zur Verfügung stehen, damit sich die Verzögerungen und Auseinandersetzungen des letzten Jahres nicht wiederholen.
({4})
Wir vermissen auch nach wie vor ernsthafte und konstruktive Maßnahmen seitens der Bundesregierung zum Problem der Alterssicherung dieses Personenkreises.
Die Erklärungen des Bundesfinanzministers zum Lastenausgleich bedeuten, daß die seit langer Zeit notwendigen Lösungen auf Eis gelegt werden sollen. Für die beschleunigte Abwicklung der Hauptentschädigung fehlen immer noch wirklich durchgreifende Bemühungen. Es wird nur auf die Mittel des Sondervermögens verwiesen. Die Vorfinanzierungsfrage ist offenbar fallengelassen worden. Auch in der Frage der Stichtagsänderung versucht die Bundesregierung auszuweichen. In der Regierungserklärung des vergangenen Jahres hat die Bundesregierung die soziale Gleichstellung der Flüchtlinge und ein Beweissicherungs- oder Feststellungsgesetz für diesen Personenkreis zugesichert. Trotz vieler Erklärungen des Bundesvertriebenenministers hat er bis heute aber keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Offenbar ist noch nicht einmal entschieden, ob ein Beweissicherungs- oder Feststellungsgesetz beabsichtigt wird, und infolgedessen ist auch noch nicht einmal die Zuständigkeit des Ressorts hierfür geklärt worden.
({5})
In dem Haushaltsplan drückt sich die Ratlosigkeit der Bundesregierung in dieser Frage aus. Wir können nur bedauern, wenn man in der Bundesregierung Gesichtspunkte der Bedarfsprüfung und Einkommensgrenze noch immer für ausreichend hält. Mit solchen Überlegungen für die Flüchtlingsgesetzgebung sollte man endlich Schluß machen.
({6})
Die Flüchtlinge haben nach unserer Auffassung Anspruch nicht nur auf die soziale, sondern auch auf die rechtliche Gleichstellung, und wir hoffen nur, daß der von der sozialdemokratischen Fraktion inzwischen eingereichte Entwurf eines Flüchtlingsgesetzes die Grundlage für eine konstruktive Arbeit auf diesem Gebiet geben wird.
({7})
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zum Schluß noch eine Anmerkung zu dem Teil der Rede des Herrn Bundesfinanzministers, in dem er von der Finanzierung des außerordentlichen Haushalts sprach. Diese Passage hat mich, offen gestanden, gefreut. Wenn der Bund 1963 seinen außerordentlichen Haushalt in vollem Umfange am Kapitalmarkt finanziert, so ist das nicht nur zu begrüßen, weil damit Steuererhöhungen vermieden werden sollen. Über das Kapitel ,,Steuern" wäre noch manches zu sagen, und einiges 'dazu wird sicher von meinem Freund Dr. Möller gesagt werden. Aber wenn der Herr Finanzminister dieser Feststellung hinzufügt, daß der Bund dadurch, daß er seinen Finanzbedarf in einem angemessenen Umfang über Anleihen deckt, Eigentum schaffe in Form von Wertpapieren in der Hand des Staatsbürgers, so muß von meiner Seite aus dazu gesagt werden, daß diese Politik nicht nur für den Haushalt 1963 richtig ist, sondern auch schon in früheren Jahren richtig gewesen wäre.
({8})
1 Damals hätte eine solche Politik, wie wir sie immer wieder gefordert haben, eine wirklich konjunkturpolitische Wirkung gehabt. Sie hätte antizyklisch gewirkt. Daß die Haushaltspolitik für das Jahr 1963 alles andere als antizyklisch ist, das bestätigen die Äußerungen der verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Institute, und diese Tatsache wird, wie ich glaube, sich erweisen.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben keinen Grund, den Haushaltsentwurf, den die Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1963 vorgelegt hat, mit besonderem Wohlwollen und etwa ohne große Reserve zu beurteilen. Wir werden uns seiner Beratung mit demselben Eifer widmen, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben. Wir werden Vorschläge machen, um die nach unserer Meinung notwendigen Gewichtsverschiebungen im Bundeshaushalt herbeizuführen, damit die Aufgaben erfüllt werden können, die nach unserer Auffassung ebenso vordringlich sind wie diejenigen, die die Bundesregierung in ihrem eigenen Entwurf besonders bevorzugt hat. Wir sind uns darüber klar, daß eine Reihe von Vorschlägen, von Absichten, die wir selber vorzutragen haben, Geld kosten, daß sie Mittel erfordern würden, und wir sind durchaus bereit, zu zeigen, wie man diese Mittel beschafft und in welchem Umfange die Vorschläge innerhalb der Grenzen des gegenwärtigen Haushaltsentwurfs der Bundesregierung realisiert werden können.
Das, meine Damen und Herren, habe ich von meiner Seite zu diesem Haushalt zu sagen; und im übrigen, glaube ich, werden wir in den Beratungen ) zeigen können, auf welchen Gebieten etwas getan werden kann und getan werden muß. Dort, wo wir sehen, welche Notwendigkeiten bestehen, Notwendigkeiten, die wir selber akzeptieren, werden wir uns nicht versagen, sondern diesen Notwendigkeiten Rechnung tragen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hätte ich heute nach den Vorankündigungen in manchen Gremien der Opposition in den letzten Wochen und Monaten heftigere Breitseiten gegen die Finanzpolitik der Bundesregierung erwartet, als sie soeben hier abgeschossen worden sind.
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- Ich weiß, Herr Kollege Dr. Möller wird ja aus seiner Wunderkiste einen neuen Steuersegen auf uns herabregnen lassen. Das kann ich also schon im voraus mit einkalkulieren. Aber ich muß im großen und ganzen sagen: alles, was hier vorgebracht worden ist, bestätigt im Grunde genommen nur, daß wir in diesem Jahre einen außerordentlich ausgewogenen Haushaltsentwurf bekommen haben. Und ich möchte noch etwas Weiteres dazu sagen, Herr Kollege Schoettle: daß von seiten der Opposition in dieser Lage niemand der Versuchung widerstehen würde, nachzusehen, wie stark der Kitt der Koalition
ist, das haben wir auch vorausgesehen. Aber ich glaube, daß man sich da täuschen wird.
Sie, verehrter Kollege Schoettle, haben ein Bukett von lauter neuen Ausgaben vorgelegt, die Sie zusätzlich zu dem verlangen, was im Bundeshaushalt 1963 vorgesehen ist. Die Versuchung, das alles einmal zusammenzustellen, läge natürlich nahe; aber ich möchte das nicht tun. Ich werde bei den einzelnen Punkten darauf zu sprechen kommen. Bei einigen Punkten möchte ich es allerdings bereits im voraus tun, weil hier einiges nicht so in der Welt stehenbleiben darf, wie Sie es vorgetragen haben.
Sie haben mit den auch von uns seit Jahren erwogenen Sanierungsmöglichkeiten bei der Bundesbahn angefangen. Von der Bundespost brauchen wir hier nicht zu sprechen; denn die ist nicht in einer derartigen Bedrängnis wie die Bundesbahn. Aber wer kann denn leugnen, daß regelmäßig, wenn sie haarscharf daran war, die roten und die blauen Zahlen in eine Balance miteinander zu bringen, eine neue Gehalts- oder Lohnerhöhung alles wieder über den Haufen geworfen hat?! Das wissen wir doch seit Jahren.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich folgendes, sagen. Wenn auch in den letzten Jahren durch ganz erhebliche neue Zuwendungen die Kapitalsituation der Bundesbahn wesentlich verbessert worden ist, so ist doch meinem Dafürhalten nach kein Anlaß, von Ihrer Seite jetzt zu sagen, die Tarifpolitik der Bundesbahn sei schlecht, weil sie nicht freiere Bewegungsmöglichkeiten habe. Ich möchte einmal das Geschrei hören, das ausbrechen würde, wenn wir der Bundesbahn ihre volle Tariffreiheit wiedergeben wollten. Was für Beschwerden würde es dann von allen möglichen Seiten und aus allen Ecken der Bundesrepublik hageln, wenn wir die bisherige Gebundenheit, die uns allerdings sehr viel kostet, aufheben wollten! Daß naturgemäß die jetzt bevorstehenden Gehaltserhöhungen auf der anderen Seite irgendwo ihren Ausdruck finden müssen, halte ich für völlig selbstverständlich, und das wird auch bei der Bundespost nicht anders sein können.
Geradezu unverständlich sind mir Ihre Bemerkungen über die Agrarpreise. Denn wenn man von einem Stand in Deutschland sagen kann, daß seine Preise in den letzten Jahren festgehalten worden sind und nicht mit gestiegen sind, dann ist es die Agrarwirtschaft.
({1}) Das läßt sich doch einfach nicht leugnen.
Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen zu den Leistungen der Länder machen; ich werde sie nachher noch vertiefen. Das Gesamtproblem werde ich näher erläutern, wenn ich auf die Gesamtfrage Bund, Länder und Gemeinden zu sprechen kommen werde. Aber eine Bemerkung kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen. Wenn hier schon von seiten der SPD dieser Salto mortale vollführt wird, der uns immer so sehr amüsiert, weil wir die Reden, die in den Jahren 1954, 1955 und 1956 gehalten worden sind, noch deutlich in den Ohren haben, und also plötzlich erklärt wird, die Länder könnten nicht mehr, dann frage ich mich, warum das für seine
Bundestreue - ich bin stolz darauf, das als „Neoschwabe" sagen zu können - bekannte Land BadenWürttemberg in seinem Haushalt 3 % schon für eine Änderung der Prozentsätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eingesetzt hat. Wenn das nicht alle Länder getan haben, wenn das vor allen Dingen zu meinem sehr großen Bedauern das reichste Land der Bundesrepublik, das Land Nordrhein-Westfalen, nicht getan hat, dann steht das auf einem anderen Blatt. Aber einige Länder haben es getan. Drei Länder haben ihre Haushalte überhaupt noch nicht eingebracht; infolgedessen kann man dazu noch gar nichts sagen. Zu der Frage, wie sich das auf die Gemeinden auswirken kann, werde ich nachher noch einige besondere Ausführungen machen können.
Es ist jetzt nicht notwendig, im einzelnen von den Verkehrsleistungen bis zur Filmpolitik zu sprechen und bis in die letzten Einzelheiten dessen einzusteigen, was man ausgeben oder wofür man mehr Geld ausgeben könnte. An Vorschlägen, den Haushalt auszuweiten, mangelt es ja nicht. Aber das große Kunststück unserer Tage besteht eben darin, die Ausgaben der öffentlichen Hand einigermaßen einzudämmen gegenüber den Notwendigkeiten, die sich heute auf allen Seiten ergeben.
({2})
Und da muß ich nun doch sagen, daß der Haushalt, den der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, nach seinem Gesamteindruck ein ermutigendes Beispiel des von uns immer geforderten Maßhaltens auch in den öffentlichen Haushalten ist.
({3})
Was die Schwerpunktpolitik anlangt, nämlich zuerst die Berücksichtigung der auch in meinen Auge zur Zeit vordringlichsten Aufgabe, der Verteidigungsausgaben, und dann, fast auf gleicher Ebene, schon das angekündigte Sozialpaket, so muß ich gestehen, daß ich darin eine gerechte Schwerpunktverteilung gemäß den heutigen Bedürfnissen des deutschen Volkes sehe. Daß wir naturgemäß mit manchen Ausgaben, die hier angekündigt worden sind, nicht auskommen werden, kann man heute wohl schon unschwer voraussehen. Es ist kein Geheimnis mehr, daß der Bundesfinanzminister schon in den letzten Monaten dieses Haushaltsjahres gezwungen sein wird, Vorgriffe auf den Verteidigungshaushalt des nächsten Jahres in einer Größenordnung von 700 bis 800 Millionen DM zu machen. Ich nehme an, daß sich diese Vorgriffe wahrscheinlich dann auch noch in irgendeiner Weise in einem Nachtragshaushalt 1963 niederschlagen könnten.
Uns ist sehr wohl bekannt, daß unsere Verbündeten hohe Anforderungen an uns stellen, und ich beneide den Herrn Bundeskanzler nicht um seine Aufgabe, die er in den Vereinigten Staaten zu lösen haben wird, wenn er sich dort mit den neuen Wünschen unserer Verbündeten konfrontiert sehen wird.
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- Herr Kollege Dr. Möller, Sie wissen genauso wie
ich, worum es hier geht, und da Ihr Kollege Ollenhauer vor diesem Hause gesagt hat, daß auch Sie bereit sind, das „Letzte„ - wie es wörtlich hieß - für die deutsche Verteidigung bereitzustellen, werden wir Sie beim Wort zu nehmen wissen, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird.
({5})
Allerdings glaube ich, daß man insgesamt wenig Nützliches leistet, wenn man jetzt schon im Vorkonzept die Stellung der Länder zu stärken versucht, indem man z. B. auf dem großen Gemeindevertretertag, den die SPD vor einigen Wochen in München abgehalten hat, schon Forderungen der deutschen Städte in einer Größenordnung von 157 Milliarden DM vorbringt. Ja, meine Damen und Herren, es ist doch kein Kunststück, Forderungen auch in noch größerer Höhe aufzustellen. Wir leben ja heute in einer Zeit, in der man Pläne macht, goldene Pläne. Städtepläne, Grüne Pläne! Alle möglichen Pläne werden heute aufgestellt. Die Frage ist nur: Wer kann das lezten Endes aufbringen auf der anderen Seite, ohne daß ein neuer Steuersegen auf die deutsche Bevölkerung niedergehen muß, wenn man das verwirklichen will?
Wir können wohl schon im voraus ein wenig das anpeilen, was Herr Kollege Dr. Möller uns wahrscheinlich nachher vortragen wird, nämlich die neuen Steuerpläne, die die SPD in ihrem Busen hegt. Da der hohe Präsident des Hauses vorhin einen Zwischenruf meines verehrten Kollegen Dresbach so wohlwollend aufnahm, möchte ich mir erlauben, aus dem letzten Buch von Parkinson „ ... alles von unserem Geld" nur einmal einige Sätze zu diesem Thema vorzulesen, weil sie gerade so gut hineinpassen. Er schreibt auf Seite 90 - „Die Umgehung der Steuer" -:
Die Untersuchung des britischen Steuerwesens muß ein Gefühl der Verwunderung hinterlassen, daß England das überhaupt ausgehalten hat. Daß das Land einen gewissen Wohlstand bewahrt oder wiedererlangt hat, ist sicherlich überraschend. Man bedenke jedoch, daß auch bei den früher erwähnten Beispielen aus der Geschichte die Folgen überhöhter Besteuerung nicht unmittelbar eingetreten sind. Weltreiche oder Länder, die von ihren eigenen Steuerbehörden abgewürgt werden, brauchen nicht unbedingt auf der Stelle zusammenzubrechen. Der Prozeß kann sich eine Weile hinziehen und verläuft anfangs unbemerkt.
Und dann zählt er weiter auf, was im einzelnen in der britischen Geschichte geschehen ist.
Und nun, meine Damen und Herren, komme ich zu dem aktuellen Anlaß. Es ist nicht ohne Tragik, wenn ein Mann wie Parkinson, der ja doch hinter seiner Ironie eine sehr abgewogene Weisheit und auch ein sehr tiefes Wissen verbirgt, dann auf Seite 60 einmal aufzählt, wie England in den Jahren 1904 bis 1913 verfahren ist, als es die Ausgaben für seine Flotte - ich lese mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal die Zahlen vor - innerhalb von zehn Jahren von 41 Millionen Pfund auf nur 45 Millionen Pfund steigerte, dagegen seine Fürsorgeausgaben
von 15 Millionen Pfund auf 35 Millionen Pfund erhöhte und dann beim Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht so bereitstand, wie das englische Volk es eigentlich von seiner Regierung erwartet hätte.
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Die Folgerung liegt auch heute nahe.
({7})
- Sie liegt auch heute sehr nahe! Wehe uns, wenn einmal spätere Geschlechter zu uns sagen sollten, daß wir die Forderungen unserer Stunde in unserer bedrohten Situation nicht richtig erkannt und nicht danach gehandelt haben!
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Was übrigens diesen neuen Steuersegen betrifft, der uns ja beschert werden soll, so können wir, glaube ich, ruhig auf das verweisen, was jetzt schon vor der Tagung der Deutschen Bankvereinigung im Rahmen der Zeitschrift für Kreditpolitik z. B. auch von Herrn Abs angedeutet worden ist: Eins wäre die sichere Folge, nämlich die Gefährdung eines wesentlichen Teils der Fortschritte, die bis jetzt in der EWG erreicht worden sind, und die unweigerliche Einführung einer neuen Devisenbewirtschaftung oder das Ende der Konvertibilität der deutschen Währung.
Das wäre wohl die notwendige Folge. Ob Sie sie riskieren wollen, meine Damen und Herren von der Opposition, das ist Ihre Sache. Wir sind jedenfalls nicht bereit, diesen Weg zu gehen.
Dieser neue Haushalt sollte ein Beispiel geben für die Möglichkeiten der Eindämmung der Wünsche mit dem Ziel, zu einer Stabilisierung von Preisen und Löhnen zu kommen. Wir dürfen, glaube ich, nicht müde werden, auf die schicksalhafte Verkettung einiger entscheidender Zusammenhänge immer wieder von neuem hinzuweisen, nämlich darauf, daß der Sozial- Rund der Lebensstandard des deutschen Volkes nur möglich ist bei einer Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt und daß ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dieser Wettbewerbsfähigkeit, der Vollbeschäftigung und dem Lebensstandard gegeben ist.
Diese Dinge werden heute in den Diskussionen nicht immer so bewertet, wie es der Fall sein sollte. Ich möchte in diesem Zusammenhang gern das Zeugnis gerade eines Mannes anführen, den ich persönlich als Fachmann und als Menschen außerordentlich schätze und der, glaube ich, nicht in dem Geruche steht, ein ausgesprochener Befürworter der CDU-Politik zu sein. Ich möchte hier einmal einige Sätze aus .der Rede zitieren, die Herr Dr. Troeger, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, bei der Herbsttagung des Vereins für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik erst jüngst am 29. Oktober in München gehalten hat. Er hat übrigens sehr interessanterweise darauf hingewiesen, daß sich nach den bis jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten in der Zeit von 1895 bis 1914, also einer Zeit einer von einigen Wellentälern durchbrochenen, aber sonst ziemlich konstanten Aufwärtsentwicklung der deutschen Wirtschaft, das Preisniveau jährlich um 1,9% gehoben hat, daß also auch damals schon ähnlich Klagen hätten laut werden sollen, wie sie heute laut werden. Aber was viel wichtiger erscheint, ist doch das, was er heute im wesentlichen an unsere eigene Adresse und auch an andere Adressen gerichtet gesagt hat. Er hat einen europäischen Vergleich angestellt über die Zunahme der Bruttolöhne und .der Gehälter aller Erwerbstätigen von 1960 zu 1961 und von 1961 zu 1962 im ersten Halbjahr, und er hat eine Zuwachsrate von 10,1% in der Bundesrepublik, für den gleichen Zeitraum in der französischen Industrie - es handelt sich wohlgemerkt um die Zuwachsrate in der Industrie, nicht insgesamt gesehen; das möchte ich hier einschränkend sagen - von 8 %, in der schwedischen von 5 %, in den USA von 4 % und in der englischen weiterverarbeitenden Industrie von nur 3 % gegenübergestellt.
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- Der Ausgangspunkt ist das Jahr 1961, Frühjahr, erstes Halbjahr 1962. Das sind Zahlen, die Sie alle, wenn Sie daran zweifeln, in der sehr lesenswerten Darstellung im September-Heft der Deutschen Bundesbank nachprüfen können.
Dr. Troeger sagt dann wörtlich dazu:
Wir sind mit dieser Entwicklung inzwischen bei einem Punkt angelangt, wo es ohne Schaden im gleichen Sinne nicht weitergeht. Die Verteuerung der Erzeugung, die in die Preise unserer Ausfuhrgüter eingeht, während gleichzeitig die ausländischen Erzeugnisse auf unseren Märkten vordringen, hat sich bereits deutlich in der Außenhandelsbilanz niedergeschlagen.
Sie kennen ja alle die erhebliche Steigerung der Einfuhr und auf der anderen Seite das nur schwache Wachstum der Ausfuhr. Am Schluß macht er eine beinahe tragische Bemerkung, indem er sagt:
Heute ist das wirtschaftspolitische Postulat Nr. 1 die Vollbeschäftigung - bei Strafe des Unterganges der Demokratie, so daß sich die Schwankungen in der Volkswirtschaft nicht auf dem Arbeitsmarkt, sondern in dem elastischen Preisniveau und in dem Saldo der Zahlungsbilanz zeigen.
Es gibt viele solcher Stimmen, aber diese erschien mir in ihrer Kürze und in ihrer gedrängten Folgerichtigkeit hier durchaus vortragenswert zu sein.
Ich möchte hier auch nicht näher auf das wachsende Defizit im Kapitalverkehr eingehen, ein Defizit von 5 Milliarden DM bereits im Jahre 1961; und das trotz der DM-Aufwertung von 5 % im vergangenen Jahr.
Lassen Sie mich jetzt aber doch zu dem kommen, was ich als den Schlüssel zur Eindämmung der Konjunkturüberhitzung überhaupt ansehe und wovon auch sehr viel für unsere Haushaltspolitik im Jahre 1963 abhängen wird. Wir befinden uns bei diesem Haushalt und auch im Haushaltsausschuß ganz besonders in einem gewissen Dilemma; ich möchte das keineswegs verkennen. Wir haben auf der einen Seite die Notwendigkeit, Bauten einzudämDr. Vogel
men, und wir haben deshalb im Haushaltsgesetz auch die Weiterführung des Baustopps und die entsprechenden Möglichkeiten für das Bundesfinanzministerium. Auf der anderen Seite haben wir die Notwendigkeit, die Verteidigungsbauten weiterzuführen. Denn wenn die Zahlen, die der Bundesfinanzminister in seiner Rede genannt hat, stimmen, daß die Zahl der Soldaten auf 443 000 und vor allen Dingen die Zahl der Zivilbediensteten der Bundeswehr auf rund 170 000 ansteigt, dann erfordert das alles auch Wohnungen zur Unterbringung der Leute und zur Unterbringung des Personals selbst. Die Zahl von 56 Millionen DM Trennungsentschädigungen, die wir allein nur für die Bundeswehr aufbringen müssen, spricht hier eine nur zu beredte Sprache.
Auch die Inanspruchnahme von 180 Millionen DM Bindungsermächtigungen im Einzelplan 14 kann ich in diesem Zusammenhang für den Vollzug des Haushalts 1962 nicht unerwähnt lassen. Wir haben darüber hinaus, wie ich glaube, die Verpflichtung, die Menschen, die noch in Lagern wohnen, anständig unterzubringen. Wir haben den nicht abreißenden Zustrom zu den Ballungszentren; München nimmt jährlich um 30 000 Menschen zu, und es ist auch in anderen Großstädten nicht anders. Wir haben weiter den Nachholbedarf von Kommunen; wir haben das neue Hochschulausbauprogramm und das Ingenieurschulausbauprogramm vor uns; schließlich haben wir die gesamte Problematik neuer Schulbauten als Folge der Einrichtung des neunten, zum Teil auch schon des geplanten zehnten Schuljahres vor uns, ein Programm, das Professor Edding auf insgesamt mindestens 20 Milliarden DM nach den Preisen von 1959 berechnet hat. Man kann also heute noch 30 % daraufschlagen. Dies alles zusammen bewirkt eben die Steigerung des Preisindex für Leistungen an Wohngebäuden um 11%, die er in der Mitte dieses Jahres höher war als in der Mitte des vergangenen Jahres. Der Haushaltsplan ist im Begriff, hier mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen in Ansehung dieser unabdingbaren Leistungen, die vollbracht werden müssen, trotzdem noch Bauten einzudämmen, und er hat die Vorkehrungen dafür im Haushaltsgesetz geschaffen. Daher auch die Nichtmehrerhöhung der Mittel für Straßenbauten, bei denen übrigens ganz zu Recht darauf hingewiesen worden ist, daß die unteren ausführenden Instanzen heute einfach nicht mehr in der Lage sind, dieses Geld sinnvoll auszugeben.
Jeder hat in seinem Wahlkreis, glaube ich, Beweise dafür vorliegen, daß wir auch in diesem Hohen Hause zuerst einmal zwei Aufgaben lösen sollten, wenn wir tatsächlich in vollem Zuge das ausgeben wollten, was aus der Mineralölsteuer etc. entspringen würde. Das eine wäre eine entsprechende riesige Verstärkung der Straßenbaubehörden auf der Länderebene, die aus Mangel an Personal zur Zeit nicht durchführbar ist. Das zweite wären wesentliche Änderungen in dem bisherigen Rechtsverfahren bei Enteignungen und bei den Verhandlungen mit den betreffenden Grundeigentümern. Jedem von uns sind die Fälle bekannt, in
denen er sich als Abgeordneter auch mit den Wünschen der Betroffenen auseinandersetzen muß, die mit Recht sagen, sie wollen keine neuen Häuser haben, sondern sie wollen in ihren alten Häusern bleiben, aber man sollte ihnen persönlich keine neuen Ausgaben zumuten. Jeder von uns kennt die Preise, die verlangt werden, wenn Grund und Boden abgetreten werden soll. In meinem eigenen Lande ist es so, daß jemand auch wegen der Abtretung von 12 qm bis zum Kabinett von Baden-Württemberg hinauf seinen Rechtsweg verfolgen kann. Daß das natürlich Zeit und dreimal Zeit kostet, ist allen Beteiligten bekannt, und daß sich das darüber hinaus auch auf die tatsächliche Verausgabung der zur Verfügung gestellten Summen niederschlagen muß, auch das, glaube ich, darf man als bekannt voraussetzen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier noch einmal einige eigene Vorschläge machen, wie man vielleicht diesem Problem an den Leib gehen könnte, auf der einen Seite das Notwendige zu tun und auf der anderen Seite das Überflüssige zu unterlassen. Ich schlage Ihnen hiermit vor, daß man auch im Haushaltsausschuß ernstlich daran denkt, eine kleine, aber hochqualifizierte Kontrollgruppe zusätäzlich für die Überprüfung der Baupläne im Zusammenhang mit dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit zu schaffen und diese Kontrollgruppe auf der Landesebene durch enge Zusammenarbeit mit den Ländern, mit den einzelnen Landesrechnungsämtern auszudehnen. Denn der Verdacht ist berechtigt, daß heute vielfach zu aufwendig und zu wenig sparsam gebaut wird bei aller Notwendigkeit der Bauten.
({10})
- Ich möchte hier nur einmal ein Beispiel geben aus einer sehr naheliegenden Stadt - ich will sie aus bestimmten Gründen hier nicht nennen -, einer sehr, sehr bekannten Großstadt. Dort sind in den Haushalt 1963 4 Millionen DM an Zinseinnahmen eingestellt für das aufgestaute Geld, das nicht ausgegeben werden kann. Dabei ist das keineswegs eine sehr reiche Stadt.
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- Die Sparkasse freut sich, Herr Kollege Seuffert. Die Stadtkasse, die an sich ein Minusunternehmen sein muß, bringt in dieser Stadt einen Überschuß von 1,5 Millionen DM zuwege. Sie können daraus Rückschlüsse auf die Größenordnung der Summen ziehen, die sich hier gestaut haben, weil die Bauvorhaben nicht durchgeführt werden. Darauf kommt es mir in diesem Augenblick an.
Der Bundeswirtschaftsminister - ich habe immer beklagt, daß er es nicht getan hat - sollte sich sein Instrumentarium einmal ansehen, mit dem er gegenwärtig in der Lage ist, mehr als bis jetzt auf eine vernünftige Lenkung der Kapitalströme einzuwirken, die sich meiner Überzeugung nach nicht in der richtigen Richtung bewegt haben. Wenn wir in den letzten zwei Jahren 50 % der aufgebrachten Ersparnisse nur für Bauten aufgewandt haben, lag auf
diesem Gebiete eine offensichtliche Fehlentwicklung vor, die nicht zuletzt zu der Überhitzung in der Bauwirtschaft beigetragen hat. Der Kapitalmarkt ist in einer übermäßigen Weise durch Pfandbriefe, Kommunalobligationen und Schuldscheindarlehen, letztere in einer Größenordnung von fünf bis sechs Milliarden, dazu noch steuerbegünstigt, in Anspruch genommen worden. Hätte eigentlich nicht der ungeheure Druck auf den Arbeitsmarkt und das ständige Steigen der Preise zu einer verstärkten Anstrengung führen müssen, die Automation und Rationalisierung voranzutreiben, anstatt das Geld zu einem übergroßen Teil nur in diese Bauten hineinzutun?! Ich spreche hier keineswegs von einer Kapazitätsausweitung - das ist etwas anderes -, sondern ich spreche von arbeitersparenden Maßnahmen, die hätten getroffen werden müssen, um unsere Konkurrenzfähigkeit vor allem auf dem Weltmarkt sicherzustellen.
Ein weiterer Vorschlag von mir - er ist nicht neu, das ist im Jahre 1955 schon einmal, ich glaube, mit Erfolg angewandt worden - betrifft die Befreiung der Überstunden von der Lohnsteuer. Ich glaube, daß sehr viele meiner Freunde 'durchaus bereit wären, eine dementsprechende Initiative mitzumachen.
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Lassen Sie mich noch ein Weiteres zu einem ganz anderen Problem sagen, das sich uns aufdrängt, wenn wir uns den Nachtragshaushalt und den Haushalt 1963 insgesamt ansehen. Herr Kollege Schoettle hat vorhin an dem Haushalt bemängelt, daß man nicht bereits bestimmte Summen für die sich jetzt schon abzeichnende, neue soziale Gesetzgebung in den Haushalt aufgenommen hat. Herr Kollege Schoettle, von uns beiden ist häufig als Beispiel die Lage des britischen (Schatzministers zitiert worden. Wenn auch bei uns der Finanzminister sicher wäre, daß er nur einmal im Jahr dem Parlament Ausgaben vorzulegen hätte, und wenn jeder, der weitere Ausgaben vom Hohen Hause verlangte, zuerst bei ihm anfragen müßte, ob er seine Zustimmung gibt, auch wenn er zur Opposition gehörte, dann wären sowohl der Bundesfinanzminister wie auch wir in einer wesentlich günstigeren Position. So kann er sich meiner Überzeugung nach nur an das halten, was wir in den letzten Jahren 'wohl doch durchgehalten haben, nämlich keine Ausgaben in den Haushalt einzusetzen, 'wenn die entsprechenden Gesetze nicht da sind. Hier könnten Sie vielleicht vorschlagen, man solle einen Merkposten in der Höhe von einigen hundert Millionen D-Mark einsetzen. Aber das würde eben ein Prinzip durchbrechen, das sich auf manchen anderen Gebieten als nützlich und richtig erwiesen hat.
Man darf bei dieser Gelegenheit auch nicht verhehlen, daß die gegenwärtige Haushaltslage kassenmäßig äußerlich weitaus günstiger aussieht, als sie in Wirklichkeit 'ist. Dier Bundesfinanzminister hat das in einer Passage seiner Rede ganz kurz angedeutet. Er hat uns allerdings dabei nicht verraten, daß er eine 'Zeitlang an einem EWG-Topf naschen konnte, das aber im nächsten Haushaltsjahr wiedergutmachen muß, daß er also Ausgaben voir sich herschieben muß: daß aber die Dinge im Grunde genommen wesentlich schlechter aussehen, als sie sich auch in den Ausweisen der Bundesbank gegenwärtig niederschlagen. Viele Ausgabenotwendigkeiten sind praktisch für das Haushaltsjahr 1963 vor uns hergeschoben, so Verteidigungsleistungen.
Ich bedauere ganz aufrichtig - der Herr Bundesfinanzminister wird dafür wohl volles Verständnis haben -, daß wir nicht in der zweiten Tranche statt 225 Millionen DM 400 Millionen DM Anleihen aufgelegt haben. Ichglaube, das Haushaltsbild hätte von idem Extraordinarium her mehr an Klarheit, Gewicht und Durchschlagskraft vor dem Hohen Hause gewonnen, wenn wir das getan hätten. Ich weiß, Sie werden darauf wahrscheinlich antworten, daß man den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen soll, wenn man das Geld aus anderen Töpfen nehmen kann. Aber die Folgerungen, die sich daraus für Sie ergeben, sind eben die, daß Sie im nächsten Jahr in größere Schwierigkeiten geraten werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich auf die einzelnen Ausführungen in der Rede des Bundesfinanzministers zu sprechen kommen, die sich vor allen Dingen auf die Ausgabepositionen bezogen. Da ist zunächst ein Posten, der unsere Aufmerksamkeit geradezu herausfordert. Es sind die sehr hohen Abschöpfungsbeträge beim Agrarhaushalt in einer Größenordnung von 1010 Millionen DM, die um 610 Millionen DM höher sind als im Jahre 1962.
Der Herr Bundesfinanzminister hat damit mit vollem Recht - ich glaube, hier stehen wir alle voll und ganz hinter ihm - die Forderungen nach einer gerechteren Lastenverteilung unter den Mitgliedsstaaten der EWG in den nächsten Jahren verbunden. Lassen Sie mich hier gleich einmal etwas einfügen. Heute morgen las 'ich in den Zeitungen, daß unsere französischen Freunde darüber erbittert sind und sich darüber beschweren, wir hätten ihnen von ihrer großartigen Getreideernte in diesem Jahr - wir haben ja auch eine sehr große Ernte, eine Rekordernte, die mit 15,5 Millionen t wahrscheinlich sogar größer sein wird als die des Rekordjahres 1960 - nur 24 000 t Weizen abgekauft, während wir aus anderen Ländern 124 000 t gekauft hätten.
Hier, meine Damen und Herren, muß einmal etwas ganz offen ausgesprochen werden. Man kann, glaube ich, von uns - denn diese Abschöpfungsbeträge werden später einmal zu einem großen Teil in den gemeinsamen Topf wandern - nicht auf der einen Seite einseitige Leistungen verlangen, während auf der anderen Seite z. B. - ich zähle es hier einmal nach den mir zugänglichen Daten der entsprechenden Verbände auf - die Einfuhrbelastung bei Automobilen im Verhältnis Italien zu Deutschland 41 : 16 % und im Verhältnis Frankreich zu Deutschland 51 : 17 % beträgt. Wenn man auf der einen Seite von uns Leistungen verlangt, dann sollte man unserer industriellen Ausfuhr auf der anderen Seite aber auch nicht diese Hindernisse entgegensetzen,
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sondern dann sollten wir die Ausgleichsmöglichkeit erhalten.
Wir haben eine Steigerung der Milchsubventionen auf über 600 Millionen DM. Ich möchte hier doch sehr ernstlich anheimstellen, im Bundesernährungsministerium und bei den künftigen Verhandlungen in der EWG zu prüfen, ob man nicht bei dem Sichgegenseitig-Hinaufsteigern der Subventionen zwischen den einzelnen Ländern innerhalb der EWG zu einer Übereinkunft kommen könnte, damit diese Subventionen in der Zukunft, wenn nicht wegfallen, so doch zum mindesten sich auf einen vernünftigen Grad ermäßigen lassen könnten.
Wenn ich mir überlege, daß in einem Haushalt mit zwei kleinen Kindern bei einem Milchverbrauch von täglich anderthalb Litern, sagen wir einmal, 10 Pf mehr aufgewendet werden müssen, so ergibt das, multipliziert mit 30, monatlich eine Summe, die durchaus pro Haushalt in einem tragbaren Verhältnis zu den 1,2 Milliarden DM steht, die wir jetzt allein als Kinderzulagen für das Zweitkind innerhalb von anderthalb Jahren zusätzlich ausgeben.
Wer sich heute draußen in der Landwirtschaft umhört - ich selber habe einen zur Hälfte landwirtschaftlichen Wahlkreis -, kann doch nicht an der wachsenden Unruhe vorbeigehen, die durch die immer schärfer werdende Not an Arbeitskräften hervorgerufen wird, aber auch durch die Entwicklung der Erzeugerpreise und das Professorengutachten, um nur einmal die wichtigsten Punkte hier aufzuzählen. In dem vorliegenden Haushalt sind im wesentlichen nur die alten Ziffern des Grünen Plans 1962 aufgenommen. Der Grüne Bericht 1963 liegt uns noch nicht vor. Er wird - das kann man jetzt sicher unschwer voraussehen - da er immer nur ein Jahr rückwärts die Ergebnisse aufzeigt, auch die Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft gegenüber dem letzten Jahr aufzeigen. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß sich auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes hier noch Mehrleistungen sowohl auf wirtschaftlichem wie auf sozialpolitischem Gebiet abzeichnen könnten.
Lassen Sie mich jetzt zur Beamtenbesoldung kommen. Ich bin dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er bei der Aufzählung dessen, was die Bundesregierung selbst auf diesem Gebiet beabsichtigt, einmal die Gesamtbelastung dargestellt hat. Sie beträgt einschließlich Bundesbahn und Bundespost für das Haushaltsjahr 1963 eine runde Milliarde DM. Das ist eine sehr gewichtige Summe. Es ist auch bekannt, daß es in der Absicht des Herrn Bundeskanzlers selbst liegt, zu einer Aufbesserung der Bezüge der Beamten, vor allem des unteren und des mittleren Dienstes, zu kommen. Mit der Anhebung am 1. 1. und am 1. 4. mit der familiengerechteren Lösung bei den Ortszuschlägen einschließlich der Kindergeldzuschläge wird ein wesentlicher Schritt in dieser Richtung bereits getan. Da bei der Bundespost und der Bundesbahn gleichfalls die Fragen der Dienstpostenneubewertung zu neuen Vorschlägen heranreifen, kann für rund 90 % der gesamten Beamtenschaft eine beachtliche Anhebung erwartet werden.
Aber die Ausgabe wird der Bundesregierung durch das Anwachsen der Zahl der Besoldungsempfänger - z. B. allein schon bei den langdienenden Soldaten - keinesfalls einfacher gemacht, und die Verbesserungen werden sich - und das wird leider zwangsläufig sofort der Fall sein - bei Bundesbahn und Bundespost in entsprechenden Tarifanhebungen ausdrücken müssen, weil sie nicht vom Steuerhaushalt des Bundes insgesamt übernommen werden können.
Der Bundesfinanzminister selbst hat auf die Notwendigkeit vermehrter Bundesbahneinnahmen hingewiesen und sich dagegen gewandt, den Bundeszuschuß über die 1,2 Milliarden plus der Garantie für die 500-Millionen-DM-Anleihe im Haushaltsjahr 1963 hinaus weiter anwachsen zu lassen. Hier wird die Wechselbeziehung zwischen höheren Gehältern und Löhnen auf der einen Seite und Preisen auf der anderen Seite offensichtlich.
Man kann aber - hier spreche ich eine persönliche Meinung aus - angesichts der Anhebung bei den Beamten nicht an den zwangsläufigen Folgen bei den Angestellten des öffentlichen Dienstes vorbeisehen. Vor Jahren waren die Angestelltengehälter im Durchschnitt, vor allem beim höheren Dienst, etwas höher als die der Beamten mit gleicher Dienstpostenbewertung. Das hat sich in den letzten Jahren leider zuungunsten der Angestellten verschoben. Wir werden daraus wahrscheinlich einmal Konsequenzen ziehen müssen.
Selbst die beste Harmonisierungsnovelle wird nicht das ausgleichen können, was das Ergebnis einer sehr wesentlichen Verbesserung des Stellenkegels ist, die man vor allen Dingen bei den Gemeinden ohne Rücksicht auf das, was sich daraus zwangsläufig für den Bund ergibt, vorgenommen hat. Auch hier erhebt sich die Forderung nach einem besseren und geschlosseneren Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt. Ich glaube, daß das eine Folge der neueingeleiteten Gesetzgebung sein wird, und ich hoffe auch, daß wir hier die Zustimmung aller Beteiligten erhalten werden.
Wir stehen jetzt vor dem Eintritt in die Endphase der EWG. Es ist deswegen an der Zeit, auch einmal das Neben- und Durcheinander bei Bund, Ländern und Gemeinden ganz objektiv und nach reinen Zweckmäßigkeitserwägungen zu beleuchten, um dort, wo wir es können - unsere Möglichkeiten sind da sehr begrenzt -, an eine Neuordnung heranzugehen. Ich denke hier vor allem an eine einheitliche Kommunalverfassung, durch die gewisse aus der Besatzungszeit überkommene Relikte ausgeräumt werden sollten.
Der Herr Bundesfinanzminister hat sich dadurch ein Verdienst erworben, daß er einmal die Gesamtaufwendungen der öffentlichen Hand zusammengestellt hat, die seit der Währungsreform für die Beseitigung von Folgen des Krieges und der NS-Herrschaft erbracht worden sind, und hier die Gesamtsumme von 270 Milliarden DM der Öffentlichkeit mitgeteilt hat. Ich glaube, das deutsche Volk hat Grund, stolz zu sein auf das, was es hier vollbracht hat. Aber der Minister war auch gezwungen, sich mit neuen, weitergehenden Forderungen auseinanderzusetzen. Auf Seite 49 des verteilten Manuskripts seiner Rede heißt es, „daß die Leistungen
der Bundesrepublik für die Wiedergutmachung alle damaligen Vorstellungen weit übertroffen haben". Die Kollegen des Haushaltsausschusses und wohl auch der entsprechenden anderen Ausschüsse werden sich noch erinnern, daß der damalige Finanzminister Schäffer seinerzeit von 6 Milliarden DM Leistungen ausgegangen war. Demgegenüber ist festzustellen, daß in den letzten zehn Jahren nach der Darstellung des Bundesfinanzministers bereits 20 Milliarden DM gezahlt worden sind und weitere 8 bis 10 Milliarden DM voraussichtlich noch gezahlt werden.
Niemand wird bestreiten können, daß hier eine ganz außerordentliche Anstrengung des deutschen Volkes vorliegt, um begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Aber der Bundesfinanzminister wird es mir als Heimatvertriebenem, da er vor allen Dingen selber schlesischer Landsmann und Vertriebener ist, sicher nachsehen, wenn ich hier einmal auf das Verhältnis von 46 Milliarden DM Lastenausgleichsaufbringung für den Riesenkreis von annähernd 13 Millionen Vertriebenen insgesamt verweise und das nicht gerade für letztlich befriedigend halte. Ich denke hier vor allen Dingen an zwei Kategorien unter den Vertriebenen, nämlich die vertriebenen Bauern und zu einem großen Teil die vertriebenen Gewerbetreibenden, die nicht mehr in der Lage waren, sich eine entsprechende, einigermaßen vergleichbare neue Existenz in ihrer neuen Heimat aufzubauen.
Völlig überein stimme ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister in seinen Ausführungen hinsichtlich des Reparationsschädengesetzes auf der Grundlage des Lastenausgleichs. Ich glaube, wir können hier gar nicht anders verfahren, wenn wir nicht eine Kettenreaktion auslösen wollen.
({14})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Förderung des Sparens ein wesentliches Ziel jeder Regierung sein wird, leuchtet ein. Seit langen Jahren haben die Regierungen Dr. Adenauers dieses Ziel konsequent verfolgt. Es wurden Förderungsmaßnahmen schon unter dem Vorgänger des Bundesfinanzministers neu geschaffen, die erwarten lassen, daß sich die Belastungen des Haushalts allein aus dem Sparprämiengesetz auf 800 Millionen DM im kommenden Haushaltsjahr belaufen werden. Wenn ich mich nicht täusche, sind bereits jetzt nach einer Zahl, die mir vorlag, rund 15 % aller Sparbeträge insgesamt in irgendeiner Form begünstigt. Wenn ich mich nicht täusche - ich bitte aber, mich nicht darauf festzulegen -, stammt die Angabe von Herrn Butschkau, einem immerhin so prominenten Kenner der Verhältnisse.
Unbestreitbar wurde in der Eigentumsbildung durch die systematische Begünstigung der Bausparverträge eine - ich möchte das hier ruhig einmal sagen - historische Leistung durch die von uns gestellten Regierungen seit der Währungsreform in der Schaffung von Eigentum vollbracht. Die Wohnungsbauprämien und die begünstigten Bausparverträge erhalten Zuschüsse von insgesamt 1,1 Milliarden DM jährlich von Bund und Ländern gemeinschaftlich. Ich glaube, es wird aber jetzt langsam die Zeit herankommen, wo wir bei diesen insgesamt 1,1 Milliarden DM, von denen, wie gesagt, ein Teil auf die Länder entfällt und 800 Millionen auf den Bund, prüfen werden, ob der noch erzielbare zusätzliche Effekt in einer vernünftigen Relation zu den aufzuwendenden Kosten stehen kann.
Die Bundesbank gab unlängst bekannt, daß der Zuwachs der Ersparnisse im ersten Halbjahr 1962 mit 8,5 Milliarden DM gegenüber dem ersten Halbjahr 1961 leider einen Rückgang von 300 Millionen aufweist. Es wird dabei auf die außergewöhnliche Steigerung der Sparquote im ersten Halbjahr 1961 durch die Ausgabe der VW-Aktien verwiesen. Aber ich glaube, über die Psychologie der deutschen Sparer wissen wir alle miteinander noch nicht genügend. Im Grunde genommen sollten wir froh sein, daß das Sparvolumen der Einkommen trotz der Preissteigerungen um 2,8 % sich über 8 % gehalten hat, also auf einem so hohen Level. Im großen und ganzen können wir mit der Sparfreudigkeit der deutschen Bevölkerung trotz dieses Rückgangs im ersten halben Jahr zufrieden sein.
Es mag sein, daß viele Sparer, die auf Großobjekte hin sparen wie eigene Häuser usw., nur deswegen 'heute Sparkonten in der Höhe haben, weil sie normalerweise jetzt nicht zum Ziel ihrer Wünsche gelangen können, und zwar infolge der Baupreissteigerungen und der Verteuerungen bei einem Bauüberhang von mindestens 800 000 Wohnungen.
Meine Damen und Herren, über das Sozialpaket zu diskutieren, wie das mein verehrter Vorredner getan hat, und die sich daraus ergebenden finanziellen Forderungen hier im einzelnen darzulegen, sollten wir, glaube ich, den Verhandlungen in den nächsten Tagen überlassen. Die Bundesregierung hat uns angekündigt, daß sie die entsprechenden Gesetze alsbald vorlegen wird. Ich glaube, dann wird Zeit sein, sie vor dem Hohen Hause mit der ihrer Bedeutung gebührenden Aufmerksamkeit zu diskutieren.
Mit allem Nachdruck stellen meine Freunde und ich uns hinter die Erklärungen über die Entschlossenheit der Bundesregierung, keine neuen Steuern zu erheben.
({15})
Das möchte ich gegenüber den leicht voraussehbaren Plänen der Opposition hier mit allem Nachdruck noch einmal erklären.
Über das Kapitel eines erweiterten Steueranteils des Bundes bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer wäre noch sehr lange zu diskutieren. Ich möchte das hier in dem Ausmaße nicht tun, wie ich es eigentlich tun sollte. Nach dem Besuch der Ministerpräsidenten beim Herrn Bundeskanzler ist eine Kommission gebildet worden, die sich über dieses Thema aussprechen soll, bevor man sich auf entsprechende Prozente 'festlegt. Ich glaube, man sollte diese höchst diffizilen Verhandlungen nicht vorzeitig erschweren, indem man hier Anmerkungen
macht, die dann vielleicht zu Bitterkeiten Anlaß geben könnten.
({16}),
- An Bayern?
({17})
- Das wird meinem Kollegen Niederalt ein wahrer Trost sein, Herr Kollege Dresbach, daß Sie das hier festgestellt haben.
({18})
- Herr 'Seuffert, das tut ihnen jetzt in der Seele weh; früher war das anders.
({19})
- Da kann ich Ihnen beim besten Willen nicht widersprechen, Herr Kollege Dresbach.
Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß die Erhebung einer Ergänzungsabgabe, wie sie von manchen Kreisen, vor allen Dingen von der Opposition, wiederholt gefordert worden ist, schon angesichts der jetzigen Progression bei der Einkommensteuer unbedingt vermieden werden sollte.
({20})
Nachdem soeben die Kommission der EWG in Brüssel dem Ministerrat den Entwurf einer Ersten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern zugeleitet hat, möchte ich mich hier nicht ausführlich mit der Notwendigkeit einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer befassen. Dies wird sicher bei der Diskussion der vorliegenden Großen Anfragen der Fraktionen zur Steuergesetzgebung in den nächsten Tagen ausführlich geschehen. Schon jetzt aber wird das Hohe Haus gut daran tun, sich weitaus stärker als bisher mit den unausweichlichen Folgen der Verwirklichung der EWG auf dem Gebiete der Vereinheitlichung des Steuerwesens, der Sozialgesetzgebung und nicht zuletzt des Währungswesens zu befassen. Alle drei Ziele wirken sich ungeheuer stark auf jeden Haushalt des Bundes in der Zukunft aus. Die Weichen werden jetzt gestellt. Sorgen wir dafür - meine Damen und Herren, diesen Appell möchte ich mit allem Ernste vortragen -, daß wir in der Bundesrepublik mehr als bis jetzt die besten Köpfe und Experten und alle jene so seltenen Leute, denen auch mal etwas Neues einfällt, mobilisieren, um unseren Ministern im Ministerrat und unseren Fachleuten in den einzelnen Fachkonferenzen in der EWG bei den kommenden Verhandlungen zur Seite zu stehen. Ich glaube, hier von der personalpolitischen Seite her Sparsamkeit walten zu lassen, wäre Sparsamkeit am falschen Platze. Wir werden uns gezwungen sehen, hier bestimmte Konsequenzen auch im Haushaltsausschuß zu ziehen
Der Ruf nach einer größeren Koordination ertönt ja nicht nur in Brüssel, sondern in außerordentlicher Lautstärke auch in den Vereinigten Staaten, in Kanada und noch anderwärts jenseits des Ozeans,
wenn man die von mir nicht ganz verstandenen Deflationsschreie des früheren Präsidenten Peer Jacobsson hört.
Es wäre noch eine Fülle von einzelnen Bemerkungen zu der sehr langen und sehr ausführlichen Rede des Herrn Ministers zu Haushaltseinbringung zu machen.
Wie in jedem Jahr so möchte ich mich auch in diesem der Dankesschuld gegenüber den Beamten des Bundesfinanzministeriums entledigen, die uns den - qualitativ wie immer - ausgezeichneten Finanzbericht 1963 vorgelegt haben, der wie immer eine wertvolle Fundgrube nicht nur für unsere Haushaltsreden, sondern darüber hinaus für unsere Gesamtbetrachtung des Haushalts ist.
Ich darf lin diesem Zusammenhang vielleicht auch auf die sehr nützliche Arbeit in Heft 60 des Instituts Finanzen und Steuern „Die Grundlagen und Möglichkeiten einer organischen Finanz- und Steuerreform" verweisen. Es wäre überaus wünschenswert, wenn sich auch andere Institute in Deutschland mit dieser so spröden und so schwer darzustellenden Materie mehr als bis jetzt befaßten.
Ist man nicht- das möchte ich, auf den Schluß kommend, noch sagen - als langjähriges Mitglied des Haushaltsausschusses beinahe verpflichtet, zu fragen, ob nicht die Reform der Reichshaushaltsordnung mehr als bis jetzt vorangetrieben werden sollte? Denn fast scheint es uns, daß nach den unglücklichen persönlichen Umständen, vor allem nach dem überaus bedauernswerten Tod von Herrn Ministerialdirektor Greuner im Bundesrechnungshof, diese Dinge zu stocken begonnen haben. Ich möchte damit zugleich die Hoffnung aussprechen, daß man endlich auch mit größerem Nachdruck an die Vorbereitung der Finanzverfassungsreform herangeht. Wie sich die Dinge jetzt im Rahmen der EWG deutlicher abzuzeichnen beginnen, sollte man auch im eigenen Hause die Meinungen - nach Möglichkeit in Form von Gesetzesvorschlägen - abgeklärt haben, um nicht später mit leeren Händen dastehen zu müssen.
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der EWG auch noch einiges zur Entwicklungshilfe sagen. Ich wende mich vor dem Hohen Hause noch einmal ganz entschieden gegen jede Prozentrechnung auf diesem Gebiet. Wir können es uns einfach nicht leisten, uns auf bestimmte Prozentsätze des Bruttosozialprodukts festlegen zu lassen. Die Entwicklungshilfe muß sich wie alle anderen anerkannten Notwendigkeiten - ich spreche hier von einer Notwendigkeit - im Rahmen 'der volkswirtschaftlichen unid haushaltsmäßigen Möglichkeiten jedes einzelnen Haushaltsjahres bewegen.
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Was unser Haushalt 1963 ausweist, mag ,den an uns herangetragenen Wünschen nicht in vollem Umfang entsprechen. Aber niemand wird leugnen können, daß hier eine vertretbare Haltung gegenüber den Schwerpunkten eingenommen warden ist, auch was die Entwicklungshilfe betrifft, für die übrigens über 500 Millionen DM mehr vorhanden sind und ausgewiesen werden.
Lassen Sie mich noch ein Argument ganz kurz streifen - es wurde wiederholt auch in diesem
Hause angebracht -, nämlich den engen Zusammenhang zwischen ,den fallenden Rohstoffpreisen in den Entwicklungsländern einerseits und der Notwendigkeit einer Entwicklungshilfe andererseits. Die Deutsche Bank 'bat sich in ihrem Oktober-Bericht ihrer wirtschaftlichen ,Mitteilungen der sehr dankeswerten Mühe unterzogen, anhand von Einzelbeispielen einiger prominenter Entwicklungsländer nachzurechnen, ob das stimmt oder nicht stimmt. Ich empfehle gerade diese Ergebnisse Ihrer besonderen Aufmerksamkeit. Was hier dargelegt wird, scheint mir so beachtlich zu sein, daß man keinesfalls ohne weiteres dem Vorschlag der Vereinten Nationen beistimmen sollte, eine Teilkompensation der Exportausfälle in Form eines Development Insurance Fund zu schaffen.
Ich bin Minister Scheel besonders dankbar, daß er bei seiner Aufklärungsarbeit vor allen Dingen in Südamerika - auf Kosten seiner Gesundheit übrigens - falschen Vorstellungen über Exportmöglichkeiten als Folge einer Senkung von Kaffee- und Teesteuer entgegengewirkt hat. Noch dankbarer bin ich ihm allerdings dafür, daß er keine neuen Zusagen gemacht hat und daß wir überhaupt generell von den Globalzusagen herunterkommen.
Vieles in der jetzigen Diskussion über die Einnahmemöglichkeiten im Bundeshaushaltsjahr 1963 wird sich durch die Prozedur des nächsten Jahres ganz von allein erledigen, nämlich wenn rechtzeitig - ich sage ausdrücklich: rechtzeitig - im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Sozialgesetze ein Nachtragshaushalt eingebracht werden wird. Wie auch immer die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Prozentsätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ausfallen mögen, mit einer Verkündung des Haushaltsgesetzes selbst werden wir nach dem bisherigen Stand der Dinge wohl kaum vor Mai 1963 rechnen können. Bis dahin wird man bessere Unterlagen über den Konjunkturablauf und die Steuereingänge haben, als wir zur Stunde besitzen.
Es besteht zur Zeit kein unbedingter Anlaß, sich pessimistisch über den Wirtschaftsablauf 1963 im voraus zu äußern. Aber wir können nicht an der deutschen Zahlungsbilanz vorbei. Ich habe Ihnen bereits die entsprechenden Zahlen aus dem Vortrag von Dr. Troeger und aus dem Bericht der Deutschen Bundesbank zur Kenntnis gebracht. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir allein bei den Kapitalleistungen einen Passivsaldo von 2 Milliarden zu verzeichnen; und was mir beim Blick auf den Gesamtablauf noch interessanter erscheint, ist, daß die Guthaben der deutschen Banken, vor allen Dingen auch der Kreditanstalt für Wiederaufbau, bei ausländischen Banken im ersten Halbjahr sich von 4,7 auf 3,4 Milliarden DM gesenkt haben, daß also hier ein sehr beachtlicher Rückstrom von Kapital stattgefunden hat. Wir werden unseren bisherigen Vorsprung auf dem Weltmarkt im Wettbewerb mit den anderen großen Industrievölkern nur dann halten können, wenn wir bestimmte Konsequenzen ziehen, wie ich sie vorhin angedeutet habe und für die ich Ihnen bestimmte Vorschläge unterbreitet habe.
In der Zukunft werden wir die eigentliche Schwäche unserer weltwirtschaftlichen Position, unsere nach wie vor existente ausgesprochene Kapitalarmut viel schwerer als in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen, vor allen Dingen dann, wenn es sich bei Ausschreibungen um die Zinshöhe und die Laufzeit der Kredite bei großen Aufträgen handeln wird. Überall in der Wirtschaft überprüft man gegenwärtig bei den großen Unternehmen und Banken, ob sich nicht in den letzten Jahren der Gewinne Wildwuchs irgendwie angesiedelt hat. Möge dieser Haushalt auch zu einer Überprüfung solchen Wildwuchses nicht nur im Schoße des Haushaltsausschusses selbst, sondern auch in den Finanzausschüssen der Landtage und der Kommunen führen. Mehr denn je hängt heute infolge der Verknüpfung von Überkonjunktur und Baukonjunktur von dem Verhalten der gesamten öffentlichen Hand, nicht des Bundes allein, Entscheidendes ab.
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Meine Freunde und ich haben im Haushaltsausschuß mehr als einmal den Beweis dafür angetreten, daß wir den Ruf und die Forderung nach Sparsamkeit ernst nehmen und ernst genommen haben. Ich bitte das Hohe Haus, ebenso wie im Frühjahr dieses Jahres auch im kommenden Frühjahr diesen Kampf für eine Eindämmung der Ausgaben zu unterstützen; denn nur durch eine geschlossene Haltung, durch eine Überwindung von Gruppenegoismen und durch die Besinnung auf das vornehmlichste Ziel aller Haushalts- und Finanzpolitik, die Stabilität der Währung und der Wirtschaft zu sichern und damit diesem in so außerordentlich schwieriger Lage lebenden deutschen Volk eine würdige und angemessene Existenz zu sichern, können wir alle miteinander das gemeinsame Ziel erreichen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten war ein Haushalt so stark Symbol für die Veränderung der Zeiten wie dieser Entwurf für das Haushaltsjahr 1963. Der neue Stil der Finanzpolitik, angekündigt im vergangenen Jahr, beginnt Konturen zu gewinnen.
Im Zuge der Harmonisierung der allgemeinen Regierungs- und Haushaltspolitik hat die Haushaltspolitik darauf zu achten, daß bei sinnvoller Finanzierung der gestellten Aufgaben die Preisstabilität wiedergewonnen oder bewahrt wird. Währungsstabilität ist ohne Preisstabilität nicht denkbar.
Wird der vorliegende Entwurf diesen Forderungen gerecht? Das ist die erste entscheidende Frage.
Der Haushalt des Jahre 1962 war in seinem Entwurf von der Ausgabenseite noch in den Kategorien der Geldfülle aufgebaut, ein Entwurf, der im Frühjahr und Sommer des Jahres 1961 entstanden war. Zwar hatte der neue Finanzminister in den Ressortbesprechungen Ausgabenwünsche abgelehnt. Entscheidende Eingriffe des neuen Finanzministers aber zeigte die Einnahmeseite. Der fehlende Aus-
gleich wurde nicht, wie viele erwartet und einige vorgeschlagen hatten, durch Steuererhöhung gewonnen, sondern globale Kürzungen, ein Appell an die Länder und der Weg zum Kapitalmarkt waren erste Zeichen einer veränderten Situation. Hier trafen sich Finanzminister und Haushaltsausschuß in ihren Zielen. Die für die Bundesrepublik erstmalige Kürzung eines vorliegenden Entwurfs um den Rekordbetrag von 1,1 Milliarden DM zeigte jedermann den Willen, der drohenden Inflationsgefahr zu begegnen. Natürlich waren die Kürzungen des Haushaltsausschusses nicht bis zur letzten Gerechtigkeit ausgewogen, natürlich ergaben sich im Laufe des Haushaltsjahres bei der Verwirklichung des Etats Schwierigkeiten, Schwierigkeiten aller Art. Natürlich unternehmen die Vertreter der zu Recht oder Unrecht gekürzten Gruppen Gegenmaßnahmen, um ihren Stand zu verbessern. Die Auswirkung dieser Entwicklung ist der heute behandelte Nachtragshaushalt 1962, - ein Nachtragshaushalt an Stelle der Nachschiebelisten der Vergangenheit. Noch ein Stück neuen Stils der Finanzpolitik: Mehrausgaben werden nicht durch Erhöhung des Steueraufkommens abgefangen, sondern durch Kürzung der Ausgaben. Hierbei hat sich gezeigt, daß die Steuerschätzungen des Bundesfinanzministeriums richtig waren, richtiger als die Steuerschätzungen der Länder, auf deren Einwirkung hin der Ansatz der Steuereinnahmen erhöht wurde. Und nun erleben wir alle, daß die so erhöhten Ansätze nicht erreicht werden. Daß wir in der Lage waren, Kürzungen gewisser Ausgaben vorzunehmen, ist kein Beweis für das Argument, der Haushalt 1962 enthalte nicht abgeschöpfte Polster. Die Umwandlung von Sperrungen beim Hoch- und Tiefbau in Streichungen, die Verringerung des Schuldendienstes durch verspätete Darlehensaufnahmen sind eher Symbole für allgemeine wirtschaftliche Probleme des Baumarktes und des Kapitalmarktes als der Beweis für gewollte oder verborgene Reserven. Wenn aber der Haushaltsablauf 1962 auch problematisch ist, - der Jahresabschluß wird - ein gewisser unvorhergesehener Unsicherheitsfaktor muß einkalkuliert werden - hoffentlich im großen und ganzen ausgeglichen enden. War der Haushalt des Jahres 1962 noch betont von der Ausgabenseite her gestaltet, - der vorliegende Entwurf 1963 hat seine finanzpolitischen Entscheidungen auf der Einnahmeseite gesucht. In der Grundkonzeption geht die Bundesregierung von den verfügbaren Mitteln aus, erstens den bisherigen Einnahmeblöcken, zweitens erneuter Darlehensaufnahme, und setzt drittens dazu einen auf 2 Milliarden erhöhten Anteil der Länder.
Die Problematik liegt in .der Steuerfestsetzung, und hier wird der Stil der Wirtschafts- und Finanzpolitik besonders deutlich. Aufbauend auf dem realen Zuwachs des Sozialprodukts von 3 bis 4 % ergibt sich eine Zuwachsrate von 5 % des Steueraufkommens. Damit wird das Sozialprodukt und seine Zuwachsrate zur Grundlage der Ausgabenseite gemacht. Wie oft haben in den vergangenen Jahren die Leiter der Haushaltsabteilungen beim Bund, bei den Ländern und den Kommunen im Innern ihres Herzens nicht folgende Rechnung aufgemacht: Wir können mit der echten Zuwachsrate des Sozialprodukts und damit der Steuern unsere Ausgaben nicht decken; aber das auch im kommenden Jahr steigende Preis- und Lohnniveau wird uns schon das fehlende Geld bringen. - Jetzt zum erstenmal wird ganz eindeutig diese Hoffnung aus dem Etatdenken vertrieben; jetzt wird 'zum erstenmal mit Entschlossenheit versucht, das Preisniveau zu halten, und, da dann sicherlich auch die Lohnentwicklung im Rahmen des Wirtschaftswachstums bleibt, die Möglichkeit inflationärer Steuermehreinnahmen verhindert mit allen Konsequenzen, )die sich dann für die Ausgaben und für die Dotierung der Aufgaben ergeben. Möge diese Politik Erfolg haben, damit nicht der kleine Mann zum drittenmal das Liedchen von Erich Kästner singen muß mit der Überschrift „Auf einer kleinen Bank vor einer großen Bank" und der bezeichnenden Strophe:
Uns erfreut das bloße Sparen. Geld alleine macht nicht froh. Regelmäßig nach paar Jahren Klaut ihr's uns ja sowieso.
Meine Damen und Herren, wir sind am Anfang des Weges. Noch viele Mühe und Arbeit werden erforderlich sein. Ich werde im Verlauf meiner Darlegungen zeigen, was meine Fraktion damit meint. Aber eines möchte ich in aller Deutlichkeit hier an dieser Stelle sagen: In dem Instrumentarium ist der Begriff der Steuererhöhungen nicht vorgesehen. Wir sind der Meinung, daß unsere Probleme auch ohne Erhöhung der drückenden Steuerlast gemeistert werden können und gemeistert werden sollen.
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Der Entwurf 1963 ist zwar im Zahlenwerk ausgeglichen, nicht aber im inneren Wert der Aufgabenstellung. Diese Feststellung ist kein Vorwurf gegenüber dem Finanzminister, auch kein Vorwurf gegenüber der Regierung und der von dieser Regierung vertretenen Politik; diese Feststellung ist nichts weiter als die finanzpolitische Auswirkung unserer heutigen politischen Situation. Krieg und Kriegsfolgen, Teilung Deutschlands und Teilung der Welt sind nicht von den hier vertretenen Parteien verschuldet. Wir haben uns nur mit den traurigen Folgen politischer Fehler der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wir können diesen Folgen nicht ausweichen; wir müssen aber versuchen, sie möglichst rasch zu überwinden. Was bedeutet die Erklärung, der Entwurf 1963 sei nicht !ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung? Nichts anderes, als daß gewisse von uns allein kaum zu beeinflussende Ausgaben geleistet wenden müssen, selbst wenn damit die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreicht und andere höchst notwendige Ausgaben zurückgestellt werden. Aber damit will 'ich - das möge jedermann klar sein - diese Dinge und Verhältnisse nicht als endgültig und unveränderbar hinnehmen. Im Gegenteil, ich meine, wir sollten alles tun, um uns nicht von den Gegebenheiten überwältigen zu lassen, sondern unser Schicksal soweit wie möglich selbst gestalten.
Nicht ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung bedeutet auf der einen Seite Überforderung, auf der anderen Seite nicht ausreichende
Dotierung. Der Bundeshaushalt wird heute überfordert durch Verteidigungslasten, durch Berlinhilfe, durch Kriegsfolgeleistungen, durch Sozialausgaben und durch Entwicklungshilfe. Die Reihenfolge dieser Aufzählung bedeutet keine Wertung, die Erwähnung dieser Bereiche keine Ablehnung oder Abwertung der Aufgaben an sich. Sie ist nichts weiter als die haushaltspolitische Beurteilung der entstehenden Lasten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und zu den sonstigen Aufgaben. Wenn 18,4 Milliarden DM für die äußere Sicherheit, 1,7 Milliarden DM für die Berlinhilfe, 12,6 Milliarden DM für Sozialaufgaben und Kriegsfolgeleistungen, 1,1 Milliarden DM für Entwicklungshilfe, also zusammen rund 34 Milliarden DM aufgewandt werden, so sind damit rund 60 % der Gesamtausgaben erfaßt, womit für die übrigen Bereiche ein bedauerlich kleiner Anteil verbleibt.
Bei der Berlinhilfe, bei den Kriegsfolgeleistungen und 'bei den Sozialaufgaben wird es im Zuge der Haushaltsberatung 'keinerlei Streichungen, sicherlich auch keine Veränderung der Ansätze geben. Meine Fraktion wird dazu auch keine Vorschläge machen. Im Gegenteil sind wir der Meinung, daß im Bereich der Kriegsfolgelasten noch nicht einmal alles Erforderliche getan ist, um berechtigte Wünsche zu erfüllen.
Bei den Sicherheitskosten sind die Positionen, die auf die zivile Verteidigung entfallen, mit 800 Millionen DM und die Stationierungskosten mit 600 Millionen DM sicherlich auch in keiner Weise zu verändern.
Bei den 17 Milliarden DM für die Bundeswehr aber mag es gewisse Möglichkeiten geben, ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsfähigkeit und bereitschaft die Ansätze zu verändern. Meine Fraktion wird im Rahmen der einzelnen Beratungen detaillierte Vorschläge machen, die zum Ziele haben, über rationellere und modernere Baumethoden die Kosten für Hoch- und Tiefbau in der Bundeswehr zu senken, ohne daß dabei das Bauvolumen geschmälert wird. Wir haben auch Vorstellungen entwickelt - über die noch im einzelnen gesprochen werden soll -, über Rationalisierung und Typisierung, über Standardisierung im Kraftfahrzeugwesen Einsparungen bei der Bundeswehr herbeizuführen. Wir werden uns im Haushaltsausschuß darüber zu unterhalten haben, wo dann etwa freiwerdende Beträge an anderer Stelle des Haushalts sinnvoller eingesetzt werden können. Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Verteidigungsminister durchaus einverstanden ist, wenn freiwerdende Beträge zur 'Entlastung der allgemeinen Deckungsmittel im Bereich des Ministers für Atomwesen und Raumforschung verwandt werden; denn dort gewonnene Erkenntnisse dienen letztlich auch zur Stärkung der Verteidigungskraft.
Aber lassen Sie mich noch einige Worte zur Entwicklungshilfe sagen, nicht weil die FDP den Wunsch hat, den von ihr gestellten Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu kritisieren, sondern weil in diesem Bereich grundsätzliche politische Entscheidungen zu fällen sind, Entscheidungen, bei denen nach meiner Überzeugung der Entwicklungshilfeminister voll meinen hier vorgetragenen Ausführungen zustimmen wird.
In den Jahren bis 1961 hat sich ein Berg von 7 Milliarden DM Zusagen aufgetürmt, die nunmehr verwirklicht werden müssen. Minister Scheel hat in den letzten Wochen zwei Auslandsreisen, nach Südamerika und nach den Vereinigten Staaten, unternommen. Er ist von diesen Reisen zurückgekehrt, ohne den früheren Gepflogenheiten ins Ausland reisender Minister nachzueifern und das Klima seines örtlichen Auftretens durch freundliche Zusagen zu verbessern. Ich glaube, wir alle sollten Minister Scheel für dieses Verhalten dankbar sein.
({0})
Der Minister hat darüber hinaus in den Vereinigten Staaten die bedeutsame Erklärung abgegeben, Deutschland werde in den nächsten Jahren ungefähr den gleichen Betrag wie in der Vergangenheit an finanziellen Leistungen des Bundes für Entwicklungsländer aufbringen. Solche Leistungen müssen aber in den Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten eingeplant werden.
Es muß hier weiter folgendes deutlich gesagt werden. Es ist unbedingt erforderlich, den Zusageberg abzubauen, und zwar so, daß gegebene Zusagen jeweils in etwa zwei bis drei Jahren zu erfüllen sind. Denn nichts schädigt mehr unser Ansehen in den nehmenden Ländern als die Flut der Versprechungen der Vergangenheit, deren Verwirklichung dann eine übermäßig lange Zeitspanne in Anspruch nimmt. Solche Zusagen erwecken den Eindruck, als ob wir mehr reden als handeln könnten. Man soll nur das versprechen, was auch in absehbarer Zeit gehalten, hier also gezahlt werden kann.
In dieser Frage ist noch mehr zu besprechen. Es wird immer betont, Entwicklungshilfe solle ohne politische Auflagen gegeben werden. Ich will hier nicht die Richtigkeit dieser Ansicht untersuchen. Auf jeden Fall aber sollte sich aus der Leistung von Entwicklungshilfe eine Zusammenarbeit zwischen gebenden und nehmenden Ländern in möglichst breiter Form entwickeln.
Leider hat ein Einblick in die Praxis gezeigt, wie sehr hier Theorie und Praxis auseinanderlaufen. Ich hatte die Möglichkeit, mit den Kollegen des Haushaltsausschusses Herrn Niederalt, Herrn Jürgensen und Herrn Windelen in dem Augenblick Kenia zu besuchen, in dem der Deutschen Lufthansa dort trotz monatelangen Anfliegens des Flugplatzes Nairobi das Recht verweigert wurde, Passagiere aufzunehmen oder abzusetzen.
({1})
Im gleichen Augenblick aber wurde der Vertrag zwischen Deutschland und Kenia ratifiziert, nach dem Kenia 35 Millionen DM Entwicklungshilfe von Deutschland erhielt. Meine Damen und Herren, so geht es nicht!
({2})
Ich will dabei nicht untersuchen, ob die Flugrechte in Nairobi auf Zureden oder Einwirkung einer dritDr Emde
ten Macht verweigert wurden. Das tut hier gar nichts zur Sache. Entscheidend ist, daß auch unser rechtzeitiges Eingreifen, unsere Intervention beim Auswärtigen Amt, nicht die Ratifizierung des Vertrages verhindern konnte oder uns als Ausgleich dafür die Flugrechte verschaffte. Solche Vorgänge diskreditieren die Maßnahmen der Entwicklungshilfe stärker als falsche Geschichten über goldene Betten und Haremsfrauen. Ich bin überzeugt, daß wir im Rahmen der zweiten Lesung diese und andere Vorgänge eingehend behandeln werden.
Und ein Drittes noch! Leistungen der Entwicklungshilfe können von uns unter keinen Umständen gegeben werden, um für gewisse Länder einen finanziellen Ausgleich dafür zu liefern, daß gleichzeitig von dort noch viel größere Beträge, als wir sie zahlen, in Form von Fluchtkapital abwandern und in den Vereinigten Staaten, der Schweiz oder anderen Ländern investiert werden. Unsere Hilfe kann nur dann helfen, wenn der Partner bereit ist, seine eigene Leistung mit einzubringen.
({3})
Auf jeden Fall sind wir nicht damit einverstanden, daß solche Leistungen erfolgen, auf der anderen Seite hier im Lande wichtige Dinge zurückgestellt werden und damit die wirtschaftliche und militärische Kraft des Westens in Wirklichkeit geschwächt wird.
({4})
Meine Damen und Herren, über das eine sind wir uns doch alle einig: während auf der einen Seite der Bundeshaushalt überfordert wird, sind andere wesentliche Teile der Bundesaufgaben nicht ausreichend dotiert. Hier liegt das zweite große Problem dieses Etatentwurfs: in der Unmöglichkeit, 1963 wichtige Bereiche finanziell genügend auszustatten.
Lassen Sie mich mit dem Sektor beginnen, der in der Öffentlichkeit am leidenschaftlichsten diskutiert wird, dem Sektor der Verkehrsinvestitionen. Für den Straßenbau ist zwar der gleiche Betrag wie im Vorjahr ausgebracht. Aber das bedeutet in Wirklichkeit ein Zurückbleiben hinter den Vorstellungen; die alle Fraktionen dieses Hauses in der Vergangenheit entwickelt haben, Auch meine Fraktion bedauert, daß der Ansatz für Straßenbau nicht erhöht werden kann. Allerdings suchen wir die Schuld nicht beim Finanzminister. In den letzten Jahren haben sich im Straßenbau-Haushalt regelmäßig erhebliche Reste gebildet. Vielleicht ist es interessant, zu hören, was eine der großen Verwaltungen, die den Straßenbau als Auftragsverwaltung des Bundes und des Landes ausübt, dazu zu sagen hat.
Der Landschaftsverband Rheinland hatte im Jahre 1961 bei einem Ansatz von 380 Millionen DM 70 Millionen DM Reste im Straßenbauhaushalt gebildet; das sind mehr als 20 0/o.
({5})
Der Kämmerer dieser Behörde führte in seiner letzten Haushaltsrede vom Oktober dieses Jahres in
diesem Zusammenhang u. a. folgendes aus - ich
zitiere einige Passagen der Rede des Ersten Landesrats Könemann -:
Gerade in unserem Bereich stößt die von den Straßenbaubehörden zu leistende Vorarbeit auf besondere Schwierigkeiten.
Und an anderer Stelle:
. . . macht sich die Öffentlichkeit anscheinend kein klares Bild über die Schwierigkeiten, die mit dem Grunderwerb verbunden sind, und über die Zeitspannen, die für eine einzelne Enteignungsmaßnahme benötigt werden.
Noch ein Stück weiter heißt es:
. . . sind von dem Neubau der B 326 im Zuge der nördlichen Umgehung von Wuppertal etwa 450 Grundeigentümer betroffen. Das zuständige Fernstraßenneubauamt des Landschaftsverbandes Rheinland wird allein für diese verhältnismäßig kurze Strecke rund 1000 Verträge abschließen müssen.
Diese Zitate zeigen, wo das Problem liegt. Nicht die zu geringe Kapazität der Straßenbaufirmen, sondern die Schwierigkeiten der Planung und des Grunderwerbs in den Ballungszentren des Verkehrs führen zu der Unmöglichkeit, die 'hohen Ansätze des Straßenbauhaushalts voll zu verbauen, und führen damit zur Restebildung. Die Unmöglichkeit für die ausführenden Behörden, für diese Arbeiten qualifiziertes Pensonal in noch stärkerem Maße zu gewinnen, als es bereits geschehen ist, lassen diese Schwierigkeiten noch für Jahre 'bestehen. Es besteht damit die Gefahr, daß aus optischen Gründen, um ein möglichst hohes Bauvolumen zu erreichen, Straßen dort ,gebaut werden, wo diese Schwierigkeiten nicht gegeben sind. Damit wird aber nur etwas an der Optik getan und nicht die Verkehrskrise und -misere überwunden. Das ist eine bittere Erkenntnis für 'uns alle. Wir würden es begrüßen, wenn es .gelänge, die zur Verfügung stehenden Mittel in sinnvoller Weise voll zu verbauen. Aber bei dieser Situation die Mittel zu erhöhen, hieße nicht mehr Straßen, sondern bestenfalls mehr Reste. Auf Resten allerdings hann niemand fahren; das ist ,die nüchterne Wirklichkeit.
Ebenso nüchtern sollten wir die Probleme der Bundesbahn betrachten. Hier allerdings melde ich für meine Fraktion ganz erhebliche Zweifel an. Auch die Bundesbahn muß die Beamtengehälter ab 1. Januar 1963 in gleichem Umfang wie die Bundesbehörden erhöhen. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung des Haushalts der Bundesbahn, die zweifelsohne nicht aus Mehreinnahmen aus dem Verkehrsaufkommen und durch Rationalisierung gewonnen werden kann, es sei denn, man beabsichtigt, die Tarife noch weiter zu erhöhen. Wenn irgend jemand aber glaubt, daß das Wachsen des Defizits der Bundesbahn ungefährlich sei, dann verkennt er, daß damit der Haushalt des Jahres 1964 belastet wird. Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur auf die Zukunft verschoben, was für jeden vernünftigen Haushaltsfachmann ein Greuel ist. Meine Fraktion ist der Meinung, daß etwaige bei der Haushaltsberatung einzusparende Beträge in erster Linie zur Verstärkung des Zuschusses für die Bundesbahn zu
verwenden sind, um zumindest die dort nicht zu erwirtschaftenden Belastungen der Besoldungserhöhungen abzufangen. Es muß auch verhindert werden, daß die Bundesbahn einen Ausgleich über Verringerung ihrer Rationalisierungsbemühungen sucht. Auch das wäre ein Verschieben der Probleme in die Zukunft; denn nur durch weitgehende Rationalisierung - und Rationalisierung kostet immer Geld - kann die Lage dieses Unternehmens verbessert werden.
Ich habe überhaupt den Eindruck, daß man zugunsten von Gegenwartsaufgaben versäumt, über ausreichende Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen die Lösung der Aufgaben von morgen und übermorgen zu erleichtern. Besonders trifft dieser Hinweis für den Ausbau der Wasserstraßen zu. Auch hier müssen die Leistungen erheblich gesteigert werden, um Schäden für die Zukunft zu vermeiden. Der Bau des Nord-Süd-Kanals, der schnellere Ausbau des Mittellandkanals für 1350-t-Schiffe, die Strombaumaßnahmen am Binger Loch, der beschleunigte Schleusenausbau des Wesel-DattelKanals, alle diese Vorhaben müssen durchgeführt werden, wenn die Wirtschaft im Raum von Braunschweig, dem Zonenrandgebiet und unsere Seehäfen sinnvoll weiter gefördert werden sollen. Es ist das Bemühen meiner Fraktion, im Zuge der Haushaltsberatungen durch Einsparungen des Haushalts an anderer Stelle diese Maßnahmen stärker zu dotieren. Die aus dem Verkehrshaushalt behandelten Fragen sind Probleme unserer Infrastruktur.
Darüber hinaus aber kämpfen erhebliche Teile unserer Wirtschaft um ihren nackten Bestand. Die Landwirtschaft, der Kohlenbergbau, die Werftindustrie, die Textilindustrie, die Filmwirtschaft, sie alle sind durch Strukturwandel und Substitutionswettbewerb bedroht. Hier einzugreifen entspricht durchaus liberalen Vorstellungen einer gesunden Staatspolitik, da es sich um Strukturfragen handelt. Aktive Wirtschaftshilfe hat es noch immer gegeben. Aber nicht gute Worte und Ratschläge allein helfen Schwierigkeiten überwinden, sondern aktive finanzielle Hilfe des Staates ist zusätzlich erforderlich. Die bisher zur Verfügung gestellten Mittel haben nicht ausgereicht, die Probleme zu lösen. Es wird harter Anstrengungen bedürfen, um diesen wichtigen und noch manch andere Zweige unserer Produktionswirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Haushaltsmittel in steigendem Maße werden in Zukunft dazu benötigt werden. Aber staatliche Maßnahmen sollten nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein und nicht zu endloser Subventionierung führen.
Neben diesen direkten Aktionen darf ein Bereich staatlicher Aufgaben nicht übersehen werden, der in den vergangenen Jahren nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat. ich meine den Bereich der Forschung und Wissenschaft. Jährlich sind die Mittel gestiegen, jährlich sind auch die Forderungen gestiegen. Hier in diesem Raum ist vieles an guten Reden von allen Seiten zu Wissenschaft und Forschung und ihre Wirkung auf Wirtschaft und Sicherheit gesagt worden. Jährlich haben sich die Etatansätze erhöht. Aber weder das Wünschenswerte noch das Erforderliche ist erreicht.
Diese Feststellung soll kein Vorwurf nach irgendeiner Seite sein, ebensowenig wie die Aufzählung der nicht ausreichend dotierten Aufgaben ein geistiger Salto mortale ist, mit dem die Vorstellung einer geordneten Haushaltsführung wieder auf den Kopf gestellt wird. Dies soll vielmehr eine Dokumentation für Finanzminister und Regierung sein in der Hoffnung, daß diese Dokumentation, der auch andere Fraktionen des Hohen Hauses in ihrem inneren Gehalt sicherlich zustimmen, in mancher Auseinandersetzung auf internationaler Ebene als Meinung dieses Hauses verwandt wird. Wir im Haushaltsausschuß waren uns in dieser Richtung immer einig.
Ich möchte hier eine Berufsgruppe erwähnen, um die es in den letzten Monaten leidenschaftliche Auseinandersetzungen gegeben hat, Auseinandersetzungen, die den Angehörigen dieser Berufsgruppe selbst zutiefst unsymphatisch waren. Ich meine den öffentlichen Dienst. Hier werden ab 1. Januar 1963 eine Erhöhung der Grundbezüge um 6 %, eine familiengerechte Erhöhung des Wohnungs- und des Kindergeldes und weitere Zulagen für die unteren Gruppen gegeben. So weit, so gut. Dazu muß aber noch ein weiteres ausgedrückt werden. Der Staat, der seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten nicht voll erfüllt, gefährdet ein für seinen Bestand wesentliches Vertrauensverhältnis. Der Staat ist aber die Summe der Bürger schlechthin. Sie alle sollten dem öffentlichen Dienst das gleiche Recht der Einkommensentwicklung gönnen, das sie sich für ihre eigenen Einkommen wünschen.
Natürlich .ist der öffentliche Dienst ganz besonders an der Stabilität der Währung und damit auch an der Stabilität des Preisniveaus interessiert; denn der Verlauf der Geschichte hat noch immer gezeigt, daß bei einer Geldwertverschlechterung Rentner und öffentlicher Dienst in erster Linie negativ betroffen wurden. Wir begrüßen daher die Besoldungsverbesserungen ab 1. Januar 1963, meinen aber, daß im Rahmen einer weiter gesunden Haushaltsentwicklung in der Zukunft noch bestehende Ungerechtigkeiten ausgeräumt werden sollten, wie z. B. durch Wegfall der Tarifklasse IV, Verbesserung von Stellenplänen im Zolldienst usw.
Wenn ich nun den letzten, vielleicht schwierigsten Teil dieser Dokumentation behandle, das Sozialwesen, dann mag mir gesagt werden, ich hätte vorhin bei den Überforderungen des Haushalts das Sozialwesen schon einmal genannt. Das stimmt. Aber es ist hier nicht unlogisch; denn was zusammen mit einer Fülle anderer Dinge eine Überforderung darstellt, braucht deswegen in seinem eigenen Sektor noch lange nicht ausreichend genug finanziert zu sein.
Dieses Parlament wird in den nächsten Monaten eine Reihe von Sozialgesetzen verabschieden, die der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung „Sozialpaket" bekannt sind: das Gesetz zur Lohnfortzahlung, die Krankenversicherungsreform und die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit gleichzeitiger Verbesserung der Leistungen. Dazu gehört auch die Neuordnung des Kriegsopferrechts, zu der noch kein Gesetzentwurf vorliegt. Es sollte auch hier darauf geachtet werden, daß gegenDr. Emde
über den anderen sozialen Aufgaben die Kriegsopfer nicht wieder benachteiligt werden. Haushaltsansätze für alle diese Dinge sind nicht ausgebracht. Es ist hier nicht der Platz, zu den einzelnen Problemen Stellung zu nehmen. Hier geht es nur darum, zu untersuchen, in welchem Umfange Haushaltsmittel im nächsten Haushaltsjahr bereitgestellt werden können. Der Finanzminister hat einen Nachtragshaushalt für 1963 bereits angekündigt, in dem bei den Ausgaben alle diese Sozialmaßnahmen dotiert werden müssen. Wenn nicht irgendwelche unerwarteten Entwicklungen auf der Einnahmenseite uns die Möglichkeit verschaffen, diesen angekündigten Nachtragshaushalt aufzubauen, dann könnte auch er ähnlich wie der soeben behandelte Nachtragshaushalt 1962 nur durch nachträgliche Kürzung des ordentlichen Haushalts 1963 finanziert werden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, allein mit diesen Wenn und Aber wird es jedermann klar, wie schwierig inzwischen unsere Haushaltssituation geworden ist und daß es berechtigt ist, das Sozialwesen ebenfalls bei den nicht ausreichend dotierten Aufgaben aufzuführen.
Wenn ich die Liste der Aufgaben, die zu der übermäßigen Beanspruchung unserer Haushaltes führen, und die Aufgaben, die nicht ausreichend dotiert erscheinen, einmal gegenüberstelle, dann wiegen vielleicht Sicherheit, Berlinhilfe und Entwicklungshilfe schwerer als manch einzelner Bereich auf der anderen Seite. Aber das Ganze kann nicht gesund leben, wenn nicht die einzelnen Teile gesund sind. Ich richte diese Worte mit besonderer Betonung an unsere Verbündeten im Westen. Natürlich verleitet der rasche Wiederaufbau in der Bundesrepublik und das steigende Volkseinkommen manchen Beobachter dazu, unsere Leistungsfähigkeit für nahezu unbeschränkt zu halten. Auch moralische Argumente stehen auf der anderen Seite: Wer Marshallplanhilfe mit soviel Nutzen für sich selbst erhalten hat, darf selbst Hilfeleistungen für andere nicht verweigern. Wer von Verbündeten militärische Garantien erwartet, muß bereit sein, eigene Verteidigungsanstrengungen bis zum äußersten zu leisten. - Aber die Hilfe und die Anstrengungen, die wir für den ganzen Westen erbringen, dürfen die volkswirtschaftlichen Grundlagen, auf denen diese Leistungen erbracht werden, nicht gefährden. Das Sprichwort „Wer Milch haben will, darf seine Kuh nicht schlachten" ist sicher mehr ein Symbol als ein Beweis für die Richtigkeit der hier vorgetragenen Gedanken.
Eines jedoch sollte bedacht werden: je größer Volkseinkommen und Volksvermögen sind, um so größer ist die Möglichkeit für die Allgemeinheit, über Prozentanteile und das Auswirken dieser Prozentanteile Entwicklungshilfe und Verteidigungslasten zu leisten.
Ich halte es nicht für notwendig, irgend jemandem vorzurechnen, wie sich eine Verminderung der Zuwachsrate unseres Sozialproduktes oder gar ein Sinken unseres Sozialproduktes auf Arbeitsstand, allgemeine Leistungen und die politische Stabilität in der Bundesrepublik auswirken würde. Die Erfahrungen der Weimarer Republik sollten jedem Politiker ein mahnender Hinweis sein.
Ich halte es aber für notwendig, von dieser Stelle aus als Mitglied des Haushaltsausschusses darauf hinzuweisen, 'daß wir einen kritischen Punkt der Belastungsfähigkeit erreicht haben, über den hinaus weitere Belastungen nur mit zunehmendem Schaden für das Ganze erfolgen können. Mahnungen, wie ich sie hier vortrage, werden 'selten gern gehört, Mahner dieser Art oft für unverständig der gar böswillig gehalten. Dennoch spreche ich diese Mahnung aus. Ich fühle mich dazu vor meinem Gewissen verpflichtet.
Um unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen, halte ich es für notwendig und unvermeidbar, die bisher nicht ausreichend bedachten Aufgaben in der Zukunft besser zu finanzieren. Hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedeutet hohe Steuereinnahmen. Hohe Steuereinnahmen bedeuten hohe Leistungen für das Ganze. In diesen Bemühungen um hohe Einnahmen dürfen wir aber ein wesentliches Problem nicht übersehen. Unsere Einkommen- und Lohnsteuertarife sind ungerecht. Sie führen durch ihren Aufbau 'und die Progression zu einer überstarken Belastung der unteren und mittleren Einkommens- und Lohngruppen. Es ist das erklärte Ziel meiner Fraktion, diese Ungerechtigkeit möglichst bald zu beseitigen. Diese Ungerechtigkeit kann nur durch eine Änderung der Progression beseitigt werden, also durch Senkung der Einkommen- und Lohnsteuer für untere und mittlere Gruppen. Es ist mir völlig klar, daß in dem Augenblick, in dem es ein besonderer Erfolg ,des Finanzministers ist, Steuererhöhungen vermieden zu haben, der Wunsch nach Steuersenkungen fast wie eine Utopie erscheint. Wir sollten aber - und ,darum geht es mir - unsere Ziele nicht aus dem Auge verlieren. Irgendwann im Laufe ,der nächsten Jahre muß es gelingen, dieses Ziel zu erreichen, wenn wir nur entschlossen genug sind, die notwendigen Schritte zu gehen, die uns heute schon diesem Ziel näherbringen.
Auch gegenüber unseren Verbündeten, denen ich vorhin so klar die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit 'aufgezeigt habe, haben wir eine Verpflichtung. Wir haben die Verpflichtung, alle 'eigenen Reserven auszuschöpfen. Die Aufforderung an unsere Verbündeten, unsere Leistungen anzuerkennen, ist nur dann glaubhaft, wenn wir selbst ,ein Höchstmaß an Wirksamkeit unserer Maßnahmen erreichen. Ich bin überzeugt, daß wir auch heute noch trog aller Bemühungen um Sparsamkeit in den letzten Monaten genügend Möglichkeiten haben, die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik wirkungsvoller und damit sparsamer zu gestalten.
Die Beratungen des Haushaltsausschusses in den kommenden Monaten werden uns Gelegenheit genug geben, an vielen Stellen des Haushaltsentwurfs Veränderungen und auch Kürzungen vorzunehmen. Erfreulicherweise ist von Regierungsseite bei vielen Ansätzen im Bereich der Sachausgaben gegenüber dem laufenden Haushalt bereits gekürzt worden. Dennoch erscheinen mir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wer andere zur Sparsamkeit auffordert, sollte selbst bereit sein, in eigener Zuständigkeit sparsam zu handeln. Wenn der Staat die Bürger zum Maßhalten auffordert, dann muß er
selbst bereit sein, überall mußzuhalten, wo dieses Maßhalten nicht -die Erledigung selbstgestellter Aufgaben gefährdet. Wir werden auch, so wie im Vorjahr, mit aller Aufmerksamkeit die Hinweise des Bundesrates zum vorliegenden Entwurf überprüfen. Wir wären allerdings dankbar, wenn überall in Ländern und Kommunen mit ähnlicher Entschlossenheit an den Ausgaben gestrichen würde, 'wie wir es im Haushalt 1962 getan haben und sicherlich auch im Haushalt 1963 erneut tun werden.
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Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern wird durch die Kämpfe um die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer sicherlich nicht negativ belastet werden. Wir wären aber dankbar, wenn die Länder die Schwierigkeiten des vorliegenden Entwurfs, die ich vorhin so eingehend geschildert habe, in stärkerem Maße anerkennen würden, als es beim ersten Durchgang im 'Bundesrat geschehen ist. Wir halten es für notwendig, daß, beginnend mit diesen Haushaltsberatungen und aufbauend auf dem Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern, eine Aufgabenbereinigung zwischen diesen beiden Gruppen herbeigeführt wird. Allein schon die Aufgabenbereinigung kann zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und damit zur Ersparnis von Sach- und Personalausgaben führen.
Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten. Lassen Sie mich nur ein einziges Beispiel anführen: Bundesbahn und Bundespost betreiben ausgedehnte Verkehrsnetze in der Personenbeförderung des Kraftverkehrs nebeneinander. Wer die Dinge aus der Praxis kennt - Herr Kollege Dresbach, ich denke hier gerade an das Oberbergische -, ist verblüfft darüber, in welcher Form hier Bundesbetriebe parallel Einrichtungen unterhalten, zum Teil sogar sich im Wettbewerb gegenüberstehen. Schon die Zusammenfassung der Werkstättendienste und der Materialbeschaffung könnten hohe Beträge einsparen. Eine Zusammenlegung beider Verkehrsgruppen aber würde eine Rationalisierung unseres Personenverkehrs erster Güte darstellen.
Nun wird man mir sagen, das geht doch nicht, das Postregal oder wer weiß was sonst hindert uns daran. Nun, wer wie 'Bundesbahn und Bundespost Tariferhöhungen plant, sollte mit allen Mitteln der Rationalisierung ein Höchstmaß an Wirksamkeit zu erreichen versuchen, ehe er Tariferhöhungen als letzten Ausweg wählt.
Ich erwarte mit 'Spannung die Äußerung der von meinem Vorschlag betroffenen Unternehmen.
Lassen Sie mich zusammenfassen. In diesem Haushalt besteht genügend Bedarf für Mittel, die wir an anderer Stelle einsparen können: Beamtenbesoldung, Kriegsopferversorgung, Lastenausgleich, Heimkehrer, Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Stärkung der Zonenrandgebiete, Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft - auch im Rahmen der Steuerpolitik -, für alles das sollten höhere Mittel veranschlagt sein. Auch der zivile Bevölkerungsschutz, der ein Teil unserer Verteidigungsaufgaben ist -- denn Verteidigung ohne
Bevölkerungsschutz ist undenkbar -, sollte verstärkt werden.
Aber das alles, meine Damen und Herren, kann nur im Rahmen des vorgelegten Haushalts geschehen. Sicher werden wir nicht alles Erwünschte erreichen. Wir sollten uns aber bemühen, möglichst vieles zu erreichen.
Ich glaube, wir im Parlament sollten erwarten, daß in den nächsten Monaten viele Leute über ihren Schatten springen.
Die kaum überwundene Kuba-Krise hat es jedermann deutlich gemacht, in welchen Gefahren wir uns befinden. Niemand möge sich bei uns der Illusion hingeben, daß die Zukunft ruhig und gesichert sei, weil in Kuba ein Teilabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion erreicht wurde. Wir stehen vor dem Höhepunkt des großen Ringens zwischen Ost und West. In diesem Ringen wird die Bundesrepublik große Prüfungen erleben und sich in manchen Auseinandersetzungen zu bewähren haben. Nur ein gesunder Staat wird diese Bewährungsprobe bestehen. Schaffen wir die Voraussetzungen, schaffen wir alle die notwendigen verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für diese Periode der Bewährung! Dieser Etatentwurf schafft ein Stück der Voraussetzungen; zwar ein kleines Stück, aber es ist hier wie überall im Leben: viele Kleinigkeiten erst ergeben das Ganze.
Ich bin überzeugt, daß der Haushaltsausschuß und das ganze Parlament in den kommenden Monaten ihren Anteil mit leisten werden. Ich möchte aber an alle Ressorts appellieren, mit denen wir zu verhandeln haben, über ihr Ressortdenken hinaus das Ganze zu sehen, den Ressortegoismus zu überwinden. Denn es geht um mehr als die erfolgreiche Vertretung spezieller Wünsche.
Ich bin überzeugt, daß dieser Haushaltsentwurf eine gute Arbeitsgrundlage für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den nächsten Monaten sein wird und daß der Erfolg für uns alle nicht ausbleiben wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich die Bemerkung vorausschicken, daß ich volles Verständnis für die schwere Bürde des Amtes des Bundesfinanzministers in dieser Situation habe. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir bessere Ausgangspunkte für die Gestaltung des Bundeshaushalts 1963 hätten, wenn die in den Regierungserklärungen 1953 und 1957 angekündigten Maßnahmen zur Steuer- und Finanzreform durchgeführt worden wären, in einer Zeit steigender Steuereinnahmen und in einer Zeit, wo noch nicht so hohe Aufwendungen für die äußere und innere Sicherheit gemacht werden mußten.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Ich möchte mich zu Anfang gleich mit einem Punkt beschäftigen, den die SPD-Fraktion anders beurteilt als der Herr Bundesfinanzminister. Die Finanzierung des Haushalts 1962 ist nicht wegen der von dem Herrn Bundesfinanzminister angegebenen Minderausgaben und konjunkturbedingten Sperren, nicht einmal infolge der freiwilligen Beiträge der Länder - ich zitiere wörtlich - „bisher ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen", sondern nach unserer Auffassung infolge der die Etatansätze in ungewöhnlichem Maße übersteigenden Verwaltungseinnahmen, ferner insbesondere bei den Verteidigungslasten und durch die Preisabschöpfung bei Lebensmitteleinfuhren.
Für die Finanzierung der Ausgaben im Jahre 1962 werden die Verwaltungseinnahmen sehr ausschlaggebend sein. Der Etatansatz von 1,865 Milliarden DM wurde durch die effektiven Einnahmen des ersten Halbjahres in Höhe von 1,629 Milliarden DM schon fast erreicht, und statt 1,865 Milliarden DM Einnahme dürfte eine Ist-Einnahme in der Höhe von etwa 3,3 Milliarden DM wahrscheinlich sein.
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Vor allem diese Einnahmeposition wird den Haushaltsausgleich herbeiführen, obwohl die Steuereinnahmen nach den Schätzungen des Bundesfinanzministers um fast 500 Millionen DM unter dem Ansatz bleiben, wobei weiter festzuhalten ist, daß die eingeräumte Anleihebewilligung von 1,802 Milliarden DM höchstens zur Hälfte in Anspruch genommen wird.
Zum Bundeshaushalt 1963 möchte ich zunächst die Frage stellen, ob das vorgeschlagene Volumen von 56,8 Milliarden DM realistisch ist. Die Antwort gibt uns der Herr Bundesfinanzminister in seiner Etatrede bei den Darlegungen, denen ich die Überschrift „neue Anforderungen" geben möchte. Ich erwähne folgende Punkte.
Punkt 14: Der Bundesminister der Verteidigung hat eine Nachforderung in Höhe von 700 bis 800 Millionen DM geltend gemacht, um die nach dem 13. August 1961 eingeleiteten Maßnahmen termingemäß verwirklichen zu können. Es ist also schon allein im Zusammenhang mit dem Verteidigungshaushalt ungewiß, ob es bei dem Volumen von 56,8 Milliarden DM bleibt.
Ich möchte mir hier eine Anmerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel gestatten. Er hat wieder einmal die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zur Frage des Verteidigungshaushalts angesprochen. Ich möchte ihn darauf aufmerksam machen, daß unsere Haltung klar ist, und er hat ja selbst ein entsprechendes Zitat unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden Ollenhauer vorgetragen. Aber, Herr Kollege Vogel, wir haben den Eindruck, daß Sie und Ihre Freunde nicht bedenken, daß nicht nur militärische Vorbereitungen erforderlich sind, um die Auseinandersetzungen zwischen dem Westen und dem Osten erfolgreich bestehen zu können, sondern daß neben diesen militärischen Vorbereitungen auch andere Anstrengungen auf politischem, auf wirtschaftspolitischem, auf kulturpolitischem, auf geistigem Gebiete gemacht werden
müssen, um diese Auseinandersetzung erfolgreich bestehen zu können.
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- Herr Kollege Vogel, das bedeutet, daß man eben nicht nur die Höhe des Verteidigungshaushalts diskutieren muß, sondern daß man sich mit genau derselben Energie und Sorgfalt allen Aufgaben zuzuwenden hat, die für die Durchführung dieser Auseinandersetzungen ebenso beachtet werden müssen.
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- Genau, Herr Kollege Vogel; auf die Relation kommt es an. Deswegen wollte ich Ihnen das noch einmal sagen; denn niemand in diesem Hohen Hause kann doch den Standpunkt vertreten, daß wir uns nicht in der Nähe eines Punktes befinden, wo es Überlegungen bedarf, um den Weg abzustecken, den wir zur Finanzierung aller wichtigen Aufgaben der öffentlichen Hand zu beschreiten haben. Darum, meine Damen und Herren, sollten wir uns in diesen Auseinandersetzungen gemeinsam bemühen.
Auf diese Notwendigkeit hinzuweisen erscheint mir eben deswegen erforderlich, weil wir doch alle hoffen, daß wir den dritten Weltkrieg nicht erleben. Dann müssen wir aber wissen, daß uns dabei die Auseinandersetzung mit dem Osten und mit der kommunistischen Welt nicht geschenkt wird.
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- Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie man darüber lachen kann. Wir meinen, daß das wirklich eine sehr ernste Sache ist, die uns alle angeht und die wir mit dem notwendigen Ernst gerade in diesem Hohen Hause zu beachten haben.
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In Punkt 19 der Rede des Herrn Bundesfinanzministers wird darauf hingewiesen, daß das Gesetz über allgemeine Miet- und Lastenbeihilfen bis zum 1. Juni 1963 verabschiedet sein soll. In diesem Zusammenhang kündigt der Herr Bundesfinanzminister die Einführung der Wohnbeihilfen an.
Punkt 32: Im Bundeshaushalt 1963 sind für Berlin Zuschüsse und Darlehen in Höhe von insgesamt 1687 Millionen DM vorgesehen. Der Finanzhilfe-betrag wird aber voraussichtlich höher liegen, zumal die Anforderungen Berlins auch höher als der eingesetzte Betrag sind.
Punkt 38. In den bisherigen Haushaltsansätzen sind die Ausgaben für die von der Bundesregierung angekündigten gesetzgeberischen Maßnahmen, die man als Sozialpaket bezeichnet, für 1963 nicht berücksichtigt. Für Kindergeld, Lohnfortzahlung, Krankenversicherungsreform sowie für die Beseitigung von Härten in der Kriegsopferversorgung, Flüchtlingsgesetzgebung und Kriegsgefangenenentschädigung ist für den Bundeshaushalt 1963 eine zusätzliche Belastung von mehr als einer Milliarde D-Mark nach den Angaben des Herrn Bundesfinanzministers zu erwarten. In den folgenden Rechnungs2052
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
jahren wird die Mehrbelastung, umgerechnet auf ein volles Rechnungsjahr, ebenfalls nach seinen Angaben; weit höher liegen.
Punkte 92 bis 97: Anschlußgesetze an die Kriegsfolgengesetzgebung werden zur Zeit vorbereitet. Insbesondere ist das sogenannte Reparationsschädengesetz nach den Angaben des Bundesfinanzministers im Entwurf .so weit gefördert worden, daß es inzwischen den Ländern zur Beratung zugeleitet werden konnte. Noch im Jahre 1963 soll sich der Bundestag mit diesem Entwurf und den finanziellen Auswirkungen beschäftigen.
Punkt 144: Mit der Feststellung, daß beschleunigte Maßnahmen für den zivilen Bevölkerungsschutz zu treffen sind, verbindet der Bundesfinanzminister den zweifellos richtigen Hinweis, damit stünden schwere finanzielle Lasten vor uns. Die von der Bundesregierung berufene Kabinettskommission prüfe die finanzellen Auswirkungen, die sich in ihrer ganzen Breite, so sagt der Bundesfinanzminister, nur schätzen ließen.
Nach diesem Hinweis auf die Ankündigungen in der Etatsrede des Herrn Bundesfinanzministers darf ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, der in der 249. Bundesratssitzung vom 26. Oktober 1962 eine Rolle gespielt hat. Der Herr Berichterstatter, der ja im übrigen in der Etatsrede lobend erwähnt worden ist, führte aus:
Eine andere, sehr wichtige Entschließung des Finanzausschusses
- des Finanzausschusses des Bundesrates finden Sie auf Seite 32 unter 4 zu Kap. 32 09 Tit. 686. Der Bund hat an dieser Stelle für 1963 - abweichend von früheren Jahren - nur die den Ländern zustehenden Erstattungsleistungen für die Tilgung der Ausgleichsforderungen veranschlagt, nicht aber die Erstattung für Zinsen. Wie Sie wissen, ist vor etwa zwei Jahren zwischen Bund und Ländern Einigung über die Aufbringung des Schuldendienstes für die Ausgleichsforderungen erzielt worden. Bei einer diesem Abkommen entsprechenden Veranschlagung hätte der genannte Titel um etwa 200 Millionen DM erhöht werden müssen. . . . Zu einem Zeitpunkt, in dem der Bund unter Berufung auf die Finanzverfassung eine Erhöhung des Bundesanteils fordert, müssen die Länder ganz entscheidenden Wert darauf legen, daß der Bund seinerseits die sich für ihn aus dieser Finanzverfassung ergebenden Verpflichtungen erfüllt beziehungsweise die für ihre Erfüllung erforderlichen gesetzlichen Grundlagen schafft.
Das, Herr Kollege Dresbach, sagte der von Ihnen vorhin in einem Zwischenruf lobend hervorgehobene bayerische Finanzminister.
Der Herr Bundesfinanzminister erklärt in Punkt 121 im letzten Satz:
Nicht unerörtert bleiben können ferner die Modalitäten der in Aussicht genommenen Regelung für die abschließende Verteilung der Kriegsfolgelasten zwischen Bund und Ländern.
Ich sage das aber nicht nur, um den Katalog der auf den Bund zukommenden besonderen Ausgabeverpflichtungen zu erweitern, sondern sage es auch mit Rücksicht auf einen Vorschlag, den ich im weiteren Verlauf meiner Ausführungen noch machen werde.
In den Punkten 16, 20, 43, 44 und 63 der Haushaltsrede werden Beziehungen zwischen der Entwicklung der Inlandspreise und der Konkurrenzfähigkeit ,der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland hergestellt, die in sich nicht frei von Widersprüchen sind.
In den Punkten 16 und 20 wird eine Verschlechterung der deutschen Wettbewerbslage aus den überproportional steigenden Einfuhren herausgelesen, beide Erscheinungen auf Lohn- und Preissteigerungen im Inland zurückgeführt, während in den Punkten 43 unid 44 Preissteigerungen für die Leistungen der Bundesbahn und Bundespost zugelassen und schließlich in Punkt 63 ein hohes Agrarpreisniveau bejaht und an Hand des Schweizer Beispiels dies durchaus für ein hochindustrialisiertes Land als richtig, also doch wohl kaum als die Wettbewerbsfähigkeit schädigend, erklärt wird.
Tatsächlich haben die Einfuhrsteigerungen im Jahre 1962 mit einer Verschlechterung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit nichts zu tun. Die Untersuchungen von Forschungsinstituten - ich darf mich auf die von Berlin und München 'beziehen - zeigen z. B., daß die deutsche Konkurrenzlage in diesem Jahr sich nicht verschlechtert that. Die steigenden Einfuhren sind ein Ergebnis der in diesem Punkt richtigen Konjunkturpolitik, Nachfrageüberhängen und Preissteigerungen durch umfassende Vermehrung des Güterangebots aus dem Inland wie auch aus dem Ausland zu begegnen.
In diesem Zusammenhang hat Herr Kollege Vogel Äußerungen meines 'Freundes Erwin Schoettle hinsichtlich der Tariferhöhungen bei Bundesbahn und Bundespost noch einmal kritisch beleuchtet. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es sich hierbei um einen Kernpunkt handelt. Wenn Sie meinen, daß Sie 'mit ?dem Bundeshaushalt eine Aufgabe der Preisstabilisierung zu erfüllen haben, dann können Sie nicht die Tatsache übersehen, daß die beiden größten und wichtigsten Unternehmungen der öffentlichen Hand, nämlich Bundesbahn und Bundespost, genau an dem Tage, an dem der Bundeshaushalt 1963 in Kraft tritt, Tariferhöhungen vornehmen, die nach ,den Ankündigungen der in Frage kommenden Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften Ausgangspunkte neuer Preis- und Lohnbewegungen sein sollen.
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Das, meine ,Damen und Herren, ist eben der Kernpunkt: ob Sie glauben, in diesem Haushalt 1963, bei einer solchen Zielsetzung des Bundeshaushalts und der vor kurzem im Hause abgegebenen Regierungserklärung Tariferhöhungen 'dieser Unternehmungen zulassen zu können, die sich dann zweifellos gegen eine solche Zielsetzung auswirken müssen.
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
- Hier handelt es sich nicht um neue Steuern. Herr Kollege Vogel, ich werde Ihnen gleich noch sagen, was für Reserven in dem Haushalt 1963 vorhanden sind. Ich habe Ihnen vorhin eine genannt, die Verwaltungseinnahmen. Sie sind dabei alle sehr ruhig geblieben. Das liegt wahrscheinlich daran, daß Sie in Ihren Fraktionssitzungen vom Herrn Bundesfinanzminister oder von dem früheren Staatssekretär Dr. Hettlage über diese innere Reserven des Haushalts eingehend informiert werden. Wir müssen uns das mühsam aus unseren Unterlagen heraussuchen und es dann hier zur Erörterung stellen, um dem Hohen Hause einmal ganz klar vorzutragen, wie wir die Entwicklung des Bundeshaushalts 1962 auf Grund dieser einwandfreien Unterlagen zu sehen haben.
({7})
- Herr Kollege Vogel, ich habe alle Zahlen aus den letzten Haushalten zu diesem Punkt mitgebracht, und die sind nun einmal eindeutig. Das also, Herr Kollege Vogel, ist der entscheidende Punkt. Auch dieser Zwischenruf bedeutet ja nicht, daß Sie die Richtigkeit dieser von mir getroffenen Feststellungen in Zweifel ziehen können. Das kann kein vernünftiger Mensch, und da Sie ein vernünftiger Mensch sind, müssen wir in der Beurteilung übereinstimmen.
({8})
Nun haben Sie sich noch auf die Agrarpreise bezogen und dabei den Beifall Ihrer Fraktion mit ein paar Bemerkungen gefunden, die ich hier nicht zitieren möchte. Aber ich möchte einmal den entscheidenden Satz aus der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers zitieren. Er lautet nämlich:
Das Beispiel der Schweiz zeigt, daß es für ein kochindustrialisiertes Land richtig und für den Verbraucher zumutbar ist, der Landwirtschaft neben staatlichen Hilfen ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu verschaffen.
Wenn Worte einen Sinn haben, kann das doch nur bedeuten, daß man die Agrarpreise anheben möchte; denn da steht: „ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu verschaffen". Da frage ich Sie: Was hat das nun mit Ihrer Preisstabilisierungsaktion zu tun?
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Sie müssen sich doch gerade in diesem Stadium hüten, eine solche Auffassung vorzutragen. Ich füge hinzu: Sie haben nur deswegen ein Alibi, weil jeder, der eine solche These hier vorträgt, wissen muß, daß es unmöglich ist, diese Forderung zu realisieren, weil wir in der Agrarwirtschaft bereits das höchste Preisniveau im EWG-Raum haben. Wegen dieser Haltung - der anderen, nicht wegen unserer Haltung - ist es eben nicht möglich, darüber hinaus etwas zu tun.
({10})
Nun zur Frage der Steuerschätzungen, Punkt 111 und 112. Es ist möglich, daß die zweite Steuerschätzung für 1963 nach der - ich zitiere - seit Jahren im Einvernehmen mit den Wirtschaftsforschungsinstituten geübten Schätzungsmethode vorgenommen worden ist. Ganz sicher ist aber die dieser Steuerschätzung zugrunde liegende Schätzung des Bruttosozialprodukts nicht nach diesen Methoden vorgenommen worden. Es besteht die Gefahr, daß bei der gegenwärtigen Schwäche auf den Märkten für Ausrüstungsinvestitionen und bei der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben das Bruttosozialprodukt im nächsten Jahr nicht um real 3,5 % steigen wird. Dagegen wird die Erhöhung der Verkehrs- und Posttarife eine Preisentwicklung begünstigen können, die eine Steigerung ,des Bruttosozialprodukts um wahrscheinlich mehr als 5,5 % nominal zur Folge hat.
Von diesen Überlegungen gehen auch die vom Bundesfinanzminister erwähnten neuesten Schätzungen der Institute für die nominale Steigerung des Bruttosozialprodukts in 1963 aus. Es handelt sich bei den erwähnten 5,5 % offensichtlich um die Schätzung des DIW im Wochenbericht Nr. 44/1962. Es wäre ,aus diesen Gründen sicherlich wünschenswert, wenn die in Aussicht gestellte Zusammenarbeit bei den Steuerschätzungen zwischen dem Bund und den Forschungsinstituten sowie den Vertretern der Länderfinanzministerien nicht nur für die Zukunft, sondern umgehend und für den Bundeshaushalt 1963 durchgeführt würde.
Schon jetzt möchte ich aber bezüglich der finanziellen Operationsmöglichkeiten auf folgendes hinweisen. Die Verwaltungseinnahmen, Herr Kollege Vogel, sind für 1963 wahrscheinlich wiederum um mehr als 1 Milliarde DM zu niedrig angesetzt worden. Da hätten Sie schon die 280 Millionen DM, die Sie für die Bundesbahn brauchen, und die etwa 340 bis 350 Millionen DM, die Sie für die Bundespost brauchen, um die Tariferhöhungen wenigstens für ein Jahr auszusetzen. Ich bin der letzte, der etwa bestreiten möchte, daß verschiedene Tarife bei Bundesbahn und Bundespost nicht den volkswirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen.
({11})
- Nun, da gibt es eine ganze Anzahl. Es gibt eine ganze Anzahl sogenannter Sozialtarife, die aus Gründen bestehen, die von allgemeinem Interesse sind, auch vom Bund bisher als solche anerkannt wurden.
Es handelt sich also bei meiner Stellungnahme insbesondere um das Jahr 1963 und die durch die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers und durch diesen Bundeshaushalt angekündigte Preisstabilisierungsaktion. Da wir an einer Preisstabilität, einer endlich einsetzenden Preisstabilität alle gemeinsam interessiert sind, muß es doch auch Aufgabe der Opposition sein, auf Bedenken aufmerksam zu machen, die durch die eine oder andere Maßnahme ausgelöst werden, um diese Überlegungen hier in den Raum zu stellen und um den Versuch zu machen, aus diesen Überlegungen praktische Konsequenzen für die gemeinsame Arbeit zu ziehen.
Außerdem darf ich darauf aufmerksam machen, daß im Haushaltsentwurf wie in früheren Voran2054
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
schlägen die Steuer- und Zolleinnahmen aus Regierungseinfuhren nicht enthalten sind. Der Ansatz für die Umsatzsteuer ist meines Erachtens zu niedrig, da im ersten Halbjahr 1962 - das ist die Basis für die Schätzung 1963 - die Einnahmen aus steuerrechtlichen Gründen relativ niedrig waren. Äußerstenfalls könnte auch der Ansatz für Schuldaufnahmen erhöht werden. Die Bundesschuld ist, gemessen an internationalen Maßstäben, jedenfalls denen des westlichen Auslands, unverhältnismäßig niedrig. Das ist eine große Leistung der deutschen Finanzpolitik,
({12})
wenn man berücksichtigt, was wir, ich nehme nur den Zeitabschnitt von Juni 1948 bis heute, haben wiederaufbauen müssen, was wir an Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden in der Volkswirtschaft und im staatlichen Leben zu beseitigen hatten. Einige sehr beachtliche Zahlen hat der Bundesfinanzminister in seiner Etatrede vorgetragen. Ich wiederhole, wenn man das berücksichtigt, dann muß jeder anerkennen, daß das eine gewaltige Leistung gewesen ist, die wir bei diesem Schuldenstand in erheblichem Umfange der nach uns kommenden Generation abgenommen haben.
Es ist mir nicht bekannt, wen der Herr Bundesfinanzminister und Herr Kollege Vogel gemeint haben, als sie davon sprachen, daß kürzlich aus Kreisen der Opposition die Einführung der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer als geeigneter Weg für die Deckung des Fehlbetrags im Bundeshaushalt empfohlen worden sei. Am 29. September 1954 hat die damalige Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zusammen mit den Gesetzentwürfen zur Neuordnung des Finanzausgleichs und zur Neuordnung von Steuern vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf zur Ergänzungsabgabe sah vor, von natürlichen und juristischen Personen eine ergänzende Steuer, nämlich die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, zu erheben.
({13})
- Darauf komme ich noch, Herr Kollege Dresbach. Diese Tatsache wird ja wohl bei den Überlegungen der nächsten Jahre keine unwichtige Rolle spielen. Der Hebesatz sollte 2,5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer betragen. Im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Finanzverfassungsgesetzes heißt es:
Als wichtige Ergänzung des Bundessteuersystems hat der Ausschuß die Ergänzung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer grundsätzlich bejaht, ohne damit zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und gegebenenfalls wann der Bund von diesem selbständigen Besteuerungsrecht Gebrauch machen soll.
Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Begründung, die seitens der damaligen Bundesregierung für die Möglichkeit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe gegeben worden ist, sowohl interessant als auch aktuell. Ich meine nicht diesen einen Satz - er
stammt ja aus der Begründung des Berichterstatters des Finanzausschusses des Bundestages -, sondern die sehr umfangreiche und sehr präzise Begründung, die die Bundesregierung ihrem Gesetzentwurf beigegeben hat. Ich empfehle den Kollegen der Koalitionsfraktionen ein aufmerksames Studium, zumal langfristig gesehen die Ergänzungsabgabe als alleinige Steuereinnahme des Bundes zu den Überlegungen der Ausgabenfinanzierung gehören wird. Mehr habe ich zu diesem Thema jetzt an dieser Stelle nicht zu sagen.
({14})
- W i r sind nicht die Bundesregierung, Herr Kollege Dresbach. Wir 'hätten schon unsere Vorstellungen, wie wir die Einnahmeseite gestalten müßten.
Herr Kollege Dresbach, lassen Sie mich, auch im Hinblick auf die Bemerkungen des Herrn Kollegen Vogel zum Bundesverteidigungshaushalt, ein offenes Wort sprechen. Man kann nicht immer nur von dem außerordentlichen Ernst der Lage sprechen, in der sich die Bundesrepublik Deutschland und das deutsche Volk befinden. Man kann nicht immer nur darauf hinweisen, was für Aufgaben wir im westlichen Verteidigungsbündnis zu erfüllen haben und was notwendig ist, um auch in unserem Volke die innere Stabilität und Immunität zu behalten, die wir in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Imperialismus benötigen, sondern man muß auch bereit sein, dafür finanzielle Opfer zu bringen.
({15})
Man muß auch bereit sein, mal das Portemonnaie zu öffnen, wenn nur auf diesem Wege die Erfüllung der Aufgaben, von denen ich sprach, sicherzustellen ist.
({16})
Als Herr Kollege Vogel das sehr interessante englische Beispiel zitierte, dachte ich: Warum zitiert er eigentlich nicht ein deutsches Beispiel? Es hat beispielsweise im Jahre 1913 im Deutschen Reichstag eine hochinteressante Debatte über eine Militärvorlage gegeben.
({17})
- Sie kennen sie. Das Interessanteste daran war doch, daß die rechte Seite des Hauses diese Militärvorlage annahm, aber die Deckungsvorschläge der Reichsregierung, die nur eine ganz geringe, bei den damaligen Verhältnissen verständlich geringe steuerliche Belastung für die Schichten vorsahen, die die rechte Seite des Hauses traditionsgemäß 'zu vertreten hat, ablehnte.
({18})
Mir scheint, irgendwie steckt das gewissen Kreisen unseres Volkes noch im Blut.
({19})
Ich meine: es ist immer noch besser, daß diejenigen, die dazu finanziell in der Lage sind, einige Mark Steuern früh genug mehr zahlen, um ihr Vermögen und ihre Freiheit und alles, was wir hier im Westen als unser persönliches Gut empfinden, nun wirklich erhalten zu können, als daß sie später einmal darDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
über nachdenken müssen, wie unklug es doch gewesen ist, sich in gewissen Situationen nicht richtig, und zwar auf das Ganze ausgerichtet - das bedeutet hier nämlich „richtig" - verhalten zu haben.
({20})
Da sollten wir doch wirklich alle zusammenstehen und uns das Richtige gemeinsam überlegen. Das ist keine Frage der Koalition und der Regierung, keine Frage der Opposition, das ist wirklich eine Frage von allgemeinem deutschem Interesse. Ich sage Ihnen das hier, weil dauernd diese platonischen Erklärungen abgegeben werden,
({21})
die sich mit steuerlichen Maßnahmen beschäftigen. Auch ich bin der Meinung, daß wir 1963 keine Steuererhöhungen vorzunehmen brauchen, daß es darauf ankommt, die Gesamteinnahmen der öffentlichen Hand nun endlich einmal richtig zu verteilen. Dazu werde ich' Ihnen nachher noch etwas sagen. Aber ich bin ebenso bereit, auch in jeder öffentlichen Versammlung klar und deutlich auszusprechen, worum es sich in der Zukunft handelt und worum es in der Zukunft geht, wie ich das hier in diesem Hohen Hause soeben getan habe.
({22})
Lassen Sie mich gleich noch eins hinzufügen - das steht hier auf meinem Vermerk und wird sicherlich auch vom Herrn Bundesfinanzminister gebilligt -: ich halte es einfach für unmöglich, daß eine Organisation, die Anspruch darauf erhebt, ernst genommen zu werden, wie der Bund der Steuerzahler, jetzt nichts Besseres zu tun hat, als uns ein Blättchen auf den Tisch zu legen mit der Forderung einer Steuerermäßigung in Höhe von 4,5 Milliarden DM.
({23})
Das ist doch einfach indiskutabel. Ich kann Leute, die das heute noch als realisierbar ansehen, nicht als ernste Gesprächspartner akzeptieren.
({24})
Nehmen Sie mir es bitte nicht übel, Herr Kollege Etzel, daß ich jetzt Sie zitiere. Auf dem CDU-Parteitag im April 1961 in Köln ist Ihr Vortrag verlesen worden - Sie waren ja durch Ihre Erkrankung am Erscheinen verhindert -, und in diesem Vortrag heißt es, daß die bisherigen Teilreformen bei der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer, der Vermögensteuer und der Gewerbesteuer nur erste Schritte zu einer umfassenden Reform unseres Steuersystems im ganzen sind.
Dazu gehört die Fortsetzung der von mir eingeleiteten Reform
- so heißt es in Ihrem Vortrag unserer Umsatzsteuer, eine verbesserte Einheitsbewertung, eine systematische Überprüfung der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer, die in einigen Punkten den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen und gesellschaftspolitischen Zielen - ich denke besonders
- so sagen Sie, Herr Kollege Etzel an Fragen der Wirtschaftsstruktur und der Eigentumsbildung - nicht mehr ganz zu entsprechen scheinen.
({25})
Ich kann Ihnen nur voll beipflichten. Sie werden verstehen: ich hätte das auf einem Parteitag der SPD etwas klarer und eindeutiger formuliert.
({26})
- Ja, natürlich; ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie das Ihren Damen und Herren etwas schonender beibringen müssen. Aber für uns Abgeordnete gilt es, in der Diskussion, die jetzt über diese Frage im Gange ist, die Frage zu stellen: Meine Damen und Herren von der CDU, stehen Sie noch zu diesem Programm? - Dann dürfen Sie sich nicht darüber aufregen, daß wir einmal den einen oder anderen Punkt ansprechen, den wir nicht als einen Punkt ansehen, der zu Steuererhöhungen im allgemeinverständlichen Sinne führt, sondern als einen Punkt, bei dem es sich darum handelt, durch bestimmte steuerliche Maßnahmen zu einer besseren Steuergerechtigkeit zu kommen, zu einer Steuerstruktur, die unserem heutigen Gesellschaftsbild entsprechen sollte. Und wenn wir diese Dinge auch jetzt noch diskutieren, so bitte ich um Verständnis für unsere Haltung.
Wir haben im Bundestagswahlkampf, in dem Wahlkampf, bei dem es sich um die Zusammensetzung dieses 4. Deutschen Bundestages gehandelt hat, in allen Einzelheiten diese unsere Auffassungen von der Einkommensteuer, über die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer bis zur besseren Erfassung von Spekulationsgewinnen vorgetragen.
({27})
Wenn wir den Mut dazu hatten, das in einem Bundestagswahlkampf zu tun und dabei nicht immer ganz populäre Forderungen zu vertreten, dürfen Sie uns auch den Mut zutrauen, das jetzt hier im Bundestag mit Novellierungsvorschlägen noch einmal zur Sprache zu bringen und zur Entscheidung zu stellen.
Wenn wir in dem einen oder anderen Punkt noch keine Anträge, keine Gesetzentwürfe vorgelegt haben, so deswegen, weil sich nun einmal seit diesem Bundestagswahlkampf auch in unserer Wirtschaft einiges verändert hat. Wir müssen uns alle gemeinsam bemühen, die Labilität, die in unserer Wirtschaft aus bestimmten Gründen vorhanden ist, zu überwinden, damit wir wieder stabilen Boden unter die Füße bekommen, den wir gerade hier an dieser europäischen Nahtstelle gegenüber der sogenannten DDR und den Kommunisten benötigen. Darum dürfen Sie, meine Damen und Herren, davon ausgehen, daß eine solche Haltung einfach unserem Verantwortungsgefühl entspricht.
Sie wundern sich so manchmal darüber, daß wir uns den Notwendigkeiten der Zeit anpassen. Dar2056
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
über herrscht manchmal bei Ihnen, ich möchte beinahe sagen, Empörung.
({28})
Das ist mir immer unverständlich. Sie könnten sich doch nur über uns empören, wenn wir noch unsere alte Zipfelmütze aufhätten,
({29})
wenn wir noch um gesellschaftliche Dinge kämpften, die überholt sind, die Gott sei Dank für uns alle überholt sind. Wir stehen auf dem Boden dieses neuen demokratischen freiheitlichen Staates und wünschen uns nur für alle Bürger dieses Staates dieselbe wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit, wie wir sie als politische Unabhängigkeit in einem demokratischen Staat manifestiert haben.
({30})
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, noch eine Bemerkung! Ein Vorschlag des Diskussionskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht nach der „Verbraucherpolitischen Korrespondenz" Nr. 15/1962 vor - ich zitiere jetzt für Herrn Kollegen Vogel wörtlich; es ist nicht ein Mittelstandskreis der SPD, sondern der Mittelstandskreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; obgleich sie nicht dazu gehören, muß es Sie interessieren, was im Schoße Ihrer Fraktion vor sich geht -:
... zur Eindämmung der Konzentration alle Vermögen, die 10 Millionen DM übersteigen, mit zusätzlich 1 %, also im ganzen 2 % Vermögensteuer jährlich zu belegen.
({31})
- Ja, aber ich bitte mir zuzugestehen, daß ich Ihre Äußerung nicht so verstehe, als wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollten: Laß die nur schwätzen! Ich werde mich danach nicht richten. - Wir von der SPD betrachten das als einen echten Beitrag zu Überlegungen, die man anstellen muß. Wir sind ja mit unserem Vorschlag, den wir schon während des .Bundestagswahlkampfes zur Debatte gestellt haben, sogar davon ausgegangen, daß steuerpflichtige Vermögen bis zu 100 000 DM nur mit 0,75 % Vermögensteuer zu belegen seien, steuerpflichtige Vermögen zwischen 100 000 DM und einer Million DM mit 1%, steuerpflichtige Vermögen über eine Million DM bis 10 Millionen DM mit 1,5 %, und dann kamen wir bei steuerpflichtigen Vermögen über 10 Millionen DM auch zu 2 %. Es ist Ihnen bekannt, daß sich dadurch das Steueraufkommen immerhin um etwa eine Milliarde DM erhöhen würde.
({32})
- Sehen Sie, da ich weiß, was für ein kluger und unabhängiger Politiker Sie sind, ist das tatsächlich für mich ein Lob, das ich gern annehme.
Ich wiederhole jetzt noch einmal an dieser Stelle: es steht nirgendwo geschrieben, daß etwa bei einer Ergänzungsabgabe alle Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen von dieser Ergänzungsabgabe erfaßt werden müßten.
({33})
Es wäre auch nach unserer unserer Meinung möglich, beispielsweise eine Abgrenzung vorzunehmen und etwa nur bei einem steuerpflichtigen Einkommen ab 30 000 DM oder ab 25 000 DM - bitte, über jede Abgrenzung kann man reden - diese Ergänzungsabgabe zu erheben. Ich sage das nur, damit nicht die Behauptung im Raume bleibt, daß das nun wieder eine nicht zumutbare Belastung für die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen bis zu einem solchen steuerpflichtigen Einkommen von etwa 25 000 oder 30 000 DM sein würde.
Und nun, meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt. Die Anrufung des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes soll für den Bund eine pragmatische Lösung für die im Augenblick vordringlichsten Finanzprobleme bringen. So sagt es der Herr Bundesfinanzminister, und er fährt fort:
Ich bekenne offen, daß mir diese in der gegenwärtigen Situation realistischer erscheint als der Versuch, ein Modell einer idealen Finanzverfassung in die Wirklichkeit umzusetzen.
Nun, Herr Bundesfinanzminister, wir sind uns wohl darin einig, daß wir das Modell einer idealen Finanzverfassung so schnell nicht realisieren können, wobei ich davon überzeugt bin, daß Ihre Vorstellungen über ein Modell einer idealen Finanzverfassung etwas anders aussehen als die Vorstellungen Ihres FDP-Finanzministerkollegen etwa in Rheinland-Pfalz oder in Baden-Württemberg. Das sei nur nebenbei bemerkt, um die Schwierigkeiten aufzuzeigen. Aber ich muß doch schon fragen: Was ist hier realistisch? Ich habe schon erwähnt, daß nicht feststeht, wie hoch der Verteidigungshaushalt 1963 wirklich sein kann. Hinzu kommen dann die Maßnahmen aus dem Sozialpaket einschließlich der Beseitigung von Härten in der Kriegsopferversorgung und der Flüchtlingsgesetzgebung. Die Anschlußgesetze an die Kriegsfolgengesetzgebung sind angekündigt worden, insbesondere das Reparationsschädengesetz. Am 1. Juli 1963 werden die Wohnbeihilfen eingeführt. Über den Finanzaufwand für den zivilen Bevölkerungsschutz stellt eine Kommission Erhebungen an. Ist es, so frage ich nun still und bescheiden, richtig, von Art. 106 Abs. 4 Gebrauch zu machen?
Nun mögen Sie sagen, der Bund befinde sich in einer prekären Situation, nicht nur, weil die Dekkungslücke in Höhe von 2 Milliarden DM zu schließen ist, sondern auch, weil die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern doch mit dem Ziel begonnen haben, dem Bund einen größeren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu sichern, und das - wie wir ja schon bei den Erörterungen für den Haushalt 1962 feststellten - festgelegt für zwei Jahre. Ich darf in diesem Zusammenhang doch darauf aufmerksam machen, daß die Länder - einschließlich der Stadtstaaten - beim Bund mit mehr als 9 Milliarden DM verschuldet sind, und ich frage: Ist nicht über den Weg eines einmaligen Betrages zur vorzeitigen Tilgung eine Überbrückung dieser
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Situation für das Jahr 1963 möglich? Dann wäre mit dem Betrag X die Deckungslücke in diesem Umfang - wie es der Betrag X zuläßt - zu schließen. Sie hätten der weiteren Entwicklung, der Entscheidung für 1964 und 1965 nichts vorweggenommen. Sie hätten dann im Laufe der nächsten Monate die Ergebnisse der Untersuchung über die finanziellen Aufwendungen für diese Gesetze und könnten auf dieser Basis dann die Verhandlungen mit den Ländern, glaube ich, aussichtsreich führen.
Sie sehen also, es ist durchaus nicht so, daß wir nur ein Nein sagen zu einer bestimmten von Ihnen vorgeschlagenen Lösung, sondern daß wir uns auch darüber den Kopf zerbrechen, wie wir einen konstruktiven, für alle annehmbaren Vorschlag machen, der im Endziel dasselbe erreicht.
Auch der Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß die große Aufgabe der Prüfung einer Finanzreform unverändert bestehenbleibt. Er hofft, daß diese Arbeit in Kürze in vertrauensvollem Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden und allen Parteien aufgenommen werden kann. In einem Interview mit einer Presseagentur, das am 24. Oktober 1962 veröffentlicht worden ist, hat der Herr Bundesfinanzminister noch hinzugefügt, ein derartiges Gremium habe aber keinen Sinn, wenn in ihm nicht alle vertreten seien. Wir begrüßen diese zustandegekommene Einigung aufrichtig und unterstreichen nochmals unsere volle Bereitschaft zur verantwortungsvollen Mitarbeit.
Der Bundesfinanzminister hat dann zu meiner Überraschung angekündigt, daß eine der ersten Aufgaben der einzuberufenden Finanzkommission darin besteht, den Zusammenhang zwischen der Finanzreform und der Einheitsbewertung zu untersuchen. Im ersten Augenblick war ich versucht anzunehmen, daß das ein entscheidender Grund für die neue Zusammensetzung der Finanzkommission sein könnte. Aber das war nur ein Augenblick, dann habe ich diesen Gedanken verworfen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Berichtigung der Einheitswerte endlich in Angriff genommen werden soll, wobei wir hoffen, daß die angekündigten Verhandlungen keine erheblichen Verzögerungen zur Folge haben. Auch wir sind der Ansicht, daß die steuerlichen Folgen insbesondere für den kleinen und mittleren Besitz erst nach Festlegung der neuen Rechtsgrundlagen für die Feststellung der neuen Einheitswerte überprüft werden können. Wir entnehmen der Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers nicht, daß die Wirksamkeit der notwendigen Bereinigung bis 1966 hinausgeschoben werden soll.
Wir begrüßen es weiter, daß der Bundesfinanzminister die Notwendigkeit einer Korrektur des gespaltenen Körperschaftsteuertarifs grundsätzlich nicht bestreitet und daß die Auswirkungen dieser Regelung im zwischenstaatlichen Wettbewerb die Aufmerksamkeit der Bundesregierung gefunden haben. Wir fordern nach wie vor eine vertretbare Korrektur und werden darauf achten, daß der in Punkt 133 der Haushaltsrede angekündigte Bericht in allernächster Zeit dem Hohen Hause vorgelegt wird.
Nur am Rande darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß bei Erhöhung des Satzes für ausgeschüttete Gewinne um je 1 % die Körperschaftsteuer 45 bis 50 Millionen DM Mehreinnahmen erbringt.
Ich darf nun noch einmal auf die Arbeit der nun hoffentlich bald eingesetzten Expertenkommission zurückkommen und als Ziel herausstellen: Ein optimales Gleichgewicht zwischen Aufgaben und Finanzkraft soll nicht nur für den Bund, sondern auch für Länder und Gemeinden erzielt werden. Um der Erfüllung jener dringlichen Aufgaben willen, wie sie eine klare Rangordnung den drei Gebietskörperschaften zuweist, müssen auch unpopuläre, für den einen oder anderen der Beteiligten unbequeme Lösungen in Kauf genommen werden. Jedenfalls ist die Einnahmenverteilung weniger von der Tradition her als von den finanzwirtschaftlichen Möglichkeiten und von dem an den Aufgaben bemessenen Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden her zu bestimmen. Jeder Wandel der Verhältnisse wirkt auf den neu zu vereinbarenden Finanzausgleich ein, der sich deswegen als keine endgültige Regelung, wohl aber als stabil für die Dauer einer gleichbleibenden Bedarfslage zu erweisen hat.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Das wirtschaftliche und damit auch das politische und militärische Potential in der Bundesrepublik ist in den letzten zehn Jahren nicht nur durch Sparsamkeit geschaffen worden, sondern durch ehrgeizige Zielsetzungen und eine großartige Gemeinschaftsleistung des gesamten deutschen Volkes.
({34})
Niemand sollte in der jetzigen Situation die selbstverständlich auch von uns anerkannte Notwendigkeit zur Sparsamkeit, wobei ich Sparsamkeit erkläre als Wohlüberlegtheit bei jeder einzelnen Ausgabe, gleichsetzen mit einer Beschränkung der öffentlichen Ausgaben als Ganzem, wenn wir von der Bundesverteidigung absehen. Die Grenzen unserer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind nicht starr. Sie sind entscheidend abhängig von der Investitionstätigkeit und allen anderen Voraussetzungen, die das Wachstum des Bruttosozialproduktes bestimmen. Verzichten wir darauf, unsere Volkswirtschaft am Anfang einer Periode der weltwirtschaftlichen Schwäche die notwendigen Impulse des Auftriebs zu geben, ,so bleiben wir an den heute erreichten Grenzen unserer Leistungsfähigkeit stehen, was niemand wünschen kann. Jeder, der sich mit dem Fragenkomplex gründlich beschäftigt, den dieser Bundeshaushalt auslöst, sieht die gewaltigen Aufgaben, die noch zu lösen sind, und zwar mit einem ihnen entsprechenden Steuerbedarf und seinem richtigen Einsatz.
Daher sollten nach unserer Meinung folgende Forderungen beachtet werden:
Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts,
die Erfüllung der mannigfaltigsten Aufgabenzwecke der öffentlichen Hand bei einer Rangordnung, die von dem heutigen Gesellschaftsbild bestimmt sein muß,
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
die Verteilung der Lasten nach der Leistungsfähigkeit und
eine Bewußtseinsbildung, die bei den Staatseinnahmen und den Staatsausgaben die gleiche Verantwortung auslöst, die der Bürger im allgemeinen bei sich selbst anwenden muß.
({35})
Hoffentlich kann sich das Hohe Haus auf eine solche Konzeption einigen:
({36})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Finanzbericht, den uns die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Haushalt vorgelegt hat, fehlt interessanterweise die Aufstellung eines Gesamtsozialhaushaltes, die sich in den früheren Finanzberichten der Bundesregierung gefunden hat. Dieser Gesamtsozialhaushalt enthält die ¡Sozialausgaben des Bundes, der Länder, der Gemeinden ,sowie der Sozialversicherungen und setzt sie in Beziehung zum Bruttosozialprodukt. Daß die Bundesregierung bei der Bedeutung der Sozialausgaben diesen Gesamtsozialhaushalt nicht in ihren Finanzbericht aufgenommen hat, kann doch nicht ohne Grund geschehen sein. Die Aufstellung würde nämlich im einzelnen zeigen, wie sich der Anteil der Sozialausgaben am Sozialprodukt verringert hat und daß der Anteil, wie Herr Kollege Schoettle, von Ihnen unwidersprochen, erklärte, auf den niedrigsten Stand seit ¡der 'Gründung der Bundesrepublik herabgesunken ist.
({0})
- Fast! Wollen wir uns hier über 0,1 % nicht streiten!
({1})
Meine Damen und Herren, den Rückgang der Sozialausgaben im Verhältnis zum Sozialprodukt hat der Herr 'Bundesarbeitsminister vor zwei Wochen, als wir hier unsere Anträge zur Kriegsopferversorgung, zum Kindergeldrecht und zum Mutterschutzgesetz begründeten, unter dem Beifall der Regierungsparteien als das Ziel der Sozialpolitik und der Wirtschaftspolitik bezeichnet. Wer einen allgemeinen Rückgang der Sozialleistungen als das Ziel seiner Politik bezeichnet, betrachtet es offenbar als eine wesentliche Aufgabe der Sozialpolitik, nur gegenüber Notständen in Funktion zu treten. Das wird dann mit den Prinzipien der Bedürftigkeitsprüfung wie in der Kriegsopferversorgung und im Kindergeldrecht praktiziert. Auf diese Weise kommt man in der Sozialpolitik zu Methoden, die in die Nähe einer gehobenen Armenfürsorge geraten, wie es der Herr Bundesfamilienminister kürzlich einmal für die Familienpolitik zugab. ,Solche Methoden entsprechen nach unserer Vorstellung einer Sozialpolitik nicht des 20., sondern des 19. Jahrhunderts.
({2})
Wir empfinden es als sehr bemerkenswert, daß der Herr Bundesfinanzminister einen Rückgang der Sozialausgaben nicht wie der 'Herr Bundesarbeitsminister ausdrücklich als das Ziel seiner Politik bezeichnet hat. Vielmehr hat der Herr Bundesfinanzminister sogar von Gesetzentwürfen gesprochen, für die noch in einem Nachtragshaushalt Ansätze zu veranschlagen wären.
({3})
- Herr Kollege Winkelheide, wir kommen später noch zur Beratung dieser Entwürfe, aber einiges werde ich Ihnen heute schon sagen.
Allerdings hat der Herr Bundesfinanzminister hinsichtlich des Nachtragshaushaltes auch einschränkend auf notwendige Verhandlungen mit den Ländern hingewiesen. Zudem waren im Inhalt seine Erklärungen zu den Gesetzenwürfen reichlich unbestimmt. Ich will das im einzelnen beweisen.
Erstens. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier unter Zustimmung des ganzen Hauses erklärt, daß Leistungen für Opfer des Krieges die Erfüllung einer Ehrenschuld des ganzen Volkes darstellen. Aber Herr Bundesfinanzminister, wir sind der Meinung, daß Sie aus dieser Auffassung nicht die Konsequenzen für den Haushaltsplan gezogen haben; denn Ihr Hinweis auf einen Nachtragshaushalt ist unbefriedigend. Die Bundesregierung hat von diesem Hause den Auftrag erhalten, bis zum 30. November dieses Jahres den Entwurf eines Zweiten Kriegsopfer-Neuregelungsgesetzes vorzulegen. Bei dieser Fristsetzung muß sich die Bundesregierung doch wohl schon jetzt in etwa über die Größenordnungen im klaren sein, um die es haushaltsmäßig geht.
Im übrigen, Herr Bundesfinanzminister: Ihr ververehrter Herr Vorgänger 'hat im Jahre 1960 für das Erste Kriegsopfer-Neuordnungsgesetz vorweg einen Betrag von 900 Millionen DM in den Bundeshaushalt aufnehmen lassen. Wenn jetzt die Bundesregierung beim bevorstehenden Zweiten Neuordnungsgesetz von dieser beim Ersten Neuordnungsgesetz angewandten Praxis des vorsorglichen Ansatzes ¡abweicht, dann können leider bei den Menschen, um die es geht, bei den Opfern des Krieges Zweifel darüber bestehen, ob die Bundesregierung wenigstens vom 1. Januar 1963 an ihnen gegenüber ihre Ehrenschuld erfüllen will.
({4})
In diesem Zusammenhang noch eine andere Bemerkung. Es gilt uns wohl allen als eine Verpflichtung, die Wiedergutmachung so fortzusetzen, wie es den moralisch berechtigten Forderungen entspricht. Im Haushaltsansatz ist der Betrag dafür um 25 Millionen DM verringert. Der Herr Bundesfinanzminister weiß doch um die Anforderungen, die hinsichtlich der Wiedergutmachung zu erfüllen sind! Wir erklären das heute deshalb nachdrücklich, um schon jetzt zu sagen, daß wir auf die Frage der Wiedergutmachung in diesem Hause sehr bald und konkret zurückkommen werden und müssen.
({5})
Ein zweiter Bereich! Der Herr Sonderminister Dr. Krone hat auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe erklärt - ich zitiere wörtlich -: „Man soll an der Familienpolitik erkennen, daß Christliche Demokraten die Verantwortung tragen." Im vorliegenden Haushalt sind die Ansätze für Familienausgleich um 100 Millionen DM niedriger als im vergangenen Jahr. Nun 'komme ich zu Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege Winkelheide: Die Bundesregierung hat doch ein Bundeskindergeldgesetz verabschiedet. Der Inhalt bringt im wesentlichen eine Umschichtung in der Aufbringung der Mittel. Das ist auch eine wichtige Aufgabe. Aber der Umfang der tatsächlichen Verbesserung des Familienausgleichs ist mehr als bescheiden, er ist kläglich. Er soll weiterhin für Familien mit zwei Kindern an der Einkommensgrenze von 600 DM festgehalten werden. Wir wissen alle, daß es vor einem Jahr hieß, 1,8 Millionen Familien mit zwei Kindern sollen dieses Kindergeld erhalten. Jetzt sind es 1,2 bis 1,3 Millionen Familien.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch in bezug auf das Bundeskindergeldgesetz auf die Möglichkeit des Nachtragshaushalts verwiesen. Er sagte - ich möchte das zitieren, weil es auf jedes Wort ankommt -, „daß Mittel im Haushalt deshalb nicht veranschlagt sind, weil Zeitpunkt des Inkrafttretens und Höhe der Kosten noch nicht zu übersehen sind." Diese Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers steht aber nicht im Einklang mit dem Text des Gesetzentwurfs. In dem Entwurf ist als Zeitpunkt des Inkrafttretens der 1. Juli 1963 festgesetzt. Im Finanzteil ist genau berechnet, wie hoch die Mehraufwendungen aus der Umschichtung im wesentlichen und zum sehr bescheidenen Teil aus der Leistungsverbesserung sein werden. Deshalb wäre es entgegen der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers doch wohl durchaus möglich gewesen, den Ansatz, den man in der Begründung des Gesetzes seitens der Bundesregierung berechnet hat, in diesen Haushaltsplan aufzunehmen.
Auch das ist nicht ohne Beispiel; denn im Jahre 1961, beim Kindergeldkassengesetz, sind, ohne daß schon ein Entwurf vorlag, die Beträge vorsorglich in den Haushalt eingesetzt worden.
Für den fehlenden Ansatz der Mehraufwendungen habe ich nur zwei Erklärungsgründe. Dabei möchte ich mich insbesondere an den Herrn Bundesfinanzminister wenden. Herr Bundesfinanzminister, die erste Möglichkeit ist, daß Sie selbst nicht mit Inkrafttreten dieses Bundeskindergeldgesetzes zum 1. Juli 1963 rechnen.
({6})
Dafür spricht vieles, nicht nur Ihre eigene Erklärung, sondern auch die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, der die Richtlinien der Politik bestimmt. Beide Herren haben nachdrücklich erklärt: Diese drei Gesetze sind unlösbar miteinander verbunden. Jeder in diesem Hause weiß, daß die beiden anderen Gesetze nicht vor dem 1. Januar 1964 in Kraft treten können.
Die zweite Möglichkeit, Herr Bundesfinanzminister, könnte die sein, daß Sie zusammen mit Ihren Kollegen FDP-Ministern, wie die Presse mitteilte, nicht an der Verabschiedung dieses „Sozialpaketes" im Bundeskabinett teilnahmen und sich deshalb mit
dem Inhalt noch nicht ausreichend vertraut machen konnten.
({7})
- Nein, diese Pressemitteilungen sind unwidersprochen geblieben. Es wurde sogar berichtet: Nachträglich solle sich noch der Koalitionsausschuß mit den von der Bundesregierung bereits verabschiedeten Gesetzentwürfen beschäftigen. Das scheint doch zu bestätigen, daß die Herren Minister der FDP an der Beschlußfassung nicht teilgenommen haben.
Wie dem auch sei, der Hinweis, den der Herr Bundesfinanzminister über Möglichkeiten des Nachtragshaushalts gegeben hat, ist geeignet, irrtümliche Vorstellungen zumindest über den Zeitpunkt des Inkrafttretens jener ganz bescheidenen Verbesserungen des Kindergeldrechts in den Familien hervorzurufen.
Noch ein drittes, Herr Bundesfinanzminister. Unter den Punkten 81 und 82 Ihrer Begründung des Bundeshaushalts haben Sie mit vier Sätzen das Gesundheitswesen erwähnt. Nach Auffassung meiner politischen Freunde scheint das zu veranschaulichen, daß die Bundesregierung immer noch nicht in ausreichender Weise die Bedeutung der Gesundheitspolitik für unser Volk erkannt hat.
({8})
Nach dem Funktionenplan, der Teil des Haushaltsgesetzes ist, sind die Ansätze für Gesundheitswesen, Sport und dergleichen um ganze 2 % gegenüber dem Vorjahre erhöht. Das entspricht noch nicht einmal der Steigerung des Gesamtvolumens des Haushalts oder - ich will mich vorsichtig ausdrücken - den Entwicklungsmöglichkeiten des Bruttosozialprodukts.
Ich sehe die verehrte Frau Gesundheitsministerin nicht im Raume. Sie hatte eine andere Verpflichtung nehme ich an, muß ich annehmen.
({9})
Wir erheben den Vorwurf, daß das Bundesgesundheitsministerium, das wir alle hier im Hause begrüßt haben, noch keine einzige wichtige Aufgabe so vorangebracht hat, daß sie dem Hause zugehen konnte. Die Frau Ministerin entschuldigt sich auf ihren Reisen immer mit ihrer zu geringen Zuständigkeit in diesen gesundheitspolitischen Fragen. Wir müssen aber feststellen, daß die Frau Gesundheitsministerin noch nicht einmal die Dinge geregelt hat, für die sie zweifelsohne zuständig ist, die zu regeln sie sogar verpflichtet ist; ich nenne beispielsweise: Rechtsverordnung zum Lebensmittelrecht oder zum Arzneimittelrecht.
({10})
Vielleicht - ich weiß es nicht - mag dazu beitragen, daß aus koalitionspolitischen Gründen noch kein Staatssekretär für das Bundesgesundheitsministerium bestellt werden konnte, vielleicht.
({11})
Das einzige, was der Bundesregierung eingefallen ist
und was gesundheitspolitisch von großer Tragweite
ist, sind Kostenbeteiligungen in einer Größenordnung von rund 1 Milliarde Mark. Sie stellen in ihrem gesundheitlichen Inhalt eine Verlagerung zu Lasten der Familie mit Kindern und auch eine Verlagerung zu Lasten der Älteren in unserem Volke dar und könnten die frühzeitige Inanspruchnahme ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung behindern.
({12})
- Natürlich, ich bin sehr vorsichtig. Wir kommen noch zu einer Debatte über das sogenannte Paket. Wir müssen uns einiges für diese Debatte aufbewahren.
({13})
Ein viertes. Herr Kollege Schoettle hat daraufhingewiesen, daß es allen Industrienationen ein dringendes Anliegen ist, mehr für die Förderung der Berufsausbildung zu tun. Niemand in diesem Hause hat dem widersprochen. Soweit sich Sprecher der Regierungsparteien überhaupt zu Worte gemeldet haben
({14})
- sich gemeldet haben, muß man doch wohl sagen -, haben sie dieser dringenden Forderung nicht widersprechen können. Der Herr Bundesfinanzminister - ich sehe ihn im Augenblick nicht im Raum ({15})
hat in den 83 Seiten seines Manuskripts nicht einmal die Worte „Berufsförderung", „Aufstiegschancen" oder dergleichen erwähnt.
Meine Damen und Herren, im Mai 1959 hat dieses Haus die Bundesregierung beauftragt, einen Gesetzentwurf über Ausbildungsförderung vorzulegen. Als wir Sozialdemokraten dann einen eigenen Gesetzentwurf über Ausbildungsförderung am 17. Mai dieses Jahres einbrachten, erklärte der Herr Bundesfamilienminister, die. Bundesregierung werde so bald wie möglich auch einen Gesetzentwurf vorlegen. Aber die Vorarbeiten in der Bundesregierung sind offenbar noch nicht so weit fortgeschritten, daß der Herr Bundesfinanzminister hiervon Kenntnis erhalten hat und dazu in seiner Haushaltsrede auch nur ein Wort sagen konnte.
Ich komme zum Schluß. Der vorgelegte Haushalt entspricht nach unserer Auffassung nicht folgenden dringenden Forderungen. Erstens erfüllt er nicht die Ehrenschuld - wie der Herr Bundesfinanzminister erklärte - gegenüber den Opfern des Krieges und gegenüber denen, denen wir Wiedergutmachung schuldig sind. Er wird zweitens nicht der Aufgabe einer besseren wirtschaftlichen Sicherung unserer Familien gerecht. Drittens entspricht er nicht den gesundheitlichen Forderungen unserer Zeit,
({16})
und viertens finden die Notwendigkeiten der Berufsausbildung und -förderung keinen zureichenden Ausdruck. - Herr Kollege Niederalt, ich glaube, Sie werden mit mir der Auffassung sein, daß die vier Aufgaben, von denen ich sprach, wichtige Anliegen des ganzen Hauses und unseres ganzen Volkes sein sollten.
({17})
Deshalb erfüllt der vorgelegte Haushaltsentwurf nicht die Aufgaben, die der Sozialpolitik für heute und für morgen gestellt sind.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zur Verkehrspolitik des Bundes machen eine Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion in der ersten Lesung erforderlich. Ich bitte Sie deshalb trotz der späten Stunde noch um etwas Geduld zu den Bemerkungen, die ich insbesondere zum Straßenbau und zu der Problematik der Bundesbahn machen möchte.
Der Verkehrshaushalt weist in Kap. 1210 die gleichen Ansätze wie im Vorjahr aus. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede zum Ausdruck gebracht, daß die Ansätze in Vorjahreshöhe ausreichen werden, um die Verkehrswege an das gestiegene Verkehrsvolumen anzupassen. Nun, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie es wirklich so meinen, wie es in Ihrer veröffentlichten Haushaltsrede auf Seite 25 zu lesen steht, dann ist mir Ihr Optimismus einfach unbegreiflich. Jeder, der sich heute auf unseren Straßen bewegt, gleichgültig, ob er Kraftfahrer oder Fußgänger ist, und gleichgültig, ob er sich auf Autobahnen, auf Fern-, auf Kreis- oder auf Gemeindestraßen bewegt, kann sich und muß sich leider laufend davon überzeugen, daß die Verkehrsverhältnisse auf unseren Straßen von Monat zu Monat desolater werden.
Die Haushaltsansätze für den Straßenbau für 1962 waren absolut unzureichend; das ist die Bilanz, die wir leider täglich ziehen müssen. Im nächsten Jahr werden mindestens eine Million Personenkraftwagen mehr auf unseren Straßen sein, das Verkehrsvolumen wird sich um mindestens 10 % erhöhen; und wenn schon in diesem Jahr die Haushaltsansätze für den Straßenbau völlig unzureichend waren, dann ist im nächsten Jahr bei gleichen Ansätzen eine Anpassung an das steigende Verkehrsvolumen völlig ausgeschlossen.
({0})
- Sie konnten nicht ausgegeben werden infolge der Sperre. Ich meine, wenn man die Ausgabe der Mittel monatelang verzögert, kann man nachher Ihrem Verkehrsministerium nicht den Vorwurf machen, daß die Mittel nicht ausgegeben worden sind. Das ist leider immer die sehr zwielichtige Methode, meine Damen und Herren von der CDU, der Sie sich zeitweilig bedienen. Herr Bundesfinanzminister, 'ich würde Sie deshalb doch bitten, die
Aussage, die Sie hier auf Seite 25 gemacht haben, noch einmal auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Herr Bundesfinanzminister, Ihre Aussage, mit der Sie die Lockerung der Zweckbindung der Mineralölsteuer begründen, steht auch in einem offensichtlichen Widerspruch zu den straßenbaulichen Thesen, die der Bundesverkehrsminister auf vielen Veranstaltungen vertreten hat, und Sie haben in Ihrer Etatrede mit keinem Wort den zweiten Vierjahresplan für den Straßenbau erwähnt, diesen zweiten Vierjahresplan, dem Sie durch die im Haushaltsgesetz angekündigte Beschränkung der Zweckbindung die Finanzgrundlage einfach entzogen haben.
Meine Damen und Herren, wir halten den Weg, den Sie hier beschreiten, für sehr bedenklich; denn die Zweckbindung der Mineralölsteuer ist das geeignetste und nach meiner Meinung das beste Mittel, um die Dynamik der Motorisierung und den Straßenbau miteinander zu koppeln und zu verzahnen, um zu verhüten, daß sich die Schere zwischen der Motorisierung und dem Straßenbau noch weiter öffnet.
Ich mache diese Bemerkungen noch aus einem anderen Grunde. Die spezifischen Verkehrsabgaben sind die einzigen Steuern, die im letzten Jahrzehnt mehrfach drastisch erhöht worden sind; und nur unter dem Gesichtspunkt der Deckung des riesigen Nachholbedarfs im Straßenbau ist es doch meiner Meinung nach zu rechtfertigen, daß der deutsche Kraftfahrer, verglichen mit den Kraftfahrern in anderen Ländern der westlichen Welt, die weitaus höchsten Lasten zu tragen hat.
Aus diesem Grunde ist schon 1955 im Verkehrsfinanzgesetz die Regelung getroffen worden, daß das Mehraufkommen an Steuermitteln dem Bundesstraßenbau zuzuführen ist, und ,aus dem gleichen Grunde ist die prinzipielle Zweckbindung im § 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes verankert worden. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben im § 9 ides Haushaltsgesetzes die befristete Beschränkung der Zweckbindung der Mineralölsteuer gefordert. Wie steht es aber mit dem Verkehrsfinanzgesetz? Sind Sie nicht nach diesem Gesetz auch verpflichtet, das Steuermehraufkommen dem Bau von Bundesstraßen zuzuführen, und läßt dieses Gesetz es zu, daß Sie die im Einzelplan 12 gesperrten 180 Millionen DM 1962 zur Deckung des allgemeinen Haushalts heranziehen?
Meine Damen und Herren, man hat mitunter den Eindruck, daß der ,Straßenbau von Ihnen als ein notwendiges Übel angesehen wird. Ich halte die Investitionen im Straßenbau für volkswirtschaftlich produktive Aufwendungen, die besonders geeignet sind, die Stabilität unserer Wirtschaft zu fördern. Denn abgesehen von der notwendigen Verringerung der Zahl der Verkehrsopfer - ein Anliegen, das uns immer wieder besthälftigen muß - und abgesehen von der notwendigen Verringerung der durch die Unfälle bedingten Sachschäden - wird heute durch die riesigen Autoschlangen, durch die Verkehrsverstopfungen usw. ein zahlenmäßig überhaupt nicht zu fassender Verschleiß an Zeit und Arbeitskraft verursacht. In wissenschaftlichen Untersuchungen ist festgestellt worden, daß durch das Langsamfahren und das wiederholte Anfahren 2. B. der Reifenverbrauch um mehr als 50 % ansteigt, der Treibstoffverbrauch um 30 bis 50 % höher ist und, was mir besonders bemerkenswert erscheint, die ungenügende Treibstoffverbrennung unsere Luft zusätzlich verunreinigt.
Das sind Tatsachen, die es uns unerklärlich erscheinen lassen, daß der Straßenbau seitens der Bundesregierung auch im neuen Haushaltsjahr nicht die Berücksichtigung erfahren soll, die er verdient. Bleibt es bei den Haushaltsansätzen in Vorjahrshöhe, dann fügen Sie, meine Damen und Herren, den bisherigen Versäumnissen neue Versäumnisse hinzu.
Lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zur Bundesbahn machen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede gesagt, daß für die Deutsche Bundesbahn auch im nächsten Jahr 1047 Millionen DM vorgesehen sind. Er fährt dann fort, daß er während seiner Amtszeit wiederholt darauf hingewiesen habe, daß es in erster Linie Aufgabe der Deutschen Bundesbahn selbst sei, den Ausgleich ihrer Rechnung anzustreben.
Herr Bundesfinanzminister, wenn man das liest, muß der Eindruck entstehen, daß die Bundesbahn jährlich eine Subvention von mehr als 1 Milliarde DM erhalten habe und daß es an der Zeit sei, eine solche Subvention abzubauen. So, meine Damen und Herren, liegen die Dinge nicht. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede nicht erwähnt, daß von den 1047 Millionen DM 631 Millionen DM Ausgleichzahlungen für betriebsfremde Lasten darstellen, daß 245 Millionen DM Darlehen oder Kapitalaufstockungsbeträge sind und daß nur ein Betrag von 170 Millionen DM einen Zuschuß zu den Sozialtarifen der Bundesbahn darstellt. So korrigiert, meine Damen und Herren, sieht das Bild schon etwas anders aus. Es scheint mir im Interesse der Bundesbahn notwendig, eine solche Feststellung zu treffen.
Mir scheint aber noch eine weitere Modifikation erforderlich zu sein. Auch dem Herrn Bundesfinanzminister ist sicherlich bekannt - und hier befinde ich mich in Übereinstimmung mt dem Herrn Bundesverkehrsminister und mit dem Brand-Gutachten -, daß die Bundesbahn neben den betriebsfremden Lasten noch erhebliche betriebsungewöhnliche Lasten zu tragen hat. Das sind die Kosten der Altersversorgung, die über den Sozialaufwand vergleichbarer Betriebe weit hinausgehen. Die Bundesregierung hat das im letzten Jahr auch teilweise anerkannt, und eine Abgeltung von 280 Millionen DM vorgeschlagen. Sie hat - bemerkenswerterweise nicht die Unterstützung der Koalitionsmehrheit gefunden.
Im Lichte dieser Tatsachen darf ich feststellen, daß nach dem uns bekannten Zahlenmaterial die Bundesbahn kein subventionierter Betrieb ist.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in Ihrer Rede weiterhin gesagt, daß die Zuschußleistungen des Bundeshaushalts nur vorübergehender Natur sein können und daß die Bundesbahn bei einem fortschreitenden Zusammenwachsen des Gemein2062
samen Marktes auf dem Verkehrsgebiet mit einem verschärften Wettbewerb rechnen muß. Das ist zweifellos richtig. Der Wettbewerb wird sich verschärfen, einmal durch den Umwandlungsprozeß in der Energieversorgung, durch die Umstellung von Kohle und Stahl, durch den Ausbau des PipelineNetzes, durch die von Ihnen angedeutete Senkung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, und es wird möglicherweise auch eine Verschärfung eintreten durch die von einem Teil der CDU beantragte Ausweitung der Nahverkehrszone. Alle diese Maßnahmen werden den Wettbewerb verschärfen.
Nach den in meiner wirtschaftlichen Praxis gesammelten Erfahrungen führt ein verschärfter Wettbewerb auch zu einem vermehrten Preisdruck, und ich empfinde es als etwas merkwürdig, daß Sie, Herr Bundesfinanzminister, angesichts des verschärften Wettbewerbs der Bundesbahn erhebliche Tariferhöhungen vorschlagen, Tariferhöhungen, die im Einzelfall bis zu 14 % gehen.
Über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen hat hier mein Fraktionskollege Dr. Möller schon einiges ausgeführt. Aber abgesehen von den volkswirtschaftlich abträglichen Rückwirkungen ist zu befürchten, daß die Tariferhöhungen auf die Bundesbahn wie ein Bumerang zurückschlagen werden. Es ist bekannt und in jeder Statistik zu lesen, daß der Anteil der Bundesbahn am Personennahverkehr laufend zurückgeht, nicht etwa wegen der wachsenden Antipathie der Verkehrsteilnehmer gegenüber der Bundesbahn, sondern weil die Verkehrsteilnehmer heute mit anderen Verkehrsmitteln besser und billiger befördert werden oder sich aus Gründen der Rentabilität selbst einen PKW anschaffen. Eine Tariferhöhung in dem von Ihnen beabsichtigten Ausmaß wird diese Tendenz verstärken. Diese Konsequenzen befürchten wir, und auch aus diesem Grunde sind wir gegen die geplanten Tariferhöhungen. Wir würden es für richtiger halten, wenn die Bundesregierung endlich die Bundesbahn in den Stand setzte, ihr teilweise überhöhtes Tarifniveau zu senken und besonders die Tarife für Massengüter den Selbstkosten anzupassen. Das schiene uns eine echte Stabilisierungsmaßnahme zu sein. Wir sind überzeugt, daß solche Maßnahmen am ehesten geeignet sind, der Bundesbahn ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zuzuführen.
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- Nein, Herr Kollege Müller-Hermann. Sie wissen genau, daß auch die Tarife der Bundesbahn im Personennahverkehr gemessen an den Wettbewerbern überhöht sind und daß es notwendig ist, auch hier zu einer Senkung und nicht zu einer Erhöhung zu kommen.
Sie wissen sehr genau, daß der Omnibus preiswerter fahren kann als die Bundesbahn. Deshalb muß die !Bundesbahn wettbewerbsfähiger werden. Das geht nicht im Wege von Tariferhöhungen, sonder nur durch eine vernünftige Tarifgebarung.
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- Selbstverständlich; davon müssen wir ausgehen. Wenn man der Bundesbahn eine Reihe von Lasten abnimmt, kann sie auf vielen Gebieten kostennäher tarifieren. Diese erste Voraussetzung einer Wettbewerbswirtschaft haben Sie leider nie erfüllt, und Sie können keinen Wettbewerb fordern, wenn Sie nicht dazu bereit sind, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Meine Damen und 'Herren, wir hielten es für dringend notwendig, zur ersten Lesung festzustellen, daß die im Bundeshaushalt 1963 verzeichneten Ansätze den Erfordernissen einer modernen Verkehrswirtschaft nicht gerecht werden. Wir gehen mit diesen Vorbehalten an die Beratungen des Haushalts heran.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da jetzt keine Wortmeldung mehr vorliegt, lassen Sie mich ein kurzes 'Schlußwort sagen. Dabei werde ich versuchen, von den verschiedenen Notizen, die ich mir im Laufe der 'Stunden gemacht habe, Gebrauch zu machen.
Zunächst möchte ich allen in diesem Hohen Hause für die heutige Debatte danken. Sie hat mir viele Anregungen gebracht, und sie hat in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden - inmitten einer sonst unruhigen Atmosphäre in diesem Hause in den letzten Tagen.
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- Sehr wohltuend! Ich darf an dieser Stelle auch den Ressorts für die Mitarbeit und die Zusammenarbeit und dann vor allen Dingen allen Mitarbeitern im Finanzministerium danken.
Ich muß aber auch allen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause für das Verständnis danken, das sie dem Bundesfinanzminister in seiner schwierigen Lage entgegengebracht haben, auch den Kollegen von der Opposition. Es ist zwar hier und dort gefordert worden - ich komme darauf noch einmal zu sprechen -, im Prinzip haben wir aber doch festzustellen, daß ein großes Verständnis gegeben war.
Zunächst darf ich auch Ihnen, Herr Kollege Möller, danken. Ich muß allerdings auf die eine Milliarde DM mehr an Verwaltungseinnahmen für 1963 eingehen, weil das der wichtigste Punkt bezüglich der Haushaltsdeckung war. Das war natürlich eine Sache, die ich feststellen lassen mußte, und ich glaube, daß es uns gelungen ist. Wie der Herr Kollege Vogel vorhin schon erwähnt hat, mußten wir bereits im Bundesrat dazu Stellung nehmen. Der Bundesrat hatte nämlich gesagt, man könne 100 Millionen DM mehr aus Verwaltungseinnahmen erwarten.
Nun, Herr Kollege Möller, Sie haben gesagt: eine Milliarde. Das war natürlich ein großer Sprung. Ich habe so etwas das Gefühl, daß Sie ein wenig verlegen waren, wie sie die Deckung für die mannigBundesfinanzminister Dr. Starke
fachen Forderungen vornehmen sollten, die von Ihrer Partei kamen. Aber eine Milliarde ist bestimmt zuviel. Ich werde Ihnen das gleich sagen. Ich brauche, glaube ich, nur auf einen Satz in der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Vorbringen des Bundesrates zu verweisen. Es heißt da:
Der Hinweis auf die Mehreinnahmen in 1961 läßt außerdem unberücksichtigt, daß es sich bei einem großen Teil dieser Einnahmen nur um durchlaufende Posten handelt, denen entsprechende Mehrausgaben gegenüberstehen, und daß insoweit die bei diesen Titeln gebuchten Beträge dem Bund nicht als echte Deckungsmittel verbleiben.
Nun zu 1962 - das ist ja entscheidend -, damit wir einmal sehen, wie das aussieht. Sie haben nämlich gesagt, Herr Kollege Möller - und das ist natürlich ein wichtiger Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren -: Für die Verhandlungen mit den Ländern bedarf es einer protokollarisch festgehaltenen Aufklärung dieses Punktes.
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- Das weiß ich noch nicht. Das war mir noch nicht ganz sicher. Darauf komme ich dann noch, Herr Kollege Conring. Irgend etwas muß ja geschehen, wenn die Milliarde hier in den Verwaltungseinnahmen nicht drin ist.
Das Soll nach dem Haushaltsplan im Jahre 1962 betrug 932 Millionen DM. Das tatsächliche Aufkommen betrug 1629 Millionen DM. Infolgedessen ergab sich ein Mehraufkommen von 697 Millionen DM. Davon entfallen auf durchlaufende Posten - und nun kommt das - insbesondere im Verteidigungshaushalt, bei NATO-Bauten, Verpflegungsgeldern usw. sowie auf zweckgebundene Mittel für den Wohnungsbau 450 Millionen DM. Das ist eben das, was wir dem Bundesrat gegenüber erklärt haben. An echten Mehreinnahmen verbleiben deshalb 247 Millionen DM. Hiervon entfallen auf erhöhte Abschöpfungen bei der Agrareinfuhr 194 Millionen DM, verbleiben für Verwaltungseinnahmen im engeren Sinne also rund 53 Millionen DM. Die höheren Abschöpfungen in Höhe von 194 Millionen DM - darauf hatten wir auch schon bei der letzten Beratung hingewiesen - werden bis zum Schluß des Jahres zu einem großen Teil durch entsprechende überplanmäßige Ausgaben im Zusammenhang mit der Überführung der Landwirtschaft in die EWG aufgezehrt werden. Daraus haben wir auch kein Geheimnis gemacht. Es bleibt also ein Mehr von 53 Millionen DM, und das entspricht dem Gesamtergebnis des Jahres 1961; das waren für das ganze Jahr 100 Millionen DM.
Wenn man sich also mit dem, was die Länder im Bundesrat gesagt haben, auseinandersetzt, kann man auf keinen Fall, Herr Kollege Möller, von einer Milliarde sprechen. Das ist aber sehr wichtig; denn wenn diese Milliarde entfällt - ich spreche jetzt gar nicht darüber, ob das vielleicht 100 Millionen DM sind; das wäre zu weitgehend -, so ist der
entscheidende Satz Ihrer Ausführungen bezüglich der Deckung eben ohne Grundlage.
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Wir müssen also, glaube ich, doch daran denken, daß der Weg über den Art. 106, eben der in der Verfassung vorgezeichnete Weg, der ist, auf dem man vorgehen kann.
Sie haben vorhin auch zum Art. 106 gesprochen. Ich betone ausdrücklich, daß mir die Schwierigkeiten, die sich für die Länder ergeben, aber im Gefolge dann auch wegen der Verbundsteuern bei den Gemeinden, ganz deutlich sind. Aber wenn man zu einer Wertung kommen will, muß man vom Bundeshaushalt ausgehen, und wenn es mir nicht gelungen ist, dessen Ansätze stärker zusammenzudrücken, muß ich zu meinem Bedauern sagen, daß man eben diesen in der Verfassung vorgesehenen Weg gehen muß.
Ich wollte noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Schellenberg sagen. Leider ist er schon weggegangen. Ich wollte ihm sagen, daß seine vielen mir gegenüber sehr freundlich gehaltenen und dadurch etwas umständlich gewordenen Ausführungen,
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warum das Sozialpaket nicht im Bundeshaushalt steht, - ({4})
- Es war ein Genuß auch für mich. Ich habe das auch deutlich verfolgt. Er hat sich oft zu mir gewandt. Wenn man dann darüber redet, so kann man nämlich sehr schnell etwas feststellen. Diese Beschlüsse, daß das Sozialpaket außerhalb des Haushalts bleibt, sind laut veröffentlichtem Kommuniqué bereits am 11. und 12. September im Bundeskabinett gefaßt worden, also nicht in der Kabinettssitzung, in der die FDP-Minister nicht dabei waren. Dafür liegt ein amtliches Kommuniqué vor. Ich möchte also feststellen: diese Beschlüsse waren vorher gefaßt. Der Wille der Bundesregierung, diese Gesetze durchzusetzen, kann also nicht angezweifelt werden. Sie sind nicht im Haushalt enthalten, weil die Berechnungen damals eben nicht vorlagen und wir uns nun zu diesem Verfahren entschlossen haben. Ich habe es auch nicht versteckt, ich habe ganz offen gesprochen und gesagt, es kommt ein Nachtragshaushalt.
Nun aber zurück zu dem Art. 106. Wie wir den nun anwenden werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird sich natürlich aus den sicher sehr schwierigen, wenn auch im Augenblick in einer guten Atmosphäre ablaufenden Verhandlungen mit den Ländern ergeben. Voriges Jahr, das gestehe ich offen, habe ich gesagt: der Art. 106 ist wegen der Zeitnot, aber auch wegen der zweijährigen Festlegung nicht das geeignete Instrument. Nun wende ich mit tausenden Nöten und Sorgen und Bedenken diesmal den Art. 106 an. Ich will mich gar nicht darüber verbreiten: Es hat erst geheißen, man muß das über Art. 106 machen und nicht auf anderem
2064 Deutscher 'Bundestag - 4. Wahlperiode Bundesfinanzminister Dr. Starke
Wege. Als dann das Gesetz zu Art. 106 kam, war es auch nicht richtig. Dann haben wir gesagt: Nun ist das ein Gesetz zu Art. 106, das muß man im Bundesrat vorlegen. Dann hieß es, das dürften wir nicht, wir müßten erst mit den Ländern sprechen.
Da kommt Herr Kollege Schellenberg. Jetzt habe ich meine schöne Antwort schon gegeben, und ich darf das Hohe Haus nicht so langweilen.
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- Ich wollte nur noch einmal sagen: Die vielen Bedenken, warum das Sozialpaket nicht im Haushalt steht, waren an sich etwas überflüssig. Ich hätte es Ihnen gleich sagen können. Diese Beschlüsse sind am 11./12. September im Kabinett gefaßt worden, nicht in der Kabinettsitzung, in der die FDP-Minister nicht dabei waren. Diese Bedenken können Sie also ausschalten.
Wir haben also das Gesetz zu Art. 106 nicht im Kabinett beschlossen, sondern wir haben die Konferenz mit den Ministerpräsidenten gehabt. Daran anschließend ist die Kommission gebildet worden, die nun je drei oder vier Mitglieder von Bund und Ländern umfaßt, um das zu besprechen. In einer Zeitung habe ich nun wieder gelesen, daß ein Land sich beschwert hat, daß wir noch kein Gesetz vorgelegt haben. - Alles kann man natürlich nicht machen. Entweder ich lege es vor, oder ich lege es nicht vor, oder wir machen eine Konferenz. Ich möchte es einmal so ausdrücken: Ein Bundesfinanzminister hat es nicht nur dieses Hohen Hauses wegen, sondern auch sonst sehr schwer. Das Grundgesetz, von dessem hohen Rang ich natürlich hier gar nicht sprechen will, macht es einem schwer, aber es ist nun einmal so.
Nun komme ich aber zu einem sehr wichtigen Punkt, der die Steuererhöhung betrifft. Sehr verehrter Herr Kollege Möller, ich habe sehr viel Verständnis für das, was Sie gesagt haben, nämlich daß man die nationalen Aufgaben sehen müsse. Ich gebe Ihnen offen zu, daß ich ähnlich denke. Aber die Ergänzungsabgabe ist zu einer Zeit gemacht worden, als wir 26,9 Milliarden DM Steuereinnahmen im Jahr hatten. Das war 1957. Im Jahre 1963 werden wir 48,1 Milliarden DM haben.
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- Natürlich! Aber Sie wissen, daß unsere Steuerbelastung nach wie vor die höchste in der westlichen Welt ist. Deshalb bin ich etwas skeptischer
- nun, vielleicht unterhalten wir uns einmal darüber -, ob man diese Begründung, die ich voll anerkenne, dafür geben kann. Sie haben selbst auf die wirtschaftliche Lage hingewiesen.
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- Natürlich, das haben Sie gesagt. Deshalb habe ich mich so ausführlich mit dem Deckungsmittel der 1 Milliarde Verwaltungseinnahmen befaßt, weil irgendwoher die Deckung kommen muß; denn gekürzt haben Sie an den Ausgaben nichts. Ich möchte Ihnen der Zeit wegen nicht vorlesen, was von der
Sozialdemokratischen Partei alles gefordert worden ist. Das war allerlei.
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- Sie ersparen es mir, es ist eine ziemlich lange Aufstellung.
Aber lassen Sie mich noch eins sagen - und das soll gar nicht boshaft sein -: Ich habe hier einen Zeitungsaufsatz, in dem steht, daß Sie bei Ihren Berechnungen der Ausgaben - ich glaube in dem Regierungsprogramm der SPD war das - von einem jährlichen realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 5,5 % ausgehen. Jetzt sind wir bei 3,5 %, das ist eben der Unterschied. Sie wissen, dieser Unterschied macht einen Milliardenbetrag bei den Steuereinnahmen aus. Deshalb ist es wirklich ein Rückfall in gewisse Gewohnheiten, diese Forderungen - -({9})
- Also, wenn die dann noch kommen - - Ich habe zu meiner besonderen Freude ,den Aufsatz hier. Danach haben Sie, Herr Möller, zu diesen 5,5 % gesagt: Und das ist doch fürwahr nicht zu hoch geschätzt. Und nun sind wir darunter. Das ist die Schwierigkeit, mit der ich mich als Finanzminister auseinandersetzen muß.
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- Nein, aber auch die hätte auf das Bruttosozialprodukt, das auch 1962 nur 3,5 % höher sein wird, im Augenblick keinen Einfluß.
Nun komme ich zu der Frage der Preise und Tarife. Ich möchte Ihnen hier ganz kurz sagen - und auch das haben wir uns lange überlegt -: Ich halte diese Bahn- und Posttariferhöhung, so unangenehm sie ist, für absolut notwendig. Die Hunderte von Millionen, um die es sich handelt - ({11})
- Ich bin im Augenblick in einer Gesamtbetrachtung. - Ich wüßte nicht, wie wir die Hunderte von Millionen DM, um die es sich hier handelt, aufbringen sollen. Da kann man sicher über Investitionsprogramme bei Bahn und Post sprechen; alber vielleicht sollten wir auch das sehr vorsichtig behandeln. Herr Kollege Bleiß hat mit Recht darauf hingewiesen, was es für die Bahn bedeuten würde, wenn sie ihre Rationalisierung nicht fortführen könnte. Herr Kollege Bleiß, ich kann Ihnen, um die Bahn vorwegzunehmen, sagen: Ich bin von jeher ein großer Freund der Bahn gewesen. Ich werde es mir nicht nehmen lassen, auf meinem Wege weiterzugehen und zu versuchen, über Anleihen, jetzt zum zweiten Male über einen Betrag von 500 Millionen DM, für den ich den Kapitaldienst übernehme, der Bundesbahn praktisch eine Kapitalerhöhung zu bringen, die ich ihr sonst als Eigentümer nicht geben könnte. Das sollte nicht ganz übersehen werden, und das werden wir sogar noch ein drittes Mal machen. Das ist dann immerhin praktisch eine Kapitalerhöhung um 1,5 Milliarden DM. Ich muß
Bundesfinanzminister Dr. Starke
diesen Weg gehen, weil ich das Geld unmittelbar zur Zeit nicht aufbringen kann. - Ich bin also der Überzeugung, daß diese Tariferhöhung bei der Bahn und der Post notwendig war.
Nun lassen Sie mich noch etwas zu meinem mehrfach zitierten Satz über die Agrarfrage sagen. Ich habe diesen Satz natürlich, wie Sie sich denken können, mit voller Absicht gesagt und ihn auch entsprechend formuliert. Wenn Sie weiterlesen, finden Sie, es steht dort ausdrücklich, daß er auch für die EWG gilt. Herr Kollege Möller, das ergibt sich aus diesem späteren Satz für jeden, der darüber nur etwas Bescheid weiß, eindeutig: Ich 'habe keine Preiserhöhungen gefordert, ich habe etwas ganz anderes im Zusammenhang mit der EWG angesprochen. Der nächste Satz sagt eigens: „Das muß auch für die EWG gelten." Dann wissen Sie, was die Gegenüberstellung des Schweizer Systems und dessen, was jetzt in der EWG auf uns zukommt, bedeutet. Das betrifft nicht Preiserhöhungen.
Aber lassen Sie mich auch etwas anderes sagen. Die sogenannten niedrigeren Preise in anderen Ländern - ich habe mir jetzt die Zahlen geben lassen - basieren z. B. in Frankreich auf einer Haushaltssubvention von beinahe 7 Milliarden DM.
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Ja, wo soll ich denn das Geld hernehmen? Aus diesem Grunde halbe ich diesen Satz formuliert und habe das hier mit den Gebührenerhöhungen bei Bahn und Post zusammengestellt.
Zu meiner großen Freude wissen wir ja, Herr Kollege Möller, daß wir in den grundsätzlichen Fragen der Steuer- und Finanzreform sehr weit übereinstimmen.
Zu dem Sozialpaket habe ich schon etwas gesagt. Mehr will ich dazu im Augenblick nicht sagen. Aber lassen Sie mich noch etwas zur Wiedergutmachung sagen, Herr Kollege Schellenberg. Sie wissen, zum Teil wissen es auch zumindest Kollegen aus Ihrer Fraktion, wie sehr ich mich seit Monaten in den Wiedergutmachungsfragen bemüht habe und welche außerordentlich schwierigen Fragen da vor uns stehen. Ich habe in den Ausführungen zur Begründung des Haushalts, die sehr sorgfältig formuliert sind, eindeutig darauf hingewiesen, worum es mir dabei geht, worum es der Bundesregierung geht, nämlich die Wiedergutmachungsfragen zu einem anständigen Abschluß zu bringen. Ich habe auch hier von einer Ehrenschuld gesprochen. Ich habe allerdings schon bei der vorigen Haushaltsdebatte der Sozialdemokratischen Partei sagen müssen: es hat keinen Zweck - damals war es der Herr Kollege Möller -, immer in das Zweifel zu setzen, was man vor hat und beabsichtigt. Wenn man bei diesen Bemühungen in den sich überkreuzenden Interessen steht, die bei der Wiedergutmachung eine Rolle spielen, wenn - aber ich will mich nicht erregen. Bei einer Ausgabe von 2,5 Milliarden DM im Jahre sind 25 Millionen DM weniger an Ausgaben für 1963 bestimmt kein Indiz dafür, daß ich mich irgendwie in der Wiedergutmachungsfrage schlecht verhalten wollte.
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Ich finde, das war dem Thema und der Gesamtsumme, die für das kommende Jahr angesetzt ist, nicht angemessen.
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- Das sind rund 2 1/2 Milliarden DM. Nun, warten Sie ab, wie wir das bei den Mehranforderungen des nächsten Jahres mit der Wiedergutmachung regeln. Über das Problem der Wiedergutmachung habe ich eben gesprochen. Auch darüber, wie wir das finanziell schaffen, werden Besprechungen aller Art geführt, und man wird sehen, wie man das einpaßt. Aber das hat nichts mit den 25 Millionen DM zu tun, die jetzt angeblich zu wenig im Haushalt angesetzt sind. Daß bei den jetzigen Ansätzen dieses Haushalts keine Mittel für die Abschlußgesetzgebung vorgesehen sind, das wissen Sie doch. Auch das wollte ich Ihnen noch einmal sagen.
Nun möchte ich noch etwas zum Flüchtlingswohnungsbau sagen, von dem Herr Kollege Schoettle gesprochen hat. Sie haben eine Reihe von Dingen vorgetragen, für die die Länder weniger Geld von uns bekommen. Beim Flüchtlingswohnungsbau ist das nicht berechtigt; denn da gibt es eine sogenannte Formel, nach der die Summen jährlich berechnet werden. Das ist also für 1963 vollkommen ohne Änderung, die sich etwa aus einer neuen finanziellen Situation ergibt, nach dieser Formel wieder errechnet. Es war notwendig, daß ich das noch sagte.
Ich bin damit, weil ich es nicht zu lang machen will, am Schluß meiner Ausführungen.
Herr Kollege Möller, Sie haben von der Sparsamkeit gesprochen. Ich habe dieses Wort wiederholt gebraucht. Man kann sagen, es greift sich oder nützt sich etwas ab. Aber nachdem ich die Forderungen gehört habe, die heute hier gestellt worden sind und die ich nicht noch einmal alle vorgelesen habe, dann, so muß ich ehrlich gestanden sagen, weiß ich genau, was ich mit dem Wort „Sparsamkeit" meine; dann weiß ich das ganz genau. Wenn ich von dem Wort „Sparsamkeit" abginge und ihren Forderungen jetzt, anders als vorher im Kabinett nachgäbe, dann wäre allerdings nicht mehr alles realistisch, was im Haushalt steht. Aber ich habe es eben anders gemacht und dafür den Begriff „Sparsamkeit" gewählt.
Zur Frage des Gesundheitswesens möchte ich jetzt im einzelnen nicht Stellung nehmen, auch weil Frau Kollegin Schwarzhaupt nicht mehr da ist. Aber lassen Sie mich nur das eine sagen: Auch hier, Herr Kollege Schellenberg, ist etwas von nur 2 % Steigerung gesagt worden. Allgemeine Daten wie die Feststellung, daß es nur 2% seien, führen ja nicht zum Wesentlichen. Ich nehme an, daß im Gesundheitsministerium nicht nur Geld ausgegeben werden soll, sondern auch wesentliche Gesetze gemacht werden sollen, die nicht unmittelbar etwas mit Geldausgeben zu tun haben.
Was die Geldausgaben betrifft, so hilft es nun einmal nichts, - die Zuständigkeit liegt bei den Ländern. Wenn ich von den Ländern 2 Milliarden DM fordere, dann kann ich doch nicht zu gleicher
Bundesfinanzminister Dr. Starke
Zeit sagen: Ich gebe euch dafür Geld. Das wäre doch nur ein Hin- und Herschieben.
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Wir alle - das möchte ich Ihnen hier einmal sagen - müssen gemeinsam noch etwas umdenken. Der Bund kann nicht immer als Lückenbüßer auftreten. Wenn ich zusehen muß, woher ich das Geld nehmen soll, dann werden auch gegen den Weg, den man geht - freiwillige Beiträge oder Artikel 106 des Grundgesetzes -, immer Einwände erhoben.
Wir müssen uns das einmal vor Augen führen. Ich habe es im Haushaltsausschuß schon gesagt. Mir ist es in ,dem Jahr sehr deutlich geworden. Ich bin jedenfalls nicht der Meinung, daß die sieben fetten Jahre nachkommen, wie es eine Illustrierte geschrieben hat. Es war vom Volkswirtschaftlichen her nicht gerade überragend, was darin stand.
Wenn Sie sich einmal ansehen, wie sich die jährlichen Mehreinnahmen von 1957 bis heute entwickelt haben, dann erkennen Sie genau den Verlauf der Hochkonjunktur. Es gab damals eine Mehreinnahme von etwa 1 Milliarde DM von einem Jahr zum anderen. Dann wunden es über 2 Milliarden DM, zum nächsten Jahr über 3 Milliarden DM und dann über 4 Milliarden DM. Wir landeten dann bei über 5 Milliarden DM, nämlich von 1960 auf 1961. Dann, von 1961 auf 1962, ist die Steigerungsrate auf 4 Milliarden DM zurückgegangen, und 1962/63 wird sie, wie wir annehmen, wiederum um einiges abnehmen. Es ist also keine Leiter, die in den Himmel führt, sondern die Einnahmen bewegen sich auf einer flacher werdenden Kurve. Wir können daher nicht so operieren wie in den vergangenen Jahren, daß wir ruhig hier und da noch Ausgaben machen können, weil sie am Ende doch irgendwie durch die Steuermehreinnahmen gedeckt werden.
Ich muß noch etwas zu der von Herrn Kollegen Bleiß angeschnittenen rechtlichen Frage sagen. Herr Kollege Bleiß, auch zum Nachtragshaushalt für 1962 gibt es ein Haushaltsgesetz, und in diesem Haushaltsgesetz ist genauso, wie es im Haushaltsgesetz für 1963 vorgesehen ist, die Zweckbindung ausgesetzt. Daß das Verfahren, ein Gesetz durch ein anderes, späteres Gesetz einzuschränken rechtlich zulässig ist, ist nachgeprüft; dagegen kann man von der rechtlichen Seite nichts einwenden.
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- Jawohl; das ist aber durch das Nachtragshaushaltsgesetz in der bezeichneten Weise modifiziert worden. Ich glaube, es war gut, daß wir nicht das Verkehrsfinanzgesetz geändert haben, sondern eine Änderung durch das Haushaltsgesetz vorgenommen haben; denn, Herr Kollege Bleiß, damit läuft die
Regelung, da das Haushaltsgesetz nur für ein Jahr gilt, mit Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres aus.
Lassen Sie mich noch einmal dem Hause meinen Dank aussprechen und sagen: Das Wort Sparsamkeit ist kein moderner Ausdruck, es ist sogar altmodisch; aber angesichts dessen, was mir seit einem Jahr als Finanzminister begegnet, bekenne ich offen, daß es nach meiner Ansicht gut für unser Volk ist, wenn wir diesen altmodischen Weg der Sparsamkeit gehen.
({17})
Ich schließe die erste Beratung des Nachtragshaushaltsgesetzes 1962 und des Haushaltsgesetzes 1963. Das erste soll überwiesen werden an den Haushaltsausschuß, das zweite an den Haushaltsausschuß und wegen des Einzelplans 02 gleichzeitig an den Vorstand des Bundestages. Darf ich Einverständnis feststellen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen ({0}) und des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen ({1}) ({2}).
Von einer Aussprache soll abgesehen werden. Es wird Überweisung an den Finanzausschuß vorgeschlagen. Besteht Einverständnis? - Es ist so beschlossen.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betr. Futtergetreidepreise ({3}).
Begründung und Aussprache sind nicht vorgesehen. Eine schriftliche Erklärung des Abgeordneten Müller ({4}) wird zu Protokoll genommen *).
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - sowie an den Finanzausschuß und den Außenhandelsausschuß. Darf ich Zustimmung feststellen? - Es ist so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 9. November 1962, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.