Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses dem Herrn Abgeordneten Hübner zum 65. Geburtstag aus.
({0})
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. Oktober 1962 gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes beschlossen, gegen die Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({1}) - Drucksache IV/662 - keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/693 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 2. November 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Memmel, Dr. Dollinger und Genossen betr. kommunistische Propaganda in Hamburg - Drucksache IV/648 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/706 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 1. November 1962 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 18. Mai 1962 über die Prüfung der Maßnahmen berichtet, die eine verstärkte Ausweisung und Erschließung neuen Baulandes in Randgebieten der Schwerpunkte des Wohnungsbedarfs raumordnerisch wirksam fördern. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/707 verteilt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen 'wir zur Tagesordnung.
Ich rufe .auf die
Fragestunde ({2}),
zunächst die Fragen auf der (Drucksache IV/708.
Die erste Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern stellte der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen:
Welche rechtliche Grundlage erlaubte dem Bundesinnenministerium, dem Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen aufzugeben, die Unterrichtung des Innenministers von NordrheinWestfalen über eine geplante Aktion zu unterlassen?
Die Frage darf ich wie folgt beantworten. Eine solche Auflage hat das Bundesministerium des Innern niemals erteilt, noch hat der Beamte des Bundeskriminalamtes, der tätig geworden ist, dem Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen gegenüber etwas Derartiges zum Ausdruck gebracht. Nach meinen Feststellungen hat dieser Beamte darauf hingewiesen, daß die Angelegenheit streng geheim behandelt werden müsse. Dies bezog sich naturgemäß und ausschließlich auf den Kreis derjenigen Beamten, die für eine Mitwirkung bei den geplanten Maßnahmen in Betracht kamen. Nicht gemeint war damit, daß eine Verständigung der vorgesetzten Dienststellen unterbleiben sollte.
Aber darüber hinaus hat der Beamte des Bundeskriminalamtes noch darauf hingewiesen, daß der Herr Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen entweder vom Bundesministerium des Innern oder durch die Bundesanwaltschaft unterrichtet würde.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, wie erklären Sie sich dann die Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten Meyers und des Herrn Innenministers Weyer in dieser Frage?
Herr Kollege, ich halte diese beiden Äußerungen, die mir bekanntgeworden sind - genau wie Ihnen durch die Presse -, beide für schneidig, aber für unzutreffend.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage!
Ist die Sache entsprechend der bisherigen Praxis in solchen Fällen durchgeführt worden, oder wurde hier ein besonderer Weg gewählt?
Es wurde kein besonderer Weg gewählt. Die Dinge waren so: es handelte sich wohl um den ernstesten Verdacht eines Landesverrats, der in der Nachkriegsgeschichte bisher überhaupt entstanden ist, und deswegen hat die Bundesanwaltschaft einen ganz besonderen Wert auf Diskretion gelegt. Diese Diskretion wurde bis zum äußersten auch vom Innenministerium gewahrt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Schäfer.
Herr Minister, wie ist denn der übliche Weg, wenn Sie § 4 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt in Anspruch nehmen?
Ich hatte zum ersten Mal mit dem § 4 zu tun, und der übliche - - Ich kenne den üblichen Weg nicht, sondern habe den Weg eingeschlagen, der nach meiner Auslegung und nach der Sachlage notwendig erschien.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage!
Ich hatte gebeten, uns mitzuteilen, wie dieser Weg aussieht.
Der Weg sieht so aus, daß die Landesregierungen vor Beginn der Ermittlungsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
({0})
Herr Abgeordneter Wittrock, ich gestatte Ihnen die Zusatzfrage, aber ich habe ausgerechnet, wie viele Minuten wir für die einzelnen Fragen verwenden dürfen.
({1})
- Ruhe! Das schlage ich der Fragestunde zu! Herr Abgeordneter Wittrock!
({2})
Herr Minister, ist es nur ein merkwürdiger Zufall, daß der Staatssekretär im dortigen Innenministerium in Nordrhein-Westfalen sich genauso verhalten hat wie der Staatssekretär des Bundesjustizministeriums?
Ich kann über das Verhalten des dortigen Staatssekretärs nichts aussagen. Ich kenne seine Motive nicht. Auf jeden Fall steht nach meinen intensiven Feststellungen einwandfrei fest, daß mein Staatssekretär bei der Unterrichtung darauf hingewiesen hat, daß er davon ausgehe, daß der dortige Staatssekretär seinen Innenminister verständigen werde.
Ich rufe auf die Frage I/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer -:
Aus welchem Grunde hat der Bundesinnenminister den Hamburger Kriminaldirektor Dr. Land vor dem Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg Helmut Schmidt unterrichtet?
Die Vermutung - wenn ich vielleicht so sagen darf - trifft nicht zu. Der Hamburger Innensenator Schmidt ist vielmehr v o r dem Hamburger Kriminaldirektor Dr. Land unterrichtet worden.
Der Tatbestand ist folgender: Der Bundesminister des Innern hat einen Beamten seines Hauses beauftragt, den Hamburger Innensenator vor Beginn der bundesanwaltschaftlichen Maßnahmen zu unterrichten. Nach dieser Unterrichtung hat der Beamte des Bundeskriminalamtes noch zusätzlich den Hamburger Kriminaldirektor Dr. Land von dem bevorstehenden Eingreifen des Bundesanwalts und seiner Hilfsbeamten in Kenntnis gesetzt. Der betreffende Beamte wußte, daß die Unterrichtung des Innensenators Schmidt zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt sein mußte.
Zusatzfrage!
Herr Minister, Sie haben vorhin meine Zusatzfrage nicht beantwortet. Ich wiederhole sie jetzt: Wie erfolgt die Inanspruchnahme des § 4? Telefonieren Sie, telefoniert Ihr Staatssekretär, oder treffen Sie eine Verfügung
({0})
- Sie als ehemaliger Minister wissen genau, was meine Frage bedeutet -, die den einzelnen Landesregierungen zugeht?
Ich bin so verfahren, daß ich einmal die Anordnung auf Grund des § 4 des Gesetzes erteilt habe und daß ich zweitens alle Vorkehrungen getroffen habe, um sicherzustellen, daß die Landesregierungen vor Beginn der Maßnahmen der Bundesanwaltschaft und deren Hilfsbeamten rechtzeitig informiert wurden, auf jeden Fall vorher. Das war für mich das Entscheidende bei dem dringenden Geheimhaltungsgrund, den die Bundesanwaltschaft geltend gemacht hat und der der Sache nach mehr als angemessen und mehr als berechtigt erschien.
({0})
Zweite Zusatzfrage!
Herr Präsident, ich vermag zwar nicht einzusehen, daß das Nächste eine zweite Zusatzfrage ist; denn ich will nur darauf hinweisen, daß meine Frage nicht beantwortet worden ist.
Zusatzfrage! ({0})
Herr Minister, ich wiederhole meine erste Frage dann als zweite Zusatzfrage, und wir können erwarten, daß Sie sie beantworten: Ist das schriftlich erfolgt; ist das telefonisch erfolgt; oder ist das aktenkundig gemacht worden?
Was?
Die Inanspruchnahme des § 4.
Ich habe veranlaßt, daß ein Staatssekretär und ein Ministerialdirigent, die diese Dinge kompetenzmäßig beBundesinnenminister Höcherl
arbeiten - der eine persönlich und der andere telefonisch -, die Benachrichtigung vornehmen. Ich bin der Meinung, daß die persönliche Benachrichtigung angemessener ist als eine schriftliche Benachrichtigung.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe auf die Frage I/3 - des Abgeordneten Dr. Schäfer -:
Wie gelang es dem Ministerialdirigenten Toyka vom Bundesinnenministerium, den Hamburger Innensenator Helmut Schmidt bereits um 20.30 Uhr in Hamburg zu informieren, wenn sich erst gegen 20.00 Uhr nach einem Verhaftungsmißgriff in Düsseldorf herausstellte, daß die Aktion gegen den „Spiegel" wegen Verdunkelungsgefahr entsprechend der Ausnahmebestimmung des § 104 der Strafprozeßordnung in den Nachtstunden vorgenommen werden mußte?
Ministerialdirigent Toyka wurde am 26. Oktober 1962 vor 20 Uhr von dem in Hamburg anwesenden Vertreter der Bundesanwaltschaft davon in Kenntnis gesetzt, daß das bundesanwaltschaftliche Eingreifen gegen einige Redakteure des „Spiegel" unmittelbar bevorstand. Er hat sich deshalb unverzüglich zum Innensenator Schmidt begeben, um 'ihn von den bevorstehenden Maßnahmen zu unterrichten.
Zusatzfrage?
Herr Minister, wenn ich Sie recht verstanden habe, ist die Landesregierung Hamburg von Ihrem Ministerium verständigt worden?
Jawohl, persönlich durch Herrn Toyka.
Wann ist Herr Toyka beauftragt worden, das zu tun?
Bevor ich in den bayerischen Wahlkampf gefahren bin, um mich mit Ihren Freunden in Bayern auseinanderzusetzen
({0})
- und zwar nicht in der Form, wie Sie das meinen, sondern in der Form der Konkurrenzwerbung und Sympathiewerbung -, habe ich Herr Toyka beauftragt, sich nach Hamburg zu begeben und abzuwarten, bis ihm der Vertreter des Bundesanwalts mitteile, daß die Maßnahmen der Bundesanwaltschaft beginnen. Das sollte er vorher dem Innensenator mitteilen. Vor der Information des Innensenators hat keine Maßnahme in Hamburg begonnen.
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Schäfer.
Herr Minister, wenn Sie das Bundeskriminalamt nach § 4 beauftragen, ist es dann nicht so, daß das Bundeskriminalamt gegenüber den Landeskriminalämtern zuständig ist, daß es aber allein Aufgabe des Ministeriums ist, die Landesregierungen zu verständigen? Wie erklären Sie es sich dann, daß sich der Verwaltungsbeamte Toyka hier an das Landeskriminalamt gewandt hat, obwohl es nicht zu seinen Zuständigkeiten gehört?
Der Ministerialdirigent Toyka hat sich nicht an das Landeskriminalamt gewandt, sondern ein Beauftragter der Sicherungsgruppe, also ein Kriminalbeamter. Es wurden die Ebenen vollständig eingehalten: Ministerialebene zu Ministerialebene und Polizeiebene zu Polizeiebene.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Es ist also richtig, Herr Minister, daß Sie lieber in den bayerischen Wahlkampf gefahren sind, als sich selbst um die Unterrichtung der Minister zu kümmern?
({0})
Es ist richtig, daß ich in den bayerischen Wahlkampf gefahren bin.
({0})
- Es ist richtig, Herr Schmitt-Vockenhausen, daß ich in den bayerischen Wahlkampf gefahren bin, daß ich aber vorher ganz eingehend und gründlich und durch entsprechende Belehrung alle sonstigen Maßnahmen sichergestellt habe, daß die Mitteilungen erfolgen, und zwar zeit-, frist- und situationsgerecht.
({1})
Man soll das eine tun und das andere nicht lassen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Erler.
Herr Minister, ergibt sich aus den Zeitangaben, die wir soeben von Ihnen gehört haben, daß der Beginn der Aktion in Hamburg nicht ausgelöst wurde durch den Fehlgriff bei einer Verhaftung in Düsseldorf, denn dieser Fehlgriff hat sich erst gegen 20 Uhr herausgestellt, während nach Ihrer Mitteilung der Auftrag an Herrn Ministerialdirigent Toyka zur Unterrichtung des Hamburger Innensenators bereits vor 20 Uhr erteilt worden ist?
Herr Kollege Erler, die Sache verhielt sich folgendermaßen. Ich darf das noch einmal wiederholen. Die letzten Mitteilungen, die ich von der Bundesanwaltschaft erhalten habe, zeigen doch, wie sehr gerechtfertigt der äußerste Grad von Geheimhaltung war.
({0})
Mehr kann ich ja nicht tun. Ich habe veranlaßt, daß
Ministerialdirigent Toyka vom Herrn Bundesanwalt
unterrichtet wird, wann die Maßnahmen bevor1952
Bundesinnenminister Höcherl
stehen. Der in Hamburg anwesende Vertreter der Bundesanwaltschaft bzw. der dortige Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs haben gegen 20 Uhr Herrn Toyka unterrichtet, und Toyka hat das unmittelbar, noch vor Beginn einer Maßnahme - Es handelte sich gar nicht um eine Aktion, sondern es handelte sich um staatsanwaltschaftliche Ermittlungshandlungen.
({1})
Ich möchte den Begriff „Aktion" vermieden haben, weil er nicht sachgerecht ist und nicht der Strafprozeßordnung entspricht. Die Sache hat einen ganz anderen Charakter. Es ist zweifellos richtig, soweit meine Feststellungen gehen, und Sie wissen, daß ich kein anderes Interesse habe - ich nehme an, daß das ganze Haus kein anderes Interesse hat -, als die Unabhängigkeit der Rechtspflege in diesem Fall wie in jedem anderen Fall auch unter allen Umständen zu wahren.
({2})
Diese Unabhängigkeit der Rechtspflege kann auch in einer ganz anderen Form beeinträchtigt werden; das wissen Sie ganz genau.
({3})
- Was das heißen soll? Sie sind nicht gemeint, Herr Schmitt-Vockenhausen
({4})
und auch Herr Erler und Ihre Parteifreunde sind nicht gemeint. Sie wissen genau, was ich meine.
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- Ich würde an Ihrer Stelle nicht einen Vorwurf erheben, den ich nicht beweisen kann.
({6})
- Sie werden Gelegenheit haben, Ihre Beweise vorzulegen.
({7})
Aber es ist richtig, Herr Kollege Erler, daß, soweit ich informiert worden bin und soweit ich mir Kenntnis darüber verschaffen konnte, der eine Vorgang in Düsseldorf zur rascheren Auslösung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt hat, als das ursprünglich nach der Planung der Kriminalbehörde und Staatsanwaltschaft vorgesehen war.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler.
Wie erklären Sie es sich aber dann, daß Herr Toyka den Hamburger Innensenator von der bevorstehenden Aktion unterrichtet hat, bevor die Auswertung des Düsseldorfer Geschehnisses mit der falschen Verhaftung geschehen sein konnte? Ist also dann nicht doch die nächtliche Aktion in Hamburg durch andere Motive ausgelöst worden als durch die Fehlverhaftung in Düsseldorf?
Über die Motive des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs und über die Motive des Bundesanwalts kann ich mir keine Vorstellung machen, weil ich das Seelenleben dieser beiden Herren zu diesem Zeitpunkt nicht kennen kann.
({0})
Ist Ihnen denn nicht die Strafprozeßordnung bekannt?
Auf jeden Fall haben sich die beiden Herren - bestätigt durch das bisherige Ergebnis - veranlaßt gesehen, sofort zuzugreifen, und das haben sie getan. Das war in ihrem eigenen Ermessen durchaus enthalten,
({0})
und darauf hat niemand einen Einfluß. Es sollte sich auch jeder hüten, Auslegungsversuche zu machen, die fast an die Grenze, ich möchte mal sagen, der Einflußnahme gehen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spies.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, ob der Hamburger Innensenator, Herr Helmut Schmidt, über seinen Zuständigkeitsbereich hinaus Leute über die Informationen, die er bekommen hat, unterrichtet hat, weil in der Frage I/3 die genaue Uhrzeit 20.30 Uhr als bekannt genannt ist?
Es ist mir nichts darüber bekannt. Ich werde die Dinge aber prüfen.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Kohut.
Herr Minister, wenn Sie sich streiten über den Begriff der strafrechtlichen Aktion oder anwaltschaftlichen Ermittlungen: kann man das Ganze nicht auch als eine politische Aktion bezeichnen?
({0})
Ich möchte sagen, es handelt sich um die Verfolgung wegen des bisher schwersten Vorwurfs, des Landesverrats. Das sollte eine gemeinsame Angelegenheit von uns allen sein.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lohmar.
Herr Bundesminister, wie ist der Seelenzustand, von dem Sie vorhin gesprochen haben, rechtlich zu qualifizieren?
({0})
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, Iden 7. November 1962 1953
Der Seelenzustand ist ein Faktum und kein rechtlicher Tatbestand.
({0})
Ich gehe weiter zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Der Herr Bundesjustizminister hat sich als krank entschuldigt.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß die Fragen als Vertreter des Herrn Kollegen Stammberger, der leider aus Gesundheitsgründen nicht erscheinen kann, hier behandeln.
({0})
- Würden Sie es richtig finden, daß, wenn Sie sich krank meldeten, wenn Sie sich als krank entschuldigten, jemand Zweifel hätte, auch wenn er die Zweifel durch Lächeln zum Ausdruck bringt?
({1})
Ich gebe also, meine Damen und Herren ({2})
Einen Augenblick ({0})
Ich gebe
also
Einen Augenblick, Herr Bundesminister, ich bitte ({0})
- Meine Herren, entweder lassen Sie mich sprechen oder die Fragestunde muß abgebrochen werden; ich mache 'darauf aufmerksam.
({1})
- Meine Herren, ich habe hier für Ordnung dieses Hauses zu sorgen.
({2}) Und Herr Bundesminister Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja.
Herr Bundesminister, es ist unmöglich, daß hier hin und her diskutiert wird wie etwa bei der Rede. Das ist unmöglich während der Fragestunde. Wir müssen uns in der Fragestunde auf präzise Fragen und präzise Antworten beschränken; sonst kommen wir mit dieser Sache überhaupt nicht zu Ende.
Also bitte, meine Herren: die Fragen und die Antworten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Jahn -:
Welche Gründe waren dafür maßgebend, daß trotz des Verdachtes des Landesverrats die beanstandete Nr. 41 des „Spiegel" nicht unverzüglich beschlagnahmt wurde?
Die Frage wird beantwortet vom Herrn Bundesminister des Innern.
Ich darf die Frage stellvertretend beantworten. Die Antwort lautet: Da bereits ein großer Teil der Auflage ausgeliefert war, wäre eine Beschlagnahme sinnlos gewesen, weil die etwaige Preisgabe von Staatsgeheimnissen nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.
Ist keiner Stelle der Bundesregierung beim ersten Lesen dieser Ausgabe - ich nehme an, am frühen Morgen des Montag, an dem sie zur Verfügung stand - aufgefallen, daß hier ein Vorwurf erhoben werden könnte, der eine sofortige Maßnahme notwendig machte?
Sie, Herr Kollege Jahn, wissen genauso wie ich, daß es ein Legalitätsprinzip gibt, das die Bundesanwaltschaft verpflichtet, bei Verdacht strafbarer Handlungen - hier vor allem bei Verdacht schwerer Verbrechen - sofort von Amts wegen tätig zu werden. Darauf konnten wir uns verlassen und werden wir uns auch in aller Zukunft verlassen.
({0})
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.
Muß daraus entnommen werden, daß innerhalb der Bundesregierung niemand Anstoß an dem Artikel genommen hat?
Wir haben Anstoß genommen und nehmen heute noch sehr schweren Anstoß.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ehren.
Wäre es möglich, uns zu sagen, wieviel politische Tageszeitungen - die in erster Linie als die Träger des politischen Willens betrachtet werden müssen - seit 1949 beschlagnahmt worden sind?
Das ist eine Frage, Herr Kollege, die ich nicht aus der hand beantworten kann. Ich bin aber gern , bereit, sie schriftlich zu beantworten, nachdem ich eine Untersuchung angestellt haben werde.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Warum hat der Herr Bundesverteidigungsminister nach seiner gestrigen Erklärung im hessischen Rundfunk den Artikel nur flüchtig gelesen, wenn so stark daran Anstoß genommen werden mußte?
Der Herr Bundesverteidigungsminister war meines Wissens damals in der verdienten Erholung.
Hätte er das aber nicht inzwischen nachholen können?
Das war eine zweite Zusatzfrage.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich bin der Meinung, daß Sie und ich und alle, die wir hier in diesem Hause sitzen, gleichermaßen an diesem Artikel Anstoß genommen haben.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler.
Darf ich aus den Mitteilungen des Ministers über das Legalitätsprinzip schließen, daß auch ein Ermittlungsverfahren wegen der Veröffentlichung von Geheimakten des Auswärtigen Amtes 1- der berühmte Epstein-Artikel im Rheinischen Merkur - schwebt?
Ich habe, weil ich diese Frage nicht erwartet habe, keine Feststellungen darüber getroffen, ob hier ein Ermittlungsverfahren schwebt. Aber ich habe keinen Zweifel: es gibt keinen Umstand, der nur die geringste Veranlassung gäbe, den Verdacht zu haben, daß das Legalitätsprinzip nicht in der korrektesten Form angewandt wird, gerade von unserem höchsten Gerichtshof.
Ich bitte um eine schriftliche Mitteilung, ob ein Verfahren läuft.
Sehr gern, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sanger.
Ist dem Herrn Bundesjustizminister bekannt, daß in der Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft am 2. November Herr Bundesanwalt Dr. Westram erklärt hat: Auch mit den Augen des Laien war zu erkennen, daß im Spiegel-Fall militärische Dinge wiedergegeben worden sind, die geheimgehalten werden mußten, und warum wurde dann erst noch ein Gutachten eingeholt?
({0})
Herr Kollege Sänger, es ist tatsächlich so, daß ein Teil der Ausführungen in diesem Artikel auch für den Laien erkenntlicher Landesverrat waren. Es gibt darüber hinaus noch eine ganze Reihe von anderen Dingen, die ein spezielles Fachwissen voraussetzen, die Kenntnis der Zusammenhänge, die sich diese Kreise eigentlich nicht hätten verschaffen können sollen. Deswegen war ein Gutachten notwendig. Sie kennen ganz genau die vorsichtige Art der Bundesanwaltschaft, absolut sicherzugehen und jeden Schritt zu überlegen. Wir sollten dankbar sein, daß diese Methoden herrschen.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sänger.
Herr Minister, wenn schon an einem Teil der Ausführungen zu merken war, daß es Landesverrat war, warum war dieser Teil dann nicht Anlaß zur Beschlagnahme der Nummer?
Aus den gleichen Gründen, die ich schon eingangs erwähnt habe: die Auflage war schon draußen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, wollen Sie sagen, daß das für die Staatsanwaltschaft geltende Legalitätsprinzip die Bundesregierung von jeder Wachsamkeit, von jeder Obhut über die ihr anvertrauten Geheimnisse und von jeder initiativen Zusammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft befreit?
Herr Kollege Arndt, ich möchte nicht im geringsten daran denken, daß sich die Bundesregierung von solchen Verpflichtungen frei wüßte, sondern ich bin gern bereit, Ihre Anregungen aufzunehmen, noch schärfer und noch eindringlicher gerade in solchen Dingen zu handeln.
({0})
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, wenn Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die Bundesregierung zur Wachsamkeit und zur Obhut verpflichtet ist, dann darf ich Sie fragen, warum Sie noch weniger getan haben in dieser Angelegenheit, nachdem der „Spiegel" erschienen war.
({0})
Ich bin gern bereit, Ihre Anregungen aufzunehmen und festzustellen, daß es vielleicht noch zu wenig war.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.
Herr Minister, wenn es nicht möglich ist, eine Zeitschrift zu beschlagnahmen, die schon heraus ist, warum ist dann vor einiger Zeit die illustrierte Zeitschrift „Quick" beschlagnahmt worden, obschon sie schon heraus war, weil sie militärische Geheimnisse verriet?
Ich habe doch bei meiner ersten Antwort erklärt, daß bei der „Spiegel"-Auflage der größte Teil nach unserer Feststellung schon draußen war. Bei „Quick" war eben nicht der größte Teil draußen.
({0})
Aufwand und Ergebnis müssen in einem Verhältnis stehen, und das wurde beachtet.
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer, Frage II/2:
Weiche Minister und Staatssekretäre wurden mit dem Verlangen nach einem Gutachten und mit dem Gutachten selber befaßt?
Für den Herrn Kollegen Stammberger darf ich die Frage wie folgt beantworten:
Daß die Bundesanwaltschaft ein Gutachten angefordert hat, haben außer dem Justizminister die Staatssekretäre Dr. Strauß und Hopf gewußt. Mit der Anfertigung des Gutachtens war weder ein Minister noch ein Staatssekretär befaßt. Staatssekretär Hopf war, wie Herr Kollege Strauß bei der Beantwortung der Frage 3 darlegen wird, mit der Absendung des Gutachtens befaßt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es richtig, was ein Sprecher des Justizministeriums gesagt hat, daß das Justizministerium über die Anforderung des Gutachtens erst em 24. Oktober informiert wurde, obschon der Haftbefehl, der Durchsuchungsbefehl das Datum des 23. Oktober trägt?
Herr Kollege Mommer, wenn ich richtig informiert bin - Sie sehen ja meine Situation, daß ich fremde Fragen beantworte, und zwar ganz strikte Zeitfragen aus einem anderen Hause -, aber wenn ich richtig informiert bin, war es so, daß das Bundesjustizministerium bereits am 22. - Durchlaufen des Aktes - von der Anforderung des Gutachtens Kenntnis haben mußte.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, könnten Sie uns sagen - oder vielleicht der anwesende Regierungschef -, wann der Herr Bundeskanzler und sein Staatssekretär Globke über die Aktion unterrichtet wurden?
Es wäre sehr gut gewesen, wenn Sie diese Frage in den schriftlichen Teil aufgenommen hätten; dann hätten wir uns ,darauf vorbereiten können.
({0})
Aber ich möchte annehmen, daß nach der Praxis der Bundesanwaltschaft der Regierungschef und der Staatssekretär Globke - genauso wenig wie ich bei der Anforderung nach § 4 - nicht vor dem äußersten Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt worden sind.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Könnte sich nicht der Herr Bundeskanzler selber dazu äußern?
Will der Herr Bundeskanzler das Wort zur Beantwortung?
Ich denke, wenn ich hierzu etwas sagen kann, daß ich überhaupt im Laufe dieser Fragestunde noch einmal das Wort nehme. Der Herr Innenminister hat die Frage durchaus richtig beantwortet.
({0})
Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Was ich jetzt sage, geht nicht zu Lasten der Fragestunde. Ich mache nur auf folgendes aufmerksam: Das Haus und die Regierung sind sich darüber im klaren, daß zwar die Vertreter der Bundesregierung - übrigens ebenso wie die Vertreter des Bundesrates - nach einer Bestimmung der Verfassung jederzeit das Wort verlangen können und es ihnen dann auch gegeben werden muß. Nur würde das die Fragestunde sprengen. Denn wenn ein Vertreter der Bundesregierung anders, als in Beantwortung einer Frage das Wort nimmt, gibt er damit eine Erklärung ab; und das eröffnet automatisch eine Aussprache im Hause. Ich mache also jedermann auf die Konsequenzen aufmerksam.
({0})
Nun geht es in der Fragestunde weiter.
Ich rufe auf die Frage II/3 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Hatte der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Dr. Walter Strauß, die Mäglichkeit, nach der Beratung mit dem Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch, dem 24. Oktober 1962, und im Hinblick auf den am 23. Oktober ausgestellten Durchsuchungs- und Festnahmebefehl dem Bundesjustizminister bis zu seiner Abreise am Freitag, dem 26. Oktober, von der Aktion gegen den „Spiegel" zu unterrichten?
Für den Herrn Kollegen Stammberger darf ich Ihre Frage wie folgt beantworten: Staatssekretär Strauß war am 24. Oktober 1962 darüber unterrichtet, daß ein
Bundesinnenminister Höcherl
Eingreifen der 'Bundesanwaltschaft gegen die des Landesverrats verdächtigen Redakteure und Informanten geplant war. Darüber hat er mich nicht unterrichtet - sagt der Justizminister Stammberger -. Als Staatssekretär Strauß .am 26. Oktober 1962 erfuhr, daß das Eingreifen der Bundesanwaltschaft bevorstehe, hat er versucht, den Justizminister zu unterrichten, aber vergeblich, weil der Justizminister sich auf einer Dienstreise befand.
Zusatzfrage!
Wer hat Staatssekretär Strauß von der bevorstehenden Aktion unterrichtet?
Ich weiß es nicht; aber ich möchte annehmen, daß die Sicherungsgruppe bzw. die Bundesanwaltschaft das gemacht hat.
Ich gehe weiter.
({0}) - Bitte sehr!
Wer hat Staatssekretär Strauß die Auflage gemacht, den Minister nicht zu unterrichten?
Mir ist von einer Auflage nichts bekannt.
Ich darf weiter fragen:
Zweite Zusatzfrage!
Hat eine Vorbesprechung der Staatssekretäre im Sicherheitsausschuß stattgefunden?
Soweit ich im Bilde bin: nein!
Herr Abgeordneter Erler, eine Zusatzfrage!
Warum hat Herr Staatssekretär Strauß mit der Unterrichtung ides Ministers absichtlich zurückgehalten, bis das unmittelbare Eingreifen in Hamburg bevorstand, und warum hat er nicht den Minister verständigt, solange der Minister noch anwesend war, daß überhaupt eine solche Ermittlung im Laufen war?
Herr Kollege Erler, Sie sehen aus dem zweiten Teil meiner Antwort, daß sich Herr Strauß am 26. bemüht hat, seinen Minister zu verständigen. Warum er das nicht sofort am 24. getan hat, weiß ich nicht.
Meine Damen und Herren, wenn zwei sich streiten, wer jetzt dran ist, dann verlassen Sie sich darauf, daß ich das Wort demjenigen gebe, der am Mikrophon steht. Herr Abgeordneter Wittrock zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, wurde der vorhin von Ihnen erwähnte Staatssekretär Globke zeitlich vor dem Staatssekretär Strauß unterrichtet?
Das weiß ich nicht, Herr Kollege Wittrock.
Zweite Zusatzfrage!
Sind Sie bereit, darüber Feststellungen zu treffen und darüber eine Information zu geben, wann Herr Staatssekretär Globke unterrichtet wurde?
Ich werde Herrn Staatssekretär Globke fragen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer!
Herr Minister, ist es richtig, daß unmittelbar vor dem Beginn der Aktion gegen die Pressehäuser eine Besprechung mit der Bundesanwaltschaft stattgefunden hat, an der wohl Herr Verteidigungsminister Strauß und Herr Staatssekretär Strauß teilnahmen, nicht aber der Bundesjustizminister?
Herr Kollege Mommer, ich habe Sie vorhin schon gebeten und möchte diese Bitte wiederholen: Sprechen wir doch nicht von Aktion,
({0})
sondern bleiben wir bei der Formulierung: höchststaatsanwaltschaftliche Ermittlungshandlung wegen eines sehr schweren Vorwurfs des Landesverrates; das müssen wir immer wieder sehen.
({1})
Soweit meine Feststellungen reichen, hat eine solche Besprechung unter Ausschluß des von Ihnen erwähnten Ministers und unter Anwesenheit des anderen Ministers nicht stattgefunden.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Herr Bundesinnenminister, auf wessen Veranlassung hat Staatssekretär Strauß, dem am 24. Oktober die Angelegenheit bekannt wurde, dem am 24. und am 25. Oktober in seinem Hause anwesenden Bundesjustizminister keine Mitteilung gemacht?
Herr Kollege Ritzel, ich habe die Frage schon beantwortet.
Bundesinnenminister Höcherl
Ich glaube, daß ich dieselbe Frage nicht zweimal beantworten muß.
Nein, das haben Sie nicht beantwortet. Tut mir leid.
Ich habe Ihnen schon erklärt, daß ich es nicht weiß, weil Herr Staatssekretär Strauß mir das nicht gesagt hat und ich keine Gelegenheit hatte, ihn zu fragen, da ich erst heute früh erfahren habe, daß ich diese Frage beantworten soll. Ich sage bei jeder Antwort, die ich vortrage, daß ich die Frage stellvertretend beantworte. Ich glaube, es könnte eine gewisse Fairneß geben, weil Sie das genau wissen. Ich sehe ein,. daß es Ihnen schwerfällt. Aber es gibt eine gewisse Fairneß, und diese sollte gelten, wenn Sie sehen, daß ich nicht nur die schriftlich formulierten, sondern auch die Ergänzungsfragen aus einem anderen Ressort beantworte. Man könnte wohl erwarten, daß Sie darauf auch Rücksicht nehmen.
({0})
Aber ich scheue mich vor keiner Zusatzfrage. Ich sage: die gleiche Frage ist inhaltlich schon gestellt. Ich habe erklärt, ich weiß das nicht.
({1})
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Gerade aus Gründen der Fairneß erlaube ich mir, den Herrn Bundeskanzler als den nach dem Grundgesetz verantwortlichen Regierungschef zu fragen, ob ihm bekannt ist, wer dem Herrn Staatssekretär Strauß die Weisung erteilt hat, seinem Minister trotz dessen Anwesenheit im Hause keine Information weiterzuleiten.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
({0})
- Die Regierung ist frei, zu antworten oder nicht.
- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
({1})
Trifft es zu, Herr Minister, daß es in Bonn eine Art Ständiger Konferenz der Staatssekretäre gibt und daß auf diesen Zusammenkünften regelmäßiger oder unregelmäßiger Art der Staatssekretäre beschlossen wurde, die. Dinge ohne Information der Minister zu behandeln?
Nein, das trifft nicht zu. Es gibt eine „Gewerkschaft der Staatssekretäre", wie man das heißt,
({0})
in deren Rahmen sich die Staatssekretäre gesellschaftlich treffen. Sie haben dort aber keine Beschlüsse zu fassen und fassen auch keine, sondern unterhalten sich.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Herr Minister, welche Minister und Staatssekretäre waren in der Besprechung im Innenministerium anwesend, bei der der Beschluß gefaßt wurde, den § 4 in Anspruch zu nehmen?
Es hat weder eine Besprechung dieser Art gegeben noch war jemand der von Ihnen genannten Personen anwesend. Vielmehr habe ich das mit dem Leiter der Sicherungsgruppe besprochen und ihm den Auftrag gemäß § 4 erteilt. Der Antrag der Bundesanwaltschaft wurde mir mündlich überbracht.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Merten.
Herr Minister, können Sie erklären, warum der Herr Staatssekretär Strauß von seinem Posten entfernt worden ist, nachdem er sich doch nach Ihren Ausführungen hier völlig korrekt verhalten hat?
({0})
Herr Merten, eine für mich ganz unbegreifliche Frage!
({0})
Ich darf Ihnen meine Meinung dazu sagen, obwohl ich gar nicht zu einer Meinungsmitteilung verpflichtet wäre. Aber ich will es trotzdem tun. Meine Meinung ist folgende: daß Herr Staatssekretär Strauß deswegen zur Disposition gestellt worden ist, weil er seinen Minister nicht informiert hat. Die Gründe, warum das nicht geschehen ist, warum er das nicht gemacht hat, weiß ich nicht. Aber es steht zu seiner Ehrenrettung fest: am 26. Oktober hat er den ernsthaften und nachweisbaren Versuch unternommen, seinen Minister zu verständigen.
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Ich rufe auf die Frage II/4 - des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt -:
Sind die Fahnenabzüge des „Spiegel" Nr. 44 vom 31. Oktober vor ihrem Erscheinen eingesehen oder durchgelesen worden?
Für den Herrn Kollegen Stammberger darf ich die Frage wie folgt beantworten. Ein Beamter des Bundeskriminalamtes legte Fahnenabzüge für die Nr. 44 des „Spiegel", die sich in den zu durchsuchenden Verlagsräumen befanden, in einem verschlossenen Umschlag dem Ermittlungsrichter zur Durchsicht vor. Die Durchsicht diente nicht der Prüfung, ob die neue Nummer des „Spiegel" erscheinen könne oder ob sie ganz oder teilweise zu beschlagnahmen sei,
Bundesinnenminister Höcherl
sondern nur der Prüfung, ob in den Fahnen Beweise für die den Beschuldigten zur Last gelegte Tat enthalten seien.
({0})
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, glauben Sie denn, daß es zur Prüfung der Frage, ob sich in Fahnenabzügen Beweismittel befinden, notwendig ist, daß man die Fahnen, statt sie zu lesen, zunächst einmal in Kuverts tut, diese versiegelt, die Siegel von Hauptkommissar Schütz von der Sicherungsgruppe und von Redakteur Mathiesen unterschreiben läßt, daß man sie dann zum Ermittlungsrichter schickt? Glauben Sie denn im Ernst, daß das wirklich geschehen sein könnte, um Beweise zu finden, obgleich man wußte, daß am nächsten Tage diese Nummer erscheinen würde?
({0})
Herr Kollege Arndt, ich bin erstaunt über diese Einzelheiten und über diese Mitteilung.
({0})
Ich darf aber auf Ihre Zusatzfrage folgendes antworten. Es hat sich herausgestellt, daß die Polizeibeamten, vor allem die Beamten der Sicherungsgruppe, die ein immenses Arbeitspensum zu belästigen - ({1})
- zu bewältigen hatten, - -- Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so unfair, wenn ich mich verspreche, darüber zu lachen, wenn ich erst daran denke, meine Damen und Herren, wie oft Sie sich sachlich heute schon versprochen haben, ohne daß ich gelacht habe.
({2})
Meine Damen und Herren, ich darf antworten. Es ist selbst von der Seite des „Spiegel" anerkannt worden, daß sich die Polizeibeamten bei der Art ihres Vorgehens den hohen Respekt selbst der Betroffenen erworben haben. Wenn sich ein Polizeibeamter in einer so schwierigen Sache - und wie schwierig die Dinge waren, ist ja durch die Aufklärung des Bundesanwalts nachgewiesen - die größte Zurückhaltung auferlegt und sogar sofort sieht, daß hier die Gefahr einer Zensur besteht, und wenn er nun diese Gefahr dadurch zu vermeiden sucht, daß er die Druckfahnen in einem festen Umschlag gibt und dem anwesenden Ermittlungsrichter des höchsten Gerichtshofes übergibt, um ja nicht über das Zensurverbot zu stolpern, dann stelle ich mich vor diese Leute hin und sage: Hut ab vor dieser vorsichtigen Art der polizeilichen Arbeit!
({3})
Die zweite I Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt!
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die von mir erwähnten Tatsachenbehauptungen, die Sie ja in einer großen Reihe von Zeitungen lesen konnten, wo auch ich sie gelesen habe - ist Ihnen nicht bekannt, daß der Herr Bundesanwalt Loesdau ausdrücklich eine Verantwortung der Bundesanwaltschaft für diesen Vorgang zurückgewiesen hat, weil doch nach unser aller Meinung - hoffentlich doch wohl auch nach Ihrer Meinung - eine jede polizeiliche Vorzensur ein absoluter Bruch der Verfassung ist?
Herr Kollege Arndt, ich bin zwar genau so wie Sie pressefreundlich, aber nicht so zeitungsgläubig. Ich möchte nicht annehmen, daß alle Einzelheiten, die Sie gelesen haben, so stimmen müssen, wie sie in einem notariellen Protokoll vielleicht festgehalten werden könnten. So weit geht meine Glaubensfähigkeit nicht. Aber wollen Sie mehr verlangen, als daß der Polizeibeamte hergeht und sagt: Es besteht der Verdacht, daß im Rahmen dieser Arbeit etwas anderes beiseite geschafft werden könnte? Ein Teil der Redaktion durfte doch die Arbeit fortsetzen. Sie kennen die Schwere der Vorwürfe, um die man sich doch auch kümmern sollte. Herr Wehner hat es ja getan. Aber die Fragen beweisen, daß das nicht in dem Maße geschieht, wie es zu einer einheitlichen Willensbildung und Meinungsbildung bei so schweren Angelegenheiten notwendig wäre. Wenn der Polizeibeamte die Druckfahnen einpackt, weil er den Verdacht hat, es könnte etwa anderes damit beiseite geschafft werden, und dem Richter die Entscheidung überläßt, dann können Sie doch nicht sagen, daß man in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren überhaupt mehr tun könnte, als den Richter, und zwar den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes, darüber entscheiden zu lassen. Das scheint mir das äußerste Maß von korrektem Vorgehen zu sein, und es scheint mir mit Vorzensur und all diesen Dingen nichts mehr zu tun zu haben. Ich bin vielmehr der Meinung, der Polizeibeamte hat sich vorbildlich verhalten. Ich wäre dankbar - und Sie wissen, wie sehr wir uns gemeinsam um die Polizei kümmern -, wir hätten überall so tüchtige, so gewandte und so vorsichtige Polizeibeamte.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg!
Herr Bundesminister, mußte die Bundesregierung nach früheren Äußerungen der Opposition und der deutschen Presse über die Grundsätze der Unabhängigkeit der Richter und der Beachtung des Legalitätsprinzips für den Generalbundesanwalt nicht damit rechnen, daß sie wegen Einmischung in ein schwebendes Verfahren heftigster Kritik ausgesetzt gewesen wäre, wenn sie sich so sehr um diese Einzelfragen des richterlichen und staatsanwaltschaftlichen ErDr. Stoltenberg
mittlungsverfahrens gekümmert hätte, wie das hier unterstellt wird?
Herr Kollege Stoltenberg, wir haben sehr oft erlebt, wie maßgebliche und prominente Vertreter der Opposition hier für die Unabhängigkeit der Rechtspflege vor allem in gewissen Fällen mit einem Feuereifer eingetreten sind, wenn es sich angeblich um Einflußnahme - der Regierung - handelte. Das ist ja das Schlimme, das andere ist ja weniger schlimm. Aber ich bin sehr traurig darüber, daß von der Seite der Fragesteller der Anschein einer Einflußnahme erweckt wird. Darüber bin ich tief erschüttert.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Emmert!
Herr Minister, eine Zusatzfrage zu den Zusatzfragen des Herrn Abgeordneten Arndt: Sind Sie nicht der Auffassung, daß die Durchsicht der Druckfahnen in ihrer Wirkung einer Art Vonzensur gleichkam?
Ich habe doch schon zweimal erklärt, Herr Kollege, daß die Druckfahnen nicht zensiert wurden, sondern daß die Druckfahnen eingepackt und dem Ermittlungsrichter gegeben worden sind.
({0})
Wollen Sie behaupten, daß der Ermittlungsrichter eine Vorzensur ausgeübt hätte? Ich würde mir das an Ihrer Stelle sehr überlegen.
({1})
Präsident D: Dr. Gerstenmaier: Ich gehe weiter und rufe auf die Frage ({2})
- Meine Herren, ist der Präsident vielleicht frei, in der Fragestunde weiterzufahren, oder ist er das nicht? Was ist denn das für eine Methode?! Wollen Sie mich hier blockieren?!
({3})
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt unter II/5:
Inwiefern konnten die Räume aller Redakteure des „Spiegel" und seines Verlegers sowie die technischen Einrichtungen, wie Telefon, Fernschreiber und andere Apparaturen, für die eingeleiteten Untersuchungen von Bedeutung sein, so daß sie beschlagnahmt werden durfte:?
({4})
- Nein, aber der Präsident hat für die Ordnung zu sorgen und dafür, daß andere Leute auch noch zu Wort kommen. Ich habe hier achtzehn Fragen.
({5})
Es ist aufgerufen die Frage II/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt. Zur Beantwortung der Herrn
Bundesminister des Innern in Stellvertretung des Herrn Bundesjustizministers.
Für Herrn Kollegen Stammberger darf ich antworten: Die Durchsuchungsanordnung des Ermittlungsrichters bezog sich auch auf die Geschäftsräume des Verlegers Augstein. Die Durchführung der Anordnung machte es notwendig, das zu durchsuchende Material zu sichern. Daraus ergab sich, daß die Räume und deren technische Einrichtungen wie Telefon, Fernschreiber usw. für die Angehörigen des Verlages nur in sehr beschränktem Umfang verfügbar blieben. Es handelt sich also nicht um eine Beschlagnahme der Räume und deren technischer Einrichtungen. Die Einschränkung in der Benutzung war nur eine vorübergehende Folge der angeordneten Durchsuchung.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, bei allem Verständnis für Ihre schwierige Lage darf ich doch
({0})
- das warten Sie erst mal ab, wer hier in schwieriger Lage ist ({1})
die Zusatzfrage stellen, ob es denn für die Durchsuchung erforderlich war, die Einrichtungen wie Telefon, Fernschreiber und die anderen Apparaturen und technischen Möglichkeiten einem Verlagsunternehmen doch mindestens rund eine ganze Woche zu entziehen.
Herr Kollege Arndt, erstens, ich habe Ihnen soeben erklärt, wie weit der Ermittlungsrichter den Rahmen des Durchsuchungsbefehls gezogen hat. Zweitens möchte ich zu Ihrer Frage folgendes sagen. Es gibt keinen Staat in der Welt, in dem es so viele Rechtsmittelmöglichkeiten und so viele Beschwerdemöglichkeiten gibt. Ich glaube, daß man die Unabhängigkeit der Rechtspflege bei einem schwebenden Verfahren am besten dadurch achtet, daß man zunächst den Rechtsweg sich erschöpfen läßt und den Abschluß der Ermittlungen abwartet. Das scheint mir das Richtige zu sein. Hände weg von der Justiz, auch mittelbar!
({0})
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt!
Herr Bundesminister, ist Ihnen denn nicht klar, daß ich gar nicht vom Ermittlungsrichter spreche, sondern von dem, was die Sicherungsgruppe Bonn der Polizei dort getan hat?
({0})
Im Vollzug eines richterlichen Durchsuchungsbefehls. Von der betroffenen Seite ist anerkannt worden, daß sich
Bundesinnenminister Höcherl
die Angehörigen der Sicherungsgruppe bei dem weitgespannten Durchsuchungsbefehl die äußerste Korrektheit und Zurückhaltung auferlegt haben.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, können wir uns darüber verständigen, daß Telephone und Fernschreibleitungen der Zuleitung neuen Materials für eine neu herauszugebende Nummer dienen, daß also die Beschlagnahme oder die Sperre solcher Zuleitungen einer Zensur gleichkommt?
({0})
Herr Kollege, ich habe auch schon einmal gehört, daß über Fernsprecher und Fernschreiber jemand gewarnt wurde.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs.
Herr Bundesminister, bezog sich der Durchsuchungsbefehl auch auf die Einsendung der Druckfahnen?
Die Frage der Druckfahnen haben wir vorhin ausgiebig besprochen. Ich habe fast den Verdacht, daß Sie diesem Frage-und-Antwort-Spiel nicht gefolgt sind. Die gleiche Frage habe ich nämlich schon einem anderen Kollegen beantwortet.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Herr Minister, wissen Sie nicht, daß die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln, die reichlich gegeben sind, bei uns zulande oft lange, sehr lange, jahrelang dauert und daß in der Zwischenzeit ein Verlagsunternehmen durch die Entziehung seiner Möglichkeiten bankrott gehen kann?
({0})
Herr Kollege Kohut, wenn ich daran denke, welche Kaution angeboten worden ist - eine Million oder unbeschränkt -, dann sehe ich keine unmittelbare Gefahr.
Richtig ist nur folgendes: daß wegen der vielen Rechtsmittel die Erledigung des letzten im allgemeinen natürlich sehr lange dauert. Hier handelt es sich aber um die höchste Gerichtsbarkeit, die nur einen einzigen Rechtszug kennt, so daß die Gefahr der Verzögerung und vor allem des wirtschaftlichen Verfalls bei der fast verdoppelten Auflage ganz und gar nicht gegeben ist.
({0}) Sie ist außerdem auch erschienen.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Herr Minister, haben Sie es nicht miterlebt, wie sich Ihr Kollege Strauß darüber beschwert hat, wie lange der Rechtsweg in Deutschland läuft, wieviel Jahre man warten muß?
({0})
Herr Kollege Kohut, Herr Kollege Strauß mußte wie wir Minister alle als einfache Leute unten bei der Beleidigungssache anfangen. Er mußte sich bis in die letzte Instanz emporarbeiten. Das hält fast keiner aus.
({0})
Mir ist soeben gesagt worden, daß die Frage II/6 zurückgezogen ist.
({0})
Ich rufe die Frage II/7 - des Herrn Abgeordneten Wittrock - auf:
Wer veranlaßte ,die spanische Polizei, den „Spiegel"-Redakteur Ahlers in Malaga festzunehmen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.
Ich darf diese Frage für den Herrn Justizminister wie folgt beantworten.
Weder das Bundesjustizministerium noch der Generalbundesanwalt haben eine Festnahme, eine Auslieferung oder Abschiebung des „Spiegel"-Redakteurs Ahlers durch die spanische Polizei veranlaßt. Desgleichen haben weder das Bundesjustizministerium noch der Generalbundesanwalt Interpol eingeschaltet.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Geduld; das war der erste Teil, jetzt kommt der zweite Teil. Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Sie haben genauso wie ich gestern die amtliche Mitteilung gelesen.
({1})
- Ich will Sie doch informieren! Geben Sie mir doch durch Ruhe Gelegenheit, Sie zu informieren! - Gestern ist eine amtliche Mitteilung herausgekommen. Darauf wollen Sie doch wohl hinaus.
({2})
- Gut, ich darf Ihnen die Frage jetzt in meiner eigenen Zuständigkeit beantworten, weil in dieser amtlichen Mitteilung des spanischen Informationsministeriums das Bundeskriminalamt angesprochen wird, für das ich die Verantwortung zu tragen habe und gerade in diesem Fall wegen der auch Ihnen bekannten Korrektheit der eingesetzten Beamten sehr leicht trage. Dazu habe ich Ihnen folgendes zu sagen.
Bei dem Versuch, den Haftbefehl des Bundesgerichtshofs gegen Herrn Ahlers zu vollstrecken, wurde festgestellt, daß Herr Ahlers in Spanien oder Tanger sei und daß der deutsche Militärattaché in
Bundesinnenminister Höcherl
Madrid über diese Reise Bescheid wissen solle. Diese Feststellung wurde ,dem Verteidigungsministerium unverzüglich mitgeteilt. Nach amtlicher spanischer Auskunft soll der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamts noch in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober eine spanische Dienststelle um Festnahme des Ahlers ersucht haben.
Das war der erste Teil dieser Mitteilung. Sie ist gestern abend herausgekommen. Ich habe alles darangesetzt, um den tatsächlichen Sachverhalt zu erfahren. Nach meinen Feststellungen trifft es nicht .zu, daß Herr Dickopf, der in der spanischen Information genannt worden ist, die mündliche Weiterleitung eines Haftbefehls an die spanischen Dienststellen veranlaßt hätte.
Ob ein anderer Beamter der Sicherungsgruppe eine spanische Dienststelle von dem Haftbefehl verständigt hat, konnte ich noch nicht ganz aufklären, da nicht alle eingesetzten Beamten befragt werden konnten. Einer dieser Beamten ist für einige Wochen dienstlich im Ausland. Ich habe veranlaßt, daß ihm die Frage sofort fernschriftlich zugeht.
Ich habe diesen Teil der Ermittlungen also noch nicht ganz abgeschlossen. Aber es muß sich um einen Irrtum der spanischen Stellen handeln, wenn es heißt, daß der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamtes in der Nacht in der behaupteten Form tätig geworden sei. Es steht aber fest, daß das Bundeskriminalamt den Text des Haftbefehls in den Vormittagsstunden des 27. Oktober fernschriftlich an die deutsche Botschaft durchgegeben hat. Darüber hinaus hat der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamtes, Herr Dickopf, in einem anschließenden Ferngespräch, das am 27. gegen 13 Uhr geführt wurde, den spanischen Sicherheitsbehörden empfohlen, unter Aufhebung der ihm in der Zwischenzeit bekanntgewordenen Festnahme darauf hinzuwirken, daß Herr Ahlers sich mit einer freiwilligen Rückreise in die Bundesrepublik einverstanden erkläre. Bei diesem Telefongespräch wurde dem stellvertretenden Präsidenten des Bundeskriminalamtes von der spanischen Sicherheitsbehörde mitgeteilt, daß sie diesem Ersuchen zwar stattgeben wolle, aber jedenfalls Herrn Ahlers als unerwünschten Ausländer abschieben werde; sie habe deshalb auch auf die Mitteilung hin, daß ein Haftbefehl des Bundesgerichtshofs vorliege, Herrn Ahlers in der Absicht vorläufig festgenommen, ihn als unerwünschten Ausländer unverzüglich abzuschieben. - Soweit meine bisherigen Feststellungen.
({3})
Zur Ergänzung folgendes.
({4})
- Bitte, das sind die Feststellungen, die ich von gestern abend - zum Teil in der Nacht - bis heute früh treffen konnte.
({5})
- 14 Tage Zeit? Ich habe die Meldung des spanischen Informationsministeriums, wie ich sagte, erst gestern abend bekommen!
Es ist noch die Behauptung erhoben worden, Interpol sei eingeschaltet gewesen. Sie werden das Dementi der deutschen und der europäischen Interpol gehört haben, dem ich mich nach meinen eigenen Feststellungen nur anschließen kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Minister, darf aus Ihrer Antwort die Bestätigung dafür entnommen werden, daß bei dem ganzen Vorgang die Grundsätze und die ausdrücklichen Regelungen und Statuten des internationalen Rechtshilfeverkehrs verletzt worden sind, und zwar verletzt worden sind mit dem Ergebnis, daß mindestens bei spanischen Stellen die Täuschung bewirkt worden ist, als wenn Interpol tätig geworden sei?
Ich möchte das nachdrücklich zurückweisen. Ich halte es auch gar nicht für möglich, daß die Stelle, für die ich verantwortlich bin, unsere eigenen Stellen oder gar ausländische Stellen täuscht. Das halte ich für ganz ausgeschlossen. Ich habe nichts derartiges festgestellt. Ich bin aber wirklich überrascht, Herr Abgeordneter Wittrock, daß Sie so weit gehen, aus den verschiedenen Mitteilungen der Presse - es steht Ihnen ja fast nichts anderes zur Verfügung - einen solchen Vorwurf herzuleiten.
({0})
- Auf Kosten fremder Ehre darf man das nicht.
({1})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Bundesinnenminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß der von den Ihnen unterstellten Behörden gewählte Weg in Widerspruch zu den Grundsätzen und den Regelungen und Statuten und damit den Rechtsbestimmungen des internationalen Rechtshilfeverkehrs steht?
Herr Kollege Wittrock, wenn Sie meine Erklärungen genau gelesen haben
({0})
- gehört haben-,dann werden Sie feststellen,
daß der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamtes, nachdem er von der vorläufigen Festnahme am Vormittag des 27. gehört hatte, den Haftbefehl an die Deutsche Botschaft im Text weitergegeben hat mit idem Ersuchen, Herrn Ahlers unter Aufhebung der vorläufigen Festnahme die freiwillige Rückkehr zu ermöglichen, die Herr Ahlers auch gewählt hat. Das scheint mir nicht eine
Bundesinnenminister Höcherl
Sache gegen, sondern für die Auslieferungsrechtslage 711 sein.
({1})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lohmar.
Herr Bundesinnenminister, können Sie uns eine Vorstellung von den Maßstäben vermitteln, die den spanischen Informationsminister dazu veranlaßt haben könnten, von unerwünschten oder erwünschten Ausländern zu sprechen?
Herr Kollege Lohmar, ich bin überrascht, daß Sie eine solche Frage stellen. Mehr will ich darauf nicht antworten.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
({0})
Herr Minister, Sie sprachen davon, daß der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamtes tätig geworden sei, nachdem er erfahren habe, daß Herr Ahlers vorläufig festgenommen wurde. Wollten Sie damit sagen, daß das Bundeskriminalamt vorher nicht eingeschaltet war und vorher nicht tätig war?
Nein, Herr Kollege Schäfer, ich habe folgendes erklärt. Der stellvertretende Präsident des Bundeskriminalamtes war mit den Ermittlungshandlungen gar nicht befaßt - es war die Sicherungsgruppe -, aber der stellvertretende Präsident ist gleichzeitig Leiter der Interpol, und in dieser Eigenschaft list er von der Sicherungsgruppe davon in Kenntnis gesetzt worden, daß in den frühen Morgenstunden des 27. Oktober die vorläufige Festnahme in Spanien erfolgt war. Das hat er in der zweiten Eigenschaft - bei der Weiterleitung des Haftbefehls an die Deutsche Botschaft - erfahren. Die Sicherungsgruppe hat das zweifellos gewußt. Ich habe doch vorher mitgeteilt - das haben Sie doch auch gehört -, ,daß das Verteidigungsministerium von der Sicherungsgruppe über die Vorgänge der Abwesenheit und des Auslandsaufenthaltes usw. Mitteilung bekommen hat.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister - nur zur Klarheit in diesem Hause -: die Sicherungsgruppe ist ein Teil des Bundeskriminalamtes und untersteht damit dem stellvertretenden Präsidenten?
Jawohl, das ist richtig.
Meine zweite Frage! Herr Minister, Sie haben vorher gesagt, daß das Verteidigungsministerium informiert wurde. Meine Frage: warum, und was hat das Verteidigungsministerium daraufhin gegenüber dem Bundeskriminalamt getan?
Ich darf die erste Frage dahingehend beantworten, daß das Verteidigungsministerium deswegen informiert wurde, weil - nach meiner bisherigen Feststellung - die Beamten der Sicherungsgruppe erfahren haben - -; weil von der Reise Ahlers nach Spanien das Verteidigungsministerium oder Angehörige dieses Bereiches in irgendeiner Form unterrichtet waren, wenn nicht beteiligt waren.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seuffert. - Ist erledigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Herr Bundesinnenminister, darf ich fragen, ob Ihnen der Text des Telegramms vorliegt, das von der Sicherungsgruppe nach Spanien gerichtet worden ist, und von wann dieses Telegramm ist?
Ja, der Wortlaut liegt mir vor, und zwar 'ist das eine wörtliche Wiedergabe des Haftbefehls ides Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes, der am 23. Oktober erlassen wurde. Soll ich den Text vorlesen?
({0})
Der Ermittlungsrichter
des Bundesgerichthofs
- darunter das Aktenzeichen z. Zt. Bad Godesberg, den 23. 10. 1962 Haftbefehl
Der Redakteur Conrad Ahlers, Hamburg 1, Speersort 1, ist zur Untersuchungshaft zu bringen. Er ist dringend verdächtigt, im Oktober 1962 in Hamburg und an anderen Orten der Bundesrepublik Staatsgeheimnisse verraten zu haben.
- Verbrechen nach Par. 100 Abs. 1 StGB Der Beschuldigte hat als der bei dem Nachrichtenmagazin ,,Der Spiegel" für den Bereich der Bundeswehr zuständige Redakteur die in der am 8. Oktober 1962 ausgelieferten Nummer 41/16. Jahrgang veröffentlichte Titelgeschichte „Bundeswehr" ({1}) verfaßt. Diese Abhandlung enthält Tatsachen aus dem Bereich der Bundeswehr und der NATO, deren Geheimhaltung vor einer fremden Regierung für das Wohl der Bundesrepublik erforderlich ist. Es besteht der dringende Verdacht, daß sich der Beschuldigte der Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Tatsachen bewußt war und die mit
Bundesinnenminister Höcherl
deren Preisgabe verbundene Gefährdung des Wohles der Bundesrepublik gebilligt hat.
Da ein Verbrechen Gegenstand des Verfahrens ist, ist Fluchtverdacht gesetzlich begründet. Darüber hinaus ist mit Rücksicht auf die Art der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftat die Gefahr begründet, daß er die Ermittlung der Wahrheit durch Vernichtung von Spuren der Tat, von Beweismitteln anderer Art oder durch Beeinflussung von Zeugen oder Mitbeschuldigten erschweren werde, wenn er auf freiem Fuß belassen würde ({2}).
Gegen diesen Haftbefehl ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig. Statt der Beschwerde kann mündliche Verhandlung nach Par. 114 d StPO beantragt werden.
Bundeskriminalamt SG Bad Godesberg i. A. gez. Saevecke, RKR
Bundeskriminalamt Wiesbaden ... Ltd. RKD. Dickopf
Da unten heißt es dann noch: Interpol WBN
Das ist der in die Matrize eingestanzte Vermerk, der die Leitung, aber nicht die Institution Interpol wiedergibt.
Eine zweite zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Zunächst die Wiederholung der Bitte, auch den Zeitpunkt dieses Telegramms bekanntzugeben.
Dann bitte ich um die Beantwortung der Frage, aus welchen Gründen nicht - wie sonst immer üblich - die Interpol-Zentrale in Paris um entsprechende Maßnahmen gebeten wurde.
Zeitpunkt der Absendung dieses Telegramms war der 27. Oktober 1962, 10.45 Uhr. Die Adresse lautet „An die Deutsche Botschaft Madrid".
Die Interpol wurde deshalb nicht eingeschaltet, weil dem absendenden Beamten bekannt war, daß § 3 des Interpol-Gesetzes eine Anwendung auf diesen Haftbefehl nicht erlaubt.
Die Fragestunde ist vorbei. Ich lasse keine weiteren Fragen mehr zu.
({0})
- Meine Damen und Herren, Sie täuschen sich. Der Bundestagspräsident ist nicht der Herr, sondern der Knecht der Geschäftsordnung. Dort steht: Die Fragestunde darf 60 Minuten nicht überschreiten. Die Fragestunde ist vorbei; morgen geht es weiter. Wir beginnen morgen Vormittag mit der Fragestunde
und fahren genau an dem Punkt fort, an dem wir jetzt stehengeblieben sind.
({1})
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung - ({2})
- Meine Damen und Herren, wenn es sein muß, bin ich bereit, eine Pause einzulegen.
({3})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, daß wir so fortfahren können, haben Sie sich getäuscht. Ich rufe den Tagungsordnungspunkt nicht auf, wenn Sie sich nicht setzen. Setzen Sie sich, meine Damen und Herren! Beruhigen Sie sich!
Meine Damen und Herren, jetzt ist genug Entspannung; wir fahren in der Tagesordnung fort.
Ich gebe Ihnen nachher das Wort zu einer persönlichen Erklärung, Herr Abgeordneter Ritzel.
Ich rufe auf die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 ({4}) ({5}),
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 ({6}) ({7}).
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
({8})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Am 13. März dieses Jahres hatte ich die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1962 vorzulegen. Heute, nach wenig mehr als sieben Monaten, habe ich namens der Bundesregierung neben dem Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1962 den Entwurf des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1963 vorzutragen und zu begründen.
Bevor ich mich den Problemen des Haushaltsentwurfs 1963 zuwende, möchte ich Ihnen einen Überblick über die Haushaltslage 1962 geben und die Ursachen darlegen, die zur Vorlage des Entwurfs eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan 1962 geführt haben.
Die von mir angekündigte Wende in der finanzpolitischen Situation des Bundes ist dadurch gekennzeichnet, daß die Ausgaben im Haushalt 1962 stärker gestiegen sind als die Einnahmen. Das war
Bundesfinanzminister Dr. Starke
nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Bundeshaushalt 1962 seine letzte Ausprägung durch die Auswirkungen der Ereignisse des 13. August 1961 erhalten hatte. Bei Nichtberücksichtigung der Entwicklungsanleihe über 1,5 Milliarden DM, die nur einen durchlaufenden Posten darstellte, betrug die tatsächliche Erhöhung der Ausgaben 6,8 Milliarden DM oder 14,8 v. H.; damit überschritt sie die mit 7,5 v. H. angenommene Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts nahezu um das Doppelte. Auf der anderen Seite ließ sich infolge des schwächeren Wirtschaftswachstums und des Rückgangs der Gewinne bereits bei Aufstellung des Haushalts 1962 eine nachlassende Zuwachsrate bei den Steuereinnahmen voraussehen.
Angesichts dieser Lage kam alles darauf an, den mit großer Mühe erreichten Haushaltsausgleich auch bei Ausführung des Haushaltsplans 1962 sicherzustellen.
Einen Augenblick, Herr Bundesfinanzminister. Meine Damen und Herren, ich muß jetzt zum letztenmal an das Haus appellieren. Es geht unter gar keinen Umständen, daß bei einem so wichtigen Gegenstand nicht gespannte Aufmerksamkeit herrscht.
({0})
Ich bitte also, die Gespräche, die jetzt noch geführt werden müssen, nach draußen zu verlegen, was auch nicht sehr schön ist; das Haus ist sowieso nicht sehr gut besetzt.
({1})
Nach den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres ergibt sich noch kein klares Bild über den endgültigen Ablauf des Haushalts 1962. Die Finanzierung des Haushalts ist bisher ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen. Das ist darauf zurückzuführen, daß auf dem Baugebiet konjunkturbedingte Sperren angebracht wurden und sich in einigen Einzelplänen größere Minderausgaben infolge der verspäteten Verabschiedung des Haushalts ergeben. Vor allem aber sind für das bisher erreichte Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben auch die freiwilligen Beiträge der Länder mitbestimmend gewesen, die zum Teil bereits in die Bundeskasse geflossen sind.
Die Bundesregierung legt nunmehr zum Bundeshaushalt 1962 einen Nachtrag vor, um neue Ausgabeverpflichtungen des Bundes zu decken, die nach Verabschiedung ides Haushalts unabweisbar geworden sind. Die Gesamtsumme des Nachtrags beläuft sich auf 481 Millionen DM.
Bei den Mehraufwendungen für Angestellte und Arbeiter handelt es sich um die Auswirkungen der im Juni dieses Jahres abgeschlossenen Tarifverträge.
Die Mittel für eine Beihilfeleistung des Bundes an die Küstenländer zur Milderung der durch die Flutkatastrophe entstandenen Schäden an gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben tragen einem Wunsch dieses Hohen Hauses Rechnung. Auf Grund eines Verwaltungsabkommens mit den betreffenden Ländern wird der Bund zwei Drittel dieser Aufwendungen übernehmen, die auf rund 360 Millionen DM beziffert sind. Im Nachtragsentwurf ist eine erste Rate von 100 Millionen DM ausgebracht.
Bei den Anforderungen zugunsten des Steinkohlenbergbaus handelt es sich um 'die Durchführung von Sofortmaßnahmen, die später durch gesetzliche Maßnahmen fundiert werden sollen. Hiermit wird sich das Hohe Haus noch eingehend beschäftigen müssen.
Durch die Erhöhung der Bundeshilfe für Berlin um 150 Millionen DM sollen vor allem die Einnahmeausfälle im Berliner Landeshaushalt ausgeglichen werden, die durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({0}) und des Steuererleichterungsgesetzes für Berlin ({1}) vom 26. Juli 1962 hervorgerufen werden.
({2})
Mittel für die Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt sind mit dem Nachtrag nicht angefordert, obwohl noch für das Jahr 1962 Mittel in Höhe von etwa 60 Millionen DM benötigt werden. Hierauf konnte mit Rücksicht auf die im Ernährungshaushalt - Einzelplan 10 - enthaltene grundsätzliche Ermächtigung verzichtet werden, etwaige Mehreinnahmen aus Abschöpfungen oder Minderausgaben aus nicht benötigten Bewilligungen für diese Zwecke zu verwenden.
Die Deckung dieses Nachtragshaushalts soll durch gezielte Kürzungen erfolgen. In Höhe von 295 Millionen DM wird die im Interesse der Beeinflussung der Baukonjunktur nach § 8 des Haushaltsgesetzes 1962 ausgebrachte Sperre der Baumittel in eine echte Kürzung umgewandelt. Das ist möglich und vertretbar, weil jetzt im November zu übersehen ist, daß auf Grund der konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung tatsächlich Minderausgaben in dieser Höhe verbleiben werden.
Weitere Kürzungen in Höhe von 186 Millionen DM können im Schuldenhaushalt vorgenommen werden, weil nach Ablauf der ersten 10 Monate des Rechnungsjahres 1962 feststeht, daß Mittel in dieser Höhe, auch wenn noch weitere Kreditaufnahmen des Bundes zu Lasten des Haushalt 1962 erfolgen, nicht abfließen werden.
Mit dieser Deckung des Nachtragshaushalts durch gezielte Kürzungen bleiben die Endsummen der Einnahmen und Ausgaben mit 53,4 Milliarden DM bestehen. Das Ausgabevolumen des Haushalts 1962 verändert sich dadurch nicht, was ein vordringliches Anliegen der Bundesregierung war und ein Beispiel für die kommenden Haushaltsjahre sein muß.
({3})
Der gegenwärtige Stand der Haushaltsabwicklung bietet auch unter Berücksichtigung des Nachtragshaushalts ein zu günstiges Bild der Finanzlage des Bundes; denn es muß mit Mindereinnahmen aus Steuern von etwa 500 Millionen DM und aus zur Haushaltsdeckung geeigneten Krediten von 600 bis
Bundesfinanzminister Dr. Starke
800 Millionen DM gerechnet werden. Bisher standen den Mindereinnahmen entsprechende Minderausgaben gegenüber. In den letzten beiden Monaten des Rechnungsjahres muß aber mit einem schnelleren Abfluß der Mittel gerechnet werden. Ein Ausgleich der Haushaltsrechnung setzte Minderausgaben von über einer Milliarde D-Mark voraus. Daraus ergibt sich, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt freie Dekkungsmittel für zusätzliche Ausgaben nicht nachgewiesen werden können.
Nicht unerwähnt bleiben darf, daß der Bundesminister der Verteidigung eine Nachforderung zum Einzelplan 14 über 7- bis 800 Millionen DM geltend macht, um die nach dem 13. August 1961 eingeleiteten Maßnahmen termingemäß verwirklichen zu können.
Angesichts der oben genannten Unsicherheiten und der Tatsache, daß die Ausgaben für die Verteidigung unabweisbar sein dürften, steht die Bundesregierung im Hinblick auf den Initiativantrag auf eine Überbrückungshilfe an Beamte und Ruhegehaltsempfänger des Bundes für 1962 vor einer großen Schwierigkeit. Auf der einen Seite ist die Berechtigung dieser Forderung nicht zu verkennen. Auf der anderen Seite belastet dieser Initiativantrag den Haushalt 1962 mit 134 Millionen DM ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bundesbahn mit 107,5 Millionen DM und die Bundespost mit 74 Millionen DM.
Bei Betrachtung der Gesamtlage darf nämlich nicht übersehen werden, daß jedes Defizit und jeder größere Vorgriff, die das Rechnungsjahr 1963 vorbelasten, den an sich schon schwierigen Haushaltsausgleich 1963 und damit auch die Beschlüsse der Bundesregierung hierzu vom 11. und 12. September außerordentlich gefährden.
Die Bundesregierung hofft zuversichtlich, daß es unter der Voraussetzung eines Eingangs der Länderbeiträge von 1050 Millionen DM gelingen wird, durch straffe Bewirtschaftungsmaßnahmen den Abschluß 1962 ohne ungünstige Auswirkungen auf den Bundeshaushalt 1963 zu ermöglichen. Es bleibt mir, gerade an dieser Stelle, den Länder nochmals den Dank der Bundesregierung und meinen Dank für ihre freiwillige Leistung zur Überwindung der Haushaltsschwierigkeiten des Bundes im Rechnungsjahr 1962 auszusprechen.
({4})
Der Entwurf des Bundeshaushalts 1963 ist ein integrierender Bestandteil des Ihnen am 9. Oktober dieses Jahres in der Regierungserklärung durch den Herrn Bundeskanzler vorgetragenen Stabilisierungsprogramms.
Ausgangspunkt des Regierungsprogramms wie auch des Haushaltsentwurfs war die Feststellung, daß sich nach dem ungewöhnlichen Wirtschaftswachstum der Aufbaujahre eine Normalisierung mit sehr viel bescheideneren realen Zuwachsraten des Sozialprodukts anbahnt. Eine Übernachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und eine Knappheit an Arbeitskräften haben außerdem erhebliche Preis- und Lohnsteigerungen heraufbeschworen, die die Bevölkerung beunruhigen und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland in Frage zu stellen beginnen.
Trotz nachlassender Expansionskraft bei Teilen der Wirtschaft hat die Übernachfrage im allgemeinen und insbesondere im Bausektor angehalten. Hier lagen die Preise für Bauleistungen an Wohngebäuden im August 1962 um 6,3 v. H. über dem Vorjahresstand und um rund 33 v. H. über dem Jahresdurchschnitt 1958. Auch im Straßenbau war der Preisauftrieb in letzter Zeit kaum minder stark. Diese Kostensteigerung im Bauwesen ist - um mit den Worten des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung zu sprechen - ein Krankheitsherd, der die gesamte Wirtschaft infiziert.
Die Bundesregierung ist bemüht, die volkswirtschaftlich schädliche Übernachfrage nach Bauleistungen zu beseitigen. Neben dem Gesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit und der vom Bund vorgenommenen Beschränkung seiner Bautätigkeit durch eine Sperre in Höhe von 20 v. H. der bauwirksamen Haushaltsmittel hat die Bundesregierung mit ihrer Erklärung vom 9. Oktober 1962 Maßnahmen zur Verminderung der Übernachfrage eingeleitet.
Der angestrebte Erfolg derartiger konjunkturpolitischer Maßnahmen kann jedoch nur dann eintreten, wenn sich Länder, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts in gleichem Maße derartigen Maßnahmen unterziehen.
({5})
Hier steht der Bundesregierung noch eine große Aufgabe bevor.
Alle diese Maßnahmen sollen nur erreichen, daß bei sinnvollen Kosten und Preisen optimale Leistungen im Baubereich erzielt werden. Zur Wohnungsversorgung der Bevölkerung sollen auch weiterhin ausreichend Wohnungen gebaut werden, um nach mehr als vier Jahrzehnten zwangswirtschaftlicher Bindungen im Wohnungswesen die Überführung der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft vornehmen zu können.
({6})
Die Bundesregierung übersieht nicht, daß durch einen solchen Anpassungsvorgang Härtefälle eintreten und durch die sich dann bildenden Marktmieten in Einzelfällen sozial unzumutbare Mietbelastungen eintreten können. Zur Milderung solcher Härtefälle wird die Einführung von Wohnbeihilfen ({7}) auf gesetzlicher Grundlage vorbereitet.
Im ersten Halbjahr 1962 hat der reale Anstieg des Bruttosozialprodukts nach Zuwachsraten in 1960 von 8,8 v. H. und in 1961 von 5,3 v. H. nur noch 3,5 v. H. betragen. Die Produktivität ist je Erwerbstätigem nur noch um gut 2 v. H. angestiegen, während die Bruttolöhne je beschäftigten Arbeitnehmer weit stärker zugenommen haben, und zwar um 8,4 v. H.
({8})
Unter diesen Umständen wird der Konkurrenzdruck des Auslands immer spürbarer. Die Einfuhr
ist mit 12,5 v. H. in den ersten neun Monaten des
Bundesfinanzminister Dr. Starke
laufenden Jahres gegenüber der Vergleichszeit des Vorjahres weit stärker als die Ausfuhr mit nur noch 3,2 v. H. gestiegen. Diese Entwicklung muß in allen ihren Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft erkannt und es muß entsprechend dieser Erkenntnis gehandelt werden.
In Kenntnis und unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge hat sich die Bundesregierung entschlossen, sich nicht mit den Maßnahmen auf dem Bausektor zu begnügen, sondern den gesamten Haushalt 1963 in den Dienst der Preisstabilisierung zu stellen. Die Bundesregierung geht damit mit gutem Beispiel voran. Sie appelliert an das Hohe Haus, den Haushaltsausschuß im besonderen, ihre Bemühungen um eine konjunkturgerechte Haushaltsgebarung voll zu unterstützen. Die Billigung dieser Grundsätze durch das Hohe Haus bei der Beratung des Bundeshaushalts 1962 bestärkt mich in der Annahme, daß diese Bitte auf fruchtbaren Boden fallen wird.
Der Ihnen vorliegende Haushaltsentwurf ist mit seinem Ausgabevolumen von 56,8 Milliarden DM das Ergebnis einschneidender Kürzungen der Anforderungen der Ressorts. Diese Kürzungen erforderten viel Verständnis seitens meiner Kabinettskollegen für die erwähnten Zusammenhänge und für die Notwendigkeit, noch so berechtigte Einzelwünsche hinter der einen großen gemeinsamen Aufgabe - nämlich den Haushalt in den Dienst der Preisstabilisierung zu stellen und Steuererhöhungen zu vermeiden - zurücktreten zu lassen.
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Nur dieser Einsicht ist es zuzuschreiben, daß das sprunghafte Ansteigen der Bundesausgaben gebremst und daß die Ausgaben einerseits den realen Möglichkeiten des volkswirtschaftlichen Angebots angepaßt, andererseits aber auch mit den im Rahmen des öffentlichen Gesamthaushalts ohne Steuererhöhungen erzielbaren Einnahmen in Einklang gebracht werden konnten.
Gegenüber dem Volumen des Haushalts 1962 ist 1963 die Ausgabensteigerung auf 2,8 Milliarden DM - also auf rund 5 v. H. - begrenzt. Auch diese Steigerung ist bedeutend. Bedenken wir aber, daß sich allein die neuen unabweisbaren Ausgaben für 1963 auf 5,4 Milliarden DM belaufen. Die Begrenzung des tatsächlichen Mehrbedarfs auf 2,8 Milliarden DM war daher nur durch Streichung und Strekkung von Ausgaben in Milliardenhöhe erreichbar. Das scheint mir unzweifelhaft ein Erfolg zu sein.
So sind auch die Mittel für Bauausgaben für das Rechnungsjahr 1963 mit Rücksicht auf die konjunkturellen Überhitzungserscheinungen auf dem Bausektor unter Anlegung eines strengen Maßstabes veranschlagt worden. Sämtliche im Entwurf des Haushaltsplans aufgenommenen Bauvorhaben sind deshalb vom Bedarf her notwendig. Die von der Bundesregierung auch für 1963 vorgesehene allgemeine 20 v. H.-Sperre ({10}) ist ausschließlich unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten und nicht aus Deckungsgründen beschlossen worden. Mit diesem Ziel der Bundesregierung wäre die Umwandlung eines Teiles der konjunkturpolitischen Sperre in eine Kürzung um 100 Millionen DM aus finanzpolitischen Gründen im gegenwärtigen Zeitpunkt unvereinbar.
Von den unabweisbaren Mehrausgaben entfallen auf: Militärische und zivile Verteidigung 2,0 Milliarden DM - für den Verteidigungshaushalt sind nunmehr 17 Milliarden DM vorgesehen - auf gesetzliche Regelungen oder vertragliche Verpflichtungen 1,5 Milliarden DM, auf sonstige unabweisbare Ausgaben 1,9 Milliarden DM.
Auch der Bundeshaushalt 1963 wird wieder geprägt durch die großen kaum beeinflußbaren Ausgabeblöcke für die äußere Sicherheit und für die innere Sicherheit, für das Verkehrswesen, für ' die Ernährung, für die Kriegsfolgengesetzgebung und für die Entwicklungshilfe.
Für Verteidigungsausgaben sind insgesamt rund 18,4 Milliarden DM veranschlagt, davon 17 Milliarden DM für die Bundeswehr, 0,6 Milliarden DM für Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt verbündeter Streitkräfte und 0,8 Milliarden DM für die zivile Verteidigung. Die Verteidigungsausgaben steigen damit gegenüber dem Vorjahr um rund 2 Milliarden DM = 12,9 v. H. Rechnet man die Berlinhilfe, die ihrer politischen Bedeutung wegen nach Auffassung der Bundesregierung auch zur Sicherung unserer Freiheit nach außen gehört, den Verteidigungsaufwendungen hinzu, betragen die Verteidigungsausgaben im weiteren Sinne mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben des Bundes, nämlich 35,4 v. H.
Die Bundesregierung glaubt, mit der Bereitstellung dieser nicht unerheblichen Mittel erneut ihre Entschlossenheit bekundet zu haben, einen angemessenen Beitrag zur Stärkung der gemeinsamen Verteidigungskraft der westlichen Welt im Interesse der Erhaltung des Friedens zu leisten.
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Sie ist mit dem Beitrag für das Rechnungsjahr 1963 an die Grenze dessen gegangen, was von der Bundesrepublik für die äußere Sicherheit aufgebracht werden kann, ohne daß andere für die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik wesentliche Aufgaben zurückgestellt werden.
Die 17 Milliarden DM für die eigenen Streitkräfte setzen sich zusammen aus 7,9 Milliarden DM für die laufenden Kosten und 9,1 Milliarden DM für Materialbeschaffungen, militärische Bauten und Wohnungen für Angehörige der Bundeswehr.
Die Ausgabensteigerung für die eigenen Streitkräfte beruht zum überwiegenden Teil auf Materialbeschaffungen im In- und Ausland. Der ständige Prozeß einer Anpassung an die technische und militärische Entwicklung fordert hier zwangsläufig seinen Tribut. Außerdem führt die Personalvermehrung im Zuge des weiter fortschreitenden Aufbaus der Bundeswehr zu einer Steigerung der Personalausgaben. Der Personalbestand wird sich gegenüber dem Rechnungsjahr 1962 für das militärische Personal von 415 000 um 28 000 auf 443 000 und für das zivile Personal von rund 152 000 um 17 700 auf rund 170 000 erhöhen.
Bundesfinanzminister Dr. Starke
Die auf 400 Millionen DM erhöhten Mittel für den Wohnungsbau für Soldaten und Zivilbedienstete der Bundeswehr sind durch 180 Millionen DM überplanmäßig bereitgestellter Mittel verstärkt worden.
Für die zivile Verteidigung sind 817 Millionen vorgesehen. Damit werden neben der fortschreitenden Aufstellung eines Warn- und Alarm,d'ienste.s und eines Luftschutzhilfsdienstes insbesondere Maßnahmen igefördert, die der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs sowie der Funktionsfähigkeit der Fernmeldenetze der Deutschen Bundespost und der Bundesverkehrsverwaltung dienen. Außerdem sollen weitere Vorräte an Lebens- und Futtermitteln sowie an Arzneimitteln angelegt werden.
Die Bundeshilfe für Berlin, die der Bund zur wirtschaftlichen und sozialen Sicherung und zum Wiederaufbau Berlins leistet, hat seit dem 13. August 1961 eine zusätzliche politische Bedeutung erhalten. Im Rahmen des damals beschlossenen 500 Millionen-Programms ist im Bundeshaushalt 1962 die Finanzhilfe für den Haushalt Berlin allein um 446 Millionen DM auf über 1,5 Milliarden DM erhöht Worden, um Auswirkungen der Gewaltmaßnahmen dies 13. August 1961 auf die Berliner Bevölkerung zu mindern und die Aufwärtsentwicklung von Berlin weiter zu fördern. Von den damals ergriffenen Maßnahmen haben sich die 'Förderung des Zuzugs von Arbeitskräften nach Berlin und die Familiengründungsdarlehen besonders bewährt, so daß sie fortgeführt werden sollen. Dazu tritt der im Nachtragsentwurf vorgesehene weitere Zuschuß von 150 Millionen DM.
Im 'Entwurf des Bundeshaushalts 1963 sind für Berlin Zuschüsse und Darlehen von insgesamt 1687 Millionen DM vorgesehen. Dieser Beitrag ist auf Grund der bisher übersehbaren Entwicklung geschätzt worden. Wie in jedem Jahr werden auch diesmal Verhandlungen mit dem Senator für Finanzen über den nach § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes zu beschließenden Finanzhilfebetrag notwendig. Deshalb vermag ich auch noch nicht abschließend zu den höher liegenden Anmeldungen Berlins Stellung zu nehmen. Ich kann heute dazu nur erklären, daß Berlin - wie bisher - jede notwendige Bundeserhalten wird.
({12})
Diese Bundeshilfe muß Ausdruck dafür sein, daß die Bundesrepublik hinter dieser Stadt steht, die ein Bollwerk des freien Westens ist.
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Neben den Ausgaben für die Verteidigung - die äußere Sicherheit - sind es die Ausgaben für die Sozialleistungen - für die innere Sicherheit -, die den Bundeshaushalt .am stärksten belasten. 12,6 MilHarden DM sind bereits im Haushalt 1963 für Sozialleistungen im engeren Sinne vorgesehen.
Die Träger der Sozialversicherung erhalten an Bundeszuschüssen 7 Milliarden DM, das sind 0,5 Milliarden DM mehr als im Vorjahr. Für die Kriegsopferversorgung sind fast 4 Milliarden DM vorgesehen. 700 Millionen DM sind für Zwecke der Kriegsfolgenhilfe veranschlagt. 424 Millionen DM entfallen auf das Kindergeld für Zweitkinder. Der Bundeszuschuß zum Lastenausgleich beträgt 361 Millionen DM. Der Rest verteilt sich auf kleinere Positionen.
Insgesamt ergibt sich für das Rechnungsjahr 1963 im Haushalt eine Zunahme der Sozialausgaben im engeren Sinne um 228 Millionen DM.
Von dem Mehrbedarf in Höhe von 500 Millionen DM für die Zuschüsse zur Sozialversicherung werden 375 Millionen DM benötigt für die an die Lohnentwicklung gebundenen Zuschüsse des Bundes zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten. Der Mehrbedarf zur Deckung ides Defizits bei der knappschaftlichen Rentenversicherung beträgt 145 Millionen DM. Er wird im wesentlichen zur Finanzierung der Rentenerhöhungen benötigt.
Auf die mit der Neuordnung der Kriegsopferversorgung und des Kindergeldrechts in Zusammenhang stehenden Fragen komme ich noch zu sprechen.
Betrachtet man die Ausgaben für die soziale Sicherung im weiteren Sinne, zu denen insbesondere die Leistungen nach Art. 131 des Grundgesetzes gehören, so kommt man zu einem Gesamtaufwand von etwas über 15 Milliarden DM, das sind 27,3 v. H. der Gesamtausgaben des Bundes.
Zusammen mit den Ausgaben für die Verteidigung belaufen sich also die Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit in dem eben umschriebenen Sinne auf rund 33,4 Milliarden DM oder 60,7 v. H. der Gesamtausgaben des Bundes.
In den genannten Zahlen sind noch nicht die Ausgabebelastungen berücksichtigt, die für gesetzgeberische Maßnahmen des Jahres 1963 entstehen. Die Bundesregierung hat angekündigt, daß sie dem Bundestag zu gleicher Zeit drei untereinander unlösbar verbundene Gesetzentwürfe über das Kindergeld, die Lohnfortzahlung und die Krankenversicherungsreform, sowie Gesetzentwürfe über die Beseitigung von Härten in der Kriegsopferversorgung, in der Flüchtlingsgesetzegbung und bei der Kriegsgefangenenentschädigung vorlegen wird. Durch diese neuen Sozialgesetze wird der Bundeshalthalt 1963 zusätzlich mit mehr als 1 Milliarde DM belastet werden. In den folgenden Rechnungsjahren wird die Mehrbelastung - umgerechnet auf ein volles Rechnungsjahr - weit höher liegen.
Die Bundesregierung stellt durch dieses Paket von Sozialgesetzen unter Beweis, daß sie sich auch in schwieriger Finanzlage sowohl ihrer sozialen Verantwortung als auch ihrer Verpflichtungen gegenüber den Kriegsgeschädigten voll bewußt ist.
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Sie sieht insbesondere in den Leistungen an die Opfer des Krieges die Erfüllung einer Ehrenschuld, die dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit gegenüber diesem besonders hart getroffenen Personenkreis obliegt.
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Bundesfinanzminister Dr. Starke
Wenn die Bundesregierung Mittel für diese Gesetzentwürfe im Entwurf des Haushaltsplanes nicht veranschlagt hat, so liegt dies daran, daß bei der Aufstellung des Haushaltsplanes der Inhalt dieser Gesetzentwürfe im einzelnen, der Zeitpunkt der Vorlage, die Dauer der Behandlung im Parlament, der Zeitpunkt des Inkrafttretens und damit auch die genauen Kosten noch nicht zu übersehen waren. Die für diese Gesetze erforderlichen Mittel werden in einem Nachtragshaushalt veranschlagt werden. Dabei kann ich allerdings nicht verhehlen, daß die Finanzierung zunächst von den Steuereingängen, insbesondere etwaigen Steuermehreinnahmen, und letzten Endes auch von dem Ausgang der Verhandlungen mit den Ländern über eine Veränderung des Anteils an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zugunsten des Bundes abhängt.
Aber das sind nicht die einzigen Sorgen, die die Bundesregierung angesichts des Sozialhaushalts bewegen. Mit den jetzt erstmals vorliegenden versicherungstechnischen Bilanzen der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten für den 1. Januar 1959 werden neue Probleme aufgeworfen. Sie haben die Bundesregierung veranlaßt, eine Überprüfung vorzusehen, welche Maßnahmen erforderlich werden, um bei Aufrechterhaltung der vorgesehenen Leistungen in der Rentenversicherung zu verhindern, daß einerseits die Beitragslast der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber untragbar wird oder andererseits dem Bundeshaushalt untragbare Mehrbelastungen zugemutet werden. Im Zusammenhang damit ergibt sich die Frage einer Abstimmung der verschiedenen Sozialleistungen aufeinander derart, daß die Leistungsberechtigten nicht glauben versuchen zu müssen, sich gegenseitig den Rang abzulaufen.
Ich komme nunmehr zu den Verkehrsausgaben. Für den weiteren Ausbau der Verkehrswege und deren Anpassung an das gestiegene Verkehrsvolumen auf der Straße, der Schiene und den Wassterstraßen sowie in der Luft sind im Rechnungsjahr 1963 die gleichen Ansätze wie im laufenden Rechnungsjahr, nämlich 4,288 Milliarden DM vorgesehen.
Mit den Mitteln des Straßenbauplans in Höhe von rund 2,4 Milliarden DM wird es möglich sein, die Straßenbaumaßnahmen des Bundes kontinuierlich und zügig fortzuführen und die Leistungsfähigkeit des Bundesfernstraßennetzes weiter zu steigern. Sollte es gelingen, die Vorbereitung der Baumaßnahmen - z. B. die Grundstücksbeschaffung und die Planung - zu beschleunigen, wird die Bildung von Resten vermieden und werden im Rechnungsjahr 1963 rund 350 Millionen DM mehr Mittel als 1962 verbaut werden können. Die zeitlich befristete Beschränkung der Zweckbindung der Mineralölsteuer für den Straßenbau, die in § 9 des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1963 vorgesehen ist, dürfte daher keinerlei Einschränkung des Bundesstraßenbaues nach sich ziehen.
Für die Deutsche Bundesbahn sind wie im Vorjahr insgesamt 1 047 Millionen DM vorgesehen. Ich habe während meiner Amtszeit wiederholt darauf hingewiesen - und ich möchte es auch heute noch einmal nachdrücklichst betonen -, daß es in erster
Linie Aufgabe der Deutschen Bundesbahn selbst ist, den Ausgleich ihrer Rechnung anzustreben. Ich verkenne nicht, daß einer Verwirklichung dieser Forderung große Schwierigkeiten entgegenstehen. Obwohl die Deutsche Bundesbahn sich einer verschärften Wettbewerbslage durch den Güterkraftverkehr auf der einen und die Binnenschiffahrt auf der anderen Seite gegenübersieht, wird sie versuchen müssen, ihre Einnahmen durch eine entsprechende Tarifpolitik zu erhöhen. Die Deutsche Bundesbahn wird mit Zustimmung der Bundesregierung zum 1. Januar 1964 eine Reihe von Güter- und Personentarifen der veränderten Kostenlage anpassen, um Mehreinnahmen von etwa 280 Millionen DM zu erzielen.
Daneben wird die Deutsche Bundesbahn mit allen Mitteln versuchen müssen, ihre Kosten durch Rationalasierung ihrer Organisation und durch arbeitskraftsparende Investitionen zu senken. Hierzu soll im Rechnungsjahr 1963 dadurch ein wesentlicher Beitrag des Bundes geleistet werden, daß der Kapitaldienst für eine weitere Anleihe über 500 Millionen DM, die die Deutsche Bundesbahn im Geschäftsjahr 1963 begibt, vom Bundeshaushalt übernommen wird. Dem Eigenkapital der Deutschen Bundesbahn wird dadurch in den Jahren 1962 und 1963 1 Milliarde DM zugeführt, um damit ein umfangreiches Investitionsprogramm zu finanzieren.
Diese Rationalisierungsmaßnahmen müssen mit der größten Beschleunigung durchgeführt werden, da die Zuschußleistungen des Bundeshaushalts nur vorübergehender Natur sein können und die Deutsche Bundesbahn bei einem fortschreitenden Zusammenwachsen des Gemeinsamen Marktes auf dem Verkehrsgebiet mit einem verschärften Wettbewerb rechnen muß.
Die vorstehenden Grundsätze für die Betriebswirtschaft der Deutschen Bundesbahn müssen auch für die Wirtschaftsführung der Deutschen Bundespost gelten, die sich allerdings in einer ungleich günstigeren Lage befindet, da auf verschiedenen Gebieten ihre Monopolstellung nicht angetastet wurde. Die Deutsche Bundespost wird ebenfalls zum 1. Januar 1964 einen Teil ihrer Tarife der veränderten Kostenlage anpassen, um aus ihrer gegenwärtigen defizitären Entwicklung herauszukommen und in der Lage zu sein, ihre notwendigen Investitionen zu finanzieren.
Wegen der Auswirkung auf die Wettbewerbslage im Verkehr werden von mir vielleicht noch einige Ausführungen zu der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr erwartet. Ihnen ist der Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes bekannt, der darauf hinausläuft, die Beförderungsteuer von gegenwärtig 5 Pf je t/km in zwei Stufen auf den Satz von 1 Pf zu senken. Der Entwurf wird zur Zeit in meinem Hause unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft. Da die Beförderungsteuer für den Werkverkehr seinerzeit durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 aus verkehrspolitischen Gründen eingeführt worden ist, muß ich mich außerdem noch mit dem Bundesverkehrsminister in Verbindung setzen.
Mit den Ansätzen für den Ausbau, den Betrieb und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen von
Bundesfinanzminister Dr. Starke
rund 435 Millionen DM wird es möglich sein, den Ausbau der laufenden großen Wasserbauvorhaben, wie z. B. die Moselkanalisierung, den Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals, die Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtstraße und die Modernisierung des NordOstsee-Kanals sowie die Anpassung der Seewasserstraßen zu den deutschen Häfen an die immer grösser werdenden Schiffstypen, zügig fortzusetzen und die Mittelweserkanalisierung zu Ende zu führen. Über die Inangriffnahme weiterer Großbauvorhaben, wie der Jade-Vertiefung, der Bau des NordSüd-Kanals sowie über die Forderung des Saarlandes nach einer Kanalverbindung, sind von der Bundesregierung noch keine Entscheidungen getroffen.
Durch die schon mehrere Jahre anhaltende Frachtenbaisse, die insbesondere durch das weltweite Überangebot an Laderaum hervorgerufen wurde, sind deutsche Reedereien in eine wirtschaftlich schwierige Lage geraten. Bekanntlich hatte sich die Bundesregierung bereit erklärt, in den Jahren 1962 und 1963 eine Hilfe für die Seeschiffahrt in Höhe von je 80 Millionen DM in den Bundeshaushalt aufzunehmen. Da die Frachtenbaisse noch anhält und der Modernisierungsbedarf noch nicht gedeckt ist, ist die Beibehaltung des Ansatzes von 80 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1963 gerechtfertigt. Damit wird zugleich ein fühlbarer Beitrag zur Beschäftigung der deutschen Werftindustrie geleistet, die sich durch die Überkapazität im Weltschiffbau und die Subventionspolitik verschiedener Schiffbauländer in einer höchst ungünstigen Lage befindet. Zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit wird eine Erhöhung der Umsatzsteuerrückvergütung erwogen. Die Erörterungen hierüber sind noch nicht abgeschlossen.
Der wachsenden Bedeutung des Luftverkehrs wird durch Erhöhung der Gesamtansätze um 17 Millionen DM auf rund 211 Millionen DM Rechnung getragen. Damit sollen vor allem die flugsicherungstechnischen Einrichtungen auf den neuesten Stand der Hochfrequenztechnik gebracht werden.
Für die Deutsche Lufthansa ist wiederum ein Betriebszuschuß zur Verlustdeckung von 45 Millionen DM und ein Investitionsbeitrag von 40 Millionen DM vorgesehen. Auch von der Lufthansa muß erwartet werden, daß sie ihre Investitionsprogramme noch stärker als bisher nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichtet und unwirtschaftliche Kapazitätsausweitungen vermeidet. Das Endziel - eine ausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung - darf auch bei diesem Unternehmen ungeachtet aller internationalen Schwierigkeiten und Beengungen nicht aus den Augen verloren werden. Eine Diskriminierung der Lufthansa durch Staaten, die vom Bund Entwicklungshilfe erhalten, kann - auch im Haushaltsinteresse - künftig nicht hingenommen werden.
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Ich wende mich jetzt den Fragen des Ernährungs- und Landwirtschaftshaushalts zu. Die Bundesregierung hat die Förderungsmittel für die Ernährung und Landwirtschaft gesteigert, um die Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu erleichtern. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei den notwendigen Strukturveränderungen. Das Haushaltsvolumen dieses Einzelplans erhöht sich gegenüber dem Vorjahr um rund 156 Millionen DM auf 3942 Millionen DM.
Der beherrschende Posten dieses Einzelplans ist der für Maßnahmen des Grünen Planes 1963 vorgesehene Betrag von 2114 Millionen DM, wozu wie im Vorjahre Bindungsermächtigungen über 95 Millionen DM und 175 Millionen DM zentral verbilligte Kapitalmarktmittel treten. Die Bundesregierung hat nach dem Landwirtschaftsgesetz vorsorglich Beträge in den Entwurf des Bundeshaushalts für die Maßnahmen einzustellen, die nach dem zum 15. Februar 1963 vorzulegenden Bericht über die Lage der Landwirtschaft jeweils notwendig sein werden. Die Bundesregierung ist dieser Vorschrift - wie in den vergangenen Jahren - gefolgt; sie hat jedoch in diesem Haushaltsentwurf anstelle eines Globalbetrages erstmalig eine Aufgliederung auf die beabsichtigten Maßnahmen vorgenommen, ohne daß damit dem Grünen Bericht 1963 und den Entscheidungen des Bundestages hierzu vorgegriffen werden soll. In den Vorbemerkungen zum Kap. 10 02 ist daher ein Vorbehalt für eine Umgestaltung des Grünen Planes ausgesprochen, die sich aber notwendig im Rahmen des Haushalts halten muß.
Für die Maßnahmen des Grünen Planes 1963 sind 100 Millionen DM mehr als 1962 zur Verfügung vorgesehen. Hervorzuheben sind insbesondere die Verstärkungen der Ansätze der Flurbereinigung, Aufstockung und Aussiedlung und zusätzliche Förderungsmaßnahmen in Gebieten, die von Natur benachteiligt sind, um rund 150 Millionen DM auf zusammen rund 750 Millionen DM. Der Gesamtbetrag für agrarstrukturelle Maßnahmen steigt unter Hinzurechnung der Bindungsermächtigungen über 95 Millionen DM und der 175 Millionen DM zentralverbilligter Kapitalmarktmittel auf über 1 Milliarde DM an!
Die Zinsverbilligungsmittel ermöglichen die Bereitstellung eines Kreditvolumens von rund 1300 Millionen DM zu einem tragbaren Zinssatz.
Für Zuschüsse zur Erhöhung des Auszahlungspreises für Qualitätsmilch sind 600 Millionen DM als Höchstbetrag vorgesehen.
Die Mittel für die ländliche Siedlung sind 1962 um 74,7 auf 367,4 Millionen DM erhöht worden. Die Bundesregierung hat für 1963 eine weitere Steigerung der Mittel um 73,8 auf 441,2 Millionen DM beschlossen und beabsichtigt, damit und mit Beiträgen aus dem LA-Fonds und dem Zweckvermögen bei der Deutschen Siedlungsbank ein Siedlungsprogramm im finanziellen Rahmen von 700 Millionen DM aufzustellen. Dabei muß allerdings Voraussetzung sein, daß sich die Länder angemessen beteiligen.
Für wasserwirtschaftliche Maßnahmen sind - wie im Vorjahr - rund 153 Millionen DM und für den Küstenschutz einschließlich Deichschäden 100 Millionen DM sowie eine Bindungsermächtigung über
40 Millionen DM veranschlagt.
Die in diesem Jahre zur Behebung der akuten
Notlage der deutschen Seefischerei angelaufenen
Bundesfinanzminister Dr. Starke Strukturverbesserungsmaßnahmen, nämlich Abwrackhilfen und Neubaudarlehen sowie eine Fangprämie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden auch 1963 fortgeführt. Die Förderungsmittel für die Fischerei sind um rund 6 Millionen DM erhöht worden und betragen jetzt 56 Millionen DM.
Die Zuschüsse zur Handelsdüngerverbilligung wurden um 105 auf 80 Millionen DM gesenkt, da diese Verbilligung am 30. Juni 1963 nach einer Laufzeit von 8 Jahren entfallen soll. Dafür konnten andere Ansätze wie z. B. die Zuschüsse zur Milchproduktion entsprechend erhöht werden, so daß durch den teilweisen Wegfall der Düngemittelsubvention keine Schmälerung des Agrarhaushalts eintritt.
Die Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat erhebliche Auswirkungen auf die Ausgaben- wie die Einnahmeseite des Bundeshaushalts.
Als unmittelbare Folge, der neu errichteten gemeinsamen Marktorganisationen für Getreide, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch entstehen für den Bundeshaushalt 1963 erhebliche Mehrausgaben.
Vor Inkrafttreten der gemeinsamen Marktordnung für Getreide ist den inländischen Verarbeitungsbetrieben ausländisches Getreide verbilligt zur Verfügung gestellt worden. Um eine Verteuerung von Mehl und gewissen Getreideverarbeitungserzeugnissen aus Anlaß des Übergangs der deutschen Landwirtschaft in 'die EWG zu vermeiden, werden nun Ausgleichsbeträge gewährt. Die Verbilligungsmaßnahme ist begrenzt bis zum 30. Juni 1963. Sie belastet den Bundeshaushalt 1962 mit außerplanmäßigen Ausgaben von 28,31 Millionen DM und den Haushalt 1963 mit 85,75 Millionen DM. Davon sind 24,050 Millionen DM gesperrt, da der genaue Betrag der Subvention noch nicht zu übersehen ist.
Weiter tritt die Gewährung von Ausfuhrerstattungen hinzu. Zur Erhaltung und Förderung unseres Exports mit Agrarerzeugnissen werden bei der Ausfuhr von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen Erstattungen gewährt, um den Unterschied zwischen den höheren Inlandspreisen und den niedrigeren Preisen auf dem Weltmarkt oder in den anderen EWG-Mitgliedsländern auszugleichen. Diese Unterstützungsmaßnahmen belasten den Haushalt 1963 mit einem Ansatz von 59,6 Millionen DM. Außerdem wird der Export von Waren der Ernährungsindustrie durch Abschöpfungsveredelungsverkehre im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gefördert.
Ferner wird eine Frachthilfe für Getreide gewährt. Sie bezweckt, die mit der Einführung des Richtpreissystems für Getreide verbundene Einkommensminderung der deutschen Landwirtschaft in den marktfernen Gebieten durch eine Senkung der Beförderungskosten für Getreide zu vermindern. Im Haushaltsjahr 1962 sind dafür außerplanmäßig 9,71 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Der Ansatz für das Rechnungsjahr 1963 beläuft sich auf 25,8 Millionen DM.
Schließlich entstehen noch neue Ausgaben durch die Beitragsleistungen an den „Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft". Nach dem festgelegten Beitragsschlüssel hat die Bundesrepublik als Beitrag - ab 1. August 1962 - für das Jahr 1962/63 28 v. H. und für das Jahr 1963/64 29,4 v. H. der jeweils für die Erfüllung der Aufgaben des Fonds erforderlichen Mittel zu leisten. Soweit heute überschaubar, wird die Beitragsleistung für das Haushaltsjahr 1963 60 Millionen DM betragen.
({17})
Den Mehrausgaben stehen allerdings auch erhebliche Mehreinnahmen für 1963 als Folge der neuen gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch gegenüber. Hier sind zunächst die Einnahmen aus der Abschöpfung von Preisunterschieden bei Lebensmitteleinfuhren zu nennen. Sie sind mit rund einer Milliarde DM angesetzt
({18})
und sind somit um 610 Millionen DM höher als der Ansatz der Abschöpfungseinnahmen auf Grund der bisherigen innerdeutschen Marktordnungen für 1962. In dem Betrag von einer Milliarde DM sind bereits die Einnahmeminderungen der voraussichtlichen Abschöpfungsverzichte aus Erstattungsgründen berücksichtigt. Die Bundesregierung ist bestrebt, alle Maßnahmen zur Verbilligung der Verbraucherpreise und zur Förderung der Ausfuhr, soweit möglich, durch Abschöpfungsverzicht zu verwirklichen.
Den Abschöpfungseinnahmen von einer Milliarde DM stehen erhebliche Mindereinnahmen infolge Wegfall von Zolleinnahmen bei der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gegenüber, deren Höhe noch nicht genau geschätzt werden kann.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Bundesregierung hat am 30. Juni 1961 vor dem Bundestag erklärt, daß auch nach Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes die Ziele des deutschen Landwirtschaftsgesetzes unverändert weiter verfolgt werden und daß sich die Bunderegierung bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik davon leiten lassen wird, das Einkommen der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung nicht zu mindern.
Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn der Landwirtschaft für ihre Erzeugnisse ausreichende Preise gesichert werden;
({19})
staatliche Hilfen finden nun einmal ihre Grenze in der Belastbarkeit des Staatshaushalts. Diese Grenze ist schon fast erreicht, wenn man den Zusammenhang mit anderen drängenden Ausgaben des Bundes berücksichtigt. Deswegen sollten die staatlichen Hilfen immer mit dem Ziel gegeben werden, die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, ihre Erlöse zu steigern.
({20})
Diese Grundsätze müssen auch für die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft und auch im Fall des BeiBundesfinanzminister Dr. Starke
tritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gelten. Das Beispiel der Schweiz zeigt, daß es für ein hochindustriealisiertes Land richtig und für den Verbraucher zumutbar ist, der Landwirtschaft neben staatlichen Hilfen ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu verschaffen.
({21})
Ein bedeutsames Problem bleibt weiter die gemeinsame Finanzierung des Agrarmarktes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nach der Finanzierungsverordnung vom 14. Januar 1962 werden die Abschöpfungseinnahmen der Mitgliedstaaten im Endstadium des Gemeinsamen Marktes der Gemeinschaft als allgemeine Deckungsmittel zufließen. Die finanzielle Bedeutung dieser Bestimmung ergibt sich schon daraus, daß im Haushaltsjahr 1963 über eine Milliarde Abschöpfungseinnahmen angesetzt worden sind, die uns später fehlen würden; das ist weitaus mehr als in den anderen Mitgliedstaaten der EWG. Für die Bundesrepublik ist es daher unabdingbar, daß mit der Übertragung dieser Einnahmen eine gerechte Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten Hand in Hand geht.
({22})
Ein schwieriges Problem für den diesjährigen Haushalt sowie für die Haushalte der kommenden Jahre ergibt sich aus unseren Leistungen für die Entwicklungshilfe. Der Wille der Bundesregierung, den Entwicklungsländern beim Aufbau einer gesunden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung zu helfen, steht außer Frage und findet auch in den Ansätzen des Haushalts 1963 eine deutliche Bestätigung. Die Leistungen aus dem Bundeshaushalt für Zwecke der Entwicklungshilfe betragen 1963 rund 1,1 Milliarden DM; das ist eine Erhöhung um 585 Millionen DM.
Bei aller Entschlossenheit der Bundesregierung, ihren Beitrag zum Aufbau in den Entwicklungsländern zu leisten, müssen wir doch auch hier die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Bundeshaushalts sehen. Auf der einen Seite haben wir hohe Verpflichtungen übernommen: in den vergangenen Jahren für bilaterale Maßnahmen der Kapitalhilfe und der technischen Hilfe Verpflichtungen von mehr als 7 Milliarden DM, auf die bisher Auszahlungen in Höhe von rund 2,5 Milliarden DM geleistet worden sind. Auf der anderen Seite können wir in Zukunft nicht mehr mit den Einnahmen aus einmaligen Quellen rechnen, wie den Darlehen der Länder und der Entwicklungshilfeanleihe der deutschen Wirtschaft. Hier werden wir ernste Überlegungen anstellen müssen, was ich rechtzeitig betonen muß.
Den größten Betrag erfordert die Kapitalhilfe, für die 670 Millionen DM veranschlagt sind. Wenn es sich hierbei auch um eine nicht unbeträchtliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr handelt, so muß doch festgehalten werden, daß diese Summe in Anbetracht der erforderlich werdenden Auszahlungen keinesfalls zu hoch ist. Der Ansatz reicht nur deshalb aus, weil aus den in früheren Jahren erschlossenen einmaligen Quellen noch 800 Millionen DM vorhanden sind.
Die Ansätze für die technische Hilfe sind entsprechend der Bedeutung, die die in ihr zusammengefaßten Aufgaben immer mehr gewinnen, neu gegliedert und gegenüber den Ansätzen des Vorjahres erhöht worden. Es handelt sich bei diesen Ausgaben vornehmlich um Zuschüsse, während Kapitalhilfe grundsätzlich nur in Form von Darlehen gewährt wird. Neben den Bundesmitteln soll wie bisher das ERP-Sondervermögen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe mit beitragen.
Über die Baransätze hinaus sind Bindungsermächtigungen vorgesehen, die das Eingehen von Verbindlichkeiten für kommende Rechnungsjahre ermöglichen. Sie betragen für die verschiedenen Maßnahmen der technischen Hilfe 233 Millionen DM, für die Kapitalhilfe 1 Milliarde DM.
Die Leistungen der Bundesrepublik wären nicht vollständig dargestellt, wenn nicht auch die Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiete der Ausfuhrförderung, die sich vor allem zugunsten der Entwicklungsländer auswirken, erwähnt würden. Im Haushaltsgesetz 1963 wird für private Liefergeschäfte mit dem Ausland ein Bürgschaftsrahmen von 14 Milliarden DM vorgesehen. Ferner ist - auch hier vornehmlich für Leistungen an Entwicklungsländer - u. a. für langfristige Kredite und Kapitalanlagen ein Bürgschaftsrahmen von 7 Milliarden DM enthalten.
Die Bundesregierung stimmt im übrigen mit der Wirtschaft darin überein, daß die wirksamste Hilfe in der privaten Betätigung in den Entwicklungsländern liegt. Um die Privatinitiative anzuregen, hat sie im Einkommensteuergesetz bereits eine Vergünstigung für Kapitalanlagen in Entwicklungsländern geschaffen. Ferner sind kürzlich die Bestimmungen für die Übernahme von Garantien für Kapitalanlagen in Entwicklungsländern in Bezug auf Selbstbehalt und Entgelt verbessert worden. Weitere Förderungsmaßnahmen, insbesondere steuerlicher Art, werden zur Zeit erwogen.
Wie in den vergangenen Jahren soll auch in diesem Jahr entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrates der Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen weiter gefördert werden. Die Mittel hierzu sind in dem Einzelplan des Bundesministers des Innern von 200 Millionen DM auf 220 Millionen DM erhöht worden. Weitere 30 Millionen DM sollen in dem Einzelplan des Bundesministers für Atomkernenergie zur Verfügung gestellt werden.
Der Zuschuß des Bundes für die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist gegenüber dem Vorjahre um 7 Millionen DM auf 70 Millionen DM erhöht worden. Auch der Zuschuß für die Max-PlanckGesellschaft hat eine erhebliche Steigerung auf 37 Millionen DM erfahren. Unterdessen hat die Bundesregierung dem für die Zusammenarbeit mit den Ländern vorgesehenen Kulturabkommen zugestimmt.
Auch am Beispiel des Einzelplans für den Bundesminister für Atomkernenergie zeigt sich deutlich, welche Bedeutung die Bundesregierung der Zukunftsvorsorge durch Forschung beimißt. Das Ausgabevolumen für den Haushalt des Bundesministers
Bundesfinanzminister Dr. Starke
für Atomkernenergie weist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von rd. 141 Millionen DM auf. Die Mehrbeträge kommen sowohl der Atomwirtschaft wie der Weltraumforschung zugute. Im Bereich .der Atomwirtschaft war es die vordringlichste Aufgabe, den Ausbau der großen Forschungsanstalten weiterzuführen.
Eine ganz erhebliche Steigerung ergibt sich bei den Ansätzen für die Weltraumforschung. Während für die innerdeutsche Forschung auf diesem Gebiet im Rechnungsjahr 1962 nur 10 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden konnten, beläuft sich der Förderungsbetrag für das Rechnungsjahr 1963 auf 50 Millionen DM. Daneben sind die Beiträge bzw. Vorleistungen an die Europäische Organisation für Weltraumforschung und die Europäische Organisation für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern beträchtlich erhöht worden, und zwar von 25 auf 57 Millionen DM.
Der Verbesserung der Wettbewerbslage dienen auch die Maßnahmen, die der Bund zur Förderung der Rationalisierung im Kohlebergbau vorgesehen hat. Dafür werden voraussichtlich vom Bund 88,5 Millionen DM beizutragen sein. Der Bund ging bisher davon aus, daß die an der Wettbewerbsfähigkeit der Kohle besonders interessierten Länder sich an der Finanzierung beteiligen - ebenso wie die Länder bei den regionalen Hilfsmaßnahmen beteiligt sind -, zumal die Maßnahmen die Grundlage für eine weitergehende Selbsthilfeaktion des Kohlebergbaues schaffen sollen. Nach den letzten Beschlüssen der Regierung des Landes NordrheinWestfalen scheint diese Auffassung der Bundesregierung nicht auf Verständnis gestoßen zu sein.
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Der Hinweis auf die Heizölsteuer, die in allen Ländern aufgebracht wird, geht fehl, weil die Beträge aus der Heizölsteuer für andere Zwecke im Interesse der Kohle Verwendung finden. Es ist zu hoffen, daß das großzügige Rationalisierungsvorhaben nicht scheitert.
Die für das Gesundheitswesen vorgesehenen Mittel sind 1963 erstmals im Einzelplan des Bundesministeriums für Gesundheitswesen zusammengefaßt. Die Ausgaben wurden um 10,5 Millionen DM auf 63,9 Millionen DM erhöht.
Im Einzelplan des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sind mit Rücksicht auf die in der Regierungserklärung vom 9. .Oktober 1961 angekündigte soziale Gleichstellung der Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone mit den Vertriebenen und auf abschließende Maßnahmen in der Kriegsfolgengesetzgebung zusätzlich 120 Millionen DM veranschlagt worden. Durch gewisse Minderausgaben erhöht sich aber der Einzelplan 26 nur um 56,2 Millionen DM auf 244 Millionen DM.
Dem Vorschlag des Bundesrats, die zusätzlichen Mittel von 120 Millionen DM wieder zu kürzen, konnte die Bundesregierung nicht folgen. Die Bundesregierung ist jedoch mit einer Sperre dieser Mittel einverstanden bis die endgültigen Entscheidungen über die Verwendung dieser Mittel unter Mitwirkung dieses Hohen Hauses getroffen sind.
Für Familien- und Jugendfragen ist ein gegenüber dem Vorjahr fast unveränderter Betrag von 86,2 Millionen DM vorgesehen, zu denen noch Bindungsermächtigungen in Höhe von 14,5 Millionen DM treten.
Auf dem Gebiet der Wiedergutmachung werden die Leistungen auch im Rechnungsjahr 1963 etwa die gleiche Höhe erreichen wie 1962.
Für die Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes, dessen Aufwand zu rund 55 v. H. vom Bund und zu rund 45 v. H. von der Gesamtheit der Länder zu tragen ist, sind im Haushaltsjahr 1963 vom Bund wiederum 1,2 Milliarden DM aufzubringen. Nach dem derzeitigen Stand werden bis zum 31. Dezember 1962 für die Durchführung dieses Gesetzes Leistungen in Höhe von rund 13,9 Milliarden DM erbracht worden sein. Der Gesamtaufwand für das Bundesentschädigungsgesetz in der jetzt geltenden Fassung dürfte rund 20 Milliarden DM betragen.
Für Zahlungen, die der Erfüllung von Globalabkommen dienen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren mit verschiedenen europäischen Ländern zur Entschädigung der sich dort aufhaltenden Verfolgten der NS-Gewaltherrschaft abgeschlossen hat, ist auch 1963 ein Haushaltsansatz von 0,3 Milliarden DM vorgesehen; hieraus sollen auch die Leistungen an die Fonds bestritten werden, die zugunsten bestimmter Verfolgtengruppen, wie z. B. zugunsten von Nichtglaubensjuden, errichtet worden sind.
Als Leistung des Bundes für die Durchführung des Bundesrückerstattungsgesetzes ist entsprechend den Erfahrungen der letzten Jahre ein Betrag von 450 Millionen DM veranschlagt worden. Bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1962 werden auf die Verpflichtungen des Bundes nach der derzeitigen Regelung des Bundesrückerstattungsgesetzes einschließlich der vom Haushaltsausschuß genehmigten Vorauszahlungen rund 1,6 Milliarden DM erbracht worden sein. Nach den neuesten Schätzungen werden auf Grund dieser Regelung noch etwa weitere 900 Millionen DM zu zahlen sein, deren Abfluß mit dem Fortschreiten der Durchführung des Gesetzes schneller als in den Vorjahren erfolgen wird. Deshalb ist - wie ich dem Bundesrat entgegenhalten muß - eine Kürzung dieses Ansatzes um 50 Millionen DM nicht vertretbar.
Die Arbeiten an der in der Regierungserklärung vom 29. November 1961 angekündigten Wiedergutmachungsschlußgesetzgebung sind noch nicht abgeschlossen. Es ist aber zu erwarten, daß die Einbringung in wenigen Monaten erfolgen wird. Auch bei dieser Schlußgesetzgebung wird die Bundesregierung sich davon leiten lassen, daß es sich hierbei um eine Ehrenschuld des Deutschen Volkes handelt.
Zehn Jahre nach Abschluß der Haager Wiedergutmachungsabkommen mit dem Staate Israel und der Claims Conference darf ich rückschauend feststellen,
Bundesfinanzminister Dr. Starke
daß die Leistungen der Bundesrepublik für die Wiedergutmachung alle damaligen Vorstellungen weit übertroffen haben. In diesen zehn Jahren sind auf dem gesamten Gebiet der Wiedergutmachung etwa 20 Milliarden DM gezahlt worden; weitere 8 bis 10 Milliarden DM werden noch zu zahlen sein.
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Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß das Ansehen, das die Bundesrepublik im Ausland wieder erworben hat, zu einem erheblichen Teil auch auf der allgemeinen Anerkennung dieser Wiedergutmachungsleistungen in der Welt beruht.
Der Lastenausgleich nimmt nach seinem finanziellen Gewicht nach wie vor einen besonderen Platz in der Gesetzgebung zur Liquidation des Krieges und seiner Folgen ein. Schon der Umfang der bisherigen Leistungen, die mit Ende des Jahres 1962 einen Gesamtbetrag von 46 Milliarden DM überschritten haben werden, zeigt seine große finanzielle und politische Bedeutung.
Das auslaufende Rechnungsjahr 1962 wird mit über 4 Milliarden DM in Einnahmen und Ausgaben abschließen. Die Ausgaben für die Hauptentschädigung, die ein Kernstück des Lastenausgleichs bildet, werden den zunächst vorgesehenen Betrag von etwas mehr als 1,2 Milliarden DM noch übersteigen. Der beschleunigten Abwicklung der Hauptentschädigung wird die Bundesregierung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auch weiterhin ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Es muß immer stärker darauf geachtet werden, daß die Novellen zum Lastenausgleichsgesetz nicht zu einer immer fühlbarer werdenden Anspannung der für die Hauptentschädigung verfügbaren Mittel des Ausgleichsfonds führen. Es muß betont werden, daß die dem Ausgleichsfond zufließenden Mittel gesetzlich festliegen und Reserven des Ausgleichsfonds schon jetzt nicht mehr vorhanden sind. Vom Jahre 1967 an muß der Bundeshaushalt ein Defizit des Ausgleichsfonds tragen.
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Bei der Einbringung des Haushalts 1962 hatte ich darauf hingewiesen, daß im Zuge des in der Regierungserklärung angekündigten Abschlusses der Kriegsfolgengesetzgebung in meinem Ministerium die in § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorbehaltenen Gesetze bearbeitet werden. Diese Arbeit hat weitere Fortschritte gemacht. Voraussichtlich können die in meinem Hause fertiggestellten Gesetzentwürfe zur Regelung der Rechtsverhältnisse nicht mehr bestehender öffentlicher Rechtsträger sowie zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen den gesetzgebenden Körperschaften noch in Kürze zur Beschlußfassung zugeleitet werden. Auch die Arbeiten an dem Entwurf eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs-in diesem Gesetz zu behandelnden Materie werden die Prüfung des Entwurfs durch die Länder und die sich anschließenden Erörterungen eine gewisse Zeit erfordern; das Hohe Haus wird sich daher erst im Jahr 1963 mit dem Entwurf befassen können.
und Rückerstattungsschäden, des sogenannten „Reparationsschädengesetzes" sind so weit gefördert worden, daß dieser Entwurf inzwischen den Ländern zur Beratung zugeleitet werden konnte. Bei der Vielschichtigkeit und der Schwierigkeit der
Zu diesem Gesetzentwurf möchte ich aber noch einen besonderen Hinweis geben. Im Zuge von Auseinandersetzungen über Probleme der Sozialpolitik haben gewisse Kreise sehr scharf den Gedanken einer Entschädigung für die im Reparationsschädengesetz aufgeführten Schäden abgelehnt. Ich muß annehmen, daß sich diese Kritik gegen alle jene Bestrebungen richtet, die in unzutreffender Würdigung der Rechtslage und in Verkennung der gegebenen Möglichkeiten der Bundesrepublik meinen, die Reparationsschäden müßten zu anderen, wesentlich besseren Bedingungen abgegolten werden als andere Kriegsfolgeschäden. Auch die Bundesregierung bedauert Wünsche, die eine zu weitgehende Entschädigung fordern; sie ist aber auch der Auffassung, daß ein Verzicht auf jegliche Entschädigungsleistung nicht erwogen werden sollte. Der gemeinsam von allen Bundesressorts aufgestellte und in seinen Grundzügen vom Kabinett gebilligte Entwurf eines Reparationsschädengesetzes ist auf den Grundsätzen des Lastenausgleichs aufgebaut. Die Gewährung einer Entschädigung entspricht - das ist meine Überzeugung - dem Gebot der Gerechtigkeit; man denke zum Beispiel nur an diejenigen, die im Zuge der Maßnahmen gegen das deutsche Auslandsvermögen dort ihre Ersparnisse verloren haben.
Durch Vorausleistungen auf Grund von Richtlinien, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Haushaltsausschusses erlassen und in diesem Jahr noch verbessert hat, wurde Sorge getragen, daß besondere Härten vermieden wurden, die sich sonst für alte oder in schwierigen Verhältnissen lebende Geschädigte auf diesen Gebieten infolge der langwierigen Vorarbeiten ergeben hätten.
Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit diesen Hinweisen ein allgemeines Wort zu dem Thema der Kriegsfolgengesetzgebung. Es sind nun bereits über 17 Jahre seit der Beendigung der Feindseligkeiten des zweiten Weltkrieges vergangen. Seit der Währungsreform hat die öffentliche Hand - Bund, Länder, Gemeinden sowie Lastenausgleichsfonds - an Aufwendungen zur Beseitigung von Folgen des verlorenen Krieges und der NS-Herrschaft rund 270 Milliarden DM aufgebracht. Dieser Betrag stellt nahezu die Hälfte des öffentlichen Finanzbedarfs der Vergleichszeit dar. Mit der Aufbringung dieser Summe hat das deutsche Volk eine gewaltige Leistung erbracht, wie sie ein besiegtes Volk wohl kaum jemals nach einem solchen Zusammenbruch auf sich genommen hat. Trotzdem werden immer wieder Stimmen laut, die das, was getan wurde, als unzureichend bezeichnen; diese Stimmen werden der Sachlage und den Anstrengungen der Bundesrepublik und aller Volksschichten unzweifelhaft nicht gerecht.
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Sicherlich gibt es Fälle, deren Regelung nicht voll befriedigt. Ich halte es jedoch nicht für richtig, wenn unter Hinweis auf Einzelfälle eine Novellierung
Bundesfinanzminister Dr. Starke
aller Kriegsfolgengesetze gefordert wird. Alles Leid, jedes Unglück und jeden finanziellen Schaden vollauf durch besondere Gesetze zu entschädigen oder auch nur so zu regeln, daß alle Betroffenen zufrieden sind, ist - darin glaube ich mit dem Hohen Hause einig zu sein - völlig unmöglich. Die Schadenstatbestände, für die Entschädigungen gewährt werden können, mußten nach gewissen Merkmalen persönlicher, zeitlicher, territorialer und sachlicher Art abgegrenzt, die Höhe der Entschädigung und die zeitliche Reihenfolge ihrer Gewährung mußte den Realitäten angepaßt werden. Es geht daher nicht an, auf Grund von Einzelfällen eine Änderung der gesamten Kriegsfolgengesetze zu verlangen. Auch hier ist es an der Zeit, daß an die Stelle unerfüllbarer Forderungen das Gebot der Vernunft und der Besinnung tritt und von allen die Grenze unserer Leistungsfähigkeit gesehen wird.
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Es ist auch nicht möglich, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage der Änderung der Stichtage in zahlreichen Kriegsfolgengesetzen jeweils nur unter den Gesichtspunkten einzelner Bereiche wie z. B. des Lastenausgleichsgesetzes oder des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen zu betrachten. Vielmehr bedarf es wegen des engen sachlichen und politischen Zusammenhangs zwischen allen Gesetzen, die eine entsprechende Stichtagsregelung enthalten, und wegen der schwerwiegenden finanziellen Auswirkungen einer umfassenden Prüfung.
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Die Bundesregierung hat deshalb eine eingehende Untersuchung des Gesamtproblems für notwendig erachtet und die beteiligten Ressorts zu einer Bestandsaufnahme und zu einer Prüfung der Auswirkungen veranlaßt, deren Ergebnis zu Anfang des nächsten Jahres vorliegen soll.
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Die Bundesregierung widmet der wirtschaftlichen Lage der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, insbesondere der Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger, besondere Aufmerksamkeit. Dieser Zweig des öffentlichen Dienstes ist seit der letzten großen Angleichung durch die Besoldungsreform im Jahre 1957 gegenüber der Entwicklung in weiten Bereichen der Wirtschaft in seinem Einkommen zurückgeblieben. Das trifft ganz besonders zu für die rund 780 000 Beamten, Richter und Soldaten des Bundes und für die vom Bund zu versorgenden rund 830 000 Versorgungsempfänger einschließlich des Personenkreises nach dem Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes. Das hat zur Folge, daß in größerem Umfang Abwanderungen von Bundesbeamten zu Ländern und Gemeinden erfolgt sind. Diese Abwanderungstendenz wird noch dadurch verstärkt, daß infolge vielfach besserer Stellenschlüssel die Länder und Gemeinden günstigere Beförderungsmöglichkeiten zu bieten haben als der Bund; dies wirkt sich vor allem auch dahin aus, daß der Bund nicht unerhebliche Nachwuchssorgen hat.
Dieses Zurückbleiben der Bezüge der Bundesbeamten gilt für alle Besoldungsgruppen, wirkt sich aber im einfachen und mittleren Dienst, dem im
Bund nahezu 90 v. H. aller Beamten angehören, besonders aus. Die Angehörigen dieser Gruppen befinden sich gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen in einer sozial ungünstigen Lage. Die Bundesregierung ist bestrebt, diese Nachteile im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auszugleichen. Ihr besonderes Augenmerk gilt hierbei aus fürsorgerischen Gründen den unteren Beamtengruppen. Sie ist sich aber im klaren, daß der für die Besoldung im Vordergrund stehende Leistungsgrundsatz erfordert, daß auch die übrigen Beamten den Platz im Besoldungsgefüge erhalten, der den erhöhten Anforderungen angemessen ist, die an sie gestellt werden. Ein Staat kann ohne ein gut funktionierendes Beamtentum nicht handlungsfähig sein. Das gute Funktionieren setzt eine in ihrer wirtschaftlichen Lage gesicherte Beamtenschaft voraus. Es ist deshalb unsere Verpflichtung, das Beamtentum in seiner Einkommensentwicklung wieder an die Stelle im Volksganzen zu rücken, die ihm nach unserer aller Auffassung gebührt.
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Erforderlich ist dabei eine wohlüberlegte Planung, die sich über eine Reihe von Jahren erstrecken muß; der Bundesminister der Finanzen wird dabei das Menschenmögliche tun. Gerade die letzten Jahre haben aber auch gezeigt, daß für die Einkommenssituation der Staatsdiener ein stabilisiertes Preisniveau wichtigste Voraussetzung ist. Deshalb liegen die Bemühungen der Bundesregierung in dieser Richtung im Interesse aller Festbesoldeten, vor allem aber der Staatsdiener.
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Die Bundesregierung hat darum im Jahre 1963 dem Hohen Hause Gesetzentwürfe vorgelegt, durch die ab Januar 1963 die Grundgehälter aller Beamten, Richter und Soldaten sowie der Versorgungsempfänger einschließlich der 131er linear um 6 v. H. erhöht und zusätzlich den untersten Besoldungsgruppen zunächst monatlich Zuschläge von 12 bis 25 DM gewährt werden, ab 1. April 1963 im Interesse einer familiengerechten Lösung die Ortszuschläge unter anteiliger Einbeziehung des Kinderzuschlags ebenfalls um 6 v. H. erhöht werden und die unerfreulichen, zum Teil sehr erheblichen Unterschiede zwischen den Beamtenbezügen des Bundes und denjenigen der Länder und Gemeinden weitgehend ausgeglichen werden. Die Bundesregierung steht nach den bisherigen Erfahrungen auf dem Standpunkt, daß ohne die notwendige Änderung des Grundgesetzes eine einheitliche, gerechte und den Besonderheiten des Berufsbeamtentums entsprechende Besoldungspolitik nicht möglich ist.
Diese Vorschläge der Bundesregierung erfordern 1963 für Beamte, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger einschließlich der 131er für den Bundeshaushalt ohne Bahn und Post einen Aufwand von insgesamt 428 Millionen DM, die wegen der tariflichen Automatik der Änderung des Ortszuschlages zugunsten der Angestellten weitere Mehraufwendungen von rund 10 Millionen DM nach sich ziehen. Diese Mittel sind in dem Haushaltsentwurf eingeplant. Die Vorschläge für die Beamten und Versorgungsempfänger ergeben darüber hinaus
Bundesfinanzminister Dr. Starke
eine Belastung der Bundesbahn von rund 343 Millionen DM, der Bundespost von rund 256 Millionen DM, zusammen also rund einer Milliarde DM. Die letztgenannten Beträge sind von diesen Verwaltungen, der Bahn und der Post, selbst aufzubringen. Die Bundesregierung konnte daher der vom Bundesrat vorgeschlagenen Kürzung des Ansatzes für die Verstärkung der Personalausgaben für Beamte, Richter sowie Versorgungsempfänger von 250 Millionen um 100 Millionen DM auf keinen Fall zustimmen.
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Der Ansatz für die Verstärkungsmittel liegt schon unter dem tatsächlichen Mehrbedarf, der sich aus den vorliegenden Gesetzentwürfen ergibt.
In meiner Etatrede zum Haushalt 1962 hatte ich schon darauf hingewiesen, daß uns der Bundeshaushalt 1963 in den Einnahmen wie in den Ausgaben vor noch viel größere Schwierigkeiten stellen würde als der Haushalt 1962. Die Entwicklung hat die Richtigkeit meiner Aussage bestätigt. Die Deckung des Haushalts 1963 ist aus den dem Bund zur Verfügung stehenden Finanzquellen nicht möglich. Dem Deckungsbedarf von rund 56,8 Milliarden DM stehen nur insgesamt rund 54,7 Milliarden DM gegenüber, und zwar Steuereinnahmen einschließlich der Heizölsteuer 48,1 Milliarden DM, das sind 2,7 Milliarden DM mehr als 1962, sonstige Einnahmen, einschließlich Postablieferung und der Einnahmen aus der Abschöpfung bei Einfuhr von Agrarprodukten 3 Milliarden DM, Lastenausgleichsabgaben ({33}) 1,7 Milliarden DM, außerordentliche Einnahmen aus Kreditaufnahmen 1,8 Milliarden DM. Danach verbleibt eine Deckungslücke von rund 2 Milliarden DM, die durch Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer geschlossen werden soll.
Die Schätzung der Steuermehreinnahmen für 1963 in Höhe von 2,7 Milliarden DM baut auf dem zu erwartenden realen Anstieg des Bruttosozialprodukts um 3,5 v. H. auf. Da die im laufenden Jahr, 1962 also, eingetretenen Preiserhöhungen sich im Jahre 1963 auf ein volles Jahr erstrecken, ergibt sich eine nominale Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von etwa 5 v. H. Davon ist die Bundesregierung bei ihrer Steuerschätzung ausgegangen. Ein Anwachsen des Bruttosozialprodukts um nominal 7 v. H. würde in der gegenwärtigen volkswirtschaftlichen Situation eine durchschnittliche Lohnerhöhung von annähernd gleichem Ausmaß voraussetzen. Eine solche Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf das Preisniveau ist nicht wünschenswert; sie würde die Entwertungstendenzen verstärken und infolge der Kostensteigerungen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft noch stärker in Frage stellen.
Die Bundesregierung ist bestrebt, dieser Entwicklung im Rahmen ihres Stabilisierungsprogramms entgegenzuwirken. Sie kann deshalb auch nicht weitere Lohn- und Preissteigerungen zur Grundlage der Steuerschätzung und damit ihrer Haushaltspolitik machen. Haushaltspolitik und allgemeine Regierungspolitik müssen hier übereinstimmen. Sollten sich beim Bund Steuermehreinnahmen ergeben, so müßte sie der Bund zur Finanzierung des sogenannten Sozialpaketes verwenden, dessen Kosten für 1963 über 1 Milliarde DM betragen werden.
Im Zusammenhang mit der Höhe der Steuerschätzungen hat der Bundesrat vorgeschlagen, den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 167 Millionen DM und die Umsatz-, Tabak-, Kaffee- und Mineralölsteuer um insgesamt 300 Millionen DM höher zu veranschlagen. Der Bundesrat hat ausdrücklich erklärt, daß er mit diesen höheren Steuerschätzungen die von ihm bejahte wirtschafts-, finanz- und haushaltspolitische Konzeption der Bundesregierung unangetastet lassen möchte. Er hält die erhöhten Steueransätze auch bei einem stabilen Lohn- und Preisniveau, d. h. bei einem Sozialproduktswachstum um 5 v. H. noch für realisierbar. Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend.
Die erhöhte Veranschlagung ,des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer wird vom Bundesrat damit begründet, daß Bund und Länder für das Rechnungsjahr 1963 'bei den gemeinschaftlichen Steuern vom Einkommen wegen ihrer Risikogemeinschaft von einem gemeinsamen Steuersoll ausgehen müßten. Die Bundesregierung hält es ebenfalls für wünschenswert, daß Bund und Länder zu einem gemeinsamen Ansatz für die Einkommen- und Körperschaftsteuer kommen. Der vom Bundesrat geforderte Ansatz von rund 37,7 Milliarden DM für die Steuern vom Einkommen ist jedoch nicht das ,aufaddierte Soll der elf Länderhaushalte, da wegen der Landtagswahlen drei Landeshaushaltsentwürfe noch nicht vorliegen und wegen der in den letzten Monaten rückläufigen Entwicklung der Steuereinnahmen einige Länder Verlauf der Haushaltsberatungen wahrscheinlich ihre ursprünglichen Ansätze noch herabsetzen werden.
Eingemeinsamer Schätzungsbetrag für die Steuern vom Einkommen setzt ferner voraus, daß Bund und Länder hinsichtlich der wesentlichen Bestimmungsgründe für Idas Aufkommen der vier Steuern vom Einkommen von denselben Annahmen ausgehen. Dies trifft aber besonders für die Schätzung der Lohnsteuereinnahmen für das Jahr 1963 nicht zu. Die Ansätze für die Lohnsteuer sind in einigen Länderhaushalten so hoch, daß sie sich nur bei Zunahmen der Lohn- und Gehaltssumane von über 7 v. H. realisieren könnten. Außerdem hat der Bundesrat bei der veranlagten Einkommensteuer und .der Körperschaftsteuer ein Aufkommen angesetzt, das sich nur durch Gewinneinnahmen erklären läßt, die von der nachlassenden Gewinnentwicklung nicht .gerechtfertigt werden. Wir haben bei unseren Berechnungen keineswegs die Bedeutung der Gewinne ,aus 1961 übersehen. Wir haben sie lediglich realistisch geschätzt.
Auch die vom Bundesrat vorgeschlagenen höheren Steuerschätzungen für die Umsatz-, Tabak-, Kaffee- und Mineralölsteuer sind nicht gerechtfertigt, wenn man bei den Steuerschätzungen keine inflationistische Entwicklung unterstellt, sondern von einem stabilisierten Lohn- und Preisniveau im Jahre 1963 ausgeht. Sie lassen sich auch nicht mit der Aufkommensentwicklung im laufenden Haushaltsjahr
Bundesfinanzminister Dr. Starke
begründen. Nach den Aufkommensergebnissen der letzten Jahre nehmen die Einnahmen aus den Verbrauchsteuern im allgemeinen langsamer zu als die für die Konsumausgaben maßgebenden Masseneinkommen. Die Bundesregierung ist für 1963 von der schon optimistischen Annahme ausgegangen, daß bei einer Zunahme der Masseneinkommen um etwa 5 v. H. das Tabaksteueraufkommen um 4,6 v. H. und das Kaffeesteueraufkommen um 3,8 v. H. steigt. Der Erhöhungsvorschlag des Bundesrates bedeutet eine Zunahme der Einnahmen aus der Tabaksteuer um 7,5 v. H. und aus der Kaffeesteuer um 7,7 v. H. Da der Bundesrat die der Steuerschätzung der Bundesregierung zugrunde gelegten Annahmen hinsichtlich der Lohnentwicklung im Jahre 1963 für richtig hält, geht sein Vorschlag weit über die nach langjährigen Erfahrungen bei den Konsumausgaben zu erwartenden Verbrauchssteigerungen hinaus. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen höheren Steueransätze könnten nur dann erreicht werden, wenn die Lohn- und Preissteigerungen sich in dem bisherigen Maße auch im Jahre 1963 fortsetzen. Wenn sich aber die Lohn- und Preisentwicklung im kommenden Jahr, wie es die Bundesregierung anstrebt, im Rahmen eines realen Anstiegs des Bruttosozialprodukts um 3,5 v. H. hält, liegen die Einnahmenansätze für 1963 bei der Steuerschätzung der Bundesregierung bereits an der Obergrenze des Schätzungsspielraums.
Zu den Steuerschätzungen möchte ich noch abschließend zwei Bemerkungen machen: Der Bundesrat stützt seine Erhöhungsvorschläge auch auf die !Ergebnisse einer im Juni 1962 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft, der Bundesbank und den Wirtschaftsforschungsinstituten durchgeführten ersten Steuerschätzung für 1963. Die damaligen Steueransätze beruhten auf der Annahme, daß das Bruttosozialprodukt real um 3,5 v. H. steigen wird. Damals wurden im gleichen Umfang Preissteigerungen erwartet. Das ergab eine nominale Erhöhung des Bruttosozialprodukts um 7 v. H. Im Spätsommer entschloß sich die Bundesregierung zu wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen, die der Erhaltung der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität in der Bundesrepublik dienen sollen. Die Bundesregierung beschloß, auch den Bundeshaushalt 1963 in den Dienst dieses Stabilisierungsprogramms zu stellen. Daher ist die zweite Steuerschätzung für 1963 unter der Annahme eines nominalen Wachstums des Bruttosozialprodukts von 5 v. H. vorgenommen worden. Von der seit Jahren im Einvernehmen mit den Wirtschaftsforschungsinstituten geübten Schätzungsmethode wurde dabei nicht abgewichen. Im übrigen wird in den neuesten Schätzungen von Instituten eine n o m i n a I e Steigerung des Bruttosozialprodukts um 5,5 v. H. für 1963 angenommen.
Schließlich sei noch erwähnt, daß sich die seinerzeit als pessimistisch bezeichneten Steuereinnahmeschätzungen des Bundes für 1962 als noch zu optimistisch, aber jedenfalls als sehr viel realistischer erwiesen haben, als es seinerzeit bei den Verhandlungen 'im Bundesrat angenommen wurde. Die Steuereinnahmen werden voraussichtlich um etwa 500 Millionen DM hinter dem Haushaltsansatz zurückbleiben und selbst den um 291 Millionen DM niedrigeren ursprünglichen Ansatz des Bundesfinanzministeriums im Entwurf des Bundeshaushalts 1962 nicht voll erreichen. Auch die Steuerschätzungen des Bundes -für das Jahr 1961 wichen von der tatsächlichen Aufkommensentwicklung um weniger als 1 v. H. ab. Demgegenüber haben die Länderansätze für -die Einkommensteuer für 1961 um fast 3 Milliarden DM unter Idem tatsächlichen Aufkommen gelegen. 1962 werden die Schätzungen der Länder um mindestens 1 Milliarde DM zu. hoch sein.
Diese großen Schätzungsunterschiede veranlassen mich au dem Vorschlag, künftig die Steuerschätzungen des Bundes nicht nur mit den Wirtschaftsforschungsinstituten, sondern auch mit Vertretern der Länderfinanzministerien durchzuführen,
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dafür dann aber auch davon abzugehen, den Bund auf zurückliegende Schätzungen, die nicht mehr dem neuesten Stand der Erkenntnisse entsprechen, festlegen zu wollen.
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Der Entwurf des Bundeshaushaltsplans für 1963 sieht im außerordentlichen Haushalt einen Anleihebedarf von knapp 1,8 Milliarden DM vor. Das ist der gleiche Betrag wie im Haushaltsjahr 1962.
Bisher sind im Jahre 1962 langfristige und mittelfristige Kredite in Höhe von insgesamt 925 Millionen DM aufgenommen worden. Der Bund hat in den vergangenen Jahren den Kapitalmarkt auf Grund der günstigen Entwicklung der Steuereinnahmen nur wenig in Anspruch genommen. Dadurch konnte auf dem Kapitalmarkt der dringende Bedarf der Wirtschaft, der Gemeinden und vor allem des Wohnungsbaues mit Vorrang gedeckt werden.
1963 wird der Bund seinen außerordentlichen Haushalt in vollem Umfang am Kapitalmarkt finanzieren müssen, damit Steuererhöhungen vermieden werden. Dabei wird der Bund auch in Zukunft im Einvernehmen mit der Bundesbank weitgehend Rücksicht auf die allgemeine Lage des Kapitalmarktes nehmen.
1962 sind für rund 10 Milliarden DM Wertpapiere in der Bundesrepublik Deutschland neu aufgelegt und -abgesetzt worden. Der Bund hat davon noch nicht einmal 10 v. H. für sich in Anspruch genommen.
Ich werde in Zusammenarbeit mit der Bundesbank prüfen, welche weiteren Möglichkeiten für die Entwicklung eines mittel- und Langfristigen Anleihemarktes für den Bund bestehen, und werde mich hierzu auch -des sachverständigen Rates von Fachleuten aus der Bankwelt bedienen.
Dadurch, daß der Bund seinen Finanzbedarf in einem angemessenen Umfang über 'Anleihen und nicht über Steuern deckt, schafft er Eigentum in Form von Wertpapieren in 'der Hand seiner Staatsbürger. Eine solche Art der Finanzierung entspricht den gesellschaftspolitischen Zielen der Bundesregierung.
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Bundesfinanzminister Dr. Starke
Die seit 1962 eingetretene Verminderung der jährlichen Steuermehreinnahmen des Bundes und die gleichzeitige starke Erhöhung der Ausgaben des Bundes haben dazu geführt, daß die dem Bund nach Art. 106 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes zugewiesenen Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen, um bei Ausnutzung der Möglichkeiten des Kapitalmarktes alle notwendigen Bundesausgaben zu dekken. Der Fehlbetrag im Bundeshaushalt ist nicht vorübergehender Art; er wird sich vielmehr in den kommenden Jahren eher noch erhöhen.
Die Bundesregierung stand daher, nachdem sie alle Kürzungsmöglichkeiten und Einsparungen geprüft hatte, vor der Frage, ob sie den Ausgleich des Bundeshaushalts 1963 durch Steuererhöhungen, d. h. durch zusätzliche Belastung der Allgemeinheit, oder durch einen Rückgriff auf die Steuereinnahmen der Länder anstreben sollte. Die Bundesregierung hat sich gegen Steuererhöhungen entschieden.
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Für diese Entscheidung sprach die Erwägung, daß Steuererhöhungen nur dann gerechtfertigt sind, wenn die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand insgesamt nicht mehr zur Finanzierung aller notwendigen öffentlichen Aufgaben ausreichen. Dieser Grundsatz kommt auch in der Vorschrift des Grundgesetzes über die Festsetzung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zum Ausdruck, nach der die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen sind, daß eine Überlastung der Steuerpflichtigen vermieden wird.
Hinzu kommt, daß bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage eine Steuererhöhung und damit eine weitere Erhöhung des Anteils der öffentlichen Hand am Sozialprodukt vermieden werden muß.
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Das gilt insbesondere für die Einführung der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, die kürzlich aus Kreisen der Opposition als geeigneter Weg für die Deckung des Fehlbetrags im Bundeshaushalt empfohlen worden ist.
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Für eine Änderung der Steuerverteilung sieht Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes den Weg vor, daß durch ein Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer geändert wird. Dieser Weg soll 1963 beschritten werden. Zur Deckung des Fehlbetrags von rund 2 Milliarden DM müßte der Bundesanteil von 35 v. H. auf 40,5 v. H. erhöht werden.
Wegen der großen Bedeutung, die der Änderung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zukommt, hat der Herr Bundeskanzler mit Mitgliedern der Bundesregierung die geplante Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Übereinstimmung mit den Wünschen der Länder vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in einer guten Atmosphäre mit den Ministerpräsidenten der Länder erörtert.
({40}) Die Besprechungen sollen im Rahmen einer kleinen Kommission fortgeführt werden; dabei wird der Bund auch auf seine hohen zukünftigen Belastungen hinweisen müssen, die bereits auch von dem Sprecher der Finanzminister der Länder, dem bayerischen Finanzminister Dr. Eberhard, gewürdigt worden sind. Nicht unerörtert bleiben können ferner die Modalitäten der in Aussicht genommenen Regelung für die abschließende Verteilung der Kriegsfolgelasten zwischen Bund und Ländern.
Mit der Anrufung des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes und mit den vorgenannten Besprechungen sucht der Bund eine pragmatische Lösung für die im Augenblick vordringlichsten Finanzprobleme. Ich bekenne offen, daß mir dies in der gegenwärtigen Situation realistischer erscheint als der Versuch, ein Modell einer idealen Finanzverfassung in die Wirklichkeit umzusetzen.
Ungeachtet dessen bleibt die große Aufgabe der Prüfung einer Finanzverfassungsreform unverändert bestehen, und ich hoffe, daß diese Arbeit in Kürze in vertrauensvollem Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden und allen Parteien aufgenommen werden kann.
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Ich habe mich um diese vertrauensvolle Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten außerordentlich bemüht. Eine der ersten Aufgaben der einzuberufenen Finanzkommission wird es sein, den Zusammenhang zwischen der Finanzreform und der Einheitsbewertung zu untersuchen.
Die künftige Steuerpolitik wird durch die angespannte Haushaltslage des Bundes maßgebend beeinflußt werden. Die großen zwangsläufigen Aufgaben des Bundes und das langsamere Wachsen des Sozialprodukts bringen es mit sich, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt mit allgemeinen steuerlichen Erleichterungen nicht gerechnet werden kann. Es wird besonderer Anstrengungen bedürfen, um den Steuerzahlern nicht noch zusätzliche Lasten aufzubürden. Trotzdem wird das Jahr 1963 ein Jahr sein, in dem Steuerfragen mehr in den Vordergrund treten werden. Heute möchte ich nur einige Fragen ansprechen, die auch ein besonderes haushaltsmäßiges Gewicht haben.
Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung die Notwendigkeit einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer ohne steuerlichen Anreiz zur Konzentration in. der Wirtschaft hervorgehoben. Die Bundesregierung wird die Gelegenheit der Beantwortung der Großen Anfragen der Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Demokratischen Partei zur Umsatzsteuer-Systemreform demnächst benutzen, auf diese Probleme im einzelnen einzugehen.
Im zwischenstaatlichen Warenverkehr haben sich für einige Bereiche der deutschen Wirtschaft Wettbewerbsnachteile ergeben, weil die Bundesrepublik die Belastung der Einfuhrwaren mit Ausgleichsteuer und die Entlastung der Ausfuhrwaren durch Rückvergütungen nicht in allen Fällen in Höhe der tatsächlichen umsatzsteuerlichen Belastungen des Bin1978
Bundesfinanzminister Dr. Starke
nenmarktes vornimmt. Die Bundesregierung wird prüfen, wie diese Wettbewerbsstörungen zu beseitigen sind.
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren immer wieder mit großer Sorge beobachtet, welche Schwierigkeiten und unerwünschten Folgen sich aus dem Festhalten an den veralteten steuerlichen Einheitswerten ergeben. Diese Einheitswerte beruhen noch auf dem niedrigeren Wertniveau des Jahres 1935 und haben besondere Bedeutung vor allem für die Grundsteuer und die Vermögensteuer. Große und bedeutsame Wirtschaftsgruppen sind besonders eng mit den Einheitswerten verbunden. Ich denke hier insbesondere an die Landwirtschaft sowie an den Haus- und Grundbesitz. Bei der Landwirtschaft ergeben sich Schwierigkeiten im Hinblick auf das Hineinwachsen in den Gemeinsamen Markt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, beim Althausbesitz infolge der Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft.
Die Bundesregierung wird deshalb vor der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes mit den beteiligten Kreisen Verhandlungen aufnehmen. Es ist beabsichtigt, in dem Gesetzentwurf nur die Rechtsgrundlagen für die Feststellung der neuen Einheitswerte zu schaffen und von einer Regelung der steuerlichen Folgen zunächst abzusehen. Die Frage, welche steuerlichen Folgen sich besonders für die Vermögensteuer und für die Grundsteuer ergeben, wird später nicht nur unter dem Gesichtspunkt der neuen Einheitswerte, sondern im Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Lage sowie der gesamten steuerlichen Belastung beurteilt werden müssen. Der Zeitpunkt, von dem an die neuen Einheitswerte den einzelnen Steuerarten zugrunde zu legen sind, muß dann durch ein besonderes Gesetz geregelt werden.
Für die nächste Hauptveranlagung der Vermögensteuer, die auf den 1. Januar 1963 vorgesehen ist, werden jedenfalls die alten Einheitswerte zugrunde gelegt werden.
Bei der Einkommensteuer wäre eine Änderung des Einkommensteuertarifs für die mittleren und unteren Einkommensgruppen im Hinblick auf die überproportionale Beteiligung der öffentlichen Hand an dem gestiegenen Einkommen und auf gewisse Unebenheiten im Tarifverlauf nicht ungerechtfertigt. Selbst wenn sich die Steuersenkungsmaßnahmen auf diesem Gebiet in einem maßvollen Rahmen hielten, müßte mit einem Gesamtsteuerausfall von 1,6 bis 2 Milliarden DM gerechnet werden. Würden dazu noch die Forderungen auf Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrags und auf Erhöhung des Pauschbetrags für Sonderausgaben erfüllt werden, würde sich - auch bei maßvoller Gestaltung - ein weiterer zusätzlicher Ausfall von etwa 1 Milliarde DM ergeben.
Die gegenwärtige Finanzlage des Bundes läßt die Erfüllung dieser Wünsche nicht zu. In keinem Falle ließen sich derartige Steuerausfälle durch eine Erhöhung der Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer ausgleichen. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer um einen Punkt bringt
nur ein Steuermehraufkommen von etwa 30 Millionen DM für Bund und Länder. Auch darf nicht übersehen werden, daß zur Einkommensteuerbelastung weitere Belastungen mit Kirchensteuer, Vermögensteuer, Lastenausgleich und bei den Gewerbetreibenden mit der Gewerbesteuer treten. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß eine Erhöhung der Einkommensteuersätze zwangsläufig infolge des Zusammenhangs mit der Körperschaftsbesteuerung auch zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuersätze führen müßte. Eine Erhöhung der Steuersätze würde nach Auffassung der Bundesregierung ihren Bestrebungen auf eine Preisstabilität entgegenlaufen.
Die Förderung des Sparens wird auch weiter ein wesentliches Ziel der Bundesregierung sein. Die prämienrechtliche Förderung einschließlich des Wohnbausparens ist bereits Gegenstand der Erörterungen in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses. Die bisherigen Förderungsmaßnahmen belasten allerdings den Haushalt von Bund und Ländern erheblich. So erfordern die Begünstigung der Bausparverträge nach § 10 EStG und die Wohnungsbauprämien zur Zeit einen Betrag von 1,1 Milliarden DM jährlich. Aus dem gegenwärtigen Spar-Prämiengesetz erwächst dem Bundeshaushalt im Laufe der nächsten Jahre eine jährliche Belastung bis zu 800 Millionen DM, wobei Gesetzesänderungen nicht berücksichtigt sind. Es erscheint mir erforderlich, bei der Prüfung der Förderungsmaßnahmen auf steuerlichem Gebiet und im Pämienwege, die mit dem Ziel einer Harmonisierung der Vorschriften unter Berücksichtigung sozialer Auswirkungen vorzunehmen wäre, auch die haushaltungsmäßigen Belastungen zu beachten.
({42})
Schon bei der Einbringung des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1962 hatte ich auf gewisse unerwünschte Auswirkungen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes auf die Wettbewerbsstellung ausländischer Unternehmen hingewiesen und deren Beseitigung empfohlen. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Ausländereffekt, der eine Besserstellung ausländischer Muttergesellschaften im Vergleich zu inländischen Unternehmen bewirkt. Es war in Aussicht genommen, diese Besserstellung dadurch abzuschwächen, daß von den Ausschüttungen an ausländische Muttergesellschaften eine Kapitalertragsteuer von 25 % erhoben wird.
({43})
Nach dein derzeitigen Stand der Doppelbesteuerungsverhandlungen wird von allen Staaten die Berechtigung einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % anerkannt. Lediglich im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten sind unsere Bemühungen bisher noch ohne Erfolg geblieben. Die Verhandlungen werden fortgesetzt.
Eine weitere Schwierigkeit dm Verhältnis zum Ausland ergibt sich aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle. Dieses Problem ist in seiner Bedeutung nicht auf die Körperschaften beschränkt. Der Bundestag hatte deshalb auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes für
Bundesfinanzminister Dr. Starke
das Rechnungsjahr 1962 die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag einen Bericht über die Wettbewerbsverfälschungen zu erstatten, die sich aus Sitzverlagerungen in das Ausland und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben. Der Bericht ist weitgehend fertiggestellt, und ich hoffe, ihn in nächster Zeit vorlegen zu können.
Nach wie vor sind die Organschaft und das Schachtelprivileg Fragen, die in der öffentlichen Diskussion des Körperschaftsteuerrechts mit an erster Stelle stehen. Wie ich bereits im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz für das Rechnungsjahr 1962 ausgeführt habe, ist die Lösung der anstehenden Probleme einerseits von der Aktienrechtsreform und andererseits von den Ergebnissen der Konzentrationsenquete abhängig.
({44})
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin an der Arbeit zur Harmonisierung der Steuern im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beteiligen. Für die Umsatzsteuer hat die Kommission der EWG dem Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft noch in diesem Herbst einen Harmonisierungsvorschlag unterbreitet. Die Ergebnisse der Verhandlungen über diesen Vorschlag werden auch für die Frage einer Reform der deutschen Umsatzbesteuerung von Bedeutung sein. Die Harmonisierung mehrerer Verkehrssteuern, der Verbrauchsteuern und gewisser Regelungen bei den direkten Steuern ist ebenfalls eingeleitet oder in Vorbereitung.
Einen Augenblick, Herr Minister. Erlauben Sie, daß ich Sie unterbreche.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß wir die Ehre und die Freude haben, den Herrn Präsidenten des Schweizerischen Nationalrates, Herrn Walther Bringolf, unter uns zu haben.
({0})
Ich heiße den Herrn Nationalratspräsidenten in diesem Hause herzlich willkommen. Die Sympathie des Hauses, verehrter Herr Kollege, ist Ihnen, wie Sie soeben gehört haben, sicher. Ich danke Ihnen.
({1})
Bitte, Herr Minister, fahren Sie fort.
Der Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat am 21. Juni 1962 in Aussicht genommen, den Kaffee- und Tee-Zoll gegenüber den assoziierten Ländern und Gebieten ab 1. Januar 1963 aufzuheben und gleichzeitig Iden EWG-Außenzollsatz, der zur Zeit 16 % bzw. 18 % des Wertes beträgt, um 25 v. H. zu senken und um 15 v. H. auszusetzen, so daß insgesamt mit einer Herabsetzung der Zölle für Kaffee und Tee um 40 v. H. zu rechnen ist. Sollte diese Absicht verwirklicht werden, so wird dies zu einer fühlbaren Senkung ,der Eingangsabgaben für Kaffee und Tee führen und für den Bundeshaushalt einen Einnahmeausfall von etwa 140 Millionen DM jährlich zur Folge haben.
Darüber hinaus kann im Augenblick eine Herabsetzung der Kaffee- und Tee-Steuer oder gar ihre Beseitigung im Haushaltsjahr 1963 wegen der angespannten Haushaltslage des Bundes nicht vorgeschlagen werden. Ich darf hier auf das Verständnis des Hohen Hauses rechnen.
Auf dem Gebiet der Mineralölabgaben steht mit dem Ablauf des Haushaltsjahres 1963 eine grundlegende Umgestaltung bevor, (die sich aus der Durchführung des EWG-Vertrages ergibt. Am 1. Januar 1964 wird rohes Erdöl bei der Einfuhr zollfrei; damit werden erhebliche Zolleinnahmen wegfallen. Der Ausgleich wird bei der Mineralölsteuer gesucht werden müssen.
Lassen Sie mich nun zusammenfassen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zum Schluß auf die neuesten weltpolitischen Ereignisse und ihre finanzpolitischen Auswirkungen zu sprechen kommen.
Am 13. März 19612 habe ich als Finanzminister des Bundes an die Bundesregierung und an den Deutschen Bundestag einen Appell zur Sparsamkeit gerichtet. Die Beschlüsse der Bundesregierung vom 11. und 12. September 1962 zum Nachtragshaushalt 1962 und zum Bundeshaushalt 1963 sind für mich eine Antwort auf diesen Appell gewesen. Die Antwort ist ein von der Bundesregierung beschlossener Haushalt der Sparsamkeit für 1963 und ein Nachtragshaushalt für 1962, der sich durch gezielte Kürzungen an anderer Stelle im Rahmen des beschlossenen Ausgabenvolumens hält.
Der Haushalt 1963 baut auf idem realen Anstieg des Bruttosozialprodukts auf, er setzt dem sprunghaften Anstieg der Ausgaben ides Bundes ein Ende, und er vermeidet Steuererhöhungen durch Kürzungen und Einsparungen sowie durch ein angestrebtes Zusammenwirken mit den Ländern im Rahmen des Grundgesetzes.
Schon die Berücksichtigung eines Teils der zurückgewiesenen Anforderungen für 1963 hätte ebenso wie das Außerachtlassen eines Ausgleichs mit den Ländern zu Steuererhöhungen geführt, zumal, wie ich betont habe, etwaige Steuermehreinnahmen für die Finanzierung des von mir umrissenen Pakets von Sozial-Gesetzen benötigt werden.
Steuererhöhungen in dem dann notwendigen Umfang wären aber nur über die Erhebung der Ergänzungsabgabe zur Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer möglich,
({0})
einer Steuer, die sowohl die Wirtschaft als auch breiteste Bevölkerungsschichten bis zum letzten Lohnsteuerzahler trifft. Wir müßten nicht, ob bei geringerem Wirtschaftswachstum und geringeren Gewinnmargen die Steuererträge höher wären, aber wir müßten sicherlich mit weiteren Preissteigerungen und mit neuen Lohn- und Gehaltsforderungen rechnen, die sich wiederum als Kostenbelastungen in der Wirtschaft niederschlügen. Wir würden gerade .das Gegenteil einer Stabilisierung der Lage in der Wirtschaft und des Preisniveaus erreichen.
({1})
Bundesfinanzminister Dr. Starke
Ich bin .der Überzeugung, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt ein unter dem Gesichtspunkt äußerster Sparsamkeit aufgestellter Haushalt nicht nur den Kern jeder vernünftigen Finanzpolitik, sondern vor allem die notwendige Voraussetzung für eine gesunde Währungs-, Konjunktur- und Wirtschaftspolitik darstellt.
({2})
Gerade in diesen Wochen und Monaten eines Ringens um einen gesunden inneren Weg stehen wir inmitten weltpolitischer Spannungen größten Ausmaßes. Wir wissen, daß die Spannungen um Kuba und an anderen Stellen in der Welt für den westlichen Vorposten Berlin und für unser geteiltes Vaterland jeden Tag eine tödliche Gefahr werden können; darauf müssen wir uns besinnen.
In Auswirkung dieser Spannungen werden wir vor neuen Anforderungen auf dem Gebiet der Verteidigung stehen. Die krisenhafte Zuspitzung hat uns aber auch gezeigt, daß uns nicht nur ein verfassungsänderndes Notstandsgesetz fehlt, sondern daß wir beschleunigt Maßnahmen für einen zivilen Bevölkerungsschutz treffen müssen, die nicht aufgeschoben werden dürfen. Damit stehen weitere schwere finanzielle Lasten vor uns. Was soll nun geschehen?
Die Kosten für die Maßnahmen zum zivilen Bevölkerungsschutz lassen sich in ihrer ganzen Breite nur schätzen. Die Bundesregierung hat nach Verabschiedung dieser Gesetze eine Kabinettskommission berufen, die die finanziellen Auswirkungen prüfen und entsprechende Vorschläge ausarbeiten wird, die vor allem auch mit den Ländern erörtert werden müssen; allein kann der Bund diese Lasten nicht tragen.
Wir dürfen auch nicht nur die neuen finanziellen Anforderungen sehen, sondern wir müssen auch die in der Vergangenheit bewilligten Mittel ins Auge fassen, wenn wir einen Ausgleich erzielen wollen. Die neuen Anforderungen zwingen noch stärker zur Festlegung einer Rangordnung für die öffentlichen Ausgaben und noch mehr zur Bildung von Aufgabenschwerpunkten, wobei auch gesetzliche Regelungen für das Parlament nicht unantastbar sein dürfen.
({3})
Wir heben mit klarem Blick die neuen Lasten für 1963 und vor allem für 1964 zu prüfen; sie sind gewaltig. Aber auch unsere wirtschaftliche und finanzpolitische Situation ist eindeutig. Wir kennen heute die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit. Es wäre verfehlt, dieser klaren Erkenntnis auszuweichen. Wir brächten damit nicht nur unsere Geld- und Währungsordnung, sondern auch unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Gefahr.
({4})
In Zukunft werden wir sorgfältig abzuwägen haben zwischen dem verständlichen Wunsch nach Wohlstand und den unerbittlichen Geboten des Notstands. Nur damit dienen wir unserem Volke.
({5})
Sie haben die Rede zur Einbringung des Bundeshaushaltsplans für 1963 gehört, meine Damen und Herren. Die Aussprache darüber soll morgen, also am Donnerstagvormittag um 10 Uhr nach der Fragestunde beginnen.
Das Wort zu einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gebe ich folgende Erklärung ab:
Durch Zurufe am Ende der heutigen Fragestunde ist mir klar geworden, daß eine Reihe von Kollegen anderer Parteien das Motiv der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion für ihre heutigen Fragen entweder völlig mißverstanden haben oder bewußt zu mißdeuten versuchen.
Ich lege schärfste Verwahrung gegen den Versuch ein, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, der ich seit Jahrzehnten anzugehören die Ehre habe, mit dem gegen Angehörige des Verlags und der Redaktion der Zeitschrift „Spiegel" laufenden Landesverratsverfahren in irgendeinen Zusammenhang zu bringen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ich als einer ihrer Abgeordneten verurteilen gleich jedem anständigen Deutschen aufs schärfste Landesverrat, wo er wirklich vorliegt.
({0})
Wir müssen aber alle auch dafür sorgen, daß unsere Behörden einschließlich der Strafverfolgungsbehörden bei der Untersuchung von Straftaten den durch Verfassung und Gesetze gezogenen Rahmen einhalten und rechtsstaatlich vorgehen.
({1})
Die 18 Fragen, die heute in der Fragestunde zum Teil behandelt wurden, beziehen sich in keiner Weise auf die gegenüber der „Spiegel"-Redaktion durch den Bundesanwalt erhobenen Beschuldigungen des Landesverrats. Sie beziehen sich einzig und allein auf die der Aufklärung bedürftigen Vorgänge in bezug auf das Verhalten von Ministern, Staatssekretären und des Bundeskriminalamts bei Durchführung des erteilten Befehls auf Haussuchung und Beschlagnahme von belastendem Material.
({2})
Der Schutz gegen Landesverrat soll unser Volk vor fremder Macht und fremder Willkür schützen. Es muß dann aber auch dabei bleiben, daß der Staatsbürger gegen Willkür im eigenen Lande geschützt ist.
({3})
Die hierbei zu ziehenden Grenzen klar zu machen, ist der Sinn unserer Fragen.
({4})
Meine Herren, die Kritik an dem Redner isst völlig unangebracht. Sie trifft den Präsidenten, dem diese Erklärung vorher schriftlich vorgelegen hat und der sie aus wohlerwogenen Gründen genehmigt hat.
({0})
Wir müssen nunmehr noch zwei Überweisungen vornehmen. Ich rufe die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung auf:
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen ({1});
Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern ({2}).
In beiden Fällen ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - sowie den Außenhandelsausschuß und den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung vorgeschlagen. - Hier wird Einspruch erhoben. Herr Abgeordneter Bading!
({3})
- Bitte, meine Damen und Herren, behalten Sie Platz; ich fürchte, daß wir noch zu einer Kampfabstimmung kommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Vorschlag des Ältestenrates auf einem Irrtum beruht. Es ist hier im Hause Übung gewesen, daß bei Zollangelegenheiten die Federführung beim Finanzausschuß für das Zollgesetz als solches besteht, daß aber Angelegenheiten des Zolltarifs immer dem Außenhandelsausschuß überwiesen werden. Da Abschöpfungen in der Sache dasselbe wie Zölle darstellen, sollte diese Übung auch hier fortgesetzt werden.
Im übrigen darf ich auf eine interfraktionelle Vereinbarung verweisen, in der zum Ausdruck gekommen ist, daß das Abschäpfungserhebungsgesetz wie alle früheren Zollgesetze dem Finanzausschuß zur Federführung überwiesen werden soll, daß aber in allen Fällen, in denen es sich um den Abschöpfungstarif und dessen Änderung handelt, die Federführung des Außenhandelsausschusses anerkannt werden soll. Das ist eine interfraktionelle Vereinbarung, die im Juni dieses Jahres geschlossen worden ist.
Ich 'beantrage daher, die Gegenstände auf den Drucksachen IV/703 und IV/704 - Tagesordnungspunkte 6 und 7 - dem Außenhandelsausschuß zur Federführung und dem Wirtschaftsausschuß und dem Ernährungsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Herr Abgeordneter Bauer ({0}) !
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bading, ich glaube, diese Frage bedarf noch einer gründlicheren Besprechung. Der Unterschied
zwischen den bisherigen Zollvorlagen und deren Behandlung einerseits und andererseits meinetwegen der Absenkung der Abschöpfung beruht einfach auf der unterschiedlichen Bedeutung und Wirkung von Zoll und Abschöpfung. Abschöpfungen sind etwas anderes als die bisherigen Zölle. Infolgedessen bedürfen sie auch in diesem Hause einer anderen Behandlung. Ich habe gar nichts dagegen, wenn wir uns darüber einmal sehr gründlich und eingehend unterhalten, wie die Verteilung hinsichtlich der Materie und die Behandlung dieser Fragen künftig hier erfolgen sollen. Daß Abschöpfungen aber nicht gleichzusetzen sind mit Zöllen, das möchte ich hier nachdrücklich feststellen.
({0})
Ich darf den Antrag stellen - weil Abschöpfungen eine ganz andere wirtschaftspolitische Funktion als die bisherigen Zölle haben -, so zu verfahren, wie der Ältestenrat vorgeschlagen hat und wie von dem Herrn Präsidenten gesagt worden ist. Ich bitte deshalb, den Antrag des Herrn Kollegen Bading abzulehnen.
({1})
Einen Augenblick! Das ist eine Geschäftsordnungsdebatte. - Herr Abgeordneter Seuffert, muß es sein? - Ich sehe doch, daß wir zu einer Kampfabstimmung kommen. Aber bitte sehr. - Herr Abgeordneter Seuffert zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf wohl im Einvernehmen mit dem Herrn Kollegen Schmidt, dem Vorsitzenden des Finanzausschusses feststellen, daß wir vom Finanzausschuß bei der sowohl für die Zollgesetze wie auch für die Abschöpfungsgesetze verabredeten Regelung bleiben möchten, daß für die Fragen des Zolltarifs und infolgedessen auch des Abschöpfungstarifs nicht der Finanzausschuß, sondern der Außenhandelsausschuß zuständig ist. Ich glaube, das ist der Sinn unserer Regelung, Herr Kollege Schmidt.
Meine Damen und Herren, ich werde von den Sachverständigen - hier meldet sich der Vorsitzende des Finanzausschusses - darauf aufmerksam gemacht, daß dies eine Frage sei, die subtilen Nachdenkens bedarf. Deshalb der Vorschlag, die Frage jetzt nicht zu entscheiden, d. h. es wird jetzt nicht überwiesen, sondern geht zurück an den Ältestenrat. Das Haus wird morgen wieder mit der Sache befaßt. Ich nehme an, daß sie so lange Zeit hat. - Ich höre keinen Widerspruch; es wird so gemacht.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich erhalte gerade den Wortlaut der Erklärung, die Herr Abgeordneter Ritzel soeben hier verlesen hat. Es finden sich darin folgende Sätze:
Wir müssen aber alle auch dafür sorgen, daß unsere Behörden einschließlich der Strafverfol1982
gungsbehörden bei der Untersuchung von Straftaten den durch Verfassung und Gesetze gezogenen Rahmen einhalten und rechtsstaatlich vorgehen.
({0})
Die 18 Fragen, die heute in der Fragestunde zum Teil behandelt wurden, beziehen sich in keiner Weise auf die gegenüber der „Spiegel"-Redaktion durch den Bundesanwalt erhobenen Beschuldigungen des Landesverrats. Sie beziehen sich einzig und allein auf die aufklärungsbedürftigen Vorgänge in bezug auf das Verhalten von Ministern, Staatssekretären und des Bundeskriminalamts bei Durchführung des erteilten Befehls auf Haussuchung und Beschlagnahme von belastendem Material. Der Schutz gegen Landesverrat soll unser Volk vor fremder Macht und fremder Willkür schützen. Es muß dann aber auch dabei bleiben, daß der Staatsbürger gegen Willkür in eigenem Lande geschützt ist. Die hierbei zu ziehenden Grenzen klarer zu machen, ist der Sinn unserer Fragen.
({1})
Meine Damen und Herren, soweit 'in dieser Erklärung der Vorwurf erhoben wird, daß das Bundesverfassungsgericht oder die Bundesanwaltschaft oder die Beamten des Bundeskriminalamtes nicht rechtsstaatlich gehandelt haben
({2})
und daß vor diesen Einrichtungen, dem Bundesgericht, der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt, unsere Mitbürger geschützt werden müßten, lege ich gegen eine solche Erklärung schärfsten Protest ein.
({3})
Meine Damen und Herren, aus meiner Kenntnis der Dinge spreche ich allen Beamten dieser Organisationen meinen Dank und meine Hochachtung aus.
({4})
Ich möchte hier an alle Parteien und an das ganze deutsche Volk folgende Bitte richten.
({5})
Es ist Landesverrat ausgeübt worden - das ist sehr wahrscheinlich ({6})
von einem Manne, der eine Macht, eine journalistische Macht in Händen hatte. Ich stehe auf dem Standpunkt: je mehr Macht, auch journalistische Macht, jemand in Händen hat,
({7}) desto mehr ist er dazu verpflichtet,
({8})
die Grenzen zu wahren, die die Liebe zum Volk - ({9})
Lassen Sie bitte den Herrn Bundeskanzler weiterreden.
({0})
- Lassen Sie den Herrn Bundeskanzler weiterreden!
({1})
- Der Präsident dieses Hauses schützt die Redefreiheit auch für den Bundeskanzler.
({2})
Meine Damen und Herren, ist es, dann nicht erschreckend,
({0}) ist .es dann nicht erschreckend,
({1})
wenn ein Oberst der Bundeswehr, nachdem er gehört hat, daß ein Verfahren gegen Augstein und Redakteure des „Spiegels" eingeleitet sei, hingeht und denen Bescheid gibt, damit Beweismaterial beiseitegeschafft wird?
({2})
- Ja, lesen Sie einmal durch, worüber Sie gesprochen haben,
({3})
und dann warten Sie das Ergebnis der weiteren Feststellungen ab! Dann werden Sie bereuen, daß Sie diese Fragen gestellt haben.
({4})
Ich erkläre nochmals, meine Damen und Herren: ich glaube, ich bin als Bundeskanzler dazu verpflichtet,
({5})
dem Bundesgericht und den Beamten der Bundesanwaltschaft und den Beamten des Bundeskriminalamtes dafür zu danken, daß sie sich an diese Sache mit solcher Intensität herangemacht haben.
({6})
Einen Augenblick! Eine geschäftsordnungsmäßige Erinnerung, bevor es weiter geht. § 48 Abs. 3 der Geschäftsordnung:
Ergreift ein Mitglied oder Beauftragter der Bundesregierung oder des Bundesrates das Wort außerhalb der Tagesordnung,
- der Fall ist gegeben so wird auf Verlangen von 30 anwesenden Abgeordneten die Beratung über seine AusfühPräsident D. Dr. Gerstenmaier
rungen eröffnet. Sachliche Anträge dürfen hierbei nicht gestellt werden.
Ich frage, ob 30 anwesende Abgeordnete eine Beratung wünschen. - Das ist der Fall.
Jetzt kommt die sehr viel schwieriger zu entscheidende Frage: wer hat sich zuerst gemeldet, Herr Abgeordneter Ritzel oder Herr Erler?
({0}) - Herr Abgeordneter Erler hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Intervention des Herrn Bundeskanzlers tut mir außerordentlich leid. Sie tut mir deshalb leid, weil damit leider - leider! - der Umwelt gegenüber, in der man sehr sorgsam das rechtsstaatliche Verhalten unserer Behörden unter die Lupe nimmt, erneut Anlaß gegeben wird, in die Festigkeit der rechtsstaatlichen Prinzipien in diesem Lande Zweifel zu setzen.
({0})
Wo es sich um Landesverrat handelt, muß zugepackt werden.
({1})
Aber auch eine Untersuchung wegen Landesverrats setzt die rechtsstaatlichen Prinzipien unseres Grundgesetzes nicht außer Kraft.
({2})
Ein Parlament, das sich den Ruf zuziehen würde, ein Verfahren wegen Landesverrats, das durchgeführt werden muß, nicht auch so zu beobachten, daß dabei im übrigen Verfassung und Gesetz nicht in Trümmer gehen, würde seine Kontrollaufgabe nicht erfüllen. Nur darum geht es heute und um nichts anderes.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es ist in jedem rechtsstaatlichen Staat oberste Pflicht, nicht in schwebende Gerichtsverfahren einzugreifen.
({0})
Ich wende mich dagegen, daß auch nur der Anschein erweckt wird, als ob das hier geschähe.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers zwingen mich zu folgender Klarstellung. In der von mir im Wortlaut verlesenen und in den Händen des Herrn Bundeskanzlers befindlichen Erklärung heißt es im dritten Absatz, letzter Satz: „Sie" - die 18 Fragen - „beziehen sich einzig und allein auf die der Aufklärung bedürftigen Vorgänge in bezug auf das Verhalten von Ministern, Staatssekretären und des Bundeskriminalamts bei Durchführung des erteilten Befehls auf Haussuchung und Beschlagnahme von belastendem Material." Mit keinem Wort, Herr Bundeskanzler
({0})
und meine verehrten Damen und Herren, ist in meiner Erklärung die Rede vom Bundesverfassungsgericht und von der Bundesanwaltschaft. Ich darf den Herrn Bundeskanzler bitten, das bei sich selbst zu berichtigen. Im übrigen haben die Fragen - und das ist in der Erklärung, die ich abzugeben hatte, ebenfalls klipp und klar gesagt -- in keiner Weise das Ziel verfolgt - und sie erlauben überhaupt in keiner Weise eine derartige Feststellung -, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen. Einzig und allein die Sorgen um die Methoden, mit denen hier gearbeitet worden ist,
({1}) haben diese 18 Fragen veranlaßt.
({2})
Dieses und nichts anderes ist hier zum Ausdruck gebracht.
({3})
- Sie müsen erst einmal die gesetzlichen Bestimmungen studieren, ehe Sie dazu sprechen.
Ich wiederhole einen Satz aus der Erklärung im zweiten Absatz:
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ich als einer ihrer Abgeordneten verurteilen gleich jedem anständigen Deutschen aufs schärfste Landesverrat, wo er wirklich vorliegt.
({4})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Erklärung des Herrn Abgeordneten Ritzel enthält auch folgenden Schlußsatz, den Herr Ritzel eben nicht vorgelesen hat:
({0})
Der Schutz gegen Landesverrat soll unser Volk vor fremder Macht und fremder Willkür schützen. Es muß aber dann auch dabei bleiben, daß der Staatsbürger gegen Willkür im eigenen Lande geschützt wird.
({1})
Er hat dann eben in seinen Ausführungen folgendes gesagt: „Die Sorgen um die Methoden, mit denen hier gearbeitet worden ist,
({2})
haben uns zu diesen Fragen veranlaßt."
({3})
Meine Damen und Herren, in der Erklärung, die Herr Ritzel eben vorgelesen hat,
({4})
oder in dem, was er hinzugefügt hat, steht folgendes drin: einmal hier der Landesverrat, aber auch auf der anderen Seite der Schutz der Bürger hier vor den Mißgriffen der Minister, der Staatssekretäre und -({5})
Und dann, meine Damen und Herren, hat er eben hier erklärt: Die Sorgen um die Methoden, mit denen hier gearbeitet worden ist - ({6})
Nun, meine Damen und Herren,
({7}) wir haben
({8}) einen Abgrund von Landesverrat im Lande.
({9}) - Ich sage das.
({10})
Denn, meine Damen und Herren,
({11})
wenn von einem Blatt, das in einer Auflage von
500 000 Exemplaren erscheint, systematisch, um
Geld zu verdienen, Landesverrat getrieben wird - ({12})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Ordnung zu bewahren, die erforderlich ist, um die Diskussion weiterführen zu können. Es hat keinen Zweck. - Herr Abgeordneter Hermsdorf! - Herr Abgeordneter Hermsdorf, beruhigen Sie sich!
({0})
Ich bin sehr erstaunt. Sie wollten sich doch gar nicht vor den „Spiegel" stellen.
({0})
Sie wollten doch nur die Methoden, mit denen ein Landesverrat aufgedeckt wird, - - Die passen Ihnen nicht. Das haben Sie doch eben gesagt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole nochmals: Ich halte mich im Gewissen für verpflichtet, zu sagen, daß die Beamten des Bundesgerichts, der Bundesanwaltschaft, des Kriminalamts, des Kabinetts unser vollstes Vertrauen und den Dank des deutschen Volkes verdienen.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte den Faden aufnehmen, den der Kollege Erler in seiner Intervention hier gesponnen hat. Herr Kollege Erler hat mit Recht und, glaube ich, mit Zustimmung von uns allen davon gesprochen, daß die Rechtlichkeit und die Grundsätze des Rechtsstaates für jedermann in diesem Staat gelten, auch für den der Tat Verdächtigten. In dieser Frage sind wir uns einig. Niemand in diesem Staat wird öffentlich verurteilt oder sonst etwas - niemand in diesem Staat bis zum Beweis der Tat wie der Schuld. Wollen wir doch vielleicht zur Ruhe zurückkehren; ich glaube, das ist sehr viel angemessener. - Niemand in diesem Staat ist eines Verbrechens schuldig, bevor das bewiesen ist.
({0})
- Eine Sekunde. - Man sollte aber in diesem Staat, meine sehr verehrten Kollegen, auch nicht unbewiesene Zweifel, unbewiesene und indirekte Vorwürfe und Verdächtigungen gegen rechtsstaatliche Instanzen erheben.
({1})
Herr Kollege Erler und Sie alle, jeder, der imstande ist, nachzuweisen, daß hier in einem einzigen Punkt Rechtlichkeit und Rechtsstaatlichkeit - lassen Sie mich das doch in Ruhe sagen - zur Aufdeckung von Landesverrat irgendwo und irgendwie verletzt worden sind - beweisbar, nicht nur in Verdachtsmomenten -, der sollte das hier oder an gegebener Stelle auf den Tisch des Hauses legen und nicht mit Verdächtigungen die Atmosphäre vor einem schwebenden Prozeß vergiften.
({2})
Herr Kollege Erler und Herr Ritzel, Sie haben hier Zweifel geäußert und indirekte Verdächtigungen ausgesprochen.
({3})
Sie sollten bis zum Vorliegen von Beweisen nicht solche Sätze sagen, wie sie hier in der Erklärung des Kollegen Ritzel gesagt worden sind
({4})
und dann vom Herrn Bundeskanzler mit Recht zurückgewiesen worden sind. Denn, meine Damen und meine Herren, soll es etwa in diesem Hause erlaubt sein, unbewiesene Verdächtigungen über Beamte und Richter, die sich bemühen, einen Landesverrat aufzuklären, in den Raum zu stellen, und soll es vielleicht nicht erlaubt sein, daß der Bundeskanzler dann seine Pflicht erfüllt, sich vor die Instanzen dieses Rechtsstaates zu stellen, die rechtsstaatlich - etwas anderes ist bis zur Stunde nicht bewiesen - Landesverrat aufklären?
({5})
Wir sollten unsere Sorge um die Sache wie um das Verfahren gelten lassen. Denn es ist ein ungeeigneter Weg zur Verteidigung von Rechtsstaat und Freiheit, Abstriche von beiden zu machen. Darin, hoffe ich, sind wir uns einig. Deshalb meine Forderung: Wer einen Verdacht hat, den er begründen und beweisen kann, lege ihn auf den Tisch. Bis zum Beweis des Gegenteils ist jeder hiervon Betroffene ein ehrbarer, anständiger Staatsbürger, der den Schutz auch dieses Hauses verdient.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Prinzipien, die soeben der Herr Kollege Barzel hier vertreten hat, hätte der Herr Bundeskanzler nicht in der Sache, in der Vorwürfe gegen die Redaktion des „Spiegel" erhoben werden, hier bereits abschließend urteilen dürfen
({0})
wie er es getan hat.
Zweitens. Auch der Vorwurf des Landesverrats, der selbstverständlich einer sorgfältigen Untersuchung bedarf und zu einer gerechten Ahndung führen muß, wenn der Vorwurf vor Gericht erhärtet ist, darf die mit der Untersuchung befaßten Behörden nicht davon entbinden, im Rahmen der Strafprozeßordnung und unseres Grundgesetzes zu bleiben.
({1})
Das ist ein allgemeiner Grundsatz, der vom Hause akzeptiert wird.
({2})
Infolgedessen, da es sich hier um abgeschlossene Handlungen von Ermittlungsbehörden gehandelt hat, die längst passiert sind, die nicht vor Gericht nachgeprüft werden, ist es Aufgabe dieses Parlaments, durch seine Fragen Klarheit zu schaffen, ob oder ob nicht dabei Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien vorgekommen sind.
({3})
Wir werden ja in der Fortsetzung der Fragestunde morgen einmal hören, wer denn z. B. für die Art und Weise der Verhaftung in Spanien, die sonst in rechtsstaatlichen Gesellschaften nicht üblich ist, die Verantwortung trägt.
({4})
Bitte, das werden wir morgen hören. Das sind Sorgen, die gehen uns alle an; davon sollte sich niemand ausnehmen. Das gilt es einwandfrei zu klärren, und dazu die heutige Fragestunde.
Und zum Abschluß: Sie können sich doch nicht hier so hinstellen, als sei das alles ohne jeden Makel. Denn zum Vergnügen hat weder der Justizminister seinen Rücktritt angeboten noch sind zum Vergnügen zwei Staatssekretäre ihrer Ämter enthoben worden.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat zu einem Vorgang Stellung bezogen, der einmal gekennzeichnet 'ist durch den Erlaß eines Haftbefehls, der, wie Sie wissen, nur erlassen werden darf, wenn dringender Tatverdacht vorhanden ist. Das ist der Unterschied zwischen der Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers und der Stellungnahme, die Sie gegenüber einer ganzen Reihe von Beamten erhoben haben, daß hier einmal schon ein Gericht gesprochen hat. Ein Gericht hat gesprochen und hat erklärt: dringender Tatverdacht liegt vor.
Ferner hat dasselbe Gericht zu einer Haftbeschwerde erklärt: Die Haft muß fortgesetzt werden, weil der dringende Tatverdacht nach wie vor besteht. Das ist einmal der Unterschied.
Bundesinnenminister Höcherl
Drittens hat der Herr Bundesanwalt - also nicht irgend jemand- erklärt: Folgende Beweise liegen bereits vor. Auf Grund dieser Äußerung hat der Herr Bundeskanzler seine Feststellung getroffen.
({0})
- Und er hat praktisch wiederholt, - ({1})
- Meine Damen und Herren, wir wollen es ganz korrekt behandeln.
({2})
Er hat dringenden Tatverdacht - ({3})
- Moment! Dringender Tatverdacht, Bestätigung des Haftbefehls und Feststellung des Bundesanwalts, daß ganz erhebliche und schwerwiegende Beweise bereits sichergestellt sind. Sie haben es ja gestern gelesen, und da sind Sie etwas schwächer geworden.
({4})
Das ist das eine.
Meine Damen und Herren, ich will noch etwas anderes sagen. Sie sind heute aufgetreten mit Behauptungen, Minister, Staatssekretäre, Beamte hätten die und die Fehler begangen. Glauben Sie denn, meine Damen und Herren, die Sie die Demokratie so gepachtet zu haben glauben, daß in Amerika und in England eine solche Szene bei einem offenen Verfahren möglich wäre? Glauben Sie das?
({5})
Meine Damen und Herren, in diesen Ländern wäre es eine Selbstverständlichkeit, daß man den Abschluß des Verfahrens abwartet und erst dann Stellung bezieht.
Jetzt darf ich Ihnen noch etwas vorhalten. Der Herr Ritzel hat hier eine interessante Erklärung abgegeben. Er hat erklärt: Wir stellen Fragen, deren Inhalt wir kennen. Und dann vor allem die Zusatzfragen, die ganz besonderer Natur waren. Jetzt wollen Sie sich hinstellen und wollen sagen: Die Fragen haben den Inhalt, den wir alle selber zur Kenntnis nehmen und beurteilen können. Dabei waren die Zusatzfragen zum Teil rechtsstaatlich unmöglicher Natur.
({6})
Jetzt wollen Sie sich hinstellen und wollen sagen: Durch eine einfache Erklärung nach § 36 GO kehren wir den ganzen Inhalt dieser Fragen um. Dieses Manöver, meine Damen und Herren, gelingt Ihnen doch nicht.
({7})
- Ich habe Auskunft gegeben bis zum Äußersten, das wissen Sie ganz genau. Sie werden nicht eine einzige Zeile widerlegen können.
({8})
Was wollen Sie, eine Zwischenfrage stellen? - Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Etwas später, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen. Sie beschweren sich immer, daß man Ihnen den Eingriff in ein schwebendes Verfahren vorwerfe. Der Spiegel hat jahrelang mit der Ehre von ganz unschuldigen Menschen in einer Art und Weise verfahren, die gar nicht beschrieben werden kann.
({0})
Er hat die Ehre von unschuldigen Menschen mit Füßen getreten; das wissen Sie.
({1})
Ich habe noch niemals gehört, daß Sie sich für die Ehre dieser unschuldig Verfolgten und Verleumdeten eingesetzt hätten.
({2})
Sie müssen doch, meine Damen und Herren, wenn Sie sich ausgerechnet bei dem Landesverratsverfahren um die Rechtsstaalichkeit bemühen und sonst in weiten Bereichen, wo unschuldige Leute angegriffen worden sind, die dann freigesprochen worden sind, kein Wort erheben, in eine ganz komische Situation, in einen ganz komischen Verdacht kommen. Suchen Sie doch nicht einseitig solche Situationen. Verfahren Sie gleichmäßig, dann kommen Sie nicht in den Verdacht. Sie bringen sich selber in den Verdacht, nicht wir haben Sie hineingebracht.
({3})
Meine Damen und Herren, einen Augenblick. Darf ich vielleicht auch etwas sagen.
({0})
- Meine Damen und Herren, zum erstenmal in meiner Praxis überlege ich mir, ab ich von dem § 44 der Geschäftsordnung Gebrauch machen muß. Herr Kollege Seuffert, überlegen Sie sich, in welche Schwierigkeit Sie das Haus bringen. Wissen Sie das? In dem § 44 steht:
Wenn im Bundestag störende Unruhe entsteht, - Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Ich könnte ja sagen, daß wir in einem ähnlichen Zustand heute schon sind.
({1})
- Ich rede nicht davon, wer daran schuld ist. - Ich sage noch einmal:
Wenn im Bundestag störende Unruhe entsteht, die den Fortgang der Verhandlungen in Frage stellt, so kann der Präsident die Sitzung auf bestimmte Zeit
- nicht auf unbestimmte Zeit - aussetzen oder ganz aufheben.
Herr Kollege Seuffert, wir wollen heute nachmittag um 17 Uhr nach Möglichkeit nicht wieder zusammentreten.
({2})
- Wenn ich nämlich jetzt die Sitzung aufhebe und wenn wir um 17 Uhr mit dieser Sache fortfahren, dann gilt dasselbe wie jetzt, daß die Verhandlungen in Ordnung und Ruhe vor sich gehen. Das muß schließlich auch bei dieser gewiß alle möglichen Leute aufregenden Sache ,der Fall sein. Außerdem habe 'ich noch eine ganze Reihe von Wortmeldungen vorliegen. Sie häufen sich immer mehr.
Zunächst hat Herr Dr. Mende das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei bedauert
({0})
die Erregung dieses Hauses und die Zuspitzung der Debatte. Sie ist der Meinung, daß die Fortführung dieser Debatte in diesem Stil dem ganzen Haus den Vorwurf einbringen könnte, es mische sich in ein schwebendes Verfahren ein.
({1})
Landesverrat ist zu allen Zeiten und in allen Völkern - auch des Ostens - ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, und niemand in diesem Hause denkt daran, sich schützend vor Landesverräter zu stellen.
({2})
Solange allerdings ein rechtskräftiges Urteil eines unabhängigen Gerichtes die letzte Entscheidung nicht getroffen hat, gelten nach unserer Strafprozeßordnung alle zwar als Verdächtige und Beschuldigte, doch noch nicht als verurteilte Landesverräter.
({3})
Allein das ordentliche Gericht ist nach unserer rechtsstaatlichen Ordnung berechtigt, die letzte und endgültige Entscheidung zu treffen.
({4})
Keine andere Stelle - sie mag noch so von hinreichendem Verdacht überzeugt sein - darf sich das noch nicht erfolgte Urteil bereits zu eigen machen wollen.
({5})
Die Pressefreiheit ist ein Grundrecht unserer Verfassung. Aber dieses Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit ist nicht schrankenlos, wie auch die Freiheit niemals schrankenlos sein kann.
({6})
Sie muß gebunden sein an die Verantwortung vor dem Gesetz, vor dem Recht und schließlich auch an Moral und Ethos.
({7})
Die Presse- und Informationsfreiheit unseres Grundgesetzes hat spätestens ihre Grenze dort, wo kriminelle Delikte beginnen, wo vor allem der Landesverrat beginnt.
({8})
Die Frage, ob bei den Verfahren Mängel aufgetreten sind, hat der Sprecher der Bundesregierung, der Herr Staatssekretär von Hase, in einer Bundespressekonferenz schon angeschnitten. Ich möchte darauf hinweisen, daß, soweit die Freie Demokratische Partei gewisse Mängel der Information ihrer Minister zu beklagen hat, diese Frage eine koalitionspolitische Vertrauensfrage für uns war, keine Frage des Rechtsstaates oder des Mißtrauens in die Behörden.
({9})
Es ist hier der Zwischenruf gemacht worden: „Bundesjustizminister!", und es ist gerufen worden: „Warum sind die Staatssekretäre zurückgetreten?" Darum ging es! Ein Staatssekretär ist in den einstweiligen Wartestand versetzt, der andere ist beurlaubt worden. In beiden Fällen - und darüber spreche ich im Augenblick - handelt es sich um die Frage der Nichtinformierung, also der politischen Vertrauensgrundlage zwischen zuständigem Minister und seinem Staatssekretär.
({10})
Die andere Frage, Herr Kollege Wittrock, wird den Ermittlungen der Regierung und des Justizministers überlassen bleiben, und es ist Ihr Recht, von Ihren parlamentarischen Untersuchungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und durch einen Untersuchungsausschuß eine letzte Klärung zu versuchen.
({11})
Aber, meine Damen und Herren, ich halte es für
ausgeschlossen, daß dieses Haus glaubt, in dieser
Atmosphäre solche Fragen jetzt klären zu können.
({12})
Darum, glaube ich, sollte der Präsident prüfen, ob nicht gemäß § 30 unserer Geschäftsordnung in diesem Augenblick die Debatte beendet werden sollte.
({13})
Der Rechtsausschuß, ein möglicher Untersuchungsausschuß, aber auch noch die Instanzen der Bundesregierung werden Gelegenheit haben, mögliche Mängel, insbesondere bei der Verhaftung in Malaga, zu klären. Das Haus erweist sich einen schlechten Dienst, und die parlamentarische Demokratie erweist sich einen, schlechten Dienst, wenn dieses Thema in dieser Atmosphäre hier weiter erörtert wird.
({14})
Herr Abgeordneter Dr. Mende, Sie haben die Freundlichkeit gehabt, in Ihren Ausführungen den Präsidenten zu erwähnen. Der Präsident macht darauf aufmerksam, daß es nicht in seiner Hand ist, den § 30 der Geschäftsordnung in Gang zu setzen. Es heißt hier:
Der Bundestag kann die Beratung abbrechen oder schließen. Der Antrag auf Vertagung oder Schluß der Beratung bedarf der Unterstützung von 30 anwesenden Abgeordneten.
Dieser Antrag müßte erst gestellt werden. Ich bin nicht sicher: Haben Sie den Antrag stellen wollen?
({0})
- Aber meine Herren, die Argumente haben Sie doch gehört. Die Argumente lassen sich doch auch wirklich hören.
Ich frage: Sind 30 Mitglieder des Hauses bereit, diesen Antrag zu unterstützen? - Das sind mehr als 30 Mitglieder des Hauses.
({1})
- Wollen Sie noch dagegen sprechen? Bitte sehr, Herr Abgeordneter Erler!
({2})
- Einen Augenblick! Von dem Herren Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses kommt in diesem Augenblick ein sehr interessanter Zuruf, daß wir uns gar nicht "in einer Beratung befinden. Herr Abgeordneter, ich habe mir das auch überlegt. Ich werde gerade, und zwar glaubwürdig, davon überzeugt, daß in unserer Geschäftsordnung in diesen Fällen „Beratung" und „Aussprache" synonym verwendet werden. Ich kann jetzt in aller Eile natürlich nicht eine durchgehende Exegese unserer Geschäftsordnung antreten, aber ich unterstelle, diese Auskunft ist richtig, daß „Beratung" und „Aussprache" in unserer Geschäftsordnung synonym gehandhabt werden, daß also hier statt „Beratung" ebenso „Aussprache" gelesen werden kann, jedenfalls daß der § 30 sinngemäß angewendet werden könnte. Ich halte deshalb den Antrag für geschäftsordnungsmäßig zulässig.
Aber jetzt zur Geschäftsordnung dazu Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident, ich möchte mich gegen diesen Antrag wenden und das Haus bitten, ihm nicht zuzustimmen.
Es liegt durchaus in der Macht dieses Hauses, auch den Rest dieser Aussprache auf eine anständige und sachliche Weise zu Ende zu führen. Wir sollten aber nicht den Eindruck erwecken, daß die Regierungsparteien von ihrer Macht Gebrauch gemacht haben und mit Mehrheit eine Debatte zu Ende bringen, nachdem der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion durch den Bundesminister des Innern erneut unterstellt worden ist, daß sie einseitig nur dann um die Wahrung des Rechtsstaates besorgt sei, wenn es um den Schutz von vermeintlichen Landesverrätern gehe. Dieser Vorwurf kann nicht so stehen bleiben. Wir müssen die Möglichkeit haben, dazu noch ein paar Sätze zu sagen. Sonst bleibt als Eindruck der Debatte übrig - und das kann auch nicht in Ihrem Interesse liegen - die Seelenverfassung des Ministers, die er uns enthüllt hat - und das muß nach seiner Darstellung leider so geschlossen werden -, daß es nicht nur um Landesverrat, sondern gleichzeitig auch um eine Abrechnung wegen früherer Aktivitäten des „Spiegel" geht.
({0})
Das darf nicht so bleiben im Interesse dieses Hauses und des Rechtsstaates. Ich 'bitte daher, den Antrag abzulehnen.
({1})
Herr Abgeordneter Rasner zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Kollegen Mende gehört. Natürlich haben wir eine Abstimmung der Meinungen der Fraktionen in dieser kurzen Zeit nicht herbeiführen können. Für meine Freunde, mit denen ich mich abstimmen konnte, und für mich erkläre ich: Wir sind dafür, daß diese Debatte weiter und zu Ende geführt wird.
({0})
Gut, Herr Abgeordneter Rasner. Ich glaube, dann muß ich jetzt die Sitzung wenigstens für den Augenblick unterbrechen, daß der Präsident wechseln kann. Der Präsident dieses Hauses sieht sich vor einer unabweisbaren Verpflichtung gegenüber einem ausländischen Gast, die er wahrnehmen muß. Ich muß also einen meiner Kollegen im Präsidium bitten, mich hier abzulösen. Ich bedaure das. Aber nach meiner Meinung steht jedenfalls auch die Regierung in derselben Veranstaltung einer unabweisbaren Verpflichtung gegenüber. Ich will damit dem Hause in seiner Souveränität in gar keiner Weise vorgreifen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich habe mir überlegt, ob die Debatte heute nachmittag nach einer Mittagspause fortgeführt werden kann, was vielleicht gar nicht schlecht wäre. Aber ich habe die Beratungsmöglichkeiten der Fraktionen ebenfalls zu schützen.
({0})
- Im Augenblick noch drei Wortmeldungen zur Sache. Ich nehme an, daß sich dann noch weitere Wortmeldungen ergeben.
Ich frage zunächst die Fraktionen; ob sie von der ihnen heute zur Verfügung stehenden Beratungszeit etwas für das Plenum für die Weiterführung der Plenardebatte heute nachmittag abgeben können.
({1})
- Ist das möglich? Würden Sie damit einverstanden sein?
({2})
- Wollen Sie beantragen, die Debatte jetzt auf 15 Uhr zu vertagen?
({3})
- Ich muß jetzt zu einer Klarheit kommen. Herr Kollege Mende, wollen Sie Ihren Antrag aufrechterhalten?
({4})
Meine Damen und Herren, dann lasse ich jetzt in folgender Reihenfolge abstimmen: zuerst über den weitergehenden Antrag des Herrn Abgeordneten Mende, gestützt auf § 30 der Geschäftsordnung und hinreichend unterstützt. Sollte dieser Antrag nicht durchkommen, muß ich über Ihren Vertagungsantrag abstimmen lassen.
Zunächst lasse ich über den Antrag Dr. Mende abstimmen, die Debatte jetzt zum Abschluß zu bringen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den zweiten Antrag - des Herrn Abgeordneten Rasner -, die Sitzung bis 15 Uhr zu vertagen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({5})
Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer für Vertagung auf 15 Uhr ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Kollegen im Präsidium und ich können das nicht entscheiden, also stimmen wir im Hammelsprung ab.
({6})
Meine Damen und Herren, ich mache nochmals darauf .aufmerksam, daß zur Abstimmung der Antrag des Abgeordneten Rasner steht, die Sitzung bis um 15 Uhr zu unterbrechen!
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Für die Vertagung .der Aussprache haben 169 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein haben 196 Mitglieder des Hauses gestimmt; .enthalten haben sich 3. Die Aussprache geht weiter.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaksch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler und :der Herr Bundesinnenminister 'haben die Erklärung des Kollegen Ritzel in einer Weise kommentiert, die vor diesem Hohen Hause und vor dem Lande draußen die Motive der Erklärung ides Kollegen Ritzel und die Motive unserer Anfragen in der heutigen Sitzung in Zweifel stellen könnte. In diesem Stadium der Diskussion sollte der Herr Bundeskanzler und sollten die Kollegen von den Unionsparteien zur Kenntnis nehmen, daß sie es (bei den sozialdemokratischen Mitgliedern auf den Bänken dieses Hauses mit einer Partei zu tun haben, die für ihr Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit Legionen von Märtyrern geopfert hat
({0})
und deren Bekenntnis zur Demokratie mit Blut und Tränen geschrieben ist.
({1})
Herr Bundeskanzler, in den sozialdemokratischen Bänken sitzen Männer, die von den Schengen eines Unrechtsstaaates ihrer Freiheit beraubt,
({2})
die geschlagen, gefoltert, in Gefängnisse geschleppt worden sind.
({3})
Verstehen Sie die Motive dieser Männer, daß sie auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit bleiben wollen!
({4})
Sie haben es bei den Kollegen von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit einer Partei zu tun,
({5})
deren seinerzeitiger Vorsitzender Otto Wels dem triumphierenden Hitler in der Krolloper zugerufen hat: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre nicht."
({6})
Biner der Männer, die damals den Mut hatten, in der Krolloper gegen das Ermächtigungsgesetz zu stimmen, war der Kollege Ritzel.
({7})
Darum möchte ich Sie an die Worte von Otto Wels erinnern: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre nicht."
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Wacher.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erler hat, wie andere auch, Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit angemeldet. Er folgt damit auch Herrn Ritzel. Sie werden es mir nachsehen, wenn. ich Ihnen sage, daß ich aus dieser Debatte den Eindruck bekommen habe, daß Ihnen, meine Herren van der Sozialdemokratie, die Randerscheinungen bei diesem Verfahren viel wichtiger sind als der Landesverrat selbst.
({0})
Ich gebe Ihnen zu, daß Sie sich auch mit dem Landesverrat hier beschäftigt haben, aber - verzeihen Sie mir -: immer nur dann, wenn Sie gleichzeitig damit Verdächtigungen gegen unsere Bundesminister, Staatssekretäre und Beamten ausgestoßen haben.
({1})
Ich bin der Meinung, Sie verschieben hier etwas die Gewichte. Es geht hier an erster Stelle um den schändlichen Landesverrat,
({2})
und daß Sie diesen zurückstellen - oder zumindest den Eindruck erwecken -, das muß uns erregen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wenn ich bitten darf, am Ende. - Sie 'haben heute Verdächtigungen ausgesprochen. Dann müssen .Sie sich aber Jauch gefallen lassen, daß Sie verdächtigt werden,
({0})
wenn Sie, auch verdeckt, den Eindruck erweckt haben, daß Sie für Ihren Genossen Schmelz, den verhafteten Spiegelredakteur, hier allzu stark eintreten, von dem ich gehört habe, daß er immerhin Mitglied Ihres Sicherheitsausschusses sein soll.
({1})
Sie machen, meine Herren von der Sozialdemokratie, sich verdächtig, allzu stark für den „Spiegel" Partei zu ergreifen. Sie brauchen sich deshalb gar nicht zu wundern, wenn Sie heute hier und da aus unseren Reihen als „Spiegel-Partei" bezeichnet wurden.
({2})
Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob nicht auch wir - und ich - Berechtigung haben, empört zu sein.
({3})
Ich frage Sie, ob ich nicht auch die Berechtigung hätte, empört zu sein. Wenn ich Herrn Hermsdorf richtig verstanden habe, - -({4})
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, einen Augenblick zu pausieren. - Herr Abgeordneter Wehner, was haben Sie vorhin dem Abgeordneten Wacher zugerufen?
({0})
Sie haben nicht „Rechner" gesagt, Herr Wehner.
({0})
Herr Wehner, Sie irren sich über eine Minute, - wie oft mögen Sie sich über Stunden und Jahre geirrt haben?!
({1})
Ich darf folgendes sagen, da ich auch einige Berechtigung habe, empört zu sein. Wenn ich Herrn Hermsdorf recht verstanden habe, hat er die CDU als eine „Partei der Neofaschisten" bezeichnet. Meine Damen und Herren, das ist eine unerhörte Verdächtigung, die ich mit aller Deutlichkeit zurückweisen muß.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kostprobe, die wir soeben hier genießen durften, hat einen Einblick in die Art und Weise gegeben,
({0})
mit der künftig und sicher von Stund an auch im bayerischen Landtagswahlkampf von der CDU/CSU operiert werden dürfte.
Ich möchte Sie in aller Bescheidenheit auf eins aufmerksam machen. Wer einer Partei wie der deutschen Sozialdemokratie - wie hier geschehen - das nun in Jahrzehnten entstandene, sorgsam gehegte Brandmal der Solidarität mit Landesverrätern erneut aufbrennen will
({1})
und damit den Versuch unternimmt, einen Trennungsstrich zu ziehen zwischen dieser Sozialdemokratischen Partei und eben jenem Staat und jenem
Volk, das die gegenwärtigen internationalen Krisen wohl nur dann bestehen kann, wenn wir in den Lebensfragen zusammenrücken,
({2})
der leistet unserem Volke einen Bärendienst. ({3})
Wer den Verteidigungswillen der Sozialdemokratischen Partei und damit auch die Ernsthaftigkeit des Willens, diesen Staat - den sie ja mitgeschaffen hat; das Grundgesetz ist von der CSU abgelehnt, aber von uns mitbeschlossen worden ({4})
zu schützen, permanent in Zweifel zieht, der - nun bleibe ich einmal in Ihrer Sprache - erweckt bei den Herren Ulbricht und Chruschtschow die Illusion, daß in der Stunde der Not nicht das ganze deutsche Volk seine Freiheit zu schützen entschlossen ist, und ermuntert damit durch diesen Illusionsakt drüben gefährliche Abenteuer der anderen Seite.
({5})
Zur Debatte steht nicht eine Zeitschrift, mit der mancher von uns schon seinen Kleinkrieg gehabt hat; ich auch. Das steht überhaupt nicht zur Diskussion. Zur Diskussion steht auch nicht - da halten wir es mit dem Kanzler in seiner Theorie; in der Praxis hat er leider dagegen verstoßen - eine Wertung des behaupteten und möglicherweise dann zu beweisenden Sachverhalts des Landesverrats. Das bleibt Sache der Justiz. Das fällt überhaupt nicht in die Zuständigkeit des Bundestages.
({6})
Was aber in die Zuständigkeit des Bundestages fällt, ist die Kontrolle der Regierungstätigkeit.
({7})
Da hat es in dieser Sache nach dem Eingeständnis des Sprechers der Bundesregierung von Hase eben nicht nur Ungeschicklichkeiten, sondern auch Verfahrensmängel gegeben.
({8})
- Entschuldigen Sie, - ({9})
- Wollen Sie denn diese Dinge völlig ungeklärt lassen
({10}) angesichts der Erregung in unserem Volke?
({11})
- Anscheinend lesen Sie keine Zeitungen. Das sind doch Ihre eigenen! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" wird doch nicht von der Sozialdemokratischen Partei finanziert!
({12})
Darf ich Ihnen hier - wenn Sie das unbedingt wissen wollen - aus der „Frankfurter Allgemeinen", die nicht ,das Hofblatt der SPD, sondern politisch eher woanders beheimatet ist, einfach einen Satz vorlesen, damit Sie einmal merken, welche Sorgen ganz andere Leute haben als wir. Da heißt es: „Die unerklärliche" - und bis heute ist ,das immer noch unerklärlich - „Verhaftung des Spiegel-Redakteurs Ahlers in Malaga - -"
({13})
- Ja, ein Haftbefehl. Aber die Art und Weise der Vollstreckung im Ausland ist doch auch ein Problem. Da dürfen auch Sie ,sich nicht über Abkommen hinwegsetzen. Dann hätte man mit Herrn Ahlers darüber sprechen können, daß er sich tatsächlich hier gestellt hätte, wie es Herr Schmelz getan hat.
({14})
Es heißt also da:
Die unerklärliche Verhaftung des „Spiegel"Redakteurs Ahlers in Malaga ;setzt die deutsche Vertretung in Madrid in ein Licht, das sie fast so unmanierlich erscheinen läßt wie jene Botschaften des Sowjet-Imperiums, die auch im Ausland die Finger nicht von den Landsleuten lassen können.
({15})
Meine Damen und Herren, das ist keine sozialdemokratische Pressestimme. Eine derart harte Aussage. haben Sie von uns heute überhaupt nicht vernommen. Wir haben ,gefragt, und ,die Regierung hat einen großen Teil der Fragen ausweichend beantwortet. Das ist der Sachverhalt.
({16})
Was würden Sie sagen, Herr Wacher, wenn ich unter diesen Uniständen sagte, nachdem Sie uns so liebenswürdig apostrophiert haben: Ihre Partei ist die Partei, bei der man sich eben nach diesem Ausspruch leider auf Willkür einrichten muß, noch dazu gestützt und getragen von der Zustimmung sogar der Bundestagsfraktion, wenn Sie so fortfahren!?
({17})
Der Herr Bundeskanzler sagte hier: Alles in bester Ordnung! - Es war nicht in bester Ordnung, sonst hätte es doch nicht die Beinahe-Regierungskrise gegeben. Er sagt: Alles ist in bester Ordnung, und sagt jetzt plötzlich: Mein Name ist Hase; ich weiß von nichts. Der andere wirkliche Hase hat nicht alles in bester Ordnung befunden und hat nicht etwa gesagt: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts ; sondern er hat von mehr als Ungeschicklichkeiten gesprochen. Soll der jetzt vielleicht auch in 'die Wüste geschickt werden, weil er seinerzeit der Presse in diesem Punkt zuviel gesagt hat?
Meine Damen und Herren, die Hauptsache: die Untersuchung soll unbehindert weitergehen.
({18})
Das ist selbstverständlich. Aber bei !dieser Untersuchung und bei dem Verfahren - dabei bleiben wir - müssen auch jene Behörden, die den Landesverrat verfolgen, sich nach Gesetz und Grundgesetz richten.
({19})
Wo ,das Parlament hier Anlaß zur Sorge hat, ist es aufgerufen zu fragen. Da können Sie uns doch nicht mit zweierlei Maß behandeln. Kollege Mende stellt sich hier hin und sagt: Ja, das muß in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß geklärt werden. Kollege Güde hat neulich gesagt, derartige Dinge könne man gar nicht in ,einem Untersuchungsausschuß behandeln, so etwas müsse im Plenum des Bundestages mit den ,diesem sonst zur Verfügung stehenden Methoden der parlamentarischen Kontrolle gemacht werden. Jetzt richten wir uns nach dem Kollegen Güde, nun ist das auch wieder nicht recht.
({20})
Die Fragestunde ist nicht dazu da, sich lediglich gegenseitig das Wohlwollen zu bescheinigen, sondern vielmehr, Klarheit zu schaffen in Tatbeständen, die der Aufklärung bedürfen.
Noch ein letztes Wort. Kollege Mende hat - und ich hoffe, daß er damit auch für die gesamte Regierungskoalition gesprochen hat - ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich niemand in diesem Hause schützend vor Landesverräter stelle. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß die Feststellung, wo Landesverrat vorliege, eben Sache der Gerichte sei. Dann sprach er von der Pressefreiheit, von der Notwendigkeit, daß die Presse sich auch in einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Gesellschaft ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwohl bewußt sein müsse. Den Satz unterschreibe ich. Deswegen habe ich eine Frage sehr neutraler Art, die morgen behandelt wird, an den Bundesverteidigungsminister gestellt, damit vielleicht endlich einmal ein Gespräch in Gang kommt, wie man die heiklen Verteidigungsfragen so behandeln kann, daß nicht nur die auf der Regierungslinie liegenden Journalisten mit entsprechenden Materialien - auch geheimen Charakters - versorgt werden, um Propaganda für eine bestimmte Konzeption zu machen,
({21})
während andere von dieser Form der Information ausgeschlossen werden.
({22})
Da muß ein ordentliches, in allen westlichen Ländern sonst übliches Verfahren entwickelt werden, wie man die Presse auch dort, wo sie eine andere Gesinnung als die Regierungspartei vertritt, mit ins Vertrauen ziehen kann.
({23})
Das ist eine wichtige Aufgabe, meine Damen und Herren, völlig losgelöst von der aktuellen „Spiegel"-Frage. Denn dies ist wirklich ein Mangel in unserer Presse, daß wir im Unterschied zu anderen westlichen Ländern keine sinnvoll fundierte, ernsthafte Diskussion der Verteidigungsprobleme, die etwas weiter reicht als das Schlagwort des Tages, haben. Es gibt nur wenige Ansätze, und die sollten wir entwickeln. Denn Souverän ist der Bürger. Wie soll der Bürger - bei aller Notwendigkeit, bestimmte Details geheimzuhalten; das weiß ich auch -, wie soll der Bürger, der unser Souverän ist, der uns hierhergeschickt hat, dessen Vorgesetzte wir nicht sind, sondern der unser Oberer ist, sich ein einwandfreies Bild machen können, wenn nicht die Prinzipien, die dabei erörtert werden, mit einem hinreichenden Maß an Sachkunde ihm nahegebracht werden können? Ein weiteres wichtiges Problem!
Meine Damen und Herren, um aber nochmals von der Gebundenheit der Presse zu sprechen: Die Bindung der Regierungs- und Staatstätigkeit auch bei der Verfolgung strafbarer Handlungen an Gesetz und Recht muß über jeden Zweifel erhaben bleiben. Das muß unsere Sorge sein. Solche Zweifel können Sie doch nicht dadurch beseitigen, daß Sie nach den Prinzipien der Gesundbeterei verkünden, es sei alles in Ordnung, sondern dann muß dort, wo sich im Volk Zweifel regt - und nehmen Sie bitte zur Kenntnis: dieser Zweifel regte sich nicht nur in unseren Bänken, sondern der regte sich auch noch bei ganz anderen Leuten; die Durchsicht der Zeitungen sollte Ihnen das auch zeigen -, das Parlament klarstellen, muß entweder klarmachen lassen, wo es in Ordnung ist, oder muß für Abhilfe in Zukunft sorgen, wo es nicht in Ordnung ist. Dann erst haben wir unsere Aufgabe wirklich gelöst. Man schaut draußen in der Welt nicht nur darauf, ob die Bundesrepublik Deutschland ein militärisch zuverlässiger Verbündeter ist - dies ist die eine Seite der Sache -, sondern ob sie außerdem auch im Innern eine vom ganzen Volk getragene freiheitlich-rechtsstaatliche Ordnung hat, die von niemandem - von hoch und niedrig nicht - erschüttert werden kann, ohne daß ihm das Parlament auch nur bei dem geringsten Ansatz in dieser Richtung warnend in den Weg tritt. Das ist unsere Aufgabe.
({24})
So haben wir sie immer aufgefaßt, nicht nur wenn es um Verfahren ging wie dieses. Ich könnte dem Gedächtnis des Herrn Bundesinnenministers nachhelfen und eine lange, lange Reihe von sozialdemokratischen Vorstößen, Vorlagen, Abstimmungen in diesem Hause, bei denen es um die Sicherung und den Ausbau der rechtsstaatlichen Ordnung dieses Staates nach allen Richtungen hin ging, vortragen.
Deswegen ging es bei der heutigen Debatte und geht es bei der Fortsetzung der Fragestunde morgen eben um dieses Problem, nicht um das, über das die Justiz zu entscheiden hat; da wird sich die Regierung und werden auch wir uns nicht einmischen dürfen. Für die Widerlegung der Behauptung, es handele sich um Randerscheinungen- Sie glaubten doch die Sache als „Randerscheinungen" abtun zu können -, haben Sie doch selbst gesorgt; sonst wäre nicht dieses Haus in dieser Frage so lange beieinander, um zu diskutieren. Das tun wir nicht über bloße Randerscheinungen, sondern weil die Sicherung und die Festigung unserer demokratiErler
sehen Einrichtungen auch im Innern - und nicht nur gegen Landesverräter - eine gemeinsame Sorge dieses Hohen Hauses sein müssen.
({25})
Das Wort hat der Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Erler hat eine außerordentlich geschickte Art, abzulenken von dem, was eigentlich der Kern unserer ganzen Auseinandersetzung hier war, und in Gedankengänge zu führen, in denen wir gemeinsamer Ansicht sind. Ich darf doch in aller Ruhe feststellen, wodurch denn diese. Debatte ausgelöst worden ist. Sie ist dadurch ausgelöst worden, daß Herr Abgeordneter Ritzel namens der sozialdemokratischen Fraktion eine Erklärung verlesen hat.
({0})
- Aber, meine Herren, Sie werden sich doch nicht von Herrn Ritzel distanzieren!
({1})
- Also ist es doch eine Erklärung, die Herr Ritzel entweder namens der Sozialdemokratischen Fraktion abgegeben hat oder der diese beitritt.
({2})
Woran ich mich wirklich so gestoßen und innerlich empört halbe, das sind zwei Sätze darin, die nun (bei dem Hin und Her vielleicht verlorengehen. Ich möchte sie noch einmal vorlesen. - Aber ertragen Sie mich, meine Herren. Wir sind im selben Parlament. Ich muß Sie ja auch ertragen. - Sehen Sie, da steht der Satz drin, daß sich die Fragen „einzig und allein auf die der Aufklärung bedürftigen Vorgänge in bezug auf das Verhalten von Ministern, Staatssekretären und des Bundeskriminalamts bei Durchführung des erteilten Befehls auf Haussuchung und Beschlagnahme von belastendem Material" beziehen. Das ist der eine Satz. Nun ist kein Minister dabei beteiligt mit Ausnahme - ({3})
- Meine Damen und Herren, wollen wir uns nicht gegenseitig ertragen? Es wird soviel leichter dadurch. - Und es war kein 'Staatssekretär bei der Haussuchung und bei der Beschlagnahme beteiligt.
({4})
- Ja, meine Herren, ich kann das nur feststellen. Das Bundeskriminalamt war dabei beteiligt. Der Bundesanwalt hat gestern in der Pressekonferenz erklärt, ein aktiver Oberst der Bundeswehr habe schon am 18. Oktober Augstein und die Redaktion benachrichtigt, daß ein Verfahren wegen Landesverrats gegen sie eingeleitet sei. Ich glaube nicht, daß nun die so Benachrichtigten und Gewarnten ihre ganzen Papiere da haben liegen lassen. Das glaube
ich nicht. Deswegen, so hat der Bundesanwalt gesagt, dauert diese Untersuchung so lange und muß so sorgfältig geführt werden, damit wir die Wahrheit ermitteln. Da kann man doch wirklich keinem einen Vorwurf draus machen.
Aber dann kommt noch ein zweiter Satz, den Herr Ritzel vielleicht in der Eile, mit der er das geschrieben hat, wohl gar nicht so beachtet hat. Er hat in dem Schlußpassus folgendes einander gegenübergestellt:
Der Schutz gegen Landesverrat soll unser Volk vor fremder Macht und fremder Willkür schützen. Es muß dann aber auch dabei bleiben, daß der Staatsbürger gegen Willkür im eigenen Lande geschützt wird.
({5})
- Wenn das „sehr richtig" ist - und es ist auch richtig -, dann braucht das doch nicht hier gesagt zu werden. Es braucht doch nicht gesagt zu werden: „Es muß dann aber auch . . ."
({6})
Sehen Sie, meine Herren, da habe ich mich allerdings verpflichtet gefühlt - und ich glaube, ich hatte diese Pflicht -, hier hinzutreten und mich vor alle die Beamten zu stellen, die an diese außerordentlich unangenehme und schwere Aufgabe mit Tatkraft herangegangen sind.
({7})
Ich glaube, meine Damen und Herren, ich würde meine Pflicht nicht erfüllt haben, wenn ich das nicht getan hätte; und das mußte ich tun einem inneren Gebote der Gerechtigkeit zuliebe, meine Damen und Herren. Ich habe nie daran gedacht, Ihrer Partei etwa einen Vorwurf zu machen, daß sie mit einem Landesverräter sympathisiere. Habe ich nie dran gedacht! Aber sehen Sie, in der Person Augstein sind zwei Komplexe drin. Auf der einen - ({8})
- Ja, warten Sie doch einmal ab, meine Herren. Auf der einen Seite verdient er am Landesverrat; und das finde ich einfach gemein.
({9})
Und zweitens, meine Damen und Herren, verdient er an allgemeiner Hetze auch gegen die Koalitionsparteien; und das gefällt Ihnen, wie Sie nicht bestreiten können.
({10})
Sie werden - also ich konzediere Ihnen das ohne weiteres, meine Herren, der ganzen sozialdemokratischen Fraktion - ebenso wie ich überrascht worden sein, daß man Augstein Landesverrat vorwerfen konnte. Ich war davon überrascht. - Ich lese
übrigens den „Spiegel" im allgemeinen nicht, möchte ich hier bemerken,
({11}) ich habe Besseres zu tun. ({12})
Aber sehen Sie mal, meine Herren ich bin der Auffassung: daß Sie genauso gut wie ich wollen, daß
Gerechtigkeit herrscht, glaube ich Ihnen absolut.
({13})
Aber dann müssen Sie sich doch bitte auch - das gehört auch dazu - in die Lage der Beamten und der Richter versetzen, die mit dieser ungemein schwierigen Aufgabe betraut sind. Und der Satz, daß man sich in schwebende Verfahren nicht einmischen soll - warum steht der richtig über allen in jedem Rechtsstaat? Weil, meine Damen und Herren, ein solcher Beamter doch auch ein Mensch ist; und wenn er nun vor eine so schwierige Aufgabe gestellt ist, dann muß man ihn in Ruhe lassen und mit seinem Gewissen in Ruhe lassen, damit er fertig wird.
({14})
Aber ich halte es nicht für richtig, daß solche Gegenüberstellungen gemacht werden: hier der Landesverräter, hier das Volk, das geschützt werden muß. Meine Herren, das gibt zu Mißdeutungen Anlaß.
({15})
Das gibt zu Mißdeutungen Anlaß. Und dann hat einer von Ihnen, meine Herren, nachher noch etwas gesagt - er hat es offenbar nicht schriftlich vor sich, ich habe es mir aber aufgeschrieben -, daß Sie getrieben seien von Sorge um die Methoden, mit denen hier gearbeitet worden ist.
({16})
- Meine Herren, woher wissen Sie das denn?
({17})
Ich meine: halten Sie doch mit dem Urteil zurück und warten Sie, - ({18})
- Herr Mommer, ich nehme ohne weiteres an - und da spricht doch eine Vermutung dafür -, daß der betreffende Richter des Bundesgerichts auf Grund des Materials, das ihm vom Bundesanwalt vorgelegt wird, nach bestem Wissen und Gewissen handelt
({19})
- das nehme ich doch an -, wenn er den Haftbefehl erläßt.
({20})
- Meine Herren, ich komme gleich auf Malaga zurück. Ich muß Ihnen sagen: Mir wäre es viel lieber, wenn wir herausbekämen,
({21})
wer diese landesverräterischen Informationen dem Verlag gegeben hat.
({22})
Darauf kommt es mir an, das ist das Wesentliche für mich.
Gott, was ist mir schließlich Augstein! Der Mann hat Geld verdient auf seine Weise. Es gibt Kreise, die ihm dabei geholfen haben, indem sie den Spiegel abonniert haben und indem sie Annoncen hineingesetzt haben. Die Leute stehen nicht sehr hoch in meiner Achtung, die ihm soviel Annoncen gegeben haben.
({23})
Aber er hat viel Geld verdient, er hat sehr viel Geld verdient. Das ist für meinen Begriff auch kein Maßstab für seine sittliche Größe; ich kann mir nicht helfen.
({24})
Ich fahre also fort: Die Richter des Bundesgerichts sind doch Leute, die unsere Achtung und unser Vertrauen verdienen.
({25})
Auch die Leute in der Bundesanwaltschaft verdienen unsere Achtung und unser Vertrauen.
({26})
Sie haben zusammengearbeitet und sind zusammen zu derselben Meinung gekommen, daß hier ein wirklicher Verdacht eines schweren Landesverrats vorliege. Lesen Sie doch bitte durch, was gestern der Bundesanwalt gesagt hat. Ich möchte durch mein Auftreten verhüten, daß auch die Beamten des Landeskriminalamtes jetzt Sorgen bekommen und sagen: Halte dich zurück, du kannst in große Unannehmlichkeiten kommen.
({27})
Es sind doch alles Menschen; das muß man doch immer berücksichtigen. Davor wollte ich sie schützen und schütze ich sie weiter. Warten wir ab, was da nun geschehen ist.
Und nun Malaga! Auch gegen den Herrn Ahlers hatte die zuständige Stelle des Bundesgerichts Haftbefehl erlassen wegen des Verdachtes, er habe ein Verbrechen begangen, sogar ein Verbrechen von besonderer Abscheulichkeit: Landesverrat. Das hatte das Bundesgericht getan. Nun war der zufällig in Malaga. Ich habe soeben gehört, daß auch die Rede von Tanger gewesen ist. Holen Sie bitte mal einen aus Tanger raus! Ich wüßte nicht, wie wir das machen sollten.
({28})
Wenn der Herr Ahlers in Deutschland gewesen wäre und er wäre verhaftet worden, dann könnte kein Mensch etwas dagegen sagen.
({29})
Er war zufällig in Spanien, und da hat ihn dasselbe Mißgeschick getroffen.
({30})
Nun, wir wollen prüfen: sind da irgendwelche Bestimmungen verletzt worden. Ich weiß es nicht.
({31})
- Ach, Herr Wehner, nein, ich beschuldige nicht von vornherein.
({32})
- Nein, ich habe doch nicht gesagt, daß ich etwas entschuldige, sondern ich habe gesagt: Dann wollen wir das in Ruhe untersuchen. Das habe ich gesagt.
({33})
Dabei bleibe ich auch. Aber ob der Mann, gegen den das Bundesgericht wegen des Verdachts eines so schweren Verbrechens einen Haftbefehl erläßt, nun in Malaga oder ob er in Hamburg verhaftet wird, darüber rege ich mich nicht auf.
({34})
Und nun habe ich noch eine Bitte an Sie, meine Damen und Herren, speziell auch eine Bitte an Sie von der Opposition. Nächsten Dienstag fliege ich auf Einladung des Präsidenten Kennedy nach Washington. Ich bleibe zwei Tage da, und es sind sehr enge Besprechungen zwischen dem Präsidenten Kennedy und mir vorgesehen, bei denen es sich natürlich in erster Linie um Berlin und um die Zone, um deutsche Fragen, handelt, aber auch ganz allgemein um weltpolitische Fragen. Was mir so unangenehm ist, ist, daß von gewissen Artikeln in Zeitungen daran kann ich nun nicht vorbeigehen - der Anschein hervorgerufen wird, als wenn wir hier Gestapo-Methoden anwendeten.
({35})
Meine Herren, ich kenne Gestapo-Methoden. ({36})
Ich bin zweimal verhaftet worden.
({37})
- Na ja, ich hätte beinahegesagt, ich freue mich, daß wir diese Erfahrung gemeinsam haben.
({38})
Wenn man dann aber in der amerikanischen Presse und 'anderswo - ich habe es soeben wieder gelesen - so glaubt, 'dieses Deutschland hat im Grunde doch Methoden, die an die frühere Zeit erinnern, dann ist das - das sage ich Ihnen - für die Sache, die wir gemeinsam vertreten, nicht gut.
({39})
- Meine Herren, ich wäre beinahe fertig, wenn Ihre Zwischenrufe nicht immer kämen. Sie sind früher erlöst, wenn Sie keine .Zwischenrufe machen.
Wenn da Verfahrensmängel vorgekommen sind,
- das wird geprüft werden. Aber lassen wir doch nicht den Eindruck aufkommen, als wenn hier in diesem unserem Deutschland, das - da haben Sie vollkommen recht, Herr Erler - die Sozialdemokratische Partei mitgeschaffen hat, Gestapo-Methoden herrschten.
({40})
Und das tun sie nicht, meine Damen und Herren. ({41})
Wenn irgendwo ein Beamter einen Fehler begangen hat, wollen wir das in aller Ruhe nachprüfen und wollen das korrigieren.
({42})
Aber lassen wir nicht - ich wiederhole die Bitte - aus Anlaß der Verhaftung von Männern, von denen das Bundesgericht der Auffassung ist, daß sie auf Grund des vorliegenden Materials dringend eines Verbrechens verdächtig sind, lassen wir nicht in diesem Zusammenhang die Frage „Fehler, Fehler, Fehler, Verfahrensfehler" hochkommen! Wir schädigen die deutsche Sache in der ganzen Welt.
({43})
Das Wort hat der Abgeordnete Döring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Mende hat vorhin erklärt, daß es notwendig sei, auf rechtsstaatliche Prinzipien insbesondere dann schärfstens zu achten, wenn es sich uni ein umstrittenes Objekt handelt. Meine Damen unid Herren, der Herr Bundeskanzler hat - ich glaube, nicht er allein -, verschiedene Herren haben heute morgen hier bekräftigt, man dürfe sich nicht in ein schwebendes Verfahren einmischen. Aber mit den Ausführungen, die heute morgen gemacht warden sind, hat man sich - daran gibt es gar keinen Zweifel - zum Teil permanent in ein schwebendes Verfahren eingemischt.
({0})
Der Herr Bundeskanzler hat hier gesagt, daß die Verhaftung dieses oder jenes Mannes bereits als Beweis für diese oder für jene Sache gelten könne. Ich glaube, Herr Bundeskanzler, es wäre im Zuge der Untersuchung vielleicht der Aufklärung wert, welcher Nachrichtendienst der Bundesrepublik es für zweckmäßig gehalten hat, mit dem „Spiegel" zu arbeiten, und welcher es für zweckmäßig gehalten hat, gegen ihn zu arbeiten.
({1})
Herr Bundeskanzler, es fällt mir sehr schwer, das zu sagen, was zu sagen ich mich jetzt für verpflichtet halte. Ich glaube, ich brauche in diesem Hause niemandem zu sagen, daß ich mit Herrn Augstein seit Jahren befreundet bin. Ich glaube, ich brauche in diesem Hause auch niemandem zu sagen, daß es niemand mehr bedauern würde als ich selbst, wenn nach Recht und Gesetz der objektive Tatbestand des Landesverrats in diesem Falle festgestellt werden könnte.
Aber, Herr Bundeskanzler, ich bin es nicht nur meinem Freunde, sondern auch dem Staatsbürger Augstein und allen anderen schuldig, dagegen zu protestieren, daß Sie hier sagen: Herr Augstein ver1996
Döring ({2})
dient tam Landesverrat. Dann haben Sie als erster hier ein Urteil gefällt, das zu fällen nur dem Gericht zusteht.
({3})
Herr Bundeskanzler, ich weiß, was ich sage. Ich bin nicht bereit- und das ist keine koalitionspolitische Frage -, unwidersprochen hinzunehmen, daß letztlich durch eine ganz bestimmte Stimmungsentwicklung, gleichgültig wer sie bewirkt, Leute verurteilt sind, bevor sie überhaupt jemals einen Gerichtssaal gesehen haben.
({4})
- Ich nehme im Augenblick keine Fragen an.
Ich bin heute noch nicht bereit, hier darüber zu sprechen, welche Bemühungen ich persönlich angestellt habe, um einen auch mir unerträglich erscheinenden Kampf zwischen zwei Institutionen abzumildern der beseitigen zu helfen. Ich werde vielleicht gezwungen sein, eines Tages hier darüber zu sprechen.
Aber sich sage Ihnen eines: Sowenig wie ich bereit bin, mich vor irgendeine gerichtlich bekräftigte Verfehlung meines Freundes Augstein oder seiner Redakteure zu stellen, ,so sehr fühle ich mich ,gezwungen, auch als Angehöriger dieser Koalition zu sagen, was an dem Tage, an dem ,der Verdacht aufkam oder gerechtfertigt erschien, es sei nicht alles ganz Rechtens zugegangen, viele Menschen bewegt hat, u. a. einen Menschen, der mir am nächsten steht: meine eigene Frau, von deren 26 Familienmitgliedern 22 in deutschen Konzentrationslagern umgekommen sind, eine Frau, der es schwergefallen ist, nach Deutschland zurückzukommen, der ich mich wochen- und monatelang bemüht habe klarzumachen, daß alle ihre Sorgen und Zweifel, die sie vielleicht hier oder da haben könnte, unberechtigt sind, die mich fragt: Ist es möglich, daß, wenn nur ein Verdacht besteht, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, irgendwo eine Hemmung besteht, diesen Verdacht aufzuklären?
Meine Damen und Herren, ich beschwöre jetzt meine eigenen Koalitionsfreunde: Erwecken wir doch nicht einen Eindruck, es gehe hier etwa um eine koalitionspolitische oder machtpolitische Frage! Leisen Sie die Auslandszeitungen!
({5})
Wir haben alle gemeinsam Grund, dafür zu sorgen, daß nicht die Spur eines Verdachts an uns allen hängen bleibt.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Meine Damen und Herren, bevor ich das sage, was ich noch zu sagen habe - es ist nicht mehr viel nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Döring -, möchte ich meiner
Bewunderung für den staatsbürgerlichen Mut des Herrn Kollegen Döring Ausdruck geben.
({0})
Meine Damen und Herren, ich will mich befleißigen, mit derselben Ruhe zu sprechen, die der Herr Bundeskanzler sich hat angelegen sein lassen. Ich glaube, wenn wir in ,der Sache überlegen, wo denn die Unterschiede sind, dann finden wir es außerordentlich einfach in der Gegenüberstellung, daß der Herr Bundeskanzler so in seiner plaudernden Art sagt: Ob denn nun der Herr Ahlers in Malaga oder ob er in Hamburg verhaftet wird, was macht das denn für einen Unterschied!, während Herr Döring sagt: Das ist mein Freund, und solange ein Mensch bei uns im Rechtsstaat nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, hat er volle Menschen- und Bürgerrechte und ist gleich vor dem Gesetz wie jeder andere! Sehen Sie, das ist einfach die Spannung, weil hier nämlich die Auffassung vertreten wird: auf das Wie, auf die Methode kommt es gar nicht an. Als ob der Zweck die Mittel heiligte!
({1})
Nach unserer Auffassung bedarf ein demokratischer Rechtsstaat, ein parlamentarisch-sozial regierter Staat des besonderen Schutzes, des besonderen Schutzes auch ganz selbstverständlich vor dem so schweren, niederträchtigen und einem der schändlichsten Verbrechen, wie es der Landesverrat ist. Aber die Demokratie braucht deshalb besonderen Schutz, weil sie einmal für uns einen besonderen Wert darstellt, weil sie liebenswert ist um dessentwillen, was sie uns an Gütern bringt. Sie bedarf des besonderen Schutzes auch deshalb, weil nämlich die Demokratie, anders als autoritäre und totalitäre Staaten, sich nur auf rechtsstaatliche Weise verteidigen kann. Das ist eine Schwäche - das ist aber eine Schwäche, auf die wir stolz sind -, daß sie sich nicht anders als auf rechtsstaatliche Weise verteidigen kann.
({2})
Wenn wir uns auf rechtsstaatliche Weise verteidigen, dann bildet es sehr wohl einen Unterschied, ob jemand in Malaga unter Verstoß gegen internationale Abreden oder auf sonst dunkle und zweifelhafte Weise seiner Freiheit beraubt worden ist oder ob er hier auf unserem Boden nach einem Haftbefehl eines Richters festgenommen worden ist. Das ist eine Frage der Rechtsstaatlichkeit, die nicht nur Begleiterscheinung oder Randerscheinung ist.
Der Herr Bundeskanzler hat vorhin in seinen Ausführungen gesagt - ich will mich bestreben, auch so ruhig zu bleiben, obgleich man sich manchmal darüber erregen könnte -, es sei für unsere Sache doch nicht gut, wenn im Ausland der Eindruck entstanden sei, als ob hier wieder Methoden früherer, vergangener Zeiten zur Anwendung gekommen seien. Nun, woher haben denn die „Times" und die „Time" - und ich kann Ihnen eine Fülle von Zeitungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, aus Großbritannien nennen, die „Times"
Dr. Arndt ({3})
voran, die gute alte Tante „Times", die bestimmt hier nicht Herrn Augstein zuliebe sein will -, die französische Presse, ihren Eindruck gewonnen? Doch nicht, weil wir heute hier Fragen stellen,
({4})
sondern weil aus Gründen, die die Bundesregierung zu verantworten hat, der Eindruck entstand.
Nun sagte der Herr Bundeskanzler: Untersuchen wir es doch in Ruhe! Na, meine Damen und Herren, was tun wir denn anderes, wenn wir Fragen stellen? Warum begrüßen Sie nicht unsere Fragen? Warum eilen Sie nicht herbei und beantworten die Fragen, statt daß Sie ausweichen?
({5})
Sehen Sie, dann hätte der Herr Bundeskanzler, wenn er jetzt zum Präsidenten Kennedy fährt, sagen können: Gut, da war in Deutschland eine gewisse Unruhe, die Menschen haben auf der Straße von Gestapo gesprochen.
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- So haben das westliche Zeitungen des Auslands geschrieben. Ich kann Ihnen das aus dem „Nachrichtenspiegel" - er heißt zufälligerweise auch „Spiegel" - der Bundesregierung vom 6. November vorlesen. Ich habe ihn zufällig nicht zur Hand, aber nehmen Sie ihn einmal zur Hand, diesen „Nachrichtenspiegel" Nr. II und lesen Sie nach, was darin über die Stimmung im Ausland und über ausländische Pressestimmen steht. Da habe ich gelesen - nun kann ich nicht mehr sagen, ob es „Le Monde" oder die „Times" oder „Time" geschrieben hat -, in Deutschland sprächen die Menschen auf der Straße von Gestapo. Lesen Sie doch die Dinge in der Presse statt bloß Ihre eigene Parteizeitung!
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Es muß doch unsere eigene Sorge, unser aller Sorge sein. Wenn so etwas im westlichen Ausland, in der freien Welt in der Zeitung steht, dann haben wir alle die gemeinsame Aufgabe, der westlichen Welt zu beweisen, daß es in diesem unserem Deutschland keine Gestapo-Methoden und keine derlei Dinge gibt.
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Dazu war heute die Fragestunde angetan, wo doch vieles hätte aufgeklärt werden können, aber nicht aufgeklärt worden ist.
Statt dessen hören wir nun: Seien Sie doch menschlich, das sind doch Beamte, vor die man sich stellen muß, man muß sich doch in die Lage der Beamten versetzen! - Na, versetzen Sie sich doch mal in die Lage des Staatssekretärs Strauß! Ist das kein Beamter, Herr Bundeskanzler?
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Das ist ja nicht bloß eine koalitionspolitische Frage mit einem seit dreizehn Jahren tätigen Staatssekretär, sondern es geht darum, daß der leider erkrankte Herr Justizminister Stammberger - und ich bin überzeugt, daß er erkrankt ist - gesagt hat: Ich kann infolge der Art der Unterrichtung die Verantwortung nicht tragen, für Dinge, die sich da ereignet zu haben scheinen. Das ist doch das, worum es geht.
Der Herr Bundeskanzler hat auch wieder den Eindruck zu erwecken versucht, als ob es um ein Bundesgericht gehe und irgend jemand in ein schwebendes Verfahren eingreifen wollte. Nun, der einzige Eingriff in ein schwebendes Verfahren ist, daß hier Herr Augstein schon als Landesverräter behandelt wird und daß alle die diffamiert werden, die im „Spiegel" inseriert haben. Offenbar ist dem Herrn Bundeskanzler entgangen, daß die Bundeswehr immer im „Spiegel" inseriert.
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Also das ist der einzige Eingriff in ein schwebendes Verfahren: daß hier Leute schon als abgeurteilt hingestellt werden, gegen die noch nicht einmal eine gerichtliche Voruntersuchung eröffnet ist. Wir haben gar keinen Anlaß, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen. Denn wir Sozialdemokraten haben hinreichendes Vertrauen, daß die Gerichte ohne Ansehen der Person ihres Amtes walten werden.
Aber wenn immer so getan wird, als ob die Bundesregierung das nichts anginge, so ist das einfach nicht richtig. Wer ist denn vorläufig in Aktion? Die Sicherungsgruppe, die zum Bundeskriminalamt gehört und hier in. Bonn ist. Das Bundeskriminalamt handelt als Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft. Infolgedessen ist die Bundesanwaltschaft für alles verantwortlich, was diese ihre Hilfsorgane tun.
Die Bundesanwaltschaft ist aber nicht, wie es der Herr Bundespressechef in der letzten Pressekonferenz hinzustellen beliebt hat, der einzige unkontrollierte und unkontrollierbare Souverän in Deutschland, sondern die Bundesanwaltschaft ist eine Behörde der Rechtspflege, deren Aufsicht der Bundesregierung, und zwar dem Herrn Bundesminister der Justizt, obliegt.
Wenn ich jetzt noch eine etwas härtere Bemerkung mache, so aus dem Grunde, daß auch mich hier einiges empört. Der Herr Bundeskanzler ist empört, und nun hat ja unsereiner auch das Recht dazu. Ich meine die Tatsache, daß hier die Dinge so auf die Beamten abgeschoben werden. Nein, weder die Beamten der Sicherungsgruppe noch die des Bundeskriminalamtes noch die Hilfsarbeiter der Bundesanwaltschaft noch die Bundesanwälte noch auch die in die Wüste geschickten Staatssekretäre können sich vor dem Bundestag verantworten. Vor dem Bundestag trägt die volle parlamentarische Verantwortung für alles, was hier an Verfolgungsmaßnahmen geschehen ist
({11})
denn es ist außer dem Haftbefehl Durchsuchungsbefehl - ({12})
- Entschuldigen Sie, das ist ein juristisch-technischer Ausdruck. Man spricht von Strafverfolgungsbehörden, und was hier vorliegt, ist ganz in technischem Sinne eine Verfolgungsmaßnahme. Darin liegt kein Soupçon. - Die Herren Juristen von der CDU nicken mir zu. Also bitte da keine Aufregung. - Alles, was bisher geschehen ist, ist - mit
Dr. Arndt ({13})
Ausnahme einiger weniger richterlicher Anordnungen - in der Verantwortung einer Behörde, die der Bundesregierung untersteht, und ob da etwas geschehen ist als Randerscheinung oder als Begleiterscheinung oder als eine noch viel schwerer wiegende Erscheinung, das hat die Bundesregierung vor dem Bundestag zu verantworten und vor allen Dingen zu beantworten. Und wenn es beantwortet würde, würden sich die Dinge wahrscheinlich unter Umständen lösen.
Aber man kann der Beantwortung nicht ausweichen, indem man hier immer wieder die Frage „Landesverrat" hochspielt. Das ist Sache der Gerichte. Man kann der Beantwortung und Verantwortung nicht ausweichen, indem man hier die Motive der parlamentarischen Opposition verdächtigt. Denn die tut nur das, was auch Sie tun sollten, wenn wir uns um diese Dinge kümmern, nämlich wir stellen uns vor die Verfassung.
({14})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndt hat gesagt, ich hätte erklärt, auf die Methode komme es nicht an. Das ist nicht wahr, Herr Arndt.
({0})
- Das ist nicht wahr. Bitte, lesen Sie das unkorrigierte Stenogramm! Ich habe es nicht da, aber ich weiß genau, was ich gesagt habe. Ich habe dann hinzugesetzt: wir wollen für sich untersuchen, ob irgendwelche Verstöße vorgekommen sind. Das habe ich gesagt.
({1})
Also bitte, sagen Sie nicht, ich hätte erklärt, auf die Methode käme es nicht an.
({2})
- Das stimmt nicht. - Aber, meine Damen und Herren, da haben wir ja noch Stenographen hier; lesen Sie doch das Stenogramm!
({3})
Ich weiß genau, daß ich gesagt habe: wir wollen das für sich untersuchen. Wenn ich gesagt habe „für sich untersuchen", dann meine ich damit, daß man nicht allmählich einen Nebel über alles schaffen soll. Dadurch wird ja gerade der schlechte Eindruck im Ausland hervorgerufen.
Aber nun möchte ich doch folgendes noch vorlesen, was anscheinend Ihnen weitgehend unbekannt ist. Herr Arndt hat gesagt: „die und die und die sind tätig gewesen, mit Ausnahme weniger richterlicher Anordnungen". Sehen Sie einmal, wie zart, Herr Arndt! Diese „wenigen richterlichen Anordnungen" sind die Haftbefehle, sind die Abweisungen der Beschwerde dagegen und sind der Durchsuchungsbefehl sowohl in Hamburg wie in Bonn. Das sind die „wenigen richterlichen Anordnungen"? Nein, das ist der Kern des Ganzen, Herr Arndt!
({4})
Und diese Durchsuchung! Ich will Ihnen das vorlesen, was gestern in der Pressekonferenz der Bundesanwalt Lösdau gesagt hat: „Aus den Unterlagen, die die Ermittlungsrichter bisher in den Redaktionsräumen des „Spiegel" im Hamburg und Bonn beschlagnahmt haben ...". Das nennen Sie „wenige richterliche Anordnungen" ! Sie sehen, die Durchsuchung kann ja überhaupt nur vorgenommen werden, wenn der Richter die Anordnung trifft, und hier hat der Richter, der Beauftragte des Bundesgerichts, selbst diese Durchsuchung der Redaktionsräume in Bonn und Hamburg vorgenommen.
({5})
- Nicht nur angeordnet, sondern auch vorgenommen hat er sie selbst.
Und was hat er gefunden? Das will ich Ihnen auch mal sagen, das scheinen Sie nicht so genau zu lesen:
Aus den Unterlagen, die die Ermittlungsrichter bisher in den Redaktionsräumen des „Spiegel" in Hamburg und Bonn beschlagnahmt haben, nannte die Bundesanwaltschaft vier Dokumente, deren Bekanntgabe zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Untersuchung nicht mehr gefährden könnte. Zunächst ein mehrseitiges Exposé, dessen Photokopie in einem Panzerschrank von Rudolf Augstein gefunden wurde und das Staatsgeheimnisse von hohem Rang über die Landesverteidigung enthält.
({6})
In dem Exposé ist ausdrücklich vermerkt, das es geheimzuhaltende Dinge enthält. Das scheint also dorthin geliefert worden zu sein. Ein Teil dieser geheimen Tatsachen sei im „Spiegel" publiziert worden.
Ich meine, meine Damen und Herren, bei solch gravierenden Dingen - - und ich kann Ihnen leider nicht noch mehr Einzelheiten sagen, ich darf es nicht, ich kenne sie auch nicht alle; ich habe mich absichtlich, das möchte ich bemerken, so fern gehalten von dieser ganzen Sache, wie ich es mit meinen Amtspflichten vereinbaren konnte, aus dem einfachen Grunde, weil ich mich um Dinge entweder ganz kümmere oder wenig kümmere. Aber wenn ich mich ganz darum kümmern sollte - dafür habe ich keine Zeit -, dann hätte ich mich der ganzen Sache Tag und Nacht widmen müssen. Das kann ich nicht, ich habe auch noch andere Dinge zu tun.
Aber ich bitte Sie, meine Damen und Herren: diese wenigen Mitteilungen, die gestern der Bundesanwalt öffentlich in einer Pressekonferenz gemacht hat, die genügen doch wohl. Herr Arndt, ich möchte gerade Ihnen als Jurist noch einmal sagen -Sie haben das so zart erklärt, „mit Ausnahme weniger richterlicher Anordnungen" -: nein, die richterlichen Anordnungen sind der Kern des Ganzen.
({7})
- Sie reden doch darüber, nicht ich. Sie haben es doch eben gesagt.
({8})
- Doch, Herr Arndt, ich verstehe Sie. Wir kennen uns jetzt schon 13 Jahre. Ich kenne Sie sehr genau, und ich verstehe Sie auch.
({9})
Ich weiß ganz genau, wie Sie die Sachen, den Kern einzuwickeln verstehen in andere Dinge. Das weiß ich ganz genau.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Güde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Beginn dieser, wie ich sagen muß, unglücklichen Debatte
({0})
nicht miterlebt, weil ich während der Verlesung der Erklärung des Abgeordneten Ritzel draußen beschäftigt war und erst durch den Stil der Volksversammlung wieder hereingelockt worden bin. Aber ich bin unglücklich, unglücklich als alter Jurist und unglücklich als Abgeordneter.
Vor Monaten habe ich in einem anderen Zusammenhang an das Wort vom athenischen Scherbengericht erinnert. Ich darf noch einmal in wenigen Worten sagen, was das war. Mißliebige Politiker wurden in einer Volksabstimmung in kurzem Prozeß aus dem Lande gejagt, in einem Verfahren, bei dem niemand wußte und niemand prüfte, worauf es ankam oder nicht ankam. Es kam nicht auf Schuld oder Nichtschuld an, sondern auf die Erregung in einer großen Volksversammlung. So wird bei Plutarch erzählt: Aristides saß in der Volksversammlung, als über seine eigene Verbannung abgestimmt wurde. Der Mann neben ihm konnte nicht schreiben auf den Scherben und bat ihn, er solle doch auf den Scherben „Aristides" schreiben. Aristides fragte ihn dann: „Kennen Sie eigentlich den Aristides?" Da antwortet der: „Nein, aber von dem reden die Kerle ja soviel und ewig; das habe ich satt; der muß raus!"
Meine Damen und Herren, manches, manches in den letzten Wochen und Monaten erinnert an ein solches Scherbengericht, auch die jetzige Debatte. Es erinnert daran der Prozeß in der öffentlichen Meinung seit 10 oder 14 Tagen, einer allerdings unglücklicherweise nicht genügend belehrten öffentlichen Meinung;
({1})
denn wenn der öffentlichen Meinung in einer klaren und vernünftigen Weise in der ersten Stunde gesagt worden wäre: Darum handelt es sich; das wird geprüft, und es ist genügend Anlaß, das zu prüfen, dann hätte nicht dieses Scherbengericht der -öffentlichen Meinung im Innern und außen entstehen können. Seien wir uns darüber klar, daß das, was sich draußen in der öffentlichen Meinung ereignet hat, ein Widerhall unserer eigenen völlig durcheinander gekommenen öffentlichen Meinung ist.
Ich erschrak auch, als ich die „Times" in die Hand nahm. Am meisten bin ich erschrocken über
die Erklärung des Internationalen Presserates. Ich bin auch erschrocken darüber, daß der Anschein erweckt worden ist, als ob hier Gesetz und Recht, Verfassung und Pressefreiheit nichts seien.
Aber das wird ja nun Gott sei Dank heute niemand mehr mit Grund sagen können, und da muß ich jetzt auch noch einmal wie der Herr Bundeskanzler gegenüber dem Herrn Kollegen Arndt sagen: Der Herr Innenminister hat nicht zu Unrecht heute früh darum. gebeten, das törichte Wort „Aktion" oder „Polizeiaktion" aus der Debatte zu lassen. Es handelt sich um eine bundesanwaltschaftliche, auf richterliche Anordnung und Haftbefehle gestützte Maßnahme und um nichts anderes. Nur am Rande können Dinge vorgekommen sein, die nicht gedeckt sind von der pflichtgemäßen Handlung der Bundesanwälte und von der pflichtgemäßen Handlung der Richter, und das ist doch nun einfach die Hauptsache, die die öffentliche Meinung und die auch Sie, meine Herren in der Opposition, zu klein schreiben. So verzerrt man die Maße in der Angelegenheit.
({2})
Sie haben vorhin in einem Zwischenruf gesagt: Darüber reden wir doch gar nicht! Aber darin liegt ja nun das Falsche, daß Sie darüber gar nicht reden, als ob es das nicht gäbe,
({3})
als ob es nicht die Justiz wäre, die da handelt, als ob es nicht Bundesanwälte wären, die pflichtgemäß handeln, als ob es nicht Richter wären, die nach Recht und Gewissen das getan haben, was sie nach I ihrer Meinung dem Gesetz und dem Recht schuldig waren.
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Darüber muß man reden. Man kann es nicht einfach ausklammern und so tun, als ob die Polizei und die Minister und die Staatssekretäre und ich weiß nicht wer diese „Aktion" - Ihr Wort -, diese „Aktion" „bei Nacht und Nebel" oder ich weiß nicht wie gemacht hätten.
Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, daß ich dieses Amt, das hier tätig geworden ist, jahrelang selbst geführt habe. Die Verdächtigung, die doch im deutschen Raum steht, als ob dieses Amt samt den Richtern dem Racheakt einer Regierung oder eines Ministers zugänglich wäre, weise ich wirklich von mir und meinen Kollegen; das gibt es Gott sei Dank nicht.
({5})
Es hat manchmal in meinem Amt auch Konflikte nach der Regierungsseite zu gegeben, weil ich - aber das bin nicht ich allein, so denkt die Justiz in Deutschland, weil sie rechtsstaatlich denkt; so handelt sie auch, weil sie rechtsstaatlich handelt - gelegentlich vom Recht her gesagt habe: ich glaube, das und jenes nicht tun zu können. Aber glauben Sie nicht, daß die Bundesanwälte und der amtierende Generalbundesanwalt, die jetzt dieses Ermittlungsverfahren führen, anders denken und handeln als ich; Gott sei Dank nicht!
Nein, nein, auch das gehört doch zu dem Scherbengericht, vor dem wir uns alle fürchten müssen,
({6})
Sie wie wir. Wenn nämlich die Methode des Scherbengerichts einmal wieder anhebt, dann trifft es Sie wie uns. Manches, was ich heute in der Debatte gehört habe, von allen Seiten, meine Damen und Herren, gehört zur Methode des Scherbengerichts - von allen Seiten! Ich unterschreibe auch gar nicht jedes Wort, das einer meiner Parteifreunde hier gesagt hat, weil ich ängstlicher bin - das will ich Ihnen ganz ehrlich sagen -, ängstlicher bin um die Wahrung des Rechts und der Rechtsformen. Die nehme ich nicht leicht. Ich gebe jederzeit zu: darin liegt der Rechtsstaat, darin liegt in der Tat seine Würde, daß kein noch nicht Verurteilter als schuldig behandelt wird, daß auch derjenige, der wahrscheinlich schuldig ist, denselben Rechtsformen unterliegt, denselben Anspruch hat auf die Rechtsform. Darüber debattiere ich gar nicht. Das ist so selbstverständlich in unserem Staat, in unserem Bereich der Justiz.
Meine Herren, ich bitte Sie immer wieder, sehen Sie, daß die Justiz am Werk war und daß diejenigen, die Herr Kollege Arndt so in den Vordergrund gestellt hat, das Bundeskriminalamt und die Sicherungsgruppe und wer es sonst war, nur im Auftrag der Justiz handeln. Und das Ganze ist durch Justiz gedeckt.
Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin von dem Herrn Kollegen Arndt gehört, das sei ja nun die beste aller Methoden, über die Dinge zu sprechen. Das können Sie vernünftigerweise nicht sagen. In der Fragestunde - ich bitte Sie, ich bin ja ein Neuling, ein homo novus - ein so kompliziertes Verfahren anzusprechen
({7})
mit Fragen und Zusatzfragen, die der Zufall und die Laune, eine manchmal sehr kuriose Laune der Fragenden erzeugt, meine Damen und Herren, das ist keine vernünftige Methode.
({8})
Dieses Trommelfeuer von Fragen um einen sehr ernsten Kern eines gerichtlichen Strafverfahrens herum ist allerdings geeignet, wiederum der Welt innen und außen zu sagen: Also, das muß ja ein scheußliches Verfahren sein.
Sie sagen: Von dem Gerichtlichen reden wir nicht! Aber das Gerichtliche steht im Mittelpunkt all dessen, was Sie reden.
({9})
Ich sage noch einmal: dieses Amt habe ich selbst geführt. Ich bedauere meine Kollegen, die in diesem Trommelfeuer der öffentlichen Meinung Tag für Tag ihre Pflicht tun - dazu gehören Nerven, meine Damen und Herren -, beschimpft und verdächtigt von der öffentlichen Meinung; ich sage jetzt nicht: von Ihnen. Aber allein die Unterstellung, daß all diese Bundesanwälte und Richter im Dienst der
Rache eines Ministers oder einer Regierung tätig seien,
({10})
ist doch eine fast untragbare Belastung.
Ich habe (heute den Kollegen, den Bundesanwalt, der das Verfahren nun verantwortlich führt, zum erstenmal seit Beginn des Verfahrens draußen im Foyer für fünf Minuten gesprochen. Und nebenbei - das nur zur Steuer der Wahrheit -: ich habe, als ich in der Fibag-Debatte hier stand, nicht das geringste von. diesem Versfahren gewußt. Nur zur Steuer der Wahrheit: ich habe auch in den Tagen seither nicht die mindeste Erkundigung bei meiner alten Behörde eingeholt, weil ich sie völlig trennen wollte von dem Raum der Politik, in dem ich jetzt stehe. Ich habe heute früh zum erstenmal diesen Mann gesehen, der seit Nächten nicht mehr im Bett war, der nun wirklich am Rande dessen ist, was ein Mensch in einem solchen Amt tragen kann. Daran denken .Sie doch auch einmal! Und das ist nicht Sentimentalität des Herrn Bundeskanzlers, wenn er sich schützend vor die Herren stellt, sondern das ist tatsächlich eine Rechts-und Anstandspflicht, daß man die pflichtmäßige Arbeit dieser Justiz ins richtige Licht stellt und auch schützt vor solchem Unrecht.
({11})
- Aber bitte.
Herr Kollege Güde, ist es richtig - ich weiß es nicht genau, ich bin ja nur auf die Presse angewiesen - und können Sie bestätigen, daß tagelang ein Bundesanwalt in Hamburg nicht persönlich anwesend war, sondern nur ein Hilfsarbeiter in Gestalt eines Oberstaatsanwaltes? Ich frage Sie deshalb, weil es ja immer darum geht, wie die Dinge gemacht worden sind. Richterliche Akte hat bis jetzt keiner von uns kritisiert.
Herr Kollege Arndt, ich weiß das nicht, was Sie mich fragen, weil ich es aus Grüniden, die Sie verstehen und die Sie sicher auch respektieren, geflissentlich vermieden habe, mir auch nur den Anschein zu geben, als ob ich, der ich Abgeordneter dieses Hauses bin, in dieses Verfahren auch nur mit dem kleinen Finger eingreifen wollte.
Dann sagen Sie aber bitte auch nicht, daß ich die Maßstäbe verzerrte!
Herr Kollege Arndt, die Maßstäbe - ich sage es noch einmal - sind schon dadurch verzerrt, daß der wesentliche und wichtigste Teil, der Kern des gerichtlichen Verfahrens und die Tätigkeit der Bundesanwälte und Bundesrichter von Ihnen mit dem Satz abgetan wird: Darüber reden wir doch gar nicht. Dadurch allein sind die Gewichte schon falsch gesetzt.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Ritzel.
Herr Kollege Güde, ist Ihnen bekannt - ich hatte mir vorhin auf Ihren Wunsch erlaubt, Ihnen den Text meiner Erklärung zur Verfügung zu stellen -, daß in meiner Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung mit keinem Wort Kritik am Bundesgericht und an der Bundesanwaltschaft geübt worden (ist?
Herr Kollege Ritzel, Sie waren so liebenswürdig, mir Ihre Erklärung, da ich sie nicht gehört hatte, in die Hand zu geben. Ich gebe zu, in der Lektüre hat sie mich nicht erregt. Ich weiß nicht, wie Sie sie vorgetragen haben. Mir ist es, offengestanden, rätselhaft, wie sich allein an dieser Ihrer Erklärung dieser ganze Volkszorn entzünden konnte.
({0})
- Sie sehen, meine Herren, ich versuche ganz unbefangen - wie mein ganzes Leben lang -, objektiv zu sein und wahr zu sprechen. Da Sie mir eben so applaudiert haben, will ich Ihnen aber gleich dazu sagen: Alles, was ich nachher gehört habe, hat mich allerdings entsetzt.
({1})
- Ich meine genau Sie, meine Damen und Herren, genau Sie.
({2})
Gewiß, ich bedanke mich.
({3})
- Ich bin in der Tat bei der ersten Erklärung des Herrn Bundeskanzlers erst bei den letzten Worten gekommen.
({4})
Ich muß sagen, die Erklärungen, die ich gehört habe, fand ich allerdings sachgerecht, pflichtgemäß und des Herrn Bundeskanzlers durchaus würdig.
({5})
- Ich freue mich, daß ich Ihre Gunst so genieße. Denn Sie werden ja den Beifall dem zollen, daß der Herr Bundeskanzler sachgemäß und gerecht gesprochen hat; danke sehr, meine Herren.
({6})
- Nein, meine Damen und Herren, erlauben Sie jetzt einem alten Juristen, zu sagen: So kann man - ich will gar nicht das Wort „schwebendes Verfahren" gebrauchen - unmittelbar in die Bemühungen der Justizbehörden nicht hineinschreien. Das tut die öffentliche Meinung, und in der Gefahr sind Sie heute. Sie sind wirklich in der Gefahr.
Sie haben vollkommen recht, in dem Verfahren ist offenbar nicht alles ebenmäßig gegangen,
({7})
- an den Rändern. Glauben Sie nicht, daß wir nicht unglücklich sind darüber, daß wir über den Unebenheiten dieses Verfahrens einen Mann wie den Staatssekretär Dr. Strauß verloren haben und auch einen Mann, der nicht in unsere Reihen gehört, den wir aber achten und respektieren und hochschätzen, den Herrn Staatssekretär Hopf? Glauben Sie nicht, daß wir selbst unglücklich sind über dieses Ergebnis?
({8})
Die Unebenheiten dieses Verfahrens leugne ich für meinen Teil nicht.
Aber der Herr Bundeskanzler hat recht. In dieser Versammlung, in dieser Sitzung ist offensichtlich keine Chance, die Dinge zu einer vernünftigen Debatte zu bringen, nämlich zu einer Diskussion von Tatsachen, die man kennt. Einstweilen kennen Sie sie nicht, und ich auch nicht, meine Damen und Herren. Glauben Sie mir: in der Fragestunde können Sie doch nicht einen so komplizierten Sachverhalt aus diesen Mosaiksteinchen zusammensetzen, daß es ein vernünftiges Diskussionsthema wäre; wir werden schon - und dem versagen wir uns nicht, meine Damen und Herren, auch meine Fraktion nicht, auch die Regierungskoalition nicht - in aller Ruhe und in einem vernünftigen seelischen Raum und auf der Grundlage von Tatsachen - Tatsachen, meine Damen und Herren, und nicht Verdächtigungen - zu debattieren haben, was zu bessern ist. Nur noch einmal: im Kern dieses Verfahrens, in den Verhaftungen, in den Beschlagnahmen, sind diese Unebenheiten nicht drin, sondern am Rande; und dort müssen Sie auch den Herrn Bundeskanzler richtig verstehen, wenn er sagt: zu Unrecht - zu Unrecht, sachlich zu Unrecht - ist Ahlers in Spanien nicht festgenommen worden. Daß dort eine Torheit begangen worden ist,
({9})
eine Dummheit, das können Sie von mir auch quittiert haben, wenn Sie es haben wollen und wenn Sie mir dafür Beifall zollen wollen; aber das ist kein Geheimnis.
({10})
- Ich würde sagen: Soweit ich die Dinge bis jetzt beurteilen kann, ist es eine gehörige Dummheit, kein ausgesprochener Verstoß gegen das Recht.
({11})
- Nein, Herr Kollege Mommer, sondern ich würde sagen: wirklich eine Kombination von Torheiten, aber kein Verstoß gegen irgendwelches bindendes deutsches Recht. Sie haben heute morgen die Auslieferungsverträge und das Reglement von Interpol zitiert. Das sind beides keine Dinge, gegen die ein echter Rechtsverstoß hier begangen worden ist. Aber wir werden das in Ruhe miteinander bereden müssen. Entstellen Sie nicht, wenn der Herr Bundeskanzler aus seiner Schau der Dinge sagt: Nun ja, dem Mann, der ja tatsächlich, als er wiederkam, verhaftet worden ist, dem ist in der Sache ja kein Unrecht geschehen; in der Form wahrscheinlich.
Sie haben, Herr Kollege Arndt, pathetisch den Rechtsstaat beschworen. Nun, an dem Rechtsstaat hängen wir alle seit dem Ende jener schrecklichen Jahre, in denen er mit Füßen getreten war; nicht Sie allein und nicht irgend jemand anders allein in diesem Hause, sondern Gott sei dank wir alle. Es ist mir unvergeßlich, was Radbruch - der Ihr Freund war, der meine aber auch - nach dem Jahre 1945 gesagt hat: „Demokratie ist gut; aber Rechtsstaat - Rechtsstaat ist wie Luft zum Atmen und wie Wasser zum Trinken und wie Brot zum Essen." Glauben Sie nicht, daß dieses Wort allein bei Ihnen bewahrt wird! Bei uns in der Justiz selbstverständlich, weil das unsere allererste Pflicht ist; aber auch Gott sei dank in diesem ganzen Hause. Davon nehme ich gar niemand aus. Nur dürfen Sie auch nicht ein Monopol auf den Rechtsstaat sich zuschreiben.
({12})
Nein, meine Damen und Herren, lassen Sie es mich noch einmal sagen, in allem Frieden und in aller Vernunft: was wir die letzten Stunden diskutiert haben, war nicht gut - nicht gut nach innen, nicht gut nach außen. Denn es bleibt, daß die Justiz sich in ein schweres Unternehmen eingelassen hat. Ich habe vor Jahren schon gesagt, und zwar vor den deutschen Journalisten und vor dem Deutschen Presserat: „Eine kluge Justiz wird sich nicht ohne Notwendigkeit mit der Pressefreiheit anlegen." Eine kluge Justiz
({13})
nicht ohne Notwendigkeit. Aber, meine Damen und Herren, bestreiten Sie doch nicht, daß in diesem Fall die Notwendigkeit gegeben war, zu prüfen - mehr verlangt von Ihnen an Einsicht im Augenblick noch niemand -, daß die Notwendigkeit gegeben war, die zwingende, bittere und sicher von niemand leichtfertig auf sich genommene Notwendigkeit, einen bösen Verdacht zu prüfen. Sie sollten nicht den Anschein erwecken, als ob Sie diesen wesentlichen Kern vergessen wollten. Das andere, was schiefgegangen sein mag, vergessen auch wir nicht. Aber wir bleiben einstweilen bei dem, was das Wesentliche und der Kern und das Wichtige ist, und werden auf das andere zu gegebener Stunde zurückkommen.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Herr Kollege Güde am Anfang seiner Ausführungen von dem Scherbengericht sprach, meinte ich, er würde über Herrn Bundesinnenminister Höcherl sprechen.
({0})
Denn Herr Höcherl hatte vorher gesagt: Wir haben
uns jahrelang über den Spiegel geärgert, und jetzt
haben wir ihn mal. Was ist das für eine sonderbare Methode?
({1})
- Meine Damen und Herren, ist Ihnen ein Organ, das Ihnen manchmal unangenehm ist, weil es die Wahrheit sagt,
({2})
weil es Ihnen Beschwerden macht,
({3})
so unangenehm, daß Sie glauben, bei Gelegenheit sich sozusagen rächen zu können, so wie es der Herr Güde dargestellt hat?
Herr Abgeordneter Schäfer, gestatten ,Sie eine Zwischenfrage?
Nein!
Meine Damen und Herren, in der deutschen Bevölkerung ist Unruhe. Diese Unruhe in der deutschen Bevölkerung ist begrüßenswert.
({0})
Es ist ein Zeichen vom Rechtsbewußtsein in unserem Volke, daß es auch schon dort, wo nur der Verdacht besteht, daß das Recht verletzt wird, in der Weise reagiert, wie es in den letzten zehn Tagen geschehen ist.
({1})
Unser Freund Arndt, der ein überzeugter Jurist ist - in diesem Hause bedarf er keiner besonderen Vorstellung -, hat dieser Besorgnis Ausdruck gegeben. Es ist eine sonderbare Art des Herrn Bundeskanzlers, wenn er dem glaubt entgegenhalten zu können, der Herr Kollege Arndt habe eine geschickte Art, den Kern einzuwickeln.
({2})
Hier geht es nicht darum, den Kern einzuwickeln, sondern darum, den Kern klarzustellen. Es handelt sich um zwei Probleme: einmal um das Strafverfahren,
({3})
das seinen Gang gehen und durch die Behörden der Justiz und der Rechtsprechung seine Erledigung finden wird. Daneben steht das, was der Herr Kollege Güde in erfreulicher Offenheit jetzt dargestellt hat: die Kombination von Torheiten, die gleichzeitig begangen worden sind. Wir wollen hoffen, daß es nur Torheiten sind und daß es sich nicht um mehr handelt als um Torheiten.
Es sind Torheiten vorgekommen. Da kann sich doch der Herr Bundeskanzler nicht hinstellen und sagen: Ich nehme sie alle, alle, alle in Schutz, denn sie haben ein schweres Amt; alle, alle haben ihre Pflicht zu tun nach Recht und Gesetz, und alle, alle
haben sich der Überprüfung ihrer Zuständigkeit zu unterziehen. Zu dieser Zuständigkeit gehört doch offensichtlich auch, daß nicht ein Beamter, ein Staatssekretär, der sich nicht hier im Hause verantworten kann, dann entlassen wird. So einfach geht es für die Herren Minister doch nicht, wie es sich der Herr Verteidigungsminister Strauß macht, indem er sagt: Ich gebe dem Staatssekretär den Auftrag, das Notwendige zu tun, und ich bin froh, wenn ich nichts davon höre; und hinterher schickt er ihn in die Wüste. Dann muß der Herr Bundeskanzler die Konsquenzen ziehen und die Beamten in allen Ringen - einschließlich der Staatssekretäre - schützen auch gegenüber ihren eigenen Ministern.
({4})
Auf was wir hier alle Wert legen müssen, meine Damen und Herren - diese Auffassung sollte doch einheitlich sein, und in der ersten Presseverlautbarung der Sozialdemokratischen Partei kam das deutlich zum Ausdruck -: es muß auch der letzte Verdacht ausgeräumt werden, daß hier polizeistaatliche Methoden angewandt worden sind. Daran haben wir alle ein Interesse.
({5})
Ich gebe dem Herrn Kollegen Güde zu, daß es außerordentlich schwer ist, das in der Fragestunde zu klären. Ich frage aber Sie von der CDU: Warum haben Sie dann die Erörterung im Rechtsausschuß unmöglich gemacht?
({6})
Warum hat die Regierung, wo sie doch aus der Presse sieht, welche Unruhe entstanden ist, wo sie aus der Auslandspresse sieht, wie gefährlich dieses Echo ist - denn das ist gefährlich -, nicht ihrer Verpflichtung gemäß das Parlament und damit die deutsche Bevölkerung aufgeklärt und die Untersuchung dieser Kombination der Torheiten angekündigt und in die Wege geleitet? Warum hat man sich dann nicht hier hergestellt und einen gesammelten, sauberen, ehrlichen - meine Damen und Herren, ehrlichen! -, nichts beschönigenden Bericht gegeben, um diese Fragen klarzustellen? Dann wären alle die Schwierigkeiten, Herr Kollege Güde, die Sie im Zusammenhang mit der Fragestunde andeuteten, ausgeräumt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Schäfer, Sie sind auf Ihrem Gebiet - dem entsprechenden - ebenso Fachmann wie ich. Glauben Sie, daß es der Regierung im Augenblick möglich wäre, unter Achtung der Selbständigkeit des gerichtlichen Verfahrens einen umfassenden Bericht zu geben? Glauben Sie das jetzt, in diesem Augenblick?
Herr Kollege Güde, ich bin durchaus mit Ihnen einig.
({0})
Ich sagte aber, daß die Regierung gleichzeitig einen Bericht, soweit es bis jetzt möglich ist, hätte ankündigen müssen. Sie hätte ankündigen müssen, daß allen „Torheiten" - will ich jetzt bloß einmal sagen -, von denen auch Sie schon sagen können, daß es Torheiten sind - ich darf nur auf Ihr Rundfunkinterview Bezug nehmen -, nachgegangen wird, daß sie untersucht werden. Sie werden doch mit mir darin einig sein, daß die Regierung das heute schon von sich aus hätte erklären können.
({1})
Sie haben in einem Rundfunkinterview - ich darf es Ihnen vorlesen - selber folgendes gesagt:
({2})
- Ihr eigenes Urteil über Sie selber kann ich nicht hindern! Soweit es sich um richterliche Maßnahmen handelt, gibt es nur den legalen Weg des Appellierens an eine richterliche, an eine gerichtliche Instanz; soweit nicht richterlich - die Festnahme in Spanien z. B. kann nicht auf Anordnungen eines deutschen Richters beruhen -,
- so wörtlich bei Ihnen: „kann nicht auf Anordnungen eines deutschen Richters beruhen", Herr Güde sind andere Wege gegeben, an die Regierung
und an die verantwortlichen Regierungsstellen.
Ja, wollen Sie denn sagen, daß die Regierung nicht einmal weiß, wer für diese Dinge verantwortlich war? Dann hätten wir allerdings einen sonderbaren Rechtsstaat, wenn wir uns in einer solchen Situation befänden, daß weder ein Richter noch eine Regierungsstelle dafür verantwortlich wäre. Dann wäre es also Willkür. Und genau das gilt es auszuräumen: diesen Verdacht, daß irgendwo Willkür herrscht. Und dort, wo einer vielleicht im Übereifer über das Ziel hinausgeschossen ist, muß er zur Rechenschaft gezogen werden. Das gehört zu diesem Beruf, daß er die Grenzen genau einzuhalten weiß und daß er dort, wo er sie nicht einhält, zur Rechenschaft gezogen wird. Darüber werden Sie und ich auch einig sein.
({3})
Meine Damen und Herren, die Aussprache hat bekanntlich der Herr Bundeskanzler eröffnet, nicht wir.
({4})
Wir haben unsere Pflicht als Opposition zu tun, da Sie offensichtlich nicht willens sind, in gleicher Weise Ihre Pflicht zu tun.
({5})
Ich darf nur an den Rechtsausschuß-Beschluß erinnern.
({6})
- Sie haben doch als Beweis den Beschluß des Rechtsausschusses, der die Sache nicht behandeln und der diese Dinge nicht untersuchen wollte, Herr Kollege Brand!
Eine weitere Zwischenfrage?
Bitte!
Entschuldigen Sie, ich muß Sie nur fragen, ob Ihnen die Tatsachen nicht bekannt sind. Der Rechtsausschuß hat lediglich seine Sitzung unterbrochen und konnte dann am Nachmittag nicht tagen, weil der Herr Justizminister nicht zur Verfügung stand. Wir haben uns im Rechtsausschuß nicht geweigert.
({0})
Herr Kollege Güde, ich bin etwas überrascht über Ihre Teilsachdarstellung. Was Sie soeben getan haben, darf man nicht tun. Dann muß ich schon den Vorgang erzählen. Sie hatten um zehn Uhr beantragt: Schluß und keine Aussprache darüber. Und Sie, die ganze CDU, hatten beschlossen, die Aussprache abzuwürgen. Erfreulicherweise konnte dann mit den Stimmen der FDP beschlossen werden, daß die Aussprache fortgesetzt wird. Sie haben es dann doch fertiggebracht, daß sie nicht fortgesetzt wurde.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bin erfreut, daß unser Kollege Döring in dieser unmißverständlichen Weise hier seine Stimme erhoben hat und daß er auch von seiner Seite aus auf die Gefahren noch einmal hingewiesen hat. Ich darf es noch einmal sagen: das Rechtsbewußtsein in unserem Volke, das so Schweres hinter sich hat, verlangt Klarstellung. Dieses Rechtsbewußtsein kann nicht davon existieren, daß irgend etwas in einer Verfassung steht, sondern kann sich nur danach ausrichten, was gelebt wird, was praktiziert wird von denjenigen Stellen, die dafür Zuständig sind.
({1})
- Herr Barzel, sind Sie nicht mit mir einig?
({2})
- Deshalb soll man nicht ahne Beweis verdächtigen, sondern beweisen. Deshalb fragen wir, und deshalb muß man diese Fragen klären.
({3})
Herr Kollege Güde hat zum Schluß unseren Freund Radbruch zitiert. Genau so ist es: Der Rechtsstaat ist für die Demokratie das Lebenselixier. Aber das Volk muß davon überzeugt sein, daß es in diesem Staate auch nicht dine zuständige Stelle gibt, die ihre Kompetenzen übersteigt oder die diesen Rechtsstaat mit Füßen tritt, und um den kämpfen wir.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hohen Hause, das 519 Mitglieder zählt, sind jetzt nach meiner vorsichtigen Zählung zehn Mann, die jemals in ihrem Leben einen Haftbefehl beantragt, einen Haftbefehl erlassen oder einen Haftbefehl bestätigt haben. Hinter mir, glaube ich, sitzt jemand und rechts auf der Ministerbank, und dort unten sehe ich zwei. Ich möchte das deswegen sagen, um Ihnen klarzumachen, wie schwierig eine solche Sache ist und wie der Richter und der Staatsanwalt bei einer solchen Geschichte zu kämpfen haben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig Verfahren gegen Oberbürgermeister und Landräte durchzuführen sind, und ich hatte einmal das „Vergnügen", gegen einen bayerischen Minister ein Verfahren durchführen zu müssen, nicht auf Auftrag, sondern weil es in mein Ressort fiel, noch zu Zeiten, als die Kriegswirtschaftsverordnung gait.
Aus dieser Sachlage heraus will ich Ihnen folgendes sagen. Für mich ist der Herr Augstein ein Beschuldigter. Das ist jeder, gegen den ein Verfahren läuft.
Für mich ist der Herr Augstein aber ein quailfizierter Beschuldigter, weil ein Haftbefehl gegen ihn erlassen und bestätigt worden ist. Wenn irgend jemand in Verdacht gerät, so ist er ein Beschuldigter, es wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wenn aber etwas dazukommt, nämlich wenn ein dringender Tatverdacht vorliegt and wenn die Haftgründe noch dazukommen, dann erst ist er ein qualifizierter Beschuldigter, dann erst kann er nämlich verhaftet werden.
({0})
- Das liegt nicht neben dem Thema. Ich komme noch heran, Herr Kollege Wittrock. - Herr Kollege Schmitt, wenn ich jetzt hinuntergehe, können Sie auch sagen, was Sie bei Bundesinnenminister Höcherl gesagt haben: Und so was will mal Amtsrichter gewesen sein! Das können Sie von mir aus sagen, wenn ich nachher gehe.
Ich habe ein paar Fragen an Sie. Muß das, was jetzt geschehen ist, in diesem Augenblick sein?
({1})
Muß das jetzt sein, im Laufe dieses Verfahrens? Müssen die Beamten und die Richter jetzt so unter Druck gesetzt werden, wie es hier geschieht? Muß das sein?
({2})
Wenn hier jemand aufsteht, sich hier hinstellt und sagt: Der Beschuldigte ist mein Freund, und wenn eine so große Fraktion wie die Ihre dann tosend Beifall klatscht, glauben Sie nicht, daß das eine Beeinflussung ist?
({3})
Das muß wirklich nicht sein, es muß nicht jetzt sein. Ich bin mit Ihnen vollkommen einig, daß wir nach Abschluß dieses Verfahrens, und zwar im Rechtsausschuß, nicht hier in diesem Gremium, gründlich prüfen sollten, ob all diese Methoden, die angewendet worden sind, Rechtens waren oder nicht. Da bin
ich mit Ihnen vollkommen einig. Aber ich bin dagegen, daß wir jetzt in diesem Zeitpunkt den Versuch machen, Leute unter Druck zu setzen.
Zweitens möchte ich folgendes fragen. Der Herr Augstein ist doch ein so versierter Mann und er hat so viel Geld. Er kann sich alle Mittel - und wir haben so viel Mittel in unserem Rechtsstaat - leisten, und er leistet sie sich auch, um zu seinem Recht zu kommen. Da müssen Sie sich doch als Gesamtfraktion nicht dahinterstellen. Das ist doch nicht notwendig.
({4})
Seien Sie nicht böse, wenn von unserer Seite der Gedanke auftaucht, wenn Sie sich geschlossen als Fraktion dahinterstellen, daß Sie dann in einen bestimmten Verdacht geraten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wittrock?
Bitte, Herr Wittrock.
Herr Kollege, können Sie mir erklären, wieweit es irgend etwas mit dem Ermittlungsverfahren und dem Kern des Ermittlungsverfahrens zu tun hätte, wenn die Bundesregierung beispielsweise in der Frage, wie es zu der Verhaftung in Spanien kommen konnte, dem Hause und der Öffentlichkeit klaren Wein einschenkte? Sagen Sie mir, inwieweit durch eine solche Klärung in irgendeiner Weise Belange des Verfahrens beeinträchtigt werden!
Herr Kollege Wittrock, ich kann Ihnen nicht sagen, was die Bundesregierung bewogen hat, Ihnen auf diese Frage nicht die von Ihnen gewünschte Antwort zu geben. Ich kann es Ihnen nicht sagen.
({0})
Im übrigen wird es seinen Grund gehabt haben, daß nicht die von Ihnen gewünschte Antwort kam.
Ich will zum Schluß noch folgendes sagen. Seien Sie doch nicht böse darüber, wenn in unseren Reihen und bei vielen Leuten im Volke jetzt ein bißchen Schadenfreude herrscht. Sicherlich, es gibt viele Leute, die sagen: Der „Spiegel" ist mit so vielen Leuten recht ruppig und hart umgegangen, es ist ganz gut, wenn es ihn jetzt auch einmal erwischt hat, um es auf gut bayerisch zu sagen. Das ist doch bloß ein bißchen Schadenfreude. Sie müssen doch nicht daraus entnehmen, daß das von vornherein beabsichtigt war und daß das jetzt begünstigt wird. Ein bißchen Schadenfreude herrscht in manchen Kreisen. Aber an Sie, meine ich, müßte man die präzise Frage richten, warum Sie durch diese Fragestunde - und nicht durch eine Behandlung in einem anderen Gremium - die Geschichte auf die Spitze getrieben haben.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich habe mich geirrt; Herr Barzel hat um das Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich spreche nicht, um die Debatte aufzuhalten. Ich habe in dem ersten Beitrag, den ich für unsere Fraktion gab, darum gebeten, nicht mit Andeutungen und Verdächtigungen zu arbeiten, sondern Beweise auf den Tisch zu legen. Ich bin der Debatte mit Sorgfalt gefolgt. Ich habe keinen Beweis für eine Rechtswidrigkeit, durch Tatsachen belegt, vortragen gehört.
Herr Kollege Erler, Sie haben davon gesprochen, wir wollten diese Dinge gesundbeten.
({0})
Nein, Herr Kollege Erler, wir sind hoffentlich einig darin, daß, wenn hier etwas krank ist oder war, wir das miteinander verurteilen werden.
({1})
Wir wollen aber nicht Krankheiten behaupten, bevor wir sie festgestellt haben; denn man kann einen Staat auch krank reden, nicht nur etwas gesundbeten.
({2})
Wenn einer der Kollegen, die hier Andeutungen gemacht haben - ich ziehe da meinen Kollegen Döring und auch meinen Kollegen Güde hinein -, einen Beweis hat, dann heraus damit, entweder hier oder wo immer der zuständige Ort sein sollte! Aber bitte, keinerlei scheinbare oder voreilige Urteile ohne volle Kenntnis der Tatsachen, bitte auch nicht im „Vorwärts" und sonstwo anders. Der Rechtsstaat kann auch eine Atmosphäre unbewiesener Verdächtigungen nicht ertragen. Wenn verstoßen worden ist, dann wollen das alle ahnden.
Nun würde ich glauben, daß es, auch nach den Reden der Herren der Opposition, besser wäre, nachdem Sie 18 Fragen gestellt haben, von denen heute nach der Geschäftsordnung nur ein Teil hat beantwortet werden können - mit einer ungewöhnlichen Beschleunigung: die gestern gestellten Fragen wurden heute beantwortet -, wenn wir gemeinsam erwägen würden, morgen erst den zweiten Teil der Antworten anzuhören. Dann wird es uns vielleicht leichter sein, Herr Kollege Gilde, wie Sie selbst auch gesagt haben, gestützt auf weitere Tatsachen hier zu debattieren. Wir haben ja die Debatten der kommenden Tage vor uns und können dann immer wieder am geeigneten Ort darauf zurückkommen. Ich glaube nicht, daß wir hier jetzt ewig weiter diskutieren sollten unter dem Motto: Wir wollen mal sehen, was dieser Staat alles aushält. Dieser Staat braucht, wenn er ein Rechtsstaat bleiben soll, die Atmosphäre der Klarheit und nicht die Atmosphäre unbewiesener Verdächtigungen.
({3})
Und wenn dieser Rechtsstaat und die Tatsache, daß es ihn hier heute gibt, noch eines Beweises bedurft hätten, dann war es diese Debatte, die sicher nicht in allem glücklich war, aber doch Beweis einer rechtsstaatlichen Ordnung ist. Ich fand es hochinteressant, daß wir sie in unserer Mehrheit - und nicht etwa die oppositionelle Seite, - fortgesetzt sehen wollten.
Ich glaube deshalb, es wäre das zweckmäßigste, die morgige Fragestunde abzuwarten; denn sie wurde ja gerade an dem Punkt unterbrochen, wo in der Tat die von Ihnen immer wieder erwogene Frage „Malaga" durch den Herrn Bundesinnenminister klar hätte beantwortet werden können. Aber da war plötzlich Schluß. Ich glaube, solange das nicht beantwortet ist, sollten wir hier nicht in Verdächtigungen hin und her eine Debatte führen, die wohl uns allen nichts nützt.
Darum würde ich jetzt vorschlagen, ohne einen Antrag zu stellen, Herr Präsident - denn wir sind im Gegensatz zu Ihnen bereit, die Debatte ad calendas graecas zu führen -, zunächst die Fragen und ihre Beantwortung abzuwarten; das wäre vielleicht klüger.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Sanger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lediglich die Bemerkung des Herrn Kollegen Barzel hat mich hierhergerufen, der gern Beweise oder wenigstens Material darüber haben möchte, daß bei den sogenannten Randerscheinungen doch wohl Verstöße vorgekommen seien.
Lassen Sie mich bitte zunächst einmal ganz deutlich voneinander trennen. Auf der einen Seite gibt es hier - um in der Ausdrucksweise einiger Redner der CDU zu bleiben - eine sehr wichtige, eine sehr zentrale Sache, das ist der Vorwurf des Landesverrats. In der Auffassung, daß ein solcher Verdacht untersucht werden muß und daß ein Gericht zu prüfen hat, ob der Verdacht in dieser Sache berechtigt war oder nicht, sind wir uns alle einig. Auf der anderen Seite geht es um das Verfahren, um die Frage, wie diese Untersuchung eingeleitet und bisher durchgeführt worden ist. Die Erscheinungen, die dabei zutage getreten sind und die wir heute in unserer Fragestunde hervorgeholt haben, nennen Sie Randerscheinungen.
Nun, meine Damen und Herren, immerhin sind zwei Punkte heute durch die Beantwortung des Herrn Bundesinnenministers zwar nicht geklärt, aber der Klärung einigermaßen zugeführt worden.
({0})
- Sie werden sie gleich hören. - Zwei Punkte sind der Klärung etwas nähergebracht worden - nicht wir haben die Antwort gegeben, sondern der Herr Bundesinnenminister -, zwei Punkte, die Sie möglicherweise noch immer als Randerscheinungen benennen wollen, die wir aber als sehr wichtig und sehr gravierend bezeichnen. Bei dieser Bewertung befinden wir uns in voller Übereinstimmung nicht nur mit der öffentlichen Meinung in Deutschland und in der Welt, sondern auch mit einem großen Teil der Zeitungen, die Ihrer Partei nahestehen.
Welches sind diese beiden Punkte? Jetzt komme ich Ihnen entgegen, Herr Kollege. Herr Kollege Arndt hat gefragt: Sind die Fahnenabzüge des „Spiegel" Nr. 44 vom 31. Oktober vor ihrem Erscheinen eingesehen und durchgelesen worden? Er hat diese Frage in Kenntnis der Äußerung in der Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft vom 2. November dieses Jahres, Herr Dr. Güde, gestellt, in der nach dem Bulletin vom 6. November - nicht nach irgendeiner Zeitung - gesagt worden ist, die Behauptung, es sei eine Vorzensur ausgeübt worden und der „Spiegel" werde in seiner Arbeit absichtlich behindert, sei falsch.
So die Bundesanwaltschaft. Auf die entsprechende Frage hat der Herr Innenminister - und nun müssen Sie das Stenogramm lesen - nicht mehr bestritten, daß Fahnen, die für die nächste Ausgabe des „Spiegel" bestimmt waren, beschlagnahmt, eingepackt, dem Ermittlungsrichter vorgelegt und gelesen worden sind. Und Sie nennen das nicht Zensur!
({1})
Aber wir nennen das Zensur, und das ist eine Zensur.
({2})
Im Grundgesetz steht: „Eine Zensur findet nicht statt." Da gibt es keine Einschränkung durch Formulierungen wie „im Rahmen bestehender Gesetze" oder „unbeschadet ..." oder wie man es sonst auszudrücken pflegt. Hier ist Zensur geübt und eine klare Bestimmung des Grundgesetzes gebrochen worden.
Der zweite Punkt: In eben dieser Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft am 2. November ist - wieder nach idem Bulletin der Bundesregierung - gesagt worden: „Auf zahlreiche Fragen zum Fall Ahlers wurde erklärt, daß weder Interpol noch MAD noch BND eingeschaltet gewesen seien." Herr Bundesinnenminister Höcherl hat heute erklärt, daß von Interpol ein Telegramm an die Botschaft der Bundesrepublik nach Madrid gegangen sei; nicht mehr. Hier ist also die eine Behauptung - der Bundesanwaltschaft - gegen die andere Behauptung gestellt. Wir wissen nicht, was die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid getan hat. Aber ich für meine Person glaube nicht, daß das Auswärtige Amt oder eine Dienststelle ides Auswärtigen Amtes, wo man sehr wohl weiß, wie wenig Porzellan uns noch zur Verfügung steht, das zerschlagen werden könnte, so handelt, daß damit ein Unrecht gegeben wäre.
Hier ist also der zweite Fall, wo wiederum zwei Aussagen gegeneinanderstehen und sehr deutlich geworden ist, daß ein Übergriff geschehen ist.
Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, das alles seien ja wohl Angriffe auf Beamte. Kein Beamter hat irgendetwas zu befürchten, wenn er sich keines Übergriffes schuldig gemacht hat. Wenn es aber so gewesen ist, daß ein Beamter sanders gehandelt hat, als seine Vorschriften ihm vorschreiben und als auf Grund seiner Ausbildung und seines Bildungsstandes bei einer solch ungewöhnlichen Situation von ihm erwartet werden kann, muß er damit rechnen, daß das hier durch Fragen und hoffentlich auch durch Antworten klargestellt wird, und dann muß untersucht werden, ob von Schuld gesprochen werden kann und was danach zu erfolgen hat.
Hier wurde soeben eine Zwischenbemerkung gemacht des Inhaltes, daß man, wenn nur noch wenig Porzellan zur Verfügung stehe, doch darauf achten möge. Meine Damen und Herren, wie das Ausland sich zu den Vorgängen geäußert hat, die ja von der Exekutive und nicht von der Judikative eingeleitet wurden oder zu verantworten sind, wie also das Ausland reagiert hat, das steht in den Zeitungen des Auslandes.
({3})
- Bitte!
Herr Kollege, Sie sagten eben: Maßnahmen, /die .von der Exekutive ausgelöst worden sind. Meinen .Sie das ernstlich?
Ich meine das Telegramm der Interpol,
(({0})
über das ich gesprochen habe, und die Handlungsweise des Hauptkommissars, der die Fahnen eingepackt hat.
Ich habe Ihnen also noch einmal zwei Vorgänge in Erinnerung gerufen, die Ihnen unwichtig erscheinen, bei deren einem aber das Grundgesetz verletzt und bei deren anderem Bestimmungen, möglicherweise sogar internationale Abkommen übergangen worden sind. Das muß geklärt werden, nicht nur weil das Ausland das erwartet, sondern weil das unser Gewissen verlangt, damit wir jeden Augenblick überzeugt bleiben können, daß wir in einem Rechtsstaat wohnen, wo auch in außergewöhnlichen Situationen in jedem Falle das Recht gewahrt wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stoltenberg? - Bitte!
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege, daß die Frage, ob es sich um eine Vorzensur handelt, vor dem Bundesverfassungsgericht morgen diskutiert und eventuell entschieden werden wird, und ferner, daß die Bundesanwaltschaft Ihre Behauptung entschieden bestreitet; und halten Sie es mit der - auch von Ihnen betonten - gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem schwebenden Verfahren für vereinbar, daß Sie in dieser Frage ein solches Urteil abgeben?
({0})
Die Frage, ob es sich um eine Vorzensur oder um eine Zensur gehandelt hat, Herr Kollege Stoltenberg, ist für mich nach einem ausgezeichneten Vortrag beantwortet, den Herr Dr. Güde am 7. März 1960 vor dem Deutschen Presserat gehalten hat und den Sie im Tätigkeitsbericht des Presserates nachlesen können.
({0})
Sie gestatten sicher eine weitere Zwischenfrage? - Bitte!
Habe ich in dem Vortrag vor dem Presserat von Vorzensur gesprochen?
Herr Dr. Güde, würden Sie die Freundlichkeit haben, im Tätigkeitsbericht des Deutschen Presserates von 1960, ich glaube, auf Seite 27, die sogenannten Schlußfolgerungen nachzulesen, die Sie dort aus Ihrem Vortrag gezogen haben.
({0})
- Bitte, lesen Sie den Vortrag nach. Sie haben den Ausdruck „Vorzensur" nicht gebraucht,
({1})
aber den Ausdruck „Zensur". Im Grundgesetz steht: „Eine Zensur findet nicht statt". Wenn ich die Silbe „vor" davorgesetzt habe, so geschah es nur, um noch einmal deutlich zu machen, daß hier eine Zensur vor dem Erscheinen eines Druckerzeugnisses stattgefunden hat.
({2})
- Wir werden ja sehen, was das Gericht zu der Sache noch zu sagen hat.
({3})
Aber wir werden es als Journalisten, wir werden es als Bürger dieses Staates, wir werden es in der Demokratie unter gar keinen Umständen ruhig mit ansehen können, wenn Beamte, die eine Untersuchung über ein vergangenes angebliches Verbrechen oder Vergehen oder was es ist vornehmen,
({4})
nun noch ein zukünftiges auch gleich mit festzustellen beabsichtigen.
({5})
Meine Damen und Herren, dies ist nach meiner Auffassung eine Aufgabe des Parlaments: die Kontrolle darüber aufzunehmen und auszuüben, was von den Organen der Regierung oder den im Auftrage der Regierung Handelnden tatsächlich getan worden ist. Es ist die ursprüngliche Aufgabe des Parlaments, und sie ist es um so mehr, als wir nur durch Einmütigkeit in der Verfolgung möglicher unrechter Geschehnisse beweisen können - nach innen wie nach außen -, daß wir es ernst nehmen mit dem Rechtsstaat.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich nicht mehr zu Wort gemeldet, wenn nicht der Abgeordnete Sänger es für richtig befunden hätte, Behauptungen aufzustellen, die gerade durch. den Verlauf der Fragestunde und durch die Beantwortung längst widerlegt worden sind.
Ich habe zu diesen beiden Fragen Stellung bezogen, und ich habe Ihnen versichert - und ich kann die gleiche Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen, die Sie für sich in Anspruch nehmen, wie wir das alle im Hause tun sollten -, daß ich das äußerste Maß von Nachprüfung aufgeboten habe, das in der kurzen Zeit von der Fragestellung bis zur heutigen Beantwortung zur Verfügung stand, - wobei ich noch die Ehre hatte, die Fragen an den Kollegen Stammberger mit zu beantworten. Die ganze Nacht hindurch habe ich mich mit der Aufklärung einer ganzen Reihe von Vorfällen befaßt, und ich habe Ihnen den Teil der Ermittlungen, der mir bekanntgeworden ist, mitgeteilt. Das Weitere werden Sie morgen hören, wenn die Fragestunde fortgesetzt wird. Das ist das eine.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jetzt nicht, ich möchte meine Ausführungen konsequent zu Ende führen.
Herr Kollege Sanger, ich habe - ich bitte Sie, Idas doch zu beachten, und ich nehme an, daß Sie der Debatte mit Aufmerksamkeit gefolgt sind - zu der Frage der Fahnenabzüge erklärt, daß diese nicht zum Zwecke der Zensur und zur Prüfung der Frage, ob das Druckerzeugnis am nächsten Tag veröffentlicht werden kann oder nicht, beschlagnahmt wurden, sondern aus anderen Gründen, wegen der Frage, ob damit Beweismittel usw. vertuscht werden; deswegen sind sie beschlagnahmt und vom Richter geprüft worden.
Zu dem zweiten, zu der Frage „Malaga" habe ich erklärt: daß wir festgestellt haben, daß der stellvertretende Leiter des Bundeskriminalamtes den Haftbefehl, und zwar einige Stunden nach der bereits durch die spanische Polizei erfolgten Festnahme, an die Botschaft in Madrid geleitet hat und gleichzeitig in einem Telefongespräch weitergegeben hat mit dem Ersuchen um die Aufhebung dieser Festnahme, weil ihm klar war, - ({0})
- Das weiß ich nicht. Ich habe schon erklärt: ich bin noch dabei, festzustellen, ob am 27. in der Früh um 2 Uhr, so wie die Spanier das mitgeteilt haben, eine Aufforderung durch Sicherungsorgane oder Polizeiorgane ergangen ist, einen Haftbefehl zu vollziehen. Das konnte ich noch nicht klären, und zwar deswegen, weil einer der Herren, den ich befragen muß, dienstlich im Ausland ist. Weitere Aufklärung werden Sie am laufenden Band bekommen.
Herr Sanger, die Rede, die Sie soeben gehalten haben, hätten Sie vielleicht, jedenfalls von mir aus,
gestern halten können. Nachdem ich mich in der Fragestunde bemüht hatte, Sie über das aufzuklären, was ich weiß, waren Ihre Ausführungen zumindest obsolet geworden.
Herr Kollege Schäfer und Herr Kollege Erler, Sie haben Behauptungen aufgestellt, die meine Person betreffen; ich hätte meine Schadenfreude darüber ausgedrückt, daß wir es endlich so weit gebracht hätten, den „Spiegel", der uns unbequem sei, zu Fall zu bringen. Ich weise eine solche Behauptung als unerträgliche Verleumdung zurück.
({1})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sänger?
Nein.
Es ist geradezu unmöglich. So gehen Sie mit der Ehre anderer um! Was ich gesagt habe, können Sie im Protokoll genau nachlesen. Ich bin weit von dem entfernt, was Herr Erler mir unterstellt hat. So können wir nicht debattieren. Man kann sich nicht einfach einige Tatsachen zusammenreimen und daraus Folgerungen ableiten und Konsequenzen ziehen, sondern wir müssen uns so verständigen, daß wir die wenigen Fakten, die wir haben, auf den Tisch legen, schön und sauber herausoperieren und daraus Folgerungen ziehen.
Herr Erler hat gesagt, ich hätte Ihrer Fraktion unterstellt, daß sie vielleicht in irgendeiner Form mit Landesverrat zusammenhinge. Das ist ebenfalls eine unzutreffende Behauptung, die Sie hier aufgestellt haben. Ich habe so etwas nicht gesagt und werde es auch nicht sagen und habe auch nicht den geringsten Anlaß dazu.
Was soll hier geklärt werden? Das eigentliche Problem ist folgendes. Sie scheinen zu vergessen, daß es neben dem Landesverratsprozeß ein weiteres schwebendes Verfahren gibt. Dieses zweite schwebende Verfahren geht um die sogenannten Randerscheinungen, wie sie bezeichnet worden sind, um die sehr wichtigen Formvorgänge, in denen ein ganz wesentlicher Teil des rechtsstaatlichen Charakters des Strafprozesses liegt. In diesem zweiten Verfahren ist morgen Termin beim obersten Gericht, das wir haben, beim Bundesverfassungsgericht. Haben Sie denn kein Gefühl dafür, daß es unangemessen ist, diesen beiden Verfahren vorzugreifen, wobei das zweite für diese Fragen viel entscheidender ist als das erste, weil das erste materielle Dinge betrifft und das zweite den ganzen Komplex der Beschlagnahme usw. usw. erfaßt? Das höchste Gericht spricht, und Sie halten es für richtig, daß hier aus dem Bundestag ein Tribunal gemacht und zwischen den beiden Terminen debattiert wird.
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Ich darf Ihnen noch etwas sagen. Wenn ich erkläre: Eingriff in ein schwebendes Verfahren, so soll damit gar nichts beschwichtigt und gar nichts aufgeschoben werden. Aber Sie müßten doch eigentlich wissen, daß es bei der Frage des schwebenden Verfahrens und eines Eingriffs in das schwebende VerBundesinnenminister Höcherl
fahren - das ist x-mal betont worden; ich will es nicht wiederholen - nicht um einen irgendwie brutalen und primitiven Akt vielleicht der Einwirkung auf einen Bundesanwalt oder auf einen Richter geht. Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Die Frage der modernen Beeinflussung eines schwebenden Verfahrens ist ja etwas ganz anderes. Da wird in der breiten Öffentlichkeit eine Welle von Dingen hochgezogen, und es wird eine Pression ausgeübt. Eine solche Pression in der Art, wie Sie es heute versucht haben, vor dem morgen stattfindenden Verfahren, ist unmöglich. Haben Sie doch Verständnis dafür! Ich gehe dabei noch davon aus, daß der eine oder andere von Ihnen von dem morgigen Termin, der diese Erscheinungen betrifft, keine Kenntnis gehabt hat. Nun, wer das nicht weiß, dem ist zugute zu halten, daß er diese Debatte ohne Kenntnis des Verfahrens und des Termins heraufbeschworen hat.
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Ich möchte Sie um eines bitten. Sie haben ein Recht darauf, solche Fragen zu stellen. Dieses Recht darf Ihnen nicht verwehrt werden und wird Ihnen auch von uns nicht verwehrt. Das ist völlig klar. Wir sind von der Regierung her und von der Koalition her genauso wie Sie daran interessiert, festzustellen, ob alles rechtsstaatlich zugegangen ist. Was wir aber vor einem solchen Termin und im Rahmen eines laufenden Verfahrens vermeiden müssen, ist, den Eindruck zu erwecken - ich behaupte nicht einmal, daß Sie das wollen; aber der Anschein wird erweckt, und wir haften für den äußeren Anschein genauso wie für das, was wir wollen -, als werde Einfluß auf ein schwebendes Verfahren genommen und da wir in solchen Dingen Kundige sind, haften wir in einem erhöhten Maße. Diesen Anschein haben Sie hervorgerufen, und dieses Gut, ein Rechtsverfahren, vor einem solchen Anschein zu bewahren, das haben wir in der Fragestunde und in dieser Debatte versucht.
Aber kommen Sie mir nicht, meine Damen und Herren, mit Unterstellungen, daß wir eine Schadenfreude empfinden, mit Unterstellungen, daß Strauß sich in ein Verfahren eingemischt hat.
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- Herr Schäfer hat das behauptet. Meine Damen und Herren, seien Sie vorsichtig mit diesen Behauptungen, genauso vorsichtig, wie Sie selbst behandelt werden wollen.
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- Es gibt doch nichts Empfindlicheres als Sie in der Opposition. Kübelweise werden über uns Beleidigungen ausgestoßen.
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Meine Damen und Herren, ich sehe einmal von meiner Person ab. Ich gehöre nicht zu den Empfindsamen, bestimmt nicht. Herr Schäfer hat sich hier hingestellt und gesagt, ich hätte als Innenminister jetzt die Katze aus dem Sack gelassen und ich hätte als Innenminister gesagt: Endlich haben wir den „Spiegel" bekommen und können hier unser Mütchen kühlen. Das ist doch gesagt worden. Herr
Schäfer, wenn Sie behaupten, das hätte mit Anstand zu tun, so behaupte ich, das hat mit dem Gegenteil etwas zu tun.
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- Dann lesen Sie es halt nach!
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- Ich will Ihnen einmal etwas sagen. ({7})
- Herr Schäfer, etwas anderes will ich Ihnen einmal sagen. Diese Debatte und diese Pressewelle, die entfacht worden ist, muß auf das Gericht, auf die Richter und alle Beteiligten drücken. Das ist der moderne Stil des Eingreifens in ein Verfahren, und das ist hier versucht worden, nicht absichtlich, aber die Wirkung ist so.
Ich habe mich im Rahmen dieser Auseinandersetzungen sehr um die Frage bemüht - ich habe eine gewisse Zuständigkeit dafür -, wie man den Beruf des Journalisten vor solchen Risiken bewahren kann. Das ist eine wichtige Frage, und ich darf Ihnen sagen, wie es in meinem Hause und, wie ich weiß, in anderen Häusern auch gehandhabt wird. Jeder Journalist kann sich bei uns erkundigen und bekommt eine sofortige Aufklärung, ob es sich um eine geheimzuhaltende Sache handelt.
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Das machen wir bereits, und das ist - das darf ich jetzt einmal ganz offen sagen, und da werden Sie sich wundern - in allerletzter Zeit gegenüber dem „Spiegel" auch von meiner Person aus geschehen-, damit Sie wissen, was für eine Schadenfreude ich darüber habe, daß die Welt voll davon ist, daß wir auf die Weise mit Hilfe von nützlichen Dummköpfen auswärts verleumdet werden, die gar nicht wissen, was sie anfangen.
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Ich billige Ihnen zu, meine Damen und Herren, daß Sie mit guten Absichten an diese Debatte herangegangen sind. Aber sie halben fahrlässig, grobfahrlässig gehandelt, weil Sie den Anschein erweckt haben, daß 'Sie auf das morgige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zumindest am Rande einwirken.
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Das können Sie nicht leugnen, das ist 'so. Darum wollen wir uns morgen so unterhalten, daß wir den Termin vom Donnerstag nicht mehr beeinträchtigen. Das ist ein gemeinsames Rechtsgut. Wir beachten die Form genauso wie Sie - wir wissen, welcher rechtspolitische Charakter und Inhalt in dieser Form ist -, aber machen es nicht so, wie Sie das betrieben haben, und Sie sollten nicht Tatsachen verdrehen und nicht ein großes Pathos vorlegen, sich nicht in Selbstlob ergehen, was Sie schon alles geleistet haben, wer der bessere Demokrat ist. Meine Damen und Herren, das braucht es alles nicht. Hier sitzen nur Demo2010
Bundesinnenminister Höcherl
kraten. Wir haben uns nur mit der Sache auseinanderzusetzen. Das wollte ich jetzt doch gesagt haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen der Freigabe von Räumen und Herausgabe von Gegenständen hat z. B. mit der Frage, auf welche Weise ein Redakteur in Spanien von der dortigen Polizei vorläufig festgenommen worden ist, nichts zu tun.
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Die Erörterung dieses Problems hat also nicht das geringste zu tun
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mit einer Streitfrage, die beim Bundesverfassungsgericht ansteht. Wir haben es aber auch und gerade mit einem solchen Problem und mit einigen anderen Fragen zu tun gehabt, die ebenfalls nicht in den Kreis der Betrachtungen gehören,
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mit denen sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Die einstweilige Anordnung befaßt sich nicht einmal mit der Prüfung, ob Zensur vorgelegen hat oder nicht; das ist wieder eine andere Geschichte.
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Insofern trifft der Vorwurf, daß hier jemand unter Druck gesetzt werde, einfach nicht zu.
Ein Zweites. Wenn hier schon eine Meinungsbildung in der Sache vorgenommen worden ist - in der bei unserer Justiz anhängigen Hauptsache -, dann ist sie vom Herrn Bundeskanzler vorgenommen worden,
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indem er hier - mit ganz klaren Worten - jemanden bereits als verurteilt betrachtet hat, bei dem eben das Verfahren noch schwebt, wie man auch die Beweiskette beurteilen mag, die bis zur Stunde bekannt ist.
Ein Drittes. Ich möchte dem Herrn Bundesinnenminister in aller Bescheidenheit sagen: diese Debatte hier haben w i r nicht angefangen.
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- Nein, entschuldigen Sie, diese Debatte mitsamt ihrem Stil und mitsamt der Schärfe ist nach Abschluß der Fragestunde vom Herrn Bundeskanzler heraufbeschworen worden;
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das möchte ich festhalten.
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- Aber entschuldigen Sie, der Kollege Güde von Ihrer Fraktion hat hier ausdrücklich bestätigt, daß die Erklärung des Genossen Ritzel
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- des Kollegen Ritzel - überhaupt keinen Anlaß für Volksaufregung geboten hätte.
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An diese Erklärung Ihres Kollegen Güde möchte ich mich hier halten;
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das war sehr wohl abgewogen, und dem ist in diesem Punkte kein Wort hinzuzufügen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir nun dem Rate des Kollegen Barzel folgen sollten und das, was weiter noch zu klären ist, auf diejenige Art und Weise klären, die dem Bundestag obliegt, nämlich morgen in der Fragestunde. Dann werden wir weiter Tatsachen erfahren. Ich begrüße es, daß damit wenigstens Sie - im Gegensatz zu manchen anderen Ihrer Freunde - diese Form parlamentarischer Kontrolle als außerordentlich notwendig und nützlich auch in dieser Sache bezeichnet haben. Sehen wir uns also in dieser Sache morgen bei der Fragestunde wieder!
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 8. November, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.