Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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- Ich habe Ihre Wortmeldung zur Tagesordnung gesehen, aber zuerst wollen wir die Glückwünsche des Hauses idem Herrn Kollegen Heide aussprechen, der am 20. Juni 65 Jahre alt geworden ist.
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Es ist eingegangen eine Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im vierten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961. Die Drucksache IV/505 liegt Ihnen vor. Vorgesehen ist die Überweisung der Vorlage .an den Haushaltsausschuß. Ist das Haas damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. Juni 1962 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft
Gesetz zu dem Vertrag vom 27. November 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich zur Regelung von Schäden der Vertriebenen, Umsiedler und Verfolgten, über weitere finanzielle Fragen und Fragen aus dem sozialen Bereich ({2})
Gesetz zu dem Abkommen vom 9. Juli 1961 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland, dem Abkommen über die zur Durchführung des Assoziierungsabkommens intern zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren und dem Abkommen über das Finanzprotokoll
Gesetz über die in Monaco am 18. November 1961 unterzeichnete Zusatzvereinbarung zu dem am 2. Juni 1934 in London revidierten Haager Abkommen vom 6. November 1925 über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle
Gesetz zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes
Gesetz zu der Erklärung vom 18. November 1960 über den vorläufigen Beitritt Argentiniens zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Gesetz zur Durchführung des Artikels 64 Abs. 2 des Saarvertrages
Gesetz zu dem Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes beschlossen, gegen die Dreizehnte Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({3}) keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/528 verteilt.
Bevor wir zur Sache kommen, gebe ich das Wort zur Tagesordnung dem Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beantrage ich, unseren Antrag Drucksache IV/509 auf Zahlung einer Überbrückungszulage an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes auf die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung zu setzen.
Die Frage der Anpassung der Besoldung im öffentlichen Dienst beschäftigt die deutsche Offentlichkeit leider seit vielen Wochen und Monaten, ohne daß es die Regierungsparteien bisher geschafft haben, Klarheit herbeizuführen. Ich brauche die sachliche Notwendigkeit der Anpassung der Gehälter nicht besonders zu begründen. Die maßgeblichen Männer der Regierungsparteien, der Herr Bundeskanzler und die zuständigen Ressortminister, haben immer wieder erklärt, daß sie die Wünsche der Beamtenschaft für berechtigt halten.
Diese Lage ist für die Beamtenschaft um so bedauerlicher, als sich die Bundesregierung für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes inzwischen der Notwendigkeit nicht länger verschlossen und den neuen Tarifverträgen zugestimmt hat. Mit Recht ist daher in der Öffentlichkeit erklärt worden, daß es unmöglich ist, nach der Entscheidung für die Angestellten und Arbeiter die Beamten von der Verbesserung der Bezüge auszuschließen. Bitte, denken Sie doch daran, meine Damen und Herren! Man kann beim besten Willen keinem Postschaffner und keinem Mann von der Bundesbahn klarmachen, daß er für die gleiche Tätigkeit keine Gehaltserhöhung bekommt, während der Kollege im Angestellten- oder Arbeiterverhältnis eine Gehalts- und Lohnerhöhung erhält. Schließlich darf doch auch bei den Beamten nicht das Gefühl entstehen, daß nur durch die Tatsache, daß nach unserem Recht der Beamte kein Streikrecht hat, seine wirtschaftlichen Sorgen und Wünsche von der Bundesregierung an das Ende der Bedarfsskala gesetzt werden.
Die jetzige Haltung der Regierung würde vor allem bedeuten, daß Millionen von Beamten im Hinblick auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sogar eine große Schmälerung ihres Realeinkommens auf längere Zeit hinnehmen müßten. Wenn man den Beamten verweigert, was für die Angestellten und Arbeiter mit gutem Grund aner1480
kannt worden ist, ist das eine empörende Verletzung der Fürsorgepflicht.
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Wir bedauern, daß weder die Bundesregierung noch die Regierungsparteien bei der Beratung des Haushalts diesen Punkt bedacht haben und daß bei der Rangfolge, die sie festgelegt haben, der öffentliche Dienst mit den Kriegsopfern zum Schlußlicht gemacht worden ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat zum Abschluß der dritten Lesung des Bundeshaushaltsgesetzes folgendes - zur Opposition gerichtet - gesagt:
Die Beschwerde, daß die Koalitionsparteien zuwenig auf ihre Anträge eingegangen sind, habe sich eigentlich nicht so sehr ernst genommen, weil nun eben einmal der Haushalt der zahlenmäßige Ausdruck für das ist, was eine Regierung und die Parteien - die Koalition, die sie im Parlament stützt - politisch wollen und durchführen wollen.
Meine Damen und Herren, damit haben Sie die Entscheidung gegen die Beamten getroffen!
({1})
Das ist um so bedauerlicher, als immer wieder aus berufenem Munde erklärt worden ist, daß die Beamtenschaft in den zurückliegenden Jahren gewissenhaft und loyal ihre Pflicht erfüllt habe. Es mußte die Beamten empfindlich verletzen, daß Sie es fertiggebracht haben, den Versuch zu unternehmen, Verbraucher und öffentlichen Dienst gegeneinander auszuspielen.
({2})
Es wäre nicht zu verantworten, wenn das Parlament in die Sommerferien ginge, ohne in dieser Frage eine klare Aussage für die Offentlichkeit und für die Beamten zu machen.
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Das ist um so notwendiger, als der vorliegende Entwurf der sogenannten Harmonisierungsnovelle für die Beamtenschaft eine große Enttäuschung bedeutet. Es ist nicht nur die Anpassung der Besoldung an die der Länder nicht erreicht worden, sondern auch die immer wieder zugesicherte Verbesserung für die Beamten des mittleren und einfachen Dienstes ist unzureichend. Es ist unverständlich, meine Damen und Herren, wie man mit diesem unzureichenden Vorschlag auch noch den Wunsch nach einer Grundgesetzänderung verbinden kann. Mit dieser Regelung verlangen Sie nicht mehr und nicht weniger, als daß die Gesamtkompetenz zur sozialen Fortentwicklung in Zukunft dorthin gegeben werden soll, wo die Bereitschaft zu Verbesserungen am geringsten ist.
Ich bitte daher nochmals, unseren Antrag auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Durch Ihre Zustimmung können Sie der Offentlichkeit beweisen, daß Ihnen die Belange des öffentlichen Dienstes wirklich am Herzen liegen und daß Sie gewillt sind, sich der von Ihnen als berechtigt anerkannten Wünsche und Forderungen des öffentlichen Dienstes anzunehmen.
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Ich habe noch mehr Wortmeldungen zur Tagesordnung. Ehe ich abstimmen lasse, gebe ich jeder Seite das Wort, einem Redner dafür und einem Redner dagegen. Wir können die Abstimmung vereinfachen, indem wir über die Anträge zusammen abstimmen.
Jetzt hat das Wort zur Tagesordnung der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Fraktion habe ich Ihnen den Geschäftsordnungsantrag zu unterbreiten, den Antrag der Fraktion der SPD betreffend ein Zweites Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung - Drucksache IV/469 - auf die Tagesordnung zu setzen. In diesem Antrag wird die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag bis zum 30. September 1962 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts - also eines Zweiten Neuordnungsgesetzes - vorzulegen.
Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960, das Erste Neuordnungsgesetz, bedeutet unbestreitbar einen Fortschritt und hat die wirtschaftliche Lage der Kriegsopfer verbessert. Es ist aber allen mit der Materie Vertrauten klar, vor allem den Kriegsopfern selbst, daß das Endziel einer gerechten Versorgung noch nicht erreicht ist und daß das materielle Versorgungsrecht noch erhebliche Lücken und Härten aufweist, die erneut zu einer großen Unzufriedenheit unter den Kriegsopfern geführt haben und die die Arbeit der Versorgungsverwaltung erheblich erschweren.
Die SPD-Fraktion hatte bereits vor Monaten erkannt, daß die Bundesregierung und die Koalitionsparteien des Bundestages nicht bereit sind, in absehbarer Zeit den Entwurf eines Zweiten Neuordnungsgesetzes vorzulegen, so wie es bei der Verabschiedung des Ersten Neuordnungsgesetzes von allen Fraktionen des Hohen Hauses den Kriegsopfern versprochen worden war. Deshalb hat die SPD-Fraktion schon im Dezember vorigen Jahres den Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der Kriegsopfer auf Drucksache IV/54 vorgelegt, der eine 10 %ige Erhöhung der Grundrenten der Beschädigten und Witwen sowie der Altersrenten vorsieht. Bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs im Kriegsopferausschuß hat der Arbeitsminister Blank erklärt, daß eine weitere Novellierung des Kriegsopferrechts im jetzigen Zeitpunkt verfrüht wäre; dies gelte insbesondere auch für den Antrag der SPD auf eine lineare Erhöhung der Grundrenten um ,10 %. Die Bundesregierung werde jedoch - so erklärte er - zu gegebener Zeit Vorschläge über die Weiterentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes ausarbeiten. Herr Blank vertrat weiter die Meinung, daß der Problematik der Weiterentwicklung des Kriegsopfer-rechts mit einer einmaligen linearen Anhebung aller Renten um 10 °/o nicht beizukommen sei. Ähnliche
Erklärungen hat Herr Blank auch den Vertretern der Kriegsopferverbände gegenüber gemacht, übrigens in sehr unzulänglicher Weise, wie ja Herr Blank überhaupt, so meine ich, eine unnachahmliche Art hat, mit den Vertretern der Kriegsopfer umzugehen.
Wir wollen mit dem Antrag auf Drucksache IV/469 der Bundesregierung die Möglichkeitieinräumen, über die maßvollen Forderungen der SPD-Fraktion hinaus - die übrigens nur auf eine Überbrückungsregelung hinzielen - den Kriegsopfern gründlich und schnell zu helfen und damit das Sozialpaket, das doch wohl nur ein Päckchen zu sein scheint, an dem sie offenbar aber schwer zu tragen hat, um einen Spalt zu lüften. Wir haben absichtlich mit diesem Antrag noch keine materiellen Einzelforderungen gestellt, uni dem Herrn Bundesfinanzminister Starke nicht erneut die Gelegenheit zu dem provozierenden Ausruf: „Alles auf einmal" zu geben. Wir wollen vielmehr ihm und der gesamten Regierungskoalition die Gelegenheit geben, ihre Konzeption für eine fortschrittliche Weiterentwicklung des Kriegsopferversorgungsrechts umgehend in aller Offentlichkeit darzulegen.
Im Interesse der Kriegsopfer muß dieser Antrag auf die Tagesordnung, damit der Gesetzentwurf dem Hohen Hause bis zum 30. September dieses Jahres vorgelegt werden kann. Wir alle wissen, wie lange die Beratung eines solchen Gesetzentwurfs dauert. Wenn er nicht bis zum 30. September dieses Jahres vorgelegt wird, wird die Verbesserung der Kriegsopferversorgung günstigstenfalls im Jahre 1964 und nicht - wie vor allem von der FDP den Kriegsopferverbänden immer wieder versprochen - im Jahre 1963 kommen.
Es wäre das erste Mal in der parlamentarischen Nachkriegsgeschichte der Kriegsopferversorgung, daß die Fraktionen des Bundestages in ihrem Bemühen, den Kriegsopfern ebenfalls nachhaltig und schnell zu helfen, nicht einig sind. Überwinden Sie daher, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenigstens in diesem Punkt Ihre permanente Uneinigkeit in Sachen Sozialpolitik und stimmen Sie mit uns dafür, daß der Antrag Drucksache IV/469 auf die Tagesordnung gesetzt wird! Seien Sie sich darüber im klaren, daß eine Ablehnung dieses Antrages - trotz aller gegebenen Versprechen - nicht weniger bedeutet als eine Verzögerung der sachlichen und menschlich mehr als gerechtfertigten Verbesserung der Kriegsopferversorgung auf unbestimmte Zeit. Das allerdings wäre nicht zu verantworten.
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Das Wort zur Tagesordnung gebe ich Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 15. Juni hat die CDU/CSU-Fraktion durch Fristeinrede verhindert, daß unser Entwurf eines Kindergeldverbesserungsgesetzes im Zusammenhang mit der Großen Anfrage, die ja auch das Kindergeldrecht behandelt, in erster Lesung beraten wurde. Heute beantragen wir zum zweitenmal, diesen Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen.
Zweck unseres Gesetzentwurfs ist es, zu verhindern, daß bis zur Neuregelung des Kindergeldrechtes Familien mit Kindern in ihrer Lebenshaltung absinken. Diese Gefahr besteht insbesondere für Familien mit Zweitkindern, deren Einkommen im Jahre 1961 die Grenze von 600 DM monatlich überschritten hat. Diesen 300 000 Familien muß nach dem geltenden Recht mit Wirkung vom 1. Juli das gegenwärtig gewährte Kindergeld entzogen werden. Das muß nach Ansicht meiner Fraktion verhindert werden.
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Deshalb sollte der Gesetzgeber noch vor der Sommerpause handeln.
Auch aus einem weiteren Grunde ist es erforderlich, daß der Gesetzgeber sofort im Interesse der Familien tätig wird. Der Kindergeldsatz für Familien mit drei und mehr Kindern besteht seit März 1959. Seitdem ist das Volkseinkommen um fast 30 °/o gestiegen. An dieser Entwicklung sollen nach unserem Gesetzentwurf auch Familien mit Kindern einen bescheidenen Anteil haben, und zwar durch Erhöhung des Kindergeldes für Zweitkinder um 5 DM monatlich und für Familien mit drei und mehr Kindern um 10 DM monatlich.
Die beantragte Anpassung des Kindergeldes an die wirtschaftliche Entwicklung hält sich im Rahmen dessen, was die Regierung noch vor einem Jahr dem Hause berichtet hat. Nach den Erklärungen der Regierung sollen 1 870 000 Zweitkinder in den Genuß des Kindergeldes kommen. Tatsächlich erhalten aber nur 1 530 000 Zweitkinder Kindergeld. Diese Zahl wird vom 1. Juli an um weitere 300 000 auf 1 200 000 absinken. Für 600 000 Zweitkinder weniger, als von der Regierung selbst geplant war, wird also nach dem 1. Juli Kindergeld gezahlt werden. Deshalb schafft unser Gesetzentwurf finanzwirtschaftlich keine besonderen Probleme. Er gleicht das Kindergeld nur an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse an und greift der notwendigen Reform nicht vor.
Noch eine letzte Bemerkung. Wenn Sie heute zum zweitenmal die Beratung des Gesetzentwurfs mit Mitteln der Geschäftsordnung verhindern sollten, so ist die Frage zu stellen, ob dadurch nicht faktisch das verfassungsmäßige Recht auf Gesetzesinitiative aus der Mitte des Hauses behindert wird, und das ausgerechnet bei einem Gesetz zugunsten der Familie!
Deshalb beantrage ich, den Gesetzentwurf Drucksache IV/468 auf die Tagesordnung zu setzen.
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Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP halten im Hinblick auf die gene1482
relle Entwicklung der Löhne und Gehälter eine allgemeine Anpassung der Beamtengehälter für erforderlich. Die beiden Fraktionen werden nach Wiederzusammentritt des Bundestages unverzüglich die Beratungen über die Anpassung aufnehmen. Hierbei ist die schwierige Situation gerade der unteren Einkommensgruppen im öffentlichen Dienst besonders zu berücksichtigen.
({0})
Die Neuregelung kann nur im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, also unter Beteiligung des Bundesrates und damit der ebenfalls von der Anpassung betroffenen Länder, vorgenommen werden.
({1})
Deshalb kommt dem Antrag der SPD, der erst in den letzten Tagen vor der Sommerpause dem Parlament vorgelegt worden ist, zu diesem Zeitpunkt nur propagandistische Bedeutung zu.
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Die Serie von Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion auf den verschiedensten Gebieten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens erfordert zusätzliche Mittel, die in die Milliarden gehen.
({3})
Die Anträge sind ohne Deckungsvorschläge vorgelegt worden.
({4})
Ihre agitatorische Absicht im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen ist eindeutig erkennbar.
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Die Entscheidungen, die hier zu fällen sind, können nur im Rahmen einer sozialpolitischen Gesamtkonzeption und in Würdigung der Finanz- und Haushaltslage des Bundes getroffen werden. Das ist erst im )Herbst möglich. Die Regierungsparteien werden bei den Beratungen im Herbstinsbesondere auch die Fortentwicklung des Rechts der Kriegsopferversorgung in Angriff nehmen und bei allen Maßnahmen auf eine familiengerechte Lösung bedacht sein.
Ich bitte, die Anträgeabzulehnen.
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Wünschen Sie das Wort zur Tagesordnung?
Ich bitte um das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung über die Tagesordnung.
Herr Abgeordneter Miessner, ich möchte Erklärungen nach § 36 nicht in dieser Debatte zur Tagesordnung entgegennehmen. Ich gebe anheim, eine Erklärung zur Abstimmung nach § 59 abzugeben. Eine solche Erklärung wird schriftlich vorgelegt und zu Protokoll genommen. *)
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über die Anträge in der Reihenfolge abstimmen, wie sie begründet worden sind.
Zunächst stimmen wir ,ab über den Antrag auf Aufnahme des Antrags Drucksache IV/509 in die Tagesordnung, begründet von Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenihausen. Wer dafür ist, daß dieser Antrag auf idie Tagesordnung kommt, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist iabgelehnt.
({0})
Nun kommt der Antrag Drucksache IV/469, begründet von Herrn Abgeordneten Glombig. Wer dafür ist, daß dieser Antrag auf die Tagesordnung kommt, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die gleiche Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Es folgt der Antrag Drucksache IV/468, begründet von Herrn Abgeordneten Dr. 'Schellenberg. Wer dafür ist, daß dieser Antrag auf die Tagesordnung kommt, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist wieder die gleiche Mehrheit. Die Tagesordnungsanträge sind abgelehnt.
({1})
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde ({2}). Die Fragestunde schließt um 10.30 Uhr.
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts; Frage I/1. - des Herrn Abgeordneten Ollenhauer -:
Welche Bemühung wird die Bundesregierung unternehmen, um den vom Bundestag gewünschten Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften als wichtigsten und vordringlichsten Schritt auf dem Wege zum europäischen Zusammenschluß herbeizuführen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die deutsche Delegation bei den Brüsseler Regierungsverhandlungen über den Beitritt Großbritanniens wird alles in ihren Kräften Stehende tun, um diese Verhandlungen zu einem baldigen erfolgreichen Abschluß zu führen.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ollenhauer.
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob Sie als Mitglied des Ministerrates der Gemeinschaft sich bei den kommenden Verhandlungen für die baldige positive Erledigung der Aufnahme Großbritanniens in die Gemeinschaft einsetzen werden.
*) Siehe Anlage 2
Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Ollenhauer: ich werde heute nachmittag nach Brüssel fahren, um an diesen dreitägigen Verhandlungen in dem Sinne, wie ich es gerade erklärt habe, teilzunehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Majonica.
Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, daß eine Formel gefunden werden kann, die den möglichst baldigen Beitritt Großbritanniens im Rahmen der Verträge unter Berücksichtigung berechtigter Interessen des Commonwealth möglich macht?
Herr Kollege Majonica, ich halte das für möglich.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Birrenbach.
Ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß ein erfolgreicher Verlauf der Verhandlungen über den Eintritt Großbritanniens in die EWG von den Vereinigten Staaten geradezu als eine Voraussetzung für die Entwicklung einer Partnerschaft zwischen dem vereinigten Europa von morgen und den USA angesehen wird?
Ihre Meinung ist zutreffend, Herr Kollege.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler.
Darf davon ausgegangen werden, daß der Herr Bundeskanzler bei seiner Reise nach Paris in ähnlicher Weise die Haltung der Bundesregierung vertreten wird, wie es soeben der Herr Außenminister in dieser Frage in diesem Hause getan hat?
Herr Kollege Erler, ich habe hier gerade Erklärungen im Namen der Bundesregierung abgegeben.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mommer.
Herr Minister, sind Sie bereit, zu erklären, daß die Aufnahme Großbritanniens unter den verschiedenen Zielen, die gegenwärtig in der europäischen Politik verfolgt werden - ich nenne nur, außer dem Ziel der Aufnahme, das Zustandekommen einer politischen Gemeinschaft - den ersten Rang in der Liste der zu verfolgenden Ziele einnimmt?
Das geht ein bißchen über die Grundfrage, die hier gestellt ist, hinaus, Herr Kollege Mommer; aber ich glaube, ich teile Ihre Meinung.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage I/2 - des Herrn Abgeordneten Erler -:
Ist die Assoziierung der europäischen Neutralen ({0}) mit der EWG nach Meinung der Bundesregierung nicht nur unbedenklich, sondern den Zwecken der EWG und der europäischen Zusammenarbeit sehr dienlich?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt:
Traditionell sind diese drei neutralen Staaten wirtschaftlich mit den Mitgliedstaaten eng verflochten. Die Art und Weise ihrer Beteiligung am Gemeinsamen Markt wirft eine Reihe von Problemen auf, die sich nicht im Rahmen der Fragestunde behandeln lassen. Unsere Grundlinie ist es, nach Lösungen zu suchen, die dem besonderen Interesse und der besonderen Lage dieser drei Länder Rechnung tragen.
Eine Zusatzfrage.
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß angesichts der Zugehörigkeit dieser drei Länder zur europäischen Völkerfamilie, und zwar der Familie der freien Völker Europas, die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den drei europäischen neutralen Ländern wirksamer gestaltet werden müssen als lediglich etwa wie durch Handelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Japan oder anderen Ländern anderer Kontinente?
Ich würde zweierlei sagen. Erstens, es handelt sich hier um eine sehr enge Beziehung, um eine engere Beziehung als z. B. bei der Beziehung zu Japan, die Sie erwähnten. Zweitens wird lange und, ich glaube, ausführlich darüber zu sprechen sein, welches die beste Art der Verbindung dieser drei Neutralen mit den in der EWG zusammengefaßten Staaten ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmid ({0})!
Herr Minister, hält die Bundesregierung die bloße Tatsache, daß diese Staaten neutral sind, für ein absolutes Hindernis einer vollen Assoziation an die EWG?
Herr Kollege Schmid, das läßt sich nicht mit wenigen Worten beantworten. Die Lage, auch hinsichtlich der Neutralität, ist bei diesen drei Staaten etwas unterschiedlich, und daher ist auch die Interessenlage unterschiedlich. Neutralität als solche ist kein Hindernis für Assoziierung, wie z. B. die afrikanischen Staaten zeigen.
Nun ist die Neutralität der afrikanischen Staaten ja etwas anderes als die der. Schweiz.
Ja, in der Tat.
({0})
Bine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erlerl
Isst der Fortgang der Integration unter den Vollmitgliedern der Gemeinschaft nach der Meinung des Herrn Bundesaußenministers durch die Assoziierung von Neutralen, die ja auf den Fortgang der Integration der Vollmitglieder gar keinen Einfluß nehmen können, in irgendeiner Weise gefährdet oder nicht?
Ich glaube nicht, daß er gefährdet wäre.
Danke.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Friedensburg!
Teilt nicht die Regierung grundsätzlich die Ansicht, daß die drei Länder, die von jeher einen so wesentlichen Beitrag zu Europas Kultur und Wirtschaft geleistet haben, unter allen Umständen in irgendeiner Form beteiligt werden müssen?
Ich glaube, Herr Kollege Friedensburg, die Antwort lautet: Diese drei Länder sollen auch in Zukunft so eng wie möglich mit den anderen verbunden bleiben.
({0})
Meine Damen und Herren, ich gehe weiter zur Frage I/3, gestellt von Herrn Abgeordneten Dr. Schmid ({0}).
({1})
- Meine Damen und Herren, ich muß daran erinnern, daß es in der Verantwortung des Präsidenten liegt, die Fragestunde so durchzuführen, daß nicht nur die ersten zehn oder zwanzig Fragen beantwortet werden. Es sind hundert Fragen gestellt worden. Ich muß dafür Sorge tragen, daß die, die weiter hinten stehen, auch noch drankommen.
({2})
Ich rufe also die Frage I/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid ({3}) - auf:
Ist sich die Bundesregierung der Gefahren bewußt, die der europäischen Einigungspolitik von einer besonders intensiven einseitigen Zusammenarbeit der drei großen Mitglieder der Gemeinschaft drohen könnten?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen!
Die Antwort auf diese Frage lautet: Wir haben nie an eine einseitige Zusammenarbeit von dreien gedacht.
Darf ich fragen, warum diesbezügliche Meldungen über Außerungen des Herrn Bundeskanzlers nicht dementiert worden sind.
Herr Kollege Schmid, es gibt vielerlei Arten von Meldungen, und es gibt einen mehr oder weniger hohen Grad des Zutreffens und Nichtzutreffens von Meldungen. Es gibt auch vielerlei Arten von Dementis. Hier bestand kein Anlaß, irgendeine Meldung zu dementieren.
Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen, Herr Präsident?
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid ({0}) !
Meine Frage ist sehr allgemein: Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß Europa nur dann europäisch sein wird, wenn kein Unterschied zwischen Großen und Kleinen gemacht wird, und zwar auch hinsichtlich der politischen Einschätzung ihrer Bedeutung für Europa?
Ich kann Ihrer Auffassung nur zustimmen. Alles, was wir bisher auf dem Gebiet der europäischen Einigung getan haben, beruht im Grunde auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung.
Ich höre das gern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner!
Der Herr Minister hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, gesagt, es habe keine Ursache für ein Dementi bestanden. Meine Zusatzfrage: Ist also die Erklärung des Bundesverteidigungsministers in seiner Rede über aktuelle Fragen im Verhältnis Amerika - Europa vor einer amerikanischen Universität, am 14. Juni gehalten, kein Dementi? Ich meine folgenden Satz:
Die Frage, ob eine politische Union einen kleineren Kreis von Staaten umfassen kann als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ist von Bundeskanzler Adenauer vor wenigen Tagen angeschnitten worden. Diese Frage kann aber zur Zeit nicht eindeutig beantwortet werden.
Ist das kein Dementi, oder muß diese Erklärung des Bundesverteidigungsministers dementiert werden, soweit sie den Bundeskanzler betrifft?
Herr Kollege Wehner, ich würde einmal versuchen, die Sache ein bißchen im Zusammenhang zu sehen. Wenn über EWG und Politische Union gesprochen
wird, muß man sich darüber klar sein, daß die gegenwärtige Ausgangslage für eine Politische Union die bisherigen Arbeiten und Leistungen und die bisherge Gemeinschaft der Sechs darstellen. Im Blick auf die Zukunft mag durchaus offen bleiben, ob sich der Kreis der an der EWG Beteiligten und der Kreis der an einer Politischen Union Beteiligten absolut decken müssen. Wir haben, wie Ihnen vielleicht erinnerlich ist, im Kreis der Außenminister im Dezember in Paris den Standpunkt eingenommen, daß möglichst der Kreis der EWG-Angehörigen und der der Politischen Union Angehörigen zur Deckung gebracht werden sollten. Ich habe damals den Ausdruck „sollten" gebraucht, um ein bißchen zwischen „sollen" und „müssen" zu unterscheiden. Aber im Blick auf die Zukunft bleibt es offensichtlich doch eine offene Frage, ob sich unbedingt und zu allen Zeiten Mitgliedschaft der EWG und Politische Union decken müssen, vor allen Dingen, wenn Sie daran denken, daß die Zahl der Beitrittsgesuche ziemlich gewachsen ist.
Eine zweite Zusatzfrage?
Ich bedanke mich. Ich wollte nur fragen, ob nun diese unterschiedlichen Auffassungen und öffentlich gegenübergestellten Auffassungen des Bundeskanzlers und seines Verteidigungsministers unter einen Hut zu bringen sind.
Herr Kollege Wehner, ich hoffe, Sie stimmen zu, daß ich hier eine gewisse Harmonisierung vorgenommen habe.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß in der bisherigen europäischen Entwicklung zu kleineren Zusammenschlüssen nur dann gegriffen wurde, wenn es sich zeigte, daß andere Staaten nicht bereit waren, die notwendigen Verzichte an Rechten und an Selbständigkeit zu leisten, und daß, wenn man hier zu einem Dreibund griffe, es umgekehrt wäre. Es sind nämlich die drei Kleinen, die bereit sind, mehr Verzichte zu leisten, und einer der Großen ist nicht bereit, auf dem Wege zu mehr Gemeinsamkeit vorwärtszugehen.
Herr Kollege Mommer, die bisherigen Bemühungen um die Politische Union, sagen wir einmal, in den letzten zwölf Monaten, waren ein bißchen eine Leidensgeschichte. Ich will die Schuldfrage jetzt nicht im einzelnen untersuchen; dazu brauchten wir eine größere Debatte. Aber, bitte, gehen Sie davon aus, daß wir anstreben, so schnell wie möglich zu' einer Politischen Union zu kommen und in sie auch möglichst alle die einzubeziehen, die der EWG derzeit angehören, und darüber hinaus die Türen offen zu halten. Ein bißchen sind solche auf Einstimmigkeit angewiesenen Gemeinschaftswerke ja vom Mitziehen aller abhängig. Ich glaube, das werden Sie einräumen. Aber wir werden in den nächsten Wochen und Monaten noch viel Mühe mit dieser Sache haben.
({0})
Keine Zusatzfrage.
Frage 1/4 - des Herrn Abgeordneten Dr. Deist -:
Vermag sich die Bundesregierung der Stellungnahme des 4. Internationalen Kongresses der Europäischen Bewegung in München vom 6. Juni 1962 anzuschließen, in der es u. a. heißt: der Vertrag über die politische Einigung Europas ,,muß in einer oder mehreren Etappen neue Kompetenzen auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik dem Rat der bestehenden Gemeinschaften zuteilen, der auf der Ebene der Staats- oder Regierungschefs oder auch der Minister zusammentritt und auf Vorschlag der schließlich zusammengeschlossenen Exekutiven seine Entscheidungen zunächst mit Einstimmigkeit und später mit qualifizierter Mehrheit trifft. Diese Exekutive, die unabhängig von den Staaten ist und das allgemeine europäische Interesse vertritt, wacht über die Durchführung der Entscheidungen. In der Ausübung dieser neuen Kompetenzen müssen der Rat und die Exekutive der Kontrolle des Parlaments und des Gerichtshofes unterstellt sein"?
Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Bundesregierung kann den Vorschlägen des Memorandums im wesentlichen zustimmen. Da die Verhandlungen über das politische Statut schweben, möchte ich auf Einzelheiten nicht näher eingehen.
Eine Zusatzfrage.
Da bekannt ist, daß unter Umständen - auch nach Ihren Darlegungen - Übergangslösungen in Frage kommen, darf ich fragen, ob Sie bereit wären, alles zu tun, damit bei den Verhandlungen eine Konstruktion gewählt wird, die die Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit der bestehenden Gemeinschaften nicht beeinträchtigt, sondern sich im Gegenteil in sie einfügt und diese Gemeinschaften stärkt.
Herr Kollege Deist, das ist in der Tat die Linie gewesen, die wir in den vergangenen Monaten eingenommen haben.
Danke sehr! Darf ich eine zweite Frage stellen?
Eine zweite Zusatzfrage.
Wären Sie bereit, zur Stärkung der bestehenden Gemeinschaften darauf hinzuwirken, daß die drei Exekutiven endlich fusioniert werden?
Unser Ziel ist das. Daß es recht schwierig ist, wissen Sie aus eigenen Erlebnissen.
({0})
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Minister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Vertrag über die politische Einigung Europas die sich aus den Römischen Verträgen ergebenden Rechte und Pflichten der Mitgliedsstaaten unangetastet lassen soll, daß sich ferner die Übernahme von Verteidigungsaufgaben durch die Politische Union im Rahmen der NATO vollziehen soll und daß ferner die Fortführung der europäischen Einigungsbestrebungen durch die Schaffung einer geeigneten Revisionsbestimmung erleichtert werden soll?
Herr Kollege Kopf, die Bundesregierung teilt die Meinung, die Sie gerade dargelegt haben.
Aber ich verweise auf die Nummer 7 der Richtlinien für die Fragestunde, wonach Fragen kurz und konkret gestellt werden müssen und, verehrter Herr Kollege Kopf, Unterfragen nicht zulässig sind. Die Frage, die Sie jetzt vorgelegt haben, bestand eigentlich aus drei Zusatzfragen.
({0})
- Was denn? Lesen Sie:
Eine Anfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten. Sie darf nicht in mehrere Unterfragen unterteilt werden.
Das steht in meiner Geschäftsordnung, und die muß ich einhalten.
Ich gehe jetzt weiter zur Frage I/5 - des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer -:
Hält die Bundesregierung den Auftrag der Artikel 138 ({1}), Artikel 108 ({2}) und des revidierten Artikels 21 ({3}) über die Ausarbeitung eines Entwurfs für allgemeine unmittelbare Wahlen zum Europaparlament für eine auch die Ministerräte der drei Gemeinschaften bindende Verpflichtung?
Die Antwort ist sehr kurz, Herr Präsident und Herr Kollege Dr. Mommer. Die Antwort lautet: ja.
({0})
Zusatzfrage?
Welche Folgerung haben Sie bisher aus dem Ja gezogen, Herr Minister?
Herr Kollege Mommer, wir haben alle diesbezügliche Arbeiten unterstützt.
Zweite Zusatzfrage!
Wann haben Sie im Ministerrat den Entwurf des Europaparlaments zur Debatte gestellt?
Die Sache ist im Ministerrat noch nicht behandelt worden. Ich müßte mich, um keine Divergenzen aufkommen zu lassen, wohl so ausdrücken: Wir haben alle diesbezüglichen Vorarbeiten unterstützt. Das wäre vielleicht korrekter.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Majonica!
Hält die Bundesregierung die Einführung allgemeiner und unmittelbarer Wahlen zum Europäischen Parlament für geeignet, um die Wirkungskraft des Europäischen Parlaments zu erhöhen?
Ja, wir sind dieser Meinung.
Zusatzfrage, Abgeordneter Professor Schmid!
Herr Minister - Sie sprachen von den Vorarbeiten, die Sie hier vorgenommen haben -, haben Sie darauf gedrängt, daß diese Vorarbeiten möglichst rasch abgeschlossen werden?
Herr Kollege Schmid, diese Vorarbeiten sind zu einem gewissen Abschluß gelangt. Aber alle diejenigen, die sich an dieser Debatte beteiligen, wissen, daß es auch unter den Mitgliedern der EWG keine totale Übereinstimmung gibt. Es gibt hier noch Schwierigkeiten, die uns sicher noch geraume Zeit beschäftigen werden.
Frage I/6 - des Herrn Abgeordneten Mattick -:
Wird sich die Bundesregierung der Aufnahme von bestimmten Ländern als Vollmitglieder der EWG widersetzen, wenn und solange deren innere politische Struktur nicht den Erfordernissen der Menschenrechtskonvention des Europarates vom 4. November 1950 entspricht?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort lautet, daß diese Frage hypothetisch ist und daß solche Anträge, auf die abgehoben wird, meines Wissens nicht vorliegen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, billigt die Bundesregierung die Äußerung, die Herr Minister von Merkatz in diesen Tagen in Madrid gemacht hat?
({0})
- Ich glaube, es ist eine Zusatzfrage, die sich auf Spanien bezieht, wo der Herr Minister festgestellt hat, daß Demokratie und Autorität keine Gegensätze seien, sondern sich ergänzen könnten. Ich
glaube, es ist insofern eine Zusatzfrage, als in meine Frage auch Spanien einbezogen ist und darüber jetzt Gespräche laufen.
({1})
Herr Kollege Mattick, wenn der Herr Präsident die Frage zuläßt, habe ich keine Bedenken, darauf eine Antwort zu geben.
Herr Bundesaußenminister, der Präsident läßt die Frage zu.
Dann darf ich kurz folgendes dazu sagen. Ich lese einmal ein Stückchen aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von gestern vor, das diese Ausführungen meines Kollegen von Merkatz ins richtige Licht setzt. Dort heißt es folgendermaßen:
Bundesminister von Merkatz fand Beifall, als er sagte, daß alles, was in Spanien geschehe oder Spanien angehe, ganz zwangsläufig einen Teil allgemeiner europäischer Sicherheit und Entwicklung darstelle und daß darum auch eine friedliche innere Evolution hinter den Pyrenäen allgemeine europäische Herzensangelegenheit sein sollte. Der spanische Entwicklungsprozeß müsse sich ohne parteigebundene oder parteibestimmende Einmischung des Auslandes in drei großen Etappen vollziehen: wirtschaftliche Mobilisierung und Einordnung nach Europa, soziale Hebung und Angleichung und schließlich politische Evolution, die Spanien mit den großen demokratischen Industriestaaten des Westens auf gleichen politischen und ideologischen Grundlagen vereint und zusammenschließen soll. Der deutsche Minister hat dabei die Bedeutung der engen politischen Zusammenarbeit Frankreichs und der Bundesrepublik für diesen spanischen Evolutionsprozeß besonders hervorgehoben; Vertreter Frankreichs und Englands sprachen ähnliche Erwartungen aus. Die starke Resonanz, die solche Bekenntnisse beider Seiten über die Unteilbarkeit spanischer und europäischer Entwicklung in der Offentlichkeit, vor allem aber in den politischen Oberschichten Madrids ausgelöst haben, wird zweifellos dazu beitragen, das politische Klima in Spanien wieder zu normalisieren.
Ich glaube, daß ist eine - wenn auch vielleicht etwas indirekte - Antwort auf Ihre Frage.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Mattick.
Darf ich den Herrn Minister fragen, ob die Bundesregierung dann mit mir der Auffassung ist, daß bisher die spanischen Verhältnisse der Menschenrechtskonvention des Europarats nicht entsprechen und daher bisher die Schlußfolgerung richtig ist, daß Spanien nicht ein ordentliches Mitglied der EWG werden kann?
Herr Kollege Mattick, ich muß leider wiederholen, was ich gesagt habe: da die Grundfragestellung hypothetisch ist, werden Sie nicht erwarten können, daß ich hier ein so generelles Urteil über die spanischen Verhältnisse ausspreche.
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Zusatzfrage des Abgeorneten Dr. Kohut.
Herr Minister, war das, was Sie hier .vorgetragen haben, eine Rechtfertigung für die Existenz faschistischer Diktaturen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft?
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Herr Kollege Kohut, ich habe etwas als Antwort auf eine Frage vorgelesen. Wie Sie das, was dort in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichtet ist, werten wollen, muß ich Ihnen selbst überlassen.
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Zweite' Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kohut.
Darf ich dennoch fragen, Herr Minister, ob das, was Sie verlesen haben, eine Wertung einer Äußerung eines Ihrer Kollegen war?
Herr Kollege Kohut, ich kann es nicht noch einmal vorlesen. Ich habe diese Zusammenfassung zitiert, um einen Eindruck von dem zu geben, was Herr von Merkatz, dessen Äußerung ein bißchen falsch dargestellt worden ist, wirklich gesagt hat, mit welcher Tendenz er sich ausgesprochen hat, und ich erlaube mir sogar die Vermutung, Herr Kollege Kohut, daß Sie mit dieser Tendenz übereinstimmen werden.
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Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schmid.
Ich habe unabhängig von Spanien die Frage, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß das Nichtübereinstimmen eines Regimes mit der Menschenrechtskonvention ein absolutes Hindernis für den Beitritt zur EWG ist. Es gibt ja auch andere Staaten als Spanien, bei denen das Problem sich stellen würde.
Ich sage noch einmal: ich möchte, damit wir praktisch genug bleiben, nicht so gern auf hypothetische Fragestellungen eingehen. Was wir hier besprechen, ist die Frage, wie wir uns zu vorliegenden Beitritts-und Assoziierungsgesuchen verhalten. Ich glaube, man sollte das nicht auf theoretische Fragestellungen ausweiten.
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Dann darf ich die Frage nicht theoretisch, sondern moralisch stellen: Gibt es für die Bundesregierung keine absoluten Hindernisse?
Sicherlich gibt es absolute Hindernisse; wir sind aber bisher vor solche noch nicht gestellt worden.
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Zusatzfrage des Herrn Professor Friedensburg.
Würde nicht nach Ansicht der Bundesregierung gerade die Annäherung der Länder, von denen Kollege Mattick gesprochen hat, an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft dazu beitragen, die von uns allen gewünsthte Evolution herbeizuführen bzw. zu erleichtern?
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Ich möchte auf jeden Fall sagen, ohne damit endgültig auf Ihre Frage einzugehen, daß wir alles tun sollten, um diese Annäherung herbeizuführen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Blachstein.
Herr Minister, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß durch Reden wie die des Herrn Ministers Merkatz in Madrid der Eindruck entstehen kann, daß ein Regime, das unter aktiver Mithilfe der deutschen Reichsregierung Hitler an die Macht gelangt ist, von der heutigen Bundesregierung in ihrer Tätigkeit und ihrer Praxis .gestützt wind? Meinen Sie nicht, daß damit die demokratische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland im In- und Ausland in Frage gestellt wenden kann?
Herr Kollege Blachstein, ich würde es bedauern, wenn die Fragestellung tatsächlich so behandelt würde, wie Sie sie hier gerade gestellt haben. Ich glaube, man sollte sie ein bißchen versöhnlicher und ein 'bißchen in die Zukunft blickend vornehmen, und gerade deshalb fand ich diese Darlegung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" so hervorragend.
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Ich rufe auf Frage I/7 - des Herrn Abgeordneten Metzger -:
Was ist die Bundesregierung zu tun bereit, um über die Stärkung der Position des Europaparlaments eine demokratischparlamentarische Entwicklung Europas zu fördern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt. Durch das vorgesehene Statut der Politischen Union soll
das Europaparlament weitere Befugnisse erhalten.
Eine Zusatzfrage!
Hier ist zunächst einmal von dem Europaparlament, das der EWG zugeordnet ist, die Rede. Ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß die Tatsache, daß nach Artikel 189 des EWG-Vertrages der Ministerrat, also die Minister die Gesetzgebungsgewalt haben, ein Verstoß gegen das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung ist?
Ich würde mich nicht so hart ausdrücken - ein „Verstoß gegen das Prinzip der 'Gewaltenteilung" -, wie Sie es tun. Aber, Herr Kollege Metzger, wir stimmen wohl darin überein, daß es sich um einen Entwicklungsprozeß handelt und handeln muß und erst am Ende die vollverantwortliche Regierung und das vollbefugte Parlament stehen kann. Das ergibt sich, 'glaube ich, aus den natürlichen Gegebenheiten dieses Wachstumsprozesses.
Eine zweite Zusatzfrage!
Sie sagen, es handle sich um einen Entwicklungsprozeß. Ist die Regierung bereit, diese Entwicklung zu fördern, z. B. in der Weise - abgesehen von einer Änderung des Vertrages -, daß sich der Ministerrat bereit erklären würde, nur dann Verordnungen zu erlassen, wenn das Europäische Parlament zustimmt?
Ich möchte mich jetzt nicht so definitiv festlegen, sondern nur sagen, daß gerade dieser gesamte Fragenkomplex bei den Arbeiten am politischen Statut immer wieder von neuem behandelt worden ist und weiter behandelt werden wird unid das wir das im Lichte einer fortschreitenden Ausweitung der parlamentarischen Befugnisse tun. Sie kennen die Entwürfe, die im einzelnen so aussehen, daß es jetzt gewisse Befugnisse gibt und daß über gewisse weitere Befugnisse 'in einer zweiten Stufe gesprochen werden soll.
Ich rufe auf die Frage I/8 - des Herrn Abgeordneten Wehner-:
Meinte der Herr Bundeskanzler mit seiner Bemerkung über die Gefahr des Platzens der EWG vor der Presse in Berlin, daß dies durch den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks, Norwegens, Irlands oder die Assoziierung der europäischen neutralen Staaten gegeben sei?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen. .
Die Antwort auf diese Frage lautet: nein. Der Herr Bundeskanzler hat vielmehr seiner Besorgnis Ausdruck gegeben, daß ein zu rasches Wachstum der EWG die Führungs- und Verwaltungsschwierigkeiten außerordentlich erhöhen würde. Diese Besorgnis ist offenbar begründet.
Eine Zusatzfrage!
Der Herr Bundeskanzler hat einer solchen Besorgnis Ausdruck gegeben. Bedeutet das, daß es andere solche Gefahren gibt? Welche sieht die Bundesregierung mit dem Bundeskanzler?
Vielleicht haben Sie meine Antwort akustisch nicht ganz gehört. Ich sagte: nein. Das gilt als Antwort auf Ihre Frage. Ich erkläre neu, daß der Bundeskanzler Besorgnisse darüber geäußert hat, daß ein zu rasches Wachstum der EWG die Führungs- und Verwaltungsschwierigkeiten außerordentlich erhöhen würde. Ich meine in der Tat, daß diese Besorgnis begründet ist.
Akustisch ist das schon angekommen. Ich möchte eine zweite Zusatzfrage stellen. Ich wollte gern wissen, welche Gründe es für diese Besorgnis eines zu raschen Verwaltungswachstums noch gibt, wenn als Grund der Beitritt Großbritanniens, Dänemarks usw., der vielleicht gemeint sein könnte, entfällt.
Herr Kollege Wehner, das Ganze wird doch ein zeitlich auseinandergezogener und gestaffelter Prozeß sein. Wenn etwas wachsen soll, muß man es doch möglichst in Übereinstimmung mit den das Wachstum begleitenden Möglichkeiten halten. Wenn Sie sich jetzt ein wenig die Personallage, die Personalanforderungen, die Größe der Apparate, die Größe der Aufgabenstellung vor Augen halten, so werden Sie zugeben, daß das alles nicht über Nacht erreicht werden kann. Das wird, glaube ich, auch niemand annehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid!
Eine Frage zu meiner besseren Erleuchtung. Sie sagten - wenn ich recht verstanden habe -, es seien administrative Gesichtspunkte, die den Bundeskanzler zu seiner Äußerung veranlaßt hätten.
Plus Führungsschwierigkeiten!
Nicht politische Gesichtspunkte?
Das ist zutreffend. Man kann es darauf verengen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg!
Würde die Bundesregierung die Auffassung teilen, daß die Voraussetzungen zum Erwerb der Vollmitgliedschaft im Gemeinsamen Markt und damit die Absteckung der Grenzen dieses Gemeinsamen Marktes wesentlich in der Anerkennung des Grundsatzes bestehen, den der britische Minister Heath am l0. Oktober formuliert hat, als er uneingeschränkt davon sprach, daß sich Großbritannien zum Geist und Inhalt der Verträge bekenne?
Herr Guttenberg, das ist überhaupt die Voraussetzung für einen Beitritt. Die Voraussetzung für die volle Mitgliedschaft ist das Eintreten auf dem Boden der Römischen Verträge und die Bejahung ihrer politischen Zielsetzung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler!
Darf ich aus der Antwort auf die Frage des Herrn Professor Schmid schließen, daß es sich bei den Wachstumsschwierigkeiten nicht handelt um Schwierigkeiten aus dem geographischen Anwachsen der Mitgliedsländer, der Zahl der Mitgliedstaaten, sondern um das Anwachsen der Bürokratie unter der Stabsführung des Vorsitzenden der Wirtschaftskommission, Professor Hallstein?
({0})
Herr Kollege Erler, wir haben jetzt keine Möglichkeit, Herrn Präsidenten Professor Hallstein nach seinen Erfahrungen zu befragen. Sie haben vielleicht in diesen Tagen einmal privat diese Möglichkeit gehabt. Das ist offenbar ein sehr schwieriges Problem, das eben nur in Phasen lösbar ist und von dessen Endlösung wir alle bisher nur eine höchst unvollkommene Vorstellung haben. Deshalb ist es, glaube ich, ganz nützlich, daß einmal das Augenmerk darauf gerichtet wird. Sie konnten ja in den letzten Tagen in Artikeln lesen, daß man auch Institutionen überfordern kann, auch durch das Tempo des Beitritts.
Wir haben jetzt mit der großen Aufgabe Großbritannien zu tun. Alle Aufgaben, die sich dann anschließen werden, müssen in eine einigermaßen nach Phasen abgestimmte Beziehung gesetzt werden zu dem, was wir dann haben. Das Problem ist also schwieriger, als es vielleicht aussieht.
Also handelt es sich auch um Länder und nicht nur um die Bürokratie.
Das Argument ist das, was ich gegeben habe; es ist ein Hinweis darauf, daß sich die weitere Entwicklung eben nur in gewissen, den Möglichkeiten entsprechenden Phasen vollziehen kann.
Frage I/9 - des Herrn Abgeordneten Birkelbach -:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die politische Einigung Europas durch die Einrichtung periodischer Konferenzen von Regierungschefs oder vielmehr durch die Schaffung von handlungsfähigen europäischen Organen erreicht werden muß, die einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle unterliegen?
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Die Antwort auf diese Frage lautet: Hier handelt es sich nicht um ein Entweder-Oder, sondern um eine fortschreitende Entwicklung, für die beides erforderlich ist.
({0})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier? Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Birkelbach!
Herr Minister, da die vertragliche Fixierung einer ersten Form - z. B. regelmäßige Regierungskonferenzen - schon auf solche Schwierigkeiten stößt, wäre es da unter Umständen nicht richtig, derartige Konferenzen auf der Basis mindestens der sechs Staats- bzw. Regierungschefs zur praktischen Übung werden zu lassen und dann erst die Form etwas näher zu fixieren?
Herr Kollege Birkelbach, das ist in der Tat ein sehr schwieriges Problem. Ich sehe die Sache so, daß ein gewisser institutioneller Rahmen doch erst einmal vorhanden sein muß, um überhaupt zu einer geordneten gleichförmigen dauernden Wirksamkeit zu kommen. Die Schwierigkeit besteht jetzt nur darin, daß auch dieser institutionelle Rahmen des Anfangs nicht etwa durch Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden kann, sondern eben wirklich eines Einvernehmens, einer Übereinstimmung aller bedarf, Das ist das Problem, mit dem wir jetzt zu tun haben, was übrigens nicht ausschließt - das darf ich noch hinzusetzen -, daß wir tatsächlich zunächst wieder einmal eine Konferenz aller Regierungschefs haben müssen, um einen weiteren Impuls in die Arbeit zu bringen, vielleicht mit der Hoffnung, daß die Regierungschefs unter Umständen ein Stück erfolgreicher sein werden als ihre Außenminister.
Eine zweite Zusatzfrage!
Darf ich meine Frage noch einmal dahin präzisieren, daß es nicht allein darum geht, die Regierungschefs in bezug auf die mögliche vertragliche Form einen weiteren Schritt vorwärtskommen zu lassen, sondern daß es darum geht, die sechs Regierungs- und Staatschefs daran zu gewöhnen, auch ohne diese Form in der jetzigen Situation möglichst auf Sechserebene regelmäßig zusammenzukommen.
Herr Kollege Birkelbach, man kann nicht einmal institutionelle Einrichtungen sehr hoch schätzen, sie anstreben und an ihnen arbeiten wollen und dann dem völlig institutionsfreien formlosen Zusammenkommen eine so hohe Wirksamkeit zutrauen, wie Sie es offenbar gerade tun. Ich glaube, daß man sozusagen erst einmal ein bißchen Gerüst oder ein bißchen Plattform haben muß. Wir bemühen uns seit mehr als einem Jahr, dieses Stück politischer Plattform zu schaffen, was im übrigen ja nicht ausschließt, daß es in weiten Feldern eine enge Zusammenarbeit gibt. Z. B. die Gemeinsamkeit der beteiligten Regierungen in der Behandlung von Beitrittsgesuchen usw. ist ja eine permanente politische Zusammenarbeit; das darf man nicht verkennen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Freiherrn zu Guttenberg!
Herr Minister, darf ich der ersten Antwort, die Sie auf die Frage des Herrn Abgeordneten Birkelbach gegeben haben, entnehmen, daß nach Auffassung der Bundesregierung die Institution periodischer Regierungskonferenzen nicht, wie Herr Abgeordneter Birkelbach es offenbar vermutet hat, eine negative Alternative darstellt zur Schaffung handlungsfähiger europäischer Organe, sondern im Gegenteil selbst die zusätzliche Schaffung eines solchen europäischen handlungsfähigen Organs darstellen würde?
Herr Kollege Birkelbach hat das Zusammenkommen auch außerhalb der Institutionen gerade sehr hoch bewertet. Ich bemühe mich, darzutun, daß es, obwohl auch ich es hoch bewerte, nicht ausreicht, konkrete Fortschritte zu erzielen.
Eine Zusatzfrage, Herr Professor Schmid!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß der Beitritt Großbritanniens dazu führen könnte, daß aus pragmatischer Übung Institutionen werden, wie das in England seit 700 Jahren der Fall ist?
Herr Kollege Schmid, ich würde liebend gern Ihren Optimismus teilen. Aber das, was man im eigenen Land in ein paar hundert Jahren fertig bekommen hat, ist in der Zuammenarbeit mit anderen nicht immer in sehr viel kürzeren Zeiträumen erreichbar. Trotzdem werden sich alle von den besonderen Erfahrungen Großbritanniens auch auf dem Gebiet dieser Zusammenarbeit etwas versprechen dürfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, ist es nichtig, daß zu der Zeit, als Sie noch Innen- und nicht Außenminister waren, es schon eine Praxis des periodischen Zusammenkommens der Außenminister der Sechs gegeben hat, ohne daß es dafür vertragDr. Mommer
liche Bestimmungen gab, und meinen Sie nicht, daß diese Praxis fortgeführt werden sollte?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Mommer, es trifft zu, daß es so ein Zusammenkommen auch schon früher gegeben hat. Die entsprechenden Zusammenkünfte sind im Augenblick vielleicht deshalb außerhalb des Blickfeldes geraten, weil ja beinahe permanente Zusammenkünfte zur Behandlung der Beitritts- und Assoziierungsgesuche usw. in Brüssel stattfinden. Für wichtiger halte ich in der Tat - obwohl dieser persönliche Kontakt sicher recht befriedigend ist -, daß man mit den Anfängen des Institutionellen etwas weiterkommt, d. h. mit anderen Worten, daß es Vereinbarungen über diese Zusammenkünfte der Regierungschefs, der Außenminister, der Verteidigungsminister und der für die Kultur zuständigen Leute gibt und daß auch ein Minimum von organisiertem Zusammenhalt auf diesem Gebiete geschaffen wird. Erst wenn das da ist, wird aus einer guten Absicht eine Übung und aus einer Übung eine allmähliche Verfestigung des Zusammenarbeitens.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherrn zu Guttenberg!
Herr Minister, darf ich aus dem, was Sie soeben gesagt haben, entnehmen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß gerade die Institutionalisierung I solcher periodischer Regierungskonferenzen die europäische Zusammenarbeit fördern und ein Instrument zur Entwicklung gemeinsamer Initiativen werden könnte?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Das ist in der Tat die Meinung der Bundesregierung. In der Tat bemühen wir uns darum sehr.
Ich rufe auf die Frage I/10 - der Frau Abgeordneten Dr. Hubert
Hält die Bundesregierung die begrenzte, aber echte Übertragung von Souveränitätsrechten an europäische Organe, die auch Mehrheitsbeschlüsse fassen können, für eine „Chimäre" oder für den allein möglichen Weg, um die in den Verträgen von Paris und Rom gesteckten wirtschaftlichen und politischen Ziele zu erreichen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesministerdes Auswärtigen!
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort auf diese Frage lautet: Es gibt bereits europäische Organe, auf die Souveränitätsrechte übertragen sind und die Mehrheitsbeschlüsse fassen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß das nun fortschreitend weiter geschehen muß, um zu einer wirklichen politischen Einigung zu kommen?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: In der Tat ist das unsere Meinung.
Eine zweite Zusatzfrage!
Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen, das französische Staatsoberhaupt, Idas doch offensichtlich nicht diese Meinung teilt, davon zu überzeugen, daß diese Übertragung von Souveränitätsrechten notwendig ist?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Die Frage würde etwas schwer und sehr umfangreich detailliert zu beantworten sein. Aber seien Sie sicher, daß wir in der europäischen Zusammenarbeit bemüht sind, zu einem hohen Maß von Übereinstimmung zu gelangen. Auch dies ist ein Werdens-und Wachstumsprozeß.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Freiherrn 'Zu Guttenberg!
Herr Minister, würde die Bundesregierung bereit sein, einen Vertrag über eine politische Union Europas auch dann zu unterzeichnen, wenn der in der Frage von Frau Dr. Hubert als allein möglich bezeichnete Weg einer Übertragung begrenzter Souveränitätsrechte trotz der in diesem Hause bestimmt bestehenden Wünsche sich als nicht gangbarerweisen würde, hingegen die Mindestforderungen erfüllt werden, die der Herr Kollege Dr. Kopf vorhin hinsichtlich eines solchen Vertrages formuliert hat?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Das ist in der Tat zu bejahen. Das ist die Linie, die wir aus praktischen Gründen angestrebt haben, weil wir sehen, daß dies sozusagen ,das Höchstmaß von Übereinstimmung sein dürfte, Idas wir in wenigen Monaten, wie wir hoffen, erreichen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, gilt das auch dann, wenn in einem solchen Text keine Möglichkeit eröffnet ist, z. B. in einer Revisionsklausel, zu einem späteren Zeitpunkt von dieser Anfangsregel abzuweichen und doch zu einer engeren Zusammenarbeit zu kommen?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Mommer, die Sache ist so - um das einmal in drei Sätzen zu sagen -: wir haben eigentlich zwischen denen, die für sehr wenig Integration waren - im Anfangsstadium -, und den anderen, die für viel Integration waren, eine praktische Mittellinie eingenommen. Wir befinden uns hier in der glücklichen Lage, sowohl gegenüber unserer Öffentlichkeit als auch gestützt auf dieses Hohe Haus, daß wir eigentlich einem hohen Maß an Integration zustimmen können, wenn wir es un1492
ter Zustimmung der anderen erreichen können. Also: gehen Sie bitte davon aus, daß wir an sich in der Linie eines möglichst hohen Maßes an Integration liegen, daß wir aber die Überzeugung haben, daß diese unter den gegebenen praktischen Verhältnissen in der Tat eine längere Entwicklung erfordern wird.
Also, meine Herren, jetzt gehe ich weiter; ich muß auch an die anderen denken.
Ich rufe die Frage I/11 - des Herrn Abgeordneten Blachstein - auf:
Hat die Bundesregierung auf den Kongreß der Europäischen Bewegung in München eingewirkt, um die Sprecher des demokratischen Spaniens nicht zu Wort kommen zu lassen?
Zur Beantwortung der Herr Außenminister!
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort auf diese Frage ist sehr kurz, die Antwort lautet: nein.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, ist auch nicht durch den Vertreter der Bundesregierung auf diesem Kongreß in München versucht worden, eine Resolution zu verhindern, die von 118 spanischen Delegierten einstimmig angenommen wurde und in der die Wiederherstellung der demokratischen Freiheit in Spanien, das Organisationsrecht und allgemeine demokratische Verhältnisse von spanischen Repräsentanten aus dem Lande und aus der Emigration - gemeinsam von den Monarchisten über Christlich-Soziale bis zu Sozialisten - verlangt wurde?
Dr. Schröder: Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Blachstein, ich bleibe bei meiner Antwort, daß die Bundesregierung keine Einwirkung genommen hat - ohne daß ich Einzelheiten des Ablaufs des Kongresses kenne -; ich kann für die Bundesregierung nur erklären: die Bundesregierung hat keine Einwirkung auf diesen Kongreß genommen.
Eine zweite Zusatzfrage?
Darf ich Ihrer Antwort, Herr Minister, entnehmen, daß die Bundesregierung nichts tun wird, was die Bemühungen der spanischen Opposition um die Veränderung der spanischen Verhältnisse in demokratischer Richtung hemmen wird?
({0})
Herr Kollege Blachstein, dies liegt sozusagen außerhalb unserer eigenen Aktivitäten und Zuständigkeiten.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Mattick.
Herr Minister, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß jede Stützung der restlichen Diktaturen in Westeuropa durch die Bundesregierung eine schwere moralisch-politische Belastung des Widerstandskampfes in der Zone bedeuten würde?
({0})
Herr Kollege Mattick, ich glaube, daß dies eine zugespitzte Fragestellung ist, die den Tatsachen nicht gerecht wird. Ich glaube - es tut mir leid, zum dritten Male darauf kommen zu müssen -, das, was über Spanien und Europa in dem kleinen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt worden ist, scheint mir sowohl die wirkliche Lage als auch unsere Einstellung zu dem Problem ganz gut widerzuspiegeln.
Eine Zusatzfrage? - Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Ist die Bundesregierung bei der spanischen Regierung dagegen vorstellig geworden, daß spanische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik an einem europäischen Kongreß teilgenommen haben, bei ihrer Rückkehr auf Inseln verbannt worden sind oder teilweise nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten?
({0})
Frau Kollegin, ich muß sagen: wir müssen uns ein bißchen - das gilt auch im Verkehr mit anderen Regierungen - im Rahmen unserer Zuständigkeiten halten. Genauso wenig, wie wir gern sehen, daß sich andere in unsere inneren Angelegenheiten einmischen, werden wir uns nicht ohne Not in die , inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen.
({0})
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg!
Ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß doktrinäre Ungeduld und doktrinäre Unduldsamkeit die ungeeignetsten Mittel sind, die europäische Einigung voranzutreiben?
Herr Kollege Friedensburg, das ist eine sehr weitgespannte Frage, eine ein bißchen theoretische Frage, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen. Aber ich glaube, wir teilen Ihre Meinung.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Wehner!
Hält der Herr Minister die flagrante grobe Verletzung der Menschenrechte für die „innere Angelegenheit eines Landes"?
Herr Kollege Wehner, die Frage kann ich so, wie Sie sie stellen, nicht mit Ja beantworten. Die Frage ist nur, ob diese Voraussetzung auf alles Vorangegangene, vorher Gesagte zutrifft. Ich bin aber gern bereit - da offenbar Vorgänge auf dem Münchener Kongreß herangezogen werden, die ich im einzelnen nicht kenne -, mir diese Sache noch einmal anzusehen, und behalte mir durchaus vor, meine Meinung dazu zu revidieren, wenn die Tatsachen mich dazu nötigen sollten. Grundsätzlich möchte ich aber bei dem bleiben, was ich hier gesagt habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erler.
Hielte es der Herr Bundesminister für einen Nachteil für die deutschen Interessen, wenn die Bundesregierung ihrer Sympathie für die um mehr Freiheit ringenden Christlichen Demokraten in Spanien gelegentlich Ausdruck gäbe?
Herr Kollege Erler, die heutige Art der Behandlung der Sache ist zu abgekürzt, als daß man in all diesen Dingen definitive Aussagen machen könnte. Aber das Problem, das Sie gerade aufgeworfen haben, könnten wir vielleicht in einem anderen Zusammenhang noch einmal behandeln.
Ich komme zu der Frage I/12 - des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann -:
Trifft es zu, daß prominente Bürger der Republik Ceylon konsequent alle Einladungen in die Bundesrepublik ablehnen bzw. daß das Außenministerium der Republik Ceylon die notwendigen Empfehlungen gegenüber dem Auswärtigen Amt verweigert?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein. Es ist allerdings richtig, daß sich die ceylonesische Regierung die Genehmigung der Annahme von Einladungen vorbehält, die von amtlichen Stellen dritter Staaten an ceylonesische Staatsbürger gerichtet werden.
Zusatzfrage!
Trifft es zu, Herr Minister, daß die Bundesregierung unseren Botschafter in Colombo veranlaßt hat, in dieser Frage bei der ceylonesischen Regierung vorstellig zu wer-len?
Der Botschafter in Colombo hat der ceylonesischen Regierung in einer Verbalnote mitgeteilt, daß die Bundesrepublik die derzeitige Behandlung unserer Einladungen als nicht zufriedenstellend betrachtet. Er hat eine Änderung des bisherigen Verfahrens der Übermittlung solcher Einladungen angekündigt.
Zweite Zusatzfrage!
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, wie viele Gäste aus Ceylon als Gäste der Bundesregierung im abgelaufenen Jahr in der Bundesrepublik waren?
Das entzieht sich leider meiner Kenntnis; ich will die Frage aber gern noch einmal prüfen und kann die Antwort dem Hause schriftlich mitteilen.
Ich komme nun zu der Frage I/13 - des Herr Abgeordneten Kahn-Ackermann -:
Treffen Pressemeldungen zu, daß das von deutschen Firmen in Ägypten errichtete Stahlwerk Heluan stillgelegt worden ist?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein.
Zusatzfrage.
Können Sie mir dann erklären, Herr Minister, auf welche Art und Weise diese Nachricht in der deutschen Presse verbreitet worden ist?
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Herr Kollege Kahn-Ackermann, das geht allerdings weit über meine Sehergabe hinaus.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß es dort im Betrieb dieses Werkes Schwierigkeiten gegeben hat?
Was ich hiervon weiß, ist, daß es gewisse Schwierigkeiten mit der deutschen Beratergruppe gegeben hat, und zwar insoweit, als diese Beratergruppe bzw. die betreffende Firma für diese Tätigkeit in ägyptischen Pfunden bezahlt wurde und daß sich hieraus Transferschwierigkeiten ergeben haben. Das ist das einzige, was ich über diesen Zusammenhang weiß.
Zusatzfrage?
1494 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 36. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27 Juni 1962
Trifft es zu, Herr Minister, daß der Abberufungdeutscher Ingenieure im Stahlwerk Heluan vor etwa zwei, drei Jahren ihre Wiederberufung folgte, weil sonst die Existenz des Werkes ohnehin gefährdet gewesen wäre?
Ich weiß es nicht, Herr Kollege, aber ich halte das für sehr wohl möglich.
Ich gehe weiter zu der Frage I/14 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Was ist von deutscher Seite die Ursache, daß der mit Dänemark paraphierte Vertrag liber die Kriegsgräberfürsorge nicht ratifiziert wird?
Die Antwort auf diese Frage lautet, daß der Abschluß eines deutsch-dänischen Kriegsgräberalbkommens unmittelbar bevorsteht.
Keine Zusatzfrage. Frage I/15 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Was unternimmt die Bundesregierung, um den vertraglosen Zustand in der Kriegsgräberfürsorge mit Frankreich alsbald zu beseitigen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort auf diese Frage ist ein bißchen länger.
Das Auswärtige Amt isst seit langem bemüht, das deutsch-französische Kriegsgräberabkommen vom 23. Oktober 1954, das die Pflege und Instandsetzung für deutsche Kriegsgräber des 2. Weltkriegs in Frankreich zum Gegenstand hat, durch ein neues Abkommen zu ersetzen. Dieses soll 'auch die deutschen Kriegsgräber aus den Kriegen 1870/71 und 1914/18 erfassen. Deutsch- ranzösische Verhandlungen konnten noch nicht eingeleitet werden, da die finanziellen Voraussetzungen noch nicht geklärt sind. Zur Zeit wird geprüft, ob ein Weg gefunden werden kann, unter Einschränkung des vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge vorgelegten großen Umbettungs- und Neuanlegungsprogramms die einzelnen Gräber in Gruppen zusammenzufassen und diesen eine würdige Ausstattung zu geben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Spies.
Herr Minister, ist die finanzielle Frage von deutscher older von französischer Seite aus nicht geklärt?
Herr Kollege Spies, ich muß gestehen, 'daß das aus meinen Unterlagen nicht hervorgeht. Aber ich werde das gern feststellen.
Ich rufe die von der Abgeordneten Frau Dr. Hulbert gestellte Frage I/16 auf:
Hat die Bundesregierung sich entsprechend der Empfehlung Nr. 291 des Europarates dafür eingesetzt, daß aus dem Kulturfonds Stipendien für Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Philosophen und Studenten, besonders aus Polen - und wenn die Umstände es erlauben, auch aus anderen östlichen Ländern - gewährt werden, damit diese in Staaten des Europarates arbeiten und studieren können?
Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja. Mein Stellvertreter im Ministerausschuß des Europarates hat die Weisung erhalten, 'der Empfehlung Nr. 291 zuzustimmen. Die Bundesregierung ist stets daran interessiert gewesen, die kulturellen Beziehungen zu (den Völkern der osteuropäischen Staaten und insbesondere zu Polen zu intensivieren. Mein Stellvertreter hat iaußerdem idarauf hingewiesen, daß die Vergabe von Mitteln des Kulturfonds an Staatsangehörige der Republik Polen unid polnische Emigranten nicht dazu führen sollte, daß mit diesem Geld eine gegen die Bundesrepublik gerichtete publizistische oder pseudowissenschaftliche Tätigkeit unterstützt werde.
Zusatzfrage?
Herr Minister, sind solche Stipendien schon vergeben worden?
Ich habe hier nur eine Aufzeichnung darüber, daß bilaterale Stipendien an Polen oder Angehörige der Ostblockstaaten nicht vergeben sind, daß das vielmehr (der Verband Deutscher Studentenschaften tut. Zur Zeit gibt es solche Stipendien an zwei polnische Staatsangehörige.
Herr Minister, es handelt sich ja nicht nur um Studenten, sondern auch um Wissenschaftler, Künstler usw.
Frau Kollegin, ,das geht ein bißchen über das hinaus, auf das ich vorbereitet war. Ich will 'das gerne feststellen und, wenn Sie damit einverstanden sind, schriftlich mitteilen.
Frage I/17 - Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) -:
Ist die in der deutschen Presse ({1}) geübte abfällige Kritik an den diplomatischen Vertretungen auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere an der Vertretung von Addis Abeba, ganz oder teilweise begründet?
Die Antwort lautet, daß die Kritik nicht begründet ist. Der zitierte Bericht entspricht in den maßgebenden Punkten nicht den Tatsachen.
Keine Zusatzfrage.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Frage I/18 - Abgeordneter Dr. Friedensburg -:
Aus welchen Gründen ist der Bau eines neuen Gebäudes für die Botschaft der Bundesrepublik in Wien bisher noch nicht begonnen worden, obwohl der Herr Bundesaußenminister bereits unter dem 23. September 1960 erklärt hatte, daß die Vorarbeiten sich dem Abschluß näherten?
Den Vorarbeiten für den Neubau lag der Gedanke zugrunde, auf dem zurückgegebenen Grundstück in Wien, Metternichgasse 2, nur eine Botschaftskanzlei und einige Dienstwohnungen zu errichten. Später kam man jedoch zu der Erkenntnis, daß es vorteilhafter ist, auch ,die Botschafterresidenz dort zu errichten. Die Umplanung nahm eine gewisse Zeit in Anspruch. Nachdem der Haushaltsausschuß in seiner Sitzung am 1. März dieses Jahres der erweiterten Zweckbestimmung zugestimmt hatte, die nunmehr lautet:
Neubau eines Dienstgebäudes für die Botschaft, eines Dienstwohngebäudes für den Botschafter und von Dienstwohnungen in Wien ({0}),
hat der Herr Bundesminister bereits am 29. März dieses Jahres der Bundesbaudirektion Berlin die Ermächtigung zur Erteilung des Bauauftrages gegeben. Das baupolizeiliche Genehmigungsverfahren ist noch beim Magistrat der Stadt Wien im Gange. Es wird erwartet, daß keine Schwierigkeiten mehr auftreten, so daß noch in diesem Jahr mit dem Bau begonnen werden kann.
Keine Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen erledigt.
({0})
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die von den Abgeordneten Wischnewski gestellte Frage II/1 ist zurückgezogen.
Frage II/2 - Abgeordneter Keller -:
Welche Schritte hat das Bundesfamilienministerium eingeleitet, um den Sittlichkeitsverbrechen an Kindern, wie sie in jüngster Zeit wieder aufgetreten sind, zu begegnen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
Im Benehmen mit dem Herrn Bundesminister für Familien- und Jugendfragen beantworte ich die Frage wie folgt.
Das Bundesjustizministerium widmet der Frage, ob der Schutz der Kinder gegen Sittlichkeitsverbrechen neue gesetzgeberische Maßnahmen verlangt, seine besondere Aufmerksamkeit. Schon das geltende Recht ermöglicht bei Sittlichkeitsverbrechen an Kindern angemessene Strafen und läßt gegen gefährliche Verbrecher außerdem freiheitsentziehende Maßregeln der Sicherung und Besserung zu.
Der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches, wie ihn die Bundesregierung am 13. Juni 1962 beschlossen hat, sieht Strafdrohungen für Sittlichkeitsverbrechen an Kindern vor, die jene des geltenden Rechts zum Teil noch überschreiten. Insbesondere verstärkt er den Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Verbrechern, indem er das System der Maßregeln der Besserung und Sicherung weiter ausbaut. Er erleichtert nicht nur die Anordnung der Sicherungsverwahrung, sondern schlägt auch neue Maßregeln, darunter die vorbeugende Verwahrung für bestimmte junge Täter und die Sicherungsaufsicht, vor. Diese ermöglicht es, bestimmte Täter nach ihrer Haftentlassung in der Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten und zu einem gesetzmäßigen und geordneten Leben zu führen.
Neben den immerhin begrenzten Möglichkeiten des Strafrechts kommt den außerstrafrechtlichen Maßnahmen zur Verhütung von Sittlichkeitsverbrechen an Kindern erhöhte Bedeutung zu. Die wichtigste Abwehrmaßnahme ist hier die Aufklärung der Kinder durch Eltern, Erziehungsberechtigte und Lehrer über die ihnen von Unbekannten drohenden Gefahren. Zahlreiche Sittlichkeitsverbrechen wären nicht begangen worden, wenn die Kinder nicht in ihrer Arglosigkeit dem Täter die Durchsetzung seiner Pläne erleichtert hätten. Eltern und Erzieher müssen es als ihre ernste Pflicht ansehen, die ihnen anvertrauten Kinder in geeigneter Form immer wieder und eindringlich davor zu warnen, Einladungen Unbekannter anzunehmen.
Darüber hinaus kann die gesamte Offentlichkeit bei der Verhütung von Sittlichkeitsverbrechen an Kindern dadurch mithelfen, daß Beobachtungen verdächtiger Personen unverzüglich der Polizei gemeldet werden. Auch die zuständigen Landesbehörden, insbesondere die Polizei, leisten umfangreiche Aufklärungsarbeit. Das Bundesministerium für Familien-und Jugendfragen hat außerdem eine entsprechende Warnung und Mahnung an Eltern und Offentlichkeit den Familienverbänden, dem Bundeselternrat und dem Kinderschutzbund sowie der Presse zur Verbreitung zugeleitet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.
Frage III/1 - des Herrn Abgeordneten Wittrock -:
Sieht die Bundesregierung Anlaß zu Konsequenzen aus der Tatsache, daß zur Berechnung des Wohnungsdefizits nach den einschlägigen Vorschriften von dem Gesamtbestand der vorhandenen Wohnungen auszugehen ist, und zwar einschließlich der von Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte bewohnten Wohnungen, obgleich bei der Zahl der Wohnfamilien diese Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte nicht zu berücksichtigen sind, so daß in Gebieten mit relativ hoher Zahl von Angehörigen dieser Streitkräfte, wie z. B. in Wiesbaden, bei der Berechnung des Wohnungsdefizits ein günstigeres Bild der Wohnraumversorgung entsteht als tatsächlich gerechtfertigt ist?
Die Antwort lautet: Nein.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, bleiben Sie bei dieser Auffassung auch, wenn Sie in Ihre Erwägun1496
gen einbeziehen, daß gerade in den Fällen, in denen die bekannte 3-%-Grenze erreicht wird, die für den Wegfall von Bindungsmaßnahmen wesentlich ist, das in der Frage erwähnte Mißverhältnis äußerst kritisch sein und zu einer Verzerrung der tatsächlichen Gegebenheiten führen kann?
Den speziellen Fall Wiesbaden werden wir prüfen. Ich bin gern bereit, Ihnen den ganzen Komplex schriftlich darzulegen. Im übrigen darf ich versichern, daß wir so weiterbauen werden, bis die letzte Wohnungsnot auch in Wiesbaden beseitigt ist. Das ist der sicherste Weg, mit dem Problem fertig zu werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Abgesehen davon, daß es sich hier nicht um den Fall Wiesbaden handelt, sondern um das grundsätzliche Problem eines solchen rechnerischen Mißverhältnisses, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß z. B. - ich betone: zum Beispiel - im Falle Wiesbaden dieses Mißverhältnis zu einem rechnerischen Unterschied von 2,3 % führt. Betrachten Sie eine solche Fehlerquelle von 2,3 % angesichts der Bedeutung der Grenze von 3 % nicht als so wesentlich, daß sie Anlaß zu Konsequenzen geben müßte?
Es handelt sich darum, ob die für Streitkräfte beschlagnahmten Wohnungen angerechnet werden oder nicht. Beschlagnahmte Wohnungen sind in dem zur Ermittlung des rechnungsmäßigen Wohnungsdefizits herangezogenen Bestand an Normalwohnungen nicht enthalten. Die privatrechtlich gemieteten Wohnungen dagegen sind darin enthalten. Um einen Überblick über diese privatrechtlich gemieteten Wohnungen zu gewinnen, sind im Rahmen der gebäudestatistischen Feststellungen bei der letzten Volkszählung im Juni 1961 bereits entsprechende Ermittlungen angestellt worden. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes werden die Ergebnisse für die einzelnen Kreise und die wichtigeren größeren Gemeinden Ende des Jahres vorliegen. Es ist vorgesehen, diese Ergebnisse dann bekanntzugeben.
Für die in der Frage als Beispiel genannte Stadt Wiesbaden hat das Hessische Statistische Landesamt dem Statistischen Bundesamt als erste vorläufige Feststellung mitgeteilt, daß sich das Wohnungsdefizit in Wiesbaden am 31. Dezember 1961 bei Ausklammerung der privatrechtlich von Angehörigen ausländischer Streitkräfte gemieteten Wohnungen auf 7,9 % gegenüber 7 % ohne Ausgliederung der genannten Wohnungen beläuft. Der Unterschied ist also nicht, wipe Sie sagen, 4 %,
({0})
sondern beträgt lediglich 0,9 %.
Frage III/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, daß für die aus Bundesmitteln mitfinanzierten Wohnungen in Bonn in zunehmenden Maße Mieten erhoben werden, bevor diese sich in vertragsmäßigem Zustand befinden, ohne daß die zuständigen Verwaltungsstellen des Bundes gegenüber den Darlehnsnehmern rechtzeitig eine Kontrolle über die vertragsmäßigen Fertigstellungen der Wohnungen ausüben?
Herr Kollege Kohut, die einschlägige Rechtsprechung der Nachkriegszeit stellt an die Bezugsfertigkeit von Neubauwohnungen nur geringe Ansprüche. Wegen des dringenden Wohnungsbedarfs legten die Oberfinanzdirektionen bei den aus Bundesmitteln mitfinanzierten Wohnungen den gleichen Maßstab an, zumal die frühzeitige Einzugsgenehmigung den Wünschen vieler Bundesbediensteter entgegenkam.
Zur Vermeidung von Mißhelligkeiten zwischen Vermietern und Mietern habe ich jedoch nach mehrfachen früheren mündlichen Unterrichtungen mit meinem Erlaß vom 31. Oktober 1961 vorgeschrieben, daß die Bezugsfertigkeit nach einem strengeren Maßstabe beurteilt wird. Dieser Erlaß legt die Erfordernisse im einzelnen fest und verpflichtet die Oberfinanzdirektionen zur genauen Überprüfung.
Im Raum Bonn wird seit eh und je jede Wohnung bei der Bezugsfertigkeit von den technischen Stellen abgenommen. Allerdings hat die Oberfinanzdirektion Köln zugelassen, daß von den 554 Wohnungen, die in diesem Jahr bezugsfertig wurden, 248 auf Wunsch der Mieter bis zu vier Wochen vor dem amtlich festgestellten Bezugsfertigkeitstermin bezogen werden konnten. Die Miete ist jedoch erst vom Bezugsfertigkeitstermin an erhoben worden.
Restarbeiten in bereits bezogenen Neubauwohnungen können nach der einschlägigen Rechtsprechung den Mietern zugemutet werden. Infolge der schwierigen Lage auf dem Baumarkt lassen sie sich auch leider nicht vermeiden. Wollte man auch die Durchführung der geringfügigen. Rest- und Nachholarbeiten vor der Einweisung der Mieter abwarten, so würde das eine haushaltsmäßig nicht zu vertretende Weiterzahlung von Trennungsentschädigung für einen nicht benötigten Zeitraum, vor allem aber auch eine familienpolitisch und aus dem Gesichtspunkt der Fürsorge unerwünschte Hinauszögerung der Familienzusammenführung zur Folge haben.
Wird eine Wohnung ausnahmsweise vor der Bezugsfertigkeit bezogen und besteht deshalb die vertragsgemäße Nutzungsfähigkeit noch nicht, ermöglicht der Bund dem Vermieter, die Miete insoweit zu ermäßigen.
Eine Zusatzfrage.
Da doch offensichtlich die Mängel, über die sich die Mieter beschweren, bekanntgeworden sind, frage ich Sie, ob die Ursache dieser Mängel nicht darin liegt, daß einzelnen Bauunternehmern zu viel Aufträge gegeben worden sind
und diese, um alle Aufträge ausführen zu können, im Einzelfall gepfuscht haben?
Herr Kollege Kohut, Sie kennen die Probleme in der Bauwirtschaft, die Überbeanspruchung des Baugewerbes, des Bauhandwerks und der Bauindustrie. Uns fehlen hunderttausende Bauarbeiter. Wir haben deshalb ein Baustoppgesetz gemacht. Es ist keine Bonner Erscheinung, sondern eine Erscheinung, die wir überall beklagen. Es hängt eben damit zusammen, daß die Industrie einfach überfordert wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, hat die Bundesregierung die Absicht, die für die Kontrolle der vertragsgemäßen Fertigstellung der Wohnungen zuständigen Behörden anzuweisen, die geschädigten Mieter nicht mehr - wie bisher im Regelfall - auf den privaten Rechtsweg, der in jedem Einzelfall Zeit, Prozeßkosten und langwierigen Ärger mit sich bringt, zu verweisen?
Wir müssen bei der rechtlichen Regelung bleiben. Wir haben einen Rechtsstaat, Herr Kollege Kohut.
Meine Damen und Herren, Schluß der Fragestunde. Fortsetzung morgen vormittag.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 8 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Mai 1962 eingegangenen Petitionen ({1}).
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank ({2}).
Ihnen liegt auf Drucksache IV/536 der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Der Punkt 4 wird am Freitag aufgerufen. Ich rufe den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung der Abschöpfunfungen nach Maßgabe der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse ({3}) ({4}) ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({6}) ;
b) Mündlicher Bericht des Finanzausschusses ({7}) ({8}).
({9})
Ich frage zunächst den Herrn Berichterstatter des Finanzausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. Koch, ob er das Wort wünscht. - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Finanzausschusses habe ich Ihnen zu dem Initiativgesetzentwurf auf Drucksache IV/464 folgende mündliche Begründung zu geben:
Zunächst im allgemeinen über den Zweck des Gesetzes: Nach dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft werden die bisher eigenständigen Agrarmärkte der Mitgliedstaaten schrittweise zu einem gemeinsamen Agrarmarkt verschmolzen. Die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte wird durch die Einführung eines für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Abschöpfungssystems vorbereitet. Durch dieses System werden alle Zölle, Abgaben gleicher Wirkung und mengenmäßigen Beschränkungen ersetzt.
Damit bilden die Abschöpfungen ab 30. Juli 1962 den einzigen Außenschutz für die einzelnen Marktbereiche, die durch die Verordnungen Nr. 19 - Getreideverordnung -, Nr. 20 - Schweinefleischverordnung -, Nr. 21 - Eierverordnung - und Nr. 22 - Geflügelfleischverordnung - in das Abschöpfungssystem einbezogen worden sind. Sie finden diese EWG-Verordnungen im Bundesgesetzblatt vom 14. Juni 1962, Teil II Seite 709 ff., veröffentlicht. Mit der Einbeziehung weiterer Marktbereiche kann gerechnet werden.
Diese Verordnungen des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die kraft Art. 189 des EWG-Vertrages in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltendes Recht sind, werden durch entsprechende nationale Durchführungsgesetze ergänzt und bilden die materielle Grundlage für die nationalen Agrarmarktordnungen und damit auch für die deutsche Agrarmarktordnung im gemeinsamen Markt.
Um Rechtssicherheit für die beteiligten Wirtschaftskreise und Klarheit bei der Grenzabfertigung zu schaffen, bedarf es darüber hinaus eines zusammenfassenden Gesetzes, in dem das Abschöpfungserhebungsverfahren einheitlich für den Bereich der deutschen Agrarmarktordnung geregelt wird.
Die für die Abschöpfungserhebung maßgeblichen Vorschriften sind in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthalten. Hiernach sind Abschöpfungen wie Zölle zu erheben.
Das große Einfuhrvolumen der Bundesrepublik an Agrarerzeugnissen, die Vielzahl der Einfuhrbeteiligten und die Bedeutung der Abschöpfung seinnahmen für den Bundeshaushalt erfordern ein Erhebungsverfahren, das dem im gewerblichen Bereich angewendeten Verfahren entspricht.
Im Interesse der Verbraucher und 'der beteiligten Wirtschaftskreise können damit die Vorteile ides neuen deutschen Zollrechts - also etwa Zollgutveredelung, Zollgutverwendung, Zollgutlagerung und anderes - voll ausgenutzt werden, so daß idas Abschöpfungssystem 'wirtschaftsnah und mit 'der notwendigen Elastizität gehandhabt werden kann.
Durch 'die Anwendung der Zollvorschriften auf das Abschöpfungsverfahren und die Enhebung der Abschöpfungen durch die Bundesfinanzbehörden wird es voraussichtlich möglich sein, .zusätzliche Personalausgaben zu vermeiden. Nennenswerte Sachausgaben werden 'zusätzlich nicht entstehen.
Zur Rechtslage: Abschöpfungen sind Abgaben, die nach festen Abschöpfungssätzen beim Warenverkehr von bestimmten Agrarerzeugnissen iiber die Zollgrenze erhoben werden. Sie dienen idem Schutz des inländischen Agrarmarktes unid bewirken eine Preisangleichung. Der Ausschuß hat sich eingehend mit der Rechtsnatur der Abschöpfung, insbesondere mit den sich daraus nach den tgrundgesetzlichen Vorschriften ergebenden Folgerungen, nämlich etwa Zustehen des Aufkommens aus der Abschöpfung, Verwaltungskompetenz, befaßt. Er ist zu idem Ergebnis gekommen, ,daß ,es sich bei der Abschöpfung um eine Abgabe handelt, 'die, verfassungsrechtlich gesehen, zu den Zöllen im Sinne von Art. 105 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 108 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes gehört. Der Ausschuß ist in dieser Auffassung durch die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 29. Oktober 1958 betreffend Helgoländer Gemeindeausfuhrsteuer ({0}) gemachten Ausführungen über das Wesen von Abgaben, die von der Warenbewegung über die Grenze erhoben werden, bestärkt worden. Damit steht also nach der Meinung des Ausschusses die Gesetzgebungs-, Erhebungs- und Verwaltungskompetenz über die Abschöpfungsabgaben dem Bund zu.
Zu ,den Bestimmungen nunmehr im einzelnen. Zu § 1: Der Abschöpfungsgegenstand ist in der Weise bestimmt, ,daß hierdurch sowohl die gegenwärtig vorgeschriebenen als auch die noch zu erwartenden Abschöpfungen, z. B. von Milch .und Milcherzeugnissen, erfaßt werden.
Zu § 2: Grundsätzlich ist das deutsche Zollrecht anwendbar. Nach dieser Feststellung ist § 2 Abs. 2 eigentlich überflüssig, weil er selbstverständlich ist.
Zu § 3: Diese Vorschrift schafft Klarheit über den Abschöpfungssatz, nämlich den Tarif, den der Abfertigungsbeamte auf ,die einzelnen Warenpartien anzuwenden hat. Die Abschöpfungsisätze werden bestimmt bei Eiern, Geflügel unid Schweinefleisch grundsätzlich nach Verordnungen ides Ministerrates bzw. der Kommission der EWG, idle nach § 189 EWG-Gesetz unmittelbar geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland sind. Bei Getreide sind die Berechnungsgrundlagen für ¡die Abschöpfungssätze teils durch Rechtsnormen der EWG, teils durch nationale Rechtsnormen festgelegt. Die Errechnung und Bekanntmachung erfolgt nach Iden Bestimmungen des § 6 'der Drucksache IV/463, die Ihnen als Gesetzentwurf vorliegt ({1}) .
Zu § 4 Abs. 1 und 2: Maßgebender Zeitpunkt für die Anwendung des Abschöpfungssatzes. Einer besonderen Bestimmung des Zeitpunktes für die Anwendung des Abschöpfungssatzes bedarf es, um die Abschöpfung entsprechend dem Grundsatz der EWG-Verordnungen möglichst genau für den „Tag der Einfuhr" zu ermitteln, damit die Abschöpfung die Aufgabe der Preisangleichung erfüllen kann.
Bei der Fassung des Abs. 2 des § 4 sind die Grundsätze der Empfehlung der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. Mai 1962 - III/Kom. ({2})92 endgültig - beachtet worden.
Zu Abs. 3: Die Möglichkeiten des Veredlungsverkehrs werden für den Handel mit Drittländern bedeutsam sein. Hierdurch können Rohstoffe zu Weltmarktpreisen verarbeitet und ausgeführt werden. Damit werden auch für die Fälle, in denen die EWG-Verordnungen Restitutionen nicht vorsehen, die Ausfuhrmöglichkeiten gewährleistet. Soweit Nebenerzeugnisse und Abfälle im Inland verbleiben, werden sie mit dem Satz abgeschöpft, der am Tage der Gestellung gilt; denn an diesem Tage treten sie, wirtschaftlich gesehen, mit dem durch die Abschöpfung geschützten inneren Markt in Verbindung.
Abs. 4 bezieht sich auf Getreidetermingeschäfte. Die Vorschrift erfaßt die Fälle der sogenannten Vorfixierung der Abschöpfung gemäß Art. 17 Abs. 2 der EWG-Getreideverordnung ({3}). Dabei bemißt sich die Abschöpfungsschuld nach dem Abschöpfungssatz, der an dem Tage gilt, an dem die Einfuhrlizenz beantragt wird. Eine Prämie wird zusätzlich nach den von der Kommission festgelegten Sätzen erhoben. Ich verweise auf Art. 17 Abs. 3 der EWG-Getreideverordnung - Bundesgesetzblatt vom 14. 6. 1962 Teil II, Seite 715 -. Dem Handel bleibt durch § 4 Abs. 4 die Möglichkeit des weltweit üblichen Termingeschäfts mit Getreide erhalten.
Zu § 5 habe ich Ihnen namens des Finanzausschusses in Abweichung von der Vorlage die Streichung dieses Paragraphen vorzuschlagen. Während der Wirtschaftsausschuß und der Außenhandelsausschuß vorgeschlagen haben, den § 5 der Vorlage zu streichen - so hat es auch der Finanzausschuß beschlossen -, hat der Ernährungsausschuß empfohlen, den § 5 bestehen zu lassen. Der Finanzausschuß ist zu seinem Vorschlag, den § 5 zu streichen, auf Grund von zweierlei Erwägungen gekommen. Einmal hat der Finanzausschuß die Erkenntnis gewonnen, daß die Abschöpfungsbeträge, verfassungsrechtlich gesehen, als Zölle anzusehen sind. Dann ist es aber logisch, § 37 Abs. 2 des Zollgesetzes, der die GeDr. Koch
währung des Zollaufschubs vorsieht, bestehen zu lassen. Zweite Erwägung für die Streichung: die Abschöpfungsbeträge, die an die Stelle der bisherigen Zölle treten, werden voraussichtlich höher sein als die Zölle. Der Importeur hat in Zukunft allein schon dadurch höhere Kosten. Der Wegfall des Zollaufschubs würde ihn also doppelt belasten, zumal da er bei Wegfall des Zollaufschubs mit größter Wahrscheinlichkeit Bankkredit in Anspruch nehmen muß. Dadurch ergeben sich Zinskosten, die höher liegen als die Kosten, die jetzt bei dem Zollschub entstehen. Deshalb hat der Finanzausschuß vorgeschlagen, § 5 der Vorlage zu streichen.
§ 6 befaßt sich mit ,der Bevorratung. Die der staatlichen Bevorratung dienende Ware muß abschöpfungsfrei gelagert werden können, wenn dies im Interesse der Bundesrepublik erforderlich ist. Hier wird erst abgeschöpft, wenn die Ware gewälzt, das heißt in den Binnenmarkt gegeben wird. Die Möglichkeiten der privaten Lagerhaltung ergeben sich aus der Anwendbarkeit des Zollrechts.
In § 7 ist vorgesehen, daß über Streitigkeiten wegen Abschöpfungsbeschetiden das finanzamtliche Berufungsverfahren zugelassen werden soll. Sie sehen den Verweis auf § 229 der Reichsabgabenordnung. Es ist vorgesehen, die Marktordnungsstelle zu dem Verfahren vor den Finanzgerichten hinzuzuziehen, wenn deren besondere Sachkunde erforderlich oder nützlich sein könnte. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen mit dem Abschöpfungsbescheid der Zollstelle zugleich die von den Marktordnungsstellen allgemein bekanntgemachten Abschöpfungssätze angefordert werden.
Der Finanzausschuß schlägt Ihnen gleichfalls die Streichung des § 8 vor. Bei der Beratung des § 8 hat sich der Finanzausschuß mit § 22 der Abgabenordnung befaßt, der die Aufrechterhaltung des Steuergeheimnisses vorsieht, und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Annahme des § 8, wenn wir also § 8 in der hier beschlossenen Form bestehen lassen würden, einen wesentlichen Einbruch in das Steuergeheimnis bedeuten würde. Der Finanzausschuß ist aus grundsätzlichen Erwägungen nicht bereit, einen Einbruch in das Steuergeheimnis zuzulassen. Im übrigen können die Bundesfinanzbehörden über die mengenmäßigen Warenübergänge über die Grenze den Ernährungsbehörden ohne weiteres Mitteilung machen. Die Bundesfinanzbehörden sollen aber nicht den Namen des Importeurs, der die Abfertigung beantragt, den Ernährungsbehörden mitteilen können. Es wird also vorgeschlagen, § 8 in der Vorlage Drucksache IV/464 zu streichen.
Zu Abs. 1 und Abs. 3 des § 9 - Ermächtigungen - ist auf das Zollgesetz zu verweisen. Im § 78 Abs. 1 und 2 des Zollgesetzes finden wir bereits gleichlautende Ermächtigungen. Wir haben hier nur die Modifikation, daß der Bundesfinanzminister, wenn er seine Verwaltungsverordnungen erläßt, dazu das Einvernehmen des Ernährungsministers braucht. Mögliche Auswirkungen auf die Ernährungswirtschaft werden damit von vornherein berücksichtigt.
Zu § 9 Abs. 2 ist folgendes zu bemerken. Nach Abs. 2 werden die von der Abschöpfung erfaßten Waren in einem Abschöpfungstarif zusammengefaßt.
Die Notwendigkeit, diesen Abschöpfungstarif durch Rechtsnorm festzusetzen, ergibt sich daraus, daß die Erläuterung des Abschöpfungstarifs nach § 9 Abs. 3 ebenfalls durch Rechtsnorm festgesetzt werden soll. Die Ermächtigung des § 9 Abs. 2 bezieht sich auf das Tarifschema. Die Abschöpfungssätze ergeben sich aus anderen Rechtsquellen, die ich in meiner Begründung zu § 3 bereits näher bezeichnet habe.
Zu den §§ 10 und 12 habe ich folgendes zu bemerken. Über die Beschlüsse des Finanzausschusses hinaus habe ich auf Grund von Mitteilungen, die mir inzwischen zugegangen sind, dem Hohen Hause vorzuschlagen, in § 10 und § 12 den Zeitpunkt dahin zu ändern, daß an Stelle des 1. Juli 1962 der 30. Juli 1962 tritt. Ich werde das bei § 12, zu dem ich noch kommen werde, näher begründen.
Zu § 10 ist zu bemerken, daß diese Übergangsvorschrift nur die wirtschaftlich nicht sehr bedeutsamen Fälle betrifft, in denen für Agrarerzeugnisse die Abschöpfungsschuld nach dem Inkrafttreten ses Gesetzes entsteht, der für die Anwendung des Tarifsatzes maßgebende Zeitpunkt aber vorher gelegen hat.
§ 11 enthält die übliche Berlinklausel.
Zu § 12 - Änderung des Termins des Inkrafttretens. Das Gesetz muß gleichzeitig mit den Durchführungsgesetzen zu den EWG-Agrarverordnungen in Kraft treten, da die Abschöpfungsregelung von diesem Zeitpunkt ab anzuwenden ist. Da der Ministerrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens der EWG-Agrarverordnungen Nrn. 19 bis 22 auf den 30. Juli verschieben wird, ist es notwendig, diesen Zeitpunkt abweichend von der vorliegenden Drucksache IV/464 als Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen. Das ist aber der 30. Juli 1962. Daraus ergibt sich, daß in den §§ 10 und 12 die Worte „1. Juli 1962" durch die Worte „30. Juli 1962" ersetzt werden müssen.
Namens des Finanzausschusses darf ich dem Hohen Hause empfehlen, den Initiativgesetzentwurf Drucksache IV/464 mit den von mir vorgeschlagenen Änderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ehe ich zur zweiten Lesung aufrufe, muß ich das Haus von folgendem unterrichten. Bei dem Tagesordnungspunkt 8, der noch nicht aufgerufen ist, stellt sich heraus, daß einer der mitbeteiligten Ausschüsse, der Ernährungsausschuß, ein der Sache nachträglich verhandelt und Änderungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen hat. Außerdem liegt ein Änderungsantrag Umdruck 132 zum Gesetzentwurf Drucksache IV/465 vor. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses macht - nach meiner Überzeugung mit vollem Recht - darauf aufmerksam, daß die Annahme dieser Änderungen die finanziellen Auswirkungen der Vorlage ganz wesentlich verändern würde. Der Haushaltsausschuß muß deshalb unter allen Umständen - das folgt aus § 96 der Geschäftsordnung; es steht zwar nicht wörtlich drin, gehört aber dem Sinne nach dazu - die Möglichkeit haben, sich mit den Konsequenzen der veränderten
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Vorlage auseinanderzusetzen, bevor das Haus darüber verhandelt.
Herr Bauknecht, ich kann Ihnen daher im Moment das Wort nicht geben. Der Haushaltsausschuß muß die Möglichkeit haben, sich damit zu befassen und zu überlegen, was daraus werden würde, wenn . . .
Ich schlage dem Hause vor, dem Haushaltsausschuß diese Möglichkeit zu geben, in der Tagesordnung fortzufahren und nachher den Änderungsantrag zu behandeln. Herr Antragsteller, das ist auch in Ihrem Interesse.
Ist das Haus mit der erneuten Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache IV/465 an den Haushaltsausschuß zu einer abschließenden Stellungnahme einverstanden? - Das. ist der Fall; es wird so verfahren.
Wir fahren mit der zweiten Lesung des Abschöpfungserhebungsgesetzes fort. Ich rufe auf §§ '1, -2, - und 3. - Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den §§ 1 bis 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu § 4. Dazu hegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 136 vor. Ist er schon verteilt? Er ist nicht verteilt. Herr Abgeordneter Seuffert, wollen Sie ihn bitte vorlesen und begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag, den wir Ihnen der Eile halber vorlegen, ohne daß er schon verteilt wäre, betrifft eine Frage, die sehr technisch aussieht, aber große wirtschaftliche Auswirkungen haben kann. In den Freihäfen unserer Häfen - Bremen, Hamburg usw. - sind für die in Betracht kommenden Waren, insbesondere Getreide, keine solchen Lagereinrichtungen vorhanden wie z. B. in den niederländischen Konkurrenzhäfen; unsere Importeure sind sehr weitgehend auf die Lagerung von Zollgütern außerhalb der Freihäfen in Zollgutlagern und Zollaufschublagern angewiesen, und zwar viel weitgehender, als man in den ausländischen Konkurrenzhäfen darauf angewiesen ist.
Nun ist die Befürchtung aufgetaucht, daß die Verbringung eines Abschöpfungsguts aus dem Freihafen in ein Zollgutlager oder Zollaufschublager - ich möchte zunächst vom Zollgutlager sprechen - außerhalb des Freihafens bereits schädlich sein könnte in dem Sinne, daß damit der Abschöpfungssatz festgelegt ist, insofern nämlich, als das als eine Antragstellung für einen besonderen Abschöpfungsverkehr angesehen werden könnte. Wenn das richtig wäre, würden die Importeure der deutschen Häfen stark benachteiligt sein gegenüber den ausländischen Häfen. Wir beantragen deshalb unter Ziffer 1, in § 4 Abs. 2 Satz 1 die Worte „oder zu einem besonderen Abschöpfungsverkehr - mit Ausnahme des Abschöpfungsgutversands -" zu streichen, um damit klarzustellen, daß auch durch diese Verbringung in Zollgutlager der Abschöpfungssatz noch nicht festgelegt wird.
Wir haben einen zweiten Antrag zu § 4 des Gesetzes gestellt. Nach dem Zollgesetz kann derjenige, der eine Ware in ein Zollaufschublager verbracht hat - was eine Abfertigung zum freien Verkehr voraussetzt; im Zollaufschublager ist die Ware zum freien Verkehr abgefertigt -, für den Fall, daß sich der Zollsatz zwischen der Verbringung in das Zollaufschublager - das ist die Abfertigung zum freien Verkehr - und dem Tage der Auslagerung aus dem Zollaufschublager verändert hat, beantragen, daß der letztere Zollsatz, also der vom Zeitpunkt der Entnahme aus dem Zollaufschublager, angewendet wird.
Wir möchten sicher- und klarstellen, daß diese Bestimmung des Zollrechts auch für die Abschöpsungsabgaben gilt. Es soll also auch hier beantragt werden können, statt des an sich maßgebenden Abschöpfungssatzes am Tage der Einbringung ins Zollaufschublager den Abschöpfungssatz am Tage der Auslagerung aus dem Zollaufschublager anzuwenden, wie es im Zollgesetz auch für Zölle vorgesehen ist.
Deswegen unser weiterer Antrag; ich darf ihn verlesen:
In § 4 wird folgender neuer Abs. 3 eingefügt:
Werden Waren aus einem Zollaufschublager ausgelagert, so wird auf Antrag der am Tage der Auslagerung geltende Abschöpfungssatz angewandt. Der Zeitpunkt der Auslagerung ist der zuständigen Zollstelle rechtzeitig vorher anzuzeigen.
Das letztere ist natürlich notwendig, um eine zeitliche Kontrolle der Auslagerung zu ermöglichen.
Dann würde der bisherige Abs. 3 zu Abs. 4 und der bisherige Abs. 4 zu Abs. 5 werden.
Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Anträgen stattgeben würden, die, wie ich bemerken darf, auf sehr eindringliche Vorträge der Städte Bremen und Hamburg zurückgehen, mit diesen eingehend durchgesprochen worden sind und von ihnen auch für dringend notwendig gehalten werden, um Schädigungen der deutschen Häfen im internationalen Vergleich hintanzuhalten. Es ist nötig, derartige Dinge in ihren Einzelheiten hier im Plenum zu behandeln, da es sich um ein Gesetz handelt, das nun einmal den Bundesrat nicht durchlaufen hat und bei dem wegen des Zeitdrucks es ausgeschlossen werden muß, daß der Bundesrat etwa über den Vermittlungsausschuß noch Korrekturen vornimmt.
Das Haus hat diese zwei Änderungsanträge zunächst entgegengenommen, ohne daß sie schon verteilt wären.
Herr Abgeordneter Serres, wollen Sie zu beiden Änderungsanträgen sprechen?
({0}) - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Serres!
Herr Präsident! Ich habe die Bitte, die Abstimmung zu diesen beiden Anträgen so lange auszusetzen, bis die Drucksache
vorliegt Wir haben doch den Wunsch, uns noch einmal mit der Drucksache zu befassen, da zum Teil auch eine Reihe von technischen Problemen darin sind. Es erscheint notwendig, auch darüber noch einmal kurz Rücksprache mit den Sachverständigen der Bundesregierung zu nehmen.
Ich wäre den Antragstellern dankbar, wenn sie diesem Ersuchen stattgäben, damit wir uns noch einmal kurz dahin verständigen könnten, ob wir den Antrag unterstützen können.
({0})
Sie sind einverstanden, es muß so gemacht werden, Herr Kollege Seuffert. Ich stelle diese Abstimmung und damit den ganzen § 4 zurück.
Ich rufe auf den § 5. Hierzu liegt ein Änderungsantrag vor. Ich nehme an, daß der Umdruck 133 verteilt ist.
Herr Dr. Serres, ich mache auf folgende Schwierigkeit aufmerksam. Sie sollten Ihren Änderungsantrag ändern; denn der Ausschuß hat die §§ 5 und 8 gestrichen. Infolgedessen kann in Ihrem Änderungsantrag nicht gelesen werden: „Der § 5 erhält folgende Fassung", sondern Sie müssen sagen: „Es wird ein neuer § 5 eingefügt." Eine reine Formalität.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 133 hat Herr Abgeordneter Dr. Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme gern die Anregung des Herrn Präsidenten auf und stelle einen entsprechenden Antrag. Im übrigen spreche ich also zum Änderungsantrag Umdruck 133. Wie der Herr Präsident schon zutreffend ausgeführt hat, hat der federführende Finanzausschuß beschlossen, dem Hause zu empfehlen, die §§ 5 und 8 des Abschöpfungserhebungsgesetzes, Drucksache IV/464, zu streichen.
Was den § 5 angeht, so hätte dieser Beschluß des Finanzausschusses zur Folge, daß Zahlungsaufschub nach den Bestimmungen des Zollgesetzes gewährt würde. Das würde bedeuten, daß ein Zahlungsaufschub von drei Monaten gewährt wird. Die beiden antragstellenden Fraktionen waren der Auffassung, daß eine solche Frist für den Zahlungsaufschub zu weitgehend isst und daß sie verkürzt werden sollte. Deswegen ist die vorliegende Fassung des § 5 beantragt worden. Danach kann der Zahlungsaufschub höchstens bis zu sechs Wochen gewährt werden; die Mindestfrist wäre 14 Tage. Ich wäre dankbar, wenn das Haus diesem Antrag zustimmen wollte.
Dann hat der Finanzausschuß beantragt, den § 8 zu streichen. § 8 befaßt sich mit der Auskunfterteilung. Nach dem Antrag soll also die Befugnis der Bundesfinanzbehörde nicht mehr bestehen, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten usw. Auskünfte zu erteilen. Wir waren der Auffassung, daß diese Bestimmung aufrechterhalten werden sollte, und haben daher einen entsprechenden Antrag in Ziffer 2 des Umdrucks 133 gestellt.
({0})
Die beiden antragstellenden Fraktionen sind der Meinung, daß die Auskunfterteilung dringend erforderlich ist wegen der Maßnahmen, die unter Umständen vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten getroffen werden müssen. Die dafür nötigen Angaben müssen von den Bundesfinanzbehörden geliefert werden.
Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, dem Änderungsantrag Umdruck 133 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben aus dem Vortrag des Berichterstatters die Gründe gehört, die den Finanzausschuß veranlaßt haben, für die Streichung des § 5 und des § 8 einzutreten. Wir sind für die Streichung des § 5 eingetreten - ich darf die Gründe noch einmal wiederholen -, weil wir eine möglichst gleichförmige Anpassung an das Zollrecht wünschten. Der Finanzausschuß hat sich seit Monaten wiederholt mit der Frage der Überprüfung der Zollaufschubfristen befaßt. Innerhalb des Ausschusses war eine sehr starke Tendenz, das alles zu überprüfen. Man könnte also das, was in dem Änderungsantrag zum Abschöpfungserhebungsgesetz gefordert wird, sehr wohl auch im Zollgesetz so regeln. Ich glaube, es ist nicht wünschenswert, daß für die verschiedensten Artikel verschiedene Fristen bestehen. Aber das ist ein rein formaler Gesichtspunkt. Man kann also unter Umständen aus wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten durchaus der Anregung folgen, die die beiden Fraktionen der Regierungsmehrheit für den § 5 geben.
Ganz anders scheint mir dagegen die Sache bei § 8 zu liegen. Hier wird eine ganz grundsätzliche Frage angerührt, die wir um der Sache willen nicht ohne weiteres passieren lassen sollten. Wenn man den § 8 liest, wie er da steht, ist er völlig harmlos. Er ist eine solche Platitüde, daß man überhaupt davon absehen sollte; denn daß die Bundesfinanzbehörden befugt sind, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Marktordnungsstellen allgemeine Auskünfte zu erteilen über die Erfahrungen, die sie im Grenzverkehr, im Abfertigungsverkehr machen, das braucht nicht gesetzlich geregelt zu werden. Das ist innerhalb der Exekutive selbstverständlich und ist eine Frage des Vertrauensverhältnisses der Behörden; das braucht nicht geregelt zu werden.
Aber als wir der Sache nachgingen, stellten wir fest, daß dahinter mehr steht, daß nämlich damit indirekt das Steuergeheimnis des § 22 der Abgabenordnung angetastet werden soll, daß gewissermaßen ein Loch geöffnet werden soll, um Auskünfte auch über die Person des Steuerpflichtigen zu geben, nämlich Auskünfte über ausländische Importeure und 'über inländische Importeure.
Dr. Schmidt ({0})
Da hatte allerdings der Ausschuß aus grundsätzlichen Erwägungen die schwersten Bedenken. Praktisch würde diese Regelung dazu führen, daß Schwarze Listen geführt werden über Personen, die unerwünscht sind öder erwünscht sind. Alles das widerspricht unserem Zoll- und Steuersystem so grundsätzlich, daß wir dem unter keinen Umständen folgen sollten. Der Bundesernährungsminister und die Marktordnungsstellen sollen alle Auskünfte über den Marktverkehr über die Grenze bekommen, die notwendig sind, soweit sie sich auf Waren beziehen. Wir wünschen aber unter keinen Umständen, daß das auch insoweit geschieht, als sie sich auf Personen beziehen. Das steht hinter dem § 8, und deshalb darf er meines Erachtens nicht wiederhergestellt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich den Ausführungen meines Kollegen Schmidt ({0}) widersprechen und mich der Ansicht des Vorsitzenden des Außenhandelsausschusses, Dr. Serres, anschließen muß. Die Frage ist: was soll hier erreicht werden?
Dem Hause ist vielleicht unbekannt, daß ¡an und für sich durch die Vorlage der Koalition nichts Neues geschaffen werden soll. Die Auskünfte in der Form, wie wir sie haben wollen, werden schon seit 11 Jahren gegeben, beispielsweise bei der Abschöpfung bei Getreide. Der Gedanke der Abschöpfung ist gar nichts Neues. Dort wind die Regelung schon mehr als ein Jahrzehnt praktiziert. Es hat keine Widerstände und keine Anstände gegeben. Das Neue ist nur: bisher waren 'die Meldungen an die Einfuhr- und Vorratsstelle notwendig, und nunmehr, nachdem die praktische Handhabung der Abschöpfung von der Einfuhr- und Vorratsstelle an 'die Zollbehörde übergegangen ist, .verlangen wir, daß von der Zollbehörde die gleichen Auskünfte wie bisher durch idle Einfuhr- und Vorratsstelle gegeben werden.
Diese Dinge sind von erheblicher Bedeutung. Wir haben jetzt eine neue Form der Marktordnung, und niemand weiß, wie sich idas alles auf den Markt auswirkt. Weil 'die Europäische Kommission das erkannt hat, hat sie die Möglichkeit geschaffen, im Verordnungswege beispielsweise eine Schutzklausel anzuwenden, wenn der Markt, sagen wir, zuungunsten 'der deutschen Erzeuger zusammenzubrechen droht oder wenn das deutsche Getreide gar nicht abfließt und neue Kosten dadurch entstehen, daß alles aber die Interventionskäufe wieder dem Staate zuläuft. Hierfür ist eine laufende Ubersicht notwendig, da sind die Einzelheiten entscheidend.
Ich bitte daher, daß Sie die Vorlage annehmen, also den § 8 in der Form, wie er in der Ausschußdrucksache steht, und den Antrag des Finanzausschusses abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Dament und Herren! Die beantragte neue Fassung des § 5 bringt eine Verkürzung der bisher geltenden Stundungsfristen. Die Stundungsfristen sind vielleicht auf vielen 'Gebieten sowieso etwas zu lang. Wir können uns also mit der beantragten neuen Fassung einverstanden erklären.
Was den § 8 anbelangt, so scheint mir gerade zu den Bemerkungen (des Kollegen Bauknecht einiges klarzustellen zu sein. Das, was bisher geübt worden ist, nämlich Meldungen der Zollstellen an die Einfuhr- und Vorratsstellen usw., kann nur so beschaffen gewesen sein, daß dieser § 8 dazu nicht erforderlich ist. Es ist vollständig klar, daß die Zollstellen Meldungen über Einfuhren, Einfuhrmengen, festgesetzte Zollbeträge usw. ohne Namensnennung der Beteiligten machen können und meiden sollen und dazu einen Paragraphen wie diesen § 8 nicht brauchen. Solange sie diesen Paragraphen nicht hatten, konnten sie Meldungen mit Namensangabe der Beteiligten nicht machen; daran hinderte sie der § 22 der Abgabenordnung über das Steuergeheimnis. Wenn also nur die bisherige Übung fortgesetzt werden soll, ist der § 8 als unnötig zu streichen. Er ist nur erforderlich, wenn es zur Durchführung der Marktordnung für notwendig gehalten wird, daß die Zollstellen - db sie das technisch können, ist eine andere Frage - Meldungen mit Namensangaben über die an den Geschäften Beteiligten an die Stellen 'des Bundesernährungsministeriums usw. geben. Wenn das beabsichtigt ist, braucht man den § 8; wenn man nur die 'bisherige Übung beibehalten will, braucht man ihn nicht. Falls bisher Meldungen mit Namensnennung ergangen sein sollten, wäre das unzulässig gewesen. Das Ernährungsministerium ist wegen technischer und zeitlicher Verhinderung nicht in der Lage gewesen, uns im Finanzausschuß darzutun, daß es in der Tat Meldungen mit Namensnennung für die Erfüllung seiner Aufgaben braucht. Die Zollstellen haben uns übrigens auch nicht erklären können, daß sie in der Lage sind, solche Meldungen fertigzustellen. Es wäre also für unsere Stellungnahme zu diesem Antrag notwendig, zu wissen, ob das Ernährungsministerium uns begründen kann, daß solche namentliche Mitteilungen notwendig sind. Wenn wir uns davon überzeugen könnten - was wir bisher nicht konnten -, müßten wir dem § 8 zustimmen:
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 8, der hier zur Debatte steht, ist für die 'Durchführung der Maßnahmen, die wir zu ergreifen gedenken, von außergewöhnlicher Wichtigkeit. Es ist so, wie der Herr Vorredner gesagt hat, daß wir bereits in der Vergangenheit durch den Vorgang der Warenübernahme über die Einfuhr-und Vorratsstelle die Daten bekommen haben, die wir brauchten; ich möchte hinzufügen, Herr Kollege, Bundesminister Schwarz auch mit Namensnennung bei der 'Erteilung des Übernahmevertrages. Ich lasse eis dahingestellt sein, ob Ihre Meinung richtig ist oder vielleicht auch nicht, ob das zulässig war oder nicht. In jedem Fall ist es aber jetzt so, daß wir unter allen Umständen - angesichts der Komplikation, die wir über Schutzklauseln, Lizenzen usw. in das ganze Marktordnungssystem bekommen - eine klare Beweisführung brauchen, um welche Mengen, welchen Preis, welchen Namen es sich handelt; nicht in allen Fällen, aber um irgendwelche kritische Situation im Griff zu behalten. Deswegen brauchen wir den § 8. Wir brauchen ihn einmal zur Festsetzung von Zusatzbeträgen bei Unterschreitung des Einschleusungspreises durch Angebotspreise, zweitens zur Verringerung des Abschöpfungsbetrages bei zu geringer Einfuhr, drittens zur rechtzeitigen und unangreitbaren Anwendung von Maßnahmen der Schutzklauseln. Der letztgenannte Punkt betrifft einen Fall, der ganz besonders kritisch ist. Wenn der Markt völlig andere Wege geht als die, die man erwartet, müssen wir Schutzklauseln anwenden und sind gegenüber der Kommission und dem Ministerrat beweispflichtig. Viertens brauchen wir Unterlagen für eine laufende Unterrichtung der Kommission über Einfuhr- und Preisentwicklung. Da wir nach Ansicht meines Hauses mit dem § 8 nichts Neues von Ihnen verlangen - es sei denn, daß bisher die Einfuhr- und Vorratsstellen diejenigen waren, die die Meldungen machten, während es jetzt die Finanzverwaltung sein soll -, darf ich Sie bitten, den § 8 wiederherzustellen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag Umdruck 133 Ziffer 1 auf Neufassung des § 5. Wer dem Antrag zustimmt, der gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe § 6 und § 7 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Wir stimmen nunmehr über Ziffer 2 des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP gestellten Antrages Umdruck 133 ab, den § 8 in der Fassung der Vorlage - Drucksache IV/464 - wiederherzustellen. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Damit ist § 8 wieder eingefügt. Ich rufe auf § 9. Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. In § 10 und § 12 ist nach dem Antrag des Berichterstatters der Termin des 1. Juli durch den 30. Juli zu ersetzen. Wer mit der Maßgabe dieser Änderung den §§ 10 und 12 sowie dem § 11 zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Wir können die zweite Beratung noch nicht schließen, da zu § 4 noch ein Änderungsantrag angekündigt ist. Wir werden diesen Punkt wieder aufneh- I men, sobald der Umdruck vorliegt. *)
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({0}) ;
Mündlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Das Wort hat der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Finanzausschusses darf ich zu der Ihnen bereits vorliegenden Begründung noch einige Änderungen vortragen.
In der Begründung zu Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a müssen wir sagen:
Es soll im Gesetzeswortlaut noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, daß die Ausgleichsabgaben, die der EWG-Vertrag vorsieht, obwohl sie nach diesem Vertrag keine Zölle sind, aus verwaltungsökonomischen Gründen innerstaatllich in Form von Angleichungszöllen erhoben werden.
Die Begründung zu Art. 1 Nr. 1 Buchstabe b hat richtiger zu lauten:
Die Kommission der EWG hat erklärt, daß sie in Zukunft Ausgleichsabgaben nicht nur auf Artikel 46 und 226 des EWG-Vertrages, sondern auch auf die Beschlüsse des Ministerrates gemäß Artikel 235 des EWG-Vertrags stützen wird. Es ist deshalb erforderlich, den Buchstaben e einzufügen.
Zu dem Buchstaben e des Art. 1 Nr. 1 Buchstabe b empfiehlt der Finanzausschuß folgende redaktionelle Änderungen: In Zeile 6 ist „vorgenannten Vertrags" statt „vorbezeichneten Vertrags" zu setzen. In Zeile 10 muß es heißen „vorgesehen hat" statt „beschlossen hat". In den Zeilen 11 und 12 ist jeweils „Industrien" statt „Industriezweige" zu setzen.
Abschließend hat der Ausschuß beschlossen, das Plenum zu bitten, dem so geänderten Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung ein.
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Die dritte Beratung erfolgt am Freitag.
*) Siehe Seite 1509 D.
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 ({0}) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({1}) ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({3})
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) ({5})
({6}).
Wird von den Herren Berichterstattern das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich darf den Herren Berichterstattern danken.
Es liegen die Anträge auf den Umdrucken 128, 131 und 134 vor. Ich rufe zunächst § 1 der Vorlage auf. Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsparteien, die den Enwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 ({0}) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgelegt haben - oder soll ich sagen: die Bundesregierung? -, sind bei ihren Preisvorschlägen davon ausgegangen, daß die bisherigen Erzeugermindestpreise in dem jetzigen Hauptzuschußgebiet in der Bundesrepublik - das ist der Raum Duisburg - zugrunde gelegt werden. Unabhängig von der Frage, ob diese Erzeugermindestpreise richtig sind und im Interesse der deutschen Landwirtschaft liegen, haben wir einige andere Vorstellungen hinsichtlich der sogenannten Vermarktungskosten, zweitens hinsichtlich der Differenz zwischen den sogenannten Grundinterventionspreisen und den Grundrichtpreisen und drittens hinsichtlich der sogenannten Monatsaufschläge.
Die bisherigen Erzeugermindestpreise haben für Weichweizen 419 DM, für Roggen 379 DM und für Gerste 360 DM, jeweils je Tonne, betragen. Auf diese Erzeugermindestpreise wurden in den Preisvorschlägen, wie sie in der Drucksache IV/463 enthalten sind, an Vermarktungskosten 23,50 DM je Tonne aufgeschlagen. Dadurch kommen die sogenannten Interventionspreise zustande, und zwar - immer im Hauptzuschußgebiet im Raume Duisburg - für Weichweizen 442,50 DM, für Roggen 402,50 und für Gerste 383,50 DM.
Es ist von den Verarbeitungsbetrieben, insbesondere den Mühlen, überzeugend nachgewiesen worden, daß in dem Hauptzuschußgebiet im Raum Duisburg die Vermarktungskosten in den vergangenen Jahren je Tonne zwischen 15 und 17 DM betragen haben. In den Vermarktungskosten von 23,50 DM ist für Beförderungskosten ein Betrag von 8 DM enthalten. Da die Frachten an sich um 50 % gesenkt werden sollen, wäre es nur logisch, wenn auch die Vermarktungskosten eine Ermäßigung um wenigstens 4 DM erführen.
Meine Fraktion hält deshalb einen Vermarktungssatz von 19,50 DM für völlig ausreichend. Das haben wir bei unseren Preisvorschlägen in unserem Antrag Umdruck 128 zugrunde gelegt.
Die Bundesregierung bzw. die Koalitionsparteien haben von der Möglichkeit der EWG-Getreidemarktordnung, die Differenz zwischen den sogenannten Grundinterventionspreisen und den Grundrichtpreisen zwischen 5 und 10 % Aufschlag festzusetzen, in der Weise Gebrauch gemacht, daß sie einen Satz von 7,5 % wählten. Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß eine Differenz von 5 % völlig ausreichend ist. Wenn man 71/2 % zugrundelegt, bedeutet das bei Weizen eine Steigerung von 33 DM je Tonne zwischen dem Grundinterventionspreis und dem Grundrichtpreis. Wenn man unseren Vorstellungen folgt und die Differenz auf 5 °/o ermäßigt, also um 21/2 % herabsetzt, würde der Aufschlag, d. h. die Differenz zwischen dem Grundinterventionspreis und dem Grundrichtpreis, immer noch 22 DM je Tonne betragen.
Da bekanntermaßen Verteuerungen durch die Einführung der EWG-Getreidemarktordnung möglichst vermieden werden sollen, halten meine politischen Freunde es für richtig, daß man die Differenz zwischen Grundinterventionspreis und Grundrichtpreis auf 5 % festsetzt, weil das sowohl im Interesse der Verbraucher als auch im Interesse der Erzeuger liegt.
Hinsichtlich der sogenannten Monatsaufschläge hat die Vorlage der Koalitionsparteien bzw. der Regierung ohnehin den Betrag von 4 DM je Tonne vorgesehen. Im Ausschuß haben die Vertreter der Koalitionsparteien einen Vorschlag gemacht, der weiter geht als ihr ursprünglicher Vorschlag, und haben 4,50 DM an sogenannten Reports gefordert. Ich gebe zu, daß mir ursprünglich dieser Vorschlag selber einleuchtend war. Aber die Prüfung der Zusammensetzung dieses Reports hat ergeben, daß die Argumente, die im Ausschuß von seiten der Bundesregierung vorgetragen wurden, durchaus zu respektieren sind, zumal in der Kalkulation eines Monatsreports in Höhe von 4,50 DM die Kosten für die Verzinsung und die Kosten für die Verarbeitung des Getreides offensichtlich überhöht festgesetzt worden sind.
Die Vertreter der Bundesregierung im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben außerdem darauf hingewiesen, daß eine Heraufsetzung der Monatsaufschläge von 4 DM auf 4,50 DM je Tonne zu einer Verteuerung des Getreides führen würde. Die ursprünglichen Befürchtungen, daß ein Report von 4 DM dazu führen könnte, zuviel Getreide auf die Einfuhr- und Vorratsstelle zulaufen zu lassen, von wo es dann zu einem erhöhten Preis wieder in den Markt komme, dürften sich als nicht stichhaltig erweisen.
Meine politischen Freunde haben insofern den Vorschlag der Bundesregierung wiederhergestellt, indem sie in ihren Preisvorschlägen von Monatsaufschlägen in Höhe von 4 DM je Tonne ausgegangen sind.
Müller ({1})
Wir haben außerdem einige Vorschläge hinsichtlich der Erweiterung des § 1 gemacht. Sie finden diese Vorschläge in unserem Änderungsantrag auf Umdruck 128. Wir begehren darin, daß der § 1 durch die von uns vorgeschlagenen Absätze 3, 4 und 5 erweitert wird.
Der von uns vorgeschlagene Abs. 3 lautet:
Die für die Errechnung der abgeleiteten Richt-
und Interventionspreise anzuwendenden Frachtkosten sind so zu bemessen, daß das durchschnittliche Niveau der übrigen Mitgliedstaaten annähernd erreicht wird. Der Bund stellt nötigenfalls entsprechende Ausgleichsmittel zur Verfügung.
Wir wissen, daß die Frachtkosten bei uns gegenüber den Frachtkosten in den meisten Mitgliedstaaten überhöht sind. Auf Grund dieser Tatsache ist ja bereits eine Frachtsenkung veranlaßt worden. Wir meinen aber, daß es sinnvoll wäre, im Gesetz zu verankern, daß ein durchschnittliches europäisches Niveau hinsichtlich der Frachten angestrebt werden muß.
Der von uns vorgeschlagene Abs. 4 hat folgenden Wortlaut:
Soweit sich für eingeführtes Getreide durch erhöhte Abschöpfungen, durch den Wegfall der Frachterstattungen und des Preisausgleiches für höhere Weltmarktpreise Verteuerungen ergeben, sind diese nach Artikel 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 19 ({2}) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Bund auszugleichen.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in diesem Hohen Hause bereits darauf hingewiesen, daß die Regierung entschlossen sei, von solcher Möglichkeit Gebrauch zu machen. Wir meinen aber, es wäre zweckmäßig, das auch ausdrücklich im Gesetz zu verankern.
Der Abs. 5 soll nach unserem Vorschlag lauten:
Falls sich aus diesem Gesetz unzumutbare Einkommensminderungen für bäuerliche Betriebe ergeben, sind diese vom Bund zu tragen.
Hierbei beziehen wir uns auf die Entschließung anläßlich der Debatte über die EWG, die am 31. Januar in diesem Hohen Hause stattgefunden hat. In dieser Entschließung heißt es ausdrücklich, daß Einkommensminderungen für bäuerliche Betriebe, soweit solche durch die Einführung der EWG-Getreidemarktordnung entstehen, ausgeglichen werden müssen. Wir meinen also, daß sowohl die Interessen der Verbraucher als auch die Interessen der Erzeuger durch eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes gewahrt werden müssen.
Ich darf vielleicht noch ergänzend sagen, daß unsere Preisvorschläge für die Grundrichtpreise und die Grundinterventionspreise analog naturgemäß auch für den Katalog der abgeleiteten Richt- und Interventionspreise gelten.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie im Auftrage meiner politischen Freunde bitten, diesen Änderungsanträgen im Interesse der deutschen
Landwirtschaft und der deutschen Verbraucher Ihre Zustimmung zu erteilen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was mein Kollege Müller ({0}) soeben ausgeführt hat, war Gegenstand eingehender Beratungen im Ernährungsausschuß. Wir haben uns dort stundenlang über diese Fragen unterhalten. Als Ergebnis der Beratung sind wir dann zu der Auffassung gekommen, die in den Beschlüssen des federführenden Ausschusses ihren Niederschlag gefunden hat.
Herr Kollege Müller, im einzelnen möchte ich folgendes sagen. Die Annahme, daß bei einer Frachtkürzung um etwa 50 % - also statt 8 DM 4 DM - die Möglichkeit bestünde, die Richtpreise um diese 4 DM zu kürzen, ist mehr oder weniger theoretischer Natur. Das mag unter besonderen Gesichtspunkten zutreffen, wo es sich z. B. tatsächlich um eine Bahnfracht allein handelt. Aber, Herr Kollege Müller, Sie wissen ja ebenso wie ich genau, wieviel Getreide anders verfrachtet wird als mit der Bahn. Der zweite Gesichtspunkt ist, daß sich dann auch eine Kürzung ergäbe, wenn der Erzeuger selber verfrachtet, also nicht etwa Genossenschaften und Handel.
Zu den Monatszuschlägen oder Reports liegen Eingaben und genaue Beiechnungen der Stellen vor, die sich mit diesen Aufgaben zu befassen haben, so vom Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften, Raiffeisenverband genannt, und vom Zentralverband des deutschen Getreide-, Futter- und Düngemittelhandels. Diese Eingaben habe ich selbst eingehend geprüft und habe mit zahlreichen Stellen darüber diskutiert. Ihnen sind diese Eingaben, die sorgfältig aufgestellt sind, auch bekannt. Die beiden Fachverbände, denen alle angeschlossen sind, kamen zu anderen Berechnungen, die sogar über 4,50 DM hinausgehen. Ich bitte also, diesem Satz von 4,50 DM die Zustimmung zu erteilen.
Meine Damen und Herren, noch ,ein anderer Gesichtspunkt ist zu beachten. Es ist das letzte Mal, daß man in eigener nationaler Zuständigkeit hier noch bestimmte Möglichkeiten hat. Die Erzeuger werden nicht unter allen Umständen die jetzt infolge des Frachtgefälles in den marktfernen Gebieten gekürzten Interventionspreise ausgezahlt bekommen. Ich kann mir theoretisch durchaus vorstellen - und wahrscheinlich wird es sich auch in der Praxis erweisen -, daß Handel und Genossenschaften im Wettbewerb vielleicht bereit wären, dem Bauer, der durch das neue Gesetz geschädigt wird, etwas von ihrer Handelsspanne abzulassen, so daß sich auf diese Weise ein gewisser Ausgleich für die geschädigte Landwirtschaft ergäbe.
Das sind die Gründe, die mich veranlassen, Sie zu bitten, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen.
Unter Ziffer 2 'des Antrags Ihrer Fraktion, Herr Kollege Müller, wünschen Sie, daß dem § 1 ein Absatz 4 angefügt wird:
Soweit sich für eingeführtes Getreide durch erhöhte Abschöpfungen, durch den Wegfall der Frachterstattungen und des Preisausgleiches für höhere Weltmarktpreise Verteuerungen ergeben, sind diese nach Artikel 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 19 ({1}) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Bund auszugleichen.
Meine Damen und Herren, wir sind nicht der Auffassung, daß diese Bestimmung in den Gesetzestext aufgenommen werden sollte, glauben vielmehr, daß dieses Anliegen bereits durch die Erklärungen des Herrn Bundesministers für Ernährung bei der Einbringung des Gesetzes, also bei der ersten Lesung, erledigt ist. Er hat damals erklärt, die Regierung werde bemüht sein, alles zu tun, damit sich durch diese Erhöhungen des Preises für Auslandsgetreide bei den Eierteigwaren, bei den Nährmitteln und beim Brot keine Verteuerungen ergeben. Wir bitten daher, diese Vorschrift nicht in das .Gesetz aufzunehmen.
Sie beantragen weiter folgenden Abs. 5 zu § 1:
Falls sich aus diesem Gesetz unzumutbare Einkommensminderungen für bäuerliche Betriebe
ergeben, sind diese vom Bund zu tragen.
Das wäre technisch eine völlig unmögliche Sache. Da 'handelt es sich um individuelle Verhältnisse. Solche Einkommensminderungen ließen sich ja gar nicht kontrollieren. Das liefe auf die Wiederherstellung des alten Getreidegesetzes hinaus, bei dem die Frachten vorn Bund übernommen werden. Das wäre also 'die Wiederherstellung der alten Lage!
Im übrigen möchte ich noch eine 'Bitte an die Regierung richten. Herr Bundesernährungsminister, eine Frage ist noch nicht geklärt. Sie haben bei der ersten Lesung zugesagt, daß Sie von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen - und das kommt dem Anliegen der SPD entgegen -, bei bestimmten Weizensorten auf die volle Abschöpfung zu verzichten. Wenn 'Sie das tun wollen, ergeben sich aber zwei Fragen, erstens: Wollen Sie das in dem Umfang wie bisher tun? Zweitens: Wem wollen Sie das zugute kommen lassen? Wollen Sie das einzelnen Mühlen oder allen zugute kommen lassen? Um gerecht zu sein, müßten Sie es allen zugute kommen lassen. Dann kommen Sie aber um eine Vermahlungsregelung oder einen Beimahlungszwang für Inlandsgetreide nicht herum. Sie können dem einzelnen nur soviel zuteilen, als er auch bisher
schon an verbilligtem Getreide gehabt hat.
Falls also die Bundesregierung so etwas vorhaben sollte, würde leider ,das Ziel der neuen europäischen Marktordnung verwässert werden. Die Erzeuger hätten keine Chancen, für Kleberweizen einen höheren Preis zu 'bekommen als für den Weichweizen. Dadurch, daß Sie wieder subventionieren, würde den Erzeugern in den marktfernen Gebieten keinerlei Möglichkeit, auch nicht die geringste Aussicht eröffnet, Kleberweizen anzubauen. An sich ist es ja eines der Ziele, daß Weichweizen nicht mehr in solchen Massen, sondern statt dessen bessere Weizensorten angebaut werden. Der Anreiz dazu ist völlig genommen.
Ich will auf weitere Einzelheiten nicht eingehen, obwohl noch weitere 'Gesichtspunkte angeführt werden könnten, die für die Mühlenwirtschaft von Interesse sind, vor allem für die Binnenmühlen. Die Regierung wird sich sorgfältig überlegen müssen, wie sie hier vorgehen soll. Ich darf Sie also bitten - ich spreche im Auftrage der beiden Koalitionsfraktionen -, ,die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 128 abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie für die Fraktion der FDP ebenfalls bitten, die Anträge der SPD nicht anzunehmen. Wir sind der Auffassung, daß es bei dem Satz von 7,5 % bleiben muß. Wir befürchten, daß die in den marktfernen Gebieten erzeugende Landwirtschaft trotzdem noch benachteiligt wird.
Im übrigen gehört eine Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen durch Frachten nicht in das Gesetz. Ich finde, das ist ein allgemeines Anliegen, das wir durchaus zu vertreten haben. Wir sind auch insofern etwas beruhigt, als der Herr Minister in Brüssel ganz konkrete Aussagen zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung gemacht hat.
Weiter halten wir es für richtig, daß der Ernährungsausschuß die Reports, die monatlichen Aufschläge, erhöht hat. Wir haben ja nur noch einmal die Möglichkeit, eine Erhöhung der Reports in der nationalen Agrarpolitik vorzunehmen. Wir müssen alles tun, um die uns in dieser Situation in der zweiten' Übergangsstufe noch verbliebenen Vertragsmöglichkeiten durch eine nationale Agrarpolitik zu nutzen.
Weiter sind die erhöhten Reports doch auch etwas durch die infolge der verschiedensten Umstände fortlaufend steigenden Kosten begründet. Die erhöhten Reports sollten einen besonderen Anreiz für die private Einlagerung der Erzeuger geben. Auch das sollten wir berücksichtigen. Deshalb bitten wir Sie, die Anträge der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Argumente, die soeben von den Herren Kollegen Bauknecht und Logemann vorgetragen worden sind, haben wir bereits im Ausschuß gehört. Ich glaube, Ihre Überlegungen hinsichtlich der Differenz zwischen dem Grundinterventionspreis und dem Grundrichtpreis sind nicht zutreffend. Ich sagte Ihnen schon, die Differenz von 71/2 % bedeutet - ich will nur das Beispiel Weichweizen nehmen - einen Aufschlag von 33 DM je Tonne. Wenn wir auf 5 % reduzieren, bedeutet das
Müller ({0})
einen Aufschlag von 22 DM je Tonne. Sie haben befürchtet, daß die marktfernen Gebiete dadurch Benachteiligungen erfahren könnten.
({1})
- Noch mehr Benachteiligungen erfahren könnten, wenn Sie das als solche bezeichnen.
Wir haben bisher im marktfernsten Gebiet - d. h. in der Terminologie der EWG-Getreidemarktordnungen - im Raum Passau einen Erzeugermindestpreis von 411 DM gehabt. Die Differenz zwischen Passau und Duisburg betrug also 8 DM je t. Nach den Vorschlägen, die Sie selbst eingereicht haben, beträgt der Mindestpreis im marktfernsten Gebiet, im Raum Passau, 403 DM je t bei Weichweizen. Hier ist also eine Verminderung um 8 DM erfolgt, so daß die Spanne zwischen dem Hauptüberschußgebiet im Raum Passau und dem Hauptzuschußgebiet im Raum Duisburg nunmehr 16 DM je Tonne beträgt. Dabei sind Sie in Ihren Vorschlägen schon davon ausgegangen, daß die Frachtdifferenzen zwischen dem marktfernsten Gebiet und dem Hauptzuschußgebiet nicht voll zur Auswirkung kommen; denn nach den bisherigen Frachten würde der Unterschied 50 DM je Tonne ausmachen. Sie haben also schon einmal auf 16 DM je Tonne reduziert. Wenn aber die Frachten um 50 % gesenkt werden sollen, würde das Frachtgefälle zwischen dem Raum Passau und dem Raum Duisburg nur noch 25 DM je Tonne ausmachen.
Wenn also der Erzeuger aus dem marktfernsten Gebiet in das Hauptzuschußgebiet lieferte und eine Fracht von 25 DM oder, sagen wir, 30 DM aufwenden müßte, wäre das durch die Spanne zwischen Hauptüberschußgebiet und Hauptzuschußgebiet nicht gedeckt. Dafür haben wir aber die Möglichkeit, in Richtung auf den Grundrichtpreis auszuweichen. Wenn die Differenz im Hauptzuschußgebiet auch nach unserem Vorschlag 22 DM beträgt, meine ich, daß der von Ihnen selbst festgesetzte Erzeugermindestpreis im Raume Passau in keiner Weise gefährdet wird. Die Frachtkosten könnten in vollem Umfang in Anspruch genommen werden.
Hinsichtlich der Monatsaufschläge befinden wir und in guter Gesellschaft, nämlich in Ihrer eigenen ich beziehe mich auf Ihren ersten Vorschlag. Ich habe mir die Mühe gemacht, das noch einmal nachzurechnen und zu überprüfen. Sie haben sich leider dieser Mühe entzogen.
({2})
Die Regierung hat in den Ausschußberatungen die Argumente für einen Monatsaufschlag von 4 DM mit großem Nachdruck vorgetragen. Ich verstehe nicht, wieso der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, während wir hier seine Auffassung, die Auffassung seines Ministeriums verfechten, so passiv auf seinem Platz sitzen bleibt. Ich möchte deswegen die Bitte an ihn richten, hier an diese Stelle zu treten und die Auffassung der Regierung zur Frage der Monatsaufschläge zu vertreten und dem Hause die Argumente für die Reports von 4 DM vorzutragen.
Nun zu dem, was Sie im übrigen zu unseren Ergänzungsvorschlägen hinsichtlich der Frachten gesagt haben. Ich möchte sagen, das muß doch wohl das Ziel sein, wenn wir einer Wettbewerbsverzerrung entgegenwirken wollen, ein einheitliches europäisches Frachtniveau anzustreben. Ich weiß gar nicht, was für Bedenken Sie haben, so etwas in das Gesetz hineinzuschreiben. Schließlich enthält die EWG-Getreidemarktordnung ja den Art. 23 Abs. 4, und er ist ausdrücklich zu dem Zweck eingeführt, daß die nationalen Regierungen die Möglichkeit haben, Verteuerungen auszugleichen. Damit befinden wir uns doch in voller Übereinstimmung mit dem, was uns die EWG-Getreidemarktordnung als Recht einräumt. Wir möchten in das Gesetz hineingeschrieben haben, daß eventuelle Nachteile der Erzeugerbetriebe, der Bauern - Sie sprachen ja selbst auch davon, daß diese verhindert werden müssen; das ist doch wohl auch Ihre Auffassung - auszugleichen sind. Ich weiß gar nicht, weshalb Sie nicht mit uns der Auffassung sind, daß das expressis verbis im Gesetz verankert werden sollte.
Ich möchte also darum bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Im übrigen erwarte ich, daß sich der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Wort melden wird.
({3})
Wortmeldungen liegen nicht vor. - Doch! Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem so außerordentlicher Wert darauf gelegt wird, daß ich noch einmal zu den Fragen Stellung nehme, komme ich natürlich dem Wunsch des Herrn Kollegen gerne nach.
Zunächst ein Wort zu den Frachten und der Forderung, von 8 DM auf 4 DM zurückzugehen. Ich will die Frage kurz beleuchten. Wir haben den Betrag von 8 DM nach bestem Wissen eingefügt. Es handelt sich aber um einen sehr schwer zu berechnenden Betrag, weil nicht nur Eisenbahnfrachten und Lkw-Frachten, sondern vor allen Dingen der Nahverkehr enthalten ist. Auf all den Strecken, die um eine Mühle herum liegen, liegt aber der Nahverkehr weitaus vorn im Rennen der Transporte. Da der Nahverkehr nicht verbilligt wird und andere Fakten ebenfalls mit hineinspielen, die eine exakte Rechnung unmöglich machen, könnte man allenfalls zu dem Ergebnis kommen, daß die Spanne von 23,50 DM auf Grund der Frachtensenkung um 1 bis 2 DM höher ist, als vor der Frachtensenkung errechnet.
Ich habe deswegen alle Veranlassung, diesen Punkt nicht als so wichtig zu betrachten, und möchte Sie bitten, die Koalitionsvorlage mit dem Betrag von 23,50 DM anzunehmen.
Nun zu der Frage, ob 5 oder 7 1/2 % richtig sind. In erster Linie handelt es sich darum, daß wir von der Kommission die Genehmigung bekommen haben, die entfernt liegenden Gebiete auf Grund des Un1508
terschiedes zwischen Interventionspreis und Richtpreis noch einmal mit 50 %iger Verminderung der Verlustspannen, die in den entfernt liegenden Gebieten eintreten können, zu bedienen. Deswegen haben wir den höheren Satz gewählt, weil andernfalls aus einer so kleinen Spanne von 5 % keine merkbaren Verbesserungen für die entfernt liegenden Gebiete ankommen.
Herr Kollege Müller hat soeben dargelegt, daß auf ,Grund verschieldener Umstände die entfernt liegenden Gebiete nicht jene Preiseinbußen hätten, die man ursprünglich angenommen habe. Das ist der Bemühung der deutschen Delegation und der Bundesregierung zu verdanken, die alles getan hat, um ihr Wort einzulösen, auch den entfernt liegenden Gebieten das Möglichste zukommen zu lassen, ja sogar ihnen keine Einkommenseinbußen zuzumuten. Wir wissen nicht, wie sich !die Märkte in den entfernt liegenden ,Gebieten entwickeln werden. Deswegen ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen. Ich meine aber, wir hätten alle Veranlassung, daß äußerste zu tun, um diesen Gebieten zu helfen und sie von der Last zu befreien, die unter Umständen auf sie zukommt.
({0})
Ich komme zu der Frage der Reports. In der Koalitionsvorlage wird ein Satz von 4 DM vorgeschlagen. Dieser Satz ist in unserem Hause errechnet worden. Er beruht auf Fakten, die wir für gegeben halten, und ich stehe nicht ,an, hier zu erklären, daß ich diesen Satz für richtig halte.
Die übrigen Punkte möchte ich nicht behandeln. Ich bitte ebenfalls, die entsprechenden Änderungsanträge der SPD abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 128 Ziffer 1 zu § 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über die Anlagen 1 bis 4 zu § 1. Wer diesen Anlagen zustimmt, der gebe bitte Zeichen! - ,Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anlagen sind in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe dann auf zu § 1 den Antrag auf Umdruck 131, Ziffer 1, Änderungsantrag des Abgeordneten Bauknecht.
Herr Präsident, nur noch eine redaktionelle Änderung, die sich aus dem Inkrafttreten des Gesetzes ergibt: Nicht am 1., sondern am 30. Juli!
Ich nehme an, daß das Haus diesem ,Antrage zustimmt. - Das ist der Fall.
Ich rufe dann auf den Umdruck 128, Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Ziffer 2, auf Einfügung der Absätze 3 bis 5. Wind der Antrag weiter begründet?
({0})
Wer diesem Änderungsantrag Ziff. 2 auf Umdruck 128 zustimmt, der gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich kann dann den § 1 aufrufen mit der beschlossenen Änderung. Wer dem zustimmt, der gebe Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen!
Ich rufe auf die §§ 2, 3. Wer zustimmt, gebe Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen!
Zu § 4 liegt der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Bauknecht lauf Umdruck 131 Ziffer 2 vor.
Bitte, Herr Abgeordneter Serres!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei Umdruck 131 Ziffer 2 lediglich um eine 'Präzisierung des Textes, die von den juristischen Sachverständigen .der Bundesregierung vorgeschlagen worden ist. Es soll also an Stelle von „gilt als" gesetzt werden: „ist die", d. h. die Ein- und Ausfuhrlizenz nach dem Außenwirtschaftsgesetz.
In Abs. 2 soll aus demselben Grunde das Wort „sinngemäß" gestrichen werden.
Ich bitte Sie, dementsprechend zu entscheiden.
Darf ich annehmen, daß Idas Haus damit einverstanden ist?
({0})
Der Antrag Umdruck 131 Ziffer 2 ist - bei Enthaltungen - angenommen.
Dann kann ich feststellen daß § 4 in der Fassung des Ausschusses mit den soeben beschlossenen Änderungen angenommen ist.
Ich rufe auf die §§ 5, 6, 7, 8. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Paragraphen sind in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Zu § 9 liegt der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 134 vor. Es handelt sich um die Einfügung eines neuen Abs. 3.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Serres!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Umdruck 134 sieht die Hinzufügung eines Abs. 3 zu § 9 vor. Damit soll sichergestellt werden, daß die Rechtsverordnungen, die nach § 9 Abs. 2 ergehen, im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes behandelt werden, d. h. daß sie nach der Verkündung dem Bundesrat und dem Bundestag zugeleitet werden. Ich möchte hierauf - ganz besonders auch für den Bundesrat - aufmerksam machen, da ja in dem Text der Absätze 1 und 2 davon die Rede ist, daß diese Verordnungen ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen werden können. Dias will besagen, daß ohne vorherige Zustimmung des Bundesrats diese Verordnungen erlassen werden können. Es ist aber sichergestellt, daß diese
Verordnungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz behandelt werden, so daß die nachträgliche Zuleitung an (Bundesrat und Bundestag durch eine Beschlußfassung zu Umdruck 134 sichergestellt ist.
Ich wäre dankbar, wenn Sie, meine Damen und Herren, indiesem Sinne entscheiden würden.,
Wir können über den Antrag Unidruck 134 auf Beifügung \des Abs. 3 abstimmen. Wer zustimmen will, gelbe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe (den § 9 mit ,diesem Abs. 3 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist bei zahlreichen Enthaltungen so beschlossen.
Ich rufe auf § 10, - § 10 a und § 11. - Wer zustimmt, (gebe Zeichen. -:,Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu § 12 liegt der Änderungsantrag des Herrn Albgeordneten Bauknecht auf Umdruck 131 unter Ziffer 3 vor. - Herr Abgeordneter Serres!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Bestimmungen über Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldvorschniften, die in der ursprünglichen Vorlage wesentlich kürzer gefaßt waren. Die Sachverständigen der Bundesregierung haben aber juristische Bedenken gegen die ursprüngliche Formulierung geäußert, so daß die beteiligten Ressorts gebeten worden sind, diese Bestimmungen noch einmal zu überarbeiten. Das Ergebnis dieser Arbeiten der juristischen Sachverständigen des Justizministeriums, des Ernährungsministeriums, des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums finden Sie in der Ziffer 3 des Umdrucks 131.
Angesichts dieses massiven Sachverstandes verzichte ich darauf, auf Einzelheiten dieser Bestimmungen einzugehen. Ich glaube nach näherer Prüfung, daß sie der Sachlage entsprechen uüd daß wir in der Lage sind, ihnen zuzustimmen. Ich wäre dankbar, wenn Sie der Ziffer 3 des Änderungsantrags Umdruck 131 Ihre Zustimmung gäben.
Ich rufe dann die Ziffer 3 des Änderungsantrags Umruck 131 auf Änderung des § 12 auf. Wer zustimmt, gebe Zeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Zwei Enthaltungen, im übrigen einstimmige Annahme.
Ich rufe auf § 13. Hierzu liegt der Änderungsantrag des Herr Abgeordneten Bauknecht auf Umdruck 131 Ziffer 4 vor. Wird der Antrag begründet?
- Bitte, Herr Abgeordneter Serres!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin übersehen, zu sagen, daß meine Ausführungen zu Ziffer 3 entsprechend auch für alle übrigen Ziffern des Änderungsantrags Umdruck 131 gelten, d. h. für die Ziffern 4 bis 10, die sich alle mit den Bußgeldvorschriften und den Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten befassen. Ich darf bitten, diesen Bestimmungen ebenfalls Ihre Zustimmung zu geben.
Das ergibt sich aus dem Sachzusammenhang. Als Vater des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten kann ich versichern, daß die Dinge in guter Ordnung sind.
Ist es möglich, daß ich die Anträge Ziffer 5, Ziffer 6, Ziffer 7 und Ziffer 8 des Umdrucks 131 zusammen aufrufe? - Einverständnis. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen und einigen
Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf die Ziffer 9 dieses Umdrucks, Antrag auf Einfügung eines § 15 c.
(({0})
- Es gilt das gleiche. Ich muß also ordnungsgemäß die Ziffern 9 und 10 des Änderungsantrags Umdruck 131 aufrufen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen.. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit dem gleichen Ergebnis angenommen.
Dann darf ich feststellen, daß gegen die §§ 16 und 17 keine Bedenken bestehen und daß sie mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen sind.
Dann rufe ich den Änderungsantrag Umdruck 131 Ziffer 11 auf, der die Änderung des § 18 betrifft: das Datum „30. Juli" statt „1. Juli" festzulegen. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Wieder das gleiche Stimmenverhältnis wie bisher; angenommen.
Einleitung und Überschrift. - Ich darf wohl das gleiche Stimmenverhältnis feststellen; angenommen.
Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung. Die dritte Beratung findet am Freitag statt.
Ich kehre zum Tagesordnungspunkt 5 zurück. Inzwischen ist der Antrag Umdruck 136 verteilt worden. Er bezieht sich auf § 4 der Vorlage. Können wir gleich zur Abstimmung kommen? - Bitte, Herr Abgeordneter Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist soeben von der sozialdemokratischen Fraktion gesagt worden, daß die Ziffer 1 dieses Antrags zurückgezogen werde. Darf ich annehmen, daß das zutrifft? Dann brauchte ich nur zu Ziffer 2 des Antrags Umdruck 136 Stellung zu nehmen.
({0})
Ich kann dann schon kurz zu Ziffer 2 Stellung nehmen. Im Namen meiner politischen Freunde darf ich Ihnen erklären, daß wir im Interesse der Küstenländer der Ziffer 2 des Umdrucks 136 unsere Zustimmung geben. Wir haben allerdings an die Bundesregierung die Bitte - insbesondere an den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -, daß sie die weitere Entwicklung auf Grund der neuen Bestimmung beobachten. Wir behalten uns vor, eventuell Änderungen vorzunehmen, falls sich bei der Anwendung der neuen Bestimmung irgendwelche Unzuträglichkeiten ergeben
sollten. Im übrigen werden wir dieser Bestimmung unsere Zustimmung geben.
Erfolgt eine Erklärung zu der Frage, ob Ziffer 1 zurückgenommen wird?
({0})
- Wird zurückgenommen; ich stelle es fest. Wir haben also nur über die Ziffern 2, 3 und 4 abzustimmen. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wer dem § 4 in der so geänderten Form zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Ich darf ebenfalls einstimmige Annahme feststellen.
Einleitung und Überschrift! - Ich darf feststellen, daß sie genehmigt sind.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 ({1}), Nr. 21 ({2}) und Nr. 22 ({3}) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft ({4})
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung [Drucksache I1/521 ({6})]
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) ({8})
({9})
Ihnen liegt der Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 - Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller - vor, ferner der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - des Herrn Abgeordneten Frehsee.
Zunächst Herr Abgeordneter Müller als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung der Vorlage Drucksache IV/465 hat einen etwas eigenartigen Lauf genommen. Der Haushaltsausschuß hat die Vorlage beraten und keine Einwendungen erhoben; das ist aus der Drucksache IV/521 zu ersehen. Mittlerweile ist aber mit Datum vom 26. Juni ein Schreiben des Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beim Haushaltsausschuß eingelaufen, in dem festgestellt wird, daß der Ernährungsausschuß der zuerst beratenen Vorlage noch einen neuen Absatz eingefügt hat. Es handelt sich um den § 6, Drucksache 516. Durch die Einfügung des neuen Abs. 2 a hat sich die Vorlage so verändert, daß der Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung seinen Beschluß rückgängig machen mußte. Kein Mensch ist in der Lage, zu sagen, wie hoch die finanziellen Auswirkungen dieser Veränderungen sind; man schätzt aber, daß es immerhin bis zu 400 Millionen DM sein können, und darüber kann der Haushaltsausschuß nicht hinweggehen.
({0})
Vom Haushaltsrecht her gesehen dürfen wir den § 30 unseres Haushaltsgesetzes für 1962, das wir alle miteinander beschlossen haben und das für die Durchführung des verabschiedeten Haushalts gültig ist, nicht übersehen. In diesem § 30 ist zu lesen, daß Ausgleichsbeträge nach § 1 des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft vom 31. März 1956 dem Geflügelhalter nicht gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung des Ausgleichsbetrages nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, von dem ab die Abschöpfungsregelungen nach den Verordnungen des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Eier und Geflügel angewandt werden. Nach § 30 unseres Haushaltsgesetzes ist es also einfach nicht möglich, daß nachträglich noch ein derartiger Absatz in ein anderes Gesetz eingefügt wird, und ich kann mir nur vorstellen, daß dieser neue, zusätzliche Absatz zurückgenommen wird.
Der Haushaltsausschuß hat sich erneut mit der Sachlage beschäftigt und ist zu der Auffassung gekommen, daß gegen die Vorlage Bedenken bestehen, da der in § 6 eingefügte Absatz 2 a im Widerspruch zu § 30 des Haushaltsgesetzes 1962. steht und außerdem nicht zu übersehende finanzielle Auswirkungen hat, für die der Haushaltsausschuß Deckungsvorschläge nicht machen kann.
Im übrigen - wenn die Bestimmung des § 6 Abs. 2 a wegfällt - hat der Haushaltsausschuß gegen die Vorlage keine Bedenken. Der Haushaltsausschuß ist nach § 96 neu der Geschäftsordnung nicht in der Lage, Deckungsvorschläge zu machen; er kann demzufolge diesem zusätzlichen Abs. 2 a nicht zustimmen, kann also in diesem Fall dem ganzen Gesetz seine Zustimmung nicht geben.
Das Haus wird die Bedenken des Haushaltsausschusses - besonders bei der Beratung des § 6 Abs. 2 a - zu würdigen haben. Ob der Hinweis, daß die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes nicht zu überblicken und aus diesem Grunde Deckungsvorschläge nach § 96 nicht möglich seien, ein ernstlicher Einwand gegen die Behandlung der Vorlage ist, möchte ich bezweifeln.
Wird der Herr Berichterstatter Frehsee noch das Wort nehmen?
({0})
- Ich danke den Herren Berichterstattern.
Vizepräsident Dr. Dehler
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 129 vor.
Bitte, Herr Abgeordneter Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat Ihnen auf Umdruck 129 einen Antrag vorgelegt, der darauf abzielt, dem Verbraucher Verteuerungen auf Grund des Inkrafttretens der EWG-Agrarverordnungen zu ersparen. 1n § 1 des jetzt hier zur Debatte stehenden Gesetzes heißt es, daß die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages die Abschöpfungssätze durch Rechtsverordnung verringern könne. Die rechtlichen Voraussetzungen für diesen Eingriff in die Bestimmungen der EWG-Agrarverordnungen sind zu finden in Art. 6 Abs. 1 der EWG-Verordnung Nr. 20 für Schweinefleisch, Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 21 für Eier und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 22 für Geflügelfleisch.
Die sozialdemokratische Fraktion ist der Meinung, daß diese Bestimmung nicht nur eine Kann-Bestimmung sein sollte, sondern daß man daraus eine zwingende Bestimmung machen müßte. Wir befinden uns mit dieser Auffassung völlig in Übereinstimmung mit der in diesem Hohen Hause am 31. Januar 1962 einstimmig angenommenen Entschließung. Wir haben damals die Erklärung der Bundesregierung vom 24. Januar 1962 betreffend EWG debattiert, in der über die Brüsseler Beschlüsse zur Einleitung der gemeinsamen Agrarpolitik berichtet worden war. Es heißt in dieser Entschließung - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
In diesen Gesetzentwürfen
- die die Bundesregierung in Ausführung der EWGAgrarverordnung dem Hohen Hause vorzulegen hat
sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die berechtigten Interessen der deutschen Land-und Ernährungswirtschaft und der Verbraucher zu berücksichtigen .. .
In einem weiteren Absatz dieser einstimmig angenommenen Entschließung heißt es, daß eine agrarpolitische Konzeption zu entwickeln sei, „die die Interessen der Verbraucher wahrt und zugleich finanzpolitisch tragbar ist".
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ertl?
Gern.
Würden Sie auch noch den weiteren Teil dieser Entschließung vorlesen, wo es heißt: „und zugleich finanzpolitisch tragbar ist" ? Das gehört mit dazu.
Ich habe es vorgelesen, Herr Kollege Ertl; Sie werden es später im Protokoll finden.
({0})
- Sie irren sich, Herr Kollege Ertl; es war ein wenig übereifrig.
({1})
Haben Sie es nicht noch im Ohr, daß ich verlesen habe: „eine agrarpolitische Konzeption zu entwikkeln, die ... die Interessen der Verbraucher wahrt und zugleich finanzpolitisch tragbar ist"?
({2})
- Nein, Herr Kollege Ertl, ich habe es jetzt zum zweitenmal verlesen.
Wir fußen auf dieser einstimmig angenommenen Entschließung, wenn wir im Interesse der Verbraucher den Antrag auf Änderung des § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs stellen, der darauf abzielt, Verteuerungen bei Geflügelfleisch, Schweinefleisch und Eiern zu vermeiden.
Ich will mich hier nicht mit dem Umfang der möglichen Verteuerungen auseinandersetzen. Es sind eine ganze Reihe von Überlegungen darüber angestellt worden. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat Zahlen genannt. Er hat davon gesprochen, daß bei Geflügelfleisch Verteuerungen von 11 und 13 % zu befürchten seien, bei Eiern von 15,8 % usw. Im Ausschuß ist von den Vertretern der Regierung nachdrücklich dargelegt worden, daß man die Höhe der möglichen Verteuerungen jetzt nicht übersehen könne. 'Es ist daher müßig, über bestimmte Beträge zu sprechen und darüber zu diskutieren, ob z. B. ein Kilogramm' Geflügelfleisch eine Mark teurer wende, wie man sagt. Wir sind auch der Meinung, daß sich jetzt noch nicht genau übersehen läßt, welche Verteuerungen es geben wird. Aber alle Fachleute sind sich darüber einig, daß es zumindest bei Geflügelfleisch und Eiern und vielleicht auch bei Schweinefleisch Verteuerungen geben wird. Dieser Antrag der SPD zwingt die Regierung, wenn er angenommen wird, von den Möglichkeiten der EWG-Agrarverordnungen Gebrauch zu machen und die Abschöpfungssätze in dem Maße zu verringern, wie es erforderlich ist, um solche Verteuerungen eben nicht eintreten zu lassen.
Aber es handelt sich bei diesem Paragraphen nicht ausschließlich um die Verteuerung dieser Veredelungsprodukte. Es handelt sich ein wenig auch - und ich muß darauf eingehen - um den agrarpolitischen Kurs der Bundesrepublik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Ich darf noch einmal auf die Entschließung vom 31. Januar verweisen. Darin ist gefordert worden, daß die Bundesregierung eine agrarpolitische Konzeption entwickelt. Es ist sogar ein Termin genannt worden. Der Bundestag hat der Erwartung Ausdruck gegeben, daß das bis zur „Grünen Debatte" erfolgt. Nun, ich will nicht darüber streiten, inwieweit dem Auftrag, der in dieser Entschließung niedergelegt wurde, Rechnung getragen worden ist.
Für uns liegen die Dinge so. Diesem Vorschlag, der von der Regierung kommt und nur aus Zeitgründen als Initiativgesetzentwurf von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegt worden ist, liegt wieder die alte agrarpolitische Konzeption
der Mehrheit dieses Hauses zugrunde, nämlich der Vorrang der Bodenproduktion vor der Veredelungswirtschaft. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß diese agrarpolitische Konzeption, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, irrig ist. Wir haben im Ausschuß lange darüber diskutiert. Es stand Meinung gegen Meinung. Wir haben im Ausschuß darum gebeten, daß uns doch endlich einmal das Gutachten vorgelegt wird, das die' Regierung, weil sie selber unsicher ist, ob diese alte, konservative agrarpolitische Konzeption - Bodenproduktion vor Veredelungswirtschaft - richtig ist und wirklich im wohlverstandenen Interesse der Landwirtschaft liegt, bei namhaften Wissenschaftlern in Auftrag gegeben hat. Es sollten darin die Auswirkungen eventueller Getreidepreissenkungen auf die Einkommenslage der in der Landwirtschaft Beschäftigten untersucht werden. Dieses Gutachten ist bisher nicht vorgelegt worden. Wir müssen fragen: Warum wird es geheimgehalten? Warum wird es nicht vorgelegt? Ist es etwa so, daß das, was darin steht, der Tendenz nicht entspricht, die hier von der Mehrheit noch vertreten wird? Wir Sozialdemokraten bekennen uns auch heute zu der Überzeugung, daß eine Senkung der Getreidepreise und im besonderen der Futtergetreidepreise nicht nur im Interesse der Verbraucher von Veredelungsprodukten läge, sondern auch im Interesse der landwirtschaftlichen Erzeuger.
Im Schriftlichen Bericht ist schon aufgeführt - aber ich darf es an dieser Stelle noch einmal zitieren -, daß die Landwirtschaft der Bundesrepublik im Jahr für 2,3 Milliarden DM Getreide verkauft, davon für 2 290 000 000 DM Brotgetreide und nur für 10 Millionen DM Futtergetreide. Die Landwirtschaft der Bundesrepublik kauft auf der anderen Seite für 3 Milliarden DM Futtermittel. Das ist nicht alles Getreide; davon sind etwa zwei Drittel Getreide. Für etwa 2 Milliarden DM also kauft die Landwirtschaft der Bundesrepublik Futtergetreide. Sie kauft es zu diesem hohen Preis, den das auf dem Weltmarkt sehr viel billigere Futtergetreide hier wegen der deutschen Getreidegesetze und der bereits praktizierten Abschöpfung kostet. Es ist die Frage, ob die Betriebe, die das Brotgetreide verkaufen, Futtergetreide kaufen, und ob die Betriebe, die Futtergetreide kaufen müssen, Brotgetreide zu verkaufen haben. Wären es die gleichen Betriebe, so würde sich das ausgleichen. Die Beträge liegen etwa auf der gleichen Höhe: für 2,3 Milliarden DM wird Brotgetreide verkauft, für 2 Milliarden DM wird Futtergetreide gekauft. Aber ich habe das ziemlich bestimmte, nicht nur unbestimmte Gefühl, daß gerade diejenigen Betriebe, die Futtergetreide kaufen, weil sie Veredelungswirtschaft betreiben, nicht oder nicht vornehmlich zu den Verkäufern von Brotgetreide gehören.
Es ist insgesamt dazu auch noch zu sagen, daß diese Konzeption, die dem Entwurf zugrunde liegt, unter Umständen zu einer Fehlproduktion führen kann - wir haben sie schon; also: zu einer noch größeren Fehlproduktion -, nämlich wegen der Bevorzugung der Bodenproduktion. Wenn Sie die Berechnungen eines namhaften Agrarmarktwissenschaftlers, des Professors Plate aus BraunschweigVölkenrode, und dessen Betrachtungen über die voraussichtliche Entwicklung des Verbrauchs von landwirtschaftlichen Veredelungsprodukten lesen, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daß man von einer Fehlorientierung der Produktion auch aus der Sicht der deutschen Landwirtschaft sprechen müßte, die sich ein weites Produktionsgebiet im Bereich der Veredelungswirtschaft entgehen läßt, das bisher schon den anderen überlassen war und bei einer solchen Konstruktion auch in Zukunft den anderen überlassen würde.
Ich will in diesem Zusammenhang nur auf die Sorgen hinweisen, die in bezug auf die Überproduktion an Getreide bestehen, wenn diese deutsche Konzeption sich in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durchsetzt, und auf die Sorge, die in England und in den Commonwealth-Staaten bei Fortsetzung einer solchen Agrarpolitik entsteht. Die Aufnahme Großbritanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, von der heute morgen so viel gesprochen worden ist, ist zwar zu einem Teil, wir Agrarpolitiker wissen das, erschwert wegen der, ich gebe zu, unterschiedlichen Agrarpreissysteme bei uns und in den anderen EWG-Ländern auf der einen und in England auf der anderen Seite, aber auch, meine Damen und Herren, wegen des hohen Getreidepreises, den wir hier haben; ganz zu schweigen von einem letzten Argument, das immer wieder auch von seiten der Agrarwissenschaft vorgetragen wird: daß in bezug auf die Entwicklungshilfe eine Revision dieser Konzeption erfolgen müsse.
Herr Abgeordneter Frehsee, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte schön, Herr Kollege Struve.
Herr Abgeordneter Struve!
Herr Kollege Frehsee, sind Sie der Meinung, daß das Kleinbauerntum in Deutschland noch eine Existenzgrundlage hat, wenn die - nach Ihrer Ansicht viel zu hohen - Getreidepreise gesenkt werden?
Ja, Herr Kollege Struve, ich bin dieser Überzeugung, und ich und meine Freunde wollen nach Kräften dafür wirken, daß es eine gute und ausreichende, gesunde Existenzgrundlage wird.
({0})
Bitte schön!
Haben Sie in Ihre Überlegung einbezogen, daß der Großbetrieb dann mit Abstand die Chancen der Veredelung nutzt und für den Kleinbauern keine Existenzgrundlage mehr da ist?
({0})
Ich hin nicht Ihrer Auffassung, Herr Kollege Struve. Schon aus arbeitswirtschaftlichen und Arbeitsmarktgründen bin ich nicht der
Auffassung, daß die landwirtschaftlichen Großbetriebe sich dann mit Bravour auf die Veredelungswirtschaft verlegen werden.
({0})
Außerdem erinnere ich noch einmal, Herr Kollege Bauknecht, an die Zahlen, die ich zwar nicht im einzelnen angeführt habe, auf die Sie aber hingewiesen haben, die Herr Professor Plate in bezug auf die künftige Entwicklung des Verbrauchs an Veredelungsprodukten errechnet hat. Er hat sie nur für die Bundesrepublik errechnet; aber bitte gehen Sie doch davon aus, daß wir demnächst einen Gemeinsamen Markt haben werden; gehen Sie doch bitte auch davon aus, daß auch die deutsche landwirtschaftliche Veredelungsproduktion ein Aufgabengebiet in dem Export von Veredelungsprodukten sehen könnte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage?
({0}) - Herr Abgeordneter Bauknecht!
Herr Kollege Frehsee, sind Sie nicht der Auffassung, daß, wie Kollege Struve es sagte, der größere Betrieb dann diese Chancen nutzen würde? Was bleibt dann noch für den kleinen übrig, wo wir doch heute schon in der EWG einen Überfluß von Veredelungsprodukten haben?
({0})
Und wissen Sie nicht, daß in der EWG gerade bei Futtergetreide noch eine Lücke vorhanden ist? Wenn Sie aber den Futtergetreidepreis heruntersetzen, - glauben Sie nicht, daß dann mindestens ein Drittel der ganzen heutigen pflanzlichen Produktion stillgelegt würde, weil ja alle anderen, nämlich die Grünlandwirtschaft und der Hackfruchtbau, eine innere Preisrelation zum Futtergetreide haben?
Den ersten Teil der Frage, Herr Kollege Bauknecht, habe ich ja soeben schon beantwortet. Sie haben die Frage lediglich wiederholt. Offensichtlich haben Sie sich auf diese Frage konzentriert und das überhört. Ich will es dem Hohen Hause ersparen, das zu wiederholen.
Im übrigen kann man natürlich streiten. Gerade deswegen, weil Unklarheit darüber besteht, Herr Kollege Bauknecht, um wieviel die Bodenproduktion eingeschränkt wird, ist ja das Gutachten in Auftrag gegeben worden. Ich kann nur wiederholen: im Ausschuß steht Auffassung gegen Auffassung und Meinung gegen Meinung. Das ist ja legitim. Es ist ja wohl in der Demokratie so, daß man derartige unterschiedliche Auffassungen vertreten kann und sich diese unterschiedlichen Auffassungen dann gegenüberstehen. Man muß versuchen - dieser Streit geht doch schon Jahre, wenn nicht ein Jahrzehnt -, endlich einmal hier herauszukommen, wenn die Sache so akut wird, wie sie jetzt geworden ist.
Deswegen möchte ich die Aufforderung, die wir im Ausschuß an die Regierung gerichtet haben, hier wiederholen: Bitte, legen Sie uns dieses Gutachten vor! Vielleicht bringt uns das in diesem Streit weiter. Wenn wir Politiker überfordert sind, müssen wir uns der Wissenschaft bedienen und müssen uns von denen helfen lassen, die die Dinge und die voraussichtliche Entwicklung dieser Dinge übersehen können.
({0})
- Ja, ja, Herr Kollege Struve, ich will selber meine Herkunft nicht ganz verleugnen. Ich bin durchaus Ihrer Meinung, daß man die Wissenschaft nicht Entscheidungen treffen lassen sollte.
({1})
Die wollen auch in Zukunft nur wir treffen. Aber wir sollten uns der Wissenschaft bedienen. Sie ist doch dazu bereit, uns unsere schwierige Aufgabe zu erleichtern, und wir sollten das im Auge behalten.
Nun will ich aber diesen Ausflug in die agrarpolitische Konzeption beenden und zum Schluß nur ganz kurz sagen: Wenn jetzt aus Anlaß der Einführung dieser EWG-Agrarverordnungen nach dem 30. Juli - dazu ist es ja schon zu spät, das ist nicht mehr zu erwarten - von Ihnen schon keine andere Konzeption eingeleitet werden wird, wie das ja in der Entschließung vom 31. Januar gefordert worden ist und wie es insbesondere die Freien Demokraten hier so nachdrücklich gefordert haben, bitte, dann tun Sie sich doch mit uns zusammen, um zu versuchen, wenigstens Schäden aus Anlaß des Inkrafttretens dieser EWG-Agrarverordnungen zu verhindern, und zwar nach beiden Seiten. Das fordert die Entschließung vom 31. Januar. Lassen Sie keine Verbraucherpreiserhöhungen aus Anlaß des Inkrafttretens dieser Verordnungen zu und stimmen Sie mit uns für den zweiten Absatz dieses Antrags, der zum Ziel hat, auch Einkommenseinbußen bei den landwirtschaftlichen Betrieben auszugleichen.
({2})
- Wir haben uns darüber im Ausschuß eingehend unterhalten, so daß ich das hier nicht weiter auszuführen oder zu verdeutlichen brauche.
Ich darf Sie also bitten, im Interesse aller Beteiligten, im Interesse der Verbraucher und der landwirtschaftlichen Erzeuger, diesem sozialdemokratischen Antrag auf Umdruck 129 zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Frehsee hat eben
einen Ausflug in die Agrarpolitik gemacht und dabei Fragen aufgeworfen, die meiner Auffassung nach nicht so im Raume stehenbleiben sollten. Es handelt sich um die Grundsatzfrage - wie Herr Kollege Frehsee sagte -: Vorrang der Veredelung oder der Bodenproduktion? Ich möchte hier klar zum Ausdruck bringen, daß die Bundesregierung die Bodenproduktion als die Grundlage der Veredelung ansieht. Die Veredelung wird in einem leeren Raum hängen und nur auf Einfuhren angewiesen sein, wenn die Bodenproduktion nicht in Ordnung ist.
({0})
Es handelt sich hier also nicht um eine Konkurnenz zwischen Veredelung und Bodenproduktion, sondern um ein organisches Entwickeln beider Teile. Ich glaube, die Veredelung würde bei uns krank werden, wenn wir unsere Bodenproduktion nicht gesund hielten. Oder, sehr einfach ausgedrückt: wenn die Bodenproduktion so weit absinkt, daß wir aus ihr nicht mehr die Rohstoffe für die Veredelung mit Nutzen ziehen können, gehen wir besser gleich zum Getreidehändler und kaufen uns Importware. Dann würde die deutsche Landwirtschaft veröden.
({1})
Wegen der Gutachten möchte ich folgendes sagen. Wir haben im Jahre 1960, als die verschiedenen neuen Fragen hinsichtlich der EWG auf uns zukamen, unseren Wissenschaftlichen Beirat beauftragt, ein Gutachten über die Auswirkung der EWG-Regelung anzufertigen. Das Gutachten ist erstellt, aber uns mit der ausdrücklichen Bitte übergeben worden, es nicht zu veröffentlichen, weil die Zeit und die im Augenblick verfügbare Übersicht nicht ausreichten, um aus einer gewissen statistischen Betrachtung heraus die Entwicklungen auch für die Zukunft, die weitere Entwicklung des Sozialprodukts, das Steigen des Verbrauchs von Veredlungsprodukten usw., richtig zu beurteilen. Wir haben deswegen dieses Gutachten nicht veröffentlicht. Ich stehe aber gar nicht an zu erklären, daß es Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung steht, wenn Sie zu Ihrer privaten Information einen Einblick tun wollen.
({2})
Ich darf nur darauf hinweisen, daß Ihnen ja auch bekannt ist, meine Damen und Herren, daß solche Gutachten, wenn sie in die Öffentlichkeit kommen, unter Umständen entstellend wirken können, wenn man einen Teil herausreißt. Genau das wollten die Professoren nicht, weil sie nunmehr auf einer erweiterten Basis, und zwar internationaler Art, für Herrn Präsident Mansholt und mein Haus ein neues Gutachten erstellt haben, das in diesen Tagen übergeben werden soll, das an Umfang größer ist und das alle Fakten berücksichtigt. Wir denken, daß wir dann jene Unterlagen haben.
Ich möchte aber das bisher gehütete Geheimnis insoweit lüften, als wir bei Verminderung der Bodenproduktionswerte auf ein Milliardendefizit kommen,
({3})
das sich nicht ohne weiteres durch Veredlung ausgleichen läßt. Ich darf daran erinnern, daß wir
unsere Produktion in der Vergangenheit, sagen wir in den letzten zehn Jahren, von 12 Millionen Schweinen auf 21,5 Millionen Schweine und von 280 000 auf 450 000 t Butter gesteigert haben. Das heißt, soviel wurde erzeugt, es wurde daran verdient, und die Verdienste wurden durch die steigenden Unkosten aufgefressen. Die Landwirtschaft hat per saldo im Jahre 1962 trotz der größeren Veredlung nicht mehr verdient, als sie 1952 verdiente, und es ist nicht einzusehen, warum es in der Zukunft anders sein sollte.
({4})
Ich darf zum Schluß mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlesen, was einer der Herren Professoren, die an dem Gutachten beteiligt waren und es jetzt wieder sind, in einer der jüngsten Nummern eines führenden agrarwirtschaftlichen Blattes geschrieben hat:
Eine Herabsetzung der Getreidepreise bedeutet keine Verbilligung der Kosten im eigentlichen Sinne. Mit den Getreidepreisen ermäßigen sich nämlich ... die Preise der Veredlungserzeugnisse. Bei Veredelung von eigengebautem Getreide verringert sich der Veredlungserlös je dz Futtergetreide und je ha Futtergetreide genau um den Betrag der Getreidepreissenkung. Dabei wird vorausgesetzt, daß Futtergetreide in dem Umfang zur Verfügung steht und verwendet wird, der zur Erstellung einer Produktion ausreicht, die beim neuen Preis des Veredelungsproduktes nachgefragt wird. Wer dagegen zugekauftes Getreide veredelt, erhält vor und nach einer Preisänderung für das Getreide dieselbe Veredelungsspanne.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daraus geht hervor, daß man also vor und nach Gebrauch nicht sehr viel klüger ist. Mir scheint die Erhaltung der Bodenproduktion die Grundlage zu sein, auf die wir unsere Agrarpolitik ausrichten sollten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion bitte ich Sie, die Anträge auf Umdruck 129 abzulehnen. Wir haben grundsätzlich Bedenken, einmal schon bei der Fassung des Abs. 1, „Soweit sich für Eier, Geflügelfleisch und Schweinefleisch durch dieses Gesetz Verteuerungen ergeben ...", denn es wirft sich sofort die Frage auf, von welchem Tag an man die Verteuerungen berechnet. Wenn Sie nämlich die Statistik verfolgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann werden Sie feststellen, daß die Inlandeier im Jahre 1950/51 18,8 Pf gekostet haben, im Jahre 1955/56 20,2 und derzeit ungefähr bei 14 Pf liegen. Gehen wir also vom Stand des Jahres 1955/56 aus, so haben wir noch eine große Spanne aufzuholen. Das sollte einmal grundsätzlich gesagt werden.
Ähnliches kann main zur Zeit auf dem Schweinemarkt feststellen. Im Jahre 1950/51 lag der Preis für
50 kg Lebendgewicht bei 133 DM, im Jahre 1960/61 bei 128 DM.
Daraus ergibt sich wiederum die Frage, ob es nicht besser wäre, die Abschöpfungen in diesem Sinne sogar zu erhöhen. Wir sollten hier nicht dauernd ein Spiel treiben. Wir alle haben Verständnis dafür, daß im Lande zur Zeit der Ruf nach Stabilität erklingt. Wir wären aber sehr dankbar, wenn er von allen Partnern der Volkswirtschaft gehört würde, sei es im Hinblick auf die Preise, sei es im Hinblick auf die Löhne. Fangen wir überall mit dem Stillhalten an. Dann können wir uns auch bescheiden. Aber es ist heute wohl nicht mehr eine Frage der Wirtschaftspolitik, sondern eine Frage der Sozialpolitik, ja geradezu der sozialen Gerechtigkeit, der Landwirtschaft den gleichen Anteil oder die gleiche Berechtigung im Rahmen der allgemeinen Entwicklung der Volkswirtschaft zuteil werden zu lassen wie allen übrigen Wirtschaftszweigen.
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Im übrigen ist die Bundesregierung auch auf Grund der EWG-Gesetzgebung dazu verpflichtet, das Prinzip der Kostendeckung zu wahren. Ich weise darauf hin, daß in Art. 44 Abs. 3 des EWG-Vertrages bewußt von der Kostendeckung ausgegangen worden ist. Diese Kostendeckung sollte man der Landwirtschaft zurechnen. Unsere Haushaltslage erlaubt uns nicht, über mehr als den jetzigen Ansatz für Einkommenshilfe zu verfügen. Wir müssen deshalb den Teil nutzen für den Erzeugerpreis, der sich über den Markt holen läßt. Auch hier müssen wir gerecht sein. Wir sollten die Landwirtschaft nicht zum bösen Buben machen bei all dem, was zur Zeit auf dem Preis-Lohnsektor geschieht.
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- Das klingt immer so durch zu verschiedenen Zeiten. Lesen Sie die Tagespresse. Lesen Sie die verschiedenen Erklärungen beim jetzigen Lohnkonflikt. Das nur nebenbei.
Nirgends hat die Kaufkraft so zugenommen wie bei den Lebensmitteln. Nur einige Beispiele. Für 1 kg Milch mußte man zum Beispiel noch vor zehn Jahren 16 Minuten arbeiten, heute sind es 9 Minuten. Bei Eiern waren es 10 Minuten, heute sind es 4 Minuten. Per Saldo ist also die Kaufkraft bei Lebensmitteln gestiegen. Dabei möchte ich das Thema Handelsspanne noch gar nicht berühren. Ich wollte das nur kurz begründen.
Das letzte Mal wurde zu Recht gesagt, man sollte die EWG nicht mit einem negativen Votum oder mit Mißtrauen für 'die Verbraucher beginnen. Es muß Schluß damit gemacht werden, daß Verbraucher und Erzeuger ständig beunruhigt werden. Die EWG darf nicht der Anlaß für ein Bauernlegen sein, sondern sie muß die in der EWG-Gesetzgebung verankerten Möglichkeiten für die Erhaltung eines breit gestreuten Eigentums in unserer deutschen Landwirtschaft bieten.
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Dazu einige grundsätzliche Worte zur Boden- und Veredelungsproduktion. Ich habe bereits im Januar dazu Ausführungen gemacht und möchte Sie heute damit nicht sehr lange aufhalten. Mit der Senkung der Futtermittelpreise würde es zu einem Rutsch kommen. Wir wollen aber keine einseitige großgewerbliche Veredelungswirtschaft im Küstenraum und nur aufgeforstete Böden im Bayerischen Wald, wohin der Ernährungsausschuß demnächst fahren will. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe sind nur dann existenzfähig, wenn sie auf beiden Füßen stehen, nämlich auf einer rentablen Bodenproduktion, die zu einem entsprechenden Preis veredelt werden kann. Nur bei Befolgung dieser Prinzipien lassen sich die Gefahren für den bäuerlichen Betrieb verhindern. Das ist wohl für uns eine Aufgabe von allgemein politischer und nicht nur von wirtschaftlicher oder sozialpolitischer Bedeutung.
Gestatten 'Sie mir, diese wenigen grundsätzlichen Bemerkungen zu diesen Anträgen zu machen; denn es ist wohl unser aller Pflicht, bei Beginn einer gemeinsamen Landwirtschaftspolitik der EWG der überall herrschenden Unruhe langsam ein Ende zu bereiten. Es ist nicht angebracht, zu sagen, die Lebensmittelpreise würden durch die Überführung der Landwirtschaft in die EWG dermaßen verteuert, wie es in der Tat immer wieder behauptet wird. Die Ihnen vorgelegten Zahlen beweisen, daß wir in den letzten Jahren einen Rückgang bei den Erzeugern haben und nicht ein Vorwärtsschreiten, während wir in der übrigen Volkswirtschaft eine laufende Zunahme von 10 % zu verzeichnen haben. Das wollte ich Ihnen noch kurz sagen und bitte deshalb um Verständnis für unsere ablehnende Haltung.
Im übrigen 'hoffe ich, daß sich nach den Parlamentsferien sehr bald die Möglichkeit zu einer erneuten EWG-Debatte ergibt. Sehr viele Fragen sind ungeklärt. Ich möchte noch hinzufügen: ich bedauere außerordentlich, daß alles, was mit der EWG zusammenhängt, im Parlament hopplahopp gemacht werden muß. Wir bitten deshalb, dafür zu sorgen, daß in Zukunft mehr Zeit zur Verfügung steht, diese Probleme gründlich zu beraten.
Ich darf zum Schluß betonen: wir möchten die Prinzipien des Gesetzgebungsweges in Zukunft mehr 'beachtet haben. Das aber nur als 'allgemeine Erläuterung. Wir hoffen, wie gesagt, daß wir uns über diese Fragen nach den Parlamentsferien noch einmal ausführlich unterhalten können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Pflaumbaum.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag der SPD bezieht sich auf die zukünftige Preisgestaltung für die Produkte auf dem Eier-, Geflügelfleisch- und Schweinefleischgebiet. Er geht davon aus, daß die Abschöpfungssätze, falls sich hier Verteuerungen ergelben, herabgesetzt werden sollen. Da nunmehr - das trifft im 'besonderen bei 'den Schweinen zu - von der Bundesregierung Kontingente nicht mehr erteilt werden können, sind die Abschöpfungssätze der Maßstab und der Regulator für die Preisgestaltung für. diese Produkte im Bundesgebiet.
Werden idle Abschöpfungssätze herabgesetzt, werden die Preise für die Produkte der Bauern herabgesetzt, dann frage ich: kann man danach noch auf der einen Seite die Herabsetzung der Preise fordern und auf der ,anderen Seite sagen: wenn sich unzumutbare Einkommensminderungen für bäuerliche Betriebe ergeben, sind diese durch den Bund auszugleichen? Sie werden sagen, da könnte man Subventionen geben. Hier steht aber ein individuelles Anliegen ¡an, so daß man beides ,gar nicht in einen Rahmen hineinbringen kann. Sie widersprechen sich in einem gewissen Maße.
Es kommf noch eines 'hinzu. Der Bauer ist ja gar nicht die letzte Ursache für alle Preiserhöhungen oder Verteuerungen. Er ist ja nur zu einem gewissen Prozentsatz an dem Endverbraucherpreis beteiligt, nehmen wir an, mit 60 %. Wenn sich nun z. B. Verteuerungen durch die Zwischeninstanzen beim Handel usw. ergäben, !würde das nach dem vorliegenden Antrag bedeuten, daß die Abschöpfungsbeträge in dem Maße, wie sich das auf dieser Seite ergibt, beeinflußt 'werden, daß also der Bauer darunter leiden soll und daß seine Preise gedrückt werden ,sollen. Es ist nicht möglich, beides miteinander anzusprechen.
Nun bedeutet 'der Antrag, daß der Preisstandard von heute 'für die Zukunft ungefähr sanktioniert werden und erhalten bleiben soll. Deshalb darf ich für die Damen und Herren, ,die auf diesem Gebiete nicht vollstäadig im 'Bilde sind, kurz ein paar Ausführungen über die Erzeugerpreise von heute gerade bei 'diesen Kategorien der Produktion machen. Die Eierpreise betrugen im Durchschnitt in den Jahren 1959 16 Pf, 1960 16,2 Pf, 1961 16,3 Pf. Sie haben also in den Jahren von 1959 'bis 1961 im Durchschnitt bei 16,2 Pf gelegen.
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- Jawohl, ich komme gleich darauf, Herr Kollege Schmidt. Ich bitte mir nicht zu unterstellen, daß ich, wenn ich den Eierpreis von heute nenne, damit einen restlosen Vergleich beabsichtige mit den Durchschnittspreisen, die ich soeben erwähnt habe. Aber bis zu einem gewissen Grade kann man doch einen Vergleich ziehen.
Bei 40 % der Eier hat der Preis in der ersten Juniwoche mit der Prämie bei ,14 Pf gelegen, unid er liegt jetzt bei 13 bis 15 Pf je Ei, hei 10 bis 12 Pf ohne Prämie. 60 % aller deutschen Eier werden also zu den niedrigen Sätzen ohne Prämie verkauft, also zu 10, 11 oder 12 Pf.
Ich gebe auch zu, daß wir bei einem außerordentlich niedrigen Stand der Schweinefleischpreise nicht davon ausgehen sollten, daß das ein Maßstab für die Vergangenheit und für die Zukunft sein kann. Wir hatten nämlich im Jahre 1959 einen Durchschnittspreis von 133 DM, 1960 von 126 DM, 1961 von 128 DM. In der ersten Juniwoche lag er bei 118; in der vergangenen Woche ist der Preis auf 113,20 DM herabgesunken.
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Genauso verhält es sich bei Masthähnchen. Auch dort sind die Preise niedrig. Sie wissen, daß schon oft Klage darüber geführt worden ist. Wenn man Ihrem Wortlaut zustimmt, wird es vom Standpunkt des Bauern heißen: Dieser niedrige Preisstandard, den wir Erzeuger augenblicklich haben, soll für die Zukunft verankert werden. Sie werden nicht annehmen können, daß wir mit unserem Herzen für die Bauern diesen Standpunkt teilen und deshalb für Ihren Antrag stimmen.
Herr Kollege Frehsee, Sie haben einen Ausflug in die höhere Agrarpolitik gemacht. Gestatten Sie mir dazu ein paar Worte. - Herr Kollege Schmidt, Sie werden ja dazu auch Ihre Meinung vertreten.
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- Ich darf hier schon ein paar Worte im voraus sagen. Ich weiß ja nicht, ob ich am Freitag noch zu Wort komme.
Hier heißt es: Herr Professor Woehrmann hat schon vor zwei Jahren berechnet, daß, wenn das Preisniveau insgesamt für Futtergetreide und Brotgetreide gesenkt wird, das eine Mindereinnahme von 1,3 Milliarden DM für die Landwirtschaft des Bundesgebiets bedeuten würde. Wissenschaftler haben nun erklärt: Diesen Verlust kann die Landwirtschaft dadurch ausgleichen, daß sie in höherem Maße in die Veredlungsproduktion einsteigt.
Sie sehen schon heute, daß die letzten Chancen bei der Veredlungsproduktion ausgenutzt sind und der Punkt, an dem noch eine rentable Veredlungsproduktion zu betreiben ist, nach den heutigen Preisverhältnissen schon überschritten ist.
({3}) Da ist nichts mehr drin.
Zum zweiten betont man: Wenn wir das Preisniveau aufrechterhalten, wird zuviel Getreide produziert. Vor allem wird dabei auf Frankreich hingewiesen. Auf der anderen Seite betont man, daß weniger produziert werden solle, daß aber die Chance für die Produktion der Veredlungswirtschaft gegeben wäre.
Ich verweise auf folgende Tatsache. Wenn die Veredlungsproduktion um 100 000 t, 500 000 t - bei den Schweinen haben wir von einem Jahr zum andern ungefähr 400 000 t - steigt, dann steigt auch die Anforderung an Futtergetreide zur Erstellung der Veredlungsproduktion, und zwar nach Adam Riese viermal soviel als die Veredlungsproduktion. Deshalb wundern sich unsere Gelehrten in diesen Tagen darüber, daß die Anforderungen auf dem Futtergetreidesektor von Jahr zu Jahr höher werden. Man hat prophezeit: Das wird heruntergehen. Wir haben aber in jedem Jahr höhere Anforderungen; in diesem Jahr in einem Ausmaß, an das vor Jahr und Tag noch keiner gedacht hat.
Nun kommt die dritte Frage. Nehmen wir einmal an, wir würden die Bodenproduktion, die Getreideproduktion unrentabel und unwirtschaftlich machen. Dann würde sich folgendes ergeben. Ein Bauernbetrieb, der für die Veredlungsproduktion 50 % selbst erzeugt und 50 % zukauft, würde an der Bodenproduktion die Hälfte verlieren und das auf der anderen Seite durch Zukauf wieder ausgleichen.
Ein Bauernbetrieb, der 75 % selbst erzeugt und 25 % zukauft, würde ein Verlustbetrieb sein. Ein Bauernbetrieb ohne Ahr und Halm - ich will gleich auf das krasseste Beispiel kommen -, der 100 % zukauft, würde all den anderen Betrieben überlegen sein, die ja ihre Verluste damit ausgleichen müßten.
({4})
- Nur noch ein Wort, Sie können dann nachher sprechen. - In diesem Augenblick würden wir in eine industrielle und gewerbliche Veredlungsproduktion hineinlaufen, die die Vernichtung unseres Kleinbauerntums' darstellt.
({5})
Nun noch einige Worte! Herr Frehsee ist wohl vorhin nicht ganz darauf eingegangen, als er darauf angesprochen wurde, ob die Großbetriebe denn nicht in die Veredlungsproduktion einsteigen könnten. Verzeihen Sie mir, mein sehr verehrter Herr Kollege Frehsee: Ich sehe schon heute mit großem Bedauern, daß das bereits Tatsache ist. Ich wünsche das nicht, aber es ist Tatsache, weil die Betreffenden - entschuldigen Sie! - sagen: Wir wollen dem empfohlenen Trend entsprechen - das ist ja das große Ziel -, die Bodenproduktion herabzusetzen, und wir müssen uns rechtzeitig umstellen und versuchen, in die Veredlungsproduktion zu Lasten der kleinbäuerlichen Betriebe einzusteigen, was wir alle miteinander nicht wünschen.
Das war ein kurzer Ausflug. Ich darf noch einmal - unter Hinweis auf die angeführten Argumente - bitten, Verständnis dafür zu haben, daß wir den Änderungsantrag nicht allein ablehnen, sondern nach unserer Auffassung ablehnen müssen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lücker.
Herr P'räsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Frehsee hat mich mit seinen grundsätzlichen Ausführungen zur agrarpolitischen Entwicklung geradezu gedrängt, mich zu Worte zu melden, und es ist dabei nicht nur die Freude, wieder einmal hier mit den Kollegen diskutieren zu können, was wir „Europäer" außerordentlich vermissen - ich darf das ganz offen sagen -, sondern es drängt mich auch deswegen, hier noch etwas zu sagen, weil Sie, Herr Kollege Frehsee, doch einige Dinge in den Raum gestellt haben, die, wie der Herr Minister schon sagte, nicht unwidersprochen bleiben sollen.
Ich darf anknüpfen an Ihre Ausführungen über das Verhältnis zwischen Bodenproduktion und Veredlungsproduktion, und ich gestehe Ihnen gerne zu, daß Sie sich relativ elegant und charmant ausgedrückt haben; Sie haben von der alten konservativen Auffassung der Agrarpolitik gesprochen, von der meine Fraktion offensichtlich noch geleitet sei, indem sie den Vorrang der Bodenproduktion einräume und die Veredlungsproduktion vernachlässige.
Nun, Herr Kollege Frehsee, ich darf daran erinnern, daß ich in den letzten drei Jahren mindestens jedes Jahr einmal hier von der gleichen Stelle für meine Fraktion - insbesondere in Zusammenhang mit der EWG-Agrarpolitik - ganz eindeutig erklärt habe, daß. Boden und Veredlungsproduktion für uns eine Verbundwirtschaft ist, bei der es müßig ist, danach zu fragen, ob die eine oder die andere den Vorrang hat. Das ist fast genauso müßig, Herr Kollege Frehsee, wie der Streit, der insbesondere in Brüssel lange geherrscht hat, ob in der Agrarpolitik die Strukturpolitik oder die Markt- und Preispolitik den Vorrang haben soll.
Wir alle wissen, daß die Agrarpolitik eine Harmonie braucht, ein Gleichgewicht, und daß in diesem Gleichgewicht allen entscheidenden Gebieten der Agrarpolitik ihr Rang zukommt. Ich darf daran erinnern; daß auch in sehr einflußreichen Kreisen in Brüssel, die Ihnen sicherlich persönlich bekannt sind, lange Zeit, insbesondere zu Beginn der ganzen gedanklichen Überlegungen um eine gemeinsame Konzeption der EWG-Agrarpolitik, die These vertreten wurde: Umstellen von der Bodenproduktion, mit vollen Segeln hinein in die Veredlungsproduktion.
Es war der heutige hochverehrte Herr Bundespräsident, damals unser Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der von Anfang an dieser Häresie in der Agrarpolitik entgegengetreten ist, und Gott sei Dank mit Erfolg. Wir haben gemeinsam immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Weg, wenn man ihn beschreiten wollte, uns sehr schnell in eine Sackgasse führen würde.
Was sich hier bei uns in der Bundesrepublik vollzieht, muß man, glaube ich, mit einem etwas anderen Akzent sehen, wobei ja in der öffentlichen Diskussion häufig nicht nur von der konservativen Agrarpolitik gesprochen wird. Man geht ja in der Wahl der schmückenden Attribute etwas weiter und wirft dann der amtlichen oder der Agrarpolitik dieses Hauses, besondrs meiner Fraktion, vor, daß wir nach wie vor in ,den früheren Thesen der „ostelbischen" Agrarpolitik verstrickt seien. Nun, das ist einfach und schlicht unwahr. Was ist die Wirklichkeit? Die Wirklichkeit ist, daß durch die Verhältnisse der Zeit nach dem Kriege eine differenzierte Agrarpolitk entwickelt worden ist, nicht weil man damit eine zeitlich überholte ostelbische Form der Agrarpolitik weiterführen wollte, die auf die Bodenproduktion der Großbetriebe ausgerichtet wäre. Es war vielmehr so, daß, als wir die Marktordnungsgesetze 1950/51/52 gemacht haben, die deutsche Landwirtschaft von jedem Verantwortlichen, vom Bundespräsidenten über den Bundeskanzler bis zu allen Ministern, aufgefordert wurde, zu produzieren und zu intensivieren, damit sich unsere Menschen in Deutschland wieder satt essen konnten. Das hat die deutsche Landwirtschaft in der Zwischenzeit auch mit Bravour erfüllt.
Von der Situation damals ausgehend, hatten wir gerade auch bei den Veredlungsprodukten noch einen großen, nach den damaligen Meinungen kaum zu deckenden Einfuhrbedarf und Versorgungsbedarf. Wir haben damals geglaubt, man könne die Markt1518
Lücker ({0})
ordnung auf den Märkten der Veredlungsprodukte mit etwas leichterer Hand gestalten als bei der Bödenproduktion, weil wir diesen großen Einfuhrbedarf von den Eiern bis zum Fleisch hatten. Das gleiche wiederholte sich bei 'der Entwicklung unserer Liberalisierungsliste, die wir mit der Einbeziehung von Käse in die Liberalisierung agrarpolitisch albgeschlossen haben.
Mittlerweile hat sich die Produktion erholt, und was wir heute erleben, ist in gewissem Sinne eine agrarpolitische „Wiedergutmachung" aus dieser Entwicklung seit 1949/50.
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- Nein, es war nicht Unrecht.
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- Ich hoffe, Sie haben die Anführungszeichen, in die ich diesen Begriff gesetzt habe, zwischendurch mit gehört. Es war kein Unrecht, sondern durch die damalige Situation bedingt. Ich hoffe, daß Sie sich noch erinnern können - und Ihnen das Bewußtsein dafür in der Zwischenzeit nicht getrübt worden ist -, daß damals die Masse unseres Volkes darauf bedacht war - und deswegen hat die Regierung damals auch Überall in der Welt angehalten -, die notwendige Menge an Nahrungsgütern, insbesondere an hochwertigen Veredlungsprodukten, zu erhalten, um eine angemessene Versorgung unseres Volkes sicherzustellen.
Was sich heute vollzieht, ist die Herbeiführung eines neuen Gleichgewichts, das die deutsche Agrarpolitik von dem Zeitpunkt an, wo es in die europäische Gemeinschaft ging, von sich aus gar nicht mehr erreichen konnte. Das konnte nur im Zusammenhang mit der gemeinsamen Agrarpolitik in Brüssel geschehen. Es war sehr interessant - Herr Kollege Schmidt war ja lange genug bei diesen 'Diskussionen in Brüssel, er wird sich noch daran erinnern -, daß gewisse Kreise, auch Herr Präsident Mansholt, Vorstellungen in Anlehnung an das holländische Agrarsystem gehabt haben, das für Holland, solange es eine Nationalwirtschaft betrieb, durchaus angemessen und richtig war. Ich bin in Brüssel sogar einmal so weit gegangen, zu sagen: Wenn ich holländischer Landwirtschaftsminister in der Nachkriegszeit gewesen wäre, hätte ich genau die gleiche Agrarpolitik dort gemacht. Aber in dem Moment, wo wir nach Europa gingen, gab es die Auseinandersetzung mit diesem System.
Heute wird in Brüssel von niemandem mehr bestritten - und zwar auch aus einer 40jährigen Beobachtung der Entwicklung der Weltmärkte-, daß die Preise der Veredlungsprodukte mit einer gewissen zeitlichen Phasenverschiebung der Preisentwicklung für das Getreide folgen.
Damit komme ich zu einer sehr schwerwiegenden Konsequenz. Sie haben darauf hingewiesen, daß wir soviel Getreide zukaufen. Das stimmt aber nur auf den ersten Blick. Wir haben im Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Bodenproduktion, die etwa 170 Millionen Tonnen Getreidewerteinheiten ausmacht. Ich darf ja nicht nur das Futtergetreide zählen, sondern muß die gesamten erzeugten Futterstoffe sehen, die in die Veredlung überführt werden. Diesen 170 Millionen Tonnen Getreidewerteinheiten an Futtererzeugung stehen fü'r die EWG etwa 8 bis 10 Millionen Tonnen Einfuhr pro anno gegenüber. Das heißt: wäre es überhaupt eine vernünftige Agrarpolitik, die etwa auf den 4, 5, 6 % Einfuhr an Futtergetreide aufbauen wollte und die 90 bis 95 % der Gesamtfuttererzeugung unseres europäischen Bodens außer acht ließe? Ich glaube, die Antwort auf diese Frage ist sehr eindeutig.
Ich will Ihnen auch sagen, worum der Kampf in unserer Landwirtschaft in der Zukunft geführt wird. Herr Kollege Frehsee, Sie werden mit mir sicherlich darin übereinstimmen, daß wir heute in der Bundesrepublik im "Schnitt - legen Sie mich bitte nicht auf den Zehntelpfennig oder Pfennig fest - die 1000 Stärkeeinheiten im Futter für die Veredlungswirtschaft praeter propter mit 60 Pf einführen. Bei den gegenwärtigen Verhältnissen stehen wir mit der Erzeugung der 1000 Stärkeeinheiten aus unserem eigenen Grundfutter noch in einem Konkurrenzkampf, den wir, wenn auch mit sehr viel Mühe, noch zugunsten der deutschen Landwirtschaft entscheiden können. Das Ziel sollte sein, die 1000 Stärkeeinheiten aus unserem eigenen Grundfutter nach Möglichkeit für 40 bis 45 Pf zu erzielen. Das ist auch die Aufgabe in der Rationalisierung und in der Betriebsberatung unserer landwirtschaftlichen Betriebe.
Aber was will ich schlußfolgern? Herr Frehsee, man braucht kein Prophet zu sein, aber für eines stehe ich heute schon gerade: die Existenz unserer kleinen und in Sonderheit unserer mittelbäuerlichen Betriebe wird davon abhängen, ob ,es gelingt, den Konkurrenzkampf in der Kostenfrage bei der Erzeugung der ,1000 Stärkeeinheiten zu unseren Gunsten für die Zukunft zu entscheiden. Wenn das nicht gelingen wird, Herr Frehsee, wird die Entwicklung zwangsläufig dahin gehen, daß die Veredlungsproduktion flächenunabhängig wird. Damit wird das Grab für unsere bäuerliche Familienwirtschaft geschaufelt.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an zwei Dinge der allerjüngsten Tage. Der französische Landwirtschaftsminister Pisani hat in der letzten Woche der Französischen Nationalversammlung den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, in dem Pisani vorschlägt, ein Gesetz zu erlassen, mit dem die Erzeugung von Geflügel, Eiern und Schweinefleisch einer Konzessionspflicht unterworfen wird, um diese Produktionszweige für die landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten.
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Das ist ein Menetekel, ein Fanal in der europäischen Agrarpolitik. Ich möchte hier ganz eindeutig sagen: ich weiß noch nicht definitiv, wie die Entwicklung verlaufen wird, aber ich bin heute bereits davon überzeugt, daß wir auch in der europäischen Agrarpolitik mit dieser Frage früher oder später - wahrscheinlich eher früher als später - konfrontiert werden und uns überlegen müssen, was wir tun können, um auch in einem Grad der volkswirtLücker ({4})
schaftlichen Rentabilität und der Opportunität diese Veredelungsproduktionszweige für die deutsche und europäische Landwirtschaft zu sichern.
Ich will Ihnen ein zweites Fanal nennen. Am vergangenen Dienstag haben 6000 bretonische Bauern die erste gewerbliche Geflügelmast und -schlächterei in der Bretagne gestürmt und völlig demoliert. In dieser Geflügelschlächterei wurden täglich 41/2 Tausend Stück Mastgeflügel mit einem Einsatz von 15 Arbeitskräften geschlachtet. Seit der Nacht von Dienstag auf Mittwoch liegt diese Geflügelschlächterei in Trümmern und Asche. Ich nenne auch dieses Fanal nur, um zu zeigen, daß wir uns sehr wohl überlegen müssen, wohin der weitere Weg gehen wird. Ich empfehle das hier nicht als Beispiel, ich mache nur auf diese Dinge aufmerksam, die man in der Gesamtverantwortlichkeit für die Agrarpolitik sehr wohl beobachten muß. Und man muß die Konsequenzen daraus ziehen.
Ich glaube also, daß es wirklich notwendig ist, uns anzustrengen, die Veredelungsproduktionszweige für unsere deutsche und europäische Landwirtschaft zu erhalten. Das wird aber wesentlich davon abhängen, ob es uns gelingt, jene Bodenproduktionsgrundlage zu erhalten. Ich habe die Ziffern heute nicht zum erstenmal genannt; ich darf daran erinnern, daß ich diese Ziffern von 170 Millionen Tonnen Getreidewerteinheiten Futtererzeugung in der europäischen Landwirtschaft gemessen an 8 bis 10 Millionen Tonnen Einfuhr schon vor eineinhalb Jahren - wenn ich mich recht erinnere - hier zum erstenmal genannt habe, um deutlich zu machen, worum es geht.
Herr Kollege Frehsee, Sie haben mit Recht auf die Prognosen von Herrn Professor Plate hingewiesen; Sie haben so häufig das Gutachten der Professoren zitiert. Ich wäre mit Ihnen, Herr Frehsee, sehr dankbar dafür, wenn uns die 6 oder 8 Professoren wirklich ein einmütiges Gutachten vorlegen würden. Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, daß ich schon damals, als dieses Gremium eingesetzt wurde, gesagt habe, daß uns natürlich nur an einem Gutachten läge, das auch von allen unterschrieben wird.
Der Herr Minister hat heute in sehr vornehmer Weise darauf hingewiesen, daß das Gutachten in diesen Tagen übergeben werden soll. Aber das kann doch nur über die Tatsache hinwegtäuschen, daß sich auch die 8 Professoren lange genug gestritten haben - ob sie sich einig geworden sind, wage ich auch heute noch zu bezweifeln trotz der Erklärung des Herrn Ministers -, um über diese Auswirkungen zu einem Ergebnis zu kommen. Das bestätigt nur - zur Ehre der Professoren sei es gesagt -, daß auch die Professoren nur Menschen sind; trotzdem werden die verantwortlichen politischen Entscheidungen nachher doch auf unseren Schultern liegen bleiben, und niemand wird uns davon befreien. Das muß man sehen, bei allem Respekt, den ich vor der Weisheit und der Abgewogenheit des Urteils unserer Professoren habe.
Ich stimme mit den Prognosen von Herrn Professor Plate in bezug auf die Entwicklung der zukünftigen Verbrauchszuwachsraten weitgehend überein, wenn ich mir auch nicht jede Zahl, die er nennt, zu eigen mache. Aber diese Entwicklung für unsere Landwirtschaft und speziell für unsere klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft, für die Masse unserer Familienbetriebe also, können wir nur sichern, wenn es uns gelingt, eine rentable Futtergrundlage auch auf unseren eigenen Böden zu erhalten. Sonst wird diese Veredelungsproduktion unabhängig von der Landwirtschaft und gewerblich, und dann kommen die Notleinen, die in Frankreich Herr Minister Pisani heute bereits zieht.
Wie die Verhandlungen zeigen, macht sich in dieser Beziehung auch England seine Gedanken über die Zukunft. Ich verrate hier kein Geheimnis und greife wohl auch nicht dem Ergebnis der Verhandlungen vor, wenn ich sage: Das Ergebnis dieser Verhandlungen wird sein, daß auch in England - mit Zustimmung der englischen Regierung - in Zukunft nicht das bisherige englische Agrarschutzsystem, sondern das kontinentale System, wie wir es in der EWG definiert haben, gültig sein wird. Über die Schwierigkeiten, die daraus erwachsen werden, will ich hier nicht im einzelnen sprechen; dazu wird sicherlich später noch Gelegenheit sein.
Eines möchte ich klarstellen: Keine noch so schön gedrechselten Formeln können darüber hinwegtäuschen - jeder, .der mit den Dingen befaßt ist, schiebt die Formeln sehr schnell beiseite und sucht den Inhalt, um den es geht -, daß auch in der EWG unsere Landwirtschaft Bodenproduktion und Veredelungsproduktion im Gleichgewicht und im harmonisch abgestimmten Verhältnis betreiben muß, wenn die bäuerliche Familienwirtschaft in Europa für die Zukunft gerettet werden soll.
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Es hat -sich noch Herr Frehsee zu Wort gemeldet. Aber zweckmäßigerweise lassen wir jetzt erst die Mittagspause eintreten.
Ich unterbreche die Verhandlungen bis 15 Uhr.
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Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort in der Beratung des Antrags Drucksache IV/465 und des Schriftlichen Berichts Drucksache IV/516. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nur deswegen noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich sicherstellen möchte, daß keinerlei Mißverständnisse bestehenbleiben, und um zu einigen grundsätzlichen Fragen, die vor der Mittagspause aufgeworfen worden sind, kurz Stellung zu nehmen.
Ich darf anfangen mit einigen Äußerungen des Kollegen Lücker. So kontrovers diese Debatte heute vor der Mittagspause gelaufen ist - kontrovers in der Sache; im übrigen ist sie sehr sachlich und un1520
polemisch verlaufen, was ich sehr dankenswert finde -, so wurde aus ihr doch deutlich, in welch bedeutendem Abschnitt sich die Landwirtschaft befindet, und zwar nicht nur bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der ganzen EWG und auch darüber hinaus. Bei uns - das sollte hier noch einmal in Erinnerung gebracht werden - leidet die Landwirtschaft unter dem Nachholprozeß, den sie wegen der nach unserer Meinung nicht gerade sehr günstigen Agrarpolitik der vergangenen acht Jahrzehnte zu bewerkstelligen hat. Das ist das eine, was ihr das Leben schwer macht.
Das andere ist zweifellos die jetzt stattfindende Integration in die Industriegesellschaft, dieses Hineinsetzen der Landwirtschaft in das rauhe Klima der modernen Wirtschaft der Industriegesellschaft, die sich ihrerseits schon wieder im Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft befindet. Das ist die zweite Schwierigkeit, mit der es die Landwirtschaft zur Zeit zu tun hat.
Die dritte ist eben - das kommt leider alles zusammen - die europäische Integration.
Das erste dieser Probleme haben Länder wie Holland und Dänemark nicht. Wir haben alle drei. Ich weiß allerdings, Herr Kollege Lücker, daß auch die Dänen Sorgen mit der Integration in die Industriegusen shaft haben Ich weiß, daß sie auch mit der Subventionierung der Wirtschaft vor einigen Jahren angefangen haben. Dieses Problem ist allenthalben das gleiche.
Bei uns hat man - Sie haben recht - seit 1950 versucht, die Dinge im nationalen Rahmen ein wenig ins Gleichgewicht zu bringen., Aber wie fragwürdig diese Bemühungen und ihre Ergebnisse waren, das zeigt sich jetzt. Bei der europäischen Integration zeigt sich dieses Ungleichgewicht - ich will mich einmal der Terminologie bedienen, mit der hier angefangen wurde - in seiner ganzen Ausdehnung.
Nun haben Sie gesagt, Herr Kollege Lücker - und Sie haben mich darauf hingewiesen, daß Sie diesen Standpunkt schon seit langem vertreten und daß auch Ihre Freunde ihn vertreten -, daß es nach Ihrer Auffassung nicht um einen Vorrang der Bodenproduktion vor der Veredelungswirtschaft oder vor der Produktion von Veredelungserzeugnissen geht, sondern daß nach Ihrer Auffassung eine Verbundwirtschaft notwendig ist. Nun, da bin auch ich Ihrer Meinung. Ich möchte das hier ganz ausdrücklich sagen, damit keine Mißverständnisse bestehen. Wogegen ich mich gewandt habe, ist nur ein für meine Begriffe ungesunder Vorrang der Bodenproduktion. Verbundwirtschaft ist vermutlich das richtige. Wir haben sie aber nicht, sondern wir haben aus Gründen der Tradition, der Überlieferung und der 'Struktur den Vorrang der Bodenproduktion, den ich schuldig spreche für manches, was in der Landwirtschaft nicht glücklich aussieht.
Also: Gleichberechtigung der Veredelungsproduktion mit der Bodenproduktion - sie ist bisher nicht vorhanden - müssen wir nach unserer Meinung herstellen; wir müssen beides auf das gleiche Niveau bringen.
Herr Kollege Dr. Pflaumbaum, glaube ich, hat danngesagt, er habe die Sorge, daß, wenn so verfahren würde, wie ich hier heute vormittag 'dargelegt habe, die Bodenproduktion ins Hintertreffen gerate. Ich möchte auch dieses Mißverständnis aufklären. Die Bodenproduktion soll nach unserer Meinung nicht ins Hintertreffen geraten,
({0}) sie soll ihren Rang behalten.
Die Veredelungsproduktion auf der eigenen Wirtschaftsfuttergrundlage ist sicherlich das Erstrebenswerte und Optimale. Ich sage das, weil in den Diskussionsbeiträgen der Kollegen der Eindruck entstanden ist, als wenn ich die Dinge anders gemeint hätte. Ich habe sie aber so gemeint, wie ich das jetzt noch einmal deutlich 'unterstrichen habe. Ich bin Ihnen, meine Herren Kollegen von der Koalition, dankbar, daß Sie mich durch Ihre Diskussionsbeiträge veranlaßt haben, das hier nun so deutlich zu sagen und zu unterstreichen, und daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, Mißverständnisse auszuräumen.
Das zum Grundsätzlichen.
Allgemein dazu, meine Damen und Herren: Wir sind bereit - ich kann das nur wiederholen -, der deutschen Landwirtschaft in diesem 'schwierigen Prozeß, in dem sie sich 'befindet, in dieser sozialen und technischen Revolution, in diesem Integrationsprozeß zu helfen; ihr zu helfen, diesen Prozeß möglichst ungeschädigt hinter sich zu bringen. Wir sind der Meinung, daß der deutschen Landwirtschaft ein wichtiger Platz in unserer Volkswirtschaft gebührt und 'daß alles getan werden muß, um diesen Platz zu sichern und abzuschirmen gegen irgendwelche Gefahren; ohne daß wir - da möchte ich wieder nicht mißverstanden werden - vielleicht der Meinung wären, daß das gelänge mit einem Fernhalten von der Integration. Diese Integration muß erfolgen, und sie wird eben ihre Begleiterscheinungen haben. Diese Begleiterscheinungen aber möglichst abzumildern, muß unser aller Anliegen sein.
Zu einigen anderen Beiträgen noch ganz wenige Bemerkungen.
Herr Kollege Pflaumbaum, Sie haben im ersten Teil Ihres Diskussionsbeitrages gesagt, wenn man von einer Verteuerung spreche, müsse man sagen, von welcher Verteuerung. Nun, ich habe das offengelassen; wir 'haben das bewußt offengelassen. Es ist in unserer Fraktion darüber gesprochen worden, ob man die Formel wählensolle: „Verteuerung gegenüber den durchschnittlichen Verbraucherpreisen der letzten zwei Jahre" oder „drei Jahre" oder sonst 'irgendetwas. Wir haben das aber, weil wir uns da noch nicht ganz schlüssig geworden sind, offengelassen. Es ist (auch klar, daß man, wenn eine solche Sache offen 'ist, auslegen kann; und bei dieser Auslegung hätten wir das Thema gern weiter diskutiert. Ich habe zwar den Eindruck, daß wir nicht in diese Lage versetzt werden - da das Hohe Haus. schon jetzt so schwach besetzt ist -; aber wir hätten es sehr begrüßt, das dann noch weiter entwickeln 'zu können.
Dem Herrn Minister möchte ich sagen, daß auch er mich offensichtlich mißverstanden haben muß, wenn er davon spricht, eine solche Konzeption würde dazu führen, daß die Landwirtschaft veröde. Ich nehme Ihnen - sehr verehrter Herr Minister, wenn Sie vielleicht einen Augenblick zuhören wollen - das gar nicht einmal ab. Sie können es nur gesagt haben, weil Sie vielleicht wie andere der mißverständlichen Meinung gewesen sind, wir wollten die Bodenproduktion völlig abschaffen und nur Veredelungsproduktion betreiben. Das ist nicht so, sondern es muß, wie es der Kollege Lücker dargelegt hat, beides den gleichen Rang haben. Wenn die Bodenproduktion den gleichen Rang hat, wird hier nichts veröden. Abgesehen davon ist doch Bodenproduktion nicht nur Getreidebau, sondern auch Anbau von Futterpflanzen und von Hackfrüchten. Auch insoweit kann also von einer Verödung der Landwirtschaft in bezug auf die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht gesprochen werden.
Zu den Bemerkungen des Kollegen Ertl einige wenige Sätze. Herr Kollege Ertl, Sie werden wohl konzedieren müssen, daß in den Kreisen der Verbraucher, besonders der Gewerkschaften, in dieser Diskussion eine sehr große Aufgeschossenheit zu verzeichnen ist. Es war erst dem Deutschen Industrie- und Handelstag vorbehalten, von den alarmierend steigenden Preisen zu sprechen und so die Preise heraufzureden. Im übrigen ist doch die Diskussion sehr verhalten gewesen, was auch wir dankbar verzeichnen müssen. Wir müssen es in bezug auf alle Beteiligten anerkennen, daß sie sich nicht in irgendeine Psychose hineingeredet und wegen dieser Dinge eine Massenpsychose erzeugt haben.
Daß wir zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20, 21 und 22 den Antrag gestellt haben, in § 1 zu bestimmen, daß die Bundesregierung die Abschöpfungssätze verringern muß, wenn sich eine Verteuerung ergibt, ist zum großen Teil auch dadurch begründet, daß das in uns und zweifellos auch in die Bundesregierung gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht werden darf. Diese Gefahr besteht, wenn es nach dem 30. Juli erhebliche Preiserhöhungen geben sollte und die Bundesregierung nicht von den ihr gegebenen Möglichkeiten Gebrauch macht. Wenn uns dann durch dieses Gesetz die Hände gebunden wären, würde das unter Umständen zu Lasten des europäischen Einigungsgedankens gehen. Es würde zu Unrecht zu Lasten der EWG gehen; denn es wäre wirklich nicht Schuld der EWG, daß es solche Entwicklungen gäbe, sondern Schuld der deutschen Instanzen, der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Parlaments.
Diese Überlegung war auch einer der Gründe für diesen Antrag der Fraktion der SPD, dem zuzustimmen ich Sie nochmals bitte.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor, wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 129. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? Ich bitte um das Handzeichen. - Danke! - Die Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1 in der Fassung der Vorlage des Ausschusses. Wer stimmt dem § 1 in dieser Fassung zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 1 ist angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer stimmt dem § 2 zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 2 ist angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Serres hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 135 sieht eine Ergänzung des § 3 des Gesetzes vor, und zwar soll ein neuer Abs. 2 a eingefügt werden. Ähnlich wie bei dem Getreidegesetz soll auch hier die Mitwirkung des Bundestages und des Bundesrates entsprechend den Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes gesichert werden. Sie finden daher in dieser Ergänzung die Bezugnahme auf § 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes, wonach die ergehenden Rechtsverordnungen unmittelbar nach der Verkündung dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet werden. Ich darf Sie bitten, diesem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen? - Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, Umdruck 135. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den § 3 in der nunmehr beschlossenen Fassung. Wer stimmt diesem § 3 zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 3 ist angenommen.
Zu § 4 liegen keine Änderungsanträge vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem § 4 zu? - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 4 ist angenommen.
Ich rufe auf § 5; dazu liegen ebenfalls keine Änderungsanträge vor. Wer stimmt dem § 5 zu? - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 5 ist in der Fassung der Ausschußvorlage angenommen.
Ich rufe auf § 6. Dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Reinhard das Wort.
1'522
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 21 läßt die Gewährung von Ausgleichsbeträgen für Eier in der Übergangszeit zu. Herr Bundesminister Schwarz hat angesichts der Entwicklung der Eierpreise diese Ermächtigung erwirkt. Der Ernährungsausschuß wollte mit der Einfügung eines Abs. 2 a in den § 6 in Anbetracht dieser Ermächtigung eine automatische Gewährung von Eierausgleichsbeträgen bei nur teilweiser Erhebung der Abschöpfungsbeträge erwirken. Die Ausgleichsbeträge sollen im Verhältnis zur Senkung der Abschöpfungsbeträge gewährt werden.
Nun werden Sie sagen, Herr Frehsee: Da haben Sie gerade den Antrag abgelehnt, mit dem wir dasselbe erreichen wollten. In der Tendenz ist das auch richtig. Aber Ihr Antrag auf Umdruck 129 war so allgemein gefaßt - mein Kollege Pflaumbaum hat das ja auch schon begründet -, daß gefragt werden muß: Was ist hier eine Preissteigerung? Sie haben soeben gesagt, Sie hätten das offengelassen. Was heißt hier offengelassen? 1952 kostete die B-Qualität bei Eiern 18 Pf, im Durchschnitt 1958A60 16 Pf und 1961 14 Pf. Bei welchen Preissteigerungen soll eine Herabsetzung der Abschöpfungsbeträge obligatorisch werden? Aber ebenso haben Sie es offengelassen, wenn „unzumutbare Einkommensminderungen für die bäuerlichen Betriebe" eintreten. Auch darüber würde man sehr lange diskutieren müssen. Sie haben ja aber der Einfügung des Absatzes 2 a zugestimmt, deshalb sind wir gar nicht uneinig. Wir wollten mit der Einfügung eine exakte Regelung treffen.
Leider sind die Bedenken des Haushaltsausschusses, daß der in § 6 eingefügte Abs. 2 a in Widerspruch zu § 30 des Haushaltsgesetzes von 1962 steht, nicht zu entkräften. Leider haben uns - ich muß auch das sagen - das Justiz- und das Finanzministerium nicht auf diesen Widerspruch hingewiesen. Beängstigend kommt der Hinweis, daß damit außerdem - so sagt der Haushaltsausschuß - „nicht zu übersehende finanzielle Auswirkungen verbunden" seien, für die der Haushaltsausschuß keine Dekkungsvorschläge machen könne. Herr Kollege Müller ({0}) spricht von 400 Millionen DM, die im äußersten Falle mehr aufgewendet werden müssen. Das ist maßlos übertrieben. Es sind in einem Jahr nie mehr als 120 Millionen DM an Eierausgleichsbeträgen ausgezahlt worden.
Nun gibt aber § 1 der Bundesregierung, allerdings mit Zustimmung des Bundestages, die Möglichkeit, den Abschöpfungsbetrag herabzusetzen. Deshalb muß ich die Frage stellen, wie im Falle eines Verzichts auf einen Teil der Abschöpfung ein Ausgleich erfolgen soll. Die Landwirtschaft soll doch durch die EWG nicht zu Schaden kommen. Hier steht unser verehrter Herr Bundesminister im Wort.
Aus der Diskussion ergibt sich eine zweite Frage. Für die Ausgleichszahlungen stehen nach dem 1. Juli keine Etatmittel mehr zur Verfügung. Die Erhebung der Abschöpfungsbeträge wird aber erst vom 1. August an möglich sein. Dadurch entsteht ein Vakuum. Wie glaubt die Bundesregierung bis dahin die Ausgleichszahlungen finanzieren zu können? Diese Fragen erfordern eine Antwort vor Verabschiedung des Gesetzes.
Um allerdings heute die Beratungen nicht zu erschweren und zu verzögern, aber nur aus diesem Grunde, ziehen wir § 6 Abs. 2 a zurück. Wir behalten uns allerdings vor, zur dritten Lesung neue diesbezügliche Anträge zu stellen.
({1})
- Sie haben recht, Herr Schmidt. Ich stelle den Antrag, die Vorlage der Koalition wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, hier ist eine sehr ernste geschäftsordnungsmäßige Frage aufgetaucht. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Anwendung von § 96 der Geschäftsordnung, der seinerzeit beschlossen worden ist, um finanzpolitische Fehlentscheidungen soweit wie möglich zu verhindern, dazu führen würde, daß, da der Haushaltsausschuß keinen Deckungsvorschlag für Abs. 2 a zu machen in der Lage war, dieses Haus selbst über einen Deckungsvorschlag beraten müßte. Wann ein solcher Deckungsvorschlag vom Hause nicht angenommen würde, wäre die ganze Vorlage praktisch erledigt. Das sind Konsquenzen, von denen ich annehme, daß sie niemand will. Ich sage das mit voller Absicht in dieser Klarheit, damit jeder weiß, was dabei auf dem Spiele steht.
Herr Reinhard hat beantragt, die ursprüngliche Vorlage der Koalition wiederherzustellen. Es ist wohl das beste, wenn ich über diesen Antrag abstimmen lasse. Wer stimmt dem Antrag zu, die alte Vorlage wiederherzustellen? - Herr Bauknecht, wünschen Sie das Wort?
({0})
- Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Bauknecht!
Herr Präsident! Wir wollen selbstverständlich nicht gegen die Geschäftsordnung verstoßen. Deswegen stellen wir den Antrag auf Streichung. Wir hätten aber sehr gern die Stellungnahme der Regierung gehört, nachdem wir über folgendes völlig im unklaren sind: Wenn die Regierung beabsichtigt, von den Möglichkeiten der Abschöpfung etwa nicht voll Gebrauch zu machen, wird ein empfindlicher Schaden für den landwirtschaftlichen Erzeuger entstehen. Das ist doch nicht der Sinn dieser .Sache. Wir wären dankbar, wenn der Herr Ernährungsminister vorher ein Wort dazu sagen würde.
({0})
Ich kann natürlich keine Regierungserklärung erzwingen. - Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich bin sehr glücklich, daß der Antrag gestellt wurde, die alte Vorlage wiederherzustellen, weil es unverantwortlich wäre, in diesem Augenblick irgend etwas zu unternehmen, was ein Scheitern des Durchbringens dieser Vorlage bedeuten würde. Wenn aber nun von mir verlangt wird, ich solle eine bindende Erklärung für alle Zukunft abgeben, daß die Regierung die Abschöpfungsbeträge nicht heruntersetzt, so bin ich dazu. nicht in der Lage. Ich kann nur das eine feststellen, daß die Regierung nicht die Absicht hat, diese Abschöpfungen zu mindern.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, Herr Kollege Bauknecht, daß Beschlüsse dieser Art seitens der Regierung noch einmal das Parlament passieren müssen, Sie also Ihrerseits dann auch die Möglichkeit haben, einzugreifen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, es ist wohl das beste, wenn wir über die Streichung des § 6 Abs. 2 a abstimmen. Das schafft die klarste Situation.
({0})
Darf ich den Herrn Antragsteller, Herrn Dr. Reinhard, fragen, ob er seinen Antrag so verstanden wissen will?
({1})
Dann stimmen wir also über die Streichung des Abs. 2 a ab. Wer der Streichung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Zwei Enthaltungen. Das erste war offenkundig die Mehrheit; damit ist also die ursprüngliche Vorlage wiederhergestellt.
Wir haben nun noch abzustimmen über den Antrag auf Umdruck ,132 Ziffer 1, bei dem es sich offensichtlich um eine Korrektur und nicht um eine materielle Änderung handelt. Wer diesem Antrag Umdruck 132 Ziffer 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
Jetzt stimmen wir ab über § 6 in der durch die bisherigen Abstimmungen festgestellten Fassung. Wer stimmt diesem § 6 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 6 ist angenommen.
Wir kommen zu § 6 a. Dazu liegen keine Anträge vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem § 6 a zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 7. Dazu liegen ebenfalls keine Änderungsanträge vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem § 7 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 7 ist angenommen.
Ich rufe auf § 8. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 132 Ziff. 2 vor. Wird der Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Serres hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um die Genehmigung, Herr Präsident, die Anträge unter den Ziffern 2 bis 9 des Umdrucks 132 zu begründen, da es sich um dieselbe Materie handelt.
Die Strafvorschriften dieses Gesetzes sind entsprechend den Strafvorschriften des Getreidegesetzes formuliert. Gegen die ursprüngliche Fassung der Strafvorschriften im Koalitionsantrag sind Bedenken geäußert worden. Inzwischen haben die beteiligten Ressorts eine neue Formulierung ausgearbeitet, die zum Gegenstand des Änderungsantrags Umdruck 132 des Herrn Kollegen Bauknecht gemacht worden ist. Dabei ist Wert darauf gelegt worden, daß weitgehend auf die Strafvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes Bezug genommen wird.
Ich darf Sie bitten, den Änderungsanträgen Ziffern 2 bis einschließlich 9 des Umdrucks 132 zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich habe so verstanden, Herr Abgeordneter, daß Sie nicht nur den § 8, sondern auch die §§ 9, 10, 11, 11 a, 11 b, 11 c und 11 d gemeint haben. Praktisch würden alle diese Paragraphen an die Stelle der jetzt vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung treten.
({0})
Wir komen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen §§ 8 bis 11 d in der Fassung des Änderungsantrags Umdruck 132 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 13.
({1})
- Danach soll das Gesetz am 30. Juli 1962 in Kraft treten.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem § 13 in der vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 13 ist angenomen.
Wer der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Die dritte Beratung soll am Freitag stattfinden. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Düngemitteln ({2}) ({3}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) ({5}).
({6})
Vizepräsident Schoettle
Berichterstatter ist der Abgeordnete Seither. - Der Herr 'Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich eröffne die Aussprache. Wird .das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Ichrufe auf §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7, - 8, - 9, - 10, - Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen und damit verabschiedet.
Ich rufe auf den Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1958 über den Austausch therapeutischer Substanzen menschlichen Ursprungs ({7});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({8}) ({9}).
({10}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Martin. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Der Berichterstatter verzichtet offenbar auf die mündliche Berichterstattung.
Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf: Art. 1, 2, 3 und 4, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. September 1958 zu? Ich bitte um ein Handzeichen! - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen. - Keine Enthaltungen; das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung ,
ein. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Ich bitte uni die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe den Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und ,dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Dezember 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Malaiischen Bund über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen ({11});
Schriftlicher 'Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({12}) '({13}).
({14}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Blumenfeld. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Wird sonst das Wort gewünscht? - Auch .das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf: Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift des Gesetzes. Wer stimmt den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und Überschrift zu? Ich 'bitte um ein Handzeichen! - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - 'Danke. Ich bitte um die Gegenprobe! - Soweit ich sehe: keine Gegenstimmen! Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu 'dem Protokoll vom 21. Juni 1961 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt ({15}) ({16}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({17}) '({18}).
,({19}):
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wendelborn. Ich vermute, daß der Herr Berichterstatter darauf verzichtet, das Wort zu nehmen. - Das scheint so zu sein.
Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf Art, 1, Art. 2, die Einleitung und die Überschrift des Gesetzes. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Gesetz zu? - Danke. Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Vizepräsident Schoettle
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem. aufgerufenen Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Arbeitslosenversicherung ({20}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({21}) ({22}).
({23})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Blöcker. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? ({24})
- Er verzichtet.
Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf die Art. 1, 2 und 3, die Einleitung und die Überschrift des Gesetzes. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Angenommen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
- Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Ich nehme an, daß die stehenden Herren Abgeordneten nicht abstimmen wollen. Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig angenommen ist.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 112 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 19. Juni 1959 über das Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit in der Fischerei ({25});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({26}) ({27}). ({28})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hussong.
({29})
- Der Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - die Einleitung und die Überschrift des Gesetzes. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 18 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vereinsgesetzes ({30}).
Soll das Gesetz begründet werden? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Vereinsgesetzes regelt einen Bereich des öffentlichen Lebens, der von großer politischer Bedeutung ist. Seine Verabschiedung ist vor allem deswegen notwendig und meines Erachtens vordringlich, weil das Reichsvereinsgesetz von 1908 abgelöst werden muß und an die Stelle der jetzt noch geltenden bruchstückhaften, unübersichtlichen und veralteten Bestimmungen eine zeitgemäße Neuregelung gesetzt werden muß.
Das neue Vereinsgesetz wird einen nicht unerheblichen Beitrag zur Festigung der freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ordnung leisten. Einerseits präzisiert es den Bereich der gegen behördliche Eingriffe gesicherten Vereinigungsfreiheit. Andererseits soll es die Grundlage bilden für das Einschreiten von Behörden gegen Vereinigungen aller Art, deren Bestrebungen sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, den Gedanken der Völkerverständigung oder die Strafgesetze richten.
Das Grundgesetz garantiert in Art. 9 Abs. 1 die Vereinsfreiheit so umfassend, daß es insoweit kaum näherer gesetzlicher Festlegung bedarf. Eine wesentliche Aufgabe des Vereinsgesetzes muß es sein, Ausführungsvorschriften zu den Verbotstatbeständen des zweiten Absatzes des Art. 9 zu schaffen, die die Durchführung erforderlicher Vereinsverbote im Interesse unserer demokratischen Lebensordnung wirksam gewährleisten und zugleich das Verfahren so eingehend und gewissenhaft regeln, daß den Erfordernissen des Rechtsstaates und der Rechtssicherheit Genüge geschieht.
Die Grundzüge des Entwurfs lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen. Sie wissen, daß dem Entwurf eine sehr umfangreiche Begründung beigegeben ist, aber ich darf zur Vereinfachung Ihrer ersten Beratung eine kurze Zusammenfassung geben.
In die Vereinigungsfreiheit soll erst eingegriffen werden können, nachdem die im Vereinsgesetz bestimmten Behörden durch Verwaltungsakt festgestellt haben, daß die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes gegeben sind, mit anderen Worten: daß die Vereinigung sich verfassungswid1526
Bundesinnenminister Höcherl
rig, strafgesetzwidrig oder völkerverhetzend betätigt. Der Entwurf legt damit die auch schon jetzt in Schrifttum und Rechtsprechung herrschende Auffassung zugrunde, daß aus Gründen der Rechtssicherheit nicht jede Exekutivbehörde in eigener Zuständigkeit die Prüfung nach Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes anstellen kann.
Bei der Faststellung eines Verbots nach Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes ist mit der Auflösung des Vereins grundsätzlich auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens zu verbinden. Damit wird verhindert, daß die materiellen Mittel des verbotenen Vereins in anderer Weise erneut verfassungswidrigen oder strafgesetzwidrigen Bestrebungen dienstbar gemacht werden. Eine solche Einziehung hat bereits die Republikschutzgesetzgebung der Weimarer Zeit gekannt. Neu ist, daß das Verfahren und die Rechtsfolgen der Einziehung im einzelnen genau geregelt werden.
Der Entwurf umfaßt weiter ein gesetzliches Verbot, Ersatzorganisationen verbotener Vereinigungen zu bilden, und behält die Feststellung, ob eine Ersatzorganisation gegeben ist, besonderer Verfügung der gesetzlich bestimmten Behörden vor. Eine Neuerung ist ferner die gesetzliche Regelung der Rechtsstellung von Ausländervereinen und ausländischen Vereinen. Schließlich enthält der Entwurf eine Privilegierung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen mit Rücksicht auf das Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation, Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften und Strafnormen, die die Einhaltung der Vereinsverbote sicherstellen sollen.
Auf einen Punkt 'des Entwurfs möchte ich noch kurz zu sprechen kommen. Ich sehe in ihm ein Kernstück der Konzeption und eine wesentliche Bedingung dafür, daß das Vereinsgesetz die ihm gestellten Aufgaben 'wirksam erfüllen kann. Leider ist gerade 'dieser Punkt, wie Sie den Anlagen 2 und 3 der Bundestagsdrucksache IV/430 entnehmen können, zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat kontrovers und offengeblieben. Es handelt sich um (die Zuständigkeit des Bundesministers deis Innern als Ermittlungs- und Verbotsbehörde bei Vereinigungen, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Es (liegt auf der Hand, daß gegen verfassungswidrige Vereinigungen, die im ganzen Bundesgebiet oder doch über den Bereich eines Landes hinaus tätig sind, nur mit einem bundeseinheitlich wirkenden Verbot :wirksam vorgegangen werden kann. Auch der Bundesrat will 'den derzeitigen Rechtszustand, wonach jedes Land für sein Gebiet ein besonderes Verbot erlassen muß, nicht aufrechterhalten. Er .glaubt aber, aus der grundgesetzlichen Aufteilung der Verwaltungsaufgaben zwischen Bund und Ländern folgern zu müssen, daß die Zuständigkeit für überregional wirkende Vereinsverbote einem Land vorbehalten bleiben müsse, und zwar dem, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hat.
Nun erweist aber die Praxis - und wir haben viele Beispiele 'dafür -, daß 'die Vereinigungen, die hier in Betracht kommen - und das sind ja vielflach nichteingetragene Vereine im Sinne 'des Bürgerlichen Gesetzbuches - keinen bestimmten Sitz oder sogar mehrere Sitze haben oder die Geschäfte formell in einem Lande führen, in dem die Vereinigung nicht oder kaum hervortritt. Hier 'hätte der Vorschlag des Bundesrates entweder überhaupt keine Verbotszustiändigkeit oder konkurrierende Länderzuständigkeiten zur Folge, ein zweifellos untragbares Ergebnis. Eine andere erprobte Taktik verfassungswidriger Vereinigungen ist die wiederholte Verlegung des Sitzes, die dann bei der Verwirklichung des Vorschlags 'des (Bundesrates jeweils einen Wechsel der Ermittlungs- und Verbotszuständigkeit nach sich ziehen müßte.
Der Bundesrat glaubt eine ausreichende Abhilfe dieser Schwierigkeiten dadurch zu finden, daß die Bundesregierung die Befugnis erhalten soll, 'die zuständigen Landesbehörden zum Verbot verfassungswidriger oder välkerverhetzender Vereinigungen anzuweisen. Würde aber die Bundesregierung, wenn sie nicht Ermittlungsbehörde ist, sich die ausreichende Tatsachenkenntnis verschaffen können, 'die die Voraussetzung für die Ausübung einer solchen Weisungsbefugnis wäre? Im übrigen würde eine etwa so 'auf Weisung handelnde Landesregierung unter Umständen ein Verbot auszusprechen und zu vertreten haben, für das sie politisch die Verantwortung ablehnt.
Ich .glaube 'daher, diese Erwägungen zwingen zu der Erkenntnis, daß das Verbot einer überregionalen Vereinigung und die ihm vorausgehenden Ermittlungen nur in die Zuständigkeit des Bundes gelegt werden 'können, wenn eine reibungslose und vollständige Verwirklichung des Gesetzeszweckes erreicht werden soll. Ist das 'aber der Fall, dann ist nach den auch vom 'Bundesverfassungsgericht bestätigten Grundsätzen unseres Grundgesetzes eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes nicht nur zulässig, sondern schlechthin geboten.
Der Entwurf - das möchte ich abschließend bemerken - ist das Ergebnis eines Bemühens, die Erfordernisse der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit mit denen der Sicherheit unseres Staates und unserer Demokratie in Einklang und zur Deckung zu bringen. Ich bin daher sicher, daß dieses Hohe Haus bei seinen Beratungen beiden Aspekten gebührend Rechnung tragen wird.
({0})
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Hansing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Innenminister den Entwurf erläutert hat, wird eine große bekannte deutsche Zeitung, die vor einiger Zeit schrieb, daß dieses Vereinsgesetz als Ablösung des Vereinsrechts zu betrachten sei, ihren Standpunkt revi'di'eren müssen. Diese große Zeitung wird nach dem Bericht des Herrn Innenministers einsehen, daß dieses Vereinsgesetz doch etwas mehr ist als die Ablösung des Vereinsrechts. Der Sinn des Vereinsgesetzes kann nur im Zusammenhang mit dem Art. 9
des Grundgesetzes gesehen wenden, obwohl die Bundesregierung nicht klar genug die zentrale Bedeutung des Grundgesetzes unid besonders des Art. 9 herausstellt. Im Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes wird die Vereinsfreiheit konstituiert; im Abs. 2 das Verbot von Vereinigungen. Die Grundlage ,aber des Vereinsverbots ist nicht 'das Vereinsgesetz, sondern Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes. Das Vereinsgesetz kann nur 'die Zuständigkeit und das Verfahren regeln. Die materielle Frage, wann ein Verein verboten ist, ist in Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes abschließend geregelt. Es sollten also keinerlei Ausnahmen im Vereinsgesetz vorgesehen werden.
Daß die Neuregelung des Vereinsrechts notwendig ist, unterliegt keinem Zweifel. Ob aber dieser Gesetzentwurf den Erfordernissen des modernen Staatsrechts und Staatsschutzes entspricht, wie es im Bulletin zu lesen ist, möchte ich sehr bezweifeln. Wir jedenfalls sind der Meinung, daß der Entwurf in der vorliegenden Fassung den Forderungen, die an einen modernen Staatsschutz zu stellen sind, nicht genügt.
Die umstrittensten Paragraphen sind die §§ 1, 3 und 16, denn sie sind von politischer Bedeutung. Bei der Beratung in den zuständigen Ausschüssen wird es sich zeigen, ob es der Bundesregierung tatsächlich darauf ankommt, ein Gesetz zu schaffen, welches der modernen Auffassung vom Staatsschutz entspricht, oder darauf, Wünsche durchzusetzen, die sie in der Vergangenheit nicht hat durchsetzen können.
In § 1 Abs. 2 heißt es:
Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden
1. auf politische Parteien ...
2. auf Religionsgesellschaften und Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen ...
Daß die großen Religionsgesellschaften nicht unter dieses Gesetz fallen, ist selbstverständlich, da sie Körperschaften öffentlichen Rechtes sind. Es bleiben aber noch die kleinen Vereinigungen, die sich ebenfalls der Pflege einer Weltanschauung hingeben. Mithin würde das Gesetz insoweit bereits eine Ausnahme bringen. Das Vereinsgesetz kann aber keine Ausnahme machen, denn die Grundlage bleibt Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes. Die Frage ist allein, ob solche Vereinigungen unter das Verbot des Art. 9 Abs. 2 fallen. Nur unter diesem Gesichtspunkt dürfen wir das Problem in den Ausschüssen behandeln.
Wir werden uns in den zuständigen Ausschüssen zu überlegen haben, wie diese Vereinigungen zu behandeln sind. Die Begründung der Bundesregierung, daß solche Vereinigungen wie die, von denen ich eben sprach, sobald sie sich politisch betätigen, unter das Vereinsgesetz fallen und verboten werden können, sticht nicht ganz; denn die Grenzen sind hier sehr schwer zu ziehen. Es ist nicht immer gut, Beispiele aus der Vergangenheit heranzuziehen, aber hier ist es vielleicht doch angebracht: Die Ludendorff-Bewegung hat uns gezeigt, wie groß in solchen Fällen die Schwierigkeiten der Abgrenzung' sind.
Eine andere wichtige Bestimmung ist der § 3 mit der Regelung der Verbotszuständigkeit. Es heißt in § 3 Abs. 2:
Verbotsbehörde ist
1. die oberste Landesbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2. der Bundesminister des Innern für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Gewiß Weden hier Gesetze für alle Staatsbürger und für alle Regierungen, also nicht nur die jetzt amtierende, gemacht. Aber man kann es uns als Opposition nicht verübeln, daß wir auf Grund der Vergangenheit und bedenklicher Äußerungen bestimmter Politiker in der jüngsten Zeit diesem Gesetzentwurf sehr kritisch und mißtrauisch gegenüberstehen und gefühlsmäßig, aber auch von der Sache her dazu neigen, die Verbotszuständigkeit mehr den Ländern zu geben. Aber darüber, glaube ich, sollten wir uns noch im Ausschuß gründlich unterhalten. Ich nehme an, daß uns der Innenminister gute Argumente geben wird, und daß er uns vielleicht überzeugt, daß wir doch einer zentralen Regelung zustimmen können.
Nun aber zu dem § 16. Bei diesem Paragraphen muß die Regierung Farbe bekennen. Ich sagte schon, dieses Vereinsgesetz sollte nicht etwa dazu dienen, Dinge durch die Hintertür hereinzubringen, die man in der Vergangenheit nicht erledigen konnte, Herr Minister. Wenn tatsächlich ein neues Vereinsgesetz geschaffen werden soll, dann müssen Sie das auch im § 16 klar herausstellen. Hier muß die Regierung Antwort geben. Im Jahre 1956 beschloß der Bundestag auf Empfehlung der Bundesregierung, daß die Bundesrepublik Deutschland dem Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts beitritt. In Art. 4 dieses Übereinkommens heißt es: „Die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber dürfen im Verwaltungswege weder aufgelöst noch zeitweilig eingestellt werden." Ich stelle hier die Frage: Steht die Bundesregierung zu diesem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, dem der Bundestag einstimmig zugestimmt hat? Wenn ja, Herr Minister, wie kommt dann das Bundesinnenministerium dazu, in § 16 die Möglichkeit des Verbots durch Verwaltungsbehörden zu geben? Ich sage nochmals: In Art. 4 des Arbeitsabkommens heißt es: „Die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber dürfen im Verwaltungswege weder aufgelöst noch zeitweilig eingestellt werden." Sie selber aber bringen in § 16 die Möglichkeit des Verbots durch Verwaltungsbehörden.
Wir dürfen wohl auch die Frage stellen, was man mit diesem § 16 vorhat. Denn daß Sie die Arbeitgeberverbände nicht verbieten werden, darüber sind wir uns wohl hier im Hause alle einig. Kommen Sie
bitte nicht damit, daß ein Verbot der Verwaltungsbehörde erst dann wirksam wird, wenn es unanfechtbar ist! Wir sind der Meinung, daß Verbote gegenüber den Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisationen - die wir sowieso ausschließen -einzig und allein von einem Verwaltungsgericht, nicht aber von einer Verwaltu ngsbehörde ausgesprochen werden dürften. Hier muß Klarheit geschaffen werden. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß sich die Bundesregierung und auch die Mehrheit dieses Hauses klar zu dem Beschluß des Bundestages aus dem Jahre 1956 bekennen.
In § 1 sieht die Bundesregierung vor, daß Vereinigungen - ich spreche jetzt nicht von den großen, anerkannten Religionsgesellschaften -, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, nicht unter das Vereinsgesetz fallen. Ich frage den Bundesinnenminister: Sind irgendwelche Sekten zuverlässiger, politisch kompetenter oder staatstreuer als die Gewerkschaften?
Meine Damen und Herren, ich habe im Rahmen der ersten Lesung die wichtigsten Punkte dieses Entwurfs aufgezeigt. Die Ausschüsse werden ein gerütteltes Maß an Arbeit haben, wenn der vorliegende Entwurf als neues Vereinsgesetz wirklich in Erscheinung treten soll.
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Wird das Wort weiter gewünscht? - Der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur auf einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Hansing eingehen.
Zunächst hat er erklärt - das war sein Haupteinwand; vielleicht war es nur eine unbeabsichtigte Unterstellung -, daß wir mit dem berühmten § 16 vielleicht unlautere Absichten hätten. Herr Kollege Hansing, ich glaube nicht, daß Sie der Bundesregierung mit Recht oder mit vernünftigen Gründen so etwas unterstellen können. § 16 ist vielmehr in seiner Sonderstellung ein Beweis dafür, daß die Bundesregierung das für sie verbindliche Abkommen durchaus zu schätzen weiß. Sie hat deswegen. den § 16 als Sonderstellung für diese Art von Vereinigungen eingeführt. Die Auslegung, die Sie dem Art. 4 des Übereinkommens geben, ist meines Erachtens deswegen nicht zutreffend, weil in § 16 des Gesetzentwurfs der gerichtliche Schutz - und zwar ein Schutz, wie er kaum in einem anderen Lande möglich ist - absolut sichergestellt ist. Erst wenn die Rechtskraft einer solchen Entscheidung eingetreten ist, sei es dadurch, daß eine gerichtliche Entscheidung nicht beantragt ist, sei es, daß die letzte Instanz ausgeschöpft ist, ist ein Verbot möglich. Mehr an Rechtsschutz zu verlangen, ist, glaube ich, nicht notwendig. Österreich und Italien, die dem gleichen Abkommen beigetreten sind und die ähnliche gesetzliche Maßnahmen getroffen haben, haben sich zu dieser Auffassung bekannt.
Was Sie über die Religionsgesellschaften ausführten, ist ebenfalls unzutreffend, und zwar deswegen, weil Religionsgesellschaften den besonderen Schutz der Verfassung nur dann genießen, wenn sie sich auf die eigentliche religiöse und geistige Tätigkeit beschränken. All die anderen Dinge, die Sie angesprochen haben und die vor allem Sekten usw. betreffen können, die in ihrer Tätigkeit über diese Beschränkungen hinausgehen, unterliegen natürlich genauso den Vomschniften wie bei allen übrigen Vereinigungen; Einzelhandlungen solcher religiösen Vereinigungen, die einen grundgesetzlichen Schutz haben, sind, wenn sie sich gegen gesetzliche Verbote richten, durchaus in geeigneter Form abzuwehren.
Ihr ganzes Mißtrauen, Herr Kollege Hansing, scheint mir nicht begründet, und ich bin sogar der Auffassung, wenn Sie die Begründung, die wir dem Gesetz beigegeben haben und die sehr umfangreich und gründlich ist, genau studiert hätten, hätten Sie einen Teil der Ausführungen, die Sie gemacht haben, nicht gemacht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
,Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben nicht die Absicht, in dieser grundsätzlichen ersten Lesung in Details einzutreten; wir möchten ausdrücklich darauf verzichten und uns auf wenige Bemerkungen beschränken. Wir stimmen grundsätzlich dem Entwurf der Bundesregierung zu und danken dem Herrn Bundesminister des Innern dafür, daß er ihn vorgelegt hat. Es ist ein guter Entwurf. Wir unterstreichen auch die Bitte des Herrn Bundesministers, daß dieser Entwurf vordringlich im Hause behandelt werden sollte.
Ich möchte mich zú den von Herrn Kollegen Hansing vorgetragenen Einzelheiten, nachdem der Herr Minister selber gesprochen hat, nicht äußern, mit einer Ausnahme. Ich glaube, Herr Kollege Hansing, daß in der Tat die Befürchtungen, die Sie aus dem § 16 herleiten, nicht berechtigt sind. Man wird im Ausschuß im einzelnen darüber sprechen können. Ich habe - gerade eben, als Sie vortrugen - die Begründung dazu nachgelesen und kann nur sagen, daß ich durchaus die Auffassung des Herrn Bundesministers des Innern decke.
Ich möchte mich bedanken, daß Sie anerkannt haben, daß in diesem Gesetzentwurf etwas vom modernen Staatsschutz - das war Ihr Wort zweimal - enthalten sei. Ich glaube, das ist ein Anlaß, zu hoffen, daß wir hier dieses Gesetz bald und recht einmütig verabschieden können. Für uns allerdings - und ich glaube, auch für Sie - ist dies nicht nur ein Aspekt des Staatsschutzes, sondern ein Stück Gestaltung freiheitlicher Ordnung. Denn der Staatsschutz kommt nur da, wo die Freiheit mißbraucht wird.
Auf diese Bemerkungen möchten wir uns heute beschränken. Wir danken für den Entwurf; wir stimmen ihm grundsätzlich zu; wir sehen der AusschußDr. Barzel
beratung entgegen und hoffen mit Vergnügen, zu einer einmütigen Verabschiedung alsbald zu kommen.
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Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache. Das Gesetz soll überwiesen werden an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Arbeit - mitberatend -. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Es erfolgt kein Widerspruch; dann ist die Überweisung erfolgt.
Wir kommen nun zu Punkt 19 a der Tagesordnung. Obwohl hier zwei Punkte miteinander gekoppelt sind, ist mir von den Antragstellern versichert worden, daß es sich um sehr verschiedene Gegenstände handele, so daß eine getrennte Beratung durchaus zweckmäßig erscheine.
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Ich rufe also auf Punkt 19 a der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ausbildungsförderung ({1}).
Der Gesetzentwurf soll begründet werden. Zur Begründung hat Frau Abgeordnete Freyh das Wort.
Herr Präsident! ) Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 17. Mai 1962 einen Gesetzentwurf zur Ausbildungsförderung eingebracht, der heute diesem Hause zur Beratung in erster Lesung vorliegt. Fragen der Ausbildungsförderung sind an dieser Stelle - ich habe mich als neues Mitglied dieses Hauses sozusagen im historischen Rückblick damit befassen können - schon öfter Gegenstand von Erörterungen gewesen. Ich darf dazu ein Beispiel geben. Vor mehr als drei Jahren, im April 1959, lag dem Bundestag nach fast einjährigen Ausschußberatungen ein Antrag der SPD-Fraktion zur Abstimmung vor, nach dem die Bundesregierung zu einer gesetzlichen Neuregelung der Ausbildungsbeihilfen für Jugendliche aufgefordert werden sollte. Dieser Antrag wurde damals von allen Fraktionen einstimmig angenommen. Wir hoffen also, von der Tatsache ausgehen zu können, daß dem vorliegenden Beratungsgegenstand von den Mitgliedern dieses Hauses weitgehendes Verständnis entgegengebracht wird.
Von seiten der zuständigen Ressortminister ist in den letzten Jahren durch Referentenentwürfe praktisch anerkannt worden, daß hier eine Aufgabe besteht, die gelöst werden muß. Darüber hinaus hat die interessierte Öffentlichkeit immer wieder auf die Regelung der Ausbildungsförderung in einem Bundesgesetz gedrängt. Ich darf erinnern etwa an den Verein für öffentliche und private Fürsorge, an die Gesellschaft für sozialen Fortschritt, an die Arbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk, an den Deutschen Gewerkschaftsbund und an verschiedene Studentenverbände.
Anläßlich der Beratung der Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz ist ersichtlich geworden, daß auf einen Einbau der Ausbildungsförderung in das Jugendwohlfahrtsgesetz verzichtet wurde. Herr Minister Wuermeling hat in seinen damals zu Protokoll gegebenen schriftlichen Ausführungen jedoch ausdrücklich betont, daß das Ausklammern der Regelurig des Ausbildungsbeihilfewesens kein Ausweichen bedeute und daß darüber, daß etwas geschehen müsse, innerhalb der Bundesregierung keine Meinungsverschiedenheiten bestünden. Es wurde ausdrücklich erklärt, daß in den beteiligten Bundesressorts die Beratungen über die erreichbaren Ziele und die einzuschlagenden Wege mit Nachdruck und Gründlichkeit fortgesetzt werden, bis Klarheit und Einverständnis erreicht ist und dem Wunsch des Bundestages vom April 1959 entsprochen werden kann.
Inzwischen sind wieder eineinhalb Jahre - vermutlich mit Ressortberatungen - verstrichen. Eine umfassende Regelung von Ausbildungsförderungsmaßnahmen kann nur noch in Form eines Sondergesetzes getroffen werden. Die sozialdemokratische Fraktion hat einen entsprechenden Gesetzentwurf ausgearbeitet und legt ihn heute vor, weil sie davon überzeugt ist, daß diese Fragen nun dringend geregelt werden müssen.
Aus den vielfältigen Äußerungen und Ankündigungen hoffen wir jedenfalls den Schluß ziehen zu können, daß die Türen der CDU-Fraktion für eine Regelung der Fragen der Ausbildungsförderung tatsächlich offenstehen.
Lassen Sie mich bitte zunächst einiges Allgemeine über die Gedankengänge sagen, die unserem Entwurf zugrunde liegen. Damit möchte ich gleichzeitig versuchen, die Situation zu umreißen, der sich das Ausbildungsförderungswesen anpassen muß.
Unter den Entwicklungstendenzen der modernen Industriegesellschaft zeichnet sich eine ganz besonders klar und deutlich ab: der Bedarf an qualifizierten ausgebildeten Arbeitskräften wächst außerordentlich rasch und wird in Zukunft vermutlich noch rascher wachsen. Helmut Schelsky hat einmal darauf hingewiesen, daß die industrielle Gesellschaft die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse und Aufgaben in Berufe hineingetragen hat, die noch vor einer Generation allein mit Erfahrung und Praxisausbildung zu meistern waren. Bereits vorhandene Berufe ändern in dieser Weise ihre Struktur, und neue Berufe entstehen. Diese Verschiebung in der Art der Qualifikation durch die jüngste Entwicklung läßt sich beispielsweise daran ablesen, daß ein steigender Bedarf an Ausgebildeten besteht, die über die Ausbildung eines Facharbeiters mit handwerklicher Lehre hinaus auch über eine besondere technische Ausbildung verfügen.
Es ändern sich jedoch nicht nur die Ausbildungsinhalte, auch die Bedarfszahlen wachsen. Für die technisch-naturwissenschaftlichen Fachgebiete hat sich - zumindest theoretisch - bereits die Überzeugung durchgesetzt, daß mit einer Expansion über den bloßen Bedarf hinaus gerechnet werden muß. Aber z. B. auch für den Lehrerberuf läßt sich ein sol1530
Frau Freyh ({0})
cher zusätzlicher Bedarf real begründen und errechnen.
Aus all dem folgt als notwendige Konsequenz, daß auch das wachsen muß, was man vielleicht als Reservoir an Kräften für qualifizierte Berufe bezeichnen könnte.
Die Organisation unseres Bildungswesens und seine Verknüpfung mit den Möglichkeiten des Zugangs zu einer bedeutenden Zahl von Berufen ist natürlich immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Reformvorschlägen gewesen., Aber darum geht es hier nicht. Zunächst handelt es sich beidiesem sogenannten Berechtigungswesen einfach um Tatsachen, von denen man in der gegenwärtigen Situation ausgehen muß. Die Schulen sind nach Helmut Schelsky nach wie vor primäre entscheidende und nahezu einzige soziale Dirigierungsstellen für Rang, Stellung und Lebenschancen des einzelnen in unserer Gesellschaft.
Aus dieser Feststellung ergibt sich in unserem Zusammenhang die Frage, ob denn der Zugang zu qualifizierenden Ausbildungsstätten weit genug offensteht. Haben bei gleicher Begabung alle befähigten jungen Menschen wirklich in befriedigendem Maße die Möglichkeit zum Besuch weiterführender Schulen und Ausbildungsstätten? Die Untersuchungen und das statistische Material lassen erhebliche Zweifel aufkommen.
Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes kamen im Jahre 1960 von rund 600 000 Berufsanfängern 73 % unmittelbar aus Volksschulen und Berufsfachschulen, darunter allein 58 % aus Volksschulen. Dabei muß man sich vergegenwärtigen, daß die Berufsfachschulen unmittelbar nach dem Volksschulabschluß besucht werden können und in überwiegendem Maße auf eine Berufsausübung in kaufmännischen und Frauenberufen vorbereiten. Die Gruppe der Vierzehn- bis Zwanzigjährigen, die ihrem Alter nach eine qualifizierte Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben kann, hatte nach derselben Zusammenstellung an den neu ins Erwerbsleben Eintretenden einen Anteil von 86,4 %. In demselben Jahr wurden nur 12,8 % der Gesamtzahl der Berufsanfänger, d. h. jeder achte Jugendliche, nach einer qualifizierten Berufsausbildung berufstätig. Beschränkt man sich bei dieser Betrachtung auf Hochschulen, lehrerbildende Anstalten und Ingenieurschulen, so handelt es sich lediglich um einen Anteil von 4,7 °/o unter sämtlichen Berufsanfängern des Jahres 1960. Damit wird ohne Frage der künftige Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften nicht gedeckt werden können.
Diese Feststellung wird noch deutlicher im internationalen Vergleich. Der Quote von 4,7 % Hochschulabsolventen und Abgängern aus Ingenieurschulen und pädagogischen Ausbildungsstätten in der Bundesrepublik steht in den Vereinigten Staaten eine Quote von 12 % gegenüber. In Schweden sind es 11 %, in der Sowjetunion, wenn auch unter anderen Inhalten und Zielen des Bildungsvorganges, ungefähr eine doppelt so hohe Quote wie in der Bundesrepublik.
Niemand wird behaupten wollen, daß es in der Bundesrepublik soviel weniger begabte junge Menschen geben sollte als in den zum Vergleich herangezogenen Ländern. Dagegen scheinen Begründungen, wie sie etwa von Professor Edding gegeben wurden, durchaus wahrscheinlich: Schnelles Wirtschaftswachstum läßt in der Regel auch die Zahlen der qualifiziert Ausgebildeten schnell anwachsen. Das ist nicht nur eine Folge der Möglichkeiten für viele Familien, ihre Kinder nicht unmittelbar nach Beendigung der Volksschulpflicht als Mitverdiener betrachten zu müssen, sondern unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten geradezu eine Notwendigkeit.
In den zum Vergleich herangezogenen Ländern sind die Förderungsmöglichkeiten für den Besuch weiterführender Schulen besser ausgebaut. Nicht zuletzt dürfte das aus der Erkenntnis geschehen, daß das Fehlen von gut ausgebildeten Kräften zur Stagnation der Wirtschaftsentwicklung und damit zu sinkendem Lebensstandard und verminderter internationaler Wettbewerbsfähigkeit beitragen würde.
({1})
Unter diesem Gesichtspunkt muß die Frage gestellt werden, wann die Bundesrepublik mit vermehrten Anstrengungen zu einer breiten Förderung ihres Nachwuchses beginnen will. Das reale Sozialprodukt je Einwohner hat sich in den Jahren von 1950 bis 1960 verdoppelt. Die Zahl der qualifiziert Ausgebildeten ist in diesem Zeitraum bei weitem nicht in der notwendigen Relation angestiegen.
Nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes haben alle Deutsche das Recht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen. In der überwiegenden Zahl der Länderverfassungen ist das Recht auf Erziehung und Ausbildung klar festgelegt. In einer Reihe von Länderverfassungen wird dieses Recht ausdrücklich nur nach Maßgabe der Begabung und Fähigkeiten bestimmt, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Elternhauses. Eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung bedarf zweifellos solcher Prinzipien. Der Staat muß jedoch auch ausreichende Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung treffen. In jeder Gesellschaft wird es notwendigerweise Differenzierungen zwischen den Erwachsenen geben. Um so mehr gehört es zu den politischen und moralischen Verpflichtungen, wenigstens den jungen Menschen soweit wie irgend möglich gleiche Startbedingungen für das Leben zu geben.
Die gegenwärtige Form der Ausbildungsbeihilfen ist gewiß unzureichend. Soweit es sich um bundeseinheitliche Regelungen handelt, orientiert sich die Hilfe an Sozialtatbeständen und an bestimmten Gruppen von Geschädigten. Überspitzt könnte man fast sagen, daß die ungefähr 20 Förderungsmöglichkeiten eine Umkehrung der verfassungsmäßigen Garantie darstellen. Sie bieten gleich begabten Jugendlichen in der gleichen wirtschaftlichen Situation nicht die gleiche Chance.
({2})
- Das ist in doppeltem Sinne zu verstehen, Herr Kollege. Ich komme jetzt gerade dazu.
Frau Freyh ({3})
Die Höhe der Beihilfe entscheidet sich nicht nur nach dem Leistungsträger, den der Jugendliche in Anspruch nimmt. Sie schafft auch Ungleichheit zwischen dem zu einer Beihilfe Berechtigten und Jugendlichen aus Familien gleichen Einkommens, die keinerlei Anspruch haben. Die verschiedenartigen Förderungsmöglichkeiten sind aus Sonderbedürfnissen entstanden. Vorwiegend handelt es sich um Maßnahmen zur Überwindung von Kriegsfolgen. Die Ausbildungsbeihilfen sind nur ein Teilbereich einer Konzeption mit eigenständiger Zielrichtung. Aber die so entstandene Vielfalt und Ungleichmäßigkeit zwingt geradezu zu einer umfassenden Neuregelung.
Vielleicht erlauben Sie mir, dazu ein Beispiel aus meinem beruflichen Wirkungskreis heranzuziehen, das die Dinge vielleicht noch etwas klarerstellt. Ein einundzwanzigjähriger junger Mann war am 13. August 1961 aus Ostberlin nach Westberlin geflohen. Er hatte die Volksschule besucht und eine Berufsausbildung absolviert, allerdings in Westberlin schon vor der Schließung der Grenzen eine Schule zur Vorbereitung Berufstätiger auf die Reifeprüfung besucht. Er bewarb sich in einem Bundesland um Aufnahme in ein Institut des Zweiten Bildungsweges und bestand auch eine dafür vorgesehene Ausleseprüfung. Da er weder über Familienunterstützung noch über Ersparnisse verfügte, wurde er auf die Möglichkeit öffentlicher Ausbildungsbeihilfen hingewiesen. Er beantragte deshalb erstens Beihilfen aus dem Garantiefonds für jugendliche Zuwanderer, weitens Ausbildungsbeihilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz, drittens Ausbildungsbeihilfen des betreffenden Bundeslandes.
Zum Zeitpunkt des ganztägigen Unterrichtsbeginns - er hatte im Februar diese Anträge gestellt, der Unterricht begann Ende April - war noch keine der beantragten Beihilfen bewilligt. Deshalb gab ihm eine kommunale Stiftung als Vorauszahlung auf die zu erwartenden Beihilfen eine Überbrückungshilfe. Als schließlich Ende Mai die Garantiefondsmittel bewilligt wurden, wurden sie ihm nicht ausgezahlt unter Hinweis auf die kommunale Leistung. Zwischen der kommunalen Stiftung und der die Garantiefondsmittel verwaltenden Stelle mußte nun noch die Frage der vorrangigen Leistung geklärt werden. Sollte jedoch auch über den Antrag auf Lastenausgleichsbeihilfe positiv entschieden werden, würde 'dies zur Folge haben, daß erstens die 'Mittel aus dem Garantiefonds wieder gekürzt werden würden und zweitens die Landesbeihilfen neu berechnet werden müßten. Hier handelt es sich, wenn man es kurz auf einen Nenner bringen darf, um einen jungen Mann, der die Begabung zu einer qualifizierten Ausbildung besitzt und studieren möchte. Er verfügt selbst nicht über die notwendigen Mittel, ist aber im Sinne des heutigen Förderungswesens ein mehrfach Anspruchsberechtigter. Er setzt mit seinen Anträgen den Verwaltungsmechanismus von vier für ihn zuständigen Ämtern in Bewegung, die sich nach langwierigen Bewilligungsverfahren auch noch darüber einigen müssen, aus welchen Teilbeträgen 'des jeweiligen Amtes sich schließlich 'die benötigten Ausbildungsbeihilfen zusammensetzen.
({4})
Ich habe hiermit durchaus 'keinen Ausnahmefall geschildert. Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Das Beispiel sollte nur dazu 'dienen, Ihnen das gegenwärtige System noch einmal deutlich in Erinnerung zu rufen unid auch darauf hinzuweisen, daß hier eine Änderung dringend notwendig geworden ist.
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Das gegenwüärtige Beihilfewesen schafft aber nicht nur Ungleichheiten in den Voraussetzungen und Leistungen und ist für den Bürger und zum Teil auch für die Durchführungsbehörden völlig unübersichtlich geworden; in der Offentlichkeit und in interessierten Fachkreisen ist auch auf einen anderen Mangel immer wieder hingewiesen worden. Die jetzige Förderung läßt die Kinder aus Familien mittlerer Einkommen weitgehend unberücksichtigt. Dazu gehören vor allem die festbesoldeten Einkommensempfänger dieser Gruppen, deren Einkommen erfahrungsgemäß am ehesten hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben.
Es sind vor allem zwei Gründe, die die Kritik hervorrufen. Erstens sind die Einkommensgrenzen für die Familie des Antragstellers zu niedrig angesetzt, zweitens werden die Kosten für den Lebensunterhalt unid den Ausbildungsbedarf des Auszubildenden selbst häufig zu gering angenommen. Das gilt beispielsweise nicht nur für Ausbildungsbeihilfen nach idem Bundessozialhilfegesetz, sondern auch für die Einschätzung 'der Ausbildungskosten und damit 'für die Höhe der Stipendien nach 'dem Honnefer Modell, der Studentenförderung.
Ich möchte für diesen Teil der Kritik einen bekannten Hochschullehrer zitieren. Herr Professor Tellenbach kommt hinsichtlich der Höhe und der Verwendung der Stipendien nach dem Honnefer Modell, die in der Anfangsförderung 195 DM monatlich - ohne Ferienmonate - und in der Hauptförderung 245 DM betragen, zu dem Schluß, „daß wohl jede Sorge vergeht, daß Wohlleben und Luxus zu falschen Perspektiven und Ablenkungen verführen könnten. Eher ergibt sich die Frage, ob bei einer so weitgehenden materiellen Beengtheit die Bildungsmöglichkeiten noch frei genug genutzt werden können."
Hinzu kommt, daß eine Reihe von bundeseinheitlichen Förderungsmaßnahmen mit der zunehmenden Entfernung vom Kriegsende allmählich auslaufen. Die bundeseinheitlichen Ausbildungsbeihilfen haben im Jahre 1960 von den Geförderten ungefähr 75 % Jugendliche mit kriegsfolgebestimmten Ansprüchen gefördert. Ich glaube, das ist eine recht beachtliche Zahl, die eine Rolle spielt bei der Frage, ob wir nicht dringend am System etwas ändern müssen.
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Neben diesen sogenannten bundeseinheitlichen Regelungen haben vor allem die Bundesländer Aus1532
Frau Freyh ({7})
bildungsbeihilfen vergeben. Obwohl die Verfassungspostulate weitgehend übereinstimmen, wurden jedoch sehr unterschiedliche Regelungen für die Ausbildungsförderung getroffen. Bei einem Vergleich des relativen Schulbesuchs in den einzelnen Bundesländern ergibt sich folgendes: In Schleswig-Holstein besuchen relativ fast doppelt so viele Schüler weiterführende Schulen wie in Nordrhein-Westfalen, in Hessen fast ein Drittel mehr als in Rheinland-Pfalz. Die Gleichheit der Ausbildungschancen ist zweifellos nicht gegeben. Die Möglichkeiten zu besserer Ausbildung variieren in den einzelnen Bundesländern beträchtlich.
Diese Darlegungen mögen ausreichen, um zunächst den Rahmen. abzustecken für das nach Meinung der sozialdemokratischen Fraktion dringend benötigte neue Gesetz.
Ich möchte einige Punkte aus dem vorgelegten Entwurf herausgreifen. Der Gesetzentwurf sieht die Einbeziehung aller staatlichen und staatlich anerkannten Ausbildungseinrichtungen und die Ausbildung in Lehr- und Anlernberufen vor. Die Förderungsmöglichkeit soll also von der Lehrlingsausbildung und den mittleren und höheren Schulen über die Berufsfach- und Fachschulen bis zu den Hochschulen reichen. Nur ein derart umfassendes und einheitliches System kann die Gewähr bieten, daß der befähigte junge Mensch seine Anlagen bis zu dem Ausbildungsgrad entfalten kann, in dem er seine Kräfte am sinnvollsten und nutzbringendsten in einem Beruf einzusetzen vermag.
Die vorgesehene Einheitlichkeit ist mehr als eine bloße Vereinheitlichung. Das Gesetz soll nicht bloß eine Zusammenfassung der bisherigen Regelungen nach vereinheitlichten Voraussetzungen und Leistungen bringen; es soll sich vielmehr unmittelbar an der Aufgabe der Ausbildungsförderung selbst orientieren. Wenn sich Begabungen je nach der Herausforderung und Pflege, die sie erfahren, entwickeln, gehören auch die vorbereitenden Ausbildungsstufen in ein solches System. Wir können es uns aus vielen Gründen nicht mehr leisten, nur einzelne Ausbildungsgänge zu fördern.
Ein anderer Gesichtspunkt: Wie anders soll in einem föderalistischen Staat wie der Bundesrepu blik eine gleichwertige Förderung aller Ausbildungsmöglichkeiten erreicht werden als in einem System, das für alle Ausbildungsgänge soweit wie möglich und sinnvoll einheitliche Voraussetzungen schafft?
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Außerdem kann nur in einer umfassenden Regelung die Ausbildung in einem weiteren Beruf befriedigend berücksichtigt werden. Eine solche Möglichkeit fehlte bisher in den bundeseinheitlichen Förderungsmaßnahmen. Das hat sich in vielen Fällen als ein Hemmnis für den beruflichen und sozialen Aufstieg erwiesen. Eine Korrektur des zunächst eingeschlagenen beruflichen Weges hat sich aber gerade in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen und bildungspolitischen Erwägungen als notwendig erwiesen. Beispielsweise setzt der Zweite Bildungsweg die Bewährung in einem praktischen Beruf voraus, dient aber ausdrücklich der Vorbereitung auf eine erneute Ausbildung in einem der Begabung adäquateren Beruf.
Die Ausbildungsförderung soll sowohl den Ausbildungsbedarf als auch die Kosten des Lebensunterhalts umfassen. Erleichterungen, die den Ausbildungsbedarf betreffen wie Gebühren- oder Schulgeldfreiheit, haben sicherlich als Förderungsmaßnahmen positive Wirkungen. Sie reichen aber erfahrungsgemäß bei weitem nicht aus, um den Familien und Jugendlichen, die in dieses Gesetz einbezogen werden sollen, eine ausreichende finanzielle Entlastung zu bringen. Die Lebenshaltungskosten sind deshalb ein wichtiger Bestandteil der Ausbildungskosten.
Das Gesetz sieht eine Unterscheidung vor nach den Kosten, die für eine Ausbildung am Familienwohnsitz oder bei auswärtiger Unterbringung entstehen. Es ist bewußt berücksichtigt worden, daß die Ausnutzung vorhandener Ausbildungseinrichtungen bei der unterschiedlichen Struktur der Bundesrepublik sehr häufig nur möglich sein dürfte, wenn die Ausbildung auch an einem anderen Orte durchgeführt werden kann als am Familienwohnsitz oder in dessen unmittelbarer Umgebung.
Die Bundeskompetenz zur Ausbildungsförderung kann sich nur auf eine Hilfe erstrecken, die gegeben wird, wenn der Auszubildende selber oder seine Familie nicht in der Lage ist, die Kosten der Ausbildung aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Das galt auch für die bisherigen Maßnahmen zur Ausbildungsförderung. Aber wie die Erfahrungen gelehrt haben, kann die Eigenleistung nicht, wie beispielsweise im Sozialhilfegesetz und in den Sonderregelungen zur Beseitigung von Kriegsfolgetatbeständen, am physischen Existenzminimum orientiert sein. Das würde die Wirksamkeit eines Ausbildungsförderungsgesetzes in Frage stellen.
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Soll die Aufgabe einer aktiven Ausbildungsförderung nicht verfehlt werden, so kann als Maßstab nur eine Regelung gewählt werden, die sich an der Leistungskraft mittlerer Einkommen orientiert. Die vorgeschlagenen Freibeträge, die beispielsweise für die Eltern bei einfachen Ausbildungsgängen monatlich 460 DM und bei qualifizierten Ausbildungsgängen monatlich 550 DM betragen sollen, sind Mindestsätze, wenn das Gesetz seinen Sinn erfüllen soll. Daneben muß gewährleistet sein, daß diese Beträge nicht durch Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse mit ihren Rückwirkungen auf Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten entwertet werden. Eine solche Anpassung der Einkommensfreibeträge ist der Bundesregierung ausdrücklich auferlegt.
Die Zuständigkeit für die Durchführung soll bei den Ländern liegen. Sie sollen Organisation und Verfahren regeln und die für die Durchführung des Gesetzes und die Feststellung der Eignung zuständigen Stellen bestimmen. Die besonderen Gegebenheiten an den wissenschaftlichen Hochschulen sollen dabei ausdrücklich berücksichtigt werden. Die Förderung an den wissenschaftlichen Hochschulen soll wie bisher gehandhabt und der Bereich der HochFrau Freyh ({10})
begabtenförderung von diesem Gesetz nicht berührt werden.
Eine Ausnahme in dieser Regelung bilden lediglich die Förderungsmaßnahmen bei Lehr- und An-lernberufen, die unter Berücksichtigung der dort bereits gesammelten Erfahrungen als Pflichtaufgabe der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen werden sollen.
Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Kompetenz insbesondere zu Verordnungen, die die Kosten des Lebensunterhalts und die Einkommensfreibeträge betreffen, ermächtigt. Auf diese Weise ist eine den verfassungsmäßigen Grundlagen entsprechende Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern gewährleistet. Selbstverständlich kam bei den bisherigen Formen der Ausbildungsbeihilfen eine Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über einzelne Bundesländer hinaus nicht in Betracht. Wenn die Ausbildungsförderung einheitlich und hoffentlich auch schnell die qualifiziert ausgebildeten Kräfte in unserem Lande vermehren und die Gleichheit der Chancen aller Jugendlichen sichern soll, so kann dies nur durch ein einheitliches Gesetz erreicht werden.
Die Gesamtsumme der Aufwendungen wird nach Schätzungen jährlich etwa 850 Millionen DM betragen. Sie soll von den Ländern und für den Teilbereich der Lehrlingsausbildung von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung finanziert werden. Der Bund leistet beiden Trägern einen Zuschuß in Höhe von 40 % des Aufwandes. Die geschätzten Mehraufwendungen des Bundes werden pro Haushaltsjahr etwa 60 Millionen DM betragen. Damit wäre aber ein sehr viel effektiverer Einsatz der Bundesmittel gewährleistet, als er mit den bisherigen Förderungsmaßnahmen erreichbar war.
Die Aufwendungen scheinen nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion durchaus vertretbar. Auf das Bruttosozialprodukt des Jahres 1961 bezogen, ergeben sie eine Quote von 3 pro mille. Die bisherigen Aufwendungen der Bundesrepublik für das gesamte Schul- und Hochschulwesen betrugen im Jahre 1959/60 3,6 % des Bruttosozialprodukts. Eine Vermehrung um die notwendigen Mittel der Ausbildungsförderung würde die Bundesrepublik auch weiterhin weit hinter den Aufwendungen beispielsweise der USA mit 4,6 und der UdSSR mit 7,1 % des Bruttosozialproduktes zurückstehen lassen.
Abschließend möchte ich noch einmal zusammenfassen, welche Gründe uns zur Vorlage dieses Gesetzes über die Ausbildungsförderung bewogen haben und worin unsere wesentlichen Vorschläge bestehen.
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode das von allen Fraktionen geforderte Gesetz über Ausbildungsbeihilfen für alle Jugendlichen nicht vorgelegt. Der vermehrte Bedarf an qualifiziert ausgebildeten jungen Menschen kann in absehbarer Zeit nicht mehr gedeckt werden, wenn nicht die Absolventen höherer Ausbildungsgänge beträchtlich zunehmen. Dazu reicht das gegenwärtige
Förderungswesen nicht aus. Eine gesetzliche Neuregelung muß deshalb die Voraussetzungen und Leistungen der Ausbildungsförderung vereinheitlichen, sie außerdem so wirkungsvoll gestalten, daß ein größerer Kreis von jungen Menschen vor allem aus mittleren Einkommensgruppen berücksichtigt werden kann.
Das Gesetz zur Ausbildungsfärderung soll alle Bildungs- und Ausbildungsgänge nach beendigter Volksschulpflicht umfassen, damit sich geeignete junge Menschen auch in den vorbereitenden Ausbildungsstufen entfalten können. In diesem Sinne ist die Ausbildungsförderung unter dem Gesichtspunkt der Angleichung der beruflichen Startchancen und mit dem Ziel der vermehrten Ausschöpfung der Begabungsreserven ein neuer sozialpolitischer Aufgabenbereich. Gerade in der Jugendpolitik aber haben sich die Bedürfnisse für eine produktive Sozialpolitik vermehrt, und es ist an der Zeit, den veränderten Voraussetzungen Rechnung zu tragen.
({11})
Meine Fraktion beantragt, den Entwurf dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen - federführend - und den Ausschüssen für Arbeit und Kulturpolitik sowie dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern und für Arbeit und Sozialordnung nehme ich zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Ausbildungsförderung wie folgt Stellung.
Bereits mehrfach hat die Bundesregierung von dieser Stelle aus die Bedeutung einer Neuordnung der Ausbildungsbeihilfen unterstrichen. Was bei den früheren Anlässen über die Leitgedanken gesagt wurde, die dabei zu verfolgen sind, gilt heute unverändert weiter. Die Arbeiten der drei beteiligten Ressorts haben in einem in gemeinsamer Federführung erarbeiteten Entwurf inzwischen ihren Niederschlag gefunden.
({0})
Die Bundesregierung wird diesen Entwurf den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten,
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sobald die nunmehr anstehenden Erörterungen mit
den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden
und sonstigen Fachverbänden abgeschlossen sind.
({2})
Zum Grundsätzlichen des vorliegenden Entwurfs der SPD ist folgendes zu bemerken.
1. Der Entwurf geht in seiner Grundsatznorm außerordentlich weit, indem er ganz allgemein ein Recht des jungen Menschen auf eine seiner erkennbaren Eignung und Neigung entsprechende Bildung und Berufsausbildung statuiert. Ein derart umfassendes, in seiner Tragweite nicht mehr eingrenzbares Recht muß den Rahmen eines Gesetzes über Ausbildungsförderung sprengen.
2. Nach dem SPD-Entwurf soll die öffentliche Beihilfe offenbar nur gegenüber der zumutbaren Eigenleistung der Eltern, des Ehegatten und des Auszubildenden selber zurücktreten. Die zahlreichen sonstigen Leistungen aber, die von Einzelpersonen, Betrieben, Verbänden, privaten Stiftungen usw. für die Zwecke der Ausbildungsförderung gegeben werden, werden im Entwurf nicht hinreichend berücksichtigt. Dem muß die Bundesregierung widersprechen, weil eine solche Regelung zu einem Abbau aller freiwilligen Leistungen und ihrem Abwälzen auf die öffentliche Hand führen würde. Ein solches Gesetz würde nicht als Anregung, sondern als Hemmnis für die wertvollen Bemühungen freier Kräfte und privater Stellen wirken,
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die wir erhalten müssen und erhalten wollen.
3. Die Bundesregierung hält die im Entwurf der SPD vorgesehene rigorose Aufhebung aller heute bestehenden Regelungen über die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen - seien es nun die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, des Lastenausgleichsgesetzes, des Honnefer Modells usw. - weder für notwendig noch für richtig.
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Die meisten dieser Regelungen laufen ohnehin in kurzer Zeit aus oder verlieren infolge des Herauswachsens der zu fördernden Jahrgänge stark an Bedeutung. Man sollte nicht - trotz des einen oder anderen Mangels - bewährte Einrichtungen einfach preisgeben, sondern es sollte einer Regelung der Vorzug gegeben werden, die das Neue sinnvoll mit dem Bestehenden abstimmt und einen gleitenden Übergang ohne drastische Einschnitte gewährleistet.
4. Der Entwurf der SPD sieht Ausbildungsförderung schlechthin für alle staatlichen und staatlich anerkannten Ausbildungsstätten vor und setzt dabei ganz allgemein nur bloße Eignung voraus. Offentliche Ausbildungsförderung soll nach Meinung der Bundesnegierung gewiß auf breiter Basis helfen und die Bedingungen für den Start in das Berufsleben einander möglichst angleichen. Aber es kann nicht ihr Sinn sein, jede beliebige berufliche Neigung des Einzelnen mit einem Rechtsanspruch auszustatten und nahezu unbeschränkt zu fördern. Ein so übersteigerter Individualismus scheint der Bundesregierung im Blick auf die verpflichtenden Maßstäbe des Gemeinwohls nicht vertretbar zu sein.
({5})
Wir werden uns daher um sachgemäße Grenzen bemühen müssen. Dabei wird unter anderem auch der Standpunkt des SPD-Entwurfs kritisch zu würdigen sein, nach dem jeder Besuch van Berufs- und Fachschulen ohne Rücksicht darauf gefördert werden soll, ob für den gleichen Beruf etwa für weit geringere Kosten eine gleichwertige oder bessere Ausbildung im Betrieb möglich ist. Es wäre falsch, im Bereich der gewerblichen Wirtschaft das bisher vorwiegend betriebsgebundene Ausbildungssystem auf dem Wege über die Ausbildungsförderung einzuschränken.
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5. Die Frage der Einbeziehung der Studentenförderung bedarf noch gründlicher Erwägung, nachdem auch von den Ländern und von der Rektorenkonferenz gewichtige Bedenken gegen eine Einbeziehung des Honnefer Modells in die gesetzliche Regelung der Ausbildungsbeihilfen geltend gemacht worden sind.
6. Die in dem Entwurf vorgesehene Höhe der Leistungen und der Einkommensgrenzen bedarf einer gründlichen Überprüfung. Wenn der Entwurf beispielsweise für einen fünfzehnjährigen Lehrling bei Anwendung der neuen Regelsätze höhere Leistungen vorsieht, als sie gegenwärtig das Honnefer Modell den Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen gewährt, und die Dinge bei Bemessung der Einkommensgrenzen ähnlich aussehen, so muß einer solchen Ausweitung der Förderung aus öffentlichen Mitteln schon jetzt widersprochen werden.
Ich fasse zusammen. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß der Entwurf der SPD erstens zu stark von versorgungsstaatlichem Denken beherrscht wird,
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zweitens dem Abwälzen bisher freiwillig erbrachter Leistungen auf den Staat Vorschub leistet und drittens zu einem übertriebenen Anspruchsdenken verleitet.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Minister, warum hat die Bundesregierung den einstimmig erteilten Auftrag des Bundestages vom 8. April 1959 nicht erfüllt und einen eigenen konstruktiven Plan zur Berufsausbildungsförderung vorgelegt?
Herr Kollege Schellenberg, ich meine, ich hätte eben klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ein Entwurf der Referenten der drei zuständigen 'Ressorts ausgearbeitet ist und nunmehr mit den Ländern und den anderen in Betracht kommenden Organisationen erörtert werden muß. Dieses 'Gesetz, Herr Kollege Schellenberg, wirft eine große Fülle von verfassungsrechtlichen, verfassungspolitischen, pädagogischen, familienrechtlichen, finanzpolitischen und sonstigen ProbleBundesminister Dr. Wuermeling
men auf. Die SPD-Fraktion kann natürlich in einem Initiativantrag schlicht und einfach über diese Dinge hinweggehen. Wir sind aber als Bundesregierung genötigt, uns vor allem mit den Ländern über den gemeinsam zugehenden Weg abzustimmen, unid das ist leider nicht in der kurzen Frist möglich gewesen,
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in der es uns erwünscht gewesen wäre.
Ich 'darf abschließend sagen, die Bundesregierung wird den von den beteiligten Ressorts, wie gesagt, bereits weitgehend fertiggestellten. Entwurf mit Nachdruck weiter fördern und ihn dem Hohen Hause .sobald wie möglich vorlegen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß der sozialdemokratische Antrag in der Begründung mit einigen kritischen Bemerkungen über Regierung verbunden sein würde und daß begreiflicherweise auch an die Aufforderung des Bundestages an die Regierung erinnert werden würde, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Wenn uns aber bis zum heutigen Tage keine Vorlage der Regierung zugegangen 'ist, dann ist das nach unserer Auffassung nicht - wie es soeben in den etwas prononcierten Bemerkungen von Herrn Schellenberg anklang - ein Ausdruck der Saumseligkeit oder eines unverzeihlichen mangelnden Interesses,
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sondern, Herr Kollege Schellenberg, eine Konsequenz oder ein Ausdruck der außerordentlichen Schwierigkeit der Materie, nicht zuletzt auch der schwierigen verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Probleme, die mit diesen wichtigen Fragen 'verbunden sind. Sonst wird ja von Ihrer Seite, Herr Schellenberg, nicht mit 'Ermahnungen und Vorwürfen 'gespart. Wenn wir einmal in einer solchen verfassungsrechtlich schwierigen Frage einen Prozeß verlieren, das Bundesverfassungsgericht feststellt, 'daß diese oder jene vom Bundestag - manchmal auch mit Ihren Stimmen - beschlossene Maßnahme nicht seinen Normenentspricht, dann wird uns 'vorgehalten, daß wir ein politisches Zweckdenken über die rechtlichen Normen setzen. Was in Fällen gilt, in denen die Mehrheit sich aus wohlerwogenen und ihrer Auffassung nach auch rechtlich guten Gründen für eine solche Maßnahme entschlossen hat und wo sie dann eines anderen belehrt wird, das 'sollten Sie auch für Ihr eigenes Verhalten und Ihre eigene Politik gelten lassen.
Die (Bundeskompetenz 'ist für den Bereich der Arbeitsverwaltung der gewerblichen Wirtschaft eindeutig und unbestritten. Ihnen ist aber nicht unbekannt, daß im Bereich des Bildungswesens, der Hochschulen und Schulen bei den Ländern ganz andere Auffassungen vertreten werden. Ich 'darf darauf verweisen, daß der Bundesrat zuletzt noch in seiner Stellungnahme zum Bundeshaushalt 1962, in der Vorlage des Finanzausschusses, die auch mit den Stimmen der sozialdemokratisch regierten Länder verabschiedet wurde, hinsichtlich der Studentenförderung die Auffassung vertreten hat, daß das eindeutig eine Ländersache sei. Dieser Hinweis zeigt, daß man es sich parteipolitisch nicht ganz 'so leicht machen kann. Quer durch die politische Struktur 'der Länder werden ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten. Deshalb ist es erforderlich, daß die Bundesregierung sich mit der gebotenen Sorgfalt und Ausführlichkeit davon überzeugt, ob ein Gesamtentwurf in 'der Breite, Wie Sie ihn anstreben und auch wir im Grundsatz für richtig halten, vom Bundesrat bejaht wird ober ob er nicht schließlich doch mit einem unsicheren Ausgang in Karlsruhe landet, womit wohl niemandem gedient wäre.
Sie haben einige kritische Bemerkungen über den Stand der Leistungen gemacht. Das Bild ist wohl etwas günstiger, als hier anklang und als es nach manchen polemischen Darstellungen in der Offentlichkeit und Publizistik erscheint. Auf Grund der bestehenden vielfältigen, ständig verbesserten Einzelibestimmungen von Bund und Ländern ist 'gerade in den letzten Jahren eine ganz beträchtliche Steigerung der Leistungen zu verzeichnen, und es ist nützlich, einige Zahlen zu nennen. Im Jahre 1959 wurden aus Bundesmitteln oder auf Grund von Bundesgesetzen 340 000 junge Menschen mit 330 Millionen DM individuell in ihrer Ausbildung gefördert. 'Hinzu kommen die Leistungen der Länder, die man nicht genau erfassen kann, die aber wohl an die 150 Millionen DM herankommen.
Es ist interessant, daß über den Bereich 'der Kriegsfolgemaßnahmen hinaus, deren Problematik in der rechtlichen Zersplitterung auch wir kennen, gerade in den letzten zwei/drei Jahren ein Aufkommen der bisher zurückgebliebenen Gruppen festzustellen ist, jener Gruppen, die eben nicht in erster Linie von der Kriegsfolgengesetzgebung erfaßt werden. Wir haben 'bei den Studenten an den Ingenieurschulen in den letzten drei Jahren eine Vervierfachung der Leistungen von 3,3 auf 15,3 Millionen DM und 'bei den Studenten an Pädagogischen Hochschulen, die früher immer etwas im Schatten gestanden haben, in den letzten drei Jahren fast eine Verdreifachung der Leistungen von 7,2 auf 19,3 Millionen DM festzustellen.
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- Aber doch nicht in diesem Verhältnis, Herr Kollege Kahn-Ackermann, doch nicht auf das Vierfache und Dreifache! Sicher ist dabei auch zu berücksichtigen, daß die Studentenzahlen um 30 bis 50 % gestiegen sind. Aber die Leistungen sind eben um 300 oder 400 % gestiegen. Ich sage das nur, damit wir uns über die Grundlagen der Diskussion klar sind, nämlich den Tatbestand, daß über die Kriegsfolgengesetzgebung hinaus auf Grund von praktischen und gesetzgeberischen Maßnahmen in Bund und Ländern bereits eine ganz beträchtliche Vermehrung dieser Leistungen zu verzeichnen ist.
Es ist auch nicht so, wie es in einem sozialdemokratischen Leitartikel heißt - hier klangen diese
Töne erfreulicherweise nicht an, aber man hört sie in der Offentlichkeit -, daß wir mit unseren Leistungen in Westeuropa an letzter Stelle stehen oder daß wir uns mit den Nachbarländern in keiner Weise messen könnten. Vor kurzem ist im Bundesarbeitsblatt ein interessanter Aufsatz von Gerhard Vogel erschienen, in dem dargestellt wird, was die anderen europäischen Länder tun. Danach kommt man zu dem Ergebnis, daß wir bereits deutlich über den Leistungen anderer Staaten wie etwa Belgien, Italien und 'Schweiz liegen.
Im übrigen möchte ich, bevor ich mich den Einzelfragen dieses SPD-Entwurfs zuwende, einmal folgenden Gesichtspunkt betonen. Die nachhaltigste Förderung der Jugend liegt unseres Erachtens in einer richtigen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die der Jugend aus sich heraus und auch mit der Hilfe von Staat und Gesellschaft Chancen gibt. Ich glaube, man darf, wenn so manche zu kritischen und bitteren Töne in der öffentlichen Diskussion dieser Frage anklingen, doch auch einmal sagen: Noch niemals hat eine junge Generation in unserem Lande durch die wirtschaftliche Situation, verbunden mit der Staatshilfe, so reiche Möglichkeiten weitgehend unabhängig von der sozialen Herkunft im beruflichen Leben gehabt wie die heutige junge Generation.
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Ich möchte mich nun bei der ersten Lesung nur ganz kurz einigen Detailfragen dieser außerordentlichen vielfältigen und schwierigen Materie zuwenden. Ich möchte hier folgende These aufstellen, die Sie mir bitte nicht übelnehmen wollen: Der zeitliche Vorsprung der Sozialdemokratie mit ihrer Gesetzesinitiative ist mit erheblichen sachlichen Mängeln erkauft.
Für uns ist zunächst einmal sehr gravierend - und hier scheiden sich offenbar die Auffassungen, das wissen wir aus anderen Diskussionen -, daß der wesentliche Begriff der Eignung, der Qualifikation in den 31 Paragraphen dieses Entwurfs nur einmal auftaucht, nämlich im ersten. Dies kann - es muß nicht sein, aber es kann, und manches, was wir aus sozialdemokratischen Kreisen hören, spricht dafür - eine Preisgabe des bisherigen, weiter zu entwickelnden und zu verbessernden, aber doch im Grundsatz ausgewogenen Systems von Bedürftigkeit und Qualifikation als den wesentlichen Normen für eine staatliche Politik auf diesem Gebiet zur Folge haben. Es bleibt allerdings unseres Erachtens der entscheidende Gesichtspunkt, daß die zumutbare Eigenverantwortung und die Qualifikation die Ausgangspunkte sind, auf die dann die staatliche Hilfe wirkungsvoll folgt. Wenn wir diese Weichenstellung ändern - und einiges in Ihrem Entwurf spricht dafür -, dann hat das tiefgreifende und negative Folgen für unser ganzes gesellschaftliches Leben.
Dies gilt für alle Berufszweige. Es gilt insbesondere für die Hochschulen. Es ist schon von Herrn Minister Wuermeling darauf hingewiesen worden, daß die wissenschaftlichen Organisationen - Rektorenkonferenz, Hochschullehrerverband usw. - erhebliche Bedenken gegen eine Einbeziehung der Studentenförderung in diese Vorlage überhaupt geäußert haben. Ich will auf diese Diskussion im einzelnen nicht eingehen. Ich bin in Übereinstimmung mit dem Sprecher der Bundesregierung der Ansicht, daß die Frage, ob man die Studentenförderung einbeziehen soll, ob man sie nur mit einer Generalklausel berücksichtigen oder ob man etwa auf andere gesetzliche Regelungen auf einer anderen verfassungsrechtlichen Grundlage verweisen soll, erst in den Ausschußverhandlungen mit aller Sorgfalt geprüft und entschieden werden kann. Auf jeden Fall gilt gerade auch für den Bereich der Hochschulförderung - und hier setzt die Kritik der wissenschaftlichen Selbstverwaltungsorganisationen an den Tendenzen Ihres Entwurfs ein -, daß es nicht zu einer Veränderung des im Grunde bewährten Systems, das wir mit dem Stichwort „Honnefer Modell" umschreiben können, also nicht zu einer ungezielten, fast unbegrenzten Breitenförderung kommen darf, die allerdings das Bild unserer Hochschulen negativ auf das schwerwiegendste beeinflussen würde.
Wir sagen dabei ein entschiedenes Ja zu einem systematischen Ausbau der Förderungsmöglichkeiten gerade auch für das Hochschulstudium für Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Hier ist die soziale Struktur noch nicht so positiv - das ist von meiner Vorrednerin mit Recht gesagt worden - wie in einigen anderen westlichen Ländern. Immerhin haben wir eine Verdoppelung der Zahl der Arbeiterkinder an den Hochschulen gegenüber dem Anfang der fünfziger Jahre, allerdings auch im Rahmen einer Steigerung der Zahl der Studierenden überhaupt. Es ist allerdings die Frage, inwieweit es materielle und inwieweit es nicht auch psychologische Gründe sind, die zu diesem verhältnismäßig starken Zurückbleiben bei uns führen; eine Frage, zu der die Soziologen manche Beiträge geliefert haben.
Ein zweiter entscheidender Einwand, den wir zu erheben haben, ist die Nichtberücksichtigung der Leistungen der Wirtschaft, auch der Arbeitnehmerorganisationen, gemeinnütziger Stiftungen und privater Vereinigungen. Das sind so große Leistungen, daß es völlig unerträglich ist, daß wir hier im Parlament einen Gesetzentwurf verabschieden, in dem nicht in wesentlicher Weise auch diese Leistungen gewürdigt, aber auch praktisch in der Gesetzessystematik einbezogen werden.
Schließlich ist zu sagen, daß die finanziellen Auswirkungen außerordentlich schwer abzuschätzen sind. Es wäre einmal interessant zu hören - vielleicht wird das in einer Veröffentlichung dargelegt werden -, wie diese Zahl von 850 Millionen DM, die Sie nannten - vorsichtigerweise auch als eine Schätzung -, im einzelnen berechnet ist. Es gibt, glaube ich, auch von den fachlichen Seiten der Bundesregierung noch keine abschließende Berechnung darüber, was Ihr Entwurf kostet. Ich vermute aber nach den bisher fragmentarischen Unterlagen, die ich habe, daß wir doch auf eine Zahl kommen, die weit über eine Milliarde beträgt. Es kann überhaupt gar kein Zweifel darüber bestehen, daß wir ernsthaft einen solchen Entwurf erst dann beraten können, wenn wir seine finanziellen Auswirkungen
viel deutlicher sehen, als das aus den vagen Schätzungen möglich ist.
Wir müssen uns mit den Sätzen und den Eigenleistungen befassen. Es scheint mir allerdings auch ein Ausdruck einer flüchtigen Arbeit zu sein - zumindest im Detail -, wenn Sie einem fünfzehnjährigen Lehrling einen höheren Betrag zudenken, als ihn heute die Studenten an den wissenschaftlichen Hochschulen bekommen.
Zur Frage der Finanzträgerschaft haben Sie nur knapp, lapidar in etwa zehn Zeilen Stellung genommen. Sie wollen die Bundesarbeitsverwaltung für die Lehr- und Anlernberufe zuständig machen und dann für die schulische Ausbildung, für die Hochschulen die Länder; und der Bundeshaushalt soll dann diesen beiden Trägern 40 °/o zuschießen. Auch wir glauben, daß eine stärkere Beteiligung der Arbeitsverwaltung, eine Erweiterung ihrer Aufgaben ein ernstzunehmender Vorschlag, vielleicht die Lösung für diesen Bereich sein kann. Aber sonst haben wir ernste Bedenken gegen die eindeutige Schwächung der Stellung des Bundes, den Ihr Gesetzesantrag in der Finanzträgerschaft für den schulischen Bereich, den Bildungsbereich und die Hochschulen bedeutet. Die Richtlinienkompetenz - mit Zustimmung des Bundesrates -, die Sie dem Bund zusprechen wollen, kann, dafür gibt es ja viele Erfahrungen auch in anderen Bereichen, ausgehöhlt werden, wenn die Finanzkompetenz so eindeutig auf die Länder fällt - die sie bisher im Bereich etwa der wissenschaftlichen Hochschulen nicht haben - und der Bund im Grunde, entschuldigen Sie den Ausdruck, in die Rolle eines Alimentärs abgedrängt wird. Diese Frage ist mit aller gebotenen Sorgfalt zu prüfen. Wir halten aus den genannten Gründen gerade im Interesse einer einheitlichen Ausbildungsförderung über die Grenzen der Länder hinweg, für die Sie sich ausgesprochen haben, den Weg, den Sie vorschlagen, nicht für richtig.
Ich möchte zum Schluß folgendes sagen. Diese kritischen Anmerkungen sollten die These bestätigen, daß Ihr Antrag sicher eine Reihe von wichtigen und beachtlichen Ansatzpunkten für die weitere Diskussion bietet, daß er aber aufs Ganze gesehen eben doch dadurch bestimmt ist: der zeitliche Vorsprung ist auf Kosten der Qualität gegangen. Der Entwurf ist unfertig und unseres Erachtens mit beträchtlichen, auch mit bedenklichen Mängeln behaftet. Wir haben gehört, daß aus Ihren eigenen Kreisen Kritik geübt worden ist. Ich habe etwa die Stellungnahme des Sozialdemokratischen Hochschulbundes gelesen, der in der Frage der Zuständigkeit für die wissenschaftlichen Hochschulen eine andere Auffassung vertritt, auch in der Frage der gesetzlichen Regelung.
Diese Debatte kann sicher ein Ansporn, sie soll ein Ansporn für Regierung und Parlament sein, sich nun mit Nachdruck diesen Dingen zuzuwenden. Wir hoffen auch - ich verstehe die Ausführungen von Herrn Minister Wuermeling so -, daß die Bundesregierung nach den erforderlichen gründlichen Beratungen mit den Ländern vor allem über die verfassungsrechtliche, verfassungspolitische Seite in der
Tat dem Hohen Hause einen Entwurf zuleitet, der noch bei den Ausschußberatungen Berücksichtigung finden kann. Wir hoffen das um so mehr, als wir aus den genannten Gründen diesen Entwurf, den Sie eingebracht haben, nicht als eine voll befriedigende Basis ansehen können.
Meine Fraktion schließt sich dem Antrag auf Ausschußüberweisung an und bittet, als mitberatenden Ausschuß den Wirtschaftsausschuß hinzuzunehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem Ausbildungsförderung, das wir heute in einer verhältnismäßig kurzen Zeit behandeln, gäbe ein Diskussionsthema für dieses Hohe Haus für mindestens einen ganzen Tag, ohne daß man sagen könnte, wir hätten im Plenum in der ersten Lesung allzu viel Detailfragen vorweggenommen. Seit ,dem Jahre 1955 besteht ein Bundestagsbeschluß, daß die Bundesregierung ein Ausbildungsförderungsgesetz vorlegen soll. Die Fraktion der FDP war bis 1961 in der Opposition. Wir haben uns aber in dieser Zeit gehütet, die Bundesregierung zu rügen, daß sie dieser Forderung nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Wir haben uns damals als Oppositionspartei davor gehütet, weil es uns klar war, wie vielfältig und wie schwierig dieses Gebiet ist, in dem es nicht nur auf dem verfassungsrechtlichen Sektor von neuralgischen Punkten geradezu wimmelt.
Es ist verständlich - und insofern stimme ich dem Kollegen Stoltenberg zu -, daß eine Oppositionsfraktion, die zu diesem Problem einen Gesetzentwurf einreicht, es bei diesem Entwurf auf Kosten der Qualität gehen lassen muß. Andererseits, Herr Kollege Stoltenberg - Sie waren nie in einer Partei, die in parlamentarischer Opposition stand -,
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müssen Sie - und das mildert den Vorwurf - die Schwierigkeiten bedenken, die eine in der Opposition stehende Partei ohne Rückhalt des der Partei angehörenden Ministers und seiner Berater hat. Was soll eine in der Opposition stehende Partei aus dem Wunsch nach Beschleunigung schon anderes machen, als durch Einreichung eines Gesetzentwurfs die Sache zur Diskussion zu bringen, nachdem sie den Weg über einen Antrag, die Regierung möge ein Gesetz einbringen, bereits vor längeren Jahren benutzt hat?
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Aus dieser Haltung heraus, die den Schwierigkeiten der Sache Rechnung trägt, möchte ich ein paar kritische Bemerkungen zum Inhalt des Éntwurfs machen. Ich will nicht behaupten, Herr Kollege Dr. Mommer, daß, wenn unsere Fraktion einen Ent1538
wurf eingereicht hätte, er mit Sicherheit weit, weit besser als der SPD-Entwurf gewesen wäre.
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Das erste Bedenken, das wir haben, ist bereits angedeutet worden. Es betrifft die verfassungsmäßige Zuständigkeit. Meine Damen und Herren, wenn wir die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Bundes in der Frage der Ausbildungsförderung aus Art. 74 Ziffer 7 des Grundgesetzes herleiten, daraus nämlich, daß der Bund Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge erlassen kann, so ist das nicht gerade befriedigend, und auch jedem Nichtjuristen wird es schon gefühlsmäßig nicht sehr einleuchten. Der Empfänger von Fürsorge würde bei einer so weiten Ausdehnung des Begriffs nicht mehr einer sein, dem im Notfall geholfen wird, sondern der Empfang von Fürsorge würde für die meisten der Regelfall. Der traditionelle Begriff der öffentlichen Fürsorge würde völlig gesprengt.
Ich gebe zu, daß man auch nicht gerade sagen kann, daß ein Bundesgesetz über Ausbildungsförderung mit Sicherheit zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gehört, für die nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung zusteht.
Allein deswegen ist der Antrag berechtigt, daß dieser Gesetzentwurf auch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen wird.
Ich bitte das Hohe . Haus, nicht den Fehler zu machen, der im vergangenen Bundestag gemacht worden ist, als man den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes dem Rechtsausschuß nicht überwiesen hat. In diesem Fall sollten wir den Rechtsausschuß unbedingt mitberatend tätig werden lassen.
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Wenn verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, ist auch von seiten der Bundesministerien Behutsamkeit und nicht abruptes Vorgehen erforderlich. Das wollen wir Herrn Bundesminister Wuermeling zugestehen angesichts der Tatsache, daß die Opposition auf einem anderen Gebiet, nämlich in der Frage der Regelung des Notstands, den jetztigen Bundesinnenminister Höcherl für seine Behutsamkeit viel mehr lobt als seinen Vorgänger.
Wir haben die Tendenz in der Bevölkerung, sich oft, viel zu oft auf den Staat zu verlassen. Bei der Beratung dieses Entwurfs muß das Verhältnis zu den freien Trägern, die bisher Ausbildungsförderung geleistet haben, geklärt und genau durchgeprüft werden. Kein Ausbildungsförderungsgesetz darf ungewollt ein Abschreckungsinstitut für Mäzene sein.
Die Studentenförderung ist einer der Kernpunkte des Entwurfs, nicht deshalb, weil die meisten, die unter die Empfänger von Ausbildungsförderung fielen, Studenten wären, sondern deshalb, weil die Regelung für Studenten als Leitbild für viele andere angesehen wird. Deshalb erscheint es richtig und nötig, den Familien- und Jugendausschuß federführend mit diesem Gesetz zu befassen. Die Federführung dieses Ausschusses ist auch aus den pädagogischen Gründen zweckmäßig, die 'der Minister vorhin erwähnt hat, und zwar deshalb, weil staatliche Regelungen Änderungen in der Wertung bringen können, die bestimmte Berufsgruppen in der öffentlichen Meinung genießen.
Ich möchte diesen abstrakten Satz an einem kurzen Beispiel erläutern. Es wäre falsch, und es wäre schlimm, wenn etwa in der Offentlichkeit die Meinung aufkäme, der Absolvent einer höheren technischen Lehranstalt habe eine sozial bedeutend höhere Stellung als einer, der die Meisterprüfung in einem Handwerk bestanden hat, und wenn sich daraus dann die Folgerung ergäbe, daß Leute, die hervorragende Handwerksmeister geworden wären, glaubten, das könnten sie ja nicht werden, denn sie seien zu Höherem berufen und müßten mindestens Ingenieur sein. Wir brauchen auf allen Gebieten gute Leute. Das nur als Beispiel zu dem aufgeworfenen Problem.
Wir geben zu, das Tohuwabohu der Ausbildungsbeihilfen hat dazu geführt, daß wir beinahe noch Ausbildungsbeihilfenberater als Wegweiser durch diesen Irrgarten brauchen. Ob es aber so leicht ist, sozusagen mit einem Schwertstreich zu einer Vereinheitlichung zu kommen, wie es der SPD-Entwurf machen will, das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Wir haben gelinde Zweifel und wollen im Ausschuß genau prüfen, ob diese Zweifel berechtigt sind.
Ein letztes. Die Kammern und Verbände der Wirtschaft haben bisher bei der Berufsausbildung dem Staat eine Menge von Arbeit abgenommen, und für diese Arbeit in den letzten Jahrzehnten sind wir diesen Kammern und Verbänden Dank schuldig. Diese guten Erfahrungen sprechen zumindest prima facie dafür, daß ernsthaft geprüft werden sollte, wieweit diese Kammern und Verbände der Wirtschaft auch bei der Durchführung der Ausbildungsförderung eingeschaltet werden können. Deshalb sollten sich unsere Fachleute auf diesem Gebiet, nämlich die von den Fraktionen in den Wirtschaftsausschuß entsandten Mitglieder, mit dieser Materie befassen.
Der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen hat eine Stellungnahme abgegeben, die vielleicht nicht übermäßig kulant in der Form gewesen ist. In der Sache stimmen wir Freien Demokraten dieser Stellungnahme voll zu, und wenn wir Herrn Minister Wuermeling dieses Kompliment machen, dann ist es um so echter, weil ja das Verhältnis der Freien Demokraten zum Minister Wuermeling in den letzten Jahren nicht durch dauernde Übereinstimmung gekennzeichnet gewesen ist.
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. Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die sozialdemokratische Bundestagsfraktion vor einiger Zeit ihren Entwurf dieses Gesetzes veröffentlichte, hörten wir als erste ReakLohmar
tion der Christlich-Demokratischen Union darauf, wir rennten damit offene Türen ein. Nun, meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat uns heute einen Spalt zu der Kammer ihrer Vorstellungen geöffnet. Aber ich muß sagen, daß das Mobiliar, das hinter dieser Tür an Vorstellungen sichtbar geworden ist, mehr als dürftig und außerdem altmodisch ist.
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Ich darf zunächst ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Herr Bundesminister Wuermeling gesagt hat. Er hat erstens gemeint, der Entwurf der Sozialdemokraten gehe in der Fixierung seiner Grundnorm der Eignung über das Mögliche und Wünschenswerte hinaus. Herr Minister, ich kann mir schlecht vorstellen, daß ein Entwurf wie der von uns vorgelegte unberechtigterweise etwas darüber aussagen könnte, was ohnehin im Grundgesetz und in einer Reihe von Artikeln der Länderverfassungen als Forderung vorgesehen ist. Wir haben nichts anderes getan, als den Versuch gemacht, die entsprechenden verfassungsrechtlichen Normen mit einem konkreten Inhalt zu füllen. Wenn Sie also von einer zu weitgehenden Grundnorm sprechen, müssen Sie diese Polemik gegen die Verfassung richten - was immerhin interessant wäre -, aber nicht gegen den Entwurf, den die Fraktion der SPD vorgelegt hat.
Der Herr Bundesminister hat sich weiter die Feststellung erlaubt, der Entwurf der Sozialdemokraten führe, wenn man ihn annähme, zu einer Behinderung der freien Kräfte. Ich weiß, daß die ChristlichDemokratische Union kein, wie man so schön sagt, „Intelligenzblatt" hat. Aber sie hat eine ihr nahestehende Zeitung für die christlich-demokratischen Studenten, die unter dem Titel „Civis" seit langem erscheint. In der letzten Ausgabe dieser christlich-demokratischen Zeitschrift kann man lesen, der Entwurf der SPD gehe - ich zitiere - „streng nach katholischem Subsidiaritätsprinzip und Elternrecht, gepaart mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes" vor. Meine Damen und Herren, ich möchte wenigstens zu bedenken geben, warum die Redakteure und Mitarbeiter der Ihnen nahestehenden Zeitung - zu Recht - zu einem solchen. Urteil kommen, das ja doch in krassem Gegensatz zu der apodiktischen Feststellung des Herrn Bundesfamilienministers steht.
Drittens darf ich einige Bedenken zu dem machen, was der Herr Bundesminister über einige andere von. ihm und, wie er sagte, offensichtlich von der Bundesregierung im ganzen befürchtete Auswirkungen unseres Gesetzesvorschlages gesagt hat. Er hat einmal davon gesprochen, das Gesetz bewirke einen übersteigerten Individualismus. Etwas später hat er seiner Befürchtung Ausdruck gegeben, es berge versorgungsstaatliche Tendenzen in sich. Herr Kollege Dürr hat sich der Stellungnahme des Bundesfamilienministers angeschlossen. Von besonderem Interesse, Herr Kollege Dürr, wäre es für mich, zu erfahren, was Sie als Freier Demokrat gegen übersteigerte individualistische Tendenzen einzuwenden haben. Wenigstens in diesem Punkt hätte ich eine Abgrenzung gegenüber der Stellungnahme der Bundesregierung erwartet. Abgesehen davon, ist es aber schon terminologisch nicht möglich, beides zugleich zu befürchten. Man kann nicht auf der einen Seite übersteigerte individualistische Auswirkungen und auf der anderen Seite versorgungsstaatliche Tendenzen befürchten.
Lassen Sie mich die Gelegenheit benutzen, eines noch einmal ganz klar zu stellen. Die Sozialdemokraten haben in ihrem Godesberger Programm und im Regierungsprogramm des Jahres 1961, das auch die Grundlage unserer parlamentarischen Arbeit in diesem 4. Bundestag ist, klar gesagt, daß wir einen modernen Sozialstaat wollen. Ein solcher moderner Sozialstaat ist nach unserem Selbstverständnis das Gegenteil eines totalen Versorgungsstaates. Wir wollen eine Politik der Hilfe zur Selbsthilfe und nicht eine Politik, die den Menschen die Eigenverantwortung abnimmt.
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Das Ziel dieses Gesetzes ist es, die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, die Verantwortung für ihr Leben auf Grund bestmöglicher Startbedingungen selber zu tragen.
({2})
Das wollen wir, das verstehen wir unter einem modernen Sozialstaat.
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- Das ist schön. Nur ist es oft so, daß die Einigung über Grundsätze leichter zu erzielen ist als die Verständigung über die konkrete Ausgestaltung.
({4})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schmücker! Wir haben es doch immerhin fertiggebracht, einen Entwurf vorzulegen, während trotz der großen personellen und technischen Vorteile, die der Herr Kollege Dürr der Bundesregierung und der Mehrheitsfraktion attestierte, dieser kompakte Apparat dazu offenbar nicht in der Lage gewesen ist. Das sollten Sie doch immerhin als eine Vorleistung der Opposition anerkennen. Wenn Sie schon eine solche technische Überlegenheit haben und wir Ihnen außerdem noch Arbeit abnehmen, sollten Sie das dankbar begrüßen, meine Damen und Herren.
({5})
Der Herr Bundesminister hat in seiner Antwort auf unseren Entwurf weiterhin gesagt, dieser Entwurf gehe bezüglich der vorgesehenen Mittel weiter als z. B. die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell. Das ist richtig. Wir haben in der Tat die Absicht, bessere Lösungen für die Studenten zu erzielen, als sie das Honnefer Modell vorsieht. Ich entnehme der vorläufigen Antwort des Bundesministers mit Interesse, daß die Bundesregierung offenbar nicht gewillt ist, dieser unserer Absicht zu folgen. Wir werden darüber bei anderer Gelegenheit sprechen müssen.
Ich habe nach der Antwort der Bundesregierung und auch nach dem Diskussionsbeitrag des Herrn Kollegen Dr. Stoltenberg überhaupt den Eindruck, daß die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktion sich sehr wohl der Tatsache bewußt sind, daß die Realisierung der Forderungen unseres Entwurfs z. B. eine sehr weitgehende Vergrößerung der Zahl junger Menschen mit sich bringen könnte, die auf Hochschulen und auf Fachschulen drängt. Daß Sie sich über die damit auf den Bund und die Länder zukommenden finanziellen Belastungen durchaus klar sind, ist offensichtlich; nur müssen Sie uns erlauben, daß wir Sie hier wie bei anderer Gelegenheit vor die Frage der Rangordnung der politischen Ziele in diesem Staat stellen werden.
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- Aber Herr Stoltenberg! Wir haben doch vor ein paar Tagen ein schönes Gespräch gehabt. Erinnern Sie sich daran. Da ergab sich zu später Stunde gewisse Übereinstimmung, die ich jetzt in der Hitze des parlamentarischen Gefechts nicht zerreden will.
Ich möchte noch eine Bemerkung zu dem machen, was Herr Kollege Stoltenberg gesagt hat. Er hat sich auf die Bedenken der Westdeutschen Rektorenkonferenz bezogen, die diese gegenüber einigen Vorstellungen unseres Gesetzentwurfes geäußert hat. Ich freue mich darüber, daß der Sprecher der CDU die Ansichten der wissenschaftlichen Institutionen bei dieser Gelegenheit ernster zu nehmen bereit ist, als z. B. bei den Haushaltsberatungen. Das ist ein Fortschritt. Zur Sache möchte ich meinen, daß wir in den Ausschußberatungen selbstverständlich eingehend z. B. mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz werden diskutieren müssen. Uns liegt sehr daran, hier vorliegende Mißverständnisse auszuräumen; denn ich glaube, daß die meisten der von der Westdeutschen Rektorenkonferenz geäußerten Bedenken entweder auf Mißverständnissen beruhen oder aber durch ruhige sachliche Überlegung aus der Welt geschafft werden können.
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- Entschuldigen Sie, Politiker und Wissenschaftler haben sicher das eine gemeinsam, daß sie beide nicht vor Mißverständnissen geschützt sind. Ich glaube nicht, daß Wissenschaftler für sich in Anspruch nehmen, davon frei zu sein.
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Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat für die Bundesregierung in Anspruch genommen, daß man ihr wenigstens den guten Willen attestieren solle sowie eine sehr sorgfältige Art der Vorbereitung ihres eigenen angekündigten Entwurfs. Er hat damit eine Polemikgegenüber der „saloppen" Art verbunden, mit der seiner Auffassung nach die sozialdemokratische Bundestragsfraktion ihren Entwurf vorbereitet habe. Nun, wir sind darauf gespannt, in den Ausschußberatungen Näheres darüber zu hören, wo und in welchen Punkten eine solche Kritik ansetzen will. Wir sehen dem mit Gelassenheit entgegen. Ihre Vorstellung, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß nach unserem Entwurf ein Lehrling mehr bekommen solle als ein Student, ist durch den Text unseres Entwurfs nicht gedeckt. Insofern muß ich Ihnen 'den Vorwurf machen, daß Sie sich Ihre Kritik zu leicht gemacht haben.
Im übrigen meine ich, daß wir über den guten Willen der Bundesregierung nicht allzu sehr streiten. sollten. Ich möchte Sie dazu an ein dem Franzosen Malraux zugeschriebenes Wort erinnern, wonach es sich in der Politik so verhalte wie in der Kunst: das 'Gegenteil des iGuten sei manchmal nicht das Schlechte, sondern das Gutgemeinte.
({9})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Soweit ich sehe, ist die Auusschußüberweisung zum Teil umstritten. Einig scheint mir das Haus darin zu sein, daß der Antrag Drucksache IV/415 an den Ausschuß für Familien-und Jugendfragen überwiesen werden soll. -Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen.
Einstimmigkeit besteht wohl ebenso darüber, daß der Antrag gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen ist. - Auch .das ist beschlossen.
Sind Sie mit der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit - mitberatend - einverstanden? - Auch das ist einmütig beschlossen.
Dann ist also nur noch die Überweisung an den Rechtsausschuß, an den Kulturausschuß und an den Wirtschaftsausschuß strittig.
({0})
- Kein Widerspruch gegen die Überweisung an den Rechtsausschuß?
({1})
- Dann ist auch Überweisung an den Rechtsausschuß beschlossen.
Damit komme ich zur Frage: Soll der Antrag an den Wirtschaftsausschuß Überwiesen werden?
({2})
- Wer für die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Mehrheit ist dagegen; es wird nicht an den Wirtschaftsausschuß überwiesen.
Sind Sie dafür, daß an den Kulturausschuß überwiesen wird? Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag wird an den Kulturausschuß - mitberatend - überwiesen.
Außerdem wird der federführende Ausschuß gebeten, Mitglieder aus dem Kreise des Ausschusses für Kommunalpolitik und Sozialhilfe zu seinen BeVizepräsident Dr. Jaeger
ratungen hinzuzuziehen. - Auch darüber besteht Einigkeit.
Ich rufe auf Punkt 1'9 b der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufsausbildungsgesetz ({3}) .
Soll der Antrag begründet werden? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den ehrenvollen Auftrag, den Antrag der Fraktion der SPD betr. Berufsausbildungsgesetz, Drucksache IV/354, zu begründen. Um alle Zweifel auszuschalten, mache ich vorweg darauf aufmerksam, daß wir nur 'die rechtliche Gestaltung und Sicherung der betrieblichen Berufsausbildung und gewisse Formen 'der überbetrieblichen Berufsausbildung meinen, 'z. B. die Förderung gemeinsamer Lehrwerkstätten, nicht dagegen die zur Zuständigkeit der Länder gehörige Berufsausbildung in Berufsschulen, Fach-, Ingenieur-und Hochschulen.
Die in der einschlägigen Literatur und Statistik genannten Zahlen über die in 'der Bundesrepublik ständig in betrieblicher Berufsausbildung befindlichen jungen Menschen schwanken zwischen 11/4 und 11/2 Millionen. Ungefähr 400 000 Lehrverträge werden jährlich neu abgeschlossen.
Ich bitte Sie daher inständig, unserem Antrag Ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen und an die Bedeutung, die sich aus diesen Zahlen ergibt, bei Ihren Überlegungen und Ihrer Entscheidung zu denken.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung denkt offensichtlich nicht an 'die Bedeutung der Berufsausbildung für die jungen Menschen, nachdem er seine Mißachtung des Parlaments auch heute wieder durch seine Abwesenheit demonstriert.
({0})
Es geht uns nicht darum, die guten Leistungen in der Vergangenheit bei 'der betrieblichen Berufsausbildung zu unterschätzen. Wir wollen auch nicht die verantwortungsvolle, umfangreiche Arbeit, die die Selbstverwaltungsorgane der Unternehmer bisher geleistet haben, herabsetzen. Sie haben trotz einer veralteten und mangelhaften Gesetzgebung das Mögliche getan. Jetzt heißt es, die ungerechtfertigten Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungszweigen abzubauen. Die Praxis weicht von den geltenden 'Gesetzen ab 'und muß sich immer mehr selber helfen, weil die Gesetzgebung 'den heutigen Verhältnissen nicht mehr genügt. Das ist neben vielen anderen Mängeln 'die Ursache dafür, daß die Staatsbürger den Gesetzen nicht immer den notwendigen Respekt entgegenbringen.
Die Behauptung, 'daß die Gesetzgebung auf dem Gebiete der betrieblichen Berufsausbildung nicht mehr 'den 'Erfordernissen 'der 'Zeit entspricht, sei mit einigen Stichworten begründet: Ausdehnung der Volksschul- und Berufsschulpflicht, fortschreitende Arbeitsteilung in den Betrieben, auch im Handwerk, so daß nicht mehr überall eine einwandfreie, vielseitige Berufsausbildung am \Arbeitsplatz innerhalb der Produktion möglich ist, fortschreitende Verkürzung der Arbeitszeit, Verlagerung vom Manuellen zum Geistigen infolge Mechanisierung, Technisierung, Automation - ursprünglich notwendige Handfertigkeiten werden von Apparaten abgenommen -, dafür schwierigere Aufgaben geistiger Art. Die bisherige Trennungslinie zwischen dem künftigen Hand- und Kopfarbeiter Ist Idamit zerfranst. Beispiel: der Elektriker, der raffinierteste Schaltungen für voll- oder halbautomatische Maschinen und Anlagen herstellen muß.
Die Einsicht, daß die Berufsausbildung rechtlich neu unterbaut werden muß, ist nicht etwa die Idee oder das geistige Eigentum der Antragsteller, sondern sie ist schon 43 Jahre alt. Seit 19,19 wird beraten, geschrieben, gesprochen von 'der Notwendigkeit, auf diesem Gebiet etwas zu tun. 1929 wurde dem damaligen Reichstag der Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes vorgelegt, aber durch die tragische politische 'Entwicklung nicht mehr verabschiedet. Die Naziregierung hat später einen neuen Entwurf veröffentlicht, der - von den braunen Arabesken abgesehen - auf dem alten Entwurf beruhte. Aber auch dieser ist nie verwirklicht worden.
Nach 1945 haben sich Jugendorganisationen, Fürsorgeverbände, Einzelpersönlichkeiten, die Verwaltung für Wirtschaft der Bizone und der Deutsche Gewerkschaftsbund um 'die notwendige Neugestaltung bemüht. Der ganze Leidensweg war bisher umsonst.
Die Lehrverhältnisse der gewerblichen Lehrlinge - das 'sind vorwiegend nur noch ,die Lehrlinge in der Industrie - werden durch die §§ 126 ff. der Gewerbeordnung von 1869, die auf 'die jahrhundertealten Zunftbestimmungen zurückreichen, bestimmt. Die betriebliche Berufsausbildung der jungen Kaufleute richtet sich nach den §§ 76 ff. des Handelsgesetzbuchs von 1897. Für die handwerklichen Lehrlinge wurde zwar in den §§ 17 ff. der Handwerksordnung von 1953 eine Neuregelung geschaffen; das Merkmal dafür ist aber mehr eine Separierung als eine Modernisierung.
Alle sonstigen betrieblichen Berufsausbildungsverhältnisse, insbesondere im öffentlichen Dienst, in der Land- und Forstwirtschaft, in der Hauswirtschaft, bei den Angehörigen der freien 'Berufe wie Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten, Ingenieuren, bei 'den wirtschafts- und steuerberatenden 'Berufen und bei den Maklern, richten sich nach 'den kümmerlichen §§ 611 bis 630 des Bürgerlichen Gesetzbuches, das am 1. 1. 1900 in Kraft getreten ist. Diese Bestimmungen deis Bürgerlichen Gesetzbuches gelten für Dienstverträge sowohl in abhängigen wie in unabhängigen Dienstverhältnissen und nehmen keine 'Rücksicht darauf, daß Lehrverhältnisse nicht nur Dienst-, sondern auch Arbeitsverhältnisse sind, bei denen sich zusätzliche Erziehungs- und Ausbildungspflichten ergeben.
Wir kennen außerdem noch das Berliner Gesetz über die Berufsausbildung, von dem man sagen kann, daß es die wünschenswerte Erfassung aller Berufsausbildungsverhältnisse gebracht hat. Aber leider macht eine Schwalbe noch keinen Sommer.
Das Berliner Gesetz könnte eine brauchbare Vorlage für das von uns geforderte Berufsausbildungsgesetz abgeben.
Außerdem gibt es in Baden-Württemberg ein Gesetz über die Berufsausbildung in der Landwirtschaft von 1959, in Bayern ein Gesetz über die praktische Berufsausbildung in der Landwirtschaft von 1954 und eine bayerische Verordnung über die Berufsausbildung in der ländlichen Hauswirtschaft von 1961.
Es gibt auch einige spezielle Gesetze, z. B. über die Berufsausbildung in verschiedenen Krankenpflegeberufen, und zahlreiche Gesetze, in denen Teilgebiete der Berufsausbildung berührt werden, wie z. B. die Bestimmungen über Berufsberatung im Gesetz über die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Weitere Felder der betrieblichen Berufsausbildung werden ohne Rechtsgrundlage auf Grund Übung, Praxis, Tradition beackert, so z. B. die sogenannte staatliche Anerkennung von Lehr- und Anlernberufen durch das Bundesministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Das würde weiter kein Unglück sein, wenn es nicht dadurch auch viel Unkraut und wilde Auswüchse auf den Feldern gäbe. Es 'wäre reizvoll, die durch nichts gerechtfertigten Unterschiede zwischen den vielen Ausbildungszweigen zu illustrieren. Ich beschränke mich auf einige wenige Beispiele.
Nach einer erst einige Jahre alten Ergänzung der Gewerbeordnung haben im graphischen Gewerbe nur solche Personen das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen, die 24 Jahre alt sind und die Lehrmeisterprüfung abgelegt haben, mit begrenzten Ausnahmemöglichkeiten für den Fall des Todes des Lehrherrn. Das heißt also: Mindestalter, Fachkenntnisse und pädagogische Kenntnisse.
Nach der Handwerksordnung dürfen Lehrlinge nur von Personen angeleitet werden, die 24 Jahre alt sind und die Meisterprüfung gemacht haben, d. h. Mindestalter und Fachkenntnisse.
Nach der Gewerbeordnung, mit Ausnähme des schon erwähnten graphischen Gewerbes, sind keine anderen Bedingungen an das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen geknüpft als die Vorschrift, daß die Befugnis ganz oder auf Zeit entzogen werden kann, wenn wiederholt grobe Pflichtverletzungen oder Tatsachen vorliegen, die sie in sittlicher Beziehung ungeeignet erscheinen lassen, ferner wenn sie wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen nicht geeignet sind.
Im Handelsgesetzbuch sind - mit Ausnahme der auch sonst überall enthaltenen Vorschrift, daß Personen, die nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind, keine Lehrlinge ausbilden dürfen - keine Bedingungen an das Recht zur Berufsausbildung geknüpft. Der Lehrherr ist nur dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der Lehrling in den bei dem Betrieb des Geschäftes vorkommenden Arbeiten unterwiesen wird.
Nach dem Berliner Gesetz müssen die Ausbilder volljährig und fachtechnisch geeignet sein, außerdem sollen sie berufspädagogisch geeignet sein.
Ich frage: Ist ein Mitglied des Deutschen Bundestages der Meinung, daß dieser himmelweite Unterschied durch die sogenannte gewachsene Ordnung berechtigt ist? Daß ein Lehrling im graphischen Gewerbe nur von einem mindestens 24 Jahre alten Lehrmeister angelernt werden darf und daß die Ausbildung von jungen Kaufleuten - hier gibt es ständig die größte Zahl von Lehrverträgen - von jedermann vorgenommen werden kann? Wer morgen auf der anderen Straßenseite einen Krämerladen aufmacht, kann einen Lehrling einstellen ohne Rücksicht darauf, wie alt er selber ist, was er bisher getan hat und was er kann.
Man glaubt Gespenster zu sehen, wenn man manche anderen Vorschriften der Gewerbeordnung anschaut. So heißt es in § 127 Abs. 2:
Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im Hause des Lehrherrn weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden.
Mit anderen Worten heißt das, daß die unter die Gewerbeordnungen fallenden Lehrlinge, die Kost und Wohnung im Hause des Lehrherrn erhalten, auch zu häuslichen Arbeiten herangezogen werden dürfen, obwohl das mit der Berufsausbildung nichts zu tun hat. Allerdings dürfen nach der Handwerksordnung dem Lehrling nur solche Verrichtungen übertragen werden, die dem Ausbildungszweck entsprechen. Nach der Gewerbeordnung ist der Lehrling der väterlichen Zucht, nach der Handwerksordnung der väterlichen Obhut unterworfen. Im Falle unbegründeter Weigerung der Rückkehr in das Lehrverhältnis hat nach § 127 d der Gewerbeordnung die Polizeibehörde den Lehrling zwangsweise in das Lehrverhältnis zurückführen zu lassen.
Wer von solchen mangelhaften, lückenhaften und rückständigen Gesetzen Kenntnis nimmt, kommt zu der Ansicht, daß eine wichtige Vorausetzung für die Existenz der deutschen Bevölkerung vom Gesetzgeber bisher sträflich vernachlässig worden ist.
Am 26. Juni 1958 hat mein leider sehr jung verstorbener Fraktionskollege Heinrich an die Bundesregierung die Frage gerichtet, ob ihr bekannt sei, daß die Lehrlingsausbildung nach dem heutigen Stand nicht mehr den veränderten Bedingungen von Technik und Wirtschaft Rechnung trägt, und ob sie bereit sei, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen, gegebenenfalls bis wann. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Blank, hat damals darauf u. a. geantwortet, daß bereits unter seinem Amtsvorgänger, Herrn Bundesarbeitsminister Storch, Besprechungen mit den beteiligten Ressorts und den Sozialpartnerd geführt und Grundzüge für ein Rahmengesetz vorbereitet worden seien; gegenwärtig sei diese Frage Gegenstand von Verhandlungen, die er vor einiger Zeit mit dem Bundesminister für Wirtschaft wieder aufgenommen habe. Seitdem war nichts mehr von ihm zu hören.
Die 31. Konferenz der Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder vom 3. und 4. November 1960 in Hamburg war der Meinung, daß der Berufsausbildung überwiegend Faktoren der Sozialordnung und Arbeitsmarktpolitik innewohnen. Die bisherigen Regelungen im Rahmen des Gewerbeoder Wirtschaftsrechts seien nicht befriedigend, im übrigen unzulänglich oder überholt. Eine gesetzliche Regelung müsse primär auf die Aufgabe, den Inhalt und das Ziel der Berufsausbildung sowie des Berufsausbildungsverhältnisses abgestellt sein und sich auf die Berufsausbildung in allen Produktionszweigen sowie auf gewerbliche, kaufmännische und Büroberufe einschließlich Hauswirtschaft erstrecken. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wurde durch Beschluß der Länderarbeitsminister und Senatoren für Arbeit gebeten, unter Berücksichtigung dieser gesammelten Erfahrungen für eine zusammenfassende gesetzliche Regelung der Berufsausbildung in privaten und öffentlichen Betrieben des Handels, der Industrie, des Handwerks und der sonstigen Gewerbe, des Verkehrs, der Versorgung sowie in Banken und Versicherungen, bei freiberuflich tätigen Personen und in privaten und öffentlichen Haushaltungen einzutreten und die Vorlage eines entsprechenden Entwurfs zu veranlassen. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Blank, hat darauf wörtlich geäußert, daß er nicht die mindesten Bedenken dagegen habe; der Beschluß könne Anlaß sein, daß die Bundesregierung diese Frage aufgreife. Geschehen ist wieder nichts. Nur das Bundeswirtschaftsministerium hat inzwischen einen Referentenentwurf, der auf eine Änderung der Gewerbeordnung abzielt, in die Welt gesetzt. Wahrscheinlich will das Bundeswirtschaftsministerium den schon historischen Kompetenzkonflikt mit dem Bundesarbeitsministerium durch einen Husarenstreich zu seinen Gunsten entscheiden. Durch diesen Husarenstreich sollen neben Industrie und Handel auch Bergbau, Bundesbahn und Bundespost sowie kommunale Betriebe und das Hilfspersonal der freien Berufe einbezogen werden.
({1})
- Herr Kollege Memmel, die Frage der Berufsausbildung für 1,3 Millionen Menschen, die dauernd, seit Jahrzehnten, in der Offentlichkeit gefordert, aber nicht realisiert wird, muß es wert sein, darüber einmal eine halbe Stunde zu sprechen und all die Fakten offenzulegen.
({2})
Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht so sehr dagegen spreizen, weil das in der Offentlichkeit dann die Untätigkeit auf diesem Gebiet noch mehr offenbaren wird.
({3})
Land- und Forstwirtschaft, einige freie, nicht gewerbliche Berufe und das ganze Handwerk sollen wieder draußen bleiben. Das wäre die sogenannte kleine Lösung. Wir Antragsteller sind der Meinung, daß nicht nur eine Addition alter Vorschriften, sondern eine große Lösung notwendig ist.
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Umfassender Geltungsbereich, Rechte und Pflichten der Lehr-Vertragsparteien, Eintragung und Prüfungswesen, Satzungsrecht der Kammern, staatliche Anerkennung und Streichung der Ausbildungsberufe, arbeitsmarktpolitische Erfordernisse müssen berücksichtigt werden. Wenn das schon früher bedacht und geregelt worden wäre, dann hätten wir wahrscheinlich heute nicht den beängstigenden Mangel an Nachwuchs, z. B. im Lebensmitteleinzelhandel und im Gastgewerbe. Ausbildungsbefugnis, Anerkennung und Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten, Gütestellen, Vergütung und Freizeit, Beendigung des Ausbildungsverhältnisses, Mitwirkung der Gewerkschaften müßten gemeinsam geregelt werden.
Der Berufsausbildung der weiblichen Jugend muß mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
({5})
Die Zahl begabter jugendlicher Hilfsarbeiterinnen ist viel zu hoch. Wir haben zur Zeit 37 % ungelernte Männer, aber 53 % ungelernte Frauen unter den Erwerbstätigen. Das Ausbildungsniveau vieler kleiner Betriebe muß durch überbetriebliche Einrichtungen gehoben werden, etwa durch Gemeinschaftslehrwerkstätten, Ausbildungspläne, Schulung der Ausbilder. Es kommt nicht nur auf die fachliche, sondern auch auf die menschliche, charakterliche sowie auf die pädagogische Eignung an. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Berufsausbildung nicht in erster Linie von dem Gewerbezweig oder dem Zeitpunkt aus, zu dem die dafür geltenden Bestimmungen erlassen wurden, gestaltet werden darf, sondern vom Jugendlichen aus. Er soll in allen Beschäftigungszweigen eine bestmögliche und zuverlässige Berufsausbildung erhalten. Wir wollen in Zukunft keine „Preiszettelabtrenner", sondern junge Kaufleute; wir wollen keine „NurErsatzteilauswechsler", sondern Kraftfahrzeugmechaniker. Wir wollen nicht länger 42 % an- und ungelernte Erwerbstätige. Wir wollen keine auf spezielle Bedürfnisse des Betriebes abgestellte Berufsausbildung, sondern Rücksicht auf die umfassenden Anforderungen, die an eine vielseitig verwendbare Fachkraft zu stellen sind. Wir wollen keine Berufsausbildung in Einmannbetrieben, in manchen Büros und Verkaufsläden, in denen kein Ausbildungspersonal vorhanden ist. Wir wollen die Lehrlinge nicht als billige Arbeitskräfte mißbrauchen lassen in Betrieben, in denen es keine Unterweisung oder gar Betreuung, keine methodische Ausbildung gibt, bei denen die Hauptlast die Berufsschule tragen muß und der Lehrling dem Zufall ausgeliefert ist. Die Spannweite zwischen hervorragender und schlechter Berufsausbildung ist bei uns viel zu groß und muß durch die Ausschaltung ungeeigneter Betriebe abgebaut werden.
Die Besorgnis in der gemeinsamen Erklärung der Spitzenverbände der Unternehmer vom Mai 1962, daß das gegenwärtige System durch eine zentralistische, bürokratische Regelung ersetzt werden soll, ist nicht gerechtfertigt. Es geht uns um das1544
Pohle
selbe, was die Spitzenverbände der Unternehmer in der gleichen Erklärung auch für notwendig halten, nämlich um eine Verbesserung der Berufsausbildung.
Im Namen der .sozialdemokratischen Fraktion lade ich Sie ein, unserem Antrag zuzustimmen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich relativ kurz fassen und hoffe, damit Ihre besondere Aufmerksamkeit einzufangen.
Niemand in diesem Hause verkennt die Bedeutung einer geordneten Berufsausbildung. Für die Wirtschaft, in deren Reihen die weitaus größte Zahl der Auszubildenden steht, ist ein solides Ausbildungswesen die Basis für ein erfolgreiches Wirken überhaupt. Wir haben soeben schon gehört, daß zur Zeit 1,2 bis 1,3 Millionen Jugendliche in den Betrieben der Wirtschaft ausgebildet werden. Aber gerade weil es sich um ein so wichtiges Gebiet handelt, sollte man nur mit äußerster Vorsicht an Reformen herangehen, von denen man noch nicht weiß, wie sie sich auswirken werden.
Selbstverständlich bedeutet die Tatsache, daß die Berufsausbildung, so wie sie sich heute in Deutschland präsentiert, auf eine lange Geschichte und eine große Tradition zurückblicken kann, noch lange nicht, daß sie in allen Teilen unbedingt gutzuheißen ist. Wir haben aber mit der Berufsausbildung in Deutschland gute Erfahrungen gemacht, und das deutsche Ausbildungssystem wird vom Ausland ohne Einschränkung als zweckmäßig, ja als nachahmenswert anerkannt. Ich betone nochmals: das soll nicht heißen, daß wir hier Fehler einfach übersehen dürfen.
Mir scheint aber, daß es sich bei dem vorliegenden SPD-Antrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Berufsausbildungsgesetz vorzulegen, nicht nur darum handelt, Fehler und Unzweckmäßigkeiten auszumerzen. Es geht sicherlich um mehr. Der Gesetzentwurf soll alle, wie es heißt,. zersplitterten gesetzlichen Bestimmungen über die Berufsausbildung nicht nur zusammenfassen, sondern auch vereinheitlichen und der Entwicklung von Technik und Wirtschaft anpassen. Dabei sollen alle Berufsausbildungsverhältnisse und alle Arbeitsverhältnisse in sämtlichen Beschäftigungszweigen erfaßt werden, wobei nach dem Entwurf der SPD sicherzustellen ist, daß auch die nicht in Berufsausbildungsverhältnissen beschäftigten Jugendlichen in ihrem Beschäftigungszweig eine Grundausbildung erhalten.
Besonders bemerkenswert erscheint mir, daß der Gesetzentwurf die Berufsausbildung ausdrücklich als eine öffentliche Aufgabe anerkennen und allen an der Berufsausbildung Beteiligten ein Selbstverwaltungsorgan zur Verfügung stellen will.
({0})
Einen Gesetzentwurf mit so weitgehenden Maßnahmen soll die Bundesregierung bis zum 1. Oktober 1962 dem Hohen Hause vorlegen. Wir von der CDU/CSU-Fraktion stimmen mit der SPD darin überein, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes vorlegen sollte, meinen aber, daß die Frist bis zum 1. Februar 1963 verlängert werden muß.
Wir stimmen aber nicht mit den von der SPD zum Berufsausbildungsgesetz entwickelten Grundsätzen in allen Teilen überein. Ich darf unsere Ablehnung in wenigen Sätzen darlegen.
Die Initiatoren übersehen offenbar, daß es sich bei unserem gegenwärtigen Berufsausbildungssystem um eine Ausbildung handelt, die nach den Bedürfnissen der jeweiligen Sachgebiete gewachsen ist und die Eigenart der verschiedenen Berufszweige, für die ein sachkundiger Nachwuchs zur Verfügung gestellt werden muß, berücksichtigt. Meiner Meinung nach läßt sich kein überzeugender sachlicher Grund dafür vorbringen, die sehr unterschiedlichen Verhältnisse innerhalb der gewerblichen Wirtschaft, aber auch außerhalb der Wirtschaft, beispielsweise in der Landwirtschaft, in der Hauswirtschaft und in vielen anderen Berufen, unter ein Gesetz zu bringen, das das gesamte Gebiet der Berufsausbildung perfekt und komplett regelt.
Bemühungen dieser Art - wir haben es soeben gehört - sind schon in den zwanziger Jahren begonnen worden, ohne daß es bisher zu einem Erfolg auf diesem Gebiet gekommen wäre. Ich habe den Eindruck, daß es ein Zeichen unserer organisationsgläubigen Zeit ist, anzunehmen, daß durch derartige Dinge die Berufsausbildung selbst, auf die es letzten Endes ankommt, verbessert werden kann. Ich sagte schon, daß sich das Berufsausbildungswesen in den verschiedensten Zweigen unserer Volkswirtschaft eigenständig entwickelt hat. Es mußte diese Entwicklung nehmen, um den verschiedenen Anforderungen, die in den zahlreichen und unterschiedlichen Berufen gestellt wurden, gerecht zu werden.
Man darf andererseits nicht verkennen, daß die Berufsausbildung schon heute sich in überschaubaren und übersichtlichen Ordnungssystemen darstellt, die heute untereinander dort verbunden sind, wo es erforderlich erscheint. Was ist mit einer restlosen Erfassung auch des letzten Berufsausbildungsverhältnisses und einer schematischen Vereinheitlichung für die Leistungfähigkeit der Berufsausbildung schließlich erreicht? Eine Gleichschaltung aller Berufsausbildungsverhältnisse würde eine fortschrittliche Entwicklung auf diesem Gebiet nur behindern. Eine fortschrittliche Entwicklung, die sich den wandelnden Verhältnissen der Technik und den veränderten Methoden der Wirtschaft anpaßt, ist dringend notwendig und wird auch gerade von der SPD gefordert. Wie aber sollen Bestimmungen dieser Berufsausbildung, die in das starre Schema eines allumfassenden Gesetzes gepreßt sind, den sichwandelnden Bedürfnissen des Alltags angepaßt werden können? Ein solches Gesetz wäre, abgesehen von seinem Umfang, morgen wieder veraltet, und wir würden die Novellen, die notwendig
wären, um dieses Gesetz praktikabel zu gestalten, gar nicht so schnell verabschieden können, wie es erforderlich wäre.
({1})
- Meine Herren, das liegt aber in Ihrem Antrag. Dann müssen Sie das deutlicher zum Ausdruck bringen.
({2})
Eine sogenannte umfassende Regelung würde lediglich, so meine ich, zu einem Rahmengesetz führen, bei dem die bunte Vielfalt des Lebens in einer geradezu verwirrenden Fülle von Ausführungs- und Durchführungsbestimmungen eingefangen werden müßte.
Die Initiatoren dieses Gesetzes übersehen weiter, daß auch heute schon in erheblichem Umfang eine Anpassung der Berufsausbildungsverhältnisse an die sich wandelnde Technik und Wirtschaft erfolgt, ohne daß dieserhalb der Gesetzgeber bemüht zu werden brauchte. Ich verweise in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Arbeiten der Arbeitsstelle für betriebliche Berufsausbildung, die unter Heranziehung aller fachlichen und regionalen Organisationen 'der Wirtschaft und der Gewerkschaften prüft, ob etwa ein neuer Lehrberuf geschaffen werden kann oder soll, ob ein schon vorhandener Lehrberuf aufgehoben oder verändert werden muß. Durch diese Arbeiten, die unter Beteiligung aller, d. h. der Unternehmer und der Arbeitnehmer, vor sich gehen, werden unmittelbar aus den Erfordernissen der Praxis heraus die Ausbildungsziele den gewandelten Verhältnissen von Wirtschaft und Technik angepaßt.
Der vorliegende Antrag möchte weiter die Berufsausbildung als öffentliche Aufgabe gesetzlich anerkannt wissen und allen an der Berufsausbildung Beteiligten ein Selbstverwaltungsorgan zur Verfügung stellen. Dies deutet darauf hin - ich drücke mich sehr vorsichtig aus: dies deutet darauf hin -, daß die Initiatoren nach neuen Formen der Organisation der Berufsausbildung suchen. Hier möge man bedenken, daß immerhin die heutige Berufsausbildung, so wie sie sich jetzt präsentiert, getragen wird von einer stattlichen Schar von 80 000 ehrenamtlichen Prüfern aus dem Kreise der Unternehmer und der Arbeitnehmer; von 80 000 Prüfern, die sich dieser Aufgabe mit hohem Idealismus widmen. Die Betriebe bringen für die Berufsausbildung jährlich die runde Summe von etwa 2,3 bis 2,5 'Milliarden DM aus eigenen Mitteln auf. Auf 'freiwilliger 'Grundlage werden innerhalb der deutschen Wirtschaft mehr Lehrlinge ausgebildet als in irgendeinem anderen Lande der Welt. Wenn man an neue Organisationen denkt, sollte man nicht dais Maß an ehrenamtlicher Arbeit übersehen, das bei der heutigen Organisation des Berufsausbildungswesens geleistet wird. Es wäre schade, wenn durch eine andere Organisation die Initiative und der ideale Schwung, der jetzt in der Sache liegt, gelähmt würden.
Neben diesen Bedenken gegen die im Antrag der SPD erwähnten Grundsätze zur Neuordnung der Berufsausbildung betone ich aber ausdrücklich, daß gewisse Verbesserungen auf dem hier in Rede stehenden Gebiet durchgeführt werden sollten. So müssen die zum Teil veralteten gesetzlichen Bestimmungen sicherlich zeitgemäßen Erfordernissen von Wirtschaft und Technik angepaßt werden. Es sollten die vertraglichen Grundlagen des Lehrverhältnisses neuzeitlichen Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden. Bei allen Reformen muß an 'dem, so meine ich, bewährten Prinzip der Betriebslehre festgehalten werden.
Die Einheitlichkeit der Berufsausbildung sollte als oberstes Ordnungsprinzip gesichert werden. Dies könnte geschehen durch die staatliche Anerkennung 'der Ausbildungsberufe, durch die (einheitliche Festlegung 'der Lehrzeitdauer, durch einheitliche Festlegung der Berufsbilder und Prüfungsanforderungen und durch einheitliche Regelung des Prüfungswesens. Darüber hinaus sollte im Interesse einer fachgerechten und sachgemäßen Berufsausbildung ungeeigneten Ausbildern und ungeeigneten Betrieben - insofern stimmen wir auch überein - die Ausbildungsbefugnis entzogen werden können, und zwar schneller und besser und wirksamer, als das bisher der Fall war.
Schließlich sollte man bei einer Neuordnung des Berufsausbildungswesens auch davon ausgehen - diese Dinge klangen soeben in den Ausführungen des Sprechers der SPD nicht an -, daß eine nach modernen Grundsätzen durchgeführte Berufsausbildung für die Jugendlichen, für die Gesellschaft, für die Unternehmer und Arbeitnehmer von gleichgroßer Bedeutung ist. Daher sollte u. a. auch den Arbeitnehmern etwa bei der Erarbeitung der Ordnungsmittel für die Ausbildungsberufe oder 'bei der Durchführung des Prüfungswesens und auf anderen Gebieten der Berufsausbildung eine angemessene Mitwirkung auf gesetzlicher Grundlage ermöglicht werden.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß nochmals sagen, wir werden uns für die Annahme des Abs. 1 des Antrages der SPD aussprechen mit der Maßgabe, daß der Termin geändert und hier der 1. Februar 1963 eingesetzt wird. Dagegen bitten wir, den Abs. 2 und den Abs. 3 abzulehnen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies wird sicherlich nicht die letzte Diskussion sein, die wir über die Berufsausbildung zu führen haben.
({0})
Denn dieses Problem ist wohl zu schwierig, als daß seine Lösung sehr schnell über die Bühne gehen könnte. Das zeigt schon die Tatsache, auf die bereits der Begründer hinwies, daß man sich seit vielen Jahren mit der Schaffung eines Gesetzes befaßt.
Die Begründungen für die Schaffung eines Berufsausbildungsgesetzes haben gewechselt. Zunächst brachte man vor, ein solches Gesetz sei aus Gründen
der Rechtssystematik notwendig, auf diesem Gebiet müsse ein einheitliches und übersichtliches Recht geschaffen werden. Zweitens wurde eine sozialpolitische Begründung gebracht, die darauf hinauslief, durch ein solches Gesetz müsse eine volle Mitbestimmung erreicht werden. Schließlich. gab es noch eine sachliche Begründung, die besagte, die Berufsausbildung als solche solle verbessert werden. Dabei entsteht die Frage, ob man die Verbesserung einer Berufsausbildung, die doch vornehmlich im Betrieb erfolgt, überhaupt durch ein Gesetz erreichen kann.
Wir dürfen nicht vergessen, daß - das wurde zum Teil vorhin auch schon angeführt - auf den verschiedensten Gebieten schon ein einheitliches Recht besteht. So haben wir z. B. die Berufsberatung und die Lehrstellenvermittlung im AVAVG niedergelegt. Wir haben die Berufsschulpflicht vereinheitlicht. Wir haben auf dem Gebiete des Jugendarbeitsschutzes eine Reihe von Bestimmungen über Urlaub, gesundheitliche Überwachung und dergleichen für Jugendliche bis zu 18 Jahren geschaffen.
({1})
- Das gehört ja schließlich dazu, daß der Jugendliche im Betrieb gesund ist. In einem weiten Rahmen gehört auch das dazu. Wenn Sie meinen, das gehöre nicht hierher, bin ich darüber sehr befriedigt, zumal ich Ihnen gleich noch etwas dazu sagen werde, Herr Lange.
({2})
Aber lassen Sie mich doch noch einmal geschichtlich zurückschauen. Dazu haben mich Ihre Ausführungen vorhin bewogen. Die Gewerbeordnung aus dem Jahre 1869 - also vor fast 100 Jahren - kannte überhaupt noch keine Definition des Lehrlings. Diese fehlt ja auch bis jetzt völlig. Die Novellierung von 1878 brachte dann allerdings so verstaubte Bestimmungen wie den vorhin angeführten § 127 d. Aber wir wollen doch sagen: wenn diese Bestimmungen auch vorhanden sind, so ist doch von ihnen nicht mehr Gebrauch gemacht worden. Das sind Dinge, die der Vergangenheit angehören. Es ist doch wohl in der Neuzeit nicht mehr geschehen, daß ein Lehrling durch die Polizei zurückgeführt worden ist, wenn er entlaufen war. Diese Dinge sind eben überholt, und deswegen müssen diese Bestimmungen jetzt einmal novelliert werden.
Von entscheidender Bedeutung für die Berufsausbildung war aber das im Jahre 1897 verabschiedete preußische Kammergesetz, das in seinem § 39 den Industrie- und Handelskammern die Befugnis verlieh, Anlagen und Einrichtungen, die die Förderung von Handel und Gewerbe sowie die geschäftliche Ausbildung, die Erziehung und den sittlichen Schutz der darin beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge bezwekken, zu begründen, zu unterhalten und zu unterstützen. Damit ist dieser § 39 des preußischen Kammergesetzes gewissermaßen der Ausgangspunkt für die Selbstverwaltung der Wirtschaft auf dem Gebiete der Berufsausbildung, und die Kammern haben dann auch von dieser Möglichkeit in zunehmendem Maße Gebrauch gemacht.
Eine weitere Ergänzung der Berufsausbildungsbestrebungen auf privatwirtschaftlicher Basis war die im Jahre 1908 erfolgte Gründung des Deutschen Ausschusses für technisches Schulwesen, des sogenannten DATSCH, der im Zuge seiner Arbeit die Berufsbilder entwickelte.
Seit 1920 haben wir dann eine allmähliche überbetriebliche Koordinierung der Berufsausbildung, die sich in der Zusammenarbeit der Handwerkskammern und' der Industrie- und Handelskammern äußert, die diese Berufsausbildung Zug um Zug zum Gegenstand der Selbstverwaltung der Wirtschaft gemacht haben.
Ich möchte hier nicht mehr auf die eben von Ihnen erörterte Begründung für das Gesetz von 1929 eingehen. Aber ich möchte sagen, daß der damalige Entwurf in seiner Art von der Wirtschaft abgelehnt wurde, weil er nämlich nur die Fixierung der bis dahin bestehenden Bestimmungen war, ohne in die Zukunft zu schauen.
Wenn Sie anführten, daß auch in den Jahren nach 1933 ein Berufsausbildungsgesetz nicht zustande gekommen ist, so darf ich Ihnen aus meiner eigenen Kenntnis als damaliger Angehöriger des Reichswirtschaftsministeriums sagen, daß der Gesetzentwurf bis zuletzt fertig war, von allen Ressorts unterschrieben, und dann von damaligen Reichskanzler nicht unterschieben wurde, weil ihm das Gesetz zu lang war. Damit waren die Dinge geplatzt. So ist die Entwicklung gewesen. Wenn nicht plötzlich diese Idee aufgekommen wäre, wäre das Gesetz damals sicherlich verkündet worden, wobei ich allerdings der Meinung bin, daß es zu den ersten gehört hätte, die nach 1945 aufgehoben wurden, weil es typisches nationalsozialistisches Gedankengut enthalten hätte. Diese Dinge gehören also der Vergangenheit an. Ich wollte das nur einmal zur Klarstellung hier sagen.
Erst in den dreißiger Jahren hat. sich gleichwohl aus der Selbstverwaltung heraus das betriebliche Ausbildungswesen verbessert und weiterentwickelt. Wir haben Musterlehrverträge bekommen, die Lehrlingsrollen wurden angelegt und, was ja wohl die Hauptsache ist, es wurde eine auf die Prüfung gezielte Ausbildung vorgenommen und auch die. Ausbildung selbst durch die Prüfung kontrolliert. Damit möchte ich die rechtssystematischen Dinge abschließen.
Bei den sozialpolitischen Überlegungen, die zu dem Verlangen nach einer Reorganisation des Ausbildungswesens durch ein Gesetz führen, geht die Kritik doch wohl darauf zurück, daß man hierbei auch an eine einseitige Bevorzugung der Kammern denkt, was aber keineswegs der Fall ist. Denn wir haben ja auch bereits sozialpolitische Überlegungen und Regelungen der Ausbildung in anderen Gesetzen. In der innerbetrieblichen Gesetzgebung haben wir den § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes, der den Betriebsrat im Betrieb an der Ausbildung mit-beteiligt. Außerdem sind ja auch heute schon alle Institutionen, die an der Ausbildung interessiert sind, bei den Erlassen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister über die Anerkennung von Lehrberufen herausgibt, beiteiligt, nicht nur die KamDr. Imle
mern und die Spitzenorganisationen der Wirtschaft, sondern genauso die Gewerkschaften; mit ihnen werden die Lehrberufe im einzelnen abgesprochen. Warum also hier ein Gesetz, wenn das alles. in dieser Form schon so bestens geht?
Dabei kann man natürlich Überlegungen anstellen, ob es nicht zweckmäßig ist, hier eine bessere Rechtsform als nur einen Erlaß zu finden, nämlich eine Rechtsverordnung.
Auch die Prüfungen haben sich bereits durch die Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer neuzeitlich und fortschrittlich entwickelt und haben, wie doch wohl zugegeben werden muß, mit der Ausbildung für unsere deutsche Wirtschaft erst einmal die Grundlage dafür geschaffen, daß wir durch unsere Wert- und besonders gute Arbeit in der Welt allgemein anerkannt sind. Wenn die Ausbildung nicht in Ordnung gewesen wäre, hätten wir diesen Vorsprung vor anderen Volkswirtschaften nicht erringen können.
Lassen Sie mich etwas zu der Forderung sagen, daß die zersplitterten gesetzlichen Bestimmungen in einem Gesetz zusammengefaßt werden sollen. Soweit es sich um die Berufsausbildung auf verschiedenen Gebieten handelt, sagen wir, auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaft oder etwa um die Berufsausbildung der Bademeister, Masseure, oder technischen Assistentinnen, kommt mir das Zusammenfassen in einem Gesetz ungefähr so vor, als ob ich Äpfel, Birnen, Pflaumen und Pfirsiche in einen Korb zusammentue. Dann habe ich zwar Obst, aber kein einheitliches Gesetz.
({3})
Entscheidend ist doch wohl, daß die Berufsausbildung in den einzelnen Zweigen in Ordnung geht und richtig geregelt ist, nicht, daß man ein großes umfassendes Gesetz bloß um der Perfektionierung willen macht. Man sollte daher wohl davon absehen, das in dieser Form zu tun.
Was soll nun geschehen? Meines Erachtens muß man davon ausgehen, daß das Ausbildungsverhältnis von Lehrlingen nicht, wie hier gesagt wurde, ein Arbeitsverhätlnis, sondern ein Erziehungsverhältnis ist. Das ist der grundlegende Unterschied, mit dem man überhaupt einmal an ein solches Gesetz herangehen muß. Wenn wir nämlich das Lehrlingsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis bezeichnen, werden die bisher bestehenden Formen restlos in ein anderes Gleis gebracht. Daß dabei gearbeitet wird, Herr Lange, ist natürlich klar.
({4})
- Eben, es ist ein Erziehungsverhältnis, kein Arbeitsverhältnis.
({5})
- Darüber werden wir uns sicherlich nicht einig, wenn wir uns auch über manche Dinge sicherlich einigen können.
Vorhin wurde schon von meinem Vorredner, Herrn Kollegen Diebäcker, darauf hingewiesen, was alles von einem modernen Berufsausbildungsgesetz zu verlangen ist. Wir sind der Meinung, daß es hierzu nicht eines Berufsausbildungsgesetzes bedarf, sondern daß eine Novellierung der Gewerbeordnung durchaus ausreicht. Wir hätten heute sicherlich einen solchen Gesetzentwurf gehabt, wenn Sie nicht der Aufnahme in die Tagesordnung widersprochen hätten.
({6})
- Das gebe ich Ihnen auch gern zu. Bloß geht es uns einmal so, wie es Ihnen auch geht, daß die Dinge einfach nicht angenommen werden. Da wir uns aber sowieso darüber einig sind, daß eine Frist bis zum 1. Februar 1963 gesetzt werden soll, werden Sie sicher bis dahin Zeit genug haben, Herr Kollege Schellenberg, diesen Gesetzentwurf sehr eingehend zu studieren und ihn sich zu überlegen.
({7})
- Nein. Wieso? Ich bin doch nicht die Regierung. Diese Frage wird mir öfter von Ihnen gestellt. Daß wir als Regierungspartei vielleicht mit der Regierung ein besseres Verhältnis haben als Sie, ist natürlich klar.
Daraus ergeben sich weitere Folgerungen. Sie sollten uns doch wohl folgendes zubilligen: Sollten Sie einmal hier oben sitzen, dann würden Sie sich genauso in dieser Form fühlen.
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Ich kann es mir daher ersparen, dazu Stellung zu nehmen.
Wir sollten bei der zukünftigen Novellierung der Gewerbeordnung das Hauptaugenmerk darauf richten, daß das, was sich bisher in der Praxis bewährt hat und wie es sich bisher entwickelt hat, in Gesetzesform gebracht wird. Damit werden wir auch einer zukünftigen guten Berufsausbildung zum Wohle unserer Jugend den Weg ebnen.
Herr Abgeordneter Behrendt zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Imle, meinen Sie, daß die 'Verbesserung der ,Berufsausbildung nur durch eine Änderung der Gewerbeordnung zu erreichen wäre?
Der Auffassung bin ich eben nicht. Es gehört nämlich zur Berufsausbildung eine gute innerbetriebliche Durchführung der Berufsausbildung. Ich bin aber nicht der Meinung, daß - man konnte vorhin hier diesen Eindruck bekommen - unsere Berufsausbildung außerordentlliche Mißstände enthielte. Das glaube ich nicht. Mansollte sich vielmehr bei der Berufsausbildung nach den guten Seiten, die wir hier haben, ausrichten. Man sollte nicht, weil, wie das überall im Leben ist,
einige Entgleisungen ,vorkommen, sofort ein Gesetz machen.
Die Novellierung der Gewerbeordnung muß Grundsätze enthalten, kann aber nicht bis ins einzelne gehen. Zu einer Perfektionierung sollten wir dalher hier nicht kommen. Man sollte deshalb der bisherigen Selbstverwaltung, die alles dieses zur Zufriedenheit der deutschen Wirtschaftdurchgeführt hat, auch weiterhin das Vertrauen schenken und sollte nicht durch andere Organe, die man hier eventuell einbauen will. die 'bewährten Kräfte an die Seite stellen. Insbesondere kann man nicht auf die zehntausende von freiwilligen Helfern und Mitarbeitern nicht nur im Betrieb, sondern auch bei der Durchführung .der Prüfungen verzichten.
({0})
- Deswegen sage ich es ja. Ich bin erfreut, daß Sie zustimmen; denn wir haben es auch schon anders gesehen.
({1})
- Ich bin gleich .soweit. - Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, daß man hier keinen Perfektionismus 'betreiben sollte.
({2})
Man sollte hier vielmehr eine Novellierung vornehmen, die den gegenwärtigen Anforderungen gerecht wird.
Sollte man allerdings die Absicht haben - und das will ich auch ganz eindeutig betonen -, über diese Berufsausbildurug zu einem überbetrieblichen Mitbestimmungsrecht zu kommen, dann werden sich hier, das muß ich allerdings sagen, die Geister scheiden. Man sollte sich däher, daher, wenn wir diesen Entwurf und später den Regierungsentwurf haben, sehr eingehend mit diesen Fragen befassen, damit wir zum Wohle unserer Jugend und unserer Wirtschaft das beste aus diesen Dingen herausholen.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen unid 'Herren! Wir beraten hier über einen Antrag, oder von der Bundesregierung verlangt, idaß sie bis zu einem bestimmten Termin einen Gesetzentwurf über Berufsausbildung vorlegen soll. Wir sind uns alle einig darin, daß ein solches 'Gesetz notwendig ist. Wir müssen feststellen, daß die Regierungsbank völlig unbesetzt ist. Wir haben Verständnis dafür, daß unsere Herren in der Regierung viel Arbeit haben. Aber bei einem sie betreffendenPunkt müssen sie hier sein. Soeben hat auch noch der Staatssekretär die Regierungsbank verlassen. Das Haus würde sich selber nicht richtig einschätzen, wenn es sich das bieten ließe. Deswegen beantrage ich nach § 46 der Geschäftsordnung die Herbeirufung des Herrn Ministers für Arbeit und Sozialordnung.
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Meine Damen und Herren, nach § 46 der Geschäftsordnung kann jeder Abgeordnete die Herbeirufung eines Mitgliedes der Bundesregierung beantragen. Der Antrag bedarf der Unterstützung von 30 anwesenden Abgeordneten. Über den Antrag entscheidet der Bundestag mit einfacher Mehrheit. Ich darf zuerst einmal feststellen, ob der Antrag des Kollegen Dr. Mommer von 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. - Das ist nicht zu bezweifeln.
Meine Damen und Herren, wird zu dieser Frage das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Meine Darien und Herren, so wie ich die Geschäftslage überblicke, möchte ich sagen, daß wir doch schon kurz vor Schluß der Beratungen über diesen Punkt stehen. Im übrigen besteht wohl im wesentlichen Übereinstimmung darin, daß dieser Antrag, die Regierung solle einen Gesetzentwurf vorlegen, angenommen werden soll. Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, die Herren herbeizurufen, zumal der Herr Staatssekretär uns vorhin mitgeteilt hat, daß er einer dringenden Einladung des Herrn Bundespräsidenten nachkommen muß. Er hat sich ausdrücklich entschuldigt.
Ich bitte deshalb, von dem Antrag Abstand zu nehmen oder, wenn das nicht möglich ist, ihn abzulehnen.
Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister und der Herr Staatssekretär sind in diesem konkreten Fall aus verständlichen Gründen nicht anwesend. Allgemein ist aber diese Leere der Regierungsbank, wie man sie gelegentlich sieht, zu bedauern. Um diesem Bedauern Ausdruck zu geben, wird die FDP-Fraktion dem Antrag nicht entgegentreten, sondern sich der Stimme enthalten.
Jetzt, glaube ich, wird das Wort zum Antrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer nicht mehr gewünscht. Ich lasse also abstimmen über den Antrag, den Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herbeizurufen. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Wir wollen es etwas eindeutiger feststellen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer zustimmen wollen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir stimmen im Hammelsprung ab. Vizepräsident Dr. Jaeger
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekannt. Für den Antrag auf Herbeirufung des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung haben 129 Abgeordnete gestimmt, dagegen ebenfalls 129;
({0})
35 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten.
Der Antrag ist bei Stimmengleichheit abgelehnt.
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Ich stelle im übrigen fest, daß der Herr Bundesminister der Justiz inzwischen eingetroffen ist, so daß die Regierungsbank jetzt nicht mehr leer ist.
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Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Liehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Erwin Folger hat den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion schon sehr eindringlich begründet. Ich darf mir erlauben, einige Grundsätze dieses Antrags zu erläutern, und dabei auch auf die Ausführungen der beiden Herren Vorredner Bezug nehmen.
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Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe für den Redner bitten. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Wer Privatunterhaltungen für notwendig hält, den bitte ich, sie außerhalb des Saales zu führen.
Mit Recht wurde hier auf die vielfältigen Bemühungen der Wirtschaft verwiesen, die Berufsausbildung zu qualifizieren. Für die sozialdemokratische Fraktion können wir das nur mit Dankbarkeit feststellen. Aber der Ordnung halber darf ich hinzufügen, daß, wenn hier von solchen Bemühungen der Wirtschaft die Rede ist, nicht nur die Arbeitgeber, sondern selbstverständlich auch die Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretungen gemeint sein müssen.
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Meine Damen und Herren, Sie stimmen sicher mit uns überein, daß wir mit Zunftvorstellungen der heutigen Wirklichkeit nicht mehr gerecht werden können. Wir alle miteinander sind daran interessiert, die Berufsausbildung so einwandfrei und so vorbildlich wie nur irgend denkbar zu praktizieren. Das heißt aber auch, daß die Bedeutung der Berufsausbildung ein Ressortdenken, welcher Gruppe und Institution auch immer, nicht mehr zuläßt. Berufsausbildung in unserer Zeit muß als eine uns alle verpflichtende öffentliche Aufgabe angesehen werden.
Nur so ist es letzthin auch zu verstehen, daß nach der Handwerksordnung z. B. die Handwerkskammer ganz wesentliche Funktionen im Bereich der Berufsausbildung zu erfüllen hat. Ihr ist der Status „Anstalt des öffentlichen Rechts" verliehen worden. Wir wissen auch alle, daß gleiche Prinzipien für den
Bereich der Industrie- und Handelskammern zu Grunde gelegt worden sind. Der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber wollte damit unter anderem sicher auch die Institutionalisierung der Berufsausbildung als eine alle Beteiligten zusammenführende und damit übergeordnete Aufgabe feststellen.
Wir wissen, daß das Prinzip der Selbstverwaltung eine ganz entscheidende Rolle spielt. Es ist schon sehr deutlich geworden, daß dabei in der Tat erhebliche Schönheitsfehler zu verzeichnen sind. Jeder weiß, daß in der Vollversammlung der Handwerkskammer zwei Drittel Arbeitgeber- und ein Drittel Arbeitnehmervertreter sind. Jeder weiß, daß im Gegensatz dazu der Ausschuß für Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer zwar die Parität hat, daß aber in der Vollversammlung der Handelskammer, dort, wo die letzte Entscheidung fällt, nicht ein einziger Arbeitnehmervertreter Sitz und Stimme hat.
Wir müssen deshalb mit Bedauern feststellen, daß den Kammern zwar der Status „Anstalt des öffentlichen Rechts" verliehen worden ist und daß sie damit bestimmte hoheitsrechtliche Funktionen im Interesse des Gemeinwohls zu erfüllen haben, daß sie aber dieser Verpflichtung nur unzureichend entsprechen können. Denn obwohl hier Arbeitnehmerinteressen in ganz erheblichem Maße berührt werden, findet das nur sehr ungenügend Ausdruck in der Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Organen dieser Anstalten. Lassen Sie mich bitte hier sehr freimütig hinzufügen: Von einer echten Selbstverwaltung im Sinne einer gleichberechtigten Mitwirkung kann keine Rede sein. Man muß hier mit Fug und Recht feststellen, daß sogar das demokratische Prinzip der Sozialpartnerschaft durch die Konstruktion, wie wir sie heute vorfinden, erheblich verletzt wird. Verstehen Sie bitte recht, meine Damen und Herren, hier liegen wesentliche Ansatzpunkte für die Kriterien, die wir zur Handhabung der Berufsausbildung vorbringen.
Es wäre jedoch völlig verfehlt, daraus etwa schlußfolgern zu wollen, daß es uns dabei im wesentlichen nur auf organisatorische Änderungen im Bereich der Berufsausbildung ankomme. Ganz im Gegenteil, im Wandel der Zeiten, einer sich tagtäglich ändernden Arbeitswelt kann man einfach nicht erwarten, daß die Berufsausbildung davon völlig unberührt bleibt. Eine ständige Überprüfung der Form, des Inhalts und auch der Methode der Berufsausbildung ist nach unserem Dafürhalten unerläßlich
({1})
und bedingt .auch eine Neuordnung der gesetzlichen Grundlagen.
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- Aber lieber Herr Kollege, Sie sollten nicht auf dem verkehrten Bein hurra schreien, sondern mich ausreden lassen. Dann werden Sie merken, wo die entscheidenden Lücken in der Aussage des Herrn Kollegen Diebäcker - im Gegensatz zu unserer
L) Auffassung - liegen. Denn ich habe geschlußfolgert, daß eine ständige Überprüfung der Berufsausbildung auch eine Neuordnung der gesetzlichen Grundlage beinhaltet. Wer wollte es leugnen? Wir haben gerade aus dem Munde des FDP-Vertreters gehört, welche Auffassung seine Fraktion vertritt: daß in diesem hochindustrialisierten 20. Jahrhundert, im sogenannten Atomzeitalter die Gewerbeordnung aus dem Jahre 1869 - um deren Novellierung es doch einem Teil des Hauses offensichtlich geht - ebenso wie das Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1892 weiß 'Gott reichlich antiquiert sind.
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Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister, wie wir hörten, durch Hinzuziehung der Sozialpartner die Absicht bekundet hat, bei diesen Gesetzen - was die Sachbezüge zur Berufsausbildung anlangt - durch Änderungsgesetze die Spinnweben zu beseitigen, dann unterstellen wir zwar die gute Absicht, aber wir sagen ganz eindeutig: das ist ein Versuch am verkehrten Objekt. Bedeutsam an der ganzen Sache ist nur eines - was auch der Herr Bundeswirtschaftsminister damit deutlich macht -: daß die Dringlichkeit der gesetzlichen Neuordnung der Berufsausbildung anerkannt wird. Denn sonst hätte er nicht die Sozialpartner mit der Novellierung der Gewerbeordnung , befaßt.
Aber wenn dem so ist, dann sollten wir uns schließlich durchringen und verstaubte Gesetze einer vergangenen Epoche ruhen lassen, weil sie schließlich ihren Zweck erfüllt haben. Heute kommt es darauf an, etwas Vernünftiges zu schaffen. Insofern ist auch die durch den CDU-Sprecher zum Ausdruck gekommene Bereitschaft, unserem Antrag im Prinzip zuzustimmen, ein außerordentlich erfreuliches Zeichen.
Aber Sie werden zugeben, daß es nicht nur darauf ankommt, gewissermaßen die Überschrift, die da lauten soll „Berufsausbildungsgesetz", zu erfinden oder ihr zuzustimmen, sondern daß es ganz entscheidend darauf ankommt, auch die Grundzüge der Berufsausbildungsgesetzgebung in ihrer Tendenz zu charakterisieren. Gerade darum geht es uns, die wir Wert darauf legen, daß die Bundesregierung unsere Auffassung in den Grundzügen kennenlernt.
Gehen wir bitte nicht daran vorüber, daß schließlich auch in den uns umgebenden Ländern bestimmte Entwicklungen weiter vollzogen worden sind. Dort wurden bereits auf die jeweiligen Strukturen zugeschnittene Berufsausbildungsgesetze geschaffen. Mancher in diesem Kreise mag sie vielleicht nicht akzeptieren. Sie sind auch ganz gewiß nicht immer vergleichbar mit dem, was wir in unserem Lande wollen. Aber übersehen darf man die Entwicklung in den uns umgebenden Ländern nicht.
Wer von Ihnen jedoch nicht liebt, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, kann sich auch in unserem eigenen Land umsehen. Er kann zur Kenntnis nehmen, welche Einschätzung das Berliner Berufsausbildungsgesetz, das seit 1951 in Kraft ist, gefunden hat. Ich darf aus eigener über zehnjähriger Mitarbeit - auch im Beirat für Berufsausbildung beim Senator für Arbeit und Sozialwesen feststellen: dieses Berliner Berufsausbildungsgesetz hat sich bewährt. Es sind beispielhafte Einrichtungen der Berufsausbildung entwickelt worden, und auch das Prinzip der Ehrenamtlichkeit hat letztlich jede nur mögliche Förderung erhalten. Es wurden Erfahrungen gesammelt, die zur Intensivierung und Verbesserung der Berufsausbildung führten. Manche Experimente konnten durchgeführt werden, die letzten Endes einer positiven Weiterführung der Berufsausbildung dienlich waren. Auch das muß gesagt werden: immer gab es eine kollegiale Zusammenarbeit aller Beteiligten, nie gab es in diesem Kreise Kampfabstimmungen. Daraus mögen Sie ersehen, daß Parität letzten Endes kein Hinderungsgrund ist, Maßnahmen zu realisieren, die schließlich auch - wie es so schön heißt - der Wirtschaft dienlich sind.
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Seit langem ist es jedenfalls der Wunsch der Berliner, daß der Deutsche Bundestag ein modernes, umfassendes und bundeseinheitliches Berufsausbildungsgesetz verabschiedet, das sich die positiven Berliner Erfahrungen zu eigen macht. Sie wissen, daß es an Bemühungen für ein solches Gesetz nicht gemangelt hat. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat schon 1959 und jetzt erneut dem Deutschen Bundestag einen Entwurf unterbreitet, und wir müssen zugeben, daß es dem DGB dabei nicht leicht gemacht worden ist. Solange er nur die Forderung nach einem Berufsausbildungsgesetz ganz allgemein erhob, hieß es: Ja, aber das ist doch viel zu allgemein gehalten. Als dann ein konkreter Entwurf vorgelegt wurde, sagten die Kritiker: Das ist ja viel zu detailliert, viel zu umfassend.
Aber wie dem auch sei, dieser Entwurf ist sicher an einigen Stellen korrekturbedürftig; aber insgesamt ist er es wert, in die anstehenden Beratungen miteinbezogen zu werden.
Nun lassen Sie mich bitte noch ein Wort zur Berufsausbildung unter internationalen Aspekten sagen, weil das schließlich auch - wie wir meinen - ein wesentlicher Bestandteil unseres Antrages ist. Die Erkenntnis wächst jetzt zunehmend, daß Bildung und damit auch Berufsausbildung ein ganz entscheidender Faktor des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ist, und wir sind der festen Überzeugung, daß wir dem wachsenden Konkurrenzkampf sowohl in politischer als auch gerade in wirtschaftspolitischer Hinsicht nur bestehen können, wenn bereits heute durch Schule und Berufsausbildung - darauf kommt es mir an; und Berufsausbildung im weitesten Sinne des Wortes - der Grundstein für ein umfassendes Wissen gelegt wird.
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Wir halten es für sehr begrüßenswert, daß das Internationale Arbeitsamt im Juni vergangenen Jahres eine Empfehlung von Berufsausbildungsgrundsätzen beschlossen hat. Natürlich war diese Empfehlung, da es sich dabei um weltweite Maßstäbe handelt, die zur Anwendung kommen sollen, allgemeiner gehalten als das, was in den Grundsätzen der EWG beschlossen worden ist. Aber das mindert
ja nicht den Wert solcher Empfehlungen. Die EWG-Kommission hat schließlich im April 1961 Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung verabschiedet, die im wesentlichen auch vom Europäischen Parlament sanktioniert worden sind.
Diese Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung im Bereich der EWG scheinen mir so bemerkenswert, daß ich um die Erlaubnis bitte, hier etwas zitieren zu dürfen, um so mehr, als der Herr Kollege Diebäcker die Vorbildlichkeit der Berufsausbildung in Deutschland auch für andere Staaten hier besonders herausgestellt hat. Es heißt dort:
Die Berufsausbildung ermöglicht es, die Verteilung der erwerbstätigen Bevölkerung auf die einzelnen Wirtschaftszweige ständig den Erfordernissen der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Sie bildet die Grundlage für eine dynamisch aufgefaßte Beschäftigungspolitik, welche die allgemeine wirtschaftliche Entwicklungstendenz und die Weiterentwicklung der technologischen Produktionsbedingungen durch Bereitstellung der erforderlichen Arbeitskräfte verstärkt.
Und an anderer Stelle:
Die erforderliche Abstimmung zwischen dem festgestellten Bedarf und den Berufswünschen der Schüler, Lehrlinge und gegebenenfalls 'der Erwachsenen muß Aufgabe (der Berufsberatung sein. Damit ist
-so heißt es hier die Berufsberatung in einem weiten Sinn zu verstehen. Sie muß die Ermittlung der persönlichen Eignung und die Unterrichtung über (die Wege der Berufsausbildung und die Berufsaussichten einschließen und sich schließlich auch damit befassen, die zweckmäßigsten Neigungen zu wecken und zu fördern.
Um Fehllenkungen zu vermeiden,
- und nicht zuletzt bitte ich Sie, mir besonders Gehör zu schenken muß bis in die örtlichen Stellen für ein enges 'Zusammenwirken zwischen der Vorausschätzung der Lage auf Idem Arbeitsmarkt und einer derartig als Berufslenkung verstandenen Berufsberatung gesorgt werden, da es nur allzu häufig vorkommt, daß 'sich bei (der Ermittlung des Arbeitskräftebedarfs in einigen Bereichen herausstellt, daß 'die Zahl der Ausgebildeten weit über den Bedarf hinausgeht.
Ich (darf noch einmal sagen, damit es keine Mißverständnisse gibt: Das ist keine Feststellung, (die wir als sozialdemokratische Fraktion treffen, sondern das ist die Zitierung einer ,Empfehlung der EWG-Kommission, die vom Europäischen Parlament sanktioniert worden ist.
Gestatte n Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Wenn so verfahren wird, wie Sie es vorhaben, wollen Sie dann eine neue Organisation bis in die einzelnen Orte herunterschaffen?
Wenn Sie mir noch eine Weile Ihr Ohr leihen, werden Sie hören, was wir dazu zu sagen haben. Ich darf aber 'schon an dieser Stelle sagen, daß 'wir nach wie vor 'die betrieblich orientierte Berufsausbildung für richtig halten. Vielleicht ist das eine Teilantwort auf Ihre Frage.
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- Ich halbe Verständnis (dafür, daß Sie sich ein wenig aufgerührt fühlen.
Ich (darf noch einmal sagen: Das sind Feststellungen, die die EWG-Kommission getroffen hat. Wir dürfen uns nicht zu einer Überschätzung (dessen verleiten lassen, was sich im Bereich der Berufsausbildung in unserm Lande vollzieht, nachdem wir spüren, in welchem Maße und mit welcher Klarheit 'im supranationalen Raum eine Neuordnung der Berufsausbildung gewollt ist.
Eines ist ganz offensichtlich für uns: daß wir selbst alle Veranlassung haben, wollen wir nicht ins Hintertreffen geraten, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, auf denen eine koordinierende Zusammenarbeit aller an der Berufsausbildung Beteiligten möglich ist.
({1})
Zu dieser Bestandsaufnahme muß auch die Frage gehören, ob wir eigentlich bei der Förderung des beruflichen Nachwuchses verantwortungsbewußt genug vorgehen. Lassen Sie mich einige Zahlen dazu nennen, die sich auf 'das Jahr 1961 beziehen. Wir haben es mit rund (1,3 Millionen jungen Menschen zu tun, die sich in .einem Berufsausbildungsverhältnis befinden. Davon entfallen 750 000 auf Industrie und Handel mit 491 Lehr- und Anlernverhältnissen unid 450 000 auf den Bereich des (Handwerks mit 137 Lehr- und Anlernverhältnissen. Nach Schätzungen, die sich auf Repräsentativerhebungen und andere Untersuchungen der vergangenen Jahre stützen, werden von den etwa 1,3 Millionen Berufsausbildungsverhältnissen innerhalb eines Ausbildungsganges von drei Jahren - wenn wir das einmal als den Regelfall zugrunde legen - etwa 400 000 junge Menschen in Lehr- und Anlernberufen ausgebildet, 'in denen sie nach 'bestandener Lehrabschlußprüfung nicht tätig bleiben, ja, ich müßte 'sagen, nicht tätig bleiben können. Das heißt, daß jährlich etwa 130 000 Jugendliche 'nicht so ausgebildet werden, wie es volkswirtschaftlich erforderlich ist.
Sie werden mir zugeben, auch wenn Sie sich vielleicht nicht so intensiv mit diesen Fragen befassen: Was hier an Fehlinvestitionen zu verzeichnen ist - jenseits der menschlichen Entsagung, von Kummer und Verdruß - ist auch volkswirtschaftlich nicht länger zu vertreten.
({2})
Wir folgern daraus, daß es in unser aller Interesse erforderlich ist, den Nachwuchsbedarf zu erforschen und - natürlich, um nicht mißverstanden zu werden, unter Beachtung der Grundgesetzbestimmungen über die Freizügigkeit - eine gezielte Berufsausbildung und -beratung durchzuführen, die solche Fehlinvestitionen wenigstens auf ein vertretbares Mindestmaß zu reduzieren in der Lage ist. Vielleicht wäre auch hier ein übergeordneter Ausschuß für Berufsausbildung auf Bundesebene - ein Vorschlag, wie er im Entwurf des Deutschen Gewerkschaftsbundes enthalten ist - ein Ansatzpunkt dafür, Hand in Hand mit den sonstigen Überprüfungen im Bereich der Berufsausbildung zukunftsweisend zu wirken.
Wir sehen also, wie vielfältig die Ansatzpunkte sind, die eine Neuordnung der Berufsausbildungsgesetzgebung erfordern. Lassen Sie mich unmißverständlich sagen: Wir wollen mit einem Berufsausbildungsgesetz keinen gesetzlichen Perfektionismus. Wir wollen keine Verstaatlichung der Berufsausbildung. Wir bejahen nach wie vor die betriebsbezogene Berufsausbildung. Bei allen Neuerungen, die wir anstreben, soll die Kontinuität gewahrt bleiben, die sich vor allen Dingen auch aus den gute Traditionen der Berufsausbildung in unserem Lande ergibt. - Ich möchte meinen, daß gerade auch die letzten Feststellungen keineswegs abwegig sind, daß wir uns im Gegenteil eigentlich sehr rasch auf diesen gemeinsamen Nenner verständigen müßten.
Nun haben wir gehört, daß die Regierungsparteien eine Verlängerung der Frist für die Vorlegung des Berufsausbildungsgesetzes bis zum 1. Februar 1963 verlangt haben. Dieses Verlangen scheint uns nicht ganz gerechtfertigt zu sein; denn - Sie müssen sich das freundlicherweise immer wieder anhören - die Forderung nach einem Berufsausbildungsgesetz ist nicht neu. Mein Kollege Folger hat schon auf die 31. Arbeitsministerkonferenz vom November 1960 Bezug genommen, in der das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung um die Vorlegung eines solchen Gesetzes gebeten worden ist. Seitdem sind zwei Jahre verstrichen. Hier hätte man gewiß Vorbereitungen treffen können, zumal sich auch beim Einblick in die Protokolle zurückliegender Sitzungen dieses Hauses ergeben hat, daß es eigentlich quer durch alle Fraktionen eine Stimmung dafür gab, mit dem ständigen Flickwerk, so wohl-gemeint es auch sein mag, aufzuhören und eine Überprüfung vorzunehmen, die ihren Ausdruck in einer Erneuerung der gesetzlichen Grundlagen finden sollte.
Aber da wir natürlich auch sehr daran interessiert sind, es schließlich mit einem guten Gesetz zu tun zu haben, stimmen wir nach der Devise: „Was lange währt, wird gut" trotz mancherlei anderer Bedenken diesem Wunsch auf Fristverlängerung zu.
Im übrigen erfüllt es uns als sozialdemokratische Fraktion mit großer Genugtuung, daß Sie unserem Antrag die prinzipielle Zustimmung geben wollen. Wir legen jedenfalls den allergrößten Wert darauf, neben der Einführung und neben dem Prinzip, das im ersten Satz des Antrags enthalten ist, auch die übrigen Punkte 1 bis 6 beizubehalten. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich sage: Ihr Vertrauen in die Bundesregierung in allen Ehren, aber wir wollen schließlich nicht darauf verzichten, die Bundesregierung wissen zu lassen, was das Parlament für richtig hält. Wir hätten uns auch sehr darüber gefreut, wenn neben der Streichung zweier Positionen - Sie haben das anklingen lassen - andere, positive Ergänzungen dem Hause vorgelegt worden wären. Die sozialdemokratische Fraktion jedenfalls hat sich auf diese sechs Punkte beschränkt. Wir haben ganz bewußt darauf verzichtet, einen eigenen Entwurf einzubringen, immer um im Interesse der Sache einen gemeinsamen Nenner zu finden und uns nicht in allzuviel gesetzliche Einzelheiten zu verlieren.
Zum Schluß darf ich folgendes sagen. Wir wissen, daß ein solches Gesetz ganz gewiß nicht das allein seligmachende ist. Aber die Beseitigung vielfältiger Rechtszersplitterung, die Schaffung gleicher Grundsätze für alle Auszubildenden, eine in die Zukunft zielende Modernisierung und Intensivierung der Berufsausbildung und nicht zuletzt auch die Errichtung einer Selbstverwaltung auf paritätischer Basis unter Beteiligung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, kurzum, eine Verbesserung der Berufsausbildung in gemeinsamer Verantwortung aller Betelligten wäre nach unserem Dafürhalten ein ganz entscheidender Schritt vorwärts. Wir dürfen Sie darum bitten, unserem Antrag einschließlich der Punkte 2 und 3 zuzustimmen.
({3})
Melden sich weitere Mitglieder des Hauses zu diesem Punkt zum Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, punktweise abzustimmen.
Zunächst kann ich wohl die Feststellung treffen, daß das ganze Haus - auch die Antragsteller - damit einverstanden ist, daß statt des Datums „1. Oktober 1962" das Datum „1. Februar 1963" eingefügt wird.
Dann stimmen wir zunächst einmal über die einzelnen Punkte 1 bis 6 und dann über das Ganze ab.
({0})
- Ich bitte um Entschuldigung, ich habe nicht die ganze Verhandlung miterlebt. Es soll also über den ganzen Absatz abgestimmt werden, nicht über die einzelnen Ziffern? - Gut, ich weiß jetzt Bescheid.
Dann stimmen wir also zunächst ab über den Absatz:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Februar 1963 den Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausbildung ({1}) vorzulegen.
Wer dafür ist, gelbe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Vizepräsident Dr. Schmid Nun Absatz 2,
({2})
der beginnt „Der Gesetzentwurf soll" und endet „berücksichtigen".
({3})
- Wir stimmen über den ganzen Rest ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Das zweite war die Mehrheit; dieser Teil des Antrages ist abgelehnt.
Nunmehr müssen wir über das Ganze abstimmen.
({4})
- Ich weiß es; aber es könnte ja sein, daß jemand mit dem Torso nicht zufrieden ist und dagegen stimmt, obwohl er für den ersten Absatz gestimmt hat. Die Logik ist eine komplizierte Sache, Herr Kollege Stingl!
,({5})
Wer also dem Antrag in seiner jetzigen Form zustimmen will, der gebe das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle 'einstimmige Annahme fest.
Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Punkt 20:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Sozialversicherungsrechts im Saarland an das im übrigen Bundesgebiet geltende Recht ({6}) ({7}).
Das ist eine erste Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Der Vorschlag des Ältestenrats ist es, die Vorlage an den Ausschuß für 'Sozialpolitik zu überweisen. - Kein weiterer Antrag? - Kein Widerspruch? - Dann ist so 'beschlossen.
Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung 'des- Antrags der Fraktion der SPD 'betreffend ausländische Arbeitskräfte in der Bundesrepublik ({8}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Gerlach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Erfahrungsbericht der Bundesanstalt in Nürnberg vom April 1962 über die Anwerbung und Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer 'wird festgestellt, daß seit Beginn dieses Jahres 81 400 ausländische Arbeitnehmer durch die deutschen Kommissionen im Ausland angeworben wurden. Darunter befinden sich 51 400 Italiener, 15 300 Spanier, 10 800 Griechen und 3900 Türken.
Zur Zeit sind rund 620 000 Ausländer in der Bundesrepublik beschäftigt. Diese Zahl wird voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres auf rund 700 000 steigen, davon etwa die Hälfte aus dem EWGRaum. Mehr als 90 % der in der Bundesrepublik beschäftigten Ausländer stammen aus den OECD-Staaten. Nach der Arbeits- und Sozialstatistik des Bundesministers für Arbeit vom 31. Januar 1962 sind in der Bundesrepublik rund 17 300 Jugoslawen und annähernd 22 000 Arbeitnehmer aus außereuropäischen Ländern registriert.
Bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von rund 21 Millionen Arbeitnehmern mag diese Zahl von 700 000 Ausländern - gleich 3 % - nicht 'besonders hoch erscheinen. Hinter dieser Zahl verbirgt sich eine anerkennenswerte Leistung der Beamten und Angestellten der Bundesanstalt, insbesondere der deutschen Kommissionen, von denen in Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei bisher schätzungsweise 250 000 Arbeitnehmer angeworben wurden.
Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß ein nicht unerheblicher Teil ausländischer Arbeitnehmer unkontrolliert, d. h. nicht über die deutschen Kommissionen, in die Bundesrepublik einreisen und eine Tätigkeit - 'dann allerdings in der Regel mit Genehmigung der Arbeitsämter - aufnehmen. Die 'Schätzungen darüber, wieviel Spanier z. B. in der Bundesrepublik ohne Einschaltung der deutschen Kommission arbeiten, schwanken zwischen 25 000 und 35 000.
Andererseits führt das griechische Arbeitsministerium darüber Klage, daß das deutsche Generalkonsulat in Saloniki ohne nähere Prüfung Einreisevisa erteilt, obwohl es nach Meinung dieses Ministeriums in vielen Fällen offensichtlich ist, daß die griechischen Staatsangehörigen hier in der Bundesrepublik Arbeit aufnehmen wollen bzw. zu ihren Familienangehörigen reisen und hier für längere Zeit bleiben wollen. Hier beginnt schon die Problematik.
Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthält 15 Hauptpunkte. Ich bin sicher, daß bei Annahme dieses Antrags die Bundesregierung in ihrer Berichterstattung noch weitere Feststellungen treffen wird, die sich aus der Behandlung des Gesamtkomplexes ergeben werden.
Die 15 vorliegenden Fragen haben verschiedene Gewichtigkeit, die sich nicht aus der Reihenfolge ergibt. Unter anderem bitten wir dem Punkt 9 besondere Aufmerksamkeit zu schenken. In ihm wird nach den gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen gefragt, die bei der Einreise ausländischer Arbeitnehmer getroffen werden, um das Einschleppen von ansteckenden Krankheiten zu verhüten. Einzelfälle geben Veranlassung, die Bundesregierung zu bitten, zum Schutze unserer Bevölkerung und der einreisenden Ausländer auch diejenigen ausländischen Arbeitskräfte vor der Arbeitsaufnahme einer ärztlichen Untersuchung unterziehen zu lassen, die ohne Vermittlung durch die deutschen Kommissionen aus den südeuropäischen Ländern und der Türkei eingereist sind. Wir halten es auch für notwendig, daß der internationale Impfpaß vorgelegt wird, insbesondere von Einreisenden aus den Ländern, die keinen Impfzwang eingeführt haben.
1554 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 36. Sitzung. Borin, Mittwoch, den 27. Juni 1962
Unter Ziffer 2 unseres Antrages wird u. a. nach den Grundsätzen gefragt, die für die Arbeitsverträge gelten. Diese Grundsätze sind unterschiedlich. Nach Art. 13 der Vereinbarung mit Spanien übernimmt die. Bundesregierung bzw. der deutsche Arbeitgeber die Anreisekosten ab den vereinbarten Abreiseorten. Das gleiche gilt nach Art. 9 der Vereinbarung für Italien, während nach Art. 13 Abs. 2 der Vereinbarung mit Griechenland die Reise- und Verpflegungskosten für die griechischen Arbeitnehmer erst ab griechischer Grenze übernommen werden, obwohl gerade die griechischen Arbeitskräfte -und die aus der Türkei stammenden die sozial schwächsten sind und zudem noch in der Regel die -.relativ höchsten Kosten - bis Piräus bzw. Istambul - haben, die sie auch noch selbst tragen müssen.
Die Vereinbarung zwischen den Niederlanden und Griechenland sieht dagegen vor, daß die Niederlande die Kosten ab Wohnort des Arbeitnehmers tragen. Das wird nach Meinung des griechischen Arbeitsministeriums zur Folge haben, daß sich mehr und mehr griechische Arbeitskräfte für die Niederlande anwerben lassen.
In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob die von den Arbeitgebern zu zahlende Unkostenpauschale die tatsächlichen Anwerbungs-, Reise- und Verpflegungskosten deckt bzw. von wem die eventuelle Differenz getragen wird.
Zweifelsohne wird in den kommenden Jahren das Problem der Familienzusammenführung eine immer größere Rolle spielen. Das gilt insbesondere für die ausländischen Arbeitskräfte, die ihre Verträge verlängert haben. Wir bitten daher die Bundesregierung in Zusammenhang mit unseren Fragen unter Ziffer 8 um Prüfung, ob durch Gewährung von entsprechenden Darlehen der Familienwohnungsbau für ausländische Arbeitskräfte in ähnlicher Weise gefördert werden kann wie der Bau von Unterkünften. Wir reden damit nicht einer Auswanderung nach Deutschland das Wort, zumal in den Verträgen mit den jeweiligen Regierungen festgelegt ist, daß die ausländischen Arbeitskräfte, die auf Grund von Vereinbarungen in Deutschland Arbeit aufgenommen haben, ohne Prüfung von ihren Heimatländern wiederaufgenommen werden müssen. Eine längere Trennung von den Familien ist jedoch nicht zumutbar.
Damit taucht natürlich auch das Problem der Unterrichtung der Kinder auf, ein Problem, das nicht zur Seite geschoben werden darf, so schwierig es auch zu ,sein scheint.
Ich bitte Sie auch, der Frage 10 Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Mir ist bekannt, daß die Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte unterschiedlich ist. Relativ einfach scheint sie da zu sein, wo eine größere Anzahl in einem Betrieb oder an einem Ort tätig ist. Allerdings verstehen wir unter Betreuung nicht die in einer Stadt ins Gespräch gebrachte Einrichtung eines Abschöpfungsetablissements für ausländische Arbeitskräfte. Schwieriger ist es schon in kleineren Orten.
Offensichtlich mangelt es aber an der kirchlichen Betreuung der Anhänger der griechisch-orthodoxen
Kirche. Von diesen wird ein Kirchgeld. von 50 Pf monatlich auf der Basis der Freiwilligkeit erhoben. Die Heimatkirche selbst sieht sich außerstande, die für die Betreuung notwendigen Kosten zu tragen. Wir halten hier eine Hilfe für notwendig.
Nicht unwesentlich erscheint uns die Frage, wie die Unterrichtung der ausländischen Arbeitskräfte über die deutschen Verhältnisse erfolgt, vor Antritt der Reise und während des Aufenthalts in der Bundesrepublik. Nach den Vereinbarungen erhalten die Bewerber ein Merkblatt, aus dem sie alles Wesentliche entnehmen sollen. Es steht jedoch fest, daß ein großer Teil der griechischen, 'spanischen und türkischen Arbeitskräfte, weniger der italienischen, Analphabeten sind. Hier liegt auch offensichtlich die Schwierigkeit, Unterricht in der deutschen Sprache zu erteilen. Meines Erachtens müßten in wesentlich größerem Umfang als bisher geeignete synchronisierte Filme zu Hilfe genommen werden, wobei insbesondere die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik und die mit der Teilung Deutschlands zusammenhängenden Probleme behandelt werden sollten.
Wir fragen in dem letzten Punkt unseres Antrags die Bundesregierung nach Verbesserungsvorschlägen. Wir werden uns selbst bemühen, derartige Vorschläge zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, ich bitte das Hohe Haus, über den in unserem Antrag liegenden sachlichen Fragen auch die menschlichen und politischen Momente zu sehen. Sicher, es handelt sich um Arbeitskräfte, die die Wirtschaft braucht. Aber es sind nicht nur Arbeitskräfte, es sind Menschen, die eines Tages in ihre Heimat zurückkehren und dann danach gefragt werden, wie sie hier behandelt wurden, was sie hier erlebt haben, wie die Deutschen sind.
({0})
Sie sollten zu Hause auch davon mit Überzeugung sprechen können, daß wir den Frieden und die Freiheit für unsere Landsleute jenseits des Eisernen Vorhangs und der Mauer wollen und diese Freiheit auf friedlichem Wege erreichen wollen - das ist ein Politikum -, und wir sollten dafür sorgen, daß diesen Menschen diese Überzeugung mit guten Mitteln und auf richtigem Wege vermittelt wird. Ich bitte Sie, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen.
({1})
Dais Wort hat der Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, den gewünschten Bericht in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und den beteiligten Bundesressorts zu erstellen und dem Bundestag termingerecht vorzulegen. Sollte sich wider Erwarten ergeben, daß die eine oder andere Frage bis dahin nicht genügend geklärt werden
Bundesarbeitsminister Blank
kann, werde ich mir erlauben, das dann Festgestellte und Ermittelte als erstes vorzulegen.
Ich möchte aber die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, an dieser Stelle zu sagen, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und ihre Selbstverwaltungsorgane großen Dank verdienen für das, was sie bisher schon auf den Gebieten geleistet haben, über die die sozialdemokratische Fraktion oder das Hohe Haus durch diese Fragen nähere Auskunft wünscht.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, wer dem Antrag auf Drucksache IV/470 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 21 ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 22:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung ({0}) über den Jahresbericht 1961 des Wehrbeauftragten des Bundestages ({1}).
Es sind zwei Berichterstatter bestimmt, die Abgeordneten Dr. Seffrin und Berkhan.
({2})
- Sie verzichten, Herr Abgeordneter Berkhan offenbar auch. Ist das Haus bereit, sich damit zufrieden zu geben, oder wünscht es einen Mündlichen Bericht? - Das ist nicht der Fall. Melden sich Mitglieder des Hauses zum Wort? - Das ist auch nicht der Fall.
Dann haben wir darüber abzustimmen, ob wir den Jahresbericht 1961 des Wehrbeauftragten zur Kenntnis nehmen wollen - so lautet der Antrag des Ausschusses -. Wer das will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Ausschußantrages fest.
Punkt 23 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung ({3}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes ({4}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Rommerskirchen. Wird auf Entgegennahme des Mündlichen Berichts verzichtet? - Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Umdruck 25 auf Grund der Beratungen im Ausschuß für Verteidigung als erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung ({5}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes ({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Supf. Wollen Sie den Bericht erstatten?
({7})
- Dann erteile ich Ihnen das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da kein Schriftlicher Bericht zu dieser Sache vorliegt, darf ich noch ganz kurz die Geduld des Hohen Hauses beanspruchen. Wir wollten mit der Behandlung dieser Frage den Beweis liefern, daß sich der Verteidigungsausschuß nicht nur mit 'der Bewaffnung, der Besoldung usw. befaßt, sondern vor allem auch, und zwar in sehr starkem Maße, mit der Verpflegung unserer jungen Soldaten.
Von der SPD war die Frage gestellt worden, ob der Verpflegungssatz von 2,75 DM täglich für den Wehrpflichtigen in den Ausbildungseinheiten der Grundausbildung ausreicht und auf welche Weise die in zahlreichen Einheiten der Bundeswehr bei Einkauf, Zubereitung und Ausgabe gemachten guten Erfahrungen allen Truppenteilen zugänglich gemacht werden können. Ich habe mit verschiedenen höheren Beamten des Ministeriums gesprochen, habe Einblick in Befehle usw. genommen und habe vor allem die Gelegenheit genutzt, mich in meiner engeren Heimat, wo ein Ausbildungsregiment stationiert ist, an Ort und Stelle über die Dinge zu unterhalten.
Ich kann dem Hohen Hause erfreulicherweise berichten, daß das Resultat der Erkundung durchaus positiv und als gut zu bewerten ist. Mit sehr viel Bedachtsamkeit, Fleiß und Aufmerksamkeit wird auf diese Dinge geschaut. Was ich von den jungen Soldaten selbst, von ihren Offizieren, ihren Beamten, auch von den Ärzten gehört habe, zeigt, daß keine schlechten Erfahrungen mit der Verpflegung gemacht werden. Die Speisepläne sind vielseitig. Es wird im allgemeinen anscheinend - vielleicht mit der einen oder anderen Ausnahme - gut und abwechslungsreich gekocht. Die Soldaten sind zufrieden. Manche Wünsche bleiben natürlich offen. Daß die Bayern nicht so sehr gerne viel Fisch essen und dafür lieber Weißbrötchen und derartiges mehr, das muß man in Kauf nehmen. Aber im allgemeinen geht es gut.
Was sich - und das möchte ich dem Hohen Hause besonders sagen - ausgezeichnet bewährt, sind die kleinen Lehrabteilungen, die in jeden Wehrbereichsbezirk hinausgeschickt werden. Es sind Köche und entsprechende Beamte, die Anregungen geben, die die Truppenköche schulen. Es wurde mir wiederholt gesagt, es wäre schön, wenn diese Herren öfters kämen; denn aus dem Besuch ergäbe sich jedesmal
eine wesentliche Bereicherung des Speiseplanes. Daß natürlich manche Küche nicht ganz so gut funktioniert, wie sie soll, ist klar. Es besteht ja auch ein Mangel an guten Köchen. Aber im allgemeinen, glaube ich, daß wir zufrieden sein können.
Der Ausschuß hat sich dem, was ich in meiner ausführlichen Berichterstattung vor einigen Wochen gesagt habe, einstimmig angeschlossen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die Unterrichtung des Hauses. Das Wort wird wohl nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/478 zustimmen will, gebe Handzeichen. - Gegenprobe l -Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen; Punkt 24 ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung ({0}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes ({1}).
Ich erteile dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Süsterhenn, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Verteidigungsausschusses, der Ihnen in Drucksache IV/489 vorliegt, ist vom Verteidigungsausschuß einstimmig gefaßt worden. Dieser Antrag beruht auf den im Rubrum angegebenen Entschließungsanträgen der Fraktion der SPD und der beiden Fraktionen der CDU/CSU und der FDP. Die in diesen beiden Anträgen enthaltenen Gedanken sind durchberaten und dann in dem hier. vorliegenden Antrag als Ausdruck gemeinsamer Überzeugung zusammengefaßt worden. Ich habe Ihnen als Berichterstatter diesen Antrag vorzulegen mit der Bitte, ihn anzunehmen.
Zur sachlichen Begründung darf ich Arielleicht ganz kurz folgendes bemerken. Die Punkte 1 und 2 dieses Ausschußantrages beruhen eigentlich auf dem Gefühl, daß eine gewisse soziale Ungerechtigkeit vorliegt, weil unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur ein relativ kleiner Teil der Dienstpflichtigen seine Dienstpflicht ableisten kann. Wir wissen alle, daß eine gewisse Unzufriedenheit über eine derartige wirkliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit entstanden ist. Deshalb wird mit den Anträgen unter den Nummern 1 und 2 die Tendenz verfolgt, denen, die nicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen werden können, wenigstens in einer anderen Weise, sei es in Form des verkürzten Grundwehrdienstes, der Ausbildung im Sanitätsdienst oder auch der Erfüllung einer zivilen Dienstpflicht im Rahmen der zivilen Landesverteidigung, nun auch irgendeine Leistung mit aufzubür den, um damit einen gewissen Ausgleich herbeizuführen.
Ganz abgesehen von diesem Gerechtigkeitsprinzip gibt es auch sachliche Notwendigkeiten, denen mit diesem Verfahren gedient werden soll.
In Nummer 3 des Antrags ist etwas an sich Selbstverständliches gesagt, daß nämlich junge Leute, die bereits eine Spezialausbildung in bestimmten Formationen erhalten haben, nun auch entsprechend dieser Spezialausbildung bei der Verteidigungsleistung eingesetzt werden.
Die Nummern 4 und 5 des Antrags betreffen diejenigen, die von der Ubergangsregelung der 2. Wehrpflichtnovelle betroffen worden sind. Sie sind von dieser Gesetzesänderungen überrascht worden und können dadurch unter Umständen Verluste und Schädigungen bei der Ausbildung erleiden. Der Ausschuß richtet deshalb an die Bundesregierung die. Bitte, doch alles daranzusetzen, um diesen jungen Menschen in ihrem Ausbildungsgang keine ungünstigen zusätzlichen Belastungen über die Verlängerung der Dienstzeit hinaus zuzumuten.
Unter Nummer 5 werden insbesondere die Studenten angesprochen. Es war die übereinstimmende Meinung des Ausschusses, daß wir an unsere Hochschulen den Appell richten sollten, diesen jungen Leuten mit einer möglichst unbürokratischen Manier entgegenzukommen, und zwar in einem größeren Maße, als das bisher geschehen ist, um erhebliche Schädigungen hinsichtlich der Verlängerung der Studienzeit usw. nach Möglichkeit zu verhindern. Es finden ständig Verhandlungen mit der Konferenz der Kultusminister statt, die sich bemüht haben, auch in dieser Richtung zu wirken. Nach dem bekannten Selbstverwaltungssystem unserer Hochschulen besteht aber keine unmittelbare Weisungsmöglichkeit der Kultusministerien, so daß wir eigentlich auf den guten Willen der Rektoren und Dekane der verschiedenen Hochschulen und Fakultäten angewiesen sind.
Der Ausschuß ist der Meiung, daß das Hohe Haus durch die Annahme dieses Antrags auch einmal einen Appell an unsere Hochschulen richten sollte, unseren Studenten das Studium durch eine großzügige und loyale Handhabung zu erleichtern.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird zu dem Antrag das Wort gewünscht? -- Das eist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/489 zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 26 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusse,s ({0}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Entwürfe einer Verordnung zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens
Vizepräsident Dr. Schmid
für die Erhebung der in Artikel 12 Absatz 1 der Protokolle über die Vorrechte und Befreiungen der EWG und der EAG vorgesehenen Steuer zugunsten der Gemeinschaft und einer Verordnung Nr.... der Räte zur Aufstellung der Liste der Leistungen und Zulagen, die im Hinblick auf die Familie gewährt werden oder die sozialer Art sind und die von der Besteuerungsgrundlage für die Berechnung der gemäß Artikel 12 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen zugunsten der Gemeinschaften eingefügten Steuer abgezogen werden müssen. ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Goldhagen. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Will sich das Haus mit diesem Bericht begnügen? - Das ist der Fall. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag des Auschusses auf Drucksache IV/526 lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
1. die Verordnungsentwürfe - Drucksachen IV/403, IV/454 - zur Kenntnis zu. nehmen;
2. die Bundesnegierung erneut zu ersuchen, entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 - Drucksache 1187 der
3. Wahlperiode - durch ihre Vertreter im Ministerrat daraufeinzuwirken, daß ihr die Vorlagen so rechtzeitig zugehen, daß eine Stellungnahme bzw. eine Anregung des Bundestages vor einer Behandlung durch den Ministerrat möglich ist.
Ich lasse über diesen Antrag des Ausschusses abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zu Punkt 27:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Inneres ,({2}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Entwurf einer Verordnung über das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft ({3}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Zimmer. Der Schriftliche Bericht liegt vor. Begnügt sich das Haus mit diesem Bericht? - Das ist der Fall. Legen Sie Wert darauf, Ihren Bericht noch mündlich zu ergänzen?
({4}) - Ich bedanke mich.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses ist ziemlich umfangreich; ich brauche ihn nicht vorzulesen. Sie finden ihn in Drucksache IV/490. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Die Punkte 28 unid 29 wenden am Freitag aufgerufen werden.
Ich rufe den Punkt 30 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({5}) über den (von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Sechzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({6}) ({7}) .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Junker.
({8})
- Sie verzichten auf Berichterstattung. Das Haus wird Ihnenwahrscheinlich auch dafür danken.
({9})
- Nicht nur für den Inhalt Ihres Berichtes, meine ich!
Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag des Ausschusses ist Ihnen bekannt. Wer dem Verordnungsentwurf zustimmen will, der gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 31:
Beratung des ,Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({10}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Siebzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({11}) ({12}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bäumer. Legen Sie Wert darauf, Ihren Schriftlichen Bericht mündlich zu ergänzen? - Der Bericht besteht aus einem Satze. Der Ausschuß empfiehlt Zustimmung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Verordnungsentwurf zustimmen will, der gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - .Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 32:
Beratung Ides Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({13}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Achtzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({14}) ({15}) .
Herr Abgeordneter Dr. Löbe, Sie sind 'Berichterstatter.
({16})
- Sie verzichten auf 'die Ergänzung Ihres Berichts.
Der Antrag des Ausschusses lautet, idem Verordnungsentwurf unverändert zuzustimmen. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 33:
Beratung des Schriftlichen 'Berichts des
Außenhandelsausschusses ({17}) über
Vizepräsident Dr. Schmid
den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Neunzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({18}) ({19}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Glüsing ({20}). Offenbar wird auch hier auf einen mündlichen Bericht verzichtet.
({21})
Der Ausschuß empfiehlt, dem Verordnungsentwurf zuzustimmen. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 34 wird am Freitag aufgerufen werden. Punkt 35:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({22}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({23}) ({24}).
Der Ausschuß empfiehlt, der Verordnung unverändert zuzustimmen. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 36 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({25}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Siebenundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({26}) ({27}).
„Methylprednisolon" - sicher wissen alle genau, was das ist, - mit Ausnahme meiner Person, ich weiß es nicht.
({28})
Der Ausschuß empfiehlt, dem Verordnungsentwurf zuzustimmen. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 37 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({29}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Achtundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({30}) ({31}).
Sind das die Bestandteile, aus denen man Mosel-und Rheinwein macht?
({32})
Herr Abgeordneter Richarts, wollen Sie Ihren Bericht mündlich erstatten? - Auch er verzichtet.
Der Ausschuß empfiehlt Zustimmung zu dem Verordnungsentwurf. Wer zustimmen will, gebe das
Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 38 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({33}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Neunundzwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({34}) ({35}).
Herr Abgeordneter Junker, wollen Sie den Bericht mündlich erstatten? - Offenbar Fehlanzeige.
Der Ausschuß empfiehlt, dem Verordnungsentwurf zuzustimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Bei der Besetzung ist es erlaubt, Einstimmigkeit festzustellen ohne Gegenprobe. Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 39 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({36}) über die von der Bundesregierung erlassene Dreizehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({37}) ({38}).
Zu welcher Art von Nahrungsmitteln werden diese Soßen gereicht?
({39})
Hier brauchen wir keinen Beschluß zu fassen, sondern nur zur Kenntnis zu nehmen. Herr Abgeordneter Keller, der Berichterstatter, teilt uns schriftlich mit, daß der Ausschuß empfiehlt, diese Kenntnis zu nehmen.
Dasselbe gilt für Punkt 40 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({40}) über die von der Bundesregierung erlassene Dritte Verordnung zur Änderung der Einfuhrlisten - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({41}).
und für Punkt 41 der Tagesordnung
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({42}) über die von der Bundesregierung erlassene Erste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 3. Mai 1962 ({43}).
Auch hier wird wohl das Wort nicht gewünscht.
Wer von den drei Verordnungen, die in den Tagesordnungspunkten 39, 40 und 41 aufgeführt sind, Kenntnis zu nehmen bereit ist, gebe das Handzeichen. - Auch hier stelle ich einstimmige Kenntnisnahme fest.
Punkt 42 wird Freitag aufgerufen.
Ich rufe auf Punkt 43 der Tagesordnung:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des BunVizepräsident Dr. Schmid
des ({44}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Ver-' äußerung einer Teilfläche der ehemaligen Flakkaserne Leonberg an den Landkreis Leonberg ({45}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mälzig. Ich nehme an, daß das Haus hier auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts verzichtet. - Wortmeldungen sehe ich nicht.
Wir können abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/491 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 44 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({46}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Sedankaserne in Ulm an die Firma Telefunken GmbH ({47}).
Auch hier wird nach dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/492 Zustimmung empfohlen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 45 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht 5 des Rechtsausschusses ({48}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({49}) .
Hier empfiehlt der Rechtsausschuß - Drucksache IV/493 -, von einer Äußerung zu den „nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dein Bundesverfassungsgericht" abzusehen. „Nachstehend aufgeführt" heißt: die Rückseite der Drucksache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann können wir abstimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 46:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({50}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Jakob Baumann, Zweibrücken, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 161 ({51}) ({52}).
({53})
- In allen Fällen wird auf den schriftlichen Bericht verwiesen. Ich nehme aber an, daß wir trotzdem über jeden einzelnen Fall abstimmen müssen. In allen Fällen wird, wenn ich mich nicht täusche, Zurückweisung des Einspruchs empfohlen.
Ich rufe also zusammen auf noch. die Punkte 47 bis 56:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({54}) - Wahlpriifungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Julius Schuster, Stuttgart, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 ({55});
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({56}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Dr. Fritz Hintze, Hösseringen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 39 ({57}) ({58});
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({59}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Heinrich Kindler, Lörrach-Stetten, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 ({60}) ;
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({61}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Heinz Rieger, Tübingen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Land Schleswig-Holstein ({62});
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({63}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Heinrich Schöfbeck, Bochum, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 111 Wattenscheid-Wanne-Eickel) ({64}) ;
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({65}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Dr. Heinz Josef Varain, Kiel, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Land Schleswig-Holstein Drucksache IV/503);
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({66}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Harry Griebat, Bochum, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 75 ({67}) ({68}) ;
Beratung des Berichts des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord1560
Vizepräsident Dr. Schmid
nung ({69}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den . Wahleinspruch des Emil Sander, Oberhausen, und anderer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Land Nordrhein-Westfalen ({70}) ;
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({71}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Kurt Erlebach, Hamburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 21 ({72}) ({73}) ;
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({74}) - Wahiprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Ludwig Landwehr, Osnabrück, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 im Wahlkreis 28 ({75}) ({76}).
Es handelt sich um Wahlprüfungssachen, und in allen Fällen empfiehlt der zuständige Ausschuß Zurückweisung des Einspruchs. Ist das Haus mit dieser Art der Abstimmung einverstanden? - Dann stimmen wir über alle Anträge zusammen ab. Wer den Ausschußanträgen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme der Ausschußanträge fest.
Punkt 57 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({77}) - Immunitätsangelegenheiten - betreffend
a) Aufhebung der Immunität von Abgeordneten bei Verkehrsdilikten und Bagatellsachen,
b) Ermächtigung gemäß § 197 StGB ({78}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Dittrich. In diesem Fall glaube ich doch, daß wir nicht darauf verzichten sollten, einen mündlichen Bericht entgegenzunehmen. Ich erteile dem Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wahlprülung, Immunität und Geschäftsordnung hat sich in seinen letzten Sitzungen mit der Überprüfung der Immunitätsgrundsätze beschäftigt. Er hat überprüft, inwieweit diese Grundsätze verbessert bzw. vereinfacht werden könnten. Dabei ging es dem Ausschuß in erster Linie darum, daß der bisherige Immunitätsschutz, der nach herrschender und auch nach der vom Bundestag vertretenen Auffassung lediglich dem Bundestag als Parlament zukommt, sich teilweise zuungunsten der einzelnen Abgeordneten ausgewirkt hat.
Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Aufhebung einer Immunität durch dieses Hohe Haus im allgemeinen eine große Publizität erzeugt hat. Alle Zeitungen haben die Immunitätsaufhebung registriert, zur Kenntnis genommen und veröffentlicht. Ist ein Abgeordneter dieses Hauses freigesprochen worden - möglicherweise mangels Schuld -, dann hat niemand mehr davon Kenntnis genommen.
Aus dem Haus sind uns in dieser Hinsicht verschiedene Anregungen zugegangen, die allerdings zum größten Teil nicht verwirklicht werden konnten, weil dem unsere gegenwärtige Verfassung, insbesondere Art. 46 unseres Grundgesetzes, entgegensteht.
Der Ausschuß kam deshalb dem Ergebnis, daß abgesehen von der Änderung, über die ich zu berichten habe, eine weitere Vereinfachung nur dann vorgenommen werden kann, wenn das Grundgesetz entsprechend geändert wird. Eine Änderung des Grundgesetzes ist aber nur nach einer Absprache mit den Ländern möglich.
Nun zu dem Bericht Drucksache IV/506. Es geht darum, daß wir das vereinfachte Verfahren, das wir bei Verkehrsdelikten entwickelt haben - ich darf Sie auf das Institut der Vorentscheidungen hinweisen -, auch auf die Strafvollstreckung ausweiten wollen. Künftig soll bei einer Freiheitsstrafe, die nicht höher als drei Monate liegt, oder wenn bei einer Gesamtstrafenbildung keine der erkannten Einzelstrafen drei Monate übersteigt, das vereinfachte Verfahren der Vorentscheidung ebenfalls durchgeführt werden.
Das bedeutet: es müssen zwei Drittel der stimmberechtigten Ausschußmitglieder zustimmen, daß die Immunität eines Abgeordneten wegen eines Verkehrsdelikts oder wegen einer Bagatellsache aufgehoben wird. Sie werden dann in Ihren Fächern die Drucksache vorfinden und entsprechend Einspruch einlegen können. Dieses vereinfachte Verfahren soll nun jetzt auch auf die Strafvollstrekkung ausgedehnt werden und im übrigen auch dort Anwendung finden, wo es sich um Ermächtigungen gemäß § 197 des Strafgesetzbuchs zu einer Strafverfolgung handelt.
Ich darf Sie bitten, sich dieser Beschlußfassung des Ausschusses, die eine Ergänzung unserer Immunitätsgrundsätze bedeutet, anzuschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Dittrich, es ist Ihnen ein kleiner Irrtum unterlaufen, und ich möchte wegen der Bedeutung der Sache ein kurzes Wort dazu sagen. Es kommt mir hier nicht auf einen kontradiktorischen Einwand, sondern auf eine Klarstellung an. Sie haben hier gesagt - und ich habe Sie sicherlich richtig verstanden -, daß der Ausschuß der Auffassung gewesen sei, einer weitergehenden Vereinfachung des Verfahrens stünden verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Sie werden sich geWittrock
wiß daran erinnern, daß der Ausschuß dieses Problem, das van einem Ausschußmitglied aufgeworfen worden war, nicht ausdiskutiert hat. Er hat also die Grenzziehung, die das Grundgesetz insoweit vornimmt, dahingestellt sein lassen. Der Ausschuß hat sich nach meiner Erinnerung - und ich glaube nicht, daß ich mich täusche - auf den Standpunkt gestellt: wir lassen die weitergehenden Vereinfachungserwägungen, die aus allen Fraktionen vorgetragen worden waren, zunächst einmal dahingestellt sein und beschränken uns auf diesen ersten Schritt in der Richtung auf eine Vereinfachung.
Ich glaube, das sollte auch hier im Plenum des Bundestages klargestellt werden, damit wir uns nicht selbst eine Barriere bauen, die etwaigen weiteren Vereinfachungsüberlegungen entgegensteht; denn es ist die Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, daß das Problem einer weitergehenden verfahrensmäßigen Vereinfachung - nur darum geht es - noch künftiger Erörterungen bedarf.
Meine Damen und Herren, ich habe im übrigen namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion hier eine kleine Änderung zu beantragen. Im letzten Absatz der Drucksache 506 heißt es:
Sie gelten
- „Sie", das heißt die Beschlüsse des Ausschusses als Entscheidung des Bundestages, wenn innerhalb von drei Tagen nach Mitteilung kein Widerspruch erfolgt.
Die sozialdemokratische Fraktion beantragt, die Zahl „drei" durch die Zahl „sieben" zu ersetzen; denn eine Frist von drei Tagen ist inpraktikabel, eine solche Frist ist zu kurz. Man denke etwa an die Wochenenden! Die Frist beginnt mit der Verteilung der Vorentscheidungen in die Fächer der Mitglieder des Hauses zu laufen, und da ergibt sich aus dem Tagungsrhythmus des Hauses, daß eine Frist von drei Tagen etwas zu kurz ist. Diese Praktikabilitätserwägungen lassen es als gerechtfertigt erscheinen, die Zahl drei durch die Zahl sieben zu ersetzen. Ich darf dem Herrn Präsidenten diesen Antrag schriftlich überreichen und bitte Sie, meine Damen und Herren, um Zustimmung.
Bitte, Herr Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind wir damit einverstanden, daß man die Frist von drei Tagen auf sieben Tage erhöht. Es wäre nur zweckmäßig gewesen, daß wir uns insoweit bereits im Ausschuß verständigt hätten; das wäre sicher möglich gewesen.
Nun, Herr Kollege Wittrock, ein Wort zu Ihren Ausführungen bezüglich einer weiteren Vereinfachung des Immunitätsrechtes ohne Verfassungsänderung. Wir haben im Ausschuß auch hierüber gesprochen, sind aber immer wieder an die Schranke des Art. 46 unseres Grundgesetzes gestoßen. Man muß unterscheiden, wie weit eine beabsichtigte Vereinfachung gehen soll. Natürlich sind Änderungen, die nur kleine Varianten bedeuten, ohne weiteres möglich. Zu einer grundlegenden Änderung des Immunitätsrechts brauchen wir aber eine Änderung der Verfassung. Das war Gegenstand der Beratungen im Ausschuß für Wahlprüfung, Geschäftsordnung und Immunität, und so, Herr Kollege Wittrock, möchte ich meine Ausführungen verstanden wissen.
({0})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Berücksichtigung der von dem Abgeordneten Wittrock beantragten Änderung: sieben Tage. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit sind die für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkte erledigt. Punkt 58, der Bericht des Untersuchungsausschusses, wird morgen beraten werden. Weitere Anträge sind nicht gestellt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 28. Juni 1962, 9 Uhr.
Ich schließe die Sitzung.