Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenke ich unseres in Afrika verunglückten Kollegen Hermann Finckh. Er ist am 28. April während einer Afrikareise in Lome, der Hauptstadt von Togo, tödlich verunglückt. Hermann Finckh wurde am 31. Mai 1910 in Salach in Württemberg geboren. Er widmete sich zunächst idem Textilgroßhandel und wurde dann Mitbegründer und Mitinhaber der von seinem Vater gegründeten Württembergischen Wollgarnfabrik in Süßen.
Von 1941 bis 1945 war Hermann Finckh Soldat. Nach dem Zusammenbruch trat er der ChristlichDemokratischen Union bei. Er war von 1950 bis 1956 Mitglied des Gemeinderats in Süßen. Dann gehörte er der Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg an. Er ist seit 1953 Mitglied des Deutschen Bundestages gewesen, in dem er den Wahlkreis Göppingen-Kirchheim/Teck vertreten hat.
Im Bundestag der 4. Wahlperiode war Hermann Finckh Mitglied des Außenhandelsausschusses und des Ausschusses für Entwicklungshilfe. Die deutsche Botschaft in Togo, die an dem Strand gelegen ist, an dem Hermann Finckh den Tod fand, hat eine Trauerfeier für ihn veranstaltet, an der der Staatspräsident von Togo teilgenommen hat. Der Deutsche Bundestag spricht dem Herrn Staatspräsidenten von Togo für diese Ehre seinen Dank aus.
Wir aber gedenken heute der Hinterbliebenen unseres verstorbenen Kollegen. Wir sprechen den Angehörigen und der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union die herzliche Anteilnahme des Hauses .aus. Meine Damen und Herren, Sie haben sich zur Ehre des Verstorbenen erhoben; ich danke Ihnen. Glückwünsche zu Geburtstagen spreche ich aus: dem Herrn Kollegen Horn zum 71. Geburtstag am 15. April.
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Ich spreche Glückwünsche dem Herrn Abgeordneten Diekmann zum 65. Geburtstag am 19. April aus.
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Ich 'gratuliere zum 70. Geburtstag am 22. April dein Herrn Abgeordneten Gerns.
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Der Herr Abgeordnete Müser hat am 24. April seinen 65. Geburtstag gefeiert,
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und der Herr Abgeordnete Paul drei Tage später ebenfalls seinen 65. Geburtstag.
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Zum heutigen 65. Geburtstag gratuliere ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Harm ({5}).
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Schließlich ist unser Kollege, der Herr Abgeordnete Kurlbaum, am 2. Mai auch in den Kreis derer eingetreten, derer hier feierlich gedacht wird. Er hat am 2. Mai seinen 60. Geburtstag gefeiert.
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Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 17. April 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Novelle zum Krfegsgräbergesetz - Drucksache IV/333 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/362 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr hat runter dem 17. April 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Brenck, Wacher, Dr. Franz und Genossen betr. Chiemseeringstraße - Drucksache IV/336 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/363 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 18. April ,1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur - Drucksache IV/337 -bea.ntwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/364 verteilt.
Die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 25. April 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burgemeister, Gewandt, Porten, Riedel ({8}), Wieninger und Fraktion der CDU/CSU betr. Lebensmittelgesetz - Drucksache IV/286 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/370 verteilt.
Der Herr Staatssekretär ides Bundesministeriums des Innern hat unter dem 22. April 11962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SAD betr. Vorschlagwesen in der Bundesverwaltung - Drucksache IV/299 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/377 verteilt.
Die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen hat am 13. April 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 6. November 1958 wegen der Vorlage eines Erfahrungsberichts mit Verbesserungsvorschlägen für die Importkontrolle geschrieben. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/360 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums hat am 19. April 11962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestapes vom 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/365 verteilt.
Die Bundesregierung hat am 25. April 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 116. Februar 1962 einen Bericht über die Situation der deutschen Filmwirtschaft vorgelegt, der als Drucksache IV/366 verteilt wird.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat unter dem 27. April 1962 gemäß § 2 Abs. 3 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages vom 26. Juni 1957 den Jahresbericht 1961 übersandt, der als Drucksache IV/371 verteilt ist. Der Herr Präsident des Bundestages hat am 8. Mai 1962 diesen Bericht gemäß § 76 Abs. 2 GO dem Ausschuß für Verteidigung überwiesen.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 30. April 1962 unter Bezugnahme auf § 50 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 4957 den Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1961 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Arbeitsgebiet und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu übersandt. Der Bericht ist als Drucksache IV/378 verteilt.
Der Herr Präsident des Bundestages hat unter dem 8. Mai 1962 entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959
- Drucksache 1187 - den von der Bundesregierung nach Artikel 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen vorgelegten Entwurf einer Verordnung über das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft - Drucksache 1V/359 - dem Ausschuß für Inneres überwiesen.
Der Herr Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die von der Bundesregierung erlassene Neunte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({9}) - Drucksache IV/361 - am 6. April 1962 an den Außenhandelsausschuß überwiesen.
Der Herr Präsident des Bundestages hat unter dem 8. Mai 1962 entsprechend dem Beschluß des Bundesetages vom 25. Juni 1959
- Drucksache 1187 - die von der Bundesregierung gemäß Artikel 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen vorgelegten Entwürfe der Verordnung über die Soziale Sicherheit der Grenzgänger und der Verordnung über die Soziale Sicherheit der Saisonarbeiter - Drucksache IV/375 - dem Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und dem Ausschuß für Arbeit zur Mitberatung überwiesen.
Der Älteste der Wahlmänner gemäß § 6 Abs. 3 BVerfGG hat unter dem 12. April 11962 mitgeteilt, daß der Wahlmännerausschuß in seiner Sitzung vom 11. April 1962 gemäß § 6 Abs. 3 und 5 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom
12. März 1951 in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 1959 einstimmig Herrn Bundesrichter Dr. Karl Haager als Bundesverfassungsrichter in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts auf die Dauer seines Amtes als Bundesrichter beim Bundesgerichtshof gewählt hat.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 9. April 1962 gemäß § 1 Abs. 3 der Reichsschuldenordnung die Anleihedenkschrift 1961 übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 30. April 1962 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom
13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1960 übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Das Auswärtige Amt hat unter dem 30. April 1962 nach §.,46 Abs. 2 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. Dezember 1929 die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über den Austausch von Strafnachrichten und die Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister zur Kenntnisnahme übersandt, die im Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 4. Mai 1962 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1962 übersandt, der im Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Wir kommen damit zum ersten Punkt der Tagesordnung. Ich rufe auf
Fragestunde ({10}).
Zunächst Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe auf die Frage X - des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer -:
Ist die Bundesregierung bereit, den Autofirmen zu empfehlen, serienmäßig oder als Zusatzgerät in die Automobile einen Papier- und Abfallbehälter so einzubauen, daß er am Parkplatz oder zu Hause leicht entleert und somit ein Beitrag zur Reinhaltung unserer Straßen geleistet werden kann?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Mommer darin überein, daß es leider viele Autofahrer gibt, die nicht die gebührende Rücksicht auf die Reinhaltung der öffentlichen Straßen und
Plätze nehmen. Dennoch bin ich mir noch im Zweifel, ob in einer Empfehlung der Bundesregierung an die Automobilindustrie, die Fahrzeuge serienmäßig mit Papierkörben auszurüsten, ein geeignetes Mittel gesehen werden kann, die mangelnde Rücksichtnahme von Kraftfahrern, die Abfälle aus dem Wagen werfen, wirksam zu verbessern. Bereits jetzt verfügt jedes Fahrzeug nicht nur über Aschenbecher, sondern auch über Behältnisse und Räume, die diesem Zweck in der gewünschten Weise zu entsprechen vermögen, wenn der Wille des Autofahrers vorhanden ist.
Ich bin jedoch gern bereit, im Rahmen der Maßnahmen zur Verkehrserziehung besonders auch auf die Reinhaltung der Straßen hinzuwirken und hinwirken zu lassen und die dafür zuständigen Kreise um ihre Mithilfe zu bitten.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Baier ({0}) auf Drucksache IV/381:
Wse beurteilt die Bundesregierung die Einführung des Bundesbahn-Sondertarifs für die Beförderung von Kohle und Getreide im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschiffahrt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium!
Die Deutsche Bundesbahn hat Anfang dieses Jahres einen Antrag auf Ermäßigung des allgemeinen Kohlenausnahmetarifs 6 B 1 um durchschnittlich 11% gestellt. Mein Haus hat die voraussichtlichen Auswirkungen dieser Senkung der Eisenbahnfrachten auf die Binnenschiffahrt eingehend geprüft und dabei festgestellt, daß der Tatbestand eines „unbilligen Wettbewerbs" im Sinne der neuen Verkehrsgesetze nicht vorlag, so daß die Genehmigung nicht versagt werden konnte. Die Bundesbahn hat die Tarifmaßnahme zum 1. März 1962 in. Kraft gesetzt.
Im Zusammenhang mit der Errichtung einer gemeinsamen Marktordnung für Getreide innerhalb der EWG hat die Deutsche Bundesbahn beantragt, einen Ausnahmetarif - AT 17 B 2 - mit einer Ermäßigung der allgemeinen Getreidefrachten um 25 % einzuführen. Da auch in diesem Fall ein unbilliger Wettbewerb im Verhältnis zur Binnenschifffahrt nicht festzustellen war, hat der Bundesminister für Verkehr diesen Antrag am 21. Februar 1962 genehmigt; der Tarif soll zum 1. Juli 1962 in Kraft treten.
Soweit der Kohlenverkehr in Betracht kommt, hat die Binnenschiffahrt sich der neuen Wettbewerbslage insofern angepaßt, als sie in bestimmten Relationen ihre Frachten gesenkt bzw. die Frachtenausgleichskassen ausgebaut hat. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Binnenschiffahrt in Auswirkung der Senkung des AT 6 B 1 Einnahmeminderungen wird hinnehmen müssen. Ob der Binnenschiffahrt Gegenmaßnahmen beim Getreideverkehr möglich sind, ist fraglich, wie sich überhaupt die Gesamtauswirkungen dieser Tarifmaßnahmen wohl erst nach geraumer Zeit übersehen lassen werden.
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß dieser Sondertarif nur für Gebiete gelten soll, die auf dem Wasserwege erreichbar sind?
Das ist nicht richtig, jedenfalls für keinen der beiden hier genannten und bisher entschiedenen Tarife.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich habe noch eine Frage. Finden Sie es nicht sonderbar - und wie wollen Sie das vereinbaren -, daß die Bundesbahn auf der einen Seite zwecks Beseitigung ihres Defizits z. B. die Sondertarife für Fahrpreisermäßigung bei Lehrgangsteilnehmern aufhebt, auf der anderen Seite jedoch aus Konkurrenzgründen einen Sondertarif gegenüber der Binnenschiffahrt einführt? Im Falle der Lehrgangsteilnehmer ist keine Konkurrenz vorhanden, deshalb geht es hinauf. In dem anderen Fall ist die Binnenschifffahrt als Konkurrent vorhanden, hier wird der Tarif gesenkt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie darin - im Zusammenhang betrachtet - nicht doch eine einseitige und mißbräuchliche Ausnutzung der Monopolstellung der Bundesbahn und einen unzulässigen Wettbewerb sehen.
Herr Abgeordneter, es würde zu weit führen, dieses Thema in der Beantwortung der Frage zu erschöpfen. Ich möchte nur sagen: die von Ihnen genannten beiden Tarifmaßnahmen entspringen der gleichen Erwägung, nämlich der kaufmännischen Betriebsführung der Deutschen Bundesbahn. Sie wissen, daß die meisten Personentarife, vor allem die Sozialtarife, anerkanntermaßen Verlusttarife sind.
Es ist auch nicht so, daß bei den Getreide- und Kohletarifen, die ich hier genannt habe und die Sie ja nur im Auge haben können, primär das Wettbewerbsbedürfnis der Bundesbahn zum Zuge gekommen wäre. Sowohl der Kohletarif wie der Getreidetarif entspringen in größerem Umfang allgemein wirtschaftspolitischen Überlegungen, im Falle der Kohle dem Gedanken der Verbesserung der Absatzfähigkeit der Kohle und im Falle des Getreidetarifs dem Gedanken der Stützung und Unterstützung der deutschen Landwirtschaft beim Eintritt in den Gemeinsamen Markt.
Weitere Zusatzfragen? - Bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, warum die Deutsche Bundesbahn vorher die Heizöltarife so weit ermäßigt hat, wenn sie sich heute mit der Tarifermäßigung für Kohle eine Verbesserung des Absatzes der Kohle verspricht?
Die Bundesbahn hat hinsichtlich der Heizöltarife geglaubt etwas tun zu müssen, um sich vor allem neben dem Straßenverkehr einen gewissen Verkehrsanteil bei dem Abtransport von den neu gebildeten Raffinerien zu sichern. Das war die Überlegung der Deutschen Bundesbahn.
Zweite Zusatzfrage.
Sind die Mehrmengenrabatte und die sogenannten Treurabatte, die die Bundesbahn beantragt hat, vom Bundesverkehrsministerium abgelehnt worden, weil man erkannt hat, daß es sich hier um Verdrängungsmaßnahmen handelte?
Beim Tarifantrag der Bundesbahn ist der sogenannte Mehrmengenrabattsatz abgelehnt worden, weil nach Auffassung des Ministeriums darin ein unbilliger Wettbewerb gegenüber der Binnenschiffahrt, vor allem gegenüber der Partikulierschiffahrt, gelegen hätte. Gegen den Treurabatt und den Mengenrabatt konnten wir Einwendungen nicht erheben, da ähnliche Rabatte auch bei den anderen Verkehrsträgern üblich sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maier, bitte.
Ich möchte noch fragen, ob bei dem Getreidetransport den Binnenschiffern die gleichen Subventionen gewährt werden wie der Bundesbahn.
Mir ist nicht bekannt, daß der Eisenbahn für den Getreidetransport eine Subvention gewährt wird.
Es soll aber so sein. Es wäre doch gut, wenn Sie dem Hause klar sagen könnten, wie sich das verhält.
Herr Abgeordneter Maier, wenn Sie sprechen, muß ich möglichst gleich mit den ersten Worten das Fragezeichen hören.
({0})
- Nein, Sie können keine Zusatzfrage mehr stellen; wir haben noch sehr viele Fragen zu erledigen.
Aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts rufe ich die Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Schmidt ({1}) - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die französische Regierung zu bitten, nach dem Friedensschluß in Algerien heimkehrwillige deutsche Fremdenlegionäre vorzeitig zu entlassen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den zwischen der französischen Regierung und der provisorischen algerischen Regierung in Evian getroffenen Abmachungen sollen die französischen Streitkräfte in Algerien nach Durchführung der Volksabstimmung und Bildung einer unabhängigen algerischen Regierung auf 80 000 Mann reduziert werden. Hierbei dürfte auch die zur Zeit noch etwa 20 000 Mann starke Fremdenlegion reduziert werden. Damit würde bereits eine größere Anzahl von Fremdenlegionären zur Entlassung kommen und in die Heimat zurückkehren können.
Es dürfte sich darüber hinaus die Frage stellen, ob die Fremdenlegion in absehbarer Zeit überhaupt aufgelöst wird, da sie nach ihren Statuten im französischen Mutterland nicht eingesetzt werden darf und eine andere Verwendung sich nicht anbietet. Allerdings werden die in den Abmachungen von Evian vorgesehenen französischen Streitkräfte von insgesamt 80 000 Mann zunächst noch drei Jahre lang in Algerien stationiert bleiben.
Die Bundesregierung wird die französische Regierung bitten, alle heimkehrwilligen deutschen Fremdenlegionäre nach der Erreichung der algerischen Unabhängigkeit vorzeitig zu entlassen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist bekannt, wieviel Deutsche sich gegenwärtig noch in den Diensten der Fremdenlegion befinden?
Herr Abgeordneter, wir schätzen, daß von den insgesamt 20 000 Mann, von denen ich soeben sprach, etwa 50 bis 60 % Deutsche sein könnten. Wir können es nur schätzen, weil präzise Anfragen an die französische Regierung ohne präzise Antwort geblieben sind. Die französische Regierung beruft sich u. a. darauf, daß ein wesentlicher Teil der Fremdenlegionäre die Angabe der Staatsangehörigkeit verweigert habe.
Ich rufe auf die von Herrn Abgeordneten Dr. Dörinkel gestellte Frage II/2:
Teilt die Bundesregierung die allgemeine Meinung, daß der kuweitische Staatsangehörige, Scheich Abdullah al-Jaber alSabah, anläßlich seiner Eheschließung mit einer minderjährigen Deutschen am 23. März 1961 vor dem Standesamt in Kiel Betrug und Bigamie begangen hat?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes!
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Oberstaatsanwalt in Kiel seit Mai 1961 ein Ermittlungsverfahren gegen den Prinzen Abdullah al-Jaber al-Sabah wegen Verdachts der Doppelehe und der Abgabe einer wissentlich. falschen Versicherung an Eides Statt eingeleitet hat. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung
sieht sich daher zur Zeit nicht in der Lage, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sich der Prinz nach deutschem Recht strafbar gemacht hat.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die ebenfalls von Herrn Abgeordneten Dr. Dörinkel gestellte Frage II/3 auf:
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, diplomatische Schritte einzuleiten, damit der des Betruges und der Bigamie beschuldigte Scheich Abdullah al-Jaber al-Sabah, der in Kuweit als Unterrichts- und Justizminister amtiert, zur Rechenschaft gezogen rund den in der Bundesrepublik geschädigten Personen Schadenersatz geleistet wird?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes!
Wie schon in der Antwort zu der vorigen Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dörinkel dargelegt worden ist, ist das Verfahren des Oberstaatsanwalts in Kiel gegen den Prinzen Abdullah al-Jaber al-Sabah noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung kann daher zur Zeit noch keine Stellungnahme zu der Frage abgeben, ob gegebenenfalls diplomatische Schritte einzuleiten sind. Der Bundesregierung ist bisher auch noch nicht bekannt, ob und welche Personen in der Bundesrepublik Deutschland durch die Eheschließung des Prinzen mit der deutschen Staatsangehörigen Adelheid Dichter geschädigt worden sind.
Ich rufe die von Herrn Abgeordneten Felder gestellte Frage II/4 auf:
Wie beurteilt das Auswärtige Amt die Vorlage der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände zur Verbesserung der Arbeit an den deutschen Auslandsschulen, vor allem im Hinblick auf die Anregung, in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz eine Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen zu schaffen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes!
Die Vorlage der Arbeitsgemeinschaft deutscher Lehrerverbände deckt sich in wesentlichen Punkten mit den Vorstellungen des Auswärtigen Amtes. Die Vorarbeiten für die Errichtung einer Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen wurden bereits vor einiger Zeit aufgenommen. Bei der besonderen Struktur des deutschen Auslandsschulwesens bedarf jede Änderung der Organisationsform, selbst wenn sie nur die Betreuung durch die amtlichen deutschen Stellen betrifft, einer sehr sorgfältigen Prüfung der damit verbundenen rechtlichen und kulturpolitischen Probleme, die im Zusammenwirken von Bund und Ländern zu lösen sind. Dennoch kann erwartet werden, daß in absehbarer Zeit eine Institution geschaffen wird, die es der Bundesrepublik ermöglicht, den wachsenden und sich wandelnden Aufgaben des deutschen Auslandsschulwesens noch umfassender gerecht zu werden, als es zur Zeit möglich ist.
Auch im übrigen stimmt das Auswärtige Amt mit den Vorschlägen der Arbeitsgemeinschaft überein,
wobei allerdings zu betonen ist, daß Grundsatzentscheidungen über die Finanzierung des Auslandsschulwesens auch in Zukunft vom Auswärtigen Amt zu treffen sind.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die von Herrn Abgeordneten Varelmann gestellte und von Herrn Abgeordneten Maier ({0}) aufgenommene Frage III/1 auf:
Ist für den Fall, daß sich ,der Index für Lebenshaltungskosten in der Rubrik „Wohnungen" nur auf Altbauwohnungen erstreckt, die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß auch der Aufwand für Neubauwohnungen ({1}) mit einbezogen wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Im Preisindex für die Lebenshaltung werden sowohl die Mieten für Altbauwohnungen, die bis zum 1. April 1924 erstellt sind, für Neubauwohnungen, die vom 1. April 1924 bis zum 20. Juni 1948 erstellt wurden, als auch für die nach dem 20. Juni 1948 erstellten Neustbauwohnungen berücksichtigt. Bei den Neustbauwohnungen sind nur Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus einbezogen. Die Entwicklung der Mieten für frei finanzierte Wohnungen kommt im Index nicht zum Ausdruck. Sie wurde nicht berücksichtigt, da sich der Index auf den Vierpersonenhaushalt einer mittleren Arbeitnehmergruppe mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 500 bis 700 DM bezieht. Es würde den Absichten des Index widersprechen, Ausgaben und Komponenten einzubeziehen, die für Haushalte dieser mittleren Einkommensschicht normalerweise nicht in Betracht kommen.
Die Wägungsanteile für die durchschnittlichen Mieten von Wohnungen der im Indexschema festgelegten Altersgruppen entsprechen der wohnungsstatistisch nachgewiesenen Struktur des Bestandes an Mietwohnungen im Jahre 1958, dem neuen Basisjahr des Index.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage III/2 - des Abgeordneten Dürr -:
Welche Druck- und Versandkosten würden der Bundesregierung entstehen, wenn sie allen Leihbüchereien in der Bundesrepublik eine Zusammenstellung der bisher in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommenen Leihbuchromane übersenden würde?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Wir haben Berechnungen vorgenommen und festgestellt, daß rund 4500 DM Druckkosten und 5400 DM Versandkosten, insgesamt also Kosten in Höhe von 9000 DM anfallen würden.
Zusatzfrage?
Wäre es, Herr Minister, nach dem Ergebnis dieser Berechnungen nicht zweckmäßig, wenn sich das Bundesministerium des Innern diese kleine Geldausgabe leistete, weil dadurch sämtliche Inhaber von Leihbuchhandlungen in der Lage wären, ihren Pflichten nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der neuen und verschärften Fassung besser nachzukommen?
Herr Kollege, bei der allgemeinsamen Sparsamkeit, die wir im Hause pflegen, würde ich nach den Erfahrungen, die wir hinter uns haben, auch bei einem Betrag von 9000 DM nicht von einem ganz kleinen Betrag sprechen. Zweitens ist eine ganze Reihe von Stellen mit der Anfertigung solcher Listen befaßt, und vor allem geben die Leihbüchereien durch ihre Verbände laufend solche Listen heraus, so daß jede Leihbücherei durchaus ins Bild gesetzt werden kann. Soweit eine solche Maßnahme durch den Bund vom Jugendschutz her ins Auge gefaßt werden sollte, dürften Zuständigkeitsbedenken bestehen.
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß die etwa von Verbänden herausgegebenen Zusammenstellungen - etwa die der Aktion Jugendschutz - oder gar die im Bundesanzeiger veröffentlichten Indizierungen nicht so gern gelesen werden wie eine ganz kurze und lediglich auf die Leihbuchromane beschränkte Zusammenstellung, die jeder Leihbuchhändler lesen muß und in zwei Minuten auch durchlesen kann?
Herr Kollege, ich stimme Ihnen in einem Punkt zu: die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger dürften als Geheimsache existieren. Was aber die Mitteilungen der beiden Verbände für die Leihbüchereien betrifft, so nehme ich an, daß sie eigentlich ausreichen müßten. Es handelt sich um die Fachblätter „Der Leihbuchhändler" und das Fachblatt „Die Leihbücherei", die laufend sowohl geschlossene Listen veröffentlichen als auch Ergänzungen dieser Listen von indizierten Schriften mitteilen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kohut.
Wenn es so ist, Herr Minister, daß der Bundesanzeiger nicht gelesen wird und daß für ,die Inhaber von Leihbüchereien keine Verpflichtung besteht, einer Organisation anzugehören, ist dann nicht der Vorschlag Ides Abgeordneten. Dürr durchaus richtig?
Herr Kollege, ich möchte durchaus nicht den Eindruck erwekken, daß wir uns einer solchen Aktion versperren, daß wir nicht dazu beitragen wollen, die Kenntnis über die indizierten Schriften zu verbreiten. Das ist
Bundesinnenminister Höcherl
durchaus nicht unsere Einstellung. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß vom Jugendschutz her gewisse. Zuständigkeitsbedenken bestehen. Wenn aber das Hohe Haus und vor allem der Haushaltsausschuß diesen Betrag bewilligen, wind niemand lieber als das Innenministerium diese Aktion einleiten.
Ich rufe auf die Frage III/3 - (des Herrn Abgeordneten SchmittVockenhausen -:
In welchem Stadium sind die Verhandlungen über das Problem der Altersversorgung der älteren Angestellten des öffentlichen Dienstes, von deren baldigem Abschluß Staatssekretär Dr. Hölzl in der Fragestunde der 162. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. Juni -1961 gesprochen hat?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Zu dem Problem der Altersversorgung der älteren Angestellten des öffentlichen Dienstes habe ich das letztemal schon in der Fragestunde am 14. Februar 1962 Stellung genommen. Dabei konnte ich darauf hinweisen, daß die befriedigende Lösung der Altersversorgung der älteren Angestellten, insbesondere der Angestellten der Vergütungsgruppen III bis I, nur ein Teilprogramm der Gesamtversorgung aller Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes dargestellt.
In der Zwischenzeit haben Vertreter des Bundes, der Länder und der Gemeinden mit den Gewerkschaften, und zwar zu dem damals mitgeteilten Termin, erste Verhandlungen geführt. In diesen Vierhandlungen sind eine ganze Reihe von Vorstellungen entwickelt worden, die eben einer genaueren Prüfung bedürfen, vor allem auch auf der anderen Seite, die an diesen Besprechungen beteiligt ist. Ich darf hier wiederholen, was ich damals schon gesagt habe: Die Problematik ist außerordentlich schwierig, weil sich das Problem nicht allein darauf beschränkt. Wenn ich einen Termin angeben sollte, bis zu dem eine Lösung abzusehen ist, so möchte ich sagen: bis Ende dieses Jahres.
Dazu eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Bundesinnenminister, Ihrem Hause ist ein Fall bekannt. Ich wäre dankbar, wenn dazu eine Auskunft gegeben werden könnte. Wie steht es mit der Altersversorgung von drei Angestellten des höheren Dienstes im Bereich des Auswärtigen Amtes, denen bei ihrer Einstellung die sogenannte Verbeamtung versprochen wurde, bei denen dieses Versprechen nicht gehalten wurde und die nach Erreichung der Altersgrenze als Angestellte ohne einen Pfennig Entschädigung für ihr Alter mit einem kleinen Dankschreiben aus dem Dienst entlassen worden sind?
Herr Kollege, der Fall ist mir nicht bekannt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß ein verbindliches und rechtsgültiges Versprechen vom Innenministerium abgegeben wurde und nicht gehalten worden ist. Aber ich bin gern bereit, diese Dinge nachzuprüfen.
Zweite Zusatzfrage!
Es handelt sich, Herr Bundesinnenminister, nicht um ein Versprechen des Bundesministeriums des Innern, sondern um ein Versprechen des Auswärtigen Amtes, und der Fall liegt Ihrem Hause vor.
Ich nehme an, daß auch im Auswärtigen Amt dieselben moralischen Grundsätze gelten wie im Bundesinnenministerium.
({0})
Es folgt Frage III/4 - des Abgeordneten Lohmar -:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Finanzierung der Arbeit ,des Senders Freies Berlin und der Deutschen Welle sicherzustellen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen darf ich die Frage wie folgt beantworten:
Solange es einen deutschen Rundfunk gibt, werden alle Ausgaben für Rundfunkzwecke aus Gebühreneinnahmen bestritten. Das gegenwärtige Aufkommen an Rundfunkgebühren reicht vollständig aus, um alle Rundfunkaufgaben daraus zu finanzieren. Das gilt auch für den Finanzbedarf des Senders Freies Berlin. Es ist Sache der Rundfunkanstalten, das Gesamtgebührenaufkommen gerecht zu verteilen. Die Bemühungen der Bundesregierung, vor allem im Hinblick auf den Sender Freies Berlin, einen gesetzlichen Finanzausgleich der Rundfunkanstalten herbeizuführen, sind leider bisher am Widerstand der Länder gescheitert. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß das Land Berlin bei diesen Erörterungen einen Standpunkt vertreten hat, der von der Meinung der anderen Länder abweicht.
Die Bundesregierung ist am 16. Januar dieses Jahres wegen der Finanzierung des Senders Freies Berlin an die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland herangetreten. Trotz der ablehnenden Antwort der Arbeitsgemeinschaft wird die Bundesregierung ihre Bemühungen fortsetzen.
Den zweiten Teil der Frage darf ich wie folgt beantworten. Zur Finanzierung der „Deutschen Welle" ist zu bemerken: Die Bundesregierung verhandelt zur Zeit über eine Finanzierung der beiden Rundfunkanstalten des Bundesrechts, „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk", aus dem allgemeinen Rundfunkgebührenaufkommen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Bis zu einer endgültigen Regelung ist die Finanzierung der „Deutschen Welle" sichergestellt. Für Zwecke der „Deutschen Welle" sind bis Ende April dieses Jahres ungefähr 880 000 DM aus Bundesmitteln gezahlt worden.
Keine Zusatzfrage. Die Frage III/5 - des Abgeordneten Keller - ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage III/6 - des Abgeordneten Keller - auf:
Hält die Bundesregierung die Warnschilder an der Zonengrenze für ausreichend, um zu verhindern, daß westdeutsche Menschen, wie am Karfreitag der Bundeswehrfahnenjunker Hilpert Spohr und drei Kameraden, so in Grenznähe geraten können, daß Vopos sie beschießen und ernsthaft gefährden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Die Soldaten der Bundeswehr hatten die Demarkationslinie bereits überschritten, als sie beschossen wurden, und befanden sich auf SBZ-Gebiet. In der Nähe dieser Stelle der Demarkationslinie sind zwei Warnschilder aufgestellt. Auch die beiden dort gesetzten Grenzsteine sind sehr deutlich sichtbar. Auf Veranlassung des Bundesministeriums des Innern wurden bereits im Jahre 1960 alle Stellen an der Demarkationslinie, an denen die Gefahr einer versehentlichen Grenzüberschreitung besonders gegeben erschien, durch Warnschilder gekennzeichnet. Diese Aktion war im Endergebnis auch positiv. Leider konnten aber auch dadurch Einzelfälle etwas unüberlegten Handelns nicht ausgeschlossen werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß eine ungenügende Markierung der Landesgrenze gegenüber der Tschechoslowakei, insbesondere auf dem Gebiet zwischen Dreisessel und Furth im Walde besteht, so daß immer wieder Ortsfremde, nämlich in zunehmendem Maße Urlauber, Grenzüberschreitungen völlig unabsichtlich begehen?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege! Aber wir haben die Länder in Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Demarkationslinie gegenüber der sowjetisch besetzten Zone wiederholt aufgefordert, die Kennzeichnung etwas intensiver durchzuführen. Ich nehme Ihren Hinweis gerne zum Anlaß, eine solche Bitte gegenüber dem Lande Bayern zu wiederholen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Rehs -:
Hält die Bundesregierung es heute noch für angemessen, daß die unterhaltsrechtliche Position ,des unehelichen Kindes ({0}) sich allein nach der Lebensstellung der Mutter bestimmt?
Zur Beantwortung hat der Staatssekretär des Bundesministers für Justiz das Wort.
Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich dm allgemeinen Familienrecht nach § 1610 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches nach der Lebensstellung des Bedürftigen, also nicht nach der Ides Unterhaltspflichtigen. Ich glaube, daß die besondere Vorschrift des § 1708 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach der Vater des unehelichen Kindes den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren hat, diesem Grundsatz nicht entgegensteht, und zwar aus folgendem Grunde: Das uneheliche Kind wächst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht bei seinem Vater, sondern bei der Mutter oder jedenfalls in ihrem Lebenskreise auf, so daß seine Lebensstellung tatsächlich durch diejenige der Mutter bestimmt wird. Dennoch wird es Fälle .gilben, in denen die gegenwärtige Regelung unbefriedigend erscheint. Aus diesem Grunde werden wir im Rahmen der Reform des Rechts des unehelichen Kindes erwägen, bei der Bemessung des Unterhalts auch die Vermögens-und Einkommensverhältnisse Ides Vaters dann zu berücksichtigen, wenn das der Billigkeit entspricht.
Wir kommen zur Frage IV/2 - des Herrn Abgeordneten Rehs -:
Wird die Bundesregierung bereits vor Erfüllung des Verfassungsauftrages gemäß Artikel 6 Abs. 5 GG auf Änderung des Unehelichenrechtes dem Bundestag eine Vorlage mit dem Ziel unterbreiten, die unterhaltsrechtliche Position des unehelichen Kindes zu verbessern?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Dr. Strauß.
Die nächste Frage möchte ich zunächst mit einem Hinweis auf das vom Bundestag ,der vergangenen Wahlperiode im vorigen Jahr veraibschiedete Familienrechtsänderungsgesetz beantworten. Bereits die Regierungsvorlage dieses Gesetzes hatte eine zeitliche Verlängerung des Unterhaltsanspruches des unehelichen Kindes von Vollendung des 16. auf Vollendung des 18. Lebensjahres vorgeschlagen, ein Vorschlag, dem der Bundestag im wesentlichen gefolgt ist.
Damit ist nach dem. Inkrafttreten (des Familienrechtsänderungsgesetzes, d. h. nach dem 1. Januar 1962, die unterhaltsrechtliche Position des unehelichen Kindes, wie ich glaube, in einem sehr wichtigen Punkt verbessert worden. Im Hinblick auf die vorgesehene allgemeine Reform des Rechts des unehelichen Kindes halte ich es nicht für angebracht, weitere Einzelvorschläge zur Verbesserung der unterhaltsrechtlichen Stellung der unehelichen Kinder in einem besonderen Gesetz zu machen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß nach der Handhabung in der Praxis die Sätze, nach denen die Unterhaltsregelung für die unehelichen Kinder bemessen wird, heute zu einem großen Teil unbefriedigend sind? Inwieweit sind Sie bzw. die Bundesregierung bereit, darauf Einfluß zu nehmen, daß diese Sätze verbessert werden?
Herr Abgeordneter, Möglichkeiten der Einflußnahme auf richterliche Entscheildungen sind, wie Sie wissen, nur in geringem Umfange gegeben. Ich habe aber, soweit mir die Praxis bekannt ist, den Eindruck, daß sich die Praxis auf dem Wege zu einer realistischeren Würdigung der Lebensverhältnisse befindet. So ist uns z. B. bekannt, daß schon viele Gerichte selbst (bei Müttern. einfacher Lebensstellung Unterhaltssätze von 80 DM monatlich und (darüber geben. Das sind Beträge, die in manchen Familien auch für eheliche Kinder leider nicht aufgewendet werden können. Ich in daher (der Meinung, wir sollten noch zuwarten, in der Erwartung, daß die Praxis der Gerichte sich weiter in dem Sinne entwickelt, den Sie und ich wünschen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich habe insbesondere an die Verwaltungsrichtlinien gedacht, die von den Ländern für (die Bemessung dieser Sätze herausgegeben bzw. zwischen diesen abgestimmt worden sind und nach denen sich die Jugendämter im allgemeinen richten, und ich wollte Sie fragen, ob und inwieweit Sie auf die Bemessung bei diesen Verwaltungsrichtlinien Einfluß nehmen können.
Wir werden uns gern darum bemühen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Folger!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der beabsichtigten Reform des Rechts des unehelichen Kindes auch die noch geltende Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ändern bzw. anzuregen, daß sie geändert wird, wonach der Vater mit dem unehelichen Kind nicht verwandt ist?
Herr Abgeordneter, das ist eine der schwierigsten Fragen, die alle diejenigen beschäftigen wird, die an der Reform des Rechts des unehelichen Kindes beteiligt sind. Wir warten hier noch das Ergebnis der Beratung einer Kommission ab, die nicht von amtlichen Stellen, jedenfalls nicht von der Bundesregierung, gebildet worden ist: das ist die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, die sich darum bemüht, Vorschläge für die Gesetzgebung zu erarbeiten. Die nächste Sitzung wird Ende dieses Monats stattfinden.
Es wird das Haus interessieren, aus welchen Kreisen diese Kommission gebildet ist. Es sind in der Kommission vertreten die Jugendwohlfahrtsverbände, die Innere Mission, die Caritas und die Arbeiterwohlfahrt, der Bundesjugendring, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, der Deutsche Städtetag, die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände und die obersten Jugendbehörden der Länder. Außerdem nehmen an
den Arbeiten dieser Kommission Vertreter der drei Fraktionen des Bundestages, des Bundesjustizministeriums und des Bundesfamilienministeriums teil, ferner noch einige Professoren des Familienrechts.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich habe bis jetzt noch nicht erfahren, welches Ihre Auffassung oder die Auffassung Ihres Hauses zu dieser speziellen Frage ist. Darf ich deshalb danach noch einmal fragen.
Ich muß Ihnen darauf antworten, daß ich mit diesem Problem noch nicht fertig geworden bin und daß ich persönlich hier noch keine feste Meinung habe. Deshalb warte ich mit besonderem Interesse auf das Ergebnis der Beratungen der von mir genannten Kommission.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage V/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -:
Welches Ergebnis haben die bisherigen Beratungen der beim Bundesfinanzministerium eingesetzten Kommission über die Einführung eines Institutes einer verbindlichen Auskunft im Steuerrecht gehabt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Die gesetzliche Institutionalisierung einer verbindlichen Auskunft der Finanzämter über Steuerfragen war Mitte Februar dieses Jahres Gegenstand einer Sondersitzung im Bundesfinanzministerium. An diesem Gedankenaustausch haben insbesondere auch Herren aus dem Ihnen bekannten Podiumsgespräch bei der letzten Tagung der Steuerberater teilgenommen. Das sorgfältige Durchdenken dieses ganzen Fragenkreises hat einige Probleme aufgeworfen, die bis heute nicht geklärt sind und die in weiteren Besprechungen gelöst werden müssen. Damit Sie nicht den Eindruck haben, daß das Bundesfinanzministerium diesem Fragenkreis kein ausreichendes Interesse widme, darf ich mit einigen Worten andeuten, welche Schwierigkeiten hier bestehen.
In dem erwähnten Gedankenaustausch konnte keine Einmütigkeit darüber erzielt werden, für welche Steuerarten und in welchem Umfange eine Verpflichtung der Finanzämter zur verbindlichen Auskunft eingeführt werden sollte. Sie wissen, daß die Finanzämter heute schon zu Auskünften berechtigt sind. Es war auch keine Einmütigkeit darüber zu erzielen, welche verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine verbindliche Auskunft vom Finanzamt verlangen zu können. Ebenso war keine Einmütigkeit darüber zu erzielen, ob in der Regel die Finanzämter dazu verpflichtet sein sollen oder ob für besonders schwierige Fälle oder Fälle von großer allgemeinwirtschaftlicher BeStaatssekretär Dr. Hettlage
deutung solche Auskünfte nur durch die Oberfinanzdirektionen oder gar durch die Finanzministerien gegeben werden sollten.
Ich hebe hervor, daß die Frage einer Anfechtung von verbindlichen Auskünften im Rechtsmittelverfahren unbedingt geklärt werden muß; denn ohne einen Rechtsmittelschutz wäre die verbindliche Auskunft recht unvollständig.
Nach dem Vorbild ausländischer Steuergesetze besteht auch bei uns die Neigung, das Institut der verantwortlichen Auskunft des Finanzamtes in eine Ergänzung der Abgabenordnung einzubauen. Nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand wäre allerdings das Bundesfinanzministerium noch nicht in der Lage, einen solchen Gesetzentwurf vorzubereiten.
Eine Zusatzfrage!
Wird nach der gegenwärtigen Lage vom Finanzminister grundsätzlich anerkannt, daß für ein solches Institut ein dringendes Bedürftnis in der Wirtschaft besteht und daß bei Anwendung eines solchen Instituts auch erhebliche Erleichterungen für die Verwaltung geschaffen werden könnten?
Herr Abgeordneter, ein wirtschaftliches und allgemein sachliches Bedürfnis zur Einführung einer verbindlichen Auskunft der Finanzämter in Steuerfragen wird auch von uns anerkannt. Ob es der Verwaltungsvereinfachung dienen wird, wird erheblich von der Ausgestaltung abhängen. Wenn man diese Auskunftsmöglichkeiten etwa in unbegrenztem Umfange zuließe, könnte es eher zu einer Verwaltungsdoppelarbeit als zu einer Verwaltungsvereinfachung führen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Wird sich die Kommission, deren Einsetzung der Minister seinerzeit auf dem Steuerberatertag in Köln angekündigt hat, dauernd dieser Fragen annnehmen, oder wird es wieder auf eine solche Ad-hoc-Sitzung hinauslaufen, wie Sie sie soeben geschildert haben?
Herr Abgeordneter, bisher ist eine förmliche Kommission für diesen Zweck als ständige Einrichtung nicht gebildet worden. Vielmehr hoffte man, schon durch einen Gedankenaustausch mit den Sachverständigen und den Berufsorganisationen zu einem Ergebnis kommen zu können. Nachdem das offensichtlich noch nicht genügt hat, werden wir uns überlegen, ob es der Sache dienen kann, eine besondere Kommission zu bilden.
Ich rufe auf die Frage V/2 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Welche Möglichkeiten sieht der Herr Bundesfinanzminister, zu erreichen, daß nicht nur Studienkosten der Kinder steuerlich bei den Eltern berücksichtigt werden, sondern daß auch Studenten selbst - z. B. elternlose Werkstudenten - die Möglichkeit erhalten, Studienkosten steuerlich geltend zu machen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium!
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, die Kosten, die ein Jugendlicher als Student, etwa als Werkstudent, für seine eigene Ausbildung aufbringt, gelten nach dem heutigen Steuerrecht nicht als abzugsfähige Werbungskosten. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes für den Begriff der Werbungskosten oder der Betriebsausgaben. Dieser Zustand ist - das muß ich Ihnen zugeben - nicht recht befriedigend. Im Rahmen des geltenden Rechts können unsere Finanzämter derartige Aufwendungen des Studenten für sein eigenes Studium auch nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes behandeln.
Uns scheint, daß die Frage der Studienförderung mit steuerlichen Mitteln nach ähnlichen Gesichtspunkten beurteilt werden sollte wie die Förderung anderer förderungswürdiger Zwecke mit steuerlichen Mitteln. Hier ist zu bedenken, daß jede steuerliche Förderung förderungswürdiger Interessen wegen der ungleichen Steuerlast, die die einzelnen zu tragen haben, zu einem ungleichen Maßstab führt. Es gibt weite Personenkreise, die, weil sie keine Einkommensteuer zu zahlen haben, auch von steuerlichen Begünstigungen nicht erfaßt werden können. Das wird gerade bei jungen Studenten mit geringen Einkommen häufig der Fall sein, so daß hier steuerliche Mittel gar nicht wirken.
Zweitens ist bekannt, daß durch die Progression des Einkommensteuertarifs die Auswirkung der Begünstigung mit steigendem Einkommen prozentual anwächst, während es angesichts des sozialen Zwecks dieser Maßnahmen eher umgekehrt sein sollte.
Bei ähnlichen Dingen - ich darf an die Sparförderung erinnern - hat der Gesetzgeber sich entschließen müssen, von der steuerlichen Begünstigung auf eine Prämiengewährung überzugehen. Uns scheint, daß die Fortentwicklung der Stipendien im Rahmen der allgemeinen Studienförderung der richtigere Weg ist, besser und gerechter in seiner sozialen Auswirkung als eine steuerliche Begünstigung.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß Ihre Antwort doch in etwa unbefriedigend ist angesichts der Ungerechtigkeit, die Sie hier darzulegen versucht haben, weil die Ungerechtigkeit vor allem dann sehr groß ist, wenn diejenigen, die sehr hohe Einkommen haben und deren Kinder studieren, dieses Studium weit1180 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 28. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den A. Mai 1962
gehend über die Steuer finanzieren können, so daß die Ungerechtigkeit nur aus theoretischen Erwägungen bestehen bleibt?
Herr Abgeordneter, Ihr Argument betrifft in erster Linie die Einkommensverhältnisse der Eltern,
({0})
während Ihre Frage sich auf die Einkommensverhältnisse der Studierenden selbst richtete.
Herr Staatssekretär, muß man denn nicht diese beiden Probleme zur Gesamtbeurteilung nebeneinander sehen, auch für die steuerlichen Entscheidungen, die Sie zu treffen haben?
Für die Begünstigung der Eltern bei Aufwendungen für das Studium der Kinder gibt es klare gesetzliche Richtlinien. Die Aufwendungen werden, wie Sie wissen, im Rahmen der §§ 32 und 33 a des Einkommensteuergesetzes gefördert.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer wird zurückgestellt.
Ich rufe auf die Frage V/4 - des Herrn Abgeordneten Jahn -:
Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, solche Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, die für Steuerpflichtige mit überdurchschnittlicher Körpergröße ({0}) infolge ihner körperlichen Beschaffenheit entstehen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Abgeordneter, Menschen mit überdurchschnittlicher Körpergröße ({0}) sind in einem „Klub langer Menschen" organisiert. Dieser „Klub langer Menschen" hat mehrfach angeregt, die Sonderlasten, die ihnen bei Ernährung, Bekleidung und Hausrat entstehen, auch steuerlich anzuerkennen. Nach den einschlägigen Bestimmungen unseres Einkommensteuerrechtes ist das nicht möglich. Wir würden damit eine Differenzierung in unser Einkommensteuerrecht hineintragen, die ihm fremd ist. Mit ähnlichen Argumenten würden beispielsweise auch die Korpulenten steuerliche Begünstigungen fordern können. Ich bedauere also, insoweit eine differenzierte Anwendung des Einkommensteuerrechts wegen unglücklicher natürlicher Beigaben nicht in Aussicht stellen zu können.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie diese Differenzierung auch dann nicht für möglich, wenn nachgewiesenermaßen diese Mehraufwendungen für Sonderanfertigungen beispielsweise von Betten oder von Kleidungsstücken erforderlich sind?
Wenn es in besonders gelagerten Ausnahmefällen tatsächlich einmal unabweisbare und außergewöhnliche Belastungen sind, Herr Abgeordneter, geht es wohl im Rahmen des § 33. Dabei werden natürlich die Gesamteinkünfte zu bedenken sein und anderes mehr. Wenn es aber die normalen Mehrbelastungen sind, glauben wir auch aus Gründen der Vereinfachung des Steuerrechts die Differenzierung nicht so weit treiben zu sollen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Sind Sie bereit, diesen Hinweis gegenüber den Finanzverwaltungen noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen, weil diese Ihre zuletzt zum Ausdruck gebrachte Ansicht von den unteren Finanzverwaltungen offenbar nicht allgemein geteilt wird?
Herr Abgeordneter, ich möchte vermuten, daß diese Sachverhalte den Finanzämtern hinreichend bekannt sind. In dieser Beziehung sind die außergewöhnlichen und die außerordentlichen Belastungen in einem besonders zugespitzten Fall anders zu beurteilen als etwa orthopädische Belastungen oder Belastungen für Gehbehinderte oder sonstige Körperbehinderte.
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Peiter auf Drucksache IV/381:
Welche Regelungen wird die Bundesregierung treffen, um die Gemeinden zu entschädigen, die durch Sonderhiebe und Kahlschläge in ihren Waldungen durch die Besatzungsmächte in den ersten Nachkriegsjahren betroffen wunden?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe auf aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft die Frage des Herrn Abgeordneten Büttner:
Welche gesetzlichen Möglichkeiten gibt es, einem Tierhändler die Konzession zum Tierhandel zu entziehen, bevor ein anhängiges Strafverfahren wegen Tierquälereiabgeschlossen ist?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft!
Die allgemeine Bestimmung des § 35 der Gewerbeordnung über die Untersagung der Ausübung eines Gewerbes durch die Verwaltungsbehörde wegen Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden setzt ein strafgerichtliches Urteil überhaupt nicht voraus. Ihre Anwendung aber ist nach § 35 Abs. 8 dann und insoweit ausgeschlossen, als für einzelne Gewerbe besondere Untersagungsvorschrif ten gelten. Eine solche besondere Untersagungsvorschrift ist in § 11 des Tierschutzgesetzes enthalten. Danach kann einem Tierhändler von der zuständigen Behörde der Handel mit Tieren wegen Tierquälerei nur untersagt werden, wenn der HändDr. Westrick
ler wiederholt wegen vorsätzlicher Tierquälerei nach § 9 des Tierschutzgesetzes rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Gewerbebehörden haben infolgedessen keine Möglichkeit, vor Abschluß eines solchen Strafverfahrens einem Tierhändler wegen Tierquälerei den Gewerbebetrieb zu untersagen.
Zusatzfrage?
Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen ausreichen, um einem Fall zu begegnen, wie er in dem Fall des Tierhändlers Rappolt in Moers-Vinn passiert ist? Die Angelegenheit ist durch Fernsehen, Rundfunk und Presse bekannt geworden. - Oder sind Maßnahmen geplant, die eher eine Möglichkeit geben, gegen einen solchen Tierschänder einzuschreiten?
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß es wünschenswert wäre, die Eingriffsmöglichkeit durch Untersagung des Gewerbes zu erleichtern. Nun ist ein Entwurf für ein Gesetz vorgelegt worden - ich glaube, es ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Bading und Margulies -. In diesem Entwurf ist vorgesehen, daß das Recht zur Untersagung des Berufs den Gerichten zugewiesen wird, mit der Maßgabe, daß schon bei einmaliger Verurteilung, also schon bei dem ersten Urteil, die Untersagung erfolgen kann.
({1})
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten steht hier eine Frage des Herrn Abgeordneten Büttner, die zurückgezogen worden ist.
({0})
- Das ist richtig; sie wird schriftlich beantwortet.
Meine Damen und Herren! Damit sind wir für heute am Ende der Fragestunde. Die restlichen Fragen werden am Freitag aufgerufen.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 6 des Ausschusses für Petitionen ({1}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({2}).
Ich frage, ob zu dem Antrag des Ausschusses das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 3 a), b), c) unserer Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit ({3}),
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot der Errichtung oder Veränderung von Verwaltungs-, Büro- und Repräsentationsgebäuden ({4}),
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({5}).
Ich rufe alle Punkte deshalb auf, weil ich annehme, daß, falls zur Begründung gesprochen wird, die Begründung gemeinsam erfolgt.
Wird das Wort zur Einbringung bzw. zur Begründung der Vorlage der CDU/CSU gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dollinger, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem verlorenen Krieg hat die Bauwirtschaft eine besondere Bedeutung erlangt. Waren doch 2,3 Millionen Wohnungen in Deutschland zerstört und darüber hinaus gewerbliche Bauten in großem Umfange vernichtet, wodurch die Produktionskapazität wesentlich eingeschränkt war. Auch die öffentlichen Verkehrswege hatten stark unter den Kriegseinwirkungen gelitten. Es war seinerzeit eine Hauptaufgabe für unsere Bauwirtschaft, dafür zu sorgen, daß die Menschen wieder ein Dach über dem Kopf bekamen, daß Wohnungen entstanden, daß gewerbliche Räume, Fabrikhallen errichtet wurden, damit Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Die Bauwirtschaft war eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufbau, und sie war eine Initialzündung für unsere Wirtschaft schlechthin.
Die Leistungen, die von. der Bauwirtschaft, von Bauarbeitern und Bauunternehmern, in all den Jahren der Nachkriegszeit erbracht worden sind, waren von außerordentlicher Bedeutung für unser gesamtes Volk und für die deutsche Volkswirtschaft. Der Umfang der Entwicklung der Bautätigkeit zeigt sich am besten in einigen Zahlen. Im Jahre 1950 betrug das Bauvolumen 10,5 Milliarden DM, im Jahre 1960 37,6 Milliarden DM; wir haben also eine Zunahme in zehn Jahren um 258 Prozent zu verzeichnen. Für das Jahr 1962 erwarten wir im Hoch- und Tiefbau ein Bauvolumen von rund 48 Milliarden DM. Seit dem Bestehen der Bundesrepublik wurden über 6 Millionen Wohnungen mit einem effektiven Kapitalaufwand von über 100 Milliarden DM errichtet.
Mit diesen Bauleistungen der Nachkriegszeit wurden alle Planungen und alle Erwartungen übertroffen. Neben dem Wohnungsbau, dem gewerblichen Bau, der Errichtung von Schulhäusern - ich darf hier einfügen, daß in den letzten Jahren in Deutschland mehr Schulhäuser gebaut worden sind als früher in Jahrzehnten -, neben Bauten für karitative und soziale Zwecke gewannen besonders auch der Tiefbau für die Wasserversorgung und die Abwässerbeseitigung und der Straßenbau große Bedeutung. So wurden enorme bauliche Leistungen vollbracht, und sie werden auch in Zukunft zu erbringen sein.
Die Leistungen in der Bauwirtschaft geben ein Spiegelbild unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist von Jahr zu Jahr enorm gestiegen. Es hing dies ohne Zweifel auch damit zusammen, daß eine Verbesserung der Masseneinkommen erzielt werden konnte, daß die Erträgnisse in der gewerblichen Wirtschaft stiegen und daß auch die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand laufend nach oben gingen. Auf Grund dieser Tatsachen wurde die Baunachfrage von den Privaten, von der gewerblichen Wirtschaft und von der öffentlichen Hand laufend gesteigert. Diese Steigerung und das Zusammentreffen dieser drei Faktoren führten letzten Endes dazu, daß wir heute eine Übernachfrage nach Bauleistungen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß hier ein sehr gefährlicher Engpaß vorhanden ist, und es stellt sich die Frage: Kann das Angebot an Bauleistungen dieser Nachfrage angepaßt werden?
Diese Frage muß leider mit Nein beantwortet werden. Wir brauchen nur daran zu denken, daß wir in der gesamten Volkswirtschaft einen ausgesprochenen Mangel an Arbeitskräften und in besonderem Umfange einen Mangel an Arbeitskräften in der Bauwirtschaft zu verzeichnen haben. Im Durchschnitt der letzten Jahre fehlten mindestens 60 000 Bauarbeiter. Wir müssen weiter zur Kenntnis nehmen, daß die Verkürzung der Arbeitszeit sich gleichfalls ausgewirkt hat. Wir können im Bau nicht in dem Umfange wie in anderen Bereichen Maschinen einsetzen.
Weiterhin sind die Ansprüche an die Bauwerke wesentlich gestiegen. Die Wohnungen sind größer geworden, die Innenausstattung wurde komfortabler gestaltet, letzten Endes ein Ergebnis des allgemein gestiegenen Lebensstandards. So ist es also praktisch nicht mehr möglich, das Angebot an Bauleistungen wesentlich zu steigern, Auch die Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte konnte hier keine Entlastung bringen.
Dieser Engpaß hat nun zu wirtschaftlichen Folgerungen geführt, die ihren stärksten Niederschlag in den Preissteigerungen auf dem Bausektor gefunden haben. Da aber die Bauwirtschaft und die Bauindustrie in unserer Volkswirtschaft eine Schlüsselstellung innehaben, sind von diesem Bereich Ausstrahlungen auch auf die anderen Wirtschaftsbereiche ausgegangen, und die Entwicklung von Preisen und Löhnen in der Bauwirtschaft hat dazu beigetragen, daß die Preis- und Lohnspirale allgemein in Bewegung gesetzt worden ist.
Neben den wirtschaftlichen Folgen sollen die sozialen Folgen nicht übersehen werden. Einkommen-und kapitalstarke Kreise werden mit steigenden Baupreisen natürlich leichter fertig als einkommen-und kapitalschwache. Es besteht die Gefahr, daß diese einkommen- und kapitalschwachen Kreise bei Steigen der Baukosten auf der Strecke bleiben. Das gilt nicht nur für den privaten Bauherrn, das gilt auch für den gewerblichen Bauherrn, ja, das gilt sogar für die öffentliche Hand als Auftraggeber. Ich brauche hier nur die finanzstarke im Vergleich zur finanzschwachen Gemeinde zu erwähnen. Es ist auch verständlich, daß die Bauunternehmungen angesichts einer so starken Nachfrage nach Bauleistungen geneigt sind, sich lieber mit Großbaustellen als mit vielen kleinen Baustellen abzugeben.
Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die sich aus diesem Engpaß ergeben, führen zwangsläufig zu bestimmten Konsequnzen. In den letzten beiden Jahren wurde immer wieder versucht, mit Appellen eine gewisse Einschränkung der Bautätigkeit zu erreichen. Es muß festgestellt werden, daß diese Appelle praktisch wirkungslos geblieben sind.
Man kan zwar theoretisch sagen, daß auf längere Sicht gesehen wieder eine Normalisierung auf dem Bausektor Platz greifen würde. Wir sind aber der Meinung, die Spannungen, die im Augenblick vorhanden sind, sind derartig stark, daß man auf eine solche Normalisierung einfach nicht warten kann. Wir können auch eine Unordnung in unserer Wirtschaft, wie sie vielleicht von den Spannungen am Baumarkt ausgehen kann und unter Umständen zum Teil schon ausgegangen ist, nicht ohne weiteres hinnehmen. Schließlich hat unser Wirtschaftsprinzip nicht nur den Namen Marktwirtschaft, sondern es nennt sich „soziale Marktwirtschaft". Hier hat der Mensch und vor allem auch der sozial Schwache im Mittelpunkt zu stehen.
({0})
Auf Grund all dieser Dinge sind wir zu der Ansicht gelangt, daß hier nach vielem Reden etwas geschehen muß. Ich bedauere, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke infolge seines Unfalles in diesen Wochen nicht unter uns weilen konnte, glaube aber sagen zu können, daß wir mit den Maßnahmen, die wir vorhaben, in seinem Sinne arbeiten. Ich möchte ihm von dieser Stelle aus eine baldige Genesung und Rückkehr zu uns wünschen.
({1})
Der Bund hat versucht, ein gutes Beispiel zu geben. In das Haushaltsgesetz 1962 haben wir den § 8 eingefügt und darin eine 20 %ige Sperre für öffentliche Bauten des Bundes festgelegt. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß diese Maßnahme in der jetzigen Situation auf dem Bausektor nicht ausreicht. Ich darf das mit wenigen Zahlen beweisen.
Der Bund ist nach der Vorschau des Jahres 1962 am Hochbau mit 1,9 Milliarden DM, am Tiefbau mit 3,4 Milliarden DM beteiligt. Insgesamt sind das 5,3 Milliarden DM. Die Länder sind beim Hochbau mit 1,8 Milliarden DM, beim Tiefbau mit 1,4 Milliarden DM, also insgesamt mit 3,2 Milliarden DM beteiligt. Die Beträge für Bauten der Gemeinden liegen für den Hochbau bei 2,3 Milliarden DM, für den Tiefbau bei 3,7 Milliarden DM, also insgesamt bei 6 Milliarden DM. Das bedeutet, daß der Bund am Hochbau mit einem Drittel beteiligt ist. Das gleiche gilt, wenn man Hoch- und Tiefbau zusammenrechnet; seine Beteiligung an den 14,5 Milliarden DM liegt dann bei 5,3 Milliarden DM. Der Wohnungsbau ist - ich sage das zur Ergänzung - mit 21 Milliarden DM, der landwirtschaftliche Bau mit 1,5 Milliarden DM und der gewerbliche Bau mit
11 Milliarden DM veranschlagt. Es ergibt sich dann für 1962 eine geschätzte Summe für den Hochbau von 39,5 Milliarden DM, für den Tiefbau von 8,5 Milliarden DM, also insgesamt von 48 Milliarden DM.
Auf Grund dieser Zahlen und der Möglichkeiten, die sich durch die 20%ige Sperre der Baumittel ergeben, ist die CDU/CSU-Fraktion nach langen und reiflichen Überlegungen zu der Überzeugung gekommen, daß neben diesen Maßnahmen des Haushaltsgesetzes klare, harte gesetzgeberische Maßnahmen unbedingt erforderlich sind. Das hat zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit - Drucksache IV/353 - geführt.
Dieser Gesetzentwurf hat das Verbotsprinzip zur Grundlage und besteht eigentlich aus drei Teilen. Der erste behandelt die Frage: Was ist erlaubt? Ich darf von vornherein feststellen, das der Wohnungsbau für die breiten Schichten unseres Volkes durch dieses Gesetz nicht eingeschränkt werden wird. Eingeschränkt werden sollen auch nicht die dringend notwendigen Verteidigungsbauten, soweit sie nicht unter die 20 %ige Kürzung fallen, die Versorgungsbauten, die Bauten für die Elektrizitäts-und Wasserwirtschaft, für Straßenbau und Verkehrswegebau, für Krankenhäuser sowie jene Bauten, die notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten. Ich brauche wohl nicht weiter zu begründen, warum wir diese Bauten von dem Verbot ausgenommen haben.
Der zweite Teil unseres Gesetzentwurfes beschäftigt sich mit jenen Bauten, die einer Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen unterworfen sind. Ich nenne hier den Bau von Schulen, von Turnhallen und Kindergärten.
Der dritte Teil schließlich befaßt sich mit Bauten, die verboten sind. Alles was nicht genehmigt ist, ist verboten; insbesondere sind das Büro- und Verwaltungsbauten, Vergnügungsbauten und das, was man landläufig Repräsentationsbauten nennt, ohne daß dies bisher rechtlich klar gefaßt ist.
Vielleicht denkt der eine oder andere, daß die Befreiungen oder die Ausnahmemöglichkeiten schon zu umfangreich seien. Dazu muß ich darauf hinweisen, daß es ja nicht die Absicht des Gesetzes ist, den Baumarkt lahmzulegen. Das Gesetz beabsichtigt lediglich, zirka 10 bis 15 % der Baunachfrage stillzulegen, um damit zu einer Normalisierung zu kommen und Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Der Bund hat, wenn er dieses Gesetz verabschieden wird, zweimal ein gutes Beispiel gegeben. Die CDU/CSU-Fraktion hat gezeigt, daß sie nicht nur über diese Dinge redet, sondern daß sie auch bereit ist, mutig ein unpopuläres Gesetz einzubringen. Die Wirksamkeit unserer Maßnahmen und unseres Beispiels wird sehr stark davon abhängen, inwieweit Länder und Gemeinden bereit sind, dem Beispiel des Bundes zu folgen. Meine Fraktion richtet an die Länder und Gemeinden die Bitte, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, wie wir sie bereits bei der Verabschiedung des Haushalts getroffen haben. Es wäre aber auch dankenswert, wenn sich die gewerbliche Wirtschaft und die private Seite einer gewissen zeitlichen Beschränkung unterwürfen.
Die CDU/CSU-Fraktion hofft, daß es möglich sein wird, eine schnelle Beratung dieses Gesetzes durchzuführen. Über Einzelheiten des Gesetzentwurfs und über die Geltungsdauer des Gesetzes wird im einzelnen zu diskutieren sein.
Wir freuen uns, daß die FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der im Endergebnis das gleiche Ziel ansteuert, wenn auch auf anderem Wege. Wir sind überzeugt, daß es in den Beratungen gelingen wird, auch hier die Koalition unter Beweis zu stellen. Wir hoffen aber auch und bitten darum, daß die Sozialdemokratie unseren Entwurf mitberaten und zu seiner Verwirklichung beitragen wird.
Meine Damen und Herren, es geht uns darum, mit diesem Entwurf eines Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit weitere Preissteigerungen zu verhindern und den Geldwert zu stabilisieren. Wir wollen dem kleinen Mann das Bauen auch weiterhin ermöglichen. Wir denken insbesondere an die Inhaber der 3,74 Millionen Bausparverträge mit einer Summe von 64 Milliarden DM. Mit einer Dämpfung auf dem Bausektor wollen wir aber auch einen mäßigenden Einfluß auf die Gesamtwirtschaft im Sinne des Appells unseres Herrn Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard ausüben.
Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich Sie bitten, diesen Gesetzentwurf dem Wirtschaftsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht zur Mitberatung zu überweisen.
({2})
Zur Begründung des unter Tagesordnungspunkt 3 b genannten Gesetzentwurfs Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dollinger hat schon auf das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Bausektor hingewiesen, das zu erheblichen Störungen unseres Wirtschaftslebens, vor allem aber zu fast unerträglichen Preissteigerungen geführt hat. Es erhebt sich die Frage: Was kann dagegen geschehen?
Man hat gefragt: Darf in einem Land, das die Marktwirtschaft zur Grundlage seines Arbeitens gemacht hat, der Staat eingreifen oder nicht? Wenn man diese Frage bejaht, fragt sich: Wie, bis zu welchem Grade und in welchen Formen kann er das tun?
Wir sind zunächst einmal der Meinung, daß hier ein Zustand erreicht ist, bei dem ein Eingreifen des Staates zwingend notwendig ist. Über die Wege gibt es verschiedene Meinungen.
Aber ich darf mich zunächst mit den Kreisen auseinandersetzen, die ein solches Eingreifen für nicht vereinbar mit der Marktwirtschaft halten. Gerade diese Kreise sind es, die dann, wenn es irgend1184
einem Gewerbezweig schlecht geht, nach Hilfsmaßnahmen steuerlicher Art des Staates rufen.
({0})
- Sie sitzen auf allen Seiten, meine Damen und Herren, auf allen Seiten der Wirtschaft, angefangen von den Unternehmern bis zu den Arbeitnehmern. Überall wird - ({1})
- Aber ich bitte Sie, denken Sie an Borgward! Wer hat denn da nach staatlicher Hilfe gerufen? Nur die Unternehmer?! Also, es gibt immer Kreise, die dann, wenn es ihnen schlecht geht, nach staatlicher Hilfe rufen, eventuell nach steuerlichen Hilfen. Diese Kreise können natürlich nicht erwarten, daß der Staat in einem Zeitpunkt, in dem die öffentliche Wirtschaft in Not gerät, auf solche Maßnahmen verzichtet. Gerade das Beispiel der Steuer ist besonders drastisch. Wenn der Staat zu gewissen Zeiten steuerliche Vergünstigungen zur Ankurbelung der Wirtschaft gewährt, so muß er auch das Recht haben, in Zeiten der Überkonjunktur diese Vergünstigungen wieder abzubauen.
In der Frage, was nun weiter geschehen soll, sind wir etwas anderer Ansicht als die CDU. Wir sehen auch die Entwicklung etwas anders. Wir halten es für notwendig, zunächst einmal zu überlegen, worauf dieses Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen ist. Nach unserer Ansicht ist in erster Linie die Tatsache schuld, daß es heute finanziell außerordentlich leicht ist, zu bauen. Es war nie so leicht, die finanziellen Mittel zum Bauen zu bekommen, wie es augenblicklich der Fall ist, angefangen von der Bundesebene bis zum kleinsten Bausparer. Die Möglichkeiten der finanziellen Hilfe zum Bauen sind nie so groß gewesen wie jetzt. Es bietet sich also, marktwirtschaftlich gesehen, als erste Maßnahme an, diesen finanziellen Hahn etwas abzudrehen, kleiner zu stellen und damit die Nachfrage etwas abzudrosseln.
Von diesem Gedanken ausgehend haben wir die Anregung gegeben, den § 8 des Haushaltsgesetzes zu ändern; denn dort sitzt der Bund an dem Hahn. Das gilt aber nicht für die gesamte Bauebene. Es ist müßig, sich darüber zu streiten, welche Anteile des Bauvolumens auf den Bund oder die öffentliche Hand und welche Anteile auf den privaten Sektor entfallen. Jedenfalls ist nicht die Tatsache zu bestreiten, daß das Kleinerdrehen des Hahns beim Bund nicht ausreicht, um die Nachfrage in genügendem Maße zu dämpfen.
Bevor ich auf die nächste Stufe, die Länder und Gemeinden, komme, muß ich ein Wort des Befremdens darüber einflechten, daß selbst in den Kreisen der Bundesregierung diese Maßnahme, die wir mit der Änderung des § 8 des Haushaltsgesetzes getroffen haben - sie sollte das erste Beispiel für die Allgemeinheit sein -, nicht verstanden oder nicht gewürdigt wird. Denn sonst hätte nicht ein Bundesminister in die Klage ausbrechen können, jetzt könnten keine Straßen mehr gebaut werden. Eine solche Äußerung bedeutet ein völliges Mißverstehen der Absicht, die, wie ich glaube, damals bei allen Parteien vorgelegen hat. Wenn Herr Seebohm der Ansicht ist, daß gewisse Bauvorhaben, die in seiner Regie durchzuführen sind, durch die 20%ige Sperrung in Gefahr geraten, dann hätte er nach unserem einmütigen Beschluß die Möglichkeit gehabt - und er hat sie heute noch -, sich mit seinen Kollegen, dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister, in Verbindung zu setzen. Denn diesen beiden Ministern haben wir das Recht gegeben, Ausnahmen von der 20%igen Sperrung zu erteilen. Infolgedessen brauchte kein wichtiges und dringliches Unternehmen des Tief- bzw. Straßenbaus in Gefahr zu geraten. Die Panikmache, die auf diesem Gebiet entstanden ist, war also unberechtigt. Sie war nicht sehr glücklich für die Interessen, die die Bundesregierung und das Parlament gemeinsam vertreten.
Aber ich sagte schon, daß der Bund nur von seiner Seite 'eingreifen kann. Er kann nicht über das bestimmen, was Länder und Gemeinden tun. Kollege Dollinger hat eben erklärt: Wir wollen den Ländern und Gemeinden nahelegen, sich ähnlich zu verhalten. - Herr Dollinger, (ich teile durchaus ihren Wunsch. Ich fürchte aber, daß wir mit einem solchen Vorgehen wenig Erfolg erzielen. Es ist ja bekannt, daß mindestens ein oberster Beamter eines Landes schon die Erklärung abgegeben hat: Für meinen Bereich kommen Senkungen der Bauinvestitionen nicht in Frage; wir haben zur Zeit die Mittel, und wir werden sie verbauen! - Ich brauche wahl auch nicht an idas Beispiel der Haupstadt dieses Landes zu erinnern. In der Dringlichkeitsliste der dort geplanten Bauten steht an erster Stelle ein Rathaus unid stehen an zweiter und dritter Stelle andere „Repräsentativbauten". Ich fürchte, daß wir die Bereitschaft zu einem ähnlichen Verhalten, wie wir es im Bund bekundet haben, bei den Ländern und Gemeinden nich finden. Das ist (in erster Linie (der Ausgangspunkt für unseren Gesetzentwurf.
({2})
- Das freut mich. Sie werden da ähnliche Gedanken gehabt haben. Wir wollen diese widerstrebenden Teile zwingen, sich zumindest auf einem Gebiet unserer allgemeinen Forderung anzupassen, und wir halten das Gebiet der Verwaltungs- und Repräsentativbauten hier für das geeignete. Deswegen besagt unser Gesetzentwurf, den ich hier zu vertreten habe, eindeutig und ohne jede Einschränkung: Die Errichtung und Ergänzung von Verwaltungs- und Repräsentativbauten ist für die Geltungsdauer dieses Gesetzes verboten, und zwar für alle, für Bund, Länder, Gemeinden und Priviate. Es soll keine Einschränkung geben, es soll auch keine Möglichkeiten geben, auf dem Wege der Billigkeit oder sonstwie Ausnahmen zu machen. Für 'die Laufzeit dieses Gesetzes, also zunächst bis zum Ende des Jahres 1962, soll dieses allgemeine Verbot unabdingbar sein. Wir sind der Meinung, daß wir mit dieser klaren und eindeutigen Regelung auch jede Gefahr vermeiden, mit dem Grundgesetz in Konflikt zu kommen.
Wir haben am Schluß unseres Gesetzentwurfes für die Bundesregierung (die Möglichkeit vorgesehen, die Geltungsdauer des Gesetzes um ein Jahr, also für das Jahr 1963, zu verlängern. Ich darf dazu
die Erklärung abgeben, daß wir für den Fall, daß es zu einer solchen Verlängerung kommt, durchaus mit uns darüber reden lassen, welche Erleichterungsmöglichkeiten eingebaut werden können, wenn sich die Notwendigkeit dafür aus der Erfahrung des kommenden Dreivierteljahres ergeben sollte. Für dieses Dreivierteljahr können wir uns aber nicht denken, daß an irgendeiner Stelle ganz unzumutbare Belastungen der öffentlichen Hand oder der privaten Unternehmer eintreten, wenn wir dieses Bauverbot generell durchziehen. Deswegen haben wir uns auf !dieses eindeutige und klare Verbot beschränkt.
Man könnte einwenden, dieses Verbot wende für das Jahr 1962 wahrscheinlich nicht besonders wirksam werden. Wir sind zumindest mit der CDU darin einig, daß wir diese Gesetze sehr schnell durchziehen wollen und möglicherweise am Ende der nächsten Woche schon zur zweiten und dritten Lesung kommen. Wenn das möglich wäre, würde die Gefahr ausgeräumt, daß noch tin aller Hast einige solcher Bauten errichtet wenden. Insofern würde unser Gesetzentwurf zumindest für das zweite Halbjahr des Jahres 1962 doch noch eine Wirkung haben, und wir hoffen, daß diese Wirkung dann auch auf das Jahr 1963 ausstrahlen und sich fortsetzen wird.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß bei allen Maßnahmen, die der Gesetzgeber in dieser Frage zu treffen hat, Eingriffe in die Wirtschaft nach Möglichkeit vermieden werden sollen. Wir haben deshalb versucht, uns so weit wie möglich zurückzuhalten. Was wir aber tun wollen, soll eine Mahnung an alle Kreise der Wirtschaft sein, an die Auftraggeber - sei es die öffentliche Hand, sei es der private Auftraggeber -, an die Bauwirtschaft, sei es das Baugewerbe, seien es die in der Bauwirtschaft tätigen Arbeitnehmer: eine Mahnung zum Maßhalten, jeder an seiner Stelle.
Die Mahnung soll für alle igelten. Deswegen würden wir es begrüßen, wenn diese Maßnahme, die vom Bund schon eingeleitet worden ist und die wir hier fortsetzen, auf alle Beteiligten die Wirkung hätte, die wir uns von ihr erhoffen, und wenn solche Vorgänge wie die letzten Verhandlungen der Tarifpartner, die wieder zu einer letztlich stoßweisen Erhöhung der Kosten und Preise geführt haben, Mir die Folge vermieden würden. Wenn dieser Geist bei allen wirksam wird, werden unsere Gesetze, glieichgültig, ob Sie die Form des CDU-Entwurfs haben oder die von uns gewünschte, doch ihre Wirkung zeigen.
({3})
Zur Begründung der Drucksache IV/342 hat Herr Dr. Imle das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden sich sicherlich fragen, warum noch dieser Gesetzentwurf von unserer Fraktion eingebracht worden ist .Es wurde
eben schon darauf hingewiesen, daß im Haushaltsgesetz verschiedene Maßnahmen ergriffen worden sind, um von der öffentlichen Hand her die Dämpfungsmaßnahmen einzuleiten. Ich darf es mir hier sicherlich ersparen, noch Gründe anzuführen, warum das notwendig war. Aber wir wissen, daß gerade die Vergabe von Bauaufträgen seitens der öffentlichen Hand wesentlich zu den Verhältnissen, die wir heute haben, ,beigetragen hat.
Wenn nun im Haushaltsgesetz .selbst noch angeordnet worden ist, daß § 19 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zum Teil ausgesetzt wird, wonach bis zum 30. September eines jeden Jahres die Mittel für den Wohnungsbau an die Länder zugeteilt sein müssen, dann kann man wohl sagen, daß bereits auf 'dem öffentlichen Sektor vom Bund her etwas getan worden ist, was als ,durchaus 'begrüßenswert angesehen werden muß.
Den Appell, der eben von meinem Kollegen Atzenroth an die Länder weitergegeben wurde, auch ihrerseits dazu beizutragen, daß die Überhitzung auf idem Bausektor, die ja von der öffentlichen Hand ausgegangen ist, auch von seiten der Länder entsprechend mit eingeschränkt wird, kann ich nur unterstreichen.
Wir waren aber der Meinung, daß man nicht nur auf der einen Seite anfangen kann, wenn sich die Sperrung dieser Mittel in Höhe von 20 % auf den gesamten Wohnungsbausektor auswirkt. Man kann das nicht lediglich für diesen einen Sektor tun, sondern § 7 b muß im ganzen überprüft werden. An den Anfang meiner Bemerkungen hierzu darf ich stellen, daß seitens der FDP-Fraktion nicht daran gedacht ist, § 7 b in seiner bisherigen Form auf die Dauer aufzuheben und in der vorgelegten Form zu ersetzen, d. h. also, den Mietwohnungsbau für alle Zukunft von den Vergünstigungen nach § 7 b auszuschließen. Wir schlagen vielmehr vor, daß eine Übergangszeit eingeschaltet wird, und zwar - wie es nach dem Gesetzentwurf zunächst vorgesehen ist - vom 5. April 1962 bis zum 1. Januar 1963. Lediglich die in diesem Zeitraum erteilten Baugenehmigungen sollen von der steuerlichen Vergünstigung ausgeschlossen sein. Wir sind der Meinung, daß eine solche begrenzte Inanspruchnahme der steuerlichen Vergünstigung durchaus möglich ist, und ich kann durchaus mit Befriedigung darauf hinweisen, daß auch beteiligte Wirtschaftskreise ihre Zustimmung hierzu erklärt haben, weil sie es von sich aus für erforderlich halten, daß einmal Beruhigung auf dem Bausektor eintritt.
Mit der Herausnahme des Wietwohnungsbaues ist eindeutig dargelegt, daß die bisherigen Vergünstigungen für Eigenheime, Eigensiedlungen und eigengenutzte Eigentumswohnungen, also Stockwerkwohnungen, in genau demselben Umfang erhalten bleiben.
Es ist vielfach davon gesprochen worden, daß hier, wenn man dieses Gesetz durchführe, eine einseitige Bevorzugung der Genossenschaften und der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften stattfinde. Ich wies eben schon darauf hin, daß das wegen der anderen Maßnahmen nicht eintreten wird, daß aber
andererseits auf diesem Gebiet zum Teil eine Entwicklung eingetreten ist, die nicht im Sinne einer vernünftigen Eigentums- und Vermögensbildung liegen kann. Es kann nicht angehen, daß aus der Inanspruchnahme des § 7 b in der Hand weniger viel Wohnungseigentum entsteht, wenn sie ein bestimmtes Anfangskapital haben. Es ist so, daß hier eine falsche Entwicklung entstanden ist, die zu einer einseitigen Massierung führt, die wir nicht wollen und die auf die Dauer auch nicht erwünscht sein kann.
({0})
Ich wollte nur folgendes sagen: Der § 7 b ist aus zweierlei Gründen eingeführt worden, und zwar einmal, um zur Bautätigkeit anzuregen, und zum anderen, um dazu beizutragen, Eigentum zu bilden.
({1})
- Ich habe eben gesagt: bei den Kleinen ist es genauso. Wer ein bestimmtes Anfangskapital hat, kann davon Gebrauch machen. Aber der Witz ist doch der, daß auf Ihrer Seite genau diese Dinge vorliegen. Wir werden uns Gedanken darüber zu machen haben, ob das für die Zukunft noch richtig ist.
({2})
- Herr Kollege, das werden wir genau in die Hand nehmen. Ich darf hinzufügen, daß diese Ansicht durchaus eine Stütze in dem Jahresbericht der Bundesbank findet, die es für wünschenswert hält, daß die steuerlichen Vergünstigungen, die der § 7 b des Einkommensteuergesetzes für den privaten Wohnungsbau bietet, auf den Bau von Eigenheimen beschränkt werden und die Möglichkeit ihrer mehrmaligen Inanspruchnahme beseitigt wird. Es ist eine Frage, die man sich durchaus überlegen muß, ob es richtig ist, daß derjenige, der bereits ein Einfamilienhaus gebaut hat, noch ein zweites soll bauen können. Wenn dann allerdings weiter beanstandet wird, daß noch immer auf Kosten des Staates der § 7 b auch solchen Bauherren Vorteile biete, die nur aus steuerlichen und kommerziellen Erwägungen Wohnungen bauen, dann muß ich eigentlich sagen, daß es durchaus zulässig sein muß, aus kommerziellen Erwägungen Wohnungen zu bauen; es fragt sich nur, in welchem Rahmen das geschieht. Das ist die entscheidende Frage dabei. Das möchte ich doch eindeutig sagen. Wenn die Bundesbank davon spricht, daß § 7 b nicht nur wesentlich zur Anheizung der Wohnungsbaukonjunktur beiträgt, sondern auch sozial in keiner Weise zu rechtfertigen ist, dann muß man hier wohl sagen, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Es ist durchaus richtig, was die Bundesbank im zweiten Teil ihrer Begründung sagt; aber ich meine, daß der Wohnungsbau allein aus kommerziellen Erwägungen deswegen keineswegs unterbunden werden kann.
Ich darf noch zum Datum des Inkrafttretens des Gesetzes folgendes sagen. Man könnte die Auffassung vertreten, daß, wenn dem Gesetz eine rückwirkende Kraft beigelegt wird, die Möglichkeit einer
Verfassungswidrigkeit besteht. Wir haben uns letzthin noch im Finanzausschuß bei der Erörterung von Problemen, die beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind, darüber unterhalten und sind zu der Auffassung gekommen, daß in Zukunft Steuergesetze hinsichtlich der rückwirkenden Kraft sehr genau überlegt werden müssen und hierbei durchaus zu prüfen ist, welche Auswirkungen solche Termine haben können. Wir sind deshalb durchaus gewillt, auch dieses Problem im Ausschuß noch zu untersuchen und das Gesetz und damit auch die Sperre für die Erteilung der Baugenehmigung eventuell vom Tage der Verkündung ab in Kraft treten zu lassen. Dabei sollte man allerdings den Zeitraum, der vom 5. April bis zur Verkündung des Gesetzes verflossen ist, hinten wieder anhängen, damit auf alle Fälle eine Zeitspanne von drei Vierteljahren vorhanden ist, bei der für erteilte Baugenehmigungen keine Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden kann.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einen Appell an alle richten, die sich mit dem Bauen befassen. Die Überhitzung" der Baukonjunktur hängt sehr eng mit den Preisen zusammen. Die Bundesrepublik ist eigentlich das Land, in dem bisher am wenigsten von der konventionellen Bauweise abgegangen worden ist. Man meint bei uns, man könne nur ein Haus haben, bei dem schön Ziegelstein auf Ziegelstein gelegt worden ist. Es würde zu einer Verbilligung von 15 bis 17 % führen, wenn man ein Haus mit vorgefertigten Bauteilen bauen würde. Daher sollten sich die Bauherren überlegen, ob sie nicht dieser Bauweise nähertreten können. Sie würden Geld sparen und außerdem schneller fertig werden. Dazu würde damit der Überhitzung in dem Bausektor entgegengewirkt.
Wir sehen in dieser Bauhochkonjunktur auch eine Gefahr für die Aufrechterhaltung unserer Kaufkraft und für unsere Währung. Es ist bekannt, daß Bausparer, die vor Jahren Verträge abgeschlossen haben, heute teurer bauen müssen, als sie es sich seinerzeit überlegt hatten. Mit den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen würde man einer solchen Verteuerung entgegenwirken.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Beruhigung auf dem Kapitalmarkt erwähnen; sie ist zwar im Moment vorhanden, wäre aber auch für die Zukunft wünschenswert, damit nicht eines Tages die Realzinssätze von beispielsweise 51/2 % auf 71/2 %, die wir in der Vergangenheit schon einmal gehabt haben, nach oben schnellen. Das würde nämlich bei einer Hypothek von 30 000 DM eine jährliche Verteuerung von 600 DM oder eine monatliche Verteuerung von 50 DM bringen. Diese Dinge sollten durchaus berücksichtigt werden.
Lassen Sie mich einen kurzen Ausblick auf die Zukunft tun. Wir sind der Meinung, daß eine Änderung des § 7 b in dieser Form einen Appell an die Vernunft aller darstellt, die es angeht. Es wird dabei der Zukunft überlassen bleiben müssen, ob die freie Jagd der Baulöwen - wie es so schön heißt - nicht ins Gehege kommen muß, falls sie sich nicht selber einer Zähmung befleißigen.
Ich stelle den Antrag, den Entwurf dem Finanzausschuß unter Beteiligung des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zu überweisen.
({3})
Sie haben die Begründung der Vorlagen gehört. Wird das Wort gewünscht?
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer dem Herrn Kollegen Dr. Dollinger zugehört hat, konnte den Eindruck haben, die ganze konjunkturelle Situation, in der sich die Bauwirtschaft heute befindet, sei gewissermaßen zwangsläufig gewachsen, sei nicht zu verhindern und nicht zu beeinflussen gewesn. Das ist nicht so. Ich habe auch nicht das Gefühl, daß die Bundesregierung noch ein paar Lorbeeren dafür verdient, daß es so weit gekommen ist, wie ,es heute ist.
Für den, der die Bauwirtschaft aufmerksam beobachtet, kann kein Zweifel daran bestehen, daß seit einiger Zeit in einigen wesentlichen und wichtigen Ballungsgebieten im Bundesgebiet eine überhitzte und übersetzte Baukonjunktur zu verzeichnen ist. Die Frage ist nicht, ob das so ist. Vielmehr lautet die erste Frage: seit wann ist das so, und seit wann sind die Symptome sichtbar gewesen, die erkennen ließen, daß es zu dieser Entwicklung kommen muß? Wer die Statistiken verfolgt und die Bauwirtschaft beobachtet hat, wird mir zugeben müssen, daß seit Anfang des Jahres 1961 völlig klar sein mußte, daß wir im Jahre 1962 vor einer überhitzten Baukonjunktur stehen würden. Es gibt dafür eine ganze Reihe von Anhaltspunkten. Das Volumen der genehmigten Wohnbauten ist im Jahre 1961 auf 243 Millionen cbm gestiegen. - Das ist eine bessere Unterlage als die Preise, Herr Kollege Atzenroth; sie sagt etwas aus. - Das sind 6,6 % mehr als im Jahr vorher. Daneben muß man aber noch eine andere Zahl sehen, dann bekommt man erst einen richtigen Überblick: Die Zahl der genehmigten Nichtwohnbauvorhaben im Hochbau ist um 10,2 % gestiegen, also um rund 5% mehr als die Zahl der genehmigten Wohnbauvorhaben. Man muß einmal dieses Zusammenspiel im Zuwachs sehen; es zeigt, daß bei den Nichtwohnbauten ein verhältnismäßig größerer Zuwachs zu verzeichnen ist als bei den Wohnbauten. Dabei ist aber auch klar, daß schon das Jahr 1961 eine gespannte Baukonjunktur ausgewiesen hat. Im Jahre 1962 ist nun die Konjunktur noch stärker geworden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege, darf ich fragen, ob Sie bei dem Vergleich zwischen Wohnbauvorhaben und Nichtwohnbauvorhaben beide Male die Zahlen der Kubikmeter umbauten Raumes zugrunde gelegt haben?
Jawohl, Herr Kollege Atzenroth.
Und sind Sie der Meinung, daß man diese beiden Zahlen vergleichen kann?
Natürlich kann man sie vergleichen. Ich darf Ihnen die Zahlen nennen, damit Sie die absoluten Größen haben: das Volumen der genehmigten Wohnbauten betrug 1960 228 Millionen cbm, 1961 243 Millionen cbm; das ergibt nach Adam Riese bei den genehmigten Wohnbauvorhaben einen Zuwachs in Kubikmetern von 6,6 %. Bei Nichtwohnbauten betrug das genehmigte Volumen 1960 155 Millionen cbm, 1961 170 Millionen cbm; das ist ein Zuwachs in Kubikmetern um 10 %. Das ist der Vorgang. Dabei steht also fest, daß der Zuwachs bei Nichtwohnbauten erheblich höher ist als sonst.
Man muß daneben noch die Eigenheiten des Baugewerbes sehen. Es sind Vorwürfe in Richtung auf das Baugewerbe gemacht worden und heute hier bei einem Teil der Redner wieder durchgeklungen. Das Baugewerbe unterscheidet sich in vielen Charakteristiken wesentlich von allen anderen Wirtschaftszweigen. Das Baugewerbe fabriziert nicht vor. Das Baugewerbe selbst kann gar keine Konjunktur machen, sondern es ist ein Bereitschaftsgewerbe, das nur dort, wo jemand zu bauen beabsichtigt, und dann, wenn einer zu bauen beabsichtigt, mit der notwendigen Kapazität da zu sein hat. Das Baugewerbe kann auch keinen Markt machen. Es kann auch nicht werben, zu bauen, oder darum werben, das Bauen zu unterlassen, sondern es steht im Markt so, wie er von außen her gestaltet wird, und hat keinen Einfluß darauf. Das ist sehr wesentlich. Wenn man das sieht, dann weiß man, daß das Baugewerbe für die Konjunktur, die wir haben, nicht verantwortlich gemacht werden kann, weder die Unternehmer noch sonst jemand.
Das zweite, was ich erwähnen möchte, ist die Tatsache, daß die Baukonjunktur im Gegensatz zu Konjunkturen in anderen Wirtschaftszweigen nur sehr langfristig, sehr schwierig und sehr schwerfällig steuerbar ist. Das Planen und Bauen zieht sich oft über mehrere Jahre hinweg. Das schließt aber nicht ein, daß die Konjunkturpolitik im Baugewerbe schwieriger wäre als für andere Wirtschaftszweige. So langfristig auch die Konjunktur im Baugewerbe steuerbar ist, ist es andererseits doch so, daß sich konjunkturelle Anspannungen und konjunkturelle Flauten des Baugewerbes langfristig vorher anzeigen und bemerkbar machen, so daß der Konjunkturpolitiker und der Wirtschaftspolitiker die Möglichkeit hat, langfristig seine Maßnahmen anzulegen.
({0})
Das ist der erste Vorwurf, den ich der Bundesregierung zu machen habe. Die Bundesregierung hat anscheinend den Markt im Jahr 1960 und im Jahre 1961 nicht genügend beobachtet. Sonst hätte sie damals dazu kommen müssen, Maßnahmen zu
treffen, die jetzt zu spät mit Verbotsgesetzgebungen eingeleitet werden müssen.
({1})
Wir haben es dabei nicht mit irgendeinem Gewerbezweig zu tun, sondern immerhin mit einem Wirtschaftszweig, in dem 2,2 Millionen Menschen - das ist jeder Neunte in unserem Land - als Arbeitnehmer beschäftigt sind und der rund 400 000 selbständige Unternehmer aufweist. Ein solcher Wirtschaftszweig hätte es schon erforderlich gemacht, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium in diesen Jahren mit etwas mehr Sorgfalt der Entwicklung dieses Gewerbes angenommen hätte. Dann wäre manches vermieden worden.
({2})
In diesem Zusammenhang muß ich folgendes erwähnen. Herr Minister Lücke ist hier beglückwünscht worden, und es ist der Wunsch geäußert worden, daß er bald zurückkomme. Ich glaube, es wäre gut, wenn der Herr Bundeswohnungsbauminister heute hier wäre. Ich hätte das Zusammenspiel zwischen Herrn Lücke und Herrn Erhard gerne einmal erlebt. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat im vergangenen Jahr den Versuch gemacht, eine Konjunktur, die er für überholt hielt, zudämpfen, und der Bundeswirtschaftsminister ist ihm damals in die Quere gekommen und hat das verhindert.
({3})
- Wir waren damals auch nicht mit den konkreten Lösungen einverstanden, die Herr Lücke erwogen hat. Wir haben damals aber den Zeitpunkt für gekommen erachtet, uns der konjunkturellen Verhältnisse im Baugewerbe anzunehmen. Sie sagen nun, Sie hätten es nicht gewußt. Warum ist denn nichts geschehen, meine Damen und Herren? Draußen gehen Parolen um. Mir ist einmal gesagt worden, die Bundesregierung, auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, sei erst darauf gekommen, daß die Baukonjunktur überzogen sei, als eine hochgestellte politische Persönlichkeit in Deutschland in einem im familiären Bereich übersehbaren Radius die Baukonjunktur kennengelernt habe. Erst da sei die Bundesregierung auf die Überspannungstendenz im Baugewerbe aufmerksam geworden.
({4})
- Meine Damen und Herren, zunächst ist die SPD in der Opposition.
({5})
Zunächst und in erster Linie ist es eine Aufgabe der Regierung, Konjunkturpolitik zu treiben, und nicht der Opposition.
({6})
- Das ist im übrigen auch keine Frage der Wohnungsbaupolitik, das ist eine. Frage der Wirtschaftspolitik. Ich habe hier festgestellt, daß das Bundeswirtschaftsministerium die Konjunkturbeobachtung in diesem Wirtschaftszweig nicht ernsthaft genug betrieben hat. Wenn es das getan hätte, müßte ich
I nämlich die Frage stellen: Herr Minister, wenn Sie es gewußt haben, warum haben Sie dann nichts oder nicht rechtzeitig etwas getan? Denn es ist nichts geschehen.
({7})
Bei richtiger Beobachtung des Baumarktes wäre es möglich gewesen, ohne Verbotsgesetze mit den Steuerungsmöglichkeiten, über die eine Wirtschaftspolitik in der Marktwirtschaft verfügt, diese Konjunktur, die jetzt stellenweise ausgeufert ist, in richtige Bahnen zu lenken, ohne daß eine Überhitzung entstanden wäre.
({8})
- Ich komme schon noch darauf. Etwas Geduld, meine Damen und Herren! Verbotsgesetze sind das letzte Mittel.
({9})
Sie sind Eingriffe in das Marktgeschehen. Meine Damen und Herren, wir haben noch nie Verbotsgesetze beantragt.
({10})
- Ich kann das nur als falsch bezeichnen. In diesem Falle - hören Sie gut zu, Herr Atzenroth; Sie sind jetzt mit in der Regierung -, in diesem Falle ist der Antrag, ein Verbotsgesetz einzubringen, auch das Eingeständnis, in konjunkturpolitischer Hinsicht völlig versagt zu haben. Denn sonst wären Verbotsgesetze nicht nötig.
({11})
Ich will Ihnen konkret sagen, was hätte geschehen können. Ich gehe davon aus, daß das Wirtschaftsministerium den Baumarkt regelmäßig und rechtzeitig beobachtet und daraus seine Schlußfolgerungen gezogen hätte. Dann wäre es erstens möglich gewesen, festzustellen, daß das Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot im Baugewerbe in absehbarer Zeit aus dem Gleichgewicht geraten müsse. Das war für jeden erkennbar, auch ohne daß er im Wirtschaftsministerium gesessen hätte.
Wenn man das wußte, war es zweitens klar, daß es eine ganze Reihe von Instrumenten gibt, mit denen man eine solche Ausuferung oder das Aus-der-Balance-Geraten hätte in Ordnung bringen können. Da ist zunächst einmal das Instrumentarium, das der Bundeswirtschaftsminister in bezug auf den Kapitalmarkt hat. Es geht -ja nicht nur um Wohnungsbau, sondern auch um eine ganze Reihe anderer Dinge mehr.
Drittens wäre es möglich gewesen, die verfügbaren Kapazitäten rechtzeitig in ein ordentliches und richtiges Verhältnis zu der entsprechenden Nachfrage zu bringen. Das ist nämlich auch im Baugewerbe möglich, nicht so, wie Herr Dollinger eben sagte, es gehe nicht. Es gibt zwar Schwierigkeiten, das zu tun, es geht im Baugewerbe sogar schwieriger als anderwärts, aber wenn man es rechtzeitig erkennt, ist das auch im Baugewerbe möglich. Das Herbeischaffen der Maschinen ist im Baugewerbe so leicht möglich wie anderswo auch. Was das Heranbringen von zusätzlichen Arbeitskräften angeht, so
ist es, auch wenn es sich um ausländische Arbeitskräfte handelt, nicht damit getan, daß man sie holt, sondern sind sie in einem vorausschaubaren zeitlichen Bereich einschulbar und umschulbar, insbesondere dann, wenn man sie Arbeitsvorgängen zuführt, die sie beherrschen können.
Dazu kommt ein Weiteres, meine Damen und Herren, was Herr Dr. Imle schon angeschnitten hat: das Anpassen des Angebotes an die Nachfrage.
({12})
Gegenwärtig werden die Italiener als Facharbeiter in sechs Wochen ausgebildet. Ich wehre mich persönlich dagegen, das in sechs Wochen zu machen, weil ich mir sage: Entweder sind unsere deutschen Facharbeiter zu dumm, daß sie drei Jahre zu dem brauchen, was die Italiener in sechs Wochen schaffen, oder aber man kann das tatsächlich in sechs Wochen erreichen. Ich bin der Meinung, in drei oder vier Monaten kann man einem Menschen einen verhältnismäßig qualifizierten, aber wiederkehrenden Arbeitsvorgang beibringen. Das geschieht auch in der übrigen Wirtschaft, und das ist auch im Baugewerbe möglich.
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind aber nicht getroffen worden, weil man das Baugewerbe nicht darauf aufmerksam gemacht hat, daß ein solcher Konjunkturüberhang auf es zukommen wird. Das ist Sache der Bundesregierung. Ich habe nicht gehört, daß der Bundeswirtschaftsminister das Baugewerbe aufgefordert hat, seine Kapazitäten an die größer I werdenden und das bisherige Volumen übersteigenden Bauaufgaben anzupassen.
Dann ein Weiteres. Ich bin dem Herrn Kollegen Dr. Imle dankbar, daß er das Thema angeschnitten hat. Ich sage das nicht, um zu kritisieren, sondern um festzustellen - ich stelle es seit drei Jahren fest -, daß die Bundesrepublik Deutschland, soweit die Einführung neuer Baumethoden in Betracht kommt, obwohl wir ein Land mit einem ungeheuer hohen Bauvolumen sind, ein ausgesprochenes Entwicklungsland ist. Frankreich führt auf diesem Gebiet in Europa. Wir sind zur Zeit dabei, hier in Deutschland im Lizenzverfahren französische Fabriken aufzubauen. Wir haben in den letzten Jahren zur Entwicklung auf dem Gebiete des Bauens nicht einen eigenen geistigen Beitrag geleistet.
({13})
Man kann sich nicht darauf verlassen, daß die Bauwirtschaft das allein tut; denn es stecken Risiken darin, diese Forschungsaufgaben zu betreiben. Da muß auch eine Ermunterung von der Regierung kommen. Das wird in Frankreich und in anderen westlichen Ländern getan, indem dort Mittel für die Forschung zur Verfügung gestellt werden. Das geschieht hier bei uns nicht. Das haben wir nicht nur in Frankreich erlebt. Meine Damen und Herren, interessieren Sie sich doch dafür! Da gibt es fast ein 'Dutzend Systeme, die dort entwickelt worden sind, die fabelhaft funktionieren, nach denen man dort baut und die konjunkturentspannend wirken könnten. Auch Länder wie Dänemark, Schweden und Norwegen haben es fertiggebracht. Auch in
England kann man feststellen, daß man dort nicht nur Wohnungen nach dem Prinzip der Vorfertigung baut, 'sondern auch andere Projekte, was uns hier im Lande sehr wohltun würde. Ich habe gesehen, daß man in London eine verkehrsreiche Straße an zwei Tagen mit Brücken überspannt hat, die vorgefertigt worden sind, die ganz einfach montiert worden sind. Was geschieht hier in diesem Lande in bezug auf solche Baumethoden, die entwickelt werden, die auch .die Konjunktur entlasten und damit in vielfacher Hinsicht uns hier wirtschaftlich voranbringen?
({14})
Das kann man nicht erreichen, indem man den Markt sich selbst überläßt, sondern da ist die einleitende Hand der Wirtschaftspolitik nötig .Und da ist nichts geschehen. Die Bundesregierung hat auch auf diesem Gebiet seit Jahren völlig versagt und muß sich das hier heute sagen lassen.
({15})
Statt hier konjunkturpolitisch richtig und vernünftig zu planen und einzugreifen, erhebt der Bundeswirtschaftsminister die seit Wochen bekannten Vorwürfe; er nennt uns maßlos. Er hat jetzt fast alle damit gemeint, nachdem zunächst nicht genau festzustellen war, wen er eigentlich gemeint hat, hat er es dann immer wieder auf die anderen bezogen, so daß jetzt fast alle drangekommen sind.
Statt solche Vorwürfe zu erheben, Herr Bundeswirtschaftsminister, hätte ich es für richtig gehalten, wenn die öffentliche Hand auf diesem. Gebiet einmal mit gutem Beispiel vorangegangen wäre.
({16})
- Ich will es Ihnen gleich sagen, damit Sie auch erfahren, warum!
({17})
- Ja, meine Damen und Herren, Sie sind so nervös!
({18})
Ich habe Ihnen vorhin gesagt: Die genehmigten Wohnungsbauvorhaben im Jahre 1961 sind um 6,6 % gewachsen, (die Nichtwohnbauten (im Bereich des Hochbaues aber um 10,2 %. Jetzt will ich einmal definieren, wie das war, Herr Atzenroth.
Die sogenannten Anstaltsbauten, die genehmigten Anstaltsbauten im Jahre 1961 weisen eine Zuwachsrate von 22,1 % auf. Das isst die höchste Zuwachsrate für irgendein Gebiet im Rahmen des Hochbaus. Dieser Anstaltsbau wird zu 75 % von der öffentlichen Hand - auch von der Bundesregierung in hervorragendem Maße - finanziert und praktisch als Bauherr betrieben. Das ist die höchste Zuwachsrate, die es gibt. Von da her ergibt sich die höchste Veranlassung zur Überspannung des Baugewerbes. Es war also nicht der private Bauherr, sondern die öffentliche Hand selber.
({19})
- Ich komme noch dahin; wir nähern uns vielleicht
noch mehr, als Sie glauben! Ich will nur sagen,
daß wir uns Gedanken gemacht haben über das Warum und über das Wieso. Ich komme nur zu etwas anderen Schlußfolgerungen als Sie, weil Sie nach meiner Meinung nicht genügend über die Intema nachgedacht haben.
Wenn man jetzt dieses Nichtwohnungsbauvolumen der öffentlichen Hand noch einmal sondiert und vergleicht, stellt sich folgendes heraus: Für Behörden und Verwaltungen der öffentlichen Hand beträgt die Zuwachsrate 12,7 %. In der gewerblichen Wirtschaft beträgt die Zuwachsrate 11,2%. Und jetzt, bitte, meine Herren: bei privaten Haushalten, die auch Nichtwohnbauten errichten, ist das genehmigte Bauvolumen 1961 um 9 % gesunken. Denen kann man also überhaupt keinen Vorwurf machen. Spitzenreiter in bezug auf die Anheizung der Konjunktur ist die öffentliche Hand, und an ihrer Spitze steht die Bundesregierung selber. Das ist entscheidend.
({20})
Wenn wir hier die Frage untersuchen, was praktisch geschehen ist, -
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Leber, wie verträgt sich denn diese scharfe Kritik am Anwachsen der Bauausgaben der öffentlichen Hand mit der Kritik Ihrer Partei, daß die Gemeinschaftsaufgaben, nämlich der Bau von Schulen, Krankenhäusern und anderen wichtigen Einrichtungen, seit Jahren bei uns vernachlässigt und unterbewertet werden?
Hier stehen im Augenblick nicht die Schulen und Krankenhäuser zur Debatte, sondern die überhitzte Baukonjunktur. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die gebaut werden, die man in drei Jahren auch noch bauen kann.
({0})
- Nur die Ruhe, meine Damen und Herren, nur die Ruhe! Wir kommen noch darauf zurück; auch die Straßen; ich habe nichts vergessen.
({1})
Nachdem die Bundesregierung also konjunkturpolitisch vorausschauend nichts getan hat, um die Baukonjunktur in Bahnen zu lenken, hat sie jetzt obendrein, nachdem die Dinge auf dem Markt wild gewachsen sind, noch das ihre dazu beigetragen und hat die Entwicklung gesteigert. Sie hat sich von niemand den Rang ablaufen lassen, die Konjunktur im Baugewerbe mehr zu erhitzen, als sie selber es getan hat.
Nun, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung selbst mit solchem Beispiel vorangeht, dann hat sie meiner Auffassung nach kein Recht, vom Bürger im Lande mehr Vernunft zu verlangen, als sie selber in der Wirtschaft zu beachten bereit ist.
({2})
Alle Vorträge über „Maßlosigkeit" passen wunderbar in dieses Kapitel. Der Bundeswirtschaftsminister ist verantwortlich für die Wirtschaftspolitik, der Bundeswirtschaftsminister hat den Vorsitz im Wirtschaftskabinett, und es gibt niemand als den Herrn Bundeswirtschaftsminister und das Wirtschaftskabinett, der verantwortlicher wäre für die zusätzlichen Baumaßnahmen, die zum Teil nicht nötig sind, die in eine überhitzte Konjunktur hineingepumpt worden sind.
({3})
- Ich komme noch darauf zu sprechen. ({4})
Ich habe Ihnen \doch eben gesagt: Lesen Sie doch die Daten des Statistischen Bundesamts. Was ich Ihnen hier vorgelesen habe, steht in der Bauberichterstattung, und zwar in der jüngsten Ausgabe. Ich schenke Ihnen das Heft nachher, wenn Sie es haben wollen.
({5})
- Öffentliche Bauten, habe ich Ihnen doch vorhin gesagt, meine Damen und Herren, Büro- und Verwaltungsbauten der öffentlichen Hand weisen den stärksten Zuwachs - um 12,7 % - auf.
({6})
- Wissen Sie nicht, was ein Büro- und Verwaltungsbau ist?
({7})
- Aber entschuldigen Sie, meine Damen und Herren: das sind alles Hochbauten.
({8})
- 'Das habe ich nicht gesagt. Büro- und Verwaltungsbauten sind doch keine Straßenbauten; das sind alles Hochbauten.
({9})
Ruhe, Ruhe! - Gestatten ,Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Leber, wollen Sie uns nicht bei dem 12 %igen Anteil
({0})
öffentlicher Hochbau sagen, was davon auf den Bund, auf 'die Länder und auf die Kommunen entfällt?
({1})
Das läßt sich, Herr Kollege - das habe ich auch versucht zu definieren, das hat ja vor mir Herr Dollinger etwas auseinandergeklittert -, nur mit diesen absoluten Zahlen auseinanderrechnen. Da muß man mal beim Statistischen Bundesamt nachfragen.
({0})
- Bitte, ich kann Ihnen keine andere Erklärung geben als die, daß das Statistische Bundesamt ausweist, daß von allen Nichtwohnbauten in der und der Sparte Büro- und Verwaltungsbauten der öffentlichen Hand um 12,7 % angewachsen sind.
({1})
- Sie wollen doch wohl nicht sagen, daß die Bundesregierung nicht zur öffentlichen Hand gehört?
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Leber, ist Ihnen als Abgeordneter aus den Haushaltsberatungen bekannt, daß wir in diesem Hause irgendein Verwaltungs- oder Bürogebäude des Bundes bewilligt hätten?
Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, womit wird denn das bezahlt, was die Bundesregierung baut, und zwar in allen Zweigen, die hier Verwaltungsbauten ganz einfach brauchen und für die sie zuständig ist und über die sie sogar die Aufsicht führt? Dazu gehört sogar das, was die Arbeitslosenversricherungsanstalt baut. Dafür ist sie als Aufsichtsorgan auch zuständig. Ich meine diesen ganzen weiten Bereich des direkten unid des indirekten Bauens, das unter die Aufsicht der öffentlichen Hand, auch der Bundesregierung, fällt.
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- Natürlich! Wir schließen uns ja auch nicht aus. Ich habe nicht gesagt, daß wir frei von Sünden wären.
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- Meine Herren, Sie wollen aber doch in bezug auf die Zuständigkeit und die Verantwortlichkeit die Bundesregierung nicht mit den Gewerkschaften auf eine Stufe stellen! Ich nehme nicht an, daß Sie das vorhaben.
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Sie können jedenfalls nicht ausweichen. Die Bundesregierung trägt zuoberst in diesem Lande die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik. Das Ganze funktioniert - auch die Baupreise -, wenn das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt in Ordnung ist.
Vorwürfe an die Bauunternehmer, sie nähmen mehr, als ihnen normalerweise zustehe, - meine Herren, das möchte ich auch nicht. Aber man kann den Bauunternehmern keine Vorwürfe machen, wenn man eine Wirtschaftsordnung praktiziert, nach der das Gewinnstreben des einzelnen Unternehmers der Motor für seine wirtschaftliche Betätigung ist. Wenn man ihnen Gelegenheit gibt, auf einem überhitzten Markt tätig zu sein, nun, dann wird da eben
mehr genommen als im normalen Falle, und dann kann man daran keine Kritik üben.
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- Jawohl, das geht auch die Arbeitnehmer an. Auch ich habe das einmal vor drei Wochen gesagt: „Nehmt, was ihr kriegen könnt!", als wir keinen Tarifvertrag hatten. Wir brauchen gar nicht darum herumzureden. Ich habe den Grundsatz, der eingestandenermaßen jahrelang die selbstverständliche Basis des Wirtschaftens in unserem Lande gewesen ist, auch ein paar Wochen mal für die Arbeitnehmer in Anspruch genommen. Das ist doch nichts Unredliches, meine Damen und Herren!
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Wer Auswüchse auf dem Markt vermeiden will, muß jedenfalls dafür sorgen, daß der Markt in Ordnung ist. Und das hat die Bundesregierung und das hat der Bundeswirtschaftsminister nicht getan. Und wer den Markt mit seinen eigenen Maßnahmen noch in Unordnung zu bringen hilft, der treibt hier an der Spitze Maßlosigkeit und hat keine Veranlassung und keine Berechtigung, das anderen Leuten vorzuwerfen.
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Zu diesen ganzen Ereignissen ist noch ein weiteres gekommen. Oft hilft ja der liebe Gott noch mit, wenn mal etwas schiefgeht. Das ist ja in diesem Jahr auch noch passiert. Zu der schlechten Konjunkturpolitik und zu der Steigerung der Baukonjunktur durch die öffentliche Hand kam dann noch ein langer Winter. Die Zahl der witterungsbedingten Ausfälle im Baugewerbe war im letzten Jahre wesentlich größer als in irgendeinem Winter in den vergangenen zehn Jahren, weil dieser Winter strenger und auch länger war als irgendein vergleichbarer. Das läßt sich mit Zahlen beweisen. Ich kann mir das ersparen.
Die SPD wehrt sich gegen Verbotsgesetze. Das habe ich gesagt. Nachdem aber die Bundesregierung den Karren so festgefahren hat, sehen auch wir keine andere Möglichkeit, als mit einem so groben Hammer auf die Dinge loszugehen, wie das hier im Prinzip beabsichtigt ist.
Nach dieser Feststellung der Ursachen, auf die es nach meiner Auffassung ankommt, möchte ich etwas zum § 8 des Haushaltsgesetzes sagen, der hier mit hineinspielt. Meine Vorredner sind auch schon darauf eingegangen. Die sozialdemokratische Fraktion hält es in höchstem Maße für bedauerlich und auch aus sozialen Gründen für falsch, daß in diesem § 8 des Haushaltsgesetzes die Mittel für den Wohnungsbau um 20% gekürzt worden sind,
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und zwar für den sozialen und den öffentlich geförderten Wohnungsbau.
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- Das stimmt doch! Sie haben in einer namentlichen
Abstimmung darauf bestanden, daß es doch geschieht. Wir können uns aber gern noch darüber
unterhalten. - Meine Damen und Herren, man kommt geradezu zu einem paradoxen Ergebnis, wenn man die Zahlen vergleicht: die genehmigten Wohnbauten sind im Jahre 1961 um 6,6 % gestiegen, und als Quittung dafür wird der Wohnungsbau um 20 % gekürzt, soweit die öffentlichen Mittel in Betracht kommen. Da sehen Sie das Mißverhältnis.
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Meine Damen und Herren, die Folge dieser Politik, dieser Kürzung, die Sie vorgenommen haben, werden die Leute, die heute noch kleine Rentner sind, die heute noch keine Wohnung haben, am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Herr Ageordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Leber, glauben Sie nicht, daß das, was Sie hier behaupten, eine Irreführung ist, und ist Ihnen nicht bekannt, daß wir lediglich beschlossen haben, daß 20 % der Wohnungsbaumittel, wo keine gesetzlichen Verpflichtungen vorliegen, vorläufig gesperrt werden und daß der gesamte soziale Wohnungsbau nicht darunter fällt?
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Herr Kollege, das ist nicht etwas viel anderes als das, was ich gesagt habe.
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Auf jeden Fall wird der soziale Wohnungsbau von diesen Kürzungsmaßnahmen nach § 8 des Haushaltsgesetzes empfindlich getroffen.
Ein Zweites, meine Damen und Herren. Es handelt sich hier um eine pauschale Maßnahme, und jetzt möchte ich bitten, daß die mittelständischen Unternehmer einmal einen Augenblick hinhören; es ist für sie nicht uninteressant, sie könnten danach gefragt werden, wenn sie nach Hause kommen. Es gibt nämlich im Bundesgebiet keine einheitlich überhitzte Baukonjunktur, sondern es gibt an bestimmten Schwerpunkten wesentliche Überhitzungen der Baukonjunktur. Mit einer pauschalen Dämpfung der Baukonjunktur, so wie es im ganzen auch in Ihrem Gesetz vorgesehen ist, wird aber auch da gedämpft, wird auch da Bauvolumen ganz einfach dem Bauen entzogen, wo an sich eine Überhitzung gar nicht besteht, wo eine normale Bautätigkeit herrscht. Es gibt weite Gebiete in der Bundesrepublik, in denen sich auch heute noch zahlreiche Bauunternehmer ernsthaft für die Übernahme eines Auftrags interessieren, so wie das in normalen Zeiten üblich ist, und mit dem niedrigsten Angebot darum kämpfen. Wenn man den Leuten das Bauvolumen kürzt, wird man nicht die Baukonjunktur normalisieren, sondern den mittelständischen Unternehmern und Handwerksmeistern, die gerade den Wohnungsbau betreiben, in diesem Jahr die Vollbeschäftigung nehmen.
Ich habe darüber nachgedacht, was wohl der Grund für die generelle Kürzung hätte sein können. Es gibt einen ersichtlichen wirtschaftlichen Grund, der aber nicht zutrifft, nämlich, daß man sagt: Wir kürzen generell, dann werden Leute aus den Gebieten, in denen man nicht voll ausgelastet' ist, in die Ballungsgebiete gehen. Das wird nicht eintreten. Die Leute, die nicht in den Ballungsgebieten wohnen und im Baugewerbe tätig sind, werden nicht in die Ballungsgebiete und ins Baugewerbe gehen, sondern sie werden in ihren Heimatorten von dem örtlichen Gewerbe herangezogen werden und werden dem Baugewerbe als Fachkräfte verlorengehen. Das kann für manchen Handwerksmeister im Bundesgebiet, der vor dieser Frage steht,
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- denken Sie mal ernsthaft darüber nach, ehe Sie Zwischenrufe machen - eine empfindliche Einbuße für sein Geschäft und seine Existenz bedeuten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Atzenroth?
Bitte schön!
Herr Leber, sind Sie nicht der Meinung, daß diese Ausdehnung auf die zonennahen Grenzgebiete auch die Wirkung haben könnte, daß doch nunmehr Wohnungen gebaut werden und keine Verwaltungsbauten; denn unser Antrag bezieht sich ja nur auf Verwaltungsbauten, nicht auf Wohnungsbauten?
Herr Atzenroth, dann müßten Sie mehr Mittel für den Wohnungsbau dorthin schicken. Das tun Sie auch nicht, das ist nur Theorie.
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Gewonnen wird dadurch also nichts; denn solche Bauwirtschaftskapazitäten lassen sich einfach nicht an Brennpunkte umsetzen. Dafür ist auch am Ort Bedarf. Ein Bauarbeiter, der als Facharbeiter im Baugewerbe 3,50 DM verdient, erhält den gleichen Lohn in einer überdachten Halle, wenn er am Fließband steht, und das ist sogar noch bequemer für ihn. Das ist eine sehr große Gefahr.
Dann ein Zweites - vielleicht bestreiten Sie das auch -: Durch den § 8 sind im Haushalt die Mittel für den Straßenbau um 20 % gekürzt worden.
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- Schön, aber sehen Sie sich das Rundschreiben von Herrn Seebohm an, - er hat es für dieses Jahr schon komplett gemacht. Danach werden die Mittel für den Straßenbau effektiv um 20 % gekürzt. Das Rundschreiben ist schon im Besitz der Länder, meine Damen und Herren.
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Nun, der Straßenbau leidet unter dem Engpaß, den es im Baugewerbe gibt, am allerwenigsten. Der
Engpaß besteht hauptsächlich bei den Arbeitskräften. Der Straßenbau hat einen Lohnanteil von 9 bis 12 % Er ist ein rein maschinenintensives und kapitalintensives Gewerbe geworden. Er ist ohne weiteres in der Lage, alle anstehenden Bauaufgaben auszuführen, und er ist in der Lage, noch mehr Aufgaben auszuführen, als ihm gegenwärtig übertragen sind. Denn es gibt zur Zeit in weiten Bereichen des Bundesgebietes nicht voll ausgelastete, kostspielige Kapazitäten bei Straßenbauunternehmen. Das ist eine feststehende Tatsache. Es ist also sinnwidrig, den Straßenbau von Aufträgen entlasten zu wollen, d. h. ihn auf eine Ebene der Unterbeschäftigung zu bringen. Auch frei werdende Kapazitäten im Straßenbau lassen sich nicht in andere Bereiche des Hochbaus umsetzen. Mit einem Bagger und einer Betoniermaschine können Sie nichts anfangen; die läßt sich nur im Straßenbau verwenden. Wir bedauern sehr, daß Sie den Beschluß gefaßt haben - und das ist ja auch in einer namentlichen Abstimmung dokumentiert; es läßt sich nachlesen, wer dafür gestimmt hat -, daß unter dem Vorwand der konjunkturellen Entlastung ein Wirtschaftszweig, der dazu noch etwas zu produzieren hat, nämlich Verkehrswege - unter deren Fehlen unser Volk leidet -, nicht voll ausgelastet werden soll, obwohl die finanziellen Mittel dazu da sind.
Nun ein Wort zum Gesetzentwurf der CDU/CSU. Abgesehen davon daß erst noch geprüft werden muß, ob nicht verfassungsrechtliche Bedenken dem Erlaß eines solchen Gesetzes im Wege stehen, möchte ich wie folgt dazu Stellung nehmen. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU gliedert sich in drei Teile, erstens in ein generelles Bauverbot, zweitens in gesetzliche Ausnahmen und drittens in Ausnahmen, die auf Antrag von den obersten Landesbehörden genehmigt werden können. Diese Vorlage mag im Grunde richtig gemeint sein, sie ist nach meiner Auffassung in der Anlage aber nicht richtig bedacht, und zwar weil eine ganze Reihe wichtiger Gesichtspunkte dabei keine Berücksichtigung fanden. Nicht das gesamte Baugewerbe im Bundesgebiet ist konjunkturell überhitzt, sondern es herrscht nur an einigen, allerdings wesentlichen Schwerpunkten eine starke konjunkturelle Überspannung. Einesolche generelle Überhitzung ist aber die Grundlage, von der Sie hier ausgehen.
Dazu kommt, daß, soweit die Anträge nach § 2 oder § 3 - nach der Bestimmung, in der die Antragsberechtigung vorgesehen ist - gestellt werden können, nach unserer Auffassung, Herr Dollinger, dann etwas einsetzt, was in diesem Hause niemand wünschen kann. Es setzt nämlich der Kampf eines jeden einzelnen Bauherrn oder Baulustigen um das Genehmigen seines Bauantrags ein.
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Dazu kommt, daß die Baubehörden, ob das nun die obersten Länderbehörden oder die Bauämter, auf die das delegiert ist, sind, verwaltungsmäßig gar nicht in der Lage sind, die Anträge jetzt schon schlüssig zu behandeln, und erst recht nicht in der Lage sein werden, sie vom Wirtschaftspolitischen und Arbeitsmarktpolitischen nachher noch zu übersehen, um ihren Genehmigungsvermerk darunterzusetzen. Sie sind wesentlich überfordert. Weiter kommt, weil es an Voraussetzungen verwaltungsmäßiger Art fehlt, hinzu, daß eine Bürokratie aufgebaut wird, die nachher nicht mehr wegzubringen sein wird und von der niemand etwas haben wird.
Dann möchte ich noch etwas zu bedenken geben. Wir leben ja in einer Demokratie. Im Gegensatz zu dem, was Herr Dollinger vorhin sagte, daß nur das erlaubt sei, was nicht verboten sei, gilt nach meiner Meinung in der Demokratie doch der Rechtsgrundsatz, daß das, was nicht ausdrücklich verboten ist, erlaubt ist.
Nehmen Sie den Fall Leverkusen! Da haben Sie ein riesiges Werk, das praktisch die ganze Stadt überschattet. Glauben Sie, meine Damen und Herren, daß die Bayer-Werke in Leverkusen nicht die Genehmigung auch für einen Bau bekommen, der nach ihrer Auffassung nicht erforderlich ist? Ich möchte den Baurat und die Behörde sehen, die dem größten Steuerzahler von Leverkusen und einem so mächtigen Werk im Lande Nordrhein-Westfalen, dem Bayer-Werk in Leverkusen, diese Baugenehmigung vorenthalten! Aber Herr Müller aus Leverkusen wird wahrscheinlich jahrelang warten können, bis sein Bauantrag überhaupt registriert wird.
Nehmen wir einen anderen Fall! Denken Sie, meine Damen und Herren, an Ihren Vorschlag in Ihrem Antrag. Die Debatte um das Volkswagenwerk ist im Augenblick aktuell. Wenn das Volkswagenwerk in Wolfsburg oder auch in Hannover einen unwichtigen Bau, der Repräsentations- oder wer weiß welchen Zwecken dienen wird, bauen will, dann bekommt es die Genehmigung dazu mit Sicherheit. Aber Herr Meier, der in Wolfsburg wohnt, bekommt sie mit Sicherheit nicht. Uns kommt es darauf an, daß Herr Meier genauso zum Zuge kommt wie das Volkswagenwerk.
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Meine Damen und Herren, das ist ein schwerwiegender Gesichtspunkt, der uns veranlaßt, dem die Zustimmung zu versagen, was sich aus dieser Antragstellung ergeben könnte. Denken Sie darüber hinaus noch daran, daß das Baugewerbe in manchen Zweigen gar nicht so ganz fremd von gewissen Erscheinungen ist. Welche Fülle von Korruptionen und Korruptionsprozessen kann ausgelöst werden, wenn auf allen Wegen, Hinterwegen und Schleichwegen mit Nachdruck versucht wird, doch die Genehmigung für einen solchen Antrag zu bekommen! Das gibt es ja nicht nur in der Industrie, sondern auch dann, wenn andere Dinge gebaut werden sollen.
Nun, meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion legt keinen eigenen Entwurf vor, der sich mit der Dämpfung der Baukonjunktur befaßt. Wir sind von folgenden Überlegungen ausgegangen. Erstens steht gar nicht fest, wie groß der Überhang im Baugewerbe ist. Die Bundesregierung hätte wahrscheinlich gründliche Vorarbeit leisten können, wenn sie einmal versucht hätte, eindeutig zu ermitteln, wo das unter normalen Vorzeichen zu bewältigende Bauvolumen liegt, wo die Steigerung liegt, wo es anfängt mit einer Überhitzung. Dann wäre auch klargeworden, an welcher Stelle die
Überhitzung zu verzeichnen ist. Ich bin persönlich der Meinung - ich bilde mir ein, daß ich das Baugewerbe einigermaßen kenne -, daß es sich nicht nur um eine Überhitzung handelt, die vielleicht 15 oder 20 % des Bauvolumens ausmacht, sondern um eine Überhitzung, die schwerpunkts-, ballungsmäßig auftritt und durch einige geringe Dämpfer wieder in die richtige Bahn gelenkt werden kann. Man darf die Dinge nicht übertreiben. Wir brauchten uns nicht auf persönliche Schätzungen und Vermutungen zu verlassen, wenn wir etwas konkretere Unterlagen zur Verfügung hätten, etwa auf Grund von Erhebungen, wie sie das Statistische Bundesamt normalerweise zu liefern in der Lage ist.
Wir gehen also davon aus, daß der Überhang gar nicht so groß ist. Es gibt regional, in gewissen Ballungszentren einige Spannungen, aber keine allgemeine Überhitzung im Baugewerbe der Bundesrepublik. Deshalb schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
Erstens. Die gesamte öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden, sollten sich selber in allen Bereichen, in denen eine Überhitzung zu spüren ist, die notwendige Beschränkung auferlegen. Die Bundesregierung kann erst dann vom Bürger verlangen, auf das Bauen zu verzichten, wenn sie sich selber das gleiche Maß an Vernunft und Zurückhaltung auferlegt, das sie anderen zumutet. Das ist ohne ein Gesetz möglich. Das Gesetz sehe ich so - ich will es einmal personifizieren; ich hoffe, daß der Bundeswirtschaftsminister mir das nicht übel nimmt -: Macht ein Gesetz, damit ich nicht mehr bauen darf, sonst werde ich noch maßloser und baue noch mehr! - Das kann man doch auch ohne ein Gesetz haben, wenn man die Bundesregierung ist! Denn sie ist es ja, die über die Durchführung von Aufgaben beschließt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Leber, haben Sie nicht davon gehört, daß Bürgermeister Kaisen von Bremen gesagt hat, wir könnten ein Gesetz machen, wie wir wollten, er würde gleichwohl bauen? Was versprechen Sie sich von einem Appell, wenn eine solche Haltung eingenommen wird?
Das Gesetz ist sowieso ein zustimmungsbedürftiges Gesetz. Wenn es nicht möglich ist, mit Herrn Bürgermeister Kaisen am Tisch zu reden, werden Sie vom Bundesrat auch keine Zustimmung bekommen. Das, was im Bereich der öffentlichen Hand auf Grund einer Gesetzgebung möglich ist, ist auch möglich durch eine vernünftige Absprache der öffentlichen Hand.
Herr Leber, es dreht sich hier nicht darum, was abgesprochen werden soll, sondern darum, daß Herr Kaisen gesagt hat: Selbst wenn ein Gesetz kommt, wird sich Bremen nicht darum kümmern! - Ich möchte wissen, was Sie dazu zu sagen haben.
Erstens weiß ich nicht, ob er es gesagt hat, zweitens müßte ich wissen, wie er es gemeint hat. Schüchtern bin ich natürlich nicht; aber ich muß immer wissen, worum es geht, und die Basis kennen, auf der man operieren kann.
Das ist also das erste: Wir verlangen, daß die öffentliche Hand sich selber das Maß an Zurückhaltung auferlegt, das sie von jedem Privatmann erwartet. Das geht ohne Gesetz.
Zweitens. Herr Atzenroth, der Gesetzentwurf der Freien Demokratischen Partei 'scheint uns Sozialdemokraten die diskutablere Basis für Baustoppmaßnahmen zu sein als der Entwurf, den die CDU vorgelegt hat, und zwar aus folgenden Gründen. Der Entwurf der FDP verbietet ganz bestimmte Bauvorhaben ohne Unterschied, db es sich um die öffentliche Handoder um Privatleute handelt; er stellt sie alle gleich. Das gefällt uns. Er verbietet ganz generell 'bestimmte Bauvorhaben, auf deren Durchführung man 'sowohl von seiten 'des Bundes, der Länder und der Gemeinden als auch von privater Seite verzichten kann. Daher würden das schwierige Problem der Antragstellung und das ganze Genehmigungsverfahren wegfallen. Das ist also etwas, was uns daran gefällt.
Aber wir möchten, daß 'dieser Vorschlag 'der FDP erweitert wird. Ebenso, wie man den sozialen Wohnungsbau - jetzt streite ich mich mit Ihnen nicht, ob um 20 % oder einen Betrag X - einschränkt, indem man die öffentlichen Mittel verringert und dadurch Leute trifft, die noch keine Wohnung haben, muß man auch bereit sein, den Wohnungsbau für die Kreise einzuschränken, die im Begriff sind, sich eine Wohnung zu bauen, die in den Bereich der Repräsentations- und Luxusbauten fällt, die man auch in zwei Jahren noch bauen kann. Wir gehen davon aus, daß jemand, der 200 000 DM oder, wie das jetzt 'im Ruhrgebiet geschieht, anderthalb Millionen D-Mark für ein Haus ausgibt, gegenwärtig schon eine ordentliche Wohnung hat, daß es für ihn also nicht so brennend ist, ob er in eineinhalb oder drei Jahren sein Einfamilienhäuschen für anderthalb Millionen D-Mark bekommt. Die Inangriffnahme des Baues von Einfamilienhäusern, deren Gestehungskosten über 100 000 DM liegen, sollte also genauso verboten werden wie die Inangriffnahme anderer Repräsentationsbauten.
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- Nein, Sie sprechen nicht von 100 000 DM Gestehungskosten, sondern von 75 000 DM Rohbaukosten. Das ist nicht dasselbe. Aber 'darüber brauchen wir nicht zu streiten. Mir persönlich würde auch die Formel 75 000 DM für den Rohbau zusagen. Jedenfalls müßte der FDP-Entwurf durch eine derartige Bestimmung ergänzt werden.
Drittens. Weil es sich um regionale Schwerpunkte in der Konjunkturüberhitzung handelt, muß auch, Herr Atzenroth, in den Entwurf der FDP eine Möglichkeit eingebaut werden, daß dieser Entwurf nicht dort gilt, wo tatsächlich keine Überhitzung der Bautätigkeit vorliegt.
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Deshalb muß es den obersten Baubehörden der Länder nach unserer Auffassung in die Hand gegeben werden, festzustellen, in welchen Bereichen die Konjunktur überhitzt ist, und zwar nach Anhörung der zuständigen Stellen der Wirtschaft, die, wie die öffentliche Hand auch, abzuschätzen in der Lage sind, ob es sich um normale oder um überhöhte Konjunktur handelt. Wir denken dabei daran, daß eine solche regionale Feststellung überspannter Konjunktur eher von der obersten Landesbehörde ausgesprochen wird. Damit wird also praktisch das Gesetz auf dem Verordnungswege in Kraft gesetzt. Vorher sind diejenigen Stellen zu hören, die das beurteilen können. Das sind die örtlichen Baubehörden, die Baupolizei, die Gewerbeaufsicht und die Bauwirtschaft selber mit ihren Verbänden. Dann wird man sich ein Bild machen können, auf Grund dessen man entscheiden kann.
Meine Damen und Herren, die Bauwirtschaft, auch die Unternehmer und die Gewerkschaften, sind nicht dagegen, daß dort, wo Überhitzungstendenzen vorliegen, tatsächlich abgekühlt und normalisiert wird. Die Bauunternehmer müssen sich auch die Vorwürfe machen lassen, sie liefern schlechte Qualität, sie müssen die Bauten in kürzesten Terminen erstellen, es passieren Unfälle, die Arbeitszeit wird überschritten. Das alles sind Dinge, die dafür sprechen, auch im Sinne des Gewerbetreibenden selber, daß die Baukonjunktur in diesen Schwerpunkten tatsächlich gedämpft wird.
Viertens. Meine Damen und Herren, wir fordern, daß die Frage der Fortführung des Straßenbaus und der ungekürzten Hergabe von Mitteln für den Straßenbau, weil die Konjunktur im Straßenbau nicht übersetzt ist, hier im Bundestag noch einmal zur Sprache kommt. Wir werden jedenfalls darauf bestehen.
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Wir werden Ihnen beweisen, daß es keine übersetzten Straßenbaukapazitäten gibt, sondern daß freie und nicht ausgenutzte Straßenbaukapazitäten vorhanden sind. Wenn das der Fall ist, würde eine Kürzung der Mittel für den Straßenbau eine Dämpfung der Straßenbauleistung und nicht der Baukonjunktur darstellen.
Nun ein Fünftes. Ich bitte Sie, da sehr aufzupassen. Der Lücke-Plan ist in Kraft getreten. Im nächsten Jahr werden die Termine wirksam, nach denen Wohnraum aus der Bewirtschaftung herausgenommen wird, nach denen die Mieten frei werden. Durch diese Beschlüsse, die hier in den nächsten Wochen vom Bundestag gefaßt werden sollen, wird manch einer von denen, die eine Wohnung erwarten, nicht so rechtzeitig in den Besitz seiner Wohnung gelangen, weil sie später fertig wird, weil hier einfach Mittel eingespart werden.
({3})
Wir werden uns im einzelnen darüber unterhalten, welche Wirkungen das hat. Die Termine aus dem Lücke-Plan müssen also hinausgeschoben werden, damit nicht unnötige soziale Härten für die Leute, die noch ohne Wohnraum sind, entstehen.
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Die Sozialdemokratische Partei wird für die Behandlung im Ausschuß und für die zweite Lesung im einzelnen die entsprechenden Anträge vorlegen.
Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu dem Antrag der FDP Drucksache 342 machen. Sie schlägt vor, den § 7 b - auf die kürzeste Formel gebracht - für neun Monate auszusetzen. Es besteht auch für uns kein Zweifel daran, daß § 7 b Spannungen ausgelöst hat, und zwar zweifacher Art: einmal konjunkturelle Spannungen und zum anderen Spannungen bei den Teilen der Bevölkerung, die sehen, welche Ungerechtigkeit mit diesem § 7 b in die Welt gesetzt worden ist.
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Ursprünglich mag man mit dem § 7 b etwas Gutes gewollt haben. Das wollen wir heute gar nicht untersuchen; das brauchen wir auch nicht zu kritisieren. Es ist aber Zeit, zu prüfen, was aus diesen damaligen Absichten bezüglich des § 7 b geworden ist. Ich bin der Überzeugung, daß die Fehler des § 7 b - wer sie auch immer verschuldet hat - nicht gewollt waren. Es war nicht gewollt, daß mit dieser Vorschrift in dem Maße Mißbrauch und Geschäftemacherei getrieben wird, wie es Herr Dr. Imle auch schon kritisiert hat und wie ich es Ihnen an Hand einiger Beispiele gern beweisen möchte.
Ich habe vor mir auf dem Tisch ein Schreiben des früheren Bundeswohnungsbauministers, der auch diesem Hohen Haus einmal vorgesessen hat. In diesem Schreiben heißt es, § 7 b des Einkommensteuergesetzes sei ein Kernstück der Eigentumsbildung in breitester Streuung und seine Einschränkung würde entgegen allen eigentumspolitischen Zielsetzungen auf die Eindämmung der privaten Eigentumsbildung in der Wohnungswirtschaft hinauslaufen. Ich habe mich gefreut, daß Sie Ihrem früheren Parteifreund Preusker schon gesagt haben, daß Sie anderer Auffassung sind, Herr Dr. Imle. Ich möchte aber einmal an zwei Beispielen noch beweisen, daß Sie recht haben. Ich denke nämlich genau so wie Sie. Meine Beispiele sehen so aus: Ein Geschäftemacher - so möchte ich ihn nennen, es ist ein Architekt; es ist kein konstruiertes Beispiel, meine Damen und Herren, sondern eines aus der Praxis - baut 25 Wohnungen, gar nicht weit von hier. Die Gesamtkosten für diese 25 Wohnungen machen 950 000 DM aus. Er nimmt als erste Hypothek 220 000 DM, und er bekommt an zweiter Stelle aus öffentlichen Mitteln 630 000 DM. Diese sind mit einem halben Prozent Verwaltungskosten und mit einem Prozent Amortisation ausgestattet; sie kosten keine Zinsen. Er hat außerdem ein Eigenkapital von 96 000 DM, und das wird zu zwei Dritteln in Form von Eigenleistung als Architekt aufgebracht. Er hat also praktisch im ganzen bei einem Bauprojekt von 950 000 DM ein echtes Eigenkapital - das auch nicht ausgewiesen ist, aber behauptet wird, das nachher in der allgemeinen Rechnung untergehen kann - von vielleicht 20 000 DM aufgebracht. Das ist schon ungerecht, meine Damen und Herren.
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Aber das Entscheidende ist folgendes: in. diesem Fall stellt die öffentliche Hand 630 000 DM für 25 Wohnungen zinslos zur Verfügung, und der Betreffende kann außerdem in seiner eigenen persönlichen Steuerbilanz, wo er sein Einkommen versteuern muß, diese 630 000 DM, die von der öffentlichen Hand kommen, über § 7 b steuervergünstigt für sich persönlich absetzen. Das ist doch ein Unfug, der nie gewollt worden sein kann!
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Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein zweites Beispiel sagen, das (auf genau (denselben Ebene liegt. Ein anderer haut 40 Wohnungen. - Streiten Sie sich doch nicht; wir dürfen doch einsehen, daß wir Fehler gemacht haben. Nur wer darauf beharrt, ist der Sünder, nicht derjenige, der zugibt, Fehler gemacht zu haben.
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Diese 40 Wohnungen kosten im ganzen 1 660 000 DM. Er nimmt eine erste Hypothek von 625 000 DM und bekommt von der öffentlichen Hand 850 000 DM. Er erbringt eine Eigenleistung im Wert von 170 000 DM. Das ist ein kleines Grundstückchen, ein Teil des Grundstücks, auf dem die Wohnungen gebaut werden. Das hat er eingebracht und das ist in die Kalkulation so hoch eingesetzt. Auch er bekommt dieseis Geld völlig zinslos, auch er kann diese 850 000 DM in seiner eigenen Steuerbilanz über § 7 b absetzen. - Meine Damen und Herren, wer nicht baut, auch wenn er nur 500 Mark zur Verfügung hat, und sich nicht das Geld von der öffentlichen Hand zur Verfügung stellen läßt, ist meiner Ansicht nach ein Dummkopf oder kann nicht rechnen. Hier sind ,die Schleusen für die Leute aufgemacht worden, die nicht an Wohnungsbau denken, sondern an iihre eigenen geschäftlichen Spekulationen. So sind auf dem Gebiet des Wohnungsbaues in den letzten Jahren Vermögen (auf Vermögen angehäuft worden, und damit muß nach unserer Auffassung einmal Schluß gemacht werden.
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Herr Dr. Preusker sagt in seinem Rundbrief, das Fehlen des § 7 b wäre sehr gefährlich, damit würde der steuerliche Anreiz genommen werden, auf diese Weise zu bauen. - Meine Damen und Herren, darin liegt noch ein anderer Anreiz, der sehr ernst zu beurteilen ist. Wer soviel Steuern geschenkt bekommt wie 'der Mann, der 25 oder 40 Wohnungen baut, kann auch mehr zahlen als ein anderer, der sich ein Häuschen baut und diese Summen nicht bekommt. Er kann etwas mehr auf den Tisch legen, um die überhöhte Konjunktur zu dämpfen und nicht seinerseits zum Anheizen der Preise beizutragen.
({10})
Deshalb muß nach unserer Auffassung dieser 7 b streng unter die Lupe genommen werden. Er hat nichts mit Vermögensbildung zu tun. Es ist zwar in gesetzlich zulässiger Weise Vermögensbildung auf dem Gebiet des Wohnungsbaues, aber unter moralisch sehr fragwürdigen Gesichtspunkten. Der § 7 b ist eine Quelle persönlicher Bereicherung und der
Vermögensanhäufung bei ,geschäftstüchtigen Interessenten, unid zwar mit gesetzlicher Hilfe, geworden.
Das ganze wird noch drastischer, wenn man an folgendes denkt. Da fängt es schon fast an, blutig zu werden. Man kann noch verstehen, daß derjenige, der Gelder ohne Geld bekommt, sie bei seiner eigenen Steuerbilanz absetzen kann - Gelder, die ihm gar nicht gehören -, weil er damit gebaut hat. Aber wenn man erst bedenkt, daß der Mann hingeht und 'baut, zinslos Geld bekommt unid es noch steuerbegünstigt in seiner eigenen persönlichen Einkommensteuererklärung absetzt, obendrein hingeht und das verkauft, was er gebaut hat, wobei diejenigen, die kaufen, keine Steuervergünstigung bekommen, dann ist, meine sich, das Faß so voll, daß man sich ernsthaft über § 7 b und seine weitere Existenz unterhalten muß, wenn man diese Auswüchse beseitigen will. Aus diesem Grunde begrüßen wir an sich den Antrag der FDP, aber nicht, um ihn zu unterstützen. Dieser Vorlage können wir unsere Zustimmung nicht geben. Die SPD wird aber eine Reform des § 7 b in 'der nächsten Zeit verlangen.
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Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, eine lange Rede zu halten, sondern es geht mir nur um einige Richtigstellungen. Herr Leber hat behauptet, daß ich im vergangenen Jahre dem Wohnungsbauminister Lücke in den Arm gefallen sei, als er seinen Baugenehmigungsstopp habe durchsetzen wollen.
Das ist erwiesenermaßen nicht wahr, denn ich habe zusammen mit dem Kollegen Lücke viele Besprechungen mit den Ministerpräsidenten der Länder geführt. Das Baurecht ist ja, wie Sie wissen, Landesrecht. Wir brauchten die Zustimmung der Länder, und- die ist uns von den Ländern versagt worden, insbesondere von den sozialistischen Ministerpräsidenten.
({0})
Es ist vorhin schon erwähnt worden, welche Haltung z. B. Herr Bürgermeister Kaisen von Bremen eingenommen hat. Die einzigen Länder, die bereit waren - obwohl die Absichten der Bundesregierung nicht zu verwirklichen waren, weil die Zustimmung der Länder nicht vorlag -, sind, soviel ich das beurteilen kann, Bayern und Nordrhein-Westfalen gewesen, also jedenfalls keine Länder, in denen Sie unmittelbar die politische Verantwortung tragen. Das ist das eine, was dazu zu sagen ist.
Von den Kommunen will ich überhaupt nicht sprechen. Mit den Kommunen haben wir mannigfach verhandelt. Das war geradezu eine Tragikomödie, eine hoffnungslose Angelegenheit, und zwar gerade von den Kommunen, die die höchsten Gewerbesteueraufkommen haben. Und die dürften ziemlich nahe bei Ihrer Partei sitzen.
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Es war hoffnungslos, hier überhaupt eine Verständigung zu erreichen. Wir haben in Deutschland 25 000 Kommunen, und die sind nur durch ein Gesetz zu bändigen in der Art, wie es jetzt vorgelegt worden ist.
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Sie sprachen von der Erweiterung der Baukapazität, von der Bauforschung und dergleichen mehr. Ich bin nicht der Meinung, daß es Aufgabe der Bundesregierung ist, nun selbständig Bauforschung zu treiben, sondern das wäre eine Sache der Bauwirtschaft selber gewesen. Da sind Sie auch unmittelbar beteiligt, Herr Leber, mit Ihrer Initiative. Sie verstehen es im allgemeinen ganz gut, und da hätten Sie eigentlich etwas tun können, damit nach dieser Richtung vielleicht etwas mehr getan worden wäre.
Ich gebe Ihnen zu, daß hier ein gewisser Mangel vorliegt. Aber wenn Sie sagen, die Baukapazität ist zu erweitern, um die Nachfrage zu decken, dann muß ich Ihnen sagen, hier bin ich etwas skeptisch; denn wenn Sie den Baumarkt ansehen und feststellen, wie sehr wir schon auf die Befriedigung des Wohnungsbedarfs zulaufen, dann glaube ich nicht, daß es unbedingt die richtige Methode wäre, die Baukapazitäten unter allen Umständen erweitern zu wollen. Man könnte auch daran denken, diesen Mangel dadurch etwas zu beheben, daß man die Arbeitszeit nicht weiter verkürzt. Das wäre auch ) eine Methode, die anwendbar erschiene.
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Im übrigen kommt es doch auf die Relationen an. Und die scheinen mir völlig verzerrt dargestellt worden zu sein. Wir haben eine Schätzung vorgenommen, und zwar nach dem Preis von 1961, wie wohl im Jahre 1962 der Hochbau insbesondere ablaufen wird. Wir rechnen damit, daß insgesamt ungefähr ein Volumen von 40 Milliarden DM, davon 6 Milliarden DM für die öffentliche Hand, zur Diskussion steht.
Aber lassen Sie mich wieder aufteilen in Bund, Länder und Gemeinden. Wenn Sie beim Bund die Verteidigungsbauten, zu denen wir durch Verträge verpflichtet sind, abziehen, dann bleibt beim Bund ein Volumen von 600 Millionen DM, bei den Ländern von 1,8 Milliarden und bei den Gemeinden von 2,3 Milliarden DM. Wenn wir also nicht Bund, Länder und Gemeinden zusammenfassen und zu einer gemeinsamen Ordnung und Übereinstimmung gelangen -- das ist eben nur durch Gesetz möglich -, dann werden wir mit unseren Anstrengungen scheitern; denn vom Bund aus, mit dem Hochbauvolumen von 600 Millionen DM, können wir die Situation nicht meistern.
Der Wohnungsbau figuriert in dieser Aufstellung mit 21 Milliarden DM. Mit der 20%igen - nicht Verkürzung - Sperrung, wie hier richtig erwähnt worden ist, wollen wir bestimmt nicht den sozialen Wohnungsbau drosseln. Im Gegenteil! Ich bin der Meinung, je mehr wir einmal die überflüssigen Bauten zurückstellen, um so besser wird der soziale
Wohnungsbau und das, was im Wohnungsbau sozial ist, zum Zuge kommen.
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Bei dem gewerblichen Bau in Höhe von 11 Milliarden DM spielen Verwaltungs- und Repräsentationsbauten eine Rolle. Diese sollen weggenommen werden. Im übrigen ist in dem Antrag der CDU vorgesehen, daß die produktiven Bauten, an denen wir alle gleichermaßen interessiert sind, fortgeführt werden sollen.
Das ist also die Relation: von rund 40 Milliarden DM entfallen im Hochbau auf die öffentliche Hand 6 Milliarden DM, auf den Bund -- wenn Sie die Verteidigungsbauten abziehen - 600 Millionen DM.
Wir müssen nun an die anderen Aufgaben herantreten. Das Übel im Wohnungsbau - vor allen Dingen wenn ich die Sache von den Baukosten her betrachte -- lag doch darin, daß wir immer mehr Geld zuschütteten, als die Bauwirtschaft mit ihren Kapazitäten verkraften konnte. Sie wissen das doch so gut wie ich, Herr Leber. Gehen Sie doch einmal durch die Städte: da wird doch nur noch symbolisch gebaut. Es wird ein Bau angefangen; man sieht ab und zu einen Mann herumstehen, aber gebaut wird nicht. Das sind die Relationen. Das kann jedermann mit eigenen Augen beobachten. Darum ist es eine gute Methode, wenn wir nur soviel zuschütten - auch im sozialen Wohnungsbau -, wie kapazitätsmäßig verkraftet werden kann; denn jedes Mehr an Mitteln, das wir bereitstellen, bringt nicht ein Mehr an sozialem Wohnungsbau, sondern erhöht nur die Preise.
({5})
Sie sagen, die Dinge lägen regional verschieden. Damit haben Sie zweifellos recht. Aber wenn wir anfangen, von den untersten Verwaltungsbehörden die Frage prüfen zu lassen, wo eine Übersetzung vorliegt und wo nicht, dann gebe ich Ihnen Brief und Siegel, daß - entgegen den Tatbeständen, die jedermann vor Augen hat - überall das Ergebnis herauskommt, es liege niemals eine Übersetzung vor.
Bezüglich des § 7 b bin ich Ihrer Meinung. Ich bin der Auffassung, daß er revisionsbedürftig ist. Die sogenannten Baulöwen, die sich an dem § 7 b gemästet haben, sind wirklich allmählich ein öffentliches Ärgernis.
({6})
Ich bin jedoch der Meinung, daß auch der gemeinnützige Wohnungsbau revidiert gehört, mindestens in dem Sinne, daß auch er bereit ist, aus seinem kollektiven Eigentum an Wohnungen an Private Eigentum zu vergeben.
({7})
Das gehört auch dazu. Wenn wir an den § 7 b herangehen, müssen wir nicht nur das eine korrigieren, sondern auch die Mißstände beim gemeinnützigen Wohnungsbau beseitigen, wo sich ein Masseneigentum kollektiver Art bildet und diejenigen, die dar1198
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
aus privates Eigentum erwerben wollen, nicht zum Zuge kommen können.
({8})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Minister, ich wäre Ihrer Meinung, aber ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht wissen, daß die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften sich wesentlich dadurch von den sogenannten Baulöwen, die mit § 7 b arbeiten, unterscheiden, daß sie keine Gewinne machen können.
Keine Steuern bezahlen!
({0})
Entschuldigen Sie, Herr Minister, sie dürfen keine Gewinne machen und müssen das, was sie erübrigen, wieder im Wohnungsbau investieren. Das ist ein entscheidender Unterschied. Wenn eine Wohnungsbaugesellschaft - ich darf das jedenfalls für die, mit denen ich auch zu tun habe, sagen - nicht bereit wäre, jedem, der kaufen will, zu verkaufen, dann wäre auch ich der Meinung, daß Maßnahmen erforderlich sind. Das müßte aber vorher erst noch geprüft werden.
Ja, es muß geprüft werden, denn ich bin überzeugt, so liegen die Tatbestände. Im übrigen haben Sie völlig recht. Ich halte hier keine Rede gegen den gemeinnützigen Wohnungsbau.
({0})
- Nein, ich bin mit Ihnen der Meinung, der § 7 b gehört revidiert, insbesondere in bezug auf die sogenannten Baulöwen. Aber er gehört auch korrigiert in bezug auf die Zuweisungen für den gemeinnützigen Wohnungsbau im Zusammenhang mit der Freigabe von Kollektiveigentum in private Hand.
({1})
Damit bin ich eigentlich schon am Ende. Ich möchte Ihnen, Herr Leber, noch folgendes sagen: Sie haben der sozialen Marktwirtschaft eine Deutung gegeben, mit der ich nicht einverstanden bin. Sie kritisieren zwar auf der einen Seite die Wirtschaftspolitik; aber Sie legen sie völlig falsch aus, wenn Sie als Ihr eigenes Motto den Satz geprägt haben: „Nehmt, was ihr könnt." Das ist meiner Ansicht nach nicht die These und ist nicht die sittliche Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Ich lasse sie weder für die Unternehmer gelten noch für die Gewerkschaften.
({2})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Seiermann vom Bundesministerium für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige wenige Bemerkungen zu dem in der Debatte wiederholt zitierten Runderlaß oder Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums an die obersten Straßenbaubehörden der Länder vom 2. Mai 1962. Ich stehe unter dem Eindruck, daß hier ein Mißverständnis vorliegt, an dessen Ausräumung mir gelegen ist.
Der Erlaß vom 2. Mai 1962 spricht schon im Betreff nicht von einer Kürzung von Straßenbaumitteln, sondern von einer 20%igen Sperrung von Haushaltsmitteln. Er geht aus von dem Wortlaut des in diesem Hohen Hause in dritter Lesung verabschiedeten § 8 des Haushaltsgesetzes 1962, in dem es ja ausdrücklich heißt, daß der Bundesminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft Befreiungen von dieser 20%igen Sperre zulassen kann. Er verfügt dann eine vorsorgliche Vergabesperre unter gleichzeitiger Anführung von drei Gruppen von Bauarbeiten und Bauvorhaben, für die auch diese vorsorgliche Vergabesperre nicht gilt.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Junghans?
Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß mit dieser Sperrung auch gleichzeitig eine Einschränkung der Baumaßnahmen in diesem Jahr verbunden ist, da die Einstellung der Vergaben es praktisch unmöglich macht, daß in diesem Jahr die gesperrten Straßenbaumaßnahmen wiederaufgenommen werden können?
Es ist mir durchaus bekannt, daß diese Maßnahme des § 8 des Haushaltsgesetzes wahrscheinlich zu einer gewissen Verzögerung gewisser Bauarbeiten wird führen müssen, weil ja für die restlichen 20 % ein Ausnahmeverfahren vorgesehen ist, das mit einer Begründung und Prüfung verbunden ist.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Staatssekretär?
Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das nicht nur eine Verzögerung, sondern für dieses Baujahr eine Einstellung der gesperrten Straßenbaumaßnahmen bedeutet, weil Sie durch die Prozedur der Neuausschreibung und Neuvergabe in den Winter hineinkommen?
Herr Abgeordneter Junghans,
ich gebe zu, daß das in dem einen oder anderen Fall dazu führen kann, aber nicht in der Regel. Ich komme vielleicht noch in meinen weiteren Ausführungen auf diese Ihre Befürchtung.
Meine Damen und Herren! Wie berechtigt diese vorsorgliche Vergabesperre war, mögen Sie daraus ersehen, daß nach dem inzwischen zwar nicht hundertprozentig, aber zu einem großen Prozentsatz vorliegenden Ergebnis einer Erhebung über den Stand der Vergaben und Ausschreibungen vom 15. April dieses Jahres von dem gesamtverfügbaren bauwirksamen Volumen für den Straßenbau in Höhe von 1,8 Milliarden DM am 15. April bereits 70 %, nämlich 1300 Millionen DM, vertraglich gebunden waren und daß sich zu diesem Zeitpunkt weitere 250 Millionen DM - das sind 14 % - im Ausschreibeverfahren befanden. Wenn man gewisse Abstriche berücksichtigt, die sich vielleicht ergeben könnten, so steht doch fest, daß wir uns ganz dicht an dem Prozentsatz von 80 % befinden, der im Gesetz vorgesehen ist, so daß von jetzt an das im Haushaltsgesetz ebenfalls vorgesehene Verfahren der Entsperrung im Einzelfalle wird Platz greifen müssen. Es ist also nicht die Rede von einer Kürzung, sondern von der vorläufigen Vergabesperre, die mit Rücksicht auf den von diesem Hohen Hause beschlossenen § 8 des Haushaltsgesetzes geboten war.
Im übrigen bin ich mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth der Meinung, daß die Panikmache, die dadurch entstanden ist, daß dieser Erlaß in die Öffentlichkeit kam, bestimmt nicht nötig und auch nicht berechtigt war.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr .Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich darf einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Leber sagen. Herr Leber, es ist nicht meine Aufgabe, auf 'die Vorwürfe einzugehen, die Sie der früheren 'Bundesregierung für das vergangene Jahr gemacht haben. Jedenfalls haben wird, seitdem wir in ,der Regierung sind, darauf gedrängt, daß sofort etwas geschieht. Das ist aber nicht von heute auf morgen möglich. Daß aber etwas geschieht, beweist die heutige Diskussion.
Ich wollte im wesentlichen nur auf Ihre Ausführungen zu unserem Gesetzentwurf eingehen. Sie haben unsere Argumente erkannt und auch gewürdigt. Sie haben gesagt, daß die Erstreckung auf den gesamten Bereich ein Vorteil ist und dem Gesetz Klarheit gibt. Sie haben aber auch den Wunsch geäußert, das Gesetz territorial oder regional verschieden zu handhaben. Wir haben uns bei der Ausarbeitung unseres Gesetzentwurfs selbstverständlich auch darüber Gedanken gemacht, sind aber aus mehreren Gründen zu ,der Überzeugung gekommen, daß unsere Fassung zweckmäßiger ist. Sie gibt einmal - und (da möchte ich wiederholen, was ich vorhin schongesagt habe - ein völlig klares Verbot, das für alle gilt. Kein Beamter in der Bundesrepublik braucht sich mit idiesem Gesetz zu befassen. Es gibt keine Antragstellung und kein Genehmigungsverfahren. - Ja, Herr Kollege Dresbach, so ist unser Gesetzentwurf 'aufgebaut. Wenn Sie daran Mängel sehen, bitte ich um Ihre Vorschläge, wie wir dieses Ziel erreichen können. Wenn sich jemand über 'dieses Verbot, das wir hier aussprechen, hinwegsetzt, dann hat er die Folgen zu gewärtigen, die jeder Bürger in der Bundesrepublik zu gewärtigen hat, der baut, ohne eine Baugenehmigung erhalten zu haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Dr. Dresbach!
Herr Atzenroth, haben Sie nicht auch ,den Eindruck, daß auch in Ihrer Fassung eine Fülle von unklaren oder dehnbaren Begriffen sind und daß diese Dinge ohne weiteres zu Anträgen an Behörden führen werden? Verzeihen Sie, Herr Atzenroth, ich sehe schon, daß so mancher Verbandssyndikus, Handelskammersyndikus jetzt endlich einmal wieder eine Betätigung in Dringlichkeitsbescheinigungen bekommt. Das gilt natürlich auch für den Antrag der CDU, und deshalb werde ich dagegen stimmen.
Herr Dr. Dresbach, in dem Ziel sind wir beide uns einig. Wir wollen das, was Sie als Menetekel aufzeichnen, selbstverständlich verhindern. Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn wir in den Ausschußberatungen Ihren sachverständigen Rat erhalten könnten, wo wir in unserem Entwurf schiefe Formulierungen verbessern können. Ich gebe Ihnen zu, daß es solche Formulierungen gibt. „Repräsentationsbauten" ist zum Beispiel ein Begriff, der vielleicht nicht genügend eindeutig ist. Aber das können wir noch ändern; in den Zielen sind wir doch einig.
({0})
- Das freut mich außerordentlich, und ich werde Ihren Rat gern annehmen, wenn wir an eine Ergänzung oder Berichtigung unseres Vorschlages kommen.
Aber jetzt noch einmal zurück zu Herrn Leber, zu den regionalen Ausnahmen. Herr Leber, Sie sagen, es gibt in der Bundesrepublik Bezirke, in denen von einer Überhitzung der Baukonjunktur nicht gesprochen werden kann, in denen Bauunternehmer sich unter normalen Verhältnissen um Aufträge bemühen und sie annehmen, Angebote machen usw.
({1})
Es gibt solche Gebiete. Wo sie sein mögen, ist ganz
gleichgültig; aber es gibt sie, und da gebe ich Ihnen
recht. Nun sagen Sie, in diesen Gebieten müßte
man - wenn Sie jetzt logisch folgern - also auch
Verwaltungs- und Repräsentationsbauten zulassen.
({2})
- Etwas anderes wird doch in diesem Gesetz nicht verboten. Wir verbieten in dem Gesetz doch nur die Errichtung oder Ergänzung von Verwaltungs- und Repräsentationsbauten. In diesen Gebieten werden vielleicht auch Verwaltungsbauten geplant sein. Wenn die nun ausfallen, kann sich diese vorhandene Kapazität - ({3})
- Aber doch nicht durch unser Gesetz! ({4})
- Herr Leber, das ist natürlich etwas anderes. Wir haben jetzt - ({5})
- Natürlich!
({6})
- Aus Ihren Zurufen, meine Herren, muß ich erkennen, daß wir nebeneinander herreden. In unser Gesetz noch eine regionale Einschränkung einzubauen halten wir für falsch. Das meinen Sie auch nicht.
({7})
- Jawohl, das ist aber eine andere Sache als unser Verbotsgesetz. Also sprechen wir über § 8 des Haushaltsgesetzes. Da gilt dasselbe, was für Straßen- und Tiefbau gilt. Wenn in einem exponierten Teil, sagen wir, an der Zonengrenze, ein solcher Zustand entsteht, dann kann nach unserer Vereinbarung zu § 8 des Haushaltsgesetzes der Antrag an den Finanz- und an den Wirtschaftsminister gestellt werden, diese Vorhaben von der Kürzung oder von der Sperre auszunehmen. Also wenn dort gebaut werden soll - nicht Verwaltungs- und Repräsentativbauten; aber Wohnbauten, Fabrikbauten usw. können dort weiter errichtet werden -, dann werden sowohl der Finanzminister als auch der Wirtschaftsminister die Zustimmung dazu geben, wenn die Gründe dargelegt werden. Das hat mit unserem Gesetzentwurf nichts zu tun. Das ist eine Angelegenheit des § 8 des Haushaltsgesetzes, und das läßt sich so regeln.
Ich darf bei dieser Gelegenheit gleich auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär -Dr. Seiermann zurückkommen. Wenn Herr Minister Seebohm diese klaren, nüchternen Tatsachen erkannt und gewürdigt hätte, die wir damals bei der Beratung der Änderung des § 8 des Haushaltsgesetzes deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dann hätte er diesen Erlaß überhaupt nicht herausgehen lassen, sondern dann hätte er zunächst einmal in seinem Ministerium geprüft: was ist noch notwendig, was ist dringend, und für welche Vorhaben werde ich mir die Zustimmung meiner beiden Kollegen, des Finanz-und des Wirtschaftsministers, beschaffen? Denn daß er sie bekommen hätte, wenn er genügend Unterlagen vorgelegt hätte. darüber besteht doch gar kein Zweifel. Aber nun an die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen: Zunächst einmal werden alle Straßenbauten um 20 % gekürzt, - das mußte zu einer solchen Nervosität in der Öffentlichkeit führen.
({8})
- Natürlich, das ist geschehen, und diesen Vorwurf müssen wir aufrechterhalten.
Herr Kollege Leber, dann haben Sie mit einer gewissen Berechtigung bemängelt, daß wir in der Bundesrepublik technisch nicht soweit seien, wie man etwa in Frankreich oder in anderen Ländern sei. Ich habe keine genügenden Unterlagen und Kenntnisse darüber; aber ich bedaure mit Ihnen, daß wir in der Frage der Vorfabrikation oder des Bauens mit vorfabrizierten Teilen nicht weit genug sind.
({9})
Aber dieser Vorwurf müßte nun an die gesamte Wirtschaft gehen. Die Bauwirtschaft hat sich in einer finanziell verhältnismäßig günstigen Lage befunden, und sie hätte da eigentlich etwas mehr tun müssen. Die Vorschläge sind ja von der Bauwirtschaft gemacht worden, allerdings keine konkreten Tatsachen geschaffen worden. Insofern bin ich mit Ihnen einig, und ich hoffe, daß wir nun gemeinsam einen Anstoß geben können, daß in dieser Hinsicht mehr geschieht. Da ist die berühmte Frage, ob man Holzhäuser einführen lassen sollte, was wiederum die Frage des Zolls auslöst. Also da gibt es eine Fülle von Fragen. Aber wir sollten alle gemeinsam darauf drängen, daß wir technisch auf einen höheren Stand kommen, der uns die Befriedigung eines größeren Maßes an Nachfrage gestattet. Darin bin ich mit Ihnen einig.
Zum Schluß noch zu dem § 7 b. Sie haben da auf eine Differenz mit unserem früheren Kollegen - Fraktionskollegen können Sie gar nicht sagen, denn in der letzten Zeit war er nicht unser Kollege, sondern Fraktionskollege der CDU, als Wohnungsbauminister; aber nunmehr Präsident des Haus- und Grundbesitzervereins -, mit dem Kollegen Preusker hingewiesen. Ich glaube, eine solche Differenz besteht gar nicht. Ich könnte mir vorstellen - nach einem Gespräch, das ich vor einiger Zeit mit Herrn Preusker hatte, glaube ich auch, daß das seine Meinung ist -, man wollte uns mahnen: „Schafft nicht den § 7 b gänzlich ab, schafft nicht den guten Teil des § '7 b ab". - Das haben wir auch nicht vor. Wir wollen ja den Teil, bezüglich dessen Sie sicherlich mit uns übereinstimmen, daß er sich günstig auswirkt und ausgewirkt hat, nämlich bezüglich der Förderung des Eigenwohnungsbaues und Eigenheimbaues, vollinhaltlich bestehen lassen. Wir wollen zunächst einmal vorläufig nur das aufheben, was hier allgemein von Ihnen und von Herrn Minister Erhard kritisiert worden ist, das, was auch wir selber als überaus bedauerlich empfinden. Vielleicht führt die Tatsache, daß wir uns in diesem Punkte so einig sind, dazu, daß es nicht bei der vorübergehenden Aufhebung bleibt, sondern zu einer gänzlichen Änderung des § 7 b kommen wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Atzenroth, nur zur Klärung, damit kein Mißverständnis bleibt: Sind Sie bereit, den § 7 b im Grundsatz so zu reformieren, daß die steuerlichen Vergünstigungen, die jetzt von Ihnen gewollt sind, lediglich dem Personenkreis zugute kommen, der das auch selber nutzt, was an Wohngebäuden und Eigenheimen errichtet wird?
Dieselbe Tendenz haben wir, Herr Leber.
({0})
Das ist die Aufgabe, die durch den jetzigen Gesetzentwurf zufällig schon einmal erfüllt wird, allerdings für eine vorübergehende Zeit. Das ist eigentlich erfreulich. Aber ich erkläre Ihnen - und ich glaube, ich darf es Ihnen im Namen meiner Fraktion erklären -, daß wir uns in dieser Zeit, wo ja nur unterbrochen ist, überlegen werden - vielleicht gemeinsam mit Ihnen -: Wie können wir ihn endgültig so ausgestalten, daß das gemeinsame Anliegen - ein Anliegen in dem wir uns einig sind - erfüllt wird?
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dollinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Leber! Herr Kollege Leber hat von neuen Baumethoden gesprochen. Ich glaube, daß in den Nachkriegsjahren mancher Forschungsauftrag erteilt worden ist und auch auf Grund der laufenden Mittel erteilt dist. Manche gute Forschung wurde entwickelt und manche schlechte - das wird im Leben immer so sein, also auch im Bau -, und manches Bundesgeld und manches Landesgeld ist leider für Forschungen ausgegeben worden, die sich nicht als realisierbar erwiesen haben. Ich glaube aber, wir sollten hier doch eines feststellen: daß die Intelligenz der deutschen Techniker, die Intelligenz der deutschen Unternehmer und die der deutschen Bauarbeiter nicht gerade so rückständig ist, wie man nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege, meinen könnte.
({0})
Ich möchte weiter sagen, was Herr Professor Erhard schon herausgestellt hat: daß ja der Anteil des Bundes an den Ausgaben des Hochbaues mit 1,9 Milliarden DM von 39,5 Milliarden DM sehr gering ist. Herr Kollege Leber, ich hatte den Eindruck, daß Sie bei den Verwaltungsbauten dies Bundes, wo Sie so viel im Bogen herumgeredet haben -,
({1})
etwas ganz Bestimmtes meinten und es nicht aussprechen wollten. Vielleicht waren es doch die Verteidigungsbauten, die Sie damit beanstanden wollten. Denn die übrigen 600 Millionen DM sind ja kaum ein nennenswerter Betrag, um den zu diskutieren es sich bei diesem Bauvolumen überhaupt lohnt.
Herr Kollege Dollinger, sind Sie mit mir in folgendem Punkt gleicher Auffassung? Sie sagen „Verteidigung" ; ich meine nicht „Verteidigung" ; denn Verteidigungsbau ist in der Regel Tiefbau. Aber wenn Sie schon „Verteidigung" sagen, möchte ich Sie fragen, ob Sie mit mir der Meinung sind, daß man, wenn man verlangt, daß ein industrielles Unternehmen den Bau einer Kantine oder eines Aufenthaltsraumes für die Beschäftigten zurückstellt, nicht ebenso verlangen kann, daß der Bau eines Aufenthaltsraumes oder einer Kantine für Bundeswehrangehörige zurückgestellt wird.
Herr Leber, ich will Ihnen gern antworten. Das steht in unserem Entwurf drin. Wir wollen nur die notwendigen Bauten der Bundeswehr.
Aber ich darf hier doch noch etwas zu den Aufträgen der öffentlichen Hand sagen. Sie haben hier sehr stark an den Bund appelliert unter Hinweis auf die 1,9 Milliarden DM. Ich glaube, Herr Leber, es wäre gut, wenn wir alle, die wir hier im Bundestag sitzen, zu Hause, in unseren Landesparteien, dafür sorgten, daß die Länder wenigstens so viel tun wie der Bund.
({0})
Dazu müßte dann aber auch gehören, daß man die ständigen Forderungen, die gerade von der Opposition erhoben werden - mehr Schulen, mehr Krankenhäuser, mehr Wohnungen, immer mehr Geld für diese Zwecke, selbst dann noch, meine Damen und Herren, wenn kein einziger freier Bauarbeiter mehr zu finden ist - und die doch letzten Endes gar nicht realisierbar sind, die aber einem ganz klaren politischen Ziel dienen, jetzt auch einmal etwas zurückstellt.
({1})
Herr Leber, Sie haben sich Sorgen gemacht, wir könnten dem mittelständischen Unternehmer seine Vollbeschäftigung nehmen. Das wollen wir nicht.
({2})
- Ja, Herr Leber, über die Frage, durch was der Mittelstand, durch was der mittelständische Unternehmer am stärksten bedroht ist, kann man diskutieren. Ich glaube, es gibt im Baubereich Faktoren, die den mittelständischen Unternehmer in seiner Existenz stärker bedrohen als unser Gesetzentwurf.
({3})
Ich glaube auch, wir sollten nicht „gesperrt" mit „gekürzt" gleichsetzen, wir sollten nicht gesperrte und gekürzte Mittel gleichsetzen. Das ist falsch. Sie wissen ganz genau, daß diese Mittel wieder freigegeben werden können. Ich stimme Ihnen sogar zu: wenn sich herausstellt, daß beim Straßenbau Kapazitäten frei sind, dann kann die Sperre hier beseitigt werden, ja, sie muß dann sogar beseitigt werden.
Nun zu Ihren Gedanken zum Entwurf. Verfassungsrechtliche Bedenken! Nun, es gibt fast keinen Gesetzentwurf mehr, gegen den nicht irgend jemand verfassungsrechtliche Bedenken äußert. Das ist bekannt.
({4})
Aber Sie haben dann etwas gesagt, was mich doch etwas, ich muß sagen, traurig gestimmt hat. Sie haben gesagt, daß mit diesem Gesetzentwurf eigentlich der Korruption Tür und Tor geöffnet werde.
({5})
- Verzeihen Sie, Herr Leber, lesen Sie doch bitte einmal nach, wer hier nach unserem Entwurf Anträge stellen muß. Vielleicht darf ich es einmal vorlesen. § 2 lautet:
({6}) Die für die Wirtschaft zuständige oberste
Landesbehörde kann auf Antrag des Bauherrn
Ausnahmen vom Verbot des § 1 zulassen, wenn
1. ...
- das kann ich weglassen; das ist im Grunde genommen eine Frage, die Brandschäden betrifft -
2. ...
3. die Errichtung oder Änderung des Gebäudes im öffentlichen Interesse erforderlich ist, um einem empfindlichen örtlichen Mangel an Räumen
a) für Zwecke der Seelsorge,
b) für den Unterricht an öffentlichen oder staatlich anerkannten, Schulen,
c) zur Pflege der Leibesübungen abzuhelfen . . .
Herr Leber, Sie werden doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß die Kreise, die hier antragsberechtigt sein sollen, der Korruption dienen wollen. Im übrigen möchte ich auch davon ausgehen, daß die Beamtenschaft in Deutschland nicht so schlecht ist, wie man nach Ihren Ausführungen meinen könnte.
({7})
Wenn Sie hier auf der einen Seite sagen, es sei die Gefahr der Korruption gegeben, oder auf den Ermessensspielraum der Verwaltung verweisen und auf der anderen Seite fordern, daß wir für die Ballungsräume Sonderregelungen treffen, so muß ich Ihnen entgegenhalten, daß Sie damit im Grunde genommen einen noch viel größeren Ermessensspielraum schaffen wollen, als unser Gesetzentwurf ihn vorsieht.
Ich ,gebe Ihnen recht: man muß versuchen, in den Räumen ohne Vollbeschäftigung - nehmen wir das Zonenrandgebiet, nehmen wir die Notstandsgebiete
- das Bauen nicht zu verbieten. Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Aber wenn wir das wollen, müssen wir in irgendeiner Form wieder einen Ermessensspielraum schaffen. Und bei einem solchen Ermessensspielraum ergeben sich dann sicher die Gefahren, die Sie jetzt bereits auf Grund des § 2 unseres Entwurfs für jene Bereiche für möglich halten, die ich hier vorgelesen habe.
Ich möchte abschließend sagen: Selbstverständlich kann man einen solchen Entwurf kritisieren. Man kann sagen, ein Verbot passe nicht ins Wirtschaftssystem, es sei zuviel oder zuwenig. Seien wir doch bitte ehrlich, meine Damen unid Herren: wenn wir die jetzige Lage, wenn wir Angebot unid Nachfrage wieder in Ordnung bringen wollen, müssen wir auf der Nachfrageseite für Bauleistungen irgend jemandem wehe tun. Das ist nun einmal keine populäre Sache; aber wenn wir das nicht tun, werden wir einfach nichts erreichen können.
Herr Leber, Sie haben viel Kritik geübt. Sie haben aber auch gesagt, daß Sie mitarbeiten wollten. Das freut uns. Ihre Kritik ist aber wohl doch manchmal etwas zu weit gegangen. Sie war nicht gerade konstruktiv. Sie haben nur kritisiert. Sie haben gesagt, Sie stellen keinen Antrag; Sie haben aber der Regierung und uns vorgeworfen, wir hätten nichts getan. Jetzt, da wir etwas tun, sind wieder Fehler vorhanden. Ich hoffe, daß es Ihnen möglich sein wird, die Fehler, die der Entwurf noch hat, beseitigen zu helfen.
(Beifall ({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Meine Damen und Herren, ich wollte mich in wenigen Sätzen mit den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Seiermann auseinandersetzen. Herr Staatssekretär Seiermann, Sie haben den Schnellbrief des Bundesverkehrsministeriums verteidigt. Das war Ihre Pflicht. Auch Sie sind ja an die Kabinettsbeschlüsse gebunden. Ich möchte gar keine Kritik an Ihrer Verteidigung üben, möchte aber doch folgendes feststellen. Die bisherigen Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers dekken sich mit dem Inhalt des Schnellbriefs keineswegs. Immer dann, wenn wir uns im Ausschuß mit der Straßenbaupolitik befaßt haben, hat Herr Minister Seebohm drei Thesen herausgestellt. Die erste These war, daß man mehr Mittel für den Straßenbau brauche. Der Schnellbrief unid der Beschluß der Mehrheit dieses Hauses handeln dem entgegen. Die zweite These, die er deutlich herausgestellt hat, war, .daß wir keine Preiserhöhungen und keine Kostensteigerungen im Straßenbau haben. Als drittes hat er herausgestellt, daß im Straßenbau noch freie Kapazitäten vorhanden sind, so daß alle Überlegungen, die mit einer konjunkturpolitischen Überhitzung zusammenhingen, für den Straßenbau einfach nicht in Betracht kommen.
Wenn wir diese Argumente würdigen, müssen wir feststellen, daß der Schnellbrief unid die Beschlüsse, die hier gefaßt worden sind, mit konjunkturpolitischen Erwägungen überhaupt nichts zu tun haben. Nach meiner Meinung scheinen für den Straßenbau rein fiskalische, finanzpolitische Überlegungen das Entscheidende zu sein.
Wie ist aber die Situation nach dem Schnellbrief? Dia sieht eis nun leider etwas ernster aus, Herr Staatssekretär, als Sie es dargestellt haben. Es heißt nämlich in dem Schnellbrief:
Dr. BleiB
Der Vergabe von Aufträgen über 1 Million DM werde ich ab 4. Mai 1962 nicht mehr zustimmen.
Da haben wir also einen totalen Stopp.
Für Vergaben bis zu 1 Million DM, die in Ihrer Zuständigkeit liegen,
- d. h. in der Zuständigkeit der Länder bitte ich ab 10. Mai 1962 Abstand zu nehmen.
Auch da haben wir also einen totalen Stopp ohne Fristen und Termine. Dann heißt es weiter:
Von dieser Vergabesperre ausgenommen bleiben nur drei Bauvorhaben, einmal die Behebung von Frostschäden, zweitens kleinere Ausbauarbeiten an den Fahrbahndecken und schließlich Fluß- und Talbrücken.
Aber auch in diesen drei Ausnahmefällen soll eine Vergabe nur bei vorheriger Zustimmung des Bundesverkehrsministers erfolgen. Das bedeutet - und so weit sind wir nun leider wieder im Straßenbau gekommen -, daß man einen Frostschaden nur beheben darf, wenn vorher die Zustimmung des Bundesverkehrsministers erfolgt ist. Ich bin der Meinung, daß hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Wenn man diesen Schnellbrief wörtlich nimmt - und man ist gezwungen, ihn wörtlich zu nehmen, weil er ja ein Verbot enthält -, bedeutet das nach meiner Meinung eine völlige Umkehr in der Straßenbaupolitik der Bundesregierung. Bisher war man der Meinung, man müßte laufend mehr Mittel für den Straßenbau aufwenden. Hieraus ergibt sich deutlich, daß in Zukunft weniger Mittel für den Straßenbau aufgewandt werden sollen. Ich sehe in dieser Maßnahme, die hier eingeleitet ist, eine Aushöhlung der bisherigen Zweckbindung, die wir für den Straßenbau jedenfalls zu einem erheblichen Teil in Anspruch nehmen konnten. Ich sehe darin eine außerordentliche Gefahr für die Verkehrssicherheit und für den Straßenbau. Ich möchte darum bitten, bei den Verhandlungen im Ausschuß noch einmal klarzustellen, daß man von einer Überhitzung auf dem Straßenbausektor einfach nicht sprechen kann, sondern daß es sich hier um rein fiskalische Maßnahmen handelt.
Meine Damen und Herren, daraus ergibt sich nach unserer Auffassung zwangsläufig die Alternative: wenn dieser Schnellbrief und diese Maßnahmen durchgeführt werden, wollen Sie in der Zukunft eben weniger Straßen bauen. Wir sind der Meinung, daß mehr und bessere Straßen gebaut werden müssen. Das scheint uns eine klare Alternative zu sein. Deswegen werden wir in der zweiten Lesung der Gesetzentwürfe erneut den Antrag stellen, die Beschlüsse zu § 8 des Haushaltsgesetzes, soweit sie den Straßenbau betreffen, auf jeden Fall rückgängig zu machen. Wir halten diesen Beschluß für außerordentlich gefährlich und wir halten ihn für falsch.
Ich fühlte mich verpflichtet, diese Ausführungen in Zusammenhang mit dem Schnellbrief zu machen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! I Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion nur noch wenige Worte zu dem Antrag der FDP betreffend § 7 b sagen. Im Zusammenhang mit der Einführung der Baudämpfungsmaßnahmen ist natürlich auch eine Überprüfung aller bisherigen steuerlichen Anreize - und dazu gehört wesentlich auch der § 7 b des Einkommensteuergesetzes - notwendig. Aber ich glaube; wir müssen diese Frage sehr sorgfältig und nicht ad hoc lösen. Deshalb haben wir, um diese Baukonjunktur in den Griff zu bekommen, als Sofortmaßnahme den § 8 im Haushaltsgesetz mit der 20 %igen Sperrung vorgesehen. Deswegen haben wir unseren Antrag zum Bauverbotsgesetz eingebracht.
Auf weite Sicht gesehen sind wir der Meinung, daß eine Überprüfung der Steuergesetze notwendig ist. Aber dazu gehört, daß wir uns auch mit der Gesamtproblematik der Wohnungsbaufinanzierung in der Zukunft werden befassen müssen. Denn entweder können Sie den Wohnungsbau nur aus Darlehensmitteln des Staates und mit Zuschüssen des Staates finanzieren, oder Sie verweisen den Wohnungsbau auf den Kapitalmarkt; aber auch dann ist es notwendig, ihm gewisse Anreize zu geben. Ich glaube, hier sind wir auch mit der SPD einig, daß der Wohnungsbau in Zukunft vom Kapitalmarkt her stark mit gespeist werden soll.
Diese Gesamtproblematik muß bei der Behandlung des § 7 b zweifellos beachtet werden; denn er spielt im Wohnungsbau eine wesentliche Rolle. Wir sind der Meinung, daß nach der Überweisung des FDP-Antrages an die beiden Ausschüsse, der wir zustimmen, die Gelegenheit zu einer solchen Erörterung mal zur Prüfung geboten sein wird, ob und inwieweit Auswüchse, die da und dort vorhanden sein mögen, beschnitten werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die drei Anträge, die hier zur Debatte stehen, leider mit keinem Satz auf das Problem des Straßenbaus eingehen, können bei der Ausschußberatung dieser Anträge daran auch keine Änderungen vorgenommen werden.
Das Entscheidende ist, was hier in der Debatte heute schon erwähnt wurde, der § 8 des Haushaltsgesetzes. Hier liegt nun ein merkwürdiges, fast eigenartiges Zusammentreffen vor. Auf der einen Seite handelt es sich in § 8 des Haushaltsgesetzes um eine Maßnahme, die aus rein fiskalischen Gründen erfolgt ist. In dem gleichen Zusammenhang werden Maßnahmen erörtert, die, wenn der § 8 im Straßenbau so angewandt wird, wie es der Bundesverkehrsminister in seinem Schnellbrief angekündigt hat, verkehrsfeindlich und zugleich - das wollen Sie, wir wollen es in bezug auf den Hochbau, aber nicht in bezug auf den Straßenbau - konjunkturdämpfend wirken. Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß diese beiden völlig verschiedenen Gegenstände in ein und demselben Atem ein und derselben Betrachtung unterzogen werden müssen.
Herr Kollege Dr. Dollinger hat vorhin gemeint, wenn es sich als richtig erweise, daß im Straßenbau die Kapazität ausreiche und dort keine Überhitzung vorhanden sei, könne man darüber reden, den Straßenbau fortzuführen. Herr Dr. Bleiß hat darauf hingewiesen, daß kein anderer als der Bundesverkehrsminister - der heute leider nicht da ist - erklärt hat, daß im Straßenbau in der Tat keine Überhitzung vorhanden sei. Das wissen wir im wesentlichen wohl aber auch alle selber.
Ich habe nun einmal versucht, diesen Schnellbrief in die Praxis zu übersetzen. Zunächst einmal erinnere ich an das, was ich bei der Beratung des Etats gesagt habe: Schon ohne einen § 8, wie er jetzt im Augenblick mit zur Kritik steht, ist 'der erste Vierjahresplan in diesem Jahr bis zum 31. Dezember im Straßenbau nicht im vollen Umfang durchzuführen. Es bleibt ein Rest, der in den Zeitraum ides zweiten Vierjahresplans übergeht. Auch ohne den § 8 ist der zweite Vierjahresplan wegen der Belastung mit Resten des ersten Vierteljahresplans nicht durchzuführen. Und nun kommt die Anwendung dieses § 8! Es ist eine erstaunliche Tatsache, daß, obwohl (in § 8 gesagt wind: „Der Bundesminister der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft Befreiungen von dieser Sperre zulassen", der Bundesverkehrsminister den § 8 ohne weiteres auf sich bezieht und nichts unternimmt und nichts unternommen hat, um die notwendigen Freigaben für die Durchführung des geplanten Straßenbaues zu erwirken. Es ist merkwürdig, daß bei dier Etatberatung erklärt wurde - auch von dem. Bundesverkehrsminister -, die Straßenbauverwaltungen der Länder seien mit größeren Vollmachten ausgestattet worden, und jetzt festzustellen ist, daß der Bundesverkehrsminister bis herab zu der Reparatur von Winterstraßenschäden eingeschaltet werden will. Das sind Dinge, die der deutsche Straßenverkehr einfach nicht verträgt.
Nun, ich sagte Ihnen soeben, ich versuche, die Dinge einmal in die Praxis zu übersetzen .Namentlich aus diesem Grunde habe ich mich Ende April an den Herrn hessischen Minister für Wirtschaft und Verkehr gewandt. Hören Sie bitte aus dem Antwortschreiben (des Herrn hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr, dessen diesbezügliche Stellen ich dem Herrn Bundesverkehrsminister schon mitgeteilt habe, welche Wirkung diese Sperrmaßnahme auf ein Gebiet wie (das Land Hessen hat. Der hessische Minister schreibt mir:
Der Anteil des Landes Hessen an den diesjährigen Haushaltsmitteln des Bundes für die Bundesfernstraßen beträgt 213,5 Millionen DM. Die aus dem Jahre 1961 übertragenen Ausgabereste sind in dieser Zahl nicht enthalten. Nach Absetzung faller nichtvergabeintensiven Anteile wie z. B. für Grunderwerb, Wetterlöhne, Winterlöhne und ähnliches verbleibt ein bauwirksamer Betrag von 175,3 Milionen DM. Hiervon wurden bereits bis zum 15. April 1962 Haushaltsmittel in Höhe von 108,8 Millionen DM vertraglich gebunden. Darüber hinaus wurden Baumaßnahmen im Werte von 40,9 Millionen
DM ausgeschrieben. Bezogen auf den bauwirksamen Betrag von 175,3 Milionen DM waren
somit am 15. April 1962 Arbeiten im Gesamtbetrag von 108,8 Millionen DM plus 40,9 Millionen DM gleich 149,7 Millionen DM, also 85,4 % von 175,3 Millionen DM ausgeschrieben und zumeist auch vergeben. Lediglich 25,6 Millionen DM gleich 14,6 % sind zur Zeit noch nicht durch Ausschreibungen und Vergaben gebunden.
Nun könnte man theoretisch annehmen, es bleibe noch etwas, was gesperrt werden könne. Hören Sie, was der Minister von Hessen dazu sagt:
Die letztgenannten Mittel
- also diese 14,6 % -werden vorwiegend für die Beseitigung der umfangreichen Frostschäden, Fortführung verschiedener Großbauvorhaben wie z. B. des Südmain-Schnellweges, des Rhein-Main-Schnellweges und der Umgehungsstraße Bad König, und für Zuschüsse an Gemeinden und Kreise dringend benötigt. Eine Sperrung von Haushaltsmitteln kann bei den an sich schon knappen Mittelzuweisungen für den Ausbau der Bundesstraßen und den besonderen verkehrlichen Erfordernissen in Hessen keinesfalls verantwortet werden.
Ich behaupte nicht, daß die Dinge in anderen Ländern günstiger liegen; aber ich behaupte, daß es einfach nicht vertretbar und daß es unverantwortlich ist, den Straßenbauhaushalt ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß hier keine Konjunkturdämpfung notwendig ist, aus fiskalischen Gründen, was auch nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, in dieser Weise zu mißhandeln, wie es praktisch geschieht. Ich bin überzeugt davon, daß draußen in unserem Volk dafür kein Verständnis besteht.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Meine Herren und Damen! Ich möchte nur ein paar Worte zu dem vorhin hier umstritten gewesenen § 8 des Haushaltsgesetzes sagen. Als mein Kollege Leber vorhin über die Auswirkungen des § 8 sprach und sagte, daß damit auch der soziale Wohnungsbau gedrosselt werde, machte sich in der Mitte Unruhe und Widerspruch bemerkbar. Kurz zuvor sagte Herr Dr. Imle: § 8 des Haushaltsgesetzes war die erste Maßnahme zur Dämpfung der Baukonjunktur. Er meinte - und ich glaube, das steht wörtlich so im Protokoll -, die 20%ige Sperre wirke sich auf den ganzen Wohnungsbau aus. Ich habe noch keinen Widerspruch dagegen von ihm gehört.
Nun meinen wir, daß die Gelder für den sozialen Wohnungsbau gerade nicht gedrosselt werden sollten. Sie wissen, daß in derselben Vorlage noch ein § 19 enthalten ist. Nach dieser Bestimmung wird der Bundesminister die Gelder für den sozialen Wohnungsbau nicht mehr bis zum Jahresende verteilen
müssen, sondern es bleibt ihm überlassen. Das ist eine weitere Behinderung des sozialen Wohnungsbaus. Wir sind der Meinung, daß die Maßnahmen, über die heute hier debattiert wurde, die notwendigen Dämpfungsmaßnahmen im Baugewerbe, im Baugeschehen doch auch zu einem Teil der besseren Förderung des Wohnungsbaus dienen sollen. Es wäre also nur logisch, wenn Sie sich noch einmal überlegten, ob dieser § 8, den Sie am 12. April verabschiedet haben, noch seine Berechtigung hat.
Ich gebe Ihnen - und die Herren, die vorhin Herrn Leber widersprochen haben, mögen das noch einmal berücksichtigen - zu bedenken, daß wir schließlich mit dieser Außerkraftsetzung des § 19 beschlossen haben, daß für eine lange Zeit, wahrscheinlich für das ganze Frühjahr, die Baumaßnahmen im sozialen Wohnungsbau weitgehend gedämpft werden, und gerade das wollten Sie doch wohl nicht.
Wir werden einen Antrag stellen!
({0})
- Sie entsinnen sich vielleicht, Herr Dr. Czaja; Sie haben ja selbst mit abgestimmt.
({1})
- Sie haben nicht mit abgestimmt? Wie vorsichtig!
({2})
Sie entsinnen sich, daß die SPD-Fraktion damals einen Antrag Umdruck 89 eingebracht hat und daß über Abschnitt 2 getrennt, und zwar namentlich, abgestimmt wurde. Dieser Abschnitt lautete: „Diese Bestimmungen finden auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau keine Anwendung." Das Abstimmungsergebnis - Sie können sich noch entsinnen -: 156 SPD-Abgeordnete haben dafür und 233 Abgeordnete der anderen Fraktionen haben dagegen gestimmt.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.
Baier ({0}) ({1}) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Heise, der Widerspruch bei uns während der Ausführungen von Herrn Leber erhob sich, weil er permanent und immer wieder behauptet, es handle sich um eine zwanzigprozentige Kürzung. Kürzung und Sperrung sind eben zwei Paar Stiefel.
({2})
Deshalb haben wir Widerspruch erhoben. - Nein, bei mir ist das nicht dasselbe. - Das war das Entscheidende.
Was nun die tatsächliche Sperrung des Wohnungsbauvolumens in § 8 des Haushaltsgesetzes betrifft, - meine sehr verehrte Kollegin, nun, ich wäre ja eigentlich fein heraus. Sie wissen, ich habe in diesem Fall sogar mit der SPD gestimmt,
({3})
daß die Sperrung nicht durchgeführt wird. Aber ich
darf Ihnen auf der anderen Seite sagen: so schlimm
ist es nun wieder nicht. Sämtlicher Wohnungsbau, wo gesetzliche Verpflichtungen vorliegen, wird davon nicht betroffen, ja, die Mittel sind für dieses Haushaltsjahr längst ausgezahlt. Nach den vorliegenden Schätzungen werden in diesem Jahr höchstens 8 Millionen DM an Wohnungsbaumitteln von der Sperrung betroffen, die aber von der Regierung jederzeit wieder freigegeben werden können.
So ist doch der Sachverhalt, und wir sollten uns hüten, hier der Öffentlichkeit etwas anderes zu erzählen, als es in Wirklichkeit ist. Der § 8 mit der Sperrung - Herr Kollege Ritzel, das möchte ich Ihnen sagen; ich schätze Sie sehr als Haushaltsexperten - ist doch nicht aus fiskalischen Gründen gemacht worden. Sagen Sie mir, was die Sperrung mit der Abdeckung des Bundeshaushalts überhaupt zu tun hat. Das tritt doch dort überhaupt nicht in Erscheinung. Es sind doch lediglich konjunkturpolitische Überlegungen, die dazu geführt haben.
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Baier, folgende Frage: Wenn nach der von Ihnen beliebten Interpretation des § 8 des Haushaltsgesetzes auch nach der Auffassung des Fachministers, des Bundesverkehrsministers, diese Sperre von 20 °/o zu der abrupten Wirkung führt, die ich Ihnen aus einem Ministerialschreiben des hessischen Verkehrsministers vorgelesen habe, geben Sie dann zu, daß es nicht nur Gründe sind, die bei dem Wohnungsbau in Anwendung kommen, sondern angesichts der von der Regierung festgestellten Tatsache, daß keine Überhitzung im Straßenbau vorhanden ist, fiskalische Ursachen vorhanden sind - vielleicht wissen Sie es besser als ich -, die dazu führen sollen, die Brücke zu schlagen, um den Sockelbetrag aus der Mineralölsteuer zu erhöhen und damit die Mittel zu reduzieren, die für den Straßenbau bestimmt sind?
Herr Kollege Ritzel, für das Schreiben des Herrn Seebohm bin ich nicht verantwortlich und ich weiß auch nicht, ob das nicht vielleicht eine Kurzschlußhandlung war. Das kann ich nicht beurteilen. Natürlich waren es für ihn wohl fiskalische Gründe, weil dem Verkehrsetat im Augenblick nicht mehr Mittel zur Verfügung stehen. Aber im Laufe des Jahres kann diese Sperrung doch - das steht in § 8 drin - jederzeit aufgehoben werden, wenn es eben konjunkturpolitisch vertretbar ist. Ich habe mich gegen Ihre These gewandt, daß es Etatgründe bezüglich des Haushaltsausgleichs seien, die uns zu dieser Regelung bewogen hätten.
Zum Wohnungsbau nur noch ein letztes Wort. Meine Damen und Herren, ich glaube, Ursache und Anlaß für die heutige Debatte und für die Einbringung des Bauverbotsgesetzes war letztlich unsere
Baier ({0})
Sorge um den Wohnungsbau, unsere Sorge um die Bausparer, die eines Tages bauen wollen. Das war der Ausgangspunkt, und in diesem Sinne wollen wir doch nur Raum schaffen, um den Wohnungsbau auch in Zukunft im notwendigen Maße ungehindert und ungestört durchführen zu können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Für den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache IV/353 - ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - mitberatend - vorgeschlagen. Für den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - IV/341 - wird Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - mitberatend - vorgeschlagen. Wird diesen Überweisungsvorschlägen widersprochen? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Für den Antrag der Fraktion der FDP - IV/342 - zur Änderung des Einkommensteuergesetzes wird Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - mitberatend - vorgeschlagen. - Ich höre keinen Widerspruch gegen die Vorschläge; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Grundbuchverfahrens ({0}).
Wird dieser Gesetzentwurf von der Bundesregierung begründet? - Er wird nicht begründet. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen Überweisung an den Rechtsausschuß. - Es erfolgt kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Finanzverwaltung, der Reichsabgabenordnung und anderer Steuergesetze ({1}).
Gibt es hier eine Begründung durch die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. - Die Aussprache ist geschlossen. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Außenhandelsausschuß. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in Monaco am 18. November 1961 unterzeichnete Zusatzvereinbarung zu dem am 2. Juni 1934 in London revidierten Haager Abkommen vom 6. November 1925 über die
internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle ({2}).
Eine Begründung von der Bundesregierung erfolgt offensichtlich nicht. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Rechtsausschuß zu überweisen. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung der von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes ({3});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({4}) ({5}) ({6}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Ravens. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Der Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe auf den Art. 1 des Gesetzes. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Werden die beiden Ziffern dieses Antrags zusammen begründet? - Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt dem Hohen Haus mit dem Umdruck 95 einen Änderungsantrag zum Antrag der CDU/CSU und der FDP-Fraktion zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vor. Das Hohe Haus wird heute die erste Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vornehmen, Meiner Fraktiongeht es darum, diese erste Änderung nicht gleich mit einer Schlechterstellung der Jugendlichen zu beginnen. Wir wissen, daß gerade im Friseurhandwerk der Sonnabendnachmittag zu den beschäftigungsstarken Zeiten zählt und daß deshalb die Friseure an diesem Tag nur sehr schwer auf die Beschäftigung und die Mithilfe der Jugendlichen verzichten können. Wir möchten mit Ihnen zusammen diesem Umstand Rechnung tragen, sind aber der Meinung, daß das im Rahmen des Schutzbedürfnisses der Jugendlichen geschehen muß.
Nach der bisherigen Regelung des Jugendarbeitsschutzgesetzes - § 17 Absätze 2 und 4 -, die auch nach dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP weiterhin gültig bleiben soll, können Jugendliche im Friseurhandwerk an zwei Samstagnachmittagen im Monat beschäftigt werden, wenn sie dafür an zwei anderen Nachmittagen von ,der Arbeit freigestellt werden. Zu dieser Regelung soll nun nach Ihrer Meinung ein neuer Absatz kommen, der es den Meistern erlaubt, die Jugendlichen an allen Samstagnachmittagen zu beschäftigen, ohne daß ihnen dafür eine Ausgleichsfreizeit gewährt wird. Der in Ihrem Antrag genannte freie Montagvormittag als Ausgleichsfreizeit ist nämlich schon jetzt nach dem Ladenschlußgesetz - § 18 Abs. 2 - arbeitsfrei, also auch für die Jugendlichen, die wie bisher nur an zwei Samstagnachmittagen beschäftigt werden.
Ich gebe zu, daß die Systematik etwas schwierig ist. Trotzdem möchte ich versuchen, Ihnen klarzumachen, daß wir nach Ihrem Vorschlag den seltenen Fall erleben würden, daß derjenige Jugendliche bessergestellt werden soll, der nur an zwei Samstagnachmittagen arbeitet, da er zu den nach § 18 Abs. 2 des Ladenschlußgesetzes freien Montagvormittagen noch Anspruch auf zwei freie Nachmittage hat, während der Jugendliche, der an allen Samstagnachmittagen beschäftigt werden kann, als Ersatz und Ausgleich nur den freien Montagvormittag zugebilligt bekommt, der ohnehin frei ist.
Der Rechtsausschuß hat in seiner Sitzung vom 27. Februar dieses Jahres gegen diesen Tatbestand einmütig Bedenken erhoben und diese dem Ausschuß für Arbeit mitgeteilt. Leider ist die Mehrheit des Ausschusses für Arbeit über diese Bedenken hinweggegangen.
Wir möchten mit unserem Antrag das erste Beratungsergebnis des Ausschusses für Arbeit wiederherstellen und damit für eine ausreichende Ersatzfreizeit für die betroffenen Jugendlichen eintreten.
Die Ziffer 2 unseres Änderungsantrags bringt lediglich eine Ergänzung der Strafvorschriften, die bei Annahme der Ziffer 1 notwendig wird.
Die Ihnen von uns vorgelegte Fassung stellt das erste Beratungsergebnis des Ausschusses für Arbeit auf Grund einer Formulierungshilfe des Arbeitsministeriums dar. Sie wurde seinerzeit dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen. Auch der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen hat dieser ersten Fassung, die jetzt als unser Änderungsantrag vorliegt, zugestimmt. Wir befinden uns somit in einer sehr guten Gesellschaft.
Wir sollten bei unseren Beratungen nicht vergessen, daß die Jugendlichen, die an Sonnabenden ganztägig beschäftigt sind, schon jetzt gegenüber anderen Jugendlichen dadurch benachteiligt sind, daß sie an sehr vielen Veranstaltungen, Bildungseinrichtungen und Erholungsmaßnahmen der Jugendorganisationen und -verbände nicht oder nur zum Teil teilnehmen können, da diese Veranstaltungen sich meistens über ein Wochenende erstrecken und schon an einem Samstagnachmittag beginnen. Der Bundesjugendring hat in einem Schreiben an die Ausschußmitglieder auf diesen Tatbestand besonders hingewiesen; ich möchte ihn hier noch einmal zur Kenntnis bringen. Auch der Bundesjugendring bedauert die Entscheidung, die zuletzt im Ausschuß für Arbeit getroffen worden ist und heute dem Hohen Hause vorliegt.
Aus den angeführten Gründen sollten wir die Jugendlichen im Rahmen des Möglichen vor einer weiteren Schlechterstellung bewahren. Das läge nicht zuletzt auch im wohlverstandenen Interesse .des Friseurgewerbes. Wir kennen die Nachwuchssorgen des Friseurhandwerks. Wir wissen, daß sie zum Teil auch auf die als schlechter empfundene Arbeitszeitregelung in diesem Gewerbe zurückzuführen sind. Wir sollten hier eingreifen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung kommt.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, unter Abwägung unserer Argumente und im Interesse der Jugendlichen unserem Antrag zuzustimmen und damit gleichzeitig die Bedenken auszuräumen, die Ihre Kollegen im Rechtsausschuß hatten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat einen Änderungsantrag zu dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes gestellt. Ich darf namens meiner Fraktion dazu sagen, daß wir diesen Antrag ablehnen, weil das, was hier dazu vorgetragen worden ist, in keiner Weise den Tatsachen entspricht. Ich will das begründen.
Meine Damen und Herren! Nach § 18 Abs. 3 des Ladenschlußgesetzes dürfen Betriebe des Friseurhandwerks samstags bis 18 Uhr geöffnet sein; sie müssen statt dessen am Montagvormittag bis 13 Uhr geschlossen bleiben. Diese Regelung ist getroffen, weil die Friseurbetriebe an Samstagen in besonderem Maße in Anspruch genommen werden. In § 17 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist bestimmt, daß Jugendliche an Samstagen nicht nach 14 Uhr beschäftigt werden dürfen. Jedoch dürfen nach Abs. 2 des § 17 Jugendliche mit der Einschränkung beschäftigt werden, daß nach Abs. 3 des gleichen Paragraphen zwei Samstagnachmittage in jedem Monat beschäftigungsfrei bleiben müssen; dafür müssen die Jugendlichen an einem anderen Tage ab 14 Uhr von der Arbeit freigestellt werden. Soweit die geltenden Gesetzesbestimmungen, nach denen augenblicklich verfahren wird.
Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP ist am 11. Januar 1962 eingebracht worden. Hiernach soll eine Änderung dahin getroffen werden, daß Jugendliche an allen Samstagnachmittagen beschäftigt werden können. Dabei kam es darauf an, daß das verlängerte Wochenende dadurch nicht gestört wird. Das soll dadurch erreicht werden, daß dafür am Montag eine Freistellung von der Arbeit erfolgt.
Nun ist im Ausschuß für Arbeit darüber diskutiert worden, und es zeigten sich hier zwei Meinungen. Die eine Meinung, wie sie von der SPD-Fraktion im Ausschuß für Arbeit vorgetragen wurde, ging dahin, daß, wenn Jugendliche am Samstagnachmittag arbeiten, als Ausgleich dafür der ganze Montag, also der Vormittag und der Nachmittag, freigegeben werden muß. Die Meinung der CDU/CSU und der FDP ging dahin, daß, wenn am Samstagnachmittag in den Friseurbetrieben gearbeitet wird, der Jugendliche am Montag, falls montags kein Berufsschulunterricht stattfindet, bis 13 Uhr freigestellt werden muß. Findet an den Montagen Berufsschulunterricht statt, so ist der Jugendliche in keiner Weise zur Arbeit am Samstagnachmittag verpflichtet, sondern dann bleibt es bei der bisherigen Regelung. Nur dann, wenn am Montag kein Berufsschulunterricht stattfindet, soll die Möglichkeit zur Arbeitsleistung am Samstagnachmittag gegeben sein; dafür soll dann der Montag bis 13 Uhr frei sein.
Nun wird behauptet, daß sich der Jugendliche, der am Montagvormittag freigestellt ist, dadurch schlechter stehen würde als der Jugendliche, der den Samstagnachmittag frei hat. Darf ich darauf hinweisen, daß ja auch noch andere Jugendliche - im Verkehrsgewerbe, im Gaststättengewerbe usw. - an diesem Tage beschäftigt -wenden, so daß man nicht sagen kann, daß es nur für die Jugendlichen zutreffe, die im Friseurhandwerk tätig sind. Bitte lesen Sie einmal im Jugendarbeitsschutzgesetz nach, in welchen Berufen Jugendliche auch am Samstag bzw. Sonntag arbeiten können; Sie finden dort eine ganze Reihe aufgeführt.
({0})
- Auch der Jugendliche im Friseurhandwerk hat nach Iden jetzigen Bestimmungen nicht an allen Samstagen zu arbeiten. Aber wenn wir nun den Montagvormittag dafür freigeben, dann hat der Jugendliche gegenüber der jetzigen Regelung noch eine Stunde länger Freizeit, wenn wir es genau ausrechnen.
Ich darf einmal darauf hinweisen, daß der § 10 des Jugendarbeitsschutzgesetzes über die Arbeitszeit der Jugendlichen folgendes 'sagt: Für die Jugendlichen von 14 bis 16 Jahren ist die 40-StundenWoche vorgeschrieben, und für ¡die Jugendlichen von 16 bis 18 Jahren besteht 'die Möglichkeit, eine Arbeitsleistung bis zu 44 Stunden zu erbringen. Wenn diese Regelung nach :Ihrem Antrag, wie er heute vorgelegt worden ist, geändert würde, würden noch 5 Tage zur Verfügung stehen, wenn der Montag ganz frei ist. Von diesen 5 Tagen geht noch ein Tag für die Berufsschule ab.
({1})
- Entschuldigen Sie, warten Sie doch einmal einen Augenblick, bis ich den Gedanken zu Ende geführt habe. Vielleicht sind Sie dann anderer Meinung. Wenn wir \also noch 5 Tage haben, müssen wir den Berufsschultag mit als Arbeitszeit anrechnen. Da aber am Tag nicht länger als acht Stunden gearbeitet werden darf, würden wir praktisch, wenn der Jugendliche für den ganzen Montag freigestellt wird, fünfmal acht Stunden, das sind 40 Stunden, haben, auf die wir den Berufsschultag als Arbeitszeit anrechnen müssen, so daß für die Tätigkeit im Betrieb selbst noch viermal acht Stunden gleich 32 Stunden in der Woche übrigbleiben.
({2})
Nun frage ich Sie allen Ernstes, meine Damen und Herren: Ist es unter diesen Gesichtspunkten richtig, daß man jetzt noch die Möglichkeit, daß Jugendliche von 16 bis 18 Jahren bis zu 44 Stunden arbeiten dürfen, insofern verbaut, als man sagt: Der Jugendliche muß den ganzen Montag freigestellt werden, wenn er am Samstagnachmittag arbeitet? Ich bin der Auffassung, bei einer Betriebstätigkeit von 32 Stunden, wie sie sich nach Ihrem Vorschlag ergibt, 'ist es außerordentlich schwer, das Ausbildungsziel der Jugendlichen überhaupt noch zu erreichen. Ob wir der Jugend damit einen Gefallen tun, wage ich allen Ernstes zu bezweifeln.
({3})
Ich glaube es ist richtig, diesen Antrag abzulehnen und möchte zur weiteren Begründung keine Ausführungen mehr machen. Mir will scheinen, daß wir im Interesse der Jugendlichen selbst mindestens eine solche Arbeitszeit erhalten sollten, daß das Ausbildungsziel erreicht werden kann. Wenn man aber in dieser Weise weiter verfährt, ist die Ausbildung unserer Jugendlichen nicht nur bei den Friseuren, sondern 'in jeder Richtung ernsthaft gefährdet. Ich bitte Sie deshalb namens der CDU/CSU-Fraktion, den Änderungsantrag abzulehnen und der Ausschußfassung zuzustimmen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Ravens hat in seiner Jungfernrede, zu der ich ihm gratuliere, den Änderungsantrag seiner Partei so erfreulich unpathetisch begründet, daß es mir leid tut, wenn ich ihm sagen muß, daß wir Freien Demokraten den Änderungsantrag ablehnen werden.
Es handelt sich bei dieser Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes um ein Problem, das nur die im Friseurhandwerk beschäftigten Jugendlichen betrifft. Es beinhaltet keine Änderung der täglichen Höchstarbeitszeit, auch keine Änderung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Es betrifft nur eine zeitliche Umgestaltung der Freizeit. Der Unterschied zwischen idem, was die SPD mit ihrem Änderungsantrag auf Umdruck 95 will, und der Ausschußfassung ist nicht groß.
Ein Unterschied tritt nur ein erstens für die im Friseurhandwerk beschäftigten Jugendlichen, deren Betrieb am Montagnachmittag geöffnet ist. Am Montagnachmittag sind aber nur wenige Prozent der Friseurbetriebe im Bundesgebiet geöffnet, nämlich nur diejenigen, die am Samstagnachmittag geschlossen haben - auch idas kommt bei Friseurbetrieben vor; fragen Sie bitte Ihre Hamburger Kollegen, sie werden es Ihnen bestätigen -, und die Friseurbetriebe auf 'Bundesbahngelände, die dem Ladenschlußgesetz nicht unterliegen. Aber diese beschäftigen im allgemeinen keine Lehrlinge, wie Sie wissen.
Der zweite Unterschied ergibt sich für den kleinen Teil der Friseurlehrlinge, die am Montagnachmittag Berufsschule haben. Nach der Ausschußfassung soll es erlaubt sein, daß sie am Montagnachmittag zur Berufsschule gehen, wenn sie am Samstagnachmittag gearbeitet haben, nach dem Änderungantrag aber nicht.
Aber angenommen, ein fünfzehnjähriger Friseurlehrling hat am Samstagnachmittag gearbeitet und hat am Montagnachmittag Berufsschule, weil es sich für diesen Teil der Friseurlehrlinge nicht anders einteilen läßt, dann hat er noch zusätzlich Anspruch
Dtirr
auf einen weiteren halben Tag Ausgleichszeit, weil er sonst seine wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreiten würde.
Ein verlängertes Wochenende im Zusammenhang ist gut und ist schön. Aber lassen Sie es mich einmal übertrieben sagen: ein Grundrecht auf ein verlängertes Wochenende besteht nicht. Sonst sähe es nämlich für unseren Nachwuchs an Friseuren, Kellnern und Lokomotivführern schlecht aus; denn die können auch in Zukunft auf ein verlängertes Wochenende zu unser aller Gunsten nicht rechnen.
Wir bitten Sie deshalb, den Entwurf in der Ausschußfassung anzunehmen.
Wir freuen uns, daß ein Anliegen, das die FDP-Fraktion im Frühjahr vorigen Jahres als Initiativgesetzentwurf eingebracht hat, jetzt ein Initiativgesetzentwurf der Regierungskoalition geworden ist. Und, glauben 'Sie uns: wir werden die Erfahrungen, die mit dem. neuen Jugendarbeitsschutzgesetz gemacht worden sind, genau prüfen. Wenn wir auf anderen Gebieten zu der Überzeugung kommen, das Gesetz müsse geändert werden, werden wir in der gleichen Weise, wie 'das hier geschehen ist, unsere Anträge stellen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Liehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Jungendarbeitsschutzgesetz handelt es sich um ein relativ junges Gesetz, daß vor etwa eineinhalb Jahren in Kraft getreten ist. Der Abschnitt VI, der den so wichtigen Teil der ärztlichen Betreuung umfaßt, ist sogar erst seit einem halben Jahr wirksam geworden. Es liegt gewiß in der Natur eines so komplizierten Gesetzes, wie es das Jugendarbeitsschutzgesetz darstellt, daß gewisse Änderungen erforderlich werden können. Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle sagen, daß man es wohl begrüßen kann, daß der Ausschuß für Arbeit einstimmig der Meinung war, man sollte dieses Vorhaben auf die Friseure begrenzen und zunächst keine weitere Ausdehnung in Richtung auf eine Novellierung des Jugendarbeitsschutsgesetzes damit verbinden. Das entspricht im wesentlichen der Auffassung meiner Fraktion. Wir gehen davon aus, daß man zunächst einmal einen gewissen Zeitraum verstreichen lassen und Erfahrungen mit dem Gesetz in der Praxis sammeln sollte. Ich möchte meinen, daß auch das Plenum gut beraten wäre, wenn es sich diesem vom Ausschuß für Arbeit aufgezeigten Grundsatz anschließen würde.
Ich sagte schon, daß gewisse Veränderungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes nicht nur denkbar seien, sondern auch notwendig werden könnten. Wenn aber an eine weitere Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes gedacht ist und sie ernsthaft in Angriff genommen werden soll, dann darf es nicht nur eine Verschlechterung des geltenden Rechts sein. Wir sind uns durchaus darüber im klaren - bitte lassen Sie uns das hier sehr hart sagen, damit es keine Mißverständnisse gibt -: bei
dem Jugendarbeitsschutzgesetz handelt es sich letzten Endes nicht um ein Gewerbeförderungsgesetz, sondern um ein Gesetz zum Schutz der jugendlichen Arbeitskraft.
({0})
Unter diesem Gesichtspunkt muß die Frage einer Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes betrachtet werden. Gerade auch deshalb machen wir kein Hehl daraus, daß wir ernsthafte Bedenken gegen die vom Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit beschlossene Fassung haben, die die Friseurlehrlinge betrifft. Das hat uns veranlaßt, den von meinem Kollegen Ravens begründeten Änderungsantrag zu stellen.
Meine Damen und Herren, wir wissen sehr gut, daß es nicht an ernsthaften Bemühungen mangelt, was die fachliche Qualifizierung des beruflichen Nachwuchses anbelangt. Das soll bei den Friseuren so sein, das ist sicher in noch stärkerem Maße in anderen Branchen des Handwerks so und ganz gewiß auch in der übrigen Wirtschaft. Wir wissen aber auch, daß gerade in den Friseurbetrieben spürbare Mängel in der Berufsausbildung zu verzeichnen sind und nicht geringe Verstöße gegen die Jugendarbeitsschutzgesetzgebung gerade in diesem Gewerbezweig vorliegen, im besonderen Verstöße gegen die Arbeitszeitregelung. Es hat uns deshalb überrascht, daß die Mehrheitsfraktionen die Novellierung des Gesetzes ausgerechnet damit begannen, daß sie den Friseurbereich als den vordringlichen Bereich für eine Novellierung in Angriff genommen haben, ein Vorhaben, das zudem, wie mein Kollege hier schon dargestellt hat, nicht unwesentliche Verschlechterungen für den Jugendlichen beinhaltet.
({1})
Das Friseurhandwerk gehört zu den Handwerksbranchen, die ohnehin Nachwuchssorgen haben - das wurde hier schon festgestellt -, und wir befürchten, daß die Schwierigkeiten dieses Handwerkszweiges, Nachwuchs in dem notwendigen Maße zu bekommen, eher noch größer werden, wenn die Absichten der CDU/CSU und der FDP in Form dieser Vorlage Verwirklichung finden.
Bitte lassen Sie mich noch einmal sagen, worum es geht. Die gegen den Willen der SPD beschlossene Ausschußvorlage beinhaltet erstens, daß die Jugendlichen im Friseurhandwerk an allen Samstagnachmittagen beschäftigt werden dürfen, und zweitens, daß solche Jugendliche lediglich am Montagvormittag von der Arbeit bzw. von der Berufsschule freigestellt werden sollen. Am Montagvormittag aber dürfen ja laut Ladenschlußgesetz § 18 Abs. 2 die Friseurbetriebe sowieso nicht öffnen. Während also die Lehrlinge am Montagnachmittag nach 13 Uhr sechs Stunden und mehr zur Berufsschule gehen dürfen und damit nach den geltenden Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes einen vollen Arbeitstag absolvieren, arbeiten die erwachsenen Arbeitnehmer am gleichen Tage nur halbtags. Es ist ein völlig unmöglicher Zustand, daß der Jugendliche letzten Endes länger im Betrieb arbeiten soll als der erwachsene Arbeitnehmer. Während nach der Parole „Samstag gehört Vati
mir!", die ja sicher allen bekannt ist, die Tendenz hin zur 40-Stunden-Woche und zum 5-Tage-Betrieb geht, gerade in einem solchen Zeitpunkt sollen Friseurlehrlinge nicht nur am Samstag, sondern nach dem Willen der Antragsteller auch noch am Samstagnachmittag und sogar an allen Samstagnachmittagen beschäftigt werden dürfen. Das scheint uns eine völlige Verkennung eines positiven Jugendschutzes zu sein, wie wir ihn, denke ich, hier in diesem Hause eigentlich zu vertreten hätten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Koalitionsfraktionen derartige Verschlechterungen durch ihr Votum hier sanktionieren wollen.
Lassen Sie mich folgendes hinzufügen. Denjenigen von Ihnen, die da sagen: Das geht uns zu weit, daß der Jugendliche und speziell der Friseurlehrling am Montag überhaupt nicht mehr arbeiten soll, können wir nur antworten: Nun gut, das ist sehr schnell zu korrigieren, nämlich einfach dadurch, daß der Friseurbetrieb auf die Beschäftigung Jugendlicher an allen Samstagnachmittagen verzichtet und damit die Gleichheit in der Beschäftigung der Jugendlichen allgemein wiederhergestellt wird. Ich wollte mir nur erlauben, auf diese sehr enge Wechselbeziehung der Möglichkeiten aufmerksam zu machen.
Nun hat Herr Kollege Scheppmann ebenso wie der Sprecher der FDP-Fraktion hier gesagt, der vorliegende Änderungsantrag der SPD sollte abgelehnt werden. Er hat hinzugefügt, die Begründung, die der Kollege Ravens gegeben habe, stimme nicht. Ich darf dazu sehr offen sagen: Herr Kollege Scheppmann, für diese Behauptung sind Sie eigentlich den Beweis schuldig geblieben.
({2})
Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz ist es doch schon jetzt so, daß die Jugendlichen - abgesehen von anderen Bereichen - auch im Bereich des Friseurhandwerks an zwei Samstagnachmittagen beschäftigt werden dürfen. Dafür haben sie Anspruch auf einen Ausgleich an zwei anderen Nachmittagen. Legen wir aber die von den Koalitionsparteien vorgelegte Fassung zugrunde, stellen wir fest, daß, obwohl die Jugendlichen in diesem Bereich an allen Samstagnachmittagen beschäftigt werden dürfen, als Ersatz überhaupt kein Nachmittag mehr zur Verfügung gestellt werden soll, sondern nur ein Montagvormittag, an dem nach dem Ladenschlußgesetz eine Beschäftigung der Arbeitnehmer überhaupt unzulässig ist. Sie werden zugeben müssen, daß das nur ein sehr, sehr schlechter Ersatz für ein verlängertes Wochenende ist, das sich, wie ich vorhin schon angedeutet habe, durch die Einführung der 5-Tage-Woche mehr und mehr auf den Sonnabend und den Sonntag konzentriert.
Bitte lassen Sie mich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier den Brief des Deutschen Bundesjugendringes zitieren, der bisher nur angedeutet worden ist. Der Deutsche Bundesjugendring ist ja bekanntlich die Dachorganisation aller Jugendorganisationen und -gemeinschaften, die in Anspruch nehmen können, bedeutsam zu sein, und zwar jenseits parteipolitischer Zugehörigkeit. Insofern ist diese Stellungnahme, glaube ich, für uns alle von besonderer Bedeutung. Hier heißt es:
Der Deutsche Bundesjugendring bedauert die Entscheidung der beteiligten Bundestagsausschüsse, das Jugendarbeitsschutzgesetz so zu ändern, daß die im Friseurgewerbe beschäftigten Jugendlichen nicht einmal mehr zwei freie Samstagnachmittage im Monat erhalten sollen. Diese Jugendlichen würden praktisch von allen Bildungs- und Erholungsmaßnahmen, die am Wochenende von den verschiedensten Verbänden und Institutionen durchgeführt werden und fast ausschließlich am Samstag beginnen, weitgehend ausgeschlossen sein.
Der Deutsche Bundesjugendring schließt mit der Bitte, daß die Mitglieder des Bundestages von diesem Vorhaben absehen.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Einwand eingehen, den der Herr Kollege Scheppmann hier gemacht hat. Er hat eine Rechnung aufgemacht, die wir leider, muß ich sagen, in letzter Zeit verstärkt in der öffentlichen Auseinandersetzung über die Frage der Modernisierung und weiteren Verbesserung der Ausbildung eines qualifizierten beruflichen Nachwuchses hören. Er hat die Rechnung aufgemacht: Wenn der Montag gänzlich als Arbeits- und Schultag für den jugendlichen Arbeitnehmer entfällt, dann bleiben fünf Tage in der Woche übrig. Insoweit gut und richtig, minus ein Berufsschultag: vier Tage im Betrieb.
Lassen Sie mich ganz offen folgendes sagen. Die Milchmädchenrechnung liegt einfach - ob gewollt oder ungewollt - darin, daß eine willkürliche Trennung zwischen Schule einerseits und Ausbildungsbetrieb andererseits vollzogen wird. Ich möchte an dieser Stelle sagen, daß viele Betriebe, wenn es diese Einheit von Schule und Betrieb nicht gäbe - bei aller Unzulänglichkeit, die zweifellos noch besteht -, ohne die Berufsschule überhaupt nicht in der Lage wären, den beruflichen Nachwuchs auch nur annähernd so qualifiziert auszubilden, wie das nun einmal von den Facharbeitern in unserem Lande verlangt wird.
({3})
Wir können uns also keineswegs mit dem Gedanken vertraut machen, uns dieser Rechnung anzuschließen. Wir plädieren auch hier in aller Öffentlichkeit für die Einheit von Berufsschule und Betrieb.
Deshalb können auch Schlußfolgerungen, wie sie der Herr Kollege Scheppmann gezogen hat, von uns einfach nicht akzeptiert werden. Dazu gehört auch die Schlußfolgerung, das Ausbildungsziel könne nicht erreicht werden, weil eine erhebliche Verkürzung der Ausbildungszeit eintreten würde. Demgegenüber möchte ich ein praktisches Beispiel anführen. Bekanntlich hat im Land Niedersachsen seit 1949 ein Jugendarbeitsschutzgesetz bestanden, in dem die 40-Stunden-Woche für alle jugendlichen Arbeitnehmer bis zum 18. Lebensjahr festgelegt war. Das war zu einer Zeit, als in anderen Ländern - Berlin bildet da auch eine rühmliche Ausnahme - daran nicht zu denken war. Niemand wird sagen wollen, daß dort, obwohl seit 1949 bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Jahre 1960 nur
40 Stunden in der Woche gearbeitet worden ist, eine Verschlechterung der Facharbeiterausbildung und des Facharbeiterniveaus eingetreten sei. Diejenigen jungen Leute, die zu jener Zeit im Lande Niedersachsen ausgebildet worden sind, sind keine schlechteren Facharbeiter als jene, die in anderen Ländern unserer Heimat ihre Ausbildung gefunden haben, wo noch die 48- und Mehr-Stundenwoche bekannt war.
Was will ich mit diesem Beispiel sagen? Daran wird deutlich, daß die Dauer der Ausbildungszeit noch nichts darüber aussagt, ob eine Ausbildung qualifiziert ist oder nicht. Es kommt im wesentlichen auf den Inhalt, auf die Methodik, auf die Formen einer Berufsausbildung an. Hier muß ich allerdings sagen, daß wir in einer Vielzahl von Betrieben trotz spürbarer Absichten, das Ergebnis zu verbessern - ich will hier nicht verallgemeinern -, noch nicht eine Berufsausbildung in der Form und dem Gehalt nach haben, wie es eigentlich in unserer heutigen Volkswirtschaft und vor allen Dingen auch für unsere zukünftige wirtschaftliche Entwicklung angebracht wäre. Hier lägen also spezielle Ansatzpunkte. Es gibt noch sehr viel Leerlauf in der Ausbildung und sehr viel Beschäftigung mit ausbildungsfremden Arbeiten. Durch Rationalisierung und Intensivierung der Berufsausbildung kann zweifellos eine gewisse Verkürzung der Arbeitszeit aufgefangen werden.
Lassen Sie mich abschließend darum bitten - vielleicht haben meine Ausführungen doch dazu beigetragen, den einen oder anderen noch einmal zu Überlegungen zu veranlassen -, dem Änderungsantrag meiner Fraktion zuzustimmen. Nicht zuletzt deshalb, weil er eine Wiederherstellung der ursprünglichen Vorlage bedeutet, wie sie nicht nur vom Ausschuß für Arbeit, sondern auch vom Jugendausschuß beschlossen wurde und außerdem die Billigung des zuständigen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung fand.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Franzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier über die Grundsatzfrage der Berufsausbildung zu sprechen; diese Frage gehört nicht hierher. Wir haben hier nur die Frage des Jugendarbeitsschutzes zu diskutieren. Ich möchte Sie trotz der Ausführungen des Kollegen Liehr bitten, den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Wenn sich die Koalitionsparteien überhaupt dazu entschlossen haben, das Jugendarbeitsschutzgesetz in diesem Punkt zu novellieren, dann deshalb, weil sie damit der Eigenart eines Gewerbes und dem Bedürfnis der Öffentlichkeit Rechnung tragen wollen. Es wurde in der Aussprache darauf hingewiesen, daß gerade im Friseurhandwerk die meisten Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz zu verzeichnen seien. Ich möchte sagen: das ist deshalb der Fall, weil das Gesetz für diesen Berufsstand, das Friseurhandwerk, eben nicht praktikabel ist. Wir
müssen es praktikabel gestalten, ohne dabei den Jugendarbeitsschutz für die Jugendlichen in diesem Gewerbe zu verschlechtern. Es tritt tatsächlich keine Verschlechterung ein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie bedenken, daß bei der Lösung, die wir im Ausschuß gefunden haben, der Jugendliche von Sonnabendabend 18 Uhr bis Montagmittag 13 Uhr eine Freizeit von 43 Stunden hat. Bei der bestehenden Lösung hat er nur eine Freizeit von 42 Stunden. Es kommt entscheidend darauf an, daß diese Freizeit gewährleistet und garantiert ist. Mir kann keiner klarmachen, daß ausgerechnet nur der Samstagnachmittag zur Gesunderhaltung des Jugendlichen erforderlich sei. Ich bin der Meinung: wenn der Jugendliche am Sonnabendabend rechtzeitig zur Ruhe geht, am Sonntag eine gute Wanderung macht
({0})
- ja, auch noch in die Kirche geht - und die Freizeit am Montagmorgen für sonstige Zwecke nutzt, dann dient das zu seiner Gesunderhaltung. Ich -sehe in diesem Gesetz also keiner Verschlechterung.
Dann möchte ich auf folgendes hinweisen. In § 17 Abs. 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist nicht nur das Friseurhandwerk, sondern es sind eine ganze Reihe von Wirtschaftszweigen angesprochen, so z. B. das Gaststättengewerbe und das Verkehrsgewerbe. Wenn die Jugendlichen in diesen Berufszweigen am Samstagnachmittag arbeiten, müssen sie am Montagvormittag auch wieder zur Arbeit antreten. Es heißt in § 17 Abs. 4 lediglich, daß ihnen, wenn sie am Samstagnachmittag beschäftigt werden, an einem anderen Tag derselben oder der folgenden Woche ein freier Nachmittag zu gewähren ist. Würden wir also für das Friseurhandwerk erst einmal diesen freien Nachmittag garantieren und auch noch den Montagvormittag - wie es das Ladenschlußgesetz vorsieht - freigeben, dann würden wir gerade die Jugendlichen im Friseurgewerbe besserstellen. Ich glaube, diese unterschiedliche Behandlung könnte man nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht verantworten.
Es wurde so viel von der Berufsschule am Nachmittag gesprochen. Das glaubt uns doch niemand! Es glaubt uns doch niemand, daß am Nachmittag noch sechs Stunden Berufsschule sind. Ich habe das noch nie gehört und auch noch nie erlebt.
Abschließend möchte ich sagen, daß gerade das Friseurhandwerk in Westberlin gewünscht hat, daß wir die Regelung so treffen, wie wir sie in der Ausschußfassung beschlossen haben. Ich bitte Sie also, die Ausschußfassung anzunehmen und den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Liehr, jetzt ist es Ihnen durch Ihre leidenschaftlichen Kassandrarufe gelungen, aus der Mücke zwar keinen Elefanten, aber einen mittel1212
schweren Kampfstier zu machen. Sie haben nämlich die „tiefe Tragik", die angeblich bei Annahme des Koalitionsantrages den im Friseurhandwerk beschäftigten Jugendlichen bevorsteht, dadurch deutlich zu machen versucht, daß Sie so getan haben, als hätten alle Friseurlehrlinge am Montagnachmittag entweder Arbeit oder Berufsschule. Beides ist keineswegs der Fall. Am Montagnachmittag arbeiten die wenigsten Friseurbetriebe, und die wenigsten Lehrlinge müssen zur Berufsschule.
Wenn die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch diesen Änderungsantrag um nicht eine Minute geändert wird, dann ist es keine Sünde, Bestimmungen zu schaffen, wonach zumutbare Arbeitszeiten auch ausgenutzt werden können. Herr Kollege Scheppmann hat an einem Beispiel schon auf dieses Problem hingewiesen. Es liegt hier keine Verschlechterung für die im Friseurhandwerk beschäftigten Jugendlichen vor. Aber machen wir uns bitte einmal in allem Ernst eines klar: wenn es weiter geht mit einer immer stärkeren Verkürzung der Arbeitszeit und Ausbildungszeit der Jugendlichen, dann muß das in der Zukunft mit Notwendigkeit zu einer Verlängerung der Lehrzeit führen, und dann bekommen wir mit Sicherheit eine soziale Verschlechterung für die Jugendlichen. Das müssen wir hierbei über den Bereich des Friseurhandwerks hinaus mit im Auge behalten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ritte!
Herr Kollege, halten Sie das Lehrverhältnis für ein Arbeitsverhältnis? Glauben Sie, daß - nach den Berechnungen, die hier angestellt worden sind, etwa unter Zugrundelegung der 32 Stunden, die der Kollege Scheppmann angeführt hat, oder gar der 40 Stunden, die man unter Hinzurechnung der Berufsschulzeit erhält - mit 1500 Lehrstunden im Jahr oder 4500 Lehrstunden in der Lehrzeit insgesamt ein Friseur nicht voll ausgebildet werden kann?
Lieber Herr Kollege Killat! Erstens: Die Frage, ob das Lehrverhältnis ein Arbeits- oder ein Ausbildungsverhältnis ist, möchte ich hier nicht aufwerfen. Die haben wir zum letztenmal bei der Diskussion des Wortes „Beschäftiger" im Jugendarbeitsschutzgesetz in diesem Hohen Haus so hinlänglich erörtert, daß ich Ihre Geduld bei dieser Gelegenheit nicht erneut auf die Probe stellen möchte.
Zweitens: Ich habe gesagt, wir müssen aufpassen, daß bei einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit nicht eine Verlängerung der Lehrzeit erforderlich wird. Ihre Frage mit den 1500 Lehrstunden im Jahr kann ich Ihnen nicht speziell beantworten. Vielleicht fragen Sie einmal einen Friseurobermeister; der weiß es genauer als ich. Ich weiß nur eines, weil ich genauso wie Sie alle auch zum Friseur muß: daß der Friseurlehrling den Nachteil hat, am Anfang sehr oft durch bloßes Zusehen lernen zu müssen. Warum?
Weil es den Landstreicher Lux, der um Gottes Lohn rasiert worden ist, nicht mehr gibt.
({0})
Nehmen wir diese Geschichte nicht zu schwer! Ich sehe keinen Rückschritt. Vielleicht hat sich bei der statistisch zu beobachtenden Zunahme der Kahlköpfigkeit das Problem in 200 Jahren zumindest für die Herrenfriseure von selbst gelöst.
({1})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor; ich nehme auch nicht an, daß weitere Wortmeldungen erfolgen. Ichglaube, wir können über betide Ziffern des Umdrucks 95 zugleich abstimmen. Sind die Antragsteller einverstanden? - Ja.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 95 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Die ablohnenden Stimmen sind in der Mehrheit.
Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Entwurf ist angenommen. Die zweite Lesung ist beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht?
({0}) - Bitte, zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich zur Abstimmung folgende Erklärung abzugeben. Nach Zurückstellung grundsätzlicher Bedenken hat sich die sozialdemokratische Fraktion entschlossen, idem Wunsche des Friseurgewerbes zu entsprechen, die Lehrlinge an allen Samstagnachmittagen beschäftigen zu lassen, obwohl 'dagegen von vielen erhebliche Bedenken erhoben wurden, wie bekannt ist, auch vom Bundesjugendring.
Wir haben in der zweiten Lesung einen Antrag gestellt, der sowohl dem Anliegen des Friseurgewerbes entsprach als auch idem Schutzbedürfnis der arbeitenden Jugend 'Rechnung trug. Sie haben das abgelehnt. Sie haben beschlossen, als Ausgleich für die Möglichkeit, Friseurlehrlinge jeden Samstag zu beschäftigen, eine Freizeit zu gewähren, die das Ladenschlußgesetz bereits 'gewährt, und haben die nach dem bisherigen Gesetz gewährten freien Nachmittage genommen. Das ist eindeutig ein Abbau der Schutzbestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Es ist bestürzend, daß idas erste Änderungsgesetz zum Jugendarbeitsschutzgesetz eine Verschlechterung bringt, 'die Anreiz zu einer gefährlichen Entwicklung gibt, nämlich das Jugendarbeitsschutzgesetz für andere Wirtschaftszweige weiter auszuhöhlen. Aus diesem Grunde lehnt die sozialBehrendt
demokratische Bundestagsfraktion das erste Änderungsgesetz zum Jugendarbeitsschutzgesetz ab.
({0})
Werden weitere Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wir stimmen über das Gesetz als Ganzes ab. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen. Punkt 7 ist damit erledigt.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung der Wehrpflichtigen und der ehemaligen Wehrpflichtigen in der sozialen Rentenversicherung - ({0}) -;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik \({1}) - ({2}).
({3}).
Herr Abgeordneter Ruf, ich erteile Ihnen das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verzichte auf mündliche Berichterstattung und verweise auf meinen Schriftlichen Bericht. Ich bitte aber, in Drucksache zu IV/289 auf Seite 1 in der linken Spalte unten die Klammerbemerkung „ ({0}) " zu streichen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe Änderungsanträge zur zweiten Beratung auf. Das ist der seltsame Fall, daß eine Fraktion zu ihrem eigenen Gesetzentwurf Änderungsanträge stellt.
({0})
- Das ist ein löbliches Vorhaben.
({1})
Zu § 1 Nr. 1 liegt der Änderungsantrag Umdruck 96 Ziffer 1 vor. Diese Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD wird von dem Abgeordneten Killat begründet,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vor der Begründung des ersten Änderungsantrags dem Berichterstatter Kollegen Ruf für seinen sehr instruktiven und ausgezeichneten Bericht danken.
({0})
Ich glaube, der Bericht über diese schwierige Materie, mit der wir es nun zu tun haben, wird es auch
dem Nichtfachmann erleichtern, den Überlegungen
und Vorschlägen, die wir zu machen haben, -etwas besser zu folgen.
Die Anerkennung, die ich hiermit dem Kollegen Ruf zolle, soll nicht etwa dadurch eingeschränkt werden, daß ich auf einen weiteren Fehler aufmerksam mache - es wird ein Druckfehler sein -, der sich auf Seite 2 des Berichts, der Drucksache zu IV/289, befindet. Dort heißt es in der rechten Spalte - letzter Absatz -:
„.({1}) Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nr. 1 gelten bei Anwendung der Absätze 2 und 3 der §§ 1233 und 1249 . . ."
Es muß hier „1259" statt „1249" heißen.
({2}) Ich darf auch um diese Berichtigung bitten.
Die Materie ist in dem Bericht dargelegt. Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen - und das hat Herr Kollege Ruf in der Einleitung getan -, daß nach dein Gesetz zur Änderung der sozialrechtlichen Vorschriften vom April 1961 ab 1. Mai 1961 in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen erfolgt, indem sie ab 1. Mai 1961 in die Versicherungspflicht von Gesetzes wegen einbezogen werden, unabhängig von ihrem sonstigen Status. Das Ziel unserer Vorschläge und Anträge ist, daß auch die Wehrpflichtigen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg oder mit sonstigen Wehrdienstzeiten vor dem 1. Mai 1961 den Wehrpflichtigen gleichgestellt werden, die jetzt in die Versicherungspflicht einbezogen worden sind, wie es für die Bundeswehr geregelt worden ist.
Das bedeutet im Grundsatz, daß der Wehrdienst für das Volk rentenversicherungspflichtig ist und damit eine Wehrdienstzeit wie eine Beschäftigungszeit und damit auch als Beitragszeit zu werten ist. Leider hat das Reformgesetz von 1957 diese weitergehende Regelung und Verbesserung, wie sie nunmehr mit dem Änderungsgesetz 1961 für die Bundeswehrdienstzeiten erfolgte, noch nicht vorgenommen.
Da der Herr Präsident eingangs bemerkte, es sei sehr eigenartig, ,daß eine Fraktion zu ihrer eigenen Gesetzesvorlage Änderungsanträge vorlegt - und zwar sind es zahlreiche Änderungsanträge -, glaube ich darauf aufmerksam machen zu müssen, daß es sich hierbei um einen Kompromiß zwischen unseren Vorschlägen und der erkennbaren Bereitschaft handelt, die wir bei den übrigen Vertretern in den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß zu den verschiedenen Vorschlägen gefunden haben.
Nachdem man im Ausschuß nur eine bedingte Ablehnung vorgenommen hat - denn unsere Vorschläge kehren interessanterweise in einem Entschließungsentwurf der Mehrheitsparteien wieder -, glauben wir, heute die Hoffnung haben zu dürfen, daß man unseren hier zur Entscheidung anstehenden Vorschlägen die Zustimmung nicht versagt.
Ich begründe den Antrag auf Umdruck 96 Ziffer 1 zu § 1. Gleichzeitig werden damit die Ziffern 4 und 7 begründet. Es sind Bleichlautende Vorschläge für die drei verschiedenen Rentenversicherungsträger.
Mit diesem Vorschlag wollen wir erreichen, daß nunmehr alle Wehrdienstzeiten, die nach -dem 1. Januar 1924 zurückgelegt worden sind - ganz gleich, in welcher Wehrmacht und in welchem Dienstverhältnis -, als Beschäftigungszeiten und damit auch als Beitragszeiten anerkannt werden. Wir halten es eigentlich schon jetzt aus versicherungsrechtlichen und auch aus -prinzipiellen Gründen der Beachtung des Leistungsrechts in der Rentenversicherung für ein Unrecht, daß man Versicherten, die vielleicht einmal jahrelang Beiträge vor dem ersten Weltkriege, während des ersten Weltkrieges und nach dem ersten Weltkriege gezahlt haben, diese Zeiten nicht als Versicherungszeiten voll anrechnet, wenn nicht ein sogenannter Überbrückungsbeitrag etwa in der Zeit von 1924 bis 1948 geleistet worden ist, wobei dafür ein einziger Wochen- oder Monatsbeitrag genügt. Aber diese Bestimmung, daß ein Überbrückungsbeitrag geleistet sein muß, wird geradezu ein Unrecht, wenn ein Wehrdienst- oder Kriegsdienstpflichtiger eine Beschäftigung nicht ausüben konnte, weil er eben Wehrdienst oder Kriegsdienst leisten mußte.
Wir meinen, daß dieses Unrecht durch die Annahme unseres Antrages beseitigt werden sollte. Das Unrecht erkennt man noch deutlicher, wenn man bedenkt, -daß beispielsweise im gleichen Zeitraum „uk-Gestellte" oder sogar „politisch Unabkömmliche", die in der Zeit nach 1933 bis 1948 irgendeinen Beitrag geleistet haben, damit die Versicherungszeiten vor 1924 voll angerechnet erhalten. Ich glaube, meine Damen und Herren, jedem Kollegen werden solche Unrechtsfälle, Klagen oder Beschwerden vorgetragen worden sein, die aber nicht verfolgt oder nicht behoben werden konnten, weil das Gesetz bisher keine Möglichkeit dafür gab. Betroffen werden - das möchte ich hier ausdrücklich feststellen - von dieser Bestimmung im wesentlichen die Selbständigen, d. h. solche Wehrdienstoder Kriegsdienstteilnehmer, die von der Schule her oder aus dem elterlichen Betrieb Wehrdienst und Kriegsdienst im ersten oder auch im zweiten Weltkrieg geleistet und auf Grund besonderer Umstände erst nach 1948 eine Tätigkeit aufgenommen haben oder überhaupt keine - -({3})
- Herr Kollege, ich kann Ihnen Fälle nennen, in denen auch vor 1924 Beiträge gezahlt wurden. Das sind beispielsweise alle Jahrgänge um 1900, die in den letzten Kriegsjahren noch gedient haben oder in Gefangenschaft waren und dann nach dem ersten Weltkrieg vielleicht von der Schule in eine selbständige Tätigkeit eingetreten sind und im zweiten Weltkrieg wieder eingezogen worden sind.
({4})
- Doch! In dem Augenblick, wo Sie unserem Vorschlag folgen, wird für diese Versicherten und für die aus dem zweiten Weltkrieg oder auch für die Kriegsteilnehmer und Wehrdienstpflichtigen diese Dienstzeit zu einer Beschäftigungs- und Beitragszeit. Damit hätten wir die Regelung, daß diese Beschäftigungszeit ersatzweise für den Überbrückungsbeitrag in Anrechnung gebracht werden kann.
Wir meinen, daß dieser Antrag ein Unrecht für einen ganz bestimmten Personenkreis beseitigt. Wegen der Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen sollten die von mir genannten Personen - unabhängig davon, wann eine Wehrdienst- oder Kriegsdienstzeit abgeleistet worden ist - den heutigen Wehrpflichtigen gleichgestellt werden. Wir bitten deshalb das Hohe Haus, der Ziffer 1 unseres Änderungsantrages zuzustimmen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Killat hat am Anfang seiner Ausführungen gesagt, die Koalitionsparteien hätten erkennbar gemacht, daß in dem Antrag doch ein gewisser Wahrheitsgehalt stecke. Die Ausführungen von Herrn Kollegen Killat ließen vermuten, daß in dem Antrag ein sehr großer Wahrheitsgehalt sei. Diese Auffassung muß ich korrigieren.
Der letzte Teil Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Killat, hat einfach keine Basis in den Rentengesetzen. Der Vorschlag, den Sie in Ziffer 1 machen, kommt nur zum Zuge, wenn der Betroffene vor 1924 irgendwann Beiträge gezahlt hat. Sie haben diese Vorschrift auch auf Fälle anwenden wollen, in denen jemand von der Schulbank weg selbständig wurde. Der Betreffende hat aber dann gar keine Versicherungszeiten von vor 1924, die wiederaufleben können. Im übrigen kann die Vorschrift, selbst wenn man Ihren Gedankengängen folgt, allenfalls dann Härten bringen, wenn es sich um Versicherte handelt, die vor 1924 Beiträge gezahlt haben und erst nach dem 1. Juni 1948 zurückgekommen sind. Alle diejenigen, die überhaupt einmal Wehrdienst geleistet haben oder in Gefangenschaft waren und vor dem Stichtag zurückgekommen sind, sind in derselben Position wie jeder Bürger unseres Staates. Sie konnten dann einen Beitrag leisten; das war ihnen bekannt.
Wenn man schon Ihrem Gedankengang folgen wollte, müßte man eine Einschränkung dahingehend vornehmen, daß die Regelung nur auf diejenigen des entsprechenden Personenkreises Anwendung findet, die nach dem Stichtag aus der Gefangenschaft nach Deutschland zurückgekommen sind. Das ist aber ein ganz kleiner Personenkreis. Hier gilt etwas, was für andere Bestimmungen auch gilt: Man kann über diese Frage diskutieren. Sie ist aber nicht so bedeutend, daß man jetzt die Rentenversicherungsträger zwingen sollte, wegen dieser einen Bestimmung alle oder mindestens einen Großteil der Rentenakten durchzuarbeiten. Das muß man sehen. Wenn man es für notwendig hält, hier eine Bereinigung vorzunehmen, muß man das im Zusammenhang mit einer größeren Änderung tun. Schaden entsteht daraus den anderen nicht.
Ich bitte Sie im Namen meiner Freunde, den Änderungsantrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Worte des Herrn Abgeordneten Killat zielten ähnlich wie die Begründung ides Herrn Kollegen Professor Schellenberg darauf ab, daß hier eine Ungerechtigkeit beseitigt werden sollte. Wir sind uns wohl alle in diesem Hohen Hause über die Verpflichtung ,dazu klar. Wir alle kennen Fälle in der Rentengesetzgebung, die Härten bedeuten, die im Rahmen einer Novellierung, über die auch im Ausschuß bereits gesprochen wurde, beseitigt werden müssen. Wenn man aber den vorliegenden Gesetzentwurf und auch den Änderungsantrag der SPD etwas genauer betrachtet, dann stellt man fest, wie Herr Kollege Stingl in seiner Antwort auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Killat bemerkte, daß dieser Teil nur einen ganz kleinen Prozentsatz von Härtefällen betrifft. Der große Weg dieses Antrages geht aber in eine ganz andere Richtung. Ich glaube, das muß in diesem Zusammenhang ausgesprochen werden.
Herr Professor Schellenberg hat in seiner Begründung von der sinnvollen Weiterentwicklung der Rentenversicherung gesprochen. Ich und meine politischen Freunde können eine solche sinnvolle Weiterentwicklung auf diesem Wege nicht sehen. Denn das, was hier geschehen soll, ist nach unserem Dafürhalten eine Durchbrechung des Versicherungsprinzips, weil nämlich ein großer Personenkreis, der nie eine Beziehung zur Rentenversicherung hatte, der von vornherein bereit war, sein Leben selbständig 'aufzubauen, in eine Anspruchsberechtigung, in eine Bindung käme.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, sind Sie nicht der Auffassung, daß Ihre Ausführungen nichts mit Punkt 1 zu tun haben? Denn Punkt 1 des Antrages bezieht sich auf Personen, die Beiträge zur Rentenversicherung geleistet haben und die ungeachtet der geleisteten Beiträge nach dem geltenden Recht keinen Rentenanspruch haben.
Wollen Sie damit sagen, Herr Professor, daß alle anderen Punkte Ihres Änderungsantrages erledigt sind?
({0})
- /Gut, dann darf ich mich zunächst auf Punkt 1 beschränken. In Punkt 1 Ihres Änderungsantrages wird der Personenkreis angesprochen, der in einer gewissen Zeit einmal einen Versicherungsbeitrag geleistet hat und der nun eine Anspruchsberechtigung bekommen soll. In dieser Beziehung kann ich nur auf die Ausführungen des Kollegen Stingl und auf das, was ich. bereits eingangs mir zu sagen erlaubte, verweisen, 'daß es ein Teil der großen Zahl von Ungerechtigkeiten im Rentensystem ist, die sich im Laufe der Zeit herausgestellt haben und die - darüber sind wir uns wohl alle klar - beseitigt werden müssen. Daß dies aber nicht von
heute auf morgen in einer Einzelnovelle oder vielleicht in zwanzig oder 'dreißig Novellen wieder zu jedem Einzelpunkt geschehen sollte, darüber sind wir uns wohl ebenfalls alle im klaren. Der bessere und gesündere Weg wäre, ein gesamtes Paket der notwendigen Änderungen, allerdings noch in dieser Legislaturperiode, und ich möchte sogar ganz deutlich sagen: in den nächsten zwei bis drei Jahren, vorzulegen und mit allen Stimmen dieses Hauses zu verabschieden. Ich glaube, daß das in unser aller Interesse ist. Ein Vorprellen auf einem Gebiet halten auch meine politischen Freunde ebenso wie die CDU/CSU nicht für richtig. - Zu den anderen Punkten darf ich später Stellung nehmen.
({1})
Zur Geschäftsbehandlung: Ich halte es in Anbetracht der kritischen Tageszeit, in der wir uns befinden, für richtig, daß wir möglichst wenig 'die Gebräuche stören, die in 'diesem Hause herrschen. Ich schlage Ihnen daher vor, daß wir zunächst alle diese Änderungsanträge begründen und erst nachher abstimmen.
({0})
- Ich rufe die einzelnen Punkte des Umdrucks 96 auf, lasse sie begründen, es erfolgt die Aussprache darüber; aber wir stimmen über die einzelnen Punkte erst ab, wenn alle Punkte begründet sind und die Aussprache praktisch 'abgeschlossen ist.
({1})
- Zu den Punkten 1, 4 und 7!
Ich darf die Bestimmungen noch einmal zitieren, um die es in unserem Änderungsantrag geht. In § 1249 der Reichsversicherungsordnung für die Arbeiterrentenversicherung und in § 26 des Angestelltenversicherungsgesetzes heißt es, daß auf die Wartezeit nur die Versicherungszeiten angerechnet werden, die nach dem 1. Januar 1924 zurückgelegt worden sind. Ausnahme: Ist in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1924 und dem 30. November 1948 mindestens ein Beitrag für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 entrichtet, so werden auch die vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet. Selbstverständlich müssen für die Zeit vor 1924 Beiträge geleistet worden sein.
({0})
- Ich brauche das also nicht weiter zu begründen.
Zur Frage des Personenkreises, ob klein oder groß, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es ein nicht unbeträchtlicher Personenkreis ist: alle, die nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1936 oder noch besser 1937 ihre zweijährige Dienstzeit von der Schule her oder aus dem elterlichen Betrieb heraus abgeleistet haben und die dann ihre Kriegsdienstzeit bis 1945 oder mit Gefangenschaft
noch länger ableisten mußten, oder Personen, die zwar aus dem Kriege zurückgekehrt und entlassen worden sind, jetzt aber nicht in den Produktionsprozeß eingestiegen sind, sondern entweder auf den elterlichen Hof oder in das väterliche Geschäft oder in den Kleingewerbebetrieb zurückgekommen sind, weil es in der Vorwährungszeit darauf ankam, überhaupt einmal die Betriebe gemeinsam neu aufzubauen. Viele haben als Brüder, Väter, Söhne gemeinschaftlich oder an Stelle eines noch nicht Zurückgekehrten gearbeitet und diese Betriebe geleitet. Nun gibt es einen bestimmten Stichtag, der auch Ihnen bekannt ist; darüber werden wir im nächsten Antrag sprechen. Diese Personen hatten keine Möglichkeit, in der Zeit bis 1948 einen Beitrag zu leisten, weil sie sechs, sieben, acht oder zehn Jahre lang Soldat waren und weil sie nach der Rückkehr wieder als Selbständige gearbeitet haben. Für diesen Personenkreis möchten wir durch unsere Bestimmung die Möglichkeit schaffen, insbesondere wenn es sich um etwas ältere Jahrgänge handelt und um Personen, die nach dem ersten Weltkrieg selbständig geworden sind, die Versicherungszeiten vor dem 1. Januar 1924 anerkannt zu erhalten.
Nun ist gesagt worden, wir könnten dieses Problem bei einer Novellierung des Gesetzes - es sind ja noch andere Unebenheiten in dem Gesetz - behandeln. Soweit stimmen wir Ihnen zu, als es darauf ankommt, allgemeine Ungerechtigkeiten zu beseitigen oder auch auf Grund von Erfahrungen notwendige Änderungen vorzunehmen. Aber hier handelt es sich darum, einen gleichen Tatbestand, nämlich die Zeiten während des Wehrdienstes oder Kriegsdienstes, gleichzubehandeln, so wie wir es im vergangenen Jahr bei der Änderung der sozialrechtlichen Bestimmungen für die Wehrpflichtigen der Bundeswehr beschlossen haben. Sie werden sich noch erinnern, meine Damen und Herren, daß wir diesen Antrag gleichzeitig mit dem Antrag zur Verlängerung der Wehrdienstzeiten eingebracht haben. Wir waren der Meinung, daß alle diese Dienstzeiten in gleicher Weise behandelt werden sollten wie die Dienstzeiten nach dem jetzigen Wehrdienstgesetz. Insofern wird hier ein gleicher Tatbestand, der 1961 neu geregelt worden ist, nachgezogen. Daher, meinen wir, könnten Sie ohne weiteres unseren Vorschlägen zustimmen.
({1})
Zu diesem Punkt keine Wortmeldungen mehr! - Dann rufe ich auf Ziffer 2 des Änderungsantrages auf Umdruck 96. - Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nunmehr die Ziffer 2 des Änderungsantrags Umdruck 96, der Ihnen vorliegt, begründen. Danach soll dem § 1251 der Reichsversicherungsordnung ein neuer Absatz, ein Absatz 3, angefügt werden. Mit diesem Absatz soll gleichzeitig eine Lücke in dem jetzt bestehenden Gesetz geschlossen und damit ein Unrecht beseitigt werden.
Worum geht es? Nach dem zur Zeit geltenden Recht erhält nur derjenige Wehrpflichtige oder
Kriegsteilnehmer des letzten Krieges seine Dienstzeit und die Zeit seiner Gefangenschaft als Ersatzzeit in der Rentenversicherung angerechnet, wenn er entweder vor seiner Einberufung bereits versicherungspflichtig tätig war, wobei die Dauer keine Rolle spielt, oder wenn er innerhalb von zwei Jahren nach der Rückkehr aus dem Kriege oder aus der Gefangenschaft eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat. Wer also weder vor seiner Einberufung zum Wehrdienst versicherungspflichtig tätig war, aber auch nicht die Möglichkeit hatte, innerhalb der Zweijahresfrist nach seiner Rückkehr eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu beginnen, geht der Anrechnung dieser Wehr-, Kriegs- und Gefangenschaftszeiten als Ersatzzeiten in der Rentenversicherung verlustig.
Diese nach meiner und auch nach Meinung meiner politischen Freunde ungerechte und mir persönlich unverständliche Frist, die, wie ich glaube, auch nur rein zufällig zwei Jahre beträgt, gilt es der Gerechtigkeit wegen für den erwähnten Personenkreis nunmehr zu beseitigen. Daß die Gründe für die Benachteiligung nicht in der Person des einzelnen zu suchen sind, darf ich Ihnen an Beispielen erläutern, die Sie aber sicher alle noch erweitern können.
Wir wissen nur zu gut, daß sehr viele junge Menschen während des Krieges von der Schulbank, von der Handelsschule oder einer höheren Schule zum Arbeitsdienst, zum Wehrdienst als Flakhelfer, später auch zum Volkssturm einberufen wurden. Diesem Personenkreis gab man keine Gelegenheit, noch vor der Einberufung eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu beginnen, geschweige denn auszuüben, so daß eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung der Dienstzeit als Ersatzzeit in der Rentenversicherung einfach nicht gegeben war.
Wie sah es nun in Deutschland nach dem Zusammenbruch für viele dieser jungen Menschen aus? Ich brauche die ersten Jahre nach 1945 nicht im einzelnen zu schildern; wir kennen sie alle nur noch zu gilt. Wir müssen uns daran erinnern, daß viele dieser Menschen, als sie zurückkamen, entweder nicht in ihre Heimat zurückkonnten oder auch hier im Westen unseres Vaterlandes ihr Zuhause verloren hatten. Sie waren damals darauf angewiesen, sich ein Obdach zu beschaffen. Was lag für viele näher, als z. B. in die Landwirtschaft zu gehen, wo sie nicht nur das Dach über dem Kopf fanden, sondern wo sie auch das für die damalige Zeit sehr nötige Essen fanden. Gerade in der Landwirtschaft waren damals sehr viele dieser jungen Menschen tätig. Die Landwirtschaft konnte Arbeitskräfte gebrauchen. Sehr viele Bauern waren gefallen oder in Gefangenschaft und noch nicht zurückgekehrt. Hier arbeiteten diese Menschen damals sehr oft für Kost, Wohnung, Kleidung, Taschengeld, ohne versicherungspflichtig angemeldet zu sein. Das Ergebnis war, daß, wenn diese Zeit länger als zwei Jahre dauerte, die Frist verstrichen war, um die versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen zu können und damit die Wehrdienstzeit angerechnet zu bekommen.
Eine weitere Begründung, die ich hier noch anführen möchte; mein Freund Killat hat soeben ähnlich
argumentiert. Der Sohn eines Bauern oder Handwerksmeisters kam zurück. Der Vater war gefallen oder noch in Gefangenschaft. Was blieb diesem zurückkommenden jungen Menschen, dem Erben des Hofes oder des Handwerksbetriebes, anders übrig, als anzupacken und erst einmal in den elterlichen Betrieb einzusteigen und hier zu arbeiten! Wie viele junge Menschen gingen damals aber auch in einen freien Beruf! Wir alle wissen, daß die Industrie damals aus den verschiedenen Gründen Arbeitsplätze für diese vielen Kräfte nicht zur Verfügung stellen konnte. Alle diese Personen verpaßten in sehr vielen Fällen die - wenig logische - Zweijahresfrist. Sie waren in dieser Zeit nicht versicherungspflichtig tätig. Sie müssen nach dem geltenden, ich möchte sagen: Unrecht auf die Anrechnung der Wehrdienstzeit als Ersatzzeit in der Rentenversicherung verzichten.
Meine Damen und Herren, die Begründung dafür, daß der Ihnen hier vorliegende Änderungsantrag im Ausschuß für Sozialpolitik von der Mehrheit abgelehnt wurde, ist doch wohl - wie Sie beispielsweise auch aus dem vorliegenden Bericht entnehmen können - ein wenig dünn ausgefallen. Man sagt nämlich lediglich, daß dieser Antrag der Mehrheit als zu weitgehend erscheine; das ist praktisch alles. Ich bin davon überzeugt, daß eine Anzahl von Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wie es anfangs im Ausschuß für Sozialpolitik ja ganz klar zutage getreten ist, unsere Auffassung teilt. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß sich hier, und ich möchte sagen: heute eine Mehrheit für unseren Antrag und damit für die Beseitigung des in diesem Bereich bestehenden Unrechts - nach meiner Auffassung ist es ein Unrecht - findet.
Ich darf Sie bitten, unserem Antrage zuzustimmen.
({0}) _
Wird das Wort gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann kann ich Ziffer 3 aufrufen. Wer begründet diesen Antrag?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Ergänzung der Ausführungen meiner Fraktionskollegen möchte ich noch einiges über den Zweck und das Ziel unserer Anträge sagen.
Ich möchte meinen, daß es diesem Hohen Hause zur Ehre gereicht hätte, wenn wir alle Unebenheiten und Nachteile, die sich für Soldaten des ersten oder zweiten Weltkrieges hinsichtlich der Alterssicherung sowie der Sicherung bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bei Anwendung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen ergeben, mit der Änderung des Wehrpflichtgesetzes nach der Drucksache 92 bereinigt hätten. Aber auch für die Wehrpflichtigen aus der Zeit vor dem 1. Mai 1961 gilt es, Nachteile, die abgestellt werden können, abzustellen. Ich habe seit 1947 Erfahrungen darüber sammeln können, wie enttäuscht der Personenkreis ist, der zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Rente hat, die Voraussetzung dieses Anspruchs erfüllt, aber bei der Nachberechnung der Rente feststellen muß, daß ihm
Militärdienstzeit und Kriegszeit Nachteile im Ver- 1 gleich zu denen, die nicht einberufen waren, gebracht haben. Wartezeit und Anwartschaft wurden zwar erfüllt, aber wir hatten in jener Zeit viele Beiträge, die nicht rentensteigernd wirken. Da entstehen die Nachteile. Die gesetzlichen Bestimmungen ließen aber Gleichstellung nicht zu. Dieser Personenkreis fühlt sich ungerecht behandelt. Ich kann Ihnen hier Schriftsätze vorlegen, die die Versicherungsträger Mitgliedern dieses Personenkreises hinsichtlich der Möglichkeit der rentensteigernden Beiträge zugesandt haben; dazu bin ich in der Lage.
Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß die im Entwurf vorgesehene Regelung auf die bereits festgesetzten Renten keine Anwendung findet und nur für künftig festzusetzende Renten gelten wird. Dennoch wurde in der Diskussion im Ausschuß der Einwand erhoben, daß die zusätzliche Verwaltungsarbeit nicht zu vertreten sei. Ich halte diesen Einwand für ungerechtfertigt. Die andere Frage ist allerdings die - und und das haben wir nicht zu vertreten -: Wie kommt dieser Einwand bei den Betroffenen an, wie kommt es bei ihnen an, wenn wir ihnen sagen: „Deine Gleichstellung ist nicht möglich, weil die Verwaltungsarbeit zu umfangreich ist"?
Ich bin überzeugt, daß wir in diesem Hause auch jene Fälle ,gesetzlich regeln müssen, die zur Zeit - auch nach unserem Vorschlag - noch nicht erfaßt wenden. Aber der Zeitpunkt, in dem das geschehen kann - das räume ich ein -, hängt doch im wesentlichen davon ,ab, wann die Versicherungsträger mit der Bearbeitung der Anträge wirklich auf dem laufenden sind. Mir ist bekannt, daß es gegenwärtig noch nicht der Fall ist. Insbesondere denke ich daran, daß der größte Teil der Anträge noch nicht bearbeitet ist, die sich allein aus dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz ergeben. Hier haben wir einige Erfahrungen. Wir sind der Meinung, daß wir sicherlich die zurückliegenden Fälle heute nicht bereinigen können. Aber je länger wir mit der Gleichstellung der Wehrpflichtigen und der ehemaligen Wehrpflichtigen warten, je länger wir diese Gleichstellung hinausschieben, desto größer wird 'doch die Zahl der Fälle, die später nachberechnet werden müssen. Der Zeitverlust, der .gegenwärtig eintritt, wenn man unserem Vorschlag folgt, ist meines Erachtens sehr gering. Eine weitere Verzögerung erscheint hier nicht gerechtfertigt. Ich sage das, weil - wir haben es auch heute anklingen hören - im Grunde auch die Vertreter der Regierungsparteien im Ausschuß eine Bereinigung gewisser Ungerechtigkeiten zugestanden, in einigen Punkten jedoch Bedenken geäußert haben.
Ich habe nun im wesentlichen unseren Antrag auf Umdruck 96 Ziffer 3 zu 'begründen. Mit diesem Antrag begehren wir, daß dem § 1251 der Reichsversicherungsordnung außer dem von meinem Kollegen Biermannn vorgeschlagenen Abs. 3 ein Abs. 4 angefügt wird. Es handelt sich erstens darum, daß für die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung die Militär- und Kriegsdienstzeiten als Beitragszeiten behandelt werden. Wir können nicht einsehen, daß der Wehrdienstpflichtige vergangener
Zeit hinsichtlich der freiwilligen Weiterversicherung schlechter gestellt werden soll als jener, der nicht einberufen wurde.
Zweitens geht es darum, daß auch bei der Ermittlung der Ausfallzeiten gemäß § 1259 der Reichsversicherungsordnung in die dort zitierte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit die Militärdienstzeit einbezogen wird, damit auch in dieser Beziehung eine Gleichstellung erfolgt.
Auch die allseitig - das darf ich hier mit Nachdruck sagen - sehr begrüßte Schaffung der Zurechnungszeiten nach § 1260 der Reichsversicherungsordnung soll einem ehemaligen Soldaten, der vor dem 65. Lebensjahr berufs- und erwerbsunfähig wird, in gleicher Weise zugute kommen wie denen, die aus irgendeinem Grunde nicht Soldat wurden. Auch bei der Berechnung 'der Zusatzzeiten sollte diese Soldatenzeit mitberücksichtigt werden.
Ich darf nun noch ganz kurz darauf eingehen, daß dieselbe Frage auch hinsichtlich der Halbdekkung an uns herantritt. Sie haben vorgeschlagen - ({0})
- Zu Punkt 5 wird höchstwahrscheinlich keiner von uns mehr Stellung nehmen. Ich möchte das deshalb hier zusammenfassen.
Auch bei der Halbdeckung sollte die Militärdienstzeit nach Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden. Darüber, daß die Ausschließung dieser Zeit zu unzuträglichen Verhältnissen führt und die Soldaten benachteiligt, besteht sicherlich keine Meinungsverschiedenheit.
Ich darf Sie bitten, unserem Änderungsantrag unter Ziffer 3 zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, die antragstellende Fraktion hat mir soeben mitgeteilt, daß damit alle Änderungsanträge auf Umdruck 96 begründet seien. Da die Anträge, die ich nicht aufgerufen hätte, nur korrespondierende Fassungen enthielten, seien sie durch die bisherigen Ausführungen mit begründet.
Damit kommen wir also jetzt zur Abstimmung.
({0})
- Natürlich, aber nur zu den einzelnen Punkten.
Wir sind jetzt in der zweiten Beratung. In der zweiten Beratung gibt es keine allgemeine Aussprache.
({1})
- Spezielle Aussprache zu den Punkten! Wer von den beiden Herren möchte zuerst sprechen? Ich bitte, die Höflichkeit nicht zu übertreiben. - Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialpolitiker stehen immer ein bißchen in dem Ruf, als ob sie sich nur stritten. Bisher waren wir höflich zueinander. Beinahe wäre keiner von uns beiden heraufgegangen, Herr Schellenberg.
({0})
Meine Damen und Herren, ich darf einige Bemerkungen zu den Ziffern 2 und 3 sowie zu den späteren korrespondierenden Ziffern des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Umdruck 96 machen. Wir schlagen Ihnen vor, auch diese Änderungsanträge abzulehnen. Ich erinnere noch einmal an das, was ich vorhin sagte, daß wir nämlich bei der Bereinigung von eventuellen Unebenheiten doch auch darauf Bedacht nehmen müssen, daß jeweils Verwaltungsarbeit entsteht, wenn wir jemanden eine andere Rente geben, der dann, wenn wir noch einmal eine Bereinigung machen, wiederum den ganzen Vorgang einer neuen Berechnung über sich ergehen lassen muß.
Zu Ziffer 2. Hier ist zu sagen, daß es in der Tat Fälle geben mag, bei denen jemand aus dem Krieg zurückgekommen ist und dann nicht innerhalb von zwei Jahren eine Beschäftigung aufgenommen hat. Aber diese Fälle werden nicht sehr zahlreich sein; denn sobald der Betreffende sich arbeitslos gemeldet hat oder sobald er weiter in die Schule gegangen ist, war diese Frist schon überbrückt und sind wir weiter von ihr weg. Soweit es sich also um Fälle des Volkssturms handelt, die Sie angeführt haben, wird man im allgemeinen annehmen können, daß das Leute waren, die vorher versichert waren oder die auch aus einer Beschäftigung herausgeholt wurden. Im allgemeinen wird man annehmen können, daß das nicht solche sind, die dann zwei Jahre lang gar nichts mit der Rentenversicherung zu tun hatten und erst dann dazu gekommen sind. Auch die Flakhelfer werden im allgemeinen nach Beendigung ihrer Gefangenschaft innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren ihre Schulausbildung fortgesetzt haben, d. h. sie fallen gar nicht unter die Bestimmungen. Ich gebe Ihnen zu, daß es Einzelfälle geben mag, in denen diese Zweijahresfrist nicht ausreichte. Wenn man aber nun ohne jede Begrenzung diese Frist verlängert, bedeutet das, um es einmal ganz extrem zu sagen, folgendes: Wenn jemand heute, 1962, eine Beschäftigung aufnimmt und in der Zwischenzeit, seit er aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen war, nichts mit der Rentenversicherung zu tun hatte, aber heute eine Beschäftigung aufnimmt, dann wollen Sie diesem nun plötzlich die Zeit wieder anrechnen und in der Rentenversicherung honorieren. Ich glaube, das wäre des Guten zuviel. Wir müssen das sicherlich prüfen, und wir haben das ja auch in dem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht. Wir müssen das prüfen, aber ohne Limit wird es ganz sicher nicht abgehen.
Nun zu Ziffer 3. Sie sehen in Ziffer 3 Ihres Antrages die Möglichkeit vor, daß die Wehrdienstzeiten so gewertet werden, als wären es Beitragszeiten für die Anrechnung erstens der anderen ErStingl
Satzzeiten, zweitens der Ausfallzeiten und drittens der Zurechnungszeiten. Ich weiß nicht, ob man hier so weit gehen kann, daß jemand, der nur Schulzeit und nur Militärdienstzeit aufzuweisen hat, dann Ausfallzeit und Militärdienstzeit zusammenrechnet und plötzlich, ohne eine Beziehung zur Rentenversicherung zu haben, Rentner werden kann. Man muß auch hier nicht zuviel des Guten tun wollen; denn seien wir uns doch über folgendes im klaren: Sofern wir natürlich aus öffentlichen Mitteln, aus Steuermitteln Renten bezahlen und eine allgemeine Volksversorgung haben, ist das Problem anders. Solange wir aber die Rentenversicherung so konstruiert haben, daß die heute in abhängiger Arbeit Stehenden die Beiträge aufbringen müssen, damit die, die früher in abhängiger Arbeit gestanden haben, Renten bekommen, so lange können wir eine solche Ausweitung nicht vornehmen.
Das gilt auch für das dritte Problem. Allerdings muß ich sagen: Hier muß man sich wirklich überlegen, ob es bei der Berechnung der Halbdeckung berechtigt ist, daß man die Soldatenzeit ohne Berücksichtigung läßt. Dazu haben wir, wie Sie wissen, in unserem Entschließungsantrag gesagt, daß diese Frage auch im großen Zusammenhang überprüft werden sollte. Niemandem ist gedient, wenn jetzt alle Akten, die sich mit ehemaligen Wehrmachtsangehörigen beschäftigen, bei den Versicherungsträgern gewälzt werden müssen. Dann kommen vielleicht noch einmal Verbesserungen für die Versicherten, und die Akten müssen noch einmal zur Hand genommen werden. Unsere gemeinsame große Sorge, meine Damen und Herren, ist doch, daß wir heute eine so lange Wartezeit bei der Berechnung der Renten haben. Das ist eine unserer größten Sorgen. Soll sich der Gesetzgeber denn immer wieder dem Vorwurf aussetzen, daß sich durch ständige Änderungen der Gesetze die Rückstände noch mehr häufen, statt daß endlich einmal reiner Tisch gemacht werden kann?
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, die Anträge abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stingl, Sie haben sehr temperamentvoll gesprochen, aber nicht zu dem, was durch die Änderungsanträge beantragt wird.
({0}) - Dem können Sie nicht widersprechen.
Der Inhalt dieser Änderungsanträge ist, daß derjenige, der Soldat war und vorher oder nachher als Arbeiter oder Angestellter versichert war, wegen seines Militärdienstes nicht schlechtergestellt wird als derjenige, der in der Heimat bleiben durfte. Das ist die Sache, um die es geht.
Herr Kollege Schmidt hat im Grundsatz völlig recht, als er zugab - und das werden auch Sie von der CDU nicht bestreiten -, daß die jetzige Regelung ein Unrecht für die Menschen, die Soldaten waren, bedeutet.
Die Meinungsverschiedenheit im Hause besteht jetzt nach unserer Gesetzesinitiative und der eingehenden Aussprache im Ausschuß eigentlich nur noch bezüglich der Frage: Wann soll dieses Unrecht beseitigt werden?
({1})
- Herr Kollege Stingl, was Sie im Entschließungsantrag vorschlagen, beinhaltet in den Punkten, zu denen wir heute Änderungsanträge vorlegen, im Kern das gleiche. Aber Sie wollen lediglich eine Überprüfung des Unrechts; das seit 1957, also über fünf Jahre, besteht. Wir Sozialdemokraten dagegen sind der Auffassung, daß es nun Zeit ist, dieses Unrecht zu beseitigen.
Der Anlaß für unsere Initiative war die Verlängerung der Wehrdienstpflicht. Deshalb halten wir es für notwendig, das Unrecht, das seit fünf Jahren besteht, nunmehr zu beseitigen. Dabei soll, Herr Kollege Stingl, irgendein zusätzlicher Verwaltungsaufwand nicht bewirkt werden. Denn wir haben bewußt davon Abstand genommen, den Entwurf auf laufende Fälle anzuwenden, um zu verhindern, daß x Millionen Akten vielleicht neu bearbeitet werden müssen. Vielmehr wollen wir das Unrecht wenigstens für die Menschen beseitigen, die in Zukunft die Altersgrenze erreichen und Rentner werden.
Meine Damen und Herren, Ihr Entschließungsantrag bestätigt im Grundsatz den Unrechtstatbestand. Er muß jetzt beseitigt werden, nicht in einem völlig ungewissen Zeitpunkt, wie es nach Ihrem Entschließungsantrage der Fall wäre. Deshalb bitte ich Sie im Interesse aller, die Soldaten waren, dieses Unrecht zu beseitigen und unseren Anträgen zuzustimmen.
({2})
Das Wort scheint weiter nicht gewünscht zu werden. Wir können also abstimmen. Kann ich über den Antrag Umdruck 96 im ganzen abstimmen lassen?
({0})
- Wir stimmen also zunächst über Ziffer 1 des Antrags Umdruck 96 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 2! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 3! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
({1})
- Sie erklären die Ziffern 4 bis 9 für erledigt.
Ich rufe auf § 1 des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD in Drucksache IV/122. Wer zustimmen will,
Vizepräsident Dr. Schmid
gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
§§ 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist die zweite Beratung beendet, und da sämtliche Einzelbestimmungen abgelehnt worden sind, ist der ganze Antrag der Fraktion der SPD abgelehnt.
Wir haben nun noch über Ziffer 2 des Ausschußantrags abzustimmen. Dazu ist eine Entschließung vorgeschlagen. Die SPD-Fraktion hat auf Umdruck 97 eine Änderung dieses Entschließungsantrags beantragt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den Beratungen aufmerksam gefolgt ist, muß zu folgendem Ergebnis kommen. Die Sozialdemokratische Partei wollte mit ihren Anträgen zu dem Gesetzentwurf die Gleichbehandlung gleicher Tatbestände in der Rentenversicherung erreichen. Alle Wehrpflichtzeiten, unabhängig davon, wann die Wehrpflicht abgeleistet worden ist, sollten danach den Wehrdienstzeiten in ,der Bundeswehr gleichgestellt werden. Weiter hatten wir vorgeschlagen, ,daß das Unrecht des Verfalls von Beiträgen in der Zeit vor dem 1. Januar 1924 für diejenigen beseitigt wird, die nach 1924 Kriegs- oder Wehrdienst geleistet haben. Mit den weiteren Anträgen und Bestimmungen unseres Gesetzentwurfs sollte erreicht werden, daß der Wehr- oder Kriegsdienst das Recht auf freiwillige Weiterversicherung oder die Geltendmachung von Ansprüchen hinsichtlich von Ausfallzeiten in bestimmten Fällen für ehemalige Wehrmachtsangehörige nicht beschränkt oder gegenüber den übrigen Beschäftigten verschlechtert .
Die Regierungsparteien halben diese, ich glaube sagen zu dürfen, berechtigten Vorschläge der SPD, die sie anfangs sogar im Ausschuß wohlwollend mutberaten hatten - aus sachverständiger Kenntnis, wie ich unterstellen möchte -, hier jetzt abgelehnt. Die Ablehnung ist 'aus für uns objektiv nicht erkennbaren Gründen erfolgt. Ich will nicht untersuchen, ob auf Grund höherer Weisungen, sei es vom Arbeitsministerium oder sei es auf Grund eines Beschlusses des Koalitionsausschusses.
Ich glaube aber, die Richtigkeit und die Notwendigkeit unerer Vorschläge beweist die Tatsache, daß die Ausschußmehrheit einen Entschließungsantrag vorlegt, der im wesentlichen alle Maßnahmen erwähnt, die wir durch unseren Gesetzesvorschlag zur Abstimmung gestellt haben. Niemandem wird durch solch einen Entschließungsantrag geholfen; das bedeutet praktisch, da er nicht einmal terminiert ist, eine Verschiebung auf ,den Sankt-NimmerleinsTag.
Meine Damen und Herren und werte Kollegen aus 'dem Sozialpolitischen Ausschuß, die Sie hier als Vertreter der Mehrheitsparteien sitzen, ich glaube, Form und Inhalt ,des Antrages sind mehr
als dürftig. Sie schlagen in Ziffer 2 a vor, die Bundesregierung zu beauftragen, daß sie prüfen solle, ob Erleichterungen geschaffen werden können, wenn infolge von Kriegsereignissen in der Zeit vom 1. Januar 1924 bis November 1948 keine Beiträge geleistet worden sind. Sie schlagen weiter vor, es solle geprüft werden, ob sich ungerechtfertigte Härten ergeben und wie sie gegebenenfalls beseitigt werden können.
Ein solcher Antrag ist bei den vorgegebenen Tatbeständen - lassen Sie mich einen etwas unparlamentarischen Ausdruck gebrauchen - grotesk. Jeder Fachmann weiß doch, daß hier Unrecht besteht, und jeder Betroffene empfindet dieses Unrecht und wehrt sich gegen diese Ungleichbehandlung. Davon zeugen viele, viele Prozesse vor den Sozialgerichten. Weil das so ist, muß jetzt eine konkrete Entscheidung getroffen werden.
Der Auftrag an die Bundesregierung, zu prüfen, ob etwas getan werden könne, kann bei der gegebenen Sachlage doch nur dazu führen, den Anschein zu erwecken, als db etwas geschehe oder geschehen solle.
Wenn Sie die drei Punkte Ihres Entschließungsantrages noch einmal prüfen, müssen Sie zugeben, daß Sie ,die von Ihnen zu prüfenden Tatbestände für alle Versicherten gerecht geregelt hätten, wenn Sie unseren Vorschlägen zugestimmt hätten. Wir können in diesem Hause keinen Antrag annehmen, der nicht zumindest den Auftrag an die Bundesregierung enthält, einen Bericht zu geben; denn daß dort Härten bestehen, daß Ungerechtigkeiten vorhanden sind, wird selbst durch die Fachleute aus Ihren Reihen und durch diesen Entschließungsantrag bestätigt.
Wir beantragen deshalb mit Umdruck 97, den Entschließungsantrag um folgenden Absatz zu ergänzen:
Die Bundesregierung hat über das Ergebnis der Prüfung dem Bundestag bis zum 30. September 1962 zu berichten.
Der Termin „30. September" ist kein willkürlich gewählter Termin; er deckt sich mit dem Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung den Sozialbericht vorzulegen hat.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es sich dieses Haus selbst schuldig ist, der Bundesregierung konkrete Anträge vorzulegen und nicht einen Prüfungsantrag ohne jeden Termin, wie er hier von den Mehrheitsparteien vorgelegt worden ist.
Zum Abschluß möchte ich namens der Fraktion der SPD erklären, daß wir in Kürze weiter initiativ werden, um auch andere Ungerechtigkeiten in der Rentenversicherung zu beseitigen. Insbesondere soll eine Verbesserung der Lage der Altrentner erfolgen.
({0})
Ich möchte die antragstellende Fraktion bitten, ihren Antrag wie folgt zu ändern: statt „hat zu berichten" „wird ersucht, zu berichten" zu setzen. Der Bundestag kann
Vizepräsident Dr. Schmid
der Regierung keine Aufträge erteilen. Das gilt auch für den Ausschußbericht, wo es heißt: „Die Regierung wird beauftragt ..." Wir haben Dreiteilung der Gewalten. Die Regierung regiert; wir können sie ersuchen, aber nicht beauftragen. Ist das Haus damit einverstanden, daß der Ausschußvorschlag so geändert wird?
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den von Herrn Kollegen Killat soeben begründeten Antrag auf Umdruck 97 abzulehnen und es bei der Formulierung des Ausschusses - natürlich mit der Änderung, die eben der Herr Präsident vorgeschlagen hat - zu belassen. Sie wissen - das können Sie dem Schriftlichen Bericht entnehmen -, daß wir die Bundesregierung nicht nur gebeten haben, zu prüfen, welche Härtefälle bestehen und was eventuell getan werden könnte, sondern wir haben die Bundesregierung ersucht, uns eine Novelle vorzulegen. Dieses Ersuchen, meine Damen und Herren, ist von unserer Seite sehr ernst gemeint. Wir haben im Rahmen unserer Fraktion bereits eine Kommission gebildet, die sich mit den Härtefällen in der Rentenversicherung zu beschäftigen hat, und sie wird sicherlich einige Zeit - ({0})
- Bitte!
Herr Kollege Ruf, Sie sprechen von Kommissionen Ihrer Fraktion, die sozialpolitische Dinge beschleunigen sollen. Waren Sie nicht selbst einmal Vorsitzender einer solchen Kommission in der letzten Legislaturperiode, die sich mit der Beseitigung von Härten des Kindergeldrechts befassen sollte? Was ist daraus geworden?
Diese Kommission hat nicht erfolglos gearbeitet. Ihre Erkenntnisse haben sich in einem guten Bericht niedergeschlagen, und Sie werden noch darauf zurückkommen können.
({0})
- Kommt noch. Gut Ding braucht lange Weil, meine Damen und Herren.
({1})
Jedermann von uns weiß, daß es Härtefälle in der Rentenversicherung nicht nur bei den Ersatzzeiten gibt, und jedermann von uns weiß, daß Ersatzzeiten nicht nur die Kriegsdienstzeiten sind, sondern daß es auch andere Ersatzzeiten gibt, wo noch Härtefälle auftreten könnten, die bereinigt werden müßten. Man braucht aber zu einer solchen Novelle Zeit, und wir wissen alle miteinander, daß wir in absehbarer Zeit uns nicht über Mangel an Arbeit im Sozialpolitischen Ausschuß beklagen können. Wir sind in diesem Jahr und im nächsten Jahr vollauf beschäftigt. Wir brauchen nicht so sehr zu drängen. Wir können der Bundesregierung und unserer Kommission Zeit lassen, die Dinge gründlich zu prüfen,
damit wir dann alles in einem bearbeiten können.
Ich bitte Sie aus diesen Gründen, den Antrag des Herrn Kollegen Killat abzulehnen und es bei der Formulierung des Ausschusses zu belassen.
({2})
Herr Professor Schellenberg! - Bitte, ich erteile Ihnen das Wort.
({0})
Wir haben doch heute nicht sehr lange über eine wichtige sozialpolitische Frage gesprochen, meine Damen und Herren, darin werden Sie uns zustimmen. Dafür, daß wir erst um sieben Uhr mit diesem Punkt zur Beratung kommen, können wir als Sozialpolitiker nichts.
Es ist im Interesse der Sache, um die es geht, notwendig, in dem Entschließungsantrag einen Zeitpunkt für den Bericht der Regierung zu nennen, und zwar aus folgendem Grunde. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bei der letzten Rentendebatte, die wir hier im Hause geführt haben, am 29. November 1961 folgendes erklärt - ich zitiere -: „Was aber dieses Rentengesetz braucht, ist einmal eine Reihe von Jahren ungestörter Entwicklung." „Eine Reihe von Jahren" wollen und dürfen wir nicht warten mit der Beseitigung dieser Ungerechtigkeiten. Deshalb muß der Regierung ein Zeitpunkt gesetzt werden!
({0})
Wird noch weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir zunächst ab über den Ergänzungsantrag der SPD Umdruck 97. Wer die Entschließung des Ausschusses im Sinne des Antrags Umdruck 97 ergänzt wissen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nun stimmen wir ab über Ziffer 2 des Ausschußantrages. Das ist die Entschließung in der geänderten Form. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes ({0}) ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Arendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion darf ich den vorliegenden Antrag, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes - Drucksache
Arendt ({0})
IV/296 - begründen. Zum besseren Verständnis der Situation wäre es eigentlich erforderlich, die Gesichtspunkte, die uns veranlaßt haben, diesen Antrag zu stellen, vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Energie- und Kohlenwirtschaftslage in der Bundesrepublik zu schildern. Da wir aber heute in acht Tagen, am nächsten Mittwoch, Gelegenheit haben, im Rahmen der Aussprache über unsere Große Anfrage die Gesamtproblematik zu behandeln, darf ich mich jetzt auf einige wichtige Fragen beschränken.
Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, daß die in Bergbaubetrieben Beschäftigten in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert sind. Die Knappschaft ist also eine Sonderversicherung, die von den Versicherten besonders hohe Beitragszahlungen verlangt; dennoch aber wird dem Bergmann erst dann das Knappschaftsruhegeld gewährt, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat. Nur in den Fällen, in denen der Versicherte eine Versicherungszeit von 25 Jahren zurückgelegt und während dieser Zeit 15 Jahre Hauerarbeiten verrichtet hat, kann er schon nach Vollendung des 60. Lebensjahres dieses Altersruhegeld beantragen. Das ist die eine Ausnahme.
Es gibt noch eine zweite Ausnahme. Diese ergibt sich, wenn der Versicherte ebenfalls 25 Jahre Versicherungszeit zurückgelegt hat, während dieser Zeit Hauerarbeit ausgeübt hat, diese aber wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit aufgeben mußte. Außerdem darf der Versicherte dann keine andere Tätigkeit in einem knappschaftlich versicherten Betrieb mehr ausüben.
Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß die Gewährung des Knappschaftsruhegeldes nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach einjähriger Arbeitslosigkeit an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten.
Diese durch das KnappschaftsrentenversicherungsNeuregelungsgesetz eingeführte Regelung wird den besonderen Belangen des Bergmanns nicht gerecht.
In diesem Hause wurde in der Vergangenheit einige Male bei gegebenen Anlässen dem Bergmann Dank und Anerkennung für seine in den schweren Jahren des Wiederaufbaus geleistete Arbeit ausgesprochen. Ich darf vielleicht bei dieser Gelegenheit an die Verabschiedung des Bergmannprämiengesetzes im Jahre 1956 erinnern, als betont wurde, daß den Beschäftigten im Untertagebergbau die Spitzenstellung gebühre. Heute, im Jahre 1962, ist diese Spitzenstellung nicht mehr gegeben, weder in der Lohnhöhe ist sie vorhanden noch in der Kürze der Arbeitszeit.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, daß zwar zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt, nämlich im Jahre 1959 schon, die Fünftagewoche für die unter Tage Beschäftigten eingeführt wurde, daß aber in der Zwischenzeit in weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft Verträge abgeschlossen worden sind oder schon die Fünftagewoche in der Form Wirklichkeit wurde, daß beispielsweise die gesetzlichen Feiertage, die auf einen Wochenarbeitstag fallen,
nicht berücksichtigt werden. Im Bergbau ist es so, daß die gesetzlichen Feiertage, die auf einen Wochenarbeitstag fallen, an einem freien Sonnabend nachgeholt werden müssen. Das macht eine zusätzliche Mehrarbeit von immerhin 10 bis 12 Tagen im Jahr aus.
Unbestritten ist allerdings die Spitzenstellung des Bergmannes, soweit Belastungen und Erschwernisse bei seiner Arbeit in Frage kommen.
({1})
Tagein, tagaus bringen jene Menschen Opfer an Leib und Leben, die in das Dunkel des Berges fahren, um dort Kohle zu brechen. Nicht nur Massenunglücke im Bergbau, bei denen plötzlich Hunderte von Menschen ihr Leben lassen müssen, kennzeichnen die Gefährlichkeit dieses Berufes. Jährlich verunglücken bei Einzelunfällen 500 Menschen tödlich; jährlich werden 1500 Menschen von der Silikose, jener Geißel der Bergarbeit, dahingerafft, und noch weitaus mehr Menschen scheiden vorzeitig aus dem Berufsleben aus, weil sie, wie man zu sagen pflegt, „bergfertig" sind. In den Jahren von 1945 bis 1960 sind 26 715 Bergleute an Silikose verstorben. Dabei ist entscheidend, daß seit 1945 die Zahl der Silikosetoten ständig steigt. 1945 waren es 1248, 1960 waren es bereits 2178. Es ist leider nicht anzunehmen, daß diese Entwicklung abgestoppt wird, weil nämlich jetzt jene Menschen in die Altersgruppe kommen, in der die Krankheit zur Aufgabe des Berufes zwingt, die in den dreißiger Jahren über Gebühr strapaziert worden sind.
Auch aus diesem Grunde ist die Herabsetzung der Altersgrenze im Untertagebergbau erforderlich. Die Annahme des von uns vorgelegten Antrages würde dem Bergmann zumindest auf einem Gebiet eine Sonderstellung einräumen, die sich in der Zukunft für die bergmännische Belegschaft und damit auch für den Steinkohlenbergbau auswirken wände.
Der Bergmann muß einen Berufsweg gehen, der mit den anderen Industriearbeitern nicht vergleichbar ist. In relativ jungen Jahren wind er schon mit der vollen Schwere der bergmännischen Arbeit belastet. Nach durchschnittlich 20 (bis 25 Jahren tritt ein Leistungsabfall ein, der in den meisten Fällen die Fortsetzung der bisherigen Arbeit unmöglich macht. Ärzte, die auf den Untersuchungsstellen der Knappschaften mit der Untersuchung von Rentenantragstellern befaßt sind, können Ihnen bestätigen, daß dieser Leistungsabfall zu verzeichnen ist und daß die meisten Bergleute in einem bestimmten Alter gesundheitlich angeschlagen sind.
Ich darf als Beispiel die Ergebnisse der Knappschaftsuntersuchungsstelle Castrop-Rauxel anführen. Dort sind in der letzten Zeit 10 000 Rentenantragsteller untersucht worden. Dabei wurde festgestellt, daß 70 % dieser Antragsteller im Alter von 55 Jahren entweder berufsunfähig oder sogar erwerbsunfähig waren. Bei den anderen Untersuchungsstellen der Knappschaften sieht es kaum anders aus. Deswegen wäre die Herabsetzung des Rentenalters nicht nur ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, sondern in weiten Teilen wäre das die
Arendt ({2})
gesetzliche Fundamentierung eines in der Praxis zu verzeichnenden Tatbestandes.
Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, der durch die Integration Europas besondere Bedeutung erhält. Als ein wesentliches Ziel wird in den Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der lEuropäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl die soziale Harmonisierung angeführt. In der Präambel des Vertrages zur Gründung ,der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft heißt es z. B. an einer Stelle: . . durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseitigen . . .". Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit wenigen Sätzen sagen, wie auf diesem Gebiet die Verhältnisse in den übrigen bergbautreibenden Ländern Europas hegen.
In Frankreich erhält der Bergmann die Altersrente mit Vollendung ides 55. Lebensjahres, wenn er eine 30jährige bergmännische Tätigkeit nachweist. Sie wird ihm bereits nach Vollendung des 50. Lebensjahres gewährt, wenn von (der 30jährigen Tätigkeit 20 Jahre unter Tage zurückgelegt worden sind.
({3})
In Belgien erhält der Untertagearbeiter mit Vollendung des 55. Lebensjahres und der Übertagearbeiter mit Vollendung des 60. Lebensjahres die Altersrente. Voraussetzung ist lediglich der Nachweis einer mindestens 20jährigen Berufszeit in einem entsprechenden Betrieb.
In den Niederlanden wird die Altersrente mit Vollendung des 55. Lebensjahres gewährt, wenn eine 25jährige Tätigkeit bei einem oder mehreren Bergbauunternehmen unter Tage nachgewiesen wird. Die übrigen knappschaftlich Versicherten können .die Altersrente bei Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten.
In Luxemburg wird den Bergarbeitern mit einer Dienstzeit von 20 Jahren in einem bergmännischen Betrieb die Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres, solchen mit einer entsprechenden Dienstzeit von 30 Jahren mit Vollendung des 58. Lebensjahres gewährt.
In Italien 'schließlich beträgt 'das Pensionsalter allgemein 60 Jahre, und für Bergarbeiter ist es auf das 55. Lebensjahr herabgesetzt.
Sie sehen an diesen Beispielen, meine Damen und Herren, daß in anderen Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Frage des Rentenalters für Bergleute unter Tage wesentlich fortschrittlicher und besser gelöst ist als in der Bundesrepublik. Unser vorliegender Antrag wäre geeignet, das Gleichgewicht herzustellen und einen Beitrag zur Harmonisierung der sozialen Verhältnisse zu leisten.
Vielleicht wird die Behauptung aufgestellt, eine Herabsetzung des Rentenalters für die im Untertagebergbau Beschäftigten sei ein Präjudiz und mit der augenblicklichen Beschäftigtenlage in der Bundesrepublik nicht zu vereinbaren. Dazu darf ich
Ihnen sagen, daß im Steinkohlenbergbau an der Ruhr - und das Ruhrgebiet ist das wichtigste Gebiet - heute 15 000 Menschen im Alter von 55 bis 65 Jahren unter Tage tätig sind. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß entsprechend unserem Vorschlag bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich 25 Jahre in einem knappschaftlich versicherten Betrieb und davon wiederum 15 Jahre Hauerarbeit oder gleichwertige Arbeit, würde sich diese Zahl von 15 000 Menschen noch erheblich verringern. Aber - und das darf ich vielleicht auch sagen, das ist ein sehr wichtiger Punkt - diese älteren, über 55 Jahre alten Bergleute sind bei Schließungen von Schachtanlagen und anderen Maßnahmen der Rationalisierung kaum oder gar nicht in andere Berufe unterzubringen und umzuschulen. Soweit Erfahrungen in den hinter uns liegenden Monaten gesammelt werden konnten, konnte festgestellt werden, daß Bergleute, die das 50. Lebensjahr überschritten hatten, kaum einen anderen Arbeitsplatz zugewiesen erhalten konnten. Eine Herabsetzung des Rentenalters für Untertagebergleute würde also ohne nennenswerten Einfluß auf die Beschäftigtenlage in der Bundesrepublik bleiben.
Schließlich darf ich vielleicht noch ein Wort zu den Kosten sagen. Ich will hier gar nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Aber es ist sicher bekannt, daß aus vielerlei Gründen zu den Knappschaften Bundeszuschüsse gewährt werden müssen. Ich glaube, für das Jahr 1961 betragen sie mehr als 1,5 Milliarden DM. Natürlich - das sage ich in allem Freimut, meine Damen und Herren - würde eine Herabsetzung des Rentenalters zusätzliche Mittel erforderlich machen. Nach den Berechnungen, die von sachverständigen Stellen angestellt wurden - soweit man überhaupt solche Berechnungen anstellen kann -, würde die Herabsetzung des Rentenalters für Untertagebeschäftigte auf 55 Jahre einen Mehrbetrag von jährlich 50 Millionen DM ausmachen. Ich glaube, Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß bei 1,5 Milliarden DM an notwendigen Zuschüssen eine weitere Erhöhung um 50 Millionen DM kein Hinderungsgrund sein dürfte, sich unserem Antrag anzuschließen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nur einige wichtige und wesentliche Punkte vorgetragen und meine, diese Punkte verlangten gebieterisch, die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, daß den schwer arbeitenden Menschen in der Bergbauwirtschaft das Leben erleichtert und verlängert wird. Die Annahme unseres Antrages würde die sozialen Belastungen im Rahmen der Anpassungsmaßnahmen erheblich vermindern und erleichtern. Schließlich wäre die Herabsetzung der Altersgrenze für einen relativ kleinen Kreis von Menschen, die ihre Gesundheit im Interesse der Allgemeinheit geopfert haben, notwendig, weil sie das Leben vieler Menschen verlängert und anderen einen glücklicheren Lebensabend gewährt.
Wir beantragen Überweisung unseres Antrages an den Sozialpolitischen Ausschuß. Ich darf Sie aber jetzt schon, meine Damen und Herren, nicht nur im Namen meiner politischen Freunde, sondern auch im Namen von mehr als 450 000 in der Bergbau1224
Arendt ({4})
wirtschaft tätigen Menschen um ihre Zustimmung bitten.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion auf Herabsetzung des Pensionsalters von 60 auf 55 Jahre wird sicherlich keine allzugroße Gruppe von Bergleuten erfassen, da es sich hier um diejenigen handelt, die jetzt schon mit Erreichung des 60. Lebensjahres das Knappschaftsruhegeld bekommen.
Gegenüber der Begründung, die der Herr Kollege Arendt gegeben hat, möchte ich keine Kritik anbringen, sondern will nur einiges richtigstellen, und zwar bezüglich der Beiträge. Herr Kollege Arendt, es ist so, daß der Beitragsanteil der Versicherten ein Drittel, der Arbeitgeberanteil zwei Drittel ausmacht. Das ist also etwas anderes, als was hier dargelegt worden ist. Ich wollte das nur richtigstellen.
Sie haben vollkommen recht, wenn Sie ausführten, daß im Augenblick die Spitzenstellung des Bergmanns in der Entlohnung nicht mehr vorhanden ist. Es ist sicherlich keiner in dem Hohen Hause, der nicht den gerechten Forderungen und Wünschen der in Frage Kommenden Rechnung tragen würde. Allerdings muß ich sagen: wenn es sich wohl auch nicht um einen allzugroßen Teil der Versicherten handelt, müssen die Dinge dennoch sehr sorgfältig geprüft werden, weil damit versicherungsrechtliche Fragen verbunden sind.
Ich will zunächst einmal etwas zu den Zahlen sagen. Nach meinen Unterlagen sind im Augenblick insgesamt etwa rund 19 000 Arbeiter im Untertagebetrieb beschäftigt, die in Frage kommen könnten. Hinzu kommen etwa 20 000, die vorher im Untertagebetrieb waren, nunmehr im Übertagebetrieb sind, die älter als 55 Jahre sind. Von den eben Genannten beziehen zur Zeit, wenn die Zahlen, die ich erhalten habe, genau stimmen, 9052 Arbeiter eine Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit nach den Bestimmungen des § 45 Abs. 1 Nr. 1, und es sind 7609, die eine Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres nach den Bestimmungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 erhalten. Und dann beziehen rund 1000 Arbeiter eine knappschaftliche Rente wegen Berufsunfähigkeit entsprechend den Bestimmungen des § 46.
Wenn ich die Belastung errechne, die nun da hinzukommt, so komme ich auf einen Betrag von etwa 100 Millionen DM jährlich, die in Frage kämen. Aber das soll jetzt gar nicht das Entscheidende sein, sondern entscheidend scheint mir zunächst noch etwas anderes zu sein.
Herr Kollege Arendt hat darauf hingewiesen, daß die Situation in der gesamten Bergbauwirtschaft nicht besonders günstig sei und daß es angebracht sei, das Pensionsalter aus dem Grunde herunterzusetzen, damit den älteren Bergleuten die Rente zuerkannt wird, wenn sie durch Betriebseinschränkungen oder Stillegungen entlassen werden und nun
sehr schlecht irgendwo anders unterzubringen sind.
Hierzu möchte ich folgendes sagen. Wir sind uns doch wohl im Grundsatz darüber einig: wenn auf Grund von Maßnahmen in einem Wirtschaftskreis Betriebseinschränkungen oder gar Stillegungen erfolgen, so darf deshalb unter gar keinen Umständen, so meine ich, die Rentenversicherung früher in Anspruch genommen werden.
Etwas anders liegen die Dinge, wenn andere Gründe vorliegen, die Herr Kollege Arendt hier ebenfalls schon herausgestellt hat, nämlich die Schwere und die Berufsgefährlichkeit der Arbeit und der erhebliche Verschleiß der bergmännischen Arbeitskraft, weil eben die Arbeit im Untertagebau so außergewöhnlich schwer ist, so daß man aus diesen Gründen einmal überprüft, ob nach dieser Richtung eine Änderung erfolgen muß.
Hier sind Zahlen genannt worden bezüglich der tödlichen Unfälle. Herr Kollege Arendt hat die Zahl der Bergleute genannt, die in diesen Jahren an Silikose verstorben sind. Er hat dann darauf hingewiesen, daß in den anderen europäischen Staaten bessere soziale Rentenversicherungen für die Bergleute bestehen.
Es sind jetzt gerade fünf Jahre vergangen, seit wir in diesem Hohen Hause über das jetzt bestehende Neuregelungsgesetz der Knappschaft sehr ernsthaft und, ich glaube auch sagen zu können, Herr Kollege Schellenberg, in aller Härte diskutiert haben. Ich darf auch wohl sagen, daß man im Anfang bei der Diskussion hier und draußen in der Propaganda, die seinerzeit gemacht worden ist, und noch einige Zeit nach der Verabschiedung des Gesetzes dieses von uns verabschiedete Knappschaftsgesetz als so schlecht hingestellt hat, daß es so aussehen mußte, als wenn es das allerschlechteste Produkt überhaupt wäre.
({0})
- Sie haben zugestimmt; aber draußen, entschuldigen Sie, ist ganz etwas anderes gesagt worden, und auch bei der Debatte hier ist von Ihnen ganz eindeutig gesagt worden, das Ding tauge nichts.
({1})
So ungefähr ist es gewesen. Wir haben seinerzeit - meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie werden mir recht geben - im Gegensatz zu der Rentenversicherung der IV und der AV gerade für die Knappschaft hier etwas Besonderes gemacht, indem wir auf alle diese Dinge, die soeben erwähnt worden sind, eingingen und unsere Rentenversicherung in der Knappschaft sehr klar und deutlich gestaltet haben. In der IV und in der AV kennen wir nur Renten wegen Berufsunfähigkeit und wegen Erwerbsunfähigkeit, und dann ist es aus. In der Knappschaft dagegen haben wir zunächst einmal die Rente wegen der Verringerung der bergmännischen Berufsfähigkeit, dann die Rente wegen Erreichung des 50. Lebensjahres. Die Berufsunfähigkeitsrente haben wir im Bergbau besonders
aufgeteilt, so daß diejenigen, die noch im bergmännischen Betrieb verbleiben, einen Steigerungsbetrag von 1,2 % bekommen, während diejenigen, die aus dem knappschaftlichen Betrieb herausgehen, einen solchen von 2 % erhalten. Dann sind wir dazu übergegangen, denjenigen, die die Voraussetzungen für die Rente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt haben, das Recht zuzuerkennen, daß sie mit 60 Jahren das Knappschaftsruhegeld mit dem Steigerungsbetrag 2,5 % bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, man muß der Behauptung, die hier aufgestellt worden ist, wir hätten die schlechteste Regelung für die Bergleute, entgegentreten, weil sie einfach, nicht stimmt. Ich behaupte, daß unser Knappschaftsgesetz weit besser ist als die entsprechenden Gesetze in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Italien, auch dann, wenn in diesen Ländern das Pensionsalter auf 55 Jahre festgelegt worden ist; denn entscheidend scheint mir doch zu sein, wie hoch die Rentenbezüge sind, die gegeben werden,
({2})
unter welchen Voraussetzungen sie gegeben werden und welche Steigerungsbeträge angesetzt werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Arendt.
Herr Kollege Scheppmann, ist Ihnen entgangen, daß ich beim Vergleich mit anderen europäischen bergbautreibenden Ländern nicht von den Leistungen, sondern von der Altersgrenze gesprochen habe?
Herr Kollege Arendt, das ist mir gar nicht entgangen; aber wenn man von der Altersgrenze spricht und sich dann herausstellt, daß in Frankreich und in den anderen Staaten, die Sie genannt haben, die Rente schon bei 55 Jahren gezahlt wird, dann gehört dazu, daß man auch erwähnt, welche Rente dort gezahlt wird.
({0}) Das ist nämlich ein gewaltiger Unterschied.
Ich möchte heute nicht darauf eingehen, weil ich die Zeit des Hauses nicht allzusehr in Anspruch nehmen will. Ich möchte aber sagen, daß wir im Ausschuß die Dinge sehr eingehend beraten werden. Bitte, meine Damen und Herren, nehmen Sie nicht an, daß ich namens meiner Freunde gegen den Antrag sprechen will. Ich denke gar nicht daran!
({1})
Ich bin der Meinung, der Antrag muß überwiesen werden.
({2})
- Das werden wir untersuchen, Herr Kollege Schellenberg. Wir werden uns ganz eingehend damit beschäftigen; und wenn wir dann feststellen, daß es notwendig und richtig ist, werden Sie unsere volle Unterstützung haben.
({3})
Sie werden doch annehmen, daß wir uns mit diesem Antrag, der einen Beruf betrifft, in dem wirklich schwer gearbeitet werden muß, eingehend beschäftigen werden. Dabei werden wir auch einmal, glaube ich, Gegenüberstellungen machen darüber, welche Renten denn in Frankreich, in Belgien und anderen Ländern gezahlt werden. Dann wird man sehen, wie die Dinge liegen.
Meine Freunde und ich sind für die Überweisung an den zuständigen Ausschuß. Dort, Herr Kollege Schellenberg, wollen wir, das will ich heute schon sagen, in aller Freundschaft miteinander die Dinge eingehend prüfen; und sollte sich dann das ergeben, dann werden wir dementsprechend handeln; dessen können Sie sicher sein.
Ich möchte heute keine weiteren Ausführungen machen; wir werden in dem dargelegten Sinne mitarbeiten und werden sehen, daß wir zu einem Ergebnis kommen. Allerdings - wir werden so prüfen, daß wir es nach jeder Richtung hin verantworten können; wenn es notwendig ist, ja, und wenn es nicht notwendig ist, nein.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Scheppmann einige wenige Bemerkungen machen. Ich glaube, daß mein Freund Walter Arendt in einem Punkte nicht richtig verstanden worden ist. Herr Kollege Scheppmann hat nämlich gesagt, ,daß dieser Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion einen Beitrag zur Entwirrung der verworrenen Lage im Bergbau darstellen solle. Dieser Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion entspricht einem echten sozialpolitischen Anliegen und ist mit Rücksicht auf die Schwere der Arbeit gestellt worden, die der Bergmann unter Tage zu verrichten hat. Ich glaube, das ist hier auch durch Zahlen nachdrücklich unter Beweis gestellt worden.
Hier ist auf die Beitragszahlung der Bergleute hingewiesen worden. Dazu muß ich bemerken, daß der Bergmann seit eh und je eine doppelte Beitragslast getragen hat. Er hat früher die Beiträge zur knappschaftlichen Pensionskasse gezahlt und er hat außerdem im Klebeverfahren Beiträge an die Landesversicherungsanstalten zur Invalidenversicherung gezahlt. Heute werden für den Bergmann 8,5 % Beiträge mehr als für diejenigen entrichtet, die in der Arbeiterrenten- oder in der Angestelltenrentenversicherung versichert sind.
Ich erwähne das deshalb, weil Herr Kollege Scheppmann hier vorgetragen hat, daß der Bergmann einige Sonderrenten habe. Diese Mehrleistungen für .die knappschaftlich versicherten Bergleute gründen sich auf die ständigen höheren Beiträge, die für die Bergleute entrichtet worden sind.
Es ist dann auf die anderen Länder verwiesen worden, und es ist gesagt worden, es sollten dann im gleichen Atemzuge auch die Rentenhöhen angegeben werden. Dazu darf ich sagen, daß dieser Vergleich allein nicht genügt. Vielmehr muß dann auch der Lebensstandard der erwähnten Länder zum Vergleich herangezogen werden.
Ich bitte diese Bemerkungen noch zur Kenntnis zu nehmen, damit keine Unklarheit darüber herrscht, aus welchem Grunde die sozialdemokratische Bundestagsfraktion diesen Antrag hier eingebracht hat. Das Wesentliche ist ja von Herrn Kollegen Arendt bereits deutlich herausgestellt worden. Über die Energiepolitik werden wir uns in 'der nächsten Woche am Mittwoch zu unterhalten Gelegenheit haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Büttner, ist Ihnen nicht bekannt, .daß die Beiträge für die im Bergbau Beschäftigten immer wie folgt abgeführt werden: 15 % Arbeitgeberanteil, 8,5 % Arbeitnehmeranteil? Das, was ich jetzt frage, habe ich vorhin gesagt. Das ist der Beitrag, der jetzt geleistet wird.
Ich bin mir über die Aufbringung der Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung durchaus im klaren, Herr Kollege Scheppmann. Ich bin auf der anderen Seite aber der Meinung, daß auch der Arbeitgeberanteil durch die schwere Arbeit, die der Bergmann leistet, mitverdient wird.
({0})
Dann möchte ich noch eines erwähnen. Wenn wir die Dinge unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftspolitik sehen, haben wir, glaube ich, eine Verpflichtung, gemeinsam diesem Anliegen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu entsprechen. Die Abnahme der Zahl der jugendlichen Arbeiter im Bergbau ist ganz katastrophal. In der gesamten Bergarbeiterschaft sind noch nicht einmal 10 % Jugendliche. Das sollte uns die Verpflichtung auferlegen, für den Bergmann mehr als bisher zu tun und nicht nur zu erklären: Wir müssen das prüfen. Wir müssen von vornherein erkennen lassen, daß wir auch zur Tat übergehen wollen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen!
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Das wird wohl richtig sein. - Kein Widerspruch? - Dann ist so beschlossen.
Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. Juni 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland -und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt ({0});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Berichterstatter des Finanzausschusses ist Herr Abgeordneter Dr. Koch. Es wird wohl auf die Entgegennahme eines Berichts verzichtet werden.
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer das Zustimmungsgesetz im ganzen annehmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Punkt 10 ist erledigt.
Punkt 11:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Januar 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Zollbehandlung der Donauschiffe ({4}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({5}) ({6}).
Berichterstatterin ist Abgeordnete Frau Funcke ({7}). Wird auf die Entegegennahme des Berichts verzichtet? - Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, der möge sich erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. Dezember 1957 über Straßenmarkierungen ({8});
Vizepräsident Dr. Schmidt
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({9}) ({10})
({11}).
Berichterstatter ist hier Herr Abgeordneter Seifriz.
({12})
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe das Handzeichen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmt, möge sich
erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Juli 1961 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland, dem Abkommen über die zur Durchführung des Assoziierungsabkommens intern zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren und dem Abkommen über das Finanzprotokoll ({13}).
Im Ältestenrat hat man sich darüber geeinigt, die Vorlage an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß und Außenhandelsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 14:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Dezember 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Malaiischen Bund über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen ({14}).
Keine Wortmeldungen. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und den Ausschuß für Entwicklungshilfe - zur Mitberatung - zu überweisen. Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen. Punkt 14 ist erledigt.
Punkt 15:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({15}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Referendars Martin Florin, Münster, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961, Wahlkreis 104 ({16}), hilfsweise Wahlkreis 97 ({17}) (Drucksache IV/369.
Der Abgeordnete Dittrich hat mir mitgeteilt, daß er sich auf seinen Schriftlichen Bericht berufe. Dieser liegt Ihnen vor. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir ab. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 16 - ebenfalls ein Wahlprüfungsverfahren - :
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({18}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch der Partei Vereinter Nationen, Heidelberg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag am 17. September 1961 ({19}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Seidl ({20}). Er ist nicht anwesend. Das Haus verzichtet auf Entgegennahme eines Berichts.
Auch hier beantragt der Ausschuß die Zurückweisung des Einspruchs. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 17 - wiederum eine Wahlprüfungsangelegenheit -:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({21}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Wilhelm Ackermann, Nördlingen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag vom 17. September 1961 ({22}) .
Auch hier hat Herr Abgeordneter Dittrich als Berichterstatter gebeten, von einer mündlichen Berichterstattung absehen zu wollen.
Der Antrag des Ausschusses lautet wie in den anderen Sachen auf Zurückweisung des Wahleinspruchs. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 18 - ein weiterer Wahleinspruch -:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({23}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Josef Burgmaier, Erolzheim Kr. Biberach, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 4. Deutschen Bundestag am 17. September 1961 im Wahlkreis 194 ({24}) des Landes BadenWürttemberg ({25}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Wittrock. Er ist nicht anwesend. Aber auch hier wird das Haus wohl auf Entgegennahme des mündlichen Berichts verzichten.
Der Antrag lautet hier wie in Iden übrigen Sachen auf Zurückweisung 'des Wahleinspruchs. Wer zu1228
Vizepräsident Dr. Schmidt
stimmen will, gebe Idas Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 19:
Beratung des !Schriftlichen 'Berichts des Haushaltsausschusses ({26}) über den Antrag 'der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes - ({27}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Brese. Ein mündlicher Bericht wird vom Haus wohl nicht erwartet und erbeten. Wind das Wort gewünscht? Der Antrag lautet, den Antrag der Fraktion der SPD für erledigt zu erklären. Wer einverstanden ist, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Letzter Punkt:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({28}) über den Antrag der Abgeordneten Adorno, Seidl ({29}), Dr. Zimmermannn ({30}), Weinzierl, Murr unid Genossen betr, Hopfenanbau im Gemeinsamen Markt - ({31}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Roesch. Ein Mündlicher Bericht wird nichtangeboten und auch nicht erwartet.
({32})
Der Antrag des Ausschusses ist auf Drucksache IV/368 zu lesen. Ich nehme an, daß jeder unter uns ihn gelesen hat. Ich werde ihn also nicht verlesen. Wer zustimmen gebe .das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit haben wir die Tagesordnung erledigt. Wir haben am Freitag noch eine Sitzung, die eine Fragestunde sein wird. Ich darf aber bitten, trotz dieser spärlichen Tagesordnung recht zahlreich zu kommen. Wir werden die Ehre haben, den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Martino, hier im Plenum zu empfangen. Ich nehme an, daß er einige Worte an das Haus richten wird. Es wäre nicht sehr höflich, wenn er vor einem Hause sprechen müßte, in dem niemand sitzt außer den Fragestellern bzw. denen, die die Fragen aufnehmen.
({33})
- Es tut mir leid; es obliegt den Herren Fraktionsgeschäftsführern, ihre Fraktionen rechtzeitig und eindringlich zu unterrichten.
Ich berufe also die nächste Sitzung auf Freitag, den 11. Mai 1962, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.