Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses zum Geburtstag der Abgeordneten Frau Dr. Pannhoff aus.
({0})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung erweitert um die Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Siemer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft-Drucksache IV/256-. Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch;
3) es ist so beschlossen.
Punkt 5 der Tagesordnung ist nach einer interfraktionellen Vereinbarung von der Tagesordnung abgesetzt.
Die folgenden Amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 6. April 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 9. März 1960 über das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern betr. Straßenbaufinanzierungshilfe zugunsten kommunaler Baulastträger berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/345 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 10. April 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Weinzierl, Wieninger, Dr. Franz, Dr. Althammer, Wagner und Genossen betr. Maßnahmen regionaler Wirtschaftspolitik im Raum Ingolstadt - Drucksache IV/274 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/350 verteilt.
Dann kommen wir zur Tagesordnung. Punkt 1: Fragestunde ({1}).
Ich rufe auf aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer:
Haben sich in der amerikanischen Politik neue Ansatzpunkte für Verhandlungen über die Rückgabe des beschlagnahmten deutschen Vermögens ergeben?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Die Antwort an den Kollegen Dr. Mommer lautet folgendermaßen. Die Bundesregierung hat, wie in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 31. Januar 1962 mitgeteilt wurde, Anfang dieses
Jahres Gespräche mit der amerikanischen Regierung wiederaufgenommen mit dem Ziel, zu einer abschließenden Regelung der Vermögensfrage in den USA zu gelangen. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers, der Bundesminister des Auswärtigen und der Botschafter in Washington haben den Komplex angesprochen. Die amerikanische Regierung hat jedoch mitgeteilt, daß sie sich nicht in der Lage sehe, über die Vermögensfrage zu verhandeln.
Zusatzfrage!
Herr Minister, wären Sie bereit, im Auswärtigen Ausschuß etwas mehr über diese Vorgänge zu sagen?
Ich bin gern bereit, das 'zu tun.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß es an der Zeit wäre, diese Frage der Rückgabe des deutschen Vermögens einmal zum Gegenstand einer Kabinettsitzung zu machen und dabei zu prüfen, ob es sinnvoll ist, die Berechtigten weiter mit diesen Hoffnungen zu vertrösten, die amerikanische 'Regierung könne sich nach 17 Jahren jetzt eines Tages doch, wie durch ein Wunder, bereit finden, die Vermögen zurückzugeben?
Herr Kollege Mommer, ich möchte ganz offen sagen, ich neige nicht dazu, die Berechtigten bei falschen Hoffnungen zu halten.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Hat die Bundesregierung nicht ein entscheidendes Interesse, daß diese Frage endlich gelöst wird, weil nämlich sonst die 'Gefahr bestünde, daß die 'Bereitschaft der Privatwirtschaft zu Investitionen in anderen Ländern, besonders in den Entwicklungsländern, nachlassen könnte? Denn eines Tages kann irgendwann und irgendwo genauso ein privateigentumsfeindliches Verhalten auftreten wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Herr Kollege Kohut, ich möchte dazu folgendes sagen. Wie ich die Sache selbst beurteile, habe ich, glaube ich, in der Antwort an den Kollegen Dr. Mommer durchblicken lassen. Ich würde aber nicht unbedingt eine Parallele ziehen zwischen diesem Vorgang in den Vereinigten Staaten als einer Auswirkung des letzten Krieges und möglichen Entwicklungen in den Entwicklungsländern.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, da man doch leider immer wieder an einen neuen Krieg denken muß - sonst würden wir ja nicht aufrüsten -:
({0})
Ist nicht unter diesen Umständen „Vorsicht" der bessere Weg?
Herr Kollege Kohut, ich möchte dazu folgendes sagen. Die Aufrüstung geschieht, wie Sie wissen, aus Vorsicht, um einen Krieg zu vermeiden.
({0}) Das ist das, was ich zunächst sagen möchte.
Zweitens mache ich keinen Hehl daraus, daß ich bedaure, daß sich diese Vermögensfrage so entwickelt hat, wie es geschehen ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage unter II - Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - wird am Freitag aufgerufen.
Ich rufe auf die Frage unter III - des Herrn Abgeordneten Fritsch - aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Flüchtlinge aus der SBZ ihren Anspruch nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz nur deswegen nicht verwirklichen können, weil sie nach der Ausschlußfrist, also nach dem 3. Februar 1954, in die Bundesrepublik kamen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Statistische Angaben stehen der Bundesregierung hierüber noch nicht zur Verfügung. Die Auswertung der 1960 durchgeführten Volkszählung, bei der u. a. Fragen nach der Kriegsgefangenschaft gestellt worden sind, wird frühestens im Herbst dieses Jahres vorliegen. Für die Beantwortung der Anfrage kann ich deshalb nur Schätzungen heranziehen.
Nach Inkrafttreten des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes am 3. Februar 1954 sind rund 1,9 Millionen Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone und aus dem Ostsektor von Berlin zugezogen. Unter Zugrundelegung der Tatsache, daß rund 4 % der sonstigen Bevölkerung des Bundesgebiets die Voraussetzungen des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes erfüllen, kann man davon ausgehen, daß etwa 68 000 Personen aus der sowjetisch besetzten Zone und aus dem sowjetisch besetzten Sektor Berlins nach Inkrafttreten des Gesetzes zugezogen sind, die nach diesem Gesetz voraussichtlich Ansprüche hätten, wenn die AusschlieBungsfrist nicht bestünde.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist in Angleichung an die Entwicklung vergleichbarer Gesetze, wie etwa des Bundesversorgungsgesetzes, daran gedacht, diesen ,an sich ungerechten Stichtag durch eine Novellierung des Gesetzes in absehbarer Zeit zu beseitigen?
In meinem Haus ist ein Referentenentwurf in Vorbereitung. Aber alle Fragen des Stichtages müssen in einem Zusammenhang gesehen werden. Eine Entscheidung ist darüber noch nicht gefallen.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihr Haus bereit, um in etwa exakte Zahlen hinsichtlich der Anspruchsberechtigten zu ermitteln, mit dem Verband der Heimkehrer zusammenzuarbeiten, von dem ich annehme, daß er über annähernd genaue Zahlen verfügt?
Mein Haus ist selbstverständlich nicht nur bereit, sondern immer schon dabei gewesen, mit dem Verband der Heimkehrer zusammenzuarbeiten, hat aber in diesen Gesprächen feststellen müssen, daß auch die Zahlenangaben, die dort vorliegen, weitgehend auf Schätzungen beruhen. Wir sind 'beide - der Verband wie mein Haus - der Meinung, daß die Zahlenergebnisse, die im Herbst vom Statistischen Bundesamt aus der Volkszählung zu erwarten sind, wirklich genaue Angaben darstellen, während das, was wir bisher beiderseits festgestellt haben, alles auf Schätzungen beruht.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers rufe ich die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) - auf:
Hält die Bundesregierung die von der bundeseigenen Industrieverwaltung in Bad Godesberg geforderten Mieten für Industriegebäude in Duderstadt ({1}) für ,geeignet, die Ansiedlung von Firmen anzuregen und ihre Seßhaftmachunq zu fördern?
Lenz, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter, die bundeseigene Industrieverwaltungs-Gesellschaft mbH ist als kaufmännisch-wirtschaftliches Unternehmen gehalten, bei der Vermietung ihrer Liegenschaften auf die Erzielung angemessener Mieten zu achten. Die für das Industriegelände in Duderstadt festDeutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1069
Bundesschatzminister Lenz
gelegten Mieten liegen keineswegs über den Mieten vergleichbarer Objekte im südniedersächsischen Raum.
Das gesamte der Gesellschaft gehörende Gelände in Duderstadt ist im übrigen zur Zeit an Industriefirmen vermietet. Für zwei im Juli des Jahres frei werdende Hallen sind Interessenten vorhanden, die bereit sind, die bisherigen Mieten - die bei dieser Gelegenheit nicht erhöht werden sollen - zu zahlen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, sind die dort festgesetzten Mieten mit dem Entwicklungsprogramm für die schwach strukturierten Gebiete abgestimmt?
Lenz, Bundesschatzminister: Da bin ich überfragt, Herr Abgeordneter. Ich darf Ihnen diese Frage schriftlich beantworten.
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesschatzministers, Frage IV/2:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die von ihr benannten Mitglieder des Aufsichtsrates des Volkswagenwerkes zur Ablehnung der Preiserhöhung für den Volkswagen zu veranlassen?
1 Lenz, Bundesschatzminister: Herr Dr. Mommer, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die Volkswagenwerk A.-G. hat die Preise ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats oder dessen eingehende Unterrichtung von sich aus erhöht. Obwohl eine gründliche Beratung dieses Fragenkomplexes im Aufsichtsrat des Unternehmens im Hinblick auf die Tragweite und die wirtschaftspolitischen Auswirkungen einer Preiserhöhung für den Volkswagen erforderlich gewesen wäre, bestand nach der Satzung der Gesellschaft und der Geschäftsordnung für den Vorstand bisher keine rechtliche Verpflichtung der Verwaltung, die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats zu den beabsichtigten Maßnahmen einzuholen. Es wird darauf hingewirkt, eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats in derartigen Fällen in der Geschäftsordnung für den Vorstand zu verankern. Außerdem soll die vorgenommene Preiserhöhung einer genauen Überprüfung im Aufsichtsrat unterzogen werden.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mommer:
Herr Minister, glauben Sie, daß trotz der fehlenden rechtlichen Verpflichtung der Vorstand des Volkswagenwerks sich geweigert hätte, den Aufsichtsrat und damit die Bundesregierung vorher über die beabsichtigte Preiserhöhung zu unterrichten?
Lenz, Bundesschatzminister: Das glaube ich nicht.
Hat die Bundesregierung, Herr Minister, nichts von der Absicht des Volkswagenwerkes gewußt, die Preise zu erhöhen, und von den Konsequenzen, die sich daraus für die Preise fast aller Automobile ergeben müssen?
Lenz, Bundesschatzminister: Die Bundesregierung hat von der beabsichtigten Preiserhöhung nichts gewußt.
({0})
Ich rufe auf die Frage unter V -des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut - aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Welche Ursachen oder Versäumnisse haben dazu geführt, daß die Bundesrepublik die Höchstziffer an Kinderlähmungserkrankungen in Europa aufzuweisen hat?
({0})
- Ich habe Ihre Meldung übersehen, entschuldigen Sie. Die Frage ist vorbei.
Seit 1957 haben die Bundesländer der Bevölkerung weitgehend die Möglichkeit geboten, sich mit Salk-Impfstoff impfen zu lassen. Trotz Aufklärung und Propaganda, wie sie bisher bei keinen anderen Empfehlungen aufgewendet wurden, ist die Bevölkerung diesem Appell in sehr geringem Maße gefolgt. Das gilt auch für die Länder, in denen die Impfung kostenlos angeboten wurde. So ergibt sich, daß in der Bundesrepublik nu etwa 5 %der Bevölkerung gegen Kinderlähmung geimpft sind. Es hat sich gezeigt, daß unsere Bevölkerung offenbar gegenüber dieser Schutzimpfung eine größere Reserve zeigt als ,die anderer Länder. Zum Teil ist in anderen Ländern bei gleichem Angebot eine Impfbeteiligung bis zu 70 % erreicht worden. Hierauf und nicht auf Versäumnisse ist es zurückzuführen, daß in der Bundesrepublik noch 1961 eine so bedrückend hohe Zahl von Menschen an Kinderlähmung erkrankt sind.
Frau Ministerin, ist es nicht so, daß, sagen wir einmal, der Bundesgesundheitsrat etwas zu bürokratisch gearbeitet hat oder daß sich unsere Gutachter zu viel Zeit gelassen und die Dinge unterschätzt haben oder vielleicht nicht genügend getrommelt haben, um der Bevölkerung die Bedeutung dieser Impfung klarzumachen? Irgend einen Grund muß es doch haben, daß dieser im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern krasse Unterschied im Fortschreiten der Epidemie in Deutschland vorhanden ist.
Herr Kollege, ich sehe tatsächlich diesen Unterschied, daß das Angebot der SalkImpfung, für das sehr stark propagiert wurde, bei uns weniger angenommen wurde. Diese Erfahrung mußten wir zunächst einmal machen, ehe wir uns der Frage 'der Schluckimpfung zuwenden konnten. Daß man nicht gar zu schnell umgeschaltet hat und
daß man den Bundesgesundheitsrat erst gründlich hat untersuchen lassen, ich glaube, die Verpflichtung dazu ergibt sich aus der Verantwortung, die die Landesregierungen tragen, wenn sie der Bevölkerung einen Impfstoff empfehlen, den ja der einzelne nicht prüfen kann.
Eine zweite Zusatzfrage!
Darf ich auf dem Stichwort „gründliche Untersuchung", das Sie mir gegeben haben, doch meine Bedenken aufbauen, daß vielleicht diejenigen, die im Gesundheitsrat zu bestimmen haben, versäumt haben, sich in anderen Ländern an Ort und Stelle durch Augenschein zu überzeugen, wie es dort gemacht wird? Vielleicht kann man auch hier, obwohl wir hier Überperfektionisten sind, auch von andern Ländern etwas lernen?
Meines Wissens hat man sich von vornherein international belehrt und sich auch über Erfahrungen in anderen Ländern genau berichten lassen. Ich vermute auch, daß eine Reihe unserer Herren und auch die Herren vom Bundesgesundheitsamt und vom Bundesgesundheitsrat sich in anderen Ländern umgesehen haben. Das kann ich Ihnen gerne schriftlich noch genauer beantworten.
Eine Zusatz» frage des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Frau Minister, ist es nicht auch so, daß selbst Amtsärzte über die Bedeutung und die Wirkung der sogenannten Schluckimpfung und über die Erfahrungen damit, die im Ausland gemacht wurden, so desorientiert waren und zum Teil noch sind, daß sie von dieser Schluckimpfung abgeraten haben?
Herr Kollege Ritzel, da müßten Sie mir konkrete Fälle angeben. Ich bin gerne bereit, darüber mit Ihnen zu korrespondieren. Die Belehrung der Amtsärzte ist allerdings Sache der Landesregierungen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Ist eis nicht auch so, Frau Minister, daß ein Teil der Länder, die den Impfstoff auch für die Schluckimpfung zu beschaffen haben, ihre Bestellungen so spät aufgegeben haben, daß die Zustände, denen wir heute gegenüberstehen, darauf mit zurückzuführen sind?
Herr Kollege, ich kann selbst keinen Einfluß auf die Termine nehmen, die sich die Länder setzen. Ich bin aber auch hier gerne bereit, mich mit den Ländern in Verbindung zu setzen, wenn Sie mir konkrete Angaben und die Tatsachen
geben, von denen Sie bei Ihrer Frage ausgegangen sind.
Ich rufe jetzt aus der Drucksache IV/344 die Frage des Abgeordneten Mommer auf:
Wie weit sind die Untersuchungen über die Schädigungen durch Contergan und die Haftpflicht für die Schäden gediehen?
Zur Beantwortung die Frau Bundesgesundheitsminister!
Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, das für die Herstellerfirma von Contergan örtlich zuständig ist, hat eine Kommission von Wissenschaftlern berufen, der namhafte Kinderärzte, Humangenetiker und Pharmakologen angehören. Die Kommission hat den Auftrag, zu prüfen, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Contergan durch werdende Mütter und Mißbildungen bei Neugeborenen besteht. Hierzu werden der Kommission alle Unterlagen zur Verfügung gestellt, die für die Untersuchung dieser Frage geeignet und notwendig sind. Ein Ergebnis der Kommissionsarbeit ist allerdings bei der Kompliziertheit des Sachverhalts nicht vor einem halben Jahr zu erwarten.
Außerdem ist ein humangenetisches Universitätsinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen damit beauftragt worden, Tierversuche mit Contergan anzustellen, um gegebenenfalls tierexperimentelle Be- weise für derartige Schädigungen zu gewinnen. Auch hier liegt ein Ergebnis noch nicht vor.
Eine Haftpflicht - nach der Sie auch fragen -im Sinne einer Gefährdungshaftung besteht nach deutschem Recht für Arzneimittelhersteller nicht. Es besteht die Haftpflicht nach dem bürgerlichen Recht. Zum Schadensersatzanspruch des einzelnen Geschädigten kann aber erst Stellung genommen werden, wenn das Ergebnis der Untersuchungen über den Kausalzusammenhang vorliegt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Mommer!
Frau Minister, Sie verstehen sicher, daß die Betroffenen sehr auf ,das Ergebnis dieser Untersuchung warten. Werden Sie Einfluß nehmen, daß es sich nicht unnötig verzögert, bis man Schritte auch in bezug auf die Haftpflicht unternehmen kann?
Herr Kollege Mommer, ich bekomme zahlreiche Briefe von Geschädigten, und jeder dieser Briefe ist ein erschütterndes Dokument. Keiner der Briefe enthält den Nachweis des Kausalzusammenhangs. Nach meiner Kenntnis der Dinge ist es wirklich sehr kompliziert, festzustellen, ob noch andere Komponenten mitwirken müssen, damit diese Wirkung des Contergan entsteht, oder ob überhaupt ein Zusammenhang besteht. Solange wir diesen nicht erwiesen haben, können wir, so schmerzlich dies in den vielen Einzelfällen ist, kein
voreiliges Urteil abgeben. Wir beschleunigen es natürlich, soweit wir dies können; aber die Möglichkeiten vom Bund her sind ja beschränkt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer!
Frau Minister, ist es nicht möglich, das Bundesgesundheitsamt so einzuschalten, daß die Wiederholung ähnlicher Fälle verhindert wird?
Herr Kollege, ich möchte Ihnen keine unverantwortlichen Versprechungen machen. Daß die Prüfung von neuen Arzneimitteln außerordentlich gründlich sein muß, 'darüber sind wir uns wohl alle einig. Aber ob eine Einschaltung des Bundesgesundheitsamtes über die bisher notwendige Registrierung hinaus hier eine Hilfe bringen würde, davon konnte ich mich bis heute noch nicht überzeugen. Wenn Sie mir ein Rezept sagen könnten, um solche Fälle zu verhindern, würde es keiner lieber und schneller befolgen als ich.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer!
Frau Minister, kann nicht dadurch, daß eine Unterlassung begangen wird, - wie ich sie aus Ihren Worten entnehmen muß, daß nichts getan wird, um das zu verhindern -, auch ) eine Schadensersatzpflicht entstehen?
Herr Kollege, Sie haben mich mißverstanden. Ich habe nicht gesagt, daß etwas unterlassen werde, was es verhindern könnte, sondern ich halbe gesagt, daß ich keine Möglichkeit sehe, durch eine Änderung der Gesetzgebung die Rechts- und Sachlage sicherer zu gestalten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bechert!
Frau Ministerin, sind Sie bereit, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Ergänzung zum Arzneimittelgesetz des Inhalts bringt, ,daß vor der Zulassung von Arzneimitteln immer auch geprüft sein muß, ob dieses Arzneimittel, selbst wenn es keineswegs die Folge haben soll, etwa auf die Nachkommenschaft einzuwirken - wie ,das beim Contergan der Fall ist, das ja ein Schlafmittel ist , eventuell nachkommenschädigende oder fruchtschädigende Wirkungen haben kann?
Ich glaube nicht, Herr Kollege Bechert, daß ,ein neuer Gesetzentwurf hier etwas helfen würde; denn in dem bisherigen Verfahren ist ja enthalten, daß diese Arzneimittel auf alle Möglichkeiten schädigender und positiver Wirkungen geprüft werden müssen. Ich will mir aber Ihren Vorschlag gern überlegen.
Eine zweite Zusatzfrage Dr. Bechert!
Darf ich zur Ergänzung fragen: Frau Ministerin, ist Ihnen nicht bekannt, daß bei der Prüfung von Arzneimitteln natürlich nur das geprüft wird, was im Zusammenhang mit der Wirkung steht, die angestrebt wird? Bei einem Schlafmittel werden also die schlaffördernden Wirkungen geprüft, aber natürlich nicht .die Wirkungen auf die Nachkommenschaft. Meine Frage ging dahin, ob Sie bereit sind, in einer Ergänzung zum Arzneimittelgesetz zu verlangen, daß sämtliche, vor allem auch die eventuellen nachkommenschädigenden oder fruchtschädigenden Wirkungen geprüft werden.
Ich werde mir .die Sache noch einmal vorlegen lassen und nachprüfen, ob ein Gesetz nötig ist oder ob man von der Praxis bei den Arzneimittelprüfungen schon verlangen kann, daß diese Art schädlicher Wirkungen wie alle anderen schädlichen Wirkungen von Arzneimitteln ganz besonders ins Auge gefaßt wird.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern! Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Opitz, übernommen von Herrn Abgeordneten Dürr -:
Ist die Bundesregierung bereit, für Bundesbedienstete, die in der Ferienzeit die Betreuung von Jugendlichen in Freizeitlagern dcs Landessportbundes übernehmen wolle in angemessenem Maße Sonderurlaub zu gewähren?
Herr Kollege Opitz, wie Ihnen sicher bekannt ist, gibt es in mehreren Ländern - es sind, glaube ich, sechs Bundesländer - gesetzliche Regelungen über 'den Sonderurlaub für Jugendleiter, die für die in der Jugendarbeit tätigen Personen einen Sonderurlaub bis zu zwölf Arbeitstagen im Jahr vorsehen. Diese Gesetze sind auch auf die im Bundesdienst beschäftigten Angestellten und Arbeiter anzuwenden, so daß auch ihnen dieser Sonderurlaub gewährt werden kann. Soweit es sich um Angestellte und Arbeiter des Bundes handelt, die nicht unter eines dieser Gesetze fallen, kann eine entsprechende Beurlaubung auf Grund des § 52 Abs. 3 des Bundesangestellten-Tarifvertrages bzw. des § 33 Abs. 5 des Manteltarifvertrages .für Arbeiter des Bundes in Betracht kommen, wenn die dienstlichen Verhältnisse es zulassen.
Für Bundesbeamte gelten die erwähnten Regelungen nicht. Es wird im Einzelfalle geprüft, ob eine Beurlaubung von Bundesbeamten für derartige Zwecke mit Rücksicht auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Dienstbetriebes vertretbar ist. Die bestehenden Vorschriften schließen die Gewährung eines Sonderurlaubs für diese Zwecke jedenfalls nicht aus. Das wird wohlwollend geprüft werden.
Keine Zusatzfrage.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Frage VI/2 - des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann -:
Wird im Interesse ,der Filmwissenschaft und der Filmgeschichte von irgendeiner Stelle in der Bundesrepublik wenigstens eine Kopie aller seit 1945 in der Bundesrepublik hergestellten Filme archiviert?
Ist der Abgeordnete Kahn-Ackermann im Saal? - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann -.
Trifft es zu, daß auf Grund der Bestimmungen des Sicherheitsfilmgesetzes in den letzten Jahren zahlreiches Spiel-Filmmaterial vernichtet worden ist, ohne daß wenigstens ein oder zwei Kopien für filmwissenschaftliche Zwecke erhalten geblieben sind?
Die Frage wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Frage VI/4 - des Herrn Abgeordneten Gerlach -:
Aus welchem Grunde erhalten die Bediensteten der Bundeswehr des Standortes Weener ({0}) den Ortszuschlag nach der Ortsklasse A, die Beschäftigten aller übrigen Behörden des öffentlichen Dienstes nur den Zuschlag nach Ortsklasse B, obwohl die Anlagen und Wohnungen der Bundeswehr mit der Stadt Weener einen einheitlichen Siedlungsraum bilden?
Ist der Herr Abgeordnete Gerlach im Saal? - Zur
Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Nach § 13 Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes können Anlagen und Einrichtungen für Sonderzwecke durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates von der Ortsklasse ihrer Gemeinde ausgenommen und einer höheren Ortsklasse zugeteilt werden, wenn ihr Verbleiben in der Ortsklasse ihrer Gemeinde eine erhebliche Härte bedeutet oder unabweisbare dienstliche Belange des erfordern.
Auf Grund dieser Ermächtigung sind die Anlagen der Bundeswehr in Weener, Kr. Leer, durch die Verordnung vom 14. August 1961 ({0}) mit Zustimmung des Bundesrates der Ortsklasse A zugeteilt worden, weil hierfür die erforderlichen Voraussetzungen als erfüllt angesehen wurden. Die Stadt Weener selbst ({1}) erreicht nicht die Durchschnittsraummiete, die nach den Richtlinien für die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses vom 19. Dezember 1959 zu § 13 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes für eine Höherstufung in die Ortsklasse A gefordert wird.
Inwieweit ein Ausgleich geschaffen werden kann, wenn die Höherstufung von Anlagen und Einrichtungen für Sonderzwecke zu Härten für die betreffende Gemeinde führt - das ist wohl die entscheidende Frage -, wird noch geprüft werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie nicht eine generelle Überarbeitung der Verordnung über die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses im Hinblick auf die Bundeswehrstandorte und zur Vermeidung von unterschiedlichen Feststellungen zwischen den Standorten und Gemeinden für notwendig?
Eine solche Überarbeitung ist im Gange und bereits den Spitzenverbänden zur Stellungnahme zugeleitet worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hilbert.
In wieviel Fällen wurde von dem § 13 Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes Gebrauch gemacht, besonders hinsichtlich von Gemeinden, die eine Bundeswehrgarnison haben?
Herr Kollege Hilbert, ich nehme an, daß Sie sich darüber klar sind, daß eine solche zahlenmäßige Frage nicht aus der Hand beantwortet werden kann. Ich bin aber gern bereit, sie Ihnen schriftlich zu beantworten.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die differenzierte Behandlung von öffentlichen Bediensteten in ein und derselben Gemeinde zu ernstlichen Störungen des guten Verhältnisses zwischen Bundeswehr und zivilen Angestellten geführt hat?
Herr Kollege, wir sind einer Meinung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen!
Sind Sie bereit, Herr Minister, nicht zuletzt im Hinblick auf die eben dargestellten Schwierigkeiten, noch einmal in eine Überprüfung einzutreten, ob die Ortsklasse B in absehbarer Zeit wegfallen kann?
Ich werde das überprüfen. Sie wissen ganz genau, daß der Widerstand von den Ländern und nicht vom Bund kommt.
({0})
Ich rufe auf die Frage VI/5 - des Abgeordneten Dr. Kempfler
Trifft es zu, daß im Rahmen der Förderung des Baues von Turn- und Sportstätten eine Zuschußgewährung nur für die Errichtung solcher Sportplätze vorgesehen ist, die im Zonenrandgebiet liegen?
Die Frage kann mit Nein beantwortet werden. Es ist so, daß von den 30 Millionen DM, die der Bundeshaushalt zur Verfügung hat, 21 Millionen DM nach einem allgemeinen Länderschlüssel verteilt und nur 6 MilBundesinnenminister Höcherl
lionen zusätzlich den Zonenrandgebieten wegen ihrer besonderen finanziellen Schwierigkeiten zugeteilt werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bewußt, daß die Bezirksregierungen in Bayern generell eine Zuschußgewährung für Gebiete, die nicht im Zonenrandgebiet liegen, mit der Bemerkung ablehnen, der Bund gebe diese Mittel nur für die Zonenrandgebiete?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bezirksregierungen unrichtige Auskünfte geben.
Vielleicht wäre eine Belehrung der Bezirksregierungen am Platze.
Das steht mir nicht zu, ich könnte allenfalls auf die Rechtslage hinweisen.
Darum möchte ich bitten.
An dieser Stelle wäre einzufügen die Frage des Herrn Abgeordneten Peiter aus der Drucksache IV/344:
Beabsichtigt die Bundesregierung etwas zu unternehmen, um dem nunmehr 76jährigen Dichter Fritz von Unruh, der durch eine Sturmflut in den Vereinigten Staaten seine Habe verloren hat, in Deutschland einen Alters- und Ruhesitz zu schaffen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Ich darf dem Herrn Kollegen folgendermaßen antworten. Der Herr Bundespräsident hat bereits zugesagt, eine größere einmalige Hilfe zu gewähren, und die Stadt Frankfurt hat ihr früheres Angebot, dem Herrn von Unruh eine kostenfreie Wohnung zur Verfügung zu stellen, wiederholt.
Keine Zusatzfrage!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen: Ich rufe auf die Frage VII/1 - des Herrn Abgeordneten Ritzel -:
Wie hoch sind die Subventionsleistungen des Bundes nach der Rechnung 1961?
Herr Abgeordneter Ritzel fragt nach der Höhe .der Subventionen in der Rechnung des Bundes für 1961. Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, vermeidet das Bundesfinanzministerium in seinen amtlichen Darstellungen den Ausdruck „Subventionen", weil -er zu vieldeutig ist. Statt dessen sprechen wir von finanziellen Leistungen und Begünstigungen, die zur Kostensenkung oder zu
sonstigen Zwecken der Wirtschaftsförderung gewährt werden.
Der Gesamtbetrag dieser wirtschaftsfördernden Bundesleistungen lag nach vorläufigen Ergebnissen im Jahre 1961 bei rund 3,2 Milliarden DM gegenüber rund 3,6 Milliarden DM, die im Bundeshaushaltsplan veranschlagt waren.
Dieser Betrag verteilt sich auf die Hauptsachgebiete mit folgenden Größen: Für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beträgt das Ist 2,3 Milliarden DM. Das sind ungefähr 200 Millionen DM weniger als das Soll. Der überwiegende Teil dieser Wenigerausgabe entfällt auf die Vorratshaltung.
Bei den Bundesleistungen für die gewerbliche Wirtschaft, deren Gesamtsoll rund 186 Millionen DM betrug, ist eine Minderausgabe von etwa 130 Millionen DM entstanden, die ausschließlich auf die geringere Inanspruchnahme des Bundes aus Bürgschaften entfällt.
Die Bundeszuwendungen für den Verkehr in Höhe von rund 299 Millionen DM sind in der vorgesehenen Höhe geleistet worden.
Beim Wohnungswesen sind rund 489 Millionen DM geleistet worden. Das ist ein um etwa 100 Millionen DM geringerer Betrag als im Haushaltsplan veranschlagt. Die Verringerung entfällt ganz überwiegend auf Weniger-Anforderungen für Wohnungsbauprämien, für die über 60 Millionen DM weniger angefordert wurden, als veranschlagt waren. Auf den übrigen Wirtschaftsbereichen sind geringfügige Änderungen entstanden.
Die Zuschüsse an die Sozialversicherung aus dem Bundeshaushaltsplan rechne ich nicht zu den Subventionen.
Die Ansätze für die übrigen Bereiche zusammen umfassen insgesamt 700 000 DM, die in dieser Höhe praktisch auch gezahlt worden sind; darunter fallen insbesondere die betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn.
Eine Zusatzfrage!
In Erinnerung an eine Bemerkung - oder an mehrere Bemerkungen - des früheren Herrn Finanzministers darf ich fragen: Welche Vorstellungen 'hat das Bundesfinanzministerium heute in bezug auf den seinerzeit in Aussicht gestellten Abbau dieser Subventionen, soweit es überhaupt möglich ist, sie abzubauen?
Herr Abgeordneter! Den möglichen Abbau der Subventionen zu verwirklichen, ist das selbstverständliche Ziel des Bundesfinanzministeriums. Die Frage ist, welcher Abbau ist möglich? Wir werden in den kommenden Jahren - ebenso wie wir es für 1962 getan haben - in dem jährlichen Finanzbericht eine Übersicht über die bisherigen Subventionen geben.
Die Meinungen darüber, welche Subventionen entbehrlich oder unentbehrlich sind, sind in allen
Gruppen der Wirtschaft und, wie mir scheint, auch in allen politischen Gruppen unterschiedlich.
Zweite Zusatzfrage!
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär - um mit den Worten des Herrn Finanzministers von einst, Herrn Etzel, zu sprechen -, daß es zweckmäßig wäre, diese „schreckliche Treppe" im Haushaltsausschuß und in den Fachausschüssen des Hohen Hauses zu einer detaillierten Erörterung zu stellen, um damit den Weg für einen Abbau der Subventionen da, wo es möglich ist, endlich einmal wirklich zu erschließen?
Herr Abgeordneter, das wirtschaftliche und politische Problem der Subventionen sollte immer wieder neu durchdacht und erörtert werden. Der Bundesfinanzminister läßt sich in dem Versuch nicht entmutigen, Subventionen abzubauen, wo das möglich ist. Als Beweis dafür darf ich die Beseitigung der Eiersubventionen erwähnen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie bei den 489 Millionen DM Subventionen für den Wohnungsbau auch die verbilligten
Darlehen genommen haben oder nur die echten Zuschüsse und die Zinsdifferenzen?
Nur die echten Zuschüsse und die Zinsdifferenzen, Herr Abgeordneter!
Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Ritzel -:
Wie hoch sind die Schuldverpflichtungen und der Schuldendienst des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände
a) aus der Zeit vor der Währungsreform 1948,
b) seit der Währungsreform 1948
nach dem neuesten Stand?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen!
Der Herr Abgeordnete Ritzel fragt nach der Höhe der Schuldverpflichtungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Ich fasse diese Zahlen so kurz wie möglich zusammen.
Die gesamten Schuldverpflichtungen des Bundes betrugen am 31. Dezember 1961 30,8 Milliarden DM, die der Länder zum gleichen Zeitpunkt 31,2 Milliarden DM und die der Gemeinden und Gemeindeverbände - nach Schätzungen auf Grund von Teilergebnissen - 15,5 Milliarden DM.
Von den Schuldverpflichtungen des Bundes, Herr Abgeordneter, entfielen 12 Milliarden DM - oder rund 39 vH - auf Altschulden, 13,1 Milliarden DM - oder rund 42,5 vH - auf Neuschulden und
5,7 Milliarden DM - oder 18,5 vH - auf Auslandsschulden.
Die Zusammensetzung der Schuldverpflichtungen der Länder ist etwas anders. Bei den Ländern entfallen ungefähr ein Drittel auf Altschulden und zwei Drittel auf Neuschulden. Die Länder haben fast keine Auslandsschulden.
Die Verpflichtungen für den Schuldendienst betrugen im Jahre 1961 für den Bund 1742 Millionen DM, von denen rund 1070 Millionen DM auf die Tilgung und rund 672 Millionen DM auf Zinsen entfielen. Bei den Ländern sind die entsprechenden Zahlen 1660 Millionen DM - davon für Zinsen 660 Millionen DM, für Tilgung 1 Milliarde DM -.
Bei den Gemeinden, deren Neuschulden überwiegend aus Kreditmarktmitteln herrührten, beträgt der jährliche Schuldendienst schätzungsweise 1230 Millionen DM. Davon entfallen 500 Millionen DM auf Zinsen und etwa 730 Millionen DM auf Tilgung.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, da ich nicht weiß, ob ich es überhört habe, wäre ich für eine Wiederholung Ihrer Angabe dankbar. Wie hoch waren die Schuldverpflichtungen der Gemeinden seit der Währungsreform, oder sind auch noch erhebliche Schuldverpflichtungen aus der Zeit vor dem Juni 1948 vorhanden?
Die Gesamtverschuldung der Gemeinden gab ich mit 15,5 Milliarden an. Sie entfällt fast ausschließlich auf Neuschulden.
Wir kommen zur Frage VII/3 des Abgeordneten Haase ({0}).
In welcher Auflage wurde die Broschüre „Appell zur Sparsamkeit" von Dr. Heinz Starke, welche die Haushaltsrede des Bundesfinanzministers vor dem Deutschen Bundestag am 13. März 1962 zum Inhalt hat, gedruckt und verteilt?
Herr Abgeordneter Haase, die Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers Dr. Starke ist wie alljährlich auch in diesem Jahr als Sonderdruck veröffentlicht worden. Die Druckauflage beträgt bisher etwa 20 000 Stück, von denen etwa 15 000 Stück verteilt worden sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie hoch sind die Kosten des Drucks und der Verteilung?
Das kann ich Ihnen zu meinem Bedauern nicht sagen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß .es mit dem ständigen Appell Ihres Ministers zur Sparsamkeit vereinbar ist, daß die von ihm am 13. März vor dem Hohen Hause gehaltene Haushaltsrede, die durch das amtliche Wortprotokoll des Deutschen Bundestages nicht nur den Abgeordneten, sondern auch der gesamten Öffentlichkeit zugänglich ist, nochmals wieder als Broschüre mit dem Titel „Appell zur Sparsamkeit" gedruckt und verteilt wird?
Herr Abgeordneter, es gehört seit über zehn Jahren zur ständigen Übung, ,die Haushaltsrede des jeweiligen Finanzministers in gewissen Stückzahlen der öffentlichen politischen Erziehungsarbeit nutzbar zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, einmal nachzuforschen, wie hoch ,die Druck- und Verteilungskosten dieser Broschüre sind, und sind Sie bereit, uns dann diese Zahlen mitzuteilen?
Ja.
Keine Zusatzfrage. - Wir kommen zur Frage VII/4 - dos Abgeordneten Jacobs -:
Erlaubt es die zollpolitische Liberalitat der Bundesregierung, solche Kostbarkeiten der französischen Konditoren wie Croissants und Eclairs unter die besonders charakteristischen Erzeugnisse eines Landes aufzunehmen, die zollfrei als Geschenkartikel von Reisenden eingeführt werden können?
Herr Abgeordneter Jacobs, Croissants und Eclairs gehören unzweifelhaft zu den Kostbarkeiten oder, um es richtiger zu sagen, zu den Köstlichkeiten der französischen Patisserie. Im amtlichen Sprachgebrauch des Zolltarifs werden Sie als Hörnchen und Schaumgebäck bezeichnet. Hörnchen und Schaumgebäck gelten als Aufmerksamkeiten, die im Reiseverkehr zollfrei eingeführt werden können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hätten Sie die Liebenswürdigkeit, diese mich sehr befriedigende Antwort insbesondere jenen Beamten des Zollgrenzdienstes noch einmal zugänglich zu machen, die aus einer von hier aus gesehen weit entfernten Gegend unseres Vaterlandes kommen, in deren Augen aber ein Gourmand zunächst einmal nur ein verderbtes Subjekt ist.
({0})
Das wird gern geschehen.
Wir kommen zu der Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Rehs -:
Ich frage die Bundesregierung, was sie zur Beschleunigung der Schadensfeststellung zu unternehmen gedenkt, insbesondere, was sie zur schnelleren Arbeit bei den Vororten zu veranlassen beabsichtigt und wann die Rechtsverordnung nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 a FG ({0}) erlassen wird?
Herr Abgeordneter Rehs, Sie stellen praktisch drei Fragen nach dem Stand der Feststellungsverfahren für den Lastenausgleich, die ich getrennt beantworten möchte.
Zur ersten Frage: Das Verordnungswerk, das die Grundlage für die Schadensfeststellung bildet, ist einschließlich der Ersatzeinheitsbewertung im wesentlichen abgeschlossen. Verzögerungen in Feststellungsverfahren für 'die Kriegssachschäden sind aus diesem Grunde bisher nicht eingetreten. Die Ausgleichsämter erledigen die Feststellungsarbeiten durchweg mit der erreichbaren Beschleunigung. Der Präsident des Bundesausgleichsamts bemüht sich in der gleichen Richtung. Die zuständigen oberen Landesbehörden und die kommunalen Spitzenverbände werden vom Präsidenten des Ausgleichsamtes immer wieder auf eine Beschleunigung der Arbeit angesprochen. Das Personal bei den Ausgleichsämtern scheint durchweg nicht vermindert zu sein. Der unverminderte Personalbestand kommt also einer beschleunigten Bearbeitung zugute.
Zu Ihrer zweiten Frage nach dem Stand der Arbeiten bei den Vororten für die Ersatzeinheitsbewertung ist zu sagen: diese Arbeiten sind in der Tat ungewöhnlich langsam angelaufen. Das erklärt sich aus den erheblichen Spezialkenntnissen, die bei den Vororten für ihr besonderes Aufgabengebiet erst zusammengebracht werden müssen. Insbesondere fehlte es vielfach an Vergleichszahlen. Die Zahl der zu begutachtenden Fälle bei diesen Vororten hat sich gegenüber der ursprünglichen 'Schätzung von rund 30 000 auf über 60 000 mehr als verdoppelt. Das hat zu einer Verzögerung des Verfahrens beigetragen. Nach den vorliegenden Berichten haben mehr als die Hälfte der neun Vororte ihre Arbeiten zu 70 bis 80 vH erfüllt. Im Bundesdurchschnitt liegt die Erfüllung der Aufgaben der Vororte bei über 50 vH.
Zu Ihrer dritten Frage nach dem Erlaß einer Verordnung über die Härteregelung nach § 43 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes darf ich folgendes bemerken. Der Gesetzgeber ging bei der Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung seinerzeit davon aus, daß ein besonderes Bedürfnis zur Korrektur zu niedriger Einheitswerte bestehen könnte, in solchen Fällen nämlich, in denen diese Einheitswerte bewußt z. B. aus siedlungspolitischen Gründen niedriger als die Einheitswerte vergleichbarer anderer Grundstücke angesetzt worden sind. Nach unseren bisherigen Feststellungen, die allerdings noch keinen endgültigen Aussagewert haben, sind solche bewußten Fälle von Unterbewertung im allgemeinen nicht festgestellt worden.
Wir prüfen im Einvernehmen mit dem Bundesausgleichsamt zur Zeit, ob sich krasse Unterschiede zwischen den bisher zu Grunde gelegten Ersatzeinheitswerten und Iden nachgewiesenen Einheitswerten bestimmter Grundstücke in vergleichbaren Fällen ergeben. Sollte das häufiger und typischerweise vorliegen, so sollte eine entsprechende Rechtsverordnung auf Grund des § 43 ergehen.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen für die Mitteilung sehr dankbar. Sind Sie aber nicht darüber unterrichtet, daß ja doch noch eine Reihe von Verordnungen zur Durchführung des Feststellungsverfahrens bis heute offenstehen, z. B. für die Binnenfischereiverordnung?
({0})
Eine Frage! Rehs ({0}) : Ich frage eben!
Es ist bekannt. Herr Abgeordneter, daß einige Verordnungen noch offen sind.
Eben! - Und die zweite Zusatzfrage: sind Sie bezüglich der Arbeit der Vororte bereit, Ihre Ausführungen noch einmal zu prüfen, wenn ich Ihnen eine Anzahl von konkreten Beschwerden zuleiten werde, die sich gerade gegen die überaus langsame Abwicklung der Arbeiten in den Vororten wenden?
Herr Abgeordneter, wir würden Ihnen für solche Mitteilungen dankbar sein. Wir wären Ihnen besonders dankbar, wenn Sie uns Mitteilungen über Fälle zuleiten könnten, in denen die Ersatzeinheitswerte so, wie sie heute in Aussicht genommen sind, objektiv unrichtig erscheinen wegen der vergleichbaren Werte benachbarter Grundstücke.
Darf ich, Herr Abgeordneter, diese Gelegenheit benutzen, Ihnen und dem Hohen Hause mit einigen wenigen Zahlen zu sagen, wie die Feststellungsanträge nach dem Lastenausgleichsgesetz bis heute erledigt sind. Von den gesamten Feststellungsanträgen sind bis heute durch Vollbescheid positiv erledigt 45 vH, also fast die Hälfte; etwa 12 vH sind durch Teilbescheid erledigt. 21 vH der Feststellungsanträge sind endgültig durch ablehnenden Bescheid erledigt. Insgesamt sind also 78 vH aller Feststellungsanträge nach dem Lastenausgleichsgesetz durch die Verwaltungsbehörden entschieden. Offen sind noch rund 22 vH der Feststellungsanträge; sie konnten bis heute nicht erledigt werden.
Ich rufe aus Drucksache IV/344 die Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann ({0}) an den Bundesminister der Finanzen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vielen Gemeinden an der Zonengrenze dadurch großer Schaden entsteht, ,daß die Feldwege durch Patrouillenfahrzeuge des Bundesgrenzschutzes und der in der Bundesrepublik stationierten alliierten Streitkräfte bei jeder Witterung befahren und deshalb zerfahren werden?
Herr Abgeordneter Höhmann, besondere Unterlagen über die Zerstörung von Gemeindewegen im Zonenrandgebiet durch verstärkte Patrouillentätigkeit des Grenzschutzes oder der Stationierungskräfte liegen nicht vor. Ich habe durch Rückfragen festgestellt, daß in einigen Bereichen, vor allen Dingen Hessens, im unmittelbaren Grenzgebiet durch eine verstärkte Patrouillentätigkeit der amerikanischen Stationierungskräfte in der letzten Zeit größere Schäden entstanden sind. Nach dem Bericht, der uns zugeleitet worden ist, werden in solchen Fällen durch die Verteidigungslastenverwaltung regelmäßig vorweg 80 v. H. der geschätzten Schäden sofort an die unterhaltspflichtigen Wegeträger, also in der Regel an die Gemeinden, ausgezahlt.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Ist es dem Herrn Staatssekretär bekannt, daß bei der Schadensregulierung oft Schwierigkeiten dadurch entstehen, daß die Gemeinden den einwandfreien Nachweis zu erbringen haben, wer den Schaden hervorgerufen hat - ob Bundesgrenzschutz oder Stationierungsstreitkräfte -, und daß dadurch die Instandsetzung erheblich verzögert wird?
Eine Schadensregelung ist in der Regel nicht möglich, Herr Abgeordneter, wenn man nicht weiß, wer den Schaden verursacht hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Will der Herr Staatssekretär Sorge dafür tragen, daß trotzdem die Gemeinden Entschädigungen bekommen, auch wenn sie den Nachweis nicht 'erbringen können, obwohl der Nachweis zu erbringen ist, daß der Schaden nicht von der Gemeinde selbst hervorgerufen worden ist?
Herr Abgeordneter, ich nehme an, daß ,die Fälle selten sein werden, in denen nicht nachgewiesen werden kann, von welchen Fahrzeugen der Schaden herrührt. Eine Glaubhaftmachung scheint mir allerdings erforderlich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für WirtPräsident D. Dr. Gerstenmaier
schaft. Die Frage VIII/1 - des Abgeordneten Blumenfeld - ist zurückgestellt.
Frage VIII/2 - des Abgeordneten Varelmann -:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der Raumordnung darum bemüht zu sein, daß in den Gebieten der Erdgasvorkommen im westlichen Niedersachsen sowie in Schleswig-Holstein Industrie angesiedelt wird, in der diese Bodenschätze eine Verwendung finden?
Nach der bestehenden Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern sind für regionalwirtschaftliche Fragen in ihrem Bereich primär die jeweiligen Landesregierungen zuständig, während die regionalen Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung nur subsidiären Charakter haben. Dementsprechend sind die regionalwirtschaftlichen Hilfen des Bundes lediglich auf das Zonenrandgebiet sowie auf die anerkannt wirtschaftsschwachen Gebiete, deren Strukturverbesserung im allgemeinen Interesse des Bundes liegt, beschränkt.
Zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur der anerkannten Fördergebiete führt die Bundesregierung das sogenannte regionale Förderungsprogramm durch, in dessen Rahmen u. a. für die Ansiedlung von Industriebetrieben 'in den wirtschaftlich schwachen Gebieten zinsgünstige Darlehen zu 3,5 % gewährt werden. Sofern 'sich im Zusammenhang mit den Erdgasvorkommen im westlichen Niedersachsen und in Schleswig-Holstein Industriebetriebe in einem anerkannten Fördergebiet ansiedeln, können diese Vorhaben auf Antrag der zuständigen Landesregierung gleichfalls aus den Mitteln des regionalen Förderungsprogramms unter stützt werden.
In diesem Zusammenhang darf ich noch darauf hinweisen, daß ein Teil der schon nutzbar gemachten und voraussichtlich noch erschließbaren Erdgasvorkommen in den anerkannten Fördergebieten des Bundes liegt.
Hingegen ist von der Bundesregierung nicht beabsichtigt, auf Grund von Erdgasvorkommen außerhalb der anerkannten Fördergebiete Maßnahmen zur Ansiedlung von Industriebetrieben durchzuführen. Da sich die Standortbedingungen in diesen Gebieten durch die Erdgasvorkommen noch verbessert haben, müßte es nach Auffassung der Bundesregierung möglich sein, hier auch ohne Anreize seitens des Bundes in den zweckmäßig erscheinenden Fällen geeignete Industriebetriebe für eine Ansiedlung zu gewinnen.
Eine Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung darüber unterrichtet, ob und in welchem Umfang öffentliche Mittel für den Bau von Erdgasleitungen aus dem westlichen Niedersachsen zu den Ballungspunkten der Industrie verwandt wurden?
Darüber sind wir nicht unterrichtet, zumal es sich hierbei im wesentlichen um Landesmittel handelt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Hält die Bundesregierung das gegenwärtige regionale Förderungsprogramm für ausreichend, um eine breite Streuung der Industrie und eine Unterbindung der Ballungen zu erreichen?
Wir halten zumindest die für dieses Förderungsprogramm aufgewandten Mittel für sehr erfolgreich angesetzt. Das besagt nicht, daß eine weitere Zuweisung von Mitteln auch größere Erfolge herbeiführen könnte.
Frage VIII/3 - des Herrn Abgeordneten Walter -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Hessischen Braunkohlen- und Ziegelwerke in Kassel-Iringshausen in diesem Jahr noch die Aufschließung ides großen Braunkohlenvorkommens bei Ostheim im Kreise Melsungen durchführen sollen?
Darf ich, Herr Präsident, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Walter, die sachlich zusammenhängen, in einem beantworten?
Bitte. Frage VIII/4 - des Herrn Abgeordneten Walter -:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts der Notwendigkeit, die im Raum Ostheim geförderte Braunkohle über die Autobahn zu einem Kraftwerk nach Kassel zu transportieren, der schon früher wiederholt geforderte Autobahnanschluß endlich gebaut werden muß?
Zu der ersten Frage: Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Hessischen Braunkohlenwerke ({0}) GmbH in der zweiten Hälfte des Jahres 1962 mit dem Aufschluß des Nordteiles des Grubenfeldes Ostheim beginnt. Der neue Tagebau dient als Ersatz für den zu erwartenden Förderrückgang bei anderen Gruben der Gesellschaft. Er soll die Förderung im Laufe des Jahres 1963 aufnehmen. Die geplante Tagesförderung von etwa 500 t soll im Jahre 1964 erreicht werden.
Zu der zweiten Frage, Herr Abgeordneter, antworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr folgendes: Der Bau der Anschlußstelle Ostheim an der Autobahnbetriebsstrecke Kassel-Kirchheim-Frankfurt/Main ist im Einvernehmen mit der hessischen Auftragsverwaltung in den Jahren 1965/66 im Rahmen des zweiten „Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen" vorgesehen. Sofern sich bei den erforderlichen Vorarbeiten keine größeren Schwierigkeiten ergeben und es die finanziellen Möglichkeiten erlauben, soll versucht werden, den Bau zeitlich vorzuziehen.
Ich rufe auf .die Frage auf Drucksache IV/344, gestellt von Herrn Abgeordneten Dr. Brecht.
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß das Land Nordrhein-Westfalen nach Pressenachrichten gerade in den Tagen,
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
als die Bundesregierung Maßnahmen gegen öffentliche Verwaltungsbauten und eine Einschränkung öffentlicher Haushaltsmittel für diesen Zweck ankündigte, 34 große Bauprojekte des Landes im Volumen vieler Millionen zur Baudurchführung freigibt, darunter auch mehrere große Behördenhäuser in Aachen, Düsseldorf und Dortmund?
Das Land Nordrhein-Westfalen hat durch Beschluß seiner Regierung vom 13. Februar 1962 eine Bausperre für noch nicht begonnene Bauvorhaben und eine 20%ige Kürzung der Haushaltsansätze für bereits begonnene Bauvorhaben ausgesprochen. Dabei stützt sich die Landesregierung auf § 14 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes.
Von diesem Beschluß der Landesregierung wurden 150 Bauvorhaben mit Einzelkosten über eine Milliarde DM betroffen und Haushaltsmittel in Höhe von rund 70 Millionen DM gesperrt. Der interministerielle Baukoordinierungsausschuß des Landes kam bei der Prüfung ,der verschiedenen Aufträge auf Befreiung von dieser Sperre zu dem Ergebnis, in einer Anzahl von Fällen der Landesregierung die Freigabe zu empfehlen. Die Landesregierung hat diesen Empfehlungen zum größten Teil entsprochen. Von diesem Freigabebeschluß der Landesregierung wurden 34 Bauvorhaben betroffen und Haushaltsmittel in Höhe von 29 Millionen DM freigegeben. Diese Baumaßnahmen sind jedoch nicht alle für den sofortigen Baubeginn vorgesehen, sondern durch den Beschluß der Landesregierung auf das ganze Jahr verteilt worden. So sind allein als Winterbaumaßnahmen mit dem frühesten Baubeginn zum 1. Oktober dieses Jahres sieben Bauvorhaben freigegeben worden. Ein Bauvorhaben kann erst zum 1. April ,des nächsten Jahres begonnen werden. Vier weitere Bauvorhaben können frühestens zum 1. Juli 1962 'begonnen werden und fallen daher ,als nicht reine Hochbaumaßnahmen nicht in die sommerliche Konjunkturspitze.
Darüber hinaus handelt es sich bei den freigegebenen Bauvorhaben zum Teil um solche, die bereits im Jahre 1961 auf Grund der ,damaligen Bausperre der Landesregierung nicht hatten begonnen werden können. Eine weitere Hinausschiebung dieser Bauten, die überwiegend der Erweiterung der nordrhein-westfälischen Universitäten, der Neuschaffung von Schulen und Krankenhäusern sowie Flüchtlings-und Schwesternunterkünften und ähnlichen wichtigen Tätigkeiten dienen sollen, erschien der Landesregierung nicht länger vertretbar.
Allgemein ist zu sagen, daß das Land NordrheinWestfalen bereits 1961 zur Dämpfung der Baukonjunktur seine eigenen Bauvorhaben zum Teil zurückgestellt hat. Die Landesregierung weist darauf hin, daß im Jahre 1962 erneut zur Entlastung des Baumarktes eigene Bauvorhaben, obwohl sie im Haushalt beschlossen waren, soweit wie eben vertretbar, zurückgestellt oder in den Haushaltsansätzen um 20% gekürzt worden sind.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brecht!
Halten Sie es, Herr Staatssekretär, nach diesem Bericht, da Sie ja zu den Fragen noch keine Stellung genommen haben, für richtig, daß außer ,den Bauten für Schulen und Krankenhäuser tatsächlich auch die Verwaltungsgebäude gerade in diesem Augenblick zum Bau freigegeben werden, obwohl vor zwei Tagen abends hier beschlossen wurde, auch für den sozialen Wohnungsbau Kürzungen um 20 % im Wege einer Sperrung vorzunehmen?
({0})
Wir haben uns wegen dieser Frage mit der Landesregierung in -Verbindung gesetzt. Ich wollte das Hohe Haus mit den Einzelheiten eigentlich nicht zu lange befassen, kann aber wenigstens einige Beispiele nennen, die eine Rechtfertigung für diese Baumaßnahmen zu geben scheinen.
Für eine Freigabe des Behördenhauses in Aachen sprach unter anderem die Tatsache, daß in Aachen zahlreiche Grenzgänger als Arbeiter zur Verfügung stehen, so 'daß sich dort die Überhitzungserscheinungen nicht so stark bemerkbar gemacht haben. Außerdem soll dieses Behördenhaus in Aachen unter anderem auch für Luftschutzzwecke ausgebaut werden.
Das Behördenhaus in Dortmund hat eine besondere Rechtfertigung dadurch gefunden, daß der Baumarkt dort durch die Neugründung der RheinischWestfälischen Universität in Bochum in der nächsten Zukunft wahrscheinlich schärfer angespannt sein wird, als er es augenblicklich ist. ,Es erschien deshalb vertretbar, dieses Bauvorhaben jetzt vorzuziehen, um so mehr als es schon einmal zurückgestellt worden war.
Was das ebenfalls beanstandete Verwaltungsgebäude oder Behördenhaus in Düsseldorf betrifft, so kommen hier vorläufig überhaupt nur Erschließungsmaßnahmen, also Maßnahmen mehr tiefbaulicher Art, in Frage. Insofern tritt also eine Belastung des Baumarktes auch hier nicht ein.
Zweite Zusatzfrage!
Werden Sie, Herr Staatssekretär, diese Methode der Ausnahmegenehmigung künftig auch sonst anwenden und für richtig halten, wenn das gestern vorgelegte Verbotsgesetz erlassen ist? Werden auch dann solche Ausnahmen gemacht werden?
Wir werden bemüht bleiben, Herr Abgeordneter, die Zahl der Ausnahmen auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren. Angesichts der Vielfältigkeit der Bauvorhaben und der Überlegungen, die für und gegen diese Dinge sprechen, glaube ich aber nicht, daß es möglich sein wird, über die ganze Breite eine völlig ausnahmslose Regelung herbeizuführen.
({0})
Ich breche die Fragestunde ab. Wir fahren mit der Fragestunde morgen vormittag um 9 Uhr fort.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier Ich rufe auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 ({0}) ({1}); Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung ({2}).
Allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung dieses Haushalts, der in der Geschichte der Haushalte der Bundesrepublik einen besonderen Rang einnimmt, versuchen, Ihnen zunächst einen Überblick über die Arbeiten des Haushaltsausschusses und deren Ergebnisse selbst zu geben. Diese Ergebnisse haben sich ja durch den Verlauf der zweiten Beratung nicht wesentlich geändert. Lassen Sie mich im Anschluß daran dazu einige Bemerkungen grundsätzlicher Art machen.
Wir haben, als wir die einzelnen Titel dieses außerordentlich starken Volumens durchgingen, in diesem Jahr auch eine gewissenhafte Durchleuchtung der sogenannten kleinen „Fettpolster" vorgenommen. Es gibt kaum eine Verwaltung, die nicht ihrerseits bemüht ist, sich bei den Sachausgaben, auch bei den allgemeinen Ausgaben derartige kleine Reservoire zu sichern. Es wird infolgedessen, da wir bei der Beurteilung der neuen Anforderungen auch diesmal von den Ist-Ergebnissen des vergangenen Jahres ausgingen, bei den Ressorts in Zukunft viel Mühe machen, bei künftigen über- und außerplanmäßigen Anforderungen einen Ausgleich innerhalb der einzelnen Ressorts anzubieten. Wir halten das für einen heilsamen Zwang zur Sparsamkeit, vor allen Dingen bei solchen Titeln, die sich - wie Reisekosten und Telefonspesen - immer einer gewissen Freizügigkeit erfreut haben. Aber auch der Bundesfinanzminister selbst wird es im Verlaufe dieses Jahres wesentlich schwerer als in den vergangenen Jahren haben, neuen Ausgabewünschen der anderen Ressorts zu entsprechen. Die Luft ist aus dem bis dahin immer noch leidlich aufgepumpten Reifen heraus. Wir halten dafür, daß auch das kein Schaden ist.
Oft genug haben wir uns im Haushaltsausschuß darüber beschweren müssen, daß relativ sehr hohe Ausgaben des Bundes angesichts des wachsenden Steueraufkommens im Grunde genommen am Haushaltsausschuß und damit auch am Parlament vorbeigegangen sind und bewilligt werden konnten. Damit wird es also in der Zukunft auch eine andere Bewandtnis haben. Die bisher zum Teil unangebrachte Großzügigkeit auf Kosten des Steuerzahlers wird in der Zukunft einer härteren Beurteilung der Wünsche der anderen Ressorts Platz machen müssen.
Lassen Sie mich einmal kurz nur die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen des Haushaltsausschusses im einzelnen darlegen. Das Ergebnis ist zum Teil durch die Presse der weitesten Öffentlichkeit bekanntgeworden. Insgesamt sind Bruttokürzungen in einer Größenordnung von 1132 Millionen DM vorgenommen worden. Demgegenüber entschloß sich der Haushaltsausschuß auch zu Ausgabeerhöhungen in einer Höhe von 203 Millionen DM. Infolgedessen ergeben sich Nettokürzungen nur in einer Größenordnung von 929 Millionen DM, zu denen allerdings auch Einnahmeerhöhungen kommen, und zwar infolge der Ausräumung der soeben geschilderten „Fettpolster" bei zu niedrig eingesetzten Einnahmeposten in einer Größenordnung von 86 Millionen DM. Insgesamt ergibt sich durch die Arbeit des Haushaltsausschusses also eine Gesamtverbesserung von 1115 Millionen DM. Das scheint doch ein sehr beachtliches Ergebnis zu sein. Ich glaube, darauf kann man mit Befriedigung zurückschauen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, geben wir uns keiner Täuschung hin! Trotz dieser doch sehr hohen Streichungen von über 1,1 Milliarden DM senkt sich das Haushaltsvolumen insgesamt nur um 135 Millionen DM. Das heißt im Grunde genommen diente die Arbeit des Ausschusses im wesentlichen nur dem Zweck, die Defizitlücke von 1,74 Milliarden DM mitausgleichen zu helfen, und zwar durch die Form der gezielten Kürzungen an Stelle der zu brutalen gleichmäßigen zwölfprozentigen Globalkürzung.
Aus der angewandten Methode ergeben sich eine Reihe von Folgerungen. Die durch die Haushaltsberatungen bewegbare Finanzmasse von etwa 7 Milliarden DM wird durch die Streichungen sehr erheblich eingeengt. Zu einer wirklichen Verringerung ides Haushaltsvolumens sind wir noch nicht gelangt. Aber für die künftigen Haushalte werden sich eine Reihe von sehr bemerkenswerten Folgerungen - man könnte auch sagen: Gefahren -ergeben. Auf Grund der gesetzlichen Verpflichtungen werden bestimmte Positionen des Haushalts auch in den folgenden Jahren weiter wachsen. Auf der anderen Seite wird sich also die für das Parlament selbst verfügbare Finanzmasse weiter einengen. Ich glaube, für ,das Hohe Haus ergibt sich daraus eine Reihe von weitreichenden Konsequenzen, wie sie sich in der Dringlichkeit noch niemals in den vergangenen Jahren gestellt haben. Wir sollten erstens 'einmal unbedingt die Gesetze überprüfen, denen eine zu starke finanzielle Automatik innewohnt. Zweitens wird der Bundestag mit noch mehr Mut als bisher auch an bislanggeschonte Ausgabenbereiche herangehen müssen, sogenannte Tabus, wie wir sie mit einem Südseeausdruck benannt haben.
({0})
Ich möchte an den Herrn Bundesfinanzminister den Appell richten, rechtzeitig diese Bereiche herauszugreifen und sich, bevor bis Mitte Mai die Ressorts ihre Ausgabenwünsche im einzelnen eingereicht haben, über die Wertigkeit der kommenden Ausgaben im voraus klar zu werden.
Lassen Sie mich hier etwas Grundsätzliches zu der Arbeitsmethode und der Zielsetzung der Mehrheit im Haushaltsausschuß sagen, die sich in sehr vielen Punkten, ich möchte das dankbar hervorheben, durchaus mit der Auffassung der Opposition deckten. Ich glaube, daß allerdings das, was ich jetzt
sage, eine alleinige Angelegenheit der Mehrheit im Haushaltsausschuß ist. Wenn man in der Öffentlichkeit dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit gezollt hat, so darf man dabei eines nicht übersehen. Die eigentliche Weichenstellung in Richtung Sparsamkeit und Eindämmung der Ausgaben erfolgte nicht nach der Vorlage des Regierungsentwurfes, sondern bereits vor Weihnachten. Meine Damen und Herren, ich möchte 'hier nachdrücklich die Frage stellen, wo wir heute stünden und wie viel schwieriger das Defizit des Bundes zu decken gewesen wäre, wenn damals die sehr hohen Forderungen der Opposition nach Weihnachtsgeld und Zulagen aller Art vom Bundestag beschlossen worden wären! Ich möchte hier ausdrücklich der Mehrheit des Bundestages danken, daß sie diesmal sogar weitsichtiger gewesen ist als die Bundesregierung und rechtzeitig diese neue Flut von Ausgaben eingedämmt hat, die ja im Gegensatz zu der Forderung der Regierungserklärung nach Opfern 'der gesamten Bevölkerung standen.
Im einzelnen sind in den Haushaltsberatungen bei einer ganzen Reihe von Ressorts sehr wichtige Einsparungen vorgenommen worden. Ich zähle einmal nur die allerwichtigsten auf: beim Verkehrshaushalt eine Summe von 330 Millionen DM, unter denen die in der zweiten Lesung ausführlich behandelte Streichung auf 280 Millionen DM bei der Bundesbahn im Vordergrund stand; die zweitgrößte war die beim Bundesschuldendienst mit 151 Millionen und die dritte bei dem vielfältigen Haushalt des Bundesinnenministeriums mit 145,2 Millionen, und hier vor allen Dingen bei dem Titel Wissenschaft und Kriegsfolgenhilfe. Ich hebe noch einen vierten Brocken hervor, der beim Wohnungswesen eingespart wurde, und zwar in der Größenordnung von 116,7 Millionen, hier vor allen Dingen beim Flüchtlingswohnungsneubau. Eine Reihe weiterer Einsparungen aufzuzählen, wäre sicherlich von Interesse, z. B. bei der Atomenergie 52,3 Millionen. Da diese Dinge in ausreichendem Maße in der zweiten Lesung bei den einzelnen Anträgen behandelt wurden, kann ich mir eine weitere Aufzählung ersparen.
Die Frage ist, ob sich bei den jetzt neu anzufertigenden Entwürfen für den Haushalt 1963 die Ressorts auch an den erneut bekräftigten Kabinettsbeschluß halten werden, in ihren Anforderungen nicht über die Ansätze des Jahres 1962 hinauszugehen.
Wenn wir den Haushalt auf völlig neue Positionen einmal ansehen, werden wir feststellen, daß im laufenden Haushaltsjahr eine ganze Reihe von völlig neuen Bereichen einbezogen worden ist. Ich zähle einmal nur die wichtigsten auf: der Ansatzposten - jetzt nur in einer Größenordnung von 10 Millionen DM - Bindungsermächtigungen ; Sanierung von Dorf und Stadt, ein neuer Aufgabenbereich, der unter Umständen Milliarden umfassen kann, wenn man die Tür weit aufmacht - da ist der Bedarf praktisch unbegrenzt -, die neuen Aufgaben für Raumfahrt mit gleichfalls nahezu unbegrenzten Ausgabemöglichkeiten. Ich möchte auch noch einige Zweifel daran äußern, ob die Beteiligung an dem englischen Blue-Streak-Projekt eine unabdingbare Notwendigkeit gerade in einem Haushaltsnotjahr gewesen ist. Ich lasse das aber noch offen. Dazu gehört weiter die Ausweitung der Atomforschung usw.
Ich möchte aber auch hier einmal zu den meistens mit großem wissenschaftlichen Sachverstand begründeten neuen Anforderungen an den Haushalt einige Zweifel anbringen. Wo stünden wir heute z. B. bei dem Haushalt für Atomforschung, wenn damals nicht im Haushaltsausschuß, und zwar einmütig, ein erfolgreicher Widerstand gegen die vor einigen Jahren noch grassierenden, allzu hoch gespannten Hoffnungen über die Möglichkeit der Erzeugung von billigem Atomstrom dagewesen wäre. Wir hätten uns damals in Milliardenverpflichtungen hineingestürzt. Ich glaube, daß ein großer Teil dieses Geldes zwar wissenschaftlich ganz interessant ausgegeben, aber volkswirtschaftlich bestimmt fehlgeleitet worden wäre.
Auf der einen Seite ist der Ruf nach der Steigerung von Bundessubventionen sehr stark erhoben worden. Niemand gibt im 'Grunde genommen gern Subventionen. Während wir auf der einen Seite in der Lage waren, in der berühmten Geschichte der Eiersubventionen einen gewissen Schlußstrich zu ziehen, haben wir auf der anderen Seite schon wieder eine Subvention in Gestalt der Fischfangprämie und die schon angekündigte Bundessubvention zur Unterstützung von Kohlenrationilisierungsmaßnahmen zu verzeichnen. Ich verzeichne nur einmal die neuen Gegebenheiten, ohne dazu im einzelnen Stellung zu nehmen. Aber ich glaube, es würde sehr gut sein, wenn der Bundesernährungsminister schon im Haushaltsjahr 1963 zu der bereits oft angekündigten Einstellung der Düngemittelsubventionen zugunsten von notwendigeren Strukturänderungen in der Landwirtschaft schreiten wollte. Ich möchte auch hier einmal nur den Finger auf eine andere Subvention legen, die mir gleichfalls korrekturbedürftig erscheint, nämlich die in die Hunderte von Millionen gehenden Subventionszuschüsse für die Raffinierung und Verwertung von in Deutschland gewonnenen Rohölen.
Lassen Sie mich hier auch noch eine Warnung anschließen, die meiner Überzeugung nach in der Vergangenheit vielleicht nicht so erhoben zu werden brauchte wie nach der Vorlage dieses Haushaltsplans. Die Bundesrepublik ist 'keine Kuh mit unerschöpflichem Euter, wie manche Leute im Ausland zu glauben scheinen. Wenn man sich die stets wachsenden Forderungen ansieht, die vor allen Dingen in Verhandlungen mit ausländischen Mächten, nicht zuletzt auch von seiten der Entwicklungsländer, an uns gerichtet werden, dann kann einem manchmal angst und bange werden. Ich glaube, man hat im Ausland bei der Relation der Leistungen zwischen den einzelnen Ländern nicht genügend beachtet, daß zwischen der Kaufkraft des Dollars und der Kaufkraft der D-Mark ein erheblicher Unterschied besteht und daß man nicht ohne weiteres den Dollar mit dem vierfachen Wert der D-Mark bei den Relationen einsetzen kann, wie das leider in der Vergangenheit und auch in allerjüngster Zeit geschehen ist.
Eines hat dieser Haushalt, glaube ich, in aller Deutlichkeit erwiesen: indem die Manipuliermasse des Parlaments so erheblich eingeschränkt worden ist, wurde auch das Unheil - ich sage es ausdrücklich: das Unheil - der Zweckbindungen immer offensichtlicher.
Ich möchte auch hier noch etwas anderes mit Freimut ansprechen. Wir wären im Haushaltsausschuß dankbar, wenn in Zukunft mit den wachsenden Schwierigkeiten der Haushaltsabgleichung die Mitarbeit der Fachausschüsse sich auch auf Kürzungsvorschläge ausdehnte, von denen wir 'bis jetzt recht wenig zu spüren bekommen haben.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch der Erwartung Ausdruck gehen, daß, wenn neue Gesetzentwürfe eingereicht werden - und wir erwarten z. B. dringend eine Vorlage der Bundesregierung, die sich mit der Frage der Doppelpensionen bei der Bundesbahn befaßt -, dann nicht die Rosinen, diejenigen Abschnitte, die neue Ausgaben hervorbringen, herausgepickt werden, daß man dann aber die Abgleichung der alten mitgeschleppten Schulden sozusagen dem Bundesfinanzminister oder dem Haushaltsausschuß überläßt.
Meine Damen und Herren! Hier noch eine Mahnung an die Bürokratie! In den vergangenen drei Monaten haben sich einige Vorgänge ereignet, auf die wahrscheinlich mein Freund Niederalt noch im besonderen eingehen wird, Vorgänge, die die Selbstherrlichkeit, manchmal auch Rücksichtslosigkeit der Bürokratie bei der Durchsetzung von Ausgabeforderungen in ein sehr helles Licht gerückt haben. Das Hohe Haus sollte sich darüber im klaren sein, daß naturgemäß beim Zustandekommen derartiger Ausgabepositionen der Eifer, die Hartnäckigkeit und auch die Gewandtheit mancher hoher Beamter eine entscheidende, ja eine ausschlaggebende Rolle spielen. Wir haben im Haushaltsausschuß leider wiederholt die Erfahrung machen müssen, daß, wenn solche Forderungen keine Gnade vor dem Kabinett fanden und vom Bundesfinanzministerium abgelehnt wurden, dann auf dem Umweg uber Fachausschüsse versucht worden ist, hier trotzdem noch einzelne Forderungen der Bürokratie durchzubringen.
Daraus folgt nur eins: wir alle sollten, glaube ich, ein Interesse daran haben, daß der Bundesfinanzminister den Rücken seiner eigenen Leute im Haushaltsgeneralreferat so steif wie möglich macht, damit sie bei den kommenden, weitaus schwierigeren Verhandlungen die Resistenz und Hartnäckigkeit aufbringen, die bei der Zügelung neuer Ausgaben-wünsche notwendig sein wird, aber auch bei Verhandlungen mit ausländischen Mächten. Je stärker der Bundesfinanzminister in dieser Beziehung auftreten wird, desto günstiger, glaube ich, werden sich die kommenden Haushaltsberatungen gestalten können.
Ich möchte überhaupt wünschen, daß sich die Bundesregierung - sowohl der Minister des Auswärtigen wie auch sehr viele andere Minister - in der Zukunft des Haushaltsausschusses ein wenig mehr bedienten, als das in der Vergangenheit der
Fall war. Solange die stets wachsenden Steuereinnahmen es ermöglichten, über- und außerplanmäßige Ausgaben ziemlich reibungslos zu decken, mochte dieses Verfahren hingehen. Aber wenn sich die Dinge hart im Raume stoßen werden, wird, glaube ich, die Bundesregierung gut beraten sein, wenn sie auch in sehr schwierigen Verhandlungen mit dem Ausland ruhig einmal vorher den Haushaltsausschuß befragt und sich dort die Unterstützung holt, deren sie manchmal sehr notwendig bedürfen wird, um bestimmten Forderungen widerstehen zu können. Das gilt meiner Überzeugung nach nicht zuletzt auch für den Verteidigungshaushalt. Denn ich sehe nicht ohne eine gewisse Sorge, daß der Verteidigungshaushalt manchmal ein Rangierbahnhof für sonst schwer erfüllbare ausländische Devisenanforderungen zu werden droht. Ich glaube, das sollte in der Zukunft unter allen Umständen vermieden werden.
({1})
- Die Folgerungen daraus, Herr Kollege Schäfer, habe ich soeben angedeutet. Sie können nur darin bestehen, daß vorher dem Haushaltsausschuß entsprechende Vorlagen gemacht werden und daß er nicht nur nachher Kenntnis erhält, wenn sie bereits geschehen sind. Das heißt, um mich eines Vergleiches zu bedienen, daß der Haushaltsausschuß nicht in die Rolle des Chors des griechischen Dramas verwiesen wird, nachher den Gang der Ereignisse zu beweinen, ohne ihn ändern zu können.
({2})
In diesem Zusammenhang auch noch ein Wort zu den Bewilligungen für die Entwicklungshilfe! Ich halte dafür, daß an Hand der jetzt auch trotz der Streichungen erheblich vergrößerten Positionen beim Haushalt 23 eine stärkere Verankerung der Ausgaben für Ausbildungshilfe in der Entwicklungshilfe in der Zukunft das gegebene sein wird. Lassen Sie mich noch einmal mit allem Nachdruck eine Forderung wiederholen, die ich in der Vergangenheit des öfteren gestellt habe. Wir haben meiner Ansicht nach bis jetzt zu wenig Aufmerksamkeit darauf verwendet, der Ausbildungshilfe den Vorrang vor der finanziellen Hilfe zu sichern. Wir sollten uns künftig mehr als bisher darauf konzentrieren, den uns befreundeten Entwicklungsländern und denen, die zu uns kommen und um unsere Hilfe bitten, Schulen, Unterweisungsmöglichkeiten, technischen Beistand anzubieten.
({3})
Mir scheint jede Mark, die wir in Ausbildungshilfen, und jede Mark, die wir in Schulen investieren, selbst dann, wenn es sich um Schulen auf sehr, sehr lange Sicht handelt, besser investiert zu sein als in Beihilfen, die manchmal in nicht ganz überschaubare industrielle Unternehmungen hineingetan werden.
Lassen Sie mich auch hier eine Bemerkung genereller Art hinzufügen; sie gehört vielleicht nicht ganz in diesen Rahmen hinein, aber hier ist der Ort, wo man sie aussprechen kann. Ich glaube, daß deutsche Volk ist sich - bis in die Kreise der höhe1082 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962
ren Schulen und der Universitäten hinein - über die Konsequenzen der Katastrophe des zweiten Weltkrieges noch nicht voll im klaren; Konsequenzen, die sich vor allem daraus ergeben, daß die deutsche Sprache nicht mehr, wie vor dem zweiten Weltkrieg, mit einigem Recht als eine der Weltsprachen bezeichnet werden kann. Wir sind durch die Katastrophe des zweiten Weltkrieges auf den Rang einer zweiten, vielleicht sogar einer dritten Macht verwiesen worden. Eine der Konsequenzen daraus haben wir bis jetzt in unserem Schuldienst noch nicht gezogen: daß es notwendig ist, sich - wie andere Länder das in den vergangenen Jahrhunderten auch haben tun müssen - Weltsprachen anzueignen, um in der Zukunft auch bei Verhandlungen das volle Gewicht der Bundesrepublik in die Waagschale werfen zu können. Der Aderlaß unter den vorgebildeten Kräften durch die Abgabe sehr fähiger Leute an die Europabehörden und an die Ämter der UNO ist in manchen Häusern noch nicht völlig überwunden worden. Wir haben Sprachausbildungsfonds und Fonds für Fachausbildung gegründet. Von ihnen wird in steigendem Maße Gebrauch gemacht. Ich glaube aber, wir sollten - aus zwingenden Gründen - dafür sorgen, daß die Zahl der vorgebildeten Beamten und Fachleute in Deutschland - auch in der Industrie -, die eine Fachsprache auch auf Konferenzebene beherrschen, in einem ganz anderen Maße gesteigert wird, als das in der Vergangenheit der Fall war. Jede Mark, die dafür investiert wird, wird sich in der Zukunft hundertfach auszahlen. Wir sollten vor allen Dingen in den Verhandlungen des Auswärtigen Amtes mit den Kultusministern die Herren Kultusminister bitten, diesem Gesichtspunkt mehr als bisher Rechnung zu tragen.
Lassen Sie mich jetzt zum Gang der Haushaltsverhandlungen im einzelnen kommen.
Wir haben lebhafte Klagen der Opposition gehört, daß die große Maschine der Regierungsmehrheit die Anträge der Opposition mitleidlos niedergewalzt habe. Diese Klagen hören wir jedes Jahr. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, überlegen Sie sich doch bitte eines: wenn wir innerhalb der Regierungskoalition unsere eigenen Freunde bitten müssen, bei den Etatberatungen von sehr wohlbegründeten und manchmal auch durchaus erwägenswerten eigenen Wünschen Abstand zu nehmen, haben wir, glaube ich, auch das Recht, von unserer Seite aus mit den Anträgen der Opposition nicht anders zu verfahren, als wir mit Anträgen aus unseren eigenen Reihen verfahren. Dafür bitten wir um Verständnis.
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Die Deckungsvorschläge die uns von seiten der Opposition vorgewiesen worden sind, haben wir nicht als stichhaltig anerkennen können.
Lassen Sie mich einige Minuten darauf verwenden, auf das Ergebnis der ersten Statistik über die Steuereinnahmen im soeben abgelaufenen 1. Vierteljahr 1962 etwas näher einzugehen. Leider haben sich die Befürchtungen, die bereits am Abschluß des Monats Februar laut geworden sind, noch vergrößert. Vor mir liegt der Bericht über die Entwicklung der
Steuereinnahmen im 1. Vierteljahr 1962. Wir sehen hier, daß sich der Eingang beim Lohnsteueraufkommen von 2,3 auf 2,8 Milliarden DM gesteigert hat. Das bedeutet, daß gegenüber dem veranschlagten Prozentsatz der Steigerung in Höhe von 17,2% sogar eine größere Steigerung, nämlich eine solche von 23,8 %, eingetreten ist.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Körperschaftsteuer - und darauf bitte ich besonders zu achten - hat sich diese Steigerung keineswegs in dem gleichen Maßstab fortgesetzt. Bei der Körperschaftsteuer verzeichnen wir nur ein Wachstum von 1,8 auf 1,9 Milliarden DM. Das heißt - hier bitte ich Sie, ganz besonders hinzuhören -, von einer erwarteten Steigerung in Höhe von 12,4 % ist nur ein Drittel, nämlich nur 4 °/o, Wirklichkeit geworden. Hier kündigt sich das an, was wir bereits in der Vergangenheit befürchtet haben: daß die geschmälerten Gewinne in der Zukunft nicht mehr eine solche Steigerung des Einnahmevolumens erlauben werden wie in der Vergangenheit.
Noch krasser sind die Dinge bei der Umsatzsteuer. Einem Umsatzsteuereingang von 3,9 Milliarden DM im ersten Vierteljahr 1961 steht eine Steigerung um nur 196 Millionen DM gegenüber. Das heißt, einem erwarteten Zuwachs von 8,4% steht eine Erhöhung des Ist von nur 5 % gegenüber. Gerade hier, wo wir angesichts der Ausweitung des Konsums eigentlich einen höheren Steuereingang hätten erwarten müssen, ist dieser Eingang entscheidend zurückgeblieben.
Bei den Zöllen haben wir eine ungewöhnliche Ausweitung zu verzeichnen, die aber auf die bekannte Verringerung der Zollager in den ersten beiden Monaten zurückzuführen ist, so daß diese Steigerung in der Dauer nicht anhalten wird.
Insgesamt haben sich die Steuererwartungen des Bundes, der mit einer Steigerung von 10,6% rechnete, nicht erfüllt. Die Steigerung der Steuereinnahmen ist um 1,4% hinter den Erwartungen zurückgeblieben und beträgt nur 9,2 %.
Meine Damen und Herren, warum bin ich auf diese Dinge so ausführlich eingegangen? Weil sich daraus zwei Folgerungen ergeben. Erstens sind die Steuerdeckungsvorschläge, die hier von der Opposition während der zweiten Lesung eingebracht worden sind, eben nicht bestätigt worden. Die Statistik des ersten Vierteljahres zeigt deutlich, daß man mit größerer Vorsicht als his jetzt an das Einsetzen höherer Einnahmen gehen muß. Wir müssen hier noch vorsichtiger sein als schon bei den Beratungen im Haushaltsausschuß.
Umgekehrt befinden sich die Länder immer noch in einer weitaus besseren Situation als der Bund. Denn bei den Ländern hat sich natürlich die Steigerung des Lohnsteueraufkommens voll und ganz ausgewirkt.
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Der Bund hatte nur 891 Millionen DM mehr, die Länder hatten insgesamt über eine Milliarde D-Mark mehr. Infolgedessen wird es den Ländern wesentlich leichter fallen, die 1 050 000 000 DM aufzubringen, die sie hier als Beitrag in Aussicht geDr. Vogel
stellt haben. Ich glaube, daß man wohl auch aus den Worten des Herrn bayerischen Finanzministers quasi eine Zustimmung zu den Deckungsvorschlägen entnehmen kann.
In. der Prais nähert sich doch im Grunde genommen der Ablauf auch der Haushaltsdebatte dem Ablauf der Haushaltsberatung im englischen Unterhaus. Wenn die Regierungsmehrheit sich diszipliniert hinter den Bundesfinanzminister stellt, kommt es de facto zum gleichen Ergebnis, daß also Ausgabesteigerungen, die wesentlich über das vom Bundesfinanzminister vorgeschlagene Volumen hinausgehen, nicht eintreten, daß es also glücklicherweise bei den von ihm vorgeschlagenen Steigerungen bleibt.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein Exkurs in die künftige Gestaltung des Haushalts am - sagen wir einmal - 1. Mai 1962! In den Bilanzen der großen Firmen werden die Gewinnminderungen immer deutlicher sichtbar. Ich verweise Sie auf den Abschluß einer der fünf Großbanken, wo allein für das Jahr 1961 - und im Jahre 1962 wird das ankündigungsgemäß noch schlimmer werden - 28 Millionen DM an Steuern weniger als im voraufgegangenen Jahr abgeführt worden sind. Das ist immer, glaube ich, ein sehr weithin sichtbares Zeichen, und es wird auf die meisten großen Unternehmungen zutreffen; Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel.
Der Konkurrenzkampf wird sich erheblich verschärfen. Ich glaube, das war ja wohl auch das Ergebnis der großen Aussprache, die hier bei der zweiten Lesung zum Haushalt des Bundeswirtschaftsministers stattgefunden hat. Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit allem Nachdruck auf eines verweisen: wenn schon das Ausmaß der Reallohnsteigerung über 10 % zunahm, dann hätte man eigentlich erwarten dürfen, daß sich auch das Sparaufkommen in dem gleichen Prozentsatz erhöhen würde. Das ist leider nicht der Fall. Die Sparquote der privaten Haushalte - das ist das Barometer, nach dem die Bundesbank ihre Statistik mißt - erhöhte sich von 1960 auf 1961 nur von 8,6 auf 8,8 %, obwohl im Grunde genommen angesichts einer Steigerung des Netto-Einkommens von 10,4 % eine ganz andere Steigerung der Sparquote hätte stattfinden müssen. Ich fürchte, daß auch im ersten Vierteljahr 1962 die Entwicklung nicht in einer für uns wünschenswerten Weise verläuft. Entscheidend wird meiner Überzeugung nach sein, ob es gelingt, den Arbeitskräftemangel weiter zu verringern.
Hier lassen Sie mich auch ein Wort zu der Baustoppdebatte einflechten, die uns hier geraume Zeit beschäftigt hat und die in einem innigen Zusammenhang mit dem § 8 des Haushaltsgesetzes - mit der Sperrung, wie gesagt, nicht mit der Kürzung der 20 % für die Baumaßnahmen - steht. Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, daß aus dem Text, glaube ich, jetzt wohl unbestritten hervorgeht, daß, was den Wohnungsbau betrifft, die Teilsperre nach dem Wortlaut des § 8 nur solche Ausgabesätze für Wohnungsbauzwecke des Bundes erfaßt, die aus Rückflüssen finanziert werden, wie z. B. „Schöner und besser wohnen" usw. Das heißt, insgesamt werden von dieser Sperre ganze 6 Millionen DM betroffen. Das ist bei einem Haushaltsvolumen von 1,6 Milliarden DM wirklich kein Betrag, über den man viele Worte verlieren sollte. Ich stelle aber ausdrücklich fest, daß auch die Verteidigungsausgaben hier mit betroffen werden und daß die Bundesregierung die Möglichkeit erhält, überall da ,dämpfend einzugreifen, wo ihrer Überzeugung nach diese Dinge ohne eine Störung des Baumarktes nicht bewältigt werden können. Das scheint mir das Entscheidende zu sein; denn regional sehen die Dinge wesentlich anders aus, als sie nach den großen Baustatistiken der Verbände aussehen, die sich ja jetzt mit allen möglichen Entschließungen und Aktionen an uns gewandt haben.
Meine Damen und Herren! Der Bundeswohnungsbauminister hat ja bereits, noch vor Weihnachten, darauf hingewiesen, daß auf dem Baumarkt nicht weniger als rund 200 000 Arbeitskräfte fehlen. Das Fehlen dieser 200 000 Arbeitskräfte ist, glaube ich, das entscheidendere Merkmal als irgendein Baustoppgesetz oder eine Sperrmaßnahme, die wir hier treffen können. Hier wird anzusetzen sein, aber auch noch bei einer anderen Seite, die meiner Überzeugung nach bis jetzt in der Debatte viel zu kurz gekommen ist.
Ich möchte hier ein Wort an den Herrn Bundeswirtschaftsminister richten. Meiner Überzeugung nach kann man allein mit dem Mittel eines Baustoppgesetzes das, glaube ich, gemeinsame Ziel des ganzen Hauses nicht erreichen. Sehen wir doch einmal an, wie es sich auf dem Finanzierungsmarkt verhält. Wir stellen fest, daß im Jahre 1961 mit der Wiederentdeckung des Rentenmarktes - so hat man diese Periode mit Recht genannt - über 11,3 Milliarden DM an fest verzinslichen Werten gezeichnet worden sind, davon allein über 6 Milliarden an Pfandbriefen und an Kommunalabligationen, genau getrennt 3,6 Milliarden Pfandbriefemissionen gegenüber 2,1 Milliarden im Jahre 1960. Diese Ausweitung des Pfandbriefvolumens von 2,1 auf 3,6 Milliarden, obwohl 1960 bereits ein Hochkonjunkturjahr war, geht über die meiner Ansicht nach erwünschte Marge hinaus.
Wenn auf der anderen Seite die öffentlichen Stellen nur 2,1 Milliarden insgesamt vom Kapitalmarkt erhalten haben - zählen Sie einmal auf: die Kreditanstalt für Wiederaufbau nur 150 Millionen, die Kreditbank 180 Millionen, die landwirtschaftliche Rentenbank 120 Millionen dann zeigt das deutlich, daß, wenn irgendwo von einem Überschäumen gesprochen werden muß und kann, das hier auf dem Kapitalmarkt der Fall war und der Bundesfinanzminister zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister hier ein wenig den Hahn zudrehen sollten.
Ich komme noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen, der nach meinem Dafürhalten hier noch nie richtig behandelt worden ist. Wenn man schon von Bauboomdämpfung spricht, wird man nicht umhin können, auch den Umfang der Schuldscheindarlehen einer sehr kritischen Würdigung zu unterziehen.
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Die vorsichtigen Schätzungen auf diesem Gebiet liegen bei 4 bis 5 Milliarden DM, die sich sozusagen
an dem offiziellen Kapitalmarkt vorbeibewegen. In diesen 4 oder 5 Milliarden DM liegt einer der wesentlichsten Punkte für die übermäßige Anheizung des Baumarktes. Es wäre wohl notwendig, daß der Bundeswirtschaftsminister mit Unterstützung dieses Hohen Hauses ein ein wenig verstärktes Instrumentarium zur Bändigung dieser unerwünschten Auswüchse erhält.
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Ich könnte mir denken, daß man einmal die bis jetzt unbestreitbare Steuerbegünstigung dieser Schuldscheindarlehen einer ernsthaften Prüfung unterzieht. Ganz abgesehen davon, daß sich hier eine neue sehr wünschenswerte Einnahmequelle bei 4 bis 5 Milliarden DM Umfang erschließt, werden die wirtschaftlichen Folgen weitaus günstiger sein als die finanziellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie steht es nun mit den Erwartungen, die der Bundesfinanzminister an den Kapitalmarkt des Jahres 1962 stellt. 1,8 Milliarden will er hier abschöpfen. Wir wissen, daß die bisherigen Emissionen, die von der Deutschen Bundesbahn an den Kapitalmarkt herangebracht worden sind, überzeichnet wurden. Ich glaube, der Bundesfinanzminister wird gut beraten sein, wenn er nicht zu spät kommt; denn er ist in einem hohen, unerwünschten Maße von den Aktienkursen abhängig. So merkwürdig das klingen mag, aber solange die Aktienkurse derartig schwanken und so wenig heute jemand nach den Erfahrungen vor allem auch mit der Volkswagenaktie geneigt sein wird, hier einzusteigen, Geld anzulegen, so sehr wird auf der anderen Seite natürlich der Bundesfinanzminister in seinem Vorhaben begünstigt. Denn Rentenwerte erfreuen sich heute einer weitaus größeren Beliebtheit als noch vor der Mitte des Jahres 1961. Er hat also relativ gute Chancen, auch langfristig auf dem Kapitalmarkt anzukommen. Aber er sollte diese Chancen rechtzeitig wahrnehmen. Denn sollte es nachher zu einer erneuten Hausse an den Aktienmärkten kommen, werden sich seine Aussichten sofort wesentlich verringern.
Nun lassen Sie mich ein Wort noch zu den Versuchen der Opposition sagen, hier mit vieler List, großer Hartnäckigkeit und um so größerem Eifer einen Keil in die Koalition zu treiben. Daß ein solches Bestreben hier sichtbar werden würde, darauf waren wir alle gefaßt. Aber ich glaube, ich kann wohl mit allem Nachdruck feststellen: der Verlauf der zweiten Lesung hier im Bundestag und vor allen Dingen auch der Verlauf der Beratungen im Haushaltsausschuß sind ein sichtbarer Beweis für die Festigkeit der Koalition, die wir gegründet haben, meine Damen und Herren.
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Wenn in der Öffentlichkeit der Versuch unternommen wird, systematisch diese sogenannte Kleine Koalition madig zu machen - um mich mal ganz behutsam auszudrücken -,
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so darf ich die Damen und Herren von der Opposition freundlich an ihre so eifrigen Bemühungen erinnern, in den Jahren 1949 und 1953 das gleiche zu erreichen. Sie haben es damals nicht erreicht, und der Wahlausgang des Jahres 1953 ist wohl für sie eine maßlose Überraschung gewesen. Wir sind der Überzeugung, daß das, was die Kleine Koalition zusammenbindet - das hat sich in den Haushaltsberatungen sichtbar ausgedrückt -, auch in der Zukunft die Koalition beieinanderhalten wird, auch wenn Sie sich von seiten der Opposition die denkbar größte Mühe geben werden, hier Sprengkeile hineinzutreiben.
Im Verlaufe der Debatte der zweiten Lesung hat sich im Grunde genommen, nicht wie im vergangenen Jahr eine Fernsehdebatte, sondern eine Wirtschaftskonjunkturdebatte allergrößten Stils abgespielt. Man hat das Menschenmögliche getan, um Herrn Professor Erhard, aber auch dem Bundesverteidigungsminister Strauß einiges an Federn vom Hute wegzunehmen. Aber ich glaube, man kann im großen und ganzen feststellen, daß dieses Unternehmen ziemlich kläglich gescheitert ist.
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Der Herr Bundesaußenminister, der sich früher als Innenminister der besonderen Gunst der Opposition erfreute, hat sich ja in friedlichere Gefilde zurückgezogen und ist infolgedessen diesmal völlig außerhalb des Getümmels der zweiten Lesung geblieben.
Wir müssen noch mit einem Wort auf das eingehen, was dieser Haushalt nicht enthält und was im Laufe des Jahres 1962 vielleicht noch ihn belasten kann. Da sind zunächst die erheblichen Lohn-und Gehaltsforderungen, die von seiten der Bediensteten des Bundes gestellt worden sind. Daß sie ein Mehr von 1,7 Milliarden ausmachen würden, hat der Bundesfinanzminister bereits in seiner einleitenden Rede gesagt. Da sind die Wünsche der Kriegsopfer, die Wünsche der Heimatvertriebenen, die Wünsche Berlins und nicht zuletzt auch die Wünsche der von der furchtbaren Flutkatastrophe an der Nordseeküste Betroffenen. Zum Glück - das möchte ich auch einmal hier als Haushaltsmann sagen - haben sich, wie das eigentlich immer in der Vergangenheit der Fall war, die Schadensschätzungen - ich sage ausdrücklich: zum Glück! - als nicht so hoch herausgestellt, wie das ursprünglich befürchtet werden mußte. Ich glaube, wenn das Land Hamburg selber als das meistbetroffene Land bei einem Haushalt von 3 Milliarden DM seinerseits nur eine Entschädigungssumme von 100 Millionen DM eingesetzt hat, so ist das vielleicht ein Gradmesser auch für die Schätzung, die in Hamburg selber vorgenommen worden ist.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen! Ich möchte, bevor ich hier die letzten Sätze sage, nicht versäumen, dem Bundesfinanzminister selbst und seinen Beamten den Dank der Regierungskoalition - ich hoffe, des ganzen Hauses - für die außergewöhnliche Arbeit auszusprechen, die in so kurzer Zeit nach den Schwierigkeiten der Regierungsbildung geleistet worden ist.
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Ich möchte aber auch - das tue ich sehr gern und von ganzem Herzen - dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, meinem verehrten Kollegen Schoettle, den Dank, ich glaube, aller Mitglieder des Haushaltsausschusses für die Leitung der besonders schwierigen Beratungen in diesem Haushaltsjahr aussprechen.
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Ich werde nicht müde, hier hervorzuheben, daß die große Objektivität und die Sachlichkeit, die Atmosphähre, in der diese Beratungen stattfinden und auch in der Zukunft, hoffe ich, stattfinden werden, einen wesentlichen Pluspunkt des Parlaments nach 1949 darstellen.
Ich möchte aber am Schluß auch allen denen im Hohen Hause herzlich danken, die mitgeholfen haben, diese ungewöhnlich hohe Ausgabensteigerung des Haushaltsjahres 1962 einigermaßen in Grenzen zu halten. Der Mut und, ich möchte sagen, auch die Entschlossenheit, die dabei bekundet worden sind, sind, glaube ich, überall im deutschen Volke in einem Maße gewürdigt worden, wie das in der Vergangenheit nicht der Fall war. Das Ansehen des Parlaments wird nur steigen, wenn es in der Zukunft auf dieser Linie bleibt.
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Meine Damen und Herren, wenn wir alle miteinander bei der Lösung der Probleme Maß halten - für die Koalition und vor allen Dingen für meine engeren Freunde kann ich das zusagen -, dann dürfte es nicht schwerfallen, nicht nur diesen Haushalt auszugleichen, wobei wir auf die Unterstützung der Lander bauen, sondern auch die weitaus schwereren Probleme des Haushalts 1963 und der folgenden Haushalte erfolgreich zu meistern.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mir gestatten, eine allgemein-finanzwirtschaftliche Bemerkung vorauszuschicken. Die öffentliche Finanzwirtschaft ist zu einem Wissens- und Aufgabengebiet eines nicht allzu großen Kreises von Fachkundigen geworden, die sich entweder bei ihrer Berufsausübung notwendigerweise damit befassen müssen oder deren politische Funktion es erfordert.
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Der weitaus größte Teil der Bevölkerung nimmt leider an dem finanzpolitischen Geschehen - auch auf kommunaler Ebene - nur wenig Anteil.
Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem öffentlichen Finanzwesen steht offensichtlich im Widerspruch zu der überwiegend vom rein ökonomischen Zweckdenken beherrschten Einstellung des Staatsbürgers von heute, der nicht nur nach höchstmöglichem Einkommen, sondern auch nach zweckmäßiger Verwendung seiner Einkünfte trachtet. Es ist bedauerlich, daß er dabei übersieht, daß sich in der Verwendung eines wesentlichen Teils seiner Einkünfte, der über Steuern und sonstige Finanzausgaben vereinnahmt wird, eine der wichtigsten Funktionen der Finanzwirtschaft vollzieht. Daß dieser Anteil nicht unerheblich ist, zeigt der bei kritischer Betrachtung des Staatsaufwands bevorzugt angeführte Vergleich zwischen der Höhe des Nettojahreseinkommens der in der Bundesrepublik beschäftigten abhängigen Erwerbspersonen und dem Volumen der während eines Rechnungsjahres durch die Kassen der öffentlichen Gebietskörperschaften fließenden Gelder.
Für das fehlende allgemeine Interesse am öffentlichen Finanzwesen lassen sich viele Gründe anführen, die geeignet sind, die gegenwärtige Einstellung des Steuerzahlers zu erklären. Einer der wesentlichsten dürfte sein, daß die öffentliche Finanzwirtschaft zu einer Spezialwissenschaft geworden ist. Die Vielzahl von Steuerarten und Rechtsvorschriften in unserem heutigen Steuer-und Finanzsystem ist für einen Laien unübersehbar und unverständlich geworden.
Auch für die Finanzwirtschaft gilt aber die allgemeine Erkenntnis, daß Verständnis vor allem Verstehen voraussetzt. Verstehen ist in diesem Falle nur möglich, wenn das öffentliche Finanzwesen besonders durch eine Verminderung der Steuerarten und eine Vereinfachung der Steuergesetze und -verordnungen sowie durch ihre Fassung in einer allgemein verständlichen Sprache klarer und damit übersichtlicher gestaltet wird.
Ein allgemeines Verständnis für die öffentliche Finanzwirtschaft setzt ferner voraus, daß man ihre Existenzberechtigung anerkennt. Sie beruht auf dem Vorhandensein des Staates und dieser wiederum letztlich auf dem Gemeinschaftstrieb des Menschen, also gleichsam auf einem Naturgesetz.
Die Aufgaben ,des Staates, die in der Erfüllung von Gemeinschaftsbedürfnissen bestehen, zu der der einzelne Staatsbürger finanziell nicht imstande ist oder für die kein individuelles Interesse vorliegt, ändern sich mit dem Entwicklungsstand, d. h. mit den politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnissen. Daher muß die Öffentlichkeit laufend mit den aktuellen Aufgaben des Staates durch eine für jeden Bürger verständliche Publizität vertraut gemacht werden.
Nur so gewinnt der einzelne Staatsbürger einen Einblick in den Staatsbedarf, zu dessen Deckung er Steuern und sonstige Abgaben aufbringen muß. Dann erst kann er auch Interesse an der öffentlichen Finanzwirtschaft finden, die in erster Linie der Erfüllung der Staatsaufgaben dient, d. h. der sowohl die planmäßige Beschaffung der öffentlichen Mittel und ihre Verwaltung als auch ihre Verwendung im Sinne der herrschenden Kultur-, Wirtschafts- und Sozialpolitik und aller anderen Aufgabenstellungen obliegen.
Zahlenmäßig spiegeln sich Art und Umfang der Beschaffung der öffentlichen Mittel wie auch ihre Verwendung für die einzelnen Aufgaben in den Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts, der Staatshaushalte der Länder und der Etats der Gemeinde und Gemeindeverbände wider. Insbesondere durch den Haushalt entsteht ein Röntgenbild über Gesinnung und Tendenz der jeweiligen Regierung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit.
Zeige mir deinen Haushalt und ich sage dir, wer du bist, oder um mit Karl Jaspers zu sprechen: wofür man Geld hat und wofür man es nicht hat, das läßt bei Kenntnis der zur Verfügung stehenden Gesamtmittel einen Schluß auf das Wesen des Menschen zu.
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Meine Damen, meine Herren, es ist wichtig, noch einmal kurz .die Ausgangspositionen festzuhalten, die bei Beginn der Beratungen - von denen mein Freund Erwin Schoettle in der ersten Lesung gesagt hat, wir werden mit allem Ernst an der Gestaltung des Bundeshaushalts mitarbeiten - vorhanden gewesen sind.
Ich freue mich, daß mein Herr Vorredner, Kollege Vogel, die Arbeit des gesamten Haushaltsausschusses anerkennt. Diese Anerkennung einer außerordentlich gewissenhaften Arbeit des Haushaltsausschusses möchte auch ich an den Anfang dieser Betrachtungen stellen.
Eines der wichtigsten Daten ist die Rekordhöhe des Bundeshaushalts von bald 54 Milliarden DM. Ausgangsbasis waren die Mehrforderungen der Ressorts mit 11,6 Milliarden DM; davon sind 3,5 Milliarden DM in der Vorlage der Regierung gestrichen. Mehrbedürfnisse in Höhe von 8,1 Milliarden DM wurden anerkannt. Das ist ein Zuwachs von 15,7 %. Von den 8,1 Milliarden DM entfallen 4,4 Milliarden DM auf Verteidigungszwecke. Das ist die ungefähre Höhe der geschätzten Steuermehreinnahmen. Ich bitte, das festzuhalten, weil ich hierauf noch einmal zurückkomme. Der Sozialhaushalt ist in der Endsumme nicht verändert. Die Deckungslücke betrug rund 3 Milliarden DM.
Die wichtigsten Maßnahmen, die die Bundesregierung in Vorschlag gebracht hat, sind erstens Verrechnung der Vorgriffe mit 0,56 Milliarden DM, zweitens Globalkürzung in Höhe von 12% aller nicht auf Rechtsverpflichtungen beruhenden Ausgaben der zivilen Ressorts mit 0,62 Milliarden DM und drittens ein Länderbeitrag von 1,74 Milliarden DM.
Von der volkswirtschaftlichen Ausgangslage im Zusammenhang mit der Steuerschätzung 1962 wurde vom Herrn Bundesfinanzminister gesagt: Eine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung ist schwierig; voraussichtlich Verlangsamung des starken Wachstums; Unsicherheit hinsichtlich der geschätzten Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts 1962. Grundlage der Steuerschätzung: Annahme einer Steigerung der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts in Höhe von 7,5 % nominal.
Ohne an dieser Stelle die Auseinandersetzung über die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik fortführen zu wollen, darf ich feststellen, daß der Herr Bundesfinanzminister am 7. April auf dem Landesparteitag der bayerischen FDP nach Zeitungsmeldungen erklärt hat, es handele sich nach seiner Auffassung nicht um eine Krise, sondern um einen gesunden Prozeß der Normalisierung, der sich jetzt anbahne.
Eine andere anerkannte Autorität hat einmal erklärt: Nach einem jahrelangen, fast heroisch anmutenden Aufschwung ist die Verlangsamung der Zuwachsrate wirklich kein nationales Unglück; man kann sie eher als einen Prozeß der Normalisierung bezeichnen. Das war der Präsident der Bundesbank, Herr Blessing, vor der Industrie- und Handelskammer in Hagen im Januar 1959 mit einer Stellungnahme zu der geringeren Steigerung des Bruttosozialproduktes im Jahre 1958. Ich erinnere daran: 1958 machte die Zuwachsrate der Steuereinnahmen 4,2% im Vergleich zum Vorjahre aus, die Zunahme des Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen 7 % im Vergleich zum Vorjahr; im Jahre 1959 konnten wir dann eine Steigerung von 12,4 bzw. 8,5 v. H. erreichen.
In der Sitzung des Finanzausschusses am 22. März haben wir uns erneut mit den Steuerschätzungen beschäftigt. Es ist schade, daß Herr Kollege Vogel dieser Sitzung nicht beigewohnt hat. Er hätte sonst auch von seiten der Regierungsvertreter hören müssen, daß man Steuerschätzungen für ein Jahr nicht nach den Ergebnissen einiger Monate ausrichten kann.
({2})
Im übrigen wären sicherlich überhaupt die Ausführungen, die von den Herren Regierungsvertretern 'in diesem Zusammenhang gemacht worden sind, auf sein Interesse gestoßen.
Ich darf festhalten: im Herbst 1961, als die Vorarbeiten für den Haushalt 1962 durchgeführt wurden, haben die wissenschaftlichen Institute angenommen, daß 1962 das Sozialprodukt um 7,5% ansteigen werde. Von dieser Zuwachsrate gehen die wissenschaftlichen Institute auch heute noch trotz der behaupteten veränderten Wirtschaftslage aus. Es ist erklärt worden, daß einige Tage vor der Sitzung des Finanzausschusses am 22. März diese Wirtschaftsinstitute noch einmal unter dem Vorsitz von Herrn Präsidenten Fürst zusammengetreten sind, um die Steuerschätzungen sehr gewissenhaft zu überprüfen. Herr Kollege Vogel, ich an Ihrer Stelle würde mich schon an dieses Urteil der Experten halten, vor allen Dingen, da diese Experten von der Bundesregierung und vom Herrn Bundesfinanzminister zu dem Zweck berufen worden waren, noch einmal eine sorgfältige Überprüfung vorzunehmen.
({3})
Diese Experten rechnen na.
ach den uns gewordenen Mitteilungen mit einem realen Wachstum von 3,6 % gegenüber 4% im Herbst 1961. Sonst ist es im großen und ganzen bei den Schätzungen über die Entwicklung des Sozialprodukts geblieben. Dasselbe gilt für die Steuern.
Diese Fachleute haben also am 20. oder 21. März dieses Jahres - kurz vor der Fernsehrede des Herrn Bundeswirtschaftsministers - erklärt, daß sie nach wie vor ihre Schätzungen aufrechterhielten, daß man also mit einer Steigerung der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts in Höhe von 7,5 v. H. rechnen müsse. Das bedeutet eine Steuerschätzung von +10,6%. Wir alle in diesem Hohen Hause sind uns darüber einig, daß 'es sich dabei selbstverständlich nicht um eine exakte mathematische Größe handeln
kann, sondern um einen Mittelwert, bei dem ein wissenschaftlich akzeptierter Spielraum vorhanden
Ich sagte, ich will die konjunktur- und wirtschaftspolitische Debatte der vergangenen Woche nicht noch einmal heraufbeschwören, obwohl der Kollege Vogel das getan hat und sicherlich im Zusammenhang mit einigen Ausführungen zu den Baumaßnahmen dazu noch etwas gesagt werden muß. Aber ich hätte an Stelle des Herrn Kollegen Vogel in diesem Punkt geschwiegen, und das wäre auch für die Regierungskoalition überhaupt ratsam. Denn was sich von Donnerstag der vergangenen Woche bis heute im Schoße der Regierungskoalition oder in der gestrigen Kabinettssitzung wirklich ereignet hat - ich sage das gestützt auf Zeitungsmeldungen -, übertrifft die schlimmsten Befürchtungen, die von meinen Kollegen am vorigen Donnerstag in der Debatte geäußert worden sind.
({4})
Wir haben bald das Osterfest. Da würde ich empfehlen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister einmal den „Faust" liest. Er wird darin eine Stelle finden:
Geschrieben steht: „Im Anfang war das Wort!"
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
({5}) Diese Betrachtung im Faust schließt:
Es sollte stehn: „Im Anfang war die Kraft!"
Das sind unsere guten Wünsche, die den Herrn Bundeswirtschaftsminister für seine künftigen Handlungen begleiten.
Die Ergebnisse seit dem vorigen Donnerstag beweisen eindeutig, daß er sehr viel größere Schwierigkeiten hat, sich mit seinen eigenen Freunden zu verständigen - insbesondere seit der Herr und Meister wieder da ist -,
({6})
als sie sich etwa in einem echten Gespräch mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ergeben würden.
({7})
Meine Damen und Herren, es gibt gewisse parlamentarische Gepflogenheiten und gewisse Gepflogenheiten im Verkehr zwischen der Bundesregierung und dem Parlament bzw. den im Parlament vertretenen Fraktionen, gute Gepflogenheiten! Manchmal werden sie von den Herren Bundesministern zum Kummer des Herrn Bundeskanzlers nicht genau beachtet. Das geschieht selbstverständlich nur im Eifer des Gefechts und nie in böser Absicht. Man soll in wichtigen Fragen der Außenpolitik oder der Situation in Berlin die Vorsitzenden der Fraktionen des Hohen Hauses vertraulich in Gesprächen informieren. Man soll versuchen, dabei eine gemeinsame Ausgangsposition für das weitere Verhalten auch im Parlament zu finden. Ja, meine Herren von der Regierung, warum erfolgt nicht einmal ein solches Gespräch mit den Vertretern der drei Fraktionen, wenn es sich um eine so ernste wirtschafts- und konjunkturpolitische Situation handelt, daß sich der Herr
Bundeswirtschaftsminister kurz nach der Abreise des Herrn Bundeskanzlers zu einem dramatischen Appell im Deutschen Fernsehen veranlaßt sieht?
({8})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Es ist mir ein Vergnügen.
Darf ich daraus schließen, Herr Kollege, daß Sie die Zusammenarbeit der Fraktionen in Fragen der Außen- und Wehrpolitik für vorzüglich halten?
Ich habe das nicht gesagt. Wahrscheinlich haben Sie nur einen Teil meiner Ausführungen gehört. Was Sie bei dem anderen Teil gemacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das nicht immer klappt; ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das nicht immer so erfolgt, wie das wahrscheinlich der Herr Bundeskanzler selbst beabsichtigt hat. Ich könnte Ihnen dafür Beispiele nennen. Ich habe hinzugefügt, daß das selbstverständlich nicht böse Absicht sei, sondern nur im Eifer des Gefechts geschehe. Ich darf Sie bitten, sich an diesen Teil meiner Ausführungen zu erinnern. Ich entnehme Ihrer Zwischenfrage, daß Sie persönlich die Auffassung vertreten, daß eine solche gegenseitige Information gerade bei dem Ernst der politischen Lage der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist, ja daß diese Gespräche in einem kleinen Kreis vertieft werden sollten. Ich habe zu meiner ganz großen Freude aus Ihrer Frage keine Ablehnung meines Vorschlags entnommen, daß es auch zweckmäßig sein dürfte, in einer so ernsten wirtschafts- und konjunkturpolitischen Situation ein solches Gespräch zu führen. Demokratie soll ja in der Führung von Gesprächen bestehen, soll darin bestehen, daß man die Meinung des anderen achtet und beachtet,
({0})
daß man von der gleichen Basis aus diskutiert und überlegt, um gemeinsam den richtigen Weg zu finden. Vielleicht gelingt es nicht, eine völlige Übereinstimmung zu erreichen. Das ist aber in der Demokratie leider ein Zustand, der jedem einzelnen von uns bekannt ist.
({1})
- Ich sagte, im Anfang war das Wort. Das hat Goethe im Faust geschrieben. Ich traue mir viel zu, aber nicht so viel, daß ich auch noch einen Goethe ändern wollte.
({2})
Meine Damen und Herren, man braucht nur einmal die Samstag/Sonntag-Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aufzuschlagen. Dort befindet
sich ein Leitartikel, der zur Bundestagsdebatte Stellung nimmt und in dem pflichtgemäß geschrieben werden muß, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei dieser Debatte ausgezeichnet abgeschnitten habe. Diese Parteierklärung hat ja auch Herr Kollege Vogel eben abgegeben. Aber auf der zweiten Seite - man hat wohl gedacht, die meisten, die den Leitartikel lesen, sind so erschreckt, daß sie die zweite Seite nicht mehr aufschlagen, ich habe sie aufgeschlagen - findet sich eine sehr interessante Darstellung über den Ablauf der beiden Fraktionssitzungen der CDU/CSU in der Mittagspause am Donnerstag. Und jetzt kann ich mir auch erklären, warum der Herr Bundeswirtschaftsminister am Nachmittag so nervös war - das war nicht nur auf die Ausführungen meines Kollegen Deist zurückzuführen
({3})
- und warum um 21 Uhr die Fraktion der CDU/ CSU noch einmal zusammentreten mußte. Was da nun in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben wird, ist bisher nicht berichtigt worden. Ich kann also davon ausgehen, daß es den Tatsachen entspricht. Es ist erschienen unter der Überschrift „Verwirrung". Die Kollegen von der CDU/ CSU-Fraktion würden gut daran tun, sich diesen Artikel noch einmal in einem stillen Kämmerlein anzusehen. Dann würden sie sich vielleicht fragen: war es richtig, erstens daß der Herr Bundeswirtschaftsminister seinen dramatischen Appell losgelassen hat, und zweitens: war es richtig, daß er sich schon am Donnerstag einer parlamentarischen Auseinandersetzung stellte, weil nämlich durch den Ablauf dieser Fraktionssitzung der CDU/CSU erwiesen worden ist, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister überhaupt keine Vorstellung davon hat, was er nun nach seinem dramatischen Appell eigentlich tun müßte,
({4})
um die konjunktur- und wirtschaftspolitische Situation zu meistern; denn darauf kommt es doch allein an.
Jeder Appell wäre dem Herrn Bundeswirtschaftsminister verziehen, wenn er am Donnerstag hierher gekommen wäre und erklärt hätte: ich habe schwer mit meinen Koalitionsfreunden in der CDU/CSU und FDP gerungen, und es ist mir nicht nur gelungen, eine Bestimmung im Haushaltsgesetz zu erreichen. Die 20 %-Sperre hätte er sich einfacher machen können. Der ganze Aufwand wäre nicht notwendig gewesen, wenn er einmal in eine Sitzung des Haushaltsausschusses gegangen wäre und dort erklärt hätte: meine Damen und Herren vom Haushaltsausschuß, so ist die Situation, wir brauchen diese Sperrklausel. Das wäre dann in einer Stunde erledigt gewesen, ohne Inanspruchnahme von Fernsehen und Rundfunk. Das ist das einzige, was hier an praktischen Maßnahmen vorgeschlagen worden ist.
({5})
- Herr Kollege Heck, Sie sind sich noch nicht einmal darüber einig, ob Genehmigungsstopp oder ob das Verbotsprinzip zur Dämpfung der Baukonjunktur in Anwendung kommen soll. Das sind doch die ersten Voraussetzungen, die Sie klären müssen,
wenn Sie den Mut haben, ins Parlament zu gehen. Denn im Parlament werden nicht nur Monologe gehalten wie im Deutschen Fernsehen.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie sind sich jetzt noch nicht einmal mit Ihren Freunden von der FDP einig. Ich gebe Ihnen zu, wir sind für das Verbotsprinzip, weil es uns sehr viel vernünftiger erscheint.
({7})
- Wir würden den Teil Ihrer Fraktion darin unterstützen, der diesen Standpunkt einnimmt. Das hätte sich in einem Gespräch sofort ergeben. Aber wir wären auch gegen ein Verbotsprinzip, das so viele Maschen aufweist wie der Gesetzentwurf, den Sie noch in Ihrer Schublade liegen haben und von dem man wenigstens sagen kann, daß bei Ihnen bisher der Mut gefehlt hat, ihn offiziell auf den Tisch des Hauses zu legen.
({8})
Ihre Freunde von der EDP haben auch bestimmte Vorstellungen über die Maßnahmen, die man zur Dämpfung der Baukonjunktur in Angriff nehmen sollte. Ich bekenne offen, daß wir in vielen Punkten eher mit den Auffassungen der FDP übereinstimmen als mit dem, was da im Schoße der großen CDU/CSU-Fraktion rumort.
Meine Damen und Herren, ich hatte gestern noch vor, dankbar anzuerkennen, daß sich die Sozialpartner am 10. April in einem neuen Spitzengespräch gefunden haben und daß sie dabei mit der vom Bundeswirtschaftsminister geplanten Bildung eines unabhängigen Sachverständigengremiums zur Prüfung der wirtschaftlichen Probleme einverstanden gewesen sind. Ich kann das aber deswegen nicht sagen, weil nach den heutigen Zeitungsmeldungen das Kabinett und der Herr Bundeskanzler, wie vermutet, etwas andere Vorstellungen über diese Expertenkommission und die Aufgaben dieser Kommission haben als der Herr Bundeswirtschaftsminister. Die Frage meiner Kollegen vom Donnerstag, ob das nun mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt worden sei, ist nun wirklich nicht durch die Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers überflüssig geworden, daß er selbständig sei und daß er auch seine Kabinettkollegen nicht gefragt und gar keine Regierungserklärung im Deutschen Fernsehen abgegeben habe, obwohl die Intendanten der Rundfunkanstalten dieser Meinung gewesen sind. Dabei bleibt der Hinweis wichtig, daß der Herr Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Mein Gott, das hat doch der Herr Bundeswirtschaftsminister so oft zu seinem Leidwesen erfahren,
({9})
daß man eigentlich vermuten müßte, er sei aus Schaden klug geworden.
({10})
Denn daß der Bundeskanzler irgendwann hier wieder erscheinen würde aus dem Land, wo die Zitronen blühen,
({11})
das ist doch ein Punkt, der gar nichts mit Hellseherei zu tun hat.
Herr Bundeskanzler, Sie haben ja selber Gott sei Dank - und das muß bei einem Bundeskanzler und Chef einer Regierung so sein - eigene Gedanken und Vorstellungen über das, was auf diesem Gebiete erfolgen muß, und Ihr Schuldspruch ist schon sehr beachtlich, zumal Sie in diesem Ihren Schuldspruch Ihren Bundeswirtschaftsminister nicht ausgeklammert haben. Der Herr Bundeskanzler sollte sich einmal daran erinnern, daß wir im 2. Bundestag, nämlich am 6. Juni 1956, einen Gesetzentwurf zur Förderung des stetigen Wachstums der Gesamtwirtschaft vorgelegt haben. In diesem Gesetzentwurf ist von uns auch bereits ein jährlicher Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ebenso angeregt worden wie ein unabhängiger volkswirtschaftlicher Beirat, und ich wäre dankbar, wenn man in den Beratungen des Kabinetts diesen Gesetzentwurf oder Teile davon mit zur Diskussion stellen würde.
Meine Herren, bringen Sie doch einmal soviel Selbstüberwindung auf und denken Sie nicht an den, der den Gesetzentwurf verfaßt hat, sondern nehmen Sie einfach den Gesetzentwurf als einen Tatbestand, über den Sie sich mit Experten in den westlichen Ländern - ob in Holland oder in den nordischen Ländern, das wird Ihnen weniger imponieren, aber auch in Amerika - ausgiebig unterhalten können. Sie werden auf dieselben Gedankengänge und Überlegungen stoßen, und ich glaube, daß es also schon möglich wäre, einen Weg zu finden, der von allen Fraktionen des Hohen Hauses beschritten werden könnte.
({12})
Meine Damen und Herren, es ist aber - und das muß bei einer solchen Haushaltsdebatte besonders hervorgehoben werden - höchst bedauerlich, daß noch niemals Entscheidendes zu der vom Bundestag und von seiten der Wissenschaft und der Praxis hervorgehobenen Notwendigkeit einer Neuordnung des Haushaltsrechts getan worden ist. Wir arbeiten immer noch nach dem antiquierten Haushaltsrecht der Weimarer Republik. Im Jahre 1955 hat eine Gruppe von Abgeordneten des Haushaltsausschusses unter Führung des Vorsitzenden Erwin Schoettle die amerikanischen Budgetverhältnisse studiert und einen Bericht vorgelegt, der auch ein Zehn-PunkteProgramm für eine eigene Haushaltsreform enthalten hat. Die Hoffnung, daß damit die Arbeiten der Bundesregierung an einem modernen Haushaltsrecht beschleunigt und zum Abschluß gebracht werden könnten, haben sich leider nicht erfüllt. Auch hier erweist sich die jeweilige Bundesregierung als Meister in der Kunst der Versäumnisse.
({13})
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat am 30. Januar 1960 ein Gutachten erstattet über „Aufgaben und Möglichkeiten der Finanzpolitik angesichts der Gefahren einer konjunkturellen Überhitzung." Dabei ist eine grundlegende Reform des Haushaltsrechts, und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt der konjunkturellen Notwendigkeiten, gefordert worden. Ich darf die
Mitglieder des Hohen Hauses auf die Ziffern 36 und 37 dieses Gutachtens hinweisen und nur die Schlußsätze noch einmal zur Kenntnis bringen. Am Schluß sagt nämlich der Wissenschaftliche Beirat - ich wiederhole: am 30. Januar 1960 -:
Dabei wird es sich darum handeln, auf der einen Seite der Regierung den erforderlichen Handlungsspielraum zuzubilligen, und auf der anderen Seite jede nur mögliche Schranke gegen einen Mißbrauch dieser Befugnisse zu errichten.
- nämlich 'bei den neuen Gesetzen zur Modernisierung des Haushaltsrechts Das Ziel müßte also darin bestehen, einen vernünftigen Kompromiß zwischen schneller und wirksamer finanzpolitischer Aktion und der selbstverständlichen Respektierung der Rechte des Parlaments zu finden.
Die Bundesregierung Nr. 3 hat vor dieser Zielsetzung kapituliert. Wird es bei Nr. 4 anders? Wird nicht auch Nr. 4 überfordert sein? Das ist die Preisfrage, die wir bei Beginn der Legislaturperiode des 4. Deutschen Bundestages stellen.
Ich darf noch einmal die Tat des Haushaltsausschusses herausstellen. Diese Tat 'des Haushaltsausschusses hat den Versuch der Bundesregierung, mit einer 12 %igen Globalkürzung aller nicht auf Rechtsverpflichtung beruhenden Ausgaben der zivilen Ressorts das Etatrecht des Parlaments zu kastrieren, zum Scheitern verurteilt. Der Haushaltsausschuß hat die globale Kürzung durch gezielte Einsparungen ersetzt und dabei weiter erreicht, daß der Länderbeitrag von zunächst 1,74 Milliarden DM auf 1,05 Milliarden DM vermindert werden konnte.
Über die gezielten Streichungen hat es selbstverständlich im Haushaltsausschuß Meinungsverschiedenheiten gegeben. Wir wären überhaupt der Auffassung, daß man sich bei der Beratung des Haushalts weniger nach der Entfernung zu Wahlterminen ausrichten sollte als nach Überlegungen, wie es bei der Haushaltsgestaltung zu einer systematischen Aufbauarbeit nach politischen Schwerpunkten kommen kann. Die Forderung nach einem Länderbeitrag zum Ausgleich des Bundeshaushalts kennzeichnet die einmalige finanzpolitische Situation, bei der 'hervorzuheben ist, daß die gesamten Steuereinnahmen das gesamte Haushaltssoll von Bund und Ländern zweifellos noch übersteigen.
Herr Kollege Dr. Schmidt ({14}) hat in der Etatdebatte am 14. März erklärt, er vermöge mir nicht zu folgen, wenn ich das Auseinanderfallen von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit im Hinblick auf die unterbliebene bzw. verzögerte Finanzreform bedauere. Aber schon am 13. März 1958 hat der damalige Bundesfinanzminister Etzel die Anpassung der Finanzverfassung vom Dezember 1955 an die erneut veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Erfordernisse verlangt und dabei erklärt: „Der Finanzausgleich wird die Gretchenfrage des deutschen Föderalismus bleiben". Und am selben Tage, an dem Herr Kollege Dr. Schmidt ({15}) mir leider nicht folgen konnte, erschien
im Pressedienst der CDU ein Artikel von Herrn Kollegen Etzel mit 'der Feststellung:
Die unterschiedliche Einnahmeentwicklung bei Bund und Ländern zeigt, daß die im Grundgesetz verankerte Finanzverfassung nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Am Schluß seines Artikels spricht Herr Kollege Etzel von der grundlegenden Reform der Finanzverfassung und des Steuersystems und stellt fest, daß „Verfassungsgrundsatz und Verfasungswirklichkeit nicht mehr in Übereinstimmung stehen". Wenn ich auch schmerzhaft empfinde, daß eine Übereinstimmung zwischen Herrn Kollegen Schmidt ({16}) und mir in dieser wichtigen Frage nicht festgestellt werden konnte, so bin ich doch beruhigt, daß wenigstens der frühere Bundesfinanzminister in vollem Umfange meinem Standpunkt beitritt. Wir Sozialdemokraten haben - das möchte ich hier doch einmal besonders herausstellen - nicht nur dazu beigetragen, daß die Länder sich an der Beseitigung des Defizits im Bundeshaushalt beteiligt haben, sondern haben seit Jahren auch unseren Willen bekundet, an einer Neuordnung unserer Finanzverfassung und unseres Steuersystems mitzuarbeiten.
Ich will darauf verzichten, den früheren Bundesfinanzminister und seine Erklärungen auf dem CDU-Parteitag im April 1961 zu zitieren, darf aber zur Beruhigung der CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich hinzufügen, daß wir uns bezüglich der Neuordnung des Steuersystems in wesentlichen Punkten mit den
Konzeptionen durchaus befreunden könnten, die der damalige Herr Bundesfinanzminister auf dem CDU-Parteitag im April 1961 in Köln insbesondere aus gesellschaftspolitischen Gründen vorgetragen hat. Ich erinnere insbesondere an folgende Punkte, die in seinem Referat eine Rolle spielten: Umsatzsteuer, verbesserte Einheitsbewertung, systematische Überprüfung der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer und, wie er gesagt hat, einige andere wichtige Punkte, die man ändern muß, um den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen und gesellschaftspolitischen Zielen wirklich zu entsprechen. Das sind auch vom sozialdemokratischen Standpunkt aus sehr bemerkenswerte Erkenntnisse, und wir sind hinsichtlich der Realisierung in Form von Gesetzen und Novellen zu jeder tätigen Mithilfe bereit.
Ich darf bei dieser Gelegenheit noch ein Wort zu den Steuerschätzungen sagen. Nach den Beschlüssen der zweiten Lesung bleiben die Schätzungen des Bundes in der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 168 Millionen DM hinter der von den Ländern gewünschten Schätzung zurück. Hier ist eine Bemerkung interessant, die das Institut Finanzen und Steuern in dem uns gestern überreichten Heft Nr. 15 macht. Diese Bemerkung lautet:
Wie wir bereits bei der Analyse des Haushalts 1961 sagten, sind nicht die Lohn-, wohl aber die veranlagte Einkommen- und die Körperschaftsteuer manipulierbar. Die Richtigkeit der Schätzung hängt davon ab, daß das Veranlagungsverfahren normal funktioniert.
({17})
Das, Herr Kollege Vogel, bitte ich Sie bei Ihren weiteren Überlegungen zu beachten. Wir haben schon Milliardenbeträge gehabt, bei denen festgestellt wurde, daß das Veranlagungsverfahren sie nur sehr verspätet zu erfassen in der Lage war. Es wäre notwendig, gerade bei einer so kritischen finanziellen Situation dafür zu sorgen, daß wir auch zu einer zeitnahen Besteuerung der Veranlagungspflichtigen, vielleicht sogar zu einer Selbsteinschätzung kommen, wie sie in Amerika üblich ist.
Es gibt noch einiges mehr, wo es notwendig ist, sehr schnell zu Maßnahmen durch den Bundestag zu kommen, etwa bei der Beseitigung des gespaltenen Körperschaftsteuer-Tarifs, etwa bei der Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer. Wir werden Ihnen, meine Dannen und Herren von der Koalition, jedenfalls mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Sie neue Finanzierungsquellen für wichtige Aufgaben des Bundeshaushalts und überhaupt der öffentlichen Finanzwirtschaft suchen.
({18})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun noch zu einigen der Anträge Stellung nehmen, die von meiner Fraktion für die dritte Lesung vorgelegt worden sind.
Zunächst zu dem Antrag auf Umdruck 76! Beim Einzelplan 04 - Bundeskanzleramt - wiederholen wir unseren Antrag auf parlamentarische Kontrolle des Tit. 300 in Kap. 04 03, aber, um Ihre Empfindungen zu schonen, ohne einen Kürzungsantrag. Wir können nicht anerkennen, daß es ein berechtigtes Anliegen der Regierung sein soll, diesen Geheimtitel in Höhe von 13 Millionen DM nur vom Bundesrechnungshof kontrollieren zu lassen.
({19})
Ich wiederhole den Vorschlag - er ist auch in unserem Antrag enthalten -, der in der vorgestrigen Beratung von meinem Kollegen Hermsdorf gemacht wurde.
Meine Damen und Herren von der Koalition, bitte gehen Sie davon aus, daß es sich bei diesem von uns vorgelegten Antrag nicht so wie bei der von Ihnen erfolgten Ablehnung um eine Routinesache handelt. Vielmehr ist es nach unserer Auffassung einfach eine Frage des richtigen Stils in einem demokratischen Staat, daß auch bei einem solchen Geheimfonds bei Festlegung von Modalitäten, über die man reden kann, ein Zipfelchen so weit gelüftet wird, daß sich selbst ein Repräsentant der Opposition von der Ordnung in diesem Fonds überzeugen kann.
({20})
Um mehr handelt es sich nicht. Und die Abstimmung über unseren Antrag muß nunmehr aus der Routine der Ablehnung herauswachsen. Das muß eben einfach eine Frage des Stils sein.
Können wir uns, meine Damen und Herren, nicht darauf einigen, daß wir das zunächst nur für ein Jahr machen? Wenn Sie bei diesem einen Jahr schlechte Erfahrungen mit einer solchen Kontrolle
sammeln sollten, läßt sich ja beim nächsten Etat darüber reden. Dann haben Sie, meine ich, wenn Sie eine Änderung durchsetzen, eine bessere Position als zur Zeit. Ich bin nämlich davon überzeugt - und der Herr Bundeskanzler wird mir wenigstens in diesem Punkt meines Vortrages einmal zustimmen -, daß es mit diesem Fonds gar nicht so schlimm ist, wie die Öffentlichkeit - oder vielleicht Teile der Opposition - meint. Und weil es nicht so schlimm ist, meine Damen und Herren, kann man doch diesem Vorschlag wenigstens zunächst einmal für ein Jahr folgen.
Zu Einzelplan 06 - Inneres - wiederholen wir unseren Antrag auf Streichung von 15 Millionen DM für politische Parteien. Ich verweise auf Umdruck 77, Ziffer 1. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu noch etwas sagen. Wir sind nicht deswegen für eine Streichung, weil man uns unterstellen könnte, „an der Quelle sitzt der Knabe",
({21})
oder weil der „Tagesspiegel" in Berlin schreibt, wir hätten uns da ein Osterei spendiert, und das könnte ein Kuckucksei werden. Nein, meine Damen und Herren, sehen Sie sich doch einmal die erste Vorlage des Bundeshaushalts 1962 an. Das ist eine Vorlage, die - aus mir nicht mitgeteilten Gründen - auf hellgrünem Papier gedruckt wurde. Da werden Sie in dieser Etatposition nicht 20 Millionen DM, sondern 5 Millionen DM finden, und es ist dann plötzlich bei der endgültigen Drucklegung - auf weißem Papier - auf 20 Millionen DM geändert worden.
({22})
- Die habe ich mir angesehen, sonst würde ich das ja nicht sagen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß man einfach in einen Haushalt, von dem der Bundesfinanzminister gesagt hat, daß er in das Defizit führt - und das Defizit wird doch eigentlich nur durch den Länderbeitrag überwunden, durch eine ganz außergewöhnliche Maßnahme -, bei dem aber jeder 50- und 100 000-Mark-Antrag - er mag noch so begründet sein, wie wir ihn uns bestens vorstellen - abgelehnt wird, in einer solchen Situation nicht aus dem Handgelenk heraus statt 5 Millionen DM für die politischen Parteien 20 Millionen DM einsetzen kann.
({23})
Wir wollen nichts anderes, als daß es im Haushalt 1962 bei diesen 5 Millionen DM bleibt und daß wir uns in einem späteren Zeitpunkt über diesen Etattitel so unterhalten und verständigen, daß wir in jedem Umfang eine Bewilligung vertreten und verantworten können.
Zum Einzelplan 14 - Verteidigung - möchte ich den hier vorliegenden Antrag nicht begründen. Das wird ein Kollege meiner Fraktion bei Aufruf dieses Einzelplans tun. Es erscheint mir aber notwendig, eine Feststellung zu treffen. Die CDU/CSU-Fraktion hat in der zweiten Lesung dieses Einzelplanes 14 eine Vertrauenskundgebung für den Herrn Bundesverteidigungsminister veranstaltet, und zwar im Hinblick auf den tagenden Untersuchungsausschuß
in der Fibag-Angelegenheit. Wir machen zu dieser Vertrauenskundgebung in diesem Zeitpunkt keine Anmerkung, sondern stellen nur fest, daß von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion keine Wertung dieses Vorganges erfolgt, weil wir die Verhandlungen und den Schlußbericht des Untersuchungsausschusses abwarten wollen. Das, meine ich, ist einfach eine Notwendigkeit und eine Pflicht, der sich niemand entziehen sollte.
({24})
Beim Einzelplan 23 - Entwicklungsministerium - werden wir unseren Antrag zu § 22 des Haushaltsgesetzes nicht wiederholen. Ich sage: erfreulicherweise, weil hier einer der seltenen Fälle festzustellen ist, daß es bei gutem Willen doch auch zu einer Verständigung hinsichtlich eines Anliegens der Opposition kommen kann. Mein Kollege Kalbitzer hat die Gründe für unseren Wunsch, diesen § 22 des Haushaltsgesetzes zu ergänzen, vorgetragen. Herr Bundesminister Scheel hat sich in seiner Antwort bereit erklärt, zunächst einmal im Sinne der Opposition zu verfahren, d. h. hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle der für die Entwicklungsländer bestimmten Milliardenbeträge. Ich möchte nun nicht sagen, wir nehmen den guten Willen für die Tat, aber wir anerkennen den guten Willen und sind der Meinung, daß man zunächst auf Grund dieser vom Herrn Bundesminister Scheel abgegebenen Erklärung den Versuch unternehmen kann, diese parlamentarische Kontrolle einzuschalten, weil es ja doch zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Bewirtschaftungsgesetz für die Entwicklungshilfe kommen muß.
Zum Haushaltsgesetz 1962 liegt erneut der Änderungsantrag vor, der von der Sperre für Baumaßnahmen den öffentlich geförderten Wohnungsbau und den Straßenbau ausnehmen will. Ich verweise auf Umdruck 89. Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU/CSU-Fraktion, wenn ich richtig unterrichtet bin, haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf, der zur Dämpfung der Baukonjunktur vorgelegt werden soll, den öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht in die Maßnahmen eingeschlossen. Wenn Sie das richtigerweise nicht getan haben, dann ziehen Sie bitte hier die Konsequenz und stimmen unserem Antrag zu, der das auch für den Bundeshaushalt will.
({25})
Es gibt doch einfach keine logische Begründung, in diesem Fall ein solches Anliegen nicht zu respektieren, wenn man in dem Gesetz, das grundsätzlich die Gesamtmaterie regeln soll, den öffentlich geförderten Wohnungsbau ausnimmt.
Hinsichtlich des Straßenbaus würde ich wünschen, daß der Herr Bundesverkehrsminister sich in seiner Fraktion durchgesetzt hat. Hier zeigt sich wieder, daß es nicht einfach davon abhängt, welchen Standort man, ob Opposition oder Koalition, in der Beurteilung einer Maßnahme hat. Jedenfalls befindet sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesverkehrsminister. Ich nehme an, daß sein Standpunkt noch derselbe ist wie vor einigen Tagen, daß es nicht sinnvoll ist, den Straßenbau in diese Sperre einzu1092
schließen, sondern daß wir die Befreiung des Straßenbaus von der Sperre erwarten müssen.
({26})
Es kann niemand in Abrede stellen, daß im Straßenbau von einer überhitzten Konjunktur keine Rede sein kann. Die Kapazität ist zweifellos nicht überall voll ausgenutzt. In manchen Gebieten warten Klein-und Mittelbetriebe auf diese Aufträge. Außerdem ist zu befürchten, daß von der Sperre insbesondere die Mittelzuweisungen an die Gemeinden betroffen werden. Der Straßennotstand, über den doch Einigkeit herrscht - mindestens während des Wahlkampfes hat Einigkeit geherrscht -,
({27})
wird durch den Beschluß in der zweiten Lesung nur noch größer werden. Und verminderter Straßenbau bedeutet auch erhöhte Gefährdung der Verkehrssicherheit.
Deswegen bitte ich Sie um der Sache willen, nicht deswegen, weil wir es beantragen, dieser Änderung in unserem Antrag zum § 8 des Haushaltsgesetzes zuzustimmen. Es ist bedauerlich, daß solche Beschlüsse überhaupt in der zweiten Lesung gefaßt worden sind, zu einem Zeitpunkt, als dem Hohen Hause noch nicht bekannt war, was für generelle Pläne zur Ordnung des Baumarktes von der Koalition in Angriff genommen worden sind.
Ich will darauf verzichten, die vorhin gemachten Bemerkungen zu diesem Thema noch zu vertiefen, aber seien Sie versichert, daß wir bei Vorlage Ihres Gesetzentwurfs - zunächst handelt es sich nur um einen Entwurf der CDU/CSU-Fraktion - sehr deutlich unsere Meinung sagen werden. Inwieweit es Ihnen gelingt, die Distanzierung der FDP von bestimmten Maßnahmen dieses Gesetzes aufzuheben, ist nicht unsere Sache, sondern wahrscheinlich die Sache Ihres komischen Koalitionsausschusses.
({28})
- Das können Sie weniger beurteilen! Keiner von meinen bayerischen Freunden, die an der Bildung dieses Koalitionsausschusses beteiligt waren, hat je erklärt, daß er die für den Koalitionsausschuß aufgestellten Richtlinien nie gelesen habe.
({29})
Eine so deutliche Distanzierung von einem Koalitionsausschuß wie in Ihrem Falle habe ich nicht vernommen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat am 21. März 1962 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die sich mit der Frage der Besoldung und Entlohnung der Bediensteten im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Der Herr Bundesinnenminister hat geantwortet, und ich muß, wie das schon in einer Erklärung meines Kollegen Schmitt-Vockenhausen geschehen ist, meiner Enttäuschung über diese Antwort Ausdruck geben, - nicht einfach weil es sich dabei um eine Besoldungs- und Lohnfrage handelt, meine Damen und Herren, darin steckt mehr! Und über das
Mehr müßten wir im Deutschen Bundestag ein Wort sprechen.
Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Antwort, und zwar im zweiten Absatz, einleitend etwas gesagt, was zweifellos vom Herrn Bundeswirtschaftsminister mißbilligt wird:
Die sich abzeichnende Beruhigung der wirtschaftlichen Entwicklung
- hat der Herr Bundesinnenminister erklärt und die ungünstige Haushaltslage des Bundes, die durch die Mehrausgaben für Verteidigung bedingt ist,
- ich wiederhole das noch einmal: die ungünstige Haushaltslage des Bundes, die durch die Mehrausgaben für Verteidigung bedingt ist! ließen es nicht zu, Mittel für eine Besoldungserhöhung vorzusehen, zumal diese Ausgabe zwangsläufig weitere Mehrausgaben
- weitere Mehrausgaben! - im sozialen Bereich veranlaßt hätte.
Hier ist also folgendes festgestellt: es handelt sich nicht nur um die Besoldungserhöhung, sondern es handelt sich auch um Maßnahmen für die Sozialrentner und Kriegsopfer, und wenn man solche von uns für notwendig erachteten Maßnahmen einleiten würde, dann würde das den Verteidigungshaushalt berühren.
Dazu muß etwas Grundsätzliches gesagt werden. Bevor ich das tue, eine Bemerkung zur Frage der Besoldung und Entlohnung im öffentlichen Dienst. Meine Damen und Herren und vor allen Dingen meine Herren von der Bundesregierung: es erscheint uns nicht richtig, wenn Sie mit dieser Antwort auf die Kleine Anfrage an dem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts herummanipulieren.
({30})
Wenn es schon keine Urteilsschelte für den kleinen Mann gibt, so sollte man doch, meine ich, endlich in der Bundesregierung zu dem notwendigen Respekt vor Beschlüssen und Urteilen des Bundesverfassungsgerichts kommen,
({31})
ob es einem paßt oder nicht. Wir können nämlich sonst - wenn der nicht einmal vorhanden ist - darauf verzichten, in den Schulen Staatsbürgerkunde zu geben.
({32})
Zweitens handelt es sich bei dem Verlangen der Bediensteten um eine Anpassung an die Einkommensentwicklung zum 31. Dezember 1961, die an diesem Tage für andere Beschäftigten-Gruppen abgeschlossen war.
Drittens. Es widerspricht den guten Sitten, im öffentlichen Dienst die Arbeitskraft ohne angemessene Bezüge in Anspruch zu nehmen.
Viertens. Die Aufgabenstellung des öffentlichen Dienstes rechtfertigt keine Sonderstellung des Arbeitgebers zum Nachteil seiner Beschäftigten.
({33})
Nun wiederhole ich, daß in der Antwort des Herrn Bundesinnenministers Mehrausgaben für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die Sozialpartner und Kriegsopfer abgelehnt worden sind unter Hinweis auf die ungünstige Lage des Bundes, die - ich zitiere wörtlich - „durch die Mehrausgaben für Verteidigung bedingt ist".
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich aus einem Artikel „Rüstung mit Ruhe betrachtet" einen mir ganz besonders wichtig erscheinenden Abschnitt zitieren, weil es sich darum handelt, zu ermitteln, ob wir den in diesem Abschnitt angesprochenen kritischen Punkt erreicht haben oder nicht. Es heißt dort:
Rüstungsleistungen sind nur so lange und insoweit vertretbar, als das Produktionsvolumen und die Produktivität der Volkswirtschaft es ohne Störung der sozialen Zwecksetzung alles wirtschaftlichen Tuns zulassen, Teile unserer gesellschaftswirtschaftlichen Arbeit Rüstungszwecken zuzuwenden. Jedes Mehr müßte entweder zum Verzicht auf die Erhaltung und Fortentwicklung der Produktivkräfte führen bzw. durch Konsumverzichte erkauft werden oder aber eine Störung oder sogar Zerstörung der wirtschaftlichen Ordnung und der Währung zur Folge haben. Damit aber würde sich der Sinn der Verteidigungsanstrengungen ins Gegenteil verkehren.
Das ist genau unsere Meinung. Und das, was hier geschrieben worden ist, stammt nicht von uns, sondern von Herrn Professor Dr. Ludwig Erhard, Bundesminister für Wirtschaft, ,geschrieben in einem Weihnachtsartikel am Freitag, dem 24. Dezember 1954, im Handelsblatt Düsseldorf.
({34})
Meine Damen und Herren, ob Sie sich nun noch darüber unterhalten wollen, ob der Verteidigungshaushalt tabu sei oder nicht, spielt keine Rolle mehr, denn im Bewußtsein der Bevölkerung ist er nicht mehr tabu, ja eigentlich nicht mal mehr bei Herrn Kollegen Vogel, fällt mir gerade ein, und das muß ich zu seiner Rechtfertigung sagen. Denn er hat sinngemäß gesagt: Der Verteidigungshaushalt darf nicht zum Rangierbahnhof für Devisengeschäfte werden. Ich könnte auch sagen, er darf nicht zum Rangierbahnhof für Forschungsaufgaben werden. Das, was man bei den Universitäten und Hochschulen ablehnt, 'darf man nicht in den Verteidigungshaushalt einschmuggeln.
({35})
Aber fragen Sie mal die Hochschulen und Universitäten.
({36})
- Verglichen mit den Vereinigten Staaten! Herr Vogel, Sie müssen sich überlegen, was Sie sagen. Das ist ein gradueller Unterschied, der ist nicht mehr prinzipiell. Prinzipiell haben Sie dann meinen Standpunkt anerkannt. Wenn Sie auf die Vereinigten Staaten verweisen, 'handelt es sich nur noch um einen graduellen Unterschied.
Nehmen Sie eine so angesehene Zeitung wie die „Welt" ; da steht gestern im Leitartikel - nicht in einer Leserzuschrift - eine heftige Kritik über einen Beschluß, 25 Millionen für einen bestimmten Zweck nicht zu bewilligen. Was sagt man dazu:
Niemand wird im Ernst behaupten wollen, daß die 25 Millionen nicht woanders eingespart werden könnten, und wenn es an dem mit einem Tabu behafteten 16 Milliarden-Verteidigungsetat wäre. Ein paar Panzer mehr oder weniger sind belanglos angesichts der Entscheidung, ob die Bundesrepublik Anschluß an den modernsten Zweig der Technologie gewinnen soll oder nicht.
Ich war ganz erschreckt, als ich in der „Deutschen Zeitung" vom 7. April über eine Tagung der Friedrich-Naumann-Stiftung lesen mußte, Überschrift: „Maßhalten soll beim Bund beginnen - Absolute Wende in der Finanzpolitik erhofft". Meine Damen und Herren von der Koalition, wer erhofft an welchem Punkt diese absolute Wende? Kein Geringerer als ein Kollege, der wohl leider nicht in dieser Debatte spricht, Herr von Kühlmann-Stumm, der gesagt hat, auch im Verteidigungshaushalt sei viel Luft. Es mehre sich aber erfreulicherweise die Erkenntnis, daß dieser Titel nicht sakrosankt sei. Dies könne eine Einleitung zu einer absoluten Wende in der Finanzpolitik sein.
Ich muß zu diesen Äußerungen sagen, das wäre ein Punkt, der einige Aussicht zuläßt, daß man sich über eine neue Konzeption unserer Finanzpolitik in Bund, Ländern und Gemeinden verständigt. Ich wundere mich nur, Herr von Kühlmann-Stumm, daß Sie dann den Antrag beim Verteidigungshaushalt abgelehnt haben, wo wir Ansätze um 120 Millionen DM auf dem Bausektor kürzen wollten, z. B. bei den Titeln 741 his 746, Instandsetzung militärischer Liegenschaften, eine Kürzung von 25 Millionen, das ist ein Siebentel des Ansatzes. Das sind genau die 25 Millionen, von denen in dem Artikel gesprochen wird. Es gibt also schon Möglichkeiten, einiges zu tun, und man kann nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, daß im vorigen Jahr ein Viertel der Bundeseinnahmen für den Verteidigungshaushalt in Anspruch genommen wurde, in diesem Jahr ein Drittel, sich dann aber nicht veranlaßt sehen, die von uns gemachten Vorschläge ernst zu nehmen.
Ich erinnere nur an die Bauabteilung, die aus dem Schatzministerium in das Verteidigungsministerium hinübergenommen wurde. Das hat nichts mit dem Fibag-Ausschuß zu tun.
({37})
Das ist eine prinzipielle Sache.
Wer die Einheit der öffentlichen Finanzen bejaht, hat dafür zu sorgen, daß eine überzeugende Vertret1094
barkeit der Relation der Verteidigungslasten., der Soziallasten, der Lasten des Verkehrs, der Aufwendungen für kulturelle Aufgaben und der Aufwendungen für kommunale Aufgaben, um nur die wichtigsten Gebiete zu nennen, entsteht. Es darf auf keinem wichtigen Gebiet - hierin sollten wir uns einig sein - zu einer Unterbilanz in der Aufgabenerfüllung kommen.
({38})
Die sozialdemokratische Fraktion will in dieser Zielsetzung Wächter und Mittler sein, weil sie es für ihre Aufgabe als Opposition ansieht, diese Wächter-und Mittlerrolle insbesondere gegenüber der Bundesregierung zu übernehmen. Wir wären auch froh, wenn sich wieder das natürliche Gewicht des ganzen Parlaments, also der Legislative gegenüber der Exekutive, beweisen würde.
({39})
In den Haushaltsberatungen - ich sagte es schon - haben meine Kollegen gewissenhaft und konstruktiv mitgearbeitet. Wir haben den dringenden Wunsch, daß in Zukunft so disponiert wird, daß der Haushaltsausschuß nicht mehr die Hypothek der Zeitnot hinnehmen muß. Es sei hinzugefügt: wir können nur deshalb bis zur Osterpause den .Etat verabschieden, weil die Prüfung der Stellenpläne und Personalansätze erst im Mai und Juni 1962 erfolgt. In vielen Positionen entspricht der Etat nicht unseren Vorstellungen. Wir haben Verständnis dafür, daß die Mehrheit in allen Abschnitten, die die Regierungskonzeption betreffen, unseren Vorstellungen nicht folgen kann. Umgekehrt erwarten aber auch wir Verständnis, wenn wir daraus die Konsequenzen ziehen. Hinzu kommt noch, daß für den wichtigen Vollzug die Bundesregierung die Verantwortung trägt.
Diese Bundesregierung hat nicht unser Vertrauen. Den von ihr in der Verteilung der Gewichte bestimmten und von ihr zu vollziehenden Bundeshaushalt lehnt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ab.
({40})
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 53-Milliarden-Haushalt, den der Herr Finanzminister vor einigen Wochen vorlegte, vermittelte uns allen bestürzende Erkenntnisse. Eine Deckungslücke von 1,7 Milliarden DM, die von den Ländern übernommen werden sollte, eine globale Kürzung aller beeinflußbaren Ansätze um 12 % und ein Betrag von 1,8 Milliarden DM für Darlehen im außerordentlichen Haushalt und dazu die Gefahren erhöhter Ausgaben im Laufe des Haushaltsjahres schienen das Ende einer geordneten, ausgeglichenen Finanzwirtschaft des Bundes anzuzeigen. Der Haushalt des Bundes, der sich in den vergangenen Jahren in seltsamen Schlangenlinien um den Rand des Defizits herum bewegt hatte, war diesmal über den Rand hinaus ins Defizit geraten.
Eine solche Situation, so schlecht sie im einzelnen sein mag, hat auch ihr Gutes. Sie macht jedermann klar, wo er steht, und löst die Gesundungskräfte aus. Wir haben uns hier nicht von einer Resignation überwinden lassen. Der Herr Bundesfinanzminister hat mit seiner Haushaltsrede die notwendige Gegenbewegung eingeleitet. Dafür sollten wir ihm heute nach diesen schweren Wochen unseren herzlichen Dank aussprechen.
({0})
Es ist erfreulich, daß mit der Arbeit des Haushaltsausschusses vom Parlament her diese, sagen wir, Sanierungsarbeit, die der Finanzminister von seiner Seite aus begonnen hatte, entsprechend unterstützt wurde. Nur so, in dem gleichmäßigen Reagieren von Finanzminister und Haushaltsausschuß war es möglich, die ersten Schwierigkeiten zu überwinden. Unser geschätzter Kollege Dr. Vogel hat soeben eine eingehende Sachdarstellung der Haushaltsberatungen gegeben. Ich kann mich insoweit auf seine Ausführungen beziehen und möchte nur einige grundsätzliche Anmerkungen dazu machen.
Mit der Kürzung der Haushaltsansätze um über 1 Milliarde DM haben wir eine Globalkürzung von 12 % vermieden. Weitere Mittel in Höhe von 65 Millionen DM sind zur Beseitigung der Folgen der Flutkatastrophe bereitgestellt, einzelne Ansätze im Bereich der Landwirtschaft um 63 Millionen DM verbessert. Dennoch haben wir uns zu Beginn unserer Arbeit keinerlei Freunde in diesem Parlament gemacht. Es gingen wenig schmeichelhafte Worte über die Mitglieder des Haushaltsausschusses um. Unser Kollege Hermsdorf hat uns im Haushaltsausschuß über ein Gespräch berichtet, das er beim Mittagessen gehört hat, in dem wir als ,,Haushaltsknechte" bezeichnet wurden. Manch einer sieht ja in Finanz- und Haushaltsfàchleuten eine Art gehobener Buchhalter. Aber es hat noch nie einem Betrieb geschadet, wenn sachlich und nüchtern rechnende Buchhalter in der Firmenleitung mitbestimmen. Inzwischen hat sich aber auch hier ein Sinneswandel vollzogen. Die Tatsache, daß eingespart wurde, ist inzwischen von der öffentlichen Meinung begrüßt worden. Es hat sich gezeigt, daß der größte Teil unserer Bevölkerung den allgemeinen Wohlstand, an dem er selbst teil hat, gezielten Einzelaktionen vorzieht, bei denen er nie weiß, in welchem Umfang er an ihnen teilhaben wird. Aber seien wir uns alle darüber klar: Wir stehen erst am Beginn unserer Aufgabe. Der Sturm um die Finanzwirtschaft der Bundesrepublik hat erst begonnen. Und was wir hier erreicht haben, ist nicht mehr, als zu verhüten, daß das Staatsschiff gleich bei der ersten Bö in Schwierigkeiten geriet. Bis die Schwierigkeiten insgesamt überwunden sein werden, wird noch manche Maßnahme zu ergreifen sein. Die Erweiterung des Haushaltsgesetzes um den § 8, den Dämpfungsparagraphen, war eine der ersten Aktionen.
Der Herr Finanzminister des Landes Bayern, Herr Minister Eberhard, hat in der vorigen Woche hier zur zweiten Lesung des Haushalts gesprochen. Minister Eberhard hat dabei die Arbeit des HaushaltsDr Emde
ausschusses positiv beurteilt. Ich darf - ich glaube, auch im Namen aller Kollegen der beiden anderen Fraktionen - für diese freundliche Erwähnung danken. Minister Eberhard hat dabei aber - und das war der für uns sachlich bedeutsame Teil seiner Rede - festgestellt, daß die Länder zu einer fairen Zusammenarbeit mit dem Bund bereit seien. Er hat besonders darauf hingewiesen, daß der Bundesrat in der Vergangenheit im zweiten Durchgang noch nie den Vermittlungsausschuß zur Verabschiedung des Bundeshaushalts angerufen habe. Ich bin überzeugt, daß Minister Eberhard die Erwähnung dieser Tatsache nicht so im Vorbeigehen hingestreut hat, sondern ich bin überzeugt, daß er damit den Willen zumindest des größeren Teiles des Bundesrats ausdrücken wollte, auch in diesem Jahr in ähnlicher Weise zu verfahren.
Es ist für die Länder haushaltstechnisch im heutigen Zeitpunkt des Haushaltsjahres ohne Zweifel keine leichte Aufgabe, die 1050 Millionen DM bereitzustellen, die zum Ausgleich unseres Haushalts benötigt werden. Ich darf für meine Fraktion diese Länderbereitschaft ausdrücklich begrüßen, weil sie bei uns die Hoffnung verstärkt, daß die zukünftigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern unter psychologisch günstigen. Verhältnissen beginnen können.
Dabei möchte ich aber einige Tatsachen besonders herausstellen.
Erstens. Bundesfinanzminister und Haushaltsausschuß des Bundestages haben die Debatte des Bundesrats beim ersten Durchgang des Bundeshaushalts aufmerksam verfolgt. Einige wesentliche Vorschläge des Bundesrates - Erhöhung der Steuereinnahmen, Kürzung des Schuldendienstes - sind berücksichtigt worden.
Zweitens. Der Bund muß, um eine bewegliche Haushaltsführung während des Jahres 1962 sicherzustellen, die erwarteten 1050 Millionen DM als eine echte Einnahme erhalten. Die Vorstellung, eine Ausfallgarantie in dieser Höhe würde zur Überbrückung der gegenwärtigen Krise ausreichen, ist irrig. Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern sollte auch im finanziellen Bereich so sauber und klar sein, daß nicht mit Begriffen wie „wenn" und „dann" gearbeitet werden muß.
Drittens. Die Länder sollten die jetzige Situation nicht dazu ausnützen, in ein nach der Vorstellung einiger Leute bestehendes finanzielles Vakuum hineinzustoßen. Ich möchte mich hierbei ausdrücklich auf die Darstellung unseres verehrten Kollegen Niederalt in der 153. Sitzung des vorigen Jahres bei der dritten Lesung des Etats 1961 beziehen, in der Sie, Herr Kollege Niederalt, klar Stellung gegen Bestrebungen genommen haben, Gemeinschaftseinrichtungen der Länder zu schaffen, die Sie eine Staatenbundverwaltung innerhalb des Staatenbundes nannten.
Ich berufe mich nicht darum auf Sie, Herr Kollege Niederalt, weil ich bemüht bin, meine schlanke Figur hinter Ihrer etwas stämmigeren bayerischen, föderalistischen Figur zu verbergen. Ich berufe mich darum auf Sie, weil ich Ihre Formulierung so überzeugend gefunden habe.
Warum sage ich dies? Nun, es gehen Gerüchte um, daß in Sachen Flutkatastrophe Verhandlungen zwischen den betroffenen und den anderen Ländern geführt werden, in denen es um Mittel in einer Größenordnung von rund 400 Millionen DM geht. Ist das nun ein horizontaler Finanzausgleich, oder entsteht dasselbe, was Herr Kollege Niederalt im vergangenen Jahre heraufziehen sah? Ehe Entscheidungen fallen, sollten in eingehenden Beratungen die Tatbestände geklärt werden. Die Lösung überregionaler, auch finanzieller Aufgaben, kann nur Aufgabe des Bundes sein.
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Ich darf ein kleines Gedicht von Heinrich Heine zitieren, in dem wir vielleicht manches Symbol für das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden finden können. Es heißt:
Wenn ich nach andrer Leute, andrer Leute Schätze spähe und vor fremden Liebestüren
schmachtend auf und nieder gehe, treibt's vielleicht die anderen Leute hin und her am anderen Platze
und vor meinem eigenen Fenster äugeln sie mit meinem Schatze.
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Dies ist menschlich.
Gott im Himmel
schütze uns auf allen Wegen, Gott im Himmel geb uns allen, geb uns allen Glück und Segen.
Dieses Glück und diesen Segen wünschen wir uns für Bund, Länder und Kommunen und für die Steuerzahler.
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Wir sehen aber neben diesen Fragen des Haushaltsausgleichs ein ungleich schwereres Problem aufziehen. Hier in diesem Hohen Hause wird seit Jahren wie in den Ländern und Gemeinden bewegt darüber geklagt, daß immer größere Teile des öffentlichen Haushalts durch finanzielle Auswirkungen der Gesetzgebungstätigkeit betoniert werden und daß damit der freie Raum einer echten Finanzpolitik ständig eingeschränkt wird. Dazu ergibt sich eine neue Gefahr. Ich meine den Prozentanteil des Sozialprodukts. Das ist eine Methode einer Haushaltspolitik, die nicht unwidersprochen hingenommen werden kann. In Prozentanteilen des Sozialprodukts werden Leistungsforderungen für Verteidigung und Entwicklungshilfe ausgedrückt, wobei z. B. angenommen wird, daß 1 % des Sozialprodukts, unabhängig von den Leistungen für die Entwicklungshilfe, die die Wirtschaft aufbringt, vom Staatshaushalt aufgebracht werden sollte. 1 % sind heute bei uns rund 3,5 Milliarden. Wenn sich dazu die Vorstellung durchsetzen sollte, daß 6% des Sozialprodukts für die Verteidigungsleistungen erwartet werden, also rund 20 Milliarden, dann ist damit eine echte Finanzpolitik auch von dieser Seite her in Trümmer geschlagen.
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Dr Emde
Derartige Rechnungen müssen stets die Leistungen für Berlin, für Flüchtlinge, für Kriegsfolgenbeseitigung mitberücksichtigen; denn wir stehen hier nicht nur geographisch in vorderster Linie im Kampf gegen den Kommunismus. Unsere Leistung für die freie Welt beruht mitentscheidend auf der Stabilität unserer Wirtschaft und auf einer gerechten Sozialordnung. Jede Gefährdung eines dieser Faktoren schafft unübersehbare Gefahren. Schon einmal ist im Verlauf einer Wirtschaftskrise der deutsche Staat in eine Katastrophe geraten, deren Folgen wir heute alle gemeinsam zu überwinden suchen. Möge jedermann erkennen, daß eine stabile deutsche Wirtschaft und ein stabiles deutsches Sozialgefüge auf lange Sicht höhere Leistungen für die Sicherheit und die Entwicklungshilfe bedeuten als das kurzfristige Ergebnis einer finanziellen Überbeanspruchung.
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Militärische Sicherheit, wirtschaftliches Wachstum und eine gerechte Sozialordnung sind die Fundamente unserer politischen Arbeit. Wenn für die militärische Sicherheit und die Sicherung Berlins rund 16,5 Milliarden aufgewendet werden, dann ist das schon ein gewaltiger Betrag. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß das nicht der endgültige Höchstbetrag sein wird. Wir wünschen aber - und da treffen wir uns durchaus mit den Vorstellungen der Herren Kollegen Dr. Vogel und Dr. Möller -, daß das Verhältnis zwischen den Kosten für die Sicherheit und dem gesamten Haushaltsvolumen sich in Zukunft wieder günstiger gestaltet; denn 1 sonst werden die Haushaltsprobleme für uns unlösbar sein.
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Da die Ausgaben des Bundes sich seit Jahren starker erhöhen als die Einnahmen, muß jetzt eine Lösung gefunden werden. Eine Steuererhöhung würde ohne Zweifel unsere überbelastete Wirtschaft schwer gefährden.
Wir sind uns alle darüber einig, daß das gesamte Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden ausreicht, die Aufgaben zu finanzieren. Es ist nur eine Frage der Verteilung - auch darüber sind wir uns einig - des Steueraufkommens zwischen diesen drei Bereichen der öffentlichen Hand. Um eine Steuererhöhung zu vermeiden, erwarten wir daher, daß der Anteil des Bundes an der Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer in fairen Verhandlungen mit den Ländern zum Jahre 1963 erhöht wird. Dabei wollen wir nicht die Länder finanziell aushöhlen. Wir sehen den heutigen Verfassungszustand als gegebene Tatsache an, auf Grund deren eine finanzielle, aber auch eine sachliche Bereinigung zwischen Bund und Ländern herbeigeführt werden soll. Ich sehe in solchen Maßnahmen den ersten Schritt zur Vorbereitung der notwendigen Finanz- und Steuerreform, die in dieser Legislaturperiode in wesentlichen Teilen verwirklicht werden soll.
So ist dieser Haushalt für uns alle ein Übergangshaushalt. Mit dem Jahre 1961 ging die Zeit zu Ende, in der steigende Ausgaben ohne große Mühe von noch größeren Einnahmen übertroffen wurden. Jetzt
beginnt der Abschnitt der Finanzpolitik, der von einem Überholen der Einnahmen des Bundes durch die Ausgaben gekennzeichnet ist. Dieser Haushalt beginnt mit den Maßnahmen gegen diese Entwicklung, Maßnahmen, die im nächsten Jahr erheblich verstärkt werden müssen. Die Finanzreform wird die Konsequenzen aus dieser Entwicklung zu zie hen haben. Daß dabei unsere Forderung nach Sparsamkeit der öffentlichen Hand nun zu Ergebnissen führen muß, ist unbestritten und eine der Voraussetzungen der erfolgreichen Finanzpolitik, die wir uns wünschen.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP wird diesem Etat zustimmen. Gewiß sehen wir in diesem Zahlenwerk nicht der Weisheit letzten Schluß. Manches wünschen wir uns für das Jahr 1963 geändert und verbessert. Aber schwerer wiegt für uns die politische Erklärung, daß wir diesem Etat zustimmen, weil wir die Arbeit dieser Koalition bejahen.
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Die Bundesregierung 'hat in der Regierungserklärung ein umfassendes Programm für diese Legislaturperiode vorgelegt. Eigentumsbildung für breite Schichten unseres Volkes ist darin ebenso hervorgehoben wie die Notwendigkeit großer sozialpolitischer Reformwerke. Die Fraktionen der Koalition haben den festen Willen, die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. Jeder sollte wissen, daß das Programm der Bundesregierung nicht auf einmal erfüllt werden kann. Es bedarf vielmehr einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Vorhaben. Sie müssen nach Notwendigkeit und Dringlichkeit gegeneinander abgewogen werden, damit die Reihenfolge ihrer Durchführung bestimmt werden kann. Nur so wird es uns möglich sein, die öffentlichen Haushalte und die Wirtschaft vor untragbaren Lasten zu bewahren.
Jeder, der heute alles fordert, sollte wissen, daß er damit alles, was unser ganzes Volk in den letzten Jahren erarbeitet hat, gefährdet. Eine sinnvolle und gerechte Sozialpolitik hat die Erhaltung der Kaufkraft der Währung zur unverzichtbaren Voraussetzung. Gelingt es nicht, die Kaufkraft der Währung stabil zu erhalten, so wird jede Verbesserung sozialer Leistungen nicht der Verbesserung der Lage der Berechtigten dienen, sondern nichts anderes sein als eine Anpassung an die geschwundene Kaufkraft. Das wäre das Ende aller verantwortungsbewußten und wirkungsvollen Sozialpolitik.
Wir sind gewillt, im Rahmen der Koalition mit unserem Partner entsprechend den getroffenen Vereinbarungen loyal zusammenzuarbeiten, wobei wir überzeugt sind, daß Unterschiede des Temperaments und der Initiative dem Gesamten nur nützen. Wir sind aber ebenso gewillt, die Argumente der parlamentarischen Opposition loyal zu achten und loyal über sie zu diskutieren. Das, was in diesem Jahre im Haushaltsausschuß geschehen ist, war ein echtes Beispiel dieser loyalen Zusammenarbeit. Wenn ich für meine Fraktion im Haushaltsausschuß sagen darf, daß unsere Arbeit, die wir in den letzten Wochen so sehr im Brennpunkt des öffentlichen
Dr Emde
Interesses geleistet haben, nunmehr für einige Monate wieder in der Verborgenheit des Sitzungszimmers 216 A vor sich gehen wird, so möchte ich dem von uns so entscheidend mitgestalteten Werk, diesem Haushalt, für das Jahr 1962 einen doppelten Wunsch mit auf den Weg geben. Viele tausend Beamte und Angestellte werden jetzt über diese 53,4 Milliarden zu bestimmen haben! Sie werden die Beträge verwalten, die wir heute hier endgültig verabschieden. Unser Wunsch: Möge sich jeder von diesen Männern im klaren sein, daß er das Geld der Allgemeinheit verwaltet! Möge sich die Arbeit eines jeden von ihnen zum Nutzen für das ganze deutsche Volk auswirken!
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Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch etwas zurückblenden zu den Ausführungen des Herrn Kollegen M o 11 e r. Ich habe den Eindruck, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen weitgehend Schwarzweiß-Malerei,
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weitgehend eine sehr einseitige, bewußt einseitige Darstellung waren. Denn, Herr Kollege Möller, ich kann Ihnen nicht unterstellen, daß die Sachkunde Ihnen diese einseitige Darstellung hier eingegeben hat; ich glaube, es war eine bewußt einseitige Darstellung.
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Im einzelnen kann ich das nicht ausführen, sonst müßte ich weite Passagen des sehr verehrten Herrn Kollegen Möller wiederholen.
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Ich möchte nur auf einige Punkte zurückgreifen.
Herr Kollege Möller, da haben Sie den neugeschaffenen § 8 des Haushaltsgesetzes verniedlicht und davon gesprochen, daß der Herr Bundesfinanzminister das viel leichter hätte machen können. Er hätte nur in den Haushaltsausschuß gehen müssen und hätte dort die 20 %ige Sperre durchsetzen können. Herr Kollege Möller, ich nehme an, daß Sie ganz genau wissen, daß das gesetzlich nicht möglich ist.
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- Herr Kollege Schäfer, wenn Sie es auch nicht wissen, dann tut es mir leid.
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Nur nach § 7 - aus ganz anderen Gründen - kann der Bundesfinanzminister eine Sperre vornehmen, nicht aus konjunkturpolitischen Gründen. Überlegen Sie sich doch, was Sie sagen, und stellen Sie die Materie nicht so einfach dar.
Ein Weiteres. Das Verhältnis des Bundeskanzlers zum Bundeswirtschaftsminister, das Sie heute wieder geschildert haben, - das ist doch alles so einseitig dick aufgetragen. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, wenn man sich an Ihre Ausführungen in den vergangenen Jahren erinnert. Da hatten wir einen Bundeskanzler, der war autoritär bis diktatorisch. Das war doch die ganzen Jahre über der Inhalt Ihrer Kritik. Am vergangenen Dienstag haben wir aus der Rede von Herrn Ollenhauer erfahren, daß wir einen Bundeskanzler haben, der viel zu lax und zu weich ist und die Zügel schleifen läßt. Heute haben wir von Herrn Möller wieder erfahren, daß wir einen Bundeskanzler haben, der nichts tut, als dem Bundeswirtschaftsminister Erhard kräftig eins zu geben und ihn kräftig zu dämpfen, und der zu stark ist.
Meine Damen und Herren, in den Augen der Opposition - das muß ich doch einmal sagen -schillert der Bundeskanzler offensichtlich in den buntesten Farben.
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- Nein, ich halte nicht viel von solchen Schwarzweiß-Malereien.
Ein anderer Punkt: zur Baukonjunktur. Da beschweren Sie sich, daß in unseren Reihen gerungen wird über Verbotsprinzip oder Erlaubnisprinzip, und Sie sagen - völlig auch nach meiner Meinung in diesem Punkt -, daß Sie mehr für das Verbotsprinzip sind, aber daß Sie nicht so viele Ausnahmen zulassen wollten wie wir, und ein paar Sätze weiter kritisieren Sie, daß wir auch den Straßenbau aufgenommen haben, und sagen, hier müßte eine Ausnahme gemacht werden.
Wenn ich Ihre Rede im einzelnen durchlese, finde ich noch viele Punkte, die man unter diesem Gesichtspunkt „Schwarz-weiß-Malerei", „einseitig darstellen", herausgreifen kann.
Sie haben ein sehr schönes Zitat gebracht, Herr Kollege Möller: „Wofür man Geld hat, das läßt einen Schluß zu auf den Menschen." So ungefähr zitierten Sie. Herr Kollege Möller, wollen wir uns doch ganz klar darüber sein: Das ist ein schöner Satz, der hört sich gut an: „Wofür man Geld hat, das läßt einen Schluß zu auf den Menschen." Dieser Satz gilt vielleicht im Leben des Einzelnen, des Privaten, dort wo dieser Private genügend Geld hat. Aber in den meisten Fällen gilt er nicht einmal im Leben des Einzelnen; und erst recht gilt er nicht bei der öffentlichen Hand. Herr Kollege Möller, das wissen Sie doch. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Ihren Kollegen, die Oberbürgermeister einer Gemeinde sind! „Wofür man Geld hat, das läßt den Schluß auf den Menschen zu" - unterhalten Sie sich mit Ihren Herrn Oberbürgermeistern Ihrer Großstädte, ob die der Auffassung sind, daß es richtig sei, aus den Notwendigkeiten der Ausgaben in ihrer Gemeinde Schlüsse auf sich, auf den Menschen zu gestatten. Das paßt nicht in den Gemeinden, das paßt nicht in den Ländern, und das paßt erst recht nicht auf die Ausgaben des Bundes. Wir leben nun einmal in einer harten Welt. Mitten durch unser Land geht die Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit. Da kann
man nicht sagen: „Wofür man Geld hat, das läßt einen Schluß auf den Menschen zu." Wir müssen Dinge tun - Sie auch mit! - die viel Geld kosten und gar keinen Schluß zulassen auf das, was man gern tun wollte, weil wir in einer bestimmten Situation leben und mit ihr fertigwerden müssen.
Ein Wort zu den Verteidigungskosten, die Sie auch angesprochen haben. Ich habe mich gefreut, daß Sie wenigstens dem Grunde nach die Verteidigungskosten bejaht haben. Sie meinten, bezüglich der Höhe - das war jedenfalls die Tendenz Ihrer Ausführungen - könnte man einiges bemerken. Herr Kollege Möller, auch wir sind der Auffassung, daß im Haushalt nichts tabu sein soll.
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Aber, Herr Kollege Möller, Sie und ich und wir alle hier wissen es, daß es gerade auf diesem Gebiet sehr schwer ist, weil wir unsere Verteidigung auf der NATO aufbauen und weil dann immer wieder die internationalen Vergleiche angestellt werden, was das eine Land aufbringt an Verteidigungskosten im Verhältnis zum Sozialprodukt und was das andere aufbringt. Sie wissen ganz genau, daß uns immer viel höhere Forderungen entgegengehalten werden. Es ist also nicht so einfach; das wissen Sie.
Dann noch ein Wort, weil Sie meinten - und Herr Kollege Schoettle vor allem hat das in der zweiten Lesung sehr deutlich angesprochen -, wir hätten die Anträge der Opposition einfach niedergestimmt,
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so ungefähr, weil die Anträge von der Opposition kommen. Meine Damen und Herren, das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Wir haben Ihre Anträge nicht niedergestimmt, sondern wir haben darüber abgestimmt, genauso wie wir im Haushaltsausschuß abgestimmt haben; und es ist doch weiter nicht verwunderlich, wenn die Anträge, die wir im Haushaltsausschuß schon mit Mehrheit abgelehnt haben, auch hier bei der Mehrheit kein Gefallen finden. Das ist doch auch bei anderen Gesetzesvorlagen so, daß sie in den Ausschüssen beraten werden, daß eine Mehrheit in dem Ausschuß so und so entscheidet und daß die Entscheidung hier im Plenum wieder fast genauso ausfällt. Da kann man doch nicht von Niederstimmen. sprechen.
Und da gibt es noch einen Hinweis, den ich Ihnen machen möchte. Sicher, bei manchem Antrag, den Sie gestellt haben, hätte der eine oder andere von uns lieber ja gesagt als nein, gern, liebendgern ja gesagt. Aber die Deckungsvorschläge, Herr Kollege Schäfer, die Sie uns vorgelegt haben, waren mangelhaft bis ungenügend. Sie haben ja so gut wie keine Deckungsvorschläge gemacht. Sie haben zwei Deckungsvorschläge gemacht. Der eine bezieht sich auf die berühmten 160 Millionen, das Defizit des Jahres 1961. Sie wissen doch so gut wie wir, daß wir dieses Defizit nicht noch ein Jahr länger vor uns herschieben können auf den Haushalt 1963, der uns sowieso größere finanzielle Probleme bringt als der Haushalt 1962. Das wissen Sie doch alle so gut wie wir.
Der andere Deckungsvorschlag beruhte auf der Steuerhöherschätzung. Wenn ,ich diesen Deckungsvorschlag zugrunde gelegt hätte, wären wir auf eine Steuerhöherschätzung von 291 Millionen DM plus 168 Millionen DM, also von rund 460 Millionen DM, gekommen. Und dabei wissen auch Sie, daß der Herr Bundesfinanzminister gerade für die Frage, ob man es überhaupt verantworten kann, eine Steuerhöherschätzung in Höhe von nur 291 Millionen DM zugrunde zu legen, eine Sachverständigenkommisslion einberufen hat und daß diese Sachverständigenkommission, der Vertreter der Bundesbank, des Statistischen Bundesamtes und der wissenschaftlichen Institute angehörten, zu dem Ergebnis gekommen ist: Nein, die Situation läßt im Augenblick eine Steuerhöherschätzung nicht zu. Trotzdem haben wir eine Steuerhöherschätzung in Höhe von 291 Millionen DM vorgenommen. Wenn wir Ihren Deckungsvorschlag zugrunde legen wollten, betrüge diese Steuerhöherschätzung nicht 291, sondern 460 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, ich wende mich deshalb gegen all diese Vorschläge und Ausführungen, weil wir im Haushaltsausschuß und weil wir bei unserer Haushaltsarbeit - nach meiner Meinung wenigstens - furchtbar nüchtern sein müssen. Es bleibt uns wenig Raum für Poesie, und es bleibt uns wenig Raum für schöne Reden. Wir haben es mit Zahlen zu tun; die sind nüchtern, und wir müssen uns damit auseinandersetzen, manchmal sehr gegen unser Herz, möchte ich sagen, weil die Wirklichkeit eben härter ist als wir.
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Nun darf ich noch ein paar Gedanken zum Haushalt 1962 anfügen. Ich werde mich sehr kurz halten, weil ja schon das meiste gesagt ist. Noch bei Einbringung des Haushalts im Bundesrat ,sah es so aus, als .ob der Haushalt 1962 eine schwere Belastung für das Verhältnis Bund-Länder bringen würde. Ich bin sehr glücklich darüber, daß die Entwicklung - ich will sie nicht im einzelnen aufzeigen - nunmehr doch so gelaufen ist, daß wir annehmen dürfen, daß diese schwere Belastung im Verhältnis Bund-Länder nicht eintritt.
Die Haushaltsberatungen des Jahres 1962 haben ihr Klassenziel erreicht. Sie wissen, das eine Ziel war die Beseitigung der unschönen Globalkürzung, die mit einem Betrag von 620 Millionen DM angesetzt war. Diese Globalkürzung ist weg durch gezielte Einsparung. Das andere Ziel war, den Länderbeitrag in Höhe von 1740 Millionen DM so weit herabzudrücken, daß die Länder billigerweise nicht mehr den Vermittlungsausschuß anrufen können.
Die Arbeit, die wir im Haushaltsausschuß geleistet haben, war sehr schwierig. Ich glaube, ich spreche wiederum für die Kollegen aller Fraktionen im Haushaltsausschuß, wenn ich sage, daß wir manchmal Kritik von unseren Kollegen haben entgegennehmen müssen. Oh, da gab es so viele schöne Worte, z. B. vom Haushaltsausschuß als Superausschuß. Es gab unschöne Dinge auch in der Verwaltung. Ich erwähne nur einen Punkt. Es ist vorgekommen, daß sich ein Angehöriger der Verwaltung
offensichtlich das Alarmsystem der Lobbyisten angeeignet hat, als eine Kürzung vom Haushaltsausschuß vorgenommen wurde, die ihm nicht paßte.
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Ich erwähne es nicht deshalb, weil mir der Einzelfall so wichtig erscheint
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- da handelt es sich um ganz geringe Summen -,
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sondern weil wir das hier zum erstenmal gesehen haben und weil wir die Bundesregierung bitten müssen, sehr streng darauf zu sehen, daß so etwas nicht mehr vorkommt.
({12})
Nun, unsere Härte hat sich gelohnt. Sie wissen, daß wir dadurch endlich wieder - nach meiner Meinung endlich wieder - zur ursprünglichen Aufgabe des Parlaments zurückgekommen sind. Das ist vielleicht mittelbar der schönste Erfolg, daß das Parlament bei diesem Haushaltsplan zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückgefunden hat, die ja im Zurückschneiden der Wünsche der Exekutive, nicht aber im Überbieten und im Ausweiten des Haushalts besteht und bestand.
Eine Feststellung darf ich auch noch treffen. Das ausgezeichnete Echo in der Öffentlichkeit, das die Arbeit des Haushaltsausschusses gefunden hat, zeigt mir deutlich - einschließlich des „Vorwärts", Herr Kollege von der Opposition -, daß der einfache Staatsbürger viel vernünftiger denkt, als uns manche Funktionäre von Interessentenverbänden immer wieder vormachen wollen.
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Das Echo beweist mir, daß der einfache Staatsbürger genau weiß, daß die öffentliche Hand einfach nicht geben kann, was sie nicht vorher vom Steuerzahler genommen hat, und daß deshalb die ewigen Forderungen an den Staat und an die öffentliche Hand nicht der Weisheit letzter Schluß sind.
Nach all dem, meine Damen und Herren, was schon zum Haushalt 1962 gesagt wurde, kann ich dem Haushalt 1962 nur Glück wünschen, Glück wünschen für seinen ferneren Weg, vor allem auf seiner nächsten Station, dem Bundesrat. Hier wünsche ich ihm, daß er nur einen ganz kurzen Aufenthalt hat, daß nicht der Vermittlungsausschuß angerufen wird, und ich wünsche ihm, daß der Bundeshaushalt vom Bundesrat bei der nächsten Station ausgestattet wird - wenn ich so sagen darf - mit dem Proviant, der im Tit. 96 des Einzelplans 60 vorgesehen ist, nämlich mit den berühmten 1 050 000 000 DM, und daß diese global und ohne Bedingung gegeben werden. Ich wünsche dem Haushalt Glück im weiteren Vollzug bei § 8, den ich heute schon angesprochen habe; im § 8 ist eine bedeutungsvolle Ermächtigung der Legislative gegenüber der Exekutive dargestellt, das wollen wir gar nicht unterschätzen. Wir wünschen bei diesem § 8 eine weise und glückliche Hand,
Zurückhaltung auf der einen Seite, aber Entschiedenheit auf der anderen Seite. Ich wünsche vor allem dem Haushalt 1962 noch viel Glück beim Steuereingang. Die bisherigen Ergebnisse lassen nicht erwarten, daß es etwa wieder so kommt, wie wir das bisher gewohnt waren, daß nämlich die noch so hohen Ziffern übertroffen wurden.
Meine Damen und Herren! Ein Teil des Haushalts wird allerdings gleich nach der Behandlung im Bundesrat wieder zu uns zurückkehren. Es ist jener Teil, der die Personalmehranforderungen enthält. Sie wissen, daß der § 12 dem Haushaltsausschuß die Ermächtigung gibt, die von der Bundesregierung in den Haushaltsentwurf gesetzten Planstellen nachzuprüfen und dann erst im Mai/Juni zu entscheiden. Jeder im Haushaltsausschuß, der Erfahrung hat, weiß, daß dieser Teil der Beratung, die Beratung über die Personalien, der schwierigste, der zeitraubendste und der die Nerven am meisten aufreibende Teil ist. Für 1962 sind nicht mehr und nicht weniger als 16 933 Bedienstete neu angefordert, davon 9623 Beamte, 5802 Angestellte und 1508 im Arbeitsverhältnis. Diese sollen also - wenn es nach dem Regierungsentwurf geht - neu zu den jetzt schon vorhandenen 254 269 Bundesbediensteten hinzukommen. Ich muß diese große Zahl nennen, damit die Damen und Herren, die sich meistens nur mit einzelnen Fällen zu befassen haben, hier einmal einen Überblick über die Gesamtentwicklung bekommen. Bei dieser Personalgesamtentwicklung bitte ich Sie alle, meine Damen und Herren, doch eines nicht zu übersehen: die Hauptlast der Verwaltung ruht bei den Gemeinden und bei den Ländern. Dazu kommt noch ein weiteres Moment, das wir auch nicht übersehen dürfen. Wir bauen eine neue Verwaltungsetage in den supranationalen Behörden auf. Wenn man das alles weiß und die enormen Ziffern sieht, deren Bewilligung von uns erwartet wird, wenn man also weiß, was sich in den Gemeinden und Ländern und bei den supranationalen Behörden tut, daß dort nämlich praktisch eine neue Verwaltungsetage gegründet wird, dann wird man verstehen, daß wir diesen Stellenwünschen nur mit alleräußerster Zurückhaltung begegnen können. Dann wird man auch verstehen, daß wir die Bundesregierung, und zwar jeden einzelnen Bundesminister, dringend ersuchen müssen, in Zukunft etwas maßvoller zu sein. Wir müssen auch dringend ersuchen, uns bei der Beratung im Mai/Juni dadurch zu helfen, daß man sich, wie man das auch bei den Beratungen des Etats 1962 gemacht hat, vernünftig zusammensetzt und herausbringt, was wirklich unabdingbar ist; denn nur auf das Unabdingbare kann es ankommen.
Die Ursachen für die Personalausweitung sind vielschichtig und sehr schwierig darzustellen. Ich will mich hier und jetzt nicht verbreitern, aber eines habe ich, wenn es galt, eine neue Aufgabe entweder bei einem neuen Minister oder eine neue Aufgabe bei einem schon längst vorhandenen Minister zu stabilisieren, immer festgestellt: am Anfang war die Planstelle, so heißt es hier. Die Aufgabe ist noch nebulos, sie ist noch wenig konkretisiert; sie ist nicht präzisiert, und man weiß nicht im einzelnen, was an Arbeit anfallen wird, aber man weiß schon ganz genau, wieviel Planstellen man braucht. Man
braucht eine A-16-Stelle für einen Ministerialrat, eine A-14-Stelle für ein Oberregierungsrat und eine A-13-Stelle für einen Regierungsrat. Das weiß man also bei den neuen Aufgaben schon ganz genau von Anfang an.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch bei der Bedeutung dieser Dinge, daß Sie uns alle, vor allem auch in den Fachausschüssen, in dieser Arbeit unterstützen, weil wir alleine einfach nicht zu Rande kommen. Immer wieder muß ich feststellen, daß gerade .die Fachausschüsse sich in allen diesen Einzelfragen zum Verteidiger des Ressorts machen ---eine völlige Umkehrung der Rolle des Parlaments - und unsere Beratungen im Haushaltsausschuß auch noch erschweren. Ich wäre also dankbar, wenn die Bundesregierung - deshalb habe ich das Thema hier angesprochen - zur Kenntnis nähme, daß wir bei den Beratungen im Mai/Juni erwarten, daß die Bundesregierung von sich aus, nicht offiziell, weil ja eine Vorlage vorliegt, aber die einzelnen Bundesminister von sich aus ihre Wünsche auf ein Maß zurückstellen, daß man ernsthaft darüber diskutieren kann.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß ein paar Bemerkungen zum Haushalt 19631 Ich will mich nicht auf Spekulationen einlassen. Daß der Ausgleich des Haushalts 1963 schwierig sein wird, das zeichnet sich schon 'deutlich ab. Daß auch in diesem Haushaltsjahr 1963 wieder das Verhältnis Bund -Länder sehr deutlich angesprochen wird, das wissen wir auch. Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, daß diesmal eine andere Regelung als im laufenden Haushaltsjahr Platz greifen muß, daß die Regelung diesmal auf der Grundlage des. Art. 106 erfolgt. Wir müssen uns auch einig sein - vor allem muß man sich im Schoße der Regierung darüber einig sein -, daß es bei der Aufstellung des Haushalts 1963 weniger Tabus geben darf als im Haushalt 1962. Ich meine mit den Tabus die vielen Zweckbindungen auf gesetzlicher Grundlage. Diese Zweckbindungen, das hat sich in diesem Jahr erstmalig und deutlich gezeigt, bringen eine ausgesprochene Ungerechtigkeit innerhalb des Etats mit sich. Wenn nämlich für gewisse Aufgaben auf Grund von Spezialgesetzen bestimmte Ausgaben einfach gesetzlich festgelegt sind und wenn man 'dadurch gezwungen ist, die notwendigen Einsparungen auf den restlichen kleinen Teil zu verlagern, so ergibt sich innerhalb des Haushalts eine Ungerechtigkeit, und außerdem - darauf möchte ich noch ganz besonders hinweisen - führt ein solches Verhalten, führen derartige Zweckbindungen zwangsläufig zu Steuererhöhungen; denn sie engen den Spielraum so ein, daß es nur einen ganz geringen Ausweg geben wird. Ich möchte auf die Schwierigkeiten, die auf den Haushalt 1963 zukommen, nicht im einzelnen eingehen. Ich bin aber - und damit möchte ich schließen - fest überzeugt, daß die vielen Schwierigkeiten beim Verhältnis Bund-Länder alle überwunden werden können, genau wie sie im Haushaltsjahr 1962, wie mir scheint, überwunden werden konnten, wenn der gute Wille auf' beiden Seiten, auf seiten des Bundes und auf seiten der Länder, vorhanden ist.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Möller, Sie haben sich in Ihrer großen Haushaltsrede, ich möchte eigentlich mehr sagen: in Ihrem Plädoyer - weil die Tatsachen etwas zu kurz gekommen sind,
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auf die Rücksicht genommen werden könnte - im Schlußteil Ihrer Ausführungen auch eingehend mit meiner Antwort auf die Kleine Anfrage befaßt. Sie haben zunächst eine Behauptung aufgestellt, die mir absolut unverständlich ist, und zwar haben Sie behauptet, ich hätte in der Beantwortung eine Urteilsschelte vorgenommen. Abweichend von anderen Meinungen scheint es mir durchaus zulässig zu sein, jedes gerichtliche Urteil einer in der Form ordentlichen, aber sachlichen Kritik zu unterziehen. Dieses Recht wollen wir uns nicht nehmen lassen. Die wesentlichsten Fortschritte in der Rechtswissenschaft haben sich durch eine wissenschaftliche Urteilsschelte vollzogen, - um das einmal klarzustellen.
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- Aber ich habe den Eindruck, daß die Kritik sehr zutreffend war.
Herr Kollege Möller, Sie haben erklärt, ich hätte eine unzulässige Urteilsschelte in der Antwort begangen. Ich darf Ihnen folgendes erwidern. Ich habe in der Antwort auf die Kleine Anfrage das Urteil gegen Ihre Kurzfassung verteidigt. Sie haben nämlich in der Kleinen Anfrage den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht in allen seinen Bestandteilen wiedergegeben, sondern Sie haben nur eine auszugsweise, auf den Fall und auf Ihre Interessen zurechtgeschnittene Kurzfassung vorgelegt, in der wesentliche Bestandteile nicht enthalten waren, nämlich der Hinweis darauf, daß bei der Beamtenbesoldung wirtschaftliche und finanzielle Interessen und Situationen zu berücksichtigen sind. Das bedurfte einer Ergänzung, und das ist gemacht worden. Ich habe also das Urteil gegen eine unzulässige Kurzfassung verteidigt. Das ist das eine.
Zweitens haben Sie behauptet, ich hätte in meiner Antwort allein den Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums als Grund für die Unmöglichkeit einer Besoldungsverbesserung dargestellt. Das ist nicht richtig. Aus dem Gesamtzusammenhang der Antwort ergibt sich, daß ich auf eine Beruhigung in der wirtschaftlichen Entwicklung hingewiesen habe, und diese Beruhigung ist der entscheidende Teil. Wenn ich dann noch ausdrücklich den Verteidigungshaushalt und seinen Bedarf angeführt habe, so war das ein Beispiel von vielen, die Ihnen ebenso bekannt sind wie mir: Berlin-Hilfe, die gesetzlichen Verpflichtungen, die Mehrausgaben auf dem Sozialgebiet usw. Das war ein Beispiel und nicht der einzige Grund.
Bundesinnenminister Höcherl
Aber ich will in diesem Zusammenhang noch etwas anderes sagen. Es hat ein sehr langes Gespräch gegeben, ob der Verteidigungshaushalt heute tabu oder nicht tabu sei. Sie haben alle möglichen Zitate aus dem Koalitionsbereich gebracht. Ich stehe auf folgendem Standpunkt: daß es ein Tabu weder in diesem noch in einem anderen Haushalt geben kann.
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Aber es gibt etwas anderes. Es gibt gerade im Verteidigungshaushalt gesetzliche Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag. Das ist die Situation, vor der wir stehen. Diese gesetzlichen Verpflichtungen haben wir einzuhalten. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind auf einem sehr gefährlichen Weg in dieser Frage! Sie wissen, daß man die Aufrichtigkeit einer gewissen Wende und eines gewissen New Look durchaus an der Haltung zum Verteidigungshaushalt und an der sorgfältigen Erfüllung der Verpflichtungen der NATO-Verträge ablesen könnte. Ich habe mich sehr vorsichtig ausgedrückt.
Ich darf Ihnen etwas Zusätzliches sagen. Sie haben es bewußt und wohlbedacht unterlassen, einen entsprechenden Antrag zu stellen, einmal diesen Etat zu kürzen und auf der anderen Seite entsprechende Beträge für den Besoldungsbereich einzustellen, offenbar deswegen, weil Sie innerlich von demselben Empfinden geleitet sind, wie ich das jetzt etwas deutlicher formuliert habe.
Die Ernsthaftigkeit Ihrer Kritik, Herr Kollege Möller, kann nur daran abgelesen werden, ob Sie entsprechende Anträge stellen, die, wie Sie wissen, in die Milliarden gehen würden, weil es nicht allein bei dem Besoldungsbereich verbleiben könnte, sondern weil darüber hinaus - das ist schon wiederholt dargelegt worden - der ganze Sozialbereich und vor allem die Fragen der Kriegsopfer und der Rentner, soweit sie vom Staat her versorgt werden, mit einbezogen werden müßten. Es darf sich nämlich das Spiel nicht wiederholen, das man sich auf der Länderebene mit dem Weihnachtsgeld geleistet hat. Man hat damals das berühmte Weihnachtsgeld den Beamten gegeben, hat es aber den Fürsorgeempfängern verweigert. Das war eine Inkorrektheit und Inkonsequenz, die sich im Bund nicht wiederholen darf. Hier gibt es keine isolierte Frage Beamtenbesoldung, sondern es wird sofort der große Bereich Beamtenbesoldung, öffentlicher Dienst, Kriegsopfer und all das berührt. Was das kostet, wissen Sie genauso wie ich, und deswegen haben Sie es unterlassen, einen Antrag zu stellen und Ihre Kritik in die Form eines Antrags und eines Deckungsvorschlags zu bringen. Sie haben es auch unterlassen, die Kritik am Verteidigungshaushalt und die Behauptung des Tabu über Worte hinaus in Zahlen zu fassen. Wenn Sie das getan hätten, wäre Ihre Kritik sachlich diskussionsfähig. Sie haben das wohlbedacht und mit guten Gründen nicht gemacht.
Sie behaupten, der Bund verletze in der Behandlung des öffentlichen Dienstes seine Alimentationspflicht, oder er verstoße gar, wie Sie es formuliert haben, wider die guten Sitten, eine unzureichende
Bezahlung der Dienstkräfte zu gewähren. Meine Damen und Herren, angesichts der derzeitigen Situation - ohne gewisse Härten zu verschweigen - zu sagen, daß hier wider die guten Sitten der öffentliche Dienst in einem Ausmaß, wie Sie das dargestellt haben, unterbezahlt würde, das ist einfach und schlicht nicht richtig, sondern das ist eine Übertreibung. Ich will diese Haltung nicht mit Beiwörtern irgendwie herabsetzen, aber ich sage: das ist einfach eine Übertreibung, die mit den Tatsachen nicht begründbar ist und die auch in einem großen Bereich des öffentlichen Dienstes gar nicht so aufgefaßt wird, wie Sie es vorgetragen haben. Daß wir nicht die Möglichkeit haben wie gewisse Wirtschaftskreise, höhere Löhne durch höhere Preise auf dem Markt zu holen, sondern daß wir hier über die Steuergelder zu verfügen haben, sorgfältig zu sparen haben und größte Mühe hatten, den Haushalt auszugleichen -, daß das eine andere Situation ist, als sie in der freien Wirtschaft besteht, das wissen Sie genauso wie ich. Aber Sie hätten mit Ihrer großen Haushaltsrede, wenn Sie diese Tatsachen objektiv dargestellt hätten, wahrscheinlich einen größeren Eindruck gemacht, den die Rede auch verdient hätte, wenn sie sachlich objektiver gewesen wäre.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat gemeint, daß in den Ausführungen meines Freundes Dr. Möller die Tatsachen etwas zu kurz gekommen seien. Bei Haushaltsberatungen dürfen wir davon ausgehen, daß die Tatsachen bekannt sind und daß man nicht einen Nachholunterricht für diejenigen geben muß, denen die Tatsachen nicht bekannt sind, und wir dürfen hier politische Schlußfolgerungen daraus ziehen. Deshalb kann man nicht sagen, die Tatsachen seien zu kurz gekommen.
Herr Minister, Sie haben eine etwas sonderbare Art, die Dinge darzustellen. Ich zitiere nur einen Satz aus Ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, um zu zeigen, daß es eben nicht mit dem übereinstimmt, was Sie vorgetragen haben. Dort sagen Sie wörtlich:
Die sich abzeichnende Beruhigung der wirtschaftlichen Entwicklung und die ungünstige Haushaltslage des Bundes, die durch die Mehrausgaben zur Verteidigung bedingt ist, ließen es nicht zu, Mittel für eine Besoldungserhöhung vorzusehen.
Das ist Ihre sachliche Begründung. Wir werden bei Einzelplan 06 noch im einzelnen darauf eingehen.
Sie sagen, wir hätten keine Anträge gestellt. Aber, Herr Minister, haben Sie nicht die Haushaltsdebatte hier verfolgt? Sehen Sie nicht, daß es Ihr Haushalt ist und daß wir ihn deshalb ablehnen müssen, weil wir diese Schwerpunktverteilung nicht billigen können, da Sie uns jede Bewegungsmöglichkeit unmög1102
lich gemacht haben, indem Sie nicht einmal Ver besserungs- und Streichungsanträgen zugestimmt haben?
Ich darf das Beispiel wiederholen. Sie sprechen von 20%iger Kürzung auf dem Bausektor. Wir schlagen eine 10%ige Kürzung in Höhe von 120 Millionen betreffend die Wehrbauten bei Einzelplan 14 vor, und Sie stimmen nicht zu. Das zeigt, daß es Ihnen gar nicht ernst darum ist, daß Sie ganz andere Dinge im Schilde haben.
Herr Niederalt sprach davon, mein Kollege Dr. Möller habe schwarz-weiß gemalt. Herr Niederalt, ich weiß, eine reine Schwarzmalerei wäre Ihnen lieber.
({0})
Das liegt nun mal in der Materie.
({1})
- Blau-weiß, das sind offenbar die Farben der Zukunft, die wir führen. Dann haben Sie gleich die glückhafte Zukunft, die Sie Ihrem Freistaat Bayern wünschen. Herr Kollege Niederalt, ich glaube, entweder haben Sie mißverstanden, was unser Kollege Dr. Möller sagte, oder Sie haben es mißdeutet. Bei der 20%igen Sperre, sagte unser Kollege Dr. Möller, wäre es richtig gewesen, wenn der Wirtschaftsminister und der Finanzminister in den Haushaltsausschuß gekommen wären und bei der Beratung des Haushaltsplanes oder des Haushaltsgesetzes
({2})
- aha, dann sind wir uns schon näher, dann haben wir uns offensichtlich mißverstanden - im einzelnen ihre Gedanken dargelegt hätten, um sie konkret darzulegen. Jetzt mit ganz verschwommenen Vorstellungen, die in Ihren eigenen Reihen noch nicht ausdiskutiert sind, hierherzukommen,
({3})
- das ist doch nicht unrichtig, wenn ich nur referiere, was wahr ist. Wir haben doch auch unsere Informationen.
({4})
Das spricht doch nicht gegen Sie, wenn Sie die Dinge überlegen. Oder ,sind Sie bereits so willfährig, daß Sie, wenn Sie einmal eigene Ideen haben, das als schädlich betrachten? Sie müssen doch sagen, bei uns wird noch diskutiert, weil wir das nicht ohne weiteres hinnehmen.
Herr Kollege Niederalt, wenn ich das berichtigen darf, ich glaube, dann verstehen Sie die berechtigte Kritik, daß man nicht im Plenum des Bundestags plötzlich mit solchen Vorstellungen kommen, sondern daß man an der richtigen Stelle vorher diese Fragen erörtern sollte.
Sie sprachen weiter davon, wir hätten einen bunt-schillernden Bundeskanzler. Meine Herren, wer vorgestern hier mit wachen Augen die Debatte verfolgt hat, der braucht keinen buntschillernden Bundeskanzler mehr zu haben. Wer die Zeitungsberichte aufmerksam liest, der weiß, daß das, was unser Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Ollenhauer, hier vorgetragen hat, richtig ist und daß vom ganzen deutschen Volk diese Meinung geteilt wird.
({5})
Herr Niederalt, Sie kritisierten das Wort von Karl Jasper. Ich bin erstaunt, daß Sie sich auf dem Gebiet des Philosophischen bewegen. Auf diesem Gebiet habe ich Sie bis jetzt nicht gekannt.
({6})
Bei meinem Freund Dr. Möller ist es mir geläufig. Er ist all-round-man und bekümmert sich um diese Fragen. Aber bei Ihnen ist mir das ganz neu. Und so ging es natürlich auch schief, Herr Kollege Niederalt, und es mußte schief gehen, denn das Wesentliche ist: nicht, wofür man Geld hat, kennzeichnet den Menschen, sondern, wofür man kein Geld hat. Es hat sich in diesen Debatten immer gezeigt, wofür man kein Geld hat.
Aber wenn Sie die sozialdemokratischen Oberbürgermeister anführen, dann bin ich Ihnen dafür wirklich dankbar. Denn dort zeigt sich, daß eine sehr konstruktive, ausgezeichnete Kommunalpolitik gerade von sozialdemokratischen Oberbürgermeistern gemacht wird, auf die wir uns stets sehr gern verweisen lassen.
({7})
Sie sprachen zu den Abstimmungsverfahren in der zweiten Lesung. Mein Kollege Erwin Schoettle hat es etwas humorvoll charakterisiert, aber Sie haben es wenigstens begriffen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, lesen Sie (einmal Ihre eigenen Begründungen zur Ablehnung unserer Anträge nach.
({8})
Dann müssen Sie eigentlich feststellen, daß Sie bis auf den letzten Satz meistens unserer Auffassung waren, und dann kam immer vollkommen unverständlich: „Und deshalb lehnen wir den Antrag ab." Es fällt Ihnen offensichtlich selbst in manchen Dingen schwer, und manchmal, Herr Dr. Conning, erfolgt es wider besseres Einsehen.
Wir sind alle in der gleichen schwierigen Lage, daß der Haushalt ausgeglichen werden muß. Dazu werde ich gleich noch ein paar Worte sagen, ob dieser Aushalt ausgeglichen ist und was dann noch notwendig ist.
({9})
- Unsere Deckungsvorschläge waren so einwandfrei, daß Sie sie wahrscheinlich nächstes Jahr übernehmen werden, davon bin ich überzeugt.
Noch eine Bemerkung, Herr Kollege Niederalt, zu dem Defizit von 160 Millionen DM. Ich will nur der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, hier hanDr. Schäfer
delt es sich um ein Defizit aus dem außerordentlichen Haushalt. Das Defizit ist nur entstanden, weil die Regierung den Haushaltsplan des letzten Jahres nicht so durchgeführt hat, wie er beschlossen war. Das muß man hier doch auch einmal sagen, daß das Defizit dadurch entstanden ist, daß man die entsprechenden Anleihen nicht aufgenommen hat.
({10})
Ich darf noch einige Bemerkungen zu dem Herrn Bundesfinanzminister machen. Herr Finanzminister, Sie haben einen Haushalt vorgelegt, der zwar auf dem Papier, nicht aber in der Sache ausgeglichen war. Sie haben sich geholfen, indem Sie einen Betrag von 620 Millionen DM eingesetzt haben, als Minderausgabe aus 12%iger Kürzung. Sie haben sich geholfen, indem Sie von sich aus aus eigener Machtvollkommenheit, rein auf dem Papier, einen Länderbeitrag von 1784 Millionen DM eingesetzt haben. Die erste Klippe im Haushalt hat Ihnen der Haushaltsausschuß beseitigt, die 12% haben wir gestrichen. Es wäre Ihre Arbeit gewesen, Herr Minister, diese Kürzungen vorher vorzunehmen und sich nicht auf diese Weise eine Deckung zu verschaffen.
Aber ich frage Sie, Herr Minister: Was ist denn mit dem zweiten großen Posten, mit dem verbliebenen Länderbeitrag von 1050 Millionen DM? Nach der Verfassung haben wir einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden. Noch liegt mir und dem Hause nichts vor, aus dem sich zuverlässig ergibt, daß dieser Länderbeitrag tatsächlich geleistet wird. Haben Sie in der Zwischenzeit ein Verwaltungsabkommen mit den Ländern geschlossen? Beabsichtigen Sie eine Grundgesetzänderung? Was beabsichtigen Sie, dein Hause heute noch vorzutragen, um den Nachweis - Herr Minister, es muß beweiskräftig sein! - zu erbringen, daß Sie 1050 Millionen DM in den Haushalt einstellen werden und wir mit Recht einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden? So liegt jetzt dem Hause ein Haushalt vor mit der Erwartung, daß 1050 Millionen DM von den Ländern kommen, belastet mit der Ungeschicklickkeit des Herrn Finanzministers, mit seinen Kollegen umzugehen. Wir haben dies hier leider miterlebt und beobachten müssen - ({11})
- Ich will hier heute, Herr Kollege Conring, ein klares Wort des Finanzministers, wie die Verhandlungen stehen - wir sind alle miteinander in der gleichen Lage -, ob wir von einem ausgeglichenen Haushalt sprechen können.
({12})
Noch eine letzte Bemerkung, Herr Finanzminister. Wir haben in den letzten Jahren wiederholt festgestellt, daß der Vollzug des Haushaltsplans nicht so erfolgte, wie es hätte sein müssen. Rund 2 Milliarden DM wurden in jedem Jahr an über- und außerplanmäßigen Ausgaben ausgegeben. Mit diesen rund 2 Milliarden DM wurde am Parlament vorbei Politik gemacht und wurden Maßnahmen durchgeführt, ohne das Parlament, ohne den Haushaltsausschuß zu fragen. Nach der Verfassung kann es
nur mit Ihrer Zustimmung, Herr Finanzminister, geschehen. Wir werden sehr gewissenhaft darüber wachen, wir werden jeden Fall vor das Plenum des Bundestages bringen, bei dem unsere Nachprüfung ergibt, daß Sie Ihrer Überprüfungspflicht nicht in dem Maße nachgekommen sind, wie wir es erwarten.
Eine allerletzte Bemerkung noch. Zur Deckung ist eine 1,8-Milliarden-DM-Anleihe vorgesehen. Wir werden auch hier sorgfältig beobachten, wie Sie die Anleihe begeben. Wir werden den Zeitpunkt und die Bedingungen beobachten; denn die Begebung einer Anleihe ist ein außerordentlich wichtiges Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir werden sehr gewissenhaft darauf achten, wie Sie diese Vollmachten ausnützen werden.
Meine Damen und Herren, Sie werden deshalb verstehen, daß wir, so wie es mein Freund Möller schon vorgetragen hat, keinen Anlaß haben, diesem Haushaltsplan zuzustimmen.
({13})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung und unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
({0})
Die Sitzung wird fortgesetzt. Wir treten in die Beratung der Einzelpläne ein. Aufgerufen werden die Einzelpläne, zu denen Anträge vorliegen.
Zunächst der
Einzelplan 04: - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({0}).
Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 76 vor. Wird der Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Antrags Umdruck 76 darf ich mich auf die Ausführungen unseres Fraktionskollegen Dr. Möller beziehen.
Wir beantragen namentliche Abstimmung.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neue Argumente, die uns davon überzeugen könnten, daß unser Standpunkt unhaltbar geworden wäre, sind hier nicht vorgebracht worden. Wir bitten Sie also nach wie vor, diesem Antrag, den die Opposition auf Umdruck 76 gestellt und zu dem sie soeben namentlich Abstimmung beantragt hat, nicht stattzugeben.
Es 'ist namentliche Abstimmung beantragt. - Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 76 bekannt. Es sind 400 Stimmen abgegeben worden. Von den stimmberechtigten Abgeordneten haben gestimmt mit Ja 189, mit Nein 194 Abgeordnete; 17 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 9 mit Ja und 6 mit Nein gestimmt. Der Antrag ist somit abgelehnt.
({0})
- Ich darf um Ruhe bitten.
({1})
- Es wird mir gesagt, die Angabe der Zahlen sei nicht einwandfrei zu hören gewesen. Ich wiederhole: Es haben mit Ja gestimmt 189 Abgeordnete, mit Nein 194; 17 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten *) . Der Antrag der SPD ist somit abgelehnt.
Ja
SPD
Frau Albertz
Altmaier
Arendt ({2}) Auge
Bading Bäumer Bals
Bauer ({3}) Bazille
Bergmann
Berkhan Berlin
Beuster
Frau Beyer ({4}) Biegler
Biermann
Birkelbach
Dr. Bleiß Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen Buchstaller
Büttner Busch
Dr. Deist Diekmann
Frau Döhring ({5}) Dopatka
Dröscher Frau Eilers
Dr. Eppler
Faller
Felder Figgen Folger Dr. Frede
Frau Freyh ({6}) Fritsch
Geiger Gerlach Gscheidle
Haage ({7}) Haase ({8}) Hansing
Dr. Harm ({9}) Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold Hirsch Höhmann
({10}) Höhne
Hörauf
Hörmann ({11}) Hufnagel
Iven ({12})
Jacobi ({13})
Jacobs Jahn
Jürgensen
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Frau Kettig
Killat
Frau Kipp-Kaule
Dr. Koch
Könen ({14}) Koenen ({15}) Kohlberger
Kraus
Dr. Kübler
Kühn ({16})
Kulawig
Lange ({17}) Langebeck Lautenschlager
Leber Lemper Lohmar
Lücke ({18}) Lünenstraß
Marquardt
Marx
Matthöfer
Matzner
Merten
Dr. Meyer ({19}) Meyer ({20}) Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h.
Möller
Dr. Morgenstern
Müller ({21}) Müller ({22}) Müller ({23}) Müller ({24})
Dr. Müller-Emmert Nellen
Dr. Nissen Ollenhauer Peiter
Peters ({25})
Priebe
Ravens
Regling
Dr. Reischl Frau Renger
Riegel ({26})
Dr. Rinderspacher Ritzel
Dr. Roesch Rohde
Frau Rudoll
Sänger
Saxowski Dr. Schäfer Scheuren
Schmidt ({27}) Dr. Schmidt ({28}) Dr. Schmidt ({29}) Schmidt ({30})
Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schröder ({31}) Schwabe
Seibert
Seidel ({32})
Seifriz
Seither
Frau Seppi Seuffert Steinhoff Stephan Striebeck Frau Strobel
Strohmayr Dr. Tamblé Theis
Wegener Welke
Welslau
Weltner ({33}) Frau Wessel
Wienand Wilhelm Wittrock Frau Zimmermann
({34})
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({35}) Frau Berger-Heise Frau Krappe
Mattick
Neumann ({36}) Dr. Schellenberg Dr. Seume
Urban
Wellmann
FDP
Dr. Bucher
Dr. Dahlgrün Dorn
Dürr
Frau Dr. Flitz ({37})
Dr. Hellige Dr. Hoven Dr. Kohut Freiherr von KühlmannStumm
Logemann Mauk
Ollesch
Opitz
Peters ({38}) Rademacher
Dr. Rieger ({39})
Dr. Rutschke
Schmidt ({40}) Soetebier
Walter
Weber ({41})
Nein
CDU/CSU
Adorno
Arndgen Dr. Arnold
Dr. Artzinger
Baier ({42})
Baldauf
Dr.-Ing. Balke Balkenhol
Bauer ({43}) Bauknecht
Bausch
Becker
Berberich Dr. Besold Bewerunge Biechele
Dr. Bieringer
Dr. Birrenbach
Fürst von Bismarck Blank
Frau Dr. Bleyler Blöcker
Frau Blohm Blumenfeld von Bodelschwingh
Dr. Böhm ({44}) Böhme ({45}) Brand
Frau Brauksiepe
Dr. von Brentano
Brese
Brück
Bühler
Dr. Burgbacher Burgemeister
Dr. Conring Deringer
Dr. Dichgans
Diebäcker Dr. Dittrich Dr. Dollinger
Draeger
Dr. Dr. h. c. Dresbach Ehnes
Eichelbaum Dr. Elbrächter
Engelbrecht-Greve
Etzel
Dr. Even ({46}) Even ({47})
Falke
Dr. Franz Franzen
Dr. Frey ({48})
Gedat
Gehring
Frau Geisendörfer
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gibbert
Dr. Gleissner
Glüsing ({49}) Dr. Götz
Goldhagen Gontrum Dr. Gossel Gottesleben
Günther
Haase ({50}) Harnischfeger
Dr. Hauser Dr. Heck Heix
Hesemann Hilbert
Dr. Höchst Hörnemann ({51}) Holkenbrink
Hoogen Horn
Dr. Huys Illerhaus Frau Jacobi ({52})
Dr. Jaeger Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Dr. Kanka Katzer
Kemmer
Frau Klee
Klein ({53})
Dr. Kliesing ({54}) Knobloch
Dr. Knorr Krug
Kuntscher
Lang ({55})
Leicht
Lemmrich Lenz ({56})
Leonhard Lermer
Dr. Löhr Dr. Luda
Maier ({57}) Majonica
Dr. Baron ManteuffelSzoege Maucher Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Missbach
Müller ({58}) Müller ({59}) Müller-Hermann
Müser
Nieberg Niederalt
Frau Dr. Pannhoff
Dr, h. c. Pferdmenges Dr. Pflaumbaum Dr.-Ing. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg Dr. Poepke
Porten
Frau Dr. Probst Rasner
Rauhaus
Frau Dr. Rehling
Riedel ({60}) Rollmann Rommerskirchen Scheppmann
Dr. Schmidt ({61}) Schmücker
Schneider ({62})
Frau Schroeder ({63}) Schütz
Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt Seidl ({64})
Dr. Serres Dr. Sinn Spies
Stauch
Dr. Stecker Stein
Dr. Steinmetz
Stiller
Dr. Stoltenberg
Stooß
Stücklen Sühler
Dr. Süsterhenn
Teriete
Tobaben
Dr. Toussaint
Unertl
Varelmann Frau Vietje Dr. Freiherr von
Vittinghoff-Schell
Dr. Vogel Vogt
Wacher
Wagner ({65})
Dr. Weber ({66}) Wehking
Weinkamm Weinzierl
Frau Welter ({67}) Wendelborn
Werner
Wieninger Dr. Wilhelmi
Windelen Winkelheide
Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt
Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
({68})
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl Hübner
Dr. Krone
Frau Dr. Maxsein
Stingl
FDP
Burckardt
Dr. h. c. Menne ({69}) Sander
Enthalten
FDP
Dr. Danz
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({70})
Dr. Dörinkel
Dr. Effertz
Frau Funcke ({71})
Dr. Hamm ({72}) Dr. Imle
Kubitza Kühn ({73}) Dr. Mende Murr
Reichmann Dr. Supf Zoglmann
*) Berichtigtes Ergebnis: Ja: 178 und 9 Berliner Nein: 193 und 6 Berliner Enthalten: 17
Ich rufe auf den
Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({74}).
Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 77 vor. Wird der Antrag begründet? - Der Antrag ist bereits während der allgemeinen Aussprache begründet worden. Zur Begründung der Ziffer 3 dieses Antrages Frau Abgeordnete Renger!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, daß es in der zweiten Lesung nicht gelungen ist, die Regierungsmehrheit zu der Einlösung ihres der Öffentlichkeit gegebenen Versprechens zu bewegen, im Rahmen des Bundeshaushalts zur zeitgerechten Erfüllung des Goldenen Plans für den Sport beizutragen. Damit ist nicht in ausreichender Weise der sachlichen Notwendigkeit entsprochen, für die Gesunderhaltung unseres Volkes, besonders unserer Jugend, die erforderlichen Mittel auf diesem entscheidenden Gebiet bereitzustellen. Ich glaube, man sollte Einsparungen im Haushalt nicht dort vornehmen, wo der geringste Widerstand besteht. Wir bedauern es außerordentlich, daß sich der Herr Bundesinnenminister weder im Kabinett noch hier im Plenum mit seinem Voranschlag hat durchsetzen können.
Die sozialdemokratische Fraktion anerkennt durchaus, daß in diesem Hohen Hause von Jahr zu Jahr größeres Verständnis für das Gebiet des Sports und der Leibesübungen gefunden werden konnte. Diese Bereitschaft hat es den Ländern und den Gemeinden ermöglicht, ihrerseits die größten Anstrengungen zur Verwirklichung des Goldenen Planes zu machen. Die Stadtstaaten haben das in vorbildlicher Weise getan.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, sollten Sie auf dem Standpunkt stehenbleiben, daß 30 Millionen DM in diesem Haushalt für die Spitzenförderung des Turn-und Sportstättenbaus genügen, so muß ich Ihnen sagen, daß Sie dann dafür verantwortlich sind, wenn der Notstand auf diesem Gebiet um weitere Jahre verlängert wird. In diesem Jahr würde das bedeuten, daß etwa 100 bis 150 Turnhallen nicht gebaut werden können.
Meine Damen und Herren, wir appellieren noch einmal an Sie - und ich 'bitte dabei die Frau Ge1106 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962
sundheitsministerin und den Herrn Innenminister um ihren befürwortenden Einfluß -, in dieser dritten Lesung dem Antrag .der SPD auf Umdruck 77 unter Ziffer 3, den wir sehr gern als interfraktionellen Antrag gestellt hätten, heute zuzustimmen.
({0})
Den Änderungsantrag auf Umdruck 77 unter Ziffer 2 sowie den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 78, den ich hiermit aufrufe, begründet Herr Abgeordneter Lohmar. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt Ihnen mit der Bitte um Zustimmung einen Antrag und eine Entschließung zur Wissenschaftspolitik und Kulturpolitik vor. Der Antrag auf Umdruck 77 besagt, daß wir für die Vorhaben des Wissenschaftsrates 50 Millionen DM mehr bereitgestellt haben möchten, als bei der zweiten Lesung des Haushalts herausgekommen sind. Auf dem Umdruck 78 haben wir einige kulturpolitische Anliegen genauer formuliert. Ich darf zur Begründung einige Bemerkungen hinzufügen.
Die Koalition hat sich in der zweiten Lesung bei der Beratung der kulturpolitischen Positionen des Bundeshaushalts nach dem Parkinsonschen Gesetz verhalten. Sie hat nach dem Motto gehandelt: An den kleinen Summen versucht sich der Rotstift. Nun, meine Damen und Herren, in der Wissenschaftspolitik ist es damit leider nicht getan. Wir sprechen uns in unserem Antrag auf Umdruck 78 dafür aus, in Zusammenarbeit mit den Ländern für eine zügige Verwirklichung der Bedarfspläne des Wissenschaftsrates zu sorgen und die Arbeit des Wissenschaftsrates in jeder Weise zu fördern, insbesondere aber für einen raschen Ausbau 'der vorgesehenen neuen Universitäten sowie der medizinischen Akademien einzutreten.
Wir äußern weiter die Bitte, dem Bundestag bis zum 30. September dieses Jahres über den Aufbau und den Stand der Arbeiten des wissenschaftlichen Dokumentationszentrums zu berichten.
Nun, meine Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses, bis zur Debatte über den Haushaltsplan in der zweiten Lesung waren wir davon ausgegangen, daß die Christlich-Demokratische Union und ihre Bundestagsfraktion eine einheitliche Auffassung über die wissenschaftspolitischen Erfordernisse vertreten. Der Kollege Dr. Stoltenberg hat in seiner Rede zur zweiten Lesung diese unsere Ansicht leider erschüttert. Sie haben sich in der zweiten Lesung zu der bekannten Taktik entschlossen, die Diskussion über Meinungsverschiedenheiten in Ihrer Fraktion durch Fraktionsdisziplin zu ersetzen. Aber, meine Damen und Herren, das bringt uns der Beantwortung der Frage nicht näher, welche Wege Sie denn in der Wissenschaftspolitik gehen wollen. Ich erinnere Sie daran, daß sowohl der Bundesinnenminister als auch der Herr Kollege Dr. Martin in der Debatte am 15. März ausgeführt haben, der Bund bestehe durchaus auf seinem Recht einer Mitwirkung bei der Förderung der wissenschaftlichen Forschung; er habe die Absicht, dem Begehren der Länder nicht stattzugeben, die ja angeregt hatten, die Wissenschaftsfinanzierung voll zu übernehmen.
Nun hat uns der Kollege Dr. Stoltenberg in der zweiten Lesung erklärt, seiner Ansicht nach sei die Förderung der Hochschulen eine Aufgabe der Länder. Ich habe meinen Ohren nicht getraut und habe es deshalb nachher im Stenographischen Bericht noch einmal nachgelesen. Die Auffassungen des Herrn Innenministers und des Vorsitzenden des Kulturausschusses in diesem Parlament lassen sich mit den Ansichten von Herrn Dr. Stoltenberg nicht auf einen Nenner bringen. Uns läge also daran, zu erfahren, Herr Innenminister, ob Sie die Auffassung teilen, die während der zweiten Beratung des Bundeshaushalts hier geäußert worden ist, wonach sich der Bund im Wissenschaftsrat nur für eine begrenzte Zeit engagieren solle, oder ob es dabei bleibt, was Sie selbst in der Kulturdebatte gesagt haben - sekundiert von den Sprechern der Fraktion der CDU/CSU -, daß Sie die Form der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Wissenschaftlern, die sich im Wissenschaftsrat herausgebildet hat und die erfolgreich gewesen ist, auf die Dauer beibehalten wollen.
Meine Damen und Herren, jetzt muß die Wissenschaft für den Streit zwischen Bund und Ländern bezahlen. Die Länder waren bereit, den vollen von der Bundesregierung eingesetzten Beitrag zu übernehmen. Die Bundesregierung war bereit, das ihrerseits im Bundeshaushalt zu tun. Das Verhalten der Koalitionsfraktionen aber hat dazu geführt, daß praktisch die Rechnung von der Wissenschaft bezahlt werden muß,
({0})
und der Herr Kollege Vogel hat heute morgen in seiner Haushaltsrede auch noch mit Stolz darauf hingewiesen, wie gut es sei, daß man bei diesem Posten eingespart habe.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist an der Zeit, daß Sie innerhalb der Koalition in der Wissenschaftspolitik Klarheit darüber schaffen, wer bei Ihnen Koch und wer Kellner ist. Das ist im Augenblick etwas schwer auszumachen. Es ist ein Jammer, daß das auf Kosten der Arbeit des Wissenschaftsrates geht.
Der Herr Bundesinnenminister hat eine ausgezeichnete Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem von ihm angekündigten Forschungsgesetz die wissenschaftspolitische Konzeption der Regierung klarzumachen. Wir möchten schon heute betonen, daß in diesem Forschungsgesetz der Wissenschaftsrat als eine bleibende Form der Zusammenarbeit fixiert werden muß, und wir möchten Sie, Herr Minister, davor warnen, unsere Anregung, ein Rahmengesetz vorzulegen, als Freibrief für den Versuch zu verstehen, ein Blatt Papier mit Leerformeln zu füllen, etwa nach der These des Kollegen Dr. Barzel, die Toleranz sei das Grundgesetz der Union.
Meine Damen und Herren, wir haben Sie mit unserem Antrag auf Umdruck 77 gebeten, wenigLohmar
stens in dieser einen Frage, in der Wissenschaftspolitik, einsichtig zu sein.
({1})
- Aber ich bitte Sie, Herr Kollege Conring, seit wann lassen Sie sich in Ihren etatpolitischen Entscheidungen von Emotionen beeinflussen?
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Einverständnis, daß wir hier 50 Millionen DM mehr einsetzen. Wir haben davon abgesehen, den Antrag zu wiederholen, der sich auf .die Ausweitung der Mittel für die Max-Planck-Gesellschaft und für die Deutsche Forschungsgemeinschaft bezieht, weil wir damit deutlich machen wollten - und wir hoffen auf Ihre Zustimmung dazu -, daß wir für die vorrangigen Vorhaben des Wissenschaftsrates zunächst etwas tun müssen, - so wie es der ursprünglichen Konzeption ,der Bundesregierung entspricht.
Nun hat sich in der zweiten Lesung leider gezeigt
- nicht nur in dieser Frage, sondern auch in allen anderen Fragen -, daß die Koalition eher bereit war, den Wünschen von irgendwelchen Interessenten nachzugeben, als den Sachargumenten in diesem Bereich zu folgen.
({3})
- Herr Kollege Mende, ich habe bei aufmerksamer Durchsicht des Bundeshaushalts keine Subventionen für den Deutschen Gewerkschaftsbund entdecken können.
({4})
Meine Damen und Herren! Sie verhalten sich gegenüber den Interessenten nach dem Motto: Die Koalition schweigt und zahlt, in der Hoffnung, daß die Interessenten dann vor den Wahlen um so lauter reden und das Ihre dazu tun, sich selber und Ihnen Erperimente zu ersparen. Das kann man tun, aber es sollte Klarheit darüber bestehen, daß es geschieht. Wir werden jedenfalls immer wieder den Versuch machen, der Wissenschaftspolitik und der Kulturpolitik auch in der Gestaltung des Bundeshaushalts einen Platz auf der Sonnenseite dieses Staates zu verschaffen, den sie bis heute nicht erhalten hat.
Das gleiche gilt für die Studienförderung. Wir haben vor zwei Jahren - übrigens alle Fraktionen gemeinsam - beschlossen, die damalige Bundesregierung aufzufordern, sie möge einen Bericht vorlegen über die Möglichkeiten einer soziologischen Veränderung des Kreises der durch Stipendien geförderten Studenten. Nun, meine Damen und Herren, wir haben nach einer Anmahnung im Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik einen Bericht des Herrn Innenministers bekommen, der leider nichts darüber sagt, was geschehen ist, sondern der davon berichtet, was nicht geschehen ist. Infolgedessen bitten wir auch hier um Ihre Zustimmung dazu, daß
einmal überprüft werde, wieweit die Höhe der Stipendien den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt werden muß, wie eine Einbeziehung des Kreises der aus den Mittelschichten kommenden Studenten erreicht werden kann und welche finanziellen Auswirkungen das haben würde; schließlich, wie der Kreis von begabten Studierenden, deren Eltern als Arbeiter oder in der Landwirtschaft tätig sind, vergrößert werden kann.
Meine Damen und Herren! Zu Ihrer Information: nach der Erhöhung ,der Stipendien nach dem Honnefer Modell bekommt der Student heute in der Vorförderung 195 DM, in der Hauptförderung 245 DM. Ich kann nicht finden, daß das eine üppige Ausstattung des Studierenden ist. Aber manche Leute können sich bei uns nicht von der Vorstellung freimachen, der Student sei ein idealistischer und vielleicht etwas versponnener Tagelöhner der Gesellschaft.
({5})
Dabei zählen die Studenten in diesem Lande zu den Gruppen, die den Konsumverzicht nicht predigen, sondern auf sich nehmen müssen. Das unterscheidet sie im übrigen von dem Wirtschaftsminister dieses Landes, dem „Zucht- und Lehrmeister der Sozialen Marktwirtschaft", wie der Quizmaster des Deutschen Fernsehens, Herr Höfer, den Wirtschaftsminister kürzlich zu beschreiben sich herabließ.
({6})
- Herr Dr. Vogel, ich habe nicht gesagt, daß Sie die Studenten als „Tagelöhner der Gesellschaft" betrachten. Ich habe gesagt, daß solche Betrachtungsweisen hierzulande noch verbreitet sind. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Des weiteren muß man die soziologische Verengung des Kreises der geförderten Studenten sehen. Aus der Aufstellung des Innenministers ergibt 'sich, daß heute die Bemessungsgrundlage bei 500 DM liegt. Mein Kollege Dr. Kübler hat in der zweiten Beratung des Haushalts darauf aufmerksam gemacht, daß damit nicht einmal ein Volksschullehrer mehr in der Lage ist, seine Kinder, die studieren wollen, in das Honnefer Modell zu bringen. Ich frage Sie: wie wollen Sie das mit Ihrer These, den Mittelstand zu fördern, vereinbaren, wenn eine von Jahr zu Jahr zunehmende Einengung des Kreises der geförderten Studenten vorgenommen wird? Bei den Arbeiterkindern und bei den Studierenden aus der landwirtschaftlichen Bevölkerung haben wir eine ähnliche Beobachtung zu machen. Der Versuch, mehr Studierende aus der Arbeiterschaft und aus der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung auf die Universitäten zu bekommen, ist sicher nicht nur ein finanzielles Problem. Aber woran liegt es denn, daß so wenige Arbeiterfamilien sich entscheiden, ihren Kindern den Rat zu geben, über die höhere Schule auf eine Universität zu gehen? Es hängt, glaube ich, mit dem nach wie vor begrenzten Dispositionshorizont der Arbeiterschaft zusammen, einer Folge des sozialen und wirtschaftlichen Status des Arbeiters in diesem Lande. Dieser Status ist eben nicht nur dadurch zu verbessern, daß man dem Arbeiter
einen besseren Lohn verschafft, sondern er ist durch seine gesamte Lage bestimmt.
Sie haben in diesem Hause in den letzten Jahren eine Sozialpolitik betrieben, die nicht geeignet war, diesen Dispositionshorizont der Arbeiterschaft im ganzen zu erweitern. Diese enge Betrachtungsweise bezahlen wir heute in der Förderung von begabten Kindern aus der Schicht der Arbeiterschaft mit der mangelnden Bereitschaft der Eltern, ihren Kindern den Rat zu geben, den Weg über die höhere Schule zur Hochschule zu gehen.
Wir haben dann in unserem Umdruck 78 ein Thema angesprochen, über das wir in diesem Hause schon einige Male miteinander diskutiert haben, nämlich die Arbeitsweise des von der Bundesregierung aufgebauten Instituts zur Erforschung des Marxismus-Leninismus. Dieses Institut, so wurde uns in den Ausschußberatungen gesagt, hat bis heute eigentlich noch gar nichts an konkreter Arbeit zuwege gebracht. Es ist seit zwei Jahren im Stadium des Aufbaus. Nun wäre es interessant gewesen, zu erfahren, welche Vorstellungen rüber die Aufgaben und die Arbeitsweise dieses Instituts die Bundesregierung hat. Aber aus dem Haushaltsplan war das leider nicht zu ersehen. Es ist klar, meine Damen und Herren, daß man Grundlagenforschung über das Wesen und die Zielsetzung des Marxismus-Leninismus nicht durch ein eigenes Institut zu betreiben braucht; das können Universitäten viel besser. Bleibt die Frage, Herr Kollege Heck -
({7})
- Nein, aber man muß doch wohl einige Stichworte nennen, damit nicht der Eindruck entsteht, als ob es sich bei den Haushaltsberatungen nur um eine stupide Abstimmungsmaschinerie handele.
Konkrete Ratschläge für die Außenpolitik zu entwickeln, wäre eine der Aufgaben für ein solches Institut. Die Regierung hätte dann sagen sollen, wie man das machen kann. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß ein repräsentativer Beirat für dieses Institut eher in der Lage wäre, solche Aufgaben zu erfüllen, als die jetzige Arbeitsform. Aber die Bundesregierung ist auf den Gedanken verfallen, es sei vielleicht förderlich, zunächst einen Stab von Beamten in dieses Institut zu berufen. Planstellen können aber keine Antwort auf die Frage geben, was dieses Institut konkret tun soll, und Inhaber von Planstellen sind dazu wahrscheinlich weniger gut in der Lage als Wissenschaftler, deren Mitarbeit man sich sichern könnte.
Nun möchte ich noch einige Bemerkungen zu der Arbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst machen. Sie waren bei der zweiten Lesung so liebenswürdig, dem Charme meines Kollegen Schwabe zu erliegen und seinem Begehren stattzugeben, 50 000 DM mehr für die Wochenzeitschrift „Das Parlament" zu bewilligen, die an anderer Stelle eingespart worden sind. Wir haben in der zweiten Beratung leider ein klares Wort des Herrn Bundesinnenministers vermißt auf die Bitte, die mein Kollege Schwabe vorgetragen hatte: nämlich den „Maulkorberlaß" des ehemaligen Innenministers Dr. Schröder aufzuheben. Sie sollten, Herr Bundesinnenminister, diese Blume, die sich Ihr
Vorgänger ins Knopfloch gesteckt hat, möglichst I rasch verwelken lassen. Vielleicht entschließen Sie sich heute zu einer klaren Feststellung in dieser Angelegenheit.
Im ganzen scheint uns, daß die Bundeszentrale für Heimatdienst von jeder dirigistischen Beeinflussung frei bleiben sollte, daß das Kuratorium - bestehend aus Parlamentariern der drei Fraktionen - ausreicht und deutlich macht, welche Zielsetzung die Bundeszentrale haben soll. Sie soll die ganze Vielfalt von politischen Auffassungen in ihrer Arbeit zum Ausdruck bringen, die sich in diesem Bundestag widerspiegelt; sie soll nicht nur die Auffassung der jeweiligen Mehrheit in diesem Hause verkörpern.
Meine Damen und Herren, ich möchte um Ihr Verständnis bitten für eine Sorge, die wir uns im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Bundeszentrale für Heimatdienst machen. Viele von Ihnen werden in den letzten Jahren die Publikationen verfolgt haben, die die Bundeszentrale für Heimatdienst herausgebracht oder die sie gefördert hat. Es lag vielleicht im Zuge der Zeit, sich in den ersten Jahren der Arbeit der Bundeszentrale dabei überwiegend zu beschäftigen mit dem Nationalsozialismus, mit dem Antisemitismus und mit dem Kommunismus, also sich im Grunde genommen defensiven Formen der Betrachtung zuzuwenden. Wir meinen, daß es an der Zeit ist, darüber hinauszugehen und in der publizistischen Arbeit der Bundeszentrale dazu zu kommen, die die Bundesrepublik tragenden politischen Kräfte stärker herauszustellen, als das bisher der Fall gewesen ist.
Hierher gehört z. B. die Selbstdarstellung der politischen Parteien. Das kann man nicht nur tun, indem man den Parteien Geld bewilligt, sondern das muß auch geschehen dadurch, daß man in der politischen Bildungsarbeit in unserem Staat mehr tut, um zu einer Selbstdarstellung der politischen Parteien zu kommen. Ich bin sicher, daß die Bundeszentrale für Heimatdienst einen solchen Vorschlag aufgreifen wird, weil er im Sinne der Überlegungen liegt, die uns dazu veranlaßt haben, diese Bundeszentrale zu schaffen.
Sie wissen genausogut wie wir, daß die modernen Spielarten der plebiszitären Demokratie in unserem Staat ständig mehr Bürger in die Versuchung bringen, bloße Statisten in der Politik zu werden. Das kann man durch Führungen von Besuchergruppen im Bundeshaus oder zur NATO allein nicht beheben; dazu bedarf es des festen Willens, den Bürger dieses Staates als Partner des politischen Gesprächs zu sehen und ihm nicht die Rolle des Mitläufers, sondern die Aufgabe des verantwortlichen Partners anzusinnen.
Ich möchte hier ein Wort aufgreifen aus der Rede des Kollegen Dr. Vogel. Er warnte davor, den Einfluß der Bürokratie in diesem Staat überhand nehmen zu lassen. Ich meine mit ihm, daß es darum geht, dafür zu sorgen, daß in diesem Staat nicht alles von Bürokraten verwaltet, sondern mehr von Demokraten gestaltet wird. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, verstehen Sie bitte unsere Anregungen für die Ausgestaltung der politischen BilLohmar
dungsarbeit, und in diesem Sinne wünschen wir uns nicht nur wie der Herr Bundeskanzler eine gute und kritische Opposition, sondern von uns aus eine gute und kritische Bundesregierung.
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Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister Höcherl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie zunächst eine Bemerkung auf die Ausführungen von Frau Kollegin Renger. Sie hat beanstandet, ich hätte mich in der Kabinettsberatung und bei den Haushaltsberatungen bisher mit dem Titel für den Goldenen Plan nicht durchgesetzt. Ich darf in aller Bescheidenheit bemerken, daß die Bundesregierung, deren Zuständigkeit für den Beitrag zum Goldenen Plan, wie Sie wissen, sehr heftig umstritten war, im letzten Jahr den Beitrag immerhin von 5 auf 30 Millionen verstärken, also versechsfachen konnte und daß allein vom letzten zum heurigen Haushaltsjahr der Ansatz von 20 auf 30 Millionen erhöht wurde. Ich glaube, daß damit sowohl dem Anliegen wie der allseits erhobenen Forderung nach Sparsamkeit Rechnung getragen wurde.
Nun zu Herrn Kollegen Lohmar, was den Wissenschaftsrat und seine institutionelle Festigung betrifft! Ich habe nichts von dem zurückzunehmen, was in der Kulturdebatte vor einigen Wochen ausgeführt wurde. Wir denken selbstverständlich nicht daran, daß das eine aussterbende Einrichtung ist, sondern halten sic für eine bleibende. In welcher Art wir das institutionalisieren, wird sich zeigen, ob durch ein Forschungsgesetz oder in Form eines Übereinkommens. Die Verhandlungen haben bereits begonnen. Ich habe vor wenigen Tagen eine Zusammenkunft mit dem Präsidium der Kultusministerkonferenz gehabt, in der Hauptgegenstand diese Frage war. Jedenfalls sind wir der Meinung, daß wir unsere Mitwirkung beibehalten sollten, aus den überragenden Gründen, die dargestellt wurden.
Was Ihren Antrag auf Erhöhung um 50 Millionen betrifft, so ist das ein sehr hilfreicher Antrag, den Sie vorgelegt haben, und es wäre für mich außerordentlich schwierig, gegen den Antrag zu sprechen, wenn ich mir nicht der Pflicht zur Sparsamkeit bewußt wäre. Wir haben 200 Millionen und 50 Millionen Bindungsermächtigungen. Ich bin der Meinung, daß wir, nachdem wir einen neuen Schlüssel angekündigt haben, der vorsieht, daß wir mit den Mitteln etwas nach reich und arm abstufen, mit diesem Ansatz auch angesichts anderer Dinge, die wir zu berücksichtigen haben, sehr wohl auskommen und daß sich dieser Ansatz sehen lassen kann. Denken Sie vor allen Dingen daran, daß wir doch etwas mit dem Hute in der Hand den Haushaltsausgleich bei den Ländern bestreiten müssen.
Sie brauchen sich auch nicht zu sorgen, daß Sie ein Forschungsgesetz mit Leerformeln bekommen. Das ist eine schlenkerhafte Bemerkung. Sie mögen glauben, daß wir Gesetze nur mit entsprechendem Inhalt vorlegen.
Dann zu der berühmten Studienförderung nach dem Honnefer Modell. Sie haben erklärt, Ihnen sei vom Innenministerium ein Bericht zugegangen, in dem nur das Negative enthalten gewesen sei. Eigentlich müßten Sie der Bundesregierung sehr dankbar sein, wenn sie für Sie die negativen Tatsachen zusammengestellt hätte, damit Sie sie für Angriffe benutzen könnten. Aber offenbar ist das gar nicht der Fall gewesen, weil Sie gar keine stichhaltigen Angriffe führen konnten. Die Dinge sind vielmehr so. Wir sind bei 195 DM bzw. bei 245 DM. Unsere Auffassung, Herr Kollege Lohmar, ist, daß bei der Studienförderung immer noch etwas - es ist eine segensreiche Einrichtung - berücksichtigt werden muß, daß es keineswegs angeht, ein Studium nur mit fremder Hilfe ohne eigene Opfer zu betreiben.
({0})
Von diesem Grundsatz lassen wir uns nicht abbringen. Wir wollen keine Besoldung der Studenten, sondern wir wollen eine gerechte Aufteilung zwischen eigenen Anstrengungen und der Mithilfe des Staates. Eines kann ich Ihnen sagen. Es ist bisher von Ihnen kein einziger Beweis dafür geführt worden, daß eine hervorragende Begabung nicht zum Studium gekommen wäre. Und das ist unsere Aufgabe!
({1})
Noch kein begabtes Arbeiterkind und kein begabtes Landwirtskind - Sie haben beide Gruppen angesprochen - ist von Ausbildungsmöglichkeiten ausgeschlossen gewesen. Ich muß überhaupt sagen, eines der schönsten Ergebnisse unserer Regierungspolitik seit 12 Jahren ist, daß wir Ausbildungs- und Studienchancen für die Jugend haben, wie sie noch niemals in der deutschen Geschichte bestanden haben.
({2})
Ich darf zu Ihrer nächsten Frage übergehen. Sie haben für das Diamat-Institut - wenn ich mich dieser Abkürzung bedienen darf - die Errichtung eines Beirates vorgeschlagen. Ich bin nicht so beiratssüchtig, Herr Kollege Lohmar, wie Sie das sind. Ich bin eher der Meinung, wir haben eine Inflation an Beiräten. Die Erfahrung geht dahin, daß man über Beiräte alle möglichen Einflüsse zu nehmen versucht.
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Für eine Einrichtung wie dieses Institut, das ein Kuratorium von fünf ganz hervorragenden und ersten Wissenschaftlern hat, noch zusätzlich einen Beirat zu schaffen, würde ich für eine Einschränkung, ich würde fast sagen, für eine Diskriminierung des Kuratoriums halten, zumal der Beirat neben diesen fünf ersten Wissenschaftlern den Anforderungen in der Qualität nicht genügen könnte.
Dann haben Sie die Bundeszentrale für Heimatdienst und den Maulkorberlaß angesprochen. Mir ist von einem Maulkorberlaß nur in der Form etwas bekannt, daß Sie etwas als einen Maulkorberlaß bezeichnet haben, das kein Maulkorberlaß ist. Das ist der einzige Vorgang, der mir bekannt ist. Das
Bundesinnenminister Höcherl
ist also eine Fiktion, die Sie aufgestellt haben, die sich gespenstisch von Haushaltsberatung zu Haushaltsberatung hindurchzieht. In Wirklichkeit geht es um folgendes Prinzip: Wenn der Bundesminister des Innern - mein Herr Vorgänger, jetzt ich - die Verantwortung für diese Einrichtung tragen soll, vor allem Ihrer scharfen Kritik gegenüber, müssen Sie ihm auch einen entsprechenden Einfluß zugestehen; sonst kann er keine Verantwortung tragen. Sie können nicht die Zuständigkeiten herausnehmen und uns nur die Verantwortung übertragen. Verantwortung und Zuständigkeit gehören zusammen. Deswegen möchte ich die Maßnahme, die der Herr Kollege Schröder durchgeführt hat, keinesfalls als Maulkorberlaß angesprochen haben.
Zum Schluß sagten Sie, Sie wollten nicht, daß Bürokraten verwalteten, sondern Demokraten. Wir sind der Meinung - das sage ich zur Ehre unserer Beamtenschaft -, daß unsere Bürokraten auch Demokraten sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. Er begründet den Antrag auf Umdruck 77 unter Ziffer 4.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man in der Bundesrepublik, um einen schlechten politischen Stil zu bezeichnen, heute nicht vom „bayerischen Stil" spricht, so ist das wohl weniger dem Herrn Bundesverteidigungsminister als dem Herrn Bundesinnenminister zu verdanken.
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Ich hoffe, daß das, was der Kollege Dr. Möller heute morgen über die Grundsatzfragen bei der Prüfung und Nachprüfung von Geheimfonds gesagt hat, auch von Ihnen, Herr Minister, in einer ruhigen Stunde noch einmal überdacht wind. Wir haben daher auf Umdruck 77 den Antrag gestellt, daß die Mittel für Zwecke des Verfassungsschutzes kontrolliert werden.
Herr Minister, in der Weimarer Republik gab es eine gute Übung. Ich habe in früheren Haushaltsberatungen eingehend dargelegt, wie die Dinge geregelt waren. Wir halten das für ein gutes Vorbild. Die Regelung, die wir in diesem Antrag vorgeschlagen haben, ist sachlich berechtigt und auch von Ihnen aus gesehen durchaus vertretbar. Ich bitte daher, daß das Hohe Haus, das in der zweiten Beratung des Bundeshaushalts diesen Antrag nur mit ganz knapper Mehrheit abgelehnt hat, ihm nunmehr zustimmt.
Nun haben Sie heute morgen, Herr Minister - und ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie die schwer angeschlagenen Reihen Ihrer Freunde nach der Rede meines Kollegen Möller wieder etwas festigen wollten -,
({1})
zu einem falschen Mittel gegriffen, indem Sie hier nämlich dem Kollegen Möller den Vorwurf gemacht haben, er habe Ihnen hinsichtlich der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage eine Urteilsschelte unterstellt und Sie deswegen kritisiert. Herr Minister, Sie begeben sich hier auf einen sehr schlüpfrigen Weg, wenn Sie gegen Sachen kämpfen, die nie gesagt worden sind, und hier eine Sache aufbauschen, die keine Grundlage in der Debatte hat.
Ich habe hier 'die stenographische Niederschrift der Rede des Herrn Kollegen Möller. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie sie vorher gelesen hätten; dann hätten Sie sich überzeugen können, daß alles, was Sie hier gesagt haben, ohne Grundlage war. Aber lassen Sie mich eines sagen: So wie Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier dargestellt haben, ist die Entscheidung sicher nicht gemeint. Ich habe den Band hier mitgebracht. Mit Rücksicht auf Sie will ich keine Einzelzitate aus dein Urteil verlesen. Aber, meine Damen und Herren, die allgemeine Interpretation, die der Herr Minister gibt, ist sicher in dieser Form falsch.
Wenn wir hier keinen konkreten Antrag in der Frage der Besoldung gestellt haben, Herr Minister, so kennen Sie genau die Probleme und Gründe. Ich hatte angenommen, Sie würden dankbar sein, daß wir in diesem Stadium noch keinen konkreten Antrag auf den Tisch des Hauses gelegt haben, sondern daß wir zunächst einmal im Hinblick auf die von Ihnen für Mai zugesagte Vorlage einer Besoldungsnovelle abwarten wollten, bis Sie diese Vorlage durch das Kabinett haben. Statt Lob haben wir dafür also Tadel von Ihnen geerntet.
Meine Damen und Herren, Sie erklären hier im Zusammenhang mit der Besoldung im öffentlichen Dienst, die Sozialpolitik sei unzureichend; das sei schlimm und betrüblich. Ja, soll das denn so weitergehen? Soll das auch noch als Begründung für eine unmögliche Besoldungspolitik gelten? Sie haben selbst über .die Beamtengehälter gesprochen. Dahinten sitzen der Bundespostminister - vorhin war er jedenfalls da - und der Bundesverkehrsminister. Denken Sie an die zahlreichen Gruppen des mittleren und einfachen Dienstes! In welcher Situation befinden sich hier die Verwaltungen im Hinblick auf die Gehälter der Arbeiter und Angestellten in der freien Wirtschaft? Ich will von der Teuerung der Lebenshaltung gar nicht reden.
Alle diese Gesichtpunkte haben Sie hier mit ein paar sehr saloppen Bemerkungen vom Tisch fegen zu können geglaubt. Wir werden in absehbarer Zeit über diese Dinge sprechen. Wir können hier heute keine Besoldungsdebatte führen.
Ich würde nur sehr bitten, sich, wenn Sie sich wieder einmal mit den Ausführungen unserer Redner auseinandersetzen, die Texte zur Hand zu nehmen und hier keine Scheingefechte zu führen.
Ich bitte um Annahme unseres Antrags.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt innerhalb von wenigen Tagen der zweite Versuch, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, zwischen Kabinettskollegen und mir einen Keil zu treiben. Bisher waren es der Kollege Schröder und ich, die in einen Gegensatz gebracht werden sollten. Heute soll es mit dem Kollegen Strauß und mir versucht werden.
Was die Frage des Stils anbetrifft, so möchte ich folgendes sagen. Die erste Frage mit dem Kollegen Schrader habe ich ja schon geklärt. Was die Frage des Kollegen Strauß betrifft, so darf ich vielleicht auf einen bemerkenswerten Vorgang hinweisen. Herr Kollege Strauß hat am letzten Freitag hier eine militärpolitische Konzeption entwickelt; sie war so überzeugend, daß Sie am nächsten Tag nicht anders konnten, als sie durch Herrn Barsig in aller Form annehmen zu lassen.
({0})
Wenn es sich um Stilfragen dreht und dabei der bayerische Stil vom Kollegen Strauß so weit reicht, um Sie auch noch über die letzte Hürde zu bringen, dann bin ich über diesen Stil sehr froh. Das ist das eine.
Was die berühmte parlamentarische Kontrolle der Mittel für den Verfassungsschutz betrifft, habe ich das letzte Mal schon erklärt und darf es hier wiederholen - das werden Sie als besonders freundliche Geste empfinden, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen -: Wir folgen hier genau dem hessischen Beispiel; auch Hessen hat einen solchen Fonds und denkt gar nicht daran, eine parlamentarische Kontrolle einzuführen. Wir richten uns also nach Ihrem heimatlichen hessischen Beispiel.
({1})
Zum letzten. Was die Frage der Urteilsschelte betrifft: Ich habe keine Urteilsschelte ausgeteilt, sondern ich habe das Urteil gegen eine unzulässige Kurzfassung in Ihrer Kleinen Anfrage mit Erfolg, wie ich glaube, verteidigt.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden die ersten Anträge der SPD, soweit sie finanzielle Auswirkungen haben, geschlossen ablehnen und werden bei einigen Absätzen auf Umdruck 78 - deswegen bitte ich den Herrn Präsidenten um getrennte Abstimmung - Überweisung an den Ausschuß beantragen. In zwei Absätzen sind wir nicht in der Lage, Ihnen zuzustimmen.
Wir kommen dann zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 77.
({0})
- Wir müssen nach Ziffern abstimmen. Zunächst Ziffer 1. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 2. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ziffer 3. Ich bitte, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ebenfalls abgelehnt.
Ziffer 4. Wer zustimmen will, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 78. Es soll nach Ziffern abgestimmt werden.
Ich rufe auf Ziffer 1. Wer zustimmen will, gebe Zeichen.
({1})
- Ich lasse nicht über die Ziffer 1, sondern über den Antrag, Ziffer 1 an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zu überweisen, abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe!
- Einstimmig überwiesen.
Ziffer 2 des Entschließungsantrags. Es wird sachlich abgestimmt. Wer der Ziffer 2 zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ziffer 2 des Entschließungsantrags ist abgelehnt.
Ziffer 3.
({2})
Ziffer 3 soll ebenfalls an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik überwiesen werden. Wer dem Antrag zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig so beschlossen.
Dann Ziffer 4.
({3})
Es ist ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik beantragt. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Sachabstimmung über die Ziffer 4. Wer Ziffer 4 zustimmt, gebe bitte Zeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ziffer 4 ist abgelehnt.
Damit ist die Behandlung des Einzelplans 06 erledigt.
Ich rufe den Einzelplan 36 auf, der mit dem Einzelplan 06 in Zusammenhang steht:
Einzelplan 36 - Zivile Notstandsplanung ({4}).
Hierzu liegt der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 87 vor. - Zur Begründung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Hansing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag kostet finanziell nichts, und doch glaube ich, daß er etwas kosten wird, wenn wir nicht schnellstens eine Gesamtplanung für den zivilen Bevölkerungsschutz vorlegen. Das Vertrauen der Bevölkerung wird schwinden, wenn wir nicht endlich etwas in dieser Hinsicht tun. Seit Jahr und Tag verspricht man uns im Innenausschuß oder hier im Parlament, daß die Bundesregierung bald eine Gesamtplanung vorlegen will. Das letzte Versprechen wurde uns von Staatssekretär Ritter von Lex am 26. März 1960 im Innenausschuß dahin gegeben, daß in allernächster Zeit eine Besprechung mit den Landesinnenministern stattfinde und man sich dann über den Gesamtplan des zivilen Bevölkerungsschutzes einig werde.
Das sind zwei Jahre her, und ich glaube, jetzt wird es Zeit, daß uns die Bundesregierung einen Gesamtplan für den zivilen Bevölkerungsschutz vorlegt.
Herr Innenminister, ich weiß nicht, ob Sie gestern abend Zeit hatten und vielleicht Gelegenheit hatten, einmal einige Stunden vor dem Fernsehen zu sitzen. Um 9 Uhr gab es aus Ihrer Landeshauptstadt ein Programm der Lach- und Schießgesellschaft, in dem Ihre Broschüre „Jeder hat eine Chance" auf die Hörner genommen wurde. Was von dieser Broschüre übriggeblieben ist, Herr Minister, das reicht nicht einmal mehr für den Papierkorb. Man kann sagen: vom Winde verweht. Seien Sie froh, daß sie vom Winde verweht ist!
Geben Sie uns jetzt endlich einmal eine Gesamtplanung und sagen Sie uns, in welcher Zeit Sie diese Gesamtplanung durchführen wollen, damit wir endlich einmal genauso wie in der militärischen Verteidigung wissen, wie die Zivilbevölkerung geschützt werden soll.
Das ist unser Antrag. Ich bitte um seine Annahme.
({0})
Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
({0})
- An den Innenausschuß? ({1})
- Es ist beantragt, den Entschließungsantrag Umdruck 87 an den Ausschuß für Inneres zu überweisen. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 07 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({2})
Hier ist abzustimmen über die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses, eines Entschließungsantrags.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, gebe bitte Zeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 09 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft ({3})
Hier liegen vor die Entschließungsanträge Umdrucke 72, 79 und 80. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte, Frau Abgeordnete Blohm!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag auf Umdruck 72 ganz bewußt so gestellt, daß wir keine bestimmten Vorschläge gemacht und keine Geldmittel eingesetzt haben. Wir sind der Meinung, daß die Bundesregierung uns in absehbarer Zeit diesen Bericht erstatten wird und daß man dann nach reiflicher Überlegung dazu kommen kann, eine Einrichtung zu schaffen, um die Warenteste durchzuführen. Durch die Fülle des Angebots auf dem Markt und durch die verlockende Werbung ist der Verbraucher heute überfordert, da er nicht über genügend Fachkenntnis verfügt, insbesondere wenn wir an technische Geräte denken, und auch häufig nicht genügend Zeit hat, sich zu informieren. Wir sind der Meinung, daß durch diese Warenteste dem Verbraucher geholfen werden soll, sein Geld sinnvoll anzuwenden und sich besser und schneller zu orientieren.
Wir haben keine Zweifel darüber, daß diese öffentlichen vergleichenden Warenteste rechtmäßig zulässig sind. Daher haben wir in unserem Entschließungsantrag auch nicht die Rechtslage zu prüfen beabsichtigt; denn das hat der Haushaltsausschuß bereits am 2. März von der Bundesregierung gefordert. Ebenso verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht die Warentestprüfungen, soweit sie nicht durch interessengebundene Verbände durchgeführt werden, so daß kein Mißbrauch im Wettbewerb betrieben werden kann.
Wir sind der Meinung, wir sollten die Erfahrungen, die das Ausland bereits mit diesen Warentesten gemacht hat, auswerten und uns zu eigen machen, damit wir nicht Zeit mit Experimentieren verlieren oder auch erst Fehler machen, die nicht nötig sind. Wir bitten daher, diesen Antrag so, wie wir ihn gestellt haben, anzunehmen.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche zu unserem Entschließungsantrag Umdruck 79, der sich nur zum Teil mit demselben Problem befaßt, über das Frau Kollegin Blohm soeben gesprochen hat. Wir freuen uns natürlich, daß die CDU, obwohl sie leider unseren Antrag auf Einstellung von 1 Million DM in den Haushalt in der zweiten Lesung abgelehnt hat, jetzt durch einen Entschließungsantrag zum Ausdruck bringt, daß sie für die Durchführung von Warentests ist. Allerdings finden wir, daß dieser Entschließungsantrag etwas unklar ist, weil man aus ihm nicht ersehen kann, was für ein Institut Sie
meinen. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns noch sagen würden, daß Sie kein staatliches Institut meinen. Ich möchte unsere Auffassung ganz deutlich machen, daß wir ein staatliches Institut nicht für wünschenswert halten. Der Zweifel entsteht, weil Sie die Einrichtung eines Instituts verlangen, solche Institute aber bereits bestehen und diese mit der Durchführung beauftragt werden könnten. Ich bitte also, uns diese Frage noch vor der Abstimmung zu beantworten.
Wir gehen in unserem Entschließungsantrag wesentlich weiter als Sie. Wir machen den Versuch, die Bundesregierung und Sie selber zu veranlassen, bis zum nächsten Haushalt eine wirklich wirksame Verbraucheraufklärung auf allen Gebieten, nicht nur auf dem der Warenprüfung, vorzubereiten, wofür dann entsprechende Mittel in den Haushalt eingestellt werden müssen.
Sie haben unseren Antrag auf Einsetzung von 1 Million DM für Warentests in der zweiten Lesung mit der Begründung abgelehnt, daß die Rechtslage problematisch sei. Frau Blohm hat soeben gesagt, es beständen bei Ihnen keine Zweifel darüber, daß Warentests rechtlich zulässig seien. Daraus geht, glaube ich, doch ein wenig hervor, daß .die Begründung für die Ablehnung reine Ausrede war. Ich habe es auch von vornherein nicht anders aufgefaßt.
({0})
- Ich habe Sie leider nicht verstanden, Herr Dr. Conring.
({1})
- Ihr Redner hat gesagt, daß die Rechtslage problematisch sei.
({2})
- Das steht zum mindesten in Widerspruch zu dem, was Frau Kollegin Blohm soeben gesagt hat,
({3})
ganz abgesehen davon, daß der Betrag von 1 Million DM so bescheiden war, daß er ja erst für die Anfänge einer Einführung von Warentests ausgereicht hätte, so daß man dem Antrag wirklich hätte zustimmen können, wenn es einem ernst um die Angelegenheit war.
Unser Entschließungsantrag also geht wesentlich weiter. Ich hoffe, daß Sie mit uns darin übereinstimmen, daß es notwendig ist, die Verbraucheraufklärung auf eine wesentlich breitere Basis zu bringen. Wir bemühen uns in diesem Hause seit Jahr und Tag darum, mehr öffentliche Mittel für die wichtigen Aufgaben der Verbraucheraufklärung zu bekommen. Schon in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1960 haben wir auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der Qualitätsprüfung hingewiesen. Leider hat sich das bis jetzt nicht im Haushalt niedergeschlagen. Deshalb mußten wir einmal mit einem konkreten Antrag kommen. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich in jüngster Zeit verschiedentlich in Interviews und Reden für solche
Warentests ausgesprochen. Bedauern muß man nur, daß er bisher aus seiner Sympathie dafür keine praktischen Konsequenzen in seinem Hause und auch im Haushalt gezogen hat.
Man kann nicht sagen, daß die Frage, ob man Mittel für die Durchführung von Warentests einsetzen solle, nicht entscheidungsreif sei; denn schon vor Jahren - das ist Ihnen vielleicht nicht bekannt - wurden dem Bundeswirtschaftsministerium von der Verbraucherarbeitsgemeinschaft detaillierte Vorschläge gemacht. Dabei war die rechtliche Situation bereits geprüft. Es wurde nachgewiesen, daß Institute dafür vorhanden sind; ich erinnere nur an das Institut für Warenprüfung bei der Bayerischen Landesgewerbeanstalt in Nürnberg, ich *erinnere an das Institut in Hohenheim, die Bundesforschungsanstalt usw. Die Verbraucherarbeitsgemeinschaft hat damals sogar eine Prüfordnung für die Durchführung dieser Qualitätstests vorgelegt. Wenn es dem Bundeswirtschaftsminister ernst gewesen wäre, hätte er schon seit Jahren die Voraussetzungen für ihre Durchführung klären können. Wenn man diesen Antrag damals mit Wohlwollen behandelt hätte, stünden heute die Mittel im Haushalt; davon bin ich überzeugt. Aber wir wissen, daß die Widerstände der deutschen Industrie - das sollte man nicht unterschlagen - gegen diese Förderung von Qualitätstests erheblich waren. Man wird eben immer wieder daran erinnert, daß der Einfluß dieser Kreise auf die Entscheidungen des Bundeswirtschaftsministeriums bzw. der Regierung größer ist als der der Verbraucherorganisationen.
Wir haben in den letzten Wochen wieder, wie schon so oft, Tadel am Verhalten der Verbraucher gehört; ob der Tadel zu Recht oder zu Unrecht erhoben wird, lasse ich dahingestellt, das läßt sich gar nicht so ohne weiteres auseinanderhalten. Ich möchte aber ganz deutlich sagen, daß es verhältnismäßig leicht ist, den Verbraucher und sein Verhalten auf dem Markt zu tadeln, daß es aber viel besser wäre, ihn zu informieren, ihn zu beraten und, ich sage das auch, zu erziehen.
({4})
- Herr Dr. Vogel, es ist, glaube ich, nicht ganz fair, das wichtige Kapitel der Qualitätsprüfungen, der Warentests und der Verbraucherberater auf ein Gebiet zu ziehen, das so sehr der Mode unterworfen ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang - nicht im Zusammenhang mit den Damenhüten, sondern mit den wirklichen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern der Haushalte - an die Suggestivkraft der Reklame erinnern. Man versucht heute ständig, mit der Werbung den Verbraucher zu verleiten, vom Prinzip der haushälterischen Vernunft abzugehen. Da muß man sich doch fragen: Was muß geschehen, um den Verbraucher gegen diese Versuchungen einigermaßen immun zu machen? Bisher geschieht eben fast nichts. Im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums stehen 500 000 DM für Verbraucherberatung und Verbraucheraufklärung. Eine Minute Werbefernsehen kostet 50 000 DM. Das heißt, genau zehnmal soviel, wie eine Minute Reklame im Fern1114
sehen kostet, stehen im Haushalt des Wirtschaftsministeriums für die Verbraucherberatung zur Verfügung. Ein ganzseitiges Inserat in einer der großen Illustrierten kostet zwischen 50 000 und 60 000 DM. Das Wirtschaftsministerium hat nicht einmal ganz zehnmal soviel für die Verbraucheraufklärung für ein ganzes Jahr zur Verfügung.
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Dazu muß man beachten, daß die Vielfalt des Warenangebots und der ständige Wechsel ebenfalls verwirrend auf den Verbraucher wirken, noch dazu, wo wir kaum eine Kennzeichnung, kaum Qualitätsnormen, kaum Gütezeichen haben. Ich denke, wir könnten darin übereinstimmen, , daß man gar nicht nachdrücklich genug die Bemühungen um die Verbraucheraufklärung fördern kann. Ich möchte behaupten, daß die Vernachlässigung der Verbraucherinteressen durch die Regierungspolitik und die Regierungsparteien sich schon immer zum Schaden der Verbraucher, aber auch zum Schaden der Volkswirtschaft ausgewirkt hat. Das wird in der gegenwärtigen konjunkturpolitischen Situation besonders offensichtlich und ist besonders bedauerlich.
Zu einer ordentlichen Wettbewerbspolitik gehören Maßnahmen! Dem Verbraucher muß die Möglichkeit gegeben werden, das Angebot, die Qualität und die Preiswürdigkeit der Waren zu beurteilen. Bedenken Sie doch, was für eine Wirkung diese ständige Berieselung der Bevölkerung mit Werbeslogans aller Art auf die Menschen hat! Beachten Sie bitte einmal, welche Wirkung das Werbefernsehen und das geschickte Appellieren an unterschwellige Bewußtseinsbereiche bei Ihren eigenen Kindern hat, was das zuwege bringt!
Ich meine, eine gute Wettbewerbspolitik muß nicht nur dafür sorgen, daß die Produzenten und die Verteiler für sich die günstigsten Absatzchancen schaffen und nützen können, sondern auch dafür, daß die Konsumenten die Einkaufsmöglichkeiten beurteilen können. Man muß sie beraten, wie sie sich marktgerecht verhalten können, und dafür sorgen, daß sie ausreichende Preismaßstäbe haben.
Es ist keine Schande, meine Damen und Herren, wenn wir uns auf diesem speziellen Gebiet der Verbraucherberatung und Verbraucherunterrichtung an den guten Beispielen anderer Länder orientieren. Durch Untersuchungen ist festgestellt worden, daß z. B. die amerikanischen Verbraucher, wenn sie sich vor dem Einkauf gründlich über Qualität und Preis informieren, 30 % der Ausgaben einsparen können.
Daß eine so orientierte Verbraucherpolitik heute für besonders wichtig gehalten wird, beweist das Verbraucherprogramm, das Präsident Kennedy neuerdings vorgelegt hat. Er fordert ein sogenanntes Pilotprogramm: durch Postwurfsendungen soll erreicht werden, daß die Verbraucher mehr und verständlicher orientiert werden. Postwurfsendungen, - das bedeutet, daß diese Aufklärungsschriften in jeden Haushalt kommen.
Wenn man damit die Höhe der Auflage der Schriften vergleicht, die der Bundesausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung herausgeben kann, so kommt man zu einem für uns einfach beschämenden Ergebnis. Dabei muß man noch wissen, daß der Bundesausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung den größten Teil seiner Schriften bisher ausschließlich auf dem Ernährungssektor veröffentlichen konnte, einfach deswegen, weil aus dem Bundeswirtschaftshaushalt eben nur eine ganz geringe Summe zur Verfügung steht. Gerade auf dem Gebiet der Gebrauchsgüter aber, wo der Markt noch umfangreicher und noch differenzierter ist, wären für diese Arbeit des Bundesausschusses für volkswirtschaftliche Aufklärung also wesentlich mehr Mittel notwendig, insbesondere zur objektiven Unterrichtung. Eine objektive Unterrichtung liegt - ich glaube das gezeigt zu haben - auch im öffentlichen Interesse, besonders aber natürlich im Interesse der Verbraucher und vor allem im Interesse der Hausfrau, die dadurch die Möglichkeit einer rationellen und vernünftigen Einkommensverwendung bekäme.
Nun darf ich abschließend noch einige Worte zu unserem Entschließungsantrag sagen. Nach Ziffer 1 der von uns vorgeschlagenen Entschließung soll das Bundeswirtschaftsministerium bzw. das Kabinett gebeten werden, im nächsten Haushalt mehr Mittel bereitzustellen, damit die Verbraucherzentralen besser ausgestattet werden können. Es gibt zur Zeit, soviel mir bekannt ist, etwa 11 Verbraucherzentralen. Sie bekommen bereits Zuschüsse aus dem Bundeswirtschaftshaushalt; aber 7 von Ihnen bekommen nur 25 000 DM, 4 bekommen 40 000 DM im Jahr. Das ist natürlich ein sehr kleiner Betrag. Diese Verbraucherzentralen leisten anerkannt gute Arbeit. Aber sie erreichen ja nur den Großstädter, während die mittleren und die kleineren Städte und vor allen Dingen das flache Land von dieser Verbraucherberatung heute noch völlig ausgeschlossen sind. Wir brauchen einen über das ganze Land organisierten Beratungsdienst für die Verbraucher, ähnlich, wie wir es in der Landwirtschaft im AID haben. Wir sagen weiter, daß durch die Bereitstellung größerer Mittel der Bundesausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung, der heute schon modernes, objektives Anschauungsmaterial erstellt, in die Lage versetzt werden soll, seine Auflagen wesentlich zu erhöhen und solche Publikationen eben auch über Ge- und Verbrauchsgüter zu machen.
Wir machen weiter darauf aufmerksam, daß sogenannte Einkaufswegweiser, Marktübersichten und die direkte Verbraucherschulung von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände heute schon sehr objektiv durchgeführt werden. Aber auch hier ist es so, daß mangels Mittel die Breitenwirkung, die nötig wäre, einfach nicht da ist. Deswegen ist es dringend, daß dieser Verbraucherarbeitsgemeinschaft mehr öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Zur Notwendigkeit der Warenprüfung habe ich bereits einiges gesagt. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, daß das Bedürfnis außerordentlich groß ist. Das geht hervor aus den vielen zustimmenden Zuschriften, die mein Kollege Dr. Deist auf seine diesbezüglichen Forderungen bekommen hat; das geht sehr deutlich aus der Reaktion der Verbraucher auf die Zeitschrift „Die Deutsche Mark" hervor. Ich möchte hoffen und wünschen, daß in diesem Zusammenhang auch der Herr Bundeswirtschaftsminister auf seine gelegentlich gegebenen InterFrau Strobel
views eine ganze Reihe Aufforderungen bekommt und daß er darauf positiv reagiert.
Wir haben in dieser Entschließung noch einmal darauf aufmerksam gemacht, daß es vielleicht notwendig ist, die rechtliche Zulässigkeit der Warentests und ihrer Auswertung zu prüfen. Es ist durchaus nicht notwendig, daß man im nächsten Haushalt die erforderlichen Mittel einstellt. Wir sind nicht der Meinung, daß es rechtliche Schwierigkeiten geben muß. Zwei Oberlandesgerichts-Urteile haben diese Warentests für durchaus mit dem Gesetz vereinbar erklärt, und es gibt auch bereits ein Gutachten, das die Verbraucherarbeitsgemeinschaft hat erstellen lassen usw. Allerdings sind diese Querschnittstests und ihre Veröffentlichung einem Teil der Industrie unbequem, und diese Kreise haben die ablehnenden Urteile immer aufgebauscht.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch zwei andere Feststellungen treffen. Die Verbraucher in der Bundesrepublik kennen ihre gesetzlichen Rechte viel zuwenig, und es ist eine Aufgabe auch der Verbraucheraufklärung, die Verbraucher über ihre gesetzlichen Rechte zu unterrichten. Da kann man natürlich sagen, daß das doch eigentlich nur ein Akt der Selbsthilfe ist. Aber hier ist es ähnlich, glaube ich, wie bei der Entwicklungspolitik. Man muß Hilfe zur Selbsthilfe geben. Anders erreicht man's nicht.
Das zweite ist, daß die Wettbewerbsgesetze verschiedener Art, die wir in der Bundesrepublik haben und von denen ursprünglich behauptet worden ist, daß sie geschaffen worden sind, um dem Verbraucher zu nützen, heute gegen den Verbraucher ausschlagen. Wir möchten den Punkt 3 unserer Entschließung so umfassend verstanden wissen, daß man diese Gesetzgebung einer Untersuchung unterzieht.
Darf ich abschließend zu Punkt 4 folgendes sagen. Die Werbemethoden, die heute von der Wirtschaft angewandt werden, verwirren den Verbraucher, erschweren ihm die Urteilsbildung über Wert und Unwert der ihm angebotenen Waren. Diese Urteilsbildung muß unbedingt objektiviert werden. Zu dies sem Zweck brauchen wir allerdings nicht nur die Warentests, zu diesem Zweck brauchen wir auch eine große Bereitschaft von Rundfunk und Fernsehen, sich in den Dienst dieser Verbraucheraufklärung zu stellen; denn es ist heute ja so, daß gerade Rundfunk und Fernsehen den Hörer - und das ist der Verbraucher - mit diesem Werbefernsehen usw. berieseln und damit die Reklame in den Filmtheatern usw.. noch plastischer und damit noch wirksamer machen. Ich glaube, es ist nicht mehr als ein Akt der Gerechtigkeit, wenn sie sich dann auch der Aufgabe unterziehen, zur Objektivierung der Urteile über die Waren mehr als bisher beizutragen. Es ist dazu die allerhöchste Zeit.
Wenn man die Punkte 1, 2 und 3 unserer Entschließung bis zum nächsten Haushalt so vorbereitet hat, daß wir im Haushalt für 1963 wirklich die notwendigen Ansätze vorfinden, dann kann, glaube ich, auch diesem Anliegen, daß sich Rundfunk und Fernsehen mehr der Verbraucheraufklärung annehmen, genügt werden. Dann haben wir nämlich Material für diese Verbraucheraufklärung.
Die Verbrauchertitel sind in den letzten Jahren immer nur tropfenweise erhöht worden. Das ist der Grund, weswegen wir darauf verzichtet haben, in der dritten Lesung noch einmal einen Antrag zu stellen, zumal ja sowieso bekannt ist, daß Sie ihn niederstimmen würden.
Aber ich möchte doch abschließend sagen, daß es das nächstemal mit einer Erhöhung um 50 000 DM nicht getan ist, sondern daß man die Mittel für die Verbraucheraufklärung wirklich in Beziehung bringen muß zu den Mitteln, die von der Wirtschaft für die Werbung ausgegeben werden. Geschähe das, so müßten wir nächstes Jahr im Etat .des Wirtschaftsministeriums einen Verbrauchertitel finden, der sich wirklich sehen lassen kann. Ich möchte meinen, daß Sie darin mit uns übereinstimmen könnten und daß Sie unserer Entschließung zustimmen werden. Ich bitte Sie aber noch einmal, uns zu sagen, wie Sie es mit dem Institut halten, ob Sie ebenso wie wir der Meinung sind: es darf kein staatliches Institut sein.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Illerhaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es erlaubt, nachdem zwei Damen unseres Hauses als Verbraucher hier gesprochen haben, daß auch einmal ein männliches Mitglied des Hauses zu diesen Fragen ganz kurz Stellung nimmt. Zunächst einmal vorweg, verehrte Frau Kollegin Strobel: as ist nicht so, wie ich es aus Ihren Ausführungen verstanden habe, ,daß nur ,die Verbraucher für diese Warentests eingestellt seien und daß die Industrie und der Handel sich dagegen wehrten. Nein, im Gegenteil, ich kann Ihnen in aller Offenheit sagen, daß die Industrie und auch der Handel der Einführung solcher Warentests durchaus positiv ,gegenüberstehen. Das ist die erste Feststellung.
Die zweite Feststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die: wenn wir einen solchen Warentest befürworten, müssen wir Mittel und Wege suchen, um eine vollkommen objektive Möglichkeit der Herstellung solcher Warentests zu erreichen. Wir müssen zu erreichen versuchen, daß die Warentests aus dem Zwielicht sensationshungriger Journalisten usw. herauskommen. Wir müssen dafür sorgen, daß ein Institut ins Leben gerufen wird - ob das staatlich ist oder nicht staatlich, ist, wie ich glaube, zweitrangig; die Hauptsache ist, daß es unabhängig ist -, das in der Tat die Gewähr dafür bietet, daß es festzustellen in der Lage ist, erstens was getestet werden soll - wir können nicht jedes IMI und ATA testen -, zweitens wer testen soll und drittens welche Eigenschaften getestet werden sollen, alles Fragen, die wir natürlich in so kurzer Zeit nicht entscheiden können. Darüber muß in der Tat eine längere Beratung stattfinden.
Verehrte Frau Kollegin, Sie sprachen von den großen Summen, die für Werbung ausgegeben werden. Ich glaube, Werben gehört zum Wesen unserer Marktwirtschaft. Werben an sich ist auch nicht
schlecht und braucht nicht schlecht zu sein, aber wir müssen auch da wieder Obacht geben. Wir haben ja die Möglichkeit, bei anderen Gesetzen festzustellen,ob unsere Gesetze, die wir im Augenblick dafür zur Verfügung haben, ausreichen oder nicht. Ich denke zum Beispiel an das Rabattgesetz. Das Rabattgesetz, die Begrenzung auf 3%, ist jedenfalls nicht etwa geschaffen worden, um einen Schutz des Handels herbeizuführen, sondern deshalb, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Preise klarer und besser zu übersehen. Die Verhältnisse, die wir früher hatten und die in den umliegenden Ländern vorhanden sind - daß der eine 10 %, der andere 15 %, ein Dritter 20% Rabatt gibt -, führen doch in sehr vielen Fällen zu der Feststellung, daß derjenige, der überhaupt keinen Rabatt gibt, der billigste von allen ist.
Die Frage, ob der Warentest nach dem Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs möglich ist - weil man von einer vergleichenden Werbung spricht -, ist eigentlich schon dahingehend entschieden, daß Werbetests erlaubt sind. Denn es ist keine vergleichende Werbung zwischen zwei Konkurrenten, sondern es werden Waren verglichen.
Ich wollte mit diesen kurzen Ausführungen nur darlegen, wie schwierig diese Frage ist.
Wir beantragen, beide Vorlagen - Umdruck 72 und Umdruck 79 - an den zuständigen Ausschuß zu überweisen. Wir können uns dann in aller Ruhe über die Form klar werden, in der wir eine vernünftige Lösung auch dieses Problems herbeiführen können.
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Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 72. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft beantragt. Wer zustimmt, gebe Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Dann der Entschließungsantrag Umdruck 80! - Herr Abgeordneter Kurlbaum zur Begründung dieses Antrags!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Preiserhöhung des Volkswagenwerkes hat mit Recht großes Erstaunen und Überraschung in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen, insbesondere deshalb, weil die Preiserhöhung zeitlich unmittelbar auf die Fernsehrede des Herrn Bundeswirtschaftsministers mit seinem Appell für das Maßhalten folgte. Gerade Maßhalten in der Gewinnspanne der großen Kraftfahrzeughersteller wäre wohl am dringendsten erforderlich gewesen.
Diese Preiserhöhung hat aber auch gerade durch die Begründung, die der Vorstand des Volkswagenwerkes dafür gegeben hat, besonderes Erstaunen ausgelöst. Wenn die Presse die Ausführungen von Herrn Nordhoff richtig wiedergegeben hat, dann hat er dargelegt, daß die Lohnerhöhung ungefähr 115 Millionen DM ausmache und nur einen Teil der Summe darstelle, die durch die Preiserhöhung vom Volkswagenwerk zusätzlich vereinnahmt werde. Wenn man sich die bisherigen Bilanzen des Volkswagenwerkes ansieht, kommt man ungefähr zu dem Schluß, daß die Lohnerhöhung nur etwa die Hälfte von dem ausmachen wird, was an zusätzlichen Einnahmen durch die Preiserhöhung für das Volkswagenwerk herauskommt.
Mit keinem Worte ist Herr Nordhoff der Presse gegenüber - jedenfalls wurde darüber in der Presse nichts berichtet - auf die Möglichkeit eingegangen, die Lohnerhöhungen in der großen Gewinnspanne aufzufangen, die heute noch in der Automobilindustrie vorhanden ist. Mit keinem Wort ist Herr Nordhoff auf die Möglichkeit eingegangen, zur Finanzierung der Investitionen an Stelle einer Preiserhöhung die Ausgabe neuer Aktien oder die Aufnahme langfristiger Darlehen in Erwägung zu ziehen.
Mit dieser Geschäftspolitik hat sich die Leitung des Volkswagenwerks in einen klaren Gegensatz zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen gestellt, die nicht nur von unserer Bundestagsfraktion, sondern - mindestens mit Worten - auch von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, in den letzten Jahren vorgetragen worden sind und die darauf hinzielen, daß man bezüglich der Selbstfinanzierung nunmehr zu einer Normalisierung kommen muß. Wir wissen ja alle genau, daß die Selbstfinanzierung der großen Unternehmen eine wesentliche Ursache der unerfreulichen Vermögenskonzentration bei einer kleinen Minderheit des deutschen Volkes ist. Wir müssen Wert darauf legen, und ich hoffe, daß Sie uns da mit Taten folgen werden, daß auch in der Automobilindustrie die Selbstfinanzierung nunmehr mindestens schrittweise abgebaut wird auf ein Maß, das gesamtwirtschaftlich vertretbar ist. Die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen in der Bundesrepublik, also rin erster Linie Bundestag und Bundesregierung, können es nach unserer Auffassung einfach nicht dulden, daß ein Unternehmen von so ,entscheidender Bedeutung für die Gesamtwirtschaft wie das Volkswagenwerk offenbar eine Geschäftspolitik auf eigene Faust zu betreiben gewillt ist.
Wir haben daher 3 Fragen an die Bundesregierung bzw. an den zuständigen Minister zu stellen.
Erstens. Welche Richtlinien hat die Bundesregierung oder der zuständige Minister den von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat des Volkswagenwerks entsandten Vertretern mit auf den Weg gegeben?
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Sind sie den Herren in schriftlicher Form gegeben worden oder nur mündlich, oder sind den Herren überhaupt keine Richtlinien mitgegeben worden und hat man es ihnen überlassen, sich sozusagen nach eigenem Geschmack und eigenem Gutdünken in diesem Aufsichtsrat zu verhalten? Man hat beinahe diesen Eindruck aus den Vorgängen der letzten Wochen gewonnen.
Zweitens. Welche Haltung haben die von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat des VolkswagenKurlbaum
werks entsandten Vertreter in der Aufsichtsratssitzung im Dezember des vergangenen Jahres eingenommen, als vom Vorstand bereits die Frage einer Preiserhöhung im Zusammenhang reit den Kostenerhöhungen in allgemeiner Form zur Diskussion gestellt wurde und als der Vorstand- bitte, beachten Sie: schon im Dezember - den Standpunkt vertrat, daß weitere Kostenerhöhungen beim Volkswagenwerk durch Preiserhöhungen aufgefangen werden müßten? In dieser Sitzung hat nach unseren Informationen Herr Otto Brenner als Aufsichtsratsmitglied dieser Auffassung des Vorstandes ausdrücklich widersprochen. Unsere Frage geht dahin: Welche Haltung haben die Vertreter der Bundesregierung in der Dezembersitzung des Aufsichtsrats in dieser Frage dem Vorstand gegenüber eingenommen?
Drittens. Welche Haltung haben die Aufsichtsratsmitglieder, die von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat entsandt worden sind, eingenommen, als sie am 28. März, also einige Tage vor der offiziellen Preiserhöhung des Volkswagenwerks, in der Presse gelesen haben, daß sich das Volkswagenwerk mit der Absicht trage, die Preise zu erhöhen, und was für Gedanken hat man sich im Bundeswirtschaftsministerium gemacht, was für Gedanken haben sich der Bundeswirtschaftsminister und der für diese Preisfragen zuständige Abteilungsleiter gemacht, als sie das ebenfalLs in der Presse gelesen haben? - Diese Fragen hätten wir gern möglichst heute hier beantwortet.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf unseren Umdruck 80 kommen. Ich darf vorausschicken, daß darin leider ein Schreibfehler vorgekommen ist. Unter A Ziffer 1 muß es selbstverständlich heißen - wer das Aktiengesetz kennt, weiß das - „gemäß § 94" und nicht „gemäß § 49".
Meine Fraktion hat in diesem ersten Teil des Antrags versucht, das geltende Recht, insbesondere das Aktienrecht, dafür nutzbar zu machen, daß in Zukunft solche bedauerliche Entscheidungen des Vorstands des Volkswagenwerks nicht mehr möglich sind. Es ist ein bescheidener Rest, der übriggeblieben ist an Möglichkeiten für ein Eingreifen in die Tätigkeit und Geschäftspolitik des Vorstands dieses bedeutsamen Unternehmens, und wir erlauben uns, darauf hinzuweisen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß wir diesen Rest einer Einwirkungsmöglichkeit beim Volkswagenwerk ausschließlich dem zähen Widerstand der damals sozialdemokratisch geführten Regierung von Niedersachsen verdanken, die es durchgesetzt hat, daß es nicht zu einer Totalprivatisierung des Volkswagenwerks gekommen ist. Wo ständen wir heute, wenn es zu der von manchen von Ihnen vertretenen Totalprivatisierung des Volkswagenwerkes gekommen wäre,
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und wo ständen wir andererseits heute, Herr Kollege Burgbacher, wenn Sie damals unseren Vorstellungen bezüglich der Schaffung einer Stiftung Volkswagenwerk gefolgt wären! Wir haben damals einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem festgelegt werden sollte, daß das Volkswagenwerk im Dienste der Gemeinschaft zu führen ist, in dem wörtlich gesagt wurde, daß dies insbesondere geschehen soll, um breite Bevölkerungsschichten mit einem billigen und guten Volkswagen zu versorgen, und weiter, daß das Volkswagenwerk in der Form einer solchen Stiftung insbesondere den Wettbewerb der Automobilindustrie fördern soll. Ein solches Gesetz hätte das eigenmächtige Vorgehen des Vorstandes des Volkswagenwerkes, wie wir es alle miteinander mißbilligen, unmöglich gemacht. Damit ist, glaube ich, klar geworden, wie recht wir hatten, als wir schon vor Jahren bei der Beratung über die Zukunft des Volkswagenwerks immer wieder darauf hinwiesen, daß man bei der Entscheidung über die Zukunft des Volkswagenwerkes gleichzeitig über die Frage entscheide, ob in Zukunft die Gesamtheit 'der deutschen Staatsbürger die Chance haben wird, einen 'billigen und preiswerten Volkswagen zu beziehen, oder ob eine Minderheit die Chance haben wird, ein lukratives Spekulationspapier zu erwerben.
Lassen Sie mich auf einen anderen Vorgang hinweisen, der in diesem Zusammenhang erwähnt werden muß, und zwar auf das sehr gute Beispiel, das das im Bundesbesitz befindliche Hüttenwerk Salzgitter im Jahre 1958 gegeben hat, als es sich weigerte, die Erhöhung der Stahlpreise durchzuführen, und so indirekt die übrigen Stahlhersteller zwang, ihre Preispolitik zu revidieren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Abgeordneter Mertes!
Sind Sie der Meinung, Herr Kollege, daß der Preis für den Volkswagen auch zu der Zeit gerecht war, als dieses Werk ausschließlich im Besitz der öffentlichen Hand war?
Ich bin durchaus nicht der Meinung, daß der damalige Preis gerechtfertigt war, ich bin aber der Meinung - und diese Meinung 'haben wir im Bundestag immer vertreten -, daß die Bundesregierung sich nicht rechtzeitig eine gesetzliche Handhabe geschaffen hat, um auf die Preispolitik des Volkswagenwerks Einfluß zu nehmen. Diese Meinung haben wir immer vertreten.
Und nun, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, möchte ich folgende Frage an Sie richten. Sie brauchen sie nicht heute hier zu beantworten, aber vielleicht beantworten Sie sich selbst diese Frage einmal im stillen Kämmerlein. Sind Sie heute wirklich noch derselben Meinung wie früher, nach all den Erfahrungen, die wir mit den Volkswagen-Aktien gemacht haben? Denken Sie daran, daß die Volkswagen-Aktien einschließlich Sozialrabatt zu 280% ausgegeben wurden, dann auf 1100% gestiegen und schließlich wieder auf 700 % zurückgefallen sind, denken Sie weiter daran, daß, wie kürzlich in der Zeitung zu lesen war, praktisch die gesamte Belegschaft, insoweit sie Gratisaktien bekommen hat von der Leitung des Volkswagenwerks, diese Aktien inzwischen angesichts dieser Kursentwicklung wieder veräußert hat! Sind Sie wirklich noch der Meinung, daß es sich gelohnt hat, dieses Spe1118
kulationspapier zur Ermutigung der breiten Schichten der deutschen Bevölkerung zu schaffen, damit sie sich am Sparprozeß beteiligt?!
Hören Sie einmal, was die „Welt" am 10. April dazu gesagt hat. Da ist zu lesen:
Was sich an der Börse wieder bei der Volkswagenaktie abgespielt hat, sprach den sozialromantischen Vorstellungen von einer Volksaktie Hohn.
Dieses Urteil fällt die „Welt". Nach den Erfahrungen, die wir nunmehr mit Ihnen gemeinsam -sammeln mußten, hoffen wir -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Burgbacher?
Bitte.
Herr Kollege Kurlbaum, ist Ihnen der Prozentsatz bekannt, mit dem sich die Volkswagenaktien noch in der Hand der Erstzeichner befinden?
Das ist mir durchaus bekannt. Aber das ist nur ein schrittweiser Prozeß. Genügt es nicht schon allein, auf den Mißerfolg bei der Belegschaft des Volkswagenwerkes hinzuweisen?
Ist Ihnen weiter bekannt, daß dieser Satz bei beinahe 80 0/o der Erstzeichnungen liegt?
Der Satz derer, die sie zurückgegeben haben?
Nein, der Prozentsatz derer, die sich heute noch in den Händen der Erstzeichner befinden.
({0})
Herr Burgbacher, für mich ist das Ergebnis bei den Mitarbeitern des Volkswagenwerkes viel kennzeichnender; denn das waren vor allem Arbeitnehmer, auf deren Beteiligung am Vermögensprozeß wir ganz besonderen Wert legen. Inwieweit die übrigen VW-Aktien in den verschiedenen Kreisen der Bevölkerung gestreut sind, vor allen Dingen bei denjenigen, die gerade erst über 18 Jahre alt sind und die Aktien nur mit dem Portemonnaie ihres wohlhabenden Vaters kaufen konnten, wissen wir bis heute nicht genau.
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- Bitte!
Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Kursbewegung der Volkswagenaktie, wenn Sie sie graphisch aufzeichnen, haargenau mit der Kurve der allgemeinen Kursentwicklung parallel
läuft und daß die Umsätze in VW-Aktien an der Börse, gemessen am Gesamtvolumen, ungewöhnlich gering sind?
Herr Burgbacher, darauf kann ich nur antworten, daß das, was Sie gesagt haben - entschuldigen Sie -, sachlich absolut falsch ist. Der Durchschnittskurs der Aktien ist keineswegs im letzten Jahr nahezu halbiert worden wie bei der VW-Aktie. Die Kurve der Kursentwicklung der Aktien des Volkswagenwerkes war sehr viel hektischer als die Kurve für den Durchschnitt der Aktienkurse. Man hat also hier, wie sich inzwischen herausgestellt hat, ein in dieser Beziehung besonders ungeeignetes Objekt gewählt. Herr Burgbacher, Sie müssen diesen „Erfolg" zu dem in Beziehung setzen, was wir jetzt mit den Preisen erlebt haben. Das muß hier zusammen gesehen werden.
Wir hoffen, daß mindestens Einigkeit darüber besteht, daß die bescheidenen Möglichkeiten, die uns bei der jetzigen Rechtslage bezüglich der Organe des Volkswagenwerkes bleiben, ausgeschöpft werden müssen, um durchzusetzen, daß in Zukunft das Gemeinwohl - so ist es auch heute noch im Aktiengesetz zu lesen - bei. den Beschlüssen des Vorstandes des Volkswagenwerkes angemessene Berücksichtigung findet.
Was Herr Bundesminister Lenz heute morgen in der Fragestunde gesagt hat, befriedigt uns noch nicht ganz. Wir wollen wissen: Ist in kurzer Frist mit einer Einberufung des Aufsichtsrates wirklich zu rechnen? Können wir damit rechnen, daß die Vertreter der Bundesregierung die kurzfristige Einberufung des Aufsichtsrates beantragen werden? Können wir sicher sein, daß die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat des Volkswagenwerkes den Antrag stellen werden, einen Beschluß gemäß § 95 des Aktiengesetzes zu fassen, damit in Zukunft die Entscheidung über die Preispolitik des Volkswagenwerkes bezüglich der Preise für Kraftwagen von der Genehmigung des Aufsichtsrates abhängig gemacht wird?
Nun, meine Damen und Herren, wenige Worte zum zweiten, dem zollpolitischen Teil unseres Antrags. Leider hat sich in diesem Zusammenhang gezeigt, daß die Erhöhung der Volkswagenpreise sozusagen das Startsignal zu der Erhöhung der Preise aller anderen Hersteller von konkurrierenden Kraftwagentypen gewesen ist, nur mit einer einzigen Ausnahme - soweit ich bisher im Bilde bin -: Opel. Was da in der nächsten Zeit passieren wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Offensichtlich hat sich auf diesem Markt, der von wenigen Großunternehmen beherrscht wird, eine Art Preisführerschaft - so bezeichnet man es unter Volkswirtschaftlern - des Volkswagenwerks ergeben. Wir haben von Anfang an bei der Diskussion über die Zukunft des Volkswagenwerks immer wieder darauf hingewiesen, daß gerade das Volkswagenwerk auf diesem Markt eine besonders einflußreiche Stellung hat und haben wird.
Dieser Vorgang hat übrigens erneut die Mängel unseres Kartellgesetzes deutlich gemacht, das eine
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1119
Meisterung solcher Situationen offensichtlich nicht gestattet. Angesichts dieser Mängel unserer Gesetzgebung bleibt uns überhaupt gar nichts anderes übrig, als den Rest der zollpolitischen Möglichkeiten, die für die Bundesrepublik noch gegeben sind, voll auszunutzen. Ich glaube, wenn das jetzt nicht tatsächlich hart angepackt wird, wird man von Ankündigungen, von einer Androhung des Herrn Bundeswirtschaftsministers von harten Maßnahmen in der deutschen Öffentlichkeit überhaupt nichts mehr halten.
Ich weiß, daß auf unseren zollpolitischen Vorschlag jetzt das Gegenargument von der notwendigen Gegenleistung kommen wird, das Argument, daß man solche angeblichen zollpolitischen Zugeständnisse anderen Ländern nur machen dürfe, wenn auch sie zu Zollsenkungen bereit seien. Das ist das uralte, nach meiner Ansicht aber überholte Argument der alten Handelspolitiker, das jedoch ein reines Unternehmerargument ist. Alles wird auf die Frage abgestellt: Werden mit einer solchen Zollsenkung den Unternehmungen der Bundesrepublik Gewinnchancen genommen, die den Unternehmern in den Handelspartnerländern gleichzeitig nicht genommen werden?
Nun, wir glauben - das haben wir hier schon öfter zum Ausdruck gebracht -, daß es nach über zwölfjähriger Wirtschaftspolitik mit Vorzugschancen für die Unternehmerseite nunmehr vordringlich geworden ist, das Verbraucherinteresse in den Vordergrund zu stellen; wir sagen das klar und deutlich. Wenn andere Regierungen und Parlamente in
anderen Ländern ihren Staatsbürgern die Wohltat billiger Einfuhren, die Wohlfahrt niedriger Preise, die Wohltat eines höheren Lebensstandards weiter vorenthalten wollen, sollen sie das in Gottes Namen tun; für uns in der Bundesrepublik ist das in keiner Weise maßgebend. Das ist jedenfalls der Standpunkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Wir hoffen, daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, uns in dieser Beziehung, bei der Forderung nach vordringlicher Verbraucherpolitik nunmehr auch mit Taten folgen.
Wenden Sie bitte nicht ein, daß auch Sie ähnliche Absichten geäußert haben! Absichten imponieren uns nicht mehr, uns imponieren nur noch Taten. Wir denken immer noch an den Herbst 1960, als wir uns, glaube ich, eine Zeitlang ziemlich darüber einig waren, was konjunkturpolitisch zu tun war, nur entschlossen Sie sich dann seinerzeit, gar nichts in diesen Dingen zu tun, nichts von Ihren angekündigten Absichten durchzuführen.
Zur Abstimmung über unseren Antrag habe ich folgendes vorzuschlagen. Über den Teil A sollte sofort abgestimmt und beschlossen werden. Die Teile B und C sind wir mit Rücksicht auf die in der Presse angekündigten Verhandlungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers mit der Automobilindustrie bereit zurückzustellen, und zwar in der Weise, daß wir lediglich die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Außenhandelsausschuß zur Mitberatung beantragen. Wir möchten jedoch die Bedingung stellen, daß dieser Antrag wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit bereits vor den Osterferien im Wirtschaftsausschuß des
Bundestages beraten wird. Dazu ist ohne weiteres Zeit, da der Herr Präsident angekündigt hat, daß die Plenarsitzung morgen bereits um 10 Uhr beendet sein wird.
Wir sind auch darauf vorbereitet, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß die Frage gestellt wird, ob eine solche zeitweise Zollaussetzung für die kleineren Hersteller von Kraftfahrzeugen tragbar sei. Auf die Dauer können wir uns mit dem Gedanken, der in diesem Einwand steckt, mit dem Gedanken eines - sagen wir ruhig - Geleitzugsystems keineswegs einverstanden erklären. „Geleitzugsystem" bedeutet, daß sich alle nach der Geschwindigkeit des kleinsten Schiffes oder, auf die Wirtschaft übertragen, daß sich der Preis auf dem Markt nach den Betrieben mit unterdurchschnittlich rationeller Herstellung auszurichten hat. Auf die Dauer ist ein solches Geleitzugsystem eine sehr bequeme Garantie für Übergewinne der übrigen Hersteller. Wir stehen grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß die unterschiedlichen Erfolgsaussichten der Kleinen und Großen in der Wirtschaft ausgeglichen werden müssen. Aber es ist nicht Aufgabe des Verbrauchers, dafür einen zusätzlichen Preis zu zahlen, sondern es wäre Aufgabe einer sinnvollen Steuer- und Wirtschaftspolitik, für diesen Ausgleich der unterschiedlichen Chancen der großen und kleinen Unternehmer Sorge zu tragen. Solange allerdings eine solche Gesetzgebung von der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Bundestages noch nicht in Angriff genommen worden ist, müssen wir uns mit dem augenblicklichen Zustand zurechtfinden.
Wir sind, wie gesagt, bereit, dieses Argument auch im Wirtschaftsausschuß zu diskutieren. Wir behalten uns aber unsere Stellungnahme je nach den Informationen, die wir dann bekommen werden, ausdrücklich vor. Ich bitte Sie, unseren Anträgen zu folgen und es damit möglich zu machen, aus der schwierigen Lage wieder herauszukommen, in die uns das Volkswagenwerk durch seine Entscheidung gebracht hat.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Westrick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zunächst einige Worte zu dem Entschließungsantrag sage, den der Herr Abgeordnete Kurlbaum in dem letzten Teil seiner Ausführungen behandelt hat. In Buchst. A Ziffer 1 des Entschließungsantrages wird die Einberufung einer Aufsichtsratsitzung verlangt. Ich kann den Damen und Herren berichten, daß die Aufsichtsratsitzung für den 27. April dieses Jahres einberufen ist.
In Ziffer 2 ist beantragt, in der Aufsichtsratsitzung solle festgelegt werden, daß eine Erhöhung der Verkaufspreise für Kraftwagen der Genehmigung des Aufsichtsrates bedürfe. Hierüber werden noch rechtliche Prüfungen angestellt, ob es nämlich in diesem allgemeinen Sinn überhaupt zulässig ist,
die Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstandes einzuengen. Von der Seite der Wirtschaftspolitik her gesehen bestehen jedenfalls in der Richtung keinerlei Bedenken.
Zu dem Entschließungsantrag unter B, dem Bundestag eine Verordnung zur Änderung des Zolltarifs zuzuleiten, daß die Zölle auf Null gesenkt werden, ist allerdings einiges mehr zu sagen. Ich brauche nicht zu versichern, daß die für uns unerwartete Preiserhöhung des Volkswagenwerkes und der übrigen Automobilindustrie von uns ebenso unangenehm empfunden wird wie von Ihnen allen. Trotzdem sind wir der Meinung, daß die Maßnahmen, die zu treffen sind, einer sorgfältigen Überlegung bedürfen, damit wir nicht in der Emotion etwas tun, was vielleicht gesamtwirtschaftlich unvernünftig sein könnte. Es ist in der Tat naheliegend, zu sagen: Nun, wenn die Automobilfabriken eine Preiserhöhung im Inlandsmarkt durchzusetzen vermögen, dann wird ja auch ein so schwaches Angebot im Markt sein, daß ein zusätzliches Angebot geradezu erwünscht ist.
Aber ich möchte doch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Automobilindustrie, wie im übrigen der größte Teil der deutschen Wirtschaft, vor der Tatsache steht, daß sich in dem EWG-Raum die wettbewerbliche Lage in der Zukunft außergewöhnlich verschärfen wird. Wir sind darüber unterrichtet, daß sowohl England als auch Frankreich ungeheure Investitionen, auch in der Automobilfabrikation, einsetzen; die deutsche Fabrikation sollte sich daher ein wenig auf diesen vor ihr liegenden Wettbewerb einrichten. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, daß in den letzten Monaten das Ergebnis unserer Zahlungsbilanz ein ganz anderes Gesicht zeigt, als wir es im vergangenen Jahre gewohnt waren. Infolgedessen glaube ich nicht, daß ohne eine sorgfältige Überlegung und Prüfung, schnell übers Knie gebrochen, ein Entschluß gefaßt werden sollte, dessen Konsequenzen vielleicht ungünstig wären.
Ich möchte in dem Zusammenhang die Zulieferindustrien erwähnen. Uns allen, insbesondere dem Herrn Abgeordneten Dr. Deist, ist bekannt, wie es der Karosserieblechfabrikation geht. Die Stahlindustrie steht nicht gerade in der besten Konjunktur, und die Automobilindustrie beschäftigt ja eine Fülle von Zulieferindustrien, so daß wir zumindest sehr behutsam diese Frage überprüfen wollen. Diesem Zwecke dient die von Herrn Professor Erhard für die ersten Tage nach dem Osterfest eingeleitete Besprechung mit der Automobilindustrie.
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat erwähnt, das handelspolitische Argument sei ein altes Argument. Nun, dadurch, daß es alt ist, wird es nicht weniger wirkungsvoll. Ich darf wenigstens darauf hinweisen, daß Frankreich und Italien 18 und 24% bis 27 % Zoll haben, wahrend unsere Zölle bei 10 und 121/2 %, im wesentlichen bei 10% liegen. Wir glauben also, es müßte mit aller Sorgfalt überprüft werden, ob wir eine Reduktion oder eine Abschaffung der Zölle verantworten können. In diesem Falle wird es bestimmt geschehen.
Ein letztes Wort zu dem Buchstaben C des Entschließungsantrags! Meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen ist es gelungen, im Rahmen des GATT eine Zollvereinbarung zwischen der EWG und den USA herbeizuführen, wonach die Außenzölle der EWG - das entspricht ja dem Wunsch in Ihrem Entschließungsantrag - von 29 % auf 22% für fertige Wagen und von 19% auf 14% für Zubehör gesenkt werden.
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- Herr Abgeordneter Kurlbaum ist so liebenswürdig, mich an seine Fragen zu erinnern. Das Bundeswirtschaftsministerium entsendet keine Aufsichtsratsmitglieder. Ich werde aber die Frage mit dem zuständigen Bundesministerium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes 'besprechen.
Ein glücklicher Zufall, Herr Abgeordneter, gibt mir in dieser Minute einen Brief in die Hand, der zumindest für Sie interessant ist; denn er stammt von einem für Sie völlig unverdächtigen Zeugen. Sie haben gefragt, wie die von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat entsandten Vertreter in jener Dezembersitzung Stellung genommen haben, in der der Vorsitzende des Vorstands diese Preissteigerung angekündigt hat? Der unverdächtige Zeuge sagt zu dieser Sitzung:
„Im vorliegenden Falle war es so, daß Professor Nordhoff in einer Routinesitzung des Aufsichtsrates Anfang Dezember vorigen Jahres während seines Berichts über die allgemeine Lage des Unternehmens nebenbei auch Ausführungen über die Preisgestaltung machte. Sinngemäß sagte er damals, ,daß das Volkswagenwerk an der Grenze möglicher Rationalisierungsmaßnahmen angelangt sei und Erhöhungen der Löhne und Gehälter nur noch über Preiserhöhungen aufgefangen werden könnten.
Hier fügt der Schreiber hinzu: „Ich habe dieser These heftig widersprochen. Obwohl das zu meiner Deduktion nicht gehört, möchte ich es der Vollständigkeit halber sagen.
({1})
Aber dann sagt der Schreiber - meine Herren, Ihre Heiterkeit wird vielleicht noch gesteigert werden - auf der nächsten Seite:
Kein Aufsichtsratsmitglied konnte die seinerzeitigen Äußerungen des Herrn Nordhoff als bestimmte Ankündigung einer 'beabsichtigten Preiserhöhung auffassen.
Ich glaube, dann könnten Sie auch den beiden von der Bundesregierung entsandten Vertretern zubilligen, daß auch sie diese damalige Ankündigung nicht so auffassen konnten.
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Ich würde gern die genaue Antwort geben, aber da die beiden Herren nicht hier sind und ich nicht im Aufsichtsrat bin, bin ich außerstande, die Antwort jetzt zu geben.
Herr Staatssekretär, können Sie feststellen, ob die Aufsichtsratsmitglieder der Bundesregierung den zuständigen Ministern über diese Sitzung berichtet haben?
In diesem Moment, Herr Abgeordneter, kann ich diese Frage nicht beantworten. Ich werde sie aber gern zu beantworten versuchen.
({0}) - Der unverdächtige Schreiber ist Herr Brenner.
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Das Wort hat der Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Frage der Volkswagenpreiserhöhung ist eine Menge gesagt und geschrieben worden, von der Backpfeife bis zum Tiefschlag! Ich glaube, die Herren haben eines vergessen: Es ist nur der Volkswagenpreis erhöht worden, nicht der 1500er- und nicht der Exportpreis. Das ist doch sehr interessant, und ich glaube auch, daß der Volkswagen heute weiß Gott kein Luxusgegenstand mehr ist, sondern daß er ein wichtiger Gebrauchsgegenstand geworden ist, dessen Besitz sich eine Fülle von Bürgern erträumt, und daß man deswegen gerade bei dieser Frage besonders ernst prüfen müßte, ob man einer solchen Preiserhöhung zustimmen konnte. Wenn hier Herr Brenner zitiert wurde, so darf ich noch einen kurzen Absatz zu dieser Frage vorlesen, der auch ganz interessant ist. Ich habe den Brief nämlich auch bekommen. Herr Brenner sagte, daß Herr Nordhoff seinerzeit erklärt hätte, Rationalisierungsmaßnahmen seien nicht mehr möglich, um Lohnerhöhungen aufzufangen.
({0}) - Aber Herr Brenner erklärt das doch hier.
({1})
- Ja, Herr Brenner mußte ja doch wissen, daß spätestens im Frühjahr Lohnerhöhungen auf dem Gebiet der IG Metall kommen würden, und da schreibt er folgendes - er hat das zur Kenntnis genommen und hat es nicht als so ernst empfunden -: „Denn erstens gab es damals noch keine Lohn- und Gehaltserhöhungen, die aufzufangen gewesen wären; zweitens war der Kurs der Volkswagenaktie damals noch viel höher; drittens lag überhaupt kein konkreter Vorschlag vor."
Meine Herren, der Aufsichtsrat besteht ja aus Mitgliedern beider Tarifpartner. Diesem Aufsichtsrat gehört interessanterweise auch Herr Butschkau an, der Gralshüter der Sparer; der sitzt da auch drin und andere Herren. Also ich muß sagen, ich habe für das Verhalten des gesamten Aufsichtsrats einfach kein Verständnis, überhaupt nicht.
({2})
- Richtig! Es ist traurig, daß eine Auto-Firma, die zu 40 °/o der öffentlichen Hand gehört, hier eine Aktion einleitete, die zu einer Kettenreaktion geführt hat. Leider erfolgte die Preiserhöhung nur bei einem bestimmten Produkt, nämlich 'bei dem Wagen, der ausgerechnet Volkswagen sein soll und hoffentlich auch in der Zukunft bleiben wird, und 300 Mark Aufschlag sind eine Menge Geld.
({3})
- Wir haben sehr interessiert zur Kenntnis genommen - ich habe in der Öffentlichkeit darüber auch gesprochen und sage das hier ganz offen -, daß Herr Minister Lenz den Herrn Aufsichtsratsvorsitzenden Staatssekretär a. D. Busch zu sich kommen ließ, und ich habe gehört, daß eine Aufsichtsratssitzung einberufen ist. Sie haben heute gelesen, daß der Bundeswirtschaftsminister eine Erklärung abgegeben hat; und das finde ich sehr erfreulich. Wir sitzen ja leider in einem Boot mit den Amerikanern, mit dem einen Unterschied, daß die amerikanischen Metallgewerkschaften 1962 stillgehalten haben und die Unternehmer trotzdem die Preise heute erhöhen. Hier ist es allerdings umgekehrt, die IG Metall hat nicht stillgehalten. Herr Nordhoff erklärt ja, daß der Grund seiner Preiserhöhung sei, ad oculos zu demonstrieren, welche Folgen Lohnerhöhungen haben „können".
Wenn Sie die Bilanz von Herrn Nordhoff ansehen, so habe ich für diese Maßnahme keinerlei Verständnis.
({4})
Außerdem lehne ich es ab, daß man hier in diesem Falle, wo es sich um einen Volkswagen handelt, die gesamte Kapazitätsausweitung über den Preis finanziert. In der Zukunft sollte man das vernünftiger handhaben.
Dann bitte ich doch gerade die Bundesregierung, in der Zukunft, wo jetzt die Pläne des Herrn Nordhoff ganz offensichtlich zu erkennen sind, darauf hinzuwirken, daß man bei diesen sinnlosen Kapazitätserweiterungen auf 5000 Wagen pro Tag, die jetzt anscheinend vorgenommen werden, sehr sorgfältig prüft, ob sie sinnvoll sind. Man sollte eine Gesamtanalyse der Autoindustrie überhaupt auch im Rahmen der EWG und des eventuellen amerikanischen Zutritts erarbeiten. Ich darf Ihnen nämlich sagen: in meinem Gebiet Kassel werben die Volkswagenwerke für irrsinnige Angebote die Arbeitskräfte insbesondere in der Landwirtschaft ab. Es ist nicht sicher, ob diese Arbeitsplätze in fünf Jahren noch gesichert sind. Hier liegt auch eine Aufgabe des Aufsichtsrates! Ich weiß das sehr gut, denn ich habe die Ehre, verschiedenen derartigen Gremien anzugehören. Wenn Sie sich einmal den Kommentar zum Aufsichtsratsgesetz ansehen -§ 95 -, dann werden Sie sehen, daß der Vorstand alles tun muß, um dem Aufsichtsrat die Erfüllung seiner Pflichten zu ermöglichen und zu erleichtern. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit darf sich der Aufsichtsrat nicht blind auf Angaben des Vorstandes verlassen. Das gilt hier natürlich auch für die Aufsichtsratsmitglieder aus den Reihen der Arbeitnehmer, und es kann sich da niemand exkulpieren.
von Kühlmann-Stumm
Es dreht sich hier tatsächlich um einen Tiefschlag für die Maßnahmen, die unser Finanzminister Starke anläßlich der Haushaltsrede eingeleitet hat und die der Bundeswirtschaftsminister nachher in aller Öffentlichkeit verkündet hat. 50 °/o Luft ist aus diesen ganzen Maßnahmen heraus durch die Volkswagen-Preiserhöhung.
({5})
- Der Herr Staatssekretär hat ja vor mir gesprochen.
({6})
Er hat gesagt, der Herr Bundeswirtschaftsminister werde sich bemühen, die Automobilunternehmen zu einer Zurücknahme der Preiserhöhungen zu veranlassen. - Ich kann nur sagen: Waidmannsheil! Hoffentlich hat er Erfolg!
({7})
Die amerikanische Regierung, die ja ebenfalls in einer sehr schweren Lage ist, da der amerikanische Präsident sich sehr erfolgreich für ein Stillhalteabkommen eingesetzt hat, ist heute durch die unverantwortlichen Preiserhöhungen der Stahlindustrie auch vor eine schwere Situation gestellt worden.
Nun komme ich aber zur Kehrseite der Medaille. Die Fraktion der Freien Demokraten hält es für richtig, daß dieser gesamte Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und dem Außenhandelsausschuß - mitberatend - überwiesen wird. Aber nun will ich Ihnen mal etwas zu Abschnitt B sagen. Wenn Sie den Zolltarif auf Null heruntersetzen wollen, dann schütten Sie das Kind mit dem Bade aus! So leicht kann man sich die Dinge eben nicht machen. Ich weiß, daß sehr hochgestellte Persönlichkeiten der Auffassung sind, man sollte dieses freche Vorgehen der Automobilindustrie mit einer solchen Maßnahme beantworten. Ich halte aber derartige Maßnahmen wirtschaftlich für zumindest sehr problematisch. Man sollte sehr sorgfältig prüfen, ob man Zollsenkungen beschließen sollte. Ich glaube, daß die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß das Richtige ist.
Ich möchte zum Schluß folgendes sagen, weil es immer heißt: Der Aufsichtsrat kann nicht, und er war nicht da, und er ist nicht gefragt worden . . . Die letzte Sitzung des Aufsichtsrats war im Dezember. - Das sind alles nur Ausreden. Ich kann Ihnen sagen, es handelt sich hier um Persönlichkeitsfragen. Dem Aufsichtsrat ist bei einem solchen Unternehmen durchaus die Möglichkeit gegeben, sich durchzusetzen. Da finden Kraftproben statt. Diese Kraftprobe hat eben der Herr Nordhoff gewonnen. Da gibt es gar keinen Zweifel. Er macht seit Jahren, was er will, früher noch mehr als heute
({8})
- das muß man einmal ganz deutlich aussprechen -, und er hat der Bundesregierung drei Tage nach der öffentlichen Dokumentation ihres Willens, Maß zu halten, in einer Art und Weise in die Schienbeine getreten, daß es wirklich eine Unverschämtheit ist.
({9})
Ich möchte hier noch etwas sagen, was der Herr Wannenmacher, der ein sehr kluger Wirtschaftsjournalist ist, am Schluß seines Artikels gesagt hat: Ein schönes Zeichen für die Herren Aufsichtsratsmitglieder, ein Zeichen von Konsequenz und Bekenntnistreue wäre es, wollten diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die dazu moralisch verpflichtet sind, ihr Mandat beim Volkswagenwerk niederlegen.
({10}) - Ja, Waidmannsheil! Ich gehöre nicht dazu.
Die Fraktion der FDP bittet, den Antrag dem Wirtschaftsausschuß - federführend - und dem Außenhandelsausschuß - mitberatend - zu überweisen.
({11})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Brand ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter A dieses Antrages wird die Einberufung des Aufsichtsrates usw. angeregt. Wir haben inzwischen gehört, daß er bereits auf den 27. April einberufen worden ist. Ich möchte zu dieser Anregung gar nichts sagen, sondern mich auf die Bemerkung beschränken, daß es meines Erachtens sehr viel wichtiger wäre, einmal sehr kritisch die Zusammensetzung der Aufsichtsräte der bundeseigenen Betriebe und der Betriebe zu prüfen, an denen der Bund maßgeblich beteiligt ist,
({0})
und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Unter B des Antrags wird verlangt, daß der Binnenzollsatz für die Personenkraftwagen auf Null herabgesetzt wird. Herr Kurlbaum, Sie haben auch diesen Teil des Antrages begründet. Ich muß Ihnen sagen, daß ich persönlich ihn für unverständlich halte und der Meinung bin, daß er nicht zu verantworten ist.
In Ergänzung der Ausführungen, die Herr Staatssekretär Dr. Westrick bereits gemacht hat, darf ich dem Hohen Hause noch einige wenige Zahlen ins Bewußtsein rücken, die Sie alle interessieren dürften. Als Lieferländer kommen bei diesen kleinen und mittleren Pkws eigentlich nur Italien und Frankreich in Frage. Der Herr Staatssekretär hat nur von den Zöllen gesprochen. Wie ist nun die Gesamtbelastung, die sich aus Zöllen, Ausgleichsteuern, Gebühren usw. ergibt, also nach Verrechnung aller Be- und Entlastungen?
Wenn die Franzosen in die Bundesrepublik einen Pkw liefern, erfährt der Preis frei Grenze eine Gesamtbelastung von 18 %. Wenn wir aber aus der Bundesrepublik nach Frankreich einen solchen Wagen liefern, erfährt er eine Gesamtbelastung von 48 %. Im Verhältnis zu Italien ist die Sache so: wenn die Italiener an uns liefern, beträgt die Gesamtbelastung ebenfalls 18 %, wenn wir nach Italien liefern, macht sie 45 5 aus.
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1123
Die Folge davon ist gewesen - ich will Ihnen jetzt nur noch diese eine Zahlenangabe machen -, daß wir 1961 22 000 Einheiten nach Italien geliefert haben, während die Italiener an uns 40 000 Wagen und 40 000 Wagen in Einzelteilen, also insgesamt 80 000 Einheiten, geliefert haben.
({1})
- Herr Kurlbaum, wollen wir denn diese schlechte Ausgangsposition der deutschen Automobilindustrie innerhalb des EWG-Marktes noch weiter verschlechtern?
({2})
- Herr Dr. Deist, bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß dieser Prozeß sowieso innerhalb der EWG eingeleitet und im Werden ist - ich meine die Beseitigung der Binnenzölle in der EWG - und daß es auch nach Auffassung der Institutionen der EWG durchaus erwünscht ist, daß dieser Prozeß von einigen Mitgliedern möglichst gefördert wird und daß einige Staaten vorangehen?
({0})
Herr Dr. Deist, das ist mir sehr wohl bekannt. Aber es ist für mich ein Argument dafür, daß wir den Zoll als Verhandlungsobjekt in der Hand behalten müssen.
({0})
Herr Dr. Deist, wenn wir die Zölle innerhalb des EWG-Raumes heruntersetzen, müssen wir doch dafür sorgen, daß die wettbewerbsverzerrenden Subventionen der verschiedensten Art, wie sie die Franzosen und Italiener haben, auch beseitigt werden.
Wissen wir denn, Herr Dr. Deist und Herr Kurlbaum, ob wir nicht in wenigen Monaten innerhalb der EWG in einer Situation sind, in der wir dringend ein solches Verhandlungsobjekt in der Hand haben müssen? Können wir im Augenblick wissen, ob sich nicht innerhalb eines halben Jahres, wie es im vergangenen Sommer der Fall gewesen ist, Zehntausende von Pkws der Mittelklasse auf den Fabrikhöfen ansammeln, die im Augenblick nicht abzusetzen sind?
Meines Erachtens ist, wie ich bereits sagte, die Maßnahme, die Sie hier verlangen, einfach nicht zu verantworten. - Bitte schön, Herr Kurlbaum!
Herr Kollege, wie vereinbart sich denn dieses düstere Bild, das Sie heute für die Aussichten des Absatzes des Volkswagenwerks malen, mit der Preiserhöhung von Herrn Nordhoff, der ja wohl wissen muß, ob er die Wagen sogar zum höheren Preis absetzen kann oder nicht?
Ich bin für die Preispolitik des Herrn Nordhoff nicht verantwortlich zu machen. Ich bin nicht dort im Aufsichtsrat.
({0})
Eine Zusatzfrage!
Ich habe nicht nach Ihrer Verantwortung gefragt. Ich habe gesagt: Herr Nordhoff ist doch offenbar der Meinung, daß er trotz der Preiserhöhung im Inland keine Schwierigkeiten für seinen Absatz sieht. Er ist also offenbar über die Zukunftsaussichten des Volkswagenabsatzes ganz anderer Meinung als Sie.
Ich kann Ihnen dazu nichts weiter sagen. Herr Nordhoff hat ja die Exportpreise nicht erhöht, die hat er so gelassen. Beim Volkswagenwerk ist natürlich entsprechend der Type, der Massenproduktion die Situation sehr viel besser als meinetwegen bei DKW, BMW und anderen Firmen. Ich glaube, daran sollten wir auch einmal denken.
({0})
- Ich kann Sie nicht verstehen.
({1})
- Wozu?
({2})
- Ich habe Sie nicht verstanden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Herr Kollege, ist Ihnen nicht I auch der Zusammenhang bekannt, daß, je mehr Volkswagen wir exportieren, um so länger die Lieferfristen im Inland werden und für das Volkswagenwerk um so mehr Anlaß besteht, einen hohen Preis aufrechtzuerhalten?
Herr Kurlbaum, ich verurteile die Preiserhöhung des Volkswagenwerkes genauso wie Sie!
({0})
Das hat aber doch gar -nichts damit zu tun!
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich gezwungen, hier einige Ausführungen zu machen, weil sich ein so hoch achtbarer Kollege, wie der Kollege Kurlbaum es ist, nicht der Versuchung entziehen konnte, eine Haushaltsdebatte zu benutzen, um den Versuch zu machen, der Privatisierung einen Schlag zu versetzen.
({0})
- Moment! Je mehr Zwischenrufe Sie machen, desto länger dauert es.
({1})
- Er hat auch eine Frage an mich gerichtet, und ich bin weit entfernt, mich dem Verdacht auszusetzen, kneifen zu wollen. Er hat gefragt, ob wir solche Privatisierung fortsetzen wollen. Ich beantworte diese Frage mit einem schlichten Ja. Wir wollen es nicht nur, sondern wir werden es.
({2})
Er hat dann Ausführungen gemacht, die mich bei einem so sachverständigen Kollegen eigentlich betrüben. Er hat von dem Ausgabekurs und dann von den beinahe 1100 % gesprochen. Warum sind die beinahe 1100% entstanden? Weil die Spekulationsnachfrage nach Volkswagenaktien so groß war, daß dank der Widerstandsfähigkeit der sogenannten Kleinaktionäre das Angebot gefehlt hat; deshalb ist der Kurs so hoch gegangen. Daraus eine Abneigung gegen die Privatisierungssystematik machen zu wollen, das heißt geradezu, die Dinge auf den Kopf stellen.
({3})
Ich wiederhole, daß nahezu 80 % der Erstzeichner ihre Aktien noch haben. Wenn Sie behaupten, die Belegschaft habe ihre Aktien verkauft, so ist das eine Behauptung, die mir hier zum erstenmal bekanntgeworden ist. Seien Sie versichert, daß wir dieser Behauptung nachgehen werden. Wir werden besonders prüfen - ({4})
- Nein, jetzt nicht!
({5})
Wenn ich fertig bin, können Sie alle Fragen stellen. Ich werde aber jetzt wegen der Fortführung der Haushaltsdebatte die Zeit des Hohen Hauses nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.
Wir werden den Motiven nachgehen, warum die Belegschaft - wenn das stimmt - ihre VW-Aktien verkauft hat, und wir werden auch den Kräften nachgehen, die sie möglicherweise zu diesem Verkauf veranlaßt haben. Auf jeden Fall hat die breite Masse des VW-Publikums ihre Aktien bis heute weit stärker behalten, als es bei anderen Aktiengesellschaften der Fall ist. Wir sagen, die Privatisierung war nicht nur richtig, sondern sie ist richtig, und wir werden auf diesem Wege fortfahren. Die Haltung der VW-Aktionäre beweist uns die Richtigkeit dieses Weges.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 80. Herr Abgeordneter Kurlbaum, ich habe Ihren Vorschlag so verstanden, daß wir getrennt abstimmen über die Buchstaben A, B und C, A für sich und B und C für sich.
({0})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Conring, die Ausschußüberweisung ist zunächst für einen Teil vorgesehen.
({1})
- Sie beantragen Überweisung für den gesamten Antrag?
({2})
- Dann muß ich darüber abstimmen lassen; denn dann hat eine getrennte Abstimmung keinen Sinn.
({3})
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Ausschußüberweisung zustimmen will, und zwar an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und den Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Mitberatung, den bitte ich um das Handzeichen.
({4})
- Ich' habe jetzt insgesamt abstimmen lassen, weil für beide Teile Ausschußüberweisung beantragt worden ist. - Danke. Dann Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen ist die Ausschußüberweisung an die genannten Ausschüsse beschlossen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 10 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}).
Dazu liegen die Anträge auf den Umdrucken 81, 82, 92 und die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 91 und 93 vor.
Wird zur Begründung des Antrags Umdruck 81 das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Roesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu den Änderungsanträgen meiner Fraktion auf Umdruck 81 zugleich in Verbindung mit dem Umdruck 83 betreffend den Einzelplan 10 02 Tit. 608, wonach die Zuschüsse zur Förderung der Altershilfe für Landwirte in Höhe von 100 Millionen aus dem Einzelplan 10 herausgenommen und in den Einzelplan 11 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - überführt werden sollen.
Zur Begründung möchte ich folgendes sagen. Es handelt sich hier um den Anfang einer haushaltsrechtlichen Flurbereinigung, die im Interesse der Klarheit und Wahrheit unseres Etats notwendig ist. Wie man im kaufmännischen Leben nach dem Grundsatz der Bilanzwahrheit und der Bilanzklarheit solche Posten aus der Bilanz herausläßt und nur die drinläßt, die wirklich hineingehören, so soll auch in unserem Etat nur das drinstehen, was wahr und klar ist. Er soll keine Ansätze enthalten, die im Bereich eines anderen Ministeriums, z. B. des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, verwaltet werden und auch tatsächlich dort hingehören. Die Öffentlichkeit hat immer wieder auf die Notwendigkeit größerer Klarheit der Haushaltsrechnung hingewiesen und darauf gedrungen. Auch die Bauernverbände sind schon aus optischen Gründen dafür, daß die Altershilfe in den Sozialetat kommt; denn
es sieht optisch tatsächlich doch ganz anders aus, wenn man in der Presse liest, ob der Grüne Plan mit 2060 Millionen dotiert wird oder nur mit 1960 Millionen. Der Bundesrechnungshof hat mehrmals auf die Notwendigkeit einer Übertragung dieses Ansatzes hingewiesen und gesagt, daß es zweckmäßig wäre, daß man die Zuschüsse für die Altershilfe in den Haushalt des Sozialministeriums hinübernimmt. Da die Mehrheit des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesem Antrag zugestimmt hat, darf ich annehmen, daß diese Anträge heute auch Ihre Zustimmung finden werden.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir abstimmen. Wir entscheiden bei der Abstimmung über den Antrag Umdruck 81 gleichzeitig über den Antrag Umdruck 83.
Wir stimmen über den Antrag Umdruck 81 ab. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe!
({0})
- Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wird das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 82 gewünscht? - Herr Abgeordneter Schmidt ({1}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in Kapitel 02 Tit. 573 des Einzelplans 10 zur Verbesserung der Agrarstruktur für das Rechnungsjahr 1962 315 Millionen DM an Haushaltsmitteln und 95 Millionen DM an Bindungsermächtigungen zur Verfügung. Dieser Gesamtbetrag von 410 Millionen DM wird durch zinsverbilligte Kapitalmittel und durch den Ansatz für von der Natur benachteiligte Gebiete noch entsprechend erhöht. Auf der anderen Seite sind durch Bindungsermächtigungen des Jahres 1961 bereits 95 Millionen DM verbraucht. Der verbleibende Betrag bei Tit. 573 reicht für die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur 1962 nicht aus.
Zur Frage des Bedarfs darf ich folgende Zahlen bekanntgeben. Wir hatten in der Aussiedlung 1959 1423, 1960 1576 und 1961, ,d. h. in dem verkürzten Haushaltsjahr mit 9 Monaten, 2164 Aussiedlungsfälle. Bei der Althofsanierung ergeben sich 1959 40, 1960 407 und 1961, also wiederum in dem verkürzten Haushaltsjahr, 1542 Einzelmaßnahmen. Wenn wir davon ausgehen, daß im laufenden Jahr eine Erhöhung von nur 20 % gegenüber dem Jahr 1961 hinzukommt - und damit ist mit Sicherheit zu rechnen -, werden wir cirka 2600 Aussiedlungen und 1900 Althofsanierungen zu fördern haben. Unter Berücksichtigung der dem Tit. 573 weiter zufallenden Maßnahmen und Aufgaben - wie Aufstockung, freiwilliger Landtausch, forstliche Maßnahmen und vieles andere mehr - wird eine erhebliche Finanzlücke, die von niemanden abzustreiten ist, entstehen. Es ist kein Geheimnis, daß meine politischen Freunde und ich nicht dafür sind, die Bindungsermächtigungen nun ins Endlose hineinzutreiben. Aber wegen der in diesem Jahr fehlenden Möglichkeiten, zur Verbesserung der Agrarstruktur zusätzliche Haushaltsmittel in den Etat hineinzubringen, bitten wir um Ausweitung .der Bindungsermächtigungen von 95 Millionen auf 145 Millionen.
Der Herr Finanzminister hat sich mit seinen Ausführungen vom 10. April 1962 unserem Bedauern über die, wie wir hoffen wollen, nur vorübergehende Außerkraftsetzung der Richtlinien für die Althofsanierung angeschlossen. Wir glauben aber nicht, daß seine Vorschläge über Einsparungen bei anderen Ansätzen des Grünen Plans und der Inanspruchnahme zinsverbilligter Hofkredite brauchbare Wege zur Fortsetzung dieses Programms aufzeigen.
Herr Kollege Struve hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Zinsen und Tilgung des Hofkredits eine unzumutbare Belastung für den Althof bringen. Nachdem auch Herr Kollege Peters die Dringlichkeit der Maßnahmen zur Strukturverbesserung unter besonderer Hervorhebung der Althofsanierung bejaht hat, dürfte die allgemeine Bereitschaft zur Lösung dieses finanziellen Problems vorhanden sein.
Die Entschließungsanträge Umdruck 91 Ziff. 1 der Fraktion der CDU/CSU und Umdruck 93 der Fraktion der FDP fordern Maßnahmen von der Bundesregierung in der von mir skizzierten Art und Weise. Wir glauben, mit unserem Änderungsantrag Umdruck 82 dem Hohen Hause bereits einen brauchbaren Vorschlag für solche Maßnahmen machen zu können, und bitten daher um Ihre Zustimmung.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der zweiten Lesung ausführlich über diesen Gegenstand unterhalten. Ich vermag eigentlich nicht recht einzusehen, warum dieser Antrag mit den gleichen Argumenten, die man in der zweiten Lesung hin und her erörtert hat, in der dritten Lesung erneut vorgelegt wird.
({0})
- Zweifellos ist das Ihr Recht. Ich wünsche nur nicht, die Debatte über den Haushalt noch zu verlängern.
({1})
Ich mache deshalb nur darauf aufmerksam, daß die
CDU einen Entschließungsantrag eingebracht hat,
({2})
der sich inhaltlich weitgehend mit Ihren Gedanken deckt, und weiter, daß die FDP einen entsprechenden ergänzenden Antrag vorgelegt hat, den wir ebenfalls annehmen werden. Damit ist meines Erachtens alles geschehen, was in dieser Richtung geschehen kann. Ich bitte daher, den Antrag der SPD abzulehnen.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen? Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD auf Umdruck 82. Wer zustimmt, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt:
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 92 hat Herr Abgeordneter Mauk das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Antrag handelt es sich lediglich um eine Änderung der Erläuterungen zur Zinsverbilligung. In den neuen Haushaltsplan ist eine Position 673 b aufgenommen, in der vorgesehen ist, daß die bereits verbilligten Kredite auf einen Endzins von 3 % gesenkt werden, weil die bisherige Zinsverbilligung bei der gegenwärtigen Lage der Landwirtschaft leider noch nicht ausreicht. Wir haben dabei eine kleine Verbesserung angebracht: diese Zinsverbilligung soll sich nicht für die gewerblichen Betriebe, die ebenfalls Zinsverbilligungen bekommen haben, auswirken, sondern ausschließlich für landwirtschaftliche Betriebe, d. h. für sogenannte Hofkredite. Die dadurch freiwerdenden Mittel sollen der weiteren Zinsverbilligung von Mitteln dienen, die bisher noch nicht zinsverbilligt werden konnten, aber ausschließlich zugunsten von landwirtschaftlichen Betrieben. Ich bitte Sie, diesen Antrag, der uns keinen Pfennig mehr kostet, anzunehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren, nur einige wenige Sätze dazu. Wir sind mit diesem Antrag einverstanden. Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß die CDU-Fraktion einen gleichen Antrag bereits zum Grünen Plan eingebracht hatte. Der wurde im Ernährungsausschuß einstimmig angenommen, im Haushaltsausschuß für erledigt erklärt und jetzt taucht er wieder auf. Es scheint also eine schlechte Koordinierung in Ihrer Fraktion zu sein, denn sonst wäre eine solche Antragstellung nicht notwendig.
Mit der Annahme dieses Antrags kann natürlich das Problem der Hofkredite noch nicht erledigt sein. Wir brauchen eine Flurbereinigung für das ganze Problem, und ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß damit nicht das Ganze abgetan ist. Wir kommen im Herbst darauf zurück.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 92 zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe bitte. - Das ist, soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Wir kommen zum Umdruck 91: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve, bitte!
({0})
Sonst wird das Wort nicht gewünscht? - Herr Abgeordneter Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umdruck 91 ist ein Entschließungsantrag »meiner Fraktion, da ist unter Ziffer 3 gesagt:
3. in den Richtlinien für die Gewährung von Zinsverbilligung für Hofkredite ({0}) sicherzustellen, daß wie im Vorjahr bei den sogenannten benachteiligten Gebieten über die bei Tit. 673 Buchstabe b vorletzter Absatz angegebene Zinsverbilligung hinausgegangen werden kann.
Ich muß Ihnen sagen, ich kann diesem Punkt 3 nicht zustimmen, und ich möchte Sie überzeugen, daß auch Sie dieser Ziffer 3 dieses Entschließungsantrags nicht zustimmen sollten. Jedenfalls bitte ich getrennt abzustimmen. Erlauben Sie, daß ich dazu folgendes sage: Ich bin langjähriger Berichterstatter über diesen Haushalt. Ich glaube, es gibt keinen Berichterstatter, der schon 14 Jahre ununterbrochen über denselben Haushalt Bericht erstattet.
({1})
- Ich war aber auch im Wirtschaftsrat. Gerade aus der Kenntnis dieses Haushalts heraus möchte ich meine Bedenken vortragen.
Im Tit. 573, mit dem wir uns schon beschäftigt haben, ist unter „Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe" unter b - Zuschüsse
- in Ziffer 2: „Für zusätzliche Förderungsmaßnahmen in Gebieten, die von Natur benachteiligt sind" der Vorjahresansatz von 70 Millionen DM um 20 Millionen DM auf 90 Millionen DM erhöht worden. Das ist gut und gerecht. Aus diesem Titel werden also für Flurbereinigung, Aussiedlung, für Aufforstung von Grenzertragsböden in diesen Gebieten und in anderen Gebieten Kredite und Darlehen gegeben z. B. für Verbesserung der Betriebsgrößen, Verbesserung der Dorf-, Hof- und Flurlagen, Förderung und Erleichterung des Erwerbs der hierzu benötigten Grundstücke, Durchführung baulicher Maßnahmen in Altgehöften usw., Kredite, die im übrigen Bundesgebiet mit 21/2% zu verzinsen sind, während sie in diesen von der Natur benachteiligten Gebieten, die damals festgesetzt wurden, mit 11/2 % verzinst werden. Dagegen will ich nichts sagen. Ich will nur hervorheben, daß für diese Gebiete, die damals festgelegt wurden, in diesem Tit. 573 das möglichste getan wird.
Nun handelt es sich in der Ziffer 3 des Entschließungsantrags darum, auch im Tit. 673 „Zuschüsse zur Verbilligung von Zinsen für Darlehen zur Förderung vordringlicher agrar- und ernährungswirtschaftlicher Maßnahmen" für diese Gebiete eine Sonderstellung zu erreichen. Bei Tit. 573 handelt es sich um Bundesmittel, die nicht verbilligt werden, sondern einfach vom Bund gegeben werden. Bei diesem Titel handelt es sich um Kapitalmittel, die verbilligt werden. Es sind für Besitzfestigung 2,35 Millionen DM in diesem Titel enthalten. Ich darf Ihnen sagen, wie der Titel weiter aufgegliedert ist: es betrifft einmal die Binnenwasserwirtschaft, die besonders Niedersachsen interessiert; denn der
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1127
Brese
Raum zwischen Weser und Elbe ist bei Ihnen als von der Natur benachteiligt nicht bekannt. Ich möchte Ihnen nur empfehlen, sehen Sie sich nur einmal die Aller-Niederung an, in der ich wohne, oder die Leine-Niederung, dann werden Sie etwas zu sehen bekommen von benachteiligten Gebieten. Ich muß dazu sagen, der damals festgelegte Rahmen für die benachteiligten Gebiete ist heute nicht mehr richtig. Durch die katastrophalen Witterungsverhältnisse in den letzten Jahren, durch die Nässe sind in diesem Raume besonders starke Schäden aufgetreten. Ich will Ihnen einmal als Bauer ein Wort sagen: Es gibt in ganz Deutschland in allen Bezirken wohlhabende und arme Bauern, wenn Sie aber arme Bauern sehen wollen, dann kommen Sie einmal in die Lüneburger Heide oder in die Aller-Niederung, da gibt es Bauern, die nicht wissen, wie sie von einem zum anderen kommen können, denen ist längst der Kredit für den Dünger gesperrt worden. Das ist kein Märchen, das können 'Sie sich jederzeit ansehen. Damit wollte ich nur sagen, daß dieser Begriff „benachteiligte Gebiete" heute nicht mehr gültig ist. Der Antrag meiner Fraktion geht nun dahin, daß Sonderbestimmungen über die Zinsverbilligung für die Gebiete eingefügt werden sollen, die damals festgelegt wurden. Diese Gebiete sollen zusätzlich eine Zinsverbilligung um 1 % haben. Ich muß Ihnen sagen, das ist nach meiner Kenntnis der landwirtschaftlichen Verhältnisse im ganzen Bundesgebiet eine Unmöglichkeit. Die Mittel in Tit. 673 sind sowieso begrenzt, weil eben in allen Gebieten technische Aufwendungen gemacht worden sind, um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe herzustellen. Gerade die etwas größeren Betriebe in unserem Norden leiden besonders unter den Kosten, die die Technisierung erfordert hat. Diese Bauern haben die Technisierung nicht leichtsinnig begonnen. Das sind vielmehr unsere besten Landwirte gewesen. Sie sind aus der Not heraus, bedingt durch die Landflucht, dazu gezwungen worden, zu investieren, und sind heute dadurch illiquide geworden.
Ich finde es deshalb nicht richtig, daß man auf Kosten dieser Betriebe eine Sonderstellung für diese Gebiete schaffen will, die in Tit. 573 besonders berücksichtigt sind. Diesen Gebieten ist im Vorjahre ein Voraus gegeben. Aber damals war der Fonds in dem alten Haushalt in Tit. 573 noch nicht so hoch. Damals waren auch die wirtschaftlichen Verhältnisse im übrigen Teil des Bundesgebietes noch nicht so wie heute.
Nach diesen Plänen für eine Zinsverbilligung will man jetzt generell die Zinsen für diese Investitionskredite auf 3% ermäßigen. Im Vorjahr betrugen diese Zinsen durchschnittlich 41/2 %. Die sogenannten benachteiligten Gebiete hatten ein Prozent mehr Ermäßigung, also einen Zinssatz von 31/2 %. Wenn wir 'nun heute auf 3 % gehen, dann, so muß ich sagen, ist doch auch diesen Gebieten geholfen. Ich möchte Sie sehr, sehr bitten, meinem Wunsch zu entsprechen, daß dieser Entschließungsantrag unter Ziffer 3 abgelehnt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren, nur einige Sätze zu dem Antrag auf Umdruck 91. Nachdem Sie die Taube nicht genommen haben, müssen wir mit dem Spatzen zufrieden sein. Wir werden also dem Antrag unter Ziffer 1 auf Umdruck 91 zustimmen. Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß die FDP dazu einen Antrag auf Umdruck 93 vorgelegt hat. Die Koalition 'scheint also in eine lustige Idealkonkurrenz eingetreten zu sein. Wenn sich das fortsetzt, werden wir noch einiges erleben. Der Koalitionsausschuß scheint jedenfalls in diesem Punkt nicht zu funktionieren. Das möchte ich nur feststellen.
({0})
- Natürlich sind wir uns einig. Dann ziehen Sie Ihren Antrag zurück.
Nun zu dem Antrag unter Ziffer 3 auf Umdruck 91 einige Bemerkungen. Herr Kollege Brese, ich verweise Sie auf unseren Antrag zum Grünen Plan über eine Teilumschuldung für die in diesen Gebieten betroffenen Bauern. Darüber können wir noch reden. Der Antrag ist noch nicht behandelt, er ist zurückgestellt. Sie haben also die Chance, diese Millionen für uns im Haushaltsausschuß herauszuholen. Im übrigen sind wir mit diesem Vorschlag sehr einverstanden. Es ist ohne Zweifel richtig, daß die von der Natur benachteiligten Gebiete etwas bevorzugt werden. Aber ohne Leine weitgehende Verbesserung der Regionalprogramme ist wohl auch das nicht der Weisheit letzter Schluß. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie unseren Antrag über die Erweiterung der Regionalprogramme im Ausschuß, auch im Haushaltsausschuß, abgelehnt haben. Das bedauern wir sehr. Gerade im Hinblick auf die europäische Entwicklung wäre eine Verstärkung der Regionalprogramme außerordentlich wichtig. Das wollte ich nur noch sagen. Im übrigen werden wir auch diesem Punkt zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen?
Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, wir können insgesamt abstimmen. Oder müssen wir über die einzelnen Punkte getrennt abstimmen?
({0})
- Es wird getrennte Abstimmung gewünscht. Wir stimmten dann über die einzelnen Punkte ab.
Die Abstimmung über Punkt 2 entfällt, da er zurückgezogen ist.
Wer stimmt Punkt 1 des Entschließungsantrags der Fraktion der CDU/CSU zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Punkt 3! Wer stimmt ihm zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Nein-Stimmen und einigen Enthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit angenommen.
Entschließungsantrag der FDP Umdruck 93! Wird das Wort gewünscht?
({1})
- Der Antrag wird zurückgezogen. Das enthebt uns der Abstimmung.
Damit sind die Anträge zu Einzelplan 10 erledigt.
Wir kämen jetzt zum Einzelplan 11. Wir hatten aber bereits bei Einzelplan 10 über einen einschlägigen Antrag entschieden. Ich glaube, damit ist der Einzelplan 11 erledigt.
Nun kommen wir zu:
Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr ({2}).
Dazu liegen die Anträge auf Umdruck 73 und Umdruck 84 sowie der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 94 vor.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP Umdruck 73! Wird dieser Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Müller-Hermann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der umfangreichen verkehrspolitischen Debatte, die wir vorgestern schon geführt haben, genügen einige kurze Sätze zur Begründung des Entschließungsantrags.
Der erste Absatz bezieht sich auf ein altes Anliegen des Bundestages und ist lediglich als Erinnerung für die Bundesregierung gedacht. Der zweite Absatz mit den daran angeknüpften Fragen ist eine Konsequenz aus den von uns verabschiedeten Verkehrsgesetzen und soll letzten Endes lediglich die Bemühungen des Herrn Bundesfinanzministers und des Herrn Bundesverkehrsministers unterstützen, die genannten Probleme schnellstens einer Lösung zuzuführen.
Ich möchte mich abschließend auf eine kurze Bemerkung beschränken, die an die Adresse der Deutschen Bundesbahn gerichtet ist. Wenn wir ihr bei der Abnahme ihrer politischen und betriebsfremden Lasten behilflich sind, darf das für die Bundesbahn nicht bedeuten, daß sie nicht auch in noch größerem Umfang als bisher eigene Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Kostensituation unternimmt. Ich möchte meinen, daß die Streichungen des Haushaltsausschusses insofern vielleicht sogar ihr Gutes haben, als sie den Blick der Bundesbahn noch verstärkt auf die innerbetrieblichen Rationalisierungsmöglichkeiten lenkt, die sie aus eigener Kraft durchführen kann.
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Zu diesem Entschließungsantrag liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 94 vor, wonach hinter den Worten „sobald wie möglich" die Worte „spätestens bis zum 30. September 1962" eingefügt werden sollen.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen auf Umdruck 94 den Antrag, in dem Antrag Umdruck 73 einen festen Termin
zu nennen, also hinter den Worten „sobald wie möglich" die Worte „spätestens bis zum 30. September 1962" einzufügen. Wir halten diese Einfügung des Termins für unbedingt notwendig, weil nur durch eine Terminierung der Antrag der Koalitionsparteien eine materielle Bedeutung hat. Wird der Termin nicht eingefügt, dann vermag ich ihm - jedenfalls für den kommenden Haushalt - eine materielle Bedeutung nicht zuzuerkennen.
Wir wünschen eine Erklärung der Bundesregierung bis zum 30. September dieses Jahres. Eine solche Klarstellung kann bis dahin erfolgt sein, weil die Unterlagen zu einem erheblichen Teil bekannt sind. Der Brand-Bericht liegt seit langem vor. Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns in Aussicht gestellt, wir würden schon in Kürze den modifizierten Brand-Bericht bekommen. In diesem modifizierten Brand-Bericht werden auch alle Unterlagen enthalten sein, die zu einer Klarstellung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund und der Bundesbahn notwendig sind. Ohne einen Termin ist der Antrag Umdruck 73 allenfalls ein Trost, aber keine Hilfe für die Bundesbahn. Wir wünschen nicht so sehr, die Bundesbahn zu trösten, sondern wollen ihr effektiv helfen.
Lassen Sie mich bitte zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 73 noch folgendes sagen. Wir werden dem Absatz 1 zustimmen, weil in ihm die Kritik ihre Bestätigung findet, die wir ein der zweiten Lesung an der verspäteten Vorlage des Kostenvergleichs geübt haben.
Zu Abs. 2 stellen wir den Änderungsantrag, von dessen Annahme wir unsere Zustimmung zu Abs. 2 abhängig machen. Wir würden, falls Sie unserem Änderungsantrag zustimmen, dem Abs. 2 zustimmen, obwohl er eine Reihe von Gemeinplätzen enthält. So ist z. B. seit langem bekannt, daß die Bundesbahn betriebsfremde Lasten zu tragen hat. Über die Höhe der betriebsfremden Lasten liegen viele Gutachten vor, und der Bundestag hat sogar einen Ausschuß eingesetzt, der die Fragen zu klären hatte.
Es wird weiter danach gefragt, welche von den Lasten bereits auf den Haushalt übergegangen sind. Dazu braucht main sich nur den Haushalt anzusehen, da steht es nämlich drin. Der nächste Satz, „welche Lasten nämlich noch für eine Übernahme in Betracht kommen" könnten, ist aus der Substraktion zu klären.
Abgesehen aber von diesen Gemeinplätzen würden wir zustimmen, wenn Sie der Terminierung, d. h. unserem Änderungsantrag zustimmen.
Zur Begründung des Umdrucks 84 der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute den Ausführungen aufmerksam zugehört hat, die der Herr Kollege Niederalt in der allgemeinen Aussprache der dritten Beratung gemacht hat, der konnte eine sehr bedenkliche Feststellung treffen. Der Herr Kollege Niederalt hat dort an den Zweckbindungen im Haushalt deutlich Kritik geübt und hat angekündigt, daß man bei der BeraRitzel
tung des Haushalts 1963 daran denken werde, Zweckbindungen abzubauen oder vielleicht aufzuheben, um damit den Weg für die Finanzierung des allgemeinen Bedarfs im Haushaltsjahr 1963 zu Lasten der Titel und Kapitel freizumachen, die bisher durch Zweckbindungen finanziert worden sind. Meine Fraktion hat mit dem Antrag Umdruck 84 den entgegengesetzten Weg gewählt, ohne daß sie wußte, daß diese Auffassung im Hohen Hause vertreten werden würde. Wir beantragen in Umdruck 84, im Interesse des deutschen Straßenwesens den sogenannten Sockelbetrag abzubauen, damit der aus dem Straßenverkehr fließende Teil dieses Sockelbetrages - etwa 4 Millionen DM - auch dem Straßenverkehr wirklich zugute kommt und nicht im allgemeinen Haushalt verschwindet. Gestatten Sie mir, daß ich aus der sehr ernsten Betrachtung der Situation im deutschen Straßenwesen dazu wenige Bemerkungen mache.
Der Bund nahm im Jahre 1960 aus der Mineralölsteuer 2,66 Milliarden DM ein. Diese Einnahme steigerte sich im Jahre 1961 auf 3,32 Milliarden DM. Heute morgen erhielt ich von dem Herrn Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums eine sehr interessante Übersicht über die Entwicklung der Steuereinnahmen im ersten Vierteljahr 1962. Daraus darf ich zitieren, daß die Mineralölsteuer, die im ersten Vierteljahr 1961 731 Millionen DM brachte, im ersten Vierteljahr dieses Jahres 790 Millionen DM brachte, also 59,3 Millionen DM oder 8,1% mehr, als im Vorjahr eingegangen ist, während im Haushalt selbst eine Steigerung von 10,7 % erwartet und entsprechend eingestellt ist. Ich glaube, daß keine Befürchtung zu bestehen braucht, daß diese Steigerung von 10,7 nicht erreicht werden wird.
Aber das Problem, das sich uns in diesem Zusammenhang stellt und das für den Antrag, den ich Ihnen zur Annahme wärmstens empfehle, Ursache ist, liegt darin, daß wir gezwungen sind, die Dinge nicht an uns herankommen zu lassen, sondern sie beizeiten aufzufangen. Die Bekämpfung des Verkehrstodes und die Errichtung neuer Straßen sind so zwingend notwendig, daß wir an diesen Tatsachen nicht weiter vorbeigehen dürfen.
Das Bundesverkehrsministerium hat vor einiger Zeit einmal den Bedarf von jetzt bis zum Jahre 1970 ermittelt. Danach werden für die Bedürfnisse des Straßenbaus des Bundes, der Länder und der Gemeinden benötigt beim Bund 34 Milliarden DM, bei den Ländern 41 Milliarden DM, bei den Kreisen 9 Milliarden DM und bei den Gemeinden 39 Milliarden DM, zusammen 123 Milliarden DM. Wer diese Größenordnung sieht, der weiß, daß wir beizeiten alle Mittel und alle Möglichkeiten mobil machen müssen, um den Aufgaben einigermaßen gerecht zu werden, die die Regierungsparteien, die das ganze Hohe Haus einmütig erkannt haben, als sie in dem Gesetz über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden vom 1. August 1961 gewisse Fragen aufgestellt haben. Ich will mit Rücksicht auf die Zeit diese Fragen nicht im einzelnen in die Erinnerung rufen, aber den anwesenden Herrn Bundesverkehrsminister bitte ich, mit zwei Sätzen zu
sagen, bis wann dieses Untersuchungsergebnis erwartet werden wird.
Im ganzen gesehen dürfen Sie überzeugt sein, meine Damen und Herren, daß eine Lage gegeben ist, die uns nicht erlaubt, die Dinge weiterhin so zu behandeln, wie sie von einem Teil des Hohen Hauses bisher leider behandelt worden sind. Ich darf für meine Fraktion in Anspruch nehmen, daß wir stets und ständig der Motor gewesen sind, eine vernünftige Entwicklung der Finanzierung des Verkehrsbedarfs herbeizuführen.
Was notwendig ist, ergibt sich aus ganz wenigen Tatsachen, die aber sehr schwerwiegend sind. Von 24 000 deutschen Gemeinden sind heute nur rund 9000 irgendwie an eine Bahnverbindung angeschlossen. Die Landgemeinden sind zu einem erheblichen Teil nicht in dem wünschenswerten und notwendigen Ausmaß an das Straßenverkehrsnetz angeschlossen. In den Städten besteht heute bereits - das wissen wir alle - eine katastrophale Situation. Es müssen Garantien geschaffen werden, um den Verkehr reibungslos und flüssig zu gestalten, und die Städte müssen in die Lage versetzt werden, mit modernen Lösungen den Massenverkehr zügig zu bewältigen und dem Individualverkehr freie Bahn zu verschaffen.
Meine Damen und Herren, gerade gestern kam eine Veröffentlichung, aus der sich ergibt, daß der Hauptreferent des Deutschen Städtetages, Herr Dr. Weinberger, den Bedarf zur Überwindung der Verkehrsnot der Städte allein auf 53 Milliarden DM berechnet. Diese Berechnung wird klar, wenn man bedenkt, daß im Nahverkehr die Bevölkerungszahlen 1961 eher doppelt so groß sind als 1960. Im letzten Jahre sind 3,36 Milliarden Fahrgäste auf Straßenbahn, Schnellbahn und Omnibus bedient worden, und 85% des gesamten Kraftfahrzeugverkehrs besteht heute aus Orts- und Nachbarschaftsverkehr. Wir wissen um die umfangreichen Erörterungen und die großen Untersuchungen zum Teil recht interessanter Art, um den Verkehrssündern auf den Leib zu kommen. Aber, meine Damen und Herren, die Verkehrsnot in unseren Städten und auf den Straßen kann nicht durch Strafen gegen Verkehrssünder behoben werden. Es gehört mit dazu, selbstverständlich. Eine vernünftige Erziehung zur Verkehrsverantwortung ist eine unabdingbare Notwendigkeit. Aber da auch im übrigen ,eine Einschränkung des Verkehrs nicht möglich ist, muß dem Ausbau der Straßen im Stadt- und Nah- und Nachbarschaftsverkehr rechtzeitig vollste Aufmerksamkeit zugewandt werden. Diesem Ziel dient unser Antrag.
Wir brauchen diesen Sockelbetrag vor allem zugunsten der deutschen Gemeinden. Meine Damen und Herren, es war recht interessant, daß es zeitlich möglich war, durch eine Fragebeantwortung durch Herrn Staatssekretär Professor Hettlage festzustellen, wie sich die Schuldenentwicklung bei den Gemeinden gestaltet hat. Er hat heute morgen hier in der Fragestunde erklären können, daß seit der Währungsreform, fast ausschließlich seit diesem Termin, eine Schuldenlast von rund 15,5 Milliarden DM auf die deutschen Gemeinden zugekommen ist. Nun sei zugegeben, daß einige Maßnahmen erfolgt
sind. Wir haben die Vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Zuschüssen an fremde, vor allem an kommunale Baulastenträger. Sie erlauben z. B. bei Zubringerstraßen bis 40 % der reinen Baukosten, für den Grunderwerb 10% Zuschuß. Aber ich verrate Ihnen wohl kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, daß viele Gemeinden nicht in der Lage sind, die 60 %, die ihnen im übrigen verbleiben, aufzubringen, und daß die 10% Zuschußleistungen bei Erwerb von Straßengelände für die Gemeinden vielfach finanziell unmögliche Zustände heraufbeschwören. Ich erinnere mich an einen Ausspruch, der lautet: Um zu einem leistungsfähigen Gesamtstraßennetz zu kommen, werden wir auch die Interessen der kommunalen Baulastenträger berücksichtigen; den Verkehrsnotständen in den Gemeinden und großen Städten werden wir nähertreten, sobald die von uns berufene Sachverständigenkommission ihre Untersuchung abgeschlossen hat. - Das ist hier von diesem Platze aus gesprochen worden von dem Herrn Stellvertreter des Bundeskanzlers, dem Herrn Wirtschaftsminister Professor Dr. Erhard: Wir werden den Gemeinden helfen. - Heute morgen hat ein geschätzter Kollege des Hauses Heinrich Heine zitiert, und wenn ich an die Regierungserklärung denke, die ich eben in einem Teil zitiert habe, denke ich auch an Heinrich Heine, der einmal gesagt hat:
Und weil keiner wollte leiden, daß der andre für ihn zahle, zahlte keiner von den beiden.
Das ist in bezug auf die Verkehrsnot der Städte
im Vergleich zu den Leistungen des Bundes und der meisten Länder die Situation, die heute vor uns steht.
Meine Damen und Herren, was im übrigen hier in diesem Hohen Hause seit gestern und vorgestern vor sich geht, ist praktisch eine Gefährdung der Ziele des 1. Vierjahresplans. Wir werden wohl im Laufe der Beratung darauf noch zurückkommen müssen. Notwendig ist eine Bereitstellung der Mittel zur Behebung der Verkehrsnotstände in den Gemeinden, und zwar auch wegen der unablässigen Steigerung der Zahl der zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuge. Im Jahre 1961 wurden 1 312 000 Kraftfahrzeuge erstmals zum Verkehr zugelassen, davon waren 1 065 000 Personenwagen. Von 1962 bis 1971 können wir jetzt schon ungefähr überschlagen, was uns an Deckungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Aus der Mineralölsteuer werden 40 Milliarden DM 'eingenommen werden können. Hier ergibt sich die Notwendigkeit, alles, was aus dem Verkehr fließt, dem Verkehr auch wieder wirklich dienstbar zu machen.
Meine Damen und Herren, wir haben ja vor zwei Jahren, wenn ich mich recht erinnere, den Gemeindepfennig eingeführt. Er ist praktisch ,eine Enttäuschung. Im Jahre 1960 brachte er 63 Millionen DM, 1961 70 Millionen DM, 1962 80 Millionen DM. Man kann sagen, 'erhebliche Beträge daraus seien gar nicht abgerufen worden; richtig, einfach deshalb, weil die Gemeinden nicht einmal in der Lage waren, ihre Planung fertigzustellen.
Und nun darf 'ich zum Schluß, besonders an die Adresse der FDP, noch eine Frage stellen. Wird die
FDP bereit sein, ihren Standpunkt, den sie früher in bezug auf den Sockelbetrag eingenommen hat, auch dieses Mal einzunehmen? Wird sie unserem Antrag zustimmen? Oder muß noch einmal heute Goethe zitiert werden, dieses Mal aber in bezug auf Gretchen, als es am Brunnen stand und sagen mußte:
Wie konnt ich sonst so tapfer schmälen, und bin nun selbst der Sünde bloß.
Vielleicht überlegen Sie, meine Herren. Mindestens erwarte ich von der CDU, daß sie die Ausschußberatung akzeptiert, daß sie sie beantragt. Von der FDP würde ich erwarten, daß sie bei der Stange bleibt, die sie früher mit uns aufgerichtet hat.
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Ich kann mir eine kleine Zwischenbemerkung nicht ersparen. Wenn man schon bei Prosazitaten die Erlaubnis des Präsidenten einholt, dann sollte man es auch bei lyrischen Partien der einzelnen Reden tun.
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- Ich bin mir dieser Tatsache völlig bewußt, Herr Kollege Ritzel. Ich habe nur einen im Laufe der letzten Jahre hier eingerissenen Brauch etwas auf die Hörner genommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.
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- Ich habe es nicht so aufgefaßt, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Haushaltsausschuß bei den freiwilligen Zuwendungen an die Deutsche Bundesbahn 280 Millionen DM gestrichen hat und die Koalition diesem Antrage gefolgt ist, kann ich durchaus verstehen, daß man nun die Kritik, die darüber entstehen wird, durch eine entsprechende Entschließung, also gewissermaßen einen Wechsel auf eine unbefristete Zukunft, ausgleichen will. - Durch diese Bemerkung, meine Damen und Herren, werden Sie schon gemerkt haben, daß ich nicht im Auftrage meiner Fraktion spreche, sondern meine unabhängige Meinung zu dieser Entschließung, zu diesen Ereignissen darstellen möchte; selbstverständlich beeinflußt durch meine zehnjährige Tätigkeit im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir diese Entschließung ansehe, kann ich nur bedauern, daß man der Bundesregierung und den zuständigen Stellern so viel Arbeit auferlegen will. Denn das Wesentliche, das in dieser Entschließung steht, ist längst bekannt, ist längst vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn im Fachausschuß, auch im Haushaltsausschuß dargelegt. Für mich hat eigentlich nur noch diese eine Frage Wert, ob man nicht die Versorgungslasten in Zukunft im Einzelplan 33 verankern kann. Alle anderen Anträge und Fragen, die hier gestellt werden, sind auch voller Widersprüche, nämlich voller Widersprüche gegenüber dein, was
der Haushaltsausschuß unternommen hat und dem die Koalitionsparteien gefolgt sind. Die Aufstokkung des Eigenkapitals der Deutschen Bundesbahn zum Zwecke der innerbetrieblichen Rationalisierung, und diese für einen längeren Zeitraum zu sichern; das alles war ja gleichzeitig mit diesen 280 Millionen DM zur Abnahme eines bestimmten Prozentsatzes der Versorgungslasten beabsichtigt. Alle übrigen Fragen sind mehr oder weniger geklärt. Aber es kann vielleicht nicht schaden, wenn nun auf Grund dieser Entschließung die Zahlen noch einmal exakt dargelegt werden. Ich kann mir sogar vorstellen, meine Damen und Herren, daß dem Herrn Bundesfinanzminister, nachdem er ja ursprünglich die Vorlage der Bundesregierung zu begründen hatte, bei dieser Entschließung gar nicht sehr wohl ist. Denn er muß ja nun leider sehen, daß darin gleichzeitig auch eine Kritik an den nicht erfolgten Maßnahmen liegt, die mit einer solchen Entschließung abgedeckt werden sollen.
In diesem Zusammenhang darf ich folgendes sagen. Herr Dr. Vogel, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie einen Augenblick zuhörten, gerade in diesem Fall; es geht nämlich Sie an.
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- Herr Dr. Vogel, ich weiß, es ist manchmal ziemlich langweilig. Aber das ist vice versa. Sie haben aber ganz präzise Aussagen gemacht. Sie haben nach meiner Ansicht - nebenbei: ebenso Herr Niederalt - die Fachausschüsse in einer Weise abgewertet, daß ich mir die Frage stellen muß: hat es überhaupt noch einen Sinn, in einem Fachausschuß mitzuarbeiten,
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wenn im Haushaltsausschuß so selbständig gearbeitet wird? Der Einzelplan 12 wurde z. B. ausgerechnet an dem Tage behandelt, an dem der gesamte Verkehrsausschuß sich in Berlin befand. Daher konnten wir nicht einmal hingehen, um unsere Fachmeinung, die wir uns über Jahre gebildet haben, Ihnen im Haushaltsausschuß darzutun.
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- Herr Dr. Vogel, ich darf Sie bitten, zu fragen, wenn ich mit diesen Ausführungen am Ende bin.
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- Das ist eben die Grundsatzfrage, aus der wir - ({4})
- Dann muß sich der Ältestenrat deswegen einmal mit den Vorsitzenden der Fachausschüsse zusammensetzen, damit dieser Zustand in Zukunft geändert wird.
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Sonst ist die Arbeit der Fachausschüsse vollkommen überflüssig.
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Und, Herr Niederalt, es ist auch nicht so, wie Sie gesagt haben, daß die Fachausschüsse und der Verkehrsausschuß sich immer nur vom Ressortdenken beeinflussen lassen. Bei diesen fraglichen 280 Millionen DM ist sehr eingehend mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn gerungen worden, und wir hatten uns schließlich auf eine Verminderung des Betrages um genau die Hälfte, nämlich um 140 Millionen DM, geeinigt. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit doch klarstellen.
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- Dann möchte ich den Abgeordneten Möller zitieren, der vorhin hier gesprochen hat: Man muß doch, wenn man solche Kürzung vornimmt, um den Finanzminister zu unterstützen, zumindest ausgewogen alle Haushalte berücksichtigen und darf nicht so schwergewichtig, wie Sie es im Haushaltsausschuß gemacht haben, die Titel der freiwilligen Zuwendungen an die Deutsche Bundesbahn beschneiden.
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- Ach, das ist ein so billiger Zuruf, daß ich nicht weiß, was ich darauf sagen kann.
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Natürlich hat letzten Endes dieses Haus die Entscheidung. Aber wann hat es das hier schon einmal gegeben, daß der Haushaltsausschuß und daß die Koalitionsparteien die Vorlage des Finanzministers in dieser Form zum Schaden der Beteiligten abgeändert haben?
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Sie haben den Haushalt durch diese Kürzung ausgeglichen.
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- Warten Sie den nur einmal ab!
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- Das tue ich nicht. Ich bringe nur sachliche Argumente. Herr Dr. Vogel, Sie wissen ganz genau, daß jetzt dasselbe eintreten wird, was viele Jahre der Fall gewesen ist: der Vorstand der Deutschen Bundesbahn, der nunmehr nicht in der vorgesehenen Weise rationalisieren kann, wird jetzt wieder auf den Bundesfinanzminister zukommen, und es wird elende Verhandlungen geben, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war.
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Ich glaube, damit kann ich die Betrachtung zu dem Antrag auf Umdruck 73 abschließen. Ich will nur noch ganz kurz zu dem Antrag auf Umdruck 84 Stellung nehmen, den Herr Ritzel begründet hat. Hier kann man folgendes sagen. Es ist ja neuerdings so üblich, daß in diesem Hause viele klassische Zitate angebracht werden und daß das Buch der Bücher genannt wird. Man kann wirklich hinsichtlich des Verkehrsetats nur sagen: Die Letzten werden die Ersten sein. Das heißt, dem Verkehr, der Bundesbahn, dem Straßenbau, die im Wirtschaftswunder zuletzt drangekommen sind, werden jetzt erhebliche Zuschüsse gekürzt. Wie Sie das beim Straßenbau verantworten wollen, das bleibt abzuwarten, meine Damen und Herren.
Hier ist ja heute indirekt oder, wenn Sie wollen, sehr gezielt die Zweckbindung angegriffen worden, die wir Herrn Dr. Etzel aus seiner Ära als Finanzminister zu verdanken haben.
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- Herr Etzel, verzeihen Sie: die wir Ihnen zu verdanken haben. Damals war es durch das ständige Drängen der Verkehrsfachleute aller Fraktionen endlich zu einer Zweckbindung gekommen. Ich habe mir so erzählen lassen, daß man in den Couloirs gesagt hat, die 20% Sperrung könnten wir vertragen, worauf dann auch das Wort gefallen sein soll
- ich weiß es nicht -: Wenn man 14 000 Tote hat,
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dann wird man es wahrscheinlich in dieser Situation nicht ändern können, daß es auch noch ein paar mehr sind.
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- Ja, natürlich ist es geschmacklos, Herr Rasner; deswegen erwähne ich es ja, weil solche Äußerungen ohne Verantwortung gemacht werden.
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Ich glaube auch, daß der Beschluß, eine Sperre vorzunehmen, sehr stark dadurch beeinflußt gewesen ist, daß man hinsichtlich. der Rechtsmäßigkeit große Zweifel hat. Wir haben die Zweckbindung. Ich hoffe, daß wir sie im Interesse des deutschen Straßenverkehrs und des Straßenbaues erhalten.
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- Vorläufig sind sie noch da, Herr Dr. Dresbach, und daran hat sich dieses Haus zu halten. Ich glaube, wir hätten eine Streichung - ebenso wie bei der Bundesbahn - gehabt, wenn dort nicht das Bedenken gewesen wäre, daß man entgegen einer solchen gesetzlichen Bestimmung nicht beschließen kann.
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- Herr Dresbach, diesen Zwischenruf hätte ich an Ihrer Stelle lieber nicht gemacht.
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Ich habe schon einmal die deutschen Gerichte aufgefordert, bei Prozessen über Unfälle auf den Straßen auch einmal den Staat, alle Hoheitsträger unter Anklage zu stellen, weil nicht genügend Mittel verbaut worden sind, obgleich die Verkehrsnutzer reichliche Mittel abgeben, wie Herr Ritzel dargelegt hat.
Meine Damen und Herren, ich bin am Ende. Es tut mir sehr leid, daß ich hier eine unabhängige Meinung äußern mußte. Aber ich tue es aus Überzeugung, und, Herr Dr. Vogel, mit Demagogie haben meine Ausführungen überhaupt nichts zu tun. Sie werden in der weiteren Entwicklung sehen, daß ich recht behalte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint es nicht sehr zweckmäßig zu sein, daß wir jetzt die Diskussion der zweiten Lesung wieder aufleben lassen.
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Wir haben eine ausführliche verkehrspolitische Debatte geführt, und ich glaube, wir sollten uns strikt an das halten, was hier in den Entschließungsentwürfen bzw. in den Anträgen enthalten ist.
Es ist von seiten der SPD zu dem Umdruck 73 der Wunsch geäußert warden, daß man der Bundesregierung einen Termin setzt, bis zu dem sie den Bericht vorlegen soll.
Vielleicht darf ich Ihnen, ehe Sie weiterreden, sagen, daß die Antragsteller mir zum Umdruck 94 mitgeteilt haben, daß sie bereit seien, anstelle der Worte „30. September 1962" die Worte „31. Dezember 1962" zu setzen. Vielleicht nehmen Sie das zur Kenntnis.
Ich nehme das zur Kenntnis. Nachdem wir mit dem Bundesfinanzminister eine Verständigung über die Formulierung „sobald wie möglich" erzielt haben, müssen meine Freunde in meiner Fraktion in eigener Verantwortung entscheiden, wieweit Sie Ihrem Antrag folgen können. In der Sache, glaube ich, sind wir uns weitgehend einig.
Nun aber zu dem Umdruck 84 und den Wünschen der SPD-Fraktion, den Sockelabbau voranzutreiben. Meine Damen und Herren von der Opposition! Dieser Antrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt paßt nicht in die Landschaft. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn wir uns hier quer durch alle Fraktionen dieses Hohen Hauses um eine Eindämmung der Ausgabenflut des Haushalts bemühen und ausgeMüller-Hermann
rechnet jetzt von Ihnen der Antrag gestellt wird, den Sockelabbau vorzunehmen.
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- Mir scheint, Herr Kollege Ritzel, auch bei der Unterstellung der besten Absichten auf Ihrer Seite, daß Sie der Sache, der wir uns beide gemeinsam verbunden fühlen, einen schlechten Dienst erweisen, wenn Sie im jetzigen Augenblick das Thema der Zweckbindung zur Diskussion stellen. Sie werden nämlich wahrscheinlich genau die gegenteilige Wirkung hervorrufen, die Ihnen selbst vorschwebt.
Ich würde deshalb bitten, das Thema des Sockelabbaues und der Zweckbindung bei der Behandlung dieses Antrages herauszuhalten. Ich möchte nur auf eines hinweisen, und da muß ich dem Kollegen Rademacher noch ein Wort sagen. Ich meine, daß die Zahl der Verkehrstoten von 14 000 im Jahr uns allen eine Verpflichtung ist und daß wir uns nicht gegenseitig vorrechnen dürfen, wer etwa mehr zur Verhinderung dieser erschreckenden Zahl tut oder getan hat.
Meine Damen und Herren, ich kann hier nur im Namen meiner politischen Freunde feststellen, daß der Bund zur Zeit das äußerst Mögliche tut, um den Straßenbau den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Wenn in diesem Zusammenhang von den Verkehrsnotständen in den Städten gesprochen wird, so darf ich darauf hinweisen, daß von seiten des Bundes in den letzten Monaten auf diesem Gebiet entscheidende Fortschritte erzielt worden sind und daß heute die Beseitigung der Verkehrsnot in den Städten und die Förderung des Straßenbaus nicht in erster Linie eine Frage der Finanzierung sind, sondern eine Frage der baureifen Pläne, die überall mangeln, vor allem in den Städten.
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Ich glaube, daß wir mit dem, was im Augenblick für den Straßenbau im Haushalt vorgesehen ist, auch in voller Verantwortung für die Allgemeinheit und für die Schäden, die durch die Unfallziffern angerichtet werden, mit gutem Gewissen bestehen können.
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Sie sehen, daß Herr Kollege Müller-Hermann gerade abtritt, aber er ist wohl bereit, noch eine Frage zu beantworten.
Sie sprachen von den entscheidenden Maßnahmen der Bundesregierung zur Hilfe für die Gemeinden. Halten Sie die Richtlinien auch für eine positive, entscheidende Maßnahme der Regierung?
Herr Kollege Bleiß, wir wollen nicht die zweite Lesung wiederholen. Da ist ja eine Kritik an den Richtlinien zum § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes geäußert worden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem sehr interessanten und anregenden Duell - natürlich nur Rededuell, denn das andere ist ja verboten - möchte ich noch einmal zur Klarheit darauf hinweisen, daß es bei dem Umdruck 73 für die Koalitionsfraktionen ohne jede Veränderung bleibt. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag so wie vorgesehen ohne jedes Datum hier anzunehmen.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 94 abstimmen, der nicht mehr, wie ich vorhin mitgeteilt habe, das Datum vom 30. September, sondern vom 31. Dezember 1962 enthält. Wer diesem Änderungsantrag zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen.
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- Das Präsidium ist sich darüber einig, daß das die Mehrheit war.
Ich lasse nun über den Entschließungsantrag selber abstimmen, und zwar mit der Änderung, die soeben beschlossen worden ist. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen zwei Stimmen ist der Antrag angenommen.
Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 84, ab, der bereits begründet worden ist. Wer stimmt dem Antrag zu? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich habe nun eine Abstimmung nachzuholen, die ich eigentlich schon hätte vornehmen müssen. Bei Einzelplan 10 ist ein Änderungsantrag angenommen worden. Wir müssen deshalb über den Einzelplan 10 insgesamt abstimmen. Wer stimmt dem Einzelplan 10 - Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - zu? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit.
Ich rufe auf den
Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung ({1}).
Zu diesem Einzelplan liegen Entschließungsanträge auf den Umdrucken 74 und 85 vor.
Wird zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP das Wort zur Begründung gewünscht? - Der Antrag wird nicht begründet. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich sehe eine Enthaltung. Der Antrag ist angenommen.
Wird der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 85 begründet? - Herr Abgeordneter Berkhan!
Herr Präsident! Meine sehr .geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat Ihnen mit Umdruck 85 einen Entschließungsantrag vorgelegt, der zum Ziel hat, daß diejenigen Mittel im Haushaltsplan 14, die für die Innere Führung, für die Psychologische Verteidigung und für die Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen sowie für die Nachwuchswerbung eingesetzt sind, ausschließlich zu diesen Zwecken und keineswegs für irgendeine einseitige Parteipropaganda benutzt werden dürfen. Insbesondere soll es unterbleiben, daß mit Hilfe dieser Mittel Druckschriften verbreitet werden, die bei Wahlkämpfen politisch Andersdenkende bekämpfen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem Antrag insofern Ihre Zustimmung geben könnten, daß Sie ihn an den Ausschuß für Verteidigung verweisen. Dort werden wir etwa im Mai ohnehin einen Antrag zu behandeln haben, der eine ähnliche Grundlage hat. Wir haben ihn damals angenommen, als wir hier die Wehrpflichtnovelle beraten haben. Schon damals habe ich Gelegenheit genommen, auf ein Beispiel hinzuweisen, welches ich heute wiederhole. Wenn es z. B. um die Schriftenreihe der Inneren Führung, um die „Information für die Truppe" geht, so meinen wir Sozialdemokraten, daß das Heft 12 aus dem Jahre 1961 ungerechtfertigterweise einseitig für die Regierungspolitik Stellung nimmt. Hier wird z. B. aus der Regierungserklärung der entscheidende Absatz abgedruckt, der sich mit der Frage der Landesverteidigung befaßt. Der Schrift wird eine Rede des Bundesministers für Verteidigung beigelegt, die er in der Georgetown-Universität am 27. September gehalten hat. Mit keinem Satz wird hier darauf eingegangen, was die zur Zeit in diesem Hause tätige Opposition zu dieser Frage gesagt hat. Die Opposition wird einfach totgeschwiegen.
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- Herr Schwabe, warum sollte die Opposition nicht dienen? Die Hauptsache ist, daß wir gemeinsam einer Sache dienen. Wer aber gemeinsam einer Sache dienen soll, dem müßte man auch Gelegenheit geben, für die gemeinsame Sache in diesen Schriften das Wort zu ergreifen.
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Welche Tendenz dahintersteckt, wird mir klar, wenn ich einen an alle Presseoffiziere gerichteten Umdruck des Bundesministeriums für Verteidigung vom 2. Juni 1960 lese, den ich zitieren möchte.
Darin heißt es:
In der Anlage erhalten Sie einen richtungweisenden Artikel des Herrn Bundesministers für Verteidigung, der als Beitrag zur innenpolitischen Auseinandersetzung über eine gemeinsame Außenpolitik die wehrpolitische Konzeption der Bundesregierung beinhaltet.
gez. Gert Schmückle.
Ich bin froh, daß Herr Schmückle zum mindesten hier gestattet hat, daß der Herr Minister selbst seine richtungweisende Verteidigungspolitik vorträgt und daß nicht Herr Schmückle das für ihn vorgenommen hat, wie es kürzlich in „Christ und Welt" geschehen ist. Wenn hier gesagt wird: „als Beitrag zur innenpolitischen Auseinandersetzung über eine gemeinsame Außenpolitik", so müssen Sie doch auch zugeben - und ich hoffe wenigstens, daß Sie das zugeben -, daß diese Auseinandersetzung über eine gemeinsame Außenpolitik nur geführt werden kann, wenn eben auch die Opposition ihre Auffassung zu dieser Frage vorbringen kann.
Ich habe, wie ich sehe, zuviel Material, und daher will ich einiges überschlagen. Ich sehe, daß die meisten von Ihnen schon auf einen wohlverdienten Feierabend warten.
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- Ich ,bemühe mich, Herr Dr. Conring, aber Sie müssen mir ja Gelegenheit geben, hier etwas zu sagen. Ich habe dazu leider nicht so häufig Gelegenheit wie Sie, und dann ist man eben versucht, es auszunutzen.
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Ich darf also jetzt auf die psychologische Verteidigung eingehen. Ich habe hier die letzte mir zugängliche Ausgabe „Wehrausbildung in Wort und Bild". Darin wird ein Artikel „Zur Lage" abgedruckt. Ich will nicht abhandeln, was Wehrausbildung in Wort und Bild mit der Lage zu tun hat. - Lachen Sie nicht, Herr Kreitmeyer, es kommt etwas Unangenehmes für Sie; dann wird Ihnen das Lachen vergehen. In diesem Artikel steht:
Die sowjetische Politik bereitete all denen abermals eine Enttäuschung, die den Schein für die Wirklichkeit nehmen wollen. Chruschtschow hat ja schon einmal deutschen Oppositionspolitikern eine harte Absage erteilt, und im Januar 1960 soll, woran die „Neue Zürcher Zeitung" jetzt erinnerte, der Sowjetbotschafter Smirnow anderen deutschen Gesprächspartnern, die damals jahrelang in der sowjetischen Botschaft Kontakte zu finden gehofft haben, mit solcher Härte zu verstehen gegeben haben, Moskau lasse über die Wiedervereinigung nicht mit sich reden, daß alle Illusionen verflogen seien.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, so sollte auch von der Opposition von gestern der Koalitionspartner von heute nicht behandelt werden.
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Man sollte ihn aus vielerlei Gründen nicht so behandeln, weil wir ja alle wissen, daß schließlich die deutsche Wiedervereinigung nur zu erreichen ist, wenn die Machthaber im Kreml zu VerhandlunDeutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1135
gen mit uns kommen. Man sollte also diejenigen hier nicht schmähen, die vielleicht geirrt haben, die aber die besten Absichten hatten, und es ist ja wohl noch kein Verbrechen in dieser Bundesrepublik, mit dem Botschafter der Sowjetunion Kontakte aufzunehmen, um einmal an Ort und Stelle zu hören, wie sich die Sowjets diese für uns so entscheidende Frage denken.
Aber ich will auch das abschließen und komme jetzt zu einer Schrift, die während des Wahlkampfes verteilt wurde. In dieser Schrift „Warum?" wird für die Bundeswehr in einer graphisch - nach meinem Geschmack - erstklassigen Aufmachung geworben. Der Minister hat kürzlich hier verkündet: die einen finden die Aufmachung gut, die anderen schlecht. Ich finde die Schrift in der Aufmachung gut, aber im Inhalt sehr einseitig auf die Person des amtierenden Bundesverteidigungsministers zugeschnitten. Es heißt hier:
Und wie er dahinter her ist, daß das alles klappt! Ist ja auch logisch, daß wir modernste Waffen brauchen. Sonst glaubt uns niemand die Abschreckung. Übrigens: Der Starfighter, den unser Minister besorgt hat, fliegt zweieinhalbmal Schall. Eine tolle Schau, wenn der abrauscht!
Ich hoffe nicht, daß es eine tolle Schau ist, wenn der abrauscht, der Herr Minister,
({5})
oder meinten die Schreiber eigentlich den Starfighter? Bisher fliegt der deutsche Starfighter noch nicht zweieinhalbmal Schall. Das weiß auch der Minister, und das wissen auch diejenigen, die diese Schrift haben drucken lassen. Nichtsdestoweniger meine ich, man könnte in geeigneterer Farm für die Bundeswehr werben und könnte die Person des Ministers diskret zurückstehen lassen. Das wäre für die Sache besser, und dann käme die Bundeswehr auch nicht in den Verruf, einseitig ausgerichtet zu werden. Ich will das mir fernliegende Wort von einer Parteiarmee, das in der Diskussion aufgebracht worden ist, nicht gebrauchen. Ich hoffe, daß wir uns doch noch einigen und im Ausschuß über die Dinge reden können.
Ein maßgebender Staatsrechtler hat in seinem Kommentar zu Art. 65 a unseres Grundgesetzes, der sich mit der Befehls- und Kommandogewalt des Bundesverteidigungsministers in Friedenszeiten befaßt, folgendes geschrieben:
Deshalb ist auch das Propagieren von politischen Entscheidungen des Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte unzulässig, und zwar auch solcher im Bereiche des Wehrwesens.
Ich will Sie damit nicht langweilen; Sie können das selbst im Kommentar von Mangoldt-Klein nachlesen.
Ich habe noch mehr Schriften hier und auch ein paar Briefe, die mein Freund Fritz Erler an den Bundesverteidigungsminister geschrieben hat; leider ist er bisher ohne Antwort geblieben. Ich habe auch einen Brief hier, den wir an den Generalinspekteur geschrieben haben, ebenfalls noch ohne Antwort.
Wir würden gerne mit Ihnen darüber reden, daß man keine Schriften verteilen läßt, von denen man nicht genau weiß, wer eigentlich die Verantwortung dafür trägt, daß die Truppe sie erhält.
({6})
In jede Schrift gehört hinein, daß das Bundesministerium der Verteidigung für den Inhalt die volle Verantwortung übernimmt und nicht irgendein Verlag, irgendeine Gesellschaft, die gegründet wird, nicht irgendwelche Arbeitsgemeinschaften demokratischer Kreise. Wir haben ja schließlich hier eine Arbeitsgemeinschaft demokratischer Parteien, die im Parlament und auch in seinen Ausschüssen zusamentritt.
Ich bitte Sie, dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei zuzustimmen. Sie machen es uns damit leichter, gemeinsam mit Ihnen die Verteidigungskraft der Bundesrepublik zu stärken. Sie machen es uns damit leichter, abwehrbereit zu sein für den Fall, von dem jeder hofft, daß er nie eintritt.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An sich besteht kein sachlicher Anlaß, diesen Antrag einzubringen und darüber zu debattieren. Aber Herr Kollege Berkhan hat selbst darauf hingewiesen, daß im Ausschuß bereits ein Entschließungsantrag dieses Hohen Hauses zur Beratung ansteht, der sich mit dieser Materie befaßt. Daß parteipolitische Propaganda nicht in die Schriften der Bundesregierung gehört, ist klar. Der Bundesverteidigungsminister hat dem voll und ganz Rechnung getragen, indem er für die gesamte Bundeswehr am 23. März 1961 eine Verfügung erlassen hat, in der ausdrücklich auf die Pflicht parteipolitischer Neutralität und der Wahrung des Gesamtinteresses hingewiesen wird. Außerdem hat das Bundesverteidigungsministerium in den Jahren 1958/59 allen Parteien dieses Hohen Hauses Gelegenheit gegeben, in der Schrift „Information für die Truppe" sich und ihre Ziele selbst darzustellen. Es stimmt also nicht, wenn hier von Einseitigkeit die Rede ist.
Unter diesen Umständen muß ich für meine Freunde sagen, daß wir diesen Antrag nur als einen Versuch der Diffamierung der Arbeit des Bundesverteidigungsministers betrachten,
({0})
indem er Unterstellungen, die unrichtig sind, impliziert. Wir sehen uns daher nicht in der Lage, den Antrag weiter zu diskutieren, und werden ihn ablehnen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Berkhan.
Ich bedaure außerordentlich, daß der Sprecher der Christlich-Demokratischen Union erklärt hat, daß meine Fraktion oder ich als Sprecher der Fraktion die Absicht gehabt hätte, den Bundesverteidigungsminister zu diffamieren. Ich weise diese Unterstellung zurück und bitte die Damen und Herren, die sich noch ein ruhiges Gemüt bewahrt haben, darum, die Beispiele, die ich zitiert habe, selbst in den Quellen nachzulesen und selbst zu prüfen, ob das, was ich vorgetragen habe, der Wahrheit entspricht oder nicht. Ich bitte Sie, dann selbst Stellung zu 'beziehen. Es liegt mir fern, den Minister hier zu diffamieren.
({0})
- Aber Herr Conring, ich hätte Ihnen einseitige Propaganda vorgeworfen?
({1})
- Ich habe Ihnen auch die Stelle zitiert. Wir halten das für gerechtfertigt. Aber Sie wollen das nicht im Ausschuß beraten. Das legt allerdings die Vermutung nahe, daß Sie wirklich etwas zu verbergen hätten.
(({2})
Meine Damen und Herren, ich erinnere mich nicht, daß Ausschußüberweisung beantragt worden ist.
({0})
- Sie beantragen Überweisung an den Verteidigungsausschuß?
({1})
- Ich muß über diesen Antrag abstimmen lassen. Wer ist für die Überweisung dieses Entschließungsantrags Umdruck 85 an den Verteidigungsausschuß?
- Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; die Überweisung ist abgelehnt.
Wir müssen jetzt über den Antrag selbst abstimmen. Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer stimmt dem Antrag Umdruck 85 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Einzelplan 31:
Einzelplan 31 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomkernenergie ({2}).
Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Sie finden ihn auf Umdruck 86. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Hermsdorf hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem, was wir eben, hervorgerufen durch die Ausführungen von Herrn Kliesing, erlebt haben und was Sie praktiziert haben, ist wohl kaum anzunehmen, daß hier überhaupt noch ein Antrag mit Aussicht auf Erfolg vertreten werden kann. Ich stelle das nur fest, um ganz eindeutig zu sagen, was ich bereits am Dienstag abend hier festgestellt habe, daß zumindest von der CDU eine Praxis geübt wird, die mit parlamentarischen Gepflogenheiten nichts mehr zu tun hat
({0})
und im Interesse des parlamentarischen Stils entschieden zurückzuweisen ist.
({1})
Daß sich ausgerechnet Herr Winkelheide bei diesem Punkt empört, beweist, wie recht ich habe.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Conring?
Bitte.
Herr Kollege Hermsdorf, ist Ihnen bekannt, daß in Niedersachsen sämtliche Anträge der CDU und bisher der DP von der Regierung, die dort von der SPD geführt wird, bei den Haushaltsberatungen abgelehnt werden?
({0})
Herr Dr. Conring, ich muß sagen, daß uns die ganze Argumentation, gleich, ob sie von uns oder von Ihnen praktiziert wird, in diesem Hause immer wieder darauf hinzuweisen, was in den einzelnen Länderparlamenten vorkommt, hier keinen Schritt weiterhilft. Wir sind für dieses Haus verantwortlich und nicht für die einzelnen Länderparlamente.
({0})
Aber wenn Sie eine Debatte über die Landesregierung von Niedersachsen anfangen wollen, dann muß ich Ihnen sagen, Herr Dr. Conring, daß ich dazu absolut bereit wäre; denn die Praxis der CDU im Lande Niedersachsen ist auch nicht nur ein Ruhmesblatt. Da gibt es eine Menge von Dingen, die wir hier diskutieren könnten. Das führt uns jedoch nicht weiter.
Lassen Sie mich zu dem Antrag zurückkommen, von dem ich jetzt schon weiß, daß er von Ihnen, obwohl Ihr Minister hier bestimmte Erklärungen abgegeben hat, auch wieder abgelehnt werden wird. Ich werde trotzdem noch einmal den Versuch machen, Sie zu überzeugen.
Meine Damen und Herren, worum handelt es sich? Es geht darum, daß in dem Berliner Hahn-MeitnerInstitut, wo man jetzt einen Forscher gefunden hat, gewisse Voraussetzungen der Arbeitsmöglichkeit fehlen. Die Absicht war, auch mit dem Hahn-Meitner-Institut in Berlin einen Schritt auf dem Wege, Berlin zum Forschungszentrum zu machen, vorwärtszugehen.
({1})
Wir haben im Haushaltsausschuß erlebt, daß im Zusammenhang mit der zwölfprozentigen Kürzung die Mittel dort gestrichen worden sind. Infolge der Streichung der Mittel in Tit. 950 haben wir heute nicht die Voraussetzungen dafür, daß das HahnHermsdorf
Meitner-Institut in Berlin arbeitsfähig gemacht werden kann. Es handelt sich hier um ein Projekt von 4 Millionen DM.
({2})
- Ganz recht, es handelt sich nicht um das ganze Projekt, sondern wir bräuchten 4 Millionen DM, um sozusagen die ersten Voraussetzungen zu schaffen. Völlig einverstanden, Frau Kollegin!
Sollen wir nun, nachdem der Herr Minister mehrere Monate lang gesucht hat, um endlich jemand zu finden, der dieses Institut aufbaufähig machen kann, und da wir jetzt nicht mehr die Mittel zur Verfügung haben, 'einfach den Mann bezahlen, ohne ihn arbeitsfähig zu halten, oder wollen wir die 4 Millionen DM bewilligen, damit er wenigstens anfangen kann zu arbeiten? Wir sind der Auffassung, daß man das versuchen sollte, und wenn man das versuchen will, Frau Kollegin Geisendörfer, muß man dem sozialdemokratischen Antrag zustimmen. Andernfalls müssen Sie mir sagen, woher Sie die Mittel nehmen .wollen. Darauf habe ich weder von Ihnen noch vom Herrn Minister eine Antwort bekommen. Ich bitte Sie deshalb, wenn Sie dieser Auffassung sind - Sie haben sie vertreten -, auch bei Ihren Freunden dafür zu kämpfen, daß die 4 Millionen für das Hahn-Meitner-Institut in Berlin bewilligt werden, damit infolge Streichung der Mittel nicht unnötig Leute bezahlt werden, die keine Arbeitsmöglichkeiten haben.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hermsdorf ist wieder auf die Formulierung zurückgekommen, wir stimmten alle Anträge der Opposition nieder. Herr Kollege Hermsdorf, ich habe mich heute in der Generalaussprache mit diesem Einwand beschäftigt.
({0})
Ich sehe keine Veranlassung, noch einmal darauf zurückzukommen. Ich habe Ihnen nachgewiesen, daß das nicht richtig ist, und habe Ihnen auch nachgewiesen, warum wir in der Mehrzahl der Fälle, in denen Sie Anträge gestellt haben, gezwungen waren, praktisch aus Deckungsgründen so zu stimmen.
({1})
Im übrigen ist der vorliegende Antrag in der zweiten Lesung sehr ausgiebig debattiert worden. Es hat sich nichts Neues ereignet. Wir bleiben deshalb bei der Ablehnung des Antrags.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 86 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe bitte! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Wir kommen zum
Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung ({1}).
Dazu liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 88 und ein Entschließungsantrag auf Umdruck 75 vor. Wird der Änderungsantrag begründet? - Er wird nicht begründet.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte id um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe bitte!
- Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wird der Entschließungsantrag der Fraktionen dei CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 75 begründet?
({2})
- Nun, es ist Sache der Antragsteller, ob sie ihn begründen.
({3})
- Er wird nicht begründet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 75. Wer stimmt diesem Antrag zu? Ich bitte um das Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Gegenstimmen und Enthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zum
Haushaltsgesetz 1962 ({4}).
Zum Haushaltsgesetz liegen Änderungsanträge und Entschließungsanträge vor, zunächst ein Änderungsantrag auf Umdruck 89 zu § 8. Wird dieser Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umdruck 89 liegt Ihnen vor. Unser Kollege Dr. Möller hat ihn heute morgen schon begründet. Ich darf darauf und auf die Kontroverse in der zweiten Lesung Bezug nehmen. Wir beantragten, in Abs. 1 das, was unterstrichen ist, einzufügen. Wir beantragen weiter, den Abs. 2 zu streichen und an Stelle des Abs. 2 folgende Formulierung aufzunehmen:
Diese Bestimmungen finden auf den öffentlich
geförderten Wohnungsbau keine Anwendung.
Wir beantragen getrennte Abstimmung und zu Abs. 2 namentliche Abstimmung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Zu § 8 Abs. 2 ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich stelle fest, daß dieser Antrag genügend unterstützt ist.
Wir stimmen zunächst über die Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD ab.
({0})
Vizepräsident Schoettle
- Abs. 1! Wer stimmt diesem Antrag zu? Ich bitte um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; dieser Teil des Antrags ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über die Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der SPD.
({1})
- § 8 Ziffer 1 Abs. 2. - Entschuldigen Sie, meine Damen. und Herren, ich habe einen vollendeten Paragraphen vor mir, der sich in mehrere Absätze gliedert. Es ist ganz klar, daß mit der Ziffer 2 das gemeint ist, was Sie Abs. 2 nennen, nämlich der Satz:
Diese Bestimmungen finden auf den öffentlich
geförderten Wohnungsbau keine Anwendung.
Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({2})
Meine Damen und Herren, wir befinden uns in der namentlichen Abstimmung über einen Teil des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 89, und zwar über Ziffer 1 § 8 Abs. 2, nur Abs. 2! Über den Abs. 1 ist bereits entschieden worden. Diese Bestimmung des § 8 Abs. 2 ist in dem Umdruck unterstrichen. -
Ich gebe das vorläufige *) Abstimmungsergebnis bekannt. Es haben gestimmt mit Ja 156 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses, mit Nein 233. Von Berliner Abgeordneten haben zehn mi Ja und fünf mit Nein gestimmt. Keine Enthaltungen; ungültige Stimmen wurden nicht abgegeben. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ja
CDU/CSU
Baier ({0}) Maier ({1})
SPD
Altmaier
Arendt ({2})
Auge
Bading Bäumer Bals
Bauer ({3})
Bazille
Bergmann
Berkhan Berlin Beuster
Frau Beyer ({4}) Biegler
Biermann
Birkelbach
Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen Buchstaller
Büttner Busch
Diekmann
Frau Döhring ({5}) Dopatka
Dröscher
Frau Eilers
Dr. Eppler
Faller Felder Figgen Folger
Frau Freyh ({6}) Fritsch
Geiger Gerlach Gscheidle
Haage ({7}) Haase ({8}) Hansing
Dr. Harm ({9}) Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz Hermsdorf
*) Berichtigtes Ergebnis: Ja: 153 und 9 Berliner Nein: 230 und 5 Berliner Ungültig: 1
Herold Hirsch Höhmann
({10}) Höhne
Hörauf
Hörmann ({11}) Hufnagel
Hussong
Iven ({12})
Jacobs Jahn
Jürgensen
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Frau Kettig
Killat
Frau Kipp-Kaule
Dr. Koch
Könen ({13}) Koenen ({14}) Kohlberger
Kraus
Dr. Kübler
Kühn ({15})
Kulawig
Lange ({16})
Langebeck Lautenschlager
Lemper Lohmar
Lücke ({17}) Lünenstraß
Marquardt
Marx Matthöfer
Matzner
Merten
Meyer ({18}) Dr. h. c. Dr.-Ing, e. h.
Möller
Dr. Morgenstern
Müller ({19}) Müller ({20}) Müller ({21}) Müller ({22})
Dr. Müller-Emmert
Dr. Nissen
Ollenhauer
Peiter
Peters ({23})
Priebe Ravens Regling
Dr. Reischl
Riegel ({24})
Dr. Rinderspacher Ritzel
Rohde
Frau Rudoll
Sänger Saxowski
Scheuren
Schmidt .({25}) Dr. Schmidt ({26}) Dr. Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schröder ({29}) Schwabe
Seibert
Seidel ({30})
Seifriz Seither
Frau Seppi Steinhoff Stephan Striebeck Frau Strobel Strohmayr Dr. Tamblé Theis
Wegener Wehner Welke
Welslau
Weltner ({31}) Frau Wessel Wienand
Wilhelm Wittrock
Frau Zimmermann
({32})
Zühlke
FDP
Walter
Berliner Abgeordnete
Dr. ,Arndt ({33})
Frau Berger-Heise
Frau Krappe
Mattick
Neumann ({34}) Dr. Schellenberg Dr. Seume
Urban
Wellmann
Nein
CDU/CSU
Adorno
Dr. Althammer Arndgen
Dr. Arnold
Dr. Artzinger Baldauf Dr.-Ing. Balke Balkenhol
Bauer ({35}) Bauknecht
Bausch
Becker
Dr. Besold
Bewerunge
Biechele
Dr. Bieringer
Dr. Birrenbach
Fürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler Blöcker
Frau Blohm Blumenfeld
von Bodelschwingh Dr. Böhm ({36}) Böhme ({37}) Brand
Frau Brauksiepe
Dr. von Brentano Brese
Brück
Bühler
Dr. Burgbacher Burgemeister
van Delden Deringer
Dr. Dichgans
Dr. Dittrich
Dr. Dollinger
Draeger
Dr. Dr. h.c. Dresbach Ehnes
Eichelbaum
Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve
Etzel
Dr. Even ({38}) Even ({39})
Falke
Dr. Franz
Franzen
Dr. Frey ({40})
Dr. Fritz ({41}) Funck ({42}) Dr. Furler
Gaßmann Gedat
Gehring
Frau Geisendörfer
Gerns
Gewandt Gibbert Dr. Gleissner
Glüsing ({43}) Dr. Götz
Goldhagen
Gontrum Dr. Gossel
Gottesleben
Günther
Freiherr zu Guttenberg Haase ({44})
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Hauser
Dr. Heck Heix
Hesemann Hilbert
Dr. Höchst
Hörnemann ({45})
Hösl
Holkenbrink
Hoogen Horn
Dr. Huys Illerhaus Frau Jacobi ({46})
Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Dr. Kanka Katzer
Kemmer
Frau Klee
Klein ({47})
Dr. Kliesing ({48}) Knobloch
Dr. Knorr Krüger
Krug
Kuntscher
Lang ({49})
Leicht
Lemmrich
Lenze ({50}) Leonhard
Lermer
Dr. Löhr Dr. Luda Majonica Dr. Baron
Manteuffel-Szoege Maucher
Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Missbach
Müller ({51}) Müller-Hermann Müser
Nieberg
Frau Dr. Pannhoff Dr. h. c. Pferdmenges
Dr. Pflaumbaum Dr.-Ing. Philipp Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke
Porten
Frau Dr. Probst Rasner
Rauhaus
Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard
Riedel ({52}) Rollmann
Rommerskirchen Ruf
Scheppmann
Dr. Schmidt ({53}) Schmücker
Schneider ({54}) Frau Schroeder ({55}) Schütz
Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer
Dr. Seffrin
Seidl ({56}) Dr. Serres
Dr. Sinn
Spies
Stauch
Dr. Stecker
Stein
Dr. Steinmetz
Stiller
Dr. Stoltenberg Stooß
Sühler
Dr. Süsterhenn Teriete
Tobaben
Dr. Toussaint
Unertl
Frau Vietje
Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell Dr. Vogel
Vogt
Wacher
Wagner ({57}) Dr. Weber ({58}) Wehking
Weinkamm
Weinzierl
Frau Welter ({59}) Wendelborn
Werner
Wieninger
Dr. Wilhelmi
Windelen
Winkelheide
Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Dr. Zimmer
Dr. Zimmermann
({60})
FDP
Dr. Bucher
Burckardt
Dr. Dahlgrün
Dr. Danz
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({61})
Dr. Dörinkel
Dürr
Frau Dr. Flitz ({62})
Dr. Hamm ({63}) Dr. Hellige
Keller
Freiherr von KühlmannStumm
Kühn ({64})
Logemann
Dr. Mende
Dr. h. c. Menne ({65}) Mertes
Murr
Ollesch
Opitz
Rademacher Reichmann Dr. Rutschke
Sander
Schmidt ({66})
Soetebier Dr. Starke Dr. Supf
Weber ({67}) Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Hübner
Frau Dr. Maxsein Müller ({68})
Ungültig
Ich rufe nunmehr auf § 23 und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 89. Die Begründung ist bereits erfolgt. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 89 Ziffer 2, dem § 23 einen Abs. 3 anzufügen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nach interfraktioneller Vereinbarung rufe ich nunmehr auf den Umdruck 90 - Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP - und erteile das Wort dem Abgeordneten Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Entschließungsantrages Umdruck 90 darf ich folgendes ausführen.
Der interfraktionelle Arbeitskreis ,,Flutkatastrophe" hat in seinen fünf bisherigen Sitzungen Berichte der Bundesregierung, vor allem von den Bundesministerien für Wirtschaft, der Finanzen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung entgegengenommen. Der Arbeitskreis folgte Einladungen der Landesregierungen Hamburg, SchleswigHolstein und Niedersachsen. In Gegenwart des Ersten Bürgermeisters und der Ministerpräsidenten wurde uns ein weiterer sehr genauer Einblick über die vielfältigen Probleme gegeben, die durch die Flutkatastrophe am 16. und 17. Februar 1962 entstanden sind.
Nach vorläufigen Schätzungen werden über 300 Millionen DM für die Wiederherstellung und die damit verbundene Verstärkung der Deiche erforderlich sein. Diese Arbeiten werden in diesem Jahre nicht abgeschlossen werden können.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung im Benehmen mit den betroffenen Küstenländern das bekannte Zehnjahresprogramm, welches auf Grund der holländischen Katastrophe 1955 vom Hohen Haus
eingeleitet wurde, neu überprüfen und verstärkte Mittel einsetzen müssen.
In einer Sitzung des Unterausschusses „Küstenschutz" haben wir am Mittwoch, dem 11. April festgestellt, daß die nunmehr vom Hohen Haus bewilligten 65 Millionen DM in Verbindung mit weiteren 40 Millionen DM Bindungsermächtigungen ausreichen werden, um das Deichbauprogramm in diesem Jahre finanziell sicherzustellen.
Der Ausschuß hat aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen entnommen, daß in den zurückliegenden Jahren ganz erhebliche Mittel vor allen Dingen von den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein für die Deichbaumaßnahmen eingesetzt worden sind. Alle Küstenländer werden in den kommenden Jahren weiterhin erhebliche Mittel für diese Arbeiten aufwenden müssen.
Noch schwieriger gestaltet sich die Lösung all der Fragen, die sich im menschlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Bereich abzeichnen. Die Zahl der Todesopfer der Flutkatastrophe vom 16./17. Februar 1962 hat, wie allen bekannt ist, ein ungeheures Ausmaß angenommen.
Der Ausschuß möchte auch bei der Begründung des Entschließungsantrages noch einmal mit Dank und Anerkennung auf die große Spendenaktion im In- und Ausland hinweisen. Diese Hilfsbereitschaft hat in Verbindung mit den von den betroffenen Ländern eingeleiteten Sofortmaßnahmen die erste Not gelindert. Der von der Bundesregierung verbürgte Kredit von ca. 300 Millionen DM wurde für alle betroffenen Länder gegeben und diente der
Wiederingangsetzung der Wirtschaft.
Man ist sich mit den Regierungen der Küstenländer darüber einig, daß die sofortige finanzielle Hilfe des Bundes nur auf diesem Wege möglich war. Dennoch legt der Arbeitskreis Wert darauf, festzustellen, daß die Kreditaktion auf große Schwierigkeiten bei der Einzelgewährung stößt. Diese Schwierigkeiten sind auch heute noch nicht überwunden. Wir möchten deshalb besonders betonen, daß es sich hier nicht um einen Kredit im üblichen Sinne handelt. Er war und ist eine erst schnelle Hilfe, um das vielseitige Leben in allen Zweigen der Wirtschaft wieder in Gang zu setzen.
Eine endgültige Regelung setzt voraus, daß die Erfassung der eingetretenen Schäden nach abgestimmten Grundsätzen so schnell wie möglich erfolgt. Ohne eine solche Feststellung ist eine wirksame Schadensregelung nicht möglich. Im benachbarten Holland hat man diese Regelung seinerzeit durch ein besonderes Gesetz vorgenommen. Die holländische Regierung hat den Betroffenen damals erhebliche Zuschüsse gegeben. In unserem interfraktionellen Antrag möchten wir die Bundesregierung auffordern, im Einvernehmen mit den Regierungen der Länder eine ähnliche Lösung zu finden. Die betroffenen Familien und auch die verantwortlichen Antragsteller, die zinslose Kredite beantragt haben, drängen mit Recht auf die Beantwortung dieser für sie entscheidend wichtigen Frage.
Namens des interfraktionellen Arbeitskreises bitte ich um die Annahme des vorgelegten Entschließungsantrages.
({0})
Der Antrag ist begründet. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag auf Umdruck 90. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? - Keine Enthaltungen! Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, die Beratung des Gesetzes ist beendet. Werden Erklärungen zur Schlußabstimmung abgegeben? - Der Herr Minister? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle obliegt es mir, Ihnen zu sagen, daß die große Haushaltsschlacht geschlagen ist.
({0})
Eigentlich wollte ich nun fortfahren und sagen: Der Etat ist angenommen und gut verabschiedet. Aber ich glaube, Sie sind damit einverstanden, daß ich zunächst sage: und das Haus ist müde.
({1})
Ich möchte aber doch, auch wenn ich -mich der versprochenen Kürze befleißige, darauf hinweisen, daß dieser Haushalt 1962, den wir jetzt in gemeinsamer Arbeit verabschiedet haben, eine Wende in der Finanzpolitik der Bundesregierung darstellt. Wir sind, glaube ich, darüber in einem gewissen Umfang einig. Die Opposition ist etwas optimistischer; das liegt im Wesen der Opposition und gehört im Hinblck auf das, was man durchsetzen möchte, ein wenig dazu. Die Koalitionsparteien sind etwas pessimistischer. Aber ich glaube, wir alle wissen, daß es ein Haushalt ist, der eine Wende darstellt.
Ich möchte mir nach dieser erfolgreichen Haushaltsschlacht erlauben, meinen Dank auszusprechen, meinen persönlichen Dank und den Dank der Bundesregierung, einmal diesem Hohen Hause im ganzen, auch der Opposition. Vor allem natürlich muß ich das heute den Koalitionsparteien gegenüber tun, die in einer so vorbildlichen Weise unter Zurückstellung vieler liebgewordener Dinge verhindert haben, daß dieser Haushalt noch mehr Ausgaben aufzunehmen hatte, die er einfach nicht ertragen hätte. Darüber hinaus gilt diesmal - nicht nur als Formsache, sondern ganz besonders - mein Dank dem Haushaltsausschuß. Ich möchte hier sagen, daß ich mich einigen Ausführungen nicht anschließen kann, die hier vorhin gegen den Haushaltsausschuß geäußert worden sind, sondern ich möchte wirklich sagen, daß der Finanzminister diesmal allen Grund hat, dem Ausschuß dankbar zu sein, und zwar, glaube ich, kann ich diesmal sagen: allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses,
({2})
ebenso, meine sehr geehrten Kollegen, natürlich einmal dem Herrn Vorsitzenden, dann den Sprechern der Parteien und auch dem Sprecher der Landesgruppe der CDU/CSU; denn auf ihnen liegt ja doch immer die Hauptlast - auch im HaushaltsausBundesminister Dr. Starke
schuß -. Mein Dank gilt ferner den Ressorts und nicht zuletzt den Herren meines Hauses, des Bundesfinanzministeriums.
Ich möchte nach dieser Dankesabstattung wenigstens auf einen Punkt hinweisen. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich angesichts der vorgerückten Zeit nur einige Dinge herausgreife, bevor ich zu einem allgemeinen Schlußwort komme. Ich möchte ausdrücklich hervorheben - das wird mir niemand übelnehmen -, daß ich den Eindruck hatte, daß sich auch die Opposition in diesen Tagen bemüht hat, bei ihren Anträgen im Rahmen der nun einmal verfügbaren Finanzmasse zu bleiben. Die Beschwerde, daß die Koalitionsparteien zuwenig auf ihre Anträge eingegangen sind, habe ich eigentlich nicht so sehr ernst genommen, weil nun eben einmal der Haushalt der zahlenmäßige Ausdruck für das ist, was eine Regierung und die Parteien - die Koalition, die sie im Parlament stützt - politisch wollen und durchführen wollen. Wenn das so ist, dann ist es naturgemäß, daß über dieses politische Wollen Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungsparteien und Opposition bestehen, und die müssen sich hier im Haushalt auswirken.
Ich möchte an das, was Sie, Herr Kollege Möller, zur Baukonjunktur gesagt haben - das hatte ich mir notiert - kurz anknüpfen und für die Regierung folgendes sagen. Wenn einige Entwürfe, die geeignet sind, zur Dämpfung auf dem Baumarkt beizutragen, heute noch nicht vorliegen, so hat es technische Gründe. Aus technischen Gründen werden sie auch als Initiativanträge eingereicht werden. Und wenn es verschiedene Entwürfe sind, so möchte ich doch dazu sagen - wir werden das in den kommenden Monaten sehen -, der vom Hohen Hause beschlossene § 8 des Haushaltsgesetzes - mit der Sperrung, nicht Streichung der Mittel -, das beabsichtigte Bauverbotsgesetz und darüber hinaus ein Gesetz, das steuerliche Maßnahmen auch für die Fragen des Baumarktes betrifft, mögen kritisiert werden. Ich bin der festen Überzeugung - und ich habe mich mit anderen redlich darum bemüht -, daß wir hier einen ersten Ansatz haben und - wie ich glaube - einen wirkungsvollen Ansatz, damit die Regierung auf diesem Gebiet zu Ergebnissen kommen kann. Sie haben, meine Herren von der Opposition, die Bestimmungen, die noch nicht bekannt sind, und den § 8 kritisiert. Ich habe Ihnen zugerufen - das möchte ich wiederholen -, warten Sie das Ergebnis unseres Handelns, das Handeln der Exekutive, der Regierung ab und kritisieren Sie erst dann die Ergebnisse. Ich bin überzeugt, daß wir mit diesen Gesetzen zu einer Einwirkung auf den Baumarkt kommen, zu einer Einwirkung, die gesund sein wird. Es wird kein Haus, keine Straße weniger gebaut werden, aber diejenigen, die wir bauen, werden billiger gebaut werden. Das ist meine Überzeugung.
({3})
Ich möchte dann noch ein Wort sagen von einem ganz bestimmten Blickpunkt her zu den Besoldungsfragen. Sie können sicher sein, daß den Regierungsparteien, daß der Bundesregierung, aber auch mir, die Frage der Besoldung im öffentlichen Dienst außerordentlich stark am Herzen liegt. Aber was ich
heute hier sagen möchte, ist das Folgende. Es ist gerade von Ihnen, Herr Kollege Möller, die Frage der Besoldung und es sind auch gewisse Bauvorhaben von Ihnen im Hinblick auf den Verteidigungshaushalt behandelt worden. Nun bin ich mit Ihnen der Meinung, daß in dern Verteidigungshaushalt so sparsam wie in anderen Haushalten vorgegangen werden sollte. Ich werde mich nach Kräften bemühen, unter Beweis zu stellen, daß wir das tun. Aber es erscheint mir doch ein wenig gefährlich, dabei auf Umwegen das anzugreifen, mindestens Mit Seitenhieben, was offiziell auch von der Opposition weitgehend anerkannt worden ist. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß hier eine gewisse Gefahr vorliegt, die wir doch vermeiden sollten.
Nun haben Sie, Herr Kollege Möller, zu einem Punkt gesprochen, den ich erwähnen möchte, nämlich über die Reform des Haushaltsrechts. Ich habe dafür sehr viel Verständnis. Herr Kollege Schoettle hat das auch in seiner Rede zur ersten Lesung erwähnt. Ich habe mir das bereits notiert und gehe den Dingen nach. Aber, Herr Kollege Möller, mir liegt daran, daß wir uns einmal über die Frage Haushaltsrecht und Konjunktur unterhalten. Da fürchte ich, daß wir uns keinen Illusionen hingeben dürfen; denn was wir konjunkturpolitisch haben möchten, z. B. in der Baumarktfrage, das wird uns eine Reform des Haushaltsrechts leider nicht geben. Ich glaube, wir müssen hier ganz klar der Tatsache ins Auge sehen, daß das eine - lassen Sie mich es einmal so ausdrücken, es ist ein sehr wichtiger Punkt - viel schwierigere Frage ist, nämlich eine Frage unseres Bundesstaates und unseres föderalistischen Aufbaues, eines Aufbaues, den ich von Grund auf bejahe, der aber eben gewisse Schwierigkeiten bei der Lösung konjunkturpolitischer Probleme mit sich bringt. Ich möchte die Prophezeiung einmal so wagen: es muß uns gelingen, zu konjunkturpolitischen Formeln zu kommen, die dem Bund als dem für die Konjunkturpolitik Verantwortlichen ein Handeln gestatten, ohne daß wir dabei den bundesstaatlichen Aufbau verletzen. Es ist eine schwierige Frage, die - wie Sie wohl zugeben müssen - weit über die Reform des Haushaltsrechts hinausgeht.
Ich darf im übrigen auf den Umdruck 75 verweisen, der die Unterschrift der beiden Regierungsfraktionen trägt und der heute angenommen worden ist, in dem es unter Ziffer 1 heißt:
:Die Bundesregierung wird ersucht, mit den Ländern Verhandlungen über eine gemeinsame antizyklische Haushaltspolitik in Bund, Ländern und Gemeinden zu führen, insbesondere um die Übernachfrage auf dem Baumarkt zu beseitigen.
Da haben Sie ein Teilstück von dem, was ich als Gesamtproblem hier ansprechen wollte.
Zum Haushalt selbst möchte ich nur das Wichtigste herausgreifen: daß wir auf die 12%ige Globalkürzung verzichten und den Fehlbetrag, den wir als Länderbeitrag eingesetzt hatten, von 1740 Millionen auf 1050 Millionen herabdrücken konnten. Die Globalkürzung, die Sie mir, Herr Kollege Schäfer, heute vorgehalten haben, hat mich nicht so sehr
getroffen, weil wir einer Meinung sind; denn ich hatte mir erlaubt, schon in der ersten Lesung - am 13. März war es wohl - zu sagen: Die Bundesregierung hat sich nur unter Zurückstellung schwerwiegender Bedenken bereitgefunden, zu dem System der Globalkürzung zurückzukehren. Ich habe mir damals auch erlaubt - auch das ist etwas ungewöhnlich, aber es entsprach den ungewöhnlichen Umständen -, zu bemerken:
Wenn es dem Hohen Hause bei der Einzelberatung gelingt, die globale Kürzung durch gezielte Einsparungen zu ersetzen, so würde dies durchaus im Sinne der von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungsmaßnahmen liegen und von ihr begrüßt werden. Sie sehen also, daß wir einer Meinung sind, und Sie wissen auch, in wie glanzvoller Weise der Haushaltsausschuß, auch unter Ihrer Mitwirkung, dieses Problem, das ich leider Ihnen hier vor Augen stellen mußte, gelöst hat. Meinen Dank darf ich hier noch einmal wieder anbringen.
Ich glaube, ich brauche über die Steuerschätzungsfrage nicht mehr zu sprechen; sie ist zur Genüge behandelt worden.
Aber lassen Sie mich noch ein Wort zum Abschluß des Haushalts sagen. Er geht nun im zweiten Durchgang an den Bundesrat, und er soll dort am 11. Mai 1962, wenn nicht noch etwas dazwischenkommt, verabschiedet werden. Die Bundesregierung - das wissen Sie - hat ihre Bereitschaft, durch Verhandlungen zu einer Notlösung für den Haushalt 1962 zu kommen, immer wieder betont. Ich kann das in meinem Namen und im Namen der Bundesregierung auch jetzt noch einmal' betonen. Ob das überall so ganz verstanden worden ist, ob erkannt worden ist, wie schwer es zum Teil war, diese Bereitschaft durchzuhalten, das wage ich ein wenig zu bezweifeln. Vielleicht wäre - so möchte ich mir erlauben zu sagen - manches besser gelaufen, wenn nicht der erste Vorschlag der Ländervertreter mit Bedingungen verknüpft gewesen wäre - wenn ich das einmal wiederholen darf -, die von der Bundesregierung und, wenn ich mich recht erinnere, im Haushaltsausschuß von allen drei Parteien des Hohen Hauses abgelehnt werden mußten und abgelehnt worden sind. Vergessen wir nicht, daß wir damals ein Gespräch darüber hatten, in dem wir das erwähnt haben. Zu meiner besonderen Freude - möchte ich aber gleich anfügen - ist es nun so gekommen, daß, wie ich in der Zeitung gelesen habe, die Kultusminister der Länder Ende März auf einer Tagung in Münster einmütig ihre Bereitschaft bekundet haben, auf kulturellem Gebiet die bisherige sachliche Zusammenarbeit - wie sie sich ausgedrückt haben - mit dem Bund fortzusetzen. Damit ist auf einem Gebiet, das keine Beunruhigung verträgt, eine Ruhe eingekehrt, die wir brauchen, damit man für die Zukunft an eine bessere Lösung herangehen kann.
Ich glaube, Herr Kollege Schäfer - wenn ich das noch einmal in aller Kürze sagen darf -, wenn Sie einmal mit elf Länderministern verhandeln. werden, dann werden auch Sie sehen, daß das nicht immer ganz einfach ist. Daß es nur eine fehlerhafte Behandlung von meiner Seite aus war, wenn da zunächst gewisse Schwierigkeiten aufgetaucht sind, das möchte ich doch ein wenig in Zweifel ziehen. Ich glaube, es waren dabei auch ganz handfeste Interessen im Spiele.
Nun komme ich zu dem Entscheidenden, was Sie angeführt haben. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Nach den Vorbesprechungen sowie nach der Erklärung, die der Sprecher des Bundesrates, der Länderfinanzminister, nämlich Finanzminister Eberhard, vor diesem Hause abgegeben hat, kann erwartet werden, daß die Länder einen Beitrag von 1050 Millionen DM zum Ausgleich des Fehlbetrages des Bundeshaushalts leisten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit wird, wie ich bereits ausführte, der Bundesrat gelegentlich seiner Stellungnahme beim zweiten Durchgang des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1962 zu sprechen haben.
Der vom Bundestag verabschiedete Haushalt könnte vom Bundesrat - als Organ des Bundes - nur angenommen werden, wenn die Länder bereit wären, den Beitrag aufzubringen. Andernfalls müßten die Länder den Vermittlungsausschuß anrufen, und dann würden wir vor einer neuen Situation stehen. So lange haben wir ein Recht - nach allem, was vorliegt und uns bekannt ist -, den Haushalt in dieser Situation und in dieser Minute in der Form, wie er nun von Ihnen behandelt worden ist, als ausgeglichen im Sinne des Grundgesetzes anzusehen.
Es darf nicht übersehen werden, daß dieser Haushalt - wie insbesondere alle diejenigen wissen, die im Haushaltsausschuß mitgearbeitet haben - keine Reserven mehr hat. Es sind nicht einmal mehr Betriebsmittelreserven vorhanden. Allein eine Milliarde hat man von den insgesamt sieben Milliarden gestrichen, die nicht auf Gesetz beruhen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß Reserven Mr die Besoldung und die Tariferhöhungen in diesem Haushalt nicht zur Verfügung stehen. Das stelle ich mit großem Bedauern, aber auch in aller Sachlichkeit fest. Es ist wohl eine unumstößliche Tatsache, daß nach dieser Sachlage nunmehr der eben besprochene Länderbeitrag von rund 1 Milliarde DM ohne Bedingung und ohne Auflagen gegeben werden muß. Eine Gleitklausel, die den Beitrag der Länder jeweils etwa um die Summe verminderte, die der Bund über seine Steuerschätzung hinaus einnimmt, würde bei dieser Lage des Haushalts und angesichts des Umfanges, in dem wir den Länderbeitrag zusammengedrückt haben, nicht mehr vertretbar sein; der Bund würde sonst jede Bewegungsfreiheit Vollzug seines Haushalts verlieren. Ich glaube, auch darüber hat wohl nach den Ausführungen Übereinstimmung geherrscht.
Angesichts dieses Mangels an Reserven möchte ich nur auf folgende Punkte hinweisen, ohne sie der Kürze der Zeit wegen ausführlich zu behandeln. Es gibt einige Punkte, einige Titel, einige Probleme im Haushalt, die noch Sorgen bereiten oder die uns noch Kosten verursachen werden. Ich verweise hier einmal - und das möchte ich ausdrücklich sagen - auf Kap. 60 06 „Überstaatliche Zusammenschlüsse und zwischenstaatliche Organisationen von erhebBundesminister Dr. Starke
licher finanzieller Bedeutung". Der Vorjahresansatz ist um fast 50 % auf 438 Millionen DM gestiegen, und wir müssen damit rechnen, daß neben den Mitteln für die Entwicklungshilfe hier durch die Eingliederung der Landwirtschaft in den europäischen Agrarmarkt und durch die Assoziierung weiterer Staaten, insbesondere in Afrika, weitere Belastungen in einer noch nicht zu übersehenden Höhe auf uns zukommen. Die Bundesregierung wird in den nächsten Jahren auf diese finanzwirtschaftlichen Auswirkungen besonderes Augenmerk zu richten haben.
Gleiches gilt von der Entwicklungshilfe, wo ich ein wenig das Gefühl habe, daß wir in dem schon schwierigen Haushalt 1963 auf Beträge stoßen werden, die wir in diesem Jahr zu zahlen haben werden, die uns sehr große Kopfschmerzen bereiten werden. Es werden Milliardenverpflichtungen im Haushaltsjahr 1963 sein. Diese Milliardenverpflichtungen werden uns sehr, sehr schwerfallen. Bei einem uneingeschränkten Bekenntnis zu dieser Verpflichtung müssen wir aber doch diese Leistungen im Rahmen des haushaltsmäßig Möglichen halten. Wir müssen zugleich - so haben wir es schon in der ersten Lesung gesagt - unsere Bemühungen fortsetzen, die Initiative der Privatwirtschaft auf diesem Gebiet der Entwicklungshilfe zu fördern.
Wir haben soeben von Herrn Kollegen Struve noch einmal von der Flutkatastrophe gehört. Ich darf nur sagen, ohne daß wir schon zu einer endgültigen Lösung und Regelung gekommen sind: auch hier kommen noch Lasten auf den Bund zu, von denen wir nicht wissen, wie wir sie decken können,
({4})
und wir werden sie decken, Herr Wehner. Ich denke doch, daß die Übereinstimmung aller drei Parteien eine gute Grundlage dafür ist. Aber die Hauptlast, auch aus dem Deichbauprogramm, wo wir dieses Jahr erst einmal die Lücken flicken, wird im kommenden Haushalt auf uns zukommen.
Ich brauche auch nur mit einem Wort Berlin zu erwähnen, wofür die Ausgaben im Haushalt 1962 um rund 440 Millionen DM gestiegen sind. Wir stehen in weiteren Verhandlungen, wie Sie alle wissen, mit dem Berliner Senat, und zwar geht es diesmal insbesondere um die Pläne zur Sanierung der Berliner Wirtschaft, die von dem neuen Berliner Wirtschaftssenator ausgearbeitet worden sind. Man wird über sie verhandeln. Soweit erkennbar, werden sich dafür erhebliche Auswirkungen auf der Einnahmeseite des Bundes ergeben, nämlich auf der Steuereinnahmenseite.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich nur anrühren möchte: Die Frage der Rationalisierungsmaßnahmen im Steinkohlenbergbau. Auch diese Fragen werden noch 1962 von uns zu behandeln sein. Ich darf hier vorsorglich darauf hinweisen, daß das Aufkommen aus der Heizölsteuer, von dem man dabei so viel spricht - wir brauchen keinen Streit zu entfesseln -, zum Ausgleich des Haushalts, den wir jetzt verabschieden, bereits eingesetzt ist, so daß wir für diese Rationalisierungsmaßnahmen, soweit sie Lasten für den Bund darstellen werden, eben auch neue Überlegungen anstellen müssen.
Wenn ich mir all die Schwierigkeiten bei der Verabschiedung des Haushalts 1962 betrachte, möchte ich nochmals feststellen: meine Auffassung ist, daß wir einmalig hohe Einnahmen in einer Zeit der Hochkonjunktur zur Grundlage für die Ausgaben gemacht haben. Es wird eine sehr schwere Aufgabe sein, davon wieder wegzukommen. Das wird nur möglich sein, wie ich schon in der ersten Lesung ausgeführt habe, wenn die Bundesregierung und der Bundestag auch die allerorts gesetzlich festgesetzten Ausgaben einer Revision und Durchsicht unterziehen. Wenn wir die zukünftige Entwicklung bei den Ausgaben nicht völlig aus der Hand verlieren wollen, werden wir zu einem neuen Arbeitsstil kommen müssen.
Erstens einmal wird es so sein, daß wir bei Gesetzen und Beschlüssen, die wir verabschieden, es nicht mehr nur bei dem § 96 der Geschäftsordnung bewenden lassen, nämlich der Beteiligung des Haushaltsausschusses. Nicht daß diese beseitigt werden soll, aber sie dürfte allein nicht ausreichen. Wir haben - das darf ich nochmals hervorheben - bei der ersten Lesung lein Bekenntnis aller drei Parteien dieses Hausses bekommen, daß sie den Gedanken, den zu äußern ich mir erlaubt habe, daß ausgabenerzeugende Gesetze immer erst an 1. Januar in Kraft treten dürfen, nämlich zu Beginn des neuen Haushaltsjahres, zustimmen.
Das zweite sind die Vollmachten, die der Bundesfinanzminister nach der Verabschiedung dieses Haushalts hat. Sie, Herr Kollege Schäfer, haben auf sie angespielt. Diese Vollmachten nach Art. 112 des Grundgesetzes und für die Bindungsermächtigungen, außer- und überplanmäßig, nach § 45 b der Reichshaushaltsordnung wird der Bundesfinanzminister angesichts der Situation im Haushalt 1962, der ohne Reserve ist, und angesichts der ganz großen Schwierigkeiten, die im Jahre 1963 auf uns zukommen, nur in Notfällen anwenden dürfen, wie es zum Beispiel - und deshalb habe ich das erwähnt - die Flutkatastrophe oder Berlin ist oder außenpolitische Ereignisse sein können, die unabhängig von uns eintreten. Deshalb darf ich auf Ihre Worte, Herr Kollege Schäfer, erwidern, ich bin dankbar für den Hinweis, den Sie gegeben haben; denn ich werde nicht nur diese Anregung aufgreiten, sondern ich habe mir selbst vorgenommen, hier mit aller Härte, die einem Menschen überhaupt gegeben ist, vorzugehen, wenn nicht der ganze Versuch, zu einer Beruhigung in den Ausgaben zu kommen, scheitern soll. Im Augenblick besteht ein ganz labiles System vom harten Nein des Finanzministers bis zur halben Vertröstung auf das Haushaltsjahr 1963. Wer den ersten Stein aus diesem lockeren Gebäude herauszieht, wird dafür verantwortlich sein, daß das ganze Gebäude einstürzt.
Und dann ein drittes! Angesichts dieser Gesamtlage und angesichts der Tatsache, daß wir unserer äußeren Gefährdung nicht innerpolitische Krisenherde beigesellen dürfen, werden wir auch ins Auge fassen müssen, daß in einem zugespitzten Fall
die Bundesregierung von dem Ihnen bekannten Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch macht, nämlich dann, wenn sie glaubt, daß sie Ausgaben, die mitten im Haushaltsjahr kommen, ihre Zustimmung angesichts der Situation nicht geben kann.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch wenige Worte zum Haushalt für 1963 sagen, von dem ich bereits mehrfach berichtete, daß er in Einnahmen und Ausgaben schwieriger sein wird als der Haushalt 1962. Wir haben für das Haushaltsjahr 1963 erstens einen Kabinettsbeschluß, daß bei der Aufstellung des Haushalts 1963 die Ansätze des Haushalts 1962 grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen. Wir haben auch gewisse Verfahrensbestimmungen festgelegt, die das ganze Verfahren straffen, so daß wir es noch 'besser in der Hand behalten, was angesichts der Finanzlage einfach eine Notwendigkeit ist. Wir werden uns weiter mit allen Ansätzen im Rahmen des mehrjährigen Finanzplans halten, dessen 'Grundsätze vorzutragen ich mir bereits in meiner Haushaltsrede zur ersten Lesung erlaubt habe. Die Grundsätze nämlich: „eins nach dem anderen" und „nicht alles auf einmal."
Drittens! Wir werden die öffentlichen Aufgaben in eine Rangordnung 'bringen müssen, wobei wir der politischen 'u n d finanziellen Situation bei der Aufstellung dieser Rangordnung entsprechen müssen.
Schließlich - das wurde heute auch von der Opposition erwähnt; es war wohl noch einmal Herr Kollege Möller - werden wir die Arbeit an der Finanzreform vorantreiben. Wir werden dabei für 1963 wie für die weiteren, späteren Jahre Lösungen finden müssen, die eine saubere Trennung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern und eine aufgabengerechte Neuverteilung der Gesamtfinanzmasse mit sich bringen.
Bei diesen schweren Aufgaben, bei der Lösung dieser vor uns liegenden Probleme rechne ich, meine sehr geehrten Kollegen, mit der Hilfe dieses Hohen Hauses, mit der Hilfe des Parlaments; genauso wie bei der Verabschiedung Ides Haushalts 1962, wofür ich meinen Dank bereits abgestattet habe. Es führt zu nichts in dieser Situation, wenn wir uns zerstreiten. Zur Bewältigung dieser Probleme müssen wir uns zusammenfinden. Es nutzt auch nichts, wenn wir starre Fronten wieder aufrichten, gerade jetzt, wo die Grenze der Leistungs- und Ertragsfähigkeit der deutschen Wirtschaft für alle deutlich erkennbar geworden ist. Wir müssen das gemeinsame Gespräch in diesen schwierigen Sachfragen suchen. An mir soll es nicht liegen.
Auf der anderen Seite möchte ich aber als ein inneres Bekenntnis oder als ein Bekenntnis der Regierung auch sagen: Wir dürfen uns in einer solchen Situation nicht von der Marktwirtschaft abdrängen lassen. Sie ist die Grundlage unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, für die 1947 bis 1953 die Grundlagen gelegt worden sind. Nicht diese Marktwirtschaft hat versagt, sondern wir haben sie überfordert.
({5})
Ich glaube, hier noch einen Satz anschließen zu sollen. Wir werden gegen jede Strategie angehen, die einen Weg sucht, um die Marktwirtschaft aus den Angeln zu heben, auch dann, wenn eine Opposition diese Strategie in Arbeitsteilung sowohl im Parlament als auch außerhalb des Parlaments verfolgt.
({6})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe nach der Verabschiedung dieses Haushaltes von einem Grundbekenntnis aus.
({7})
Ich bitte um Ruhe für den Redner.
Ich gehe nach der Verabschiedung dieses Haushalts die neue Aufgabe voller Mut an. Wir werden mit einer gesunden und sparsamen Finanzpolitik verhindern, daß sich der außenpolitischen Gefährdung, wie ich schon sagte, innere Krisenherde hinzugesellen. Vor allem werden wir aber jede Gefährdung der Kaufkraft unserer D-Mark abwehren; denn die Stabilität unseres Geldes ist - gerade dem soll dieser Haushalt dienen - die Voraussetzung für unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die sich bis heute in dieser Nachkriegszeit bewährt hat.
({0})
Wird nach dem Schlußwort des Bundesministers der Finanzen noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem ungewöhnlichen Schlußwort des Herrn Bundesfinanzministers, das mit kontroversen Stoffen gespickt war, fällt es außerordentlich schwer, die Debatte nicht noch einmal zu eröffnen.
({0})
Wenn wir das jetzt nicht tun, dann nicht nur mit einem Blick auf die Uhr, sondern weil ich' glaube, daß wir darüber noch sehr viel mehr zu reden haben werden als das, was der Herr Bundesfinanzminister hier geglaubt hat sagen zu müssen.
({1})
Soviel ist jedenfalls sicher: Die Töne, die er zum Teil angeschlagen hat, reizen nicht zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit in der nächsten Zeit.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir I zur Schlußabstimmung. Wer dem Haushaltsgesetz
Vizepräsident Dr. Jaeger
zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit den Stimmen der Regierungsparteien und gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
({0})
- Meine Damen und Herren, wir wollen bei der vorgerückten Stunde doch sehen, daß wir unser Programm in Ruhe zu Ende abwickeln.
({1})
- Meine Damen und Herren, für den Inhalt von Reden kann der Präsident des Bundestages nicht verantwortlich gemacht werden.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1962 ({2}) ({3}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({4}) Drucksachen IV/298, zu IV/298) ({5}).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Lange, hat einen Schriftlichen Bericht erstellt. Mündliche Berichterstattung ist demgemäß nicht mehr notwendig. Ich danke für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Lesung die §§ 2 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht begehrt.
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe den 4. Punkt der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 5 des Ausschusses für Petitionen ({6}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({7}) .
Das Wort wird nicht begehrt.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Punkt 5 ist abgesetzt.
({8})
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie noch um ganz kurze Zeit Ruhe; dann können wir die Punkte leicht abwickeln.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Arbeitslosenversicherung ({9}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Düngemitteln ({10}) ({11}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Gesundheitswesen zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 3 des Rechtsausschusses ({12}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({13}).
Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Schließlich komme ich zu dem zusätzlichen Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Siemer, Wittmer-Eigenbrodt, Bading, Müller ({14}), Logemann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft ({15}),
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet Ich schlage Überweisung an 'den Rechtsausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Ernährungsausschuß und an den Haushaltsausschuß ,gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am Ende einer langen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Hauses auf morgen, Freitag, den 13. April 1962, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.