Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dein 11. März .1962 aufgrund des Beschlusses des Bundestages vom 29. Juni 1961 über Reiseerleichterungen für Kriegsversehrte berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/252 verteilt.
Der Herr Präsident hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 folgende von der Bundesregierung erlassenen Verordnungen überwiesen:
Zweite Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - vom 29. Dezember 1961 ({0}) an den Außenhandelsausschuß,
Zweite Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({1}) vom 2f Dezember 1961 ({2}) an den Außenhandelsausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend -,
Dritte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({3}) vom 28. Dezember 1961 ({4}) an den Außenhandelsausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend -,
Zwölfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 ({5}) -vom 27. Februar 1962 ({6}) an den Außenhandelsausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend -.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes.
({7})
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre zwar Zurufe, aber keinen Widerspruch.
({8})
Ich schlage vor, diesen Punkt als ersten Punkt der Tagesordnung zu nehmen, noch vor der Fragestunde. - Auch hier erhebt sich kein Widerspruch.
Ich rufe also auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes ({9}).
Begründung und Debatte sind nicht vorgesehen. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Verteidigungsausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Inneres zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Damit komme ich zur
Fragestunde ({10}).
Es sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe zunächst auf die Frage VI/1 - des Abgeordneten Varelmann -:
Ist die Bundesregierung bereit, Darlehen aus Mitteln des regionalen Förderungsprogramms an gewerbliche Betriebe in den Sanierungsgebieten zu Bedingungen zu gewähren, die nicht ungünstiger sind als z. B. die Zinssätze und Laufzeiten für Darlehen, welche das Land Nordrhein-Westfalen mit gleicher oder ähnlicher Zielsetzung wie der Bund einsetzt?
Die Bundesregierung wurde von dem Kreditprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen unterrichtet, das u. a. Darlehen an Wirtschaftsbetriebe zum Zwecke der regionalen Wirtschaftsförderung zu einem Zinssatz von 4 % und mit einer Laufzeit von maximal 17 Jahren, davon zwei Jahre tilgungsfrei, vorsieht. Im Vergleich hierzu können im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms des Bundes den in den anerkannten Sanierungsgebieten des Bundes ansässigen oder ansiedelnden gewerblichen Betrieben folgende Finanzierungshilfen gewährt werden: Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren, davon zwei Jahre tilgungsfrei, zu a) 3,5 % für die Neuerrichtung von gewerblichen Produktionsbetrieben, b) 5 % zur Rationalisierung und Modernisierung von gewerblichen Produktionsbetrieben der Industrie und des Handwerks, c) 4 % für das Fremdenverkehrsgewerbe, d) 4 % für Vertriebenen- und Flüchtlingsbetriebe. Beim Kreditprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen bestehen also günstigere Konditionen lediglich hinsichtlich der Laufzeit der Darlehen und bezüglich des Zinssatzes für Rationalisierungs- und Modernisierungskredite.
Im Interesse einer größtmöglichen Harmoniserung der regionalen Förderungsmaßnahmen des Bundes und der Länder ist die Bundesregierung seit längerem um eine Angleichung der Konditionen für die im einzelnen vorgesehenen Finanzierungshilfen bemüht, wobei den unterschiedlichen Standortbedingungen usw. entsprechend Rechnung getragen werden
soll. Die hierfür notwendigen Besprechungen mit den Ländern sind eingeleitet. Im Zuge dieser Bemühungen nimmt die Bundesregierung außerdem gesondert in dieser Sache noch Verbindung mit dem Land Nordrhein-Westfalen auf.
Bis zum Abschluß dieser Verhandlungen mit den Ländern kann zu der Frage, ob die Darlehenskonditionen für das regionale Förderungsprogramm des Bundes eine Änderung erfahren sollen, nicht Stellung genommen werden. Ich bin jedoch gern bereit, Sie zu gegebener Zeit über das Ergebnis der Besprechungen mit dem Land Nordrhein-Westfalen vorweg unmittelbar zu unterrichten.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Varelmann!
Ist das Bundeswirtschaftsministerium darüber unterrichtet, in welchem Ausmaße mit öffentlichen Mitteln in den Ballungsräumen durch die Stadtverwaltungen die Konzentration der Wirtschaft gefördert wurde?
Ich habe die Frage nicht ganz verstanden - in welchem Umfange in den Ballungsräumen die Konzentration gefördert wurde?
Durch die betreffenden Städte gefördert wurde.
3) Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft: Auf diese Frage kann ich ohne eine Fühlungnahme mit dem Land Nordrhein-Westfalen keine konkrete Antwort geben. Ich bin aber gern bereit, die Sache zu prüfen und Ihnen dann die Antwort schriftlich zu übermitteln.
Danke schön.
Ich komme zur Frage VI/2 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Ist die Bundesregierung bereit, sich mit den Verbänden des ,Bankgewerbes in Verbindung zu setzen, damit die Sicherheitsvorkehrungen bei Zweig- und Nebenstellen von Banken und Sparkassen verbessert werden?
Ich bitte um die Genehmigung, ,die beiden Fragen VI/2 und VI/3 in einem zu beantworten, da sie auch inhaltlich zusammengehören.
Bitte sehr!
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, über das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zu erreichen, daß den Sicherheitsvorkehrungen im Interesse der Bediensteten der Banken und Sparkassen und der Bevölkerung größere Aufmerksamkeit gewidmet wird?
Das Bundeswirtschaftsministerium ist gern bereit, der in der Frage liegenden Anregung zu entsprechen und den Verbänden des Bankgewerbes eine Verbesserung und zugleich Intensivierung ihrer Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere bei Zweig- und Nebenstellen zu empfehlen.
In der Tat haben die Überfälle auf Kreditinstitute und Zweigstellen in letzter Zeit erheblich zugenommen. Sie ereigneten sich fast ausschließlich in kleineren Orten und richteten sich in erster Linie gegen ländliche Kreditgenossenschaften oder SparkassenZweigstellen. Diese Stellen sind in aller Regel nur mit wenigen Personen besetzt, die zumeist hinsichtlich ihrer Sicherheit auf sich selbst gestellt sind. Hier kann im allgemeinen nicht mit einem so raschen Eingreifen der Polizeiorgane oder sonstiger Außenstehender gerechnet werden, wie es bei Kreditinstituten in größeren Orten 'der Fall ist, wo unmittelbare ausreichende Alarmverbindungen zur Polizei bestehen oder auch der stärkere Publikumsverkehr vor oder im Bankgebäude einen zusätzlichen Schutz darstellt.
Rechtliche Vorschriften, die 'die Kreditinstitute zur Unterhaltung besonderer Sicherungseinrichtungen gegen Überfälle verpflichten, bestehen zur Zeit nicht. Insbesondere enthalten weder das Kreditwesengesetz noch die Gewerbeordnung derartige Bestimmungen. Die Vorsorge gegen solche Vorkommnisse ist also zur Zeit Sache der einzelnen Institute. Unter dem Eindruck der sich häufenden Banküberfälle haben die Verbände der in erster Linie davon betroffenen Institutsgruppen ihren Mitgliedinstituten bereits Maßnahmen zur verstärkten Sicherung ihrer Geschäftsräume und insbesondere zum verbesserten Schutz der Mitarbeiter empfohlen.
Ich werde auf Veranlassung des Fragestellers das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen veranlassen, die Spitzenverbände ,der Kreditinstitute auf die Wichtigkeit ausreichender Sicherungsvorkehrungen gegen Banküberfälle besonders hinzuweisen.
Vielen Dank; die Antwort hat mich sehr befriedigt.
Ich komme zur Frage VI/4 - des Abgeordneten Ertl, vertreten durch den Abgeordneten Dürr -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Städte durch Bodenvorratskäufe, insbesondere auch durch Kauf von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, erheblich zur Preissteigerung auf dem Grundstücksmarkt beitragen und dadurch die Bodenspekulation fördern?
Ich darf bitten, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung verfügt zur Zeit über keine Unterlagen, die das Ausmaß von Grundstückskäufen durch die Gemeinden allgemein erkennen lassen. Sie kann deshalb nicht übersehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Städte Bodenvorratskäufe betreiben. Der Bundesregierung sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, daß die Städte Bodenvorrat in einem Umfange erworben haben oder erwerben, der zu erheblichen Preissteigerungen beitragen oder die Bodenspekulation fördern könnte.
Im übrigen darf darauf hingewiesen werden, daß die Gemeinden zur Erfüllung der Aufgaben, die
ihnen das Bundesbaugesetz und das Zweite Wohnungsbaugesetz zugewiesen haben, die dazu erforderlichen Grundstücke erwerben müssen. Das Schwergewicht solcher Käufe wird dabei in der Regel bei solchen Grundstücken liegen, die alsbald ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt werden und deshalb unseres Erachtens nicht als Vorratskäufe anzusehen sind. Soweit von den Gemeinden landwirtschaftlich genutzte Grundstücke erworben werden, verhindert das im Grundstücksverkehrsgesetz beibehaltene Genehmigungsverfahren, daß landwirtschaftliche Grundstücke in einem Umfang angekauft werden, der den Belangen der Landwirtschaft zuwiderläuft.
Herr Abgeordneter Ertl, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß das Grundstückverkehrsgesetz verhindert, daß landwirtschaftliche Betriebe insgesamt von Kommunen angekauft werden?
Ich bin nicht sicher, daß das Gesetz das verhindert; denn den Kommunen ist ja im Zweiten Wohnungsbaugesetz und im Bundesbaugesetz geradezu auferlegt, Grundstücke zu erwerben und sie zur Besiedlung bereitzuhalten.
Es handelt sich hier um den Aufkauf
ganzer -
Herr Abgeordneter Ertl, Sie können nur eine Frage stellen.
Sind Sie der Meinung, daß es richtig ist, daß die Gemeinden mit Geldern der Steuerzahler gesamte landwirtschaftliche Betriebe zu überhöhten Bodenpreisen erwerben?
({0})
- Nein, auch gesamte Betriebe!
({1})
Es war jedenfalls die Form der Frage gewahrt.
Die landwirtschaftlichen Institutionen sind ja bei dem Ankauf der landwirtschaftlichen Grundstücke eingeschaltet, und soweit der Bebauungsplan der Gemeinden reicht, ist der Einfluß der Landwirtschaft bei den Vorratskäufen sichergestellt.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, wollten Sie eine Zusatzfrage stellen?
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie der Meinung, daß die großen Ergebnisse im Wohnungsbau der letzten zehn Jahre überhaupt nur möglich waren, weil die Gemeinden über einen großen Bodenvorrat verfügten und dieser zur Besiedlung eingesetzt werden konnte?
Ich bin im allgemeinen der Ansicht, Herr Abgeordneter, daß von den Gemeinden kein Mißbrauch getrieben wurde, sondern die Sicherung der Grundstücke eine Voraussetzung für die Durchführung des Programms war.
Noch feine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Staatssekretär, können Sie nicht auch bestätigen, daß die Gemeinden genötigt sind, auch landwirtschaftliches Gelände im sogenannten Bauerwartungsland zu beschaffen, damit sie Austauschgelände für die Landwirte haben, wenn deren Grundstücke besiedelt werden sollen?
Ich glaube, daß, soweit landwirtschaftliche Grundstücke erfaßt sind, der Einfluß der landwirtschaftlichen Dienststellen sichergestellt ist und ausreicht.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist im Gegensatz zu der Sorge, die Herr Kollege Ertl hat, die Gefahr nicht viel größer, daß private Bauherren Grundstücke aufkaufen und zu Spekulationen benutzen, als daß es Kommunen tun, deren Tätigkeit ja ständig einer öffentlichen Kontrolle unterliegt?
Soweit landwirtschaftliche Grundstücke nicht im Bebauungsplan der Gemeinden liegen, ist ja das Genehmigungsverfahren noch im Zuge. Es bedarf also für einen solchen Fall der ausdrücklichen Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.
Wir kommen zur Frage VI/5 - des Herrn Abgeordneten Jacobi ({0}) -:
Ist daran gedacht, den Wortlaut der Energie-Enquete der Öffentlichkeit gegen Erstattung der Selbstkosten ({1}) zugänglich zu machen?
Die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. wird das Energiegutachten, wie im Auftragsschreiben vorgesehen, dem Bundesminister für Wirtschaft in tausend Exemplaren gedruckt für die Mitglieder des Deutschen Bundestages und des
Bundesrates sowie für die Verwaltung und zur Verteilung an sonstige interessierte öffentliche Stellen vorlegen. Die Kosten der Drucklegung für diese tausend Exemplare werden aus dem vom Deutschen Bundestag für das Gutachten bewilligten Honorar gedeckt werden.
Um auch darüber hinaus eine möglichst weite Verbreitung des Energiegutachtens zu erreichen, ist der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. die Ausübung der Veröffentlichungs- und Verwertungsrechte zugestanden worden. Die für die Drucklegung der bereits genannten tausend Exemplare erforderlichen Druckstöcke sollen auch für die Herstellung weiterer Exemplare für den freihändigen Verkauf verwandt werden. Hierdurch ist sichergestellt, daß der Buchpreis so niedrig wie möglich gehalten wird. Wir haben uns von der Arbeitsgemeinschaft ausdrücklich die Versicherung geben lassen, sie werde mit der Ausübung des Veröffentlichungsrechts keine Gewinnerzielung anstreben.
Herr Abgeordneter Jacobi zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wann die Enquete dem Bundestag vorgelegt werden wird?
Ich rechne damit, im Laufe des Monats Mai, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage!
Ist in jedem Fall sichergestellt, daß bei einer Herausgabe von mehr als tausend Exemplaren die Gutachter über die ihnen bisher schon zuteil gewordenen Beträge hinaus kein besonderes Autorenhonorar erhalten?
Die Frage ist zu bejahren.
Danke.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident, ich bitte die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher und die Fragen des Herrn Abgeordneten Schultz zusammen beantworten zu drüfen, da sie die gleiche Sache betreffen.
Ich rufe damit auf die Fragen VII/1, VII/4 und VII/5:
Beabsichtigt die Bundesregierung geeignete Schritte zu unternehmen, um die Aufhebung der in Widerspruch zu Artikel 34 des EWG-Vertrages stehenden Verordnung der französischen Regierung über die ,Neuanpflanzung von Weinbergen zur Herstellung von Branntwein mit der geschützten Herkunftsbezeichnung „Cognac" vom 20. Januar 1962 mit der daraus resultierenden Benachteiligung deutscher Weinbrennereien zu erreichen?
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Verordnung der französischen Regierung ({0}), die Neupflanzung von Weinbergen zur Herstellung von Branntwein mit der geschützten Herkunftsbezeichnung ,,Cognac" betreffend, mit Artikel 34 des EWG-Vertrages in Einklang steht?
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um den deutschen Weinbrennereien weiterhin den Bezug von Charenteweinen nach ihrem Bedarf zu ermöglichen?
Gegen die französische Verordnung über die Neuanpflanzung von Weinbergen zur Herstellung von Branntwein mit der geschützten Herkunftsbezeichnung Cognac hat die Bundesregierung folgende Schritte unternommen:
1. Die Bundesregierung hat die Angelegenheit der Kommission in Brüssel unterbreitet mit der Bitte um Prüfung, ob die französische Verordnung einen Verstoß gegen den EWG-Vertragdarstellt.
2. Das Auswärtige Amt ist gebeten worden, bei der französischen Regierung dahin vorstellig zu werden, daß die Verordnung aufgehoben oder grundlegend geändert wird.
3. In einer Besprechung mit dem Landwirtschaftsattaché der Französischen Botschaft in Bonn ist dieser darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung in der obengenannten Verordnung einen Verstoß gegen den EWG-Vertrag erblickt.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, Sie haben gesagt, daß die Angelegenheit der Kommission in Brüssel unterbreitet worden sei. Darf ich fragen, ob die Kommission bereits in der Sache entschieden hat.
Die Kommission hat sich dazu noch nicht geäußert.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!
Nehmen Sie an, Herr Minister, daß die Kommission eine Entscheidung treffen wird, die in unserem Sinne liegt?
Ich hoffe das, Herr Kollege,
Herr Abgeordneter Schultz zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, bestehen irgendwelche Fristen, innerhalb deren sich die Kommission äußern muß?
Nein, es bestehen keine Fristen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Kann ich sicher sein, Herr Minister, daß Sie die Sache mit dem nötigen Nachdruck weiter verfolgen werden?
({0})
Diese Versicherung kann ich Ihnen geben.
({0})
Wir kommen zur Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Trifft es zu, daß sich die früher vorn Bundesernährungsministerium vertretene Auffassung, die in den Jahren 1953 bis 1959 gezahlte Lieferprämie für Roggen könne über Lohnumtauschmühlen nicht gezahlt werden, durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als falsch herausgestellt hat?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Mit der Zahlung der Lieferprämie in den Getreidewirtschaftsjahren 1953/54 bis 1958/59 wurde der Zweck verfolgt, daß die Erzeuger den Roggen in den Markt geben. Für den Verbrauch des Roggens im eigenen Betrieb oder im Haushalt des Erzeugers war die Lieferprämie nicht gedacht. Demgemäß ist die Lieferprämie nur gezahlt worden, wenn der Roggen übernommen, d. h. übereignet wurde und der Kauf durch die Geschäftsunterlagen der Mühle ordnungsgemäß belegt war.
Da bei der sogenannten Lohnmüllerei keine Übereignung stattfand, schieden diese Fälle für die Zahlung der Lieferprämie von vornherein aus. Das galt auch im allgemeinen für die Geschäfte im Rahmen der sogenannten Umtauschmüllerei. Soweit aber in diesen Fällen nach den Geschäftsunterlagen der Nachweis erbracht werden konnte, daß der Roggen durch Kauf übernommen und vom Erzeuger dafür Mehl gekauft worden war, hat auch das Bundesernährungsministerium anerkannt, daß die Lieferprämie gezahlt werden konnte.
Um einen solchen Fall des Kaufes und Verkaufes handelt es sich in dem Verwaltungsstreitverfahren, über den das Bundesverwaltungsgericht mit dem Urteil vom 5. Februar 1960 - BVerwG VII C 159.59 -, auf das sich die Anfrage bezieht, entschieden hat. Wie die Begründung dieses Urteils ergibt, steht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Widerspruch zu der Auffassung meines Hauses. Es heißt in diesem Urteil wörtlich:
Im übrigen wird die Auffassung des Berufungsgerichts auch durch das Schreiben des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 26. Juli 1957 bestätigt. Auch nach seiner Auffassung ist die Lieferprämie zu zahlen, wenn aus den Buchungsunterlagen hervorgeht, daß der Roggen übereignet worden ist.
Eine unterschiedliche Auffassung zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und meinem Hause besteht nicht in Rechtsfragen, sondern lediglich darin, daß das Bundesverwaltungsgericht - im Gegensatz zu der von meinem Hause und dem beklagten Land vertretenen Auffassung - der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes gefolgt ist und den Nachweis für die von der Klägerin angeblich getätigten Geschäfte als erbracht angesehen hat.
Zu der Entscheidung darf ich noch folgendes bemerken: Nach dem Urteil war nicht ohne weiteres in allen Fällen der Umtauschmüllerei die Lieferprämie zu zahlen. Dem Urteil ist allenfalls zu entnehmen, daß in gleichgelagerten Fällen ein Anspruch auf Erstattung der Lieferprämie dann bestanden hat, wenn die Zahlung der Lieferprämie an den Erzeuger durch ordnungsgemäße Unterlagen nachgewiesen und - wie in dem erwähnten Fall - die gesetzliche Antragsfrist gewahrt war.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, vorausgesetzt, daß auch für viele andere Fälle das Urteil zuträfe: wie hoch wäre die Summe insgesamt, die der Bund für Prämien in gleichgelagerten Fällen nachzahlen müßte?
Wenn sämtliche Fälle in Betracht kämen - die aber auf der derzeitigen rechtlichen Grundlage nicht in Betracht zu kommen scheinen -, könnte es sich - unverbindlich - um einen Betrag von etwa 40 Millionen DM handeln.
Isst das Ministerium bereit, in gleichgelagerten Fällen das, was nun dem einen auf Grund des Urteils gezahlt werden muß, auch den anderen auszuzahlen?
Herr Kollege Dröscher, wenn die gleichen Voraussetzungen vorliegen, die dem Urteilsspruch zugrunde liegen, wird das Ministerium nicht zögern, die Fälle gleichmäßig zu behandeln.
Aber ich möchte noch einmal zusammenfassen: einmal muß es sich um einen Umtausch handeln, zweitens muß der Nachweis erbracht sein, daß die Mühle dem Überbringer des Getreides bereits die Prämie ausgezahlt hat, und zum dritten müssen die Fristen gewahrt sein.
Wir kommen zur Frage VII/3 - des Herrn Abgeordneten Ertl
Wieviel Importgetreide muß bis 1. Juli 1962 eingeführt werden, um den Bedarf zu decken?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Der nach Vorliegen der endgültigen Ernteergebnisse für das Getreidewirtschaftsjahr 1961/62 aufgestellte Einfuhr- und Versorgungsplan sieht die Einfuhr von rund 330 000 t Durum-Weizen, 1,98 Millionen t Qualitäts- und Füllweizen - davon 600 000 t für den Mehlexport -, 2,8 Millionen t Futtergetreide und 1,1 Millionen t Industriegetreide - davon 620 000 t Braugerste - vor. Diese Mengen sind bis auf einige Reste bei Durum-Weizen und Futtergetreide bereits kontrahiert.
Soweit bisher übersehbar ist, wird der Einfuhrbedarf an Weizen und Industriegetreide höher sein, als im Einfuhr- und Versorgungsplan veranschlagt wurde. Dieser Mehrbedarf hängt bei Weizen mit dem ausgeweiteten Mehlexport zusammen; bei Industriegetreide ergibt er sich vornehmlich aus dem stark gestiegenen Bierausstoß.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl!
Treffen Pressemeldungen zu, daß in
3) Antwerpen erheblich mehr Getreide lagere als im Vorjahr und daß diese Getreideeinlagerung im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der EWG-Verordnung vom 1. Juli zustande gekommen sei?
Die Kommission hat bereits diesem Getreidevolumen, das angeblich in Belgien lagert, ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Sie wird, unterstützt von den Regierungen der sechs in der EWG zusammengeschlossenen Länder, Maßnahmen ergreifen, damit mit diesen Mengen kein Mißbrauch getrieben wird.
Kann man erfahren, wie sich diese Maßnahmen auf den deutschen Getreidemarkt auswirken werden?
Es ist das Ziel dieser Maßnahmen, daß das Getreide den deutschen Markt nicht erreicht.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.
Gehen Sie bei der Berechnung des Bedarfs von einer normalen deutschen Ernte aus, und werden in die Handelsverträge auch Klauseln eingefügt, die die Einfuhr reduzieren, wenn die deutsche Ernte das normale Ergebnis weit übersteigt?
Der Einfuhr- und Versorgungsplan wird aufgestellt, nachdem die deutsche Ernte eingebracht und eine Übersicht über die zu erwartenden Mengen vorhanden ist. Zwischen dem tatsächlichen Ernteergebnis und den im Einfuhr-und Versorgungsplan angenommenen Mengen wird jeweils nur eine geringfügige Differenz vorhanden sein. Der Einfuhr- und Versorgungsplan wird aber dauernd revidiert und, soweit es notwendig ist,-elastisch gehandhabt.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, und zwar zu der Frage VIII/1 - des Herrn Abgeordneten Dürr -:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß ein Pflichtjahr für Mädchen, wie es in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit gefordert wurde, mit Artikel 12 des Grundgesetzes vereinbar sei?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Ich darf die gestellte Frage wie folgt beantworten. Das in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit erörterte Pflichtjahr für Mädchen ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Nach Art. 12 Abs. 2 des Grundgesetzes darf niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Nach Abs. 1 haben alle Deutschen das Recht, :Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
Eine Zusatzfrage!
Wäre es nicht besser gewesen, Herr Minister, wenn die 'Bundesregierung diese Rechtsansicht, die auch ich teile, früher publiziert hätte, um damit einer Diskussion über eine Sache, die nicht realisierbar ist, den Faden abzuschneiden?
Ich bin Ihrer Meinung. Wir hätten uns vielleicht schon früher klar dazu äußern sollen.
Eine Zusatzfrage
Frau Abgeordnete Welter.
Herr Minister, beabsichtigt Ihr Haus, einen Plan zu erstellen, wie ein freiwilliges hauswirtschaftliches Jahr für Mädchen gefördert und eventuell auch finanziell attraktiv gemacht werden kann?
Ich persönlich bin der Meinung, daß man das überlegen sollte. In unserem Hause werden, wie das in allen Ministerien der Fall ist, ständig Überlegungen angestellt. Ich halte diese Frage für überlegenswert und werde mir erlauben, mich in Kürze einmal mit einem Kreis interessierter AbgeBundesminister Blank
ordneter - wenn ihnen das recht ist - darüber zu unterhalten.
Die Frage des Abgeordneten Ertl ist zurückgezogen.
Wir kommen zur Frage VIII/3 - des Abgeordneten Wittrock -. Herr Bundesminister, bitte!
Trifft es zu, daß die Bundesregierung der EWG-Kommission berichtet hat, die Verwirklichung .des Artikels 119 des EWG-Vertrages ({0}) ergebe sich in der Bundesrepublik schon aus Artikel 3 des Grundgesetzes?
Herr Kollege Wittrock, ich muß die Frage mit Ja beantworten. Die Bundesregierung hat in einem Schreiben an die EWG-Kommission vom 7. 4. 1961 mitgeteilt - ich darf wörtlich zitieren -, „daß nach ,der Rechtsprechung Art 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes als unmittelbar geltendes Recht a) den Gesetzgeber, b) die Tarifvertragsparteien und c) die Parteien der Betriebsvereinbarung an den Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau bei gleicher Arbeit bindet".
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Bundesminister! Obgleich einzuräumen ist, daß das formalrechtlich in Ordnung ist, darf ich fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, daß im Rahmen eines solchen Berichts auch die praktischen Gegebenheiten vorgetragen werden müßten. Ist Ihnen - unter Beachtung .der praktischen Gegebenheiten - bekannt, daß .der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem Bericht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, eine ungleiche Bezahlung sei nicht nur möglich, sondern sie erfolge, und die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleichwertiger Arbeit sei in der überwiegenden Zahl von Tarifverträgen noch nicht durchgesetzt worden?
Herr Kollege Wittrock, ich teile nicht die Auffassung, ,die hier zum Ausdruck kommt. Ich teile auch nicht die Auffassung des DGB. Denn in einer von der Kommission der EWG veranlaßten Untersuchung hat Frau Professor Dr. Münke von der Freien Universität Berlin keinen Fall einer ungleichen Entlohnung in der Bundesrepublik feststellen können. Die Tarifverträge, für deren Inhalt die Sozialpartner verantwortlich sind, rechtfertigen gleichfalls nicht die Annahme einer ungleichen Entlohnung bei gleicher Arbeit. Überdies würden Klauseln, die eine solche ungleiche Entlohnung vorsehen, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichtig sein. Die Bundesregierung hat also nichts verschwiegen. Ich glaube, die Schwierigkeit liegt lediglich darin, daß man den Begriff der gleichen Entlohnung bei gleicher Arbeit nicht scharf im Auge behält und daß eine ungleiche Entlohnung immer darauf beruht, .daß es eben nicht gleiche Arbeiten sind. Das kann man aber nur im Einzelfall entscheiden.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, von der Bundespressestelle des DGB dessen Verlautbarung zu diesem Problem vom 19. Juli 1961 anzufordern und sich von dem Leiter Ihrer Presseabteilung die Süddeutsche Zeitung vom 27. Februar 1962 vorlegen zu lassen, worin Sie instruktive Darlegungen über die Situation im bayerischen Metallgewerbe finden? Und werden Sie bereit sein, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß der Begriff der Verwirklichung eines Prinzips nicht nur formal zu beurteilen ist, sondern auch nach den praktischen Gegebenheiten, und zwar anders, als Sie dies in der Antwort auf die Kleine Anfrage einiger CDU-Abgeordneter in der vergangenen Wahlperiode getan haben?
Herr Kollege Wittrock, die von Ihnen soeben zitierten Unterlagen sind mir bekannt, ich habe sie gelesen. Ich bleibe dennoch bei der Auffassung, die ich soeben bei der Beantwortung der Frage vorgetragen habe. Es ist natürlich ungeheuer schwierig, in jedem Einzelfalle nachzuprüfen, ob das stimmt. Die Schwierigkeit liegt darin, daß man immer, vor allen Dingen in Grenzfällen, unterschiedlicher Auffassung sein kann, was gleiche Arbeit ist. Ich bleibe dabei, daß wir diese Frage prinzipiell geklärt haben und daß es im großen und ganzen Verstöße gegen den Grundsatz nicht gibt. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß man sich in der EWG-Kommission mit dieser Frage erneut beschäftigt und jetzt wieder eine Untersuchung anstellen will. Da das vorhandene statistische Material zur Beantwortung der Frage nicht ausreicht, haben sich alle Mitgliedstaaten, unter anderen auch wir, bereit erklärt, an einer statistischen Erhebung über die Lohnstruktur und an einer besonderen statistischen Erhebung über die Männer- und Frauenlöhne mitzuwirken. Ich bin der Auffassung, auch diese Erhebung wird beweisen, daß wir mit unserer Antwort recht hatten. Aber ich würde es für richtig halten, Herr Kollege Wittrock, daß wir dann, wenn das Erhebungsmaterial vorliegt, einmal in einem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages diese Fragen miteinander erörtern.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Elsner!
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß die Arbeit der Frauen grundsätzlich weniger wert ist als die der Männer - das muß ich ja aus Ihrer Antwort entnehmen -, oder liegt die Unterschiedlichkeit der Entlohnung nicht darin begründet, daß die Bewertungen von Frauen-und Männerarbeiten falsch sind, so daß wir einmal zu einer neuen Bewertung kommen müssen?
Wir haben nicht behauptet - ich bin auch weit davon entfernt, das jemals zu behaupten -, daß eine unterschiedliche Wertigkeit der Frauen706
arbeit einerseits und der Männerarbeit andererseits bestehe. Ich habe gesagt, daß wir nach dem Grundsatz „gleicher Lohn bei gleicher Arbeit" handeln, daß aber, wenn irgendwo einmal ein Fall auftritt, wo wir streiten, die Schwierigkeit immer darin liegt, exakt zu ermitteln, ob es sich um gleiche Arbeit handelt. Ich habe nicht gesagt, daß eine Ungleichwertigkeit der Tätigkeit des Mannes und der Tätigkeit der Frau bestehe.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Elsner!
Wie erklären Sie es sich dann aber, daß die Frauenlöhne bzw. die Einkommen der Frauen um soviel niedriger sind als die der Männer? Denn die Arbeitszeit ist für die Frauen ja die gleiche.
Das erklärt sich ganz einfach daraus, daß Frauen im allgemeinen gewisse sehr hoch bezahlte Arbeiten, die Männer ausführen, gar nicht ausführen können. Denken Sie nur an den Bergbau!
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Minister, sind Ihnen die Lohntafeln aus der bayerischen Metallindustrie bekannt?
Blank Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Nein. So gut ist mein Gedächtnis nun doch nicht, daß ich momentan die Lohntafeln aller Industrien im Kopf hätte. Wir können sie aber gerne einmal vergleichen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, sind Sie nicht der Meinung, daß der Vergleich der Arbeit der Bergarbeiter mit der Frauenarbeit hinkt, und sind Sie sich im übrigen nicht im klaren darüber, daß das Einkommen des Bergmanns schon längst nicht mehr an der Spitze der Lohnskala liegt?
Ich vermag nicht einzusehen, daß dies eine Zusatzfrage zu dem Komplex wäre, den ich bisher behandelt habe.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Minister, war es Ihnen bei der Bewertung der Frauenarbeit in Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin Elsner sehr angenehm, daß gerade die Frau Ministerin neben Ihnen saß, oder soll sie vielleicht einen Abschlag am Gehalt bekommen?
({0})
Mir ist die Anwesenheit von Damen, sei es auf der Regierungsbank, sei es hier unten, immer sehr angenehm.
({0})
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich komme zu der von dem Abgeordneten Dröscher gestellten Frage VIII/4:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wie lange es z. Z. durchschnittlich dauert, bis ein rechtsuchender Kriegsbeschädigter oder Sozialrentner vom Tage der Einreichung der Klage beim Sozialgericht an bis zur Entscheidung über eine evtl. Berufung am Landessozialgericht das Urteil erhält?
Herr Kollege Dröscher, die Sozialgerichte des ersten Rechtszuges und die Landessozialgerichte sind Gerichte der Länder. Die statistischen Mitteilungen der Länder an die Bundesregierung enthalten keine Angaben über die Dauer der Verfahren. Soweit mir bekannt ist, dauerten 1961 die Verfahren bei den Sozialgerichten des ersten Rechtszuges durchschnittlich 12 Monate und bei den Landessozialgerichten etwa 18 1/2 Monate.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die ungewöhnlich lange Dauer der Erstellung von fachärztlichen Gutachten und insbesondere von Universitätsgutachten die Rechtsfindung sehr verzögert?
Ja, das ist bekannt. Die Landesregierungen haben sehr häufig darauf hingewiesen, daß die Dauer der Verfahren in den Tatsacheninstanzen von dem Erhalt der ärztlichen Gutachten abhänge. In der Mehrheit der Fälle müssen eben solche Gutachten eingeholt werden. Die Erstattung dieser Gutachten kann wegen der Überlastung der tüchtigen und namhaften Fachärzte viele Monate, manchmal sogar ein ganzes Jahr dauern. Ich bin aber sicher, daß die Bemühungen der Länder, diese Zeiten zu verkürzen, bald Früchte tragen werden. Soweit ich mich mit den Ländern bisher habe darüber unterhalten können, ist dieser Wille allseits zum Ausdruck gekommen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß abweichend von Ihrer Feststellung, die Verfahren im zweiten Zug hätten durchschnittlich 18 Monate gedauert, zur Zeit bei uns in RheinlandDröscher
Pfalz Verfahren aus den Jahren 1957 und 1958, also mit einer Laufzeit von über vier Jahren, ausgetragen werden?
Darf ich fragen, ob Sie hier an einzelne Verfahren denken oder an einen großen Durchschnitt. Daß die Dauer eines einzelnen Verfahrens weit über die angegebene Zeit hinausgehen kann, ist verständlich. Das ist immer von dem Fall und der Schwierigkeit der Beweiserhebung und ähnlichem abhängig. Sollte aber Ihre Angabe dahin zu verstehen sein, daß Verfahren in einem großen Umfange so lange dauern, wäre für mich ein Anlaß gegeben, mich dieserhalb einmal mit der Landesregierung in Verbindung zu setzen.
Danke.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritsch!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen angegebenen Durchschnittszeiten insbesondere auch im Lande Bayern ganz erheblich überschritten werden und daß dadurch das Gefühl der Rechtssicherheit unter den Kriegsopfern und Sozialrentnern ganz erheblich leidet?
Mir ist nicht bekannt, daß die Durchschnittszeiten gerade im lande Rayern ganz erheblich überschritten werden. Ich will versuchen, Feststellungen dieser Art zu treffen.
Keine Zusatzfrage mehr. - Ich rufe auf Frage VIII/5 - des Herrn Abgeordneten Jahn -:
Billigt der Herr Bundesarbeitsminister die von Staatssekretär Dr. Claussen in der Fragestunde des Bundestages vom 14. Februar 1962 vertretene Auffassung, das Bundessozialgericht sei eine - offenbar neben allen möglichen anderen - „Behörde", die behaupte, mit der Zahl ihrer „Beamten" nicht auszukommen?
Herr Kollege Jahn, Herr Staatssekretär Claussen hat ausweislich der Sitzungsniederschrift folgendes bemerkt - ich zitiere -:
Aber es gibt keine Behörde, die nicht behauptet, daß sie mit der Zahl ihrer Beamten nicht auskomme.
Diese spritzige Bemerkung allgemeiner Art ist doch sicherlich nicht so aufzufassen, daß der Herr Staatssekretär damit hat sagen wollen, daß nun gerade das Bundessozialgericht besonders bestrebt sei, die Zahl seiner Beamten auszuweiten. Ich glaube, so ist es auch verstanden worden. Ich habe aus dem Protokoll ersehen, daß er bei dieser Bemerkung den Beifall des Hauses errungen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Minister, darf ich aus dieser Antwort entnehmen, daß auch Ihnen offenbar der im Grundgesetz ausdrücklich festgelegte Unterschied zwischen Beamten und Richtern, zwischen Exekutive und Gerichtsbarkeit nicht geläufig ist?
Doch, er ist mir geläufig, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Sind Sie dann der Auffassung, daß die Art und der Inhalt der Antwort von Herrn Staatssekretär Claussen mit der Würde und dem Ansehen eines oberen Bundesgerichtes
({0})
und der Fürsorge, die Ihr Haus für dieses obere Bundesgericht hat, vereinbar sind?
Blank. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Jahn, wenn Sie mich so ernst fragen, muß ich genauso ernst antworten: Ich bin absolut der Meinung, daß die Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen diese Würde in keiner Weise verletzt hat.
({1})
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, zuerst zu den drei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg. Ich rufe zunächst auf die Frage IX/1:
Wann ist mit dem Baubeginn und der Fertigstellung der seit vier Jahren von der Bundesregierung geplanten panzerfesten Straße zwischen Schleswig und dem Truppenübungsplatz Langsee zu rechnen?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
Der Ausbau der Verbindungsstraße zwischen der Truppenunterkunft am ehemaligen Seefliegerhorst in Schleswig und dem StandortTruppenübungsplatz Langsee in Nordschleswig wird in drei Teilabschnitten durchgeführt werden. Es sollte möglich sein, noch im Spätherbst dieses Jahres mit den Baumaßnahmen zu beginnen und die Verbindungsstraße bei günstigen Voraussetzungen bis Ende nächsten Jahres festigzustellen. Der weitere Verfahrensablauf wird jedoch weitgehend von der Kapazität der Landesstraßenbauverwaltung, der sonstigen Behörden und der Bauwirtschaft des Landes abhängen.
Ich rufe auf die Frage IX/2 - des Abgeordneten Dr. Stoltenberg -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß gegenwärtig Bundeswehrkolonnen ständig die unbefestigten Gemeinde- und Kreisstraßen im weiten Umkreis des Truppenübungsplatzes Langsee benutzen, so daß große Schaden entstehen, die bei den langwierigen Entschädigungsverfahren erst sehr verspätet und unzureichend beseitigt werden können?
Es ist bekannt, daß von der Truppe außer der Landstraße II. Ordnung Nr. 16 auch Gemeindewege als Zufahrten zum Standortübungsplatz bzw für Übungsfahrten benutzt werden. Die Wehrbereichsbehörde ist bemüht, die angemeldeten Schäden ohne zeitliche Verzögerung und ausreichend zu regulieren. Daß es sich um finanziell große Schäden handelt, dürfte allerdings nicht zutreffen, Herr Abgeordneter.
Ich rufe auf die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg -:
Ist die Bundesregierung bereit, im Zusammenhang mit dem Bau der Panzerstraße Schleswig-Langsee auch das Reststück der Verbindung zur Europastraße 3 bei Idstedt fertigstellen zu lassen, das einen direkten Zugang von der E 3 zum Truppenübungsplatz ermöglichen würde?
Es ist vorerst nicht vorgesehen, die soeben erwähnte Landstraße über den Standortübungsplatz hinaus bis Idstedt und eine Verbindungsstraße bis zur E 3 auszubauen, da der direkte Anschluß der militärischen Anlagen an die E 3 nach Fertigstellung der Umgehungsstraße im Zuge der B 201 sichergestellt ist. Es ist jedoch nicht ganz ausgeschlossen, daß die angesprochenen Straßen nordwestlich des Übungsplatzes als örtliche Militärstraßen in den Standortverkehrsbereich einbezogen werden. Bei Verhandlungen hierüber, Herr Abgeordneter, wird es sich auch um die Aufgeschlossenheit der jeweiligen anderen Finanzträger handeln. Ich hoffe, daß sie dafür Verständnis haben.
Wir kommen nunmehr zur Frage IX/4 - des Abgeordneten Seuffert -:
Ist es richtig, daß beim Besuch des Schulgeschwaders der Bundesmarine in Barcelona Veteranen der spanischen Blauen Division ,als Ehrengäste an Bord eingeladen wurden?
Es sind weder Veteranen allgemein noch Veteranen der Blauen Division eingeladen worden. Dagegen sind auf Einladung etwa 50 aktive Soldaten an Bord gewesen. Unter diesen mögen einige gewesen sein, die der Blauen Division angehört haben. Man hat im Ausland nicht die Möglichkeit, den Lebenslauf von Bordgästen vorher zu überprüfen. Wir haben versucht, einen solchen internationalen Brauch festzustellen, haben ihn aber nicht feststellen können.
Ich rufe auf Frage IX/ 5-- des Abgeordneten Schmidt ({0}) -:
Ist der Herr Bundesverterdigungsminister bereit, dem Antrag des Landkreises Siegen auf Einrichtung eines Nah- und BedarfsVerkehrsflughafens „Lipperhöhe" in Lippe Kreis Siegen bald zuzustimmen?
Die Zustimmung des Verteidigungsministeriums zur Errichtung des Zivilflugplatzes „Lippenhöhe" ist dem Herrn Minister für Wirtschaft und Verkehr .des Landes Nordrhein-Westfalen im August 1960 mitgeteilt worden. Es wird allerdings vom Verteidigungsministerium vorausgesetzt, daß der Bundeswehr eine Mitbenutzung gestattet wird, soweit sich hierfür später ein Bedarf ergeben sollte. Der Umfang eines solchen Bedarfs läßt sich allerdings zur Zeit noch nicht übersehen.
Eine Zusatzfrage!
Isst Ihnen, Herr Staatssekretär, bekannt, daß durch die Anlage eines Heeresfliegerflugplatzes in Breitscheid im Dillkreis ({0}) neuerdings Schwierigkeiten bezüglich der Anlage des Zivilflugplatzes entstanden sind?
Diese Angelegenheit soll auf Antrag des soeben von mir genannten Wirtschaftsministers in gemeinsamen Besprechungen geklärt werden. Wir glauben, daß eine Koordinierung der Interessen möglich ist. Allerdings haben wir noch kein Ergebnis der Verhandlungen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß seinerzeit, als die militärische Anlage auf Lipperhöhe entstand, mit dem Landkreis Siegen von der Bundeswehr eine Vereinbarung geschlossen - und dadurch auch die Zustimmung des Landkreises erreicht wurde -, nach. der unter allen Umständen der Zivilflughafen gesichert sein sollte?
Der Zivilflugplatz ist ja im Prinzip gesichert, wie ich sagte; nur über die einzelnen Bedingungen muß noch verhandelt werden.
Keine, Zusatzfrage? Die Frage IX/6 - des Herrn Abgeordneten Lemmrich - ist zurückgezogen.
Ich rufe auf die Frage IX/7 - des Abgeordneten Wacher -:
Hat die Bundeswehr die Möglichkeit, ihre Vorräte an Gerät und Material zu erhöhen, die sowohl für den militärischen Bedarf als auch fur Hilfe bei Naturkatastrophen wie die Sturmflut an der Nordseeküste geeignet sind?
Der Abgeordnete Wacher wird vertreten durch den Abgeordneten Krug.
Die Bundeswehr bevorratet das von ihr benutzte Gerät und Material zur Abdeckung des voraussichtlichen Verbrauchs, des Verlustes und des Verschleißes für Krieg und Frieden in einer Größenordnung, die durch die zur Verfügung gestellten
Geldmittel und realisierbaren Infrastrukturmaßnahmen begrenzt wird, wobei die Geldmittel nach Art und Menge des Geräts und Materials zweckgebunden sind. Von der Bevorratung wenden einige Gerät- und Materialarten aus Standardisierungsund ebenso aus Finanzgründen ausgeschlossen. Diese Vorratshaltung dürfte wie im Falle Hamburg ausreichen, um der Zivilbevölkerung bei Naturkatastrophen wirksam helfen zu können. Das gilt insbesondere für Sanitätsgerät, Verbandsmaterial, Unterkunftsgerät und naturgemäß für Verpflegung.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zunächst zur Frage X/1 - des Abgeordneten Dr. Mommer -:
Hat die Bundesregierung Pläne, die Bundesstraßen im Nachbarortsverkehr mit Gehwegen zu versehen, um Leben und Gesundheit der Fußgänger zu schützen?
Herr Staatssekretär, wenn ich bitten darf.
Die Baulast für die Gehwege neben den Bundesstraßen obliegt innerhalb der Ortschaften den Gemeinden, außerhalb dem Bund. Nach § 3 des Fernstraßengesetzes hat der Träger der Straßenbaulast nach seiner Leistungsfähigkeit die Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. In den vom Bundesminister für Verkehr eingeführten „Richtlinien für die Anlage von Landstraßen" ist angegeben, wie Gehwege an Bundesstraßen anzulegen und von welcher Verkehrsdichte an sie erforderlich sind.
Der Bundesminister für Verkehr hatte bereits mit Erlaß vom 18. Dezember 1959 die obersten Straßenbaubehörden der Länder gebeten, ihre besondere Aufmerksamkeit der Anlegung von Gehwegen außerhalb der Ortschaften zu widmen.
Aus Anlaß des verhältnismäßig starken Zugangs der Verkehrsverluste bei Fußgängern und Radfahrern im Verlauf des Jahres 1960 hat der Bundesminister für Verkehr durch Erlaß vom 30. August 1961 erneut die obersten Straßenbaubehörden der Länder aufgefordert, ihre Bemühungen um den Bau von Rad- und Gehwegen zu verstärken und Rad-und Gehwege auch dort anzulegen, wo die Verkehrsdichte noch nicht die in den Richtlinien angegebenen Werte erreicht hat. Die im Entwurf des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Rechnungsjahren 1963 bis 1966 bei den Kennzahlen für kleineren und größeren Um-und Ausbau vorgesehenen Mittel sind so bemessen, daß der Bau von Gehwegen vor allem an Bundesstraßen mit Nachbarortsverkehr wirksam gefördert werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatssekretär, wenn ich sage, daß
Sie also auch der Meinung sind, daß - bisher wenigstens - die Fußgänger, die immer noch die zahlreichste- Verkehrsteilnehmer sind, bei unserem Straßenbau schlecht weggekommen sind?
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Anzahl der Toten bei den Fußgängern von 1959 auf 1960 um etwa 10 % gestiegen ist und daß uns diese Steigerung veranlaßt hat, erneut auf die Notwendigkeit, den Seitenwegen größere Beachtung zu schenken, hinzuweisen. Es ist aber so, Herr Dr. Mommer: nach unserer Erfahrung ist es weniger eine Frage der Mittel als eine Frage der immer größer werdenden Schwierigkeiten beim Grunderwerb, um diese Pläne, die auch von uns und den obersten Landesstraßenbehörden gefördert werden, schneller durchzuführen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die Schwierigkeiten beim Erwerb von Boden für die Straßen selber, für den motorisierten Verkehr, viel größer sind und daß es in Wirklichkeit also eine Frage der Rangordnung ist, welche Aufmerksamkeit wir von Staats wegen dem einzelnen Menschen, dem Fußgänger zuwenden?
Ich glaube, man kann die Frage nicht so allgemein stellen, sie auch nicht so allgemein beantworten. Das Bedürfnis nach sogenannten Seitenwegen ist natürlich z. B. im Nachbarschaftsverkehr zwischen zwei Städten besonders groß, und es wird das gemeinsame Bestreben aller sein, hier so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen.
Ich komme zur Frage X/2 - ,des Abgeordneten Regling -:
Ist die Pressemeldung richtig, nach der der Herr Bundesverkehrsminister in einer Wahlversammlung der CDU in Lübeck gesagt haben soll, daß die Kommunalvertretungen nur dann von der Bundesregierung Hilfe und Unterstützung erwarten können, wenn sie die gleiche Zusammensetzung aufweisen wie die derzeitige Regierungskoalition?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, die Pressemeldung trifft nicht zu.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Regling.
Herr Staatssekretär, ich darf doch wohl annehmen, daß die Pressenotizen auch von dieser Versammlung dem Herrn Minister vorgelegen haben. Danach - aber nicht nur danach - ist der Eindruck entstanden, wie ich ihn geschildert habe, daß eine Gleichschaltung, wie wir sie ja aus früheren Jahren kennen, für eine Zusammenarbeit erwünschter sei.
Herr Abgeordneter, ich habe nicht nur die uns regelmäßig zugehenden Presseorgane auswerten lassen, sondern auch eine Mittelbehörde unseres Hauses in Schleswig-Holstein beauftragt, alle dort erreichbaren Pressemeldungen über diese Veranstaltung zu sammeln und mir vorzulegen. In den mir hier vorliegenden Meldungen habe ich das nicht gefunden, jedenfalls nicht in dem Wortlaut, den Sie gebracht haben.
Im übrigen liegt mir eine schriftliche Äußerung des Herrn Ministers vor, darüber hinaus aber auch der schriftliche Bericht eines meiner Mitarbeiter, der an dieser Tagung persönlich teilgenommen hat.
Ich komme zur Frage X/3 - des Abgeordneten Rademacher -:
Ist die Bundesregierung bereit, einer obligatorischen Einführung der nach § 53 a Abs. 2 StVZO zugelassenen Springlichter an Kraftfahrzeugen im Interesse einer erhöhten Verkehrssicherheit zuzustimmen, wenn diese Springlichter sich bewährt haben?
Ist er anwesend? - Wird er vertreten? - Dann wird .die Frage schriftlich beantwortet.
Ich komme zur Frage X/4 - des Abgeordneten Schmidt ({0}) -.
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß sich auf den Straßenabschnitten der Bundesstraße 54 bei km 97,8 und km 98,9/99,0 ({1}) fortlaufend schwere und schwerste Verkehrsunfälle ereignen, obwohl vom Standpunkt der Verkehrsbeschilderung alles nur Denkbare getan ist, um Verkehrsunfällen vorzubeugen?
Ich beantworte die Frage mit Ja.
Bei den beiden angegebenen Streckenabschnitten handelt es sich um verhältnismäßig enge Kurven, die in einer 3,5 km langen Gefällstrecke von 4 % unmittelbar nördlich Krombach liegen. Bei der 1953 bis 1956 durchgeführten Beseitigung von Frostschäden wurde die Fahrbahn wieder hergerichtet und streckenweise auf 7 m verbreitert. Die damit auf Teilabschnitten vorhandene gute Fahrbahndecke verleitet offenbar einige Verkehrsteilnehmer, den örtlichen Gegebenheiten und auch den vorsorglich aufgestellten Hinweiszeichen auf Gefahrenstellen zum Trotz - Sie sprechen ja selbst von einer reichen Beschilderung - nicht die erforderliche Beachtung zu schenken.
Da seit Ende 1960 hier verstärkt Unfälle auftreten, wurde als Sofortmaßnahme die Fahrbahn mit einer griffigen Oberfläche versehen; auch wurde die stellenweise schon vorhandene Sicherung durch Leitplanken wesentlich erweitert.
Es sind Vorentwürfe zur vollkommenen Ausschaltung dieser von mir genannten besonderen Gefahrenstellen bearbeitet. Es handelt sich hier um die Abflachung und Ausweitung von engen Kurvenbereichen. Die Arbeiten werden zur Zeit baureif vorbereitet und sollen spätestens im nächsten Jahr, also im Jahre 1963, ausgeführt werden. Der Ausbau der 1,3 km langen Strecke wird 1,6 Millionen DM kosten.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, soviel mir bekannt ist, liegen die Genehmigungsunterlagen bei Ihnen vor. Wann ist nach Meinung -
Ich bitte, eine Frage zu stellen.
Wann ist nach Meinung Ihres Hauses mit der Genehmigung der baureifen Unterlagen, die Ihrem Hause schon längere Zeit vorliegen, zu rechnen?
Es ist so rechtzeitig damit zu rechnen, daß im Jahre 1963 die Arbeiten durchgeführt werden können.
Ich komme zur Frage X/5 - des Abgeordneten Müller ({0}) -:
Teilt die Bundesregierung die Bedenken des Niedersächsischen Verwaltungspräsidenten in Oldenburg hinsichtlich der Ersetzung der Beschilderung des bisherigen Fernzieles „Nordenham" im Zuge der B 212 und der B 69/2.11 durch das Fernziel „Bremerhaven"?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, teilt nicht die Bedenken des Herrn Niedersächsischen Präsidenten in Oldenburg hinsichtlich der Ersetzung des bisherigen Fernzieles „Nordenham" durch das Fernziel „Bremerhaven". Diese Änderung ist im Entwurf des vom Bundesminister für Verkehr herauszugebenden Verzeichnisses der Fern- und Nahziele an den Bundesfernstraßen vorgesehen, da die Landstraße I. Ordnung Nordenham-Blexen am 1. Januar 1961 als Bundesstraße übernommen worden ist. Durch die Aufstufung der genannten Landstraße ist die Bundesstraße 212 über Nordenham nach Norden bis an die Weserfähre Blexen-Bremerhaven verlängert worden und hat über die Fähre Anschluß an Bremerhaven erhalten.
Die Bundesfernstraßen sind nach dem Gesetz Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr zu dienen bestimmt sind. Wo der Zusammenhang des Netzes verbessert und eine neue weiträumige Verbindung hergestellt wird, sollte das dem Verkehrsteilnehmer auch angezeigt werden. In der Anlage zur Straßenverkehrsordnung ist bestimmt, daß bei Bundesstraßen als Fernzielaufschrift der Name eines allgemein bekannten Ortes anzugeben ist, aus dem der Verlauf der Straße hervorgeht. Bremerhaven ist im dortigen Küstenbereich der wichtigste Knotenpunkt im Bundesfernstraßennetz. Aus dem Namen dieses Ortes geht der jetzige Verlauf der Bundesstraße 212 und auch der Bundesstraßen 69 - ab Oldenburg -, 211 und 437 eindeutig hervor. Er war deshalb nach der Aufstufung der genannten Landstraße I. Ordnung zur Bundesstraße als Fernzielaufschrift vorzusehen.
Eine Zusatzfrage?
Wie hoch sind die Kosten, die entstehen, wenn diese Umschilderung durchgeführt wird?
Ich kann die Frage im Augenblick nicht beantworten. Ich will jedoch gerne die Kosten feststellen und Ihnen mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Stadt Nordenham ein wirtschaftlich bedeutender Schwerpunkt im Norden des Landes Niedersachsen ist und daß die Weser zwischen Bremerhaven und Nordenham etwa 3 km breit ist?
Das ist mir bekannt. Ich habe ja auch die wirtschaftliche Bedeutung von Nordenham, die ich sehr gut kenne, keineswegs bestritten. Ich sage nur, daß nach den gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften, die für uns verbindlich sind, der sogenannte Fernpunkt genau umschrieben ist und daß die Voraussetzungen eben auf Bremerhaven zutreffen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter!
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß der wirtschaftspolitischen Arbeitsgemeinschaft Nord-West, einem Zusammenschluß aller Sanierungsgebiete zwischen Weser und Ems, sehr daran gelegen ist, über die Fähre Kleinensiel-Dedesdorf, die bekanntlich eine viel größere Verkehrsfrequenz hat als die Fähre Blexen-Bremerhaven, eine gute Bundesstraße als Querverbindung zwischen der B 69, B 211, B 212 und der B 6 sowie der
B 74 zu erhalten? Respektieren Sie diese Wünsche und, wenn ja, wann glauben Sie, diese Wünsche verwirklichen zu können?
Es tut mir leid, Herr Abgeordneter, ich kenne persönlich diese Eingabe nicht. Sie ist sicher meinem Hause und meinen Referenten bekannt. Ich will Ihre Frage zum Anlaß nehmen, sie schriftlich durch mein Haus beantworten zu lassen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, die Frau Abgeordnete Dr. Hubert gestellt hat:
Steht die vom Kölner Stadt-Anzeiger am 5. Januar 1962 gemeldete Auskunft eines Gesundheitsamtes, Impfwillige hätten das Impfrisiko selber zu tragen, im Einklang mit § 51 des Bundes-Seuchengesetzes?
Frau Bundesministerin, bitte!
Ich beantworte die Frage mit Nein. Wenn die Auskunft eines Gesundheitsamtes so gegeben wurde wie berichtet, steht sie mit § 51 des Bundesseuchengesetzes nicht im Einklang. Es handelte sich in Düsseldorf um eine von einer Gesundheitsbehörde öffentlich empfohlene Schutzimpfung. Wer bei einer solchen Schutzimpfung einen Gesundheitsschaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesseuchengesetz.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Sie würden es demnach wohl auch nicht für richtig halten, daß man z. B. den Impfwilligen nahelegt, auf etwaige Entschädigungsansprüche zu verzichten?
Ich würde das nicht für richtig halten.
Wird das Bundesgesundheitsministerium die Landesministerien darauf hinweisen, damit solche Dinge nicht wieder vorkommen, wie sie in Düsseldorf anscheinend vorgekommen sind?
Frau Kollegin, Sie wissen, wir haben kein Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden. Ich könnte mir denken, daß diese Fragestunde und meine Antwort, zu der Sie mir freundlicherweise Gelegenheit gegeben haben, unsere Meinung bereits der Öffentlichkeit bekanntgeben. Wenn dies nicht genügen sollte, bin ich bereit, dafür zu sorgen, daß unsere Antwort und unsere Auffassung zu dieser Frage der breitesten Öffentlichkeit bekannt wird.
Ich danke Ihnen, Frau Bundesministerin. Wir sind mit der Fragestunde fristgerecht fertig geworden.
Ich rufe als letztes den Punkt 5 der gemeinsamen Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik ({0}),
b) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung der wissenschaftlichen Forschung ({1}),
c) Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. kulturpolitische Aufgaben des Bundes ({2}).
Ich schlage Ihnen vor, zuerst die drei Anfragen begründen zu lassen, dann die Regierung eine gemeinsame Antwort geben zu lassen und schließlich die Debatte, die sicherlich gewünscht wird, zu verbinden. - Das Haus ist damit einverstanden.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wer begründet die Große Anfrage der Fraktion der Christlich-Demokratischen und der ChristlichSozialen Union? - Herr Abgeordneter Dr. Martin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Dringlichkeit der Anfrage an die Bundesregierung, die wir heute hier behandeln, kann ernstlich kein Zweifel bestehen. Die Öffentlichkeit wünscht eine Erklärung über die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens und der wissenschaftlichen Einrichtungen in der Bundesrepublik.
Kulturpolitik ist heute eng mit wirtschaftlichen, sozialen und außenpolitischen Fragen verbunden. Sie ist so sehr eine Frage des Eigenbewußtseins des modernen Staates, daß es wohl keinen entwickelten Staat in der gegenwärtigen Welt gibt, der 'darauf verzichtet, kulturpolitisch wirksam zu werden. Er kann auch nicht darauf verzichten, wenn er seine Existenz in dem weltweiten Kampf zwischen der freiheitlichen Gesellschaft und dem Kommunismus verteidigen will. Der Wettbewerb der Wissenschaften im großen internationalen Zusammenhang gewinnt um so mehr an Bedeutung, als die großen Armeen sich etwa gleichstark in lähmender Unbeweglichkeit gegenüberstehen, während sich die eigentliche Weltauseinandersetzung offenbar in einen Wettlauf der noch beweglich seienden Wissenschaftssysteme hinein verlagert. Ich habe keinen Zweifel darüber, daß dabei die freie, nicht dirigierte Wissenschaft - und nur sie ist Wissenschaft im eigentlichen Sinne des Wortes - den Sieg davontragen wird.
Unsere Anfrage zielt nicht primär auf eine Klärung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern ab, etwa im Sinne von Kompetenzerweiterungen des Bundes, Verminderung der Aufgaben der Länder oder ähnlichem. Wir sind nicht der Auffassung, daß der Bund im Bereich der Kulturpolitik eine Verfassungsänderung .anstreben sollte. Wir sind nicht der Meinung, daß der Bund in irgendeiner Weise versuchen sollte, in die Verwaltung der Länder einzugreifen. Wir sind nicht der Auffassung, daß eine starre Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern die Zusammenarbeit zwischen beiden, die sich im großen und ganzen glücklich entwickelt hat, fördern könnte. Im Gegenteil: die wachsende Interdependenz von Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaftspolitik macht eher ein elastisches System der Zusammenarbeit notwendig, das in der Lage ist, neue, nicht nur über die Länder, sondern über die Bundesrepublik hinausgreifende Aufgaben, wie Atomforschung, Weltraumfahrt, Bildungshilfe und Kulturpolitik im Ausland, zu bewältigen.
Wir sind aber der Auffassung, daß der Bund mehr und besser als bisher die Voraussetzungen einer Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und zwischen der Bundesrepublik und den Partnern in der EWG, der WEU und der NATO auf seiner Seite klären muß. Der Bund muß seine Tätigkeit auf kulturpolitischem Gebiet intensivieren und mehr als bisher koordinieren; das heißt, er muß diese Tätigkeit wirksam zusammenfassen.
Wenn man die Probleme allgemein formuliert, wie ich es bisher getan habe, kann man der Zustimmung gewiß sein. Sobald konkrete Lösungen angestrebt werden, beginnen die Differenzen.
Die Opposition hat zuletzt am 8. und 9. März in München den Vorschlag gemacht, durch Ausbau ,der Kultusministerkonferenz die Kulturpolitik der Länder stärker als bisher zu koordinieren. Herr von Knoeringen, der Sprecher der SPD, hat gefordert, die Ständige Konferenz der Kultusminister in Richtung einer Behörde zu entwickeln. Auf nichts anderes läuft sein Vorschlag hinaus, mit dem Votum der Kultusminister auch die Landesregierung zur Einbringung eines Gesetzes zu verpflichten. Ohne Zweifel gibt es im Bundesstaat drei Rechtsquellen: das Bundesrecht, das Landesrecht und gemeinsames Recht aus Verträgen zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern. Der Knoeringensche Vorschlag hat etwas anderes im Auge. Er will zentrale Länderinstanzen auf Bundesebene schaffen und leistet 'damit dem Föderalismus einen schlechten Dienst. Wenn wir die Eigenständigkeit der Länder in der Kulturverwaltung nachdrücklich anerkennen, dann würden wir unsere eigene Überzeugung aushöhlen, wenn wir eine Zentralisierung der Länder in einer eigenen Gemeinschaft auf Bundesebene, die in der Versfassung eben nicht vorgesehen ist, bejahen würden. Zu Recht hat sich bislang die Kultusministerkonferenz nicht als zentrale Behörde mit Weisungsbefugnis gegenüber den Landesregierungen verstanden, sondern als eine Stelle, die dem Austausch, dem Gespräch, der Dokumentation und der Abgleichung der kulturpolitischen Vorhaben diente.
Es ist außerdem vorgeschlagen worden, zur Beratung der Kultusministerkonferenz einen aus 25 Persönlichkeiten des öffentlichen und kulturellen Lebens bestehenden Kulturrat einzurichten, der von den Ministerpräsidenten der Länder berufen werden soll. Dieser Lösungsvorschlag ist inspiriert von dem Erfolg des Wissenschaftsrates. Aber die Analogie versagt, weil sich außer dem Hochschulwesen kein Gebiet der Kulturpolitik so klar isolieren läßt und weil die Empfehlungen des Wissenschaftsrates auf eine Reform im eigentlichen Sinne des Wortes verzichteten und deshalb nicht Gefahr liefen, im Pluralismus der Bildungsinteressen zerrieben zu werden. Das ist in keiner Weise eine Kritik am Wissenschaftsrat; im Gegenteil, wir bejahen seine Meinung, daß der Kern der Unversitäten gesund ist und es sich nicht um eine Revolution, sondern um die Anpassung eines gültigen Prinzips handelt.
Der Kulturrat würde nicht wie der Wissenschaftsrat nach unserer Meinung zur Umsetzung in politische Entscheidungen führen, sondern das Schicksal der Empfehlungen des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen erleiden. Wir versprechen uns nicht allzuviel von der Einrichtung eines deutschen Kulturrates, der außerhalb des parlamentarischen Systems ohne politische Kompetenz arbeiten müßte. Man sollte sich darüber klar sein, daß bei aller Vorsicht und Selbstbeschränkung, mit der der Staat der Kultur gegenübertreten sollte, eine erfolgreiche Kulturpolitik nur dann gewährleistet ist, wenn Parlament, Regierung und VerwalDr. Martin
tung selbst kulturpolitisch leistungsfähig sind, wenn die Kulturpolitik im Rahmen der etablierten politischen Organisation unseres Bundesstaates geschieht.
Wir sehen also keinen fruchtbaren Weg darin, daß die Länder selbst ihre kulturpolitische Tätigkeit auf Bundesebene zentralisieren, oder darin, daß man für alle wichtigen kulturpolitischen Fragen zentrale Instanzen schafft, die außerhalb des staatlichen Organismus stehen sollen. Umgekehrt aber lassen sich die Bedenken, die gegen eine Zusammenfassung und gegen eine straffere Organisation der Tätigkeit des Bundes bestehen, leicht zerstreuen. Eingriffe der Bundesverwaltung in die Schul- und Hochschulverwaltungen der Länder sind nicht nur verfassungsrechtlich unmöglich; sie widersprächen auch den eigentlichen kulturpolitischen Interessen des Bundes, die nicht darauf gerichtet sein können, legitime Aufgaben der Länder zu übernehmen, sondern die Aufgaben, die außerhalb der traditionellen Aufgaben der Länder liegen.
Das betrifft zunächst die Wissenschaftsförderung, die der Bund in seinem Bereich zusammenfassen kann und muß und bei der gewisse zentrale Gesichtspunkte unvermeidlich sind. Das betrifft eine Reihe von Wissenschaftsgebieten, deren Förderung von den einzelnen Ländern nicht allein oder nicht weitgehend genug betrieben werden kann. Das betrifft die wachsende internationale Verflechtung auf diesem Gebiet, wenn wir etwa an die Aufgaben in der europäischen Integration und die Bildungsarbeit in der Entwicklungshilfe denken.
Zu einem gewissen Teil können solche Aufgaben von wissenschaftlichen Institutionen wahrgenommen werden, und in jedem Fall wird gerade dabei die Zusammenarbeit mit den Ländern notwendig bleiben. Aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Bund selbst mehr als bisher für diese Zwecke eine geschulte Beamtenschaft braucht, daß der Bundestag selbst sich mit diesen Fragen mehr als bisher beschäftigen muß, daß die Bundesregierung bei ihren politischen Entscheidungen diesen zum Teil unerhört wichtigen Fragen Rechnung tragen und entsprechend auf solche Entscheidungen vorbereitet werden muß.
Die Länder selbst müssen an einer solchen Weiterentwicklung interessiert sein, weil es ihnen durch die Zusammenarbeit mit dem Bund ermöglicht wird, ihren kulturellen Beitrag in die außenpolitischen Bemühungen des Bundes einzubringen. Die politische Union, wie sie im Fouchet-Plan angestrebt wird, stellt uns schon in allernächster Zeit vor kulturpolitische Aufgaben von erheblichem Umfang.
({0})
In diesem Sinne und deshalb fragen wir die Bundesregierung nach den bisher getroffenen und für die Zukunft geplanten Maßnahmen, um die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik den nationalen und internationalen Erfordernissen anzupassen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf eine geschichtliche Erfahrung der deutschen Kulturpolitik hinweisen. Seit der Gründung des Deutschen
Reichs gibt es kaum eine große kulturpolitische Neuerung, die sich nicht aus ,dem Verhältnis Preußens zum Reich erklären ließe. Das gilt für die Gründung .der Wissenschaftlichen Reichsanstalten, das gilt für die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, für die Universitätsreform und überhaupt für die Hochschulreform und die Schulreform der Weimarer Republik. An Stelle dieser in mancher Hinsicht sicherlich auch unglücklichen Verbindung Preußens mit dem Reich müßte heute eine enge Verbindung zwischen Bund und Ländern treten. Diese Zusammenarbeit kann von .den Ländern nicht unter dem Gesichtspunkt der Abwehr, der Ängstlichkeit und des Mißtrauens betrachtet werden. Sie muß vielmehr von der Erkenntnis ausgehen, daß der Bund die Länder unterstützt, wie die Länder den Bund unterstützen.
Von einem modernen Verständnis der Kulturpolitik her ist die Zeit vorbei, wo sie .der klassische Gegenstand des Konflikts zwischen Zentralismus und Föderalismus war. Vom modernen Verständnis der Kulturpolitik her ist auch die Zeit vorbei, wo sie ein klassischer Gegenstand ,des Konflikts zwischen Staat und Kirche, allgemein gesprochen: ein pluralistischer Konfliktsfall bleiben darf. Die großen Gruppen unserer Gesellschaft haben ihr Recht, an der Kulturpolitik mitzuwirken, längst erkämpft. Die notwendigen Kompromisse sind, jedenfalls für das Verständnis der CDU, stabilisiert. Die Reibungen, die heute noch bestehen, sollten allmählich verschwinden; denn die großen Aufgaben, die heute zu lösen sind, liegen nicht mehr im Bereich pluralistischer Kämpfe, im Gegenteil, sie erfordern die Zusammenarbeit aller Kräfte der Gesellschaft mit dem Staat. In bezug auf die Förderung der Wissenschaft und der Universitäten wird ,das niemand bestreiten. Es gilt aber auch für das Bildungswesen in seiner ganzen Breite.
Dieses Bildungswesen ist im Zeichen der Demokratisierung, der Entwicklung zur Industriegesellschaft, der legitimen Autonomie der großen Gruppen der Allmacht des Staates längst entwachsen. Ich brauche hier nur auf die ausgedehnte Erwachsenenbildung, auf das Weiterbildungswesen in Wirtschaft und Gesellschaft, auf das Gebiet der Berufserziehung hinzuweisen. Der Staat kann nicht mehr das Recht beanspruchen, alle diese Einrichtungen des Bildungswesens seiner Exekutive zu unterwerfen. Aber gerade deshalb, weil unser Bildungswesen diese Ausdehnung gewonnen hat, ist es notwendig, daß der demokratische Staat sich dieses Bildungswesens bewußt ist, daß er einen systematischen Überblick darüber gewinnt, daß er weiß, welche Bedeutung diese vielfältigen Einrichtungen für sein inneres Leben, aber auch für seine auswärtigen Beziehungen haben. Gerade .die Erwachsenenbildung oder die Berufserziehung ,der Wirtschaft haben eindringliche Beispiele für die Bedeutung solcher Bildungseinrichtungen für unsere Entwicklungshilfe oder für die Mitarbeit in internationalen Organisationen gegeben. Der Staat - und zwar der Bund ebenso wie die Länder - muß diese Einrichtungen fördern, auch wenn sie beide verwaltungsmäßig nur begrenzt zuständig sind.
Die Bundesregierung selbst kann ihre Funktion nur ausüben, wenn sie eine verläßliche Übersicht über das Bildungswesen in seiner Gesamtheit hat. Die Methode ,der Bildungsstatistik, wie sie in unserem Lande geübt wird, erscheint mir nicht ausreichend. Es muß eine Stelle bei ,der Regierung geben, die die wirtschaftliche, soziale, rechtliche und internationale Entwicklung unter .dem Gesichtspunkt untersucht und beobachtet, welche Aufgaben kulturpolitischer Art zu lösen sind. Es ist heute möglich, mit erheblicher Exaktheit die Bedürfnisse eines Volkes weit vorauszuberechnen.
Für Bund und Länder ist es in gleichem Maße wichtig, auf Grund von exakten Unterlagen vorausschauend zu denken. Man muß sich einmal klarmachen, daß ,die wirtschaftlichen und technischen Leistungen des Jahres 1990 bereits weitgehend festgelegt sind - durch das Maß von Bildung und Ausbildung, die unsere heutigen Bildungseinrichtungen zu geben vermögen. In diesem Sinne gilt der Satz: die großen Geschehnisse, die die Zukunft bestimmen, haben sich bereits vollzogen - unwiderruflich.
Über .den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichsozialem Fortschritt und Wissenschaft noch ein Wort! Das 20. Jahrhundert hat wirtschaftlich Fortschritte ohnegleichen gebracht. Sie sind möglich geworden, weil wir viel mehr Kenntnisse haben. Eine amerikanische Analyse erinnert daran, daß die rasche wirtschaftliche Erholung Deutschlands nach dem Kriege unmöglich gewesen wäre ohne ein Reservoir von Kenntnissen und Fertigkeiten. Ebenso ist für die Entwicklungsländer entscheidend, ob es
gelingt, ihnen auf dem Wege der Bildungshilfe die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum zu liefern. Denn Kapitalhilfe ohne Bildungsbemühungen würde ins Leere gehen.
Im Hinblick auf unser Bildungswesen möchte ich den Zusammenhang von Wissenschaft, Bildung, Ausbildung und wirtschaftlichem Wachstum noch einmal präzisieren, weil sich daraus die Frage an die Regierung deutlicher ergibt. Ich wähle dazu ein Beispiel: die Beispiele ließen sich beliebig vermehren.
Cäcilie Quetsch hat in einer ihrer Arbeiten die zahlenmäßige Entwicklung des Hochschulbesuches in den letzten 50 Jahren, die Industrieproduktion je Einwohner und den Anteil der Studierenden in der Zeit von 1908 bis 1950 miteinander verglichen. Dabei ergab sich ein deutlicher paralleler Verlauf, der nur durch die beiden Weltkriege unterbrochen war. Zwischen wirtschaflichem Wachstum und Hochschulbesuch besteht eine Korrelation. So ergibt sich, wenn man den Anfang und das Ende der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts vergleicht, eine Verdreifachung des Einkommens je Kopf der Bevölkerung, aber auch eine Verdreifachung der Zahl der Studenten.
Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Entwicklung, die auf Deutschland beschränkt ist, sondern um eine Entwicklung, die allen Industriestaaten gemeinsam ist. In Deutschland hat man auf das rasche Anwachsen der Studentenzahlen einseitig vom Bildungsbegriff her und teilweise emotional reagiert. Es ist aber notwendig, nüchterne Konsequenzen aus dem Tatbestand zu ziehen; diese sind, daß mit dem weiteren Wachstum der Wirtschaft und damit des Einkommens pro Kopf der Bevölkerung die Studentenzahl etwa parallel wachsen wird.
Gerade jetzt haben wir in Bestätigung dieser Analysen den Bericht einer Washingtoner Konferenz aus dem Oktober 1961 bekommen, der sich mit dieser Frage beschäftigt. Dort findet sich eine Analyse von Edding, der für das Jahr 1980 eine Studentenzahl von etwa 350 000 in der Bundesrepublik für höchstwahrscheinlich hält. Das bedeutet, daß nicht drei bis vier Universitäten und etwa sieben medizinische Akademien und eine Technische Hochschule notwendig sind, wie die Empfehlungen des Wissenschaftsrates besagen, sondern weitaus mehr.
Ist die Bundesregierung sich dieser Tatsache bewußt, und wie gedenkt sie finanziell und administrativ damit fertig zu werden? Denkt die Regierung daran, in Ausschöpfung des Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes ein Gesetz zur Förderung der Forschung zu erlassen? Mit einem solchen Gesetz wäre es möglich, ,die Zusammenarbeit mit den Ländern und Wissenschaftsorganisationen auf Dauer anzulegen. Die Wissenschaftsförderung des Bundes muß ein ständiger Bestandteil der gesamten Kulturpolitik sein, wobei sorgfältig darauf zu achten ist, daß die vorhandenen Institutionen nicht angetastet werden. Der Wissenschaftsrat, die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Studienförderung dürfen nicht immer wieder neu diskutiert werden. Sie bezeichnen markante Fortschritte der deutschen Kulturpolitik und sind das Ergebnis einer unvoreingenommenen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
Denkbar ist bei der Formulierung eines Bundesgesetzes über die Forschungsförderung auch die Festlegung einer Berichtspflicht der Bundesregierung für jedes Jahr, um auch dem Bundestag Gelegenheit zu geben, den Fortgang der Wissenschaftsförderung zu beobachten rund die Wissenschaftsförderung selbst und die Sorge um die Wissenschaftsförderung zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Bewußtseins zu machen. Die Fassung eines solchen Gesetzes könnte ,der Anlaß sein, die Zuständigkeiten weiter zu präzisieren: für welche Materien der Bund und für welche die Länder zuständig sind.
Die Rolle, die die Kulturpolitik in den auswärtigen Beziehungen spielt, macht die Frage ,der nationalen Repräsentation dringend. Es ist notwendig, daß sich Innenminister, Außenminister und die Kultusminister der Länder eine Form schaffen, die dem legitimen Bedürfnis nach Darstellung des Ganzen Rechnung trägt und die Bundesrepublik für den kulturellen Bereich noch besser kontaktfähig mit anderen Staaten macht.
Schließlich muß gefragt werden, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, um die verwaltungsmäßigen und personellen Voraussetzungen für eine wirksame Kulturpolitik zu schaffen. Kulturpolitik hängt in stärkstem Maße vom Rang der Kulturverwaltung ab. Die Leistungen der deutschen Kulturpolitik im 19. Jahrhundert beruhten auf einem außerordentlichen Leistungsgrad der mit KulturfraDr. Martin
gen befaßten Beamten, die, administrativ sicher, zugleich die Fähigkeit besaßen, den geistigen Dingen ihre politisch wirksame Form zu geben.
Nehmen wir einmal an, es gelänge, die Leistungsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung so zu steigern, wie es angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung notwendig erscheint: Hätte die Kulturpolitik dann ihre Aufgabe erfüllt oder würde sich nicht vielmehr dann mit unausweichlicher Dringlichkeit die Frage melden, die sich schon Sokrates angesichts der technischen Möglichkeiten seiner Zeit gestellt hat? Er fragte: Zu was dient die Schiffsbaukunst, wenn man nicht navigieren kann? Zu was dient ,die Nautik, wenn man nicht weiß, wohin man fahren soll? Zu was dient die Geographie, wenn man nicht weiß, was man am anderen Ende der Erde - oder um für uns fortzufahren: am Ende unseres Sonnensystems - tun soll?
Deshalb hat unsere Anfrage auch einen anderen, einen fundamentalen Grund. Wir nennen uns mit vollem Bewußtsein eine christliche Partei. Eine solche Partei kann nicht anders, als sich durch klare kulturpolitische Auffassungen, durch eine starke Konzentration auf dem Gebiet der Kulturpolitik zu legitimieren. Sie müssen zugestehen, daß Bund und Länder in ,den Jahren des Wiederaufbaus diese Frage haben zurücktreten lassen müssen. Jetzt aber ist es Zeit dazu, und ich stehe nicht an zu sagen: es ist höchste Zeit. Denn es geht nicht nur um die Förderung von Technologie und Naturwissenschaft, nicht nur um den materiellen Wettlauf mit dem sowjetischen System und darum, unsere Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten Welt zu halten. Es geht nicht nur um die Verzahnung von Forschung, Wirtschaft, sozialem Leben, es geht darum, ob die Bundesrepublik die geistigen Prinzipien, denen Staat und Gesellschaft letztlich folgen müssen, in der Kulturpolitik zum Ausdruck bringen kann.
Jahrzehntelang war diese Frage deshalb so schwer zu beantworten, weil die Kulturpolitik sich nur mühsam aus dem Schatten des Kulturkampfes lösen konnte. Wenn in der CDU ein alter Gegensatz auf dem Gebiet der Kulturpolitik durch ein neues Prinzip der Einheit überwunden worden ist, so heißt das zugleich, daß ,die CDU die Aufgabe hat, diese politische Einsicht auf diesem Gebiet auch zu verwirklichen. Das berührt nicht die Eigenständigkeit der Konfessionen und ihre spezifischen Öffentlichkeitsansprüche.
Die CDU muß ihre Kulturpolitik auf das Bildungswesen in seiner Gesamtheit richten, wenn sie christliche Prinzipien darin zum Ausdruck bringen will. Kulturpolitik darf nicht dazu führen, daß mit der Förderung der Technologie und der pragmatischen Wissenschaft der Mensch immer mehr zum Objekt ihrer Ergebnisse, ihrer Vorteile und ihrer Nachteile wird, sondern sich in die Lage versetzen kann, diese Welt als Mensch - und zwar im christlichen Verständnis des Menschen - zu beherrschen. Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe, wenn wir an die Macht des technischen Erlebnisses, an die Wissenschaftsgläubigkeit, an die überwältigenden Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft denken.
Konkret heißt das, daß wir darauf achten müssen, die Geistenswissenschaften mit derselben Intensität zu fördern wie Naturwissenschaft und Technologie, daß wir Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Sachbereichen schaffen müssen, daß die materiellen Bedingungen so sind, daß nicht die Begabungen in Qualität und Quantität auf das Gebiet abwandern, das die meisten Erfolge nach außen hin abwirft. Glauben wir nicht, das seien lediglich Prinzipienfragen. Sie betreffen ganz konkret den Aufbau der Ingenieurschulen, der neu zu errichtenden höheren Wirtschaftsfachschulen, sie betreffen den Unterricht in den Berufsschulen ebenso wie das Studium an der Universität. Es ist leicht, zu sagen, daß das eine Aufgabe ist, die unsere Gesellschaft als Ganzes betrifft, nicht eine Kompetenz darstellt, über die sich Bund und Länder streiten können.
Ich komme zum Schluß der Begründung unserer Großen Anfrage. Unsere heutige Analyse der Situation zeigt zwingend, wie ich meine, daß wir zu folgenden Feststellungen kommen müssen. Erstens: Regierung und Parlament müssen sich in stärkerer Weise als bisher der lebensnotwendigen Bedeutung der kulturpolitischen Fragen bewußt werden und daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Zweitens: Zu den vordringlichen Konsequenzen in dieser Hinsicht gehört eine klare Organisationsvorstellung, die dem Bund ein solides rechtliches Fundament für seine Maßnahmen gibt, die ihm die Koordinierung im Bundesbereich ermöglicht und klare Verhältnisse zwischen Bund und Ländern schafft. Drittens: Personalbestand und finanzielle Mittel müssen für diese Aufgaben beim Bund in ausreichender Weise und auf die Dauer bereitgehalten werden. Viertens: Erforderlich ist die Bereitstellung von ausreichenden Unterlagen beim Bund, die eine vorausschauende verantwortliche Planung ermöglichen. Zu dieser Materie, insbesondere zur Entwicklungshilfe, werden wir im einzelnen Resolutionen vorlegen. Die CDU/CSU-Fraktion erwartet, daß die Antwort der Regierung auf ihre Anfrage darüber Aufschluß bringt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat an den Anfang ihrer Großen Anfrage die Frage gestellt, was die Bundesregierung zu tun bereit ist, um Berlin, unsere Hauptstadt, zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum auszubauen. Ich hatte gehofft, daß die sehr vage Formulierung der Großen Anfrage der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union genügend Raum lassen würde, um in die Begründung dieser Anfrage wenigstens einen Satz auch über die Frage Berlin einzufügen.
({0})
Es tut mir leid, daß das nicht geschehen ist.
Unmittelbar nach dem 13. August, der einen Zustand, welcher sich in Berlin seit langem abgezeichnet hatte, stärker noch als vorher in das Bewußtsein
von uns allen rückte, hat der Regierende Bürgermeister dieser Stadt die Anregung zur Diskussion gestellt, Berlin zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum auszugestalten. Wir möchten dem Herrn Bundesinnenminister, der heute die Vertretung der Regierung übernommen hat, Gelegenheit geben, dazu seine Auffassungen darzulegen. Er hat uns von sich aus zu einer ganzen Reihe anderer politischer Fragen seine Auffassungen wissen lassen, beispielsweise zum Fortgang der Beratungen über die Notstandsgesetzgebung. Aber, Herr Minister, auch bei der Frage des Ausbaues Berlins zu einem Zentrum der Kultur und der Wissenschaft handelt es sich um einen „Notstand" in einem spezifischen Sinne. Es wäre nützlich und gut, wenn Sie dieser Frage die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden ließen wie anderen Projekten, die Sie mit Vorrang behandeln.
({1})
Bund und Länder werden in der Hilfe für Berlin gemeinsam ans Werk gehen müssen. Ich darf Ihnen einige Gedanken vortragen, die hinsichtlich des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Berlin-Hilfe in den Gesprächen über die konkrete Form einer solchen Hilfe in den nächsten Wochen und Monaten zu beachten sein werden. Es heißt in einer nichtoffiziellen Berliner Denkschrift dazu, das Prinzip des Kulturföderalismus sei zu bejahen, auch in dieser Zusammenarbeit; aber der Grundgedanke des Föderalismus sei in erster Linie gewesen, daß die Länder die Möglichkeit haben sollen, ihre aus der Tradition fortenwickelte kulturelle Eigenart zu pflegen und zu fördern. In der Tat, heißt es weiter, verdanke Deutschland seinen großen Reichtum im Gebiet des Künstlerischen mit der Vielfalt bedeutender Theater- und Opernensembles, Orchestern, Museen usw. der auf diesem Prinzip gegründeten kulturellen Pflege des Künstlerischen in jedem Lande, eine Buntheit, die in anderen Ländern Westeuropas kaum ihresgleichen finde.
Was aber, so wird gefragt, heißt das für Berlin? Die kulturelle Eigenart dieser Stadt ist nicht im isolierten und auf sich gestellten Stadtstaat zu verwirklichen und weiterzuentwickeln. Deshalb geht es darum, wie Berlin die kulturellen Aufgaben, die ihm von seiner Geschichte gestellt sind, erfüllen kann, wie es die kulturellen Möglichkeiten einer Metropole bewahren und weiter gestalten kann. Damit wird Berlin zwangsläufig stärker in die Zusammenarbeit mit dem Bund einbezogen, als das im Verhältnis des Bundes zu den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Fall sein mag. Diese Betrachtungsweise führt zu der Erkenntnis, daß es nicht damit getan ist, in irgendeiner Form Bundesmittel nach Berlin fließen zu lassen auch zur Stärkung seiner kulturellen Einrichtungen, sondern daß darüber hinaus Berlins kulturelle Bedeutung für ganz Deutschland der Institutionalisierung bedarf.
Ich freue mich darüber, daß nicht nur der Bundestag heute diese Probleme behandelt, sondern daß sich auch einige Länder - so Baden-Württemberg - bereits mit den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in dieser Frage befaßt haben und dabei zu
interessanten und sicherlich begrüßenswerten Anregungen gekommen sind.
Es handelt sich bei der Hilfe für Berlin in seinen kulturellen Möglichkeiten zunächst darum, Institutionen wie etwa die Freie Universität, die Technische Universität, die Pädagogische Hochschule, die Hochschule für bildende Künste, die Hochschule für Musik, das Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung, die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau, die Deutsche Oper, das Schiller-Theater, das Schloßpark-Theater, die Galerie des Zwanzigsten Jahrhunderts, das Charlottenburger Schloß, das Berliner Philharmonische Orchester und das RadioSinfonie-Orchester Berlin zu fördern - um nur einige Beispiele dafür zu nennen. Man wird weiter überlegen müssen, ob nicht das in Aussicht stehende Zentrum für die pädagogische Forschung nach Berlin verlegt werden kann; es würde dort eine gute Stätte für seine Tätigkeit finden können.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat auch einen Vorschlag aufgenommen, der aus Kreisen des Berliner Senats kommt und der anregt, daß neue Institutionen im Rahmen der UNESCO in Berlin angesiedelt werden, und ihnen dort Raum für eine weltoffene Arbeit zu geben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf das verweisen, was in der publizistischen Erörterung etwa von Eugen Kogon in der Zeitschrift „Atomzeitalter" oder von Robert Jungk vor der Evangelischen Akademie in Berlin zu diesem Thema gesagt worden ist. Ich wäre froh, wenn wir bei dieser Debatte darüber einig sein könnten, daß es sich bei dem Ausbau Berlins zu einem wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum nicht um das handeln kann, was die Berliner eine „Zitterprämie" nennen,
({2})
also nicht um eine neue Form des Notopfers, sondern daß es sich handeln muß um eine großzügige Kooperation zwischen Bund, Berlin und den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit unseren politischen Freunden in der Welt.
({3})
Meine Damen und Herren, man soll Begründungen von Großen Anfragen nicht über Gebühr ausdehnen. Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich mich jetzt auf den Punkt 2 unserer Großen Anfrage konzentriere. Er betrifft die Koordinierung der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, daß wir im letzten Haushalt für Aufgaben der Wissenschaft und Forschung beim Auswärtigen Amt 30 Millionen DM, beim Bundesministerium des Innern 360 Millionen DM, beim Bundeswirtschaftsministerium 52 Millionen DM, beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 47 Millionen DM, beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1 Million DM, beim Bundesverkehrsministerium 30 Millionen DM, beim Bundesverteidigungsministerium 300 Millionen DM, beim Bundesschatzministerium 7,5 Millionen DM, beim Bundesministerium für Familien und Jugendfragen 16 Millionen DM und beim Bundesministerium für Atomkernenergie 160 Millionen DM gehabt haben.
Man ersieht daraus zweierlei: Erstens, welchen Umfang die Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Rahmen der Tätigkeit der einzelnen Bundesressorts - Gott sei Dank - gewonnen hat; zweitens aber, daß diese Arbeit offensichtlich nach wie vor durch ein mehr oder minder beziehungsloses Nebeneinander gekennzeichnet ist.
Nun hat der Herr Bundesinnenminister in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung" am 13. Februar dieses Jahres gemeint, daß der Sachverstand auch in der Förderung der wissenschaftlichen Forschung wohl am ehesten bei den Fachressorts der Bundesregierung zu vermuten sei. Herr Minister, ich teile diese optimistische Einschätzung nicht und möchte mich bei dieser Ansicht etwa auf eine Stellungnahme des Gesprächskreises „Wissenschaft und Wirtschaft" beziehen. Es heißt darin - ich darf mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Sätze zitieren -:
Bei vielen dieser staatlichen Forschungsinstitute hat jedoch die Entwicklung zwangsläufig die Übernahme staatlicher Verwaltungs- und Überwachungsaufgaben mit sich gebracht, so daß ihre Tätigkeit sich nicht selten zum Nachteil eigentlicher Forschung weitgehend in wissenschaftlicher Routinearbeit erschöpfen muß. Daraus resultierend wird heute in den Haushaltsplänen staatlicher Forschungspflege und -förderung viel zu hoch zugeschrieben, was rein staatliche Verwaltungspflichten finanzieren muß und damit die eigentlich der Forschung zugedachten Mittel mindert.
Herr Bundesminister, in der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes aus dem vergangenen Jahr - Drucksache 2751 - können Sie einen ähnlichen Hinweis finden. Es heißt dort:
Der Bundesrechnungshof hat daher dem Bundesminister des Innern vorgeschlagen, die Mittel für Zuwendungen im Haushaltsplan nach einer neuen, vom Gegenstand ausgehenden Ordnung anzufordern. Dies würde auch einen zuverlässigen Gesamtüberblick vermitteln.
Die Neuordnung soll auch ermöglichen, in den Fällen, in denen verschiedene Einrichtungen unter der Zuständigkeit mehrerer Ressorts verwandte Gebiete bearbeiten, Schwerpunkte zu bilden und so einer Aufsplitterung der Mittel entgegenzuwirken. Insbesondere könnten Bewilligungen mehrerer Ressorts für einen und denselben Zweck leichter vermieden werden.
Der Bundesminister hat der Anregung des Bundesrechnungshofes grundsätzlich zugestimmt und mit Vorarbeiten für eine Neuordnung begonnen; sie kann frühestens im Haushaltsplan 1962 verwirklicht werden.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben weder vom Stand der Vorarbeiten noch von etwaigen Verwirklichungen im Rahmen des Haushaltsplanes in diesem Jahr etwas gemerkt. Vielleicht ist der Minister so liebenswürdig, uns zu sagen, ob, wann und in welcher Weise er diese Anregungen des Bundesrechnungshofes aufgreifen will. Wir haben einen bescheidenen Anfang in dieser Richtung insofern zu
verzeichnen, als die Federführung in Fragen der Weltraumforschung, der Raumfahrtforschung und der Raumfahrttechnik auf den Bundesatomminister übergegangen ist, ein erster Schritt in der von uns skizzierten und gewünschten Richtung. Vielleicht lassen sich diesem Schritt weitere anschließen.
Erlauben Sie mir nun, ein paar Bemerkungen zu einigen Gedanken zu machen, .die in der Begründung der Großen Anfrage der CDU/CSU .der Kollege Dr. Martin geäußert hat. Zunächst die Frage: Wie kann man zu einer wirksameren Repräsentanz der Wissenschaftspolitik im Rahmen der allgemeinen Staatspolitik kommen? Es tut mir leid, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, in Ihre Erinnerung zurückrufen zu müssen, wie denn in den letzten Monaten .der Gang der Diskussion zu dieser Frage gewesen ist. Sie haben im Herbst eine Bundesregierung gebildet, bei der es manche überflüssige Ministerien verstanden haben, ihre weitere Existenz zu sichern.
({4})
- Aber ich bitte Sie, wir sprechen doch jetzt über Kulturpolitik.
({5})
- Nun gut, wir können gleich eines nennen: das Bundesratsministerium. Glauben Sie im Ernst, daß das noch eine Funktion hat?
({6})
Andere Ministerien, meine Damen und Herren,
({7})
sind aus rein koalitionspolitischen Gründen hinzuaddiert worden. Es hat acht Tage nach der Bundestagswahl eine Diskussion in der deutschen Presse gegeben, ob man denn nicht erwägen könnte, auch ein Ministerium zur Förderung von Wissenschaft und Forschung einzurichten. Aber das paßte nicht in die Koalitionsüberlegungen. Man konnte sich dazu offenbar nicht entschließen, wahrscheinlich, weil ein reiner Parteimann in ein solches Ministerium nicht recht hineingepaßt hätte.
({8})
Meine Damen und Herren, es gibt auch dazu Anregungen. So hat z. B. der Stifterverband vorgeschlagen, man möge doch wenigstens ein Staatssekretariat für diese Aufgaben schaffen. Die Bundesregierung hat sich seit ihrer Bildung zu all diesen Anregungen nicht geäußert, aber sie vergießt hier Krokodilstränen über die mangelnde Zusammenarbeit.
({9})
Das, meine Damen und Herren, verstehe ich nicht. Wie ist es denn dazu gekommen? Doch dadurch, daß wir durch Ihr Bestreben, ein Regierungsfernsehen auf die Beine zu stellen, das Fernsehurteil bekamen.
({10})
Sonst wären wir nie in diese schwierige Situation hineingekommen.
({11})
- Aber ich bitte Sie, Herr Heck ist doch federführend gewesen. Er weiß doch, welches Herzblut die CDU im letzten Bundestag an dieses Projekt verspritzt hat.
({12})
Nun, als das Urteil vorlag, war die Situation zwischen Bund und Ländern komplizierter geworden.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP war so freundlich, uns in ihrer Großen Anfrage daran zu erinnern, daß der Bundestag mit Beschluß vom 1. Juli 1960 die Bundesregierung einstimmig beauftragt hatte, zu dem heute von Dr. Martin geforderten Übereinkommen mit den Ländern zu gelangen. Ich frage mich: Warum hat die Bundesregierung in dem Jahr, in dem die dritte Bundesregierung noch amtierte, nicht mehr getan, um hier zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen? Wo liegt die Verantwortung dafür, daß der Bundestag nicht einmal eine Ubersicht über den Stand der Verhandlungen bekommen hat? Ich bin froh, daß die Freien Demokraten diese Frage im Rahmen dieser Debatte noch einmal zur Diskussion gestellt haben.
Herr Dr. Martin, Sie haben gegen die Ergebnisse der Länderkonferenz der Sozialdemokraten in München polemisiert. Ich habe zunächst mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß Sie uns zwar gesagt haben, was Sie an diesen in München gemachten Vorschlägen für falsch halten. Sie haben aber nicht gesagt, wie Sie es anders und besser machen wollen. Darüber können wir vielleicht noch sprechen.
Ich möchte nur eins zurechtrücken: Es ging der „Opposition" - wie sie von Herrn Martin etwas vereinfachend dargestellt worden ist; in München waren immerhin auch Senatoren und Minister sozialdemokratisch geführter Landesregierungen anwesend, die man nicht so ohne weiteres unter den Begriff „Opposition" subsumieren kann; das nur nebenbei ({13})
nicht um den Aufbau einer dritten Instanz zwischen Bund und Ländern, sondern uns geht es darum, die Zusammenarbeit der Länder in der Kulturpolitik möglichst wirksam zu gestalten, die Länder institutionell zu veranlassen, ihre Zusammenarbeit enger zu gestalten, als es bisher der Fall war.
Man kann darüber streiten, meine Damen und Herren, ob man mit einer Handbewegung eine Institution wie den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen, der auf Beschluß dieses Hohen Hauses ins Leben gerufen worden ist, als Beispiel dafür anführen kann, .daß ein von uns angeregter Kulturrat von vornherein aussichtslos und nicht förderlich sei. Ich möchte mich gegen eine solche vereinfachte Darstellung wenden, aber vielleicht kann der Herr Kollege Stoltenberg mit der Zwischenfrage, die er stellen will, zur Klärung der Sache beitragen.
Wollen Sie bestreiten, Herr Kollege Lohmar, daß es ein unfreundlicher Akt gegenüber dem Bund ist, wenn an Stelle des Deutschen Ausschusses, der, wie Sie richtig
sagen, gemeinsam von Bund und Ländern benannt wird, nach .den Vorschlägen des Herrn von Knöringen jetzt ein Kulturrat benannt werden soll, in dem der Bund nicht einmal bei ,der Konstituierung und der Mitberufung eine irgendwie geartete Kompetenz hat?
Herr Kollege Stoltenberg, ich darf sachlich dazu bemerken: uns hat bei der Anregung, einen solchen Kulturrat zur Debatte zu stellen, um vielleicht mit Ihnen darüber in ein Gespräch zu kommen, das bestimmt, was wir an guten und positiven Erfahrungen mit dem Wissenschaftsrat gesammelt haben. Der Wissenschaftsrat ist aber, wie Sie wissen, nur für den Bereich eben der Wissenschaft, wie der Name sagt, zuständig, nicht aber für den ganzen Bereich des übrigen Bildungswesens. Dafür brauchen wir eine Institution, die mit ähnlicher Autorität und ähnlichem Sachverstand wie der Wissenschaftsrat die Dinge vorantreibt. Darum geht es uns. Wenn Sie andere, bessere institutionelle Vorschläge machen können, - wir sind keine Dogmatiker, wir greifen solche Anregungen gerne auf. Nur kommen Sie davon ab, einen Vorschlag, der in diesem Fall von der Opposition gekommen ist, gleich deshalb zu disqualifizieren, weil er mögliche Befürchtungen provoziert; diese könnte man vielleicht in der Diskussion ausräumen. - Eine weitere Zwischenfrage?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber gern.
Herr Dr. Heck.
Herr Kollege Lohmar, ich verstehe nicht, warum Sie die Einrichtung eines Deutschen Kulturrates auf alle Fälle für förderlich halten, weil Sie die Zusammenarbeit -
Ich bitte Sie, dem Herrn Kollegen Lohmar eine Frage zu stellen. Sie haben eine Behauptung aufgestellt.
Warum halten Sie ein Bundesratsministerium, dessen einzige Aufgabe es ist, der Zusammenarbeit von Bund und Ländern zu dienen, für überflüssig, während Sie auf der anderen Seite auf dem Sektor der Kulturpolitik neben der Kultusministerkonferenz einen Deutschen Kulturrat für notwendig halten?
Aus dem Grunde, Herr Kollege Dr. Heck, weil ich mir die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern anders vorstelle als in der Form eines Briefträgers, der Funktion nämlich, die das Bundesratsministerium bisher auszuüben für ausreichend hielt.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir in der größeren Ruhe der Ausschußberatung noch einmal über diese Möglichkeiten miteinander diskutieren. Ich warte mit Interesse darauf, von Ihnen brauchbarere Vorschläge zu hören, als sie Ihrer Meinung nach die Anregungen der Münchener Länderkonferenz der SPD enthalten.
({1})
- Ach, Herr Stoltenberg, wenn schon Begräbnis, dann erster Klasse.
Meine Damen und Herren, zum Punkt 3 unserer Großen Anfrage darf ich mich sehr kurz fassen, zumal mir Herr Dr. Martin keinen Grund gegeben hat, mich mit Argumenten dazu auseinanderzusetzen. Ich teile nicht die Meinung, die der Bundesminister des Innern in dem vorhin erwähnten Interview mit der „Stuttgarter Zeitung" hat durchblicken lassen, worin es heißt, der Minister verspreche sich von einem solchen Gesetz nicht mehr als eine Ansammlung von Gemeinplätzen.
Man kann sehr wohl der Meinung sein, daß man ein solches Gesetz nicht als ein Kataloggesetz anlegen sollte. Ich weiß nicht, wieweit wir darin mit den Damen und Herren der CDU übereinstimmen würden. Vielleicht wäre es besser, ein Rahmengesetz zu beschließen, für das als methodische Beispiele etwa das Landwirtschaftsgesetz oder das Straßenbaufinanzierungsgesetz herangezogen werden könnten.
In jedem Fall, meine Damen und Herren, liegt uns daran, in einem solchen Forschungsgesetz die Verpflichtung der Bundesregierung zu verankern, dem Deutschen Bundestag in regelmäßigen Abständen einen genauen Überblick über Stand und Problematik der wissenschaftlichen Forschung in der Bundesrepublik zu geben, damit wir von Zeit zu Zeit die Gelegenheit haben, uns in diesem Hause darüber zu unterhalten, wie die Dinge stehen und was weiter zu tun notwendig ist.
Ich teile die Auffassung, die Herr Dr. Martin in diesem Zusammenhang ausgesprochen hat, daß es nicht darum geht, einen neuen Grabenkrieg zwischen Bund und Ländern bei der Formulierung dieses Gesetzes zu beginnen. Ich würde es deshalb begrüßen, wenn Bundesregierung und Bundestag bei dem Versuch, dieses Gesetz zu erarbeiten, von vornherein eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern suchen würden.
Meine Damen und Herren, im letzten Punkt unserer Großen Anfrage betreffend die staatliche Auftragsforschung haben wir uns erlaubt, auf ein Thema zurückzukommen, das dieses Parlament bereits in der 3. Legislaturperiode verschiedentlich beschäftigt hat. Ich darf mich auf zwei Beispiele beschränken.
Mir ist bekannt, daß der Bundesverteidigungsminister in den letzten Monaten daran gegangen ist, bestimmte Strukturprobleme in der Bundeswehr untersuchen zu lassen. Er hat darüber auch mit Wissenschaftlern verhandelt, aber im Hinblick auf die wissenschaftliche Auswertung und die Publizierung der Forschungsergebnisse nicht immer die
wünschenswerte Zurückhaltung erkennen lassen. Ich möchte ganz klar sagen: nach unserer Auffassung ist es gut, wenn die Bundesregierung bestimmte klärungsbedürftige Tatbestände einer Klärung zuführt und sich dabei der Hilfe von Wissenschaftlern versichert. Aber es muß klar sein, daß bei allen solchen Unternehmungen die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung einschließlich der Publikation der Ergebnisse gewahrt bleibt.
Wir werden uns erlauben, im Rahmen der Haushaltsberatungen das zweite Beispiel eingehender zu erörtern. Es handelt sich um das Bundesinstitut zur Erforschung des Marxismus - Leninismus in Köln. Wir sind der Meinung, daß ein Mehr an wissenschaftlicher Spannweite und Freizügigkeit der Arbeit diesem Institut nur nützen könnte.
Es tut mir leid, Ihre Geduld noch eine kleine Weile in Anspruch nehmen zu müssen. Ich glaube ebenso wie der Kollege Dr. Martin, daß man eine Begründung dieser vier konkreten Anliegen, die wir an die Bundesregierung in Form von Fragen herangetragen haben, nicht geben kann, ohne sich mit einigen allgemeineren kulturpolitischen Aspekten, in diesem Falle in der Politik der Bundesregierung und der sie im wesentlichen tragenden Christlich-Demokratischen Union, auseinanderzusetzen. Sie werden uns nicht übelnehmen, meine Damen und Herren, daß wir nach dem Verlauf der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik etwa nach dem 13. August des letzten Jahres das Gefühl haben, daß der Bundeskanzler dieses Staates der neuen Rangskala von Aufgaben in der Weltpolitik nicht mehr recht folgen kann.
({2})
- Bitte!
Herr Kollege, halten Sie es für richtig, psychologisch statt sachlich zu argumentieren, und das gegenüber dem Regierungschef?
Aber ich bitte Sie! Der Regierungschef entzieht sich doch wohl nicht einer politischen Kritik!
({0})
- Der Sinn von Zwischenfragen besteht, wenn ich recht orientiert bin, darin, Fragen zu stellen.
({1})
Die größte Regierungspartei ist nach meinem Eindruck dieser allgemeinen Apathie ebenfalls erlegen. Wenn man es auf einen Nenner bringen wollte, ließe sich sagen: Das kennzeichnende Merkmal dessen, was die Regierungsparteien in den letzten Monaten getan haben, war auch in dem Bereich, über den wir heute reden: einen Willen zur politischen
Herrschaft zu dokumentieren, aber zugleich einen Mangel an politischer Führung und Kooperation erkennen zu lassen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich muß Sie mit einigen Gedanken dazu konfrontieren, die auf einer kulturpolitischen Tagung der CDU geäußert worden sind. Es handelt sich bei den Teilnehmern dieser Tagung nicht um eine, wenn man so will, nach Deutschland versprengte kulturpolitische Gruppe der OAS,
({3})
sondern es handelt sich um eine repräsentative Gruppe von Politikern der Christlich-Demokratischen Union, dreißig an der Zahl, die sich im vergangenen Jahr zu einer Tagung im sogenannten Ellwanger Kreis zurückgezogen hatten. Darunter findet man so exzellente Namen wie die von Probst Asmussen, Bundestagspräsident D. Dr. Gerstenmaier, unserem Kollegen Dr. Heck, Herrn Prälat Kunst, Kultusminister Schütz, Ministerialdirektor Dr. Sattler, Weihbischof Sedlmeier und Staatssekretär Dr. Strauß.
({4})
Meine Damen und Herren, wenn sich die innere Meinungsbildung in einer Partei zu Fragen, an denen die Bürger des Staates wesentlich interessiert sein müssen, auf andere Weise entwickelt, als es das für den Außenstehenden erkennbare Profil dieser Partei vermuten läßt, dann besteht Veranlassung, darüber öffentlich zu sprechen. Wenn die Dinge so stehen, dann muß man wohl das Seine dazu tun, einen solchen Widerspruch offen und öffentlich einer Klärung zuzuführen.
Der Kollege Martin hat vorhin in seiner Begründung der Großen Anfrage gesagt, daß in dem pluralistischen Charakter unserer Gesellschaft die notwendigen Kompromisse stabilisiert worden seien, wenn ich seine Formulierung richtig behalten habe. Aus der Aufzeichnung über diese Tagung der Politiker und Freunde der CDU ergibt sich - entschuldigen Sie, Herr Dr. Martin - das genaue Gegenteil.
({5})
In den Referaten und Diskussionen der Tagung, über die das Protokoll Auskunft gibt, wurde Bedeutendes gesagt zur Problematik und Zielsetzung unserer auswärtigen Kulturpolitik, über die Schwierigkeit, die Entwicklung der Industriegesellschaft programmatisch zu erfassen, über die Notwendigkeit, die Bürger der Bundesrepublik zu Selbstverantwortung und Opferbereitschaft anzuhalten, schließlich auch über die Beweggründe, die Christen beider Konfessionen nach 1945 zu einer gemeinsamen Arbeit in der Union zusammengeführt haben. Das alles kann und sollte auch .der politische Gegner mit Verständnis und Achtung lesen. Ich habe das getan.
Aber dann wurden Probleme angesprochen und Ziele formuliert, die einer kritischen Würdigung bedürfen. Diese Tagung des Ellwanger Kreises fand statt nach dem Kulturkongreß der CDU in Gelsenkirchen und vor den Bundestagswahlen. Diese beiden Ereignisse markieren den Verlauf der Tagung. Herr Dr. Heck hat nach dem Protokoll sich zunächst mit .dem Kulturkongreß in Gelsenkirchen auseinandergesetzt. Es heißt wörtlich:
Der Angriff auf dem Kulturkongreß ({6}) auf den Neuhumanismus stieß auf passive Resistenz in großen Teilen der eigenen Reihen.
({7}) Man kann, glaube ich,
- so der Kollege Heck in diesem Punkt nicht von einem vollen Erfolg des Kongresses sprechen.
Weiter:
Die Bildungsidee von Humboldt ist eine achristliche Bildungsidee.
Dann weiter:
Der Humanismus soll aber nicht völlig beseitigt werden;
({8})
er ist vielmehr vom Religiösen her aufzuwerten.
Herr Staatssekretär Strauß hat sich erlaubt, diese Zielsetzung in einem Referat über das Verhältnis von Schule und Staat etwas ausführlicher darzustellen. Ich darf mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Sätze aus seiner Rede zitieren. Herr .Staatssekretär Strauß:
Auf die Frage nach unserem Erziehungs- und Bildungsideal läßt sich nur antworten: Wir besitzen ein solches deal nicht.
({9})
Auch die Weimarer Epoche, die wir in die Jahre 1917 bis 1932 verlegen können, hatte noch ein solches Erziehungs- und Bildungsideal. Es wurde weitgehend bestimmt durch die Persönlichkeit des Kultusministers Becker. Becker stand vor der Aufgabe, in seinen kulturpolitischen Bemühungen zu berücksichtigen: im kirchlichen Bereich die von Kulturkampfgesinnungen und -stimmungen nicht freie Römisch-Katholische Kirche auf der einen Seite und die verfaßten, von moralischer Überlieferung überlagerten evangelischen Landeskirchen auf .der anderen Seite; im politischen Bereich das konservative, das liberale, das katholische und sozialistische Element. Infolgedessen mußte sein Erziehungs- und Bildungsideal noch weicher und unbestimmter sein als das der vorangegangenen Epoche, nämlich eine humanitas, in der alle vier Elemente wohnen und arbeiten konnten, zugleich aber
auch auskömmlichen Raum zur Austragung von Spannungen und Auseinandersetzungen beanspruchten. Es war Aufgabe
- meine Herren von der FDP, so heißt es hier des liberalen 'Elementes, das Verbindende zu suchen und zu sichern. Das war letztlich
- so schließt Herr Staatssekretär Strauß diesen Absatz eine Humanität, die in noch höherem Umfange der metaphysischen Bindung entbehrte als die 1917/18 verklungene Epoche.
Nun, meine Damen und Herren, der arglose Demokrat des Jahres 1962 wird sich nicht unbedingt daran stoßen müssen, daß die Begründung der Weimarer Republik hier abgegrenzt wird gegen eine sozusagen verklungene Epoche - man hört die Kaiserglocken läuten -;
({10})
aber er wird doch meinen dürfen, daß sich die Situation für den Kulturpolitiker heute prinzipiell genauso darstellt wie für den früheren Kultusminister Becker. Denn wie anders ließen sich die im Grundgesetz verbrieften Grundrechte für alle Bürger dieses Staates realisieren?
({11})
Staatssekretär Strauß, meine Damen und Herren, ist anderer Ansicht. Ich zitiere:
Die gesamten Wissens- und Bildungselemente müssen eingebaut werden in metaphysische Betrachtungen und Verbindlichkeiten und damit des heute unerträglich gewordenen Säkularisationscharakters entkleidet werden.
({12})
Es ist klar, daß ein solches -- meine Herren, merken Sie jetzt gut auf! Es ist klar, daß ein solches Erziehungs- und Bildungsideal von der religiös und weltanschaulich neutralen Staatlichkeit nicht erarbeitet, dagegen wohl gesichert und gefördert werden kann.
Wenn ich recht sehe, meine Damen und Herren, verliert hier der demokratische Staat unversehens seine Aufgabe, ein Dach für alle der Verfassung Verpflichteten zu sein. Er wird in den Dienst für eine spezifische Forderung nach einem, mit Verlaub gesagt, ahumanistischen Bildungsideal genommen. Was heißt das praktisch?
Diese Tagung, von der ich spreche, hat dann diesen Vorschlag diskutiert, den ich Ihnen zur Kenntnis bringen will:
Zu erwägen wäre folgender Vorschlag:
Der ganze Bildungsetat sollte in Stipendien aufgeteilt werden. Mit dem Stipendium könnte jeder auf die Schule gehen, auf die er gehen will. Der Staat würde dann die Bildung und Erziehung, nicht die Schulen, finanzieren. Die Folge wäre eine breite Förderung des Privatschulwesens.
Dann kommt der lakonische Hinweis:
Solche radikalen Vorbilder existieren bereits in anderen Ländern.
({13})
Ich weiß nicht, an welchen Ländern oder Vorbildern Sie sich orientiert haben.
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen sagen: Wenn ein demokratischer Staat, wenn eine Nation auseinanderfallen soll, dann ist dies im Kulturpolitischen der sicherste Weg, um zu diesem Ziel zu kommen.
({14})
In dem Protokoll ist mit Ausnahme der Rede, die Herr Prälat Kunst gehalten hat, kein Wort über einen Versuch zu finden, die Grundrechte unserer Verfassung, wie es der Deutsche Ausschuß getan hat, zum Maßstab bei der Erarbeitung eines Erziehungs- und Bildungsideals zu wählen.
Nun, ich darf Ihnen überlassen, sich eine Meinung über dieses Protokoll zu bilden. Ich möchte mit einigen Fragen dazu an die Christlich-Demokratische Union abschließen. Wollen Sie, meine Damen und Herren, einen freiheitlichen, vielfältigen, die Grundrechte unserer Verfassung umgreifenden Kulturstaat, wie ihn Herr Dr. Martin gefordert hat, oder wollen Sie einen neuen Kulturkampf unter umgekehrten Vorzeichen, wie er sich als die Zielsetzung der Gruppe, die auf dieser Tagung zusammen war, offenbart? Wollen Sie die Einheit der deutschen Nation, soweit das in unserer Macht steht, im Kulturellen und Geistigen bewahren, oder wollen Sie das Trennende gegen das Gemeinsame mobilisieren? Wollen Sie den pluralistischen Charakter dieser unserer Gesllschaft als ein Wesensmerkmal des demokratischen Gemeinwesens bejahen, oder nehmen Sie diese Vielfalt als ein einstweilen nicht vermeidbares und notwendiges Übel in Kauf?
Man kann auch und gerade über eine einheitliche Wissenschaftspolitik nicht sprechen und sie nicht betreiben, ohne daß man in diesen Fragen eine klare Haltung einnimmt. Sie auch von ,der Mehrheitspartei dieses Hauses zu erfahren wäre ein gutes Ergebnis dieser Debatte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hellige.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben unserer Großen Anfrage mit Absicht das Thema „Kulturpolitische Aufgaben des Bundes" gegeben, weil wir der Meinung sind, daß die Probleme der Forschungsförderung nur symptomatisch sind für ungeklärte kulturpolitische Kompetenzen auf Grund einer verfassungsrechtlich nach unserer Meinung nicht eindeutig geklärten Ausgangslage.
Wie verteilt das Grundgesetz die Kompetenzen auf dem Gebiet der Kultur? Im Grunde liegt die Kulturzuständigkeit bei den Ländern. Sache des
Bundes allein aber sind die Beziehungen zum Ausland und damit die Kulturarbeit im Ausland. In Fragen der Repräsentanz arbeiten wir mit Behelfskonstruktionen. Jeder Staat wünscht sich einen geachteten Platz unter den Nationen. Früher legten wir Wert darauf, mit der „schimmernden Wehr" das Ausland zu beeindrucken, und daneben verließen wir uns auf die Weltgeltung des „Made in Germany". Auch heute noch suchen wir unser Ansehen darin, Lieferant aller Welt, Bankier aller Welt zu sein. Unterdessen ist es aber allgemeine Erkenntnis geworden, daß der Stand unserer Technik und Wirtschaft nur gehalten werden kann bei vermehrter Anstrengung für Wissenschaft und Forschung, für Bildung und Ausbildung. Einsichtigen Geistern wird es immer mehr klar, daß die letzten Entscheidungen in der Ost-West-Auseinandersetzung, d. h. die Entscheidung über den Fortbestand unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung auf geistigem Gebiet fällt. Wir haben es noch nicht gelernt, unsere erwirtschafteten Gewinne unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll zu investieren. Unsere Bundesrepublik ist in den Augen vieler nachdenklicher und kultivierter Freunde ein typischer ungeistiger Neureicher unter den Staaten.
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Unsere Literatur, unsere Musik, unsere bildende und darstellende Kunst hat bei mancher guten Einzelleistung nicht mehr internationalen Rang. Unsere geistige Gestaltungskraft steht keineswegs im geordneten Verhältnis zu unserem Lebensstandard. An kritischen Stimmen aus dem In- und Ausland fehlt es nicht. Um nur eine Stimme anzuführen: die Zeitung „Paris Match" hat sich vor wenigen Jahren in einem ausführlichen Leitartikel mit der deutschen Kunst befaßt. Ihr Urteil ist kurz und hart: „sec et nul" - ausgetrocknet und nichts.
Nun, wir wollen nicht allzu schwarz sehen! Zwischen Perioden hoher Produktivität liegen immer Zeiten der Dürre. Und wen sollte es schon wundern, wenn unser Pegasus lahmgeht nach all dem, was wir ihm im letzten Menschenalter zugemutet haben?
Natürlich kann man ein geistiges Klima nicht erzwingen. Aber man kann mit geeigneten Mitteln den Klimawechsel herbeiführen helfen. In unserem Fall sind diese Mittel organisatorischer Art. Hier vermissen wir beispielsweise schmerzlich eine echte Hauptstadt, die in der Lage wäre, Maßstäbe zu setzen. Wer das Berlin der zwanziger Jahre noch erlebt hat, diese weltoffene Stadt, die unser überkommenes Kulturgut ebenso musterhaft pflegte, wie sie die Anregungen der Avantgarde begeistert aufnahm, der wird mir zustimmen. Wer sich damals in Berlin durchgesetzt hatte, der war nicht nur in Deutschland etwas, dem war Weltrang bescheinigt. Heute leben wir in einer liebenswürdigen kleinen Stadt, die wir mit sehr viel Galanterie unsere Bundeshauptstadt nennen. Sie scheint es gar nicht als ihre Aufgabe zu empfinden, die Pflichten einer echten Metropole zu übernehmen.
Die organisatorischen Voraussetzungen, von denen ich soeben sprach, sind gebunden an eine befriedigende Regelung der Frage der Kompetenz zwischen Bund und Ländern. Nach dem Grundgesetz liegt das Recht der Kulturgesetzgebung bei den Ländern. Der Bund ist auf genau umrissene Aufgaben beschränkt. Eine Verfassung hält aber stets nur einen Zustand fest. Entwicklungen, vor allem auf geistigem Gebiete, sind jedoch nicht immer in einen solchen Rahmen einzuspannen. Tatsächlich ist heute eine Situation erreicht, in der dem Bund Aufgaben zugewachsen sind, die, verfassungsmäßig gesehen, manchem strittig erscheinen mögen, die aber ihrem Wesen nach ohne Zweifel nach einer überregionalen Regelung verlangen. Hier käme es nach unserer Meinung darauf an, nicht die Entwicklung auf den Stand des Gesetzes zurückzuschrauben, sondern unsere Organisation der Entwicklung anzupassen. Dazu aber hat der Bund nach unserer Überzeugung die Wege noch nicht beschritten.
Zur Zeit haben wir keine kulturelle Repräsentanz innerhalb der Bundesspitze. Mehrere Ministerien sind teilbeteiligt. Aber in diesen Ministerien ist die Kulturaufgabe nur eine Nebenaufgabe, e in e Aufgabe neben anderen und dringlicheren. Wir verdanken den 'deutschen Ländern und Städten fast alle großen kulturellen Leistungen unserer Vergangenheit. Mit Stolz können wir auf die reiche Palette der deutschen Musenhöfe hinweisen, 'die allen deutschen Volksstämmen ihre eigene kulturelle Ausprägung gestattete. Wir empfinden dankbar den Unterschied zu den Staaten im Westen, deren Hauptstädte - ich nenne nur Paris - eine große international normsetzende Kraft zeigen, deren Provinzleben aber eben deshalb grau und trübe ist. Der Föderalismus hat seine tiefe Berechtigung. Er hat sie vor allem dann, wenn die Teile gewillt sind, in der Pflege ihrer Tradition größere Leistungen zu erbringen und größere Anstrengungen auf sich zu nehmen, als es das Ganze vermöchte. Das ist oft der Fall, leider aber nicht immer!
Wenn Leistungskraft und Leistungswille der Länder den stets wachsenden Aufgaben genügen könnten, dann würde man angesichts ihrer Absicht, Teile der Bundeskompetenz auf diesem Gebiete an sich zu ziehen, nicht diese Fülle besorgter Stimmen aus Wissenschaft, Wirtschaft und praktisch allein interessierten Kreisen der Öffentlichkeit hören. Diese Äußerungen entstammen doch nicht „einer rücksichts- und bedenkenlosen Aktivität von Bonn, der die Öffentlichkeit unkritisch und ressentimentgeladen erlegen ist", wie Herr Ministerpräsident Meyers anzunehmen scheint. Sie kommen aus dem Munde der bestinformierten und legitimen Sachwalter unseres Kulturlebens und sind echter Besorgnis um unser aller Zukunft entsprungen.
Die Länder würden dem Föderalismus einen besseren Dienst erweisen, wenn sie ihre eigene Kompetenz auf das beschränken wollten, was sie zu leisten vermögen, und wenn sie das, was den Länderrahmen überschreitet, gemeinsam mit idem Bund regelten. Wir verkennen nicht, was die Länder getan haben; wir schätzen ihre Bemühung, durch Hilfskonstruktionen das Fehlen einer unbestrittenen Bundeskompetenz 211 ersetzen. Die Schuld daran, daß die Forschungsförderung noch nicht bundesgesetzlich geregelt ist, liegt nicht bei ihnen. Dem Bunde kommt die konkurrierende Gesetzgebung zu.
Er muß also in Konkurrenz treten. Das hat er bisher nicht getan. Daher begrüßen wir die Initiative der SPD, die ihn dazu auffordert.
Nun wäre die Frage zu stellen, was unter „Förderung der Forschung" zu verstehen ist. Der Herr bayerische Finanzminister möchte diesen Begriff möglichst eng umschrieben wissen. Er möchte dem Bund sogar die Vollzugs- und Finanzierungsbefugnis vorenthalten. Ich glaube, über ein solche Überinterpretation des Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes ist die Geschichte der letzten drei Wochen bereits hinweggegangen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, berufene Interpretin dieser Frage, sieht in der Forschungsförderung - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - „Maßnahmen organisatorischer und finanzieller Art für die Durchführung von Forschungsarbeiten, Errichtung und Unterhaltung von Forschungsstätten, andere Maßnahmen zum Nutzen der Forschung, wie etwa die Förderung der Zusammenarbeit unter den Forschern und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses". Das heißt: Honnef gehört nach Auffassung der Forschungsgemeinschaft zur Zuständigkeit des Bundes.
Es ist also notwendig, daß Bund und Länder sich um eine Abgrenzung der Aufgaben im kulturpolitischen Bereich bemühen. Der Bundestag hat in einem einstimmigen Beschluß am 1. Juli 1960 solche Verhandlungen angeregt und von der Bundesregierung einen Bericht über ihr Ergebnis bis zur Einbringung des Haushalts 1961 gefordert. Dieser Bericht ist nicht gegeben worden. Deshalb fragen wir die Bundesregierung:
Warum hat die Bundesregierung den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 1960 nicht ausgeführt, mit dem sie aufgefordert wurde, „die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Aufgaben im kulturellen Bereich möglichst bald abzuschließen und .dem Bundestag über das Ergebnis dieser Verhandlungen bis zur Einbringung des Haushalts 1961 schriftlich zu berichten?
Weil diese geforderte Antwort bis heute nicht gegeben wurde, müssen wir weiter fragen:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung einzelner Bundesländer, daß kulturelle Aufgaben, die bisher der Bund wahrgenommen hat, an die Länder abgetreten werden sollen?
Im 19. Jahrhundert sind wir aus Preußen, Bayern und Staatsbürgern von Reuß ältere Linie Deutsche geworden. Im 20. Jahrhundert sind wir auf dem Wege, aus Deutschen und im Bewußtsein, Deutsche zu sein, Europäer zu werden. Wir begrüßen alle Bemühungen um eine politische und kulturelle Einigung Europas. Aus unserer Geschichte haben wir Verständnis für die Vielfalt der Gebilde in unserem Vaterland. Wir sehen aber nicht ohne Sorge die größere Vielfalt internationaler Gremien und supranationaler Institutionen, an die wir Teile unserer Souveränität zu geben bereit sind.
Unschön ist die Zweigleisigkeit, ja die Rivalität zwschen Brüssel und Straßburg, die jetzt dazu führt,
daß sich auch in Straßburg eine kulturpolitische Bürokratie entwickelt in Form eines Council for cultural cooperation, dem der in Brüssel entstehende Kulturrat der EWG-Staaten gegenübersteht. Der letzte könnte sich leicht zu einem kleineuropäischen Kultusministerium entwickeln, dem die Kultusminister auf Länderebene gegenüberstehen, während die Bundesebene nicht geschlossen vertreten, sondern in eine Vielzahl von Ministerien zersplittert isst.
Will ,die Bundesregierung hier auf eine einheitliche Repräsentanz verzichten? Und weiter: Welche Entwicklung in der Vielzahl institutioneller Ansätze auf internationaler Ebene will die Bundesregierung fördern? Darum fragen wir:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von gemeinsamen Institutionen und Zuständigkeiten auf dem Gebiet .der Kulturpolitik innerhalb der europäischen Gemeinschaften?
Als nach Schluß des letzten Krieges das Ansehen unseres Volkes in Gefahr war, völlig verlorenzugehen, da waren die Leistungen unserer Wissenschaft eines der wenigen Fundamente, auf denen ein Neuaufbau unserer Geltung begonnen werden konnte. Deutsche Professoren hatten Freunde und Schüler in aller Welt, deutsche Universitäten waren das Vorbild für den Aufbau des Hochschulwesens in manchem Land. Die sachliche Denkungsart des Wissenschaftlers hatte den Haß nicht recht aufkommen lassen. Es waren vor allem Forscher, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ihre Heimat verlassen mußten, die sich gleich nach Kriegsschluß bemühten, die zerschlissenen Fäden neu zu knüpfen. Wenn Staatsmänner, Politiker und Heerführer, die einst bei uns so hoch respektiert waren, ihren Ruf verloren hatten - das Ansehen der deutschen Wissenschaft hatte auch im Ausland im ganzen die Turbulenz der Zeit überstanden.
Wieviel mußte uns daran liegen, diese uns so günstige Position auszubauen! Und was ist in Wirklichkeit geschehen?
Heute sind deutsche Wissenschaft und deutsche Schulen im Ausland überall im Rückzuge. Ich möchte Ihnen das an einem besonders eindrücklichen Beispiel demonstrieren. In der Türkei waren bis zum Schluß des letzten Krieges ganze Hochschulfakultäten als deutschsprachig zu bezeichnen. Als unsere Gelehrten mit Kriegsschluß das Land räumen mußten, traten Amerikaner und vor allem Franzosen an ihre Stelle. Heute wirken nach Auskunft des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nur noch neun deutsche Wissenschaftler in diesem uns schon so lange befreundeten Land.
Wie sieht es in den übrigen Staaten des islamischen Orients aus, in Ländern, in denen wir Deutsche noch immer sehr geschätzt und angesehen sind, weil uns eine günstige politische Entwicklung früh genug von der undankbaren Kolonialarbeit befreit hat? Wieviel deutsche Wissenschaftler wirken in diesen Ländern? Ich gebe Ihnen die Zahlen nach einer Auskunft der westdeutschen Rektorenkonferenz aus dem Jahre 1960. Es wurde mir versichert, daß sich seitdem nichts Wesentliches geändert hat: Ägypten 2,
Afghanistan 2, Irak 5, Iran 3, Libyen 1, Syrien 1, im ganzen westlichen Islam, also in den Ländern Tunis, Algerien und Marokko: nicht ein einziger. Einige wenige Daten aus nichtislamischen Ländern: Äthiopien 1, Japan 2 und auf dem riesigen indischen Subkontinent 1. Das sind doch alarmierende Tatsachen!
Ist es nun etwa so, daß diese Länder kein Interesse an der Mitarbeit deutscher Gelehrter zeigen? Keineswegs! Universitäten islamischer Länder haben sich - von unseren Auslandsvertretungen unterstützt - vielfach um deutsche Wissenschaftler bemüht. Das Stück 39 der Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten der Westdeutschen Rektorenkonferenz aus dem Jahre 1960 gibt genügend Material. Ein Beispiel für viele:
Der frühere Bundesminister Oberländer hatte von einer Reise nach Teheran ein Angebot des Rektors mitgebracht, 18 aus Mitteldeutschland geflüchtete Hochschullehrer in die dortige Universität zu übernehmen. 6 der 17 von der Rektorenkonferenz ausgewählten Herren ließen sich auf ernsthafte Verhandlungen ein. Angenommen hat nicht ein einziger! Was ist der Grund? Ich zitiere den Bericht der Rektorenkonferenz wörtlich:
De facto ist es heute so, daß der Entschluß zur Lehrtätigkeit im Ausland gleichbedeutend mit dem Entschluß ist, die akademische Laufbahn in Deutschland nicht mehr fortzusetzen.
Die Gründe: Es kann für die Herren kein Lehrstuhl freigehalten werden. Sie können nicht Mitglieder ihrer Fakultät bleiben. Die Verbindung mit ihnen und die Beurteilung ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist nicht aufrechtzuerhalten. Die Rektorenkonferenz schreibt wörtlich weiter:
Daraus ergibt sich die kuriose Situation, daß dem fast ängstlich im Lande bleibenden akademischen Nachwuchs eine Gruppe akademischer Starreisender gegenübersteht, die, da sie beruflich keine Schwierigkeiten mehr zu befürchten haben, immer wieder Forschungs-, Vorlesungsund Lehraufträge im Ausland übernehmen.
Gewiß sind solche Reisen von Trägern geachteter Namen im Ausland sehr erwünscht. Ihre Wirkung könnte aber wesentlich gesteigert werden, wenn sie von einer Nachwuchskraft begleitet würden, die dann im Lande bleibt, um die erreichten Erfolge auszubauen. Das zu verwirklichen ist aber infolge der erwähnten Schwierigkeiten leider kaum möglich.
Worin liegt denn nun die causa causarum dieser Ärgernisse? Die Rektorenkonferenz gibt sie an; ich zitiere wörtlich: „in der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik, die es mit sich bringt, daß keine zentrale Zuständigkeit für die Betreuung dieser Herren mehr besteht".
Prüfen wir doch einmal die Lage unserer Forscher im Auslande in Hinsicht auf ihre soziale Sicherung. 1960/61 lehrten in Asien, Afrika und Lateinamerika etwas über 200 deutsche Dozenten. Nur ein knappes Drittel davon waren Professoren. Über 130 der Herren, also die größere Hälfte, waren nicht habilitiert. Fast die Hälfte der Gesamtzahl war über 50 Jahre alt. Aussicht auf Altersversorgung hatten: durch die ausländischen Universitäten 32, durch Beamtenrechte in der Bundesrepublik 35, keine Altersversorgung hatten 91, unbestimmte Aussicht auf Alterssicherung 52. So sehr erwünscht die Tätigkeit dieser Herren ist, es gibt bisher keine Möglichkeit seitens des Bundes oder der Länder, ihnen Pension oder Rente zuzusichern. Dieser Zustand ist natürlich dem Bund und den Ländern bekannt. Beide haben Maßnahmen getroffen, um die Lage dieser Dozenten zu verbessern. Urteilen Sie selbst, ob diese Maßnahmen genügen: Der Bund hat in Kap. 06 02 Tit. 618 des Bundeshaushalts 1959 50 000 DM eingestellt, die deutschen Gelehrten den Übergang von der Auslandstätigkeit bis zur Erlangung einer ausreichenden Existenz in der Bundesrepublik erleichtern sollen. Sie sind kaum in Anspruch genommen worden.
Die Ständige Konferenz der Kultusminister hat auf Bitte der Westdeutschen Rektorenkonferenz, des Hochschulverbandes, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes im März 1956 eine Empfehlung zur Schaffung von Leerstellen beschlossen, in denen im Ausland tätige Gelehrte geführt werden sollen. Zweieinhalb Jahre später, am 20. Dezember 1958, teilt die Konferenz der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes mit, daß Niedersachsen und SchleswigHolstein solche Leerstellen bewilligt hatten; andere Länder wollten im konkreten Einzelfall die Sicherstellung ins Ausland gehender Wissenschaftler gewährleisten.
Meine Damen und Herren, ist es ein Wunder, daß unsere Gelehrten kaum geneigt sind, die für unser Ansehen so wichtigen Auslandsaufgaben zu übernehmen? Die Dezentralisierung unseres Bildungswesens ist den Aufgaben der Zeit nicht gewachsen. Vor den Anforderungen der Zukunft wird sie völlig versagen. An Vorschlägen seitens der Wissenschaft zur Sicherung solcher Herren hat es nicht gefehlt; sie können im Stück 39 der Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten der Westdeutschen Rektorenkonferenz aus dem Jahre 1960 nachgelesen werden.
Erst Ende vergangenen Jahres ist auf Initiative der Rektorenkonferenz eine Vermittlungsstelle für deutsche Wissenschaftler im Ausland geschaffen worden, die diese Probleme unter ständiger Abstimmung zwischen Kultusministerkonferenz, Kultusministerien der Länder, Rektorenkonferenz und Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes zu lösen versucht. Es hat sehr lange gedauert, bis eine solche von vielen Seiten längst geforderte Einrichtung entstehen konnte. Wir würden von der Bundesregierung gerne hören, welche Ergebnisse bisher erreicht wurden. Ist die Regierung davon überzeugt, daß durch die Schaffung dieser Stelle eine sichere Gewähr für die Lösung der zukünftigen Probleme gegeben ist?
Mit den deutschen Schulen im Ausland sieht es etwas besser aus. Die Schwierigkeiten sind hier anderer Art. Der Pädagoge, vor allem aber der Schulleiter, ist im Ausland in einer schwierigen Position. Er ist Beamter eines Landes der Bundesrepublik, in der Regel auf fünf Jahre beurlaubt. Zugleich ist er Angestellter eines örtlichen deutschen Schulvereins. Die Vorstandsmitglieder dieses Schulvereins haben oft recht widersprechende Auffassungen von der Aufgabe einer deutschen Schule. Der Schulleiter
und sein Lehrkörper sind überdies gebunden an Anordnungen der Kultusbehörden des Gastlandes. Zwischen den pädagogischen Auffassungen, die der Lehrkörper aus Deutschland mitgebracht hat, und denen der Gastländer gibt es oft recht erhebliche Unstimmigkeiten. Wenn es zu Auseinandersetzungen kommt, ist die schwierige Frage des Rechtsschutzes bedeutsam.
Wir halten daher die Gründung einer Stiftung für notwendig, die das Vermögen der Schulen verwalten soll, der die Schulleiter verantwortlich sein müssen, die bei der Auswahl und Vorbereitung der Lehrer mitwirkt und die schließlich den erforderlichen Rechtsschutz garantiert.
Wir fragen die Bundesregierung:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die rechtliche, besoldungsmäßige und soziale Stellung deutscher Dozenten und Lehrer sowie ihre berufliche Entwicklung während ihrer Auslandstätigkeit und bei ihrer Rückkehr zu sichern?
Die Frage der Repräsentanz deutscher Kultur im Ausland gewinnt besondere Bedeutung durch die Tatsache, daß die Bundesrepublik nicht der einzige Staat deutscher Sprache ist. Osterreich und die Schweiz stellen freilich keine Probleme. Dagegen werden wir uns sehr gewissenhaft mit der Kulturpolitik beschäftigen müssen, die die sogenannte DDR treibt. Wie alle Vokabeln dort einen anderen Inhalt umschreiben, so auch das Wort „Kulturpolitik". Hier bedeutet es in der Tat „Politik mit Hilfe der Kultur".
Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß alles, was dort drüben geschieht, von Übel sei. Es ist zu billig, zu sagen: Das ist bloß „kultura", das hat keinen Wert. Auf dem Gebiete der Erhaltung des überkommenen Kunstgutes und in der musikalischen Interpretation kann die Zone auf wirkliche Leistungen hinweisen. Es sind ja auch Deutsche, die drüben arbeiten, und unter ihnen das fleißige, wendige und ideenreiche Völkchen einer unserer fruchtbarsten Kulturlandschaften, des sächsischthüringischen Raumes, eines Raumes, der uns eine so reiche Fülle hervorragender Begabungen geschenkt hat. Es bedrückt uns aufrichtig, daß unseren Landsleuten dort die Voraussetzung für jede schöpferische Arbeit genommen worden ist: die Freiheit.
So steril die Zone für das elementar-künstlerische Schaffen ist, so geschickt versteht das dortige Regime, sich des deutschen Kulturerbes zu propagandistischen Zwecken zu bedienen. Unter Nutzung des Vorteils einer straffen Zentralisierung und unter Aufwand erheblicher Mittel wird wissenschaftliche und schöne Literatur in großen Mengen an die Entwicklungsländer, ja an die Gewerkschaften und Arbeiterparteien der freien Welt versandt. In den Einführungen zu den Editionen fehlt nie der Hinweis, daß die deutschen Geistesgrößen „fortschrittliche Menschen" im Sinne der Klassenkampftheorie waren, daß sie also auch heute gewiß an der Seite der Unterdrückten stehen und gegen Kapitalismus und Kolonialherrschaft auftreten würden. Man weist darauf hin, daß sich die große Zahl der deutschen Dichter, Denker und Musiker zu irgendeiner Zeit ihres Lebens einmal in Mitteldeutschland aufgehalten hat. Daraus leitet man das Recht auf alleinige Pflege ihrer Tradition ab. Man versäumt nie, darauf hinzuweisen, wie teuer dem Regime diese Pflege sei. Die „Nationalen Gedenkstätten" für unsere Weimarer Klassiker, für Bach, Händel und Luther werden immer wieder herausgestellt.
So betreibt die Zone vorrangig mit Mitteln der Kulturpolitik ihre Anerkennung als d e r legitime deutsche Staat. Ulbricht als Erbe des deutschen Humanismus! Diese Idee erscheint uns grotesk und unwirksam. Aber erscheint sie allen so? Auch denen, die mit dem deutschen Geistesleben, ja mit europäischer Geistigkeit nur wenig vertraut sind? Dabei stehen wir erst in den Anfängen der Propagandatätigkeit der Zone. Noch hat sie keine Auslandsschulen. Sie sind aber in Vorbereitung. Die Lehrer dafür werden vom Herder-Institut in Leipzig gründlich geschult.
In der Sorge um diese Entwicklung fragen wir die Bundesregierung:
Wie will die Bundesregierung der Propaganda des Zonenregimes mit dem „Deutschen Kulturerbe" im Ausland, besonders in den Entwicklungsländern, wirkungsvoll entgegentreten?
Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit einer großzügigen Hilfe auf dem Kulturgebiet für Berlin zu begründen, kann ich mir ersparen. Hierüber herrscht in diesem Hause und in der Bundesrepublik volle Einigkeit. Wir alle möchten Berlin zur deutschen Hauptstadt des Geistes machen.
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Dabei sind wir der Meinung, daß solche Einrichtungen in Berlin gefördert werden sollten, die die Lage der Stadt nicht belasten. Wir halten es für erwägenswert, Einrichtungen der UNESCO in Berlin zu etablieren. Bei unserer föderalistischen Struktur müssen Vorschläge, die das Erziehungswesen betreffen, vom Land Berlin selbst gemacht werden. Sie sind vom Bund nachhaltig zu unterstützen. Auch kulturelle Einrichtungen, wie Museen, Theater und Orchester, bedürfen der Mitfinanzierung durch den Bund. Nur auf dem Gebiet der Forschungsförderung hat der Bund auch hier eigene Kompetenzen.
Nach unserer Meinung ist ein wesentlich schnellerer Ausbau der Berliner Hochschulen und Forschungsinstitute vonnöten. Sieht sich der Bund in' der Lage, die langfristige Planung zum Ausbau dieser Anstalten auf höchstens fünf Jahre zu kürzen? Bestehen weitere konkrete Pläne?
Wir fragen daher die Bundesregierung:
Ist die Bundesregierung bereit, Vorschläge zu entwickeln und Mittel zur Verfügung zu stellen, um in Berlin wissenschaftliche Einrichtungen mit internationalem Rang neu zu errichten oder auszubauen?
Wind sie zudem kulturelle Einrichtungen internationaler Träger in Berlin fördern?
Der Bund muß sich der ihm vom Grundgesetz gegebenen Kompetenzen bedienen. Er muß ein Forschungsförderungsgesetz und ein Gesetz zum
Schutze deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland schnellstmöglich vorlegen. Der Bund muß für eine aktive Kultur-Außenpolitik und für die Repräsentation der (deutschen Kultur nach außen die unbedingt erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen schaffen: durch Zusammenfassung aller Ressorts, die sich mit kultur- und wissenschaftsfördernden Maßnahmen befassen, unter einem Leiter mit Kabinettsrang. Ihm sollte ein Kulturfonds zur Verfügung stehen, in den alle für die Förderung von Kultur und Forschung ausgewiesenen Mittel überführt werden. Der Bund sollte möglichst bald durch Verhandlungen mit den Ländern eine Klärung der noch ausstehenden Kompetenzfragen herbeiführen. Diese Verhandlungen müssen vom Geiste der Partnerschaft und der hohen Verpflichtung gegenüber der gemeinsamen Vergangenheit und der Zukunft getragen sein.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus hat für die drei Großen Anfragen, die von der Kulturpolitik bis zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung reichen, sich also einen großen Rahmen gestellt haben, nach der Auffassung der Bundesregierung einen besonders günstigen Zeitpunkt gefunden. Ich ziele dabei gar nicht so sehr auf das Intermezzo ab, das uns im Verlauf des Wortgeplänkels über den Haushaltsausgleich 1962 im Verhältnis zwischen Bund und Ländern beschert worden ist. Die ursprünglich, wie ich meine, recht affektgeladenen und nach Temperamenten abgestuften Auseinandersetzungen sind wohl in diesen wenigen Wochen einer nüchternen Betrachtung gewichen.
Es war aber doch recht interessant, zu beobachten, wieviele freiwillige Hilfsgruppen und Hilfstruppen aus dem Bereich des Geisteslebens und der wissenschaftlichen Organisationen - von allen Parteien erfreulicherweise - sowie der öffentlichen Meinung und der Wirtschaft sich in dieser Streitfrage spontan auf die Seite des Bundes gestellt und mit Leidenschaft die Mitwirkung des Bundes in gewissen kulturellen Bereichen verteidigt haben. Ich bin der Meinung, daß unabhängig von der für den Bund durchaus günstigen verfassungsrechtlichen Situation die Gegner einer Mitwirkung des Bundes im kulturellen Bereich diese fast einmütig geschlossene Haltung der öffentlichen Meinung nicht übersehen sollten.
Ich halte es für richtig, kulturelle Fragen nicht als Kompetenzfragen abzuhandeln und zu betrachten. Ihrem Wesen entspricht es mehr, einen Weg der Kooperation und der Zusammenarbeit zu suchen.
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Wer mit der, Entstehungsgeschichte der kulturpolitischen Arbeit des Bundes vertraut ist, weiß nämlich, daß der Bund sich streng in dem Bereich seiner Zuständigkeiten gehalten und dort, wo das nicht der Fall gewesen sein sollte, immer die Zustimmung zuseinen Abweichungen bekommen hat, so daß ebenfalls kein Vorwurf zu erheben wäre, und daß der Bund keine Rechte usurpiert hat und darüber hinaus, wie das noch im einzelnen darzulegen sein wird, seine ganze Mitwirkung im einzelnen aufs engste mit den Ländern abgestimmt hat. Die Bundesregierung hat noch niemals die Zuständigkeit der Länder im kulturellen Bereich bestritten und erkennt bei dieser Gelegenheit sehr dankbar die wirklich großen Leistungen auch der finanzschwachen Länder im kulturellen Bereich an. Ich verstehe den von den drei Rednern gelegentlich vorgetragenen Kulturpessimismus nicht. Ich werde noch Gelegenheit haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen ein Gesamttableau vorzulegen, und Sie werden erstaunt sein, was nun wirklich alles von dieser „rückständigen Regierung" in dieser „rückständigen Bundesrepublik" geleistet worden ist, und das alles in dieser kurzen Zeit.
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Es erhebt sich außerdem die Frage, ob es für unser Ansehen besonders vorteilhaft ist, ausgerechnet in dem Augenblick, in dem wir auf europäischer und darüber hinausreichender Ebene auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung alle freiheitlichen Kräfte zusammenführen wollen, uns gerade im eigenen Hause einen Streit über kulturpolitische Kompetenzen zwischen Bund und Ländren zu leisten. Ich vermute eher, daß wir uns damit etwas lächerlich machen können.
Ich darf nun in die Beantwortung der Großen Anfragen eintreten und bitte Sie, mir zu gestatten, daß ich mit der Großen Anfrage der CDU/CSU beginne, - nicht weil ich selber ihr angehöre, sondern weil ich der Meinung bin, daß mir ihre Fragestellung die Möglichkeit gibt, die Gesamtbilanz über die Leistung der Bundesrepublik auf dem Gebiet von Wissenschaft und Forschung und einen Vorausblick über die dringlichen Vorhaben für die Zukunft zu geben.
Die Forschung von heute sichert die Existenz von morgen. Wissenschaft und Forschung sind in unserem Jahrhundert in einem umfassenderen Sinne als je zuvor Gegenstand der politischen Vorsorge. - Das ist alles schon ausgeführt warden. - Was heute nicht für die Wissenschaft getan wird, wird morgen für die Menschen ohne Arbeit und Brot getan werden müssen. Dieser Satz hat in keinem Land mehr Berechtigung als gerade in der Bundesrepublik, die durch Bevölkerungsdichte und Rohstoffarmut zu Höchstleistungen gezwungen ist. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang nur eine einzige Zahl nennen: Nach der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung wird das deutsche Volk in absehbarer Zeit nur noch 1 bis 2 % der Weltbevölkerung darstellen. Was wir hier relativ an Quantität verlieren, muß durch höchste Qualität kompensiert werden. In unseren Bemühungen, uns in einer sich so veränderten Welt zu behaupten, werden wir zwar die Unterstützung aller unserer Freunde und Verbündeten in der freien Welt finden, mit denen wir auch auf dem Gebiet von Wissenschaft und Forschung zu einer immer engeren Gemeinschaft und Zusammenarbeit kommen müssen. Wir werden aber als Partner nur
Bundesinnenminister Höcherl
dann interessant sein, wenn wir mit eigenen Leistungen aufzuwarten haben.
Eine besondere Herausforderung an die freiheitliche Welt ist durch die gewaltigen Anstrengungen des Ostblocks und insbesondere Sowjetrußlands gegeben. Der Osten stellt Wissenschaft und Forschung ganz bewußt in den Dienst seiner weltrevolutionären Absichten. Lerneifer und Leistungswille werden in der Jugend der kommunistisch regierten Welt unerhört angestachelt und dauernd lebendig gehalten. Der Westen wird in der Spannung zwischen Ost und West nur bestehen können, wenn er seine wissenschaftliche Tradition unter der Parole uneingeschränkter Freiheit auf eine dynamische Aktivität in die Gegenwart überträgt. Das ist eine fortdauernde und laufende Aufgabe. Eine gründliche Analyse der euopäischen Kulturentwicklung, die die ganze Welt befruchtet hat, und der Wiederaufbau, wie er nach dem Kriege geleistet worden ist, zeigen uns, daß unsere freiheitlichen Arbeitsprinzipien durchaus geeignet sind, diesen geistigen Wettbewerb zu bestehen, wenn wir nur in der Lage und befähigt sind, sie zu entfachen und sie dauernd aktiv zu halten.
Doch nicht nur die Sorge um die Zukunft unseres eigenen Volkes, nicht nur solche Nützlichkeitserwägungen auch existenzieller Art sollten uns veranlassen, der Förderung von Wissenschaft und Forschung alle Kräfte zu leihen, sondern wir sollten uns dazu auch durch den Wunsch bestimmen lassen, den Menschen außerhalb unserer Grenzen, besonders auch in den Entwicklungsländern zu helfen. Diese Länder I brauchen nicht nur Almosen und, wie es vorhin geheißen hat, Darlehen, weil wir uns als Weltbankier gerieren, sowie wirtschaftliche und finanzielle Hilfe, sondern vielleicht noch mehr die Hilfe unserer Wissenschaft und Forschung, um sich selbst in die Lage zu versetzen -- und das ist doch der eigentliche Sinn jeder vernünftigen Entwicklungshilfe -, den Übergang in die modernen Lebensformen zu finden. Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihre Probleme aus eigener Kraft zu meistern. Wir vertrauen dabei zuversichtlich darauf, daß die Begegnung mit der geistigen Welt des Westens die führenden Kreise der Entwicklungsländer gegen die Irrlehren des Kommunismus immunisieren wird.
Ich wende mich nun den einzelnen Schwerpunkten der kulturpolitischen Arbeit des Bundes zu und darf mit dem Auf- und Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen beginnen. Es ist nie bestritten worden, daß die Länder die Träger der wissenschaftlichen Hochschulen sind und daß sie es bleiben müssen.
Wenn sich der Bund trotzdem seit dem Jahre 1956 zunächst mit Mitteln zur Erhöhung des Sachetats zu einer besseren Ausstattung und ab 1958 mit Beiträgen für den Ausbau und Wiederaufbau von wissenschaftlichen Hochschulen eingeschaltet hat, dann hat er das aus mehreren Gründen getan. 60 % - meine Damen und Herren, ich muß Ihnen diese Zahl in Erinnerung rufen - der Bauten und der Ausstattung unserer Hochschulen wurden durch Kriegseinwirkungen zerstört. Lange Jahre gab es keinen Kontakt zwischen der Wissenschaft und Forschung in unserem Lande und Forschungsstätten des Auslandes. Es wäre über die Kraft der Länder hinausgegingen, den raschen Aufbau allein zu bewältigen. Und wer will hier in einem solchen Zusammenhang, in einer solchen Situation noch von Kompetenzfragen sprechen, wo unmittelbare, dringendste Aufgaben angestanden sind! Sofort nach dem Kriege, verstärkt in der Zeit nach der Währungsreform, setzte - erfreulicherweise - ein unerhörter Ansturm auf die wissenschaftlichen Hochschulen ein. 1961 waren es 232 000 Studenten an den Universitäten und Technischen Hochschulen des Bundesgebietes. Trotz der etwas schwächeren Jahrgänge, die jetzt vor uns stehen, müssen wir für das Jahr 1970 mit einer Zahl von annähernd 300 000 Studenten rechnen. Die moderne Entwicklung zeigt außerdem eine deutliche Verlagerung des beruflichen Schwerpunktes in den Bereich der Dienstleistungen höherer Art. Davon leiten sich auch der Rang und die Bedeutung eines Volkes ab.
Um sich beim Wiederaufbau und beim Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen eine fachgerechte Beratung zu sichern, haben im Jahre 1957 Bund und Länder in vorbildlichem Zusammenwirken mit der Wissenschaft die Einrichtung des Wissenschaftsrates geschaffen, der 1958 seine Tätigkeit aufgenommen und im Jahre 1960 den Ihnen allen bekannten großen Bericht über den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen vorgelegt hat.
Wir haben damit den ersten Teil eines von ersten und besten Sachkennern ausgearbeiteten nationalen Förderungsprogramms, das im Ausland große Beachtung und vielfache Nachahmung gefunden hat. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Männern, die im Wissenschaftsrat wirken, meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen für die selbstlose, hervorragende Arbeit, die sie ehrenamtlich - und ich wiederhole das: ehrenamtlich - unter großem Zeitaufwand geleistet haben.
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Ich darf nun wieder auf die meßbaren Leistungen zurückkommen und erwähnen, daß -die Länder von 1949 bis 1959 allein 1500 Millionen DM Baumittel für die Hochschulen aufgewendet haben. Der Bund hat seit 1956 dazu 400 Millionen DM beigesteuert und sieht sich in seinen Bemühungen vor allem deshalb bestätigt, weil diese Spitzenfinanzierung - und nur darauf kommt es ihm an, den Anreiz zu bieten - eine Verdreifachung des Bauvolumens im Bereich der wissenschaftlichen Hochschulen erbracht hat.
Der Plan des Wissenschaftsrates und -die Mitwirkung -des Bundes haben zum besonderen Ziel, daß auch die finanzschwachen Länder im Ausbau der Hochschulen Schritt halten können - das ist also die Ausgleichsfunktion - und daß eine über das ganze -Bundesgebiet reichende Planung mit Bildung von Schwerpunkten ohne Rücksicht auf Ländergrenzen zustande kommt. Der Bund hat sich seit dem Jahre 1958 mit 50 % an den Kosten der Bauten beteiligt. Insgesamt ist eine Planung von über einer Milliarde für den Bund vorgesehen. Es wird zu überlegen sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob nicht künftig -die Beteiligung nach der Leistungsfähigkeit -der Länder nach einem Leistungsschlüssel etwas abgestuft werden sollte.
Bundesinnenminister Höcherl
Bereits im ersten Teil seines Gutachtens hat der Wissenschaftsrat die Fragen der Hochschulreform angesprochen, ohne sie zu vertiefen. Die Bundesregierung begrüßt es, daß er jetzt diese Fragen in seine Beratungen mit einbezieht. Mit seiner Autorität und seiner von allgemeiner Zustimmung getragenen Legitimation wird er untersuchen, ob die herkömmliche Einteilung in Fakultäten, das Berufungsverfahren, das Kolleggeldwesen und viele andere überkommene Einrichtungen noch den modernen Anforderungen und Entwicklungen genügen. Insbesondere wird er sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob der gelegentlich gehörte Vorwurf berechtigt ist, daß wir die Akademisierung übertreiben, und ob nicht ein Teil der Studenten auf höhere Fachschulen gehört, eine Frage, in der wir uns von den ersten Fachkennern beraten lassen sollten und die wir nicht dilettantisch mit eigenem Verstand zu lösen versuchen sollten.
In der Regierungserklärung hat sich die Bundesregierung bereit erklärt, bei der Errichtung von neuen Hochschulen nach den Plänen des Wissenschaftsrates mitzuwirken. Der Bund beansprucht dabei keinen Einfluß auf die Standortauswahl, aber vermutlich dürfte die Frage der Leistungsfähigkeit der Länder bei diesen Maßnahmen eine entscheidende und auch für ihre Entscheidungen interessante Rolle spielen.
Im zweiten Teil seines Berichts wird der Wissenschaftsrat ein Gutachten über die hochschulfreie Forschung vorlegen. Auch in diesem Bereich wirkt der Bund durch Hilfen und Unterstützungen mit. Nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen Ländern haben sich in steigendem Maße Institute gebildet, die sich ausschließlich der wissenschaftlichen Forschung widmen und die mit den wissenschaftlichen Hochschulen, in denen ja Lehre und Forschung vereint sind, in keiner oder nur in loser Verbindung stehen. Dabei komme ich auf einen zweiten Schwerpunkt in der Frage der wissenschaftlichen Förderung des Bundes, zur Max-PlanckGesellschaft, der Nachfolgerin der im Jahre 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
Herr Kollege Hellige, ich kann Ihre Äußerungen ganz und gar nicht teilen, in denen Sie sagen, man habe früher die schimmernde Wehr usw. in den Vordergrund gestellt. Auch die Leistungen, die Wissenschafts- und Forschungsleistungen, des Kaiserreichs waren sehr, sehr ansehnlich. Die damalige Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft war eine Gründung von so weitschauender Art, daß wir auch unserer eigenen Geschichte durchaus gerecht werden sollten. Wir sollten nicht vereinfachend Dinge herausgreifen und sie negativ beurteilen. Alle Geschichte, die Geschichte aller Völker hat positive und negative Seiten. Das gilt auch für uns. Wir sollten die positiven nicht unterschlagen. Ich möchte das zur Korrektur doch einmal angebracht haben.
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Bei der Entstehungsgeschichte der Kaiser-WilhelmGesellschaft muß der Weitblick bewundert werden, der die Gründer veranlaßte, dieser Institution schon im Jahre 1911 eine Thematik zu setzen, die heute
noch durchaus gültig ist. Sie sollte Gelehrten, die sich nur der Forschung widmen, in voller Freiheit ihre Arbeit ermöglichen, sie vollständig von anderen Verpflichtungen freistellen und die Erforschung von Grenzgebieten sichern, die inzwischen Schwerpunkte geworden sind, um auf diese Weise Fachrichtungen zu stärken, die damals noch nicht in die Struktur der Hochschulen hineinpaßten und noch keinen ausreichenden Raum hatten; sie sollte neue Institutstypen entwickeln und wissenschaftlichen Nachwuchs heranbilden. Namen wie Haber, Hahn, Einstein, Warburg und aus der neueren Zeit Namen wie Professor Heisenberg, Butenandt und viele andere bestätigten die Richtigkeit der damaligen Planungen und Überlegungen, die zur Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft geführt haben. In dankenswerter Weise haben die Länder nach dem zweiten Weltkrieg sich der Förderung der MaxPlanck-Gesellschaft und ihrer Institute angenommen. Seit 1956 ist der Bund in die Tradition des Deutschen Reiches und der Weimarer Republik wieder eingetreten und beteiligt sich in beträchtlichem Umfang an der Bereitstellung der Mittel. Allein in diesem Jahre, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern mit Ihrer Zustimmung, wie ich erwarte und hoffe, 25,4 Millionen DM fließen. Dazu kommen erhebliche Mittel aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Atomkernenergie.
Ich darf nun einen dritten Schwerpunkt der Wissenschaftsförderung, die unter der Mitwirkung des Bundes vor sich geht, erwähnen, die Forschungsgroßanlagen. Die moderne Entwicklung brachte es mit sich, daß neben den wissenschaftlichen Hochschulen und der Max-Planck-Gesellschaft Forschungsgroßanlagen auf spezifischen Gebieten notwendig geworden sind. Als Beispiele nenne ich das Kernforschungszentrum in Karlsruhe, das insgesamt einen Investitionsaufwand von 500 Millionen DM erfordert, an dem sich der Bund mit 75 % und das Land Baden-Württemberg mit 25 % beteiligt - meine Damen und Herren, eine Großleistung des Bundes, wie ich vielleicht sagen darf -, oder das Deutsche Elektronen-Synchroton in Hamburg, dessen Kosten im Verhältnis von 85 zu 15 % von Bund und Hamburg getragen werden, das Reaktorenzentrum Geesthacht zur Erforschung und Entwicklung von Schiffsantriebsreaktoren, das Institut für Plasma-Physik in Garching bei München, das in der ersten Bauphase mit 80 Millionen DM allein vom Bund finanziert worden ist, und schließlich die Kernforschungsanlage in Jülich, die Kosten von 500 Millionen DM verursacht, an denen sich der Bund bis zur Höhe von 90 Millionen DM beteiligt; das mitbeteiligte Land hat Kraft genug, den Rest aufzubringen. Dazu kommen die Institute für Luftfahrt- und Raumforschung.
Eine moderne Regierungsarbeit, meine Damen und Herren, ist ohne wissenschaftliche Forschungsarbeit nicht denkbar. Der Bund unterhält deshalb für eine Reihe von Ressorts eigene besondere Forschungseinrichtungen vor allem für die Agrar-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Auf den Arbeiten dieser Institute beruhen viele gesetzgeberische Leistungen des Deutschen Bundestages.
Bundesinnenminister Höcherl
Neben diesen drei Kategorien von Instituten hat sich - zum Teil nach dem zweiten Weltkrieg - eine weitere Anzahl von Forschungseinrichtungen und -instituten gebildet, die entweder ganz oder teilweise von staatlichen Mitteln leben, vereinzelt aber auch ausschließlich mit privaten Mitteln betrieben werden. Ich möchte aus diesem Bereich nur einige Beispiele herausgreifen. Da ist zunächst das traditionsreiche und ehrwürdige Deutsche Archäologische Institut mit der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt und den Auslandsabteilungen in Rom, Athen, Instanbul, Madrid, Kairo, Bagdad und Teheran - das zuletzt gegründet worden ist -, oder das Deutsche Historische Institut in Rom, das Kunsthistorische Institut in Florenz, das Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Beirut und die Deutsche Historische Forschungsstelle in Paris usw. Alle legen sie im Ausland Zeugnis ab für den deutschen Forschergeist und dienen damit nicht nur der wissenschaftlichen Forschung und dem Kulturaustausch und der Forschung der Gastländer, sondern sie zeigen auch die deutsche Repräsentanz, die so oft angesprochen worden ist. Wie gesagt, es gibt auch sehr viele positive Seiten, die wir angesichts der Kürze der Zeit, die uns für den Aufbau, die Entwicklung und den Wiederaufbau zur Verfügung standen, durchaus mit Stolz und Selbstbewußtsein nennen dürfen.
Eine besondere Bedeutung haben das Institut für Zeitgeschichte in München und die verschiedenen Ostforschungsinstitute. Es ist nicht ganz uninteressant zu erwähnen, daß der Bund im Einvernehmen mit den Ländern erhebliche Beiträge zur Erhaltung der vier deutschen Akademien in München, Göttingen, Heidelberg. und Mainz leistet. Vielleicht wäre die eine oder andere dieser Akademien gar nicht mehr am Leben, wenn sie nicht vom Bund am Leben erhalten worden wäre. Ich sehe gerade darin einen besonders bedeutsamen Ausdruck für das gute Einvernehmen auf diesem Sektor zwischen Bund und Ländern.
Schon die bisherige Aufzählung, meine Damen und Herren, beweist, daß auf .dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung eine große Koalition aller Kräfte - der geistigen Kräfte - existiert.
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- Ja, ich wollte Ihnen wenigstens durch die Formulierung etwas entgegenkommen!
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In diesem Zusammenhang darf auch die industrielle Gemeinschaftsforschung, die in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen zusammengeschlossen ist, nicht unerwähnt bleiben. Auch sie erhält genauso wie die wirtschaftswissenschaftlichen Institute Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, soweit sie sich mit Aufgaben befaßt, die nicht ausschließlich für die Auftraggeber bestimmt sind.
Der Wissenschaftsrat führt zur Zeit eine Bestandsaufnahme - das scheint mir wesentlich zu sein - über alle diese Einrichtungen durch, um der Bundesregierung und den Ländern verläßliche Unterlagen darüber zu liefern, inwieweit diese Einrichtungen eine Förderung aus öffentlichen Mitteln
verdienen, inwieweit sich ein Wildwuchs gezeigt hat, was in Ordnung zu bringen ist usw. Sie sehen also auch hier einen Beweis dafür, daß die Bundesregierung alle ihre einschlägigen Maßnahmen auf Gutachten des Wissenschaftsrates stützt, in dem die Wissenschaft, der Bund und die Länder vertreten sind.
Die wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik, die Max-Planck-Gesellschaft und einige andere sehr bedeutsame wissenschaftliche Vereinigungen haben sich in Fortführung .der Tradition der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft im Jahre 1950 zur Deutschen Forschungsgemeinschaft verbunden. Es ist die besondere Aufgabe dieser Einrichtung, für die Förderung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsvorhaben nach Schwerpunkten, .die die Forschungsgemeinschaft selbst bestimmt, zusätzliche Förderungsmittel zur Verfügung zu stellen. Keinem Land, auch dem reichsten nicht, ist es möglich, die Fakultäten, Institute usw. so aufzustocken. Wir müssen hierin eine Spitzenfinanzierung und eine Anreizfinanzierung sehen, damit wir Mittel, Möglichkeiten und Notwendigkeiten auf einen Nenner bringen können.
Neben Forschungsvorhaben, die von einzelnen Forschern an die Forschungsgemeinschaft herangetragen werden und nach Prüfung durch erste Fachkräfte eine Förderung erfahren, bestimmt der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach eigenen Überlegungen Schwerpunkte unter besonderer Berücksichtigung des Nachholbedarfs und des Anschlusses an den Stand der Forschung im Ausland. Die Nachwuchsförderung ist eine weitere wichtige Aufgabe, die die Forschungsgemeinschaft erfüllt. Um noch ein. Beispiel zu nennen, darf ich erwähnen, daß die Lebensmittelgesetzgebung des 3. Bundestages - eine sehr fortschrittliche Gesetzgebung - vor allem auf Vorarbeiten der Forschungsgemeinschaft aufgebaut ist.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß hier eine Form der Forschungsförderung und der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Staat unter Wahrung der im Grundgesetz verankerten Freiheit der Wissenschaftgefunden worden ist, die das äußerste Maß an Wirksamkeit erreicht. Der Zuschuß des Bundes an die Deutsche Forschungsgemeinschaft beträgt mit Ihrer Zustimmung im Rechnungsjahr 1962 68 Millionen DM und damit vier Fünftel des Zuschusses der öffentlichen Hand. Der Bund setzt damit eine schon in der Weimarer Republik begründete Tradition fort. Ich darf daran erinnern, daß die Reichsregierung selbst im Jahre 1931, auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, die Hauptlast der Finanzierung der damaligen Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft getragen hat. Es ist für uns eine selbstverständliche Verpflichtung, in Zeiten, die nicht so hart sind wie in den dreißiger Jahren, das Äußerste für diese Zwecke herauszuholen.
Eine Reihe von hervorragenden Ergebnissen auf dem Gebiet der Genetik, der Kristallstrukturforschung, der Kardiologie, der Entwicklung einer serologischen Pockendiagnose, Zuhilfenahme des Elektronenmikroskops, die Behandlung der Netz730
Bundesinnenminister Höcherl
hautablösung ohne chirurgischen Eingriff, die geophysikalische Lagerstättenforschung sind Beispiele für den Erfolg, den die Bemühungen der hier zusammengefaßten Kräfte ermöglicht haben. Mit Hilfe der Forschungsgemeinschaft wurden z. B. in den letzten Jahren neue Berechnungsmethoden für die Stahlbaukonstruktion entwickelt, die eine Einsparung bis zu 20 % ermöglichen. Für die Landwirtschaft sind neue Methoden zur Bekämpfung verschiedener Viruskrankheiten bei Pflanzen und Tieren und die betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen Forschungen für die Anpassung der deutschen Landwirtschaft an den Gemeinsamen Markt von großer Bedeutung.
Besonders hervorheben möchte ich, daß das erste deutsche Großrechenzentrum in Darmstadt, das die Forschungsgemeinschaft mit Hilfe des Bundes und des Landes Hessen errichten half, am 1. April 1962 seine Arbeit aufnimmt. Ohne die Forschungsgemeinschaft hätten auch bedeutsame Ausgrabungen in Griechenland und im Vorderen Orient nicht durchgeführt werden können.
Alle Bemühungen der wissenschaftlichen Forschung wären vergeblich ohne die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Eine Selbstverständlichkeit! Von seiner Qualität hängt unmittelbar die Entwicklung unserer wissenschaftlichen Forschung und mittelbar die Zukunft unseres Volkes ab. Die moderne Gesellschaft braucht wesentlich mehr wissenschaftlich ausgebildete Führungskräfte, als das in früheren Zeiten der Fall war. Der Bund hat sich deshalb in Zusammenarbeit mit den Ländern ganz besonders der Studentenförderung angenommen und im Honnefer Modell eine Form entwickelt, um den begabten Studenten eine wissenschaftliche Ausbildung frei von Not, wie mein verehrter Herr Amtsvorgänger das einmal formuliert hat, zu ermöglichen. Zur Zeit werden 15 % der Studenten mit einem Aufwand von 126 Millionen DM gefördert. Der Bund trägt davon 84 Millionen DM. Die Bundesregierung hält es für einen entscheidenden Bestandteil dieses Honnefer Modells, daß in Zusammenarbeit von Bund und Ländern, Professoren, Studenten und Studentenwerken in jährlichen Absprachen Richtlinien für die Vergabe der Stipendien vereinbart werden. Es ist wichtig, daß die Richtlinien der laufenden Entwicklung angepaßt werden. Ziel unserer Bemühungen ist es, keine Begabung ungenützt zu lassen. Man sollte vielleicht in Überlegungen eintreten, ob man nicht bei sehr gutem Abschlußexamen den Darlehnsanteil der Förderung in ein Stipendium umwandeln könnte. Der Versuch z. B., in den 200 Fakultäten der wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik die jeweils beste wissenschaftliche Arbeit eines Studenten jährlich mit einem Preis von etwa 3000 DM auszuzeichnen, würde nur etwa 600 000 DM kosten, und doch würde ein solcher Preis einen zusätzlichen, sehr bedeutsamen Anreiz darstellen.
Die Bundesregierung hat es sich dabei immer besonders angelegen sein lassen, nicht nur die Studenten aus dem Bereich der Technik und der Naturwissenschaften, sondern auch die Studenten der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen in gleichem Maße zu fördern. Wir würden verarmen, wenn wir uns eine Schwerpunktbildung, wie sie im östlichen Bereich stattfindet, gestatten würden.
Neben der Studentenförderung ist eine besonders wichtige Frage die Förderung des Nachwuchses für die wissenschaftlichen Laufbahnen. Der Wissenschaftsrat hat dafür ausgezeichnete Vorschläge ausgearbeitet. Insbesondere gibt die Errichtung von mehr Lehrstühlen dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Chance, in angemessener Zeit einen wissenschaftlichen Lehrstuhl zu erhalten. Das ist auch der einzige Weg, um die laufende Abwanderung qualifizierter junger Wissenschaftler in das Ausland zu verhindern. Dabei spielt die Frage der Hochschulreform sehr stark herein. Hierbei hat sich auch die Max-Planck-Gesellschaft, die Thyssenstiftung, die ich ausdrücklich erwähnen darf, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft große Verdienste erworben; ihnen gilt der Dank der Bundesregierung.
Was die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit angeht, von der wir so lange Jahre ausgeschlossen waren, so hat auch sie sich in den letzten Jahren in erfreulicher Weise verstärkt. Das zeigen nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Kongresse, die in der Bundesrepublik stattfinden, sondern auch der zunehmende Austausch von Wissenschaftlern aller Disziplinen mit dem Ausland. Immer mehr namhafte deutsche Lehrer und Forscher gehen zu Vortrags- und Studienreisen über unsere Grenzen, viele ausländische Gelehrte kommen zu uns. In der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ist eine Einrichtung geschaffen, die dem Hochschullehrernachwuchs des Auslandes ein ein- bis mehrjähriges Studium in der Bundesrepublik ermöglicht. Ich darf erwähnen, daß die Nachfrage nach diesen Stipendien erheblich größer ist als die Mittel, die zur Verfügung gestellt werden können. Ich möchte Sie dringend bitten, die Mittel zu verstärken, weil ich mir keine bedeutsamere Aufgabe vorstellen kann als die, die Spitzenkräfte des Auslandes an unseren Hochschulen mit unserem Geistesgut vertraut zu machen. Ich werde den Bundestag bitten, gerade diesem wichtigen Zweig des Kulturaustausches besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Über diesen Austausch hinaus hat sich auf einigen Gebieten die Notwendigkeit eines engeren organisatorischen Zusammenschlusses ergeben, auf die ich in Beantwortung der Einzelfragen zurückkommen werde.
Lange Jahre hindurch war der Vorwurf zu hören, daß der Bund in seinen finanziellen Aufwendungen für die Wissenschaft eine zu große Zurückhaltung zeigt. So war die öffentliche Meinung, nicht umgekehrt. Wir sind gerade angesichts der west-östlichen Spannung und des Wettbewerbs auf wissenschaftlichem Gebiet im Rahmen dieser Spannung mit Vorwürfen bedacht worden. Die letzten Diskussionen haben sogar den Eindruck erweckt, als ob mit den berühmten 458 Millionen DM die Grenze der finanziellen Leistungen des Bundes für die Wissenschaft erreicht sei. Ich kann erfreulicherweise diese Zahl richtigstellen. Im Jahre 1958 haben die Ausgaben des Bundes für Wissenschaft und Forschung insgesamt 538,7 Millionen DM betragen. Wir hoffen, mit
Bundesinnenminister Höcherl
Ihrer Zustimmung in diesem Jahr insgesamt 1475 Millionen DM für den kulturellen und wissenschaftlichen Sektor auswerfen zu können.
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Ich glaube, die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeiten für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung hätten nur ein einziges Ziel haben dürfen, nämlich wie die Mittel insgesamt verstärkt und gesteigert werden können - nicht, wer nun ausgerechnet bezahlt -; das wäre das einzige legitime Ziel gewesen.
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Aus der Volkswagenstiftung und den Gegenwertmitteln für den Verkauf der Volkswagenaktien - ebenfalls Leistungen des Bundes - kann die Wissenschaft in Zukunft nicht unbedeutende Zuschußmittel erwarten. Das Kuratorium ist gebildet. Es hat bereits zum erstenmal getagt. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die Mittel der Volkswagenstiftung nach Schwerpunkten eingesetzt und nicht - gestatten Sie mir den Ausdruck - verkleckert werden.
Ich glaube aber auch, dem Hohen Hause noch eine Rechenschaft über die Maßnahmen zur Erhaltung des deutschen Kulturerbes, das in der Großen Anfrage der FDP-Fraktion ausdrücklich angesprochen worden ist, schuldig zu sein. Die Bundesregierung hat vor allem beim Wiederaufbau kriegszerstörter Bauwerke von nationaler Bedeutung mithelfen können. Sehr oft war diese Mithilfe der Anstoß dafür, daß die sonstigen Beteiligten wie Land, Kirchen, Stadt oder Bürgerschaft schließlich den Entschluß faßten, den Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Als Beispiele für solche wiederhergestellten Bauwerke darf ich aufzählen: die Marienkirche in Lübeck, den Kaiserdom in Aachen, die Konstantin-Basilika in Trier, den Dom in Mainz, die Michaeliskirche in Hildesheim, den historischen Marktplatz in Osnabrück, die Synagoge in Worms, das Markgrafen-Theater in Erlangen, die Abteikirche in Maria Laach, die Kaiserdome in Speyer und Worms.
In der Literatur- und Musikpflege hat der Bund überall da seine Hilfe gewährt, wo es sich um Aufgaben von solchem Rang handelt, daß die Förderung durch die Gesamtheit der Nation mit Recht erwartet wird. Die Pflege des kulturellen Erbes, das als gemeinsamer deutscher Besitz erhalten und entwickelt werden muß, ist stärkstes Band unserer nationalen und staatlichen Einheit. Im Bereich der Literatur stellt sich die Aufgabe, die Institutionen zu pflegen und auszubauen, die die geistige Hinterlassenschaft und das Gesamtwerk unserer Dichter sammeln, ordnen, publizieren und wissenschaftlich erforschen, wie z. B. das Freie Deutsche Hochstift und Goethe-Museum in Frankfurt/Main für Goethe und den Kreis der Romantiker, das Deutsche SchillerMuseum in Marbach für Schiller und den schwäbischen Dichterkreis. Repräsentativ für das heutige literarische Leben ist die Darmstädter „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung", die ebenfalls vom Bundesministerium des Innern unterstützt wird. Im Bereich der Musik nenne ich das Beethovenhaus in Bonn, die Bachwoche in Ansbach, die Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth oder auch die Subventionierung unserer großen Orchester.
Ich darf darauf hinweisen, daß eines unserer betentendsten Orchester, das Bamberger Symphonieorchester, sich gegenwärtig auf einer sechswöchigen Auslandstournee in Südamerika befindet. Es ist die größte Auslandstournee, die überhaupt jemals in dieser Art von einem deutschen Orchester durchgeführt worden ist. Wir erwarten davon einen großen Gewinn, eine große Bereicherung unserer gegenseitigen Beziehungen.
Museen und Bibliotheken werden vom Bund gefördert, wenn ihnen besondere Bedeutung und internationaler Rang in der Selbstdarstellung der deutschen Nation zukommt. Als besonders markantes Beispiel nenne ich hier den „Preußischen Kulturbesitz" in Berlin - ohne auf die Streitigkeiten, die mit dieser Frage einmal verbunden waren, eingehen zu wollen, um den Frieden in dieser Debatte nicht zu stören - mit seinen trotz aller Kriegsverluste noch reichen und vielfältigen Schätzen an Museen und Sammlungen verschiedenster Art, an Archivalien und dem Großteil der Bestände der Preußischen Staatsbibliothek. Weitere Beispiele sind das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das Römisch-Germanische Museum in Mainz, das Deutsche Museum in München. Überall war das Deutsche Reich seit der Gründung finanziell beteiligt, und der Bund setzt diese Tradition - ich möchte sagen, mit Recht - fort.
Im Bereich der bildenden Kunst hat der Bund Kunstausstellungen gefördert, die für die gesamte Bundesrepublik und für deren kulturelles Ansehen in der Welt bedeutsam sind. Hier leiht der Bund seine finanzielle Unterstützung vor allem bei der Herstellung der Kataloge, die meistens zugleich ein Kompendium wissenschaftlicher Forschung darstellen. Zur Pflege der bildenden Kunst gehört nicht zuletzt die Förderung junger deutscher Künstler durch die vom Bund finanziell getragene Deutsche Akademie Villa Massimo in Rom.
Ich glaube, daß alle diese Leistungen, die unter bedeutsamer Mitwirkung des Staates ermöglicht worden sind, auch vor kritischen Augen bestehen können. Mit um so größerer Besorgnis betrachtet die Bundesregierung die oft geradezu feindselige Einstellung gewisser Kreise der Intelligenz gegenüber allen Maßnahmen des Staates im kulturellen Bereich.
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Die Bundesregierung bejaht die Notwendigkeit einer wachsamen Kultur- und Gesellschaftskritik, die auch vor den staatlichen Maßnahmen nicht haltzumachen braucht. Ich weiß von den Spannungen, die seit eh und je zwischen Staat und Kultur, zwischen Macht und Geist bestehen. Diese Spannungen haben auch ihre große positive Bedeutung. Sie müssen aber ihre Grenzen finden im Willen zur Objektivität und in der Anerkennung der erbrachten Leistung.
Ich wäre sehr dankbar, wenn die Kulturdebatte des Hohen Hauses dazu beitragen könnte, Gegensätze zu mildern und unsere Kritiker davon zu über732
Bundesinnenminister Höcherl
zeugen, daß auch die Bundesregierung sich der Bedeutung der im kulturellen Bereich wirksamen Kräfte für das Leben der Nation durchaus bewußt ist und daß sie ihre Freiheit und Unabhängigkeit achtet.
Mit diesen Ausführungen, meine Damen und Herren, glaube ich die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU im wesentlichen beantwortet zu haben.
Ich darf mich nunmehr den einzelnen Fragen der beiden anderen Großen Anfragen zuwenden. Ich glaube es vertreten zu können, wenn ich die Frage 1 der Großen Anfrage der SPD und die Frage 6 der FDP, die sich auf den gleichen Gegenstand - nämlich die Berliner Kulturinstitute - beziehen, zusammen beantworte.
Vielleicht wird sich auch im Rahmen der kurzen Erörterung ein Grund dafür zeigen, warum Herr Martin keinen besonderen Anlaß gehabt hat, in seinen Darlegungen darauf einzugehen; vielleicht war es die Überlegung oder gar das Wissen, daß die Bundesregierung von sich aus diese Frage nicht nur nicht vergessen hat, sondern daß sie bereits Außerordentliches geleistet hat und im Begriffe ist, noch mehr zu tun.
Die Bundesregierung hat für den Ausbau Berlins als eines Zentrums der Wissenschaft und Forschung wegen des besonderen kulturellen Ranges dieser Stadt und aus vielen anderen ,Gründen bereits sehr umfangreiche Leistungen vollbracht, die ich doch aufzählen muß. Allein für die Jahre 1956 bis 1961 wurden im Rahmen der Zuschüsse für den Berliner Aufbauplan insgesamt rund 105 Millionen DM zur Verfügung gestellt, und zwar im einzelnen für den Ausbau der Freien Universität 18 Millionen DM, für den Ausbau der Technischen Universität 24 Millionen DM, für den Bau von Studentenwohnheimen 11 Millionen DM. Dem etwa 167 Millionen DM erfordernden Bau des Klinikums der Freien Universität werden wir zunächst 8 Millionen DM und weitere Beträge im Verlaufe der ganzen Bauzeit zuwenden. Das Konzerthaus, dessen Gesamtkosten etwa 13 Millionen DM betragen, wird vom Bund 6 Millionen DM erhalten. Zu den insgesamt 28 Millionen DM betragenden Kosten für den Wiederaufbau der Oper wird der Bund rund 26 Millionen DM zuschießen. Von den insgesamt 12 Millionen DM betragenden Kosten des Wiederaufbaues des Charlottenburger Schlosses werden rund 10 Millionen DM übernommen. Dazu kommen aus den Mitteln des Bundesministeriums des Innern auf Empfehlung des Wissenschaftsrates zusätzlich 26 Millionen MD in den Jahren 1958 bis 1961 für den Ausbau der beiden Berliner Hochschulen.
Für dieses Haushaltsjahr soll Berlin im Rahmen des Aufbauplans für kulturelle Zwecke weitere 22,7 Millionen DM bekommen und darüber hinaus auf Empfehlung des Wissenschaftsrates im Jahre 1962 für den Ausbau der Berliner Universitäten 17 Millionen DM. Die Aufbringung des laufenden Unterhalts dieser Einrichtungen wird Berlin durch die auf Grund des § 16 des 3. Überleitungsgesetzes gezahlte Berlinhilfe ermöglicht. Neben diesen einmaligen Leistungen, die aber erfreulicherweise fast wiederkehrenden Charakter angenommen haben, gewährt der Bund laufende Zuschüsse zur Unterhaltung dieser Einrichtungen gemäß § 16 des 3. Überleitungsgesetzes.
In diesem Zusammenhang darf ich doch bernerken, daß der Bund sogar mehr Mittel bewilligt und zur Verfügung gestellt hat, als Berlin nach dem Stand seiner Planungen und seiner Baukapazität abrufen konnte.
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Damit ist wohl der beste Beweis dafür erbracht, daß der Kollege Martin mit Recht von einer ausführlichen Darlegung abgesehen hat.
Die Bundesregierung faßt die Frage 1 der Großen Anfrage der SPD nach den Absichten, Berlin als internationales Zentrum der wissenschaftlichen Forschung auszugestalten - wohl in Übereinstimmung mit den Fragestellern - so auf, daß diese Einrichtungen nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht internationalen Rang erhalten. Wenn darüber hinaus Verhandlungen der Bundesregierung mit Trägern von kulturellen Einrichtungen auf internationaler Basis dazu führen sollten, solche Institutionen nach Berlin zu verlegen, wird der Bund das nur begrüßen.
Die Fraktion der FDP fragt in diesem Zusammenhang noch, welche Institute mit internationalem Rang im Rahmen dieser Bemühungen ausgebaut und neu errichtet werden. Neu errichtet werden sollen im Rahmen ,des Ausbaus ,der beiden Berliner Universitäten: Im Rahmen des Ausbaus der Freien Universität ein Gebäude für die juristische Fakultät für 4,8 Millionen DM, ein Präpariersaal für das Institut für Veterinär-Anatomie für 2,7 Millionen DM, ein Gebäude für das Europa-Institut für 2,6 Millionen DM, ein Physiologisches und ein Physiologisch-chemisches Institut für 19 Millionen DM, ein Institut für anorganische Chemie für 18 Millionen DM, und im Rahmen des Ausbaus der Technischen Universität ein Gebäude für die Fakultät für Bauingenieurwesen für 2,1 Millionen DM, ein Gebäude für das Institut für Luftfahrt für 4,3 Millionen DM, ein Gebäude für die Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen für 11,9 Millionen DM, ein Institut für Verfahrenstechnik und Kältetechnik für 2,8 Millionen DM, ein Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft für 2,7 Millionen DM und eine Triebwerkhalle für 4 Millionen DM. Für den Wiederaufbau des Pharmazeutischen Instituts der Freien Universität ist außerdem ein Betrag von 3,8 Millionen DM und für den Wiederaufbau des Hauptgebäudes der Technischen Universität ein Betrag von 32 Millionen DM vorgesehen. Ich glaube, daß wir uns mit diesen Zahlen und diesen Planungen, die wir im Rahmen unserer Verpflichtungen für Berlin in Angriff genommen haben, sehr wohl sehenlassen können.
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Berlin war einst Mittelpunkt und Hauptstadt eines Reiches, das von Königsberg bis Konstanz reichte. Seine Bedeutung für die deutsche Kultur stand dem politischen und wirtschaftlichen Rang der Hauptstadt des Deutschen Reiches keineswegs
Bundesinnenminister Höcherl
nach. Den Wunsch nach einem Kulturzentrum sollte man - wenigstens in der Formulierung - mit Vorbehalt aussprechen, weil er nicht die Provinzialisierung der im Lande gewachsenen Kulturlandschaften bedeuten darf. Berlin ist nie ein Zentrum in diesem Sinne gewesen; es hat Impulse gegeben und auch mit großer Aufgeschlossenheit empfangen, und es war damit Sinnbild einer im guten Sinne starken und kraftvollen Kulturmetropole. Es sollte alles getan werden, um trotz der widrigen Umstände die wertvollen und wichtigen Anregungen, die Weitläufigkeit und Urbanität dieser großen Stadt in das kulturelle Leben ,der Bundesrepublik einmünden zu lassen. Die Mittel, die wir jetzt aufzuwenden im Begriffe sind, um Berlin kulturell zu helfen, werden voraussichtlich in vielfacher Form zurückströmen und in lebendiger Wechselwirkung unser kulturelles Leben in der Bundesrepublik um Elemente bereichern, die eben nur von Berlin aus kommen können. Sie werden den Berlinern eine Verstärkung der inneren Sicherheit und des Selbstbewußtseins geben, und das ist vielleicht noch bedeutsamer als alle anderen Auswirkungen.
Die Frage Nr. 2 der Großen Anfrage der SPD zielt offensichtlich darauf hin, warum man bei der Bildung der 4. Regierung Adenauer von der Einrichtung eines Wissenschaftsministeriums Abstand genommen hat. Der Herr Kollege Lohmar meinte, wir hätten keinen geeigneten Parteimann dafür bringen können. - Wir sollten uns diese Dinge aber nicht so billig und so einfach machen. Die Bundesregierung hat sich durchaus mit diesem Gedanken beschäftigt. Sie ist der Auffassung, daß die in vielen Ressorts betreute wissenschaftliche Forschung keines besonderen Ministeriums für die Koordinierung bedarf. Die gegenseitige Abstimmung erfolgt in einem interministeriellen Ausschuß unter dem Vorsitz des Innenministers, in dem alle an der Forschung interessierten Ressorts vertreten sind. Wir gehören nicht zu den Institutionsgläubigen und Organisationsgläubigen. Wir glauben, daß die lockere und lose Zusammenarbeit am runden Tisch - getragen von gutwilligen Kräften - bessere Erfolge erzielt als das Einzwängen und das Einpressen in Institutionen und Organisationen.
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Ich habe die Absicht, die Tätigkeit dieses Ausschusses, die hier, wie jede Einrichtung, durchaus der Aktivierung und der Intensivierung zugänglich ist, zu verstärken, um eine einheitliche Wissenschaftspolitik des Bundes zu erreichen.
Ein wesentlicher Teil der Koordinierungsarbeit geschieht ganz woanders, nämlich im Wissenschaftsrat, von dessen Leistungen wir Ihnen eine ganze Reihe überzeugender Beispiele nennen konnten, in dem die an der Forschung beteiligten Bundesressorts zusammen mit den Ländern vertreten sind und wo Verwaltung und Wissenschaft an einem Tische sitzen; ferner im Hauptausschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in dem ebenfalls Wissenschaftler und Vertreter von Bund und Ländern Sitz und Stimme haben. Diese Art der Koordinierung ist dem deutschen System der Förderung der Wissenschaft angemessener als ein Bundesministerium mit zentralen Aufgaben.
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Ich hoffe, deutlich gemacht zu haben, daß die wissenschaftliche Forschung uns vor Aufgaben stellt, die für das Schicksal der gesamten Nation bestimmend sind. Der Bund als Träger der gesamtstaatlichen Verantwortung kann und darf sich diesen Aufgaben nicht entziehen. Diese Verantwortung hat mich dazu veranlaßt - jetzt komme ich zu der Frage, ob die Bundesregierung ein Gesetz nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes vorlegen wird -, mein Haus zu beauftragen, ein solches Gesetz auszuarbeiten. Das Bundesministerium des Innern hat - vielleicht nicht ganz ohne Einfluß der etwas lebhaften Debatten in den letzten Wochen - diesen Auftrag gerade in diesem Augenblick erteilt. Sie sehen, Herr Lohmar, daß wir durchaus einer Belehrung zugänglich sind. Sie haben gemeint, es würde nun alles beim Stande etwa von Interviews bleiben. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Wir sind bereit, Belehrungen auch von dieser Seite des Hauses dankend anzunehmen, wenn sie fundiert sind.
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Das Zögern, diese Vorlage einzubringen, erklärt sich ganz einfach aus der verständlichen Scheu, im Bereich der Kultur und damit auch besonders der Wissenschaftsförderung durch staatliche Reglementierung einzugreifen. Diese Scheu, diese Zurückhaltung ist das Wesen, ist unsere Art von Kulturpolitik.
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Staatliche Hilfe soll behutsam fördern, sie soll Hindernisse beseitigen und sich regende Kräfte ermuntern. Sie darf nicht der Versuchung unterliegen, kraft finanzieller Überlegenheit leiten und anordnen zu wollen. Man läßt sich so oft dadurch beeindrucken, daß durch sehr ausgeprägte Organisationen nach außen hin oft etwas spektakuläre Ergebnisse erzielt werden. Wenn Sie dann aber die ganze Breite des Spektrums überblicken, sehen Sie, daß viele Felder unbestellt geblieben sind, und das ist das, was wir mit unserer Arbeit, mit loser Zusammenarbeit vermeiden wollen.
Wenn das Grundgesetz dem Bund die konkurrierende Zuständigkeit für die Gesetzgebung zur Forschungsförderung ausdrücklich zuerkannt hat, so erwartet eis von ihm die Regelung der organisatorischen Grundlagen, die auch für die Arbeit im kulturellen Bereich his zu einem gewissen Grade notwendig sind. Wir haben uns lange Zeit mit Verwaltungsabsprachen, mit Abkommen und ähnlichen Hilfsmaßnahmen begnügen können. Es fragt sich, ob diese ganz lockere Form auf die Dauer genügt, ob man nicht etwas mehr Stabilität und mehr Kontinuität erreichen sollte.
Von vielen Seiten, aus Kreisen der Kulturverwaltung der Länder, aus Kreisen der Wissenschaft, aus dem Parlament und aus der Presse, wurde deshalb die Anregung gegeben, die bisherige Regelung durch ein Bundesgesetz zu sichern bzw. zu ersetzen. Ich will den Versuch unternehmen, betone aber
Bundesinnenminister Höcherl
nochmals, daß dieses Gesetz lediglich der Organisation - und zwar in einer lockeren Form - der Förderung, nicht etwa der Organisation der Forschung selbst dienen soll. Das Gesetz soll auch die immer wieder, jüngst erneut, mit sachfremden Gründen angefochtene Funktion des Bundes im System der Forschungsförderung sicherstellen. Es wird den gewachsenen Verhältnissen soweit wie möglich Rechnung tragen. Keineswegs denken wir daran, die bewährten Institutionen zu gefährden oder zu beeinträchtigen. Für ergänzende Verwaltungsabsprachen wird immer ein Raum bleiben. Daß wir vor Einbringung eines solchen Gesetzes eine Absprache mit den Ländern vornehmen werden, bitte ich als eine Selbstverständlichkeit vorauszusetzen.
In der Frage 4 wird die Bundesregierung gefragt, ob die Absicht bestehe, die staatliche Auftragsforschung auszuweiten. Ich möchte dazu einiges vorweg bemerken.
Die Regierungsarbeit ist heute ohne wissenschaftliche Vorarbeit nicht mehr denkbar. Das gilt ganz besonders fair die Bereiche der Agrar-, der Wirtschafts- und Verkehrspolitik, gilt aber genauso für die Verteidigung und für den Bereich meines Hauses, beispielsweise für den zivilen Bevölkerungsschutz. Die Bundesregierung würde ihren Aufgaben nicht gerecht werden, wenn sie sich nicht die Ergebnisse der wissienschaftlichen Forschung nutzbar machte. Sie befindet sich damit in der gleichen Situation wie die Wirtschaft, die ebenfalls weitgehend auf den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung fußt.
Die für die Arbeit der Bundesregierung notwendige wissenschaftliche Vorbereitung kann sich nur in eigenen Forschungsinstituten oder im Wege der Auftragsforschung vollziehen. Auch die Fragesteller werden nicht der Meinung sein, daß die Bundesregierung neben den bereits bestehenden Forschungseinrichtungen dm großen Umfange neue Institute für ihre Zwecke gründen sollte. Es bleibt also nur der Weg der Auftragsforschung, der auch vom finanziellen Standpunkt aus und im Hinblick auf die Freiheit der Wissenschaft die glücklichste Lösung darstellt.
Es ist aber greifbar - Herr Lohmar, Sie haben ja 'die Katze aus dem Sack gelassen -, daß die Frage vornehmlich auf die Auftragsforschung im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums zielt. Dazu darf ich feststellen, daß gerade in diesen Tagen ein Gespräch zwischen dem Herrn Bundesverteidigungsminister und berufenen Vertretern der Wissenschaft geführt wird. Ich habe keine Zweifel, daß bei diesem Gespräch auch die Frage der im Bereich der Verteidigung unerläßlichen Geheimhaltung von Forschungsergebnissen in zufriedenstellender Weise behandelt wird, in dem Sinne, daß alle Schranken, die fallen können, wirklich fallen, damit alle übrigen Bereiche aus der Forschungsarbeit im Bereich der Verteidigung die Befruchtung erfahren, auf die sie Anspruch erheben können.
Auf jeden Fall sollten wir es begrüßen, daß das Verteidigungsministerium nicht beabsichtigt, für seine Zwecke eigene Institute zu gründen. Sonst bestünde die Gefahr - wir haben das schon einmal
erlebt -, daß sich der ganze Bereich der Wehrforschung und Wehrtechnik in eine Art geistiger Isolierung begibt und ,daß .die aus .den ganz neuen Aufgabenstellungen und Anforderungen der Wehrtechnik hervorgehenden Impulse der übrigen Forschung nicht zugute kommen.
Ich übersehe dabei nicht die Gefahr einer allzu starken Ausweitung der Auftragsforschung. Damit verbunden ist die Gefahr, daß manche Forschungsdisziplinen vernachlässigt werden, obgleich sie für den nachhaltigen langfristigen Erfolg dergesamten Forschungsarbeit ebenso wichtig sind. Deshalb lege ich von seiten .des Bundesministeriums des Innern als ,dem mit Spezialinteressen am wenigsten befaßten Ressort großes Gewicht auf die Förderung derjenigen Forschungsstätten, deren Arbeit im wesentlichen von der Initiative des Forschers selbst bestimmt wird. Das gilt insbesondere für die Arbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der bei dieser Gelegenheit für ihre hervorragenden Leistungen, für ihre ehrenamtliche Arbeit der besondere Dank der Bundesregierung ausgesprochen werden soll.
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Ich darf nun zu der Beantwortung der von der FDP gestellten Fragen kommen.
Zu Frage 1 darf ich folgendes feststellen. Es ist keineswegs richtig, daß die Bundesregierung den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 1960 nicht ausgeführt hätte; im Gegenteil, die Bundesregierung hat diesen Beschluß wie alle Beschlüsse dieses Hohen Hauses sehr ernst genommen. Lange bevor dieser Beschluß erging - jetzt will ich Sie mit den Gründen vertraut machen, warum Sie nichts gehört haben -, hat das Bundesministerium des Innern für die Bundesregierung Verhandlungen über die Abgrenzung der Zuständigkeiten im kulturellen Bereich mit den Ländern eingeleitet. Solche Verhandlungen haben auch ihre Gefahren. Man kann sich dadurch selbst Schranken setzen, die unaufhebbar sind. Man sollte bei dem Verlangen, schnell zu einer strikten Abgrenzung zu kommen, nicht ganz die Klugheit und die Weitsicht vergessen. Es gibt viele Dinge, meine Damen und Herren, die, wenn sie nicht genau geregelt sind, gerade Ihnen viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten geben als der Perfektionismus, der zu den auffallendsten und intensivsten deutschen Krankheiten gehört, für die wir ebenfalls ein Forschungsinstitut einrichten sollten.
({16})
Wie gesagt, wir haben uns zwei Jahre vor dem Beschluß von unserem Hause aus, das im Verdacht einer zentralistischen Einstellung steht - ausgerechnet unter Leitung meines Vorgängers, dem seit Jahr und Tag zentralistische Ansichten untergeschoben werden -, bemüht, eine solche Abgrenzung zu erreichen. Vielleicht trägt auch das zu einer gerechten Würdigung bei.
({17})
Bundesinnenminister Höcherl
Wir haben vor zwei Jahren auch schon eine vorläufige Verständigung erreicht und ein Abkommen paraphiert. Leider ist es nicht zu einer Unterzeichnung des Abkommens gekommen, und die Verhandlungen haben sich schließlich zerschlagen, aber daran ist nicht etwa der Bund schuld gewesen. Ich habe aber keinen Anlaß, hier die Schuldfrage zu erörtern. Ich habe meine guten Gründe dafür, weil sich neue Entwicklungen abzeichnen, die wir sehr begrüßen.
Die Länder haben sich später dann bereit erklärt, einer Regelung zuzustimmen, nach der sich der Bund an der Finanzierung des Ausbaues der Hochschulen in Höhe von 1 Milliarde DM beteiligen „darf". - Nun, meine Damen und Herren, wir wollen von dieser Erlaubnis, von dieser Zustimmung im Interesse der Länder Gebrauch machen.
({18})
Nach dieser Regelung wird der Zuschußbedarf der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der MaxPlanck-Gesellschaft vom Bund und den Ländern je zur Hälfte getragen. Ich habe im Rahmen der Auseinandersetzung über die Prozentsätze immer gemeint, der Streit könnte so ausgehen, daß das, was wir jetzt bezahlen, z. B. 4/5 bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Hälfte des öffentlichen Beitrages ist und daß die Länder ihren Anteil von 1/5 so auffüllen, daß sie ebenfalls eine gleiche Hälfte beibringen. Das wäre im Interesse der Sache gewesen. Ein letzter Brief meines Herrn Amtsvorgängers vom 14. April 1961 mit der Mitteilung, daß die Bundesregierung diesem Vorschlag zustimmt, ist bisher unbeantwortet geblieben. Die Bundesregierung begrüßt deshalb die Erklärung des Ministerpräsidenten Altmaier in der Plenarsitzung des Bundesrates vom 23. Februar dieses Jahres, daß die Länder bereit seien, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung wird sich unverzüglich um die Wiederaufnahme bemühen.
({19})
Die Verhandlungen waren also gar nicht abgeschlossen, sie sind fortgeführt worden. Wir waren nicht einmal schuld, daß sie nicht so zügig vorangetragen werden konnten. Sie haben hier also ebenfalls ein klassisches Beispiel für den Ernst, mit der die Bundesregierung Ihre Aufträge behandelt.
Zu der Frage 2 der Großen Anfrage der FDP ist die Bundesregierung der Meinung, wie das schon im allgemeinen Teil meiner Ausführungen zum Ausdruck gekommen ist, daß es eine ganze Reihe von kuturellen Aufgaben gibt, die, wie die Praxis gezeigt hat, am besten vom Bund und den Ländern und der Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam in der bisherigen bewährten Form wahrgenommen werden. Ich möchte aber genauso, wie es andere Redner getan haben und wie es schon gestern in der Haushaltsdebatte erfreulicherweise von den Vertretern aller Parteien zum Ausdruck gekommen ist, keinen Zweifel daran lassen, daß Aufgaben, die der Bund aus seiner gesamtstaatlichen Verantwortung wahrzunehmen hat, nicht auf eine wie auch immer geartete Ländergemeinschaft übergehen können. Sie wäre verfassungswidrig und könnte auch keineswegs die Ausgleichs- und Koordinierungsfunktion
des Bundes, die wirklich und sinngemäß in der Verfassung enthalten ist, übernehmen.
({20})
Wenn das ein Angehöriger einer klassischen föderalistischen Partei sagt, dürfen Sie mir glauben, daß das wirklich ernst gemeint ist und auch ernsthaft geprüft ist.
({21})
Ausgerechnet Sie wollen auf diesem Sektor etwas tun. Sie haben sich diese Vorschläge eines der prominenten Parteimitglieder nicht ganz zu eigen gemacht. Ich kann Sie zu dieser Zurückhaltung nur beglückwünschen, Herr Lohmar.
({22})
Nun zur Frage 3 der Anfrage der FDP. Die Bundesregierung ist Mitglied folgender internationalen Organisationen: der Europäischen Organisation für Kernforschung, der Europäischen Organisation für Weltraumforschung, der Europäischen Organisation für Entwicklung eines Satellitenträgers, Aufgabengebiete, die ich im Rahmen der Regierungsbildung eingebüßt habe; nun, es ist schon verschmerzt, nachdem mir heute freundlicherweise die Gelegenheit gegeben wird, nicht nur über Notstandsmaßnahmen und anderes zu sprechen, sondern auch von angenehmeren Dingen. - Ferner ist die Bundesregierung Mitglied der wissenschaftlichen Gremien des Europarates, von EURATOM, der OECD, des Wissenschaftsrats der NATO und der EWG.
Schon aus dieser Mitgliedschaft und der Mitwirkung der Bundesregierung in diesen Einrichtungen - wobei es nicht so sehr darauf ankommt, wie dort nun die Repräsentanz ist, ob nun auch Vertreter aus anderen Bereichen mit in der deutschen Repräsentanz enthalten sind; das darf hier nicht das Entscheidende sein; Großzügigkeit in diesen Dingen dient auch der Sache - folgt, daß die Bundesregierung eine absolut positive Einstellung zu diesen Einrichtungen hat. Eine internationale Zusammen- arbeit auf vielen Gebieten, wie z. B. der Weltraumforschung und der Atomforschung, ist schon deshalb notwendig, weil die Bewältigung bestimmter Probleme, gerade auch dieser Probleme, die wissenschaftliche und finanzielle Kapazität einzelner, auch sehr großer Länder übersteigt.
Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Meinung, daß alle Versuche, auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet einen Zusammenschluß Europas voranzutreiben und einen Zusammenschluß, der darüber hinausgeht, zu erreichen, nur dann zum Ziel führen können, wenn gleichzeitig auf kulturellem Gebiet eine möglichst enge Zusammenarbeit stattfindet. Wie klein nimmt sich angesichts dieser Aufgaben ein solcher Hausstreit aus, den wir uns gelegentlich immer wieder leisten.
({23})
Der Zusammenschluß aller kulturellen Kräfte der freien Welt ist schon im Hinblick auf die geistigen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West geboten.
Zu der Frage 4 der Anfrage der FDP darf ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen folgendes erwidern.
Bundesinnenminister Höcherl
Die Kultrusminister der Länder haben sich bereiterklärt, unter intensiver Mitwirkung und Anregung des Bundes die Auslandstätigkeit der in ihrem Dienst stehenden Wissenschaftler und Hochschullehrer durch eine großzügige Beurlaubung zu erleichten.
Das Auswärtige Amt und die Länderkultusverwaltungen haben ferner im engsten Zusammenwirken die „Vermittlungsstelle für deutsche Wissenschaftler im Ausland" eingerichtet. Sie betreut die Gelehrten während ihres Auslandsaufenthalts und trifft Vorsorge für ihre Wiedereingliederung .in das deutsche akademische Leben nach ihrer Rückkehr. Die Bundesregierung ist laufend bemüht, die Länder zu veranlassen, für die wirtschaftliche Sicherstellung der in das Ausland gehenden Wissenschaftler in den Länderhaushalten Leerstellen einzurichten. Andere Möglichkeiten haben wir leider nicht. Für die Dauer des Auslandsaufenthalts gewährt das Auswärtige Amt finanzielle Zuschüsse. Die oben genannte Vermittlungsstelle läßt sich auch die Pflege des wissenschaftlichen Kontakts zwischen den im Ausland tätigen Gelehrten und ihrer deutschen Hochschule angelegen sein.
Diese Bemühungen sind gar nicht so ergebnislos geblieben, wie es in den Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Hellige den Anschein hatte. Heute sind wieder 200 deutsche Hochschullehrer, davon ein Drittel Ordinarien, im Ausland, vor allem in den Entwicklungsgebieten.
In ähnlicher Weise ist für die über 1000 Lehrer gesorgt, die von den Kultusministerien der Länder beurlaubt sind und vom Auswärtigen Amt an die 132 deutschen Auslandsschulen vermittelt wurden.
Ich bitte immer wieder, zu bedenken, wie kurz der Zeitraum für die Wiederherstellung all dieser Einrichtungen war und was wir daneben noch an riesigen Aufgaben zu bewältigen haben. Wenn Sie die Relationen betrachten, müssen Sie, glaube ich, zugeben, daß sich das alles sehen lassen kann.
Es bestehen gewisse Unterschiede in der Besoldung zwischen den Auslandslehrern und den Angehörigen des Auswärtigen Dienstes im Ausland oder auch den Gewerbeschullehrern und Dozenten des Goethe-Instituts, obwohl die Gehälter der deutschen Auslandslehrer ab 1. April 1959 bereits erheblich verbessert worden sind. Verhandlungen der beteiligten Bundesressorts über eine Angleichung der Bezüge aller im amtlichen Auftrag im Ausland tätigen Kräfte zum 1. Januar 1963 sind unter Federführung meines Ministeriums im Gange. Bei ihrer Rückkehr ist den Lehrern eine ihrer beamtenrechtlichen Stellung entsprechende Wiederverwendung im heimatlichen Schuldienst gewährleistet.
Zu der Frage 5 der Anfrage der FDP darf ich folgendes bemerken. Die Repräsentation der deutschen Kultur im Ausland - ich verwende ausdrücklich den Ausdruck „Repräsentation", weil die Bundesregierung der Meinung ist, daß mit der Kulturarbeit keine Propaganda verbunden sein sollte - darf sich nicht bestimmen lassen durch die Propagandaaktionen der sowjetisch besetzten Zone. Sie darf das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand
geben. Die Bundesregierung beobachtet zwar aufmerksam die in letzter Zeit immer stärker werdenden kulturpropagandistischen Bestrebungen der SBZ im Ausland. Ohne diese zu unterschätzen glaubt sie aber, daß sich die Kulturpolitik der Bundesrepublik als die wirksamere erweist. Die Bundesregierung hat auf Grund eigener Initiative seit Jahren Vorsorge getroffen, daß unsere Darstellung der deutschen Kultur im Ausland voll zur Geltung kommt. Einmal ist zu berücksichtigen, daß sich die SBZ im wesentlichen auf einige ihr als für ihre Propaganda besonders empfänglich erscheinende Länder konzentriert, während die Bundesregierung eine weltweite Politik betreibt. Sie ist ferner der Auffassung, daß unsere Leistungen auf dem Gebiet der Kulturpolitik im Ausland das höhere Niveau aufweisen und daß sie schon deshalb wirkungsvoller sind, weil sie ganz im Gegensatz zur SBZ nicht einen nur allzu durchsichtigen propagandistischen Zweck verfolgen, sondern von der Absicht eines echten kulturellen Austausches bestimmt sind. Zweifellos wäre jedoch in dieser Hinsicht ein noch stärkerer finanzieller und personeller Einsatz möglich und wünschenswert, und er liegt ganz in Ihrer Entscheidung, meine Damen und Herren.
Folgende Einzelmaßnahmen darf ich in diesem Zusammenhang erwähnen. Es sind in den letzten Jahren in aller Welt über 170 deutsche Kultur- und Sprachinstitute eingerichtet worden, an denen über 300 Kräfte hauptamtlich arbeiten. In dieser Richtung wirken auch Gastspiele deutscher Orchester - ein Beispiel besonders glänzender Art habe ich bereits erwähnt -, Opern- und Theaterensembles, deutsche Buch- und Kunstausstellungen und die vielfältigen Maßnahmen auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Austausches, unter die die Stipendiengewährung für Studenten ebenso fällt wie die Entsendung deutscher Wissenschaftler an ausländische Hochschulen.
Viele der hier aufgezeigten Maßnahmen dienen - selbstverständlich in entsprechender Modifizierung - auch der Bildungshilfe für Entwicklungsländer. Das gilt insbesondere für die deutschen Auslandsschulen, die über ihren ursprünglichen Charakter als Unterrichtsstätten für deutsche Schüler im Ausland hinaus heute weitgehend - und zum Teil sogar überwiegend - den Kindern aus den betreffenden Ländern selbst zur Verfügung stehen. Aber auch die Vermittlung deutscher Lehrer an ausländische Schulen, die Sprachkurse an deutschen Kulturinstituten, die Lektoren und Dozenten an ausländischen Hochschulen, die Stipendiengewährung an ausländische Studenten sowie zahlreiche weitere das Erziehungswesen in den Entwicklungsländern fördernde Maßnahmen gehören zu der von der Bundesregierung, den Länderregierungen und einer Reihe von mit Bundesmitteln unterstützten nichtstaatlichen Organisationen und Institutionen den Entwicklungsländern gegebenen Bildungshilfe.
Ein wichtiger Bestandteil der Bildungshilfe sind auch der fachlichen und handwerklichen Ausbildung in den Entwicklungsländern dienende Einrichtungen wie technische Lehranstalten, Ingenieurschulen, Gewerbeschulen, landwirtschaftliche Lehrbetriebe, medizinische Anstalten und andere Ausbildungsstätten. Derartige Einrichtungen werden wirkungsvoll erBundesinnenminister Höcherl
gänzt durch in der Bundesrepublik zur Verfügung stehende Ausbildungsstätten, Seminare und dergleichen sowie durch die Entsendung einer großen Zahl von deutschen Experten in Entwicklungsländer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesamttableau wollte ich Ihnen Rechenschaft darüber geben, wie die Bundesregierung die Mittel, die Sie ihr von Jahr zu Jahr erfreulicherweise in steigendem Maße zur Verfügung gestellt haben, zur Erfüllung des Spezialauftrages der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der sonstigen kulturellen Aufgaben, vor allem auch der Förderung des kulturellen Kontakts mit dem Ausland, verwandt hat. Ich wäre dankbar, wenn die Sprache dieser Leistungen, dieser doch recht beachtlichen Ergebnisse, Sie veranlassen könnte, den Anforderungen zu entsprechen, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet im Haushaltsjahr 1962 stellt. Es ist durchaus nicht so, wie es einer der Herren, der eine der Großen Anfragen begründet hat, zum Ausdruck gebracht hat, daß keine Übersicht darüber vorhanden sei, wie diese Mittel von der Bundesregierung eingesetzt seien. Ich darf Sie bitten, zu Ihrer Aufklärung den Funktionenplan in der Drucksache IV/200 zu lesen, der eine ausführliche, sehr sachgerechte und nach Sachgebieten geordnete Zusammenstellung enthält. Wenn Sie das gelesen haben, werden Sie den Vorwurf zurückziehen.
Wenn Regieren im wahrsten Sinne des Wortes Vorsorge heißt, kann es keinen Zweifel darüber geben, daß die Leistungen in diesem Sektor in dem Katalog der Dringlichkeiten unmittelbar nach den Fragen der inneren und äußeren Sicherheit kommen, und zwar im Interesse des einzelnen und unserer Zukunft. Ich bin der Auffassung, daß es in dieser Frage nicht mehr zu einem Streit zwischen den Ländern und dem Bund kommen sollte, sondern daß es nur eine einzige Möglichkeit der Auseinandersetzung gibt, nämlich einen Wettstreit, mehr zu tun, um vor der Zukunft, vor der kommenden Generation bestehen zu können.
({24})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört.
Für die Beratung liegen bis jetzt sieben Wortmeldungen vor. Ich unterbreche deshalb die Sitzung. Wir fahren heute nachmittag um 15 Uhr fort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Süsterhenn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst
möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister danken für ,den umfassenden Überblick, den er über die kulturellen Leistungen des Bundes gegeben hat. Wenn man diesen Überblick auf sich wirken läßt, muß man immerhin sagen, daß das, was ich heute morgen von meinem engeren politischen Freund Dr. August Dresbach in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen habe: „O Bund, du Hund, du bist nicht gesund", zweifellos eine unzulässige Verzerrung der Situation darstellt. Denn das, was hier an effektiven Leistungen aufgezählt und aufgewiesen worden ist, kann sich sehen lassen, und darauf wollen wir stolz sein. Die so häufig geübte Kritik an der Untätigkeit der staatlichen Stellen auf dem Gebiete der Kulturpolitik und an unzureichenden Leistungen dürfte meines Erachtens in einer sehr einleuchtenden Weise widerlegt worden sein.
Das gilt insbesondere, wenn wir uns darüber im klaren sind, daß nach der Verfassungslage in der Bundesrepublik die Kulturpolitik nicht nur eine Aufgabe des Bundes, sondern auch eine Aufgabe der Länder ist. Nach der Verfassungslage könnte man vielleicht sogar umgekehrt sagen, daß die Kulturpolitik zum größeren Teile eine Aufgabe der Länder und auch eine Aufgabe des Bundes ist.
Ich habe dieser Tage in einer Zeitung einige Anmerkungen des Herrn bayerischen Kultusministers Professor Maunz gelesen, in denen er sagt, ,daß die Gesamtheit der deutschen Länder etwa zehn- oder elfmal soviel Mittel für kulturpolitische Zwecke ausgebe als der Bund. Ob die Zahlen genau richtig sind, ob es auch nur ,das Fünf- oder Sechs- oder Sieben- oder Achtfache statt des Zehnfachen ist, spielt keine Rolle.
Wenn man über deutsche Kulturpolitik spricht, kann man nach der Verfassungslage der Bundesrepublik nicht nur den Bund sehen, kann man auch nicht nur die Aufgaben sehen, die von Bund und Ländern gemeinsam gelöst werden, sondern man muß auch die Aufgaben mit einbeziehen, die von den Ländern auf Grund ihrer verfassungsrechtlichen Befugnis und Verpflichtung alleine erfüllt werden. Wenn ich so die deutsche Kulturpolitik - Kulturpolitik betrieben durch den Bund, betrieben durch die Länder und betrieben in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern - als ein Ganzes sehe, muß ich es außerordentlich bedauerlich finden - ich möchte nicht von der jetzigen After-dinner-Situation sprechen, wo die Bundesratstribüne völlig leer ist, sondern ich erinnere an die Zeit des heutigen Vormittags, wo der Herr Bundesinnenminister seine seine sehr instruktiven und wertvollen Ausführungen gemacht hat -, daß die Bundesratstribüne heute angesichts des so lautstark angemeldeten kulturpolitischen Anspruchs der Länder so leer war.
({0})
Das hat mich als überzeugten Föderalisten tief bedrückt.
({1})
- Hier habe ich ja entschuldigend von „einer Art Dinner-Situation" gesprochen. Aber auch das ist ja nicht gerade ein eindrucksvolles Bild
({2})
des kulturpolitischen Willens des Deutschen Bundestages. Ich danke Ihnen für diese Zwischenbemerkung; damit man also auch die Kritik nach allen Seiten gerecht zu verteilen in der Lage ist.
({3})
- Marschieren im Geiste mit, jawohl.
({4})
Der Herr Bundesinnenminister hat zu Beginn seiner Ausführungen betont, daß er die Kulturpolitik nicht als Angelegenheit eines Kompetenzstreites behandeln wolle, und er hat meines Erachtens sehr gut daran getan. Er hat also, möchte ich aus dieser Bemerkung schließen, weniger als Verfassungsminister denn als Kulturminister gesprochen; er hat also mehr Wert gelegt auf die Fragen der kulturpolitischen Zweckmäßigkeit, auf die Fragen der kulturpolitischen Praxis, auf die Organisation und die finanzielle Förderung der Kulturpolitik, und er hat dann mit der Feststellung geschlossen: Die Kompetenzfragen sind weniger wichtig; Bund und Länder mögen sich in einem kulturpolitischen Wettstreit zusammenfinden. Ich lasse das vom Standpunkt der Kulturpolitik aus gesehen durchaus gelten. Ob es eine zutreffende Charakterisierung unserer verfassungsrechtlichen Situation gewesen ist, möchte ich dahingestellt sein lassen; zum mindesten war es eine sehr vereinfachende Darstellung unserer Verfassungslage auf diesem Gebiet.
({5})
- Für den Hausgebrauch, ja. Aber wir sind ja letzten Endes ein Verfassungs- und Rechtsstaat und müssen die Grundlinien, die wir durch die Verfassung festgelegt haben, im Auge behalten, selbst wenn sie sich nicht immer als äußerst bequem, ja selbst wenn sie sich im einzelnen Falle noch nicht einmal als zweckmäßig erweisen sollten.
Im übrigen bin ich der Auffassung, daß der Bund selbstverständlich das ungeschriebene Recht zur Koordination in allen das Leben des deutschen Volkes betreffenden Angelegenheiten hat und damit selbstverständlich auch das Recht und die Pflicht, aus der bundesstaatlichen Verfassung heraus für die Koordination auf dem Gebiete der Kulturpolitik zu sorgen. Koordinieren ist natürlich nicht dasselbe wie Dirigieren, noch viel weniger dasselbe wie Kommandieren. Ich bin dem Herrn Bundesinnenminister sehr dankbar dafür, daß er so großen Wert darauf gelegt hat, an einer Fülle von praktischen Beispielen zu illustrieren, wie gut und positiv diese Koordination, diese Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern funktioniert. Ich glaube, man sollte den Herrn Bundesinnenminister und die Bundesregierung durchaus ermutigen, auf diesem Wege der freundschaftlichen Zusammenarbeit, also dieser Koordination, die nicht identisch ist mit Kommando, weiter fortzuschreiten.
Es ist ganz klar - einer der Herren Redner hat es schon gesagt, ich glaube, es war der Herr Kollege Lohmar, oder es ist in der gestrigen Debatte einmal gesagt worden -: die Verfassung fixiert natürlich immer eine bestimmte Situation. Aber diese Situation, in der eine Verfassung geschaffen worden ist und die Normen fixiert worden sind, bleibt natürlich nicht dieselbe. Infolgedessen befinden wir uns zweifellos nicht mehr in der Situation des Jahres 1949, als wir das Grundgesetz gemacht haben, sondern die Zeit ist weiter fortgeschritten, und wenn eine Verfassung allzu starr ist, besteht die große Gefahr, daß irgendwelche Friktionen eintreten.
Nun scheint es mir der Vorzug der föderalistischen Verfassung zu sein, daß sie wie kaum eine andere dynamisch, daß sie dehnbar, daß sie also an den Fortschritt der tatsächlichen Entwicklung anpassungsfähig ist, - wenn man diese Verfassung nicht lediglich als eine starre Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sieht, sondern wenn man das Wesen einer föderalistischen Verfassung dahin versteht, daß in einem Bundesstaat Bund und Länder zur Kooperation oder, wie es das Bundesverfassungsgericht einmal ausgedrückt hat, zur Realisierung des Prinzips der wechselseitigen Bundestreue verpflichtet sind. Einer der Reichskanzler der Weimarer Republik, Herr Dr. Luther, den ich für einen .der erfahrensten Kenner deutschen Staatslebens halte, hat einmal gesagt: In einem Bundesstaat gibt es eigentlich drei Rechtsquellen; die eine ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die andere die Gesetzgebungskompetenz der Länder, und die dritte Rechtsquelle ist die des Staatsvertrages oder der Verwaltungsabkommen oder des praktischen Arrangements. Ich glaube, daß gerade in dieser dritten Rechtsquelle die große Chance für eine bundesstaatliche Verfassung liegt, auch neue Probleme, die auftauchen, einvernehmlich zu lösen.
Der Herr Bundesinnenminister hat einen eindrucksvollen Überblick über diese vielfältigen Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gegeben. Wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir aber auch feststellen, daß die Länder unter sich bereits erfolgreiche Koordinationsmaßnahmen durchgeführt haben. Ich darf mich hier wiederum auf den Herrn bayerischen Kultusminister Prof. Maunz berufen, der kürzlich einmal gesagt hat, daß die Ständige Konferenz der Kultusminister während ihres Bestehens bisher in 300 Abkommen und Absprachen, sei es über Institutionen wissenschaftlicher und kultureller Art, sei es auch über praktische Maßnahmen der Angleichung des Schul-und Hochschulwesens in den deutschen Ländern, wesentliche, notwendige Vereinheitlichungsmaßnahmen durchgeführt hat.
Angesichts dieser Tatsache einer erfolgreichen Koordinationsarbeit zwischen Bund und Ländern einerseits und andererseits auch der Länder untereinander vermag ich eigentlich nicht zu verstehen, daß Herr Kollege Lohmar im Anschluß an die Ausführungen des Herrn von Knoeringen noch ein weiteres Interländergremium in Form eines Länderkulturrates, oder wie man es heißen will, in Vorschlag gebracht hat. Nach meiner Überzeugung ist
die Kultusministerkonferenz durchaus in der Lage, die notwendigen Koordinationsaufgaben, die zwischen den Ländern zu erfüllen sind, zu erfüllen, und es bedarf hierzu gar keines weiteren Gremiums mehr. Ich würde das als eine völlig unnötige Überorganisation ansehen, zumal es ja gerade die Kultusministerkonferenz gewesen ist, die die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Bund, sei es im Deutschen Ausschuß für Erziehung, sei es im Wissenschaftsrat oder auf so manchen anderen Gebieten, mitgestaltet hat. Warum denn hier noch einmal eine formelle dritte Organisation schaffen, für deren Betätigung - es nicht ganz klar, wie es im einzelnen ausgestaltet werden soll, welche Befugnisse sie haben soll - ich zunächst keinen praktischen Raum sehe und gegen deren Betätigung ich unter Umständen auch verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden hätte.
Es ist ganz klar, daß die Länder befugt sind, unter sich zusammenzuarbeiten, und in diesem Sinne bildet auch die Ständige Kultusministerkonferenz eine Ländergemeinschaft, gegen die sich sicherlich auch der Herr Bundesminister nicht wenden wollte, als er sich gegen Ländergemeinschaften ausgesprochen hat. Ländergemeinschaften könnten nur dann als verfassungswidrig, als grundgesetzwidrig bezeichnet werden, wenn sie über die Aufgabe der Koordination hinaus unmittelbare Staatsgewalt im Namen einer Ländergemeinschaft in die Länder hinein auszuüben beanspruchten. Eine derartige Ländergemeinschaft wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Warum also da noch dieses unklare Gebilde des neuen Kulturrates schaffen?
Wir sind uns darüber im klaren, daß es nicht die Aufgabe des Staates ist, Kultur zu machen - das hat der Herr Bundesinnenminister vor allem im letzten ,Teil seiner Ausführungen mit erfreulicher Deutlichkeit festgestellt -, sondern daß Kulturpolitik überhaupt nur 'bedeuten kann: Kultur fördern, anregen, hilfreich der kulturellen Entfaltung, dem freien kulturellen Schaffen zur Seite stehen und gegebenenfalls auch Wildwüchse, die mit den Forderungen des Gemeinwohls nicht im Einklang stehen, beschneiden. Zu einer positiven Kulturpolitik gehört auch, daß man nicht allem, was nichts mit Kultur zu tun hat, sondern letzten Endes kultur-und sittlichkeitszerstörend wirkt, freien Weg gibt. Die Hilfestellung des Staates auf dem Gebiet der Kulturpolitik scheint mir vom Herrn Bundesinnenminister sehr richtig hervorgehoben worden zu sein.
Natürlich: Kulturpolitik ist mehr als Organisation, mehr .als Verwaltung, mehr als Finanzierung. Wir müssen uns selbstverständlich auch mit den geistigen Grundlagen der Kulturpolitik, mit den kulturellen Grundwerten befassen. Ich bin dem Herrn Kollegen Lohmar sehr dankbar, daß er gerade dieses Thema angeschnitten hat, allerdings in Form eines sehr unvollständigen Zitats aus einem Protokoll des Eilwanger Kreises.
({6})
- Es wäre zu lang. Ich habe mir inzwischen das
Protokoll beschafft. Das sind beinahe 40 Seiten. Es
würde deshalb wohl zu weit führen, das Protokoll
hier zum Gegenstand einer Analyse zu machen. Ich bin aber bereit, mit Ihnen .gemeinsam in diese Analyse einzutreten, wenn Sie im einzelnen Wert darauf legen.
Obwohl die CDU/CSU als solche sich keineswegs durch den Ellwanger Kreis irgendwie festgelegt fühlt, möchte ich .doch erklären, daß für die CDU/ CSU-Fraktion und auch für mich persönlich keinerlei Notwendigkeit besteht, sich von dem, was dort gesagt worden ist, und insbesondere von dem, was dort als Zitat des heute morgen auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Strauß - ich sehe, er ist wieder da - wiedergegeben worden ist, irgendwie zu .distanzieren.
Ja, wir bekennen uns zum Humanismus. Aber Humanismus ist heute ein so ausdeutbares Wort geworden, daß es schon notwendig ist, diesen Begriff mit etwas mehr Inhalt anzureichern.
({7})
Vom Humanismus des Herrn Sartre will ich gar nicht sprechen. Ich möchte hier gern in unsere deutsche Gegenwart hineingehen. Vor zwei oder drei Wochen habe ich im „Vorwärts" einen sehr interessanten Artikel über den aus Leipzig in die Bundesrepublik geflohenen Philosophieprofessor Bloch gelesen. Auch da wurde mir ein Humanismus serviert. Meine Damen und Herren, einen derartigen Humanismus lehnen wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union allerdings ganz entschieden ab, weil uns dieser Humanismus in eine fatale Nachbarschaft des Ulbrichtschen sogenannten Humanismus zu geraten scheint.
({8})
- Ich haben den 'Bericht gelesen, Herr Kollege Erler.
({9})
- Ich habe den Bericht im „Vorwärts" gelesen, ({10})
und ich nehme nicht an, daß der „Vorwärts" dem Herrn Bloch unrecht tut. Lesen Sie das bitte nach. Ich könnte Ihnen auch noch mit einigen Zitaten von Herrn Bloch aufwarten. Da würden Ihnen wahrscheinlich die Augen überlaufen, und Sie würden diese Nachbarschaft wahrscheinlich entschieden ablehnen.
({11})
- Warum denn so aufgeregt, meine Damen und Herren?
({12})
Das wird uns aber auch als Humanismus präsentiert, und diesen Humanismus lehnen wir ab.
({13})
- Schön, daß wir in dem Punkte einig sind, daß es mit diesem verschwommenen Begriff „Humanismus" allein also nicht getan ist.
Jetzt will ich Ihnen sagen, was nach Auffassung der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union zu unserem Begriff des Humanismus hinzugehört. Das ist der Begriff des christlichen Humanismus, die Tatsache, daß in diesem Humanismus die christlichen Werte die entscheidenden und die bestimmenden sind.
({14})
- Meine Damen und Herren, Spanien! Ich könnte ja jetzt auch von Tito - Jugoslawien sprechen, wo sich Ihr Kollege Schmid im Augenblick aufhält. Ich tue das bewußt nicht. Wir reden ja hier von den deutschen Verhältnissen.
Da bin ich allerdings der Meinung, daß wir allein für unsere deutschen Verhältnisse die Verantwortung tragen. Ich schiebe Ihnen nicht die Verantwortung für Jugoslawien in die Schuhe, schieben Sie bitte uns nicht die Verantwortung für Spanien in die Schuhe!
({15})
Für uns gehört zum Begriff und Wesen des Humanismus, daß er vom christlichen Denken, vom christlich-religiösen Denken her bestimmt ist. Wir bekennen uns ausdrücklich zum christlichen Humanismus. Wir wollen uns - damit das ganz klar ist - auch darüber im klaren sein, daß dieser christliche Humanismus durchaus seinen gesicherten und verfassungsrechtlich' garantierten Platz im Rahmen unseres Grundgesetzes hat, das ja damit beginnt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott". Es bietet also durchaus für einen theistischen, christlichen Humanismus, für eine entsprechende Kulturbetrachtung und Kulturpolitik Raum, und wir, die CDU/CSU, sind gewillt, diesen uns verfassungsrechtlich gebotenen Raum auszufüllen.
({16})
Letzten Endes kommen wir in der großen geistigen Auseinandersetzung zwischen Ost und West, die nicht nur unseren Kontinent, sondern die ganze Welt durchpulst, mit irgendwelchen blassen, unentschiedenen Begriffen von Humanismus nicht durch, sondern da müssen wir Farbe bekennen, was für uns das Humanum ist. Für uns ist der Mensch ein Geschöpf Gottes, und das Humanum hat nur seinen Sinn durch die Verankerung im Religiösen, im Christlichen. Das wollen wir auch auf dem weiten Gebiet der Auslandskulturpolitik und insbesondere auch auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe, die wir mit besonderer Betonung als eine Bildungshilfe ansehen, verwirklicht und garantiert wissen.
Auf dem Gebiet der Auslandskulturpolitik müssen wir nach meinem Dafürhalten, Herr Bundesinnenminister - mehr noch richte ich diese Bitte an die Adresse des Auswärtigen Amts -, noch unendlich viel mehr tun. Es ist sehr _viel getan worden, aber wenn man im Ausland sieht, was andere Staaten auf diesem Gebiete leisten, auch uns befreundete Staaten, und nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern seit Jahrzehnten, dann kann einen mitunter der blasse Neid ankommen.
Ich möchte insbesondere dem Herrn Vertreter des Auswärtigen Amts sagen: das System, in den wichtigen Metropolen der Welt Deutsche Häuser zu gründen, scheint mir einmal einer Prüfung wert zu sein. Wenn man in anderen Hauptstädten sieht, wie Häuser anderer Länder wirklich Kulturmittelpunkte, gesellschaftliche Mittelpunkte, auch Mittelpunkte wirtschaftlicher Werbung sind - unsere Häuser würden auch Stützpunkte für die Deutschen im Ausland und für alle diejenigen sein, die Freunde Deutschlands sind oder sich über Deutschland informieren wollen -, muß man sagen, daß sich das Auswärtige Amt doch einmal näher mit derartigen Häusern und Projekten dazu befassen sollte. Das gilt besonders, wenn die Anregung zur Verwirklichung derartiger Projekte gerade von Ausländern an uns herangetragen wird, und zwar mit der Bereitschaft, sich nicht nur etwas schenken zu lassen, sondern dafür von ausländischer Seite auch ganz erhebliche Opfer zu bringen.
Wir bejahen den Gedanken einer Intensivierung der Kulturpolitik im Bund, in den Ländern und in der Gemeinschaftsarbeit zwischen Bund und Ländern und möchten den Herrn Bundesinnenminister bitten, die Aufgabe der Koordinierung noch stärker in seine Obhut zu nehmen, als das bisher von seinem Ministerium aus geschehen ist, und zwar zunächst was die Koordination der wissenschaftlichen Forschung und der Kulturpolitik im weitesten Sinne zwischen den Bundesministerien angeht. Wir haben von einem interministeriellen Ausschuß gehört und sind sehr froh darüber, daß er existiert. Ich glaube jedoch, daß in der Öffentlichkeit weithin nicht allzu viel von seiner positiven Tätigkeit bekanntgeworden ist. Klappern gehört auch zum Handwerk, Herr Minister; wenn man etwas Gutes tut, soll man das nicht verschweigen, sondern es ohne weiteres auch ruhig einmal dem Lichte der Öffentlichkeit aussetzen.
Ein Weiteres! Ich bedauere sehr - ich sage das, obwohl die Bundesratsbank fast leer ist -, daß das Schreiben des Bundesinnenministeriums vom April vorigen Jahres, in dem vorgeschlagen wurde, weitere Verhandlungen zwecks Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern aufzunehmen, bisher nicht die entsprechende Beantwortung gefunden hat bzw. erst in den letzten Tagen durch den Ministerpräsidenten Altmeier mündlich beantwortet worden ist. Herr Bundesinnenminister, nehmen Sie Herrn Altmeier, nehmen Sie den Bundesrat, nehmen Sie die Kultusministerkonferenz beim Wort und sorgen Sie dafür, daß Bund und Länder durch eine Fülle, sei es formeller Abmachungen, sei es mündlicher oder stillschweigender Arrangements das tun, was das gesamte deutsche Volk erwartet, nämlich die deutsche Kultur in größt- und bestmöglichem Ausmaße zu fördern und in unserem Volke und gegenüber der Welt positiv darzustellen.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Frede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Süsterhenn hat zum Mittelpunkt seiner Ausführungen die Frage der Koordinierung aller kulturpolitischen Aufgaben geDr. Frede
macht. Ich halte das für sehr wesentlich und richtig. Diese Koordinierung ist auch einer der wesentlichen Punkte der Anfragen, die wir heute behandeln. Darüber hinaus haben Sie, Herr Süsterhenn, mit einigem Pathos zu den Grundfragen der Kulturpolitik Stellung genommen, insbesondere zu dem heute morgen aufgegriffenen Thema einer, sagen wir einmal, christlich ausgerichteten Auffassung vom Menschen und von der Kultur oder einer säkularisierten Auffassung. Diese Frage stand schon heute morgen im Mittelpunkt der Erörterung.
Wenn wir uns hier primär mit Fragen der wissenschaftlichen Forschung befassen, dann sollte es auch bei Ihnen keinen Zweifel darüber geben, daß die Forschung frei ist und daß sie im Zuge der historischen Entwicklung der letzten drei-, vierhundert Jahre eine säkularisierte Angelegenheit geworden ist. Es bleibt uns - Ihnen, mir und anderen - in einer pluralistischen Gesellschaft und in einem Staat, der diese pluralistische Gesellschaft anerkennt, selbstverständlich überlassen, was wir für ein Menschenbild haben. Die Frage ist nur, wie weit man, wenn man kulturpolitische Fragen erörtert und Kulturpolitik betreibt, eine eingeengte Auffassung - denn im Rahmen des Gesamtkomplexes des Humanismus ist das eine spezielle Auffassung - zur Grundlage und zum Gegenstand politischer Maßnahmen machen kann, und um das geht es hier. Es ist die Frage - nach Wilhelm von Humboldt -: Wie hälst du es mit dem Humanismus? Und es ist die Gretchenfrage, die man hier nicht stellen sollte: Wie hälst du es mit der Religion? Das gehört nicht
hierher und hat hier keinen Sinn. Deshalb ist es für uns relativ uninteressant, ob Sie gegen Auffdssungen, die Herr Bloch oder sonstwer vertreten hat, opponieren. Wir Sozialdemokraten, das wissen Sie genau, stehen in den Fragen der Wissenschaft, der Forschung und der Kultur zu den Grundwerten einer demokratischen Ordnung, wir stehen auf dem Boden der Grundrechte, an deren Spitze das auf Würde des Menschen und Freiheit des Menschen steht. Nur von da ausgehend kann dann der einzelne hier und dort seine spezielle kulturpolitische Position beziehen. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Es bleibt vielleicht anderen Kollegen, die dieses Thema angeregt haben, vorbehalten, noch einiges zu sagen.
Kehren wir zu dem Hauptthema zurück, nämlich dem der Kompetenzfrage oder der Koordinierungsfrage. Sowohl Sie, Herr Kollege Martin, wie auch Sie, Herr Minister, haben hier wie auch in einigen Beiträgen, die vorher erschienen sind, wiederholt davor gewarnt, die Frage der Koordinierung allzusehr mit der Frage der Kompetenz zu koppeln, die Frage der Kompetenz von Bund und Ländern allzusehr in den Vordergrund zu stellen oder gar erneut einen Streit hierüber zu entfachen, wie gesagt wurde. Die Frage der Zuständigkeiten ist nicht von uns, sondern von Ihnen, von der CDU aufgeworfen worden. Lesen Sie bitte die Protokolle über die kulturpolitische Debatte vor vier Jahren nach. Damals haben Sie, als wir mit sehr konkreten und materiellen Anträgen kamen, alle diese Anträge abzuschieben oder - ich möchte sagen - hinüber-zuleiten versucht auf die Frage der Zuständigkeit von Bund und Ländern. Sie haben einen solchen Antrag zwei Jahre später erneut gestellt. Sie brauchen sich nur alle ihre eigenen Anträge und ihre eigenen Vorlagen anzusehen; Sie werden finden, daß im Grunde genommen in den vergangenen vier Jahren die Frage nach der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern die Kardinalfrage in kulturpolitischer Hinsicht gewesen ist.
Sie, Herr Minister, haben gesagt, man solle gewisse Fragen nicht überhasten, solle nicht übertreiben, das könne zum Nachteil sein. Sicher, aber man soll sie auch nicht in einer Weise hinschleppen, wie das hier geschehen ist; denn in vier Jahren hätte immerhin etwas mehr herauskommen können als herausgekommen ist. Sie haben zugegeben, die Verhandlungen seien gescheitert. Das erfahren wir hier zum erstenmal. Ich darf doch darauf hinweisen, daß ,der Bundestag seinerzeit eine Entschließung gefaßt hatte, daß bis zur Einbringung des Haushalts 1960 ein Bericht hierüber gegeben werden sollte. Ich finde, man zeigt recht wenig Achtung vor dem Parlament, wenn man bis heute einen solchen Bericht nicht gegeben hat und dem Hohen Haus bis heute keine Kenntnis gegeben hat, was aus diesen Verhandlungen herausgekommen ist und ob ein Abkommen geschlossen wurde. Wir haben es vorhin zum erstenmal erfahren.
Die Gefahr, die ich darin sehe, ist vielleicht nicht ganz unerheblich. Der breiten Öffentlichkeit ist es verhältnismäßig gleichgültig, ob der Bund, ob die Länder oder ob die Gemeinden auf dem Gebiete der Kulturpolitik etwas tun. Was die breite Öffentlichkeit will, ist, daß etwas geschieht, daß etwas sinnvoll geschieht und daß etwas - auch das muß gesagt werden - in relativer Einmütigkeit und Einheit geschieht. Ich darf daran erinnern, daß vor Jahren über die Frage der Zersplitterung des Bildungswesens ein sehr heftiger Streit entbrannt war und daß man erst durch die öffentliche Debatte dazu gekommen ist, gewisse Rahmenvereinbarungen z. B. über Vereinheitlichung des Schulwesens zu treffen.
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- Wie weit das übertrieben ist, .das ist eine andere Frage. Jedenfalls besteht in der breiten Öffentlichkeit der Wunsch, daß wir zu gewissen einheitlichen Auffassungen und einheitlichen politischen Praktiken in der Kulturpolitik kommen. Wenn nun wegen einer solchen Verzögerungstaktik kein Ergebnis zustande kommt, rührt das an das Vertrauen, das man ,dem föderalen Aufbau unseres Staates und der Demokratie entgegenbringt. Das sollte man nicht verkennen. Hören Sie sich bitte draußen um, nicht nur in Fachkreisen, sondern allgemein in der Öffentlichkeit.
Wenn ,der Herr Minister mit Freuden feststellt, daß ihm in den letzten Wochen eine Hilfstruppe in den verschiedensten Kreisen der Wissenschaft erstanden ist - Rektorenkonferenz, Wissenschaftsrat und was alles es sein mag -, muß das zu denken geben. Dahinter steht doch ein gewisses Mißtrauen gegenüber den primär berufenen Organen der Kulturpolitik in den Ländern. Man hat offensichtlich nicht das Vertrauen, daß von den Ländern
her auf dem Gebiet der Kulturpolitik so intensiv und so nachhaltig gearbeitet wird, wie es gewünscht wird, und ich glaube, dies ist nicht ganz unberechtigt.
Ein kleines Beispiel! Ihr Kollege Balke, Herr Minister Höcherl, hatte seinerzeit den Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes so weit ausgelegt, daß er auf seinen ureigensten Gebieten nicht nur die Forschung fördern, sondern sich schon an den jüngsten Nachwuchs wenden wollte, indem er den höheren Schulen die Anschaffung von Geräten ermöglichte, die den Unterricht auf dem Gebiete der Kernphysik beleben. Das Hohe Haus hat damals 9 Millionen DM für diesen Zweck bewilligt. Dann hat der Haushaltsausschuß plötzlich gesagt, das sei verfassungsmäßig nicht angängig, und infolgedessen wurde der zweite Teil dieser Mittel nicht bewilligt. So ist es dazu gekommen, daß .die Hälfte der höheren Schulen in der Bundesrepublik mit solchen Geräten ausgestattet wurde. Man hatte den Ländern empfohlen, die Ausstattung der anderen Hälfte zu übernehmen. Jeder weiß - der Herr Minister hat es erst neulich im Ausschuß für Atomkernenergie betont -, daß das bis heute nicht geschehen ist. - Eine relativ kleine Angelegenheit, die aber nicht ganz unbezeichnend ist und nicht geeignet sein dürfte, das Vertrauen in die Einheitlichkeit und geschlossene Arbeit der Kultusminister zu heben.
Ich könnte noch sehr viele andere Beispiele anführen, möchte es mir aber ersparen und in diesem Zusammenhang darlegen, weshalb neuerdings von Kreisen meiner Parteifreunde der Vorschlag über
eine Ländervereinbarung gemacht worden ist, den sowohl Sie, Herr Martin, wie auch Sie Herr Süsterhenn, so heftig kritisiert haben. Herr Kollege Süsterhenn, Sie haben selber zugestanden, daß verfassungsrechtlich nicht nur Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, sondern auch Vereinbarungen zwischen den Ländern durchaus zulässig sind. Es gibt solche Vereinbarungen. Der Vorschlag, den wir der Öffentlichkeit unterbreitet haben, besagt nichts weiter, als daß das relativ lose Gefüge der Kultusministerkonferenz gefestigt werden soli, indem es eine gewisse vertragliche Grundlage erhält. Falls Sie diesen Vorschlag noch nicht gelesen haben sollten, darf ich Sie insofern beuhigen: Die Frage des Kulturrates ist dabei völlig nebensächlich. Die Kultusministerkonferenz soll nicht als ein neues Verfassungsorgan geschaffen, sondern als eine faktisch bestehende Organisation In ihrer Arbeit gestärkt und attraktiver gemacht werden.
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- Dadurch, daß die Kultusministerkonferenz nicht mehr nur - wie bisher - in verhältnismäßig loser Form zusammenkommt und relativ weit auslegbare Beschlüsse faßt, sondern mit ihren Vorschlägen ein wenig weiter geht, daß sie sich organisatorisch ein klein wenig ausweitet, daß das, was gegenwärtig das Generalsekretariat in Bonn macht, ein bißchen aufgewertet wird, um es ganz vorsichtig zu sagen.
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- Ich werde Ihnen gern den Vorschlag im Wortlaut
unterbreiten - es hier zu tun würde zu weit führen -; dann können wir uns darüber unterhalten und sehen, was dabei konkret herauskommt. Ich bin der Überzeugung, daß der Vorschlag durchführbar ist; ich kenne die Arbeit der Kultusministerkonferenz in der gegenwärtigen Form.
Eine solche Ausweitung hätte eine zweite, sehr positive Wirkung. Dem Bunde stände nicht ein Organ, aber, sagen wir, ein Sekretariat gegenüber, mit dem man stärker als bisher in Beziehung treten könnte, .aus dem dann vielleicht auch mehr zu erfahren wäre, als man bisher erfahren konnte. Das bezieht sich insbesondere auf das, was Sie, Herr Martin, hinsichtlich einer Repräsentativdokumentation oder einer Repräsentativdarstellung dessen sagten, was kulturell - in diesem Falle von den Ländern - 'geleistet worden ist. Sie können doch nicht von allen zehn Ländern einzeln von Jahr zu Jahr Auskünfte darüber herbeiholen, was in diesen Ländern geschehen ist. Es wäre doch sehr zweckmäßig und wünschenswert, wenn derartige Dokumentationen einheitlich erstellt und publiziert würden. Ich weiß, daß das zum Teil geschehen ist, aber noch keinesfalls in der Intensität, die wir für wünschenswert halten.
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- Wir stehen nicht ständig in Verbindung, sondern nur gelegentlich, liebe Frau Kollegin. Wenn wir ständig in Verbindung ständen, könnten hinsichtlich der Frage der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern schon ein wenig größere Fortschritte erzielt sein. Sie werden sich erinnern, daß Herr Generalsekretär Frey uns bereits vor zwei Jahren eine sehr gründliche und eingehende Darstellung vorgelegt hat, wie weit unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Zuständigkeiten die Länder etwas tun können, der Bund etwas tun kann und beide gemeinsam etwas tun können. Warum ist das nicht zur Grundlage für ein Abkommen genommen worden, das von allen Kreisen gewünscht wird, die sich mit Kulturpolitik beschäftigen? Eben aus dein einfachen Grunde, weil diese Organisation nicht das Gewicht hat, das sie haben sollte.
Ich darf mich von diesem Punkt abwenden und nochmals zu dem zurückkehren, was Sie, Herr Minister, zu der Frage der Kompetenzverteilung gesagt haben. Sie haben sich hier als Pragmatikererwiesen, indem Sie uns sehr bunt und schillernd den Strauß von Erfolgen und Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, dargestellt haben. Das war sehr schön. Sie haben sich dabei als ein Optimist erwiesen, indem Sie das alles für „bestens" halten. Herr Kollege 'Süsterhenn hat aber schon darauf hingewiesen, daß es damit allein nicht getan ist, sondern daß verfassungsrechtliche Probleme dahinterstehen. Wir wollen keinen Streit aufrollen. Dieser Streit, falls es ein Streit ist, sagen wir dieses „Problem" ist doch jetzt von den Ländern aufgeworfen worden. Die Länder, zumindest die Kultusminister, haben nach dem .Karlsruher Urteil beschlossen, daß die Zuständigkeiten des Bundes in kulturpolitischer Hinsicht nicht erweitert, sondern, wenn möglich, sukzessive abgebaut werden sollten
Weil dieser Beschluß besteht, haben die Finanzminister die Gelegenheit genützt, nun ihrerseits zu sagen: Wir nehmen jene Positionen aus dem Bundeshaushalt nunmehr auf die Länderhaushalte. Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wir sind in diesem Punkte mit Ihnen wohl völlig einer Meinung, daß wir dem Bund nicht ohne Grund etwas von den kulturpolitischen Kompetenzen nehmen sollten, die er hat und deren Rahmen er mit einem Inhalt gefüllt hat. Das ist eine gemeinsame Auffassung von Opposition und Regierungsparteien, eine gemeinsame Auffassung, die auch bereits in der vorhin genannten Entschließung vom Juli 1960 zum Ausdruck gekommen ist.
Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen kommen wir aber nicht darum herum, zu prüfen, wie weit nach dem Grundgesetz eine Zuständigkeit wirklich gegeben oder wie weit sie vielleicht nur sehr vage begründet ist. Wir sollten in dieser Frage so weit wie möglich gehen, h. wir sollten auch die Frage des wissenschaftlichen Nachwuchses, des Nachwuchses in Forschung und Wissenschaft positiv mit einbeziehen. Das Verbindende, das sich bisher durch die Initiative des Bundes und der Bundesregierung gezeigt hat, sollte man nicht aufgeben. Ich will hier die Frage des Honnefer Modells nicht vertiefen. Das Positive am Honnefer Modell ist nicht, wie hoch die Summe ist, die vom Bund gegeben wird, so notwendig diese Frage ist, sondern daß überhaupt eine bindende Vereinbarung über die Förderung von Studenten und damit des wissenschaftlichen Nachwuchses zustande kam. In Fragen der Studentenförderung, bei denen sich der Bund nicht zuständig fühlte, also bei pädagogischen Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachschulen usw., hat sich sofort gezeigt, daß eine sehr starke Differenzierung bei den Ländern eintritt, wenn sie selbst diese Studentenförderung in die Hand nehmen. Auch das spricht dafür, daß es bei der bisherigen Zuständigkeit und bei der bisherigen Aufgabe, die sich der Bund gestellt hat, bleiben sollte.
Meine Damen und Herren, zur konkurrierenden Gesetzgebung ist also die konkurrierende Kulturpflege gekommen, eine konkurrierende Kulturpflege, die sicher noch intensiviert werden kann, wenn wir ein Gesetz haben, wenn wir den Rahmen ausschöpfen, von dem ich soeben sprach, der insbesondere durch Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes abgesteckt wird.
Herr Minister, es ist nicht unsere Auffassung, daß dieses Gesetz nun etwa einen Katalog von Zuständigkeiten haben sollte, die dem Bund eigen wären, und andere wiederum, die den Ländern eigen wären. Dieses Gesetz kann nur ein organisatorisches Rahmengesetz sein. Es ist das einzige Rahmengesetz auf kulturpolitischem Gebiete, das der zentrale Staat, also der Bund, heute überhaupt noch im Gegensatz zur Weimarer Verfassung geben kann. In der Weimarer Verfassung war das Reich bekanntlich berechtigt, eine ganze Fülle von Rahmengesetzen auf kulturpolitischem Gebiete zu erlassen. Das ist heute nicht möglich, und das können wir auch nicht ändern; denn die föderative Struktur unseres Staates ist
definitiv und kann auch nicht durch eine verfassungsändernde Mehrheit geändert werden.
Um so mehr ist es erforderlich, daß die verfassungsmäßig zulässigen Möglichkeiten genutzt werden und daß uns dafür möglichst bald Unterlagen in Form eines Gesetzentwurfs vorgelegt werden. Dieses Gesetz wird keineswegs alles das umfassen und ausdeuten können, was an Möglichkeiten kulturpolitischer Betätigung seitens des Bundes vorhanden ist. Es wird darüber hinaus, wie Sie mit Recht sagten, Herr Minister, auch dann noch Abkommen zwischen Bund und Ländern und unter den Ländern selbst geben müssen.
Herr Minister, Sie haben sich zur Berlin-Frage geäußert und haben aufgezählt, was alles vom Bunde getan worden ist, was der Bund alles für Berlin auf dem Kultursektor geleistet hat. Das erkennen wir gern und dankbar an. Aber ich glaube, für die Lösung des zentralen Problems „Berlin" genügt es nicht. Es genügt nicht, zu sagen: Wir begrüßen es, wenn noch etwas mehr geschieht. Es wäre vielmehr gut, wenn Sie selbst, wenn sich die Bundesregierung selbst einmal Gedanken darüber machte und aktiv werden könnte in der Frage, was denn geschehen kann, um Berlin zu einem Zentrum der Wissenschaft und des Geistes zu machen. Ich glaube, das ist von einer sehr großen politischen Bedeutung; denn je mehr Berlin aufgewertet wird, ganz gleich, womit und wodurch - in diesem Fall durch Einrichtungen der Wissenschaft und Kultur -, um so mehr ist es auch von Gewicht im Rahmen der politischen Verhandlungen über die Zukunft Berlins. Darum sollte man nicht allzusehr zögern, sondern sollte versuchen, auch selbst Initiativen zu ergreifen, um Berlin zu einem Mittelpunkt internationaler Forschung und internationaler Wissenschaft zu machen. Berlin als eine Zentrale, als ein Zentrum für wissenschaftliche Bemühungen internationaler Art würde, glaube ich, uns allen nur dienen können.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu der Verwendung der Mittel aus der VW-Stiftung. In einer Fragestunde ist uns gesagt worden, daß beabsichtigt sei, jenen Kapitalstock, der noch vorhanden ist - die Hälfte, also ca. 500 Millionen DM, sind ja für die Entwicklungshilfe gegeben -, für die Wissenschaft, für die Forschung, überhaupt für kulturelle Zwecke zu verwenden. Auch hier ist ein Gesetz angekündigt; darüber ist heute nicht gesprochen worden. Wir haben die herzliche Bitte, daß uns möglichst bald auch diese Unterlagen vorgelegt werden. Wie den Ausführungen des Herrn Schatzministers zu entnehmen war, sieht es allerdings nicht so aus, als ob diese Mittel speziell der Wissenschaftsförderung dienen sollen. Ich nehme an, daß der Bund bei seiner Schwerpunktbildung in der Wissenschaftsförderung, insbesondere in der Gründung neuer Hochschulen, mit anderen Etatmitteln helfend einspringt.
Sie wissen, auch hier ist Eile geboten. Die Zahl der Studierenden nimmt ständig zu. Die Frage der Gründung neuer Hochschulen ist bereits vor zwei Jahren angeschnitten worden. Geschehen ist in den vergangenen zwei Jahren nichts.
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- Nein? Haben Sie schon eine Hochschule in Konstanz, in Dortmund oder in Bochum? Haben Sie eine in Bremen oder was weiß ich wo? Sie haben noch nicht einmal einen Anfang zu den drei oder vier Hochschulen, Herr Martin, das können Sie doch nicht bestreiten. Noch nicht einmal die Anfänge sind sichtbar.
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- Nein, es geht nicht von heute auf morgen, aber ich habe nur etwas zur Eile angetrieben, damit -wir in diesen Fragen etwas schneller vorankommen als bisher, und zwar, wie es angekündigt wurde, mit Bundeshilfe.
Das gilt insbesondere für die Frage einer nordwestdeutschen Universität, die jetzt in Bremen entstehen soll. Bremen ist einer der Staaten, der am wenigsten von sich aus in der Lage ist, diese Lasten im vollen Umfang zu tragen.
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- Ja, die Zusage liegt vor. Aber seien Sie doch nicht so böse, wenn ich darum bitte, daß ,es ein bißchen schneller geht. Sie werden nicht bestreiten wollen, daß in all diesen Fragen ein wenig Tempo durchaus am Platze wäre. Sonst hatten wir uns nicht vier Jahre lang immer wieder über die gleichen Fragen zu unterhalten brauchen.
Ich habe auch heute dein Eindruck gewonnen, daß man immer wieder von vorn anfängt.
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- Das will ich gar nicht bestreiten. In Kleinigkeiten sind durchaus Fortschritte sichtbar - wie auch der Herr Bundesinnenminister aufgezeigt hat -, und diese Positionen wollen wir ja gemeinsam halten und verteidigen. Aber warum denn so nervös werden, wenn wir uns im Blick auf die Vergangenheit in klein wenig bemühen, die Dinge etwas lebendiger voranzutreiben, als es bisher häufig geschehen ist!
Mir war eines dabei interessant, Herr Minister, und damit möchte ich abschließen. Ich meine die Begründung, die Sie für die Hilfe gegeben haben, die der Bund bisher für kulturpolitische Aufgaben geleistet hat. Da sagten Sie z. B., es sei doch nicht zu bestreiten, daß viele Universitäten und Institute durch den Krieg zerstört worden seien. Da kam mir so der Art. 120 des Grundgesetzes in den Sinn. Als ob es hier plötzlich eine Begründung nach Art. 120 gäbe! Ich erinnere mich, daß Sie eine solche Begründung in der Vergangenheit immer dann abgelehnt haben, wenn wir mit ähnlichen Forderungen kamen, z. B. der der Hilfe für die kriegszerstörten Schulbauten. Sie haben dann jedesmal die Zuständigkeit des Bundes - ich muß jetzt auf die Zuständigkeit kommen - bestritten, bis das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Ausgleichsforderungen kam. In diesem Urteil stand klipp und klar, daß es nicht im Ermessen des Bundes liegt, wie weit er sich zuständig fühlt, was kriegszerstört oder nicht kriegszerstört sei, sondern daß eine generelle Verpflichtung des Bundes auf Grund des Art. 120 vorliege.
Das hat dann dazu geführt, daß wir sogar den Art. 120 des Grundgesetzes ändern wollten. Sie erinnern sich vielleicht, daß in einer der letzten Sitzungen der vergangenen Legislaturperiode diese Gesetzesvorlage steckengeblieben ist und damit vorerst in der Versenkung verschwand, vielleicht und wahrscheinlich aber demnächst auch wieder auftauchen wird.
Herr Minister, ich darf daran erinnern, daß nicht die Kriegszerstörung von wissenschaftlichen Instituten, von Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen der Anlaß gewesen ist, daß für Wissenschaft und Kultur Bundeshilfe gegeben wurde und daß wir heute diese Ansätze in dem Etat haben, sondern es ist so gewesen, daß der Bund früher als der finanzstärkere und finanzkräftigere Partner eine Fülle von Aufgaben übernommen hat, die die Länder nicht lösen konnten. Sie können nicht bestreiten, daß es aus diesem Grund auch der Wunsch der Länder gewesen ist, daß der Bund sich engagierte, weil eben die erforderlichen Mittel auf der Länderseite nicht vorhanden waren. Heute haben sich die Fronten um 180 Grad gedreht; heute sind es bekanntlich die Länder, die über die Mittel verfügen und infolgedessen nun auch Appetit darauf bekommen, aus dem Bundesetat das herüberzuziehen, was früher der Bund aus den von mir eben genannten Gründen übernommen hat. Das ist das eigentliche Kennzeichen der gegenwärtigen Situation. Rein praktische Dinge also, wie z. B. die Finanzquellen fließen, haben zu einer Situation geführt, die man zum Anlaß nimmt, um eine Wendung, eine Verdrehung - Verdrehung in mehrfachem Sinne, wie es sich in der letzten Zeit gezeigt hat - vorzunehmen, so daß nun der Bundesrat - zumindest die Finanzminister - jetzt ihre Hand auf das legen wollten, was der Bund früher und noch jetzt für sich beansprucht hat.
Meine Damen und Herren, wir sollten die Fragen leidenschaftslos, rein sachlich und unabhängig von der jeweiligen Kassenfülle bei Bund, Ländern und Gemeinden behandeln. Wir können aber nicht umhin, Herr Minister - und das haben Sie, glaube ich, nicht hinreichend betont; Herr Kollege Süsterhenn hat es aber bestätigt und vertieft -, dabei die verfassungsmäßigen Grundlagen zu beachten. Wir müssen uns fragen, inwieweit es in Zukunft, wenn z. B. dieses zusätzliche Förderungsprogramm für die Wissenschaft mit einer Milliarde vom Bund und einer Milliarde von den Ländern abgewickelt ist - das ist ja in zwei, drei Jahren der Fall. -, noch eine Zuständigkeit oder eine Aufgabe des Bundes hierin gibt. Wir müssen uns auch fragen, wieweit das Honnefer Modell und die Studentenförderung weiterhin eine Aufgabe des Bundes bleiben. Wir bejahen es; aber die Frage müssen wir stellen. Wir müssen einmal unter sachlichen Gesichtspunkten, unter verfassungsrechtlichen Aspekten, alles durchforsten, was bisher an Aufgaben und Vereinbarungen seitens des Bundes oder des Bundes und der Länder zugleich da ist. Ich glaube, dann können wir auch die Gemeinsamkeit von Opposition und Regierungsparteien feststellen und zu einer großen Koalition in der Bildungs- und der Wissenschaftsförderung kommen. Wir wollen unser Möglichstes dazu tun.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wäre jetzt für ein Mitglied der Freien Demokratischen Partei sehr reizvoll, den Fragen nach den geistigen oder metaphysischen Grundlagen unseres kulturellen Tuns nachzugehen. Ich glaube, daß man das zu gegebener Zeit hier in diesem Hause auch einmal tun sollte. Aber ich frage mich, ob bei dem Gegenstand, den wir heute zu beraten haben, eine solche Auseinandersetzung sehr dienlich, sehr förderlich wäre. Von unserer Seite aus jedenfalls wollen wir heute nicht dazu Stellung nehmen, zumal unsere Auffassung hierzu dem Hohen Hause bekannt sein dürfte.
In der Begründung der verschiedenen Großen Anfragen und in der ausführlichen Antwort des Herrn Ministers ist sehr deutlich auf die verschiedene und entscheidende Bedeutung der kulturellen Aufgaben hingewiesen worden, einmal auf die Bedeutung der Kulturpolitik für die geistige Auseinandersetzung, in der sich unser Volk an der Grenze zum Bereich einer ideologischen Macht befindet, ferner auf die Bedeutung, die Forschung und Wissenschaft, Bildung und Ausbildung für unsere wirtschaftliche Existenz und damit für unseren sozialen Fortschritt haben, auf die Bedeutung, die sie haben für die Existenz unseres Landes als europäischer Staat hinsichtlich der Partnerschaft mit den erwachenden Völkern, die als neue, selbständige Staaten mit ihrer Kultur, mit ihrer Tradition, mit ihren anderen geistigen Voraussetzungen in die Geschichte eintreten.
Hier stellt sich nun die Frage: Ist die Bundesrepublik - ich meine damit jetzt nicht das Hohe Haus und die Bundesregierung, sondern die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit - mit ihren Bemühungen staatlicher und nicht staatlicher Stellen auf allen Ebenen dieser ständig wachsenden, ja dieser ungeheuren Bedeutung der kulturellen Aufgaben im vollen Maße gerecht geworden? Ich fürchte, wir werden diese Frage nicht voll bejahen können. Das ist zunächst einmal eine Feststellung. Es ist nicht ein Vorwurf nach irgendeiner Seite, sondern einfach eine Feststellung, gemessen an der Bedeutung der Aufgabe und nicht an den vorhandenen Möglichkeiten. Wir können diese Frage eben nicht in vollem Maße bejahen.
Es ist jetzt nicht die Zeit und nicht der Ort, auf die Tätigkeit der Länder in der Kulturpolitik und auf ihr Ergebnis des längeren einzugehen. Ich war selbst elf Jahre in einem Landesparlament und weiß um das redliche Bemühen der Landtage und der Landesregierungen, mit den Verhältnissen und den Problemen nach dem Zusammenbruch fertig zu werden, den Problemen materieller, personeller und geistiger Art. Ich weiß um dieses redliche Bemühen, wenngleich man über Tempo, Schwerpunkt und Zielrichtung je nach parteipolitischer Färbung naturgemäß verschiedener Meinung sein kann.
Ich weiß auch nur zu gut um das Bemühen um die Koordinierung, in der Kulturpolitik seitens der Kultusministerkonferenz, dessen Ergebnis zweifelsohne nicht im rechten Verhältnis zu der Intensität der Arbeit steht, aus Gründen, die wir alle kennen, weil eben in den verschiedenen Ländern und ihren Mehrheiten unterschiedliche Auffassungen über die Kulturpolitik bestehen.
Das alles sollte hier unbestritten sein, und wir sollten den Ländern Dank und Anerkennung dafür wissen, wo immer wir auch politisch stehen mögen.
Aber trotz allem bleibt das große Aber, oder vielleicht darf ich sagen: das doppelte Aber. Es gibt eben Aufgaben - und das ist auch heute deutlich zum Ausdruck gekommen -; die die Länder von ihrer Sicht und von ihrer Aufgabenstellung her nicht lösen können. Die Länder sind Glieder, so steht es in unserem Grundgesetz. Sie sind Teile und haben von da her eine Aufgabenstellung, die vorzugsweise und vorrangig nach innen gerichtet ist, auf die verschiedenen Teilgebiete, die ihnen obliegen. Auch eine Addition von solchen Teilsichten bringt noch keine Gesamtsicht. Sicherlich haben die Länder - das hat ja auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch einmal festgestellt - eine Verpflichtung zum Ganzen. Aber sie haben eben vorrangig nicht die Politik des Ganzen zur Aufgabe, sondern ihren Teilbereich, und darin liegt meines Erachtens die unterschiedliche Auffassung.
Daraus ergibt sich .die Folgerung, daß in dem Bereich überregionaler Kulturpolitik und in den Aufgaben, in denen Überblick, heute sogar weltweiter Überblick und Weitblick notwendig ist, die Länder von ihrer Aufgabenstellung und von ihren Leistungsmöglichkeiten her überfordert sind. Ich denke hier an die großen Aufgaben von Wissenschaft und Forschung. Wissenschaft drängt nach großräumiger Planung und Konzeption, das wissen wir alle, und es wäre Eulen nach Athen tragen, wollte ich auf die Bedeutung der Forschung hinweisen, einer Forschung, die schon aus Tradition überregional ist.
Darf ich hier, da ich von den auch schon in der Vergangenheit überregionalen Instituten spreche, einflechten, Herr Minister Höcherl, daß Sie heute meinen Kollegen Dr. Hellige mißverstanden haben, als er von der „schimmernden Wehr" sprach. Ich verstehe, daß Sie von Ihrer regionalen Herkunft her immer gleich etwas empfindlich reagieren, wenn von der preußischen „schimmernden Wehr" die Rede ist, und daß Sie deswegen vielleicht etwas vorschnell und kämpferisch reagiert haben.
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Aber immerhin hat uns dieses Mißverständnis die erfreuliche Feststellung gebracht, daß Sie sich so vorbehaltlos hinter die reichseigenen Einrichtungen früherer Jahre gestellt haben. Das hat uns gefreut.
Ich denke hier auch an die Gründung der neuen Universitäten, über die gerade von Herrn Kollegen Frede gesprochen wurde. Meine Herren und Damen, es ist in diesem Hause ja wohl keine Frage, daß Universitätsgründungen, wenn sie etwa von einem Land wie Bremen geplant sind, über den Rahmen und die Möglichkeiten - nicht nur finanzieller Art - eines solchen Landes hinausgehen und daß hier eine überregionale Sicht notwendig ist. Schließlich
ist es ja trotz mancherlei Verhandlungen bisher auf Länderebene eben nicht geglückt, hier zu einem finanziellen Ausgleich zu kommen. Auch glaube ich, daß für überregionale Aufgaben ,die Notwendigkeit der Mitgestaltung und des Mitberatens - im geistigen, nicht unbedingt im institutionellen Sinne - gegeben ist.
Das mag sich ganz besonders deutlich zeigen, wenn wir etwa an das Hauptthema der Großen Anfrage der SPD denken, an die Fragen um Berlin. Meine Herren und Damen, es klang ja auch in ,den Beratungen und auch in der Antwort des Herrn Innenministers an: Wir sind der Auffassung, daß die Förderung der kulturellen Einrichtungen in Berlin nicht nur aus politischen Gründen, sondern entscheidend aus kultureller Sicht eine nationale Aufgabe ist, die über den Rahmen dieser Stadt hinaus das ganze Volk angeht.
Ich denke ferner an die Fragen des Honnefer Modells bei der Studentenförderung. Es ist gemeinsame Auffassung in diesem Hause, daß eine Weggabe dieser Mitverantwortung sehr stark in die Freizügigkeit der Studenten eingreifen und sie behindern würde. Deshalb sind wir dankbar, daß wir diese Aufgabe weiterhin hier wie bisher durchführen können.
Ich denke des weiteren an die Aufgaben, die der Bund ganz zweifelsohne und auch unbestrittenerweise in bezug auf die Verbindung mit den anderen Staaten hat, nicht nur den Entwicklungsstaaten, sondern allgemein. Hier verlangt ja die Aufgabenstellung einen weltweiten Überblick und ein aktives Handeln. Wenn zugleich nach unserer Auffassung Entwicklungshilfe Bildungshilfe sein muß, so ergibt sich daraus, daß der Bund für eine solche nach außen gerichtete Aufgabe auch die Verbindung mit dem Innen haben muß. Man sollte bei gegebener Veranlassung noch einmal sehr eingehend auf die Frage zurückkommen, wie sehr der in der Vergangenheit nur unzulängliche Kontakt zwischen Bund und Ländern im kulturellen Bereich sich bisher hindernd auf die geistige Hilfe im Rahmen der Entwicklungshilfe ausgewirkt hat.
Ich denke ferner an die europäischen Institutionen, die sich alle, ob es sich nun um militärische, wirtschaftliche oder politische Zusammenschlüsse handelt, in wachsendem Maße bemühen - und das ist sehr bezeichnend auch für unser heutiges Thema - eine kulturelle Zusammenarbeit aufzubauen; ein Zeichen, wie wesentlich die geistigen und kulturellen Aufgaben im Gesamtkonzept der Politik sind. Hier sind wir in unserer Bundesrepublik immer in einer gewissen Verlegenheit, wenn wir diese internationalen Gremien beschicken sollen. Nicht etwa, weil es nicht durchaus begrüßenswert wäre, wenn anstelle eines Ministerialbeamten oder eines Staatssekretärs oder gar Ministers einmal ein Wissenschaftler von Rang, etwa vom Wissenschaftsrat die deutsche Vertretung übernähme. Das kann er sicherlich. Aber die Verlegenheit besteht darin, daß er nicht verantwortlich für die Bundesrepublik sprechen kann. Weder der Präsident der Kultusministerkonferenz kann verantwortlich für die Länder außer für sein eigenes sprechen, noch kann ein
Mitglied ,des Wissenschaftsrates verbindlich für diegeistigen und kulturellen Instanzen der Bundesrepublik sprechen. Hier liegen ,die großen Verlegenheiten, die im Gespräch draußen immer wieder an verschiedenen Stellen sichtbar werden.
Ich denke hier auch an die Aufgaben etwa der ostdeutschen Kulturpflege, die uns, die unserm Volk gemeinsam gestellt sind. Ich denke nicht zuletzt auch an Fragen der staatsbürgerlichen Bildung, mit der nicht nur die staatsbürgerliche Bildung in den Schulen gemeint ist. Wir haben vielmehr als junge Demokratie ja auch eine erhebliche Verantwortung für die staatsbürgerliche Bildung des gesamten Volkes zu tragen.
Ich brauche nicht an die weiteren Fragen zu erinnern, die das Grundgesetz zum Teil nennt, etwa hinsichtlich der Förderung der Kunst, zumindest soweit es sich um den Schutz vor Abwanderung handelt. Ich denke hier auch an Fragen des Films, die einfach von der Überregionalität der Aufgabenstellung her oder von der Überregionalität der Träger, um die es sich dreht, nicht hinreichend gelöst werden können.
Das war die eine Seite, von der her man nach unserer Auffassung das Problem sehen muß, nämlich von der Aufgabenstellung her; die andere ist die Frage nach dem Verhältnis der Kulturpolitik zur Gesamtpolitik. Meine Herren und Damen, niemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht, wird ernsthaft bestreiten können, daß Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung heute wesentliche Faktoren der Politik sind. Das klingt so selbstverständlich, daß man eigentlich meint, es hier nicht mehr aussprechen zu sollen. Aber ist tatsächlich eine solche Äußerung so selbstverständlich, wenn wir die Räume dieses Hauses verlassen haben? Ich glaube es nicht. Es gibt noch immer einen großen Teil unseres Volkes, und es sind nicht die Schlechtesten - gerade aus dem Bereich der wissenschaftlichen und geistigen Welt -, in deren Vorstellung aus der Restaurationszeit des vergangenen Jahrhunderts her die Meinung besteht, daß die Politik ungeistig und die geistige Welt unpolitisch sei. Hier liegt meines Erachtens eine sehr große Sorge für uns und vielleicht liegt darin auch die Ursache für so manchen Mangel, der sich in unserer Gesetzgebung zeigt, weil wir an dieser Stelle - aus Gründen, die ich jetzt nicht im einzelnen darlegen will, da wir sie zumeist kennen - die kulturellen Aspekte der Gesamtpolitik nicht hinreichend im Auge haben. Es ist eine bekannte Klage, daß bei kulturpolitischen Debatten in diesem Hause die Bänke ziemlich leer sind. Man kann das sicherlich bedauern. Aber mag nicht eine Ursache hierfür darin liegen, daß wir von dieser Aufgabenstellung praktisch so wenig Wirkungsmöglichkeiten sehen - ganz von der praktischen Arbeit her -, daß sie uns mehr als ein schmückendes Beiwerk denn als Zentralproblem unserer politischen Arbeit erscheint?
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Hier, meine ich, ist ein Ansatzpunkt, den wir sehr deutlich erkennen müssen. Wenn es uns nicht gelingt, vom Parlament und von der Regierung her
,die geistigen, die kulturellen Dinge stärker in den Blick zu bekommen, so ist nach meinem Gefühl vieles, sehr vieles in unserem politischen Bemühen, und mögen wir es mit noch so heißem Herzen betreiben, sinnlos, weil ihm die Mitte fehlt.
Schließlich besteht auch eine gewisse Gefahr darin, ,daß bei einer zu engen Begrenzung des kulturpolitischen Handelns im Bund, wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben und im Augenblick noch haben, hier auf der Bundesebene zu einseitig die Naturwissenschaften ins Auge gefaßt werden, weil sie sich in so unverkennbarem Maße politisch auswirken. Wir sollten die Gefahren erkennen, die bestehen, wenn wir vergessen, daß die geisteswissenschaftliche Forschung und die Geisteswissenschaften überhaupt unabweisbar dazugehören.
Aus dieser Sicht müssen die Fragen der Kompetenzen - entschuldigen Sie, Herr Minister, daß ich jetzt noch einmal dieses Wort verwende; wir können auch sagen: Zusammenarbeit - und ihrer Verteilung zwischen Bund und Ländern in der Kulturpolitik gelöst werden. Im Grunde genommen liegen wir in der Diskussion um diese Frage gar nicht so weit auseinander. In der Öffentlichkeit und auch in den Parteien wird vieles durch ein allzu schnelles Aussprechen der Schlagwörter vom „Föderalismus" und vom „Zentralismus" verzerrt. Ich bin Herrn Kollegen Martin deshalb dafür sehr dankbar, daß er heute morgen deutlich gemacht hat, daß der, sagen wir einmal, scharfe Gegensatz zwischen diesen beiden Komponenten heute sich gar nicht mehr so stellt, sondern im Zuge der Fortentwicklung nicht nur ein Kompromiß geschlossen werden kann, sondern sich einfach eine ganz neue Art der Zusammenarbeit anbahnt. Insofern ist die Fragestellung überholt. Der gleichen Auffassung ist wohl auch Herr Kollege Süsterhenn, wenn ich seine Ausführungen richtig verstanden habe.
Die Diskussion um diese Frage wird immer auch etwas dadurch belastet, daß man zu schnell mit dem Schlagwort vom „Bürokratismus in der Kulturpolitik" bei der Hand ist. Hier ist schon darauf hingewiesen worden, daß Verwaltung nicht unbedingt Bürokratie bedeutet. Eine Mitverantwortung der Behörden kann und muß von der Sache her sehr viel Freiheit, sehr viel Liberalität einschließen. Das hat sich in der Vergangenheit auf den verschiedenen Ebenen des Reiches bzw. des Bundes, der Länder und der Gemeinden gezeigt und sich fruchtbar ausgewirkt.
Das Grundgesetz gibt uns Möglichkeiten einer verständnisvollen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, und es gibt dem Bund von seiner Überschau her die Möglichkeit, an der Lösung überregionaler und übernationaler Aufgaben mitgestaltend zu wirken, ja er muß es sogar, wenn diese Aufgaben von einer besonderen politischen Bedeutung sind. Die Länder werden das einsehen. Sie werden es einsehen müssen; sonst wird ,eines Tages die öffentliche Meinung nicht nur über die Überspitzung des Föderalismus, sondern möglicherweise auch über den gesunden Kern einer vernünftigen Dezentralisierung einfach hinweggehen.
Ich wiederhole nur, was in der öffentlichen Diskussion schon verschiedentlich zu dieser Frage gesagt worden ist: Die Art, wie eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Kulturpolitik gemeistert wird, ist eine Bewährungsprobe für den bundesstaatlichen Charakter überhaupt. Die Wissenschaft hat, wie Sie alle wissen, in den letzten Wochen sehr unmißverständlich Stellung genommen, als die Sorge aufkam, die bisher vom Bund wahrgenommenen Aufgaben in der Pflege und Förderung der Kultur könnten auf Grund der Kassenlage des Bundes auf die Länder übergehen. Wir bekennen uns in gleicher Weise zu der Sorge, die aus dem Memorandum der evangelischen Theologen und Laien gerade in bezug auf diese Aufgaben spricht. Wir sind dankbar für diese, ich möchte sagen, im besten Sinne des Wortes politischen Stimmen, die aus dem Bereich der Wissenschaft und Öffentlichkeit gekommen sind. Ihre Stimme wiegt mehr als die selbstbetroffener Interessenten. Denn sie sprechen als Sachwalter der geistigen Welt, die noch immer nach dem tieferen Zusammenhang gefragt hat.
Ich glaube, wir alle erkennen dankbar an, daß die Bundesregierung von der sich anbietenden Möglichkeit, zu Aufgabenentlastungen zu kommen, nicht Gebrauch gemacht hat, daß der Herr Finanzminister es vielmehr abgelehnt hat, sich die kulturellen Aufgaben, die bisher der Bund wahrnahm, von den Ländern abnehmen zu lassen. Wir sind auch sehr dankbar für das, was zu diesem Punkt heute morgen Herr Minister Höcherl gesagt hat. Ich glaube, das war eindeutig. Wir konnten aus seinen Ausführungen auch noch in besonderer Zusammenfassung entnehmen, daß ,die Mittel, die der Bund gibt, und die Aufgaben, die er trägt, eher erweitert als vermindert oder eingeschränkt sind.
Es geht hier ja nicht nur um die Finanzierung, es geht auch um die wirkliche Aufgabenstellung und die Aufgabenmeisterung. Wir sind der Auffassung, daß hier in extensiver Weise die Möglichkeiten gesehen und gesucht werden sollten, die das Grundgesetz dem Bund für seine überschauende, für seine nach außen und nach innen gerichtete Tätigkeit gibt. Wir meinen, man sollte diese Möglichkeiten weitestgehend ausschöpfen. Aber das sollte in der Arbeitsgemeinschaft geschehen. Wir wünschen uns eine recht baldige Verständigung mit den Ländern über eine ,gute und den heutigen Erkenntnissen angepaßte Zusammenarbeit auf Gebieten, die eben Übersicht und Koordinierung erfordern.
Dabei meine ich - und damit befinde ich mich sicher in Übereinstimmung mit den meisten von Ihnen -, daß die Durchführung keineswegs allein auf behördlicher Ebene liegen muß, sondern daß es sehr entscheidend darauf ankommt, auch Wege zu finden, mit außerbehördlichen - von der Sache her notwendigen und wichtigen - Institutionen und vor allen Dingen Menschen zusammenzuarbeiten. Mir scheint, daß unsere deutsche Neigung zur Gruppenbildung uns in Vergangenheit und Gegenwart so hinreichend viele Formen beschert hat, daß Sie, Herr Minister, gar keine neuen zu erfinden brau748
chen, um solche Wege wirksamer Zusammenarbeit zu finden. Ich denke hier beispielsweise an den Wissenschaftsrat, an die Forschungsgemeinschaft, an den Deutschen Ausschuß und vieles andere.
Auf eines kommt es uns allerdings entscheidend an: der Bund müßte den Durchblick behalten, und nicht nur den Durchblick und den Überblick über all die möglicherweise recht vielfältigen Formen, sondern er müßte sie auch in der Hand behalten, - wobei das „In-der-Hand-Behalten" durchaus nicht in dem Sinne einer Regie zu verstehen ist, sondern so, daß der Bund bei all diesen Bestrebungen, die letzten Endes in ihrer Wirksamkeit erheblich politisch zu werten sind, zentral beobachtend, mitplanend, helfend und koordinierend tätig sein muß. Da scheint es uns allerdings, daß eine Zusammenfassung der Dinge im Bereich der Bundesregierung notwendig und wichtig ist, nicht zuletzt darum, weil nur dadurch eine hinreichende und mit allem Gewicht ausgestattete Vertretung im Kabinett und Repräsentanz nach außen gesichert ist.
Nun darf ich noch mit einem Wort auf die Vorschläge zurückkommen, die von einer anderen Seite, von Herrn von Knoeringen, in die Debatte gebracht worden sind und hinter die sich seinerzeit - jedenfalls soweit ich davon unterrichtet bin - auch die SPD in gewissem Umfange gestellt hat, - wenn auch sicherlich nicht :in allen Einzelheiten. Was bedeutet eine größere Kompetenz der Kultusminister? Ich glaube nicht, daß die Kultusministerkonferenz mit ihrer Koordinierung deshalb noch nicht weiter
ist, weil es ihr an Paragraphen in ihrer Institution gefehlt hat, sondern es hat ihr eben an der Möglichkeit gefehlt, sich über bestimmte Dinge politisch zu einigen. Da liegen die Schwierigkeiten. Darüber helfen noch so schöne Konstruktionen mit Abkommen und Satzungen nicht hinweg. Hier geht es um Fragen, die nicht entschieden werden können, weil sie unterschiedlich beurteilt werden und weil keine Instanz vorhanden ist, die durch Abstimmungen eine Entscheidung herbeiführen kann; wenn man sich nicht einigt, fällt alles praktisch in den leeren Raum zurück. Daran liegt es, und hier kann eine noch so schöne Konstruktion innerhalb der Kultusministerkonferenz nichts ändern.
Wir halten auch nicht sehr viel von Überlegungen bezüglich der Einrichtung eines Kulturrates. Ich möchte die Ausführungen nicht wiederholen, die an dieser Stelle ,soeben schon zu verschiedenen Aspekten dieses Problems gemacht warden sind. Darf ich nur etwas rein Praktisches dazu sagen. Entweder sie klammern die Probleme von Wissenschaft und Forschung aus, weil der Wissenschaftsrat bereits besteht; dann brauchen Sie wieder ein Instrument, das eine Koordinierung zwischen dem Wissenschaftsrat und dem Kulturrat herstellt. Oder aber Sie nehmen die Wissenschaft mit hinein; dann kann ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen - ich habe Erfahrungen als Vorsitzende eines Kulturausschusses -, daß Sie bei 25 Personen die Sparten - von der Wissenschaft über den Sport bis zum Film und sämtlichen Schularten - nicht alle in diesem Gremium berücksichtigen können. Schon die Fülle der Aufgaben wird die Schwierigkeit entstehen lassen, einen solchen Kulturrat sinnvoll zusammenzustellen.
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Nehmen Sie mir es bitte nicht übel, wenn ich sage, daß nach meiner Auffassung der Vorschlag auf Schaffung eines Kulturrates wohl mehr optische Gründe hat. Die Anliegen, um die es geht, können damit nicht weiter gefördert werden.
Dazu noch eine Sorge, die mich auf Grund gewisser Erfahrungen aus der Landtagstätigkeit bewegt: bei der ganzen Konstruktion einer Koordinierung über die Länderkultusminister bleibt die Legislative völlig ausgeschaltet. Hier geht es um eine Frage unserer demokratischen Institutionen. Wir leben in einer Zeit, in der uns das Übergewicht der Exekutive schon manchmal zu schaffen gemacht hat. Wenn wir auf dem Gebiet der Kultur eine Koordinierung nur durch die Exekutive vornehmen lassen, dann besteht die große Gefahr, daß man dabei an der Vertretung des Volkes vorbeigeht. Damit könnte vielfach verwaltungsmäßiges Denken das Übergewicht gewinnen.
Ich möchte jetzt nicht - schon aus Zeitgründen - noch auf die Fülle der sonst mit den Anfragen angeschnittenen Fragen eingehen. Wir glauben, daß gerade den Problemen der Entwicklungshilfe ein großer Raum gewidmet werden muß. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag vor, der uns die Möglich-knit gibt, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in aller Ausführlichkeit darauf einzugehen.
Mir kam es entscheidend auf unsere ersten beiden Fragen an; Herr Minister Höcherl, sind Sie uns nicht böse, wenn wir sagen, daß das, was Sie zu der Frage der Auseinandersetzung oder des Zusammensetzens mit den Ländern gesagt haben, uns nicht ganz befriedigen kann. Ich nehme an, daß auch Sie nicht ganz befriedigt sind. Sie können ja auch persönlich nichts dafür, daß die Dinge in der Vergangenheit nicht weitergekommen sind. Doch glauben wir, daß Sie mit neuer Intensität und neuer Kraft diese Fragen aufnehmen müssen, und wir hoffen, daß Sie das auch tun werden. Wenn auch die Länder die Beziehungen zu Ihnen abgebrochen haben, so sollten wir von unserer Seite aus doch versuchen, diese Beziehungen neu zu knüpfen. Wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren für das Hin und Her über mögliches Zusammenarbeiten oder mögliches Auseinandergehen. Die Probleme unserer Zeit sind nicht nur wirtschaftlicher und sozialer Art, es geht nicht nur um Machtpolitik, und es geht nicht nur um den Wettlauf naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und ihrer Anwendung. Wir meinen vielmehr, daß die Probleme in entscheidendem Maße geistiger Art sind. Es geht hier um die Fragen der Freiheit, der Menschenwürde, des Glaubens und des Denkens und des Urteilens. Möge die heutige Debatte dazu beitragen, daß man sich hier im Hause und in den staatlichen und nichtstaatlichen Gremien noch stärker und durch die Übersicht und Koordinierung noch wirksamer mit diesen Fragen beschäftigt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sänger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Kulturpolitik, die wir jenseits der Grenzen unseres Landes betreiben wollen und müssen - und nur darüber möchte ich im wesentlichen sprechen -, ist zu einem beträchtlichen Teil auch Reaktion auf das Verhältnis der Völker zu uns. Wenn es irgendeine Chance für uns gibt, das neue Deutschland bei den Völkern draußen in einem guten Licht erscheinen zu lassen, so muß und wird uns das durch das Vorzeigen der geistigen Leistung unseres Volkes durch die Jahrhunderte seiner Geschichte gelingen. Sosehr die Kulturpolitik auf der autonomen Leistung der Nation fundiert, so sehr ist sie natürlich und weltweit mit den Leistungen anderer Völker, mit ihrem Tun und Denken, mit ihrem Glauben, ihren Hoffnungen verflochten, und auch von daher ziehen wir Anregungen und Stoff. Wir bezogen - vergessen wir das nicht - in den letzten Jahren unserer Geschichte von daher auch manche materielle Hilfe, die uns die ersten Anfänge neuen wissenschaftlichen und kulturellen Arbeitens wesentlich erleichtert hat und wofür wir Dank schuldig sind.
Wir kamen frühzeitig wieder zu einer wissenschaftlichen Gemeinsamkeit mit der Welt jenseits der deutschen Grenzen. Es ist wichtig, gleich zu Beginn klarzustellen, daß ein Unterschied besteht zwischen der kulturpolitischen Arbeit, die von der Bundesrepublik geleistet wird, und der kulturpolitischen Arbeit, I die von der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands getan wird. Wir geben und wir haben die Möglichkeit, zu nehmen; denn wir haben das Recht, wir haben den Anspruch und wir haben den Wunsch, aus dem Geist freier Arbeit jenseits der deutschen Grenzen, aus der freien Welt zu uns herüberzunehmen, was nur möglich ist. Das können die anderen nicht.
Die internationale Zusammenarbeit, vor allem der Wissenschaft, bedarf der materiellen und der ideellen Hilfe aller, die sie gewähren können. Dazu gehört auch der Staat. Geld allein genügt nicht, sosehr ich das unterstützen möchte, was Herr Minister Höcherl über die Notwendigkeit einer Vermehrung der finanziellen Mittel gesagt hat. Es ist notwendig, zu beachten, daß es einen Unterschied der politischen Systeme in der internationalen Zusammenarbeit der Wissenschaftler nicht geben kann. Es ist aber auch notwendig, zu wissen, daß die Maßnahmen, die wir treffen, gemeinsam getroffen werden müssen, koordiniert werden müssen, damit wir zur Kooperation kommen. Ich meine dabei die Zusammenarbeit von Bund und Ländern, ich meine dabei aber auch die Zusammenarbeit mit den befreundeten Mächten in der Welt draußen, damit wir aufholen, gleichziehen können, damit wir das übertreffen können, was jenseits und in der freien Welt an wissenschaftlicher Leistung vollbracht wird.
Wir fragen uns, wie das geschehen kann, angesichts der Kritik, die wir auch aus den Reihen der Wissenschaftsorganisationen in unserem Lande hören und die wir auch vom politischen Podium her aussprechen müssen, angesichts der Kritik an den
Kompetenzstreitigkeiten, die es gibt, angesichts der Tatsachen, daß nur von Fall zu Fall entschieden wird, was zu tun ist, angesichts der Tatsache schließlich, daß ein allgemeines, großes und gültiges Konzept einer großzügigen Förderung und weltweiten kulturpolitischen Arbeit fehlt; sonst hätte es ja des Antrags der CDU/FDP heute nicht bedurft. Angesichts dieser Tatsachen bin ich schon der Meinung, daß in unserem Lande noch einiges getan werden muß, ehe wir von einer effektiven und erfolgreichen Arbeit draußen reden können.
Ich wäre sehr froh, wenn es möglich wäre, bei der Behandlung von Einzelfragen in der kulturpolitischen praktischen Arbeit alle Länder in der Welt oder mindestens in Europa anzusprechen. Ich bedaure, daß das nicht möglich ist. Aber die Institute, die wir in der freien Welt unterhalten können, sollten wir besser ausstatten, als es bisher geschehen ist. Darüber ist hier gesprochen worden, und ich möchte insoweit Einzelheiten nicht wiederholen.
Wir sollten den Austausch fördern, aber nicht nur für die Zeit, in der sich die anderen bei uns oder unsere Leute sich bei den anderen aufhalten, sondern auch für die Zeit danach, in der ein ständiger Kontakt aufrechterhalten werden sollte. Ich denke nicht nur an Wissenschaftler, Lehrer und Studenten, sondern im besonderen Maße auch an die vielen Praktiker, die wir hier hatten, und an die noch zahlreicheren Praktiker, die im Austausch mit anderen Nationen zu uns kommen sollten.
Ich hoffe, daß wir im Sommer dieses Jahres oder bald danach einmal Gelegenheit haben, diese Fragen der deutschen Kulturarbeit im Ausland in allen Einzelheiten gründlich und ausführlich zu besprechen. Mir erscheint es notwendig.. Dann werden wir z. B. auch die etwas eigenartige Situation der deutschen Schulen im Ausland näher beleuchten können. Es ist hier heute schon, ich glaube von dem Kollegen Hellige, gesagt worden, daß die Zahl der deutschen Schulen im Ausland sinke. Zu fragen ist, warum, und zu beachten ist dabei, daß angesichts der Situation in nicht wenigen Ländern in der Welt draußen, vor allen Dingen jenseits der europäischen Grenzen, internationale Schulen an die Stelle nationaler Zwergschulen gesetzt werden. Wir sollten uns daher fragen, was wir tun müssen, um sicherzustellen, daß solchen internationalen Schulen qualifiziertes Lehrpersonal aus Deutschland in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. - Das nur als ein Beispiel für die Notwendigkeit, diese Fragen gründlicher zu besprechen. Wir haben Überlegungen anzustellen, wie der schwierige Wettbewerb mit den Schulen anderer Nationen im gleichen Hause, unter der gleichen Verwaltung durchgestanden werden kann, auch dann, wenn sich, wie das oft zu verzeichnen ist, bei den Schulträgern im Ausland eine gewisse Müdigkeit bemerkbar macht, so daß wir Fragen zu prüfen haben wie etwa die, ob die Errichtung einer Stiftung zweckmäßig ist, die als Trägerin aller Auslandsschulen .die Lasten auf ihre Schultern nimmt.
Die Studienförderung, die wir den Ausländern angedeihen lassen, sollte auf solche ausgedehnt
werden, die nicht unmittelbar als Studenten, als Besucher von Hoch- oder hohen Schulen zu bezeichnen sind. Auch solche sollten wir Studenten nennen, die als Praktiker zu uns kommen, als Jugendführer, vielleicht sogar als Jugendliche selbst. Auch diesen müssen wir helfen, zu sehen, wie die Arbeit in der deutschen Wirklichkeit, in den Betrieben, in den Schulen, in den Organisationen der Jugendführung oder der Erwachsenenbildung vor sich geht.
Das alles sind Aufgaben, über die zu sprechen ist. Kämen wir dazu, sie zu erfüllen, dann wäre eine besondere Chance für Berlin gegeben, den Ort nämlich, an dem sich die beiden großen Systeme in der Welt, die wir einmal global nehmen wollen, Aug in Auge gegenüberstehen und wo die Angehörigen anderer Völker in unmittelbarer Begegnung erleben können, was es heißt, sich mit seiner Weltanschauung gegenüber jener anderen durchzusetzen, die ihnen dort gegenübersteht. Da ist vieles zu tun.
Ich habe bei einem Besuch in Moskau einmal Gelegenheit gehabt, mit Erstaunen und wirklich unvermeidlicher Bewunderung die großen Anstrengungen zu sehen, die die Sowjetunion macht, um aus allen Teilen ihres weitgestreckten Landes, aus den Städten und entlegensten Dörfern die begabten Jugendlichen auf die Hochschulen zu ziehen, sie dort, ich möchte sagen, auf jeden Fall zu züchten, wobei ich den Unterschied zwischen Bilden und Züchten durchaus beachte. Ich beachte den Umfang der Bemühungen und vor allem die gewaltigen materiellen Aufwendungen.
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- Natürlich, den grundsätzlichen Unterschied muß man dabei berücksichtigen: Bildung ist nicht Wissen, und Züchtung ist nicht Entwickeln, was wir durchaus beachten wollen und immer beachtet haben. Aber wir sollten auch die Systematik und die Konzentration sehen, mit der diese Arbeit dort geleistet wird. Wir sollten sehen, daß es Zehntausende und abermals Zehntausende sind, die sie auf einer schmalen Spur emporziehen bis zu dem Können hin, einen Sputnik in die Welt zu schießen, oder was danach gekommen ist oder kommen wird. Ich möchte dazu sagen: das Kapital, das wir - ich glaube, daß wir da bei uns noch sehr zu lernen haben - in die Ausbildung junger Menschen investieren, verzinst sich spät, aber es verzinst sich reicher, als wenn es auf Banken liegenbleibt.
Wenn wir über Kulturpolitik und nicht nur über Wissenschaftspolitik im Ausland sprechen, gehört dazu die Besinnung darauf, daß es kein Privileg reicher Länder sein darf, ihre Völker über die Vorgänge in der Welt gut und vollständig zu unterrichten. Wir müssen gerade den jungen Völkern, die sich heute überall in der Welt danach drängen, in unsere Gesellschaft hineinzuwachsen, von uns aus Hilfe leisten, damit auch sie in der Lage sind, ihre Menschen über das, was in der Welt vorgeht, gut und vollständig zu unterrichten. Das heißt, daß wir allen, die das tun, Hilfe zu leisten haben, damit es ein nützliches Wissen draußen gibt um die Tatsachen dieser Welt, auch um die Tatsachen in diesem Deutschland, damit sie begreifen, wie wir wirklich aussehen. Das gehört in das Kapitel Entwicklungshilfe. Wir sollten solche Hilfe auf den verschiedensten Wegen leisten, aber wir sollten sie offen leisten. Dies ist auch nur ein erster Hinweis auf die Notwendigkeit, darüber zu sprechen, daß alle solche Unterstützungs-, Hilfs- und Förderungsmaßnahmen aus offenen Fonds gegeben werden müssen und nicht verdeckt. Es ist legitim, Tatsachen mitzuteilen, die helfen, ein zutreffendes Bild zu geben.
Dies zu einer Bemerkung des Herrn Ministers: Es ist auch legitim, daß wir in Deutschland eine so weitverbreitete und tief verankerte lebendige Intelligenz haben, die Kritik übt, Kritik an der Regierung und auch Kritik an uns, den armseligen Politikern, von denen sie sehr oft die Auffassung haben, daß sie weniger gelten als sie selbst. Wir müssen mit den Maßstäben der freien Welt messen und dürfen es nicht mit dem Maßstab politischen Gruppendenkens tun. Bekennen wir uns doch dazu: je mehr Intelligenz, desto mehr wird der Geist lebendig sein. Prüfen wir nur, das wird eine KärrnerAufgabe sein.
Aber was immer wir leisten, um ein Bild der deutschen Wirklichkeit zu zeigen, geben wir niemals dem Gedanken nach, daß wir unsere Welt und das, was wir erfahren und erlebt haben oder was wir an Wertmaßstäben, an Moral, an geistigen Potenzen besitzen, verpflanzen können zu jenen anderen Völkern, die doch ihre eigene Geschichte haben, ihre eigene Welt haben und ihre eigenen Wertmaßstäbe entwickeln müssen. Bieten wir ihnen nur viel Möglichkeit, zuerkennen, daß sie manches hier als nützlich anerkennen können.
Diese Kontakte, die draußen hergestellt werden müssen - dais ist für mich Jein dringliches Anliegen -, werden sehr oft von Frauen und Männern in den deutschen Vertretungen hergestellt, die kaum sehr zufrieden sein können mit dem, was ihnen dafür als Anerkennug zuteil wird. Viele von denen, die heute als Kulturattachés draußen sind, sind hinausgegangen in dem guten Glauben, mit dem guten Willen und mit der guten Begeisterung, für unser Land etwas zu tun. Und jetzt sind 10, 12, 15 Jahre vergangen; sie kommen in ein Alter, in dem sie keine Position im Inland mehr bekommen können, und für ihre Versorgung ist kaum etwas oder nichts getan. Sie stehen im Angestellten-, nicht im Beamtenverhältnis. Ihre früheren Versorgungsrechte sind zu einem Teil verlorengegangen. Ich wäre dankbar, wenn der Herr Minister des Auswärtigen sein Augenmerk sehr genau auf diese Tatsachen lenkte. Er weiß, wie groß die Zahl derer ist, die jetzt aus der Gruppe der Attachés in diese Situation hineingewachsen sind.
Hierzu hat auch der Antrag der CDU/CSU und der FDP - Umdruck 44 - Stellung genommen, mit dem ich mich einen Augenblick beschäftige, und zwar um so lieber, als ich in diesem Antrag einer Reihe von guten alten Bekannten begegne. Wir sind nicht böse darüber; wir denken gerne übler neue Dinge nach, die wir später wieder gemeinsam hier beraten können, gleichgültig, wer sie vorbringt.
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Ich maine, daß dieser Antrag wirklich eine Reihe von sehr nützlichen Punkten zusammenstellt. Ich frage mich bei Punkt 1: warum erst jetzt ein Sozial-und Bildungshilfeprogramm für die Entwicklungsländer? Wenn ein Programm zu einer psychologisch angepaßten Unterbringung ausländischer Studenten notwendig ist, ist das sehr gut. Aber die Taten sind wichtiger. Sie werden es verstehen, wenn das jemand sagt, der so nahe beim Haus Rissen in Hamburg wohnt und sieht, welche Schwierigkeiten oft entstehen, diese Menschen, wenn sie ihre Tätigkeit in Deutschland hinter sich haben, weiterhin zu betreuen und zu fördern. Was die Hilfeleistung für die berufliche und soziale Stellung des deutschen Personeinkreises, der im Rahmen der Entwicklungshilfe für längere Zeit im Ausland tätig ist, noch erfordert, haben wir viele Male gesagt. Wir haben in früherer Zeit darauf hingewiesen, welche notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen, ohne daß sie getroffen worden sind. Die Notwendigkeit eines qualifizierten Nachwuchses bejahen wir nicht minder.
Aus dem letzten Punkt bin ich nicht ganz klug geworden. Aber ich ahne schon, woran da gedacht ist. In dieser Ahnung bin ich mit Ihnen gleicher Meinung. Ich denke, der Entwicklungsausschuß, der ja auch dazu noch etwas sagen wird, wird unis helfen, eine klarere Formulierung zu finden.
In dem Antrag Umdruck 45 werden der Ausbau und die Errichtung wissenschaftlicher Einrichtungen mit internationalem Rang in Berlin gefordert. Nun, das ist ein besonders guter alter Bekannter. Aber, wie gesagt, wir erleben das ja schon fast ein Jahrhundert lang, daß Gedanken, die in unseren Kreisen aus Gründen, über die zu reden sein wird, vorhanden sind, sich manchmal schnell und manchmal weniger schnell doch ausbreiten und allmählich Gültigkeit gewinnen.
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- Nur, daß die Taten dann nicht folgten.
Zum Schluß möchte ich anregen, daß wir bei uns in Deutschland den Mut haben - und es gehört Mut dazu -, einen Beitrag zur Entstehung eines Bildes der deutschen Geschichte zu liefern, so wie sie war, einen Beitrag, der der Wahrheit mehr entspricht als manche Veröffentlichungen, die in der letzten Zeit im Inland oder im Ausland erschienen sind. Aber ich fürchte, ehe wir alle einen solchen Beitrag bejahen können, wird es eine heftige und tiefgreifende Auseinandersetzung bei uns und in uns selber geben. Aber wir müssen da hindurch. Es wäre eine große Leistung, die die Welt ohne Zweifel honorieren würde, wenn es uns gelänge, in Übereinstimmung mit uns selbst der ganzen Welt das Wissen zu erleichtern, wie es um dieses neue Deutschland steht, und wenn wir erkennten, daß es sich lohnt und daß es nützlich ist, mit ihm gemeinsam eine bessere Zukunft zu gewinnen. Was könnte uns mit größerer Aussicht auf Erfolg zu diesem Ziele führen als eine Förderung der Wissenschaft, der Frauen und Männer, die sie betreiben, als eine Förderung aller derer, die mit uns sprechen wollen, als ein Bemühen darum, der Jugend draußen in der Welt zu zeigen, daß wir zu jedem Gespräch
bereit sind. Das sollten wir gemeinsam tun, und in diesem Sinne mit Herrn Minister Höcherl die große Koalition!
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Maxsein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Höcherl hat in sachlichen und umfassenden Darlegungen gezeigt, was der Bund auf dem kulturellen Sektor Berlins geleistet hat und zu leisten beabsichtigt. Nach dem 13. August hat sich der Berliner Senat intensiv Gedanken darüber gemacht, wie er die Sicherheit und Lebensfähigkeit Berlins und seiner Bevölkerung festigen und bewahren könne. In diesem Rahmen hatte er den Vorschlag gemacht, Berlin zu einem Zentrum der Wissenschaft, Bildung und Kunst auszugestalten. Aus den Ausführungen des Herrn Ministers geht hervor, in welch hohem Maße der Bund nicht nur bereitwillig ist, sondern 'Bereitschaftsfreude gezeigt hat, Berlin kulturell zu helfen, und wie er dem Ziele, Berlin zu einer wissenschaftlichen und kulturellen Metropole auszugestalten, gerecht wird. Ich halte es nur für gerecht und billig, dem Bunde dafür an dieser Stelle unseren Dank auszusprechen.
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Ich halte es nicht für gut oder zumindest wäre es ein Armutszeugnis, das wir uns ausstellen, wenn in jeder Debatte über die Kulturpulitik - jetzt auch im Zusammenhang mit der Berlinpolitik - der Regierung der Vorwurf gemacht würde, sie entwickle nicht genug Initiative. Ich bin der Meinung, die Initiative sollte auch beim Parlament liegen, und ich begrüße es, wenn wir uns in diesem Hause selber Vorschläge ausdenken und Anregungen machen und auch die Zusammenarbeit - gerade das halte ich für ein begrüßenswertes Politikum - zwischen dem Berliner Senat und der Bundesregierung fördern.
Ich möchte mich nur einzelnen Punkten und einzelnen Anliegen aus dem großen Bukett der Maßnahmen, die für Berlin vorgesehen sind, zuwenden. Der Herr Bundesminister sprach davon, daß Berlin die Kapazitäten gar nicht ausschöpfen könne. - Wenn sich das auf die Baukapazität beziehen sollte, so dürfte das meines Erachtens, soweit ich orientiert bin, nicht stimmen. Richtig ist, daß in beiden Berliner Universitäten - Berlin verfügt bekanntlich über zwei Universitäten - die Aufnahmekapazität restlos in Anspruch genommen ist. Wenn wir nun die wissenschaftliche Metropole anstreben, genügen diese beiden Universitäten nicht. Wir wollen ja nicht nur, daß die Studenten der Bundesrepublik in großer Schar nach Berlin kommen, sondern darüber hinaus die Studenten aus den Ländern Europas, aus den Vereinigten Staaten und aus den Entwicklungsländern. Wenn das erreicht werden soll, müßte der Empfehlung des Wissenschaftsrats auf weitere Ausgestaltung der Universitäten sehr beschleunigt entsprochen werden. Ich glaube, es ist kein Geheimnis geblieben, daß man plant - und ich bitte, hier alle
Rivalitätsgedanken zurückzustellen -, in Berlin eine dritte Universität zu errichten. Berlin ist ja nicht eine Stadt, die man mit Privilegien ausstattet, bei der man Rivalitätsansprüche anderer Städte berücksichtigen oder mindern müßte. Berlin ist eine gemeinsame politische Aufgabe aller Deutschen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß jegliche Koordinierung, jegliche Konzentration auf wissenschaftlichem Gebiet und daß der Ausbau aller wissenschaftlichen Vorhaben in Berlin illusorisch bleiben, wenn nicht auch die Voraussetzung dafür geschaffen wird, daß zentrale wissenschaftliche Aufgaben erfüllt werden, d. h. daß die Menschen zur Erfüllung dieser Aufgaben da sind.
Berlins Bedeutung lag in der Vergangenheit nicht nur darin, daß sich die Konzentration der Kräfte in den Organisationen Berlins verwirklichte, sondern insbesondere darin, daß Berlin durch die Persönlichkeiten, die dorthin kamen, eine Strahlkraft hatte. Das hat sich auf dem wissenschaftlichen wie auf dem Kunstgebiet in der Geschichte gezeigt. Wer in Berlin an der Staatsoper gesungen hatte, der hatte an einem Theater debütiert - oder gastiert oder einen Dauerauftrag gehabt -, das auf einsamer Höhe stand. Wer in Berlin den Lehrstuhl Hegels innehatte, durfte sich dies als besondere Ehre anrechnen.
Meines Erachtens ist die erste Voraussetzung für die Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben in Berlin die Rückführung der ausgelagerten Bestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek.
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Ich will die Zahl der Bände, die sich noch in Marburg befinden, gar nicht nennen. Ein kleinerer, aber besonders wertvoller Restbestand lagert noch in Tübingen. Die ausgelagerten Bestände sollten schleunigst nach Berlin gebracht werden. Es liegt schon eine Planung für die Nationalbibliothek vor. Hier ist das A und O wissenschaftlicher Forschung.
An dieser Stelle möchte ich mich an den Herrn Bundesinnenminister wenden und einen Augenblick die Aufmerksamkeit auf die Struktur des Stiftungsrates lenken. Es herrscht im Innenministerium die Auffassung - es geht grundsätzlich alle Abgeordneten an, und deswegen erwähne ich das hier; wie sollten wir nicht ,die Chance einer so seltenen Kulturdebatte ergreifen, um unsere Anliegen anzubringen! -, daß dem Stiftungsrat kein Bundestagsabgeordneter angehören dürfe; das widerspreche der Satzung. Vergeblich haben Rechtsgelehrte die Satzzung wegen dieser Aussparung der Bundestagsabgeordneten durchforscht. Ich kann mir nicht denken, daß hier eine Disqualifizierung der Abgeordneten ins Auge gefaßt ist; das ist sicher nicht der Fall. Es erhebt sich aber die Frage, warum das, was in allen anderen Gremien, beispielsweise in den Rundfunkräten, eine Selbstverständlichkeit ist, nicht auch auf den Stiftungsrat zutreffen sollte.
Damit ich es nicht vergesse, darf ich den Herrn Minister Höcherl gleich darauf aufmerksam machen, daß er sich demnächst einmal der Mühe unterziehen muß, nachzuforschen, wo die Gründe dafür liegen,
daß in der Auswertung des preußischen Kunstbesitzes in Berlin Stockungen eingetreten sind. Man schämt sich, einzugestehen, wie viele der Kunstschätze - es sind 80 %! - noch in den Magazinen lagern und weder ausgewertet noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
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Es ist nicht zuletzt der Initiative des Bundestages und der Bundesregierung zu verdanken, daß die Kunstschätze nach Berlin zurückgekommen sind. Wir sind das Gewissen des Volkes und haben 'die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß ein hohes Kulturgut des deutschen Volkes zu Ehren kommt und nicht vermodert.
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Meine lieben Freunde, die Baupläne sind vorhanden, das Geld ist da; aber es wird nicht gebaut. Das ist das Problem. Ich möchte dem Herrn Minister Höcherl ans Herz legen, die Gründe dafür zu erforschen. Ich könnte mir denken, daß wir uns hier auf dem Kultursektor Lorbeeren für die deutsche Nation erobern.
Da ich nun gerade bei der Kunst angelangt bin, lassen Sie mich eine Bemerkung zu der Situation im allgemeinen machen. Zunächst möchte ich dem Bund für die verstärkten Zuwendungen an die Berliner Bühnen danken. Dank der Zuschüsse ist .es den staatlichen und auch den privaten Bühnen gelungen, sich in beachtliche internationale Ränge hinaufzuspielen. Das ist dank der Unterstützung des Bundes geschehen. Auch die Festspielwochen, die Filmfestspiele und die Philharmonie wenden, wenn die im Etat angesetzten Beträge zur Auswirkung kommen, nicht nur ihre Ansprüche gewahrt, sondern ihre Wünsche erfüllt sehen.
Aber was auf dem Kunstsektor im Vergleich zum Wissenschaftssektor fehlt, ist dieses: Der Wissenschaftssektor hat einen Wissenschaftsrat. Er hat schnell gearbeitet und hervorragendes geleistet. Auf dem Kunstsektor fehlt die Zusammenschau der Aufgaben, die Gesamtschau. Die Aufgaben zerfließen, und man sollte überlegen - das wird im Schoße der CDU geschehen -, ob man nicht dem Wissenschaftsrat den Kunstrat an die Seite stellen muß. Die Bestimmungen im Grundgesetz über Kunst und Wissenschaft gelten paritätisch. Hinsichtlich der freien schöpferischen Kräfte ist die Kunst schließlich die große Parallele zur Wissenschaft.
Aber ,den Schwerpunkt - wenn wir Schwerpunkte setzen - würden wir doch auf die Ansiedlung internationaler Einrichtungen in Berlin legen. Ob es sich dabei um ein Gremium der UNESCO handelt, ist völlig gleichgültig. Ich persönlich hätte daran gedacht, eine Zweigstelle des Kultursekretariats des Europarates nach Berlin zu bringen. Denn NATO und WEU haben keine Kulturkompetenzen mehr.
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- Aber nur laut Artikel und nicht praktisch. Die WEU hat ihre Kulturkompetenzen und Kulturfunktionen in der letzten Zeit restlos an den Europarat abgetreten. Der Europarat hat Großes geleistet, und man sagt mit Recht, wenn er nicht existierte, müßte
man ihn erfinden. Aber auf dem Kultursektor hat er besonders Bedeutendes geleistet, dort hat er nachweislich Ergebnisse erzielt.
Das würde bedeuten, daß man in Berlin neue Ideen, Initiativen und Impulse wecken könnte. Das würde bedeuten, daß man sich in Berlin verpflichtet sähe, den internationalen Ansprüchen auf dem Kultursektor Rechnung zu tragen. Eine Wechselwirkung zwischen Bund, Ländern und Ausland auf kulturellem Gebiet wäre dann ein natürlicher Vorgang. Namentlich aber würde es - und das ist das Politikum - den Berlinern psychologisch helfen. Es würde in ihnen das Bewußtsein der Sicherheit und vor allen Dingen das Selbstbewußtsein stärken, das sie brauchen. Vergessen wir nicht, daß Berlin mitten im kommunistischen Machtbereich lebt, daß Berlin an der Nahtstelle zweier Herrschaftsbereiche, zweier Herrschaftssysteme, des Totalitarismus und der Demokratie, lebt. Berlin ist ein Probefall der Macht. Berlin ist aber sehr viel mehr: Berlin ist das Feld, auf dem die geistige Auseinandersetzung ausgetragen wird. Denken Sie daran, daß Chruschtschow erklärt hat: Es gibt keine ideologische Koexistenz. In Berlin wird es sich entscheiden, ob am Ende der Geist und ob der Mensch siegt.
Ich denke dabei an die Auffassung vom Humanismus im sowjetzonalen Bereich. Ich brauche bloß an die Pädagogik Ostberlins zu denken. Die pädagogischen Lehrbücher sind wortwörtlich aus dem Russischen übersetzt, und was Humanismus dort heißt, sollten wir uns ins Gedächtnis einprägen: nichts anderes als Erziehung zum Sowjetmenschen. Es wäre sehr angebracht, sich in den Ausschüssen Gedanken darüber zu machen, was das in den letzten Konsequenzen bedeutet: Humanismus gleich Kommunismus im sowjetzonalen Sinne.
Dem stellen wir unsere Auffassung von Humanismus gegenüber, und ich möchte schließen mit einem Zitat Grillparzers: Es bringt eine Auffassung von der Humanität, die wir uns zu eigen machen, die der Substanz nach zu unseren politischen Grundlagen gehört. Sie lautet: „Humanität ohne Divinität führt zur Bestialität."
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausgestaltung Berlins als Kulturzentrum ist eine politische Aufgabe für uns alle und eine nationale Aufgabe ersten Ranges. Sie hat nicht nur Bedeutung für die Bundesrepublik, sie hat darüber hinaus Bedeutung für die freie Welt.
Ich verwies auf einen Schwerpunkt der Berliner Kulturpolitik. Dieser Schwerpunkt findet seinen Ausdruck in dem Antrag der Christlich-Demokratischen-Union, den ich an den Ausschuß zu überweisen bitte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Charme, mit dem Frau Kollegin Maxsein das Schlußwort für die Christlich-Demokratische Union gesprochen hat, stimmt mich milde und nachsichtig.
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Ich möchte dem Herrn Bundesinnenminister zunächst sagen, daß wir seinen guten Willen, der in seinen ausführlichen Betrachtungen zum Ausdruck kam, durchaus anerkennen. Aber nicht nur deshalb, weil wir ihn, um ihn bei seinen eigenen Parteifreunden nicht in Mißkredit zu bringen, nicht allzusehr loben wollen, sondern auch um der Sache willen möchte ich sagen, daß wir Klarheit in den Fragen vermißt haben, auf die meine Freunde Dr. Frede und Fritz Sänger hingewiesen haben. Es wäre gut, wenn diese Klarheit bald geschaffen werden könnte.
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Nun, meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß ich mit besonderer Aufmerksamkeit die Tatsache registriere, daß Sie auf die, wenn ich so sagen darf, „Ellwanger Konzeption" in dieser Debatte keine Antwort gegeben haben. Sie werden es auch verstehen, wenn ich den Diskussionsbeitrag von Herrn Professor Süsterhenn nicht als eine solche Antwort anzusehen in der Lage bin; einfach deshalb, weil er ein Versuch war, an der Antwort vorbeizukommen.
Herr Kollege Süsterhenn hat zunächst mit Recht gesagt: Es genüge nicht, zu sagen: irgendein Humanismus; man müsse sich schon präziser darüber auslassen, was man denn damit heutzutage aussagen wolle. Ich stimme dem zu. Nur bleibt dabei die Frage offen - ich weiß, daß wir darüber jetzt nicht mehr diskutieren können -, welche Art von Humanismus denn nun in ,der Christlich-Demokratischen Union zu Hause ist, welche also das politische Profil Ihrer Partei prägen soll. Der katholische? Der protestantische? Der säkulare Humanismus?
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Ich weiß von allen drei Arten des Humanismus in Ihrer Partei, meine Damen und Herren. Aber man wird bei der Lektüre von Reden wie der auf Ihrem Kulturkongreß in Gelsenkirchen von Herrn Direktor Hansler gehaltenen, bei ,der Lektüre dessen, was der Herr Kollege Heck in Gelsenkirchen und in Ellwangen gesagt hat, sowie dessen, was die Herren Staatssekretär Strauß und Kultusminister Schütz dort gesagt haben, den Eindruck nicht los, daß hier allmählich eine sehr weitgehende Priorität eines katholisch-humanistischen Selbstverständnisses in der Christlich-Demokratischen Union spürbar wird.
({3})
- Meine Damen und Herren, ich habe genügend Gesprächspartner im evangelischen Lager Ihrer Partei, daß Sie mir das glauben können.
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Ich erinnere mich mit Vergnügen einer Bemerkung, die der Herr Bundestagspräsident vor längerer Zeit einmal gemacht hat, als er feststellte: Es gibt nicht nur sozusagen einen katholischen Klerikalismus, es gibt Versuchungen solcher Art auch im evan754
gelischen Lager. - Das alles wissen wir doch; wollen wir uns doch nichts vormachen!
Nun, meine Damen und Herren, uns liegt daran, darüber Klarheit zu schaffen. Wir möchten. deshalb auch die heutige Debatte nicht als eine einzige und als die letzte Runde bewerten. Ich verstehe, daß Sie sich zunächst innerhalb der CDU, darüber klarwerden müssen, ob Ellwangen als das erste oder zweite Gesicht Ihrer Partei zu bezeichnen ist oder wie es sonst in die Äußerungen der ChristlichDemokratischen Union einzuordnen ist.
Lassen Sie mich am Schluß ein ernstes Wort oder, besser gesagt, eine Bitte aussprechen. Wahrscheinlich teilen Sie alle den Eindruck, der uns ein wenig bekümmert, daß die kulturpolitischen Debatten dieses Hauses in den vergangenen Jahren manchmal den Charakter von unverbindlichen Gesprächen, von unverbindlichen Diskussionen gehabt haben. Ich möchte mir und uns allen wünschen, daß diese erste Aussprache über einige der wesentlichen Aufgaben der Kulturpolitik ein Auftakt zu einer intensiven, sachlichen und erfolgreichen Zusammenarbeit in der Kulturpolitik ist. In diesem Sinne bittet meine Fraktion, alle Anträge anzunehmen bzw. sie den Ausschüssen zu überweisen.
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Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? - Bitte, Herr Bundesminister des Innern!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, mir noch ein abschließendes Wort zu dieser umfangreichen Debatte zu gestatten.
Zunächst darf ich mich herzlich für die Art und Weise bedanken, in der das Thema abgehandelt worden ist. Es steht mir zwar kein Urteil darüber zu, und der Innenminister neigt auch gar nicht zu solchen Erklärungen; aber wenn ich ein positives Urteil abgeben und zusammenfassen darf, möchte ich sagen: es war ein kultiviertes Kulturgespräch, und dafür möchte ich mich bedanken.
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Es sind eine ganze Reihe von Anregungen gegeben worden, die das Innenministerium und die Bundesregierung sehr gewissenhaft aufnehmen und prüfen und, wie ich hoffe, soweit es geht, auch in der zukünftigen Arbeit verwerten werden.
Es sind aber auch einige Dinge erwähnt worden, die einen gewissen Widerspruch erfordern. So darf der Versuch nicht unwidersprochen bleiben, eine gewisse Konkordanz zwischen den Bemühungen zur Förderung der Wissenschaft beim Ausbau von Hochschulen und früheren Anträgen von der linken Seite des Hauses mit dem Art. 120 des Grundgesetzes in Verbindung zu bringen. Sie, wissen, daß sich das damals auf Volksschulen usw. bezogen hat. Das, was wir wegen des Nachholbedarfs angesichts der stürmisch ansteigenden Besucherzahlen der Hochschulen den Ländern an Hilfe angeboten und gegeben haben, hat nichts mit dem Art. 120 zu tun. Das
darf nicht in einen Zusammenhang gebracht werden, der weitreichende Konsequenzen vor allem auch verfassungsrechtlicher Art hätte.
Zweitens möchte ich noch auf folgendes zurückkommen. Ich habe immer wieder, auch bei den letzten zwei Runden der Ausführungen, festgestellt, daß die Neigung zu einer Abgrenzung der Kompetenzen hier in diesem Hause außerordentlich groß zu sein scheint. Ich bitte aber zu bedenken, daß das Wort „Abgrenzung" vor allem aus dem Begriff „Grenze" besteht und daß es ganz und gar nicht ungefährlich ist, in diesen Bemühungen allzuweit zu gehen. Man muß sich vielmehr immer dessen bewußt bleiben, daß eine Abgrenzung auch eine Begrenzung sein kann.
Was nun in sehr charmanter Form Frau Dr. Maxsein über Berlin gesagt hat, kann ich der Zielsetzung nach nur bestätigen, und auch das, was sie an Zukunftsabsichten vorgetragen hat, findet durchaus meinen Beifall. Ich darf jedoch bitten, nicht zu vergessen, daß ich sehr nachdrücklich und beweisbar dargelegt habe, daß wir Berlin mehr angeboten haben und für Berlin mehr bewilligt haben, als dort der Planung und der Baukapazität nach in dieser Zeit verwendet und abgerufen werden konnte.
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- Das ist richtig, es ist nicht nur eine Geldfrage. Trotzdem ist es ein sehr seltener Vorgang, daß vom Bund mehr angeboten wird. Es könnte sehr leicht der Eindruck entstehen, daß der Bund sich vielleicht etwas zurückgehalten habe. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Wir haben mehr angeboten. Das sollte man auch sehen, und vielleicht müßte auch eine gewisse Ordnung geschaffen werden.
Dasselbe gilt für die Unterbringung des preußischen Kunstbesitzes. Wir haben gerade bei der weiteren Unterbringung des preußischen Kunstbesitzes den Fall zu verzeichnen - er kann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden -, daß die für ein Gebäude in Dahlem ausgeworfenen rund 5 Millionen DM noch nicht in dem entsprechenden Umfang abgerufen werden konnten, weil der Bau nicht so rasch vorwärtsschreitet - Sie alle kennen die Gründe -, wie das nach den Mitteln, die wir bereitstellen, möglich wäre. Das ist nun einmal so. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Schuldfrage, sondern um eine Tatsachenfrage.
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- Gut, aber was von der finanziellen Seite her getan werden konnte, ist geschehen.
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- Ich will keine weiteren Schuldfragen aufwerfen, aber eines muß immerhin klargestellt werden. Ich habe es außerordentlich bedauert, Frau Dr. Maxsein, daß ich in meinem Brief schreiben mußte: Die Berufung in den Beirat ist nicht möglich. Ich habe mich noch einmal genau erkundigt, und ich möchte annehmen, es ist erfreulicherweise nicht absolut
Bundesinnenminister Höcherl
ausgeschlossen, daß ich diesen Brief revidieren kann.
Gestatten Sie mir noch einen ernsten Appell. Dem Kulturpolitiker wird nicht nur auf der Landesebene, sondern auch auf der Bundesebene sehr viel an gutem Willen, an Sachkunde und Darstellungskraft zugestanden; aber man wirft ihm gelegentlich vor, daß er sich in den entscheidenden Phasen, nämlich im Haushaltsausschuß und auch später bei der zweiten und dritten Lesung, wo die maßgeblichen Entscheidungen fallen, nicht so durchzusetzen vermag, wie der gute Wille reichen könnte. Nun, darauf kommt es an. Morgen um 9.30 Uhr beginnen die Haushaltsberatungen zum Einzelplan 06. Dort werden die Entscheidungen fallen. Wenn es auch nicht ausschließlich auf das Geld ankommt, so kommt es doch sehr weitgehend auf das Geld an. Die letzten Entscheidungen fallen in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts Anfang April. Also, meine Damen und Herren, widerlegen Sie diesen Vorwurf! Bei Philippi sehen wir uns wieder!
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Weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Aussprache über die drei Großen Anfragen geschlossen.
Wir haben nun noch die Anträge zu verabschieden. Ich rufe zunächst den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 43 auf und schlage Ihnen vor, den Antrag unter Ziffer 1 dieses Umdrucks an den Gesamtdeutschen Ausschuß - federführend - sowie an den Kulturausschuß - mitberatend - und die Anträge unter den übrigen Ziffern nur an den Kulturausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Umdruck 44. Hier schlage ich Überweisung an den Entwicklungsausschuß - federführend - und an den Kulturausschuß - mitberatend - vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Umdruck 45. Ich schlage vor, den Antrag an den Gesamtdeutschen Ausschuß - federführend - und an den Kulturausschuß mitberatend - zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 21. März 1962, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.