Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung werden auf die Tagesordnung der heutigen außerordentlichen Sitzung des Bundestages folgende Punkte gesetzt:
1. Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung ({0});
2. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des J. F. G. Grosser, München, gegen die Berufung eines Listennachfolgers der Landesliste der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Hessen ({2}).
Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mir mit Schreiben vom 5. Juli 1965 mitgeteilt, daß sie als Nachfolger für den aus dem Rundfunkrat des Deutschlandfunks ausgeschiedenen Staatssekretär a. D. Thedieck den Abgeordneten Dr. Czaja benennt. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Czaja als Mitglied des Rundfunkrates des Deutschlandfunks gewählt.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat unter dem 2. Juli 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Ramminger, Dr. Zimmermann ({3}), Dr. Kempfler, Dr. von Haniel-Niethammer, Dr. Dittrich, Unertl, Wagner, Ehnes, Dr. Besold und Genossen betr. Hochwasserschäden in Bayern - Drucksache IV/3556 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3726 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat unter dem 2. Juli 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Marx, Seidel ({4}), Höhne und der Fraktion der SPD betr. Hochwasserkatastrophe - Drucksache IV/3562 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3727 verteilt.
Die Sprecher der deutschen Delegation haben einen Bericht über die Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 31. Mai bis 3. Juni 1965 in Paris abgegeben, der als Drucksache IV/ 3723 verteilt wird.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 30. Juni 1965 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 14. November 1963 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen, dem Bundesminister der Finanzen, dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Bundesminister für Verkehr einen Zwischenbericht nebst Anlage über die Sammlung und Beseitigung von Altölen und Ölrückständen im Interesse des Schutzes der Gewässer und des Bodens übersandt, der als Drucksache IV/3724 verteilt wird.
Der Vorsitzende des Außenhandelsausschusses hat am 1. Juli 1965 mitgeteilt, daß der federführende Außenhandelsausschuß und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die von der Bundesregierung vorgelegte Verordnung Nr. 63/65 /EWG des Rates vom 13. Mai 1965 über eine von Art. 17 der Verordnung Nr. 19 abweichende Regelung und die Anwendung des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 16164/ EWG betreffend die vorherige Festsetzung der Abschöpfung für bestimmte Erzeugnisse zur Kenntnis genommen und keine Bedenken geäußert haben.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 6. Juli 1965 mitgeteilt, daß der federführende Ernährungsausschuß und der mitberatende Außenhandelsausschuß die von der Bundesregierung. vorgelegte Verordnung des Rates zur Ersetzung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/64/ EWG des Rats vom 21. Oktober 1964 über die Regelung für Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnisse und die Verordnung des Rates betreffend gewisse Maßnahmen, die für das Wirtschaftsjahr 1965/1966 auf dem Gebiet der Getreidepreise anzuwenden sind, zur Kenntnis genommen und keine Bedenken geäußert haben.
Der Präsident der Nato-Parlamentarier-Konferenz hat am 31. März 1965 die auf der 10. Jahreskonferenz der Parlamentarier der Nato gefaßten Empfehlungen übersandt, die als Drucksache IV/ 3687 verteilt werden.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung ({5}).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Sondersitzung wurde von uns beantragt, damit die notwendigen Entscheidungen auf dem Gebiete des Mutterschutzes und der Pflichtversicherungsgrenze in der Krankenversicherung noch von diesem Bundestag getroffen werden können.
Im Rahmen der allgemeinen Aussprache muß ich kurz auf die Abstimmungsergebnisse in der zweiten Beratung zur Versicherungspflichtgrenze zurückkommen; dies deshalb, weil wir die Anträge zu der zweiten Beratung, soweit sie abgelehnt wurden, heute zur dritten Lesung wiederholen.
Die SPD-Anträge entsprachen und entsprechen vollinhaltlich den Beschlüssen des Ausschusses für Sozialpolitik. Sie waren auch in der letzten Woche den Fraktionen bekannt. Alle Fraktionen hatten sich vorher mit der Materie beschäftigt. Die Sache war damit schon in der letzten Woche entscheidungsreif. Verglichen mit dem komplizierten Sozialrecht, ging
es bei den Abstimmungen zwar um politisch höchst umstrittene, aber von der Sache und vom Abstimmungsverfahren her relativ einfache Fragestellungen. Wenn dennoch die Dinge von Abstimmung zu Abstimmung verworrener wurden, so ausschließlich deshalb, weil die Regierungsparteien untereinander und die CDU noch zusätzlich in sich heillos zerstritten waren.
({0})
Vier Fragen stehen heute wie in der letzten Woche zur Abstimmung: 1. die Versicherungspflicht- und Beitragsgrenze in der Krankenversicherung, 2. die Senkung des Arbeitgeberzuschusses zum Krankengeld oder seine Beibehaltung in der gegenwärtigen Höhe, 3. die üblichen Übergangsvorschriften und schließlich 4. der Zeitpunkt des Inkrafttretens.
1. Wir hatten beantragt, die Beitrags- und Leistungsgrenze von zur Zeit 660 DM auf 900 DM zu erhöhen. Die CDU hatte sich nach vielem Hin und Her dazu durchgerungen - was sie auch heute wieder beantragt -, eine Erhöhung der Grenze auf 810 DM vorzuschlagen.
In namentlicher Abstimmung wurde unser Antrag - Heraufsetzung der Versicherungspflicht- und Beitragsgrenze auf 900 DM - mit 227 gegen 173 Stimmen angenommen. Dieses Stimmenverhältnis kam zustande, weil neben der FDP auch 25 CDU-Abgeordnete für unseren Antrag und damit gegen den ihrer Fraktion stimmten.
Dann wurde über eine im wesentlichen unbestrittene Leistungsfrage, nämlich die Erhöhung des Krankengeldes nach Ablauf der sechsten Woche, mit großer Mehrheit positiv entschieden.
2. Bei der zweiten neuralgischen Abstimmung ging es um die Höhe des Arbeitgeberzuschusses zum Krankengeld. Die FDP hatte beantragt, den Arbeitgeberzuschuß der geänderten Beitragsgrenze anzupassen. Praktisch hätte die Annahme dieses Antrags den Arbeitgeberzuschuß um 538 Millionen DM verringert. Wir waren und sind gegen den FDP-Antrag, um nicht die Einführung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, die leider dem nächsten Bundestag überlassen bleiben muß, zu erschweren.
Auch Herr Kollege Stingl hatte als Sprecher der CDU-Fraktion die Ablehnung des FDP-Antrages mit ähnlicher Begründung angekündigt.
({1})
Dennoch haben 61 CDU-Abgeordnete für den FDP- Antrag gestimmt. Trotzdem wurde er schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit war eine grundsätzlich wichtige Entscheidung gefallen, nämlich die, daß die Arbeitgeber die Zuschüsse zum Krankengeld in bisheriger Höhe zahlen sollen.
Unser weiterer Antrag auf Einfügung eines Abs. 7 in § 182 zog lediglich die Konsequenz aus dieser Grundsatzentscheidung. Logischerweise hätten dieselben Mitglieder des Hauses, die den FDP-Antrag abgelehnt haben, unseren Antrag annehmen müssen. Auch dieser Antrag war das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit im Sozialpolitischen Ausschuß. Der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr Kollege Stingl, hatte die vorgesehene Regelung im
Ausschuß sogar gemeinsam mit mir beantragt, und das Bundesarbeitsministerium hatte uns dabei Formulierungshilfe geleistet.
Überraschenderweise haben aber - und das muß festgestellt werden - 157 CDU-Abgeordnete gegen diesen Antrag gestimmt und ihn damit zu Fall gebracht. Dies, obwohl es sich lediglich um eine notwendige Folgerung aus der vorher getroffenen Entscheidung über den Arbeitgeberzuschuß handelte.
Aus der Sache heraus war es unbegreiflich, weshalb der SPD-Antrag zum Arbeitgeberzuschuß abgelehnt wurde. Die einzige Erklärung für die negative Stimmabgabe jener 157 CDU-Abgeordneten ist, daß sie meinten, nach Annahme verschiedener SPD-Anträge müßten nun auch einmal Anträge der Sozialdemokraten abgelehnt werden.
({2})
Diese merkwürdige Haltung führte dann zu grotesken Ergebnissen, was Sie doch wohl nicht bestreiten werden. Durch die Ablehnung unseres jetzt erneut gestellten Antrags zu § 182 Abs. 7 wurde in der vergangenen Woche beispielsweise beschlossen, daß länger erkrankte Arbeiter Krankengeld nur unter Zugrundelegung eines Lohnes von 660 DM erhalten, obwohl sie Beiträge bis zu einem Einkommen von 900 DM entrichten müssen. Dieser Beschluß war widersinnig.
({3})
- Ich komme gleich noch auf Sie zu sprechen, Herr Memmel, damit Sie ganz beruhigt sind.
Im übrigen stimmten die Abgeordneten, die unseren Antrag zu Fall brachten, damit gleichzeitig gegen die Erhöhung des Krankengeldes für langfristig erkrankte Arbeiter mit einem Monatslohn über 660 DM, was sie vorher mit überwältigender Mehrheit beschlossen hatten.
3. Die Übergangsregelung in unserem Antrag - er wird auch heute wieder gestellt - zu Art. 3 Abs. 2 und 3 sollte und soll die Rechte der wieder versicherungspflichtigen Angestellten sichern. Die von uns beantragte Regelung entspricht inhaltlich voll den gesetzlichen Vorschriften, die bisher bei jeder Änderung der Einkommensgrenzen beschlossen wurden. Auch dieser selbstverständliche sozialdemokratische Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Diese Entscheidung der Mehrheit hat mit sinnvoller Gesetzgebungsarbeit nichts mehr zu tun.
({4})
4. Schließlich hat die Mehrheit beschlossen, die Regelung der Versicherungspflichtgrenze erst am 1. Januar 1966, also erst in der neuen Legislaturperiode, in Kraft treten zu lassen. Wer sich in der ersten Abstimmung für die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs entschieden hatte, mußte sinnvollerweise für ein Anheben der Versicherungspflichtgrenze noch in dieser Legislaturperiode stimmen. Das hat die Mehrheit nicht getan.
Ich komme zum Schluß. Ungeachtet dieser widersprüchlichen Abstimmungen hätten die unerwünschDr. Schellenberg
ten Ergebnisse der zweiten Lesung sogleich in der dritten Lesung korrigiert werden können. Die Dinge, um die es ging, waren jedenfalls den Sachkennern, Herr Kollege Memmel, völlig klar. Auch die politisch strittigen Fragen waren bereits in den ersten drei Abstimmungen entschieden worden. Es ging also lediglich um Korrekturen redaktioneller Art für die dritte Lesung.
({5})
Die Fristeinrede war aus der Sache heraus völlig
({6})
unnötig.
({7})
- Herr Kollege Memmel, Sie und diejenigen, von denen Sie unterstützt wurden, waren von den Kollegen Ihrer Fraktion bereits am Tage vorher gewarnt worden, eine solche Fristeinrede zu machen,
({8})
weil dies, so haben die Kollegen Ihrer Fraktion erklärt, eine Obstruktion bedeuten würde.
({9})
Aber, meine Damen und Herren, Herr Memmel und die, die mit ihnen stimmten, waren unbelehrbar. So mußten wir diese Sondersitzung beantragen.
Nachdem die Mehrheit in der zweiten Lesung
eine Versicherungspflichtgrenze von 900 DM beschlossen und die Beibehaltung der Arbeitgeberzuschüsse in der zweiten Lesung ebenfalls angenommen hat, ist eine sinnvolle Entscheidung nur durch Annahme der sozialdemokratischen Anträge auf Umdruck 730 *) möglich.
({10})
Keine weiteren Wortmeldungen?
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
({1})
-- Zur Begründung Ihrer Anträge? Wir sind noch in
der allgemeinen Aussprache. Aber ich habe nichts
dagegen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl.
- Der eigentliche Sinn dieser allgemeinen Aussprache scheint mir in diesen Änderungsanträgen zu stecken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann schlecht die einzelnen Anträge, die wir Ihnen vorlegen, begründen, ohne zugleich zu den allgemeinen Problemen Stellung zu nehmen. Ich nehme an, daß auch Herr Kollege Schellenberg in seiner Rede zur allgemeinen Aussprache zugleich die Begründung für seine Änderungsanträge vorgetragen hat. Der Herr Präsident und
*) Siehe Anlage 2 das Hohe Haus sind wohl damit einverstanden, daß ich in gleicher Weise verfahre.
Meine Damen und Herren, ich habe die Ehre, Ihnen für meine Fraktion die Begründung der Anträge auf Umdruck 731 *) zu geben. Die Anträge auf Umdruck 731 sind, wie jeder Kenner feststellen wird, ein Kompromiß. Sie machen es auch denen, die bei der Abstimmung unlängst für eine höhere Pflichtversicherungsgrenze gestimmt haben, möglich, ihnen zuzustimmen.
({0})
- Da braucht niemand umzufallen, Herr Kollege Schellenberg; sie können diese Anträge deshalb unterstützen, weil zugleich manch Widersinniges, das in den Abstimmungen unlängst zustande kam, beseitigt wird.
({1})
Sie können sich mit einer niedrigeren Versicherungspflichtgrenze einverstanden erklären, weil die Mittelständler und Wirtschaftler der Fraktion einverstanden sind, daß andererseits in der Frage der Lohnfortzahlung im Rahmen dieses Gesetzes keine Änderung gegenüber der jetzigen Sachlage erfolgt. Deshalb und nur deshalb stellen wir jetzt einen Antrag, obwohl unsere Fraktion zusammen mit vielen Kollegen der Sozialdemokraten vor kurzem die Behandlung des Themas überhaupt abgelehnt hat. Die damalige Ablehnung ist durch -- sicherlich zulässige - Inanspruchnahme der Geschäftsordnung umgangen worden. Es kam zu einer Diskussion in der Sache.
Diese Diskussion in der Sache am letzten Freitag hat gezeigt, daß unser Krankenversicherungssystem außerordentlich kompliziert, außerordentlich verzweigt und ineinander verzahnt ist. Diese Verzweigung und Verzahnung machte sich dann auch in den Abstimmungen bemerkbar. Man kann schlechterdings nicht verlangen, daß jeder Kollege diese Einzelheiten beherrscht. So gesehen rechtfertigt sich der Antrag unseres Kollegen Memmel, die dritte Lesung auszusetzen und in einer Besinnung noch einmal zu klären, welche Lösung heute notwendig, welche möglich und welche erwünscht ist.
Wie kompliziert die Materie ist, mögen Sie daran erkennen, daß in dem Antrag der Freien Demokraten, der gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt wurde, in dem Antrag einiger Kollegen aus meiner Fraktion, in dem Antrag der Sozialdemokraten und dem Antrag der Freien Demokraten im Sozialpolitischen Ausschuß - in allen diesen Anträgen -übersehen wurde, daß in § 182 Abs. 5 Zahlen geändert werden mußten, sollte nicht durch die Erhöhung der Grenze eine Folge eintreten, die durch die zweite Lesung am Freitag verursacht warden ist. Alle Arbeiter würden nämlich zwar von 900 DM Beiträge bezahlen müssen, aber ihr Krankengeld - sofern sie nicht Monatslöhner sind, sondern, wie es allgemein üblich ist, Tagelohn, Schichtlohn, Wochenlohn oder Stundenlohn erhalten - wäre durchgehend, sowohl in den ersten sechs Wochen als auch
*) Siehe Anlage 3
später, nur von einem Betrag bis zu 660 DM berechnet worden.
({2})
Ich wiederhole: Einen derartigen Antrag haben sowohl die Freien Demokraten wie die Sozialdemokraten gestellt.
({3})
Und erst als ich im Ausschuß für Sozialpolitik mit Nachdruck darauf hinwies, haben die Freien Demokraten dort nachträglich den Antrag gestellt, das Krankengeld auf diese Höhe zu bringen.
Herr Kollege Schellenberg hatte sich freundlicherweise meiner Überlegung angeschlossen, daß das Krankengeld zumindest nach der sechsten Woche von einem höheren Betrag berechnet werden müsse.
Dem Plenum des Hauses, das nicht nur aus Sachverständigen besteht, kann sicherlich niemand einen Vorwurf daraus machen, daß die Abstimmungen durcheinandergegangen sind, sondern hier muß man den Fachleuten unter den Antragstellern den Vorwurf machen, daß sie die Auswirkungen vorher nicht ausreichend bedacht haben.
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schellenberg?
Herr Kollege Stingl, können Sie bestätigen, daß die Formulierungen, die hier beantragt wurden, auf Beschlüssen des Sozialpolitischen Ausschusses beruhen und daß die Regierung dazu Formulierungshilfe geleistet hat?
Ich bestätige Ihnen sehr gern, Herr Kollege Schellenberg, daß die Formulierung, die Sie für Abs. 7 vorschlagen, darauf beruht, daß ich in einer Vorbesprechung der CDU/CSU-Fraktion diesen Mangel Ihrer Anträge aufzeigte und mit Formulierungshilfe der Herren der Regierung einen Antrag vorbereitete, den ich dem Ausschuß bekanntgab, worauf Sie sofort sagten, daß Sie meinem Antrag beitreten würden.
({0})
Auch Herr Abgeordneter Erler möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Stingl, darf ich mich nach diesem Ihrem Vortrag erkundigen, warum Sie dann im Plenum der gleichen Regelung nicht zugestimmt haben?
Herr Kollege Erler, ich bin sehr gern bereit, auch dies aufzuklären. Wenn Sie die Abstimmungsergebnisse nachlesen, werden Sie finden, daß ich in beiden Abstimmungen mit Ihnen gestimmt habe. Das erste Mal betraf es die Grenze von 900 DM, das andere Mal handelte es sich um Abs. 7. Ich kann Ihnen außerdem sagen, Herr Kollege Erler, daß ich heute nicht mehr für 900 DM stimmen werde.
({0})
- Ja, ich sage es Ihnen freimütig und sehr ruhig.
- Das hängt damit zusammen, daß die Kollegen meiner Fraktion, die sich besonders dem Mittelstand und den Arbeitgebern verbunden fühlen, bereit sind, mit uns eine gemeinsame Linie zu finden, daß sie mit uns für eine Ziffer 7 stimmen werden, die es verhindert, daß sich der Arbeitgeberzuschuß auf Grund dieser Beschlüsse verringert. Da die Kollegen zu dieser Maßnahme bereit sind, haben die - ich nehme es an - meisten meiner Freunde, die anders gestimmt haben, gesagt, daß sie ihrerseits dem Kompromiß zustimmen werden, jetzt auf 810 DM Versicherungspflichtgrenze zu gehen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin in einem Gedankengang unterbrochen worden, der vielleicht nicht unbedingt ausgesprochen werden müßte. Aber da Herr Kollege Schellenberg von der Unordnung gesprochen hat, die hier ist, mache ich ihn heute schon wieder darauf aufmerksam, daß in seinem jetzigen Antrag zur dritten Lesung wiederum eine ausgesprochene Ungereimtheit enthalten ist.
({2})
- Ja, ich sage es Ihnen vorweg, damit Sie nachher die Änderung beantragen können.
({3})
Sie haben nämlich, meine Herren von der SPD- Fraktion, übersehen, daß es in Ihrem Antrag Umdruck 730 Ziffer 2 in dem anzufügenden Abs. 2 nicht nach § 1 Nr. 1 heißen darf und im Abs. 3 ebenfalls nicht „nach § 1 Nr. 1" heißen darf - denn § 1 betrifft das Mutterschutzgesetz und andere Dinge als die Versicherungspflichtgrenze -, sondern Sie müssen Ihre eigene als Nr. 01 vorgeschobene Nummer in Art. 2 zitieren. Aber ich will Ihnen damit nur Formulierungshilfe leisten.
({4})
Meine Damen und Herren, um das noch etwas zu verstärken: Hier zeigt sich, Herr Kollege Schellenberg, daß das genauso gegangen ist wie mit dem Antrag im Ausschuß selbst. Das haben offensichtlich Herren Ihrer Fraktion vorbereitet, die für einen bestimmten Teil der Versicherten unbedingt einen Vorteil erreichen wollen, und diese Herren, die den bestimmten Teil der Versicherten im Auge gehabt haben, haben den größeren Teil der Versicherten vergessen.
({5})
Wir schlagen Ihnen in unseren Änderungsanträgen vor, _die Versicherungspflichtgrenze von bisher 660 DM für Angestellte auf 810 DM Monatseinkommen für Angestellte zu erhöhen. Diese Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte bedeutet, daß die Arbeitgeber für diesen Personenkreis nunmehr zur Zahlung des Arbeitgeberbeitrages verpflichtet werden. Die Zahl der Angestellten, die da-
von betroffen ist, beträgt rund 908 000. Für diese Angestellten trifft je nach der Höhe, in der sich ihr Einkommen bewegt, zu, daß eine Beitragsermäßigung von 23,10 DM bis 17,85 DM eintritt.
Offensichtlich hat ein Teil Ihrer Fraktion nur auf diese Beitragsermäßigung bei den Angestellten gestarrt und nicht gesehen, daß auf der anderen Seite Beitragserhöhungen bei den Arbeitern eintreten.
Die Belastung der Angestellten, die mehr als 810 DM verdienen, wird um 9,80 DM monatlich höher, wenn die Berechnungen nach den Prozentsätzen, die jetzt vorhanden sind, und unter den gleichen Modifikationen erfolgen. Dabei ergibt sich ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Erhöhung auf 900 DM. Die Angestellten über 900 DM würden bei einer Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze auf 900 DM 16,80 DM mehr bezahlen müssen gegen 9,80 DM nach unserem Antrag. Die Arbeitgeber als Gesamtheit müssen bei unserem Antrag 280 Millionen DM jährlich mehr aufbringen gegenüber 463 Millionen DM jährlich bei den Anträge der SPD und auch der FDP.
Die Ziffer 2 unseres Antrages ergibt sich aus der Ziffer 1 und hat Bedeutung für Selbständige, die sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern möchten.
Die Ziffer 3 unseres Antrages legt durch ihre Verbindung mit den Bestimmungen über das Beitragsverfahren fest, daß die Beitragsbemessungsgrenze bei Arbeitern ebenfalls von bisher 660 DM Monatseinkommen auf 810 DM Monatseinkommen ) erhöht wird. Sie ist also eine Folge der Ziffern 1 und 2. Es darf aber nicht übersehen werden, daß diese Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei Arbeitern zur Folge hat, daß alle Arbeiter, die zwischen 660 DM und 810 DM verdienen, monatlich von 5 Pfennig bis 7,50 DM mehr Beitrag bezahlen müssen als bisher. Sofern man der FDP und der SPD folgt, sei angemerkt, daß diese monatliche Mehrbelastung ihre Höchstgrenze nicht bei 3,50 DM, sondern bei 12 DM findet. Auch eine allgemeine Beitragssatzerhöhung hätte nie diese Mehrbelastung erreichen können. Die Mehrbelastung der Arbeitgeber beträgt 678 Millionen DM im Jahr. D. h. insgesamt haben die Kassen dann durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für die Arbeiter 1366 Millionen Mark mehr zur Verfügung. Dabei vernachlässigt diese Rechnung den Umstand, daß eine Beitragssenkung dann eintreten müßte, wenn unserem Anliegen, in § 182 einen Abs. 7 anzufügen, Rechnung getragen wird, weil nämlich dieser Betrag an Beiträgen für die Auszahlung eines höheren Krankengeldes erspart wird. Das gilt auch für den Antrag der Sozialdemokratischen Partei; diese Zahl ist vernachlässigt. Sie beträgt bei einer Grenze von 810 DM rund 400 Millionen DM im Jahr, bei einer Grenze von 900 DM rund 540 Millionen jährlich. Auch hieraus ersehen Sie, wie kompliziert die Rechnungen gegeneinander aufzumachen sind und - noch einmal - wie gerechtfertigt der Antrag von Herrn Memmel war.
Das heißt aber im Endeffekt, daß beide Gruppen, Arbeitgeber und Arbeiter, bei einer Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze in gleicher Weise und in gleicher Höhe mehrbelastet sind, wobei sich dann ergibt, daß auf der Seite der Arbeiter die Mehrbelastung nur diejenigen trifft, die über 660 DM monatlich verdienen. Würde man einen Absatz 7 nicht einführen, so würde das bedeuten, daß sich die Mehrbelastung - die Mittel, die notwendig sind, um die Leistungen zu erbringen - nicht nur auf die Arbeiter mit einem Einkommen von über 660 DM, sondern auch auf diejenigen mit einem Einkommen unter 660 DM beziehen würde, wobei ich gern zugebe, daß das insoweit ungenau ist, als es nicht eine Mehrbelastung darstellt, sondern möglicherweise nur eine unterlassene Beitragssenkung, wobei das Geld dann irgendwie anders ausgegeben wird.
Ich halte also fest: Unser Antrag bewirkt, daß die Angestellten um einen Betrag mehrbelastet werden, sofern sie über 810 DM verdienen, einen Betrag, den wir als Summe nicht genau feststellen können. Die Arbeitgeber werden bei den Angestellten um 280 Millionen DM und bei den Arbeitern um 678 Millionen DM mehrbelastet werden; d. h. durch die Beitragszahlung werden die Arbeitgeber insgesamt um 958 Millionen DM mehrbelastet.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Begründung unseres Antrags unter Ziff. 4. Ich wäre Ihnen, Herr Kollege Schellenberg, besonders dankbar, wenn Sie jetzt meinen Darlegungen aufmerksam folgten.
({6})
- Es ist ihm leider nicht möglich.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Diese Frage ist unbedingt notwendig; denn der Präsident steht nachher vor der äußerst schwierigen Situation, entscheiden zu müssen, welche die im Detail weitergehenden Anträge sind; und hier sind wir noch nicht ganz so weit. Hier muß Herr Troßmann etwas bei Herrn Abgeordneten Schellenberg aufklären.
Ich bitte Sie deshalb, fortzufahren.
Herr Präsident, es ist eine sehr wichtige systematische Sache, die natürlich auch der Sprecher der SPD-Fraktion mitbekommen muß; sonst könnte dann auch da einiges unterwegs passieren.
({0})
Also, Herr Troßmann, wie ist es? - Sind Sie mit Ihrer Frage an den Herrn Abgeordneten Schellenberg fertig? Stingl ({0}) : Herr Kollege Schellenberg, meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, ich bitte um Ihr Verständnis, daß ich hier besonders darauf hingewiesen habe, weil das eine wichtige systematische Frage ist.
Wir beantragen in § 182 Abs. 5, die Beträge, die dort als Höchstbeträge angegeben sind, zu erhöhen und sie bis auf den Stand von 810 DM Monatseinkommen anzuheben,
Meine Damen und Herren, das hat zur Folge, daß nicht nur für Angestellte, sondern auch für Arbeiter - und zwar nahezu alle Arbeiter, denn dieser Abs. 5 geht nur die Arbeiter an, die im Schicht-, Tage- und Wochenlohn arbeiten, während die in Monatslohn arbeitenden Arbeiter hier nicht angesprochen sind; für die gilt die Regelung auch ohne den Abs. 5 -, das Krankengeld grundsätzlich vom Anfang bis zum Ende einer Krankheit - vom ersten Tag bis zum Ende, selbst wenn das Ende in der neunten oder zehnten Woche liegt - nach der Beitragshöhe und bis zur Beitragsbemessungsgrenze - also nach unserem Antrag bis zu einer Höhe von 810 DM - berechnet wird.
Wenn wir nur diese Bestimmung annähmen, würde sich der Arbeitgeberzuschuß in den ersten sechs Wochen gegenüber dem jetzigen Stand verringern. Meine Damen und Herren, dies soll durch unseren Antrag Ziffer 4 b verhindert werden. Diese Ziffer 4 b bedeutet, daß für das Krankengeld in der Zeit, in der der Arbeiter auf Grund des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfall Zuschuß vom Arbeitgeber bekommt, die Höchstgrenze für alle Arbeiter - auch die Monatslöhner - 660 DM bleibt oder - politisch gesprochen - daß die Summe dessen, was die Arbeitgeber heute an Arbeitgeberzuschuß leisten, unverändert bleibt. Meine Damen und Herren, damit drükken wir den politischen Willen aus, daß wir in diesem Bundestag weder nach der einen Richtung - nämlich durch Ausbau - noch nach der anderen Richtung - durch Zurückdämmung der Lohnfortzahlung - etwas ändern wollen. Hier haben die Freunde der CDU/CSU-Fraktion - ich erkenne das dankbar an - sich getroffen. Sie sagten: Wenn wir hier nicht dazu kommen, eine endgültige Regelung zu treffen, wollen wir den jetzigen Zustand unverändert lassen.
({1})
- Ich höre drüben Gemurmel; ich kann es nicht verstehen, aber ich kann mir denken, daß der Einwand, der von drüben kommt, dahin geht, daß diese Formulierung, die wir gefunden haben, nicht dem jetzigen Rechtszustand entspricht.
({2})
Das gebe ich Ihnen gerne zu. Unser politischer Wille aber ist, daß die Summe der Leistungen, die die Arbeiter heute von ihren Arbeitgebern im Krankheitsfalle erhalten, unverändert bleibt.
({3})
Ihr Antrag hätte zur Folge, daß die Arbeitgeber bei einer Versicherungspflichtgrenze von 900 DM 538 Millionen DM einsparen, die Hälfte davon - also 269 Millionen DM - durch einen Beitrag wieder zahlen, und die andere Hälfte, meine Damen und Herren, müßten die Arbeiter - und nur diese! - von sich aus über den Beitrag tragen. Sie würden also den Arbeitgebern zu Lasten der Arbeiter eine Ersparnis von 270 Millionen DM ermöglichen. Das wollen wir nicht. Deshalb unser Antrag.
({4})
Meine Damen und Herren, bei dem Antrag zu Nr. 5 kann ich mich ein wenig kürzer fassen. Der Wortlaut unserer Ziffer 5 ist im Abs. 1 und im Abs. 2 mit Ihren Anträgen identisch, wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, meine Formulierungshilfe von vorhin inzwischen angenommen haben. Wir halten es nur für systematisch richtiger, es in einem eigenen Paragraphen zu schreiben. Wir möchten aber zusätzlich bewirken - und hier treffen wir uns wiederum mit den Freien Demokraten -, daß sich jemand, der einen Versicherungsvertrag bei einer privaten Krankenversicherung abgeschlossen hat, von der Versicherungspflicht befreien lassen kann. Allerdings, meine Damen und Herren von den Freien Demokraten, sehen wir nicht ein, daß das bei jedem beliebigen Versicherungsvertrag geschehen sollte, sondern wir verlangen, daß zumindest auch die Familienmitglieder in den Versicherungsvertrag eingeschlossen sind, die eingeschlossen wären, wenn der Betreffende in die gesetzliche Krankenversicherung käme.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Anträge der CDU/CSU-Fraktion begründet. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich darüber im klaren, daß diese Lösung keine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ersetzt. Die Anträge der CDU/CSU- Fraktion nehmen Rücksicht auf die Kassenlage der gesetzlichen Krankenkassen und sollen bewirken, daß eine Beitragserhöhung im Prozentsatz nicht nötig ist, sondern lediglich eine andere Verteilung erfolgt.
Die CDU/CSU-Fraktion hat dabei klar dokumentiert, daß sie in Fragen der Lohnfortzahlung den bestehenden Zustand nicht ändern will. Sie bedauert, daß eine Reform der Krankenversicherung durch eine Abstimmung im Sozialpolitischen Ausschuß, wo FDP und SPD gemeinsam stimmten, abgesetzt wurde und damit in diesem Bundestag nicht durchgeführt werden konnte.
({5})
Unbeschadet der Ergebnisse dieser Beratung, die hoffentlich auch ein wenig Klarheit nach außen bringen wird, werden wir nicht von der Absicht abgehen, im nächsten Bundestag die Krankenversicherung zu modernisieren und zu reformieren.
Ich bitte Sie, unseren Anträgen zuzustimmen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier war gerade vom politischen Willen die Rede, den es durchzusetzen gelte, sei es auch gegen die Beschwörungen des ganzen Hauses. Wir haben so etwas Ähnliches schon einmal gehört. Ich erinnere an die Zeit vor rund 11 Jahren. Die CDU hat dann 11 Jahre gebraucht, um von dem politischen Willen wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren, nämlich zur Umwandlung des Finanzierungssystems bei den Kindergeldgesetzen.
({0})
Herr Kollege Stingl, wir sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhms, wenn hier von Formulierungshilfen die Rede ist. Man kann auch sagen: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ich darf vielleicht Ihre Vorlage korrigieren. Sie gehen von den Beschlüssen aus, die vor der zweiten Lesung gefaßt wurden, haben aber die zweite Lesung in der vergangenen Woche in Ihren Anträgen nicht berücksichtigt. Korrekterweise müßte es in Ihren Anträgen heißen: werden die Worte 7920 Deutsche Mark durch die Worte 10 800 Deutsche Mark ersetzt; denn Sie stellen einen Änderungsantrag zu den Beschlüssen der zweiten Lesung.
({1})
- Herr Stingl, ich habe gesagt: wir sind allzumal Sünder, und wir irren auch alle einmal.
({2})
Meine Damen und Herren, ich will nicht mehr über die Versicherungspflichtgrenze und ihre Höhe reden. Wir haben die Erhöhung auf 900 DM im Sozialpolitischen Ausschuß beantragt, und diese ist hier in der vergangenen Woche mit Mehrheit festgesetzt worden. Sicher kann man die Rechnung aufmachen, Herr Kollege Stingl, daß die Beitragsbelastung für die Arbeiter, die über 660 DM verdienen, um etwas geringer wird, wenn man die Grenze bei 810 DM zieht. Man kann auch errechnen, daß die Belastung der Arbeitgeber etwas geringer wird - schätzungsweise ,120 Millionen DM -, wenn man statt 900 DM 810 DM als Grenze wählt. Aber beide Grenzen sind doch gegriffen, und ich verstehe Ihre Sorge um die Entlastung der Arbeitgeber nicht, denen Sie unbesorgt nach Ihrem Antrag 1,1 Milliarden DM an Beitragserhöhungen auferlegen, während Sie den Arbeitgebern beim Krankengeld die systemgerechte Entlastung verwehren - aus Ihrem politischen Willen heraus, eine Lohnfortzahlung in arbeitsrechtlicher Lösung vorwegzunehmen, Probleme zu lösen, deren Lösung dem nächsten Bundestag vorbehalten ist.
In diese notwendige Korrektur in der gesetzlichen Krankenversicherung bringen Sie Ihren politischen Willen in ;bezug auf demnächst zu lösende Probleme hinein. ich darf an dieser Stelle feststellen, Herr Kollege Stingl, daß unsere dem Handwerk verbundenen Abgeordneten diese Ihre Gedankengänge einfach nicht verstehen können.
({3})
Es hat in der vergangenen Woche sicherlich bei der Mehrheit der Abgeordneten Unklarheiten über die Auswirkungen der jeweiligen Abstimmung gegeben. Es kann gar nicht anders gewesen sein; denn es sind zwei Abstimmungsergebnisse herausgekommen, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig aufhoben.
({4})
- Aber nicht durch unsere Anträge, Herr Kollege Memmel! Unser Antrag war völlig klar. So wie es bisher in der gesetzlichen Krankenversicherung immer üblich war, wollten wir das Krankengeld der gestiegenen Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze anpassen. Aber wenn hier erstmalig drei verschiedene Arten von Krankengeld vorgeschlagen werden, dann nimmt es nicht Wunder, wenn die Abgeordneten nicht mehr folgen können.
Nun will ich versuchen, in aller Einfachheit unsere Anträge auf Umdruck 729 ({5}) *) zu erklären.
Unser Antrag, der die Heraufsetzung des Krankengeldes betrifft, ändert keine Materie an sich; er ist eine Folge der heraufgesetzten Versicherungspflichtgrenze und der heraufgesetzten Beitragsbemessungsgrenze. Bisher wurde nach dieser Grenze das Krankengeld berechnet. Das war gut so, und nach unserem Willen soll es so bleiben, selbst wenn nach diesem Verfahren der Arbeitgeber eine Entlastung bei dem von ihm zu leistenden Zuschuß erfährt. Ich sagte soeben: man kann nicht immer nur Lasten auferlegen aus der Zwangsläufigkeit eines Gesetzes heraus und die Vorteile durch eine Änderung wieder aus der Welt schaffen.
({6})
Die Berechnung des Regellohnes ist in der Reichsversicherungsordnung dargetan. Insofern wäre unser Antrag nicht notwendig. Der Antrag ist aber notwendig, weil der derzeit geltende Regellohn der Höhe nach in D-Mark in der Reichsversicherungsordnung fixiert ist, und wir müssen diese Beträge ändern, sie in ein Verhältnis zu der nunmehr gestiegenen Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze bringen. Das ist systemgerecht, das präjudiziert nichts, das verbaut keine Lohnfortzahlung. Unser Antrag stellt aber auch keine Weichen hinsichtlich der Lohnfortzahlung, Herr Kollege Stingl, die Sie gestellt haben wollen, die wir mit unserem Antrag nicht verhindern wollen, die Sie aber in eine bestimmte Richtung stellen wollen. Da machen wir nicht mit, weil wir der Ansicht sind, daß nicht immer bei jeder notwendigen Änderung unnötigerweise einer bestimmten Wirkung wegen Erhöhungen oder andere Änderungen noch mit hineingenommen werden. Wenn dieses Verfahren weiter Schule macht, dann wird ein Abgeordneter hier nicht mehr wagen, eine notwendige Korrektur in einem Gesetz vorzunehmen, weil er befürchten muß, daß ein ganzer Rattenschwanz von Änderungen hinterherkommt, je nachdem, ob eine Wahl vor der Tür steht oder nicht.
({7})
Wir meinen, die Konfusion der vergangenen Woche hätte nicht zu sein brauchen, wenn man unserem Antrage gefolgt wäre, der e i n Krankengeld vorsah; ein Krankengeld, Herr Stingl, nicht ein Krankengeld für Monatslöhner in anderer Höhe als für Stundenlöhner und Schichtlöhner und wieder ein anderes Krankengeld für über sieben Wochen Krankfeiernde.
Sicherlich, eine Reihe von Angestellten kommen jetzt zusätzlich in die Versicherungspflicht hinein und erfahren dabei eine Entlastung, weil der Arbeitgeber die Beiträge zur Hälfte zahlt. Das ist eine Folge ,der notwendigen Heraufsetzung, unid die Heraufsetzung geschah - das geben wir ehrlich zu - auch aus diesem Gesichtspunkt heraus, die aus der
*) Siehe Anlage 4
Versicherungspflicht herausgewachsenen Angestellten wieder in die Versicherungspflicht hineinzuholen, um den Versichertenkreis In etwa konstant zu halten.
Die Arbeiter mit über 660 DM werden mehr an Beiträgen zu zahlen haben. Dann muß aber auch erwähnt werden, Herr Kollege Stingl, daß die Arbeiter 'demnächst ein höheres Krankengeld beziehen, das für sie interessant ist, wenn sie über ,die sechste Woche hinaus krankfeiern. Das ist das Äquivalent für den erhöhten Beitrag.
({8})
- Nein, Herr Kollege Stingl, idas haben wir gar nicht labgelehnt. Der heraufgesetzte Regellohn hat ein erhöhtes Krankengeld zur Folge, das läßt sich doch nicht leugnen, und das haben wir nicht abgelehnt. Ich versuche ja, Sie erneut :zum Ja zu unserem Antrag zu bewegen. Wenn, meine Damen und Herren, mit Sachverstand entschieden wird, dann kann das Ergebnis nur so lauten, daß unserem Antrag, im systemgerechten Verfahren mit der Anhebung der Pflichtversicherungsgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze das Krankengeld zu erhöhen, gefolgt wird. Ich darf Sie um Annahme dieses Antrags bitten.({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Klarstellungen zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Stingl.
Erstens. Im Ausschuß für Sozialpolitik hatten wir Sozialdemokraten beantragt, eine Regelung zu treffen, durch die der Arbeitgeberzuschuß in bisheriger Höhe gewährt wird. Dazu haben wir zuerst das Wortgenommen, und wir haben, damit die Sache völlig klargehe, 'die Regierung dazu um Formulierungshilfe gebeten. Nachdem wir das erklärt hatten, zogen Sie, Herr Kollege Stingl, einen Antrag heraus kund sagten: die Formulierungshilfe liegt bereits vor. Wir haben dann diesen Antrag im Ausschuß gemeinsam gestellt.
Zweitens. Sämtliche Anträge, die wir eingebracht haben, entsprechen - ich muß es nochmals betonen - voll idem Wortlaut, der im Ausschuß für Sozialpolitik angenommen wurde und an dem auch die CDU-Kollegen rund die Bundesregierung mitgewirkt haben.
Drittens. Wir waren uns im Ausschuß darüber klar, daß in Einzelheiten Ungereimtheiten bestehen. Sie selber haben im Ausschuß erklärt, Herr Kollege Stingl, wir wollen diese Ungereimtheiten jetzt in Kauf nehmen, um idas Hauptziel zu erreichen, nämlich in der Frage der Versicherungspflichtgrenze und des Arbeitgeberzuschusses die Entscheidung herbeizuführen. Nur deshalb, meine Damen und Herren, um Ihnen hier im Plenum die Annahme der Anträge zu 'erleichtern, haben wir wortwörtlich die Ausschußfassung beantragt.
Viertens. Herr Kollege Stingl: Ihre Ausführungen, fachlich wohlfundiert, können den politischen Tatbestand, über den hier entschieden werden muß, nicht verschleiern,
({0})
daß Sie und 'ein Teil Ihrer Freunde von der Abstimmung am letzten Freitag, 900 DM als Versicherungspflichtgrenze einzuführen, heute wieder labgehen wollen.
({1})
Fünftens. Es geht um eine weitere politische Entscheidung. Sie haben nicht beantragt - übrigens auch die FDP nicht -, als Termin des Inkrafttretens der erhöhten Versicherungspflichtgrenze den 1. September, so wie es im Ausschuß beschlossen wurde, vorzusehen. Nach Ihrer Formulierung würde die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze erst am 1. Januar 1966 eintreten. Damit wäre weder den Versicherten noch der Krankenversicherung gedient.
Zu diesen entscheidenden politischen Fragen haben Sie nichts gesagt.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die allgemeine Aussprache in dritter Lesung und die Begründung der Anträge sind erfolgt. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Schellenberg.
Ich beantrage zu dem Antrag der CDU auf Umdruck 731 unter Ziffer 1 namentliche Abstimmung.
Namentliche Abstimmung zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 731 unter Ziffer 1. Einen Augenblick, meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu behalten.
Die namentliche Abstimmung ist beantragt und hinreichend unterstützt. Ehe wir abstimmen, will ich folgendes sagen. Es wird in folgender Reihenfolge abgestimmt. Die erste Abstimmung gilt dem Änderungsantrag auf Umdruck 731 unter Ziffer 1; dafür ist namentliche Abstimmung beantragt. Die zweite Abstimmung gilt dem Änderungsantrag auf Umdruck 731 unter Ziffer 2, die dritte dem Änderungsantrag auf Umdruck 731 unter Ziffer 3. Dann kommt als weitergehender Antrag der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({0}) unter Ziffer 1. Das wird dann die Abstimmung Nummer vier. Fällt der Antrag durch, dann kommt fünftens der Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 731 unter Ziffer 4 a) zur Abstimmung. Dann folgt als weitergehender Änderungsantrag der Antrag der SPD auf Umdruck 730 unter Ziffer 1; das wird dann Abstimmung Nummer sechs. Schließlich würde siebtens über Umdruck 731 Ziffer 4 b) abzustimmen sein.
Herr Abgeordneter Stingl zur Abstimmung! ({1}) und b) abgestimmt werden!)
- Das ist vorgesehen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Nunmehr namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 731 unter Ziffer 1.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 198 Mitglieder des Hauses und 6 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 211 Mitglieder des Hauses und 6 Berliner Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 731 Ziffer 1 abgelehnt. Ich stelle fest, daß in zweiter Lesung die Fassung galt: 10 800.
Ja CDU/CSU
Dr. Adenauer
Dr. Aigner
Dr. Althammer Arndgen
Dr. Arnold
Baier ({2}) Baldauf
Balkenhol
Bauer ({3}) Bauknecht
Bausch
Dr. Becker
({4}) Becker ({5}) Berberich
Berger
Dr. Besold
Bewerunge
Biechele
Dr. Bieringer
Dr. Birrenbach
Frau Dr. Bleyler Blöcker
Frau Blohm
von Bodelschwingh Dr. Böhm ({6}) Böhme ({7}) Brand
Frau Brauksiepe
Dr. Brenck
Brück
Bühler
Dr. Burgbacher Burgemeister
Dr. Conring
Dr. Czaja van Delden
Dr. Dichgans Diebäcker
Draeger Ehnes
Dr. Elbrächter
Frau Engländer
Dr. Dr. h. c. Erhard
Dr. Even ({8}) Exner
Falke
Dr. Franz Franzen
Dr. Frey ({9}) Gaßmann Gehring
Geiger ({10})
Frau Geisendörfer
Dr. Gerlich
D. Dr. Gerstenmaier Gibbert
Giencke
Dr. Gleissner
Glüsing ({11}) Dr. Götz
Dr. Gossel
Gottesleben
Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde
Frau Haas Haase ({12})
Härzschel Häussler Gräfin vom Hagen
Hahn ({13})
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Hauser Dr. Heck Heix
Dr. Hesberg
Hesemann Höcherl
Dr. Höchst Hörnemann ({14})
Hösl
Holkenbrink
Horn
Dr. Huys Illerhaus Frau Jacobi ({15})
Dr. Jaeger Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Dr. Kanka Katzer
Dr. Kempfler
Frau Klee
Klein ({16})
Dr. Kliesing ({17}) Klinker
Knobloch Dr. Knorr Dr. Kopf Krüger
Krug
Frau Dr. Kuchtner Kuntscher
Kurtz
Leicht
Lemmrich Lenz ({18})
Lenze ({19})
Leonhard Leukert Dr. Löhr Dr. Luda Lücke ({20})
Lücker ({21})
Dr. Martin Maucher Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Dr. von Merkatz
Mick
Müller ({22}) Müller ({23})
Dr. Müller-Hermann Niederalt
Dr. Dr. Oberländer Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Dr. Pflaumbaum
Dr-Ing. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke Porten
Dr. Preiß
Frau Dr. Probst
Dr. Ramminger
Rasner
Rauhaus
Dr. Reinhard
Riedel ({24}) Rollmann Rommerskirchen
Rösing
Ruf
Scheppmann Schlee
Schlick
Dr. Schmidt ({25}) Schmücker
Schneider ({26}) Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer
Dr. Seffrin Seidl ({27})
Dr. Serres Dr. Siemer Dr. Sinn
Spies
Stauch
Stein
Dr. Steinmetz
Stiller
Dr. Stoltenberg
Stooß
Storch
Storm
Dr. Süsterhenn
Teriete
Tobaben
Unertl
Varelmann Verhoeven Dr. Freiherr
v. Vittinghoff-Schell Vogt
Wagner
Dr. Wahl
Dr. Weber ({28}) Wehking
Weigl
Weinkamm Weinzierl
Frau Welter ({29}) Wendelborn Wieninger
Dr. Wilhelmi Windelen Winkelheide Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Wullenhaupt Ziegler
Dr. Zimmer
Berliner Abgeordnete
Hübner
Dr. Krone
Lemmer
Frau Dr. Maxsein Müller ({30}) Stingl
Fraktionslos Gontrum
Nein
SPD
Anders
Arendt ({31}) Auge
Dr. Dr. h. c. Baade Bading
Bäuerle Bäumer Bals
Bauer ({32})
Dr. Bechert
Behrendt
Bergmann
Berlin Beuster Biegler Biermann
Blachstein
Dr. Bleiß
Börner Brünen Bruse Buchstaller
Büttner Corterier
Diekmann
Frau Döhring
Dopatka
Dröscher
Frau Eilers
Frau Dr. Elsner
Dr. Eppler
Eschmann
Faller Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh ({33}) Geiger
Gerlach Glombig
Gscheidle
Haage ({34}) Haase ({35}) Hamacher
Hansing Hauffe Heide Hellenbrock
Herberts
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold Hirsch Höhmann ({36})
Höhne Hörauf
Hörmann ({37}) Frau Dr. Hubert Hübner ({38}) Hufnagel
Hussong
Iven ({39})
Jacobi ({40})
Jacobs Jahn
Dr. h. c. Jaksch Jürgensen
Junghans
Junker Kaffka Kalbitzer
Frau Kettig
Frau Kleinert
1 Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Könen ({41})
Koenen ({42}) Kohlberger
Frau Korspeter
Kraus
Kriedemann
Dr. Kübler Kulawig Lange ({43})
Langebeck Lautenschlager
Leber
Lemper
Dr. Lohmar
Lücke ({44})
Maibaum Marquardt
Marx
Matthöfer Matzner Frau Meermann
Merten
Metter
Metzger
Dr. Meyer ({45})
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Mölle] Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller ({46})
Müller ({47})
Müller ({48})
Dr. Müller-Emmert Ohlemeyer
Paul
Peiter
Peters ({49})
Pöhler
Porzner Ravens
Regling Rehs
Reichhardt
Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Riegel ({50})
Dr. Rinderspacher
Ritzel
Dr. Roesch Rohde
Ross
Frau Rudoll
Saxowski Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach
Scheuren Schlüter Schmidt ({51})
Dr. Schmidt ({52})
Dr. Schmidt ({53}) Schmidt ({54}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schwabe Seibert
Seidel ({55})
Seifriz
Seither Frau Seppi
Seuffert
Dr. Stammberger
Steinhoff Stephan
Striebeck Strohmayr Dr. Tamblé Theis
Welke
Welslau
Weltner ({56})
Frau Wessel Wienand Wilhelm
Wischnewski
Wolf
Berliner Abgeordnete
Bartsch
Frau Berger-Heise Braun
Frau Krappe
Dr. Schellenberg Wellmann
FDP
Dr. Achenbach
Dr. Bucher Burckardt Busse
Dr. Danz Dr. Dehler Deneke
Dorn
Dürr
Dr. Effertz Dr. Emde Ertl
Frau Dr. Flitz ({57})
Dr. Hamm ({58}) Frau Dr. Heuser
Dr. Imle
Dr. Kohut Kreitmeyer Dr. Krümmer
Kubitza
Freiherr
von Kühlmann-Stumm Logemann
Dr. Mälzig Mauk
Mertes
Dr. Miessner
Mischnick Moersch
Freiherr von Mühlen
Murr
Opitz
Ramms
Reichmann
Dr. Rieger ({59})
Sander
Scheel
Schmidt ({60})
Schultz
Soetebier Spitzmüller Dr. Starke Wächter Walter
Weber ({61}) Zoglmann
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 731 unter Ziffer 2.
({62})
- Ist erledigt. Ziffer 3.
({63}) - Ist erledigt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({64}) unter Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit großer Mehrheit angenommen.
Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unter Ziffer 4 a erledigt.
({65})
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD abstimmen, der - ({66})
- Moment, lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. - Ist der Antrag Umdruck 730 Ziffer 1 erledigt? - Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Wir betrachten den Antrag als erledigt. Wir werden dem Antrag der CDU auf Anfügung eines Abs. 7 zustimmen. Damit ist der politische Inhalt dessen, was wir zur Erleichterung der Einführung einer vollen Lohnfortzahlung erreichen wollten, gesichert.
({0})
Herr Abgeordneter Mischnick, zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem vorangegangenen Beschluß sind die Notwendigkeiten erfüllt, die sich aus der Veränderung der Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze ergeben. Es ist deshalb nicht mehr erforderlich, dem nächsten Antrag zuzustimmen.
({0})
Wir fahren in der Abstimmung fort. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 731 Ziffer 4 b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag Umdruck 731 Ziffer 4 b ist mit großer Mehrheit angenommen. Damit sind die Änderungsanträge zu dem Artikel 2 erledigt.
Wer dem Artikel 2 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei zahlreichen Gegenstimmen ist der Artikel 2 in der so geänderten Fassung angenommen.
Ich rufe den Artikel 3 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor, die mit Ausnahme eines einzigen Punktes beinahe wörtlich übereinstimmen. Es handelt sich um den Änderungsantrag Umdruck 730 und
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 729 Ziffer 2.
({0})
- Zur Abstimmung, Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident, auch hier muß das Zitat nach § 1 Nr. 1 verändert werden.
Herr Abgeordneter Stingl, das ist eine redaktionelle Sache; das wird gemacht. Ich bitte, jetzt keine redaktionellen Feinheiten vorzunehmen, sonst verlaufen wir uns ganz.
Zu dem Artikel 3 liegen gleiche Anträge vor, und zwar zunächst der Antrag der Fraktion der CDU/ CSU Umdruck 731 Ziffer 5. Sind die Antragsteller damit einverstanden, daß Abs. 1 Abs. 2 und Abs. 2 Abs. 3 wird, also ein besonderer § 1 a nicht ausgebracht wird? Danach könnte die Bestimmung wie folgt aussehen: Der bisherige § 1 wird Abs. 1. Als Abs. 2 folgt die in den drei Änderungsanträgen gleiche Formulierung - Umdruck 729 ({0}) Ziffer 2 Abs. 2, Umdruck 730 Ziffer 2 Abs. 2, Umdruck 731 Ziffer 5 Abs. 1 -, und als Abs. 3 die ebenfalls gleiche Formulierung der Anträge Umdruck 729 ({1}) Ziffer 2 Abs. 3, Umdruck 730 Ziffer 2 Abs. 3 und Umdruck 731 Ziffer 5 Abs. 2. Ist so weit alles klar? Später wird dann die Sache bei dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({2}) kontrovers.
Zunächst Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 731 in der soeben erläuterten Weise, also über die Texte der Anträge Umdruck 731 Ziffer 5 Abs. 1 und Abs. 2, Umdruck 729 ({3}) Ziffer 2 Abs. 2 und Abs. 3 und Umdruck 730 Ziffer 2. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen.
Nun kommt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({4}) Ziffer 2 Abs. 4. Er geht weiter als der Änderungsantrag, der von der CDU/CSU auf Umdruck 731 Ziffer 5 Abs. 3 zu diesem Punkt vorgelegt ist. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({5}) Ziffer 2 Abs. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 731 Ziffer 5 Abs. 3. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 731 erledigt. Umdruck 730 ist bis auf die Ziffer 3 erledigt. Umdruck 729 ({6}) ist erledigt bis auf die Ziffer 2 Abs. 5.
Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 729 ({7}) Ziffer 2 Abs. 5 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 729 ({8}) Ziffer 2 Abs. 5 ist abgelehnt. Damit ist dieser Umdruck erledigt.
Ich rufe nun den letzten Änderungsantrag auf, den wir noch haben, und zwar den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 730 Ziffer 3. - Herr Abgeordneter Killat!
Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Neben der Frage Erhöhung der Pflichtgrenze auf 900 DM, die hier positiv entschieden worden ist, ist 'auch die Frage des Inkrafttretensdieser Bestimmung wichtig. Wir beantragen - das ist auch im Ausschuß beschlossen worden -, daß das Gesetz in diesem Teil am 1. September 1965 in Kraft tritt. Das ist auch notwendig, weil schon heute eine große Zahl von Krankenkassen, ob Ortskrankenkassen oder Ersatzkassen, in finanzielle Schwierigkeiten gekommen ist. Die Erhöhung müßte daher umgehend, d. h. als eine Sofortmaßnahme, wirksam werden.
Es hätte einer Sondersitzung und der Anstrengungen, die wir zur Herbeiführung einer beschleunigten Abstimmung gemacht haben, nicht bedurft, wenn man - wie Sie es für richtig halten - diesen Termin erst auf den 1. Januar 1966 legte. Wenn das der Fall wäre, hätten wir uns die ganze Arbeit ersparen können.
({0})
Der Ausschuß hat auf Grund seiner 'Sachkunde mit Mehrheit beschlossen, daß diese Bestimmung am 1. September 1965 in Kraft treten sollte.
Ich darf in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Pressestimme zitieren. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung - die in dieser Frage ja nun nicht absolut eine SPD-Haltung vertritt - hat in ihrer Ausgabe vom 5. Juli bemerkt:
Bleibt es bei dieser Entscheidung,
- d. h. Inkrafttreten am 1. Januar 1966 so wird die neue Pflichtgrenze erst zum 1. Januar zusammen mit 'dem Mutterschutzgesetz in Kraft treten; das würde den politischen Kraftakt um die Erhöhung der Pflichtgrenze noch fragwürdiger ,erscheinen lassen.
Meine Damen und Herren, nachdem wir uns hier gemeinsam durchgerungen haben, die Pflichtgrenze auf 900 DM zu erhöhen
({1})
-die Mehrheit dieses Hauses -, ist es nunmehr unsere Verpflichtung, auch den Termin 1. September zu beschließen; sonst würden im Laufe der nächsten Wochen und Monate durchweg alle Krankenkassen zu Beitragserhöhungen gezwungen werden. Das fiele dann auf die zurück, die etwa einen anderen, sehr fragwürdigen Termin beschließen.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 730 Ziffer 3 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Gegenprobe! - Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. ({0})
Ich habe jetzt ja keinen Zweifel mehr, aber der Kollege zweifelt noch. Ich wollte ,eben feststellen: Das erste ist die Mehrheit. Aber wenn ,Sie sagen, das sei zweifelhaft, dann muß der Präsident auszählen lassen. - Sie korrigieren sich also: Es ist nicht mehr zweifelhaft. Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
({1})
- Meine Damen und Herren, da muß etwas geändert werden. In diesem Antrag ist eine redaktionelle Änderung durch die Beschlüsse notwendig geworden, die vorhin durch .die Annahme des Änderungsantrags gefaßt worden sind.
Es ist jetzt 1/25 Uhr. Nach den gefaßten Beschlüssen kann jetzt keine Schlußabstimmung stattfinden. Nach § 96 der Geschäftsordnung muß sich der Haushaltsausschuß mit der Vorlage befassen.
Ich vertage das Haus für 30 Minuten und hoffe, daß sich der Haushaltsausschuß in diesen 30 Minuten zu einer Entscheidung durchringen wird.
({2})
Wir fahren in den Verhandlungen fort.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Schlußabstimmung. Ich frage den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herrn Abgeordneten Seidel ({3}), ob er das Wort zu nehmen wünscht. - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung am 6. Juli 1965 den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung - Drucksachen IV/ 562, IV/ 3125 ({0}), IV/ 3651, IV/ 3725 - als Finanzvorlage nach § 96 Abs. 3 der Geschäftsordnung behandelt und mit 14 gegen 13 Stimmen festgestellt, daß Deckung für die Mehrausgaben in Höhe von 2,6 Mio DM im Haushaltsjahr 1965 im Rahmen des Gesamthaushalts zu finden ist.
Sie haben den Bericht des Haushaltsausschusses gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das in dritter Lesung zur Schlußabstimmung steht, ist ein Gesetz, das dem verstärkten Mutterschutz dient. Darum geht es. Dies noch einmal in den Vordergrund zu stellen, ist uns ein Bedürfnis in dieser Stunde.
Ich möchte dem Ausschuß für Arbeit und seinem Vorsitzenden, dem Kollegen Scheppmann, danken,
({0})
der diese Gesetzgebung ermöglicht hat; die Mitberatung im Ausschuß für Arbeit unter dem Vorsitz des Herrn Kollegen Scheppmann mußte ja geradezu abgezwungen werden.
Aber dann ist diese Gesetzgebung, die wir alle wollen - die auch die wollen, die vielleicht nachher in der Schlußabstimmung aus den anderen Gründen nicht zustimmen werden -, mit einer Frage belastet worden - und zwar auf Antrag der FDP -, mit einer Frage, die vor 14 Tagen von diesem Hause mit Mehrheit so beschieden worden ist, daß sie in diesem Bundestag nicht mehr gelöst werden sollte.
({1})
Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten. Dies war die Meinung vor 14 Tagen.
({2})
Ich glaube, jeder der gesehen hat, was inzwischen in den Ausschüssen, in den zweiten Lesungen usw. war, wird zugeben, daß diese schnelle Art der Gesetzgebung diesem Hause insgesamt nicht zum Ruhme gereicht.
({3})
Wir verfügen in diesem Hause - anders als früher - nicht allein über die Mehrheit. Dies ist heute bei einer merkwürdigen sozialpolitischen Koalition - der FDP mit der SPD - sichtbar geworden.
({4})
Ich möchte an dieser Stelle, weil ich glaube, daß
diese Sondersitzung kein Anlaß für große, aufgeregte Debatten am Schluß dieser Periode sein sollte
({5})
- Sie können sie haben, meine Damen und Herren -, mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten nur ein paar Sätze aus einem Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verlesen, die sich mit unserer Auffassung decken. Ich zitiere aus der Frankfurter Allgemeinen vom 30. Juni:
Es zeigt sich nun, wie verhängnisvoll die Taktik der Freien Demokraten in der letzten Woche war, als die beiden großen Parteien sich darum bemühten, diesen Bundestag nicht mit weiteren unbedachten Gesetzen zu belasten.
Ich könnte das weiter vorlesen, ich will es mir ersparen.
({6})
Der Herr Kollege Stingl hat bei der Begründung unserer Anträge, wie ich glaube, in einer sehr sachlichen und sehr überzeugenden und guten Weise zwei Dinge dargetan, nämlich einmal, welche Belastungen hier auf die verschiedenen Gruppen zukommen und wie man einen anderen Ausgleich finden könnte, wenn man unserer Linie gefolgt wäre. Ich meine, daß das, was wir hier vorgetragen hatten, wirklich die Linie eines guten Kompromisses war, bei dem jeder geben und nehmen mußte, bei dem
aber auch ein Ausgleich für alle Schichten erreicht werden konnte. Man darf an Schichten nicht nur denken, wenn man einen speziellen Kongreß macht, sondern man muß das tun, wenn man in diesem Hause eine Gesetzgebung macht.
({7})
Aus dieser Gesamtschau war unser Kompromißvorschlag, den wir über das Wochenende erarbeitet hatten, geboren. Er hat hier - leider - keine Mehrheit gefunden.
Ich würde, meine Damen und Herren, diejenigen unter Ihnen, die immer rufen: „Weiterlesen", Herr Schäfer, doch einladen, auch die „Zeit" einmal einzusehen, die doch weiß Gott nicht freundlich für uns ist.
({8})
Ich habe hier das Exemplar vom 11. Juni 1965, wo dargetan wird, wie die sozialpolitischen Auffassungen der FDP und der SPD sind, und wo dann gesagt wird, welchen Dienst wir der Sozialpolitik leisten. Es wird dargetan, daß diese große christliche Volkspartei durch den Ausgleich in sich selber die Spannung bewältige und deshalb Kompromißvorschläge zu machen imstande sei, die von links oder von rechts allein nicht kämen. Ich will das im einzelnen hier nicht ausführen.
Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal klarstellen: Nachdem diese Frage jetzt dazugekommen ist und auf der Tagesordnung stand - natürlich haben wir uns auf die Beratung eingelassen --, wollten wir eine Lösung, die weder in der Krankenversicherungsreform noch in der Lohnfortzahlung irgend etwas präjudiziert, die also alles offenhält. Das ist hier vorgetragen worden. Dies war der Ausgleich, und dies war unser Beitrag zur Lösung dieses Problems, damit der nächste Bundestag in Ruhe und unpräjudiziert an die beiden schwierigen Fragen herangehen kann. Dann werden wir auch die Ergebnisse der Sozialenquête vorliegen haben;
({9}) dafür haben wir sie doch in Auftrag gegeben.
Erlauben Sie mir zum Schluß noch ein Wort zum Mutterschutz. Dieses Gesetz trägt die Überschrift „Mutterschutzgesetz". Das soll auch so bleiben. Dieses Haus sollte sich aber keinen Illusionen darüber hingeben, daß hier nur ein Teilausschnitt, ein Anfang gesetzt ist. Dies ist nicht ein Mutterschutzgesetz generell, sondern dies ist ein Gesetz zum Schutz der Mutterschaft. Mehr ist hier nicht geregelt. Ich meine, wenn wir Art. 6 des Grundgesetzes recht verstehen und wenn wir uns die verschiedenen Probleme unserer Zeit richtig ansehen, müssen wir uns - auch vor dem Hintergrund der Sozialenquêtedarüber unterhalten, wie wir das Ganze des Mutterschutzes und das Ganze der Wirklichkeit der Frau und Mutter in unserer Gesellschaft hier gebührend berücksichtigen können.
({10})
Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte hier nur einen Punkt als Beispiel anführen. Ich finde es nicht gut, wenn die vollbeschäftigte Hausfrau, die doch weiß Gott eine wesentliche Arbeit leistet, in unserer Statistik immer noch unter Angehörige ohne Hauptberuf gezählt wird.
({11})
Das muß auch geändert werden. Wir müssen den Blick weiten, wir müssen hier von der Hausfrau und von der Mutter sprechen, und das werden wir tun.
({12})
Meine Damen! Meine Herren! Wenn Sie jetzt Zwischenrufe über Sozialpolitik machen, dann lebt jene Debatte wieder auf, die wir, Herr Kollege Erler und ich, im Oktober geführt haben, als wir über Schweden debattierten. Ich glaube, es haben doch einige gesehen, die sich dort warme Filzpantoffeln holen wollten, daß sie mit kalten Füßen nach Hause gegangen sind.
({13})
Die Fraktion der CDU/CSU legt keinen Wert darauf, diese Debatte jetzt zu verlängern, sie ist aber dazu bereit und gewillt.
({14})
- Herr Kollege Wehner, auf diesen Jargon werde ich auch in der letzten Sitzung dieses Hauses nicht eingehen.
({15})
Meine Damen! Meine Herren! Die Fraktion der CDU/CSU wird diesem Mutterschutzgesetz zustimmen, und die Kollegen, die sich wegen der anderen Fragen aus unüberwindlichen Gründen nicht imstande sehen, das zu tun, legen Wert auf die Feststellung - und ich möchte das für sie hier erklären -, daß sie der Mutterschutzgesetzgebung selbstverständlich ihre Zustimmung geben.
Meine Damen, meine Herren, wenn Sie, Herr Schellenberg, hier noch einmal versuchen, alles mögliche zu erzählen,
({16})
dann gehen wir noch einmal in die Debatte; denn, meine Damen, meine Herren, an der Spitze der Sozialleistungen der Welt steht diese Bundesrepublik Deutschland, geführt von dieser Bundesregierung.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Schluß harter sozialpolitischer Auseinandersetzungen. Bei dem
jetzt zur Schlußabstimmung anstehenden Gesetzentwurf geht es einmal um den Mutterschutz und zum anderen um die Reste des sogenannten Sozialpakets.
Zum Mutterschutzgesetz folgende Feststellungen:
1. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 29. Juni 1962
({0})
einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mutterschutzgesetzes eingebracht. Jeder wußte, daß dies ein gesundheitspolitisch dringendes Anliegen war. Dennoch haben die Parteien, die in diesem Hause bis jetzt die Mehrheit hatten, immer wieder die Verbesserung des Mutterschutzes verzögert. Erst am Anfang dieses Jahres haben - unter dem Druck der öffentlichen Meinung und insbesondere der Ärzte - die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mutterschutzes vorgelegt. Dann endlich wurden die seit langem blockierten Ausschußberatungen wieder aufgenommen.
2. Die Ergebnisse der Beratungen können - das hat auch Herr Barzel zugegeben - gesundheitspolitisch nicht befriedigen. Unsere Anträge zur Verlängerung der Schutzfristen auf 10 Wochen vor und 10 Wochen nach der Geburt wurden abgelehnt. Unsere Anträge in bezug auf ein absolutes Verbot, werdende Mütter mit Akkord- und Fließbandarbeiten zu beschäftigen, wurden gleichfalls abgelehnt. Die Mehrheit hat es auch nicht für erforderlich gehalten, durch gesetzliche Festlegung Anspruch und Verpflichtung in bezug auf die regelmäßige Wahrnehmung einer Mindestzahl von Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft zu verdeutlichen.
3. Gewiß bringt das Gesetz Verbesserungen. Sie wurden aber durch Initiative unserer Kollegen im Ausschuß für Arbeit erreicht. Die Sozialdemokraten haben es im Ausschuß für Arbeit durchgesetzt, daß diese von uns 1962 beantragten Verbesserungen zur Abstimmung gebracht wurden.
({1})
Wir können dem Gesetzentwurf auf Grund dieser Sachlage zustimmen. Aber eine umfassende Neuregelung des Mutterschutzes, die diesen Namen verdient, bleibt dem nächsten Bundestag als Aufgabe gestellt.
Nun zu den Resten des sogenannten Sozialpakets.
1. Das sogenannte Sozialpaket sollte nach dem Willen der Bundesregierung der große sozialpolitische Wurf dieser Legislaturperiode werden. Noch auf Ihrem Parteitag im März 1965 hatte der Arbeitsminister erklärt:
Der immer stärker werdenden Sozialisierung der Arbeitseinkommen soll und muß durch Wekkung des Eigeninteresses beim Beitragszahler und potentiellen Patienten - natürlich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des einzelnen - entgegengewirkt werden.
Und er fuhr fort:
Das ist und bleibt der Kernpunkt aller kassenreformerischen Bemühungen der Bundesregierung.
Diese Haltung macht es verständlich, weshalb der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesarbeitsminister sich bis zuletzt dagegen gesträubt haben, vordringliche Fragen der Krankenversicherung, beispielsweise der Versicherungspflichtgrenze ohne eine gleichzeitige Einführung von Kostenbeteiligungen noch in dieser Legislaturperiode regeln zu lassen.
2. Wir Sozialdemokraten mußten, da wir aus gesundheitspolitischen Gründen die Kostenbeteiligung bei ärztlichen Behandlungen ablehnen, versuchen, die Kopplung zwischen Kostenbeteiligung und einer Fortentwicklung der Krankenversicherung zu verhindern. Das ist uns in den Abstimmungen zu diesem Gesetzentwurf gelungen. Wir haben eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, wir haben Leistungsverbesserungen in der Krankenversicherung erreicht, ohne die Verwirklichung der Lohnfortzahlung für den nächsten Bundestag zu erschweren. Gleichzeitig haben wir eine Kostenbeteiligung verhindert. Mehr konnte bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen wirklich nicht erreicht werden.
Meine Damen und Herren, die Beratungen und die Abstimmungen 'noch in den letzten Stunden dieses Bundestages haben die sozialpolitischen Gegensätze innerhalb der Koalition und der größten Regierungspartei aufgedeckt. Diese Abstimmungen haben deutlich gemacht: Die gegenwärtige Bundesregierung und die sie tragenden Parteien sind auf dem Gebiet der Sozialpolitik völlig zerstritten. Die Aufgaben, die der Sozialpolitik und der Gesundheitspolitik gestellt sind, können derart zerstrittene Parteien nicht meistern. Die Forderungen von Gegenwart und Zukunft verlangen eine neue Bundesregierung.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schellenberg hat einiges gesagt, was die Regierung nicht unwidersprochen lassen kann.
Herr Schellenberg hat mich zitiert, und er hat mich zutreffend zitiert. Ich habe in der Tat vor diesem Hohen Hause ausgeführt - und ich stehe noch heute dazu -, daß die ständige Kostensteigerung im Bereich der sozialen Krankenversicherung in irgendeiner Form abgefangen werden müsse. Ich habe gesagt, daß der weiteren Sozialisierung des Lohnes entgegengewirkt werden müsse.
({0})
Ich habe damals gesagt, daß man eine Eigenleistung einführen müsse, und ich war so vermessen, sie als möglich - in einer Größenordnung von maximal 15 DM im Quartal - anzusehen.
({1})
Jetzt haben wir beschlossen, daß 4 Millionen Arbeiter - die anderen Zahlen serviere ich Ihnen gleich - 12 DM im Monat mehr Beitrag zahlen müssen.
({2})
Das bedeutet eine Kostenbeteiligung von 36 DM im Quartal. Das, meine Damen und Herren, war das vorauszusehende Ergebnis.
Wenn Herr Schellenberg beklagt, daß dieses Mutterschutzgesetz hier zu spät behandelt worden ist, dann darf ich ihn darauf hinweisen, daß das, was Sie hier behandelt haben, gar nichts anderes ist als die Herauslösung der Bestimmungen, die ich im Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz vorgelegt hatte,
({3})
bei dessen Behandlung Sie aus dem Ausschuß ausgezogen sind und dessen Beratung Sie seit dem 16. Januar 1964 gemeinsam mit Ihrer heutigen Koalition durch Beschluß verhindert haben,
({4})
Wenn Sie das also beklagen, glaube ich, täten Sie gut daran, zunächst einmal an Ihre eigene Brust zu schlagen.
Nun sprechen Sie - das ist interessant und das hat mich hier auf dieses Rednerpodium gebracht, Herr Schellenberg ({5})
von der Lohnfortzahlung. Diese Lohnfortzahlung war Bestandteil unseres Sozialpaketes. Sie, Herr Schellenberg, wissen doch genau, daß Sie höchstpersönlich .die Regelung dieser Frage verhindert haben.
({6})
Sie wissen doch, daß eine hinreichende Mehrheit zur Behandlung dieser Frage im Arbeitsausschuß möglich war. Sie wissen doch, daß Gespräche, die mit dem DGB geführt worden waren, Klarheit in diesen Dingen herbeigeführt hatten. Sie wissen doch um die Auseinandersetzungen auf Ihrem Parteitag, und Sie wissen doch um das Hinwegfegen der Frage durch Herrn Wehner, der sicherlich als einzelner einen ganzen Parteitagsbeschluß inhibieren kann. Wenn es also zur Lösung dieser Frage nicht gekommen ist, dann deshalb, weil Sie sich zur Behandlung dieser Frage nicht herbeilassen wollten, und wenn die deutschen Arbeitnehmer die Lohnfortzahlung nicht haben, verdanken sie das ausschließlich der deutschen Sozialdemokratie. Das ist die Wahrheit.
({7})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jawohl, Herr Präsident. - Bitte sehr, Herr Wehner!
Ist Ihnen, Herr Minister, entgangen, daß bei jener Pressekonferenz, auf die Sie hier anspielen und über die Sie vielleicht nur teilweise informiert worden sind, die Frage anstand, ob die Sozialdemokraten für die Lohnfortzahlung auch für die Arbeiter im Krankheitsfall sind oder nicht, und ich gesagt habe, „sie sind dafür", aber bis dahin habe Herr Blank das immer mit Verschlechterungen verbunden?
Verzeihen Sie, Herr Wehner, Sie haben etwas ganz anderes gesagt und es sogar mehrfach gesagt. Sie haben sogar gesagt, wenn diese CDU nicht mehr die Zeit und die Kraft dazu fände, das Problem zu regeln, brächten Sie, die deutschen Sozialdemokraten, es noch in dieser Legislaturperiode hier auf den Tisch. Es ist Ihnen aber nicht gelungen.
({0})
Ich wiederhole: Wenn die deutschen Arbeiter die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht haben, verdanken sie das ausschließlich der Haltung der deutschen Sozialdemokratie.
({1})
- Warten wir noch ein bißchen; dann werden Sie schon wieder ruhig.
({2})
Was die deutschen Arbeitnehmer heute bekommen haben, das muß noch einmal in aller Klarheit hier dargestellt werden. Herr Stingl hat schon ausgeführt, zu welch kuriosen Dingen Sie mit Ihren Anträgen gekommen sind - ich will das gar nicht wiederholen -, daß Sie nämlich dem deutschen Arbeiter zumuten - Ihre Unterstützung, Herr Killat, brauche ich wirklich nicht! -,
({3})
bis zu einer Bemessungsgrenze von 900 DM Beitrag zu zahlen, ihm aber erst nach der 6. Woche Krankengeld bei 600 DM berechnen.
({4})
Ich möchte noch einmal glasklar darlegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, was heute für die deutschen Arbeiter geschehen ist. 1 800 000 Arbeiter zahlen ab 1. September bis zu 4,50 DM mehr Beitrag im Monat, 2,3 Millionen Arbeiter zahlen ab 1. September bis zu 11,50 DM mehr Beitrag, 3,8 Millionen Arbeiter zahlen bis 12 DM mehr Beitrag, über 9 Millionen deutscher Arbeiter werden mit einer neuen Kostenbeteiligung belastet, die das Dreifache dessen darstellt, was die Bundesregierung jemals zu fordern gewagt hat. Das ist die Wahrheit.
({5})
Meine Damen und Herren, es wäre aber unredlich, nicht sagen zu wollen, wohin Ihr Begehren zielt. Ich behaupte, es war nicht durchdacht. Sie bringen für ganze 1,4 Millionen Angestellte dadurch, daß sie versicherungspflichtig werden, zwar eine Entlastung
im Beitrag zwischen 14 bis 23 DM, belasten dafür aber 2,4 Millionen Angestellte mit einem Mehrbeitrag von 16,80 DM, und Sie belasten - damit sich das Bild rundet - die Wirtschaft mit 1,360 Milliarden DM, wozu Sie, meine Damen und Herren, mit beigetragen haben.
({6})
Das, meine Damen und Herren, ist die Frucht einer unterlassenen Krankenversicherungsreform. Das muß hier in dieser Stunde festgestellt werden.
({7})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Blank Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Bitte sehr!
Herr Minister, ist Ihnen nicht klar, daß, wenn die Versicherungspflichtgrenze nicht erhöht worden wäre, dann die Beiträge in der Krankenversicherung hätten erhöht werden müssen und daß dann gerade die Kleinverdiener mehr belastet wären, so daß es sozial gerechter ist, wenn die Versicherungspflichtgrenze bei steigenden Leistungen erhöht wird?
Da muß ich schon sagen: Das ist eine merkwürdige Argumentation.
({0})
- Das ist gar nicht logisch, Herr Erler. Ich werde es Ihnen mit Ziffern nachweisen. Jedermann weiß, daß die Krankenkassen zwar in einer schwierigen Situation sind, daß sie aber noch lange nicht in einem Zustand sind, der die Pleite für morgen früh ankündigt.
({1})
Jedermann weiß, daß eine vielleicht halbprozentige Beitragserhöhung die Frage bestenfalls für die nächsten Monate, die man an Zeit hätte gewinnen müssen, geklärt hätte; denn am 19. Oktober gibt es hier ja wieder ein arbeitsfähiges Parlament. Das aber wären bestenfalls Beitragserhöhungen von 1,50 DM gewesen, wenn Sie flott mitmachten. Die Verantwortung dafür hätten Sie jedoch in Ihren Selbstverwaltungsorganen übernehmen müssen, und das haben Sie nicht gewollt.
({2})
Sehen Sie, Herr Erler, was die Logik anbetrifft,
glaube ich, die Frage wohl beantwortet zu haben.
({3})
- Herr Killat, lassen Sie mich einmal im Zusammenhang reden. Ich habe mich sehr zurückgehalten und Ihnen ja in Beantwortung der Fragen einigen Raum gewährt.
Meine Damen und Herren, man hat der deutschen Offentlichkeit über drei Jahre das Schauspiel vorgeführt, eine wichtige sozialpolitische Materie nicht zu behandeln, weil man Angst hatte vor den Konsequenzen, die sich ergeben hätten, und weil man Angst hatte vor den Beschlüssen, die zu fassen gewesen wären. Und jetzt steht man wie ein Kind vor dem Scherbenhaufen und mutet den Versicherten das Dreifache dessen zu,
({4})
was man ihnen jemals nach unserem Gesetz zugemutet hätte.
({5})
Ich bin sehr froh - ({6})
- Herr Schäfer, ich bin sehr froh, daß Ihr Beifall zeigt, daß Sie endlich einsehen, was Sie angerichtet haben. So habe ich ihn nämlich aufgefaßt.
({7})
Sie hätten ja so liebend gern - ({8})
- Ah, das werde ich immer wiederholen, daß muß dem deutschen Arbeiter bis zum letzten klargemacht werden,
({9}) was durch diese Gesetzgebung geschehen ist.
({10})
Sie hätten so gern Ihren Wahlkampf geführt mit innerpolitischen Problemen, z. B. mit der Sozialbilanz. Soeben ist hier das Wort von den „kalten Füßen" gefallen. Die deutsche Sozialpolitik - darüber habe ich mit Ihnen ja einmal polemisiert - ist auf all ihren Gebieten so erfolgreich gewesen, daß wir uns gar nicht retten können vor all denen, die zu uns kommen, um bei uns die Verhältnisse zu studieren, und vor all denen, die da glauben, daß auch sie an diesen Möglichkeiten partizipieren könnten.
({11})
Wir haben eine überaus erfolgreiche Sozialbilanz vorzulegen. Wir haben die modernste Sozialgesetzgebung in der Welt.
({12})
- Das stimmt. Wir haben ein Rentensystem, dem die Bezüge in der Entwicklung der Wirtschaft folgen. Diese Bundesregierung hat siebenmal pünktlich die Rentenanpassungsgesetze vorgelegt,
({13})
hat dieses ganze Rentensystem in Ordnung gehalten und hat die über 8 Millionen Rentenempfänger
in Deutschland zu keiner Stunde ihres Wirkens enttäuscht.
({14})
Sie wird auch in den kommenden Tagen und Wochen das Ihre tun, um auch das 8. Rentenanpassungsgesetz vorzulegen.
({15})
Diese Bundesregierung hat das Vermögensbildungsgesetz vorgelegt, und sie hat damit eines der modernsten sozialpolitischen Gesetze - ein Gesetz, das S i e sogar gezwungen hat, von uralten Grundsätzen des Sozialismus abzugehen und nunmehr das Privateigentum als erstrebenswert anzusehen - hier in diesem Bundestag durchgebracht.
({16})
Diese Bundesregierung hat die Härtenovelle vorgelegt, ein umfangreiches Gesetzgebungswerk, das draußen bei den Rentnern sehr gut angekommen ist.
Diese Bundesregierung hat die Unfallversicherung genauso modernisiert wie die Rentengesetzgebung. Sie hat auch dort die Renten eingeführt, die der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung folgen.
Diese Bundesregierung hat die Altershilfe für die Landwirtschaft, insonderheit für die mithelfenden Familienangehörigen, auf einen Stand gebracht, der sicherlich das Modernste an Sozialgesetzgebung im Bereich der Landwirtschaft ist.
({17})
Diese Bundesregierung hat die Leistungen für das Kindergeld von anfangs 450 Millionen DM auf über 3 Milliarden DM gesteigert, und sie hat das Kindergeld gekoppelt mit einer ganz modernen neuen Leistungsart der Ausbildungsbeihilfe.
({18})
- Ja, ich weiß, daß Ihnen das unangenehm ist.
Diese Bundesregierung hat erstmalig im Steuerrecht einen Arbeitnehmerfreibetrag eingeführt.
({19})
Diese Bundesregierung hat erstmals ein Programm entwickelt, das Herr Schellenberg als „Groschenprogramm" abzutun hier in diesem Bundestag sich anschickte, das aber heute schon einigen zehntausend jungen tüchtigen Menschen, die vorwärtsstreben, die Möglichkeit gegeben hat, im beruflichen Leben weiterzukommen.
({20}) Diese Bundesregierung
({21})
hat die Hilfe für die freien Berufe gegeben. - Wir reden über Sozialpolitik, meine Damen und Herren von der SPD; ich weiß, daß Ihnen das unangenehm ist in der letzten Stunde.
({22}) Diese Bundesregierung
({23})
hat dem Bergbau große soziale Hilfen gegeben. Diese Bundesregierung - ({24})
-- Wenn Sie glauben, Sie könnten mich damit beeindrucken, haben Sie sich geirrt. Wie das nach außen wirkt, das können Sie mit sich selber abmachen. Ich jedenfalls vermag im deutschen Parlament kein Kabarett zu sehen, sondern ein Haus parlamentarischer Auseinandersetzungen.
({25})
Meine Damen und Herren, ich appelliere an das Haus, den Redner ausreden zu lassen
({0})
und zur Sachlichkeit zurückzukehren.
({1})
Wenn Ihnen ({0}) das alles so lustig vorkommt, wiederhole ich, was ich gesagt habe.
({1})
Dies ist ein Parlament, und in diesem Parlament werden politische Gegensätze ausgetragen. Sie haben verhindert, daß die Krankenversicherungsreform beraten wurde. Sie haben eine sinnvolle Neuordnung verhindert, und deshalb müssen Sie heute mit solchen Belastungen für die Arbeiter zur Kasse treten. Das wollte ich klar vor der deutschen Öffentlichkeit sagen.
({2})
Im übrigen, Herr Schellenberg, bin ich gern bereit zu weiteren Privatunterhaltungen mit Ihnen. Ich glaube, dann sieht manches Problem anders aus. Ich bleibe dabei: diese Bundesregierung - ({3})
- Herr Schmidt, glauben Sie, das wäre mein Niveau? Das mag das Ihrige sein; das meinige ist es nicht. - Diese Bundesregierung
({4})
hat eine stolze soziale Erfolgsbilanz vorzulegen.
({5})
Sie kann getrost mit ihren Leistungen vor das deutsche Volk treten, und ich glaube, meine Damen und Herren, daß unsere Leistungen - das allerdings sage ich mit Stolz - so honoriert werden, daß wir auch im nächsten Deutschen Bundestag wieder eine so erfolgreiche Sozialpolitik - auch gegen Sie - betreiben können.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Ruf kam: Diese Bundesregierung muß weg! mußte ich an das Wort des Kollegen Leber denken: „Theo ist der Beste!
({0})
So wandelt sich die Auffassung innerhalb weniger Monate!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freien Demokraten werden dem Änderungsgesetz zum Mutterschutzgesetz zustimmen, obwohl in diesem Gesetz nicht all die Vorschläge, die wir Freien Demokraten in einem eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema gemacht haben, berücksichtigt werden. Ich bin sehr erfreut, daß Kollege Barzel in seiner Rede zum Ausdruck brachte, daß manches noch weiter gefaßt werden sollte. Wir bedauern, daß das nicht schon bei den Ausschußberatungen durch Annahme der Vorschläge der Freien Demokraten geschehen ist. Es liegen hier weitgehend übereinstimmende Meinungen vor.
Allerdings bedauern wir auch, daß dieser Gesetzentwurf in den Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit nicht all das bringt, was nach unserer Auffassung notwendig gewesen wäre.
Ein Teil unserer Freunde wird diesem Gesetz die Zustimmung nicht geben können; nicht aus den gleichen Gründen, Kollege Barzel, sondern aus ähnlichen Gründen: weil in dieses Gesetz Bestimmungen aufgenommen worden sind, die mit dem Mutterschutzgesetz nichts zu tun haben,
({1})
aber nicht, wie Sie, Kollege Barzel, gesagt haben, weil das auf Antrag der FDP geschehen ist. Denn die Anträge zum Mutterschutzgesetz sind von der SPD gestellt worden, nicht von den Freien Demokraten. Von uns lag vor vierzehn Tagen ein eigener Gesetzentwurf vor, der völlig unabhängig von der Mutterschutzgesetzgebung diese Fragen regeln sollte.
({2})
Aber leider haben Sie damals versäumt, die Zustimmung zu geben und damit dem Hause manches an Debatten zu ersparen.
({3})
Wir Freien Demokraten bedauern, - -({4})
- Sie merken wahrscheinlich das, was zu bedauern ist, leider erst zu spät, nämlich wenn Sie das Gesetz einmal genau durchsehen. Wir bedauern, daß Sie mitgeholfen haben, daß in dieses Gesetz eine grundsätzliche Entscheidung in der Frage der Lohnfortzahlung hineingekommen ist. Der Gesetzentwurf der Freien Demokraten zur Veränderung der Versicherungspflichtgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze sah eine solche grundsätzliche Entscheidung, die die Erkenntnisse der Sozialenquete vorwegnimmt, nicht vor. Es hat sich hier wieder einmal gezeigt - und es war eine falsche Formulierung, die vorhin hier gewählt wurde -, daß die schwarzrote Koalition in der Frage der Lohnfortzahlung absolut funktioniert hat.
({5})
Wir Freien Demokraten haben in unserem eigenen Gesetzentwurf beantragt, die Versicherungspflichtgrenze und die Beitragsbemessungsgrenze heraufzusetzen, nicht weil wir, wie hier mehrfach, aber falsch gesagt wurde, eine erhöhte Belastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorsehen wollten, sondern weil wir die ungerechte Lastenverteilung innerhalb der Solidargemeinschaft verändern wollten.
({6})
Denn es ist doch wohl unbestritten, daß Beitragserhöhungen bei Beibehaltung der alten Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze dazu geführt hätten, daß gerade die Niedrigverdienenden am meisten belastet worden wären, und dem konnten wir nicht zustimmen.
({7})
Es ist falsch, zu behaupten, daß durch das Vorgehen der Freien Demokraten nun eine einseitige Belastung von insgesamt 1,3 Milliarden DM für die Wirtschaft entstehe. Sie entsteht in dieser Höhe nur, weil Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, entgegen Ihren Erklärungen in der Öffentlichkeit heute doch einen Schritt in die arbeitsrechtliche Lösung gegangen sind.
({8})
Das, was als Kompromiß hier vorgeschlagen war, war weiter nichts als der Versuch, in zwei entscheidenden Punkten wesentliche Veränderungen zu den Vorschlägen, die die Freien Demokraten gemacht haben, vorzunehmen. Wenn wir anfangen wollen, hier Zeitungsstimmen zur Kenntnis zu bringen, dann darf ich Sie bitten, lieber Herr Kollege Dr. Barzel, das Sonntagsblatt, Nr. 26 vom 27. Juni dieses Jahres, zu lesen; darin steht, daß genau das, was wir getan haben, richtig sei. Es gibt also Stimmen für beide Seiten, nicht nur für Ihre Auffassung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu einer anderen Frage, die in aller Nüchternheit angesprochen werden muß, Stellung nehmen. Der Bundesarbeitsminister hat davon gesprochen, daß durch das Zusammenwirken von SPD und FDP eine Krankenversicherungsreform in dieser Legislaturperiode verhindert worden sei.
({9})
Ich hätte zu dieser Frage nicht Stellung genommen, wenn es nicht ausgerechnet durch den Herrn Arbeitsminister wieder vorgebracht worden wäre. In der 3 Legislaturperiode hatte die CDU/CSU die absolute Mehrheit; sie hat eine Krankenversicherungsreform
eingebracht, konnte sie aber nicht verabschieden, weil sie sich selbst nicht einig war.
({10})
In dieser Legislaturperiode haben wir vor derselben Situation gestanden, daß keine Klarheit über die Verhaltensweise der CDU/CSU bestand. Deshalb haben wir erklärt, es hat keinen Sinn, weiterzuberaten, solange diese Dinge nicht geklärt sind.
({11})
- Selbstverständlich, heute wird zur Kasse getreten, und heute haben Sie die Abstimmung vorgenommen, die Sie nach Ihren Erklärungen in den letzten Monaten nicht vornehmen wollten, nämlich einen entscheidenden Schritt zur arbeitsrechtlichen Lösung zu gehen. Das haben Sie getan, nicht wir.
({12})
Wir Freien Demokraten haben mit großem Interesse und in den meisten Punkten mit Zustimmung die Übersicht zur Kenntnis genommen, die der Bundesarbeitsminister hier über die Vorlagen gegeben hat, mit denen von dieser Koalition soziale Fortschritte erreicht werden konnten. Die meisten davon sind gemeinsam von den Koalitionsparteien, zum Teil mit Unterstützung und Zustimmung der Sozialdemokraten, beschlossen worden.
({13})
- Der Unsinn kam erst zum Schluß, ,das ist richtig. Das 312-Mark-Gesetz ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll,
({14})
und das haben Sie beschlossen, nicht wir Freien Demokraten. Es Ist bedauerlich, daß in letzter Minute mit diesem Gesetz die gute Gemeinsamkeit durch Sie durchbrochen wurde, nicht durch uns.
Wir Freien Demokraten stellen zum Abschluß der Beratungen sozialpolitischer Maßnahmen in diesem Bundestag fest: Es ist eindeutig, daß alle die sozialpolitischen Maßnahmen, die dieser Bundestag behandelt hat und die nach allen Richtungen abgewogen waren, gesellschaftspolitisch ausgewogen waren, für unsere zukünftige Arbeit eine gute Grundlage gelegt haben, daß dagegen alle die Gesetzentwürfe, die gezielt auf bestimmte Gruppen oder bestimmte Meinungen von der schwarz-roten Koalition verabschiedet worden sind, für die Zukunft eine negative Wirkung haben.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Professor Schellenberg veranlassen mich, das Wort zu nehmen und zu seiner Behauptung, daß der Ausschuß für Arbeit bzw. die
CDU die Beratungen verhindert oder nicht schnell genug durchgeführt habe, einiges zu sagen.
Herr Professor Schellenberg, es ist zwar richtig, daß Ihr Fraktionsantrag 1962 eingebracht worden ist. Es ist aber ebenso richtig, daß Sie in Ihrem Ausschuß, als der Antrag der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion eingebracht wurde, Ihre Mitberatung, die nach der Geschäftsordnung notwendig ist und nach der der federführende Ausschuß erst seine zweite Lesung beginnen kann, erst vor 14 Tagen, als Sie geradezu dazu gezwungen wurden, in Angriff genommen haben.
({0})
Wir haben nach Einbringung des Antrags die erste Lesung sofort durchgeführt. Das werden die Kollegen der SPD bestätigen können. Wir haben dann, weil das Gesetz eine so große Bedeutung hat, in Verbindung mit dem Gesundheitsausschuß Sachverständige angehört. Wir haben daraufhin in Berlin an Ort und Stelle Besichtigungen in einem Betrieb vorgenommen, wo von 45 000 Beschäftigten ein Drittel Frauen sind, um uns dort zu vergewissern, wie die Dinge im Betrieb praktisch gehandhabt werden und welche Maßnahmen notwendig sind, um ein Mutterschutzgesetz zu schaffen, das unseren großen Zielen gerecht wird.
Meine Damen und Herren, wir haben schon 1952 - ich muß darauf hinweisen - ein Mutterschutzgesetz verabschiedet. Es enthielt schon einen Gesundheitsschutz, zweitens den Bestandsschutz am Arbeitsplatz und drittens den Entgeltsschutz. Seit 1952 sind jedoch erhebliche Veränderungen im wirtschaftlichen und im gesellschaftlichen Rahmen eingetreten. Die medizinische Wissenschaft hat erhebliche Fortschritte auch auf diesem Gebiet gemacht. Die CDU/CSU-Fraktion und auch die FDP-Fraktion in diesem Falle haben sich ernsthaft darum bemüht, diese wichtigen Erkenntnisse in den neuen Entwurf, den wir vorgelegt haben, hineinzubringen, um so die geplante Neugestaltung in der rechten Weise durchzuführen.
Herr Professor Schellenberg, darf ich daran erinnern, daß bereits in der Regierungsvorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die KrankenversicherungsNeuregelung diese Bestimmungen über Mutterschutz enthalten waren. Aber Sie haben in Ihrem Sozialpoltischen Ausschuß mit den Stimmen der FDP am 16. Januar 1964 einen Beschluß herbeigeführt, daß die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuregelung der Krankenversicherung nicht mehr stattfindet.
({1})
Daraus ergibt sich, daß auf dem Gebiete Mutterschutz ein eigener Weg gegangen werden mußte. Man kann sich also nicht hier hinstellen und so tun, als ob. In Wirklichkeit sind Sie mit Ihrem Ausschuß derjenige, der die Beratung so weit hinausgezögert hat, daß wir erst jetzt, zu dieser Stunde endgültig in dritter Lesung über den Mutterschutz beraten und das Gesetz verabschieden können. So sind die Tatsachen gewesen.
Nun ein Wort zur Lohnfortzahlung! Herr Kollege Schellenberg, dazu muß ich folgendes sagen. Sie
haben wiederum das Wort gebraucht, Sie seien ja gar nicht schuld daran, sondern das seien andere. Wer damit gemeint war, ist uns bekannt. Darf ich Ihnen einmal folgendes sagen! Ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit - das wird von den Kollegen des Ausschusses für Arbeit bestätigt werden können - habe vor etwa einem Jahr auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt: „Beratung der Lohnfortzahlung in zweiter Lesung". Die erste Lesung hatten wir gleich nach Einbringung des Gesetzes vorgenommen. Dann kam der Antrag der FDP-Fraktion, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Ich habe darüber geschäftsordnungsmäßig abstimmen lassen. Und was habe ich dann erlebt? Daß die Antragsteller für ihren Antrag stimmten, war mir völlig klar. Daß sich aber alle Ausschußmitglieder der SPD-Fraktion der Stimme enthielten und nicht dafür stimmten, daß über die Lohnfortzahlung beraten wurde, Herr Kollege Schellenberg, das stimmt ebenso, und das können Sie dem Protokoll über die Sitzung des Ausschusses für Arbeit entnehmen.
({2})
Ich möchte diese Dinge einmal richtigstellen, damit die Öffentlichkeit nicht durch Verdrehungskünste ein falsches Bild von der Abwicklung der Ereignisse erhält.
({3})
Das muß einmal gesagt werden, und das ist auch
der Grund, warum ich das Wort ergriffen habe, um
diese Dinge geradezustellen, damit auch draußen in
der Öffentlichkeit genau bekannt ist, warum und weshalb a) das Mutterschutzgesetz erst jetzt verabschiedet worden und b) die Lohnfortzahlung nicht zustande gekommen ist. Wir hätten im Ausschuß für Arbeit die zweite Beratung vorgenommen. Dann wären auch die mitberatenden Ausschüsse gezwungen worden, mitberatend tätig zu werden. Dann hätten wir, sozialpolitisch gesehen, auf diesem Gebiete das erreicht, was wir wollten. Sie aber haben das verhindert und das ganz eindeutig auf der einen Seite und auf der anderen Seite die FDP.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Diskussionsbeitrag von Herrn Kollegen Mischnick veranlaßt mich, noch einmal für meine Fraktion einiges festzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion hat die Diskussion um die Versicherungspflichtgrenze und die damit zusammenhängenden Dinge nicht zu verantworten. Sie hat sich ihr aber dann, als die Diskussion aufkam, nicht entzogen. Ich wiederhole jetzt, was ich schon vorhin sagte: das, was durch die Einführung des Abs. 7 in § 182 der Reichsversicherungsordnung von uns erreicht wurde, bedeutet nur, daß in der Frage der Lohnfortzahlung der jetzige Zustand keine Veränderung erfährt. Auch mit noch so schönen Worten, Herr Mischnick, werden Sie uns nicht davon überzeugen können, daß es richtig wäre, den Zuschuß des Arbeitgebers bis zum 31. August 1965 in einer bestimmten Höhe beizubehalten und ihn am 1. September 1965 erheblich zu verringern. Ihr Antrag hätte zur Folge, daß der Zuschuß, den der Arbeitgeber bis zum 31. August zahlen muß, ab 1. September kleiner würde, und daß die Mittel, die dafür nötig wären, um den Arbeitern dabei keinen Schaden zuzufügen, von den Arbeitern zur Hälfte selbst aufgebracht werden müßten.
Kurioserweise, Herr Kollege Mischnick, schlagen Sie da Ihrem eigenen Argument ins Gesicht. Sie haben behauptet, daß Sie die Beitragsbemessungsgrenze heraufsetzen wollen, damit eine gerechtere Verteilung erfolgt. Die Aufbringung der Mittel dafür, daß der Arbeitgeber einen kleineren Zuschuß bezahlen müßte, hätten Sie nicht etwa nur den Arbeitern überlassen, die über 660 DM verdienen, sondern auch denen, die unter 660 DM verdienen. Dem haben wir widerstrebt. Wir sagen: an der Sachlage von heute ändern wir nichts, damit für die Zukunft nach keiner Richtung irgendeine Präjudizierung eintritt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mischnick?
Bitte sehr.
Herr Kollege Stingl, sind Sie nicht bereit, heute zu wiederholen, was Sie gestern bereits zugestanden haben: daß es rechtlich eine Veränderung ist, die vorgenommen wird?
Herr Kollege Mischnick, ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich empfehle Ihnen, meine Rede von vorhin nachzulesen. Da habe ich es gesagt.
Das heißt also, Sie geben zu, daß es rechtlich eine Veränderung ist?!
Ich brauche es nicht mehr zuzugeben, weil ich es vorhin in der Rede schon gesagt habe.
({0})
Sie werden - Sie sind leider nicht an meinem Platz, ich kann Sie nicht fragen - mir nicht ausweichen können, daß Sie erreichen wollten, daß von den 540 Millionen DM, die zur Zeit als Arbeitgeberzuschuß an die Arbeiter gezahlt werden, in Zukunft 270 Millionen DM von den Arbeitern, und zwar auch von denen, die unter 660 DM verdienen, hätten gezahlt werden müssen. Davon können Sie nicht runter.
({1})
Nun noch etwas anderes. Sie haben vorhin davon gesprochen, daß wir im vorigen Bundestag die Krankenversicherungsreform nicht geschafft hätten. Das ist offenkundig, und das ist niemandem unbekannt. Wir hatten die absolute Mehrheit. Wir hatten damals dadurch; daß wir nicht zugleich auch für den Arbeiter in anderer Weise eine Änderung brachten,
das Gesetz nicht zustande bekommen. Aber in diesem neuen Bundestag haben wir die Krankenversicherungsreform, die auch darauf abgestellt war, daß der Arbeiter in einer anderen Weise gesellschaftlich gewertet wird, nicht zustande bekommen, weil sich Dinge wiederholt haben, die es vor 1933 in Deutschland gab, daß es nämlich eine Antikoalition gab, aber niemals eine konstruktive gemeinsame Linie von Ihnen, die Sie rechts im Hause sitzen, und Ihnen, die Sie links im Hause sitzen.
({2})
Dadurch ist verhindert worden, daß wir insgesamt zu einer vernünftigen Regelung kamen. Sie haben immer wieder gesagt, Sie wollten, daß allein die Arbeitgeber in den ersten sechs Wochen den Lohn für die Arbeiter bezahlen, Sie wollten es nur auf einem anderen Wege. Ihr Antrag hätte zur Folge gehabt, daß Sie nicht bloß einen anderen Weg gegangen wären, sondern daß Sie die Arbeitgeber entlastet hätten. Das konnten wir nicht mitmachen.
Wir sind, wie es unser Sprecher schon gesagt hat, der Meinung, daß das Mutterschutzgesetz so wichtig ist, daß es verabschiedet werden sollte. Im übrigen meinen wir, daß insgesamt dann auch die anderen Bestimmungen mit angenommen werden sollten.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schellenberg.
({0})
Werden Erklärungen zur Abstimmung abgegeben? - Herr Abgeordneter Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ganz kurz eine Erklärung zur Abstimmung. Ein Teil meiner Fraktionskollegen und ich werden dem vorliegenden Gesetz bei der Schlußabstimmung die Zustimmung nicht geben können. Es dreht sich nicht um die Frage des Mutterschutzes, es dreht sich nicht um die Frage der 900-DM-Grenze; es dreht sich ausschließlich um den Beschluß, den das Hohe Haus zu § 182 Abs. 7 gefaßt hat. Wir haben öffentlich, wo wir konnten, gegen eine Regelung in diesem Sinne gekämpft. Wir können sie heute auch in der allerschönsten Verpackung nicht akzeptieren.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer in dritter Lesung dem Gesetzentwurf in der vorliegenden, durch Änderungsanträge geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist bei Gegenstimmen und Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir haben noch über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses abzustimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. Das Haus ist damit einverstanden; kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Letzter Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des J. F. G. Grosser, München, gegen die Berufung eines Listennachfolgers der Landesliste der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Hessen ({1}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Dittrich, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages - eine außerordentliche Sitzung - ein auf Freitag, den 23. Juli 1965, 11 Uhr vormittags.
Die Sitzung ist geschlossen.