Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Kollegen Dr. Mälzig die Glückwünsche des Hauses zu seinem 65. Geburtstag aussprechen.
({0})
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Das Bundesversicherungsamt hat am 19. Mai 1965 die Abrechnung über die Rentenzahlungen, Beitragserstattungen und Beitragszahlungen für die Krankenversicherung der Rentner in der Rentenversicherung der Arbeiter für das Kalenderjahr 1964 ({1}) übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des Grundstücks der ehemaligen Luftfahrtforschungsanstalt München e. V. in Ottobrunn an die Firma Industrieverwaltungsgesellschaft mbH, Bad Godesberg ({2}).
Ist das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Ich schlage Ihnen vor, wir beschließen dann gleich. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage zu überweisen an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde ({3})
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frage XII/1 - der Abgeordneten Frau Welter ({4}) -:
Trifft es zu, daß, wie kürzlich in der Presse zu lesen war, in deutschen Krankenhäusern Kinderstationen fehlen, weil für Kinder nur die halben Pflegesätze gezahlt werden, und daß infolge dieses Mangels an Kinderstationen schwerkranke Kinder häufig nicht mehr rechtzeitig behandelt werden können?
Die Information, auf der die Pressemeldung beruht, ermangelt der Sachkenntnis.
Das Verhältnis zwischen den Pflegesätzen für kranke Kinder und für Erwachsene ist in den Pflegesatzverordnungen der Länder festgelegt. Es gibt keine Pflegesatzverordnung, nach der der Pflegesatz für kranke Kinder die Hälfte des Erwachsenenpflegesatzes beträgt. In vier Ländern sind die vollen Erwachsenenpflegesätze, in zwei Ländern 90 % und in fünf Ländern 80 °/o der Erwachsenenpflegesätze festgesetzt. Die Länder gehen bereits jetzt mehr und mehr dazu über, für kranke Kinder - wie es schon einige Länder getan haben - die vollen Erwachsenensätze einzusetzen.
Daß nicht von jedem Wohnort aus eine Kinderstation im Krankenhaus leicht erreichbar ist, beruht nicht darauf, daß der Kinderpflegesatz nur einen mehr oder weniger großen Teil des Erwachsenenpflegesatzes beträgt. Kinderstationen können wie andere Fachstationen nur in Krankenhäusern bestimmter Größe eingerichtet werden. Die Mehrzahl der kranken Kinder kann auch in solchen Krankenhäusern zunächst einmal behandelt werden, denen keine Kinderstationen angeschlossen sind. In besonders gelagerten Einzelfällen wird sich der Transport kranker Kinder zu weiter gelegenen Kinderfachstationen nicht vermeiden lassen, ohne daß dies aber auf einen Mangel an Fachstationen zurückgeführt werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Welter.
Verfügt das Gesundheitsministerium über Unterlagen, aus denen belegt werden kann, daß schwerkranke Kinder infolge eines zu langen Transportweges zum nächsten Krankenhaus sterben?
Eine Aussage in dieser allgemeinen Form, daß Kinder aus dem Grunde, den Sie nannten, sterben, ist eine nicht bewiesene Behauptung. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß, wie es auch bei Erwachsenen vorgekommen ist, ein Kranker oder ein Schwerkranker auf einem Transport gestorben ist. Unterlagen, aus denen hervorginge, daß wegen fehlender Kinderstationen ein besonderer Mißstand bestehe, haben wir nicht.
h) Frau Welter ({0}) ({1}) : Gibt es tatsächlich zu wenig Krankenhäuser oder Kliniken? Sind eigene Kinderkrankenhäuser nur in Großstädten vorhanden?
Frau Dr. Schwarzhaupt Bundesminister für Gesundheitswesen: Sie sind nicht nur in Großstädten, sondern auch in Kleinstädten vorhanden. Ich. sagte Ihnen bereits, daß kranke Kinder auch in einem Krankenhaus behandelt werden können, in dem es keine spezielle Kinderstation gibt.
Zu einer Zwischenfrage Frau Abgeordnete Haas.
Ist Ihnen, Frau Bundesministerin, bekannt, daß die Münchner „Abendzeitung" vom 7. Mai 1965 mit der Schlagzeile „Säuglinge sterben, weil gespart wird" und mit schweren Vorwürfen, die Frau Dr. Heuser gegen Sie, Frau Ministerin, erhoben hat, gerade in der Münchener Bevölkerung großes Aufsehen, ernste Sorge und auch heftige Kritik ausgelöst hat?
Diese Notiz in der Münchner Abendzeitung ist mir bekannt. Sie ist inhaltlich falsch. Sie enthält die Angabe, daß Kinder offenbar einen zu weiten Weg zur nächsten Kinderstation gehabt haben sollen, ohne irgendwelche konkreten
Unterlagen in Zusammenhang mit der Pflegesatzverordnung des Bundes. Diese Pflegesatzverordnung regelt nicht die Höhe der Kinderpflegesätze gegenüber dem Erwachsenenpflegesatz. Sie wird von den Preisbildungsstellen der Länder festgesetzt.
Ebenfalls falsch ist, daß für Kinder nur der halbe Pflegesatz festgelegt ist. Ich habe alle Länderverordnungen durchgesehen. Der niedrigste durchschnittliche Pflegesatz, den es in den Ländern gibt, ist 80 %. Die Tendenz geht, wie ich Ihnen sagte, auch bei den Ländern dahin, den Pflegesatz zu erhöhen. Einen Zusammenhang zwischen der Pflegesatzverordnung des Bundes, die geändert werden muß und um deren Änderung ich mich bemühe, und dem Vorhandensein von mehr oder weniger Kinderstationen bestreite ich mit aller Energie.
Zusatzfrage!
Teilen Sie mit mir die Ansicht, Frau Ministerin, daß das Fehlen der Kinderstationen in den Krankenhäusern nicht darauf beruht, daß der Unterschied zwischen dem Erwachsenenpflegesatz und dem Kinderpflegesatz 20 % beträgt?
Ich teile diese Ansicht. Es besteht kein Kausalzusammenhang zwischen etwa fehlenden Kinderstationen - ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt fehlen - und dem Abschlag von 20 % vom Erwachsenenpflegesatz, abgesehen davon, daß er beseitigt wird.
Zusatzfrage!
Sind Sie mit mir, Frau Ministerin, auch der Auffassung, daß das Fehlen eines Krankenhausfinanzierungsgesetzes die eigentliche Ursache für den Mangel an Kinderkliniken und Kinderstationen ist?
({0})
Ich bin auch der Meinung, daß die Krankenhausfinanzierung einer neuen und sehr grundsätzlichen Regelung bedarf. Sie wissen aber, Herr Kollege, daß ihre Frage keine Frage nach der Gesetzgebung des Bundes ist; denn der Bund hat nicht die Möglichkeit, ein Krankenhausfinanzierungsgesetz, das auch nach meiner Auffassung wünschenswert wäre, zu erlassen.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte!
Frau Ministerin, sind Sie, nachdem Sie vorhin gesagt haben, der Artikel in der Münchener „Abendzeitung" sei Ihnen bekannt und in zwei Fällen sachlich unrichtig, bereit, dazu unserer Fraktion eine schriftliche Stellungnahme abzugeben und darin darüber hinaus bekanntzugeben, was Sie an diesem Artikel für sachlich falsch halten?
Ich habe der Kollegin Ihrer Fraktion, auf deren Interview diese Meldung zurückgeht, einen Brief geschrieben. Ich habe in dem Brief ganz genau dargelegt, was daran falsch ist. Ich habe den Brief damit geschlossen, daß ich annehme, daß sie selbst der „Abendzeitung" eine Berichtigung zusenden wird.
Frage XII/2 - der Abgeordneten Frau Welter -:
Hat der Bund die Möglichkeit, auf die Errichtung von Kinderstationen Einfluß zu nehmen?
Bitte, Frau Ministerin!
Der Bund hat nicht die Möglichkeit, auf die Errichtung von Kinderstationen Einfluß zu nehmen. Dies ist Sache der Krankenhausträger. Die Länder können jedoch im Rahmen der Krankenhausplanung einen gewissen Einfluß auf die Entscheidungen nehmen.
Zusatzfrage!
Würden Sie es begrüßen, wenn die Bundestagsabgeordneten in ihren Ländern Anträge stellen, daß diesem Mangel abgeholfen wird?
({0})
Unter der Voraussetzung, daß in dem einzelnen Land wirklich ein nachweisbarer Mangel besteht, würde ich dies selbstverständlich sehr begrüßen. Das wäre, falls hier Mißstände bestehen, der richtige Weg, diesen zu begegnen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geiger!
Frau Ministerin, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß hier ebenfalls ein Teil Kriegsfolgelasten vorliegt und daß deshalb der Bund zur Finanzierung bei der Errichtung von Krankenhäusern beitragen kann?
Der Bund verfügt über Mittel, um bei der Finanzierung des auf Kriegsfolgen beruhenden Nachholbedarfs bei den freien und gemeinnützigen Krankenhäusern zu helfen. Es handelt sich um 25 Millionen DM im Jahr. Die öffentlichen Krankenhäuser, deren Defizit aus öffentlichen Etats, also aus unser aller Steuermitteln gedeckt wird, werden auf andere Weise in die Lage versetzt, die Kriegsfolgen zu beseitigen.
Ich rufe auf die Fragen XII/3, XII/4 und XII/5 - des Abgeordneten Seibert -:
Bestehen statistische oder wissenschaftliche Aufzeichnungen oder sonstige Erfahrungen darüber, inwieweit Arzneimittel, insbesondere nichtverschreibungspflichtige oder nichtapothekenpflichtige Arzneispezialitäten, den Blutalkoholgehalt und damit auch die Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern beeinflussen?
Teilt die Bundesregierung die Besorgnis, daß die große Anwendungsbreite freikäuflicher Arzneimittel der in der Frage XII/3 genannten Art einerseits ({0}) und die Unkenntnis ({1}) über ihre Wirkung in Verbindung mit Alkoholgenuß andererseits die Sicherheit des Straßenverkehrs in erhöhtem Maße beeinträchtigen?
Anerkennt die Bundesregierung die Notwendigkeit, die in Frage XII/3 genannten Arzneimittel im Hinblick auf ihre möglichen Wirkungen bei Alkoholgenuß erforschen und erforderlichenfalls ({2}) besonders kennzeichnen zu lassen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 24. Mai 1965 lautet:
Zu Frage 3:
Es findet sich in der einschlägigen Literatur kein Anhaltspunkt dafür, daß eines der gängigen Arzneimittel den Blutalkoholgehalt beeinflußt.
Allerdings kann die Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern durch eine kombinierte Wirkung von Medikamenten und Alkohol auf das Nervensystem verstärkt beeinträchtigt werden.
Mit dieser Frage hat sich seit 1959 die „Sektion Arzneimittel und Verkehr" der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin eingehend befaßt und die Ergebnisse in ihren Tagungsberichten niedergelegt. Es handelt sich bei den gefährlichen Medikamenten vor allem um Narkosemittel sowie um Schlaf- und Beruhigungsmittel, die rezeptpflichtig und damit der Kontrolle des Arztes unterstellt sind. Die Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern ({3}) hat nach Empfehlungen ihres Ausschusses „Verkehrsmedizin" am 10. Januar 1964 eine Stellungnahme mit einer Liste der möglicherweise gefährlichen Arzneimittelgruppen veröffentlicht.
Zu Frage 4:
Es gibt noch nicht genügend gesicherte Unterlagen darüber, ob sich auch bei den frei verkäuflichen Arzneimitteln solche befinden, die in Verbindung mit Alkohol eine vermehrte Verkehrsgefährdung hervorrufen. Zumeist werden die gefährlichen Stoffe jedoch in Zubereitungen vorhanden sein, die nur vom Arzt verschrieben werden dürfen.
Ein Ausschuß der Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern ({4}) ist mit Unterstützung der
gesamten Ärzteschaft dabei, die Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu erfassen und sie in der „Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft" auszuwerten. Erst nach Vorliegen der Ergebnisse wird eine Beurteilung der Frage möglich sein, ob frei verkäufliche Arzneimittel die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigen.
Zu Frage 5:
Die Bundesregierung ist von der Notwendigkeit einer Erforschung der Kombinationswirkung von Arzneimitteln und Alkohol überzeugt. Sie fördert deshalb seit 1964 ein Forschungsvorhaben über die Auswirkung von Arzneimitteln auf das Fahrverhalten. Dieses Vorhaben soll sich hauptsächlich mit dem Zusammenhang von Alkohol- und Medikamentenwirkung beschäftigen. Ein weiteres Projekt mit dem Thema „Aufstellung einer Liste von Arzneimitteln, die zusammen mit dem Genuß von Alkohol die Fahrtüchtigkeit verstärkt beeinträchtigen", konnte 1965 aus haushaltstechnischen Gründen noch nicht begonnen werden, wird aber wahrscheinlich 1966 vom Bundesgesundheitsamt übernommen werden.
Ene Kennzeichnung der möglicherweise gefährlichen Kombinationswirkung wird von einzelnen pharmazeutischen Firmen insofern gehandhabt, als in der Gebrauchsanweisung für bestimmte Medikamente eine Warnung vor Alkoholgenuß enthalten ist. Nach § 42 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes besteht die Möglichkeit einer Anordnung der zuständigen Behörden, daß Arzneimittel nur mit bestimmten Warnhinweisen in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie „geeignet sind, allein oder im Zusammenwirken mit anderen Arzneimitteln oder mit bestimmten Lebens- oder Genußmitteln die Verkehrstüchtigkeit zu beeinträchtigen".
Ich komme nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen und rufe die von dem Abgeordneten Rademacher gestellte Frage VII/1 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, an mit Pkw bzw. Lkw einreisende Ausländer bereits an der Grenze mehrsprachige Merkblätter auszugeben, die Hinweise auf die wichtigsten geltenden und nunmehr verschärften deutschen Verkehrsbestimmungen und die Möglichkeiten der zollfreien Mitnahme von Waren nach Art und Menge enthalten?
Die Frage des Herrn Kollegen Rademacher betrifft zweierlei, nämlich die Unterrichtung der einreisenden Ausländer erstens über die deutschen Verkehrsbestimmungen und zweitens über die im Reiseverkehr geltenden Zollbestimmungen.
Der Bundesminister für Verkehr hat seit dem Jahre 1960 fünf Millionen farbig bebilderte Merkblätter mit den deutschen Verkehrsregeln und Verkehrszeichen in mehreren Sprachen herstellen und an den Grenzübergängen, auch unter Einschaltung von Zollbeamten, an einreisende Ausländer verteilen lassen. Eine Neuauflage dieser Merkblätter ist beabsichtigt, sobald die neue Straßenverkehrsordnung verabschiedet ist. Die Änderungen des Verkehrsrechts und des Verkehrsstrafrechts auf Grund des Zweiten Verkehrssicherungsgesetzes werden hierbei berücksichtigt.
Zum zweiten Teil der Frage teile ich mit, daß der Bundesminister der Finanzen bereits seit nahezu 10 Jahren Handzettel mit Informationen über die im Reiseverkehr für Ausländer geltenden Zollbestimmungen in deutscher Sprache und in 9 Fremdsprachen herstellt. Diese Reisemerkblätter mit unterschiedlichen Bestimmungen für europäische und andere Ausländer liegen bei den Grenzzollstellen zur Unterrichtung der Einreisenden aus. Sie stehen auf Anforderung aber auch dem Auswärtigen Amt zur Verteilung an die deutschen Vertretungen im Ausland, dem Hotel- und dem Fremdenverkehrsgewerbe zur Verfügung. Ausländischen. Reisenden ist damit eine vielfältige Möglichkeit gegeben, sich vor Antritt einer Reise nach Deutschland zu informieren. Darüber hinaus gibt es auch Merkblätter mit den für Inländer geltenden Zollbestimmungen, durch die sie sich schon vor der Ausreise über die Möglich9456
Bundesminister Dahlgrün
keiten des Mitbringens von Waren bei der Wiedereinreise unterrichten können. Sie liegen ebenfalls an den Grenzübergangsstellen, aber auch bei den Automobilklubs, den Reisebüros, Geldwechselstellen und dergleichen zur Mitnahme aus.
Zusatzfrage!
Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind die im ersten Teil meiner Frage angesprochenen Merkblätter zur Zeit vergriffen; eine Neuauflage soll erst erfolgen, wenn die neue Straßenverkehrsordnung verabschiedet ist. Da das erst in der nächsten Legislaturperiode geschieht, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht mit mir der Meinung sind, daß wegen der Gefahren, die gerade für ausländische Fahrer entstehen, eine sofortige Neuauflage notwendig wäre. Sind Sie ferner mit mir der Meinung, daß es notwendig wäre, über die Unterrichtung der Kraftfahrer und die Verteilung von Informationen mit den anderen fünf Partnern der EWG eine Vereinbarung zu treffen?
Dr. Dahlgrün. Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich werde die in Ihrer Frage liegende Anregung sofort mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr besprechen. Ich muß sagen, die Zeit bis zur Verabschiedung der neuen Straßenverkehrsordnung könnte zu lang sein.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Ritzel gestellte Frage VII/2 auf:
Was wird die Bundesregierung tun, um angesichts der zu geringen Bewilligung von Mitteln die deutschen Schulen im Ausland doch in ihrem bisherigen Zustand zu erhalten?
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Ritzel des Sachzusammenhangs wegen gemeinsam beantworten?
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage VII/3 auf:
Was wird die Bundesregierung tun, um der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts trotz der Bewilligung ungenügender Mittel für das Rechnungsjahr 1965 diejenigen Beträge zuzuweisen, die im Interesse der Bundesrepublik zur Sicherung der Auslandsarbeit der Kulturabteilung unbedingt benötigt werden?
Die im Rechnungsjahr 1965 benötigten Haushaltsmittel für die Auslandskulturarbeit sind von der Bundesregierung nach eingehender Prüfung mit 185 Millionen DM in den Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1965 eingesetzt und in dieser Höhe auch vom Bundestag und Bundesrat bewilligt worden.
Nach der Regierungsvorlage sollten 'die beiden Ansätze von einer globalen Kürzung 'und Sperre ausgenommen bleiben. Zur Erreichung des Haushaltsausgleichs wurden dann jedoch auch diese Ansätze bei der 'abschließenden Beratung im Bundestag in die 7 vH-Kürzung gemäß § 8 und die 20 vH-Sperre gemäß § 9 des Haushaltsgesetzes 1965 einbezogen, was eine Verringerung der Verfügungsmittel um rund 13,8 Millionen DM zur Folge hatte.
Diese Kürzung bedeutet, daß - wie auf anderen Gebieten - auch hier gewisse Einschränkungen erforderlich sind. Die Bundesregierung widmet jedoch ihr besonderes Interesse der Auslandskulturarbeit und wird dafür Sorge tragen, daß auf jeden Fall 'die bestehenden Einrichtungen erhalten und die laufenden Maßnahmen durchgeführt werden können. Ich darf bemerken, Herr Kollege Ritzel, daß unter Berücksichtigung aller Kürzungen 'im Rechnungsjahr 1965 immerhin noch fast 11 Millionen DM mehr als im Vorjahr für die Auslandskulturarbeit zur Verfügung stehen.
Ferner darf ich darauf hinweisen, daß für laufende Schulbaumaßnahmen im April dieses Jahres rund 2,4 Millionen DM überplanmäßig bereitgestellt worden sind. Zur Zeit wird geprüft, ob weitere überplanmäßige Mittel für den Auslandsschulfonds bewilligt werden können.
Ich darf Ihnen versichern, daß die Bundesregierung den Erfordernissen der Auslandskulturarbeit Rechnung tragen wird, woben sie allerdings bei der Bewilligung zusätzlicher Mittel an die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Artikels 112 des Grundgesetzes gebunden ist und sich im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten halten muß.
Eine Zusatzfrage.
Demnach sind Ihnen, Herr Finanzminister, einige alarmierende Nachrichten aus dem Bereich des Auswärtigen Amts über die Gefährdung der deutschen Schulen im Ausland nicht bekanntgeworden, demnach auch nicht die Frage der Sicherung 'der Lehrergehälter und der Erhaltung der schon vorhandenen oder des Ausbaues des vom Bundestag gewünschten Teils von Schulen?
Herr Kollege Ritzel, der Bundesfinanzminister hat nicht nur auf diesem Sektor mit alarmierenden Berichten und Nachrichten zu tun; das ist sein tägliches Brot. Die Mittel stehen zur Verfügung, wie ich es dargestellt habe. Die Bewilligung weiterer überplanmäßiger Mittel ist in der Prüfung. Ich möchte nur, um zwei Beispiele zu nennen, die Sie möglicherweise bei Ihrer Frage im Auge haben, darauf hinweisen, daß z. B. bei der deutschen Schule in Washington alle notwendigen Schritte eingeleitet worden sind, um den Fortbestand dieser Schule zu sichern, und daß - zweites 'Beispiel - eine deutsche Schule in London errichtet werden soll; dazu erforderliche Schritte sind zur Prüfung eingeleitet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich darf also zu dieser ersten Frage feststellen, Herr Finanzminister, daß Sie gegebenenfalls bereit sind, wirklich ausreichende außerplanmäßige Mittel noch in diesem Haushaltsjahr und rechtzeitig zur Verfügung zu stellen?
Das wird zur Zeit mit den zuständigen Ressorts geprüft.
Noch eine Zusatzfrage.
Zur zweiten Frage habe ich noch zwei Fragen. Ich darf zu der Kulturarbeit im Ausland die Frage stellen, wie hoch nach Ihren Informationen und den Berichten Ihrer Mitarbeiter, Herr Finanzminister, der Betrag ist, der zur Sicherung mindestens des bisherigen Umfanges der Kulturarbeit im Ausland, insbesondere durch Inter Nationes, bereitgestellt werden muß - außer den durch Etat bereitstehenden Mitteln -, um diese Arbeit für den Rest dieses Jahres ausreichend zu sichern.
Herr Kollege Ritzel, das ist eine so allgemein gefaßte Frage, daß ich sie nicht gern mit Ja oder Nein beantworten möchte. Ich erinnere, daß ich Ihnen sagte: wir haben 185 Millionen DM für diese Arbeit im Haushaltsplan stehen; das sind 11 Millionen DM mehr als im Jahre 1964. Außerdem sind bereits 2,4 Millionen DM, die Sie zu diesen 11 Millionen DM hinzuschlagen müssen, überplanmäßig bereitgestellt worden. Ich kann Ihnen also nur immer wieder sagen: Wir tun, was wir können.
({0})
Letzte Zusatzfrage.
Ich möchte noch die Frage anfügen, ob die Regierung bei diesem Tun auch von der Überlegung ausgeht, daß nach den mir vorliegenden Informationen schon in wenigen Monaten die gegenüber dem Vorjahr sehr viel stärker ausgedehnte Kulturarbeit im Ausland nicht mehr finanziert werden kann, daß also für die Regierung die Notwendigkeit besteht, weitere außerplanmäßige Mittel bereitzustellen.
Herr Kollege Ritzel, das ist ein Teil der Alarmmeldung. Ich glaube nicht daran. Die einzelnen Projekte müssen sorgfältig geprüft werden. Da, wo es wirklich erforderlich ist, um unsere Position zu halten, werden wir das Notwendige alle miteinander tun müssen. Darüber bin ich mir völlig klar.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Bundesfinanzminister, wäre es den nicht möglich, für die Errichtung und die Unterhaltung der Auslandsschulen und für die Kulturarbeit etwas auf den Entwicklungshilfefonds zurückzugreifen?
Herr Kollege Strohmayr, es ist natürlich furchtbar schwer, jetzt hier zu sagen: „Das geht" oder: „Das
geht nicht". Es kommt bei der Entwicklungshilfe an sich auf andere Dinge an. Aber Sie wissen aus der Antwort, die ich Herrn Kollegen Ritzel gegeben habe, daß ich alles daransetze, z. B. die deutsche Schule in Washington zu erhalten, in einem Lande, das ein mit dem unseren durchaus vergleichbares Schulsystem hat. In den verflossenen Jahren hat man in Fachkreisen immer die Auffassung vertreten, daß in einem solchen Land Kinder in die Schule des Landes gehen sollten, schon um den Kontakt mehr zu pflegen. Nun haben wir aber in Washington eine deutsche Schule, die durch eine Grundstücksverlegung in Mitleidenschaft gezogen wird. Folglich müssen wir da etwas tun. Mit dem Betrag, der dafür nötig ist, wäre in dem einen oder dem anderen überseeischen Land praktisch sehr viel mehr zu schaffen. Darüber müssen wir uns klar sein, und das muß miteinander verglichen und geprüft werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesfinanzminister, ich denke weniger an die Schule in London als beispielsweise an die Schule in Barcelona. Ich glaube, daß hier die Möglichkeit bestehen würde - das wäre ja auch echte Entwicklungshilfe -, aus dem Fonds der Entwicklungshilfe für die Schule in Barcelona etwas zu tun.
Ich glaube, daß das im Fall Spanien nicht geht. Aber ich werde mir auf Grund dieser Frage gerade den Fall Barcelona ansehen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, da Sie gerade dieses Problem streiften, ob die Gehaltsverbesserung für Auslandslehrer analog der Gehaltsentwicklung im Inland inzwischen erfolgt ist.
Das kann ich Ihnen auf Grund Ihrer Frage heute nicht ohne weiteres sagen. Ich darf bitten, mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden zu sein. Ich weiß es nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Minister, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß insbesondere die Mittel für die auswärtige Kulturpolitik in den Teilen der Welt, in denen sich eine starke kulturpolitische und andere politische Tätigkeit der Zone bemerkbar macht, unsererseits verstärkt werden müssen, um diesen Einfluß aufzufangen und zurückzudrängen?
Ich bin mit Ihnen dieser Meinung und darf sagen, daß bei den Überlegungen, was wir noch im Laufe
dieses Jahres tun können und tun müssen, auch z. B. die Frage der Auslandskulturarbeit in den osteuropäischen Staaten eine Rolle spielt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß nicht nur hinsichtlich Osteuropas, sondern auch besonders hinsichtlich des Nahostraums diese Frage unsererseits geprüft wird?
Ja.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Minister, wenn Sie und offensichtlich die Bundesregierung dieser Meinung sind, daß die Aktivität der SBZ auf diesem Gebiet ein bemerkenswertes Ausmaß erreicht hat, und die Mittel für diesen Zweck in den letzten Jahren verfünffacht worden sind, warum trägt dann die Bundesregierung nicht Vorsorge dafür, daß auf diesem Gebiet, wo wir doch dafür sorgen müssen, daß die Alleinvertretung in einem weiteren politischen Sinne aufrechterhalten wird, die nötigen Mittel bereitgestellt werden?
Nicht die Bundesregierung, sondern das Parlament stellt die Mittel bereit. Wir haben bei der Frage der Auslandskulturarbeit während der Haushaltsberatungen alle die Grenzen erkannt, die jeder Aufgabe gesetzt sind. Wir müssen versuchen, innerhalb dieser Grenzen das Beste aus der Sache herauszuholen. Aber, Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich kann nur die simple Weisheit wiederholen: eine Mark, die man ausgegeben hat, kann man nicht zum zweitenmal ausgeben. Hier ist die Frage, was man tun soll. Ich darf daran erinnern, daß ich dem Hause schon bei verschiedenen Gelegenheiten meine Auffassung über die Ausgaben dargelegt habe.
Eine weitere Zusatzfrage!
Bis zu welchem Zeitpunkt, Herr Minister, glauben Sie sagen zu können, in welchem Umfang und in welcher Größenordnung in diesem Jahr noch zusätzliche Mittel für die auswärtige Kulturarbeit bereitgestellt werden können?
Herr Kollege Kahn-Ackermann, das hängt davon ab, wieweit die Dinge an den einzelnen Schwerpunkten gediehen sind. Ich kann ja nicht warten, bis ich eine globale Erklärung abgeben kann, sondern da, wo etwas möglich ist und etwas getan werden muß, wird es sofort getan. Ich hatte Herrn Kollegen Ritzel gesagt, daß wir 1965 11 .Millionen DM mehr zur Verfügung haben als 1964 und zusätzlich bis jetzt
bereits 2,4 Millionen DM bewilligt haben. Das wird so weitergehen, soweit unsere Kräfte reichen.
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe ,auf die Frage VII/4 - der Frau Abgeordneten Haas -:
Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß analog zu der speziellen Regelung vom 1. Januar 1962, die den Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer für körperbehinderte Kraftfahrzeughalter festlegt, auch den Eltern körperbehinderter Kinder die Kraftfahrzeugsteuer erlassen werden sollte, insbesondere wenn sie regelmäßig mit dem Auto zum Arzt, zur Massagebehandlung oder zur Schule gefahren werden müssen und ein Transport mit Schiebestühlen oder Dreirädern nicht möglich ist?
Die Frage der Frau Kollegin Haas darf ich wie folgt beantworten:
Eine so weitgehende Regelung, wie sie offenbar von Ihnen, Frau Kollegin, gewünscht wird, könnte nur durch eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes durch den Bundestag getroffen werden. Gegen eine solche Änderung bestehen aber erhebliche Bedenken. Eine Erweiterung der bestehenden Vergünstigungen könnte nämlich kaum auf die Fälle beschränkt werden, in denen Eltern ihre schwerbeschädigten Kinder befördern müssen, sondern sie müßte jedem Fahrzeughalter zugute kommen, der einen schwerbeschädigten Angehörigen mehr oder weniger regelmäßig befördert. Damit würde letztlich aus der jetzigen, eng an die Person des Körperbehinderten geknüpften Steuervergünstigung eine Vergünstigung für Angehörige werden, bei der Mißbräuche mangels ausreichender Kontrollmöglichkeit überhaupt nicht verhindert werden könnten.
In Fällen, in denen ein Personenkraftfahrzeug tatsächlich nur im Interesse und für die Zwecke eines schwerbeschädigten Kinndes angeschafft wird, ist schon nach geltendem Recht ein Steuererlaß möglich. Das Fahrzeug muß dann allerdings auf den Namen des Kindes zugelassen werden, was rechtlich absolut zulässig ist, und darf für die Beförderung anderer Personen, also auch der Eltern, nur in ganz bestimmten, im Kraftfahrzeugsteuergesetz geregelten Fällen benutzt werden. Steuerschädlich wäre es dann z. B., wenn der Vater des Kindes das Fahrzeug auch zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt. Hier ist aber auch ein Befreiungsgrund nicht ersichtlich.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ich darf eine weitere Frage an Sie richten. Zugegeben, daß eine solche Regelung die Gefahr des Mißbrauchs in sich trüge, ist es nicht dennoch widersprüchlich, daß die Eltern von körper-, besonders gehbehinderten Kindern keine direkte Kraftfahrzeugsteuerermäßigung genießen, auch wenn sie das Auto nur ihres kranken Kindes wegen anschaffen, daß sich dagegen dieselben Eltern neben ihr Kind - könnte
und dürfte es schon selber fahren - setzen und mitfahren dürfen und dann trotzdem die Steuerermäßigung bekämen?
Gnädige Frau, das ist eine Frage der Logik. Ich darf auf meine erste Empfehlung zurückkommen: Sie sollten dieses Fahrzeug auf den Namen des Kindes zulassen, auch wenn es nicht fahren kann. Das ist zulässig.
Da liegt eben der entscheidende Punkt. Danke schön.
Die Frage VII/5 - des Herr Abgeordneten Wagner -:
Trifft es zu, daß der Bundesfinanzminister verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Steuerbefreiung für Überstunden geltend gemacht hat?
wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage VII/6 - des Abgeordneten Dröscher -:
Aus welchen Gründen ist die seit einigen Jahren vereinbarte und mit erheblichem Aufwand vorbereitete Verlegung des Militär-Flugplatzes aus dem Stadtgebiet Bad Kreuznach heraus noch nicht erfolgt?
Herr Kollege Dröscher, mit dem Bau des Ersatzflughafens konnte noch nicht begonnen werden, weil die amerikanischen Streitkräfte gegenüber den bisher vorgesehenen Ersatzbaumaßnahmen zusätzliche Forderungen erhoben haben, die über den Rahmen der bisherigen militärischen Anlage wesentlich hinausgehen und auf die die Streitkräfte nach Art. 48 Abs. 5 Buchstabe a des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut keinen Anspruch haben. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Angelegenheit bereits mit Schreiben vom Februar und April 1965 an die amerikanische Botschaft in Bonn herangetragen.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, was sagt die Bundesregierung denn dazu, daß von den US-Militärbehörden nun offenbar nachträglich Forderungen bezüglich des Ausbaus des neuen Platzes erhoben werden, die weit über das hinausgehen, was der jetzige Zustand ist, und daß damit doch eigentlich der freundschaftlich-kameradschaftliche Zustand, der auf Gleichberechtigung beruht, schwerstens gestört ist?
Herr Kollege Dröscher, die in Ihrer Frage enthaltene Kritik halte ,ich nicht für gerechtfertigt. Bad Kreuznach hat diesen Flughafen. Wenn er dort bleiben könnte, müßten die Streitkräfte damit zufrieden sein, und sie wären auch damit zufrieden. Nachdem aus anderen, nicht bei den Streitkräften liegenden Gründen eine Verlegung erforderlich wird, ist es nur natürlich, daß zusätzliche Verbesserungen, die man auf Grund des Status quo nicht erreichen könnte, mit eingeplant werden sollen. Darüber muß man natürlich mit den Streitkräften verhandeln. Das müssen sie letzten Endes selber bezahlen. Dadurch sollte aber, Herr Kollege Dröscher, die notwendige Verlegung nicht ungebührlich hinausgezögert werden. Ich habe die Absicht, wenn ich nicht in Kürze eine befriedigende Antwort von der amerikanischen Botschaft bekomme, mich erneut an die Botschaft zu wenden und darauf hinzuwirken, daß die Sache weiterläuft.
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, durch diese energische Initiative bei der US-Botschaft überhaupt vorwärtszukommen, nachdem doch offenbar Schreiben an die amerikanische Dienststelle in den letzten Monaten überhaupt nicht beantwortet worden sind?
Wir haben im April 1945 geschrieben. Ich möchte der amerikanischen Dienststelle keinen Vorwurf machen, denn ich fürchte, es passiert auch in unserem Bereich einmal, daß ein Vorgang zu lange bearbeitet wird.
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Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage I/1 - des Abgeordneten Tobaben - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Hähnchenmästerei unter der Dumpingeinfuhr aus dem Ausland zusammenzubrechen droht?
Die Frage wird vom Abgeordneten Dr. von Merkatz übernommen.
Herr Abgeordneter, ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die labile Situation auf dem Schlachtgeflügelmarkt ist der Bundesregierung bekannt. Sie ist keineswegs eine Einzelerscheinung in der Bundesrepublik. Von ihr sind gleichermaßen die traditionellen Exportländer innerhalb und außerhalb der EWG, wie Holland und Dänemark, aber auch das junge Ausfuhrland Frankreich betroffen. In erster Linie ist sie wohl auf die stark ausgeweitete Erzeugung insbesondere in den Niederlanden und in Frankreich zurückzuführen, eine Erzeugung, welcher der Verbrauch nicht im gleichen Umfange zu folgen vermochte.
Das verstärkte Angebot hatte einen Preisverfall zur Folge, welcher den Erzeugererlös in allen EWG-Staaten bis hart an die Grenze der Selbstkosten und teilweise auch darunter gedrückt hat. Erst in letzter Zeit ist eine gewisse Marktberuhigung festzustellen.
Während auf holländischer Seite keine Verstöße gegen die EWG-Bestimmungen festgestellt werden konnten, hat Frankreich der EWG-Kommission eine Anzahl von Maßnahmen notifiziert, über deren Vertragskonformität von der Kommission noch immer nicht entschieden ist. Französischerseits ist mehr9460
fach und erst kürzlich wieder die Versicherung abgegeben worden, daß die notifizierten Maßnahmen noch nicht angewendet werden und daß in Frankreich keine direkten Beihilfen für die Mastgeflügelproduktion sowie keine Lagereibeihilfen oder Frachtsubventionen gezahlt würden.
Ich rufe auf Frage I/2 - des Abgeordneten Tobaben- :
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die deutsche Hähnchenmästerei, die unter öffentlicher Förderung ausgebaut wurde, vor dem Zusammenbruch zu bewahren?
Die Frage wird ebenfalls von Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz übernommen.
Zu Frage 2: Die Bundesregierung hat eine Unterstützung der Bildung von Mästereien durch staatliche Mittel und finanzielle Hilfen für eine Absatzwerbung in Angriff genommen. Mit der in Kürze vorgesehenen Einführung von Handelsklassen für Geflügel soll eine breite Verbraucheraufklärung aus staatlichen Mitteln verbunden werden, um den Verbrauch weiter zu heben. Die Bundesregierung geht dabei von der Erwartung aus, daß mit einem erweiterten Absatz der deutschen Hähnchenmästerei die wirksamste Hilfe zuteil wird.
In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob eine Prämie für Qualitätsgeflügel gewährt werden kann.
Ich rufe auf die Frage III - des Abgeordneten Kahn-Ackermann -:
In welchem Umfang ist die Führung ausländischer akademischer Grade in der Bundesrepublik von behördlichen Genehmigungen abhängig?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Lenz vom 25. Mai 1965 lautet:
Die Führung von ausländischen akademischen Graden in Deutschland ist in dem Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 ({0}) geregelt. Nach § 2 dieses Gesetzes benötigen deutsche Staatsangehorige, die in Deutschland einen ausländischen akademischen Grad führen wollen, der Genehmigung. Zuständig- zu ihrer Erteilung sind die Kultusminister der Länder.
Diese Vorschrift findet nach § 3 des Gesetzes auf Ausländer entsprechende Anwendung. Sie sind nur dann von der Genehmigungspflicht befreit, wenn sie sich in Deutschland ausschließlich in amtlichem Auftrag oder nur vorübergehend und nicht zu Erwerbszwecken aufhalten, und wenn sie nach dem Recht ihres Heimatstaates zur Führung des akademischen Grades befugt sind.
Die Genehmigung ist für die Führung aller an einer ausländischen Hochschule erworbenen akademischen Grade notwendig, gleichgültig, oh sie „rite" oder „honoris causa" verliehen wurden. Zu den Fragen der Verfassungsmäßigkeit des § 2 des Gesetzes und der Erteilung einer allgemeinen Genehmigung nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes darf ich auf meine Antwort an Herrn Kollegen Dr. Kempfler vom 2. Juli 1964 ({1}) und vom 5. Februar 1965 ({2}) verweisen.
Die Fragen sind beantwortet.
Wir kommen jetzt zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, und zwar zu den Fragen IX/1 und IX/2 - des Abgeordneten Ramms -:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß Wehrdienstpflichtige, die während ihrer Schulzeit bei Schulausflügen nach Berlin auch Ost-Berlin besichtigt haben, für gewisse Bundeswehreinheiten nicht eingezogen werden dürfen und bei Beförderungen oder bei Ernennung zum R.O.A. einer besonderen Prüfung unterliegen, da sie wegen ihres Ost-Berlin-Besuches als Geheimnisträger nicht sicher genug erscheinen?
Glaubt die Bundesregierung mit der in Frage IX/1 geschilderten Einstellung die informativen Besuche Jugendlicher und den Wiedervereinigungsgedanken zu fördern?
Meine Antwort lautet: nein!
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß man - wenn in dem Wehrpaß eines jungen Menschen eingetragen ist: „für die Nachrichtentruppe untauglich" - zu der Meinung kommen kann, daß das auf den Berlin-Besuch zurückzuführen ist, weil ja die körperliche Eignung des jungen Menschen durch die Einberufung zu einer Panzereinheit gegeben ist?
Das möchte ich nicht annehmen, Herr Abgeordneter. Wenn ein Wehrpflichtiger für die Nachrichtentruppe „untauglich" gemustert ist, dann wird das in der Regel auf den gesundheitlichen Befund, auf den ärztlichen Befund zurückgehen.
Herr Staatssekretär, soll die Äußerung des Herrn Bundesverteidigungsministers, die er mir zugeschickt hat, daß in der Regel nur diejenigen Soldaten weiter überprüft werden, die keine Einzelreisen in den kommunistischen Machtbereich in den letzten fünf Jahren unternommen haben, bedeuten, daß also die Gesellschaftsfahrten von Schulen überprüft werden?
Nein, sie werden nicht überprüft. Es isst so, Herr Abgeordneter, daß Wehrpflichtige im allgemeinen sicherheitsmäßig überhaupt nicht überprüft werden. Das ist aber dann erforderlich, wenn sie nach Abschluß der Grundausbildung zu einem Verband, zu einem Truppenteil oder zu einer Dienststelle versetzt werden sollen, die besonderen Geheimhaltungsvorschriften unterliegen. In einem solchen Fall müssen auch junge Wehrpflichtige und solche Zeitsoldaten sicherheitsmäßig überprüft werden, die sich auf höchstens zwei Jahre verpflichtet haben. Das liegt in der Natur der Sache.
Eine weitere Zusatzfrage!
Sind Sie nicht der Meinung, daß man durch eine Unterteilung in den Fragebogen diese Schwierigkeiten aus dem Weg räumen könnte, indem man z. B. sagt: es handelt sich um Gesellschaftsreisen?
Das will ich gern prüfen, Herr Abgeordneter,
Eine Zusatzfrage. - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, wie können Sie sich dann erklären, daß alle Teilnehmer an einem Lehrgang für Reserveoffizieranwärter bis auf einen nach bestandenem Lehrgangsexamen zum Fahnenjunker befördert worden sind und dieser eine, der mit einer Schülergruppe in Ostberlin gewesen ist, darüber aufgeklärt worden ist, daß er nicht befördert werden konnte, weil er unter Beobachtung stand?
Auch Reserveoffiziere werden im allgemeinen einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn diese Sicherheitsprüfung zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist, eine Beförderung bis zum Abschluß der Untersuchung zurückgestellt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn!
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß das Nein, das Sie vorhin zu der Frage des Kollegen Ramms gegeben haben, nicht in vollem Umfange von Ihnen aufrechterhalten werden kann?
Ich würde doch sagen, Herr Abgeordneter, daß es in vollem Umfang gilt. Es handelt sich hier um spezielle Ausnahmefälle.
Es handelt sich um den Sohn eines Kollegen in diesem Hause.
Auch dann!
Damit sind wohl beide Fragen beantwortet.
Ich rufe auf die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Rutschke -:
Ist dem Bundesverteidigungsminister bekannt, daß Angehörige der Bundeswehr zur Teilnahme an der wehrpolitischen Tagung des Landesverbandes der CDU von Nordbaden am 13. März 1965 in der Stadthalle in Heidelberg von Vorgesetzten befohlen wurden?
Herr Präsident, ich bitte mir zu gestatten, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke im Zusammenhang zu beantworten.
Ich bitte, die Fragen einzeln zu beantworten.
Er ist nicht einverstanden.
Die erste Frage beantworte ich dann mit Ja, Herr Abgeordneter.
Ich darf also feststellen, daß dem Herrn Bundesverteidigungsminister bekannt war, daß Angehörigen der Bundeswehr die Teilnahme an einer CDU-Tagung von Kommandeuren befohlen worden ist?
Gumbel Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Ja.
Das war Ihnen also bekannt?!
Ich rufe auf die Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke -:
Ist dem Bundesverteidigungsminister aufgefallen, daß z. T. hohe Offiziere an der in Frage IX/3 genannten parteipolitischen Veranstaltung in Uniform teilnahmen, obwohl dies 'eindeutig gegen den § 15 Abs. 3 des Soldatengesetzes verstößt?
Mir ist ebenfalls bekannt, daß hohe Offiziere an dieser Veranstaltung in Uniform teilgenommen haben. Aber das verstößt nicht unbedingt gegen den § 15 Abs. 3 des Soldatengesetzes. Nach dieser Bestimmung darf der Soldat bei der Teilnahme an politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen. Dies gilt für eine Teilnahme außerhalb des Dienstes, die dann vorliegt, wenn der Soldat aus eigenem Entschluß an der Veranstaltung teilnimmt. Davon zu unterscheiden ist die dienstliche Teilnahme, die dann gegeben ist, wenn die Teilnahme zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben, z. B. als Vortragender im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder als offizieller Vertreter der Bundeswehr, befohlen wird. In diesen Fällen hat der Soldat Uniform zu tragen, und das sind wohl die Fälle, die mit der ersten Frage gemeint sind. Zu der wehrpolitischen Tagung in Heidelberg waren Soldaten verschiedener Dienstgrade zu Podiumsgesprächen über die Themen „Die Innere Führung in der Bundeswehr", „Landesverteidigung - eine zivile und militärische Führungsaufgabe", „Bundeswehr und öffentliche Meinung", „Stellung des Unteroffiziers in der Gesellschaft von heute" dienstlich abgeordnet. Außerdem haben einige Offiziere als offizielle Vertreter des II. Korps und der Luftwaffengruppe Süd dienstlich teilgenommen. Im übrigen ist festgestellt worden, daß eine Reihe von Soldaten in Zivil teilgenommen haben.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß nach dem klaren Wortlaut des Soldatengesetzes dem Soldaten verboten ist, an politischen Veranstaltungen in Uniform teilzunehmen? Sie kommen zu einer Auslegung, die mir mit dem Gesetz nicht im Einklang zu stehen scheint.
Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter. In Abs. 1 des § 15 ist die politische Betätigung des Soldaten im Dienst geregelt, in Abs. 2 die politische Betätigung außerhalb des Dienstes, aber innerhalb des Kasernenbereichs, und im Abs. 3 die poli9462
tische Betätigung außerhalb des Dienstes. Aber hier in diesem speziellen Falle, Herr Abgeordneter, ist es ja für die betroffenen Soldaten, für die Referenten und für die offiziellen Vertreter keine außerdienstliche, sondern eine dienstlich befohlene Tätigkeit. Im übrigen darf ich doch darauf hinweisen, daß auch bei Veranstaltungen Ihrer Partei in gleicher Weise verfahren worden ist, wie ganz allgemein bei Veranstaltungen aller Parteien verfahren wird. Das Verfahren in Heidelberg ist hier keine Ausnahme.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie alle derartigen Veranstaltungen, also wehrinformatorische Veranstaltungen, der verschiedenen Parteien - also nicht nur der CDU, sondern auch der SPD - als in Ihrem Sinne liegend befürworten und deshalb auch befürworten, daß Soldaten in Uniform daran teilnehmen?
Diese Veranstaltungen finden regelmäßig statt, Herr Abgeordneter. Ich weiß nicht, ob Sie die Bundeswehr zu allen Veranstaltungen einladen; wenn sie aber eingeladen wird, bin ich überzeugt, daß dann auch die Referenten und die offiziellen Vertreter teilnehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Darf ich daraus schließen, daß nicht nur die Referenten und die offiziellen Teilnehmer, sondern auch Soldaten von sich aus daran teilnehmen und, wenn sie eingeladen werden, dann in Uniform erscheinen dürfen?
Die Soldaten dürfen selbstverständlich teilnehmen. Wenn sie aber aus eigenem Entschluß teilnehmen - ob nun auf Grund von Plakatwerbung oder auf Grund besonderer Einladung -, können sie natürlich nur in Zivil teilnehmen.
Eine Zuatzfragse, Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, nachdem aus Ihrer Antwort eindeutig hervorgegangen ist, daß in dem Fall, den der Kollege Rutschke angeführt hat, die Soldaten befohlen worden sind, möchte ich gern von Ihnen hören, ob Ihnen auch Fälle bekannt sind, wo Soldaten zu anderen Veranstaltungen von anderen Parteien - z. B. von der FDP oder von der SPD - von ihren Vorgesetzten befohlen worden sind.
Als Referenten oder als offizielle Vertreter: ja! Mir ist beispielsweise eine Veranstaltung der FDP in Cham aus dem Oktober oder November vergangenen Jahres in Erinnerung, bei der in ganz gleicher Weise wie in Heidelberg verfahren worden ist. Die Referenten, die dort von der Bundeswehr gestellt worden sind, und die offiziellen Vertreter haben dienstlich teilgenommen und waren deswegen in Uniform erschienen. Darüber hinaus war eine ganze Reihe von Soldaten anwesend, die Zivil getragen haben, weil sie auf Grund eigenen Entschlusses an der Veranstaltung teilgenommen haben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, mir scheint aus Ihrer Antwort nicht ganz klar hervorzugehen, ob es sich hier um Referenten handelt, die auf Grund einer Einladung haben referieren müssen, oder ob es Soldaten waren, von denen die Vorgesetzten glaubten, daß sie im Rahmen des staatspolitischen Unterrichts bzw. der staatspolitischen Bildung zu einer solchen Veranstaltung in Uniform hinbefohlen werden.
Das Tragen der Uniform ist eine Folge des Auftrags, den der betreffende Soldat hat, und wenn der betreffende Soldat den Auftrag hat, dort im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr zu referieren, trägt er auch Uniform.
Und nicht Referenten?
Die Referenten tragen keine Uniform.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kreitmeyer.
Herr Staatssekretär, darf ich der Tatsache, daß Unterschiede gemacht werden, ob ein Soldat befohlen wird oder ob er freiwillig zu einer Veranstaltung geht, entnehmen, daß er dann auch den anderen gegenüber, wenn er befohlen ist, entsprechende Vorteile hat auch bezüglich des Schutzes, wenn ein Unfall passieren sollte?
Er befindet sich ja im Dienst, Herr Abgeordneter.
Ich wollte noch weiter fragen: Wäre es nicht zweckmäßig, diese Unterschiede dadurch zu beseitigen, daß man allen die gleichen Vorteile zugute kommen läßt?
Dann müssen Sie das Gesetz ändern, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, von sich aus eine Vorlage zu machen oder bedarf es erst der Initiative dieses Hause, damit das geändert wird?
Das möchte ich nicht ohne weiteres aus dem Handgelenk beantworten, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Staatssekretär, stimmt die Auslegung des Gesetzes, wie sie hier von Ihnen vorgenommen wird, mit dem Willen überein, den der Gesetzgeber hatte, als er dieses Gesetz verabschiedete?
Ich glaube ja, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, deckt diese Auslegung des Gesetzes auch die Tatsache, daß im Kreis Stormarn auf einer Versammlung der CDU - nicht auf einer wehrpolitischen Tagung - ein Offizier in Uniform das Referat gehalten hat?
Sicher, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!
Herr Staatssekretär, würden Sie es billigen, daß ein Kommandeur einen Hauptwachtmeister veranlaßt, drei Untergebenen, darunter einem Gefreiten, zu befehlen: „Sie gehen nach Heidelberg, der Kommandeur hat das so bestimmt!"?
So wie die Frage gestellt ist, sicher nein; das würde ich nicht billigen.
Wir kommen zur Frage IX/5 - des Abgeordneten Dr. Rutschke -:
Billigt der Bundesverteidigungsminister die Tatsache, daß eine stattliche Anzahl von Dienstkraftwagen der Bundeswehr zur Beförderung von z. T. befohlenen Bundeswehrangehörigen zu der in Frage IX/3 genannten parteipolitischen Veranstaltung eingesetzt wurden?
Die Dienstkraftwagen sind, soweit ich es feststellen konnte, Herr Abgeordneter, nur von den dienstlich befohlenen Offizieren benutzt worden.
Darf ich fragen, was Sie eigentlich unter „dienstlich befohlenen" Vertretern verstehen? Das ist ein sehr dehnbarer Begriff. Es
können natürlich 100 Vertreter sein; dann kann man auch eine ganze Kompanie hinschicken. Oder es kann von einem Regiment auch einer sein. Was verstehen Sie unter offiziellen Vertretern, und wer ist dienstlich dort?
Unter Vertretern verstehe ich selbstverständlich nicht ganze Einheiten, sondern es können immer nur wenige Offiziere sein, wie sich das auch im allgemeinen Sprachgebrauch ausdrückt. Vertreter sind zwei oder drei Offiziere eines bestimmten Verbandes. Es hängt jeweils von den Umständen ab, wie viele es sind.
Zusatzfrage des Abgeordneter Cramer!
Herr Staatssekretär, können auch Unteroffiziere, wenn sie Referenten sind, diese Vorteile in der Beförderung in Anspruch nehmen?
Selbstverständlich.
Die Fragen sind beantwortet.
Ich komme zur Frage IX/6 - der Abgeordneten Frau Döhring -:
Trifft es zu, daß die ehemalige Stuttgarter Moltke-Kaserne, die bis vor kurzem als städtische Hautklinik verwendet worden war, in absehbarer Zeit wieder von der Bundesvermögensverwaltung übernommen werden soll?
Die städtische Hautklinik Stuttgart war - nach Inanspruchnahme ihrer Räume im Cannstatter Klinikum durch die amerikanischen Streitkräfte - seit dem 8. 8. 1945 in drei Gebäuden der bundeseigenen ehemaligen Moltke-Kaserne untergebracht. Der am 20. 9. 1949 zwischen der Stadt Stuttgart und dem damals zuständigen Finanzministerium des Landes Württemberg-Baden geschlossene Mietvertrag wurde vom Bund bereits zum 31. 3. 1953 gekündigt, die Weiterbenutzung dieser Gebäude in der Zwischenzeit jedoch stillschweigend geduldet. Am 30. 4. 1965 sind diese drei Gebäude von der Krankenhausverwaltung der Stadt Stuttgart der Bundesvermögensverwaltung übergeben worden, nachdem die städtische Hautklinik mittlerweile wieder in die nach Freigabe renovierte und erweiterte Hautklinik des Cannstatter Klinikums übergesiedelt ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bzw. dem Bundesverteidigungsministerium bekannt, daß es sich bei dem westlichen Stadtteil von Stuttgart, in dem das Areal der Moltke-Kaserne liegt, um ein Wohngebiet von 70 000 Menschen handelt, in dem nicht einmal die nötigen Kindergärten vorhanden sind und - eben wegen mangelnden Baugeländes - auch nicht erstellt werden können?
Ich habe keinen Zweifel, daß Ihre Angaben richtig sind, ohne daß ich sie in diesem Augenblick von mir aus bestätigen könnte, Frau Abgeordnete.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht das Bundesverteidigungsministerium eine Möglichkeit oder wären Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß mit der Stadt Stuttgart doch noch in Verhandlungen mit dem Ziel eingetreten wird, auf dem Tauschwege eine Lösung zu finden, die beiden Teilen gerecht würde?
Frau Abgeordnete, ich glaube, Sie greifen der Antwort auf Ihre zweite Frage vor, die bisher noch nicht aufgerufen ist. - Herr Präsident, darf ich die zweite Frage beantworten?
Bitte schön, wenn die Fragestellerin damit einverstanden ist.
Ich rufe die Frage IX/7 - der Abgeordneten Frau Döhring - auf:
Wird die Bundesregierung die Bundesvermögensverwaltung im Zusammenhang mit der geplanten anderweitigen Verwendung der ehemaligen Moltke-Kaserne veranlassen, den seit Jahren vorgetragenen Wünschen der Stadt Stuttgart Rechnung zu tragen, die das Areal dringend für wichtige städtische Sozial- und Kultureinrichtungen benötigt?
In den Verhandlungen über die Räumung der ehemaligen Moltke-Kaserne hat die Stadt Stuttgart keine Wünsche wegen Überlassung di eses Areals für städtische Sozial- und Kultureinrichtungen vortragen lassen. Die Stadt hat das Areal der Bundesvermögensstelle ohne jede Einschränkung übergeben.
Frage IX/8 - des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer -:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Auszüge aus der Debatte um die Verjährung der- Naziverbrechen, wie sie in der Beilage zu Heft V/1965 „Informationen für die Truppe" enthalten sind, für die Einheitsführer zum Unterricht in der Truppe für ausreichend gehalten werden?
Für den staatsbürgerlichen Unterricht in der Truppe über die Verjährung der Naziverbrechen standen, Herr Abgeordneter, dem Einheitsführer neben den ausführlichen Berichten der ihm zugänglichen Presseorgane und den täglichen Kommentarauszügen im Pressefunk vor allem die Zeitschrift „Das Parlament" zur Verfügung, die vom Bundesminister der Verteidigung bis zu den Kompanien und entsprechenden Einrichtungen laufend verteilt wird. Die etwa sechs Wochen nach der Bundestagsdebatte erschienene Veröffentlichung in der „Information für die Truppe", die den Anlaß zu Ihrer Frage gegeben hat, sollte mit einer Kurzdarlegung der verschiedenen Ansichten noch einmal an die Gründe für den innen- und außenpolitisch bedeutsamen Beschluß diese Hohen Hauses erinnern und das Interesse an dem amtlichen Protokoll wecken. Die Veröffentlichung war nach der Überschrift - „Die Bundestagsdebatte um die Verjährung der Naziverbrechen" - mit folgendem Hinweis eingeleitet:
Aus dem Protokoll der Bundestagsdebatte vom 10. März 1965 über die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten drucken wir die nachfolgenden Ausschnitte ab, die so ausgewählt sind, daß sie einen Querschnitt der wichtigsten Argumente vermitteln. Die ganze Breite der Diskussion vermag freilich nur das ungekürzte Protokoll zu vermitteln, das . . .
- nun folgt die Angabe, wo -zu beziehen ist.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, macht man es dem Einheitsführer nicht einfacher und leichter, wenn man ihn nicht auf eine Vielzahl von Quellen, sondern auf die einzig zuständige und authentische Quelle verweist, nämlich das Protokoll des Bundestages?
Er wird nicht auf viele Quellen verwiesen, Herr Abgeordneter. Die tägliche Presse liegt vor ihm auf dem Tisch. Er bekommt das „Parlament". Wir können nicht immer die gesamten Protokolle des Bundestags abdrucken.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht aufgefallen, daß ein gravierender Tatbestand von der gesamten Presse, in allen Unterlagen, auch in Ihrem Auszug, nicht wiedergegeben worden ist, nämlich daß die eine Seite des Hauses meinte, sie habe sich nicht geirrt, als sie die Frist für die Verjährung festlegte, während die andere Seite meinte, daß man sich geirrt habe? Ein solcher Tatbestand ist doch für die staatsbürgerliche Information außerordentlich interessant, und er sollte jedem Soldaten, insbesondere dem Unterrichtenden, zur Kenntnis gegeben werden.
Herr Abgeordneter, bei einem Auszug ist es immer schwierig, allen Teilen Rechnung zu tragen und gerecht zu werden. Es wird über solche Auszüge immer Meinungsverschiedenheiten geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, aus diesem Anlaß noch einmal zu überprüfen, ob Sie der Anregung des Kollegen Erler nicht nachkommen können, daß im Rahmen der „Information
für die Truppe" die Parteien sich selber darstellen, damit die Darstellung der Parteien nicht durch einen Beamten vorgenommen wird?
Ich will das gern noch einmal besprechen.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Haus Mitteilung zu machen, welche Empfehlung nach der Besprechung vorliegt?
Das werde ich tun.
Frage IX/9 - des Abgeordneten Dr. Hoven -:
Aus welchen Gründen wird es den Bundeswehrsoldaten und Amateurboxern Dieter Kottysch und Günther Meier nicht gestattet, an den Europameisterschaften der Amateurboxer in Ost-Berlin teilzunehmen?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist mit den drei Westmächten übereingekommen, keine Angehörigen der Streitkräfte zu den Europameisterschaften der Amateurboxer in Ost-Berlin zu entsenden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, unabhängig von dieser Entscheidung - offensichtlich sind ja Sicherheitsvorstellungen maßgebend gewesen -: Sind Sie der Meinung, daß deutsche Soldaten abwehrmäßig stärker gefährdet sind, wenn sie Sportveranstaltungen in Ost-Berlin besuchen oder wenn sie Veranstaltungen in anderen Ländern des Ostblocks besuchen?
Ich glaube nicht. Aber, Herr Abgeordneter, hier ist vor allen Dingen die Rücksichtnahme auch der Alliierten herauszustellen. Es ist nicht zu vermeiden und kann nicht verhindert werden, daß in Ost-Berlin die Spalterflagge gezeigt und die sogenannte Nationalhymne gespielt wird.
Habe ich Sie recht verstanden, daß die Versagung der Teilnahmegenehmigung für diese Sportveranstaltung in Ost-Berlin auf direktes Eingreifen unserer westlichen Verbündeten zurückzuführen ist?
Nein, es ist eine gemeinsame Übereinkunft der Bundesregierung mit den drei Westmächten.
Damit ist die Fragestunde zu Ende.
Ich rufe Punkt 9 a der gedruckten Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({0}) ;
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2}) ;
bb) Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter des Haushaltsausschusses ist Herr Abgeordneter Windelen. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Ihren Bericht zu erstatten.
({6})
Als Berichterstatter des Rechtsausschusses hat Herr Abgeordneter Jahn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 120 des Grundgesetzes in der geltenden Fassung bestimmt, daß der Bund „die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" trägt.
Ausgehend von dieser Bestimmung hat sich in den vergangenen Jahren die Praxis entwickelt und die Meinung durchgesetzt, daß damit für den Bundesgesetzgeber auch die Möglichkeit verbunden sei, im einzelnen zu bestimmen, was unter den Begriff „Kriegsfolgelasten" fällt, und dementsprechend in I Abweichung von dem genauen Wortlaut die dadurch entstehenden Lasten teilweise zwischen Bund und Ländern zu verteilen.
An dem Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen vom 14. Juni ,1956 entzündete sich dann aber ein Verfassungsrechtsstreit, in dessen Verlauf das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis kam, daß diese Praxis mit dem Wortlaut des Art. 120 nicht vereinbart werden könne, daß diese Auslegung des Art. 120 des Grundgesetzes verfassungswidrig sei.
Die Folgerung daraus hätte bedeutet, daß die gesamte inzwischen eingetretene Verteilung der Lasten zwischen Bund und Ländern ins Wanken geraten wäre. Bund und Länder - die letzeren waren daran interessiert, es bei dem bisher gewachsenen Zustand zu belassen - haben sich dann dahin geeinigt, daß die inzwischen in den einzelnen Gesetzen getroffenen Regelungen beibehalten werden sollen. Wenn sie aber beibehalten werden sollen, bedarf es dazu einer Änderung des Art. 120. Nach den Vorschlägen der Bundesregierung, die im Kern von den beratenden Ausschüssen gebilligt werden, sollen die getroffenen Regelungen nunmehr für die Vergangenheit als verbindlich gelten.
Die Neuregelung sieht im einzelnen vor, daß es zunächst bei dem Grundsatz verbleibt, d. h. wenn die Frage auf bisher nicht geregelten Gebieten für die Zukunft streitig werden wird, ist nach Maßgabe der bisherigen Regelung zu verfahren. Im zweiten Satz wird dann die bisherige Regelung auf Grund
der Einigung zwischen Bund und Ländern für Rechtens erklärt. Wir sind der Überzeugung, daß der Bundestag und der Bundesrat entsprechend beschließen können.
Als Stichtag mußte, nachdem eine früher vorgesehene Regelung im letzten Bundestag nicht verabschiedet werden konnte und sich auch die Behandlung der Regierungsvorlage etwas verzögert hatte, nunmehr der 1. Oktober 1965 statt der 31. Dezember 1964 genommen werden. Insofern ist die Vorlage geändert worden.
Ich bitte Sie, der Vorlage entsprechend den Anträgen Beis Rechtsausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. I, - II, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Ich werde auszählen lassen, damit die Vonschriften des Grundgesetzes peinlich eingehalten werden. Ich bitte, den Saal zu verlassen. Wir werden im Hammelsprung abstimmen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Insgesamt wurden 365-Stimmen abgegeben. Es sind also mehr als die Hälfte der Mitglieder dieses Hauses anwesend. Mit Ja haben gestimmt 364 Mitglieder des Hauses, mit Nein ein Mitglied des Hauses. Damit sind die im Grundgesetz vorgesehenen Mehrheiten erfüllt worden.
Ich rufe Punkt 9 b) der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen ({0})
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2})
bb) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
({3}) ({4})
({5})
Es liegen zwei Berichte vor, ein Bericht des Haushaltsausschusses und ein Bericht des Finanzausschusses. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schlee als Berichterstatter.
({6})
- Sie beziehen sich auf den Schriftlichen Bericht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf §§, 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7,- 8, - 9,10, - 11, - 12, - 13, - 14, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entwurf eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen im ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf. Es ist mir bekannt, daß der Versuch gemacht worden ist, ein interfraktionelles Kompromiß zu vereinbaren. Haben die Besprechungen zu einem Ergebnis geführt?
({7})
Sind sich die Fraktionen einig?
({8})
- Dann rufe ich Punkt 10 a) auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes ({9}) ({10});
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({11}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({12}),
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung ({13}) ({14}).
({15})
Wir haben zwei Berichte, einen Bericht des Haushaltsausschusses, dessen Berichterstatter Herr Abgeordneter Windelen ist, und einen Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung, Berichterstatter Herr Abgeordneter Hirsch.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Hirsch als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich grundsätzlich auf den Schriftlichen Bericht beziehen. Ich muß nur darauf hinweisen, daß auf Seite 67 der Drucksache IV/3423 insofern ein Druckfehler enthalten ist, als der dort angeführte § 189 a Abs. 3 mit dem Text: „§ 189 Abs. 3 findet keine Anwendung" gestrichen werden muß.
Im übrigen glaube ich, Herr Präsident, daß es zweckmäßig ist, wenn ich mich, nachdem alle kontroversen Anträge zu der Vorlage zurückgezogen sind und lediglich noch der interfraktionelle Antrag Umdruck 660 *) zur Debatte steht, damit begnüge, ganz kurz auf den Inhalt dieses interfraktionellen Antrags hinzuweisen, ohne auf dessen Einzelheiten einzugehen. Es ist gelungen, einen vernünftigen Kompromiß zwischen den Fraktionen zu erzielen, der in diesem interfraktionellen Antrag niedergelegt ist.
*) Siehe Anlage 2
Hauptpunkt dieses Antrags und Hauptinhalt der Beratungen des Wiedergutmachungsausschusses war das Problem der Entschädigung für die Ostverfolgten, die erst nach 1953 in den freien Westen kommen durften, weil sie von den Kommunisten daran gehindert wurden, ihr Land zu verlassen. Wir haben dazu einen Kompromißvorschlag erarbeitet, der Ihnen in dem interfraktionellen Antrag vorliegt und der besagt, daß ohne Streichung des Stichtags für diese Personen eine Sonderregelung im Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden DM getroffen werden soll, die in etwa deren Ansprüchen Rechnung tragen wird, wie wir hoffen. Damit ist das Hauptproblem der Novelle gelöst. Das Hauptproblem war, daß zirka 180 000 Menschen nach unserem geltenden Gesetz, obgleich sie von den Nazis schwer verfolgt worden sind, keinen Pfennig Entschädigung bekommen konnten. Sie erhalten jetzt eine einigermaßen angemessene Entschädigung. Wir hoffen, daß dieser Fonds dazu beiträgt, auch ihr Los zu erleichtern.
Die übrigen Anträge, die Sie in dem interfraktionellen Antrag noch finden, betreffen Einzelfragen, die sich im wesentlichen auf deutsche Verfolgte beziehen. Durch die interfraktionellen Anträge wird das Problem einer Beihilfe für langjährig Inhaftierte, die in deutschen Haftanstalten gewesen sind - also nicht in ausländischen -, gelöst. Sie sollen eine Abfindung in Höhe von 3000 DM als Eingliederungshilfe erhalten. Gelöst wird auch das Problem des Ausbildungsschadens für deutsche Flüchtlinge aus den Vertreibungsgebieten und aus dem Sudetenland. Gelöst werden ferner noch einige andere, kleinere Probleme. Ich möchte es Ihnen ersparen, daß ich auf alle Einzelheiten eingehe, da kontroverse Meinungen nicht mehr bestehen.
Ich bitte demgemäß unter Bezugnahme auf den Schriftlichen Bericht des Ausschusses, den interfraktionellen Anträgen zuzustimmen und im übrigen den Text, den der Wiedergutmachungsausschuß erarbeitet hat und der Ihnen in der Drucksache IV/3423 vorliegt, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und teile noch mit, daß der Haushaltsausschuß gegen die Vorlage keine Bedenken erhebt.
Zur Klärung der Abstimmungsmodalitäten: mir liegt außer dem Änderungsantrag auf Umdruck 660 kein weiterer Änderungsantrag vor. Ist das richtig oder täusche ich mich?
({0})
- Dann erteile ich Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter Böhme.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantrage ich, in der Überschrift des vorliegenden Änderungsantrages auf Umdruck 660 die in Klammern gesetzte Bezeichnung des Gesetzes „({0})" zu ersetzen durch „({1}) ".
Wird dazu das Wort gewünscht? Sind die Antragsteller des Antrags auf Umdruck 660 damit einverstanden? - Bitte, Herr Abgeordneter Hirsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat keine Einwendungen gegen diesen Antrag. Ich möchte nur, um irgendwelche Illusionen in dieser Hinsicht zu vermeiden, darauf hinweisen, daß natürlich dieser Bundestag irgendeinen nächsten 'Bundestag nicht binden kann. Wenn sich ein späterer Bundestag so entscheidet, kann er natürlich noch weitere Novellierungen dieses Gesetzes vornehmen. Ich persönlich hoffe sehr, daß das weder erforderlich ist noch von irgend jemand angeregt wird. Die Bezeichnung „Schlußgesetz" ist also sozusagen nur eine Fahne, die dem Gesetz voranmarschiert, die aber sehr schnell eingezogen werden könnte, wenn ein anderer Bundestag eine andere Meinung hat. Nur deswegen wollte 'ich das bemerkt haben.
Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Praxis der Juristen auch die Überschrift eines Gesetzes eine rechtliche Bedeutung hat. Deswegen handelt es sich hier nicht nur um eine redaktionelle Änderung, sondern wenn statt „2. ÄndG-BEG" „BEG-Schlußgesetz" steht, hat das eine andere Bedeutung. Dann haben wir etwas anderes beschlossen, als in dem Antrag auf Umdruck 660 vorgeschlagen worden ist. Wir müssen deshalb darüber abstimmen.
({0})
Wer an die Stelle der Bezeichnung „2.ÄndG-BEG" in der Klammer in der Überschrift des Antrags auf Umdruck 660 setzen will „BEG-Schlußgesetz", der geben ,das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Nun eine zweite Frage an Sie, meine Damen und Herren: die Anträge unter den Ziffern 1 bis 9 auf Umdruck 660 beziehen sich alle auf den Inhalt von Art. I. Kann ich über diese Anträge in einem Gang abstimmen lassen, Herr Abgeordneter Hirsch?
({1})
Dann rufe ich den Art. I und dazu die Änderungsanträge auf Umdruck 660 Ziffern 1 bis 9 auf. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
({2})
- Verzeihung! Wieviel Enthaltungen? - Zwei Enthaltungen.
({3})
- Ich habe nur zwei gesehen. Ich bitte doch die Mühe nicht zu scheuen, die Hände ein wenig höher zu recken. - Acht Enthaltungen! Habe ich einen übersehen? - Danke.
Zu 'den Artikeln II, III und IV liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Artikeln zustimmen will, 'der gebe das Handzeichen. - Die Gegenprobe!
Vizepräsident Dr. Schmid
- Enthaltungen? - Bei sieben Enthaltungen angenommen.
Zu Art. V Nr. 1 liegen Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 660 Ziffern 10 bis 14. Kann ich darüber in einem Gang abstimmen lassen? - Das Haus ist einverstanden. Wer den Änderungsanträgen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei sieben Enthaltungen angenommen.
Wir stimmen nunmehr über Art. V in der neuen Fassung ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit demselben Abstimmungsergebnis angenommen.
Zu Art. VI liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 660 Ziffer 15 vor. Wer ihm zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit denselben Enthaltungen wie vorhin angenommen.
({4})
- Wenn Sie . etwas zur Abstimmung zu sagen haben, bitte melden Sie sich zum Wort; die Tribüne steht Ihnen zur Verfügung.
Wer Art. VI in der soeben geänderten Fassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit denselben Enthaltungen angenommen.
Zu den Art. VII bis X liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Artikeln in der Ausschußfassung zustimmen will, der gebe das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei acht Enthaltungen angenommen.
Zu Art. XI liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Sie finden sie auf Umdruck 660 Ziffer 16 Buchst. a) bis k). Ich nehme an, daß ich darüber In einem Gang abstimmen lassen kann. Wer den Änderungen zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei denselben Enthaltungen angenommen.
Wir stimmen ab über Art. XI in der soeben geänderten Fassung. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei denselben Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich muß mich entschuldigen. Ich habe den Eindruck, daß ich über Art. I in der geänderten Fassung nicht habe abstimmen lassen, sondern nur über die Änderungsanträge. Wer Art. I in der durch die Annahme der Änderungsanträge hergestellten Fassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Einleitung und Überschrift! Wer der Einleitung und der geänderten Überschrift zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird seitens der Fraktionen das Wort gewünscht oder werden Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall.
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- Wünschen Sie vor der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers das Wort? - Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel vom 10. September 1952 wurde vor fast 13 Jahren das große Werk der Wiedergutmachung begonnen, mit dem wenigstens teilweise die materiellen Schäden ausgeglichen werden sollen, die ein schreckliches System Millionen von Menschen zugefügt hatte. Heute stehen wir am Ende des gesetzgeberischen Werkes der Wiedergutmachung. Erlauben Sie mir deshalb eine kurze Rückschau auf das, was das ganze Volk in der Bundesrepublik während dieser Jahre geleistet hat.
Der Kern dieses Abkommens war die Zahlung einer Eingliederungshilfe in Höhe von rund 3 Milliarden DM. Wir sind davon ausgegangen, daß es diesem jungen Staate Israel nicht zugemutet werden konnte, allein die Last eines Prozesses der Eingliederung von Hunderttausenden jüdischer Menschen zu tragen, die im Zuge der NS-Gewaltherrschaft und des zweiten Weltkrieges in Israel eine Zufluchtstätte und neue Heimat gefunden hatten.
Das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen ist inzwischen in vollem Umfange abgewickelt worden. Es hat in der westlichen Welt volle Zustimmung und Anerkennung gefunden. In den arabischen Staaten, mit denen uns immer freundschaftliche Beziehungen verbunden haben, ist der Vertrag leider nicht immer richtig gesehen worden, ebenso wie die kürzlich erfolgte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel.
Ich möchte deshalb auch heute noch einmal in aller Deutlichkeit erklären: Weder das Wiedergutmachungsabkommen 1952 mit Israel noch die Aufnahme normaler diplomatischer Beziehungen mit Israel richten sich in irgendeiner Weise gegen irgendeinen anderen Staat. Beide Maßnahmen dienen allein der Normalisierung der Beziehungen zwischen zwei Völkern, die durch die Hölle der Jahre 1933 bis 1945 haben gehen müssen.
Das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel war gekoppelt mit einem Härtefonds von 450 Mililonen DM für jüdische Verfolgte außerhalb Israels und sah die gesetzliche Regelung des Entschädigungsund Rückerstattungsrechtes vor. Auch diese Verpflichtungen hat das deutsche Volk inzwischen loyal erfüllt.
1953 wurde das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung erlassen, das 1956 grundlegend novelliert worden ist. Dieses Gesetz bildet das Herzstück der Wiedergutmachung und ist auch historisch einBundesminister Dr. Dahlgrün
malig, weil nicht nur die Verluste der eigenen deutschen Staatsangehörigen, ,sondern in erheblichem Umfange auch Schäden fremder Staatsangehöriger entschädigt worden sind. Über drei Millionen Einzelansprüche wurden nach diesem Gesetz von Menschen aus aller Welt angemeldet. Die jüdischen Verfolgten stehen im Vordergrund, weil sie die nationalsozialistische Gewaltpolitik am schwersten betroffen hat. Aber auch zahllose andere Personengruppen wurden in gleicher Weise von Staatsunrecht und Kriegsverbrechen berührt.
Nachdem 1952 noch angenommen wurde, das Entschädigungsgesetz mit etwas zwei bis drei Milliarden DM durchführen zu können, wurden alle Schätzungen von der grausamen Wirklichkeit weit überholt. Alle angeblichen Zweckschätzungen wurden leider bestätigt, ja vielfach durch die Wirklichkeit überholt. Bis heute haben Bund und Länder, die die Entschädigungsaufwendungen anteilig je etwa zur Hälfte tragen, schon über 18 Milliarden DM für das Bundesentschädigungsgesetz ausgegeben. Noch vor kurzem haben wir angenommen, daß das Gesetz einen weiteren Aufwand von etwa 8 Milliarden DM erfordern würde, so daß ohne die jetzt dem Hohen Hause vorliegende Schlußnovelle ein Gesamtaufwand von 26 Milliarden DM entstünde. Neueste Schätzungen der Länder haben ergeben, daß auch diese Schätzzahl zu niedrig war und daß - ohne Novelle - mit etwa 28 Milliarden DM gerechnet werden muß.
Auf dem Gebiet der Rückerstattung und der Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst sind weitere umfangreiche gesetzliche Regelungen getroffen und erhebliche Leistungen bewirkt worden. Auf Grund der alliierten Rückstattungsgesetze und Rückerstattungsverordnungen wurden in Natur an die Geschädigten Milliardenwerte selbstverständlich zurückgegeben. Das Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 sah aber auch Ersatzleistungen für entzogene Vermögensgegenstände in Höhe von 1,5 Milliarden DM vor. Am 24. Juni 1964, also vor knapp einem Jahr, hat das Hohe Haus ein Schlußgesetz zu diesem Gesetz beschlossen, das eine ganze Reihe von Erweiterungen und Verbesserungen beinhaltete. Mit den Mehraufwendungen dieses Gesetzes, die allein den Bund treffen, sind auf diesem Teilgebiet der Wiedergutmachung Gesamtaufwendungen von etwas mehr als 4 Milliarden DM erforderlich. Gezahlt sind davon rund 2,4 Milliarden DM.
Zu dem Gesetz von 1951 über die Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst mit seinen zahlreichen Änderungsgesetzen - ein Schlußgesetz steht bevor - fehlen genaue statistische Angaben. Nach unseren Schätzungen sind bereits über 2 Milliarden DM gezahlt worden.
Auch auf dem zwischenstaatlichen Sektor ist die Wiedergutmachung in den letzten Jahren vorangetrieben worden. Die Bundesregierung hat mit 12 west- und südeuropäischen Staaten globale Wiedergutmachungsverträge für etwa 200 000 Geschädigte mit Zahlungen in Höhe von rund 1 Milliarde DM geschlossen.
Nur die wichtigsten Gebiete der Wiedergutmachung sind genannt. Das deutsche Volk in der Bundesrepublik hat für Zwecke der Wiedergutmachung bisher rund 28 Milliarden DM aufgebracht. Ohne die heute zu erörternde Novelle müssen noch rund 12,5 Milliarden DM geleistet werden.
Diese Zahlen zeigen in eindeutiger Weise, welche außerordentliche Priorität die Wiedergutmachung gehabt hat. Dies wird in der ganzen Welt anerkannt. Es ist ungerecht und unangebracht, die bisher an die Verfolgten gezahlte Wiedergutmachung als „klägliche Konkursquote" zu bezeichnen. Wenn man will, kann man alles schlecht machen. Auch die Bundesregierung weiß, daß die tatsächlich angerichteten Verfolgungsschäden viel höher sind als die geleistete und noch zu leistende Entschädigung. Das Erbe Hitlers war eine Katastrophe nie gekannten Ausmaßes: Das deutsche Staatswesen und seine Wirtschaft waren total zusammengebrochen. Die deutschen Lande waren auseinandergerissen. Not, Elend, Schäden - wohin man nur sah! Die Schuldenlast des Deutschen Reiches ging in astronomische Zahlen. Nur wer - absichtlich oder unabsichtlich - diese historischen Gegebenheiten außer acht läßt, kann eine Leistung von über 40 Milliarden DM als „klägliche Konkursquote" bezeichnen. Vor der heute verantwortlichen Regierung türmen sich außerdem aber auch die Verluste der Vertriebenen, der Kriegsopfer, der Bombenopfer und der Währungsgeschädigten auf. Diese 20 bis 30 Millionen durch das gleiche Unheil geschädigten Menschen werden bis zum Ablauf des Lastenausgleichs rund 100 Milliarden DM erhalten. Die Wiedergutmachtungsberechtigten - etwa 2 bis 2 1/2 Millionen Menschen - erhalten in kürzerer Zeit fast die Hälfte . dieser Summe.
Ich ziehe diesen Vergleich nicht, um die Wiedergutmachung in ein helles Licht zu stellen, sondern allein als Beweis dafür, daß der Wiedergutmachung im Rahmen der NS- und Kriegsfolgenliquidation ein absoluter Vorrang eingeräumt worden ist.
Nach den neuesten mir vorliegenden Zahlen hat die Liquidation der Kriegs- und NS-Folgen von 1948 bis 1965 bisher alles in allem rund 350 Milliarden DM gekostet. Das war doch nur deshalb möglich, weil andere dringende Staatsaufgaben bewußt zurückgestellt wurden. Nun vergeht kein Tag, an dem wir nicht hören müssen, wie sehr wir mit der Beseitigung unserer Kriegsschäden, mit der angemessenen Versorgung der Kriegsopfer und mit wichtigen Gemeinschaftsaufgaben wie Straßenbau, Gesundheitspflege und Förderung der Wissenschaften im Rückstand sind. Mögen die Kritiker aber auch einmal daran denken, daß wir erst einmal verpflichtet waren, das deutsche Ansehen in der Welt nach Kräften wiederherzustellen. Nur dann konnten wir damit rechnen, daß uns in unserer Not Beistand geleistet werden würde, wie es geschehen ist. Nur dann konnten wir damit rechnen, aus unserer Vereinsamung herauszukommen und wieder Freunde in der Welt zu finden, ohne die wir verloren sind.
Was wir für Zwecke der NS-Liquidation und der Gemeinschaftsaufgaben ausgeben können, hat aber Grenzen. Auch hier gilt der primitive Satz - ich
habe ihn heute morgen von dieser Stelle schon in einem anderen Zusammenhang ausgesprochen -, daß man die Mark nur einmal ausgeben kann. Angesichts der zum Teil ernsten Situation, in der sich die Pflege der Gemeinschaftsaufgaben befindet, muß uns allen klar sein, daß wir die Ausgaben für die NS- und Kriegsfolgenliquidation, die sich ohnehin noch auf weit über 100 Milliarden DM belaufen werden, nicht noch mehr steigern können, daß diese Ausgaben auslaufen und diese Gelder für Aufgaben freiwerden müssen, die wir nicht versäumen dürfen, wenn wir die Zukunft gewinnen wollen.
Das gilt auch - mit aller Deutlichkeit sei es gesagt - für die Wiedergutmachung. Niemand sollte vergessen, daß auch die Wiedergutmachungsberechtigten wegen der Sicherstellung ihrer berechtigten Forderungen das allergrößte Interesse daran haben müssen, daß wir fähig bleiben, solche Leistungen zu erarbeiten.
Bei der Ihnen vorliegenden Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz handelt es sich um die Schlußnovelle auf diesem Gebiet. Die Absicht der abschließenden Regelung lag zwar auch schon den Beschlüssen des Hohen Hauses bei der Novelle von 1956 zugrunde, durch die das Bundesentschädigungsgesetz namhaft erweitert und verbessert wurde. Bei Durchführung des Gesetzes haben sich dann aber doch Unzulänglichkeiten und Härten herausgestellt. Die Regierung entschloß sich, nochmals eine Reihe begrenzter Verbesserungen vorzunehmen, durch die solche Härten beseitigt oder wenigstens gemildert werden. Der Wiedergutmachungsausschuß hat den Regierungsentwurf noch in mancher Hinsicht erweitert, so daß nach unseren Schätzungen das finanzielle Volumen der Novelle auf etwa 4,5 Milliarden DM gekommen ist. Die Bundesregierung wird diesen Verbesserungen zustimmen, weil sie der Meinung ist, daß das neue Gesetz eine würdige Abschlußregelung sein soll.
Ohne weitere Einzelheiten möchte ich nur das Sonderproblem der sogenannten „Post-Fifty-Three"Fälle hervorheben, an dem sich ein besonderes heftiger Meinungsstreit entzündet hat. Es handelt sich um Personen, die bekanntlich nach 1953 aus den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang ausgewandert sind, insgesamt etwa 150 000 bis 160 000 Menschen, von denen etwa zwei Drittel jetzt in Israel leben. Diese Personen sind nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht anspruchsberechtigt. Auch ist die Bundesrepublik auf Grund der Verträge mit den westlichen Alliierten, dem Staate Israel und der Claims Conference zu ihrer Einbeziehung nicht verpflichtet. Aus dem Blickfeld der deutschen Wiedergutmachung ist es nun einmal ein großer Unterschied, ob ein Verfolgter unmittelbar durch deutsches Staatsunrecht im Inland betroffen wurde oder ob es sich um Menschen handelt, die im Zuge der Kriegsereignisse nach der deutschen Besetzung fremder Länder in den unheilvollen Strudel der Verfolgung hineingerissen wurden. Bei diesen Fällen handelt es sich rechtlich, nicht nur nach unserer Meinung, um ein Reparationsproblem. Die Berücksichtigung dieses Personenkreises im innerdeutschen Entschädigungsrecht stellt deshalb eine freiwillige
und zusätzliche Wiedergutmachungsleistung der Bundesrepublik dar, für die moralische und humanitäre Erwägungen maßgebend sind. Dabei kann es sich nur um eine nach Art und Umfang beschränkte Entschädigungsregelung handeln, nicht um eine volle individuelle Einbeziehung dieses Personenkreises in das Gesetz.
Die gleichen humanitären Erwägungen liegen auch den Globalverträgen zugrunde, die in den letzten Jahren mit zwölf europäischen Staaten abgeschlossen worden sind. Auch für den Personenkreis der „Post-Fifty-Three" kann deshalb nicht eine rechtliche Einbeziehung in die individuelle Entschädigung vorgeschlagen werden. Es blieb der Bundesregierung keine andere Wahl als die Bildung eines Sonderfonds zur Milderung sonst auftretender Härten. Einer individuellen Regelung standen also schwerwiegende rechtliche, verwaltungsmäßige und finanzielle Gründe entgegen.
Wenn der Fonds heute auf den erheblichen Betrag von 1,2 Milliarden DM festgelegt wird, stellt die Bundesregierung in der Erwartung auf eine einhellige Billigung des Schlußgesetzes durch das Hohe Haus und in der Erwartung der Zustimmung der Verfolgten in ihren wichtigsten Organisationen grundsätzliche Bedenken wegen der Höhe zurück, um einen würdigen Abschluß zu ermöglichen. Sie ist der Auffassung, daß die Ausstattung des Fonds in dieser Höhe durchaus befriedigende Lösungen ermöglicht.
Die gesamte Novelle wird also ein geschätztes finanzielles Volumen von annähernd 4,5 Milliarden DM haben, so daß das Bundesentschädigungsgesetz bis Ende 1974 rund 33,3 Milliarden DM kosten wird. Die Gesamtkosten der Wiedergutmachung einschließlich der Schlußnovelle sind mit annähernd 44 Milliarden DM anzusetzen. Damit beweisen wir erneut, daß die Wiedergutmachung für uns alle eine echte politische und menschliche Verpflichtung ist und daß wir bereit sind, wirkliche Opfer zu tragen. Ich bin der Letzte, der aus der Wiedergutmachung ein „Rechenexempel" machen will. Andererseits erkläre ich aber hier ganz offen, daß nunmehr wirklich die äußerste Grenze erreicht ist.
Wir werden in den nächsten vier bis fünf Jahren beachtliche Summen für die Wiedergutmachung bereitstellen müssen, um die Schlußnovellen zum Bundesrückerstattungsgesetz und zum Bundesentschädigungsgesetz zu finanzieren. Weitere Verpflichtungen und Belastungen kann niemand auf sich nehmen, ohne dringende sonstige außen- und innenpolitische Vorhaben zu gefährden.
Meine Damen und Herren, zum Schluß ein Wort des Dankes - des Dankes zunächst an die Mitarbeiter an diesem Gesetzgebungswerk, insbesondere an den Vorsitzenden des Wiedergutmachungsausschusses, Herrn Kollegen Hirsch. Ich weiß zu würdigen, welche Arbeit, welche Geduld und nicht zuletzt welche großen fachlichen Fähigkeiten notwendig waren, um dieses Schlußgesetz zu schaffen. Auch den übrigen Mitgliedern des Ausschusses gilt mein Dank für das Gelingen, wobei ich vor allem die Kollegen Prof. Dr. Böhm, Böhme, Hamacher, SpitzBundesminister Dr. Dahlgrün
müller und Ziegler nennen möchte, ohne daß die anderen dadurch vergessen werden sollen. Der besondere Dank der Bundesregierung gilt auch den Vertretern der Länder, die dank ihres Fachwissens und ihrer Erfahrungen aus der Praxis bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs und bei den Beratungen im Wiedergutmachungsausschuß hervorragende Arbeit geleistet haben. Außerdem möchte ich in dieser Stunde auch all den Tausenden unbekannten Mitarbeitern in den Entschädigungsbehörden danken, die meist im verborgenen eine sehr schwere Arbeit verrichten, die ihnen nur selten Anerkennung, dafür um so öfter bittere Vorwürfe und Klagen einbringt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinen Ausführungen, bei denen das finanzielle Gewicht der Entscheidungen naturgemäß einen breiten Raum einnehmen mußte, weil wir uns dem Parlament gegenüber zu absoluter Offenheit über die Tragweite der zu fassenden Entschlüsse verpflichtet fühlen, möchte ich noch ein letzten Wort anfügen. Zwanzig Jahre sind seit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus vergangen. Das deutsche Volk hat in einem bewundernswerten Aufstieg aus Not und tiefstem Elend, aus Haß und Verachtung heute wieder einen geachteten Platz in der Völkerfamilie. Vergessen wir niemals, daß dafür das Erkennen unserer Schuld und die Bereitschaft, diese nach Menschenkräften wiedergutzumachen, entscheidend waren. Es sind falsche Propheten und Verführer schlimmster Sorte, die dem Volke einreden wollen, die Anerkennung einer vorhandenen Schuld und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung sei würdelos, schädige das deutsche Ansehen und gehe gegen die Ehre. Nur wer sich frei und offen zu dem bekennt, was war, handelt würdig und stolz und gewinnt Ehre, mag geschehen sein, was will. Außerdem sollten wir über Mark und Pfennig, so wichtig sie selbstverständlich sind, niemals vergessen, daß wir heute hier nur den finanziellen Schlußpunkt setzen. Die notwendige Wiedergutmachung der Herzen ist längst nicht beendet.
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Zur Abstimmung wollen die Fraktionen Erklärungen abgeben; außerdem wollen einige einzelne Abgeordnete Erklärungen zur Abstimmung abgeben.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Böhme für die CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute, wenige Wochen vor Ablauf der 4. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, über die Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz beschließen, so können wir feststellen, daß wir nunmehr, rund zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Staates, auch auf diesem Sachgebiet einen würdigen Abschluß gefunden haben. Das nunmehr vorliegende Schlußgesetz zum Bundesentschädigungsgesetz hält weitgehend an .der bisherigen Grundstruktur des Gesetzes, insbesondere an dem Kreis der Anspruchsberechtigten und an den Schadenstatbeständen, fest. Eine ganze
Anzahl von Härten wurde aber beseitigt und die Einführung zahlreicher für notwendig gehaltener sachlicher Verbesserungen vorgenommen.
Wie Ihnen bekannt ist, hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer bereits in seiner Regierungserklärung vom Herbst 1961 darauf hingewiesen, daß eine Schlußgesetzgdbung auf dem Gebiete der Wiedergutmachung in Aussicht genommen sei, die im wesentlichen technischen Charakter tragen und besonders die graben Unbilligkeiten beseitigen sollte. Der Umfang der Mehrleistungen ist damals auf rund 1 Milliarde geschätzt worden. Als dann die Novelle vorgelegt wurde, ging die Regierungsvorlage bereits von Aufwendungen von rund 3 Milliarden DM aus. Über diese Vorlage ist der federführende Ausschuß noch weiter hinausgegangen, und durch den interfraktionellen Änderungsantrag von heute morgen haben wir uns, glaube ich, bemüht, auch die letzten Dinge hier klarzuziehen.
Bevor ich jedoch auf das Gesetz im einzelnen eingehe, .gestatten Sie mir angesichts der Bedeutung der uns vorliegenden Materie, ganz kurz noch einen Rückblick auf die letzten Jahrzehnte zu werfen und einen Überiblick über die Situation zu geben. Als das „Tausendjährige Reich" nach zwölf Jahren im. Jahre 1945 in einer politischen, militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe ohnegleichen zusammenbrach, wie sie in der Geschichte der Neuzeit unbekannt war, war die erste und wichtigste Aufgabe, die Gleichheit aller vor dem Gesetz wiederherzustellen. Das war der erste Schritt zu einem Rechtsstaat. Doch von einer deutschen rechtsstaatlichen Ordnung war man 1945 noch weit entfernt. Aber allen Einsichtigen war damals klar, daß nach Beseitigung der vom NS-Regime hinterlassenen Trümmer ein neuer Staat als freiheitlicher Rechtsstaat nur dann errichtet werden konnte, wenn vor Schaffung neuen Rechts das getretene und zerschundene Rechtsbewußtsein der Bürger wiederhergestellt würde. Es mußte deshalb zunächst mit der Beseitigung des früher geschehenen Unrechts begonnen werden. Dafür wurde dem deutschen Sprachschatz das neu geprägte Wort „Wiedergutmachung" beigefügt, das dann in die Gesetzessprache eingegangen ist.
Der Begriff der Wiedergutmachung ist als unausweichliche Konsequenz des neuen Rechtsstaates nicht erst im Nachkriegsdeutschland entstanden; er ist auch keine Schöpfung neuzeitlichen Rechtsdenkens. Eine Wiedergutmachung hat es zu allen Zeiten und unter allen Rechtssystemen gegeben. Sie ist nichts anderes als die Anwendung allgemeiner Rechtsnormen auf einen durch Unrechtsmaßnahmen verletzten Rechtszustand. Eine solche Wiedergutmachung finden wir daher in allen Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte. Im Verhältnis der Einzelpersonen zueinander kann keine moderne Rechtsordnung ohne den Grundsatz der Wiedergutmachung angerichteten Schadens auskommen.
Der Begriff der Wiedergutmachung im heutigen Sinne ist außer im Grundgesetz in keiner der bisherigen deutschen Verfassungen enthalten. Man war sich, als man diese Verfassungen damals verabschiedete, wohl darüber im klaren, daß einzelne Ver9472
Böhme ({0})
fassungsbestimmungen in der Praxis durch weite oder enge Auslegung in einem gewissen Rahmen veränderlich seien. Niemand rechnete jedoch damit, die Verfassung könne irgendwann mit Vorbedacht und systematisch, wie es im Dritten Reich geschehen ist, ,gebrochen werden.
Im deutschen Recht finden wir den Grundsatz der Entschädigung in den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts über die Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen entstanden sind, oder in den Bestimmungen über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen, und in denen über die Staatshaftung für fehlerhafte Handlungen der Beamten. Auch in Einzelgesetzen sind die gleichen Grundsätze verwirklicht.
Obwohl es nicht zweifelhaft war, daß schon nach diesen Gesetzen den von Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen Rechtsansprüche zustehen, konnte der einzelne nicht auf diese Vorschriften verwiesen werden. In der Mehrzahl aller Fälle wäre die Durchsetzung des Anspruchs entweder an der Unkenntnis über die Person des Schädigers, seiner Unauffindbarkeit, der Vernichtung von Urkunden, der Verschollenheit von Zeugen und der Unmöglichkeit gescheitert, die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Auch in den Fällen, in denen der NS-Staat unmittelbar eingegriffen hat und für die Handlungen verantwortlich zu machen ist, wäre es nicht möglich gewesen, die Ansprüche zu verwirklichen, da ein Rechtsnachfolger des früheren Deutschen Reiches und der nationalsozialistischen Organisationen nicht bestand. Erst nach Erlaß des Grundgesetzes vom Mai 1949 ergab sich hinsichtlich der Frage; wer die Haftung für die an das Deutsche Reich, das Land Preußen, die NSDAP und ihre Gliederungen und Verbände gestellten Ansprüche zu übernehmen hatte, aus Art. 134 Abs. 4 und Art. 135 Abs. 5 des Grundgesetzes die Verpflichtung des Bundes, diese Rechtsverhältnisse zu regeln. Dabei machten jedoch die Schwierigkeiten der Betroffenen, Beweise für ihre Ansprüche zu erbringen, sowie die finanziellen Möglichkeiten des Bundes und der Länder den Erlaß von Sondergesetzen sowie die Errichtung von Behörden zu ihrer Durchführung notwendig.
Außer den für eine Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in Betracht kommenden Personen und Gruppen hatten auch andere, zahlenmäßig weit größere Bevölkerungsgruppen durch den Krieg und den Zusammenbruchschwere Schäden erlitten. Es oblag dem Bund, die hieraus geltend gemachten Ansprüche nach den Bestimmungen des Grundgesetzes zu regeln. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß zwischen der Abgeltung der durch Krieg und Zusammenbruch entstandenen Schäden und der Erfüllung von Ansprüchen der durch die NS-Maßnahmen Betroffenen ein wesentlicher Unterschied besteht. Die durch den Krieg und den Zusammenbruch entstandenen Schäden sind die Folgen der von uns allen zu tragenden Niederlage. Die Schäden der durch die nationalsozialistischen Maßnahmen Betroffenen beruhen dagegen auf Unrecht, das der NS-Staat seinen eigenen Staatsangehörigen zugefügt hat.
Die deutsche Wiedergutmachung beruht .auf der Erwägung, daß es die moralische Pflicht der Bundesrepublik Deutschland ist, tim Rahmen ides finanziell Möglichen die Schäden auszugleichen, die den Verfolgten .durch das nationalsozialistische Gewaltregime aus Gründen der Rasse, des Glaubens, der Weltanschauung oder der politischen Gegnerschaft zugefügt worden sind.
Die Bundesrepublik Deutschland nimmt für sich in Anspruch, Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Reichs zu sein. Aus dieser völkerrechtlichen Identität von Bundesrepublik und Deutschem Reich kann aber nicht geschlossen werden, daß die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin auch rechtlich für alle vom Reich verursachten Schäden haftet. Dies haben Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Es war daher Aufgabe des Gesetzgebers der Bundesrepublik, auf den einzelnen Rechtsgebieten jeweils über die Gewährung von Leistungen zu Lasten des Staates zu entscheiden.
Wir sind uns auch klar darüber - das hat der Herr Bundesfinanzminister soeben bereits .eindringlich betont -, daß die Ansprüche der Verfolgten der NS-Gewaltherrschaft - das kann doch zumindest im Endergebnis nicht mehr ernstlich in Frage gestellt werden - unter der Gesamtschau der Regelung eines Staatsbankrotts einmaligen Ausmaßes gesehen werden müssen, den der Zusammenbruch des Reiches der neuerstandenen Bundesrepublik als bitteres Erbe hinterlassen hat. Wie groß das Ausmaß des Verbrechens war und 'ist, kann wohl nur derjenige ermessen, der täglich im Ausschuß mit diesen Dingen konfrontiert wird.
Daß Art. 134 Abs. 4 des Grundgesetzes dem Bundesgesetzgeber zur Abwicklung dieses Bankrotts weitgespannte Regelungsbefugnisse eingeräumt hat, ja, einräumen mußte, hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen eindrucksvoll herausgestellt. Bundesregierung und CDU/CSU haben sich immer wieder nachdrücklich dazu bekannt, daß den durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verursachten Schäden in der Rangordnung der gesamten Schadenstatbestände schon aus der besonderen Natur dieser Schäden heraus eine besondere Stellung gebührt. Das ändert aber nichts daran, daß die Größe gerade auch dieser Schäden zwangsläufige, wenn auch für die Betroffenen vielfach schmerzliche Grenzen setzen muß.
Auf die vertraglichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung brauche ich in diesem Zusammenhang nicht einzugehen. Der Bundesfinanzminister hat bereits darauf hingewiesen. Ich muß aber darauf hinweisen, daß wir nur in der Lage waren, eine nach Art und Umfang beschränkte Wiedergutmachung vorzunehmen, weil eine volle Wiedergutmachung all der angerichteten Schäden die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik um ein Vielfaches übersteigen würde. Daß es trotzdem möglich war, auch für die Wiedergutmachung ständig höhere Leistungen zu erbringen, als ursprünglich in Ansatz gebracht war, zeugt meines Erachtens mit für den guten Willen aller Beteiligten in der Bundesrepublik,
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auf dem Gebiet der Liquidation der Schäden des NS-Regimes keine engherzigen und fiskalischen Erwägungen gelten zu lassen.
Wir betrachten, wie auch Bundeskanzler Professor Erhard in seiner Regierungserklärung betonte, die Wiedergutmachung als eine bindende Verpflichtung. Ich glaube im übrigen, wir haben in den letzten Jahrzehnten auch danach gehandelt. Wir waren uns von vornherein darüber im klaren, daß die Wiedergutmachung im Grunde eine Rechtspflicht war, die zwar aus den verschiedensten Gründen erst formell durch Gesetze noch besonders geregelt werden mußte, aber nicht erst durch diese Gesetze geschaffen worden ist. Was wir damit meinen, hat der damalige Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im September 1951 in seiner Erklärung vor diesem Hohen Hause umrissen.
Gestatten Sie mir, ganz kurz auf wesentliche Verbesserungen einzugehen, die die Ihnen vorliegende Schlußnovelle bringt. Wie ich bereits betonte, hält die Novelle an der bisherigen Grundstruktur des Gesetzes fest. Wir waren uns zwar im Ausschuß darüber im klaren, daß es an sich wünschenswert gewesen wäre, das gesamte Entschädigungsrecht für die Opfer der NS-Verfolgung neu zu gestalten. Aber nunmehr, rund 20 Jahre nach Kriegsende, ist es dafür zu spät. Durch diese Novelle ist die Beseitigung konkreter Härten und die Einführung zahlreicher weitgehender Verbesserungen und insbesondere zahlreicher sachlicher Verbesserungen erfolgt. Ich brauche nicht auf all die Dinge einzugehen, die hier im einzelnen vorgesehen sind.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß nunmehr durch einen besonderen Artikel des Änderungsgesetzes auch die Möglichkeit gegeben ist, bisher rechtskräftig entschiedene Fälle an. die neue Rechtsprechung oder die neue Verwaltungspraxis anzugleichen. Das gilt in erster Linie für die Fälle, in denen nach bisheriger medizinischer Auffassung ein Rentenanspruch wegen Gesundheitsschadens abgelehnt worden ist, während die heutige medizinische Begutachtung zu einer positiven Entscheidung führen würde. Das gleiche gilt auch für die Frage der deutschen Veranlassung bei Lebens- und Gesundheitsschäden, die während einer Freiheitsentziehung durch einen ausländischen Staat verursacht wurden.
Ich möchte weiterhin den Sonderfonds erwähnen, der für die Verfolgten geschaffen wurde, die keinen Anspruch nach dem BEG haben, weil sie die Wohnsitz- und Stichtagsvoraussetzungen nicht erfüllen und auch nicht zu einem Personenkreis gehören, zu dessen Gunsten globale Wiedergutmachungsabkommen abgeschlossen sind, die Gruppe der sogenannten Post-Fifty-Three. Der vorgeschlagene Fondsbetrag wurde nunmehr durch die interfraktionelle Vereinbarung auf 1,2 Milliarden DM erhöht. Unter diese Fondsregelung fallen besonderes diejenigen jüdischen Emigranten aus Polen, Ungarn und Rumänien, die diese Staaten erst nach dem 1. Oktober 1953 verlassen haben. Aus diesem Fonds werden in Form von Grundbeträgen und Steigerungsbeträgen Beihilfen an die Witwen getöteter Verfolgter sowie an solche Verfolgte gezahlt, denen die Freiheit auf die Dauer von mindestens sechs Monaten entzogen worden ist oder die in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 80 v. H. gemindert sind. Durch diesen interfraktionellen Änderungsantrag sind nun auch noch die Verfolgten, immerhin eine große Gruppe von rund 90 000 Betroffenen, die auf die Dauer von sechs Monaten den Judenstern getragen haben oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt haben, wenigstens bescheiden mit in die Entschädigungsregelung einbezogen worden. Wir waren uns im klaren darüber, daß aus finanziellen wie aber auch verwaltungstechnischen Gründen nicht von der vorgeschlagenen Fondsregelung abgewichen werden kann. Insbesondere haben wir es im Ausschuß für zweckmäßig gehalten, auch gleich die konkrete Fondsregelung mit in das Gesetz einzubauen und diese nicht einer künftigen Rechtsverordnung der Regierung vorzubehalten.
Es war jedoch nicht möglich, den oben angeführten Personenkreis in vollem Umfang, wie es in der letzten Zeit doch verstärkt gefordert wurde, in diese Entschädigungsregelung des Gesetzes einzubeziehen. Der Hinweis, daß auch im Rehmen des Lastenausgleichs die bisherige Stichtagsregelung durch die Verschiebung des Stichtages auf den 31. Dezember 1961 geändert worden sei, geht fehl. Durch das 16. Änderungsgesetz zum LAG vom 23. Mai 1963 wurde nur für einen ganz konkreten Tatbestand eine Stichtagsänderung vorgenommen. Es wurden nämlich diejenigen Personen einem anerkannten Sowjetzonenflüchtling gleichgestellt, die aus der Sowjetisch besetzten Zone oder aus dem Ostsektor von Berlin im Wege der Notaufnahme oder eines vergleichbaren Verfahrens zugezogen sind und am 31. Dezember 1961 ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder Westberlin gehabt haben. Diese Regelung haben wir in. vollem Umfange auch für die aus der sowjetisch besetzten Zone oder aus dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin zugezogenen Verfolgten übernommen. Ich darf insoweit auf die Neufassung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f des Änderungsgesetzes verweisen. Bei dem Stichtag des 1. Oktober 1953 in § 160 BEG handelt es sich jedoch demgegenüber um eine ganz andere Regelung. Er hat weder etwas mit der Teilung Deutschlands und demnach mit der Übersiedlung von deutschen Verfolgten aus dem östlichen Teil unseres Vaterlandes in die Bundesrepublik zu tun, noch ist er überhaupt ein Wohnsitz- oder ein Anwesenheitsstichtag, sondern er ist vielmehr ein Status-Stichtag. Ebensowenig wie man aus der Stichtagsneuregelung des 16. Änderungsgesetzes zum LAG den Schluß ziehen kann, daß nunmehr auch alle anderen Stichtage im Rahmen der gesamten Kriegsfolgenschlußgesetzgebung geändert werden müßten, kann man aus einer Erweiterung der Stichtagsregelung zugunsten deis Personenkreises der aus der sowjetisch besetzten Zone zugewanderten Verfolgten die Notwendigkeit herleiten, nunmehr auch alle Verfolgten aus den kommunistisch regierten Ländern des Ostblocks in die Entschädigungsgesetzgebung einzubeziehen, wenn sie ihren Heimatstaat erst nach Inkrafttreten des BEG verlassen haben. Dies gilt um so mehr, als dieser Stichtag einen der wesentlichen Grundsätze der Wieder9474
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gutmachungsvereinbarungen aus dem Jahre 1952 beinhaltet. Als man seinerzeit die Verpflichtung in § 160 übernahm, war man der Auffassung, daß es sich nur um einen ganz kleinen Kreis handelte. An Stelle der ursprünglich angenommenen 100 biss 200 Milionen DM sind bisher allein an diesen Verfolgtenkreis rund 6 Milliarden DM gezahlt worden.
Um der Novelle zum BEG den Charakter eines echten Schlußgesetzes zu geben, ist in einem besonderen Artikel des Änderungsgesetzes bestimmt, daß ab 1. Januar 1970 keine entschädigungsrechtlichen Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Das gilt jedoch nicht für Heilverfahren und für Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen.
Auf die eindrucksvollen Leistungen und insbesondere das Zahlenmaterial hat der Herr Bundesfinanzminister heute bereits hingewiesen. Ich glaube, mit der Gesamtsumme von rund 45 Milliarden DM können wir uns durchaus sehen lassen. Es sind doch recht beachtliche Zahlen. Im übrigen glaube ich sagen zu dürfen, daß diese hohen Wiedergutmachungsleistungen, die wir in der Vergangenheit erbracht haben und in der Zukunft noch erbringen werden, nur möglich waren, weil eine gute Außen- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auch hier die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen hat.
Wir haben jedoch seit Jahren immer wieder feststellen müssen, daß man versucht, diese Leistungen der Bundesrepublik herabzusetzen und zu verkleinern. Trotz unseres redlichen Bemühens, unter sorgfältiger Beachtung der anderen Aufgaben und Verbindlichkeiten des Staates der Wiedergutmachung die Priorität einzuräumen und bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit zu gehen - wir haben dies heute wieder bewiesen -, werden wir wahrscheinlich nicht alle an uns gerichteten Wünsche erfüllen können. Wir werden daher auch heute wieder darauf hinweisen müssen, daß nur die Bundesrepublik Deutschland als einzige politische Gewalt auf dem Gebiet des früheren Reichs die Übernahme der Haftung für die Schuld übernommen hat, die millionenfach angehäuft ist.
Die Welt hat sich so sehr daran gewöhnt, daß diese Bundesrepublik überall bemüht ist, die Schäden des Unrechts auszugleichen, daß man darüber hinwegsieht, daß der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands, der sich überall mit Lautstärke als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches ausgibt, sich überhaupt nicht an der Erfüllung dieser Verpflichtung der Vergangenheit beteiligt. Man hat zwar erst in diesen Tagen eine Verordnung über die Ehrenpensionen für die Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus erlassen. Diese Leistungen werden aber - das ist uns allen bekannt - nur gewährt, wenn der Verfolgte dort drüben sein gesellschaftspolitisches Soll erfüllt. Nach § 2 dieser Verordnung des sowjetzonalen Ministerrates können die Funktionäre der Bezirksverwaltungen den Anspruch versagen, wenn z. B. Hinterbliebene gröblichst gegen die Moral und die Gesetze der sozialistischen Gesellschaft verstoßen haben. Den Zehntausenden besonders von rassisch Verfolgten, die auf dem Gebiete der heutigen sogenannten DDR früher geschädigt worden sind, versagt man jeden Anspruch. Diese Last hat die Bundesrepublik mit auf ihre Schultern genommen. Zur Zeit versucht man sogar, uns mit unseren Wiedergutmachungsleistungen im Nahen Osten noch anzuschwärzen und zu diffamieren.
Wen man heute unsere Wiedergutmachung teilweise kritisiert, sollte man einmal daran denken, wie viele Millionen von Ansprüchen vorbildlich erfüllt worden sind. Ich selber habe im Laufe der letzten Jahre Gelegenheit gehabt, mich im Ausland mit den Betroffenen zu unterhalten und festzustellen, daß sie glauben, sie haben hier ihr Recht gefunden. Ich meine, das vorliegende Gesetz wird mit dazu beitragen, auch die noch anstehenden Verfahren gut und vorbildlich abzuwickeln. Selbstverständlich ergibt sich immer wieder, daß in einigen Fällen nicht die erwarteten Leistungen erbracht werden können. Aber dann sollte man doch einmal sachlich prüfen, ehe man unberechtigt Kritik übt, ob in diesem Fall die vom Gesetzgeber gesetzten Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, von dieser Stelle aus im Namen unserer Fraktion den Tausenden von Beamten und Angestellten, Richtern und Ärzten in Bund und Ländern dafür zu danken, daß sie seit Jahren durch ihre Mitarbeit zu einer guten und schnellen Durchführung der Wiedergutmachungbeitragen. Sehr oft wird auch in den betreffenden Behörden die Arbeit dieser Bediensteten nicht entsprechend geachtet, weil sie nun einmal nicht den Tätigkeitsmerkmalen einer klassischen Verwaltung entspricht.
Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, Ihnen vor der letzten Abstimmung über dieses Gesetz einen Überblick über unsere Haltung zur Wiedergutmachung zu geben, und bin der Meinung, daß dieses Bundesentschädigungsgesetz, welches nun nach dem Bundesrückerstattungsgesetz als zweites der Schlußgesetze heute verabschiedet wird, in Form und Inhalt einen würdigen Schlußpunkt unter unser Bemühen um die Abtragung der wohl schwersten Last aus der Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus setzt. CDU und CSU in diesem Hause stimmen daher dem Gesetz zu.
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Meine Damen und Herren, ich werde jetzt noch die Erklärungen zur Abstimmung abgeben lassen und dann unterbrechen, damit der Haushaltsausschuß zu dem Änderungsantrag Umdruck 660 Stellung nimmt. Ich denke, daß eine Unterbrechung von 30 Minuten ausreichen wird. Dann erfolgt die Schlußabstimmung.
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- Es ist damit zu rechnen, daß ein Antrag auf namentliche Abstimmung ,gestellt wird.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung für die SPD hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat in seiner Rede in Bergen-Belsen am 25. April dieses Jahres gesagt, nur dann könne aus der Vergangenheit eine bessere Zukunft hervorwachsen, wenn wir uns offenhalten für das einzige Heilmittel, nämlich für das Wirken der Gnade. Er fuhr dann fort - ich darf das, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, wegen der Bedeutung dieser Worte wörtlich zitieren -:
Dieser Gnade können wir aber durch unser persönliches Verhalten und durch die Art, wie unser Volk an den großen Menschheitsaufgaben unserer Zeit mitwirkt, den Boden bereiten. Als erstes gilt es, den Schaden wiedergutzumachen allen denen gegenüber, die Unrecht erdulden mußten. Diese Bereitschaft erstreckt sich auf alle Betroffenen, gleichviel welcher Nation sie angehören mögen.
Sie umschließt insbesondere die jüdischen Mitbürger, die in unserer Mitte leben, ihre Glaubensgenossen im Ausland und auch den Teil des Judentums, der sich im Staate Israel als Volk vereinigt hat.
So unser Bundespräsident.
Ich freue mich, feststellen zu können, daß dieses Gesetz, daß wir heute zu verabschieden haben, im Kern und im Ganzen gesehen dieser Forderung des Herrn Bundespräsidenten entspricht.
Das Gesetz läßt selbstverständlich manche Hoffnung unerfüllt. Es hat weiterhin Lücken. Es ist nicht der letzte Stein der Weisen. Das kann es auch nicht sein. Aber es löst die wesentlichen Probleme, und es löst sie so, glaube ich, daß wir uns mit dieser Novelle sehen lassen können.
Meine Damen und Herren! Die Arbeiten des Wiedergutmachungsausschusses, die sich ja sehr lange hingezogen haben, waren deswegen so schwierig, weil wir unsere Entscheidung nicht nur - wie es eigentlich hätte sein sollen - nach dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit treffen konnten; wir hatten auch zu beachten Fragen der politischen Zweckmäßigkeit, wir hatten zu beachten insbesondere Fragen der finanziellen Möglichkeiten. Wir hatten aber endlich auch an die Frage zu denken, ob jetzt, nach zwanzig Jahren, bestimmte Bestimmungen des Gesetzes, die wir vielleicht gern geändert hätten, bei einer Änderung noch praktikabel sein würden. Um Ihnen das an ,einem Beispiel zu erläutern: Eine Merkwürdigkeit des Gesetzes besteht darin, daß zwar die Witwe eines deutschen Verfolgten, eines voll tanspruchsberechtigten Verfolgten, deren Mann an den Folgen der Verfolgung acht Monate nach seiner Inhaftierung verstorben ist, einen Anspruch auf eine Lebensschadensrente hat, nach dem geltenden Gesetz aber nicht die Witwe eines Verfolgten der Sondergruppen der §§ 150 und 160. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit ist es wirklich nicht einzusehen, warum nicht auch diese Witwe eine Entschädigung bekommen soll. Aber wenn man das jetzt, zwanzig Jahre nach dem Kriege, durch das Gesetz neu einführen würde, wäre eine solche Bestimmung völlig unpraktikabel gewesen. Denn wie soll eine
Entschädigungsbehörde dm Jahre 1965 feststellen, an welchen Gründen und warum ein Mann etwa im Jahre 1949 oder 1946 verstorben ist, zumal es Unterlagen und Ermittlungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht kaum gibt. So gern also ich und wahrscheinlich alle Mitglieder des Ausschusses auch dieses Problem gelöst hätten, es ist heute von der Praxis her nicht mehr lösbar. So gibt es viele Probleme, die sicherlich der gesamte Ausschuß im Einvernehmen mit dem Ministerium gern gelöst hätte, die heute einfach nicht mehr lösbar sind, weil die Zeit über sie hinweggegangen ist.
Darüber, daß wir es dennoch geschafft haben, die wesentlichen Anliegen zu erfüllen, die wir im Ausschuß vorliegen hatten und die uns von den Verbänden, von ,den Sachverständigen und von allen, die an ,diesem Gesetz mitgearbeitet haben, vorgetragen worden sind, bin ich froh. Das muß ich Ihnen ehrlich bekennen. Aus diesem Grunde möchte ich mich mit besonderem Nachdruck - nicht als Höflichkeitsfloskel - bei all denen bedanken, die mitgearbeitet haben. Ich möchte mich auch bei all denen bedanken, die dem Ausschuß geschrieben haben, all den Tausenden von Menschen, die mit Anregungen aller Art, vernünftigen und unvernünftigen, guten und schlechten, dem Ausschuß geholfen haben.
Ich möchte nur ein Beispiel hervorheben, weil ich es für wichtig halte. Ein junger Beamter eines Ministeriums dieser Bundesregierung, des Verteidigungsministeriums, Herr Behr, hat uns vielleicht den besten Vorschlag von allen diesen Eingaben unterbreitet. Erstaunlicherweise hat er ihn als einziger gebracht; die Verbände hatten ihn nicht. Ich finde es großartig, daß ein junger Beamter des gehobenen Dienstes in der Lage war, uns einen so ausgezeichneten Vorschlag zu machen. Daß wir diesen Vorschlag nicht haben verwirklichen können, hat allein finanzielle Gründe. Mir selbst hat es sehr leid getan, daß gerade dieser Vorschlag, der in der Sache gut ist, nicht hat zum Zuge kommen können.
Wir haben aber auch all den Verbänden zu danken, all denen, die man normalerweise so als Lobbyisten bezeichnet. Natürlich haben sie ihre Interessen vertreten. Aber ohne ihre Sachkunde wäre unsere Arbeit auch nicht möglich gewesen.
Besonderen Dank aber schulden wir den Beamten des Bundesfinanzministeriums und der deutschen Länder, die an unseren Beratungen teilgenommen haben. Denn ohne sie wären diese Beratungen bei der Schwierigkeit der Materie kaum möglich gewesen. Ich möchte wiederum einen Namen hervorheben, nämlich den des Herrn Regierungsdirektors Zorn. Er hat in all dieser Zeit, in der wir gearbeitet haben, bewiesen, welch exzellenter Sachkenner er ist. Ich habe viele Meinungsverschiedenheiten mit ihm gehabt. Aber das, was er mir entgegengehalten hat, war immer voll Sachkunde und war immer von dem Ernst der Verantwortung getragen. Ich hebe seinen Namen hervor, weil ich meine, daß eine solche entsagungsvolle Arbeit eines Beamten ausgerechnet in der Entschädigungs- und Wiedergutmachungsabteilung des Finanzministeriums Dank
verdient. Herr Zorn ist schließlich derjenige, der sozusagen als Frontsoldat des Ministeriums immer seine Brust hat hinhalten müssen gegen die Angriffe, die ihn getroffen haben und an sich andere treffen sollten. Was soll er denn anders tun, als den Standpunkt seines Hauses vertreten, insbesondere wenn es um die Finanzen geht!
Wir schulden den gleichen Dank aber auch den Länderreferenten, die sehr intensiv, viel mehr, als sonst üblich, an unseren Arbeiten teilgenommen haben. Wir schulden auch sehr viel Dank allen Mitgliedern des Ausschusses, die ständig an unseren Beratungen teilgenommen haben.
Den größten Dank aber schulden wir dem Präsidenten dieses Hauses, Herrn Dr. Gerstenmaier, der gestern nachmittag in einer großen Krise unserer Arbeit, als wir alle bereits meinten, es sei hoffnungslos geworden, zu einer einstimmigen Verabschiedung dieses Gesetzes zu kommen, die Initiative ergriffen und es durch seine Verhandlungsführung geschafft hat, uns an einen Tisch und zu einer Meinung zu bringen. Ich glaube, nicht nur wir hier, sondern das ganze deutsche Volk schuldet ihm Dank, weil es sonst nämlich zu dem schrecklichen Ergebnis gekommen wäre, daß dieses für das Ansehen des deutschen Volkes so wichtige Gesetz hier in diesem Hause kontrovers verabschiedet worden wäre mit eventuell sehr harten Debatten, die unserem Ansehen ganz sicherlich nicht förderlich gewesen wären.
Nun, meine Damen und Herren, ich will mich kurz fassen, da wir Gott sei Dank - ich sage noch einmal ganz betont: Gott sei Dank - hier nicht mehr zu streiten brauchen. Ich möchte daher auch nicht mehr mit dem argumentieren, was der Herr Kollege Böhme, oder mit dem, was der Herr Finanzminister gesagt hat. Ich möchte nur der Ordnung halber betonen, Herr Minister, daß ich in einem Grundsatzpunkt, der bei unserer Entscheidung jetzt im Endergebnis allerdings keine Rolle gespielt hat, nach wie vor mit aller Entschiedenheit eine andere Meinung vertreten muß. Sie haben hier wiederum gesagt - und das ist immer der Standpunkt Ihres Hauses gewesen -, diejenigen, die im Zuge der Kriegsereignisse in den Strudel gerissen worden seien, hätten keine Ansprüche gegen uns, und es handle sich um freiwillige Leistungen ihnen gegenüber aus humanitären Erwägungen.
Ich halte diesen Standpunkt für falsch. Es ist vollkommen richtig, daß Leute, die in den Strudel der Kriegsereignisse geraten, nach dem Völkerrecht keine individuellen Schadensersatzansprüche gegen einen fremden Staat haben. Wessen Haus im Kriege zerstört wurde, wer gefallen ist, wer verwundet wurde, wem individuell von irgendeinem Soldaten Unrecht angetan wurde - was in jedem Kriege vorkommt -, der hat keinen individuellen Anspruch. Wenn aber ein Staat ausrückt, fremde Länder besetzt und im Rücken des anständigen, ehrlichen Frontsoldaten dann seine Schergen herausschickt, um planmäßig und bewußt und vorsätzlich Menschen zu
ermorden, dann ist das nicht eine Folge des Krieges,
sondern planmäßiger Mord im Rücken des Krieges.
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Der Krieg hat mit diesen Morden nichts zu tun. Er hat es Hitler lediglich ermöglicht, auch die Menschen zu morden, die außerhalb des deutschen Reichsgebietes gelebt haben.
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Daher möchte ich mit aller Entschiedenheit betonen, daß diese gequälten, ermordeten und geschändeten Menschen einen individuellen Anspruch gegen uns haben. Und wenn normale Völkerrechtslehrbücher darüber nichts schreiben, so liegt das daran, daß ein Völkerrechtler nicht damit rechnen konnte, daß Derartiges im 20. Jahrhundert wieder einmal passieren würde.
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Nun, im Endergebnis sind wir dazu gekommen, auch diesen Menschen eine einigermaßen gerechte Entschädigung zu geben. Ich hoffe, daß sie gerecht sein wird. Ich möchte aber immerhin für diejenigen, die da meinen, 1,2 Milliarden DM seien schrecklich viel Geld - die damit recht haben; denn 1,2 Milliarden DM sind insgesamt gesehen schrecklich viel Geld -, doch darauf hinweisen, daß bei voraussichtlich 180 000 Anspruchsberechtigten nach diesem Fonds das, was der einzelne daraus bekommt, natürlich nicht gerade gewaltig sein kann. Das zeigt Ihnen ein einfaches Rechenexempel. Es ist ja auch sonst so. 40 oder 42 oder 45 Milliarden DM Entschädigungsleistungen sind gewiß stattlich. Aber dieser Entschädigungsleistung stehen der riesige Schaden und die Zahl der Anspruchsberechtigten gegenüber.
Wenn man versucht, auszurechnen, was von den bisher gezahlten Beträgen - bei den 40 Milliarden kann man es heute noch nicht berechnen - im Durchschnitt auf den einzelnen Geschädigten herauskommt, so stellt man fest, daß es rund 15 000 DM sind, und das innerhalb von 20 Jahren nach dem Kriege. Man hat den Menschen sehr damit geholfen. Man hat sogar manchmal viel zuviel gegeben. Auch das möchte ich offen bekennen. Aber es ist nicht so, wie eine weit verbreitete Meinung annimmt, daß hier etwa Geld in rauhen Mengen an die Leute hinausgeworfen wird so unter dem Motto: „Erpreßt in alle Ewigkeit."
Wir versuchen, im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten dafür zu sorgen, daß diese gequälten Menschen einigermaßen anständig leben können, daß sie hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Schäden einigermaßen anständig befriedigt werden. Aber was der einzelne bekommt - ich möchte es noch einmal sagen -, liegt vielfach unter dem Minimum dessen, was er eigentlich benötigte.
Es ist erfreulich, daß durch das jetzige Gesetz das, was der Verfolgte bekommen kann, hinsichtlich einiger Punkte etwas aufgebessert wird, - bestimmt nicht in der Form, daß die dadurch begünstigten Menschen damit nun große Sprünge machen können. Meine Damen und Herren, Renten von 200 oder 300 DM oder gar die Mindestrenten von 100 DM, die
dann zum Teil noch mit deutschen Sozialrenten verrechnet werden, helfen den Leuten zwar - jeder Pfennig hilft ihnen -; aber es ist nicht so, daß hier irgend jemand Geld verschwendet, sondern wir tun das Notwendigste, was unsere Pflicht ist.
Meine Damen und Herren, hier in diesem Hause ist in den letzten Tagen - an sich erfreulicherweise - ein Antrag herumgegeben worden, der viel Anklang gefunden hat. Ich weiß, daß viele von den Kollegen in allen Parteien dazu geneigt haben, diesen Antrag zu unterzeichnen. Ich meine den Antrag betreffend die Entschädigung für die „stillen Helden". Ich freue mich darüber, daß dieser Antrag so viel Anklang gefunden hat. Dieser Anklang zeigt, daß Sie diesem unserem Problem doch alle auch mit dem Herzen gegenüberstehen. Wenn dieser Antrag im Ausschuß nicht verwirklicht worden ist und wenn ich mich persönlich gegen diesen Antrag habe aussprechen müssen, so liegt das ganz einfach daran, daß solche stillen Helden, wenn sie durch ihr Heldentum einen Schaden erlitten haben, nach dem geltenden Gesetz bereits eine Entschädigung bekommen und daß man, wenn sie keinen Schaden erlitten haben, ihnen auch keine Entschädigung gewähren kann; denn es handelt sich um ein Entschädigungsgesetz. Ich weiß persönlich, daß die meisten dieser Helden auch gar keine Entschädigung haben möchten.
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Sie haben ihre Pflicht getan, die Pflicht eines anständigen Menschen, und sie verlangen nicht, dafür entschädigt zu werden.
Was man allerdings tun sollte - viel mehr, als bisher geschehen -, meine Damen und Herren, wäre, sie so zu ehren, wie sie es verdienen. In einzelnen deutschen Ländern geschieht das, in Berlin insbesondere. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die übrigen deutschen Länder entschlössen, Ähnliches, wie es in Berlin bereits geschehen ist, auch in ihrem Bereich für diese vorbildlichen Menschen zu tun.
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Sie möchten kein Geld, aber sie möchten, glaube ich, wissen, daß dieser unser Staat weiß; was er ihnen schuldet. Ich könnte mir vorstellen - wahrscheinlich erlauben es die Bestimmungen über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zur Zeit nicht -, daß man durch die Verleihung dieses deutschen Ordens auch einiges tun könnte, um diesen Menschen gerecht zu werden. Auch das sollten wir uns einmal überlegen.
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Finanzielle Entschädigung aber konnte es immer nur für diejenigen geben, die einen Schaden erlitten haben. Wir haben viele, die großen Schaden erlitten haben, nicht befriedigen können, weil unser Geldsäckel nicht ausreicht oder weil es nicht mehr praktikabel ist. Um so weniger können wir irgendwelche Schmerzensgelder jemandem geben, der doch letzten Endes das Glück hatte, durch die Schergen Hitlers nicht ertappt zu werden und eben nicht geschädigt zu werden.
Ich möchte zum Schluß kommen und möchte Sie angesichts der vorgerückten Zeit nicht länger aufhalten. Ich möchte aber nicht schließen, ohne einen Appell auch an diejenigen in diesem Hause zu richten, die bisher glauben, diesem Gesetz nicht zustimmen zu können, oder die vielleicht Bedenken haben. Ich bin der Meinung - ich glaube, diese Meinung ist richtig -, daß es wirklich eine Ehrenpflicht dieses unseres deutschen Vaterlandes ist, seine Schulden zu bezahlen, die ihm hinterlassen worden sind. Ein anständiger Mensch fühlt sich nicht wohl, wenn er Schulden hat, und ein Volk, das Schulden hat - und wir haben sie -, sollte sich auch nicht wohlfühlen, wenn die Gläubiger immer wieder mit Recht mahnen können: Warum bezahlt ihr eure Schulden nicht?
Wir haben die Konkursmasse des Deutschen Reiches übernommen. Wir sind nicht in der Lage, diese Schäden so zu bezahlen, wie das Deutsche Reich sie hätte bezahlen müssen. Wenn man aber einen Konkurs macht und nicht alles bezahlen kann und hofft, daß der Gläubiger mit dem zufrieden ist, was man zahlt, dann muß man sich mit ihm vergleichen. Wenn man nämlich nur eine Konkursquote ausschüttet, dann hat der Gläubiger nach unserem Konkursrecht noch 30 Jahre lang Anspruch auf die Bezahlung des Restes seiner Forderung. Wir müssen also zu einem Vergleich mit unseren Gläubigern kommen, und ich meine, dieses Gesetzhier ist so etwas wie ein solcher Vergleich; denn ich weiß, daß diese unsere Gläubiger bei allen Bedenken, die natürlich hinsichtlich einzelner Punkte noch bestehen müssen, bei allen Wünschen, die nicht erfüllt worden sind, doch im großen und ganzen mit ,dem jetzigen Gesetz einverstanden sind und sich zufrieden geben mit dem, was dabei herauskommt. Darüber sollten wir froh soin, und dem sollten wir Rechnung tragen, indem wir alle, ganz egal, was wir über Einzelheiten dieses Gesetzes denken mögen, uns mit der Zustimmung zu diesem Gesetz dazu bekennen, daß wir uns als deutsche Patrioten nicht nachsagen lassen, wir bezahlten unsere Schulden nicht.
Ich glaube, es war Zwingli, der einmal gesagt hat: Laßt uns doch endlich tapfer sein! Meine Damen und Herren, ich glaube, so sollten wir verfahren.
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Das Wort zu einer Erklärung für ,die FDP hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Kriegsfolgen durch Gesetze abzumildern und für den einzelnen betroffenen Menschen erträglicher zu gestalten ist schwer.
Viel, viel schwerer aber ist es, eine gerechte, politisch und finanziell vertretbare Gesetzeslösung zu finden für die Wiedergutmachung von Unrecht, das im Frieden begangen oder eingeleitet und im Krieg bis zum bürokratisch geplanten und durchgeführten Massenmord unter jeder Mißachtung der
Menschenwürde und Menschenrechte gesteigert wurde.
Die Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz, die heute nach Annahme der interfraktionellen Anträge nun zur Schlußabstimmung ansteht, kann - wie wohl jedes Kriegsfolgegesetz - nur schwerpunktmäßige und nur unvollständige, in vielen Fällen auch unbefriedigende Lösungen bringen.
Ich glaube, daß ich es mir nach dem, was meine Kollegen von der CDU/CSU und der SPD und nach dem, was der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Gesetz im einzelnen schon gesagt halben, ersparen kann, auch noch auf Einzelheiten und Schwerpunkte dieses Gesetzes einzugehen. Ich darf mich aber dem Dank meiner Vorredner ganz besonders ausdrücklich anschließen, dem Dank an jene, die mitgeholfen haben, daß es heute nun zu der Verabschiedung des Gesetzes in seiner jetzigen Form kommen kann.
Wer den Bericht des Abgeordneten Hirsch gelesen hat, wird ermessen können, wieviel Zeit, zähe Gründlichkeit und politisches Verständnis die Ausschußmitglieder eingesetzt haben, um eine Novelle verabschiedungsreif zu machen, von der man trotz aller Mängel, welche menschlichem Tun stets anhaften, sagen kann, daß sie das rechtlich Gebotene mit dem politisch Notwendigen und dem finanziell noch eben Möglichen verbindet. Diesen Dreiklang herzustellen war bei dieser Materie nicht leicht.
Um so mehr dürfen wir Freien Demokraten es begrüßen, daß es in vielen Besprechungen und Verhandlungen, die bis gestern abend andauerten, gelungen ist, auch für diesen wichtigen Gesetzgebungsbereich nunmehr eine Lösung zu finden, die als würdige abschließende Regelung auch unsere Zustimmung finden kann. Wir verbinden diese unsere Zustimmung mit dem Willen und der Hoffnung, daß sich der Gesetzgeber nach Abschluß dieser Gesetzgebungsmaterie mit derselben Intensität daranbegeben kann und wird, auch auf vielen rein innerdeutschen Gebieten zu guten, gerechten und abschließenden Regelungen der Kriegsfolgelasten im Rahmen des finanziell Vertretbaren zu kommen.
Ich möchte am Schluß den Gedanken des Kollegen Hirsch aufgreifen, der davon gesprochen hat, daß wir mit diesem Gesetz den Versuch starten, von dem Konkursgedanken weg zu einer Vergleichsregelung zu kommen, und ich kann nur noch einmal an alle Kollegen in diesem Hause, die aus den verschiedenartigsten Gründen gewisse Hemmungen haben, dem Gesetz ihre Zustimmung zu geben, gerade mit Berücksichtigung des Gedankens, den Herr Hirsch hier so deutlich angesprochen hat, appellieren, ihrem Herzen einen Stoß zu geben und zu sagen: es ist eine gute, es ist eine sinnvolle Regelung, die wir Ihnen hier vorgelegt haben, und deshalb dem Gesetz zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Deneke zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung über dieses Gesetz habe ich die Ehre, für eine Gruppe von Abgeordneten meiner Fraktion folgende Erklärung abzugeben.
Erstens: Wir bejahen den Grundgedanken dieses Gesetzes, wonach Ersatz geleistet werden soll für materiellen Schaden, der in einer Zeit der Gewaltherrschaft durch Unrecht und Machtmißbrauch vielen Millionen Menschen zugefügt wurde.
Zweitens: Seelische Not, erlittene Schmerzen und Mord können nicht durch materielle Entschädigung aufgewogen werden. Es ist allenfalls möglich, durch Hilfeleistung und Opfer sichtbar zu machen, daß wir auf der Seite derer stehen, denen so unendlich viel Leid angetan wurde.
Drittens: Zwischen denen, die ohne eigene Schuld durch Vertreibung und Verfolgungen, durch Folterungen und Einkerkerung gepeinigt und gemordet sind, vermögen wir keinen Unterschied zu machen, nach Religion, Rasse, Konfession oder Volkstum - vermögen wir auch keinen Unterschied zu machen nach Art und Entstehungsursache der von diesen Menschen nicht selbst verschuldeten Leiden.
Viertens: Nach unserer Auffassung verstößt der vorliegende Gesetzentwurf gegen den Grundsatz gleicher Behandlung von gleichen Tatbeständen. Seine Annahme würde einen Teil der Geschädigten, Verfolgten und Vertriebenen aus der Gesamtheit aller Opfer der Gewaltherrschaft in ganz besonderer Weise hervorheben. Damit wird unserer Auffassung nach die Gefahr heraufbeschworen, daß dieses Gesetz nicht der Befriedung dient, sondern den Keim zu neuer Entfremdung legt.
Nach gewissenhafter Prüfung fühlen wir uns zu dieser Erklärung verpflichtet. Wir werden dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerstenmaier.
Meine Damen und Herren! Ohne die Ausführungen des Herrn Vorredners hätte ich mich hier nicht zum Wort gemeldet.
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Aber ich möchte nicht, daß diese Bemerkungen am Schluß einer langen und schweren Bemühung stehen. Das würde dem Haus und dem, was im Haus in dieser Sache versucht und schließlich auch getan worden ist, nicht gerecht werden.
Herr Kollege Deneke, ich habe Verständnis dafür, daß Sie unter dem Eindruck stehen, auch dieses Gesetz, das nach unserem Willen ein Schlußgesetz sein soll, sei keine perfekte Lösung und keine perfekte Leistung. Wenn Sie das zum Ausdruck bringen wollten, dann muß ich sagen, daß ich darin mit Ihnen übereinstimme. Nur scheint mir Ihr Schluß grundlegend falsch zu sein. Wir stehen nämlich hier nicht vor der Alternative: entweder eine perfekte
Lösung oder gar keine, sondern dieses Haus steht unter dem Zwang, mit einem bitterschweren, ja verfluchten Erbe fertig zu werden, so wie es eben in unserer Kraft, Möglichkeit und Einsicht steht.
Ich muß sagen: Ich bin ganz stolz auf das Haus und die Kollegen, die sich in all den Monaten um diese Sache bemüht haben und die ganz genau wissen, daß es einfach nicht möglich ist, dem Haus einen Vorschlag in dem Sinne zu unterbreiten, daß man sagen kann: na, endlich einmal eine perfekte Sache. Das ist einfach nicht drin. Wer glaubt, unseren Bemühungen ein solches Ziel setzen zu können, bewegt sich in einer Illusion.
Aber das Verfehlteste, was passieren könnte, wäre doch, daraus nun den Schluß zu ziehen: Also tun wir gar nichts, lassen wir es halt schleifen, lassen wir es so, wie es war! Nein, was hier geschehen ist und in der Vorlage, über die wir bald abstimmen werden, vor uns steht, ist der Versuch, obwohl wir wissen, daß es keine perfekte Lösung ist und keine perfekte Lösung gibt, großzügig das Beste zu machen in einer Gesinnung, die auch derjenige respektieren muß, der mit der Einzellösung und Einzelleistung immer noch nicht ganz einverstanden ist. Wer ein fair und gerecht denkender Mensch ist, muß respektieren, daß hier ein großes Parlament den Versuch gemacht hat, in einer sowohl gesinnungsmäßig als auch technisch anständigen Weise - ich selber bin als ein kritischer Betrachter dieser Sache davon überzeugt: in einer anständigen und großzügigen Weise - mit dem Problem fertig zu werden.
Deshalb bin ich dankbar für den Ton, den der Kollege Hirsch am Schluß seiner Ausführungen gefunden hat. Als Vorsitzender des Wiedergutmachungsausschusses hat er in ganz besonderer Weise die Last dieser Problematik getragen, zusammen mit den Kollegen, die heute morgen hier gesprochen haben, Kollegen aus allen Fraktionen, die sich lange und mühsam mit den Dingen herumgeschlagen haben. Nach meiner Überzeugung hat der Kollege Hirsch den richtigen Ton getroffen, als er an unseren Patriotismus appellierte. Denn worum geht es hier? Es handelt sich nicht darum, eine in jeder Hinsicht perfekte Leistung zu erbringen, sondern hier geht es darum, daß dieses Haus einen Strich zieht, und zwar so, daß man sagen kann: das ist eine patriotische Leistung in dem Sinne, daß sie dem gerecht wird, was uns Deutschen die Humanität in dieser Sache gebietet. Es ist eine patriotische Leistung, weil sie großzügig das in sich verbindet, was Deutschland der Humanität und damit seiner Ehre schuldig ist.
Herr Kollege Deneke, ich habe immer noch die ganz leise Hoffnung, daß Sie unter diesem Gesichtspunkt Ihre Überlegungen vielleicht noch einmal revidieren und daß wir dann vielleicht doch noch die Aussicht haben, dieses für die Ehre der Nation wichtige Gesetz einstimmig zu verabschieden.
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Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung, um dem Haushaltsausschuß Gelegenheit zu geben, zu dem Umdruck 660 Stellung zu nehmen. Wir setzen die Beratungen mit der Schlußabstimmung um 12.30 Uhr fort.
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Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Darf ich fragen, ob die Sitzung des Haushaltsausschusses abgeschlossen ist?
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- Meine Damen und Herren, ich bitte noch um einen Augenblick Geduld; ich muß mich mit dem Ausschuß verständigen. - Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses beruhigt uns, indem er mitteilt, der Haushaltsausschuß sei in fünf Minuten fertig. Aber gewitzt durch Erfahrungen verdoppeln wir diese Zeit und vertagen noch einmal um zehn Minuten bis 12.45 Uhr. Ich kann keinen anderen Tagesordnungspunkt vorziehen, denn wir haben keinen mehr.
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Nach § 96 der Geschäftsordnung müssen wir das Votum des Haushaltsausschusses haben. Deshalb erneute Vertagung bis 12.45 Uhr. Ich bitte um Ihre Nachsicht.
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Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich frage den Herrn Berichterstatter des Haushaltsausschusses, ob er das Wort zu nehmen wünscht. Als Berichterstatter des Haushaltsausschuses hat der Herr Abgeordnete Windelen das Wort zu der Vorlage.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat sich mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes befaßt. Er ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Der Haushaltsausschuß stellt mit Mehrheit fest, daß das durch den interfraktionellen Änderungsantrag geänderte Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes mit der Haushaltslage vereinbar ist.
({0}) - Mit Mehrheit.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des des Bundesentschädigungsgesetzes zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Nein-Stimmen und Enthaltungen ist dieses Gesetz in dritter Lesung mit großer Mehrheit angenommen.
Wir haben noch über den Antrag des Ausschusses - Drucksache IV/3423, Seite 27, Ziffer 2 -, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären, abzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ferner bitte ich das Haus um die Zustimmung zu der Ermächtigung, die notwendigen redaktionellen Änderungen vorzunehmen. - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir schlagen Ihnen vor, den Punkt 10 b der Tagesordnung abzusetzen, da noch eine Ausschußberatung stattfinden muß. Nach einer Vereinbarung mit dem Ausschuß wird der Bericht des Ausschusses so rechtzeitig vorliegen, daß das Gesetz in der Plenarsitzung am 23. Juni verabschiedet werden kann.
Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 16. Juni 1965, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.