Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren,
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noch stehen wir unter dem Eindruck der Bergwerkskatastrophe von Völklingen im Saarland und der Flutkatastrophe in Norddeutschland, da erreicht uns die Nachricht von einem neuen schweren Bergwerksunglück. Am 9. März dieses Jahres fielen 31 Bergleute einer Schlagwetterexplosion auf der Zeche Sachsen in Heessen bei Hamm zum Opfer. Wir gedenken in tiefer Trauer der Toten. Den Angehörigen der tödlich verunglückten Knappen wenden wir unsere tiefe Anteilnahme zu. Den verletzten Bergmännern wünschen wir baldige Genesung-
Sie haben sich zu Ehren der Toten erhoben. Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, ich habe im Namen des Hauses Glückwünsche auszusprechen dem Abgeordneten Dr. Baron Manteuffel-Szoege zum 73. Geburtstag
({1})
und dem Abgeordneten Dr. Winter zum 60. Geburtstag.
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Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Ludwig ist der Abgeordnete Peiter mit Wirkung vom 22. Februar 1962 in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn in unserer Mitte und wünsche ihm hier eine gute Zusammenarbeit.
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In der 5. Plenarsitzung am 29. November 1961 sind die Vertreter - und Stellvertreter - der Bundesrepublik Deutschland in der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt worden. Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 21. Februar 1962 gebeten, für den beim Europarat ausscheidenden Abgeordneten Lücker ({4}) den Abgeordneten. Lermer zu wählen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Lermer als Stellvertreter in der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. Februar 1962 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz zu der Vereinbarung vom 9. März 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Anwendung der niederländischen Rechtsvorschriften über die allgemeine Altersversicherung.
Gesetz zu dem Abkommen vom 5. Juli 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Luftverkehr.
Gesetz zu dein Abkommen vom 15. März 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Libanesischen Republik über den Luftverkehr.
Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Januar 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan über den Fluglinienverkehr.
Der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 26. Februar 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier ({5}), Dr. Hauser, Windelen, Mick, Dr. Götz, Dr. Reinhard, Schlick und Genossen betr. Förderung des Familienheimbaues - Drucksache IV/ 160 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 226 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 9. März 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({6}), Bading, Margulies und Genossen betr. Sicherheit im Straßenverkehr - Drucksache IV/ 218 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 242 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 26. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 29. Juni 1960 - Drucksache 1917 der 3. Wahlperiode, lfd. Nr. 181 - über die Petition des Clemens Brocker vom 25. Oktober 1959 in der Kriegsopferversorgungssache des Busso Geveler, Hamm ({7}) berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 231 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat am 20. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 3. Juni 1959 - Drucksache 1617 der 3. Wahlperiode, lfd. Nr. 714 - über die Petition der Klara Schwieger in Euskirchen vom 3. Juni 1957 berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 234 verteilt.
Der Herr .Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 1. März 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 22. August 1961 - Drucksache 2978 der 3. Wahlperiode, lfd. Nr. 372 - über die Petition des Bundesinnungsverbandes für das Orthopädie-Chirurgenmechaniker- und Bandagistenhandwerk im Bundesgebiet und Westberlin vom 16. August 1959 berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 236 verteilt.
.Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr hat am 5. März 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 22. August 1961 - Drucksache 2978 der 3. Wahlperiode, lfd. Nr. 337 - über die Petition des Ludwig Schweer, Buchholz ({8}), vom 1. Dezember 1960 berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/ 240 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 28. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 117. März 1961 einen weiteren Bericht über Stellung und Lage der Seefischerei der Bundesrepublik Deutschland gegeben, der als Drucksache IV/ 230 verteilt ist.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat am 14. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 4. Mai 1961 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raum Soltau-Lüneburg Ausführungen gemacht, die als Drucksache IV/ 238 verteilt sind.
Meine Damen und Herren, ich komme zum einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung, der Einbringung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes. Ich
Vizepräsident Dr. Jaeger
rufe auf den Punkt 2 der gemeinsamen Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Enwurfs eines Gesetzes übe] die Feststellung des Bundeshaushaltsplan: für das Rechnungsjahr 1962 ({9}) ({10}).
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finan. zen.
Hen Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Namens der Bundesregierung habe ich die Ehre, Ihnen den Entwurf des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1962 vorzulegen. Der Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1962 ist, wie ich bereits vor dem Bundesrat ausgeführt habe, ein ausgesprochener Übergangshaushalt, der in seiner zusätzlichen Spitzenbelastung entscheidend durch die Auswirkungen des 13. August 1961 geprägt ist. Bei der abschließenden Aufstellung dieses Haushalts war die Bundesregierung vor Schwierigkeiten gestellt, wie sie bei der Einnahme- und Ausgabengestaltung in ähnlicher Weise bisher wohl nur aus Anlaß der Koreakrise 1951 zu bewältigen waren.
Ich werde mir erlauben, nach einer kurzen Charakterisierung der gegebenen Schwierigkeiten und nach der Darstellung des Haushaltes und seiner Abdeckung in den Schlußbemerkungen auf die Konsequenzen einzugehen, die die Bundesregierung und
I) wir alle aus der neuen finanzpolitischen Situation zu ziehen haben werden.
Die am 13. August 1961 in Berlin eingeleiteten Maßnahmen des Ostblocks haben auch für den Letzten blitzartig die außenpolitische Situation beleuchtet, in der sich die Bundesrepublik befindet. Aus freiem Entschluß, aber auch im Hinblick auf unsere Verbündeten, die sich für die Freiheit Berlins und der Bundesrepublik einsetzen, hat die Bundesregierung deshalb begonnen, noch größere Anstrengungen zur Erhöhung unserer Verteidigungsbereitschaft und damit unserer Sicherheit und der Sicherheit der ganzen freien westlichen Welt einzuleiten. Nicht weniger muß der Berliner Bevölkerung durch eine nachhaltige Unterstützung überzeugend dargetan werden, daß wir zu ihr stehen. Alle diese Maßnahmen erfordern jetzt und in Zukunft gewaltige Finanzaufwendungen des Bundes auf dem Gebiet der äußeren Sicherheit einschließlich der Sicherheit Westberlins, die neben die dynamischen Aufwendungen für die Sozialleistungen, für die Wirtschafts- und Landwirtschaftsförderung, für den Verkehr und für die Entwicklungshilfe treten, um nur einige große Gebiete zu nennen. Die politische Lage zwingt den Bund hier zu Leistungen, die in der herkömmlichen Weise neben den bisherigen Aufwendungen nicht mehr aufgebracht werden können.
Der Entwurf für den Bundeshaushalt 1962 spiegelt diese Einsicht nur zum Teil wieder. Erst für das Haushaltsjahr 1963 und die folgenden Jahre werden die Konsequenzen aus der finanzpolitischen Entwicklung in voller Schärfe gezogen werden können. Lassen Sie mich dazu ein Wort sagen:
Der Haushaltsplan für das Jahr 1962 war im Sommer 1961 nahezu fertiggestellt, und zwar unter völlig anderen politischen Voraussetzungen, als sie nach meiner Amtsübernahme Berücksichtigung finden mußten. Ich sah mich daher nach der Regierungsbildung vor die Alternative gestellt, den Haushaltsentwurf unter Berücksichtigung der durch die Auswirkungen des 13. August 1961 gebotenen Gesichtspunkte entweder von Grund auf zu überprüfen und umzugestalten oder aber den Haushaltsentwurf im wesentlichen unter Einstellung und Deckung der unabweisbar notwendigen Ausgaben zu übernehmen. Ich habe dabei Betrachtungen darüber angestellt, ob die Umstellung des Haushaltsjahres auf das Kalenderjahr bei Bund und Ländern im Hinblick auf die Tatsache, daß die meisten Wahlen im Herbst stattfinden, uns nur Vorteile gebracht hat. Eine völlige Umarbeitung des Haushalts hätte ich persönlich vorgezogen, wenn das nicht eine Verzögerung der Vorlage bis in den März oder April bedeutet hätte, so daß die Verabschiedung durch das Hohe Haus höchstens noch vor der Sommerpause hätte erfolgen können. Unter diesen Umständen hat sich die Bundesregierung für die zweite Alternative - das abgekürzte Verfahren - entschieden. Dadurch soll eine möglichst schnelle Verabschiedung des Haushalts erreicht werden, mit der Folge, daß der Bundesfinanzminister sich möglichst bald mit aller Kraft der Aufstellung des Bundeshaushalts 1963 zuwenden kann. Der Bundeshaushalt für das Rechnungsjahr 1963 wird uns in den Einnahmen wie in den Ausgaben vor noch viel größere Schwierigkeiten stellen als der Haushalt 1962.
Bei diesem Verfahren waren gezielte Ausgabenkürzungen, über die im einzelnen hätte verhandelt werden müssen, nur an einigen Schwerpunkten möglich. Im übrigen blieb nichts anderes übrig, als eine Senkung des Ausgabevolumens durch eine Globalkürzung von 12 v. H. herbeizuführen.
Unter diesen Umständen darf ich dem Haushaltsausschuß des Hohen Hauses für die 'entgegenkommende Zusage größtmöglicher Beschleunigung der Beratungen ganz besonderen Dank aussprechen. Mit dem Plan des Haushaltsausschusses, die Beratungen über die Stellenpläne bis nach Verabschiedung des Bundeshaushalts zu verschieben, ist die Bundesregierung durchaus einverstanden. Ich glaube, die Bereitschaft zur schnellen Verabschiedung des Haushalts liegt im Hinblick auf die zukünftigen Schwierigkeiten im Interesse aller, insbesondere, was ich vor allem erwähnen möchte, gerade auch im Interesse des Steuerzahlers.
Bevor ich dem Hohen Hause einen Überblick über den Haushaltsentwurf 1962 gebe, darf ich nach diesen allgemeinen Ausführungen noch folgendes vor ausschicken: Zu der über die Küstenländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hereingebrochenen Hochwasserkatastrophe hat die Bundesregierung in der Regierungserklärung vom 22. Februar 1962 vor diesem Hause Stellung genommen. Maßnahmen zur Beseitigung der dringendsten Not sind inzwischen von den betroffenen Ländern und Gemeinden veranlaßt worden. Der Bund hat - zunächst in Hamburg - eine Kreditaktion von 200 Millionen DM als weitere dringende Sofortmaßnahme unter Beteiligung von Hamburg eingeleitet.
Für die ersten zwei Jahre werden die Zinsen voll auf den Bundeshaushalt übernommen. Die Kreditaktion kommt den selbständigen mittleren und kleineren Gewerbetreibenden und den freien Berufen für Zwecke des Wiederaufbaues ihrer Existenz zugute und ist auch auf die Landwirtschaft ausgedehnt worden. Gleiche Regelungen sollen für die übrigen Küstenländer gelten. Über weitere Aufbauhilfen wird zwischen dem Bund und den Ländern noch beraten. Bei der Finanzlage des Bundes wird eine befriedigende Lösung nur im Zusammenwirken von Bund und allen Ländern gefunden werden können. Die gebrochenen oder beschädigten Deiche müssen bis zum Beginn der Herbststürme wiederhergestellt werden. Der Bund wird alles in seinen Kräften Stehende tun, damit in Zusammenarbeit mit den Ländern die hierfür benötigten Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Auch das für 1962 bereits vorgesehene erweiterte Deichbauprogramm, das eine Erhöhung der Mittel um 7,3 Millionen DM von 46,7 auf 54 Millionen DM vorsah, an der sich der Bund mit 5 Millionen DM beteiligen sollte, muß erneut beraten werden.
In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, daß 'der Bund in der Vergangenheit bereits erhebliche Beträge für den Deichbau aufgewendet hat. So sind in den Jahren 1948 bis 1961 für den Küstenschutz insgesamt 549,4 Millionen DM aufgebracht worden, davon allein vom Bund 332,7 Millionen DM - 60,6 v. H.
Der Bundeshaushalt 1962 schließt mit einer Ausgabensumme von 53,5 Milliarden DM. Ohne die für den Haushaltsausgleich erforderliche Minderausgabe in Höhe von 1,2 Milliarden DM beläuft sich der Ausgabebedarf sogar auf 54,7 Milliarden DM. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr beträgt demnach 6,6 Milliarden DM; tatsächlich hat sich der Haushalt aber sogar um 8,1 Milliarden DM erhöht, weil die im Haushalt 1961 veranschlagte Entwicklungsanleihe der Industrie von 1,5 Milliarden DM als durchlaufender Posten bei einem Vergleich der Ausgaben außer Betracht bleiben muß.
Die Anforderungen der Ressorts zum Haushalt 1962 überstiegen das Volumen des Haushalts des Vorjahres zunächst sogar um 11,6 Milliarden DM. In den Ressortverhandlungen konnten jedoch 3,5 Milliarden DM gestrichen werden. Auch .der Bundesverteidigungsminister hat sich angesichts der Deckungsschwierigkeiten anerkennenswerterweise bereit gefunden, seine Planungen, soweit die politische Lage es zuließ, stärker den haushaltsmäßigen Möglichkeiten anzupassen.
Von dem Mehrbedarf von 8,1 Milliarden DM entfallen auf die äußere Sicherheit der Bundesrepublik, d. h. auf die militärische und zivile Verteidigung einschließlich der Mehrausgaben für Berlin 4,4 Milliarden DM. Das sind allein rund 55 v. H. der Ausgabenerhöhung. Weitere 1,7 Milliarden DM der Mehrausgaben entfallen auf gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen. Ich erwähne hier das Kindergeld, die Rentenversicherung, die Versorgungslasten, den Straßenbau, die Bundesbahn, die europäischen Gemeinschaften. Auch der dann noch verbleibende Mehrbedarf von 2 Milliarden DM ist fast durchweg auf zwangsläufige Ausgaben zurückzuführen, denen sich der Bund nicht entziehen kann, z. B. die Entwicklungshilfe, Wissenschaft und 'Forschung, auswärtige Angelegenheiten.
Ein Vergleich zwischen der Entwicklung der Ausgaben des Bundes und dem Wachstum des Sozialprodukts zeigt - was angesichts .der gewaltigen Erhöhung der Ausgaben nicht verwunderlich ist -, daß im Jahre 1962 zum erstenmal die Ausgabeansätze doppelt so stark steigen wie das Sozialprodukt, dessen Wachstum auf 7,5 v. H. geschätzt wird. Diese Tatsache muß uns eine ernste Warnung sein.
Der Haushalt 1962 wird - wie die früheren - von vier großen nur schwer oder gar nicht beeinflußbaren Ausgabeblöcken bestimmt: die Verteidigung, der Sozialhaushalt, das Verkehrswesen und die Ernährung. Dazu kommt jetzt auch noch die Entwicklungshilfe
Für die Verteidigungsausgaben sind im Entwurf des Haushalts 1962 insgesamt rund 16,5 Milliarden DM veranschlagt worden. Davon entfallen 15 Milliarden DM auf die Bundeswehr, rund 0,7 Milliarden DM auf Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt verbündeter Streitkräfte und rund 0,8 Milliarden DM auf die zivile Verteidigung. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung der Verteidigungsausgaben in engerem Sinne um rund 4 Milliarden DM.
Während im vergangenen Jahr, meine sehr geehrten Damen und Herren, die gesamten Verteidigungsausgaben rund ein Viertel des Gesamtvolumens betrugen, haben sie sich nunmehr auf fast ein Drittel der Gesamtausgaben des Bundes erhöht. Einschließlich der Berlin-Hilfe, die nach Auffassung der Bundesregierung auch zur Verteidigung im Sinne der Sicherung unserer Freiheit nach außen zu rechnen ist, machen die Verteidigungsausgaben im weiteren Sinne sogar mehr als ein Drittel - nämlich 35,4 vH - der Gesamtausgaben des Bundes aus. Diese Steigerung der Aufwendungen für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik zeigt zugleich den festen Willen und die Bereitschaft der Bunderegierung, für die gemeinsame Verteidigung der freien westlichen Welt einen angemessenen Beitrag aus eigener Kraft zu leisten.
Die 15 Milliarden DM für die eigenen Streitkräfte setzen sich zusammen aus rund 6,3 Milliarden DM für die laufenden Kosten, rund 8 Milliarden DM für Beschaffungen, rund 0,7 Milliarden. DM für die weitere Deckung von Ausgaberesten. Die Ausgabensteigerung für die eigenen Streitkräfte beruht zum überwiegenden Teil auf Materialbeschaffungen im In- und Ausland auf Grund langfristiger, den militärischen und technischen Erfordernissen jeweils angepaßter Rüstungsprogramme, die wegen der Ereignisse des 13. August nunmehr zeitlich gerafft werden, sowie auf notwendigen Peronalvermehrungen im Rahmen des fortschreitenden Aufbaues der Bundeswehr. Der Personalbestand wird sich gegenüber dem Rechnungsjahr 1961 für das militärische Personal von 354 400 auf 380 000, also um 25 600, für das zivile Personal von 138 173 auf 151 192, also um 13 019 'erhöhen.
Die im Rechnungsjahr 1962 im außerordentlichen Haushalt veranschlagten Mittel für den Wohnungsbau für Soldaten und Zivilbedienstete der Streitkräfte werden wiederum die Fertigstellung von 1000 Wohnungen je Monat ermöglichen. Dieses Bauvolumen entspricht nach den bisherigen Erfahrungen dem fortschreitenden Aufbau der Bundeswehr sowie den verwaltungstechnischen und baufachlichen Möglichkeiten.
Die Ausgabereste von rund 3,2 Milliarden DM, die in das Rechnungsjahr 1961 übernommen worden sind, konnten im Laufe des vergangenen Rechnungsjahres auf rund 1,5 Milliarden DM verringert werden. Sie werden im Rechnungsjahr 1962 um 0,7 Milliarden DM weiter abgebaut werden.
Im Rahmen der Gesamtverteidigung kommt der zivilen Verteidigung wesentliche Bedeutung zu. Für die zivile Notstandsplanung sollen im Rechnungsjahr 1962 insgesamt 809 Millionen DM ausgegeben werden; das sind rund 102 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Davon entfallen insbesondere rund 70 Millionen DM auf die verstärkte Aufstellung des Luftschutzhilfsdienstes und auf sonstige zusätzliche Maßnahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes.
Als Bundeshilfe für Berlin sind in Übereinstimmung mit Berlin an Zuschüssen und Darlehen 1553 Millionen DM vorgesehen. Das sind 446 Millionen DM mehr als 1961. Der Mehrbetrag entfällt in Höhe von 438,4 Millionen DM, also fast ausschließlich, auf die zusätzliche Bundeshilfe, die Berlin mit Rücksicht auf die Auswirkungen des 13. August 1961 von der Bundesregierung in Aussicht gestellt wurde; es handelt sich insbesondere um die Erholungsbeihilfe und um die Familiengründungsdarlehen. Neben der in den Berliner Haushalt fließenden zusätzlichen Bundeshilfe sieht der Bundeshaushalt weitere Ausgaben für Berlin zur Beseitigung der Auswirkungen des 13. August 1961 vor. Es sind dies noch 5 Millionen DM zur Förderung der Arbeitsaufnahme in Berlin und 21 Millionen DM für die Verbilligung des Flugverkehrs mit Berlin. Damit sind die 500 Millionen DM, die die Bundesregierung im August vergangenen Jahres für die Folgen des 13. August vorgesehen hat, fast erschöpft. Zur Stärkung und Förderung Berlins, insbesondere seiner Wirtschaft, wird zur Zeit vom Berliner Senat ein neuer „Berlin-Plan" vorbereitet. Sobald er vorliegt, wird die Bundesregierung diesen Plan gemeinsam mit dem Berliner Senat beraten.
Nach den Verteidigungsausgaben sind es die Sozialausgaben, die den Bundeshaushalt am stärksten belasten. Die Sozialausgaben sind von Jahr zu Jahr stärker gewachsen. Die an die Lohnentwicklung gebundenen Renten in der Sozialversicherung, die sogenannten dynamischen Renten, führen zu immer höheren Leistungen der Sozialversicherungsträger und zu immer größeren Bundeszuschüssen. Wenn auch in anderen Sozialbereichen eine parallele Entwicklung nicht zu verzeichnen ist, so ziehen die alljährlichen Rentenanpassungen - wenn auch nicht automatisch, so doch tatsächlich - Leistungsverbesserungen nach sich, die direkt oder indirekt mit der Rentenanpassung begründet werden.
Der Sozialhaushalt des Bundes spiegelt sich nicht
allein im Einzelplan des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung wider. Auch die im Einzelplan des Bundesministers des Innern ausgebrachten Aufwendungen für Kriegsfolgenhilfe und Kriegsopferfürsorge gehören hierher. Die Sozialausgaben des Bundes haben im Jahr 1961 fast 12 Milliarden DM betragen, einschließlich Kindergeld, Altershilfe für Landwirte, Zuschüsse an den Lastenausgleichsfonds, Aufwendungen für Umsiedlung und Auswanderung sowie betriebliche Altersfürsorge. Für das Kalenderjahr 1962 sind sie sogar mit rd. 12,5 Milliarden DM veranschlagt. Wenn man mit diesen Zahlen die Istausgaben im Jahre 1959 mit rund 10,3 Milliarden DM vergleicht, wird ersichtlich, daß die für soziale Zwecke aufgewendeten Bundesleistungen auch in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben.
Die sozialen Mehraufwendungen liegen im wesentlichen bei den Zuschüssen zur Sozialversicherung, beim Kindergeld und bei den Aufwendungen für die Kriegsopferversorgung. In der Kriegsopferversorgung sind die Aufwendungen von 3,3 Milliarden DM im Jahre 1959 auf 4,2 Milliarden DM im Jahre 1961, also um 0,9 Milliarden DM gestiegen. Diese Steigerung ist eine Folge des im Jahre 1960 erlassenen Ersten Neuordnungsgesetzes, das nicht nur beträchtliche Leistungsverbesserungen, sondern auch neue Leistungsarten, vor allem den Berufsschadensausgleich und die Schwerstbeschädigtenzulage, gebracht hat. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß durch den natürlichen Rückgang der Zahl der Versorgungsberechtigten, insbesondere durch das Heranwachsen der Waisen, die Leistungsverbesserungen einem immer kleiner werdenden Personenkreis zugute kommen. So erklärt es sich andererseits auch, daß die Aufwendungen in der Kriegsopferversorgung im Jahre 1962 voraussichtlich um 191 Millionen DM niedriger sein werden, als sie im Jahre 1961 angefallen sind.
Gestatten Sie mir, daß ich hier eine grundsätzliche Bemerkung einflechte. - Das im Jahre 1960 verabschiedete Erste Neuordnungsgesetz hat wesentlich höhere Aufwendungen für den Bundeshaushalt gebracht, als der Regierungsentwurf damals vorgesehen hatte. Während die Bundesregierung für die Neuordnung auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung Mehraufwendungen von jährlich 550 Millionen DM veranschlagt hatte, hat das Hohe Haus durch weitergehende Verbesserungen den Bedarf auf 1,2 Milliarden DM erhöht. Die Bundesregierung hat dem Gesetz gemäß Art. 113 des Grundgesetzes nur mit der Maßgabe zugestimmt, daß die in den folgenden Jahren durch den natürlichen Rückgang der Zahl der Versorgungsberechtigten zu erwartenden Minderausgaben zur Deckung der gesetzlichen Kriegsopferansprüche herangezogen werden, d. h. daß diese Minderausgaben so lange nicht zur Begründung neuer Leistungsverbesserungen dienen sollten, als das von der Bundesregierung angesetzte zusätzliche Finanzvolumen von 550 Millionen DM nicht unterschritten wird. Das ist bisher nicht der Fall gewesen.
Die Ausgaben für die soziale Sicherung im weiteren Sinne - einschließlich der Leistungen nach dem Gesetz zu Art, 131 des Grundgesetzes, aber ohne die
Leistungen für den sozialen Wohnungsbau - stehen mit 14,712 Milliarden DM oder 28,5 v. H. der Gesamtausgaben des Bundes an zweiter Stelle. Die Ausgaben für die innere und die äußere Sicherheit der Bundesrepublik belaufen sich demnach auf rd. 32,9 Milliarden DM oder 63,9 v. H. des Gesamtausgabevolumens.
Setzt man die gesamte Abgabenbelastung für soziale Zwecke in Vergleich zu dem Sozialprodukt, so ergibt sich für das Jahr 1962 voraussichtlich eine Gesamtbelastung von 12,7 v. H. Mit ihrem Sozialaufwand steht die Bundesrepublik an der Spitze der Staaten der westlichen Völkergemeinschaft.
Die weitere Förderung des Verkehrswesens, insbesondere dessen Anpassung an das erheblich gewachsene Verkehrsaufkommen, bedingen auch im Rechnungsjahr 1962 wieder einen erhöhten Einsatz von Bundesmitteln. Mit einem Gesamtvolumen von rund 4,6 Milliarden DM werden die Verkehrsausgaben des Bundes im Rechnungsjahr 1962 um rund 840 Millionen DM über den tatsächlichen Ausgaben des Vorjahres liegen.
Für den Straßenbau sind rund 2,4 Milliarden DM veranschlagt. Die Straßenbaumittel sind damit in Auswirkung der im Straßenbaufinanzierungsgesetz verankerten Zweckbindung der Mineralölsteuer um weitere 240 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
An den Ausgabesteigerungen des Haushalts 1962 auf dem Verkehrssektor nimmt auch die Deutsche Bundesbahn im erheblichem Umfange teil. Für sie sind im Rechnungsjahr 1962 insgesamt 1327 Millionen DM vorgesehen. Der Mehrbetrag von rund 400 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr dient der weiteren Rationalisierung des Betriebsdienstes der Bahn. Darüber hinaus beabsichtigt die Bundesregierung, der Deutschen Bundesbahn für eine Anleihe in Höhe von 500 Millionen DM den gesamten Kapitaldienst abzunehmen. Damit werden der Deutschen Bundesbahn im Rechnungsjahr 1962 insgesamt über 1,8 Milliarden DM finanzielle Verfügbarkeiten durch den Bund zugeführt werden.
Bei der Erhöhung der Ansätze für- die Deutsche Bundesbahn habe ich mich von dem Gedanken leiten lassen, daß ihre wirtschaftliche Gesundung nur durch eine verstärkte Rationalisierung und Modernisierung möglich ist. Bei einer realistischen Betrachtungsweise muß man sich allerdings auch darüber im klaren sein, daß der Deutschen Bundesbahn als arbeitsintensivem Dienstleistungsbetrieb von der Struktur her Grenzen in der Mechanisierung und Automatisierung gesetzt sind. Die Bundesregierung glaubt, mit den vorgesehenen Zuwendungen die von ihrer Seite notwendigen und möglichen Voraussetzungen für die weitere Rationalisierung der Bundesbahn geschaffen zu haben.
Entsprechend der wachsenden Bedeutung des Luftverkehrs für den modernen Industrie- und Handelsstaat sind die Ausgaben auf diesem Gebiet im Haushalt 1962 gegenüber denen des Rechnungsjahres 1961 von rund 158 Millionen DM um rund 57 Millionen DM auf 215 Millionen DM erhöht worden. Mit Hilfe dieser Mittel muß es möglich sein, die für den Luftverkehr notwendigen Bodenanlagen der raschen Fortentwicklung der Flugzeuge anzupassen wie auch den Anteil der Deutschen Lufthansa AG am innerdeutschen, europäischen und außereuropäischen Luftverkehr ihrer Bedeutung entsprechend zu sichern.
Bezüglich der Deutschen Lufthansa bin ich, wie die meisten meiner europäischen Kollegen, in der wenig beneidenswerten Lage, die Kosten für die Umstellung auf den Düsenluftverkehr und für den damit zunächst verbundenen Kapazitätsüberhang im Weltluftverkehr abdecken zu müssen. Im Rechnungsjahr 1962 werden für die Deutsche Lufthansa Investitionszuschüsse in Höhe von 40 Millionen DM und Mittel für die Abdeckung von Betriebsverlusten in Höhe von 45 Millionen DM bereitgestellt. Die Erwartungen, die von den Luftverkehrsgesellschaften sowohl hinsichtlich der Betriebskosten als auch hinsichtlich des Ausnutzungsgrades an ,die neuen Flugzeugmuster gestellt wurden, haben sich bisher leider nicht erfüllt.
Für den Ausbau, den Betrieb und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen sind für das Rechnungsjahr 1962 Mittel in Höhe von 437,5 Millionen DM vorgesehen; ,das sind rund 45 Millionen DM mehr als im Vorjahr.
Auch die Seeschiffahrt muß in diesem Jahr wieder aus dem Bundeshaushalt gefördert werden. Bekanntlich hat der Bund in den ersten Aufbaujahren beträchtliche Hilfen geleistet. Die Bundesregierung hatte geglaubt, daß damit für die Seeschiffahrt eine ausreichende Grundlage geschaffen sei. Die ungewöhnlich lang anhaltende Frachtenbaisse, hervorgerufen durch ein weltweites Überangebot an Laderaum, hat einen Teil ,der Reedereien erneut in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Nach eingehender Erörterung hat sich die Bundesregierung auf meinen Vorschlag hin bereit erklärt, eine Hilfe von je 80 Millionen DM in den Jahren 1962 und 1963 in den Bundeshaushalt aufzunehmen.
Die Bundesregierung schlägt für 1962 trotz der Finanzlage des Bundes vor, die Förderungsmittel für Ernährung und Landwirtschaft weiter zu verstärken, um die Anpassung der Landwirtschaft an die veränderte Wirtschaftsstruktur und ihre allmähliche Einfügung in den gemeinsamen europäischen Markt zu erleichtern. Das Haushaltsvolumen einschließlich des Grünen Plans steigt gegenüber dem Vorjahr um rund 400 Millionen DM auf rund 3667 Millionen DM. Für den Grünen Plan 1962 sind hierin 2060 Millionen DM enthalten, wozu Bindungsermächtigungen über 52 Millionen DM treten.
Ich darf daran erinnern, daß der Grüne Plan sich 1962 auf 1550 Millionen DM belief. Rechnet man die 300 Millionen für ,die einmaligen Sondermaßnahmen für Familienbetriebe aus dem Normalhaushalt 1961 hinzu, so kommt man auf 1850 Millionen DM. Bei einem Ansatz für 1962 von 2060 Millionen DM ergibt sich ein Mehr von 210 Millionen DM.
Dieses rechnerische Mehr gibt die tatsächliche Verbesserung des Grünen Plans 1962 jedoch nur unvollständig wieder. In den 300 Millionen DM an einmaligen Sondermitteln für 1961 war ein Betrag von 100 Millionen DM für Staatskredite enthalten,
Diese 100 Millionen DM Staatskredite werden 1962 durch zinsverbilligte Kapitalmarktkredite ersetzt.
Während 1961 aus den bereitgestellten Zinszuschüssen nur ein Kapitalvolumen von rund 600 Millionen DM auf einen tragbaren Zinssatz verbilligt werden konnte, wird es 1962 mit den veranschlagten höheren Zinszuschüssen möglich sein, der deutschen Landwirtschaft ein Kreditvolumen von etwa 1100 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, mithin 500 Millionen DM mehr als im vergangenen. Jahr. Rechnet man hiervon die 1961 aus dem Haushalt bereitgestellten Darlehensmittel von 100 Millionen DM ab, so stehen für 1962 400 Millionen DM mehr zur Verfügung.
Durch den Ersatz der im Vorjahr aus den einmaligen Sondermitteln bereitgestellten 100 Millionen DM Staatskredite durch zinsverbilligte Kredite im Jahre 1962 sind zusätzlich Mittel in gleicher Höhe - nämlich 100 Millionen DM - für andere Maßnahmen des Grünen Plans 1962 frei geworden.
Somit stehen für Zwecke des Grünen Plans 1962 300 Millionen DM mehr zur Verfügung. Zusammen mit den eben genannten höheren Kreditmöglichkeiten im Betrage von 400 Millionen DM ergeben sich gegenüber dem Vorjahre zusätzliche finanzielle Verfügbarkeiten für Zwecke des Grünen Plans 1962 von 700 Millionen DM. Die Bundesregierung hat damit ihren Willen zum Ausdruck gebracht, der Landwirtschaft jede Unterstützung bei den nun erforderlichen Anpassungen zuteil werden zu lassen.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 24. Januar 1962 vor dem Hohen Haus eine Erklärung der Bundesregierung über die in Brüssel gefaßten Beschlüsse für eine gemeinsame Agrarpolitik in der EWG abgegeben. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, um Ihre Zeit nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen, sondern nur auf folgendes hinweisen.
Insbesondere gehört die Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in den europäischen Markt zu den Fragen, die im Vordergrund stehen. Die vom Ministerrat der EWG beschlossenen Verordnungen für einen Gemeinsamen Markt werden beim Agrarhaushalt voraussichtlich schon im Jahre 1962 zusätzliche finanzielle Belastungen für den Bundeshaushalt bringen. Über das Ausmaß können zur Zeit jedoch noch keine Angaben gemacht werden. Die Bundesregierung hat. daher im Einzelplan 10 bisher nur vorsehen können, daß in erster Linie Mehreinnahmen und Minderausgaben aus Anlaß der Eingliederung zur Deckung der zu erwartenden Mehrausgaben herangezogen werden sollen.
Zur Behebung der akuten Notlage der deutschen Seefischerei sind zeitlich begrenzte Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur - nämlich Abwrackhilfen und Neubaudarlehen - wie auch eine Fangprämie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorgesehen. Die sich daraus für den Bundeshaushalt gegenüber dem Jahre 1961 ergebende Mehrbelastung wird sich auf 43 Millionen DM belaufen.
Eine ständig wachsende Bedeutung für den Bundeshaushalt kommt der Entwicklungshilfe zu. Die
Bundesregierung setzt sich nach besten Kräften dafür ein, daß die Bundesrepublik Iden Entwicklungsländern beim Aufbau einer gesunden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung hilft, zur Hebung des Lebensstandards in diesen Ländern beiträgt und ihre Eingliederung in die Weltwirtschaft fördert.
Um dies zu erreichen, sollen nicht zuletzt im Vordergrund der Entwicklungspolitik der Bundesregierung Maßnahmen stehen, die der Förderung von Leistungen der privaten Wirtschaft dienen, weil die private Initiative Lösungen 'erwarten läßt, die auf die Dauer den wirtschaftlichen und technischen Bedingungen der Entwicklungsländer am besten gerecht werden dürften. Der Bund setzt deshalb auch im Jahre 1962 sein Bemühen fort, die Initiative der privaten Wirtschaft auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe zu fördern. Im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1962 ist für Liefergeschäfte mit dem Ausland ein Bürgschaftsrahmen von 14 Milliarden DM vorgesehen, der erfahrungsgemäß fast ausschließlich für Lieferungen an Entwicklungsländer ausgenutzt wird. Weiterhin ist im Entwurf des Haushaltsgesetzes für andere Leistungen an Entwicklungsländer, insbesondere für langfristige Kredite und Kapitalanlagen, ein solcher von 7 Milliarden DM vorgesehen. Außerdem werden Kapitalanlagen in Entwicklungsländern durch die 1961 eingeführten Vergünstigungsvorschriften des § 34 d des Einkommensteuergesetzes gefördert.
Daneben bedarf es jedoch vielen Entwicklungsländern einer ergänzenden Hilfe aus den Staatshaushalten. Deshalb hat die Bundesregierung auch in diesem Jahr nicht unerhebliche Mittel für technische Hilfe und Kapitalhilfe in den Bundeshaushalt eingestellt. Insgesamt sind im Bundeshaushaltsplan 1962 rund 2,6 Milliarden DM für Entwicklungshilfe vorgesehen.
Neben diese Leistungen aus dem Bundeshaushalt treten diejenigen, die aus dem ERP-Sondervermögen aufgebracht werden. 1962 handelt es sich dabei um einen Beitrag von 200 Millionen DM.
Als Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft trägt die Bundesrepublik vor allem auch bei zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von überseeischen - insbesondere afrikanischen - Staaten und Gebieten, die bei Abschluß der Römischen Verträge besondere Beziehungen mit EWG- Ländern hatten. Gegenwärtig wird die mit der EWG abgeschlossene Assoziierung dieser Staaten und Gebiete für einen zweiten Fünfjahresabschnitt neu gestaltet. Wie schon in den vergangenen Jahren, so wird auch in Zukunft durch die Entwicklungshilfe, die mit dieser Assoziierung verbunden ist, der Bundeshaushalt nicht unerheblich belastet werden.
Der Bundeshaushalt leistet außerdem über eine Vielzahl von internationalen Organisationen gewisse Entwicklungshilfen. Hierauf will ich nicht näher eingehen, zumal die bilateralen und die über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vergebenen Mittel das Schwergewicht unserer Entwicklungshilfe darstellen. Im Hinblick auf die vielfältigen Formen wird aber das Gebot einer ständigen Abstimmung der Einzelmaßnahmen immer dringender, insBundesminister Dr. Starke
besondere wenn mit der Zeit ein wachsender Anteil unserer Hilfe infolge von Assoziierungen über die EWG bereitgestellt werden sollte. Ein zweckmäßiger Einsatz der Entwicklungshilfe des Bundes wird besonders deshalb erforderlich sein, weil die gestiegenen und in Zukunft weiter steigenden Ausgaben für die innere und äußere Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik eine ständige Überprüfung unserer Aufbringungsmöglichkeiten erzwingen werden. In all diesen Fragen liegen große und sowohl politisch wie auch finanzpolitisch bedeutsame Aufgaben für das neue Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
In letzter Zeit mußte ich mich - wenn ich das hier anschließen darf, meine sehr geehrten Damen und Herren - wiederholt mit der Forderung nach Senkung der Kaffee- und Teesteuer auseinandersetzen. Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß ich mich dieser Forderung zu meinem Bedauern nicht habe anschließen können. Bei einem Nachgeben in diesem Augenblick würde eine Deckungslücke im Bundeshaushalt aufgerissen, die im Zusammenhang mit der nun zur Genüge bekannten finanzpolitischen Situation des Bundes zur Aufgabe der Pläne bei der Einkommensteuer und Lohnsteuer führen oder andererseits den letzten Anstoß zu einer Steuererhöhung geben könnte; das liegt in niemandes Interesse. Im übrigen würden selbst bei einer finanzpolitisch nicht zu verantwortenden völligen Beseitigung der Kaffee- und Teesteuer den Entwicklungsländern auf keinen Fall mehr zusätzliche Aufträge als in Höhe von vielleicht 70 bis 80 Millionen DM zufließen. Der Bundeshaushalt müßte dagegen auf Deckungsmittel in Höhe von etwa 840 Millionen DM an Kaffee- und Teesteuer verzichten, was bei der gegebenen Finanzlage zu einem Ausfall bei der finanziellen Verfügbarkeit für die Entwicklungshilfe führen könnte, der unvergleichlich größer ist als der Betrag für die höheren Kaffee-Einkäufe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der Erläuterung der großen, den Bundeshaushalt in. erster Linie bestimmenden Ausgabenblöcke möchte ich nun auch kurz auf die wesentlichen Veränderungen in anderen Einzelplänen eingehen. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung soll entsprechend der Empfehlung des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen in diesem Jahre in verstärktem Maße fortgesetzt werden. Die Mittel sollen deshalb von 150 Millionen DM auf 250 Millionen DM erhöht werden. Durch diese Veranschlagung wird dem Gesamtplan des Wissenschaftsrates entsprochen, wonach der Bund und die Länder je 1 Milliarde DM innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren aufbringen sollen. Der Zuschuß des Bundes für die Deutsche Forschungsgemeinschaft steigert sich von 42,4 Millionen DM auf 68 Millionen DM. Für die Max-Planck-Gesellschaft werden 25,4 Millionen DM bereitgestellt, was eine Verdoppelung des Zuschusses des Bundes bedeutet. Die Mittel für die Förderung der Studenten nach dem Honnefer Modell sind um 15,8 Millionen DM auf über 83 Millionen DM erhöht worden.
Für den Wohnungsbau sind über 1,5 Milliarden DM vorgesehen. Die Länder erhalten auf Grund der
Neuregelung der Aufbringung der Mittel für die „Wohnungsbauprämien" für den sozialen Wohnungsbau insgesamt mehr Bundesmittel als im Jahre 1961. Im wesentlichen ist hierauf auch die Erhöhung der Gesamtausgaben gegenüber dem Vorjahr um 83 Millionen DM zurückzuführen. Es ist ferner vorgesehen, auch weiterhin die Instandsetzung und Modernisierung von Wohngebäuden zu fördern. Die Bundesregierung mißt diesen Maßnahmen, die der Sanierung des Althausbesitzes dienen, besondere Bedeutung bei.
Auf dem Gebiet der Wiedergutmachung werden die Leistungen auch im Rechnungsjahr 1962 unvermindert hoch sein. Allein für die Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes, dessen finanzielle Aufwendungen der Bund zu rund 55 v. H. und die Gesamtheit der Länder zu rund 45 v. H. tragen, muß der Bund in diesem Jahr 1,2 Millarden DM aufbringen. Bisher sind von Bund und Ländern für die Durchführung dieses Gesetzes bis zum 31. Dezember 1961 rund 11,5 Milliarden DM gezahlt worden. Weitere 8,5 Milliarden DM werden noch für die Durchführung des Gesetzes in der jetzt geltenden Fassung erforderlich sein.
Die weiteren Beträge aus diesem Haushaltsansatz in Höhe von 0,3 Milliarden DM sind für die Zahlungen an die verschiedenen europäischen Länder vorgesehen, mit denen die Bundesrepublik in den letzten Jahren Globalabkommen zugunsten der in diesen Ländern befindlichen Verfolgten der NS-Gewaltherrschaft abgeschlossen hat. Außerdem sollen aus diesem Haushaltsansatz die Leistungen an die Fonds bestritten werden, die zugunsten bestimmter Gruppen von Verfolgten errichtet worden sind.
Für die Durchführung des Bundesrückerstattungsgesetzes wird nach den Erfahrungen der letzten Jahre der in Ansatz gebrachte Betrag von 470 Millionen DM erforderlich sein, um die nach dem geltenden Recht festgesetzten Leistungen bewirken zu können. Bisher sind nach diesem Gesetz 1,2 Milliarden DM gezahlt worden. Nach der bisherigen Fassung werden noch weitere 700 Millionen DM zu zahlen sein.
Eine Überprüfung des Bundesentschädigungsgesetzes und des Bundesrückerstattungsgesetzes wird im Bundesfinanzministerium bearbeitet.
Auf die große Bedeutung des Lastenausgleichsgesetzes im Rahmen der großen Finanzgesetze des Bundes darf ich an dieser Stelle hinweisen. Das Rechnungsjahr 1961 hat die in ihrem finanziellen Gewicht bedeutsamste Novelle zum Lastenausgleichsgesetz gebracht. Dieses 14. Änderungsgesetz konnte in Auswirkung der bisherigen günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik die Leistungen des Lastenausgleichs, insbesondere bei der Hauptentschädigung und bei der Kriegsschadenrente, wesentlich verbessern.
Einnahmen und Ausgaben des Ausgleichsfonds beliefen sich im Rechnungsjahr 1961 auf rund 4 Milliarden DM. Die Ausgaben für die Hauptentschädigung sind gegenüber den Vorjahren wesentlich - auf nunmehr annähernd 1,2 Milliarden DM - angestiegen. Damit wird die von der Bundesregierung gewünschte Verlagerung des Schwerpunkts der Lei616
stungen des Lastenausgleichs auf die Auszahlung der Hauptentschädigung immer deutlicher. Die Bundesregierung wird auch im Rechnungsjahr 1962 ihr besonderes Augenmerk auf die Möglichkeiten richten, die zu einer beschleunigten Auszahlung der Hauptentschädigung führen können. Außerdem stiegen in Auswirkung der 14. Novelle die Ausgaben für die Unterhaltshilfe im vergangenen Rechnungsjahr auf 1 Milliarde DM. Die bei der Unterhaltshilfe eingetretenen Verbesserungen begrüßt die Bundesregierung insbesondere auch im Hinblick auf die früher Selbständigen, die nur auf diese Unterhaltshilfe angewiesen sind.
Insgesamt wurden für Entschädigungsleistungen bisher mehr als 42 Milliarden DM aufgewendet.
Im Zuge des Abschlusses der Kriegsfolgengesetzgebung werden im Bundesfinanzministerium die in § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorbehaltenen Gesetze bearbeitet.
Auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts sind für das Rechnungsjahr 1962 Forderungen erhoben worden, die Mehraufwendungen in sehr erheblichem Umfang nötig machen würden. Bereits im Jahre 1961 sind durch Tarifverträge, durch eine 8%ige Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge und infolge erheblicher Verbesserungen des Versorgungsrechts jährliche Mehraufwendungen für Bund, Bahn und Post von nahezu 2 Milliarden DM zugestanden worden. Neue Forderungen für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes und die Beamten würden - so wie die Forderungen gestellt worden sind - einen Mehraufwand in Höhe von etwa 1,73 Milliarden DM bedingen. Für diese Mehrforderungen von etwa 1,73 Milliarden DM sind Mittel im Haushaltsplan nicht veranschlagt. Darüber hinaus können gewisse gesetzgeberische Maßnahmen der Länder auf dem Gebiet des Beamtenrechts auch den Bund zu gleichartigen Maßnahmen zwingen, die sehr erhebliche Mittel erfordern würden. Gerade hier macht sich in gefährlicher Weise die Auseinanderentwicklung des Beamtenrechts bei Bund, Ländern und Gemeinden bemerkbar. Die Bundesregierung wird entscheidendes Gewicht darauf legen müssen, gemeinsam mit den Ländern eine Lösung zu finden, die auf dem Gebiet der Besoldung eine einheitliche Regelung - nicht zuletzt auch im Interesse der Beamtenschaft selbst - wiederherstellt.
Wir kommen nun zur Deckung des Haushalts 1962. Schon eingangs habe ich die Schwierigkeiten der Abdeckung des Haushalts mit denen des Haushaltsjahres 1951 verglichen, als u. a. die Besatzungskosten sich verdoppelten. Dem Mehrbedarf von 8,1 Milliarden DM - das sind fast 20 vH des letztjährigen Haushaltsvolumens - stehen ordentliche Mehreinnahmen von nur noch 4,9 Milliarden DM gegenüber, und zwar 4,5 Milliarden DM Steuermehreinnahmen und 0,4 Milliarden DM sonstige Mehreinnahmen. Damit werden erstmalig die gewaltig gestiegenen Ausgaben auch von hohen Steuermehreinnahmen nicht mehr gedeckt werden.
Durch Erhöhung der außerordentlichen Einnahmen um 300 Millionen DM auf insgesamt 1,8 Milliarden DM konnte die Deckungslücke auf 2,9 Milliarden DM herabgedrückt werden. Eine Kreditaufnahme von 1,8 Milliarden DM erscheint vertretbar. Davon sollen 1 Milliarde DM auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden, womit die obere Grenze für die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts erreicht sein dürfte, wie auch die Abstimmung mit der Notenbank ergeben hat. Der weitere Kreditbedarf muß mittel- und kurzfristig finanziert werden.
Die gerade in diesen Tagen gegen den Bund erhobenen Vorwürfe, daß er nicht einen höheren Anteil seiner Gesamtausgaben durch Anleiheaufnahme deckt, muß ich zurückweisen. Die Möglichkeiten einer Kreditaufnahme werden nicht allein durch das Kreditbedürfnis und den Anteil der Anleihen an den gesamten Deckungsmitteln, sondern entscheidend durch die Ergiebigkeit des Kapitalmarktes bestimmt. In den letzten Jahren hat der Bund zwar-infolge der Entwicklung des Steueraufkommens - den Kapitalmarkt kaum beansprucht. Aber auch der Bund hat, das möchte ich ausdrücklich hervorheben, einen legitimen Anspruch, an den Kapitalmarkt heranzutreten, um seinen außerordentlichen Haushaltsbedarf zu finanzieren.
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Der Bund wird hierbei auch in der Zukunft auf die allgemeine Kapitalmarktlage und im Zusammenhang damit auf die Belange anderer Stellen der öffentlichen Hand und auf die Interessen der Wirtschaft Rücksicht nehmen.
Der Staatsbedarf sollte in angemessenem Umfang über Anleihen, d. h. in einer Form finanziert werden, die nicht Aufbau von Staatseigentum bedeutet, sondern der Vermögensbildung der Staatsbürger Spielraum läßt. Dies entspricht der Gesamtverantwortung des Bundes in politischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht. Bedauerlich ist nur, daß der Übergang zur Fremdfinanzierung - entgegen meinen Vorstellungen - nicht unter gleichzeitiger Entlastung des Steuerzahlers geschehen kann, sondern aus der finanziellen Notlage heraus zur Aufstokkung der Einnahmen erforderlich ist, um wenigstens eine zusätzliche Belastung der Steuerzahler zu vermeiden.
Die trotz der Kreditaufnahme verbleibende Deckungslücke von fast 3 Milliarden DM kann nur durch außergewöhnliche Maßnahmen geschlossen werden. Die Bundesregierung hat hierzu eine Minderausgabe von rund 1,2 Milliarden DM und einem Länderbeitrag zum Bundeshaushalt von 1,74 Milliarden ,DM veranschlagt.
Die Veranschlagung einer Minderausgabe von rund 1,2 Milliarden DM rechtfertigt sich aus zwei Gründen: In Höhe von etwa der Hälfte dieses Betrages ist eine kassenmäßige Entlastung des Haushalts 1962 dadurch möglich gewesen, daß gegen Ende des abgelaufenen Rechnungsjahres 1961 einige größere, ursprünglich erst für 1962 geplante Ausgaben - insbesondere zur beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft - zeitlich vorgezogen worden sind. Die andere Hälfte des Minderausgabebetrages von genau 620 Millionen DM ist der haushaltsmäßige Gegenposten für die von der Bundesregierung auf meinen Vorschlag vorgesehene zwölfprozentige Kürzung aller nicht auf Gesetz oder rechtlicher Verpflichtung 'beruhenden AusBundesminister Dr. Starke
gaben. Die Bundesregierung hat sich nur unter Zurückstellung schwerwiegendster Bedenken bereit gefunden, zu dem System der globalen Kürzung zurückzukehren. Es ist bekannt, daß die allgemeinen Kürzungsvorschriften solcher Art das Kontrollrecht des Parlaments einschränken, die Bewirtschaftung des Haushalts sehr erschweren und der Verwaltung kaum vertretbare Mehrarbeiten auflasten.
Wenn ich jetzt im ersten Jahr meiner Tätigkeit als Bundesfinanzminister trotzdem zu diesem Verfahren zurückkehre, dann nur, wie ich bereits eingangs meiner Rede sagte, weil es mir die knappe Zeit unmöglich macht, den gesamten Haushalt noch einmal durchzuarbeiten und gezielte Kürzungen anzubringen. Wenn es diesem Hohen Hause bei der Einzelberatung gelingt, die globale Kürzung durch gezielte Einsparungen zu ersetzen, so würde dies durchaus im Sinne der von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungsmaßnahmen liegen und von der Bundesregierung begrüßt werden.
Die schwierige finanzielle Situation und vor allem die knappe Zeit haben die Bundesregierung auch gezwungen, ohne längere Vorverhandlungen in den Haushaltsentwurf einen Länderbeitrag als Deckungsmittel einzusetzen. Das Wort Länderbeitrag ist hierbei als neutraler Ausdruck gewählt worden, um dadurch deutlich zu machen, daß die Bundesregierung gewillt ist, im Zusammenwirken mit den Ländern für 1962 auf dem Verhandlungswege zu einer Übergangs- und Notlösung zu gelangen. Die finanzpolitische Situation im Bund ist auf alle Fälle so zugespitzt, daß an ,die Mitverantwortung der Länder appelliert werden muß.
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Die Länder haben im Prinzip dieses Verfahren nicht beanstandet und, wie die Verhandlungen im Bundesrat gezeigt haben, ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, einen Beitrag zum Ausgleich des Bundeshaushalts 1962 zu leisten. Beanstandet wurde vom Bundesrat lediglich .die Höhe des Länderbeitrages.
Die dem Hohen Hause vorliegenden Bemerkungen des Bundesrats zum Bundeshaushalt haben vor allem zum Ziel, durch entsprechende Änderungsvorschläge - Erhöhung von Einnahmen und Kürzung von Ausgaben - den Länderbeitrag von 1,74 Milliarden DM auf 838 Millionen DM herabzusetzen. Die Bundesregierung hat zu jedem Vorschlag ausführlich Stellung genommen. Ich darf mich insoweit auf die vorliegende Drucksache beziehen.
Ich darf daran erinnern, daß ich bei den Erörterungen mit den Länderfinanzministern und im Bundesrat wiederholt betont habe, daß die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister gewillt sind, im Verhandlungswege mit den Ländern zu einer Einigung zu kommen. Ich möchte diesen Willen hier erneut bekunden; zugleich darf ich annehmen, daß das Hohe Haus Verständnis dafür haben wird, daß ich durch weitere Ausführungen dem Ergebnis der wieder !in Gang befindlichen Verhandlungen nicht vorgreifen möchte.
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Erwähnen darf ich jedoch erstens die grundsätzliche Frage, ob eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der wissenschaftlichen Forschung, soweit sie überregionale Aufgaben erfüllt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Bundesrat hat hierzu keine endgültige Stellung bezogen; er hat vorgeschlagen, wohl den Haushaltsansatz, nicht aber den Haushaltstitel für Wissenschaftsförderung zu streichen. Die Bundesregierung ist - unbeschadet der Rechtsfragen - vor allem der Auffassung, daß an der Finanzierungswirklichkeit, wie sie in den Jahren seit der Errichtung des Bundes gewachsen ist, nicht ohne Nachteil für die Wissenschaft vorbeigegangen werden kann.
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Der Bundesinnenminister wird zu diesen Fragen im Zusammenhang mit den großen Anfragen der drei Parteien in diesem Hohen Hause in den nächsten Tagen ausführlich Stellung nehmen.
Zweitens. Ich habe den Auftrag gegeben, die Schätzung der Steuereinnahmen für 1962 noch einmal zu überprüfen, damit nun wirklich die letzten Aufkommenszahlen und die neuesten Erkenntnisse über die voraussichtliche weitere wirtschaftliche Entwicklung ausgewertet werden. Der Bundestag erhält auf diese Weise für die wichtigsten Entscheidungen zuverlässiges, weil zeitnahes Material.
Drittens. Gegen den Vorschlag des Bundesrates, alle über der Schätzung liegenden Mehreinnahmen des Bundes bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf einen Länderbeitrag anzurechnen, bestehen ernste verfassungsrechtliche und haushaltsmäßige Bedenken. Dies gilt selbst dann, wenn der Länderbeitrag auch nur davon abhängig gemacht werden sollte, daß die gesamten Steuereinnahmen des Bundes - also nicht nur diejenigen aus dem Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer - den Voranschlag nicht übersteigen.
Eine solche Lösung würde im Widerspruch zu dem Grundgedanken des Art. 106 Absatz 4 des Grundgesetzes stehen, nach dem Bund und Länder gleichmäßigen Anspruch auf Deckung ihrer Bedürfnisse haben. Außerdem würde dadurch der Bundesregierung jede Elastizität im Vollzug des Haushalts und zugleich dem Bundeshaushalt die Ausgleichsfunktion genommen, die ihm im Rahmen des Gesamtstaates zukommt. Dies zeigt sich gerade jetzt gelegentlich der Flutkatastrophe mit aller Deutlichkeit.
Die Deckung des Bundeshauhalts durch einen freiwilligen Beitrag der Länder ist nur als Übergangs- und Notlösung für dieses Rechnungsjahr zu vertreten.
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Wie ich schon erwähnt habe, läßt die allgemeine Haushaltsentwicklung erkennen, daß es sich nicht um die Deckung eines vorübergehenden Mehrbedarfs des Bundes handelt, sondern um eine langfristige Verschiebung der Deckungsbedürfnisse bei Bund und Ländern. Das Anwachsen des Finanzbedarfs des Bundes zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unter Anpassung an die internationale wirtschaftliche Verflechtung, zur Stärkung Berlins und zur beschleunigten Herstellung der vollen Verteidigungsbereitschaft führt zu unerwarteten Steigerungen der Ausgaben des Bundes618
haushalts. Auf der anderen Seite bleibt die Entwicklung der Einnahmen des Bundes hinter der Einnahmeentwicklung bei den Ländern in einem Umfang zurück, daß eine gleichmäßige Deckung der Ausgaben des Bundes und der Länder für die Zukunft offensichtlich nicht mehr gewährleistet ist.
Nach Auffassung der Bundesregierung muß deshalb geprüft werden, wie eine den wirtschafts- und finanzpolitischen Bedürfnissen und ihren Veränderungen entsprechende Aufteilung der Gesamtfinanzmasse gewährleistet werden kann. Dabei dürfen auch die Fragen der Gemeindefinanzreform, die - wie bekannt - unlösbar mit der Bundesgesetzgebung zur Einheitsbewertung, zur Grundsteuer und zur Gewerbesteuer zusammenhängen, nicht außer acht gelassen werden.
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Schließlich gilt das auch für die gerade jetzt wieder stark betonte Aufgabe der „sauberen Trennung" der Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Die Prüfungsergebnisse der von der Bundesregierung berufenen Sachverständigen-Kommission für die Finanzreform bleiben abzuwarten.
Die Steuerpolitik kann sich nur im Rahmen der geschilderten angespannten Finanzlage des Bundes bewegen. Außerdem dürfen alle Änderungen des Steuerrechts in dieser Legislaturperiode, soweit sie grundsätzlicher Art sind, nur im engsten Zusammenhang mit den Fragen der Finanzreform gesehen werden. Auch die noch zu erwähnenden Bestrebungen zur Harmonisierung wichtiger Steuern im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft müssen besonders beachtet werden. Im übrigen wird der Bundesfinanzminister über die Fragen der Steuerpolitik nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte eine Gesamtdarstellung geben.
Bei der Einkommensteuer sind vor allem im Jahre 1958 Änderungen durchgeführt worden, die Reformcharakter haben. Mit der Einführung des Splitting für die Ehegattenbesteuerung und dem damit zusammenhängenden gesenkten Tarif mit seiner starken Proportionalzone ist eine Basis geschaffen, auf der weiter aufgebaut werden kann. Als Mangel des Einkommensteuertarifs und damit auch des Lohnsteuertarifs wird aber - meiner Auffassung nach mit Recht - das relativ starke Ansteigen der Progression nach dem Übergang von der Proportionalzone zur Progressionszone empfunden, was gerade für Mittelstandseinkommen aller Art Bedeutung hat. Eine Korrektur des Tarifaufbaues besonders in diesem Bereich und notwendige Anpassungen im übrigen Teil des Tarifs, die sich hauptsächlich bei Arbeitnehmern auswirken, werden noch im Jahre 1962 mit Wirkung ab 1963 dem Hohen Hause vorgeschlagen werden.
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Bei der Körperschaftsteuer sind künftige Änderungen einerseits abhängig von der Aktienrechtsreform, andererseits von den Ergebnissen der Konzentrationsenquete. Auf alle Fälle müssen gewisse unerwünschte Auswirkungen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes auf die Wettbewerbsstellung ausländischer Unternehmen beseitigt werden.
Bei der Gewerbesteuer ist im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Ende Januar dieses Jahres eine Sofortmaßnahme erforderlich. Die Urteile sind für die Gewerbesteuer von einschneidender Bedeutung und wirken über die vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Vorschriften hinaus. Die finanziellen Auswirkungen dieser Urteile sind noch nicht voll zu übersehen; sie werden auch erst im Laufe der Zeit voll in Erscheinung treten. Wegen der notwendigen Maßnahmen sind die Erörterungen mit den beteiligten Ressorts und den Ländern im Gange.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen seine Untersuchungen über eine NettoUmsatzsteuer - die Mehrwertsteuer - nunmehr abgeschlossen. Die Bundesregierung muß aber im weiteren auch die Ergebnisse der Untersuchungen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Steuerharmonisierung in der EWG berücksichtigen. Die Kommission prüft unter Mitwirkung von Finanzwissenschaftlern und Steuerpraktikern die Frage, ob ein gemeinsames Umsatzsteuersystem in absehbarer Zeit die Abschaffung der Ausgleichsmaßnahmen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen und damit die Entstehung des europäischen Binnenmarktes fördern kann. Diese Untersuchungen werden in Kürze mit einer Empfehlung abgeschlossen werden. Der Bundesregierung wird damit weiteres wertvolles Material zur Verfügung stehen. Nach dessen Auswertung wird dann die Frage zu entscheiden sein, in welcher Weise in dieser Legislaturperiode eine Umsatzsteuerreform durchgeführt werden kann, die den Grundsätzen der Regierungserklärung entspricht.
Ich möchte auch ein Wort sagen zum schrittweisen Aufbau des Gemeinsamen Marktes innerhalb unserer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Anfang dieses Jahres hat die zweite Stufe der Verwirklichung der Vertragsziele begonnen. Dies ist ein großer Erfolg für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas. Die Integration erfaßt nunmehr nicht nur Maßnahmen, die dem Aufbau einer Zollunion dienen, sondern größere wirtschaftspolitische Aufgaben.
In diesem Zusammenhang werden auch steuerpolitische Fragen auftreten. Im EWG-Vertrag ist der Kommission die Aufgabe gestellt, die Möglichkeiten einer Harmonisierung der Umsatz- und Verbrauchssteuern zu prüfen. Ziel dieser Harmonisierung soll nicht zuletzt der Fortfall der Steuergrenzen innerhalb des Gemeinsamen Marktes sein.
Gegenwärtig steht im Vordergrund, daß mit dem Abbau der Zölle und der mengenmäßigen Beschränkungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes steuerliche Systemunterschiede im grenzüberschreitenden Warenverkehr fühlbarer als in der Vergangenheit werden. Die Bundesregierung wird sich hier vordringlich bemühen, steuerbedingte Verzerrungen im Rahmen der Vertragsvorschriften der EWG und der Montanunion zu beheben.
Damit habe ich dem Hohen Hause einen Überblick über den Bundeshaushalt und damit auch über den Stand der Bundesfinanzen und die Hauptprobleme unserer Finanzpolitik gegeben. Sie ersehen daraus, daß mit dem Jahre 1962 eine entscheidende Wende in der Finanzlage des Bundes eingetreten ist. Wir können nicht mehr wie bisher davon ausgehen, daß neue Ausgaben - insbesondere neben höherem Finanzbedarf aus bereits beschlossenen Gesetzen - durch hohe Steuermehreinnahmen abgedeckt werden.
Beim Bund ist diese neue Situation zuerst offenkundig geworden - gewissermaßen vorzeitig -, weil er in geringerem Umfang an den konjunkturbedingt besonders stark steigenden Steuereinnahmen Anteil hat, auf der anderen Seite aber gerade er mit dem Emporschnellen der Ausgaben für die äußere Sicherheit belastet ist. Auf jeden Fall müssen wir nun auch zuerst beim Bund die Dinge meistern und dazu klare Vorstellungen über unsere finanziellen Möglichkeiten und ihre Grenzen schaffen. Es gilt vor allem, das weitere starke Wachstum der öffentlichen Ausgaben auf allen Gebieten und auf allen Ebenen zu verhindern; auch das muß in der Sachverständigenkommission zur Finanzreform mitgeprüft werden.
Ich darf zunächst an die Bundesregierung und an dieses Hohe Haus appellieren, den Bund für 1962 nicht mit zusätzlichen Ausgaben zu belasten, weder im Haushalt noch durch neue Gesetze. Der Haushalt ist nur mit größter Mühe auszugleichen, die Notlösung für die Inanspruchnahme der Länder ist noch keineswegs unter Dach, Reserven des Bundes sind nicht vorhanden.
Noch viel mehr aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt dieser Appell für 1963 und die kommenden Jahre. Die Zeiten der übernormalen jährlichen Wachstumsraten der Wirtschaft liegen hinter uns: sie müssen auch angesichts der Ausschöpfung des Arbeitsmarktes hinter uns liegen, wenn nicht reales und nominelles Wachstum - wie schon im letzten Jahr - zum Nachteil der breiten Schichten unseres Volkes immer stärker auseinanderklaffen sollen. Das bedeutet nicht eine Krise an die Wand malen, sondern es bedeutet sich rechtzeitig auf eine Normalisierung einstellen. Verstärkter Wettbewerb auf der einen Seite und der Produktivitätsentwicklung immer stärker vorauseilende Kostensteigerung auf der anderen Seite werden die Gewinne und damit die Einnahmen aus gewinnabhängigen Steuern beeinflussen. Ab 1963 kann deshalb mit den bisherigen Wachstumsraten auch bei den Steuereingängen nicht mehr gerechnet werden. Demgegenüber ergibt sich ein Ausgabebedarf aus bestehenden Gesetzen und aus im Gespräch oder in der Beratung stehenden Anträgen in einer Höhe, die im umgekehrten Verhältnis zu den voraussichtlichen Einnahmemöglichkeiten steht.
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Das Bundeskabinett hat, um dieser Entwicklung zu steuern, auf meinen Vorschlag u. a. beschlossen, daß bei der Aufstellung des Haushalts 1963 die Ansätze des Haushalts 1962 grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen
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und daß unter Umständen sogar die Änderung bestehender Gesetze ins Auge gefaßt werden muß, um dieses Ziel zu erreichen. Ich hoffe auf die Zustimmung dieses Hohen Hauses, wenn ich daran gehen werde, von dieser Vollmacht mit aller Kraft Gebrauch zu machen.
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Gerade deshalb kommt es darauf an - worauf ich schon hinwies -, den Haushalt 1962 bald zu verabschieden, damit der Bundesfinanzminister sich der Vorbereitung des Haushalts 1963 zuwenden kann.
Das Bundeskabinett hat außerdem auf meinen Vorschlag beschlossen, sich durch Aufstellung eines Finanzplans einen Überblick über die künftige Entwicklung der Bundesausgaben zu verschaffen. Diese Übersicht über die voraussichtlichen finanziellen Anforderungen an die Bundeshaushalte 1962 bis 1964 zusammen mit der Übersicht über die voraussichtliche Entwicklung der Einnahmen soll die Grundlage bilden für die Entscheidung, welche Maßnahmen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Bundes vorrangig durchzuführen und welche Vorhaben zurückzustellen sind oder zu unterbleiben haben. Es ist ein erneuter Versuch, zu verhindern, daß mühsam ausgeglichene Haushalte durch den Finanzbedarf infolge neuer Gesetze sofort wieder aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Diese Bemühungen würden tatkräftig unterstützt werden, wenn wir uns in der Regierung und in diesem Hohen Hause darauf einigen könnten, daß grundsätzlich alle Gesetze mit erheblichen Finanzauswirkungen am 1. Januar eines Jahres, also zu Beginn des Haushaltsjahres, in Kraft treten.
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Das Hohe Haus möge mir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick gestatten. Wir haben in den 14 Jahren seit der Währungsreform in der Bundesrepublik große Erfolge auf vielen Gebieten aufzuweisen. Sie beruhen auf der richtigen Weichenstellung für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie für eine gesunde Währungs- und Finanzordnung, die die gleiche Regierungskoalition wie heute voll Zuversicht und Mut vor allem in den Jahren 1947 bis 1953 durchgesetzt hat.
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- Im Wirtschaftsrat, meine sehr geehrten Damen und Herren! - Diese Erfolge beruhen aber nicht weniger auf der harten Arbeit aller Bevölkerungsschichten, in Haus und Familie, in Betrieb und Büro, in Stadt und Land. Die Welt sah und sieht auf diese Erfolge, auf die mutigen Entscheidungen in Regierung und Parlament ebenso wie auf die Tüchtigkeit, das Geschick und den Arbeitswillen unseres Volkes.
Wir haben die größte Not und die Trümmer beseitigt; wir haben Wohnungen und Wirtschaft aufgebaut und damit die Arbeitslosigkeit beseitigt und
Millionen von Heimatvertriebenen und .Flüchtlingen eingegliedert; wir haben sodann an Kriegsopfer, Alter und Krankheit gedacht und haben ein großzügiges System von Sozialleistungen aufgebaut, über das ich Ihnen berichtet habe; wir bauen großzügig die Straßen aus, fassen - nicht gerade zu früh - das Schul- und Hochschulwesen an und fördern zunehmend Wissenschaft und Forschung; wir haben die Einkommen erhöht und haben einen Lebensstandard in breitesten Schichten unseres Volkes erreicht, den wir alle, wenn wir ehrlich vor uns sind, noch vor wenigen Jahren nach Niederlage und Zusammenbruch nicht für möglich gehalten hätten;
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wir haben außerdem die Wiedergutmachung in Angriff genommen, beteiligen uns an vielen internationalen Organisationen und Einrichtungen mit unseren Beiträgen, haben unsere Auslandsschulden weitgehend zurückgezahlt und nehmen in einem bedeutsamen Ausmaß an der Entwicklungshilfe im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und darüber hinaus in der freien Welt teil; schließlich haben wir - bedingt durch die außenpolitische Situation - von Jahr zu Jahr in stärkerem Umfang unsere Verteidigung aufgebaut, um nun, nach dem 13. August 1961, gemeinsam mit unseren Verbündeten in der freien westlichen Welt dem Ziel der Herstellung unserer vollen Verteidigungsbereitschaft im beschleunigten Tempo zuzustreben.
Wenn wir diesen Weg unseres Volkes in dem letzten Jahrzehnt betrachten, dürfen wir neben den
I) Erfolgen, von denen ich sprach, aber auch nicht übersehen, daß wir mindestens in den letzten Jahren versucht haben - um mit den Worten des britischen Schatzkanzlers Thorneycroft zu sprechen -, „mehr zu vollbringen, als unsere Kräfte zuließen". Mit diesen Warten gab der seinerzeitige britische Schatzkanzler Anfang 1958 ,seine Demission bekannt,
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und er hatte wohl nicht so unrecht, wenn wir die Schwierigkeiten seiner Nachfolger in Großbritannien !ins Auge fassen. Er sprach damals davon, daß Großbritannien zuviel gleichzeitg nebeneinander in die Tat umsetzen wolle, auf dem Gebiet der Rüstung wie auf dem Gebiet des Wohlfahrtsstaates im weitesten Sinne des Wortes. Dabei, so sagte er, sei man von einer Krise in die andere gerutscht, sei die Kaufkraft des Pfunds von 20 auf 12 Schilling gesunken. Er schloß mit den Worten: „Es ist eine nackte Tatsache, daß wir mehr Geld ausgegeben haben, als angebracht war."
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Wenn wir uns heute in der Bundesrepublik fragen: Geben wir nicht auch mehr Geld aus, als angebracht ist?, dann antworte ich aus tiefster Einsicht und Überzeugung: Ja, auch wir!
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Im Bund ist es aus den von mir genannten Gründen zuerst offenbar geworden; Länder und Gemeinden stehen insgeheim vor der gleichen Frage.
Der Zuwachs des Sozialprodukts wird für 1963 erheblich kleiner sein als für 1961 und auch für 1962. Die Steuermehreinnahmen werden deshalb kaum ausreichen, um die unabweisbaren Mehrausgaben für die äußere Sicherheit abzudecken, von anderen Gebieten gar nicht zu sprechen. Wollen wir nicht unserer außenpolitischen Gefährdung weitere innere Krisenherde zugesellen, so müssen wir uns rechtzeitig nach der finanziellen Decke strecken: in Regierung und Parlament, in der Bevölkerung und ihren Organisationen. Das Grundübel der letzten Jahre liegt eingeschlossen in dem Ruf und der Praxis, die eingerissen ist: Alles auf einmal!
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Gewiß, die Aufbaujahre standen unter dem unausweichlichen Druck der Unaufschiebbarkeit. Das hat zur Methode der ungeduldigen Häufung der Ausgaben auf allen nur denkbaren Gebieten geführt. Heute stoßen wir, was vorauszusehen war, an die Decke. Außerdem wissen wir, daß in unserer außenpolitischen Situation die Verteidigung und die äußere Sicherheit im Vordergrund stehen und stehen müssen. Wir müssen deshalb für die Durchführung aller öffentlichen Aufgaben eine Rangordnung festlegen, um Aufgabenschwerpunkte zu bilden und sie dann einmal zu wechseln. Es gibt andere, höchst wichtige Aufgaben, die trotzdem nicht gleiche Dringlichkeit haben, die nicht unter der entsetzlichen Datumsstarrheit stehen. In unserer akuten Finanznot werden wir hier den Mut zu ganzen Entschlüssen haben müssen. Was man in drei Jahren bewältigen wollte, kann auch in fünf Jahren noch ein Erfolg werden! Es gibt durchaus Aufgaben, bei denen nach dem alten gesunden Grundsatz: „Eines nach dem anderen" verfahren werden kann.
Wir können also den Bundeshauhalt 1963 und die folgenden Haushalte nur ordnen, wenn die Aufgaben und die Ausgaben nach einer Wertung sinnvoll auf mehrere Jahre verteilt werden. Man hat kürzlich von einer Bonner Füllhorn-Finanzpolitik gesprochen. Es ist jetzt an der Zeit, sie durch eine Finanzpolitik zu ersetzen, die auf einer festen Konzeption aufbaut, die genau geprüft und doch geschmeidig ist.
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Denken wir daran, daß Haushaltspolitik, wie alle Politik, die Kunst des Möglichen, nicht des Unmöglichen ist! Alles auf einmal aber ist unmöglich.
Glauben wir nicht, daß wir dem Zwang zur Sparsamkeit und zur Besonnenheit durch Steuererhöhung entgehen können. Wir haben nicht zu wenig Einnahmen, - das gilt insgesamt für die öffentliche Hand - wir haben zu viele Ausgaben!
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Ich habe über das langsamere Wirtschaftswachstum gesprochen, wir dürfen aber auch nicht übersehen, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zunehmend in Gefahr gerät.
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Die Wirtschaft steht unter einer Kostenbelastung,
die von den Löhnen, von den sozialen Abgaben und
von den Steuern her beeinflußt wird. Es heißt alles gefährden, was wir gemeinsam aufgebaut haben wenn wir der Wirtschaft, deren Produktivität aus vielen Gründen immer langsamer wächst, neben den Lohnerhöhungen und neben steigenden sozialen Lasten - man denke nur an die in Vorbereitung befindlichen sozialpolitischen Gesetze - auch noch Steuererhöhungen auferlegen. Wir sind auf Vollbeschäftigung angewiesen, schon weil sonst das großzügige System unserer sozialen Leistungen nicht bezahlt werden könnte. Wir sind aber auch auf hohe Deviseneingänge angewiesen; denn wir alle wissen, welche großen außer-kommerziellen Devisenverpflichtungen für unseren Staat auf dem Gebiet der Wiedergutmachung, der Rüstung und der Entwicklungshilfe bestehen. Kommen wir aus Wettbewerbsgründen erst einmal in stagnierende Ausfuhren und weiter steigende Einfuhren, dann schmelzen Devisenvorräte bekanntlich, schnell dahin.
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Wir dürfen aber auch sonst nicht glauben, daß Steuererhöhungen ein Allheilmittel wären; selbst mit ihnen wäre strengste Sparsamkeit am Platze. Wir haben schon die höchste Steuerbelastung in der westlichen Welt; größere zusätzliche Steuerbeträge wären nur unter Belastung breitester Schichten unserer Bevölkerung zu gewinnen;
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die höhere Belastung etwa nur der höheren Einkommen reichte nicht im entferntesten aus.
({22})
Hier muß der Bundesfinanzminister, wie ich bereits einmal ausgeführt habe, das letzte Bollwerk des Steuerzahlers sein.
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Man würde den Großen wie den Kleinen, die Unternehmer wie die Arbeitnehmer, den Mittelstand wie den freien Beruf treffen müssen. Ich glaube, wir sollten uns darauf einigen, daß die Situation unseres Volkes heute so beschaffen ist, daß wir von konzeptionslosen ungezielten Ausgaben Abstand nehmen können zugunsten gezielter Maßnahmen, wo Not am Mann ist.
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Wir können es uns leisten, nach diesem erfolgreichen Jahrzehnt nach dem Grundsatz zu handeln: Man muß das eine lassen, damit man das andere, das Wichtigere, tun kann.
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Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluß noch darauf hinweisen, daß - wie ich schon eingangs betonte - der Bundeshaushalt 1962 einen Ausgabenanstieg aufweist, der selbst die hohe Entwicklung des Sozialprodukts übertrifft. Auch dem müssen wir entgegentreten, aber nicht mit Steuererhöhungen, sondern mit Sparsamkeit, Besonnenheit und Vernunft.
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Wir haben uns durch gute Politik und Disziplin eine Stabilität der Kaufkraft unserer Währung geschaffen, die in der ganzen Welt anerkannt ist. Wollen wir das gefährden? Neben einer Lohnpolitik, die sich nicht an das Wachstum der Gesamt-Produktivität hielte, gefährdet auch das übermäßige Wachstum der öffentlichen Haushalte die Stabilität unserer Währung.
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Hier gilt der Grundsatz, daß oberstes Ziel auch der Finanzpolitik die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der D-Mark sein muß. Helfen Sie mir, dieses Ziel zu erreichen!
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Damit komme ich zum Schluß. Ich bin der Überzeugung, daß wir trotz der aufgezeigten echten Schwierigkeiten in gemeinsamer Anstrengung die Lage meistern werden, und ich möchte deshalb meine Ausführungen mit den Worten des Odysseus an seine Begleiter, die vor der Scylla erschraken, schließen:
Freunde,
- wenn ich das ganze Hohe Haus einmal so ansprechen darf wir sind ja bisher nicht ungeübt in Gefahren. Und ich hoffe, wir werden uns einst auch dieser erinnern.
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Das Haus hat die Haushaltsrede des Herrn Bundesministers der Finanzen entgegengenommen. Die Aussprache findet morgen statt.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 14. März 1962, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.