Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor dem Bundeshaus weht heute das blaue Tuch mit dem Kranze der zwölf goldenen Sterne, die Europaflagge,' so wie an allen öffentlichen Gebäuden des Bundes, der Länder und der Gemeinden in der Bundesrepublik und so wie in 17 anderen europäischen Staaten. Heute vor fünfzehn Jahren wurde das Statut für den Europarat unterzeichnet und' damit der Europarat gegründet. Sein Minister-Komitee hat auf Anregung der Beratenden Versammlung beschlossen, in den Mitgliedstaaten den 5. Mai künftig als „Europatag" zu begehen.
Die Idee eines vereinten Europas hat zuerst im Europarat Gestalt gewonnen. Aus dein fürchterlichen Zusammenbruch vor zwanzig Jahren war der Wille gewachsen, daß die europäischen Staaten niemals mehr gegeneinander stehen dürfen und daß alle Kräfte des Zusammenwirkens lebendig gemacht werden müssen. Große fruchtbare Anregungen sind in Straßburg entstanden. Fast ein halbes Hundert europäische Konventionen sind dort erarbeitet worden, gekrönt von der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, gesichert durch die Europäische Kommission für Menschenrechte und durch den Europäischen Gerichtshof.
Wir Deutschen verdanken dem Europarat Entscheidendes, daß wir uns aus der Tiefe unseres Sturzes erhoben haben. Es ist Wirklichkeit geworden, was Winston Churchill auf dem europäischen Kongreß in Den Haag am 7. Mai 1948 für alle, die es miterlebt haben, unvergeßlich gefordert hat:
Europa braucht alle diese Franzosen, alle diese Deutschen. Darum begrüße 'ich hier die deutsche Delegation, die wir eingeladen haben, in unserer Mitte Platz zu nehmen. Für uns besteht das deutsche Problem darin, das wirtschaftliche Leben Deutschlands wiederherzustellen und den alten guten Ruf des deutschen Volkes wieder zu Ehren zu bringen. . . . Es ist die stolze Aufgabe der Siegermächte, die Deutschen bei der Hand zu nehmen und zurückzuführen in die europäische Familie.
In Straßburg sind wir wieder in die europäische Familie aufgenommen worden, dort sind Haß und Groll und Vorurteil gegen uns abgebaut worden, dort ist das wahre deutsche Gesicht wieder sichtbar geworden, dort haben wir Freunde in dem Bewußtsein europäischer Gemeinschaft gefunden.
Die europäische Erfüllung liegt als Aufgabe noch vor uns. Der „Europatag" ist kein Tag der Feier, sondern ein Tag der Verpflichtung. Nichts zeugt mehr dafür als die Tatsache, daß zu dieser Stunde 36 Abgeordnete dieses Hauses - unsere Europäer - als Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg tagen.
Für unsere Jugend sei der „Europatag" eine Mahnung, stets der bindenden Kraft der europäischen Geschichte und der großen europäischen Kultur als Unterpfand einer glücklichen Zukunft der europäischen Völker eingedenk zu sein.
Ich habe zunächst die Freude, einigen Kollegen die Glückwünsche des Hauses zu Geburtstagen in den letzten Wochen auszusprechen.
Herr Kollege Ritzel ist am 10. April 72 Jahre alt geworden,
({0})
Herr Kollege Horn am 15. April 74 Jahre,
({1})
Herr Kollege Dr. Supf am 25. April 70 Jahre,
({2})
Herr Kollege Wieninger am 28. April 60 Jahre
({3})
und Herr Kollege Dr. Oberländer am 1. Mai ebenfalls 60 Jahre.
({4})
Ich habe noch einige Bekanntmachungen. Es liegt Ihnen eine Liste betreffend Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse gemäß § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vor. - Gegen die beabsichtigte Überweisung erhebt sich, so darf ich feststellen, kein Widerspruch. Damit sind überwiesen:
Vorlage des Bundesministers des Innern und des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung betreffend Wissenschaftsförderung und Bildungsplanung - Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Dezember 1964 - ({5})
Vizepräsident Dr. Dehler
an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik - federführend - und an den Haushaltsausschuß;
Vorlage des Bundeskanzlers betreffend Bericht zur Frage der lohnbezogenen Abgaben - Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Januar 1962 - ({6})
an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Ausschuß für Arbeit.
Ich darf dann noch darauf hinweisen, daß der Herr Wehrbeauftragte künftig seinen Platz an der linken Seite der Plätze des Bundesrates einnehmen wird. - Ich freue mich, daß Herr Kollege Dr. Hoogen den Platz schon bezogen hat.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wird der
Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank ({7})
auch dem Ausschuß für Heimatvertriebene - mitberatend - überwiesen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Wahl der Mitglieder der Rundfunkräte der Anstalten des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" ({8}).
- Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Zweckmäßigerweise werde ich über den Antrag, der Ihnen auf Drucksache IV/3350 vorliegt, gleich abstimmen lassen. Ich nehme an, daß das Haus zustimmt. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist entsprechend dem Antrag beschlossen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Sitzungsbericht aufgenommen.
Die folgenden Amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. April 1965 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung
Ausländergesetz
Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen
Bundes-Tierärzteordnung
Gesetz über die Anzeige der Kapazitäten von Erdöl-Raffinerien und von Erdöl-Rohrleitungen
Gesetz zur Anderung des Straßenverkehrsgesetzes
Zweites Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen
Gesetz über die Umsatzsteuerstatistik für das Kalenderjahr 1964
Fünftes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes
Zweites Gesetz zur Änderung des Abschöpfungserhebungsgesetzes
Gesetz zu dem Zollabkommen von Brüssel vom 1. März 1956 über Carnets E. C. S. für Warenmuster nebst Unterzeichnungsprotokoll
Gesetz zu dem Zollübereinkommen von Brüssel vom 6. Dezember 1961 über das Carnet A. T. A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren
Gesetz zum Schiffssicherheitsvertrag vom 17. Juni 1960
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung
Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation
Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ({9})
Gesetz über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin ({10}).
Zum Steueränderungsgesetz 1965 hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
Zum Gesetz über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin ({11}) hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 3 diesem Protokoll beigefügt ist.
Zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Weinwirtschaft hat der Bundesrat am 9. April 1965 beschlossen, zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3294 verteilt.
Dem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 9. April 1965 nicht zugestimmt. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3308 verteilt. Die Bundesregierung hat beschlossen, zu diesem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/3309 verteilt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. April 1965 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten
Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ({12})
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zu § 4 Absatz 4 des Altsparergesetzes
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
Gesetz zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften ({13})
Zum Gesetz zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften ({14}) hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 4 diesem Protokoll beigefügt ist.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 9. April 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Folger, Dr. Kreyssig, Seuffert und Genossen betr. Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Gemeinden Ober- und Unterschleißheim und anderer Gemeinden - Drucksache IV/3221 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3292 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 12. April 1965 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Subventionen - Drucksachen IV/3253 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3310 verteilt.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 15. April 1965 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäisches Farbfernsehen - Drucksache IV/3261 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3311 verteilt.
Der Stellvertreter des Staatssekretärs im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 20. April 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ertl, Wächter, Peters ({15}), Reichmann und Genossen betr. Ausrottung der Dasselfliegenplage - Drucksache IV/3280 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3321 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. April 1965 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vermögenswirksame Ausgaben im Bundeshaushaltsplan 1965 - Drucksache IV/ 3284 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3324 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 29. April 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin, Schmidt ({16}), Frehsee, Dröscher, Marquardt, Saxowski und Genossen betr. Lage der deutschen Mastgeflügelwirtschaft - Drucksache IV/3286 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3341 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 30. April 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({17}), Frehsee, Bading, Seither und Genossen betr. Wettbewerbsverzerrungen bei landwirtschaftlichen Produkten im Raum der EWG - Drucksache IV/3285 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3343 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 3. Mai 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wächter, Weber ({18}), Dr. Effertz, Reichmann und Genossen betr. Anspruch der Pächter von landwirtschaftlichen Betrieben auf staatliche Förderungsmittel - Drucksache IV/3301 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3345 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat unter dem 28. April 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kliesing ({19}), Dr. Jaeger, Rasner und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Lage der Unteroffiziere in der Bundeswehr - Drucksache IV/3268 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1V/3347 verteilt.
Vizepräsident Dr. Dehler
Der Bundesminister für Verkehr hat am 31. März 1965 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3281 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 28. April 1965 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages am 4. Juni 1964 über die Herbeiführung der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes für die Bundesregierung Deutschland für die in dem Fakultativprotokoll über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten genannten Streitfälle berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3344 verteilt.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat am 1. April 1965 über die Erledigung des in der 165. Sitzung des Bundestages am 18. Februar 1965 dem Haushaltsausschuß überwiesenen Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1965 hier: Einzelplan 06 Kapitel 06 02 Titel 987 - Kassenhilfe an die „Deutsche Welle" und den „Deutschlandfunk" für die Inbetriebnahme, Einrichtung und Verwaltung - Umdruck 575 - Mitteilung gemacht. Sein Schreiben ist als Anlage 5 diesem Protokoll beigefügt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 3. Mai 1965 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 die Nachträge zum Wirtschafts- und Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1964 zur Kenntnisnahme übersandt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 5. April 1965 mitgeteilt, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegen` die zwischenzeitlich vom Ministerrat verabschiedete Verordnung des Rats zur Verlängerung der Verordnung Nr. 142/64/EWG über die Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke bis zum 30. September 1965 - Drucksache IV/3252 keine Einwendungen erhoben hat.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinie des Rats über Maßnahmen gegen die Einschleppung von Schadorganismen der Pflanzen in die Mitgliedstaaten - Drucksache IV/3288 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Einzelhandels ({20}) - Drucksache IV/3289 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Verordnung des Rats über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik,
Bestimmungen zur Ersetzung der Finanzbeträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaft,
Entwurf des Vertrages zur Änderung der Artikel 201 und 203 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Drucksache IV/3313 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
federführend sowie an den Finanzausschuß und an den Ausschuß
für auswärtige Angelegenheiten mitberatend mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965 Verordnung des Rats über die auf dem Gebiet der Preise der Erzeugermitgliedstaaten anzuwendenden Maßnahmen und über die Festsetzung der gemeinsamen Schwellenpreise in den Mitgliedstaaten ohne eigene Erzeugung für Reis und Bruchreis für das Reiswirtschaftsjahr 1965/1966 - Drucksache IV/3314 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend und an den Wirtschaftsausschuß mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1965
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige forstwirtschaftliche Tätigkeiten
Änderung des Allgemeinen Programms des Rats zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit - Drucksache IV/3316 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Bereichs „Persönliche Dienste"
1. Restaurations- und Schankgewerbe ({21})
2. Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe ({22})
({23}) - Drucksache IV/3317 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für
selbständige Tätigkeiten des Bereichs „Persönliche Dienste"
1. Restaurations- und Schankgewerbe ({24})
2. Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe ({25})
({26}) - Drucksache IV/3318 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Verordnung des Rats zur Ersetzung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 141/64/EWG des Rats vom 21. Oktober 1964 über die Regelung für Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnisse
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend und an den Außenhandelsausschuß mitberatend mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung des Rats betreffend gewisse Maßnahmen, die
für das Wirtschaftsjahr 1965/1966 auf dem Gebiet der Getreidepreise anzuwenden sind
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sowie an den Wirtschaftsausschuß und den Außenhandelsausschuß mitberatend mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung des Rats über eine von Artikel 17 der Verordnung Nr. 19 abweichende Regelung und die Anwendung des Artikels 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 16/64/EWG betreffend die vorherige Festsetzung der Abschöpfung für bestimmte Erzeugnisse
an den Außenhandelsausschuß federführend und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Verordnung des Rats zur Änderung und Ergänzung der Verordnungen Nr. 3 und 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer ({27}) - Drucksache IV/3331 an den Ausschuß für Arbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Mai 1965
Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Freimachungsgebühren für Briefe der ersten Gewichtsstufe und für Postkarten - Drucksache IV/3332 an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Vorschlag der Kommission der EWG für ein gemeinschaftliches Vorgehen gegen die Wettbewerbsverzerrungen auf dem Weltschiffsbaumarkt
Richtlinie des Rats über die Einführung einer gemeinschaftlichen Beihilferegelung zum Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen auf dem Weltschiffsbaumarkt - Drucksache IV/ 3333 an den Wirtschaftsausschuß federführend und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Verordnung des Rats betreffend die Aufstellung einer gemeinsamen Liste zur Liberalisierung der Einfuhren aus Drittländern - Drucksache IV/3334 an den Außenhandelsausschuß federführend und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Zweite Richtlinie des Rats zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Umsatzsteuern;
hier: Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems - Drucksache IV/3335 an den Finanzausschuß federführend und an den Wirtschaftsausschuß mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und der Getränkeherstellung ({28})
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und der Getränkeherstellung ({29}) - Drucksache IV/3336 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Einzelhandels ({30}) - Drucksache IV/3337 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Achtzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({31}) - Drucksache IV/3297 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Einundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1965 ({32}) - Drucksache IV/3307 8992
Vizepräsident Dr. Dehler
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965
Verordnung zur Senkung von Binnen-Zollsätzen ({33}) - Drucksache IV/3326 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Zwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({34}) - Drucksache IV/3339 an den Außenhandelsausschuß federführend und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965.
Wir kommen dann zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde ({35}) .
Ich rufe zunächst auf die Dringlichkeitsfragen des Herrn Kollegen Erler aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts - Drucksache IV/3348 -, und zwar zunächst die Frage 1:
Welche Auskünfte hat die Bundesregierung über das Ausmaß des Einverständnisses zwischen der französischen Regierung und dem sowjetischen Außenminister Gromyko anläßlich dessen Besuch in Paris über die Deutschlandfrage erhalten?
Darf ich den Herrn Minister des Auswärtigen bitten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die erste Frage des Herrn Kollegen Erler lautet wie folgt:
Die Bundesregierung ist von der französischen Regierung über den Verlauf des Besuches des sowjetischen Außenministers in Paris und die bei dieser Gelegenheit geführten Gespräche unterrichtet
worden. Eine abschließende Unterrichtung erfolgte im Rahmen der deutsch-französischen Konsultationsbesprechungen am 3. Mai dieses Jahres. Es ist nicht üblich, über Einzelheiten einer derartigen vertraulichen Unterrichtung in der Öffentlichkeit Erklärungen abzugeben.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Erler!
Herr Minister, mit welchem Ergebnis haben vor dem Besuch des sowjetischen Außenministers in Paris Konsultationen nach dem deutschfranzösischen Vertrag zwischen der französischen Regierung und der Bundesregierung über die voraussichtlichen Gesprächsthemen dieses wichtigen Besuches stattgefunden?
Es haben keine speziell diesen Besuch angehenden Konsultationen stattgefunden, denn die Thematik dieses Besuches gehört weitgehend zu der üblichen Konsultationsthematik.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler.
Herr Minister, gibt es Grund für die Annahme, daß ein Zusammenhang zwischen dem Besuch des sowjetischen Außenministers in Paris und der Haltung des französischen Vertreters im Botschafterlenkungsausschuß bei der Formulierung einer Deutschlanderklärung besteht?
Nein, das möchte ich eigentlich klar verneinen; denn der Standpunkt, den die französische Regierung in der Botschafterlenkungsgruppe einnimmt, deckt sich mit dem Standpunkt, den sie seit einiger Zeit vertritt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, wenn bei der doch möglichen Voraussicht der Bedeutung dieser Gespräche keine Konsultationen stattgefunden haben, dann muß ich fragen: Haben Sie sich um solche Konsultationen bemüht?
Herr Kollege Mommer, das System unserer Konsultationen ist zeitlich so dicht, daß alle laufenden Fragen dabei erörtert werden - wenn Sie daran denken, daß monatlich jeweils abwechselnd hier und in Paris die zwischen uns anliegende Problematik behandelt wird -, so daß kein Anlaß bestand, etwa eine besondere Konsultation mit diesem Ziel anzuregen.
Herr Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ist das so zu verstehen, daß Sie den bevorstehenden Besuch des russischen Außenministers nicht zum Anlaß genommen haben, über die dort zur Diskussion stehenden Fragen eine Konsultation herbeizuführen?
Ich kann nur wiederholen, was ich schon gesagt habe. Die Thematik dieses Besuchs deckt sich weitgehend mit der seit langem bekannten Konsultationsthematik. Es lag kein besonderer Grund vor, eine zusätzliche Konsultation wegen dieses Besuchs abzuhalten.
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung mögliche Entwicklungen der Gespräche zwischen der französischen Regierung und dem russischen Außenminister zum Gegenstand der Konsultationen gemacht?
Die Frage deckt sich mit der voraufgegangenen. Meine Antwort lautet ebenso.
({0})
Dann die Frage 2 - des Herrn Abgeordneten Erler -:
Ist insbesondere der Bundesregierung bekannt, weshalb die französische Regierung nur die Behauptung des sowjetischen Außenministers über ein angebliches Einverständnis in bezug
Vizepräsident Dr. Dehler
auf das Bestehen zweier deutscher Staaten korrigiert, hingegen zu den Behauptungen des sowjetischen Außenministers über ein angebliches Einverständnis in bezug auf die deutsche Ostgrenze und bestimmte Fragen des militärischen Status der Bundesrepublik Deutschland nicht Stellung genommen hat?
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Ohne auf Ihre Frage im einzelnen einzugehen, möchte ich zur Sache selbst folgendes sagen. Frankreich hat sich ebenso wie die USA und Großbritannien in Art. 7 des Deutschlandsvertrags dahin gehend gebunden, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland aufgeschoben werden muß. Ich habe keinen Anlaß zu der Annahme, daß die französische Regierung von dieser Haltung bei dem jüngsten Gromyko-Besuch in Paris abgewichen ist.
Was die militärische Frage betrifft, so ist es richtig, daß die französische Regierung ebenso wie die sowjetische Regierung gegen die Projekte, die unter den Namen MLF und ANF bekannt sind, eingestellt ist. Die französische Regierung hat jedoch mehrfach hervorgehoben, daß diese Übereinstimmung völlig verschiedenen Motiven entspringt.
Herr Minister, wäre es dann nicht zweckmäßig, angesichts der entgegenstehenden Erklärungen des Herrn Gromyko, die nur in einem Punkte von der französischen Regierung berichtigt worden sind, auf eine Klarstellung durch die französische Regierung auch zu dem Punkt der Grenzen und zu dem Punkt des militärischen Status der Bundesrepublik Deutschland zu dringen?
Wir werden sicher die beiden behandelten Fragen demnächst noch einmal anschneiden. Ich kann Ihnen sagen, daß sie in der von mir eingangs erwähnten Konsultation vom 3. Mai schon behandelt worden sind.
Teilt die Bundesregierung die Besorgnis, daß es den deutschen Interessen abträglich ist, wenn bestimmte sowjetische Wünsche in bezug auf den Status Deutschlands vorab geregelt werden, bevor man auch die Wiedervereinigung Deutschlands damit verbinden kann?
Ich darf hier vielleicht zwischen den zwei Punkten unterscheiden. Was den einen angeht, habe ich schon von einer klaren gemeinsamen westlichen vertraglichen Festlegung gesprochen. In dem anderen Punkt bin ich der Meinung, daß man sehr, sehr behutsam sein sollte, irgendwelche Statusfragen dieser Art vorzeitig anzuschneiden.
Herr Abgeordneter Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihre Erklärung, daß demnächst darüber gesprochen werden soll, so aufzufassen, daß das bei dem Zusammentreffen zwischen dem französischen Staatspräsidenten und dem deutschen Bundeskanzler auf der Tagesordnung stehen wird?
Ich will das noch einmal präzisieren. Ich sagte schon, daß der Ablauf des Besuchs einschließlich der Pressekonferenz des sowjetischen Außenministers bereits auf der gerade genannten Beamtenkonsultationsebene am 3. Mai behandelt worden ist und dabei der bekannte deutsche Standpunkt dargelegt worden ist. Wahrscheinlich wird der Besprechung, die der französische Staatspräsident und der Herr Bundeskanzler haben werden, noch eine Besprechung der Außenminister vorausgehen. Es liegt auf der Hand, daß auf den Gromyko-Besuch und die Ergebnisse des Gromyko-Besuchs auch bei diesen Besprechungen zurückgekommen werden wird.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es nicht ausreichend ist, die Konsultation solcher hochpolitischen Fragen auf einer Beamtenkonferenz abzustimmen, sondern daß hier wirklich die Chefs der Regierungen miteinander sprechen müssen?
Ich glaube, Herr Kollege Schäfer, wir müssen folgendes auseinanderhalten. Diese monatlichen Besprechungen - auf hoher Beamtenebene, wie Sie wissen - dienen der gründlichen Information, dem Austausch der Argumente und jeweils natürlich auch der Vorbereitung der sich anschließenden MinisterStaatspräsidenten- bzw. Bundeskanzlerbesprechungen. Diese Themen sind so wichtig, daß sie nicht nur einmal, sondern mehrfach behandelt werden. Das versteht sich, glaube ich.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie nicht doch Anlaß zu der Vermutung, daß sich die französische Regierung nicht an die Verpflichtungen aus verschiedenen internationalen Verträgen hält, daß nämlich die deutsche Grenzfrage der friedensvertraglichen Regelung vorbehalten werden soll, wenn Sie feststellen müssen, daß die Äußerungen Gromykos zu der Zwei-Staaten-Theorie dementiert wurden, nicht aber seine Äußerungen zu der deutschen Grenzfrage und zu Problemen des militärischen Status?
Zunächst einmal möchte ich, weil Sie danach gefragt haben - ich habe nicht genau in Erinnerung, wie Sie das formuliert haben - folgendes sagen. Was den französischen Staatspräsidenten angeht, so gibt es nach meiner Kenntnis keine Äußerung von ihm, in der er sich für eine Regelung der deutschen Ostgrenzen unabhängig von dem Abschluß eines Frie8994
densvertrages ausgesprochen hätte. Meines Wissens gibt es keine dem entgegenstehende Erklärung. Das ist der eine Punkt.
Was das Dementi oder, sagen wir einmal, was die Klastellung des Quai d'Orsay zu gewissen Ausführungen von Außenminister Gromyko angeht, so hat sich das auf jenen Punkt gerichtet, dem die französische Regierung ganz mit Recht eine spezielle Bedeutung zugemessen hat.
Im übrigen darf man, glaube ich, nicht übersehen, daß der Stand der französisch-sowjetischen Besprechungen und ihre Ergebnisse sich im Kommuniqué widerspiegeln, und weder die Grenzfrage noch die Frage atomarer Bewaffnung hat im Kommuniqué eine Erwähnung gefunden.
Noch eine Frage, bitte, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, beunruhigt es Sie nicht, daß Herr Gromyko zwar nach Gesprächen in Paris Äußerungen tun konnte wie die, die hier zur Debatte stehen, daß das aber nicht der Fall war nach Gesprächen, die er in London oder in Washington geführt hat?
Offen gestanden, Herr Kollege Mommer, kann ich mich nicht an alle Äußerungen meines sowjetischen Kollegen erinnern. Daß er diese Äußerungen in Paris I) getan hat, läßt sicherlich erkennen, daß er an diesen Fragen dort ein ganz spezielles Interesse gehabt hat.
Ich möchte aber noch einmal sagen: Im Kommuniqué - und das ist doch wohl für den beiderseits akzeptierten Standpunkt von einer gewissen Bedeutung - findet sich nicht ein Wort darüber.
({0})
Herr Abgeordneter Majonica zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß deshalb kein Dementi der französischen Regierung auf die Behauptung Gromykos auf der Pressekonferenz in der sowjetischen Botschaft erfolgt ist, weil die französische Regierung noch im Juni des vergangenen Jahres als Antwort auf den Chruschtschow-Ulbricht-Vertrag vom 12. Juni 1964 ganz eindeutig erklärt hat, daß die gegenwärtigen Grenzen keine Grenzen, sondern Demarkationslinien seien und ihre endgültige Regelung erst in einem Friedensvertrag erfolgen müsse?
Diese Feststellung, die Sie gerade zitiert haben, trifft zu, und das erklärt möglicherweise das Verhalten der französischen Regierung zu diesem Zeitpunkt; ich möchte nicht mißverstanden werden: zu dem Zeitpunkt des Presseinterviews oder der Pressekonferenz von Gromyko in Paris.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn ich Sie recht verstanden habe, sagten Sie, daß es noch keine Äußerung des französischen Staatspräsidenten gebe, in der er die Oder-Neiße-Linie als Rechtens anerkenne. Darf ich die Frage stellen, ob Sie sich nicht an die verschiedensten Äußerungen erinnern, die dann durch Erklärungen des Quai d'Orsay und wesentlicher Beauftragter der französischen Regierung unterstützt worden sind, ausgesprochen, glaube ich, zum erstenmal - ich muß aber aus dem Gedächtnis zitieren - am 26. Juni 1959, wonach die bestehenden Grenzen - und damit war die Oder-Neiße-Linie gemeint - als die endgültigen Westgrenzen Polens anerkannt würden?
Ich glaube, daß das so, wie Sie gerade geschlossen haben: „anerkannt werden", nicht zutrifft, sondern daß diese Äußerungen alle dahin gehen, daß die Grenzen bei einer friedensvertraglichen Regelung aus diesen oder jenen Gründen so festgelegt werden sollten.
Herr Kollege Majonica hat gerade eine französische Erklärung vom 12. Juni 1964 zitiert, in der expressis verbis auf den Friedensvertrag abgehoben worden ist. Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe: Es gibt keine Äußerung des französischen Staatspräsidenten, die von der vertraglichen Festlegung abweicht, daß nämlich eine Regelung der deutschen Ostgrenzen unabhängig von dem Abschluß eines Friedensvertrages vorgenommen werden soll.
Eine weitere Frage, Herr Sänger.
Herr Minister, darf ich Sie so verstehen, daß Sie sich 'ausdrücklich darauf beziehen, daß eine endgültige Regelung nicht außerhalb des Friedensvertrages erfolgen solle, daß aber der französische Standpunkt für den Fall des Friedensvertrages feststehe?
({0})
Ich möchte das nicht so uneingeschränkt unterschreiben.
({0})
Die Festlegung der Grenzen erst im Falle des Friedensvertrages schließt natürlich nach unserer Meinung eine vorherige Festlegung darauf aus, und solche Festlegungen bei unseren Freunden zu vermeiden, ist natürlich das Ziel der deutschen Politik.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. zu Guttenberg zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob sie einen wirklichen Unterschied sehen zwischen der Haltung der französischen Politik einerseits - in der Frage des militärischen und insbesondere des nuklearen Status der Bundesrepublik - und der Haltung unserer anderen wesentlichen Partner in dieser Frage.
Ja, in dieser Frage gibt es, Herr Kollege zu Guttenberg, leider erhebliche Unterschiede.
({0})
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wird die Bundesregierung bei den weiteren Konsultationen mit der französischen Regierung darauf hinwirken, daß die französische Regierung ihren Standpunkt in der Grenzfrage mit der Auffassung der übrigen Alliierten in Übereinstimmung bringt?
Herr Kollege Jahn, ich möchte als Antwort darauf das wiederholen, was von dieser Stelle aus schon seit Jahren, glaube ich, zu diesem Thema gesagt worden ist - auch von dem früheren
daß wir den Wunsch an unsere Freunde haben - und das sage ich jetzt einmal ganz allgemein -, von irgendwelchen öffentlichen Festlegungen in dieser so schwierigen Frage abzusehen, um nicht eine Vorbelastung von Friedensverhandlungen herbeizuführen.
Herr Abgeordneter Jaksch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre es nicht die Aufgabe der Bundesregierung, an zuständiger Stelle in Paris mit ganz besonderem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die jüngsten Erklärungen der Vereinigten Staaten hinsichtlich der friedensvertraglichen Regelung der deutschen Ostgrenzen sich sehr vorteilhaft von den Erklärungen des Herrn General de Gaulle unterscheiden?
Herr Kollege Jaksch, wir werden sicherlich peinlichst vermeiden, einem Alliierten gegenüber die Vorzüge eines anderen Alliierten zu rühmen.
({0})
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jaksch.
Wäre es nicht gerade die Verpflichtung der Bundesregierung, unseren Alliierten gegenüber den deutschen Standpunkt mit Nachdruck zu vertreten?
Herr Kollege Jaksch, in dem letzten stimmen wir überein: das ist unsere Aufgabe. Wir müssen es aber mit viel diplomatischem Takt und Geschick wenigstens versuchen.
({0})
Herr Abgeordneter Majonica zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es für im deutschen Interesse liegend, wenn durch Fragen im Deutschen Bundestag die Äußerungen befreundeter Staatsmänner unbedingt in einem für den deutschen Standpunkt negativen Sinne hier fixiert werden sollen?
({0})
Herr Kollege Majonica, ich gehe davon aus, daß hier niemand irgend jemanden in einer den deutschen Interessen abträglichen Weise so oder so festlegen möchte, sondern ich fasse alles, was hier gesagt wird, ais ein Stück der gemeinsamen Bemühungen um die beste Regelung der deutschen Probleme auf.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, Drucksache IV/3340, die Frage III/1 - des Herrn Abgeordneten Sänger - auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage, Auskunft über die Besitzverhältnisse des Verlages der „Saarbrücker Zeitung" zu geben, und zwar insbesondere über Anteile nichtdeutscher Eigentümer, die angeblich aus deutsch-französischen Vereinbarungen entstanden, die bei der Rückgliederung des Saarlandes getroffen worden sein sollen?
Herr Präsident! Die Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Sänger lautet wie folgt:
Die Bundesregierung ist nicht in der 'Lage, Auskünfte über die Besitzverhältnisse des Verlages der „Saarbrücker Zeitung" zu geben. Im Rahmen der bei der Rückgliederung des Saarlandes abgeschlossenen Vereinbarungen zwischen der französischen Regierung und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sind keine Bestimmungen über die Regelung der Besitzverhältnisse an der „Saarbrücker Zeitung" getroffen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Minister, ich muß aus Ihrer Antwort also entnehmen, daß eine Anlage zum Luxemburger Abkommen, die hierzu eine Formulierung enthält, offenbar nicht zutreffen soll, nach der die Besitzanteile an der „Saarbrücker Zeitung" von der Landesregierung des Saarlandes reprivatisiert werden müssen?
Nach dem, was mir gesagt worden ist, Herr Kollege Sänger, ist das nicht zutreffend. Aber ich bin gern bereit, mich wegen dieser Frage noch genauer zu informieren.
Eine weitere Frage!
Würden Sie die Freundlichkeit haben, Herr Minister, darauf achten zu lassen, ob die Informationen zutreffen, daß französische Wirtschaftskreise sehr intensiv bemüht sind, sich Anteile der „Saarbrücker Zeitung" zu erwerben?
Ich will dieser Frage gern weiter nachgehen.
Die Fragen III/2 bis III/5 werden zurückgestellt. Ich rufe die Frage III/6
- des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen
- auf:
Aus welchen Gründen verzögert sich die Vorlage eines Ratifizierungsgesetzes über das Zusatzabkommen zum deutschitalienischen Kulturabkommen, das schon am 12. Juli 1961 abgeschlossen worden ist?
Das am 12. Juli 1961 unterzeichnete Zusatzabkommen zum deutsch-italienischen Kulturabkommen bedarf nach deutschem Recht zur innerstaatlichen Durchführung keines Ratifizierungsgesetzes. Es genügt seit dem Änderungsgesetz vom 28. Februar 41964 eine Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diese Rechtsverordnung ist am 24. März 1965 von der Bundesregierung verabschiedet worden. Der Bundesrat hat am 30. April 1965 zugestimmt. Die Verordnung wird voraussichtlich noch in dieser Woche veröffentlicht und tritt mit der Veröffentlichung in Kraft.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Die in der deutschen Öffentlichkeit geäußerten Befürchtungen dürften damit wohl behoben sein?
Ich gehe davon aus.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers.
Ich rufe auf die Fragen XIII/1 und XIII/2 - des Abgeordneten Moersch -:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmen in privatrechtliche Stiftungen umzuwandeln, um aus deren Erträgen Wissenschaft und Forschung zu fördern?
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, schon in Kürze die jetzt verbleibenden 51 % Kapitalanteile des Bundes an der VEBA in eine Stiftung zur Förderung der Wissenschaft und Forschung umzuwandeln?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 28. April 1965 lautet:
Zu Frage XIII/1:
Die Bundesregierung sieht nicht die Möglichkeit, Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmen in privatrechtliche Stiftungen umzuwandeln, um aus deren Ertragen Wissenschaft und Forschung zu fördern. Entsprechend den Regierungserklärungen vom 29. 11. 1961 und vom 18. 10. 1963 hält die Bundesregierung nach wie vor an ihrer Absicht fest, die soziale Privatisierung mit dem Ziel der Förderung der Vermögensbildung breiter Bevölkerungskreise fortzusetzen. Die heute noch im Eigentum des Bundes stehenden wirtschaftlichen Beteiligungen sollen diesem politischen Ziel nutzbar gemacht werden, sofern und sobald im Einzelfall die Voraussetzungen dafür gegeben und geschaffen sind. Die von Ihnen angeregte Umwandlung der wirtschaftlichen Unternehmen des Bundes in privatrechtliche Stiftungen würde dagegen die Privatisierung dieser Unternehmen endgültig ausschließen. Die Bundesregierung hält daher den von Ihnen vorgeschlagenen Weg zur Förderung von Wissenschaft und Forschung nicht für gangbar.
Zu Frage XIII/2:
Der Umwandlung der im Bundesbesitz verbleibenden Mehrheitsbeteiligung an der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-Aktiengesellschaft ({0}) in eine Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung stehen grundsätzlich dieselben Überlegungen entgegen. Hinzu kommt, daß nach Auffassung der Bundesregierung der Mehrheitseinfluß des Bundes auf die VEBA nicht aus der Hand gegeben werden sollte. Ich verweise insoweit auf die Ausführungen, die ich hierzu in meinem Antrage an den Deutschen Bundestag vom 18. 12. 1964 ({1}) wegen der Teilprivatisierung der VEBA gemacht habe. Mit. der Umwandlung der dem Bunde verbleibenden Mehrheitsbeteiligung der VEBA in eine privatrechtliche Stiftung würde sich der Bund jedoch seines Einflusses auf die VEBA begeben.
Ich rufe die Fragen XIII/3 und XIII/4 - des Herrn Abgeordneten Opitz - auf:
Trifft es zu, daß im Berliner Olympiastadion bisher nur deshalb keine Flutlichtanlage installiert werden konnte, weil sich das Bundesschatzministerium trotz eines vorliegenden günstigen Angebotes einer Wiesbadener Firma nicht zu einer Auftragserteilung entschließen konnte, obwohl die Vorarbeiten bereits seit 1961 laufen und obwohl der Deutsche Bundestag schon 1963 die notwendigen Mittel bereitgestellt hat?
Erachtet es die Bundesregierung als zweckmäßig, wenn für ein solches in Frage XIII/3 genanntes Projekt insgesamt elf Gut' achten eingeholt werden, wie es im Falle Berlin geschehen ist?
Die abschließende Prüfung des Angebots der Wiesbadener Firma hat ergeben, daß bei der von ihr vorgesehenen Flutlichtanlage mit nur zwei Lichtmasten in lichttechnischer Hinsicht zu große Risiken bestehen und ,daß die wegen dieser Risiken erforderliche Haftung für den Vertragspartner nicht zumutbar ist. Der Bundesschatzminister hat sich deshalb entschließen müssen, ein neues Projekt mit vier Lichtmasten ausarbeiten zu lassen, welches die lichttechnischen Forderungen der vom Bundesschatzminister bestellten Gutachter und der Bundesbauverwaltung erfüllt. Die Ausschreibung hat vor Ostern begonnen, die letzten Ausschreibungsunterlagen sind am 28. April 1965 an die Firmen versandt worden.
Zu Ihrer Bemerkung, Herr Abgeordneter Opitz, die Vorarbeiten liefen bereits seit 1961, möchte ich feststellen, daß mit der Planung einer Flutlichtanlage erst im Mai 1963 begonnen wurde. Die vorhergehenden Untersuchungen bezogen sich lediglich auf eine Verstärkung der bestehenden Beleuchtungsanlage.
Der Deutsche Bundestag hat bei der Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1963 im Mai 1963 einer Bindungsermächtigung von 650 000 DM für
künftige Rechnungsjahre zugestimmt. Alle daraufhin abgestellten Bemühungen, im Rahmen dieser Mittel eine lichttechnisch einwandfreie Flutlichtanlage zu schaffen, die auch in gestalterischer Hinsicht dem Bauwerk gerecht wird, sind jedoch gescheitert.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Opitz.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß der Gutachter des Bundes, Professor Schulz, von neun Gutachtern des Senats von Berlin widerlegt worden ist?
Ich darf damit auf Ihre nächste Frage kommen, mit der Sie wissen möchten, ob elf Gutachten erstattet worden sind. Der Bundesschatzminister hat nur zwei lichttechnische Gutachter beauftragt. Der Herr Senator für Jugend und Sport in Berlin hat von sich aus drei Gutachter beauftragt. Von weiteren Gutachtern ist mir nichts bekannt. Die Meinungsverschiedenheiten der Gutachter beziehen sich auf lichttechnische Fragen. Die von der Bundesregierung beauftragten Gutachter haben zum Ausdruck gebracht, es sei notwendig, daß das Licht von vier Seiten komme, damit kein Schatten entstehe. Das scheint mir der Hauptstreitpunkt zu sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Opitz!
Herr Staatssekretär, ist es denn richtig, daß bereits am 16. Juli 1964 Ihr Ministerium alle Angebote der konkurrierenden Firmen abschließend geprüft hatte und Sie an diesem Tage die Unterlagen der zuständigen Berliner Dienststelle Ihres Ministeriums mit der Weisung zur Auftragserteilung an eine Wiesbadener Firma zugeleitet hatten?
Nein, das ist nicht im Juli 1964, sondern im 'Dezember 1964 geschehen. Daraufhin hat die Bundesbauverwaltung pflichtgemäß erklärt, sie sei nicht in der Lage, den Auftrag zu erteilen, und zwar, wie ich vorhin gesagt habe, aus zwei Gründen: Der eine Grund ist, daß in lichttechnischer Hinsicht zu große Risiken bestünden, und der zweite Grund ist: die Haftung, die die Wiesbadener Firma zu übernehmen bereit war, sei zu groß und deswegen nicht zumutbar.
Eine weitere Frage!
Herr Staatsekretär, es stimmt aber doch, daß 'Sie sich mit dieser Auffassung in erheblichem 'Widerspruch zum Berliner Senat befanden?
Es mag sein, daß der Herr Senator für Jugend und Sport eine andere Auffassung vertritt. Es dreht sich 'hier immerhin um die Ausgabe von 650 000 DM, die vom Bundestag 'bewilligt worden
sind. Wir haben die Verantwortung und müssen die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung beachten. Es gibt keinen Beamten und auch nicht einen Minister, der bereit ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß der Auftrag entsprechend dem Entwurf der Wiesbadener Firma erteilt wird.
Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die Möglichkeit bestünde, die vielen mit der Angelegenheit zusammenhängenden Fragen, die ja in das Sportpolitische hineingehen, im Haushaltsausschuß zu erörtern. Der Schriftwechsel würde von uns dort vorgelegt werden können. Ich glaube, es wäre nicht zweckmäßig, einige Auszüge aus dem Schriftwechsel hier im Plenum des Bundestages vorzutragen.
Herr Abgeordneter Dorn zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß Sie - d. h. Ihr Haus durch Herrn Ministerialdirigenten Jahn - am 10. Juli 1964 nicht Ihrer Berliner Dienststelle und auch nicht der Senatsverwaltung in Berlin mitgeteilt haben, daß einer Auftragsvergabe an die Wiesbadener Firma keine Bedenken mehr entgegenstünden?
Mir ist von einer solchen Erklärung nichts bekannt.
Auch nicht, daß sie schriftlich vorliegt?
Mir ist nicht bekannt, daß eine- solche Erklärung schriftlich herausgegeben ist. Sonst hätten wir nicht bis heute den Fragenkreis geprüft, und wir prüfen immer noch.
Herr Abgeordneter Dorn zu einer weiteren Frage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn bekannt, daß am 15. Dezember 1964 die Sondervermögens- und Bauverwaltung, das Bauamt Nord in Berlin - entsprechend Ihrer Mitteilung an den Senat, die Presse und den Deutschen Fußballbund - angewiesen wurde, die abschließenden Vertragsverhandlungen zum Bau der Zweimasten-Flutlichtanlage sofort mit der Wiesbadener Firma zu Ende zu führen?
Herr Abgeordneter, Sie haben recht, dieser Auftrag ist erteilt worden. Weshalb der Auftrag dann von der Bundesbauverwaltung nicht durchgeführt werden konnte, hat Herr Minister Dr. Dollinger in einem Schreiben an Herrn Abgeordneten Urban am 8. April 1965 mitgeteilt. Die von Herrn Abgeordneten Urban für die Fragestunde am 7. April 1965 gestellte Frage konnte nicht mehr beantwortet werden. Die Beantwortung ist des8998
wegen schriftlich erfolgt. Ich kann sie vorlesen, aber ich möchte annehmen, daß das nicht erforderlich ist.
Wie erklären Sie es sich dann -
Herr Abgeordneter Dorn, Sie haben zwei Fragen gehabt.
({0})
- Wir sind jetzt bei der Frage XIII/4 des Herrn Abgeordneten Opitz. Zur Frage XIII/5 kommen wir noch.
Zunächst Herr Abgeordneter Wellmann zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß außer drei Lichtsachverständigen - nämlich Professor Spieser ({0}), Professor Rothmaier ({1}) und Diplom-Ingenieur Setzekorn ({2}) - sich auch alle Fachgremien für die Zweimast-Lichtanlagen ausgesprochen haben, nämlich die Berliner Sportverbände, der Senator für Jugend und Sport, der Deutsche Fußballbund, der Deutsche Leichtathletikverband, der Bundesminister des Innern und der Erbauer des Stadions, Professor March, und weshalb wollen Sie diesen Gutachten nicht folgen?
Herr Abgeordneter Wellmann was Sie für die von Ihnen genannten Stellen erklären, trifft zu; es trifft aber im Endergebnis nicht zu für Herrn Professor March. Ich habe vorhin gesagt: der Gegensatz bezieht sich darauf, ob eine volle Ausleuchtung bei einer Zwei-Mast-Anlage möglich ist. Die Gutachter der Bundesregierung halten. es für erforderlich - ich habe das vorhin schon erklärt -, daß das Licht von vier Seiten kommt, damit keine Schatten entstehen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wellmann.
Herr Staatssekretär, wie ist es dann eigentlich möglich gewesen, daß der Senator für Jugend und Sport erst durch die Berliner Presse erfahren mußte, daß ein neues Gutachten über eine Vier-Mast-Anlage durch den Herrn Bundesminister angefordert worden ist, ohne daß der Senator für Jugend und Sport und die Sportverbände von dieser Tatsache unterrichtet worden sind?
Herr Abgeordneter Wellmann, die Frage war in der Prüfung, und die Entscheidung, nämlich daß der Herr Bundesschatzminister nicht in der Lage sei, die Verantwortung für eine Auftragserteilung, die in der Tat am 15. Dezember 1964 vorgesehen war, zu übernehmen, ist endgültig erst am 6. April 1965 getroffen worden. Wenn der Bundesschatzminister die Verantwortung nicht übernehmen kann, muß er eine neue Prüfung veranlassen
oder, wie in diesem Fall, neu ausschreiben. Diese Ausschreibung ist erfolgt. Wir hoffen, daß die Ausschreibungsergebnisse bald eingehen.
Herr Abgeordneter Braun zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß zwei Firmen, die an dem Projekt ebenfalls interessiert sind, nämlich Siemens und die AEG, den Herrn Diplomingenieur Setzekorn, der ein Gutachten positiver Art für das Objekt Ott erstellt hat, veranlassen wollten, sein Gutachten zurückzuziehen, und ihm dafür 1500 DM im Monat zusätzlich zu seinem sonstigen Honorar angeboten haben?
Herr Abgeordneter, das ist mir in der Tat unbekannt.
Meines Wissens ist dem Herrn Minister aber dieser Tatbestand durch den Senator für Jugend und Sport mitgeteilt worden. Ist Ihnen das bekannt, und - wenn ja - was ist in dieser Frage unternommen worden?
Herr Abgeordneter, das ist dem Bundesschatzministerium nicht bekannt. Ich würde es aber für richtig halten, diese von Ihnen gestellte Frage - es dreht sich um 650 000 DM öffentliche Mittel - ausführlich im Haushaltsausschuß zu erörtern, damit endlich die Frage geklärt wird, ob hier jemand nicht sauber gehandelt hat.
Ich bitte darum.
Ich rufe auf die Frage XIII/5 - des Herrn Abgeordneten Opitz -:
Bedeutet die jetzt vorgenommene erneute Ausschreibung des in Frage XIII/3 genannten Projekts, daß gegen die Pläne der Wiesbadener Firma Ott schwerwiegende technische Bedenken geltend gemacht werden konnten?
Die Frage habe ich bereits bei Ihrer ersten Frage, Herr Abgeordneter Opitz, beantwortet.
Zusätzlich weise ich darauf hin, daß nach den „Leitsätzen für die Beleuchtung von Sportanlagen", die vom Schweizerischen Beleuchtungskomitee veröffentlicht worden sind und die als internationale Richtlinien angesehen werden können, die ,,Leuchten grundsätzlich auf vier hohen Masten außerhalb der Spielfeld-Ecken montiert werden" sollen.
Zwei-Mast-Anlagen sind bisher auf international anerkannten Spielfeldern nicht errichtet worden.
Das Olympia-Stadion kann nicht als Versuchsobjekt dienen. Der Erbauer des Olympia-Stadions, Herr Professor March, hat für solche Versuche auch nicht seine Zustimmung gegeben, und er hat Urheberrechte.
Herr Abgeordneter Opitz, zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist in absehbarer Zeit damit zu rechnen, daß ganz klar und entschieden auf die zum Teil erheblichen, auch schriftlich erhobenen Vorwürfe in der Verfahrenssache Olympia-Stadion geantwortet wird?
Herr Abgeordneter Opitz, ich weiß nicht, ob Sie einen Schriftwechsel mit der Wiesbadener Firma meinen. Wenn Sie das meinen, dann muß ich Ihnen darauf erklären, daß möglicherweise nicht alle Fragen im Schriftverkehr geklärt werden können, sondern vielleicht andere Stellen eingeschaltet werden müssen. Ich bin aber bereit, auch dazu im Haushaltsausschuß Erklärungen abzugeben.
Ich möchte es vermeiden, daß sich aus Fragen und meinen Antworten hier etwa Bestechungs-, Beleidigungs- oder sonstige Verfahren ergeben.
Jedenfalls ist der Vorwurf, der gegen einen Beamten erhoben wurde, völlig unrichtig. Ich habe der Wiesbadener Firma geschrieben, sie möge mir mitteilen, wann und wie das gewesen sei. Die Firma ist nicht bereit gewesen, mir die Sache so klar darzulegen, daß wir daraufhin eine richterliche Stelle hätten einschalten können. Der Vorwurf gegen den Beamten ist damit - für mich jedenfalls - erledigt. Ich habe keine Möglichkeit, gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Ich muß Ihnen auch sagen: Ich bin überzeugt, daß der Beamte korrekt gehandelt hat.
Herr Abgeordneter Dorn zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich, daß nach monatelangem Prüfen und nach all den vorliegenden Gutachten Ihr Haus am 15. Dezember 1964 zu dem Schluß gekommen ist, daß der Auftrag nunmehr für eine Zwei-MastenLichtanlage an eine bestimmte Firma erteilt werden konnte, diese Mitteilung der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist und Sie nun plötzlich, nachdem Sie zu dieser Entscheidung gekommen waren, nicht mehr zu der Entscheidung stehen, obwohl damals schon ganz klare Anweisungen an Ihre Berliner Dienststelle gegeben worden waren?
Herr Abgeordneter, es sind, wie Sie mit Recht sagen, klare Anweisungen an die Berliner Dienststelle gegeben worden. Bei der Durchführung der Weisung hat sich eindeutig ergeben, daß die Berliner Dienststelle nicht in der Lage ist, den Auftrag zu erteilen, erstens weil lichttechnische Bedenken bestehen, und zweitens weil man der Wiesbadener Firma die Haftung für dieses große Objekt nicht zumuten konnte. Wenn auch die Wiesbadener Firma bereit war, die Haftung zu übernehmen, so würde, wenn später die Haftung akut geworden wäre, doch sofort die Rechtsfrage aufgetaucht sein, ob wir der Firma bei einem Objekt von 650 000 DM nicht eine zu große Haftung zugemutet hätten.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn nicht bekannt, daß diese Wiesbadener Firma bisher Großobjekte im internationalen Bereich in einer großen Anzahl durchgeführt hat und daß nach dem
15. Dezember 1964 zu den lichttechnischen Fragen kein neues Gutachten mehr abgegeben worden ist, sondern nur die Gutachten bestanden, die Sie zu Ihrer Entscheidung am 15. Dezember gebracht haben?
Herr Abgeordneter, es ist bekannt, daß die Firma internationale Aufträge erfüllt hat, und es ist auch bekannt, daß sie sie gut erfüllt hat. Aber es ist kein Fall bekannt, in dem die Firma eine Zwei-Masten-Anlage gebaut hat. Und das ist hier das Problem!
Herr Abgeordneter Wellmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht das Gutachten von Professor March vom
16. Juni 1964 bekannt, ,das mit dem folgenden Satz endet?
Die Ottsche Lösung ergäbe mithin aus ihrer funktionellen Logik in gleicher Weise günstigste Möglichkeiten für die Erfüllung der verschiedenen Beleuchtungsaufgaben wie auch für die architektonisch sinnfällige Lage der Maste im Stadion-Organismus.
Das Gutachten ist mir bekannt, Herr Abgeordneter. Ich darf Ihnen aber sagen, daß wir mit Herrn Professor March laufend in Verhandlungen stehen. Dem jetzt erteilten Ausschreibungsauftrag, also dem darin enthaltenen Entwurf hat Herr Professor March mit Schreiben vom 13. April 1965 zugestimmt, und er hat ,damit steine früheren Erklärungen ergänzt. Für uns ist jetzt nur das Schreiben von Herrn Professor March vom 13. April 1965 maßgebend.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wellmann.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin, als Sie mir ,auf meine Frage antworteten, richtig dahin verstanden, Professor March habe sich gutachtlich nicht zu der Zwei-Mast-Lichtanlage geäußert?
Herr Abgeordneter, ich bezeichne das Schreiben von Herrn Professor March vom Juni vorigen Jahres nicht als lichttechnisches Gutachten.
Herr Abgeordneter Urban zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Gutachter haben in ihrer speziellen Funktion zu der lichttechnischen Güte des Ottschen Entwurfs Stellung genommen, und nur eineinziges Gutachten, das von der Bundesregierung, von Ihrem Hause eingeholt wurde, ist negativ. Es drängt sich doch die Frage auf - und die bitte ich mir zu erklären -, warum zehn positive Gutachten zu diesem speziellen Komplex von der Bundesregierung verneint wurden und das eine als Grundlage jetzt auch der neuen Ausschreibung den Firmen zugestellt wurde. Da es sich um eine begrenzte Ausschreibung handelt und nach Lage ,der Sache handeln muß, bitte ich, mir vielleicht auch noch Auskunft darüber zu geben, welche Firmen einbezogen wurden.
Kattenstroth Staatssekretär im Bundesschatzministerium: Herr Abgeordneter, beide von der Bundesregierung beauftragten Gutachter haben sich gegen die Zweimastanlage ausgesprochen. Sämtliche für die Angelegenheit zuständigen Herren der Bundesbauverwaltung einschließlich des Bundesschatzministeriums haben sich auch dagegen ausgesprochen, weil sie die Verantwortung nicht dafür übernehmen könnten, daß das Olympia-Stadion gut ausgeleuchtet werde.
Die zweite Frage, die Sie stellen, kann ich wie folgt beantworten: Es sind für die lichttechnische Seite fünf Firmen am 28. April 1965 aufgefordert worden, sich an der beschränkten Ausschreibung zu beteiligen. Die Firmen haben eine Angebotsfrist bis zum 17. Mai. Alsdann hat die Bundesbauverwaltung die Angebote auszuwerten, und dafür werden etwa 14 Tage nötig sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Liehr.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, was Sie veranlaßt, das von Herrn Professor March unter dem 16. Juni 1964 eingereichte Schreiben, das überschrieben ist „Gutachten zum Bau einer Flutlichtanlage für das Olympiastadion" nicht als Gutachten zu werten?
Herr Abgeordneter, mein Mitarbeiter, Herr Ministerialdirigent Jahn, sagt mir, es sei ein architektonisches Gutachten, es sei aber nicht das Gutachten, das wir in lichttechnischer Hinsicht als Bundesbauverwaltung benötigten. Wir müssen § 14 der Reichshaushaltsordnung beachten. Dafür reicht das Gutachten - wenn es diese Überschrift trägt, was mir nicht bekannt war - nicht aus. Für uns sind nur die künstlerischen Vorstellungen von Herrn Professor March wesentlich.
Herr Abgeordneter Braun zu einer Frage, bitte!
Eine Frage, Herr Staatssekretär: Ist Ihnen bekannt, daß das Gutachten des Professors Schulz, auf das Sie sich in Ihrem Ministerium stützen, engste Beziehung zum Hause Siemens in Erlangen hat, und halten Sie es für möglich, daß vielleicht Wahlkreisfragen bei der Vergebung des Auftrags in bezug auf dort ansässige Abgeordnete eine Rolle spielen könnten?
({0})
Herr Abgeordneter, ich muß mit Entschiedenheit zurückweisen, daß etwa hier Wahlkreisgesichtspunkte für die Entscheidung des Bundesschatzministers maßgebend gewesen wären. Im übrigen wäre ich 'sehr dankbar - und ich betone das noch einmal -, wenn die Möglichkeit bestünde, über alle Fragen im Haushaltsausschuß ausführlich zu sprechen.
Das ist natürlich ein schwerer Vorwurf, der hier erhoben wird; er kann nicht in der Fragestunde, sondern müßte anderweitig behandelt werden. - Bitte, Herr Kollege Braun!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die bisherige Firma Ott, die schon beinahe beauftragt war, wieder in das Ausschreibungsverfahren für die neue Anlage mit einbezogen ist, genauso wie die Firmen Siemens, AEG und auch Osram?
Herr Abgeordneter, es sind nicht alle von Ihnen genannten Firmen einbezogen. Die Wiesbadener Firma ist einbezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage I aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung - Frage des Herrn Abgeordneten Cramer - auf:
Billigt die Bundesregierung die Werbung des Bundesverteidigungsministeriums in der „Wildente", um Freiwillige für die Raketentruppe des Heeres anzuwerben?
Die Anzeigenwerbung der Bundeswehr, Herr Abgeordneter, erfolgt seit jeher durch Vermittlung von Werbeagenturen. Diese streuen die Anzeigen über eine große Zahl verschiedener Publikationsorgane. Dazu gehört u. a. auch die Zeitschrift „Wildente". Bisher hat das Bundesministerium der Verteidigung keine Veranlassung gehabt, diese Zeitschrift von der Veröffentlichung einer allgemeinen Werbeanzeige für die Unteroffizierlaufbahn auszunehmen, wobei ich noch zusätzlich bemerken möchte, daß diese Zeitschrift bisher unregelmäßig - im Jahre 1964 z. B. nur mit einem Heft - erschien.
Es läßt sich nicht vermeiden, daß einzelne Ausgaben eines Presseorgans mitunter in Aufmachung und Inhalt nicht der Auffassung des Bundesministers der Verteidigung entsprechen. Das gilt z. B.
für die Märzausgabe 1965 der Zeitschrift „Wildente". Es besteht jedoch keine Möglichkeit, einzelne Nummern einer Zeitschrift gezielt von der Veröffentlichung von Werbeanzeigen für die Bundeswehr auszunehmen, so daß in Kauf genommen werden muß, daß eine Anzeige auch einmal in einer einzelnen Ausgabe erscheint, die nicht die Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung findet.
({0})
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Werbeanzeigen für die Bundeswehr nur in solchen Publikationsorganen erscheinen sollen, deren Inhalt den allgemein anerkannten demokratischen Grundsätzen entspricht. Wenn die „Wildente" die in ihrem letzten Heft eingeschlagene Linie beibehalten wird, wird sie von der Anzeigenvergabe ausgeschlossen werden.
({1})
Herr Abgeordneter Cramer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Zeitschrift „Die Wildente" allgemein als eine Zeitschrift mit rechtsradikaler Tendenz gilt?
Gumbel Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich lese diese
Zeitschrift nicht. Ich bin mir auch nicht 'bewußt, daß ich mich damit etwa eines Versäumnisses schuldig mache. Ich muß mich also auf das verlassen, was mir darüber berichtet worden ist. Mir ist nicht gesagt worden, daß es sich um eine rechtsradikale Zeitschrift handele. Mir wurde vielmehr gesagt, es sei eine Zeitschrift, die sich an die ehemaligen Angehörigen der PK wendet, der Propaganda-Kompanie.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Staatssekretär, stehen Ihnen in der Bundesrepublik nicht genügend Zeitungen mit entsprechender Streuung zur Verfügung, in denen Sie Ihre Werbeanzeigen unterbringen können?
Sicher. Ich sagte ja schon, daß wir nicht nur in der „Wildente" Werbeanzeigen aufgeben.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist dem Bundesministerium der Verteidigung bekannt, daß Publikationen nur dann als Zeitschriften bezeichnet werden können, wenn sie periodisch erscheinen, und daß, da es sich hier offensichtlich um ein unregelmäßig oder nur einmal im Jahr erscheinendes
Organ handelt, der Begriff der Zeitschrift gar nicht zutreffen kann?
Ich möchte mich darüber nicht streiten, Herr Bundestagsabgeordneter. „Die Wildente" bezeichnet sich als ein Mitteilungsblatt, das in unregelmäßiger Folge erscheint.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Moersch.
Ist veranlaßt, daß die das Bundesverteidigungsministerium vertretende Agentur über diese Zusammenhänge auf dem Zeitschriftenmarkt aufgeklärt wird, daß es sich nämlich bei Zeitschriften um regelmäßig erscheinende Organe handeln muß?
Ich werde das weitergeben, Herr Abgeordneter.
({0})
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß die Steuergelder, die hier für Werbezwecke ausgegeben werden, in solchen Blättern im allgemeinen und in solchen nicht einmal periodisch erscheinen- den Blättern im besonderen sinnvoll angelegt sind?
Es handelt sich um eine Werbung, wie sie in vielen Zeitschriften betrieben wird, auch in Zeitschriften, die sich nicht unmittelbar an den in Betracht kommenden Personenkreis, also an junge Leute, wenden. Sonst würden wir, Herr Abgeordneter, ja nur in Jugend- oder Schülerzeitschriften Anzeigen aufgeben können. Es hat erfahrungsgemäß einen Nutzen, sich auch indirekt an die in Betracht kommenden Personenkreise zu wenden. Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich, diese Werbung zu verstehen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.
Sie betrachten offenbar die ehemaligen Angehörigen der PK als in Frage kommende Kreise. Das war aber nur eine Bemerkung. Jetzt meine Frage: Wird die Bundesregierung in Zukunft dafür Sorge tragen, daß die Werbeagenturen, die hier beauftragt werden, ganz allgemein, bevor sie ihre Aufträge geben, der Bundesregierung bekanntgeben, mit welchen Zeitschriften sie sich in Verbindung setzen, damit gesichert wird, daß politische Fehlinvestitionen hier in Zukunft unterbleiben?
({0})
Herr Abgeordneter, ich bin in
9002 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 179. Sitzung. Bonn,. Mittwoch, den 5. Mai 1965
meiner grundsätzlichen Antwort bereits auf diese Frage eingegangen. Ich würde sie bejahen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Frage II/1 - des Abgeordneten Josten - aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bisher mit der Polio-Impfung zum Schutz gegen die Kinderlähmung gemacht?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen II/1 und II/2 gemeinsam beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage II/2 - des Abgeordneten Josten - auf:
Wie sind die Vergleichszahlen von Kinderlähmungsfällen gegenüber den Jahren vor den Schutzimpfungen?
Mit der Impfung zum Schutz gegen die Kinderlähmung haben wir in der Bundesrepublik überaus gute Erfahrungen gemacht. Anfang 1962 ist mit der Schluckimpfung begonnen worden. Sehr bald danach sind die Erkrankungen stark zurückgegangen. Der Rückgang hat auch in den folgenden Jahren angehalten, so daß der Erfolg der
» Schutzimpfungen eindeutig feststeht.
Ich darf die Vergleichszahlen der letzten Jahre nennen: Im Jahre 1959 sind 2114 Erkrankungen gemeldet worden, 1960 4198, 1961 4673, 1962, also in dem Jahr, in dem mit der Schluckimpfung begonnen wurde, 296, 1963 241 und im Jahre 1964 54.
Herr Abgeordneter, setzen Sie dazu bitte die Zahl aus dem Jahre 1952 - dieses Jahr war einer der Höhepunkte der Poliomyelitis in der Bundesrepublik - in Vergleich. Damals mußten wir 9700 Erkrankungen, 776 Todesfälle und allein über 1500 Gelähmte verzeichnen. Demgegenüber darf ich noch einmal die letzte Zahl aus dem Jahre 1964 wiederholen: 54 Erkrankungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten!
Herr Staatssekretär, kann man auf Grund der von Ihnen soeben genannten Zahlen annehmen, daß mit der Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung diese Erkrankung praktisch beseitigt wurde?
Ich glaube nicht, daß man das annehmen darf, Herr Abgeordneter. Ich möchte auch dringend davor warnen, zu glauben, die Krankheit sei endgültig besiegt. Ich glaube, daß ich das nicht nur als Verwaltungsbeamter sagen muß, sondern daß mir auch jeder Arzt darin recht geben würde. Es hängt sehr stark von dem Grad und der
Dauer der Immunität ab, ob eine Seuche endgültig besiegt ist. In beidem, glaube ich, kann man sich noch nicht festlegen. Ich möchte diese Warnung nicht nur deshalb aussprechen, weil wir noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse besitzen, sondern auch deshalb, weil ich vermeiden möchte, daß die Bereitschaft zur freiwilligen Impfung, der wir diesen Erfolg verdanken, irgendwie nachlassen könnte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, wird also diese Angelegenheit von seiten Ihres Ministeriums weiter sorgfältig beobachtet?
Nicht nur von seiten meines Ministeriums, sondern auch von seiten der ärztlichen Wissenschaft und Forschung und der ärztlichen Praxis, aber vor allem auch des öffentlichen Gesundheitsdienstes der Länder, in dessen Hand die Schutzimpfung lag.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, ist dem Ministerium bekannt, wie es um Schutzimpfungen gegen Kinderlähmung in der sowjetisch besetzten Zone aussieht?
In der Sowjetzone, Herr Abgeordneter, gibt es einen Impfzwang auch für Kinderlähmung. Dementsprechend sind die Erkrankungen in den letzten Jahren auch dort äußerst gering.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, in welcher Form die Bundesregierung zu dem Erfolg der Schluckimpfaktion der Länder beigetragen hat?
Der Vollzug der Schutzimpfung, sagte ich, liegt in der Hand der Gesundheitsämter der Länder und der Kommunen. Die Bundesregierung hat gesetzgeberisch die Schutzimpfung gegen die Kinderlähmung durch eine Novellierung des Bundesseuchengesetzes im Jahre 1961 ermöglicht.
Eine weitere Frage.
Hat sich die Bundesregierung auch in finanzieller Hinsicht an den Aufwendungen der Länder beteiligt?
Herr Abgeordneter, das ist nicht möglich, denn die Kosten des öffentlichen Gesundheitsdienstes werden von den Trägern der Gesundheitsämter übernommen. Die Bundesregierung hat sich aber beteiligt durch Zuschüsse an die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung und eine Reihe von Forschungsinstituten, deren dankenswerte Bemühungen zu dem Erfolg der Schutzimpfung wesentlich beigetragen haben.
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Bundesregierung neuerdings Gesetze erläßt?
Verzeihen Sie; das ist eine faute de parler. Selbstverständlich ist es der Bund gewesen; das ist klar.
Aber die Frage war ja wohl auch deswegen berechtigt, Herr Staatssekretär, weil Sie ausdrücklich auf das Tätigwerden der Bundesregierung Bezug genommen und dann auf das Gesetz verwiesen hatten, das wohl, wenn ich mich recht erinnere, immer noch in diesem Hause erlassen wird.
Ganz gewiß! Ich möchte aber meinen, daß es mindestens eine Vorlage der Bundesregierung war.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Bechert.
Herr Staatssekretär, können Sie eine Angabe darüber machen, in welcher Höhe die Zuschüsse an diese Vereinigung zur Bekämpfung der Poliomyelitis gegeben wurden, verglichen mit den Aufwendungen, die die Länder gemacht haben? - Nur die Größenordnung!
Ich kann nicht einmal ungefähre Angaben machen, Herr Professor, weil ich im Augenblick nicht über die Zahlen verfüge. Ich bin aber gern bereit, sie Ihnen schriftlich mitzuteilen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern! Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Cramer -:
Zu welchem Ergebnis haben die am 18. März 1965 begonnenen Verhandlungen zur Neuregelung der Altersversorgung der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst geführt?
Die Verhandlungen führten zu dem Ergebnis, daß die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes künftig unter Kostenbeteiligung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Versorgung in Anlehnung an beamtenrechtliche Bestimmungen erhalten sollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Cramer.
Herr Minister, ist damit auch die dynamische Anpassung dieser Renten sichergestellt?
Wir sind noch gar nicht beim rechtsgültigen Abschluß. Erst wenn der beendet ist, könnten wir uns über Dynamik unterhalten.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Cramer.
Herr Minister, sehen Sie eine Möglichkeit, in Verbindung mit dieser Frage gleichzeitig oder nebenher auch die Bezüge der früheren Marinearbeiter und Heeresarbeiter, also MAUK und HAUK zu regeln und sie der Dynamik anzupassen?
Ich bin erstens für Maßnahmen für die Gegenwart und für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit, und zweitens bin ich in der Politik für Dynamik, aber nicht in solchen Fragen.
Die Frage IV/2 - des Abgeordneten Fritsch - ist zurückgestellt. Frage IV/3 - des Abgeordneten Seuffert -:
Hält es die Bundesregierung mit dem Sinn des Rechtsschutzes in Verwaltungssachen für vereinbar, daß die Behandlung von Widersprüchen ({0}) von der Zahlung von Kostenvorschüssen abhängig gemacht wird?
Herr Kollege Seuffert, diese Kostenvorschüsse werden nach Landesrecht erhoben und haben die Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts gefunden, und selbstverständlich teilt die Bundesregierung die Auffassung dieser beiden höchsten Gerichte.
Herr Minister, halten Sie es wirklich für angebracht - abgesehen von den Erwägungen über die Rechtslage -, daß in der Tat die Behandlung von Rechtsmitteln in öffentlichen Verfahren von der Zahlung von Vorschüssen abhängig gemacht wird?
Herr Kollege, Sie sind Anwalt, ich war es; wir verstehen beide etwas von Kostenvorschüssen. Ich bin der Meinung, daß das ganze Prozeßrecht von Kostenvorschüssen durchzogen ist. Entscheidend ist, daß jemandem, der aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Rechtsstreit mit Kostenvorschuß zu finanzieren, ein solcher Vorschuß erlassen wird.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Seuffert.
Herr Minister, ist Ihnen ein anderer Fall in einem öffentlich-rechtlichen Streitverfahren bekannt - etwa im Steuerstreitverfahren oder im Verfahren gegen Strafbefehle usw. -, in dem die Behandlung von Rechtsmitteln von Vorschüssen abhängig gemacht wird?
Ich möchte sagen: ich teile die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Gerichte sind mir in dieser Frage autoritativ genug.
Ich rufe dann die Frage des Abgeordneten Jahn aus der Drucksache IV/3342 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften in Übereinstimmung mit der Entschließung der 32. Justizministerkonferenz eine Änderung des § 53 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz dahin vorzuschlagen, daß Richter in der Eingangsgruppe ihrer Laufbahn bereits von der 6. Dienstaltersstufe an das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 erhalten können?
Der Entwurf wird in der nächsten Kabinettssitzung verabschiedet. Ich kann deshalb die Frage nicht beantworten, weil ich der Entscheidung nicht vorgreifen möchte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jahn.
Aber Sie können sicher Ihre persönliche Meinung dazu sagen, Herr Minister, - oder?
Vielleicht ist das etwas zu viel, was Sie vorschlagen.
Soll das heißen, daß Sie zu dieser Frage keine haben?
Durchaus! Wenn ich sage „zu viel", heißt das: nicht alles, aber vielleicht einiges.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir beenden damit die Fragestunde. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 44 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({1}).
Es liegt der Antrag des Ausschusses vor, die Anträge, die dort aufgeführt sind, anzunehmen. Darf ich das Einverständnis des Hauses annehmen? - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist nach dem Antrag des Ausschusses beschlossen.
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer ({2}) ({3}) ;
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({5}),
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({6}) ({7}) ;
({8})
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer ({9}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({10}) ({11});
({12}).
Ich danke den Berichterstattern.
Wird Ergänzung eines der Berichte gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Müller ({13}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus ist im Begriff, die zweite Lesung eines Gesetzes zu beginnen, das vom Inhalt her und gemessen an dem Interesse weitester Kreise der deutschen Öffentlichkeit eine neue Phase deutscher Sozialpolitik einleiten kann.
Vor Ihnen liegt der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Arbeit, der am 22. Januar dieses Jahres von Ihnen beauftragt wurde, Form und Inhalt der heutigen Beratungen vorzubereiten. Dieser Bericht mit der Darstellung der Einzelberatungen kann naturgemäß nur die Beratungen über die Sachentscheidungen widerspiegeln. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, sondern insoweit auf den Schriftlichen Bericht verweisen. Was dieser Schriftliche Bericht aber trotz aller Bemühungen um die richtige Beurteilung in der Sache nicht widerspiegeln kann, sind der Ernst, die verantwortungsbewußte Diskussion und das Wissen um die Bedeutung dieser gesellschaftspolitischen Entscheidung, weil die Vermögensbildung in breiter Streuung des Eigentums die Grundlage sozialer Gerechtigkeit und eine unumgängliche Voraussetzung für eine gute gesellschaftliche Ordnung und für die politische Stabilität unseres Volkes ist.
Die Sozial-Enzyklika „Mater et Magistra" des Papstes Johannes XXIII., die Eigentumsdenkschrift der evangelischen Kirche und die gemeinsamen Empfehlungen zur Eigentumspolitik evangelischer und katholischer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler waren dem Ausschuß wichtige Richtpfeiler in der weit über die einzelne Sachentscheidung hinMüller ({0})
ausgehenden Diskussion: Persönliches Eigentum als Grundlage einer freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialordnung,
Eigentum als Voraussetzung eigener Verantwortung in der Gemeinwohlgerechtigkeit,
Eigentum in der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen und seiner Familie und als Mittel der Unabhängigkeit gegenüber den Auswirkungen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht.
Die Empfehlungen der kirchlichen Persönlichkeiten zur Eigentumspolitik stellten heraus, daß es Aufgabe der Eigentumspolitik ist, die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, daß den vermögensschwachen Schichten der Bevölkerung, insbesondere den Arbeitnehmern, die Vermögensbildung erleichtert wird.
Diese gesellschaftspolitischen Gedanken und das Wissen um den Auftrag des Grundgesetzes, den freiheitlichen sozialen Rechtsstaat weiter auszubauen, bildeten die Grundstimmung für die Diskussionen und die Beratungen im Ausschuß für Arbeit, der sich zunächst einmal die Frage stellen mußte, warum das in der dritten Legislaturperiode verabschiedete und zur Zeit geltende Gesetz zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer nicht den vom Parlament gewünschten Erfolg gehabt habe. Es wurde in der Diskussion deutlich, daß das Parlament nur den Rahmen abstecken konnte und die in der Gesellschaftsordnung wirkenden Kräfte das Gesetz mit Leben erfüllen mußten. Diese Aufgabe der Gruppen der Gesellschaft bei der Anwendung des Gesetzes ist - das wurde mit großem Bedauern ausgesprochen - entweder nicht erkannt oder nur unzureichend erfüllt worden. Bei der als richtig erkannten Aufgabe - so wurde gesagt - gelte es nun, neue Wege zu gehen und den Erfolg des Gesetzes über die Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu sichern.
Lassen Sie mich aus der Fülle der Argumente und Vorschläge der Ausschußberatungen nur zwei Gesichtspunkte herausstellen.
Als wesentlicher Grund für die unbefriedigende Anwendung der bisherigen Vermögensbildungsgesetze wurde festgestellt, daß die Sozialpartner von der unmittelbaren Verantwortung ausgenommen waren. Zwar hätten die Arbeitgeber als einzelne und die Betriebsräte als Vertreter der Belegschaften schon bisher die Möglichkeit zu frei vereinbarten betrieblichen Regelungen gehabt, sie aber nicht oder nur ungenügend genutzt. Nun gelte es, wie in den beiden Gesetzentwürfen vorgesehen, die Verbände der Sozialpartner in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Ordnungsfaktoren anzusprechen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, in verantwortlicher Ausübung ihrer Funktion in der Ausfüllung der ihnen vorn Staat gesicherten freiheitlichen sozialen Autonomie vermögenswirksame Leistungen durch Tarifverträge zu vereinbaren.
Ein zweites Problem wurde mit gleichem Ernst diskutiert. Die gesellschaftspolitischen Bemühungen um eine Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand könnten auf die Dauer nur Erfolg haben, wenn der Wille zum Eigentum als wichtigste Voraussetzung
einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung gestärkt werde. In dieser sozialpädagogischen Aufgabe seien alle Gruppen und Kräfte angesprochen, die in der Vertretung und der Bildung der Arbeitnehmerschaft tätig seien. Der Staat kann und soll nur den Rahmen zimmern. Aufgabe der im Staate freiheitlich wirkenden gesellschaftlichen Gruppen ist es, den Rahmen zu füllen.
Der Berichterstatter fühlte sich verpflichtet, diese Grundgedanken der Diskussion darzustellen, weil das der Bedeutung dieses Gesetzes angemessen erscheint. Im übrigen verweist er auf den Schriftlichen Bericht und den Antrag des Ausschusses, dem Gesetz in der vorliegenden Ausschußfassung die Zustimmung zu geben.
({1})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten dann in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1. Ich darf wohl Ihre Zustimmung feststellen, daß wir zunächst eine allgemeine Beratung vornehmen. Das ist ausnahmsweise möglich. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir eine allgemeine Beratung vorschieben?
({0})
- Dann rufe ich auf den § 1. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({1}) .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müller hat soeben noch einmal in sehr bewegten Worten die Bedeutung der heutigen Stunde dargelegt. Er hat noch einmal vorgetragen, daß wir heute darüber entscheiden wollen, wie eine breitere Vermögensbildung gestaltet werden kann und muß, wie wir den Rahmen schaffen wollen, in dem wir dem östlichen Kollektiv eine breite Eigentumsbildung entgegenstellen. Er hat eingangs erklärt, daß es notwendig ist, um das Interesse breitester Kreise, das an diesem Nachmittag hängt, auch wirklich zu befriedigen, eine ernste und verantwortungsbewußte Diskussion zu führen.
Meine Damen und Herren, ich muß diese ernste und verantwortungsbewußte Diskussion mit einigen Bemerkungen einleiten, die sich aus folgenden Gründen als notwendig erwiesen haben. Es hat sich gezeigt - und auch der Ausschußbericht zeigt dies auf -, daß bei der Diskussion in den Ausschüssen wesentliche Dinge außer acht gelassen wurden, daß ein Teil der Problematik leider nicht angesprochen wurde, daß beispielsweise - das möchte ich hier gleich schon einmal anschneiden - die von verschiedenen Seiten aufgetauchten verfassungsrechtlichen Bedenken im Ausschuß überhaupt nicht diskutiert und im Bericht überhaupt nicht erwähnt wurden.
Weiterhin haben die bei den von uns allen geforderten sozialpolitischen Maßnahmen notwendigen und bisher üblichen Anhörungen von Sachverständigen in den Ausschüssen dieses Mal zu unserer Überraschung nicht stattgefunden; entsprechende Anträge wurden abgelehnt.
Schmidt ({0})
Diese beiden Tatsachen, das Übergehen gewisser Probleme im Ausschuß und die Ablehnung der Anhörung von Sachverständigen, haben dazu geführt, daß der leider nicht ganz ausgegorene und durchdachte Gesetzentwurf, der uns vorgelegt wurde, in den Ausschüssen nicht richtig durchleuchtet worden ist. Er ist somit heute mit Problemen belastet, er ist, möchte ich sagen, unausgereift und läßt schwerwiegende Fragen unbeantwortet und kann gefährliche Auswirkungen haben.
Es erscheint der Freien Demokratischen Fraktion unverantwortlich, Sie alle zur Entscheidung über dieses Gesetz aufzurufen, wenn Sie nicht vorher wissen, welch riskanten Zukunftswechsel Sie mit der Zustimmung zu der jetzigen Ausschußfassung ausstellen würden.
Ich sagte schon: die Beratungen waren für meine Freunde zu rasch. Beispielsweise hat der Finanzausschuß, der als mitberatender Ausschuß tätig war, die Frage der Haushaltsbelastung an den Haushaltsausschuß verwiesen. Im Haushaltsausschuß wurde aber die Gesamtfrage überhaupt nicht erörtert. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit wurde nirgends geprüft, obwohl sie von uns angeschnitten worden war und wir um eine Diskussion, eine Klärung, gebeten hatten. Man mußte den Eindruck gewinnen, vor allem bei den Anträgen auf Anhörung von Sachverständigen, die bedauerlicherweise auch in den mitberatenden Ausschüssen abgelehnt wurden, daß bei den Initiatoren eine gewisse Sorge bestand, hier könnte ein Wahlgeschenk an den Tatsachen zerbrechen, wenn durch die Beratungen mit Sachverständigen im Ausschuß klar würde, daß das Ziel, das wir alle wollen und das ein Teil dieses Hauses auf diesem Wege erreichen will, nicht erreicht werden kann.
Wir Freien Demokraten sahen uns aus diesem Grunde genötigt, von uns aus Sachverständige anzuhören, Sachverständige aus allen Bereichen, die von diesem Gesetz betroffen sind, darüber hinaus Wissenschaftler von Format wie Professor Forst-hoff als Verfassungsrechtler, Professor Schmölders, Professor Albers als Finanzrechtler und andere.
Ehe ich auf diese Bedenken eingehe, möchte ich hier noch einmal eines klarstellen. Ich glaube, das muß gesagt werden, wenn nachher eine Entscheidung fallen soll. Wir alle wollen das breit gestreute Eigentum als Abwehr gegen östliche Kollektiverscheinungen; wir alle wollen eine breitere Basis der Vermögensbildung, als sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, und wir alle wollen auch bei dieser Vermögensbildung keine Eingriffe in bestehendes Eigentum; wenigstens ist das von allen Fraktionen dieses Hauses immer bestätigt worden. Wir Freien Demokraten glauben nun, daß diese drei Ziele auf dem Weg, der das Ergebnis der Ausschußberatungen ist, nicht erreicht werden können.
Wir befürchten, daß dabei schwere Eingriffe in unsere Verfassung geschehen könnten,. Wir befürchten eine Gefährdung unserer Geldwertstabilität; ich werde nachher noch auf die Einzelheiten kommen. Wir befürchten eine schwere Erschütterung unserer Wirtschaftsstruktur. Wir befürchten einschneidende Einschränkungen unseres Haushaltsrechts für die Zukunft. Wir haben erkennen müssen, daß diese Ausschußfassung leider auch wesentliche unsoziale Züge zeigt und damit gar nicht dem Ziel gerecht wird, das sie erreichen soll.
({1})
Darüber hinaus darf von unserer Sicht her am Rande erwähnt werden, daß das in der Ausschußfassung vorhandene kollektivistische Prinzip des Sparens die bisherige Sparbereitschaft, den Sparwillen breitester Kreise negiert, diese Selbstverantwortung als nicht vorhanden hinstellt und damit einen gewissen bedenklichen sozialpolitischen Rückschritt, ich möchte beinahe sagen, in Richtung auf Gotha und Aalen darstellt.
({2})
Schließlich sind wir uns auch noch nicht darüber klar, wie dies alles mit dem in Übereinstimmung zu bringen ist, was der Herr Bundeskanzler im Oktober 1963 in seiner Regierungserklärung gesagt hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Der Herr Bundeskanzler sagte damals:
Vergessen wir nicht, daß eine moderne und freiheitliche Gesellschaftspolitik den Menschen in dem Bewußtsein des Wertes und der Würde seiner Persönlichkeit stärken will. Dieses Bild hat unserer Sozialpolitik als Richtschnur zu dienen. . . . Immerhin aber kann nicht übersehen werden, daß die Fähigkeit und die Bereitschaft zu eigenverantwortlicher Vorsorge in enger Beziehung und Abhängigkeit von Art und Umfang der kollektiven Sicherheit stehen . . . wird es nützlich sein, innerhalb unserer Sozialordnung der individuellen Verantwortung breiteren Raum zu geben.
Meine Damen und Herren, was hier geschieht, ist eine Einengung der individuellen Verantwortung.
Ein weiteres: noch am 15. Oktober 1964 im Rahmen der Haushaltsdebatte hat der Herr Bundeskanzler - ich darf wieder zitieren, Herr Präsident
- erklärt:
Die Bundesregierung lehnt ein Verfügungsrecht der Tarifpartner über die Verwendung eines Teils des Lohnes ab.
Meine Damen und Herren, und was tut die Ausschußfassung? Sie gibt ein Verfügungsrecht. Auch hier Widersprüche, nichts als Widersprüche.
Nun gut, die Mehrheit des Hauses kann mit einer
- wie es dieser Tage in einer Diskussion einmal genannt wurde - „sozialdemokratischen Union" und mit deren Willen die bisherige Einstellung der Bundesregierung zur Eigentumspolitik verändern. Wollen Sie das aber tun, ohne vorher die noch offenen Fragen geklärt zu haben, ohne vorher zu wissen, ob nicht doch verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bestehen, ob nicht unsere Währung in Gefahr kommen kann, ob nicht unsere Wirtschaft in einen noch härteren Konkurrenzkampf und in einen noch härteren Konkurrenzkampf und in strukturelle
Schmidt ({3})
Sorgen gestürzt werden kann? Meine Damen und Herren, Sie werden sagen: Das sind schwere Vorwürfe. Mir bleibt nur übrig, den Beweis dafür zu erbringen. Wir hätten es lieber gesehen, die Klärung - der Gegenbeweis - wäre bei den Sachverständigenvernehmungen in den Ausschüssen erfolgt. Wir haben mehrmals den Antrag gestellt. Er wurde mehrmals abgelehnt. Die Bedenken, die ich Ihnen vortragen muß, wurden von uns mehrmals angemeldet. Es wurde keine Möglichkeit zur Klärung geschaffen. Auf Grund unseres Hearings haben wir die Klärung der Bedenken versucht, und wir haben Ihnen allen Gelegenheiten gegeben, das betreffende Protokoll auf diese Fragen und Bedenken hin durchzulesen.
Lassen Sie mich mit diesen Fragen beginnen. Zunächst einmal das Wesentlichste: Wo besteht Gefahr, daß Verfassungsgrundsätze durch die Vorlage des Ausschusses angegriffen sind, Verfassungsgrundsätze, an denen wir nicht ohne weiteres vorbeigehen können? Diese Frage müssen wir zumindest klären, wir müssen feststellen: wo liegt wirklich ein Angriff auf die Verfassung vor?
Das beginnt bereits mit Art. 2 des Grundgesetzes. In Art. 2 des Grundgesetzes wird die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung garantiert. Mit dieser Vorlage wird aber die Persönlichkeitsentfaltung eingeschränkt, denn es wird hiermit ein Teil des Lohnes festgelegt, auch wenn ein einzelner oder wenige diese Festlegung nicht wollen.
Eine weitere Frage, die sehr schwerwiegend ist und die einer Klärung durch das Verfassungsgericht
B) oder durch Verfassungsrechtler bedürfte: Wo liegt eigentlich im Grundgesetz die Kompetenz für den Bundestag zur Verabscheidung eines solchen Gesetzentwurfes? Sie werden doch wohl nicht behaupten, daß Vermögensbildung so, wie sie immer begründet worden ist und wie auch wir sie sehen, eine Materie des Arbeitsrechtes ist und daß für sie Artikel 74 Ziffer 12 zutrifft.
({4})
Ich glaube kaum, daß wir einen Anhaltspunkt für eine solche Kompetenz finden. Eine andere Möglichkeit innerhalb der Art. 72 bis 75 dies Grundgesetzes habe ich bei mehrfachem Studium leider nicht finden können. Auch unser Hearing hat kein anderes Ergebnis gebracht.
Ein anderer Punkt! Art. 9 Abs. 3 gibt die 'Grundlage für die Tarifautonomie, also das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Es müßte die Frage geklärt werden, ob vermögenswirksame Leistungen zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gehören. Doch wohl kaum, nachdem sie ertrags- und leistungsunabhängig sind und dazu noch verwendungsgebunden werden. Es liegt ein Urteil ides Bundesarbeitsgerichts vor, das das Verbot der Lohnverwendungsabreden ausspricht. Hier liegt zumindest eine Diskrepanz vor. Auch da müßte die Frage geklärt werden, wieweit hier verfassungsrechtliche Schwierigkeiten gegeben sind.
Ein weiterer Punkt! Diese Vermögensbildung soll - das ist, glaube ich, unser aller Meinung - öffentlichen Zwecken, allen dienen. Damit stellt sie eine öffentliche Last dar. Kann der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz eine öffentliche Last, eine öffentliche Aufgabe durch Leistungen 'anderer, die er bestimmt, einfach ausbauen? Ich verweise hier auf Art. 134 der Weimarer Verfassung; seine diesbezügliche Deutung ist vom Bundesverfassungsgericht bejaht worden. Nach diesem Art. 134 würde ein derartiges Vorgehen, wie es das Gesetz vorsieht, einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen.
({5})
- Art. 134, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts! Meine Damen und Herren, ist es kein Eingriff in das Eigentum, wenn - und darauf komme ich noch - gewisse Schwierigkeiten in Kreisen der Wirtschaft eintreten, die zu Eingriffen in das Eigentum führen können? Das ist noch nicht geklärt. Wir werden uns darüber 'in der Diskussion noch unterhalten müssen.
Nach ,dem Grundgesetz ist es oberste Aufgabe des Parlaments, die Kontrollfunktion hinsichtlich des Schutzes der Währung, aber auch hinsichtlich aller Haushaltsaufgaben zu behalten. Wir geben mit diesem Gesetz, wenn es so angenommen wird, diese Kontrollfunktion .in einem Teilbereich ab.
Eine weitere Frage: Läßt es ,das Grundgesetz zu, daß wir ungleiche Tatbestände schaffen, daß wir mit diesem Gesetz Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz dadurch vornehmen, daß von ,diesen vermögenswirksamen Leistungen Arbeitnehmer ausgeschlossen bleiben, nämlich diejenigen, die nicht sparen und nicht festlegen wollen, aber auch diejenigen, die - wie es zur Zeit noch in manchen Bereichen der Fall ist - ohne Tarifvertragsmöglichkeiten sind?
Schließlich bleibt es problematisch, ob eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages, in dem nach diesem Gesetz vermögenswirksame Leistungen vereinbart würden, überhaupt möglich ist. Es wird ja nicht nur über die Höhe, sondern auch über die Verwendung der im Tarifvertrag beschlossenen vermögenswirksamen Leistungen gesprochen.
Diese ,sieben Verfassungsbedenken haben uns veranlaßt, Ihnen noch einmal diese Problematik vorzutragen. Wir müssen uns überlegen, ob wir heute hier ,diesen Schritt tun können, ohne diese Fragen zu klären und ,eines Tages vielleicht vom Bundesverfassungsgericht belehrt zu werden, daß wir unsere Gesetzgebungskompetenz überschritten haben.
Darüber hinaus gibt es schwerwiegende Bedenken, die unsere Währung und unsere Haushaltsentwicklung betreffen. Es gibt vor allem schwerwiegende Unterschiede in der Beurteilung, die nicht geklärt worden sind. Es ist beispielsweise nicht einmal geklärt - und damit geht es ja los -, was nun eigentlich der Begriff „Arbeitsentgelt besonderer Art" darstellt. Bisher war dieser Begriff lediglich in einem ganz anderen Zusammenhang bekannt. Er ist hier als Bezeichnung für diese vermögenswirksame Leistung geprägt worden. Gehört sie zu den Lohnkosten, wie es nach dem bisherigen Gesetz
Schmidt ({6})
durch die 8%ige Pauschalbesteuerung der Fall war, oder ist sie, wie es im Wirtschaftsausschuß besprochen wurde, ein Einkommen in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis? Oder ist - ich glaube, das trifft am ehesten zu - die Aussage des Kollegen Stingl richtig, die er beim 5. Königsteiner Gespräch dazu machte, indem er deutlich sagte - ich darf hier wieder zitieren, Herr Präsident -:
Vermögenswirksame Leistungen sind Bestandteile der Lohnkosten der Betriebe. Bei Tarifverhandlungen kann auch die vermögenswirksame Leistung nur im Rahmen der Möglichkeiten der Betriebsergebnisse durchgesetzt werden.
Das ist eine klare Aussage. Sind diese Leistungen Lohnkosten, dann sind sie auch Bestandteil des Lohnes, und dann ergeben sich auch entsprechende Auswirkungen in den Berechnungen. Bisher war das aber ungeklärt. Noch im Bericht hieß es: Arbeitsentgelt besonderer Art. Die Auffassungen waren verschieden und sind nicht geklärt worden, Herr Professor Burgbacher.
Herr Abgeordneter Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Behrendt?
Ja, bitte!
Herr Kollege Schmidt, da eine allgemeine Aussprache abgelehnt worden ist, frage ich Sie, ob Ihre Ausführungen allgemein sind oder ob sie zu § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs gehören?
Die Frage muß ich beantworten, nicht Herr Abgeordneter Schmidt. Zweifellos gehören die Ausführungen zu § 1; denn § 1 enthält ja die Bestimmungen, daß durch vereinbarte vermögenswirksame Leistungen der Arbeitgeber die Vermögensbildung gefördert werden soll. Das ist das Problem an sich. In diesem Rahmen bewegen sich die Ausführungen des Abgeordneten.
Herr Kollege Behrendt, ich darf Ihnen außerdem noch dazu sagen, daß am Ende meiner Ausführungen ein Antrag stehen wird.
Nun gehe ich weiter zu unseren anderen Bedenken und Sorgen, die nach unserem Dafürhalten hier vorgetragen werden müssen, weil jeder von Ihnen seine Entscheidung daran ausrichten soll.
Gehen wir davon aus, daß es Lohnkosten sind und daß die Belastung sich entsprechend in der Wirtschaft auswirkt! Ich habe davon gesprochen, daß eines Tages 2 bis 3 % der Lohnsumme in vermögenswirksame Leistungen fließen. 2 bis 3 % können dort, wo die Lohnintensität in der unteren Ebene liegt, wenig sein. 2 bis 3 % können auch sehr viel sein, sie können mehr als die Hälfte des Ertrages sein dort, wo eben 70 und 80% Lohnkosten an der Tagesordnung sind.
Nur zwei Zahlen dazu, damit Sie sehen, wie problematisch diese Dinge sind und wie wenig sie noch ausdiskutiert sind. Beim schnellsten Schiff unserer Wirtschaft - das ist die Mineralölindustrie - macht diese Belastung 0,045% des Umsatzes aus, und beim langsamsten Schiff unserer Wirtschaft - das sind die Friseure - macht sie 3,81% des Umsatzes aus. Diese Zahlen sind nicht von mir, sondern sie stammen von Instituten, die sie nachgeprüft haben. Sie können sich somit gern orientieren. Sie sehen also, welche Problematik eine solche sogenannte durchschnittliche 2- bis 3%ige Lohnkostenerhöhung in Wirklichkeit aufwirft. Diese Frage müßte sorgfältiger durchdiskutiert werden, als es bisher geschehen ist.
Noch problematischer wird es, wenn wir an die Eigenkapitalsquote im Rahmen der integrierten Wirtschaft denken. Ungeklärt ist, wieweit durch die unterschiedliche Belastung auf Grund der unterschiedlichen Lohnintensität und durch die erfolgende Gewinneinschränkung die Eigenkapitalsquote beeinträchtigt wird. 'Sie wissen, daß sie heute im Schnitt 40% beträgt. In anderen Industriestaaten wie England, Frankreich und USA macht sie bis zu 60% aus. Die Frage, wieweit hier für lohnintensive Wirtschaftsbetriebe eine Schwächung dieser Eigenkapitalsquote existenzbedrohend sein kann, möchte ich nur andeuten.
Ein Drittes. Ich habe anfangs schon davon gesprochen, daß wir für die Zukunft unsere Haushaltsmöglichkeiten eventuell wesentlich einschränken. In den Beratungen der Ausschüsse ist es ja nicht einmal gelungen, die unterschiedlichen Meinungen zweier Ressorts der Bundesregierung auf einen Nenner zu bringen. Bis heute stehen zwei unterschiedliche Schätzungen im Raum. Das Bundesarbeitsministerium erwartet für das erste Jahr Steuerausfälle von insgesamt 170 Millionen DM. Nach den 'Schätzungen des Bundesfinanzministeriums wird das erste Jahr der Inanspruchnahme etwa 445 Millionen DM kosten. Dieser wesentliche Unterschied konnte nicht geklärt werden. Ich will hier nur andeuten, welche unterschiedlichen Zahlen sich in der Endphase bei voller Inanspruchnahme daraus ergeben. Wie gesagt: das alles muß noch ausdiskutiert werden.
Unsere Hearings halben immerhin drei verschiedene Belastungsendquoten ergeben. Alle drei sind von demselben Finanzwissenschaftler nach drei verschiedenen Möglichkeiten der Entwicklung durchgerechnet worden. Wird die vermögenswirksame Leistung durch zusätzliche Leistung zur normalen Lohnzusatzquote und mit voller Preisüberwälzung erfolgen, so kostet die Sache in der Endphase - einschließlich des öffentlichen Dienstes, den wir ja hineinnehmen wollen - 2,15 Milliarden DM. Erfolgt die vermögenswirksame Leistung innerhalb normaler Lohnerhöhungen und ohne Preiserhöhungen, also ohne Preisüberwälzung, so sind es 2,05 Milliarden DM. Wird es aber so sein - denken wir an die erste Lesung und an die verschiedenen Entwicklungen, die sich schon abzeichnen -, daß es sich einmal um zusätzliche Leistungen zur Lohnzusatzquote handelt und zum zweiten nur kleinere
Schmidt ({0})
Preisüberwälzungen kommen, also die Sache zum großen Teil vom Ertrag abgeht, dann muß nach Prof. Albers mit einem Steuerausfall von 4,65 Milliarden DM gerechnet werden. Vom Bundesfinanzministerium ist die Zahl von 4,14 Milliarden DM errechnet worden.
Solche unterschiedlichen Zahlen stehen im Raum. Über diese unterschiedlichen Haushaltsbelastungen werden Sie nachher entscheiden müssen. Sie werden sich entscheiden müssen, ob Sie diese Fragen vorher klären oder ob Sie va banque spielen wollen.
In diesem Zusammenhang muß ich an den Beratungen Kritik üben. In bezug auf die Summen, die hier zur Diskussion stehen, hat der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages dem Haushaltsausschuß gegenüber erklärt - so steht es in dem Bericht an den Arbeitsausschuß er möge diese Dinge klären. Im Haushaltsausschuß ist in meiner Anwesenheit lediglich darüber gesprochen worden, daß die Sache im ersten Haushaltsjahr, also 1965, nur 65 Millionen DM kosten werde. Alle anderen Fragen, die ich soeben aufgeworfen habe, wurden nicht diskutiert. Über 65 Millionen DM ist beschlossen worden, und 4,15 bis 4,65 Milliarden DM stehen am Ende zur Diskussion. Ich weiß nicht, ob man da von „durchdacht", ob man da von „völlig ausgereift" reden kann.
({1})
Es gibt noch mehr Bedenken. In unserem Hearing ist ein Problem aufgetaucht, das ebenfalls untersucht
werden müßte. Herr Professor Schmölders hat es aufgeworfen. Es geht um die Gefahr, daß die zugegebenermaßen durch die Festlegung auf fünf Jahre für die Banken sehr interessanten Gelder zu einer Liquiditätsstärkung und damit zu einem neuen verstärkten Kreditimpuls führen können. Es wird immerhin damit gerechnet, und zwar auf Grund von Schätzungen von einer Seite - man sollte sie klären -, daß schon ein Geldzufluß von 2 Milliarden DM, der fünf Jahre festgelegt ist, im Endeffekt eine Kreditschöpfungsmöglichkeit von erneut 10 Milliarden DM ergibt. Ob das ganz im Rahmen der von uns allen angestrebten Bemühungen um eine antizyklische Finanzpolitik liegt, sollte untersucht werden.
Dann möchte ich auf eines zu sprechen kommen, was unserer Geldwertstabilität ebenfalls einen Ruck geben könnte. Es ist immer behauptet worden, diese Leistungen könnten ohne weiteres, ohne Preiserhöhungen, ohne Umwälzungen auf die Preise durchgeführt werden. Nun, eines dürften wir in wenigen Wochen erleben, wenn nämlich der Tarifvertrag der Bauwirtschaft in Kraft tritt. Da hier eine große Nachfrage vorhanden ist, kann man an Überwälzungen denken.
Auch die Bundesregierung hat diese Möglichkeit zugegeben. In den Sozialpolitischen Informationen des Bundesministeriums für Arbeit vom 26. November wird wortwörtlich erklärt - ich darf zitieren, Herr Präsident-:
Die Lohnintensität hängt mehr von der Eigenart
der Branche als von der Betriebsgröße ab.
- Das ist eine Sache, die uns bei § 12 interessieren dürfte. Es gibt allerdings einige Zweige mit handwerklichen oder anderen Dienstleistungen, die einen extrem hohen Lohnanteil haben. Hier ist jedoch eine Überwälzung vermögenswirksamer Leistungen verhältnismäßig leicht möglich, weil die Nachfrage bei wachsendem Wohlstand dies erlaubt.
Das heißt also - in einer Fragestunde, in der ich die Frage angeschnitten habe, wurde dies bestätigt -: dort, wo es nicht ohne weiteres geht - ich erinnere an die Friseure -, soll es über Preiserhöhungen gemacht werden.
Meine Damen und Herren, ist es eine wirksame Vermögensbildung, wenn gerade diejenigen, denen wir die Möglichkeit breiterer Vermögensbildung geben wollen, zunächst einmal im Laufe des Jahres über all die Bereiche der Dienstleistung, die ja jeden einzelnen und jede Familie betreffen, eine Preiserhöhung in Kauf nehmen müssen, die, insgesamt gesehen, vielleicht genau das ausmacht, was man am Ende des Jahres über das Vermögensbildungsgesetz im Rahmen der Sparanlage bekommt?
({2})
Herr Kollege Schmidt, Herr Abgeordneter Leber möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Arbeitgeber, die den ersten Tarifvertrag abgeschlossen haben, nämlich die Bauunternehmer, in ihren Reihen fest bemüht sind und ihren Mitgliedern entsprechende Empfehlungen gegeben haben, die vermögenswirksamen Leistungen nicht über die Preise weiterzugeben, und bei Ihren Ausführungen das Gefühl bekommen müssen, daß es eigentlich moralisch und selbstverständlich ist, daß das dennoch geschieht? Animieren Sie nicht die Leute dazu, das zu tun?
Herr Kollege Leber, mir ist wohl bekannt, daß diese Anregung gegeben worden ist. Allerdings habe ich bisher im Laufe der letzten Jahre nie erlebt, daß gerade auf dem Bausektor irgendeine Leistung innerhalb des Voranschlages blieb, sondern alles wurde daraufgestockt. Man konnte sogar bei entsprechenden Bauvorhaben nach einem Jahr oder zwei Jahren eine Rechnung präsentiert bekommen, auf der stand: Diese und jene Erhöhungen sind dazugekommen, deshalb mußte soundsoviel draufgeschlagen werden.
Ich habe leider aus diesen langjährigen Erfahrungen, die jeder Bausparer macht, der ein Häuschen bauen will, den Eindruck, daß das so weitergeht, wenn die Nachfrage vorhanden ist.
Herr Abgeordneter Schmidt, gestatten Sie dem Herrn Abgeordneten Mischnick eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen bekannt, daß der Vertreter des Kollegen Leber beim Königsteiner Gespräch auf die Frage, ob eine Überwälzung möglich ist, geantwortet hat: „Wenn es unsere Tarifpartner für möglich halten, habe ich volles Verständnis dafür"?
Danke schön, Herr Kollege Mischnick, daß Sie mich daran erinnert haben. Ich habe es ebenfalls gelesen. Auch Sie, Herr Leber, haben damit Erfahrungen in Ihrem Bereich. Man muß die Dinge so nüchtern sehen, wie sie sind. Wo eine Nachfrage groß ist, wird die Überwälzung erfolgen. Wo es nicht möglich ist, die Leistung aus dem Gewinn, aus dem Ertrag zu erbringen, muß sie überwälzt werden. Dort ist aber gerade die Basis, an der jeder, dem wir eine breitere Eigentumsgrundlage geben wollen, jeden Tag mit dem Bezahlen dran ist, nämlich bei den Dienstleistungen. Wollen Sie diese Gefahren für die Preisstabilität und die Geldwertstabilität unausdiskutiert lassen, indem Sie heute Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz geben? Ich möchte gar nicht darauf eingehen, daß zwar groß erklärt worden ist, es kämen einmal alle Arbeitnehmer in den Genuß dieses Gesetzes, daß aber die Ungleichheit schon mit dem § 15 anfängt. Wenn Sie das Gesetz beschließen wollen, müssen alle herein. Wir sind der Meinung: wenn Sie es tatsächlich wollen, können Sie niemand davon ausschließen. Dann muß man sich bei § 15 schon etwas anderes überlegen. Man muß sich aber auch überlegen, wie die daraus entstehenden Kosten zu decken sind. Immerhin liegt eine Aussage des Präsidiums des Deutschen Städtetags vor - und das soll das letzte Zitat sein, das ich bringe -, das wortwörtlich erklärt - Herr Präsident, Sie gestatten -:
Die deutschen Städte und Gemeinden sind nicht in der Lage, ohne vorherige Finanzreform die Belastungen aus einem tariffähig gemachten 312-DM-Gesetz zu tragen.
Sie sind nicht in der Lage! Der Vertreter des Deutschen Städtetages hat uns bei der Anhörung erklärt, daß die Kostenaufbringung nur durch Anhebung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer möglich wäre. Das wäre eine weitere Preiserhöhung, wenn Sie es so nennen wollen.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen möchte eine Frage stellen.
Herr Abgeordneter Schmidt, nachdem Sie hier den Deutschen Städtetag zitieren und glauben, daß die Städte und Gemeinden für die Vermögensbildung nichts tun können, darf ich fragen, warum die FDP ,den Entschließungsantrag eingebracht hat, daß umgehend dem Bundestag berichtet werden soll, welche Möglichkeiten bestehen, vermögenswirksame Leistungen entsprechend dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz für !die Angehörigen des öffentlichen Diensteis zu gewähren.
Herr Kollege Schmitt, Sie wissen ja noch nicht, welchen Antrag ich stellen werde. Vielleicht wissen Sie es auch schon.
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Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich darf einiges dazu sagen. Erstens sind wir in der zweiten Lesung. Entschließungsanträge werden zur dritten Lesung gestellt. Ad zwei: wir haben die trübe Erfahrung gemacht - ich habe genügend davon gesprochen -, daß wir leider Gottes mit sehr sachlichen und notwendigen Argumenten gegen zu viele taube Ohren reden. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, was dann ,geschieht, wenn all die Argumente, wenn all die Ungereimtheiten, die noch im Gesetz enthalten sind, nicht dazu führen, daß ,ein neues Durchdenken erfolgt. Was geschieht dann? Dann allerdings, Herr Kollege, sind wir der Meinung, muß jeder herein, jeder, der als Unselbständiger tätig ist.
Herr Abgeordneter Leber möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Schmidt, darf ich wenigstens aus dem Vorliegen des Entwurfs schließen, daß Sie, nachdem Sie für die dritte Lesung einen solchen Entwurf vorbereitet haben, damit rechnen, daß das Gesetz in zweiter Lesung gegen Ihren Willen angenommen wird?
Das ist noch eine Frage, Herr Kollege Leber. Ich bin gleich fertig. Wir werden dann sehen, was das Haus auf Grund der von uns vorgetragenen Bedenken, auf Grund der Probleme, die noch offenstehen, tun wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs bei der Darlegung unserer Befürchtungen noch ein Weiteres angeschnitten, was, glaube ich, mit das Tragischste ist. Wir mußten nämlich feststellen - das ist nicht ausgeräumt worden -, daß dieses Gesetz in einem seiner Paragraphen ausgesprochen unsoziale Züge trägt, und zwar ist das der Paragraph, der die Nachversteuerung betrifft. Ich will jetzt nicht im einzelnen darauf eingehen, sondern nur folgendes sagen: Wenn Sie so beschließen, dann wird derjenige bestraft, ,der heute keine Steuern zahlt - das sind 25 % der Arbeitnehmer -, wenn er, weil er in der Familie Sorgen hat, nicht in der Lage ist, die fünf Jahre durchzuhalten. Den bestrafen Sie. Der muß nämlich 20% Steuern nachzahlen.
({0})
- Jawohl, das muß er zahlen, selbstverständlich, wenn er sonst nicht unter die Steuer fällt. Sie geben demjenigen eine Bevorzugung und einen Anreiz, dieses Gesetz auszunützen, der auf Grund seines Einkommens mit Sozialleistungen und allem insgesamt über 30% zahlt, der aber, wenn er das Geld vorzeitig zurückholt, nur 20% Steuern nachzahlen muß. Hier liegt der Anreiz zum Mißbrauch für die einen. Die anderen, denen Sie eine breite VermögensSchmidt ({1})
bildung gewähren wollen, bestrafen Sie mit dieser Art der Nachversteuerung.
({2})
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich habe mich bemüht, hier noch einmal deutlich die Bedenken vorzutragen und auch im Detail etwas zu erläutern, die uns von Anfang an bewegt haben und deren Diskussion und Klärung im Ausschuß wir gewünscht hätten. Dennoch wurde diese Anhörung abgelehnt, und zwar angeblich deshalb, weil eine eingehende Diskussion in der Öffentlichkeit erfolgt sei - ich glaube, die Diskussion hat in diesem Hause zu erfolgen und nicht in der Öffentlichkeit -,
({3})
weil alle denkbaren Gesichtspunkte erörtert worden seien - über verfassungsmäßige Gesichtspunkte ist in diesem Hause überhaupt nicht gesprochen worden - und weil Sachverständige keine anderen Angaben hätten machen können. Wer das Protokoll unseres Hearings gelesen hat, hat immerhin feststellen können, daß die Meinungen der Sachverständigen sich sehr unterscheiden von den Meinungen, die bisher in den Ausschüssen besprochen wurden. Die Ablehnung der Diskussion, der Klärung, scheint mir und meinen politischen Freunden überhaupt nur verständlich, wenn wir annehmen, daß bestimmte Kräfte, die die Initiatoren dieses Weges der Vermögensbildung sind, in einer Art Wahlkurzschluß, so möchte ich beinahe sagen, bereit sind, einen Zeitzünder zu schaffen, der erst in der Zukunft seine problematischen Auswirkungen zeigen wird.
Sie alle, meine Damen und Herren, hatten Anspruch auf die Darlegung dieser Probleme; denn sie alle sollen über den Entwurf entscheiden. Ich habe Ihnen diese Bedenken noch einmal vorgetragen, um Sie vor einem Sprung in diesen Dschungel der Widersprüche und Ungereimtheiten zu warnen. In dieser Warnung, meine Damen und Herren, sahen und sehen wir Freien Demokraten unsere Mitverantwortung für dieses Gesetz, wenn wir auch dessen Tendenz ablehnen. Wer diesem Gesetz in der jetzigen Ausschußfassung zustimmt, muß sich darüber klar sein, daß das Gesetz so lange verfassungsrechtlich problematisch, gefährlich für unsere Geldwertstabilität, existenzbedrohend für breite Kreise unserer Wirtschaft - insbesondere für den lohnintensiven Mittelstand -, kaum tragbar für unsere zukünftige Haushaltssituation und unsozial gegenüber Einkommensschwächeren und Kinderreichen ist, solange diese aufgezeigten Bedenken nicht ausgeräumt sind.
Um diese Klärung herbeizuführen, meine Damen und Herren, stelle ich namens der FDP-Fraktion den Antrag, den Entwurf Drucksache IV/2687, den Entwurf Drucksache IV/2814 sowie den Ausschußbericht Drucksache IV/3224 gemäß § 32 der Geschäftsordnung an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und die anderen damit befaßten Ausschüsse - mitberatend - zurückzuverweisen. Ich bitte Sie, diesem Antrage Ihre Zustimmung zu geben, damit in der Öffentlichkeit nicht wieder, wie
schon einmal, der böse Eindruck entsteht, daß parteipolitische Entscheidungen wider den besseren Sachverstand gefällt werden, auch wenn dies heute nicht expressis verbis erklärt wird.
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Über diesen Antrag werden wir zweckmäßigerweise nach der Aussprache zu § 1 abstimmen. - Zunächst hat Herr Abgeordneter Scheppmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den soeben gemachten Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt möchte ich zunächst folgendes sagen. Ich will mit meinen Ausführungen nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen, weil praktisch alles das, was Herr Schmidt hier erzählt hat, Gegenstand der Diskussion in den Ausschüssen gewesen ist. Ich möchte aber folgendes feststellen: Solange ich dem Deutschen Bundestag angehöre - und das sind jetzt fast 12 Jahre -, erlebe ich erstmalig, daß vor der zweiten Lesung eine solche Rede gehalten wird, eine Erklärung abgegeben und eine Auslegung vorgenommen wird, die praktisch das ganze Gesetz betrifft und mit einer Kritik an allen Ausschußarbeiten verbunden ist, die ich einfach als unerhört bezeichnen und entschieden zurückweisen muß.
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Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Scheppmann! Ich kann nicht anerkennen, daß die Rede des Herrn Abgeordneten Schmidt der Geschäftsordnung widerspricht. Sie war möglich. Es war zulässig, im Rahmen des § 1 zu dem Gesamtproblem, das in diesem Gesetzentwurf steckt, Stellung zu nehmen.
Sie wollen eine Zwischenfrage stellen, Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus? - Lassen Sie die Frage zu, Herr Abgeordneter Scheppmann?
Herr Kollege Scheppmann, nachdem Sie ausgeführt haben, es sei alles im Ausschuß behandelt worden: Können Sie mir sagen, in welcher Sitzung und in welchem Ausschuß die verfassungsrechtlichen Probleme besprochen und behandelt wurden?
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Ich werde auf diese Frage, die Sie gestellt haben, zurückkommen.
Zunächst einmal möchte ich folgendes sagen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Vorlage, ist von dem Deutschen Bundestag in seiner 158. Sitzung am 22. Januar 1965 dem Ausschuß für Arbeit zugewiesen worden. Hier ist sie in erster Lesung behandelt worden. Sie ist dann dem Aus9012
schuß für Arbeit federführend zugewiesen worden; sie ist dem Wirtschaftsausschuß mitberatend zugewiesen worden. Ich darf Ihnen sagen, daß sich inzwischen sechs Ausschüsse des Deutschen Bundestages mit dieser Materie beschäftigt haben. Wir haben eine ganze Fülle von Schreiben bekommen. Alles das, was Herr Schmidt hier soeben vorgetragen hat, ist uns schriftlich zugegangen. Diese Fragen haben wir eingehend geprüft und sind zu der Auffassung gekommen, daß es nicht notwendig ist, Sachverständige anzuhören. Herr Schmidt, Sie werden sich sehr gut erinnern, daß die Mehrheit des Ausschusses die Anhörung von Sachverständigen deshalb nicht gewünscht hat, erstens, weil sich sechs Bundestagsausschüsse damit beschäftigt haben und weiterhin, weil sich die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien damit befaßt haben, so daß wir genügend Material, genügend Unterlagen, genügend Aufklärung auch über die verfassungsrechtlichen Probleme vorliegen hatten, um uns darüber ein Urteil bilden zu können und hier in die Beratungen einzutreten.
Sie haben von vornherein gesagt, daß Sie nicht mitmachen wollen. Sie haben ja auch jetzt in Ihren Schlußsätzen schon darauf hingewiesen, daß Sie nicht mitmachen wollen. Das haben wir längst gewußt, daß Sie es nicht wollen. Bleiben Sie bei dieser Auffassung! Das Gesetz wird dennoch verabschiedet werden. Das möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen, daß wir gar nicht gewillt sind, Ihre Meinung in dieser Form, wie Sie sie hier vorgetragen haben, einfach entgegenzunehmen und uns Ihren Anweisungen
ohne weiteres zu fügen. Wir sind es nicht gewohnt, solche Dinge entgegenzunehmen.
Wir werden diesen Antrag, den Sie gestellt haben, nämlich auf Zurückverweisung an die Ausschüsse, ablehnen. Wir werden nachher in die Einzelberatung der Paragraphen eintreten. Dort werden wir über die Dinge sprechen und Rede und Anwort stehen, warum wir Ihre Auffassung nicht teilen und warum wir Ihre Anträge, die Sie zu diesem Gesetzentwurf eingebracht haben, ablehnen werden.
Damit möchte ich es vorläufig bewenden lassen. Wir werden alles weitere nachher in der Einzeldiskussion über die Paragraphen bereden.
Wollen Sie noch eine Zwischenfrage beantworten?
Als nächster hat Herr Professor Burgbacher das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die Diskussion in der Weite und Breite und Länge, wie sie begonnen hat, fortzusetzen. Ich halte es aber für notwendig, einige wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt zu machen.
Wer die Sozialgeschichte in der Bundesrepublik kennt, der ist bei dessen Bemerkungen lebhaft an die Ausführungen erinnert, die im alten Reichstag im vorigen Jahrhundert bei der Einführung der Sozialversicherungsgesetze und Anfang dieses Jahrhunderts bei der Einführung des Rechtes der Tarifpartner gemacht wurden. Auch da herrschte bei den Kreisen, deren geistige Ahnen die der FDP sind, die gleiche Stimmung wie heute, wobei ich mir erlaube, darauf hinzuweisen, daß die Entwicklung seit der Einführung der Sozialgesetzgebung und des Rechts der Tarifpartner auf diesen Gebieten alles andere als unglücklich zu nennen ist. Wir können uns sogar nicht mehr vorstellen, wie es ohne das in der modernen Wirtschaft wäre.
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Ich kann verstehen, wenn man Bedenken äußert; wegen der Wichtigkeit des Gesetzes, wegen des neuen Weges kann man das verstehen. Aber dann - Herr Kollege Schmidt, seien Sie mir nicht böse - sollte man sie nicht so vortragen, daß sich sozusagen implizite ergibt: Die Mehrheit des Hauses sind lauter Rindviecher, und nur wir bei der FDP haben -den Stein der Weisen.
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Das kann man nicht gut machen. Man kann nicht der Mehrheit dieses Hauses unterstellen, sie hätte, sagen wir einmal, mehr oder weniger verantwortungslos gehandelt. Und was den „Wahlkampfkurzschluß" betrifft - nun,' Herr Kollege Schmidt, ich habe nicht den Eindruck, daß Sie Ihre Ausführungen in der Annahme gemacht haben, Sie würden Ihr Wahlergebnis dadurch schädigen.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt?
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Herr Professor, darf ich annehmen, daß Sie mit mir der Meinung sind - nachdem auch Sie verstehen können, daß man Bedenken äußern kann -, daß es besser gewesen wäre, diese Dinge in Sachverständigenanhörungen oder in den Ausschüssen so zu klären, daß das heute hier nicht notwendig gewesen wäre?
Herr Kollege Schmidt, Sie wollen das zwar nicht gelten lassen, aber ich muß eis wiederholen: Es sind ganz wenige Gesetze in diesem Hohen Hause, in der Öffentlichkeit, in der Fachwelt, in der juristischen Welt, in der Wirtschaftswelt, im Wirtschaftsrecht, im Sozialrecht vor der Beschlußfassung so 'eingehend diskutiert worden wie dieses Gesetz.
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Daß man zu einem neuen Weg Mut haben muß, meine Herren, ist selbstverständlich,
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und ich hoffe, daß dieses Hohe Haus ihn hat.
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit 'ist von der Bundesregierung geprüft worden. Das Bundesjustizministerium hat dem Bundeskabinett oder dem Bundeskanzler mitgeteilt, daß keinerlei verfassungsDr. Burgbacher
rechtliche Bedenken bestehen. Im übrigen erinnern Sie sich vielleicht, daß wir auch einmal die Frage hatten, ob das bisherige Gesetz mit dem Ausschluß der Tariffähigkeit verfassungswidrig wäre. Damals sind Sie nicht auf ,die Barrikaden gegangen, um die Verfassung vor Mißbrauch zu bewahren.
Offensichtlich sind die Meinungen über :die Verfassungsmäßigkeit geteilt. Wir alle haben ja den Aufsatz von Professor Herschel bekommen, der sich mit .dem sehr interessanten und sicherlich ernst zu diskutierenden Aufsatz des Professors Forsthoff befaßt und für seine Person zur vollkommenen Bejahung der Verfassungsmäßigkeit kommt.
Nun finde ich .es aber ein wenig stark, dieses Gesetz mit einer Bedrohung der Geldwertstabilität gleichzusetzen. Ich bin der Meinung: das genaue Gegenteil ist der Fall, und zwar aus folgendem Grunde - ich kann das nicht ausführlich machen, man könnte ein Semester ,darüber lesen, mit und ohne Erfolg, je nach dem, wie man zuhört -: Der Markt bestimmt die Lohnhöhe. Noch nicht einmal die Tarifpartner bestimmen sie wirklich.
({2})
Der Markt bestimmt die Lohnhöhe, und wir haben in der Bundesrepublik eine Lohnhöhe, die im Durchschnitt 20 % über der Höhe der Tariflöhne liegt. Wie kann man denn jetzt die Stirn haben - ich bitte um Entschuldigung, wenn ich es so formuliere, ich meine es wissenschaftlich -, zu behaupten, 2 % bis 3 % gesparten Lohnes gefährdeten die Währungsstabilität, während man gleichzeitig den Konsumlohn frei herumlaufen läßt? Der Markt wird weiter ,die Lohnhöhe bestimmen, und das soll er auch. Denn wir bekennen uns zu den Gesetzen des Marktes nicht nur vom Standpunkt der Wirtschaft aus, sondern müssen uns auch vom Standpunkt des Menschen, des Arbeitnehmers aus zu den Gesetzen des Marktes bekennen. Die Gefahr ist doch in Wahrheit die, ,daß die Löhne, weil sie ,dem Markt folgen und folgen sollen, wenn sie alle in den Konsum gehen, die Preisstabilität auf den Konsumgütermärkten gefährden, da die Steigerung des Bruttosozialprodukts in einem hohen Maße auf den Nichtkonsumgütermärkten liegt. Wir wollen mit diesem gesellschaftspolitischen Gesetz über die Vermögensbildung auch ein wirtschaftspolitisches Gesetz verabschieden. Wir wollen dadurch, daß Teile des Lohnes, und zwar kleine Teile, gespart und dem Kapitalmarkt zugeführt werden, den Druck auf die Konsumgüter mindern, die Preisstabilität auf diesem Gebiet sichern und gleichzeitig den Kapitalmarkt so befruchten, daß die notwendigen Investitionen nicht wie bisher über den Preis erfolgen müssen. Das ist die volkswirtschaftliche Grundlage für dieses Gesetz, das sehr kräftig auf zwei Beinen steht: auf dem gesellschaftspolitischen der Eigentumsbildung und auf dem wirtschaftspolitischen der Stabilisierung der Preise und der Förderung des Kapitalmarktes.
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Zu den Ausführungen des Kollegen Schmidt ist zu sagen, daß er die Wirtschaftsdynamik überhaupt nicht in Betracht gezogen hat. Er hat eine Photographie eines möglichen Zustandes gegeben, ohne
zu berücksichtigen, daß die Wirtschaft weitergeht. Ein Beispiel: Wenn jemand von diesem Platze aus vor zehn Jahren gesagt hätte: in wieder zehn Jahren werden die Löhne 70 bis 100 % über den heutigen liegen, dann wäre er aus dieser Sicht heraus entweder als ein Vollidiot oder als ein Totengräber der Wirtschaft bezeichnet worden.
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Die Tatsache aber, daß es möglich gewesen ist, unter Weiterentwicklung der Wirtschaft, unter Weiterentwicklung des Bruttosozialprodukts, unter Weiterentwicklung ,des sozialen Standards diesen Weg zu gehen, sollte doch allen Kritikern an 2 bis 3 % der Lohnsumme zu denken geben, ob es sich lohnt, dabei in Weltuntergangsstimmung zu machen.
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Im übrigen haben die Tarifpartner jetzt schon das Recht, wenn sie wollen und wenn ihre Mitglieder es mitmachen. Es ist ja nicht etwa so, daß dieses Gesetz die Tarifpartner zwingt. Es gibt allerdings den Tarifpartnern eine Anregung, das zu machen, dadurch, daß diese vermögenswirksamen Teile steuerlich und sozialrechtlich privilegiert werden. Und im übrigen ist auch gar nicht einzusehen, daß das den Tarifpartnern verboten sein soll, die über einen der wichtigsten Faktoren, das gesamte Masseneinkommen, entscheiden, die das Recht haben, über Urlaub, Urlaubsgeld, und was weiß ich alles, zu entscheiden, über weit größere Positionen in der volkswirtschaftlichen Kostenrechnung, als dieses Gesetz sie bedeutet. Soll es denn so viel sinnvoller sein, daß die Tarifpartner durch Verlängerung des Urlaubs 5 % Lohnerhöhung beschließen können, während ein Sparprozeß von 2 bis 3 % verboten sein soll? Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Entschuldigung, überfordern Sie nicht den einfachen gesunden Menschenverstand!
Außerdem haben wir durch Gesetze - einschließlich der Arbeitgeberbeiträge - bereits über 24% des Masseneinkommens in Form von Sozialversicherungsbeiträgen verfügt. Ich habe nicht gehört, daß das irgendwie verfassungswidrig oder sonst zu beanstanden wäre.
({6})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Burgbacher, stimmen Sie mir nicht darin zu, daß eine Belastung mit 24 % Sozialabgaben und mindestens 19 % Steuern schon ausreichend ist?
Ich gebe Ihnen sogar zu - und zwar gebe ich jetzt nicht für meine Freunde, sondern für mich eine Erklärung ab ({0})
- ja, ich bin dazu nicht beauftragt -, daß ich mit Vergnügen an allen Maßnahmen mitwirken würde, die eine Reduktion der 24 % zur Folge hätten, weil ich die Hoffnung habe, daß die dann ersparten Beträge einem Hobby von uns oder von mir, nämlich
der Vermögensbildung aller, zugute kommen könnten.
Sie haben nach § 32 der Geschäftsordnung den Antrag auf Rücküberweisung gestellt. Ich beantrage für meine Freunde, diesen Antrag abzulehnen, und wäre dankbar, wenn wir jetzt in die sachliche Arbeit eintreten könnten.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Burgbacher, zu Ihren volkswirtschaftlichen Ausführungen werde ich nicht Stellung nehmen. Daß ich jetzt das Wort ergreife, liegt an den Ausführungen von Ihnen, Herr Kollege Scheppmann, und an den Eingangsausführungen von Ihnen, Herr Kollege Burgbacher.
Wenn bei der Beratung dieses Gesetzes die verfassungsrechtlichen Probleme behandelt worden wären, dann hätte ich das eigentlich als Mitglied des Rechtsausschusses, der auch dann, wenn ein Gesetz nicht an ihn überwiesen wird, zu der verfassungsrechtlichen Seite von den anderen Ausschüssen immer gehört wird, erfahren müssen.
({0})
- Herr Kollege Möller, für mich gilt nicht das Werbefernsehen, für mich gilt das, was hier im Hause und im Rechtsausschuß verhandelt wird.
({1})
Als ich den Schriftlichen Bericht bekam, habe ich ihn mir sehr sorgfältig durchgesehen. Denn in der Zwischenzeit liegen doch von einem international anerkannten Fachmann, der auch in Deutschland außerordentlich geschätzt ist, und zwar als Staatsrechtler und als Verwaltungsrechtler, von Herrn Professor Forsthoff aus Heidelberg, Ausführungen vor, in denen er dieses II. Vermögensbildungsgesetz als in vielfältiger Hinsicht mit dem Grundgesetz in Widerspruch stehend erklärt. Die einzelnen Punkte, die er angreift, wurden von Herrn Kollegen Schmidt vollkommen richtig wiedergegeben. .
Der Bundestag sollte doch, wenn von maßgeblichen Wissenschaftlern verfassungsrechtliche Bedenken, und zwar nicht nur en passant, sondern in einem ganz sorgfältig begründeten, sehr langen und ausführlichen Aufsatz, dargelegt werden, über diese Bedenken nicht einfach hinweggehen.
({2})
Herr Kollege Scheppmann, es genügt uns Abgeordneten nicht und kann uns nicht entlasten, wenn Referenten von einem Ministerium erklären, der Gesetzentwurf sei auf die Verfassungsmäßigkeit geprüft und nicht zu beanstanden. Es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht, dann ein Gutachten des Rechtsausschusses zu den verfassungsrechtlichen Fragen einzuholen, wie es in anderen Fällen bei viel weniger bedeutenden Gesetzen und viel weniger Beanstandungen der Verfassungsmäßigkeit geschieht. Aus diesem Grunde ist nicht nur die Zurückverweisung an die Ausschüsse notwendig, wie es Herr Kollege Schmidt beantragt hat, sondern außerdem notwendig, daß auch der Rechtsausschuß gutachtlich dazu gehört wird.
Frau Kollegin, ist es nicht üblich, daß eine Regierungsvorlage an das Haus bereits durch den Bundesjustizminister, damals durch den Herrn Bundesjustizminister Bucher, geprüft wird?
Selbstverständlich, Herr Kollege. Aber, Herr Kollege Schmidt, ist es nicht unsere Aufgabe als Abgeordnete, wenn danach von Wissenschaftlern Bedenken erhoben werden, von uns aus zu prüfen, oh die Auffassung, die seitens der Regierung zuerst vorgetragen wurde, richtig ist oder nicht?
({0})
Hier geht es darum, daß die Auseinandersetzung mit den Problemen nicht erfolgt ist.
Herr Kollege Burgbacher, noch eine kleine Bemerkung. Sie haben so schön gesagt, die Tarifpartner könnten ja schon jetzt auch ohne das Gesetz etwas Derartiges beschließen. Herr Kollege Burgbacher, ich würde Ihnen doch sehr empfehlen, den Aufsatz von Professor Forsthoff zu lesen. Er bestreitet, daß die Tarifpartner überhaupt eine derartige Tarifautonomie haben. Ob diese Auffassung richtig ist oder nicht: auf alle Fälle müßte man sie hier behandeln und darüber beraten, um festzustellen, wer nun recht hat.
Ich wollte Sie fragen, ob Sie als Mitglied des Rechtsausschusses den Antrag auf 'verfassungsrechtliche Überprüfung im Rechtsausschuß gestellt haben.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Burgbacher! Ich gehöre keinem der Ausschüsse an, die damit befaßt waren, sondern habe jetzt erst davon erfahren. Ich gehöre dem Rechtsausschuß zwar an; aber ein solcher Antrag muß in den Fachausschüssen gestellt werden, und es wurde von meinen Fraktionskollegen ein Antrag auf Anhörung der Sachverständigen eingebracht, um diese Frage zu klären. Leider vergebens!
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Burgbacher.
Darf ich Sie fragen, ob Sie denn die Gutachten von Professor Weber ({0}) und Professor Herschel ({1}) gelesen haben.
Herr Kollege Burgbacher, wenn ich mich auf den Aufsatz von Herrn .Professor Forsthoff bezogen habe, so bedeutet das noch nicht, daß ich mir diese AusfühFrau Dr. Diemer-Nicolaus
rungen in allem zu eigen mache, sondern ich halbe - ({0})
- Nein, nein, Herr Kollege Jahn! Ich hätte es für richtig gehalten, wenn man in einem derartigen Fall Professor Forsthoff gehört hätte, der die Verfassungsmäßigkeit verneint, und wenn man auf der anderen Seite solche Wissenschaftler gehört hätte, die die Verfassungsmäßigkeit bejahen. Wir können uns nämlich nur dann als Abgeordnete ein abschließendes Urteil bilden.
({1})
Diese Möglichkeit einer wirklichen Urteilsbildung ist uns bisher vorenthalten worden.
Noch eine Zwischenfrage! - Bitte, Herr Kollege.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, daß es mindestens einen Tarifvertrag gibt, und zwar der Stadtwerke von Flensburg mit der DAG und der ÖTV, der diese vermögenswirksamen Leistungen schon enthält, der aber leider nicht die Vergünstigungen erfährt, weil das Gesetz noch nicht vorliegt?
Herr Kollege, zu einem derart speziellen Vertrag so fern von meiner Heimat kann ich natürlich nicht Stellung nehmen. Außerdem muß, wenn ein solcher Vertrag abgeschlossen ist, erst 'einmal die Verfassungsmäßigkeit gegebenenfalls angefochten werden. Das kann ja noch gar nicht geschehen.
Zwischenfrage, Herr Kollege Jahn!
Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, sind Sie wirklich der Meinung - wenn Sie sich hier darauf berufen können, daß ein Universitätsprofessor eine Reihe von verfassungskritischen Bemerkungen über das Gesetz gemacht hat -, daß dieses Haus deshalb eine dringende politische Entscheidung nicht fällen soll, obwohl bisher von Ihnen und Ihrer Fraktion nicht präzise gesagt worden ist, welche Verfassungssätze überhaupt verletzt worden sein sollen?
Herr Kollege Jahn, wenn Sie mich allerdings so fragen, dann kann ich Ihnen sagen, daß ich eine Rede vorbereitet habe, in der ich diese Punkte anführe und in der ich auch auf die verfassungsrechtlichen Bedenken eingehe. Wollen Sie die jetzt hören?
({0})
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir diese Rede zu unserer Belehrung noch hören dürfen.
({0})
Ich möchte gern etwas lernen.
Das Wort hat der Abgeordnete Leber.
({1})
- Er verzichtet. - Herr Abgeordneter Mischnick!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheppmann hat gesagt, es sei einmalig, daß solche Kritik an der Ausschußarbeit geübt werde und daß man diese ganze Debatte an dem § 1 aufhänge. Man hätte natürlich einen Antrag zur Änderung der Überschrift stellen können, z. B. „Gesetz zur Zuwendung von Entgelt besonderer .Art", und dazu sprechen können; aber es schien uns wenig sinnvoll zu sein, es daran aufzuhängen. Daß bei § l Grundsatzfragen behandelt werden, ist nicht zum ersten Male geschehen; zum letzten Male, wenn ich mich recht entsinne, in der 3. Legislaturperiode beim Kindergeldgesetz. Es ist also nichts Ungewöhnliches.
Dem Kollegen Schmidt vorzuwerfen, daß er eine „unerhörte" Kritik geübt habe, scheint mir völlig unberechtigt zu sein. Unerhört wäre es, wenn er hier Dinge unterstellte, die nicht stimmen. Tatsache isst aber, daß die Sachverständigen nicht gehört worden sind. Ich hatte Gelegenheit, anläßlich der Beratung über die Härtenovelle hier darauf hinzuweisen, daß gerade der Sozialpolitische Ausschuß das Gegenbeispiel dafür geliefert hat, indem er nämlich innerhalb weniger Wochen zweimal - weil es komplizierte Bestimmungen waren - Sachverständige gehört hat. Man sollte jetzt nicht einfach darüber hinweggehen und so tun, als könne eine Diskussion in der Öffentlichkeit Sachverständigenanhörungen im Parlament ausschließen oder überflüssig machen. Ich möchte einmal hören, was gesagt würde, wenn umgekehrt bei Gesetzen, bei denen Sie glauben, daß die Anhörung von Sachverständigen notwendig ist, die FDP die Schlußfolgerung aus der heutigen Feststellung zöge und sagte: Da sind zwanzig Artikel erschienen, da haben einige Foren stattgefunden, wir brauchen keine Sachverständigen mehr. Meine Damen und Herren, wir haben uns hier zu dem Grundsatz bekannt, in strittigen Fragen Sachverständige zu hören. Das muß auch dann gelten, wenn es einem selbst nicht paßt.
({0})
Es darf nicht ausgeschlossen werden, wenn es nicht in das Konzept paßt.
Ein zweiter Punkt. Es ist gefragt worden: Wieso Beratung im Rechtsausschuß, nachdem der Justizminister das doch geprüft hat? Es ist völlig übersehen worden, daß der FDP-Justizminister wie die anderen FDP-Kabinettskollegen im Kabinett das Gesetzabgelehnt hat. Dann kann man doch nicht hinterher sagen: Weil das Justizministerium ein Gutachten abgegeben hat, ist der Justizminister damit einverstanden. Das ist er nicht gewesen. Wir sind von vornherein gegen das Gesetz gewesen, auch aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Diejenigen, die sagen, das sei nicht konkret zum Ausdruck gebracht worden, täuschen sich. Ich kann mich genau an Ge9016
spräche erinnern, in denen schon, bevor das Gesetz eingebracht wurde, von uns mitgeteilt wurde, daß wir diese Bedenken haben.
Ein Letztes zu dieser Frage. Es kann nicht Aufgabe des Rechtsausschusses sein, einen anderen Ausschuß zu fragen: Wollt ihr uns nicht freundlicherweise ein Gesetz geben, damit wir prüfen können, ob darin etwas verfassungswidrig ist? Es ist doch nicht Aufgabe des Rechtsausschusses, bei anderen Auschüssen nachzufragen, sondern wenn in den Ausschüssen während einer Beratung Bedenken kommen, muß das von den Ausschüssen aus geschehen. Wenn keine Mehrheit dafür zustandegekommen ist, ist das nur zu bedauern.
Nun zu den Fragen, die Kollege Burgbacher bezüglich der Auswirkungen des Gesetzes aufgeworfen hat. Natürlich haben wir eine dynamische Wirtschaft; das haben wir noch nie übersehen. Wir wissen aber auch, daß die Dynamik nicht nur allgemein, sondern auch in speziellen Punkten ein Maß erreichen kann, bei dem dann wenn die Umstände nicht vorher genau geprüft sind, Entwicklungen entstehen, die zu solchen negativen Wirkungen führen, wie sie Kollege Schmidt angedeutet hat. Wenn Sie das Gefühl haben, hier seien Ausführungen gemacht worden, die aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts stammten - grundsätzliche Bedenken gegen Neuerungen -, dann kann ich nur sagen: damals war man der Meinung, man müsse immer mehr kollektivieren, heute sind wir der Meinung, daß es endlich Zeit ist, jeder weiteren Kollektivierung einen Riegel vorzuschieben und nicht durch neue Zwangsabgaben, wie es mit diesem Gesetz geschieht, weitere Teile des Einkommens der Verfügungsgewalt des einzelnen zu entziehen. Darum geht es doch.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Kollege Mischnick, dürfen wir Ihre Ausführungen so auffassen, daß Sie gegen das Recht der Tarifpartner sind?
Wir sind noch nie gegen die Rechte der Tarifpartner gewesen. Wir wehren uns nur dagegen, daß die Tarifpartner das Recht bekommen, über Einkommensteile zu verfügen; das ist nicht deren Aufgabe. Aber dazu werde ich noch einiges sagen
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- keine Sorge -, darüber werden wir noch eine ganze Zeit zu diskutieren haben.
Nun ist noch ein letzter Punkt zu erwähnen. Es wird gefragt, warum wir nicht einsehen wollten, daß mit diesen zwei bis drei Prozent Belastung der Wirtschaft, die sich vielleicht als Auswirkung ergeben, keine Weltuntergangsstimmung heraufbeschworen wird. Natürlich glauben wir nicht, daß damit ein Weltuntergang oder, etwas eingeschränkt, ein Wirtschaftsuntergang eintritt. Wir wissen aber, daß gewisse negative Entwicklungen in unserer Wirtschaft, nämlich bei den lohnintensiven Betrieben, durch dieses Gesetz forciert werden und daß durch das Gesetz Konzentrationsbestrebungen an falscher Stelle unterstützt werden: das sind die Bedenken, die wir haben.
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Wenn wir bitten, die Vorlage zurückzuüberweisen, dann nicht, weil wir der Meinung sind, wie Kollege Scheppmann es gesagt hat -, die Mehrheit solle sich den Anweisungen fügen. Hier weist niemand an. Jede Fraktion hat das Recht, Anträge zu stellen; Sie haben das Recht, sie abzulehnen. Nur bitten wir Sie, wenn Sie unseren Antrag ablehnen, sich im klaren darüber zu sein, welche bedenklichen Beschlüsse sowohl sozialpolitischer wie wirtschaftspolitischer wie haushaltstechnischer Art mit diesem Gesetz gefaßt werden. Es nützt uns wenig, wenn man dann zehn Jahre später feststellt, daß der Sachverstand bei der Minderheit war, daß aber der Schaden repariert werden muß.
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Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will lediglich zu dem Antrag auf Rückverweisung der Vorlage an den Ausschuß für Arbeit Stellung nehmen, den der Kollege Schmidt gestellt hat.
Grundsätzlich möchte ich sagen, wir halten es fast für eine unerhörte Zumutung,
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ein dem Haus nicht vorliegendes Gutachten zur Begründung einer Rückverweisung einer Vorlage an einen Ausschuß heranzuziehen. Das halten wir für nicht fair.
({1})
Sie wissen auch, daß es üblich ist, daß eine Regierungsvorlage wie die des zweiten Vermögensbildungsgesetzes vom Bundesminister der Justiz auf die Rechtsförmlichkeit geprüft wird. Die Vorlage ist in Ordnung befunden worden. Wenn ich mich recht erinnere, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, war der Bundesjustizminister zu dieser Zeit der auch von mir sehr geschätzte Kollege Bucher.
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Wir teilen diese Auffassung, und wir sind uns der Situation genau bewußt. Daher lehnen wir den FDP-Antrag ab und bitten das Hohe Haus, ebenso zu entscheiden.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
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- Sie können sich nochmals raufbegeben, wenn Sie wollen.
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Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag auf Zurückverweisung. Wer dem Antrag auf Zurückverweisung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FDP und einige CSU-Stimmen ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über § 1 ab. Wer dem
§ 1 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmt, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Hierzu liegt 'auf Umdruck 624 *) ein Änderungsantrag vor. Der Antrag auf Umdruck 623 ist zurückgezogen worden.
Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte darum bitten, daß Sie unseren Antrag auf Umdruck 623 für 'die zweite Lesung als zurückgezogen betrachten. Wir werden ihn 'in der dritten Lesung wieder vorbringen. Die rote Farbe wird also in grün verwandelt.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich zu Buchstabe d) des
§ 2 einige Bemerkungen zu machen, aber nicht einen Antrag zu begründen. Diese Bestimmung scheint uns von grundsätzlicher Bedeutung zu sein. Deshalb haben wir die Bitte, daß sich die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD bis zur dritten Lesung eine Änderung des § 2 Buchstabe d) 'überlegen, weil diese Vorschrift weder rechtssytematisch noch wirtschaftssystematisch hierhin gehört.
Nach dieser Vorschrift sollen vermögenswirksame Leistungen bei Aktiengesellschaften in Form von Aktien der Gesellschaft begeben werden können. Damit tritt eine 'Stärkung des 'Eigenkapitals bei Aktiengesellschaften ein; es findet aber eine ungleiche Behandlung von Aktiengesellschaften und Nichtaktiengesellschaften statt. Bei den Aktiengesellschaften wird auf diese Weise das haftende Kapital vergrößert, während bei den Nichtaktiengesellschaften, auch bei den Personengesellschaften, ganz besonders die Liquidität dadurch eingeschränkt wird, daß die hier gegebenen Darlehen an Stelle von Aktien von Kreditinstituten verbürgt werden
*) Siehe Anlage 6
müssen, damit die Bilanz belasten und den Kreditspielraum einschränken.
Zum .zweiten ist durch diese Vorschrift eine entscheidende Ungleichheit dadurch gegeben, daß das Risiko in einer völlig unterschiedlichen Weise verteilt wird. Die neuen Aktionäre 'beteiligen sich voll am Risiko der Gesellschaft, während die Darlehensgeber sich nicht am Risiko zu 'beteiligen, sondern eine feste Verzinsung zu bekommen 'haben. Das ist eine weitere Ungleichheit nach diesem Gesetz.
Ich frage vor allem die Kollegen der CDU/CSU - ich möchte einige hier mit Namen nennen, z. B. Herrn Gaßmann, Herrn Ruf, Herrn Professor Balke und einige andere Freunde -, ob sie glauben, daß diese Vorschriften dem Vorbild eines gerechten Gesetzes entsprechen oder ob es nicht doch notwendig ist, diese Bestimmung zu ändern. Da wir selbst nicht die Urheber dieses Gesetzentwurfs sind, bitten wir Sie, sich Ibis zur dritten Lesung, nachdem Sie unseren Antrag auf Zurückverweisung abgelehnt haben, auf jeden Fall etwas Besseres einfallen zu lassen als das, was hier in § 2 Abs. 1 Buchst. d) steht; denn das ist ungerecht und sinnwidrig.
Wenn Sie es nicht tun, frage ich, ob Sie es beabsichtigt haben, daß auf diese Weise die Aktiengesellschaften gegenüber den Selbständigen eindeutig 'bevorzugt werden. Das müßte doch eigentlich Ihren sonstigen Absichten widersprechen. Diese Frage sollten Sie uns hier einmal beantworten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur eine kurze Ergänzung zu den Ausführungen meines Kollegen! Ich glaube, daß durch eine wahrscheinlich unbedachtsame Gesetzgebung in § 2 Abs. 1 Buchst. d) eine konzentrationsfördernde Wirkung eintritt, eine Benachteiligung der Klein- und Mittelbetriebe durch eine Minderung der Liquidität, in den Aktiengesellschaften erspart bleibt, weil sie die Möglichkeit haben, junge, klein gestückelte Aktien auszugeben. Ich möchte daher an die mittelständisch denkenden Kollegen der anderen Fraktionen die Frage richten, ob sie das Problem auch von dieser Seite betrachtet haben und ob sie bereit sind, diese weitere Benachteiligung mittelständischer Unternehmen in Kauf zu nehmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Deneke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, aus unserem Änderungsantrag den ersten Punkt zu § 2 Abs. 1 Buchst. f) zu begründen. Ich habe natürlich mit einem gewissen Vergnügen gehört, daß wir die Hoffnung haben dürfen, daß die Antragsteller der SPD wenigstens in der dritten Lesung das machen
) wollen, was wir vorgeschlagen haben, da Sie vom Rosa eines Antrags in der zweiten Lesung auf die grüne Farbe der Hoffnung in der dritten Lesung übergegangen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir halten es für absolut notwendig, die in Ziffer 1 unseres Änderungsantrags vorgeschlagene Einfügung vorzunehmen, und zwar nicht nur deshalb, weil es praktisch eine Diskriminierung der Lebensversicherungen wäre, sie hier herauszulassen, sondern auch deshalb, weil die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer dadurch eingeschränkt wäre. Die Gründe, die gegen die Einfügung der Lebensversicherungen in der von uns vorgeschlagenen Form vorgebracht worden sind, erscheinen uns nicht stichhaltig. Schließlich setzen sich die Lebenversicherungsverträge zusammen einerseits aus dem Bestandteil des Sparvertrages - .eben dieser Sparvertrag ist vermögensbildend wirksam - und zum anderen aus dem Risikovertrag. Auch Ihnen kann ja wohl nicht entgangen sein, daß inzwischen ungefähr jeder zweite Arbeitnehmer eine Lebensversicherung von etwa 3000 DM oder auch mehr abgeschlossen hat. Wohl aus diesen Gründen hat der Gedanke auch innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion Raum gewonnen.
Gerade beim Lebensversicherungsvertrag wird etwas wirksam, an das meiner Meinung nach in allen Diskussionen über die Vermögensbildung zu wenig gedacht wird, nämlich die Weitergabe an die nächste Generation.
({0})
Dieses Problem wird immer schwieriger, und zwar deswegen, weil wir inzwischen von der Drei-Generationen-Gesellschaft zur Vier-G enerationen-Gesellschaft übergehen und auch für eine volle jüngere Generation die Notwendigkeit zur Vermögensbildung besteht, während noch die ältere Generation das ererbte Vermögen besitzt. Gerade der Lebensversicherungsvertrag sollte dazu veranlassen, diese generative Wirkung der Vermögensbildung zu berücksichtigen und zu durchdenken.
Wir bitten Sie um Annahme unseres Antrags. Denken Sie dabei nicht nur an die Vermögensbildung bei den Arbeitnehmern selbst, sondern auch an deren Hinterbliebene, an die Weiterreichung des Vermögens - wenn Sie so wollen: denken Sie schon heute an Ihre Witwe!
({1})
Die Dämpfung der Stimme am Schluß war besonders eindrucksvoll.
({0})
Herr Abgeordneter Müller ({1}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die beiden ersten Diskussionsredner nur Bemerkungen zu § 2 Abs. 1 d) gemacht und keine Änderungsanträge gestellt haben, brauche ich darüber kein Wort mehr
zu verlieren, zumal es sich um geltendes Recht handelt.
({0})
- Nachdem Sie keinen Änderungsantrag gestellt haben, erübrigt sich jeder weitere Diskussionsbeitrag darüber.
Da nun auch der Änderungsantrag Umdruck 623 zunächst zurückgezogen worden ist, kannn ich meine Ausführungen auf den Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 1 beschränken.
Zunächst möchte ich auf den Schriftlichen Bericht verweisen. Der Ausschuß hat es sich gerade in der Frage der Erweiterung der Anlageformen nicht leicht gemacht. Ich möchte ausdrücklich vorausschicken, daß ich persönlich der Einbeziehung der Lebensversicherung in die nach § 2 vorgesehenen Anlageformen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. Ebenso eindeutig muß aber darauf hingewiesen werden - das ging schon aus der Diskussion im Ausschuß hervor -, daß die Lebensversicherung, ganz allgemein gesehen, nicht ohne weiteres mit der angestrebten Zielrichtung der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gleichgesetzt werden kann. Vermögen in diesem Sinne muß durch persönliche Entscheidung und durch persönliche Einwirkung vermehrbar und wenigstens nach Ablauf einer gewissen Sperrfrist frei verfügbar sein. Zweifellos ist das bei den Lebensversicherungen nicht der Fall.
Im Ausschuß für Arbeit hat mein Kollege Porten den Antrag auf Einbeziehung der Lebensversicherung in die Anlageformen gestellt. Auch der Mittelstandsausschuß hatte sich gutachtlich für diese neue Anlageform ausgesprochen. Aber weder im Wirtschafts-, noch im Arbeitsausschuß hat sich dafür eine entsprechende Mehrheit gefunden.
Gegen die Einbeziehung der Lebensversicherung - das darf ich noch einmal kurz sagen - wurden folgende Gründe angeführt:
1. Es ist zweifelhaft, ob die Förderung von Lebensversicherungsverträgen dem gesellschaftspolitischen Ziel der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zweckentsprechend ist.
2. Leistungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer sind bisher nach § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung bis zu 312 DM im Jahr frei von Lohnsteuer und damit auch frei von Sozialabgaben.
3. Über 312 DM hinausgehende Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer sind auch heute schon mit dem günstigen Pauschalsteuersatz von 8% zu versteuern.
4. Wegen der andernfalls auftauchenden Abgrenzungsschwierigkeiten müßten bei Einbeziehung der Lebensversicherung beispielsweise auch die freiwillige Weiterversicherung und die Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgenommen werden.
Müller ({1})
5. Außerdem müßten die Unfallversicherungen, die oftmals mit Lebensversicherungsverträgen verbunden sind, sowie die reinen Lebensrisikoversicherungen mit einbezogen werden. Diese haben aber mit einer Kapitalansammlung und damit mit einer Vermögensbildung nichts mehr zu tun.
6. Die Lebensversicherungsverträge haben eine durchschnittliche Laufzeit von 27 Jahren. Während dieses Zeitraums besteht die Gefahr, daß diejenigen, die bereits einen Lebensversicherungsvertrag haben, ihre eigenen Leistungen, zu denen sie auf Grund des Vertrages verpflichtet sind, durch die vermögenswirksame Leistung des Arbeitsgebers ersetzen und kein zusätzliches Vermögen bilden. Bei den Spar- und Bausparverträgen besteht diese Möglichkeit zwar auch, aber diese Verträge werden nicht so langfristig abgeschlossen; Sie wissen, daß hier eine Sperrfrist von fünf Jahren vorgesehen ist.
Aus all den vorgenannten und anderen Gründen müssen wir Ziffer 1 des FDP-Änderungsantrags ablehnen. Wenn die Lebensversicherungen als weitere Anlageform aufgenommen werden sollten, müßten nochmals eingehende Beratungen aufgenommen werden, die eine weitere Verzögerung der Verabschiedung des II. Vermögensbildungsgesetzes zur Folge hätten. Wir sind gern bereit, die Frage zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingehend zu prüfen. Im Augenblick möchte ich das Hohe Haus namens der CDU/CSU-Fraktion aber bitten, den Änderungsantrag abzulehnen und der Ausschußvorlage unverändert zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher hat sich kein Sozialdemokrat an der Debatte, die schon zwei Stunden dauert, beteiligt. Wir halten das für einen Hausstreit der Koalition, Herr Bundeskanzler. Ich wundere mich allerdings darüber, daß die pädagogischen Bemühungen der CDU auf den kleinen Koalitionspartner bisher noch nicht erfolgreich gewirkt haben, daß man dort gewisse Grunderkenntnisse bisher noch nicht übernommen hat.
({0})
- Natürlich sind wir frei.
Ich möchte nur zu einem Punkt sprechen, und zwar zu der Frage, ob man in den Fächer der Anlagemöglichkeiten auch die Lebensversicherungen hineinnehmen sollte. Diese Frage, meine Damen und Herren, ist in zwei Ausschüssen - in der Hauptsache im Ausschuß für Arbeit, daneben im Ausschuß für Wirtschaft - stundenlang und ausführlich diskutiert worden, mit allem Hin und Her. Von beiden Ausschüssen sind Empfehlungen ausgegangen. Mit eindeutigen Mehrheiten hat man sich dort gegen die Aufnahme der Lebensversicherung in die Anlagemöglichkeiten des Gesetzes ausgesprochen.
Ich habe Verständnis dafür, daß die Freie Demokratische Partei, nachdem sie in den Ausschüssen
nicht zum Zuge gekommen ist, dm Plenum noch einmal den Versuch macht. Das muß man eben hinnehmen.
Ich möchte aber in der Sache folgendes dagegen sagen. Bei diesem Gesetz geht es um bestimmte, sehr wichtige Prinzipien. Es geht erstens um eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Produktionskapital. Es handelt sich also nicht um ein Vermögensgesetz schlechthin, sondern dahin ist das Anliegen des Gesetzes gerichtet. Das ist auch bei allen Anlagen, die das Gesetz bisher vorsieht, direkt oder indirekt möglich, ob es sich um ein Wertpapier handelt, eine Aktie, eine Schuldverschreibung, ein Darlehen an einen Arbeitgeber oder was sonst noch drinsteht. Dieses Ziel wird bei allen Anlagemöglichkeiten auch erfüllt. Nur bei einer nicht. Das ist die Förderung des Eigenheimbaues, und den halten wir für ein gleichwertiges und ebenso wichtiges und förderungswürdiges Anliegen.
({1})
Wenn man aber jetzt die Lebensversicherungen noch zusätzlich hereinnimmt, dann ist das nicht eine Erweiterung des Fächers um eine ähnliche Position, wie das so schön dargestellt wird, sondern hier wird dem Charakter der anderen Anlagemöglichkeiten eine hinzugefügt, die völlig anders ist; denn in all den bisherigen Fällen handelt es sich um die Anlage von Vermögen in Anteilen am Produktionskapital. Bei den Lebensversicherungen ist nach geltendem Recht - wenn es indirekt geschehen sollte - die Anlage in Produktionsvermögen ausgeschlossen. Sie ist also gar nicht möglich. Das hängt mit der Mündelsicherheit zusammen. Der Weg ist den Versicherungen verschlossen. Das ist der erste Punkt, warum ich dagegen bin. Das ist ein sehr wichtiges politisches Anliegen, das wir alle - wie gesagt worden ist - haben.
Wir haben bisher etwa zehn Anlagearten und nehmen noch eine elfte dazu. Meiner Auffassung nach wird eine völlige Verschiebung des Sinnes und Zweckes dieses Gesetzes in der Praxis dadurch einsetzen.
({2})
Darüber kann man in der Theorie sehr viel reden. Aber praktisch wird sich das anders auswirken. Wir haben da einige Erfahrungen, wie das geht. Die Lebensversicherungen sind ungeheuer leistungsfähige finanzkräftige Institutionen mit Millionensummen für Werbezwecke. Sie haben in den kleinsten Gemeinden ihre Werber. Das sind Werber, von denen viele so geschult sind, daß sie an gutsituierte Familien Kindersärge auf Vorrat verkaufen können.
({3})
Die verkaufen auch an jeden Arbeitnehmer unter der Marke dieses Gesetzes Lebensversicherungen. Wir haben uns sechs Monate hier herumgestritten, herumgeredet und uns bemüht. Am Ende würde nichts anderes herauskommen als unter einer anderen Überschrift ein Gesetz zur Ausweitung von Lebensversicherungsverträgen.
Meine Damen und Herren, ich möchte gern, aus politischen Gründen, daß wir ein Volk von Eigentümern werden, die Vermögen besitzen, aber nicht
ein Volk von Versicherungsnehmern, wie Sie das wollen.
({4})
Ein dritter Grundsatz, auf den es nach meiner Auffassung sehr ankommt, ist die freie Entscheidung des Arbeitnehmers über die Art der Anlage. Darauf hat Herr Kollege Müller schon hingewiesen. Wie sieht das aber bei dem Versicherungsvertrag mit dem von Ihnen so hochgehobenen Grundsatz: Freiheit in der Anlage aus? Meine Damen und Herren, diese Freiheit gibt es beim Versicherungsvertrag nur einmal, und dann ist sie zu Ende. Ich kann einen Versicherungsvertrag abschließen, dann fließen für alle Zeiten meine Arbeitnehmerleistungen, die vermögenswirksam angelegt werden müssen, à conto dieses Versicherungsvertrages. Ich habe nie mehr die Möglichkeit, eine andere Anlage vorzunehmen, es sei denn, der Abschluß war so niedrig, daß ich darüber hinaus noch etwas anderes kann, und dann ist er praktisch unbedeutend. Für alle anderen Anlagemöglichkeiten gilt das nicht. Der Arbeitnehmer kann sich drei Jahre lang eine Aktie kaufen, er kann einen Pfandbrief dazunehmen, er kann mal bausparen, wenn er will. Wenn er einmal einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, ist er für die Zeit seines Lebens damit festgelegt. Dann ist die Freiheit der Anlage nicht mehr gegeben.
Nun noch ein viertes; ich erspare Ihnen nichts. Der Herr Bundeskanzler hat mir mal gesagt, er sei gegen Spartöpfe und Fondsbildung aller Art; nicht gegen bestimmte, sondern ganz allgemein. Was glauben Sie, was geschieht, wenn künftig mit der Werbewirksamkeit, mit der sich die Versicherungen dieses Tatbestandes bemächtigen können, meinetwegen 50% aller Leistungen nach solchen Verträgen aus der Mehrheit der Wirtschaft in unsere großen Lebensversicherungen hineinfließen, was das an neuen potenten Machtgebilden gibt, Herr Bundeskanzler!
({5})
Wer soll die dann kontrollieren? Das ist doch die Frage. Wir werden neue Machtkomplexe errichten unter einem Stichwort, das sehr unverfänglich erscheint. Ich möchte nur darauf hingewiesen und gewarnt haben.
({6})
- Das ist keine Versicherung, sondern nur eine Sicherung.
Noch etwas, meine Damen und Herren! Niemand weiß, welchen Tarif dann die einzelnen Versicherungen den Leuten aufreden werden. Es kommt dann wahrscheinlich alles heraus, von der Babyausstattung bis wer weiß wohin.
Ich möchte auf den wichtigsten Punkt hinweisen, den ich sehe. Er trifft sich sehr mit dem Schluß der Rede meines Herrn Vorredners. Ich möchte aus politischen Gründen, daß wir dazu kommen, daß die arbeitnehmende Bevölkerung unseres Landes Vermögen bekommt, und ich möchte, daß wir mit erzieherischen, pädagogischen und vielerlei Bemühungen dahinkommen, daß dieses Vermögen gehalten wird, daß es aber zwei Funktionen erfüllt.
Zunächst soll es Vorsorge sein für jede Art von Schicksalsschlägen, die unerwartet auf den einzelnen zukommen können.
({7})
- Diese Vorsorge für Schicksalsschläge jeder Art erfüllt ein Versicherungsvertrag nicht. Er erfüllt nur die Vorsorge für einen speziellen Fall, der im Versicherungsvertrag steht.
({8})
Ich kenne nicht wenige Arbeitnehmer, die eine Versicherung für irgendeinen bestimmten Fall abgeschlossen haben, und plötzlich tritt ein Schicksalsschlag ein, der nicht darunterfällt. Dann kann man die Lebensversicherung nicht aufrechterhalten, dann geht sie kaputt, und gegen den Schicksalsschlag anderer Art ist man nicht abgedeckt. Da ist mir ein Papier lieber, das man in einem solchen Fall verkaufen kann. Ich möchte, daß wir nicht allzu leichtfertig Menschen - ich bitte das richtig zu verstehen, wenn ich das als Arbeitnehmer sage -, die keine große Erfahrung mit dem Besitz von Wertpapieren haben, geschliffenen Leuten ausliefern, denen sie bei der Auseinandersetzung im persönlichen Gespräch nicht gewachsen sind.
({9})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Diemer-Nicolaus?
Herr Kollege Leber, werden nicht die unerwarteten Schicksalsschläge, von denen Sie gesprochen haben, durch unsere Sozialversicherung abgedeckt, und soll nicht die Vermögensbildung einem ganz anderen Zweck dienen?
Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, da brauche ich Ihnen nur die Lektüre unserer Sozialgesetzgebung zu empfehlen und Sie dann zu bitten, einmal Vergleiche mit dem praktischen Leben anzustellen, dann werden Sie sehen, welche Schicksalsschläge es noch gibt, die nicht abgedeckt sind und auch nicht abgedeckt werden können, selbst wenn das System noch so perfekt wäre.
({0})
Wir sollten auch gar nicht den Versuch machen, das zu tun.
Es geht mir aber noch um ein letztes, und damit möchte ich schließen. Es geht mir darum, daß der Arbeitnehmer dieses Vermögen lange hält. Versicherungsverträge werden irgendwann einmal fällig, und was da herauskommt, geht in der Regel dann in den Konsum. Ich möchte, daß der Arbeitnehmer Vermögen hat und dieses Vermögen nach Möglichkeit seinen Erben weitergibt, damit die nächste Generation mit Vermögen antritt.
Ich bitte Sie sehr herzlich, den Antrag auf Einbeziehung der Lebensversicherungen abzulehnen, weil sie den Sinn und Zweck des Gesetzes verfälschen würde. Meine Damen und Herren, damit kein
Mißverständnis entsteht und damit auch nicht in meinen eigenen Reihen vielleicht ein Mißklang entstehen kann: ich halte den Antrag von einigen Sozialdemokraten aus den Gründen, die ich eben genannt habe, für genauso schlecht wie den, den Sie gestellt haben.
({1})
Herr Abgeordneter Mischnick!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Leber hat am Anfang die Bemerkung gemacht, daß es in der Regierungskoalition offensichtlich nicht gelungen sei, die Meinungen des kleinen Partners mit denen des großen zu koordinieren. Wir dürfen das ja, ,sogar mit Genehmigung Ihrer eigenen Freunde; denn Sie sind ja auch nicht einer Meinung, was ,dieser Antrag beweist. Das zeigt ja nur, wie unterschiedlich einige Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs auch in Ihren eigenen Reihen beurteilt werden. Dabei möchte ich nicht hoffen, daß allein die rosa Farbe des Antragsformulars der Grund dafür war, von .der zweiten auf die dritte Lesung zu vertagen; denn so weit wird doch wohl die Wandlungsfähigkeit nicht gegangen sein, daß in Zukunft zur zweiten Lesung keine Anträge mehr von Ihnen gestellt werden können, weil das Papier die falsche Farbe hat.
({0})
Daß es aber vertagt wird, scheint mir ein Beweis dafür zu sein, daß Sie nicht bereit sind, dem Antrag durch eine Entscheidung in der zweiten Lesung eventuell zu einer Mehrheit zu verhelfen. Ich bedauere das sehr.
Nun, Herr Kollege Leber, Sie haben da eine Attacke ,gegen 'die Lebensversicherung geritten, über die Praktiken usw. Ich möchte einmal wissen, wie das die Alte Volksfürsorge macht, ob die in ihrer Werbung für Lebensversicherungsverträge - ({1})
- Sie macht es genauso. Ich bin beruhigt, daß Sie hier wirklich alles völlig gleich beurteilen, - nur leider falsch.
({2})
Das ist eben ,der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Auffassung.
Wir bedauern es, daß Sie sich gegen diesen Antrag gewendet haben; denn es list doch unbestreitbar, daß, wenn bei einem solchen Versicherungsvertrag die Summe auf Grund des Todesfalles ausgezahlt werden muß, dieses dann ,ein Mittel sein kann, damit eigentumsbildende Maßnahmen zu ergreifen - sein kann, nicht immer sein muß. Deshalb ist diese Kritik falsch, daß es auf jeden Fall eine schlechte Sache sei.
Die von Ihnen gegebene Begründung, damit würde der Katalog in eine falsche Richtung gebracht, ist natürlich auch nicht richtig; denn in § 2 list ausdrücklich gesagt, daß Sparverträge, Pfandbriefe usf. erworben werden können und nicht nur Miteigentum - wenn ich es einmal so sagen darf - an Produktionsmitteln. Denn Pfandbriefe haben im Regelfall andere Aufgaben, als Produktionsmittel bei den Gemeinden oder ähnliche Dinge zu finanzieren. Deshalb scheint mir Ihre Begründung, daß die Lebensversicherungen denganzen Katalog in sein Gegenteil verfälschen würden, falsch zu sein. Wir hoffen, daß diejenigen, die unseren Antrag für richtig halten, auch in ,der zweiten Lesung den Mut haben, dafür zu stimmen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Killat.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den fulminanten Ausführungen meines Freundes Leber erübrigt es sich, daß ich noch näher auf diesen Antrag eingehe; denn Leber sprach ja gegen sich selbst.
({0})
Aber ich möchte doch begründen, warum meine Freunde und die, die diesen Antrag gestellt haben, nicht dem FDP-Antrag zustimmen können. Ihr Antrag enthält doch einige Mängel. Zunächst sprechen Sie von der Alters- und „Invalidenversicherung", die es meines Wissens gar nicht mehr gibt. Außerdem fehlt bei Ihnen das Erfordernis der fünfjährigen Bindung, d. h. der mindestens fünfjährigen Vertragsdauer für diese Anlage, wie wir es in unserem Antrag vorgesehen haben.
Wir werden also dem FDP-Antrag nicht zustimmen, geben Ihnen aber Gelegenheit, unserem Antrag, den wir in der dritten Lesung noch kurz begründen werden, Ihre Zustimmung zu geben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mischnick?
Nachher in der dritten Lesung.
Ich habe keine Wortmeldungen mehr vorliegen. Wir kommen zur Abstimmung.
Zur Abstimmung steht der Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 624 Ziffer 1. Wer diesem Ergänzungsantrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und zahlreichen Ja-Stimmen ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen ab über § 2 in der Ausschußfassung. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und zahlreichen Nein-Stimmen angenommen.
§ 3 Hier ist ein Änderungsantrag angekündigt, Umdruck 624 Ziffer 3. Wer begründet ihn? - Herr Abgeordneter Mischnick hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit § 3 kommen wir zu .der entscheidenden Stelle dieses Gesetzentwurfes.
Der vorliegende Antrag der Freien Demokraten will sicherstellen, daß die Tarifvertragsfähigkeit wieder aus dem Gesetz verschwindet. Warum das? Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die dagegen sprechen, sind in der Diskussion zum Teil dargelegt worden; sie sind zum Teil schriftlich mitgeteilt worden, wobei wir durchaus einräumen, daß es, wie immer bei Gutachten, unterschiedliche Meinungen gibt. Es hat sich allerdings gezeigt, daß eine Reihe von Verfassungsrechtlern, die zu der ursprünglichen Fassung - also dem Gesetz, wie es 1961 verabschiedet worden ist - keine Bedenken geäußert haben, jetzt sagen, dieser Gesetzentwurf, wie er hier zur Entscheidung vorliegt, bringe doch eine so wesentliche Veränderung, daß sie ihre ursprüngliche Haltung dazu nicht aufrechterhalten können. Ich will das hier im einzelnen nicht weiter vertiefen.
Aber unabhängig von dieser rechtlichen Würdigung ist ja eine politische Betrachtung notwendig. Aus politischen Gründen halten wir es für falsch, daß hier die Tarifvertragsfähigkeit eingebaut wird.
Es ist vorhin die Frage gestellt worden, ob wir generell etwas gegen Tarifverträge hätten. Ganz und gar nicht! Nur ist doch das Normale des Tarifvertrages, daß Leistungen geregelt werden, die Arbeitern und Angestellten zugute kommen und über die diese dann auch im einzelnen selber entscheiden können. Hier ist diese Entscheidungsfreiheit dahingehend eingeschränkt, daß sie nur die Form der Festlegung dieses Geldes wählen können, aber nicht selbständig darüber entscheiden können, ob sie es sofort verwenden oder es tatsächlich einer Vermögensbildung zuführen wollen. Bei den anderen Fragen - Lohn, Gehalt, Urlaub oder was in Betracht kommt - ist immer die individuelle Entscheidung - wann man den Urlaub nimmt, in -welchen Abständen und so fort - des einzelnen gesichert. Hier ist das nicht der Fall.
Mir scheint es auch nicht stichhaltig zu sein, wenn man sagt, die Sozialversicherung sei doch ein ähnlicher Eingriff. In der Sozialversicherung wird durch Gesetz festgelegt, welcher Beitrag z. B. in der Rentenversicherung oder welche Grenze z. B. in der Krankenversicherung insgesamt nicht überschritten werden soll. Der Gesetzgeber behält also das Recht in der Hand, zu entscheiden, in welchem Rahmen die Beschränkung des Einkommens 'vorgenommen wird. Hier wird dagegen diese Entscheidung völlig einem Dritten, nämlich den Tarifvertragspartnern, übertragen.
'Darüber hinaus ist noch festzustellen, daß mit dieser Tarifvertragsfähigkeit nach unserer Überzeugung einem wesentlichen Punkt der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 18. Oktober ,1963 widersprochen wird, in der es ausdrücklich heißt: „Es ist die Absicht der Bundesregierung, die Sozialversicherten vor einer immer weiter greifenden Kollektivierung zu bewahren." Wenn man festlegt, daß neben den Beiträgen, die gezahlt werden,
neben den Steuern, die aufgebracht werden müssen, ein weiterer Teil des Einkommens - und nach der Begründung handelt es sich ja um Entgelt besonderer Art - der freien Verfügung entzogen wird, dann ist damit einer weiteren Kollektivierung des Einkommens nicht nur das Wort geredet, sondern sie ist sogar gesetzlich vorgesehen, wenn man entsprechende Vergünstigungen 'hier in Anspruch nehmen will.
({0})
Aus diesen Gründen haben wir auch grundsätzliche Bedenken gegen die Tarifvertragsfähigkeit.
Wenn man nun einmal die Wirkung auf den Arbeiter und Angestellten betrachtet, so ist doch klar, daß ein Tarifvertrag, der zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften abgeschlossen wird und festgelegt, daß eine Lohnerhöhung von 6, 5 oder 8% plus einer vermögenswirksamen Leistung von 312 DM erfolgt, die Arbeiter und Angestellten nur noch zum Teil in den unmittelbaren Genuß dieses Ergebnisses der Tarifvertragsverhandlung kommen läßt, den anderen Teil aber ihrer Verfügungsgewalt im Grundsätzlichen entzieht, ihnen nur noch die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, bei welcher Sparkasse, bei welcher Bank oder wo auch immer sie diesen Teil anlegen wollen.
({1})
- Für fünf Jahre, gut; aber auf jeden Fall soll die Verfügungsgewalt entzogen werden. Das ist ja unbestritten. Die einen sagen, das sei Zwangssparen. Wir sagen: das ist eine Entscheidung, die einer kalten Sozialisierung von Einkommensteilen gleichkommt.
({2})
Wir wehren uns dagegen nicht nur deshalb, weil wir glauben, daß unsere Arbeitnehmer mündig genug sind,
({3})
selber zu entscheiden, ob sie Teile ihres Einkommens in dieser oder jener Form anlegen wollen, und daß es nicht einer Regelung durch die Tarifvertragspartner bedarf, durch die ihnen diese Entscheidung abgenommen oder ihnen die Entscheidungsmöglichkeit gar nicht erst gegeben wird. Ich halte es einfach für unverständlich, daß in dem gleichen Augenblick, wo die Gesamtdiskussion über die Ausweitung der Mitbestimmung vorangetrieben wird, den gleichen Arbeitern und Angestellten die Mitbestimmung über ihr eigenes Einkommen beschränkt werden soll. Das ist ein Widerspruch.
({4})
Ich bin darüber hinaus der Überzeugung - und meine politischen Freunde haben das immer wieder zum Ausdruck gebracht -: Der Wille zur Eigentumsbildung, der in allen politischen Gruppierungen sichtbar geworden ist, ist nicht nur voll anzuerkennen, er muß auch unterstützt werden. Man soll aber nun nicht in den Fehler verfallen, mangelnde Bereitschaft, die vielleicht da und dort noch vorhanden ist, durch gesetzliche Maßnahmen zu ersetzen und damit Gefahr zu laufen, daß die Bereitschaft zur Eigentumsbildung bei bestimmten Gruppen zu einer
Eigentumsverdrossenheit wird, weil sie hier eben nicht aus eigenem Entschluß sparen, sondern durch einen Vertrag gezwungen sind, etwas zu tun, was sie gar nicht wollen.
({5})
Daß es eine große Gruppe nicht will, hat ja der Herr Bundesarbeitsminister in der ersten Lesung selbst gesagt. Er hat den Prozentsatz mit 22 % angegeben. Das sind etwas über 4 Millionen Arbeitnehmer, die dagegen sind.
Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist noch ein anderes Bedenken auch in den Ausschußberatungen nicht ausgeräumt worden. Es wurde immer gesagt, wir brauchten die Tarifvertragsfähigkeit; damit es zu einer größeren Anwendung dieses Gesetzes komme und mit der größeren Anwendung eine breitere Eigentumsstreuung entstehe, weil große Teile unserer Arbeitnehmerschaft nicht sparfähig seien. Wenn diese Argumentation richtig ist, bedeutet doch dieses 312-Mark-Gesetz nichts anderes, als daß durch Tarifvertrag in bestimmten Wirtschaftsbereichen dem Angestellten oder dem Arbeiter, der 800 oder 1000 DM verdient, genau die gleiche Verpflichtung auferlegt wird wie dem Arbeiter, der 400 oder 500 DM verdient. Das heißt, ich zwinge den Höherverdienenden ohne Auswirkung, den Niedrigerverdienenden aber mit Auswirkung, einen Teil seines Entgeltes festzulegen, obwohl ich vorher erklärt habe, dieser sei nicht sparfähig und brauche alles, um seinen Lebensunterhalt angemessen bestreiten zu können. Hier liegt doch ein neuer Widerspruch vor.
({6})
Wer die Tarifvertragsfähigkeit dieses Gesetzes anerkennt, gibt damit klar zu erkennen, daß der Betrag, der hier vorgesehen wird, nicht zum unmittelbaren Lebensunterhalt notwendig, daß er also sparfähig ist. Wenn er aber sparfähig ist, dann wäre das gleiche aus der eigenen Entscheidung des einzelnen erreichbar gewesen. Es ist also falsch, hier mit dem Argument zu operieren: weil soundso viele nicht sparfähig sind, brauchen wir das 312-MarkGesetz.
Wir Freien Demokraten sagen: Es gibt 20 oder 25% - ich will mich hier gar nicht auf eine bestimmte Zahl festlegen - der Arbeiter und Angestellten, die tatsächlich nicht sparfähig sind. Diesen darf ich dann aber auch nicht durch Tarifvertrag ein mögliches Entgelt, das in Tarifvertragsverhandlungen ausgehandelt worden ist, vorenthalten und sie damit auf einen schlechteren Status stellen, als er nach den Möglichkeiten der Tarifverhandlungen gegeben wäre.
({7})
Wenn man dieses Argument aber nicht gelten läßt, sondern sagt, das ganze sei eine zusätzliche Leistung über das hinaus, was in den Tarifvertragsverhandlungen an Lohn und Gehalt ausgehandelt worden ist, dann ist das doch nur ein Beweis dafür, daß der Tarifpartner Gewerkschaft bei dem Aushandeln von Lohn und Gehalt nicht bis an die mögliche Grenze gegangen ist.
({8})
Das ist doch die andere Überlegung. Hätter er das getan, dann wäre kein freier Raum. Immer ist es eine Sache, die für Sie mathematisch nicht lösbar ist, und das ist ja auch der Grund, weshalb auch im Deutschen Gewerkschaftsbund so viele unterschiedliche Meinungen vorhanden sind.
({9})
Interessanterweise machen Sie mit dieser Tarifvertragsfähigkeit für die niedrigen Einkommensgruppen genau das, was Sie sonst immer als eine beklagenswerte Sache bezeichnen. Indem Sie nämlich für denjenigen, der 400, 500, 600 oder 700 DM verdient, die Tarifvertragsfähigkeit dieser 312 DM festlegen, bewirken Sie, daß dafür keine Beiträge für die Rentenversicherung eingezahlt werden und eine Minderung des Rentenanspruchs eintritt. Die gleichen, die sagen, der Rentenanspruch dieser Einkommensbezieher sei zu niedrig, können doch nicht damit einverstanden sein, daß er hier weiter ermäßigt wird, weil Teile des Entgelts nicht versicherungspflichtig sind. Wenn man das nicht anerkennt, gibt man zu, daß die Möglichkeit, Beitragsteile anders zu verwenden, im Grundsatz - wohlgemerkt, noch nicht im Detail - besteht und man über sie diskutieren muß, wie es vorhin durch Herrn Kollegen Burgbacher in seiner Antwort auf die Frage, ob nicht die Gesamtbelastung schon hoch genug sei, erkennbar wurde.
Ich kann also nur feststellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß sich die Befürworter der Tarifvertragsfähigkeit des 312-DM-Gesetzes entscheiden müssen. Wenn Sie der Meinung sind, daß jeder sparfähig ist, dann können Sie auch einen Betrag von 312 DM kraft Vertrags festlegen und der Verfügunggewalt des einzelnen entziehen. Dann müssen Sie aber mit der Argumentation aufhören, daß weite Teile unseres Volkes nicht sparfähig seien. Wenn Sie das fortführen wollen, dann können Sie niemals einer Tarifvertragsfähigkeit zustimmen. Wir wissen aus den Untersuchungen und den Zahlen über die Einkommensverhältnisse, die nicht zuletzt Sie hier in diesem Bundestag gebracht haben, daß es für weite Teile der Arbeitnehmer unzumutbar ist, ihnen einen Teil des Entgelts zu entziehen. Deshalb werden wir uns gegen die Tarifvertragsfähigkeit wenden.
({10})
Weitere Wortmeldungen? - Dann kommen wir zur Abstimmung. Sie haben den Antrag und seine Begründung gehört. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 624 Nr. 2. Wer die Ausschußvorlage in dieser Weise geändert sehen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Ja-Stimmen abgelehnt.
Wer dem § 3 in der .Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ent9024
Vizepräsident Dr. Schmid
haltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe § 4 auf. Hier ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 624 Nr. 3 angekündigt. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich brauche den Antrag nicht mehr zu begründen; denn er hat durch die eben .stattgefundene Abstimmung zu § 3 seine Erledigung erfahren. Wenn ich trotzdem noch das Wort ergreife, dann aus dem einfachen Grund, um deutlich zu machen, daß wir diesem Paragraphen unsere Zustimmung geben, und weil ich zu diesem Paragraphen einige besondere Anmerkungen machen möchte.
Dieser Paragraph schafft nämlich die Möglichkeit, daß auch die vielen Arbeiter und Angestellten, welche nicht über einen Tarifvertrag oder über Betriebsvereinbarungen in den Genuß der staatlichen Vergünstigungen nach diesem Gesetz kommen, diese Vergünstigungen wahrnehmen können. Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, daß der § 15 eigentlich leer im Raum stände, wenn er keinen Bezug zu § 4 hätte. Dieser § 4 bietet nämlich die einzige Möglichkeit für die Beamten, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, wenigstens teilweise in den Genuß der Vergünstigungen dieses Gesetzes nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung zu kommen.
({0})
Ich möchte auch noch etwas zu dem § 4 Abs. 2 bis 5 dieses Gesetzes ausführen, weil ich glaube, daß es wichtig ist, daß hierzu etwas gesagt wird. In der Regelung, die dieser § 4 vorsieht, sehen wir nämlich auch eine Chance, daß der Arbeiter, welcher in bestimmten saisonalen oder betriebsbedingten Schwerpunktzeiten durch Überstundenleistungen in einen Verdienst hineinwächst, der automatisch erhöhte Abgaben bedingt, diesen Überstundenverdienst lohnsteuer- und sozialabgabenfrei anlegen kann. Damit kommt wenigstens über diesen Paragraphen ein bescheidener - ich muß hinzufügen: ein sehr bescheidener - Teil unseres Antrags auf Lohnsteuerbefreiung für Überstundenverdienste noch zum Zuge, allerdings mit der Einschränkung, daß dieser Anreiz sofort wegfällt, wenn die tarifvertragsmäßigen Vergünstigungen voll zum Zuge kommen, wie es nun hier die anderen Paragraphen vorsehen. Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Paragraphen noch darauf hinweisen -
({1})
- Sie haben absolut recht; in dem Moment ist der Anreiz weg, wo der Tarifvertrag die volle Höhe des 312-DM-Betrags beinhaltet. Ich bin darin mit Ihnen völlig einer Meinung.
Ich darf aber sagen, daß die Absätze 2 bis 5 gesetzliche Bestimmungen beinhalten, die selbstverständlich bei einer freiwilligen Übereinstimmung
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine dem Arbeitsleben angemessene Variation erhalten können. Der Abs. 2 sagt nämlich lediglich etwas darüber aus, wieweit die gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers bezüglich der praktischen Handhabung des § 4 Abs. 1 gehen. Wir möchten zum Ausdruck bringen, daß der Arbeitgeber freiwillig von sich aus auch andere weitergehende oder abweichende Wünsche des Arbeitnehmers erfüllen kann. Nur ist er hierzu nach dem Wortlaut des Gesetzes gesetzlich nicht ausdrücklich verpflichtet.
Die Anwendung des § 4 beinhaltet auch bei Übereinstimmung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, daß der Arbeitnehmer in einem Vertrag nach § 4 Abs. 1 die Möglichkeit hat, die Verdienste oder Überstundenverdienste von einem oder zwei Monaten in einem Betrag von 312 DM auf einmal oder in zwei Beträgen von je 156 DM anzulegen. Wir möchten ganz klar zum Ausdruck bringen, daß wir die Tatsache, daß diese Möglichkeit auch im Gesetz enthalten ist, durchaus begrüßen. Das ist eine Möglichkeit, die über das 'hinausgeht, was als gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers vorgeschrieben ist.
Unsere Zustimmung zu § 4 Abs. 2 bis 5 - das möchten wir deutlich sagen - bedeutet auch, daß neben den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestvoraussetzungen Spielraum für anderweitige freie Vereinbarungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der durch die 312 DM festgesetzten Summe möglich ist.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann kommen wir zur Abstimmung über den soeben begründeten Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 3.
({0})
- Also ziehen Sie Ihren Antrag zurück? ({1})
- Dann stimmen wir über § 4 ab. Wer den § 4 in der Ausschußfassung annehmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung; sonst einstimmig.
§ 5, Umdruck 624 Ziffer 4! Wer begründet? - Herr Abgeordneter Spitzmüller hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In der Wiederherstellung der Regierungsvorlage sehen wir Freien Demokraten die bessere Möglichkeit, daß auch Unternehmer, die nicht durch Tarifvertrag zu vermögenswirksamen Leistungen verpflichtet sind, von diesem Gesetz zugunsten ihrer Arbeitnehmer mehr Gebrauch machen können und .eher Gebrauch machen werden, als dies der Fall ist, wenn wir den § 5 in
der Fassung der Vorlage des Ausschusses belassen. Verschließen wir die Augen doch nicht vor der Tatsache, die auch im Arbeitsausschuß erörtert worden ist, daß es - wenn vermögenswirksame Verträge nur für bestimmte Gruppen abgeschlossen werden - zu Spannungen im Betrieb kommen kann! Wir erkennen das durchaus. Aber nehmen wir doch nicht an, ,daß Betriebe - kleine Betriebe oder größere Betriebe - und deren Betriebsleitungen nicht vorher prüfen würden: Wenn wir auf Grund der Ertragslage unseres Betriebes nicht in der Lage sind, eine wirksame Vermögensleistung für alle zu geben, was könnten wir für einen Gruppenvertrag anbieten, bei dem es zu keinen Spannungen kommt? Denn letzten Endes hat kein großer und kein kleiner Betrieb ein Interesse daran, durch freiwillige soziale Leistungen Spannungen unter die Angestellten- oder Arbeiterschaft zu bringen.
In der Fassung, die der Ausschuß uns vorlegt, sehen wir die große Gefahr, daß durch die Einnahme des Standpunktes „Alle Arbeitnehmer oder keiner" die Möglichkeit der freiwilligen Anwendung des Gesetzes außerordentlich stark eingeschränkt wird. Denn die vom Ausschuß getroffene Regelung würde beispielsweise 'verhindern, daß ein kleiner Betrieb, der nicht durch Tarifvertrag zu vermögenswirksamen Leistungen für alle verpflichtet ist, in Schwierigkeiten gerät. Warum? Wenn er durch Tarifvertrag nicht zu einer vermögenswirksamen Leistung verpflichtet ist, dann hat das wahrscheinlich seinen 'berechtigten Grund. Denn trotz allem, was man gelegentlich für oder gegen die Gewerkschaften sagt, kann man doch bei vielen Verhandlungen feststellen, daß auch auf seiten der Gewerkschaften die Führung und die Verhandelnden durchaus bereit sind, besonderen Gegebenheiten in bestimmten Industriebereichen oder Wirtschaftszweigen Rechnung zu tragen.
({0})
Wir können uns sehr wohl vorstellen, daß es einige Bereiche der Wirtschaft gibt, in denen sehr lange keine vermögenswirksamen Leistungen in Tarifverträgen festgelegt werden, weil die Möglichkeiten dazu im Augenblick und auf absehbare Zeit nicht gegeben sind und weil deshalb auch die Gewerkschaften in diesen Fällen von übertriebenen Steigerungen Abstand nehmen werden. Wenn aber in solchen Betriebszweigen einige Firmen sind, die etwas tun können, aber nicht für alle, so daß es wirksam ist, dann hat es ja keinen Wert, zwanzig oder dreißig Mark im Jahr für alle anzulegen. So wie unser Antrag jetzt vorliegt, kann man überlegen: was können wir für eine bestimmte Sparte von Arbeitern und Angestellten tun? Durch die von Ihnen jetzt im Ausschuß getroffene Regelung würde beispielsweise verhindert, daß ein Betrieb wenigstens den Arbeitern ein Angebot machen könnte, denen das Sparen auf Grund ihrer Lohnsituation besondere Schwierigkeiten macht. Dies geht nicht nach der Ausschußvorlage.
Denken wir einmal daran: was soll eigentlich § 12 Abs. 1, der die besondere 468-DM-Regelung für Familien mit drei und mehr Kindern vorsieht, wenn
Sonderregelungen für bestimmte Gruppen gar nicht mehr möglich sind? Auch hier muß man sich einmal überlegen, daß § 12 Abs. 1, die besondere Bestimmung für die kinderreichen Familien, tatsächlich einer Sonderregelung bedürfte. Deshalb sind wir der Meinung, daß hier bewußt ein Spielraum eingeräumt werden sollte für freiwillige Leistungen in den Betrieben. Was der Ausschuß vorschlägt, ist eine Beschneidung der Möglichkeit solcher freiwilligen sozialen Leistungen. Einen solchen Spielraum sollte man nicht bewußt einschränken.
Ich bitte Sie deshalb, 'unserem Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage zuzustimmen, damit auch den Arbeitern oder wenigstens Teilen von Arbeitern und Angestellten - denen, die in Betrieben beschäftigt sind, in denen sie nicht durch Tarifvertragsvereinbarungen vermögenswirksame Leistungen bekommen müssen - etwas zukommen kann und den Möglichkeiten des einzelnen Betriebes Rechnung getragen werden kann.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern es, daß der Arbeitsausschuß den Abs. 3 des § 5 ersatzlos gestrichen hat. Im Regierungsentwurf war vorgesehen, daß vermögenswirksame Leistungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nur dann gefördert werden, wenn der Arbeitnehmer dem Betrieb oder dem Unternehmen mindestens ein Jahr angehört hat. Damit hätte zumindest für die mittelständischen Unternehmen eine kleine Chance bestanden, der überhandnehmenden Fluktuation zu steuern. Wir glauben nach wie vor, daß den Großunternehmen bei Streichung des Abs. 3 die Möglichkeit der Abwerbung auf Kosten der Klein- und Mittelbetriebe gegeben ist. Dadurch werden die Klein- und Mittelbetriebe hinsichtlich der Arbeitskräfte in eine noch schlechtere Situation kommen.
Unsere Bedenken sind durch die Stellungnahme des Arbeitsausschusses nicht zerstreut worden. In dem Bericht heißt es, daß die Beibehaltung des Abs. 3 zu einer zusätzlichen Belastung der Arbeitgeber führen würde. Wir glauben, daß die Arbeitgeber diese Belastung lieber als alle anderen Belastungen in Kauf nehmen würden.
Ich bitte Sie, unserem Kompromißvorschlag zuzustimmen und statt eines Kalenderjahres 12 Monate einzusetzen. Es ist wirklich nicht einzusehen, daß jeder, der aus dem Ausland zu uns nach Deutschland kommt, um hier zu arbeiten, schon nach vier Wochen in den Genuß der Auswirkungen dieses Gesetzes kommen soll, zumal er wahrscheinlich sein Vermögen gar nicht bei uns anlegen will, sondern es lieber zu seiner Familie nach Hause schickt.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Vizepräsident Dr. Schmid
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 624 Ziffer 4. Wird getrennte Abstimmung nach Buchstaben gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 4 zustimmen will, gebe das Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen über den § 5 in der Ausschußfassung ab. Wer ihm zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 6 auf. Der dazu vorliegende Änderungsantrag auf Umdruck 624 ist erledigt. Ich rufe weiter die §§ 7, 8, 9 und 10 auf. - Dazu wird das Wort nicht gewünscht. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 11! Der dazu auf Umdruck 624 vorliegende Änderungsantrag ist auch erledigt. Wer dem Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 12 liegt auf Umdruck 624 unter Ziffer 7 ein Änderungsantrag vor. Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der § 12 befaßt sich mit der Frage der Nachversteuerung. Es wird hier eine Pauschale von 20% festgelegt, und zwar - wie es als Begründung angegeben worden ist - aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Eine solche pauschale Nachversteuerung widerspricht natürlich unserem Einkommensteuerrecht. Deshalb sollte man eigentlich diese 20% als eine Art Bußgeld für diejenigen bezeichnen, die sich nicht an die Bestimmungen des Gesetzes halten, sondern von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich den Betrag vorher auszahlen zu lassen; dafür haben sie dann eine pauschale Steuer von 20% zu zahlen. Man kann sagen: Warum soll man den Betreffenden, wenn sie den Sinn des Gesetzes nicht erfüllen, den Steuervorteil nicht nehmen? Durchaus richtig! Aber wenn man das will, dann muß auch eine steuergerechte Lösung gefunden werden, nämlich kein Pauschsatz, sondern die entsprechende Nachveranlagung in dem Jahr, in dem der Betrag abgehoben wird.
({0})
Nun wird entgegengehalten: Ist dann nicht der Verwaltungsaufwand für eine solche Geschichte zu groß, und sollte man nicht um einer einfacheren Handhabung willen darauf verzichten, zu einer größeren Steuergerechtigkeit zu kommen? Das klingt sehr schön, aber wenn man sich etwas näher damit befaßt, kommt man zu dem Ergebnis, daß der § 12 dieses Gesetzes ein familienfeindlicher Paragraph ist. Ich wundere mich, daß alle die wackeren Streiter für die familienpolitischen Aufgaben in diesem
Hause nicht gegen diesen Paragraphen Sturm laufen.
({1})
Es schiene mir wirklich nützlich zu sein, wenn die Betreffenden hier einmal sehr genau zuhörten. Denn diese Strafsteuer, dieses Bußgeld, das gezahlt wird, bedeutet doch nichts anderes, als daß derjenige, der an sich einen Steuersatz von 30 oder mehr Prozent auf die 312 DM zu zahlen hätte, dann, wenn er sie nicht in dieser Weise anlegt, wenn er zwei, drei Tage nach der Vereinbarung den Vertrag auflöst, mit 20% belegt wird und damit einen Vorteil von 10 oder 20%, je nachdem wie hoch er an sich versteuert wird, hat. Derjenige aber, der überhaupt keine Steuer zu zahlen hat, etwa der Familienvater mit vier, fünf Kindern, muß durch diese pauschale Veranlagung 20% zahlen. Das ist eine eindeutige Benachteiligung a) derjenigen, die weniger verdienen, und b) der kinderreichen Familien. Um das auszuschalten, stellen wir unseren Änderungsantrag.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) ?
Bitte!
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen nicht bekannt, daß das Einkommensteuergesetz sieben ganz bestimmte Einkommensarten kennt? Darf ich Sie fragen, was für eine Einkommensart im Sinne des Einkommensteuergesetzes denn hier gemeint ist?
Arbeitsentgelt besonderer Art laut Begründung!
Wenn das Arbeitsentgelt ist, dann gilt der Freibetrag von 800 DM für Einkünfte, die neben dem Arbeitsentgelt gewährt werden. Wollen Sie praktisch über den 800-DM-Freibetrag die gesamte Nachversteuerung ad absurdum führen?
Wir haben nicht diese Absicht.
({0})
- Nein, das ist nicht der Sinn des Antrags. Wir wollen nur, daß es so gerecht durchgeführt wird, wie es die normale Steuergesetzgebung vorsieht. Wenn der Betreffende durch andere Einnahmen diesen Betrag ausgeschöpft hat, hat er entsprechend höhere Beträge zu zahlen. Hat er ihn nicht ausgeschöpft, liegen seine Einkünfte unter diesem Betrag, wird er genauso behandelt wie jeder andere. Das ist doch der Grundsatz. Die inviduelle Art ist immer besser als die pauschale Art.
({1})
Ich glaube, das haben wir bisher in unserem Steuerrecht immer für richtig gehalten. Ich erinnere mich noch an eine ganze Reihe von Bestimmungen, die wir beim letzten Steueränderungsgesetz gerade unMischnick
ter diesem Gesichtspunkt eingefügt haben. Sie haben hiermit unmittelbar nichts zu tun, huldigen aber doch dem Grundsatz, möglichst viele individuelle Tatbestände zu erfassen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege Mischnick, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt beweist, wie notwendig es ist, daß die CDU/CSU-Fraktion selbst noch einmal über diese Dinge nachdenkt, vielleicht am besten im Ausschuß?
Ich bin, Herr Kollege Moersch, der Meinung, alle diese bisher behandelten Anträge beweisen, wie richtig das gewesen wäre. Denn bei vielen war man ja nicht in der Lage, überhaupt ein Gegenargument hier vorzubringen.
({0})
- Ich kann mir nicht vorstellen, wenn Gegenargumente da sind, daß dann allein aus formalen Gründen davon abgesehen wird, sie hier zu diskutieren. Das würde eine Denaturierung des Parlaments bedeuten.
({1})
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte.
Bitte, Herr Professor Burgbacher.
Halten Sie die Wiederholung von Argumenten, die x-mal in allen Ausschüssen des Hauses behandelt worden sind, für eine Aufwertung des Parlaments?
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß durch Wiederholung allein Argumente nicht richtiger werden. Aber dann müssen sie vorher begründet sein, und das ist hier leider nicht geschehen.
({0})
Gestatten Sie mir abschließend noch ein Wort gegen das Argument, die Veränderung der individuellen steuerlichen Veranlagung, die wir beantragen, sei eine zu große Belastung der Finanzverwaltung. Hier muß ich mich fragen, wieso dieses Argument überhaupt aufkommen kann. Entweder ist man von der Wirksamkeit des Gesetzes überzeugt oder nicht. Wenn das Gesetz eine große Wirksamkeit haben wird, dann wird es wenig Fälle geben, in denen man aus ganz bestimmten Gründen eine Rückvergütung haben will. Um diese wenigen Fälle in gerechter Weise abzuwickeln, wird nur ein sehr 1 geringer Verwaltungsaufwand notwendig sein. Macht aber eine große Zahl von Arbeitern und Angestellten von dieser Möglichkeit Gebrauch, dann ist damit bewiesen, wie recht wir haben, daß eine tarifvertragliche Lösung falsch ist.
({1})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 7. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte war die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über § 12 ab. Wer § 12 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 12 ist angenommen.
Ich rufe § 13 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 8 vor. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? - Bitte, Herr Abgeordneter Deneke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn Sie uns nicht mehr antworten, werden wir dennoch unsere Anträge begründen.
({0})
- Zwischen den Verhandlungen im Ausschuß, die, wie Sie wissen, nicht öffentlich sind, und den Beratungen im Plenum, die, wie Sie ebenfalls wissen, öffentlich sind, besteht ein wesentlicher Unterschied. Ich meine, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, Ihre Gegenargumente zu hören.
({1})
Dennoch will ich mich bei der Begründung unseres Änderungsantrages zu § 13 kurz fassen.
({2}) - ja, so sind wir, Herr Killat!
§ 13 ist ein Musterbeispiel für die gesetzgeberische Inkonsequenz. Aus dem ersten Teil des Satzes in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung ergibt sich nämlich, daß Sie der Meinung sind, diese vermögenswirksamen Leistungen seien ein Arbeitsentgelt besonderer Art. So behandeln Sie sie jedenfalls bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Im zweiten Teil des Satzes nehmen Sie das dann aber für die - Unfallversicherung wieder zurück. Ich will gar nicht darauf eingehen, welche Schwierigkeiten diese Bestimmung für die Lohnbuchhaltung mancher Betriebe mit sich bringen wird. Allein vom Grundsatz her muß ich sagen: diese Trennung, die hier vorgenommen werden soll, ist recht ungewöhnlich. Ganz abgesehen davon ist es natürlich höchst interessant, daß die Beiträge bei der Unfallversicherung anders behandelt werden sollen. Hängt das vielleicht damit zusammen, daß die Beiträge zur Unfall9028
versicherung ausschließlich vom Arbeitgeber aufgebracht werden?
Herr Abgeordneter, ,gestatten Sie eine Frage?
Nein, mir wäre es viel lieber, wenn die Herren, die Zwischenfragen stellen wollen, hierherkämen und ausführlicher ihre Meinung sagten.
({0})
Die von mir soeben 'aufgeworfene Frage scheint mir berechtigt zu sein. Ich habe den Verdacht, daß es sich für viele von Ihnen eben doch um so eine Art Mehrwertabschöpfungsgesetz handelt.
({1})
- Das Wort ist schon einmal gefallen. Mir scheint das eben doch ein Rückfall ins 19. Jahrhundert zu sein, von dem die Herren von ,der SPD sich sonst so allmählich zu trennen beginnen.
Ich bitte Sie darum, unseren Antrag annehmen.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 624 Ziffer 8. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.- Danke. Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; ) der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über § 13 .ab. Wer § 13 zustimmen will, den bitte ich um ,ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 13 ist angenommen.
Ich rufe § 14 auf. Dazu hat das Wort der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! § 14 hat das Ziel, es den kleinen lohnintensiven Betrieben zu erleichtern, vermögenswirksame Leistungen -sei es durch Tarifvertrag, sei .es durch Betriebsvereinbarungen - zu ermöglichen. Unbefriedigend bleibt jedoch, ,daß kleine Betriebe, die durch Tarifvertrag zu vermögenswirksamen Leistungen verpflichtet sind, von dem Grundgedanken des § 14 nichts oder nicht viel zu spüren bekommen werden, wenn sie auf Grund schlechter Ertragslage gar nicht so viel Einkommensteuer zahlen müssen, wie ihnen durch § 14 erlassen werden soll.
Ich möchte den Damen und Herren, die sich mit diesem Gesetzentwurf noch nicht sehr intensiv befaßt haben, empfehlen, im Ausschußbericht einmal nachzulesen,, was von den verschiedensten Ausschüssen gesagt worden ist. Dort ist 'nämlich gerade darauf hingewiesen 'worden, daß sich der Erlaß von 800 DM Steuer unter Umständen gar nicht auswirkt, wenn die Betriebe nicht so viel Einkommen- und Körperschaftsteuer - bezüglich der Körperschaftsteuer wird es kaum zutreffen, aber im extremen Ausnahmefall kann es schon sein - zahlen müssen.
Hier eine absolute Gerechtigkeit zu erreichen wäre nur möglich durch eine Negativsteuer oder in einem Prämiensystem. Aber so grundlegende Steuersystemänderungen wegen dieses Gesetzes einzuführen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch nicht zu verantworten. Wenn ich sage „noch nicht", meine Damen und Herren, so möchte ich damit deutlich machen, daß man die Auswirkungen und Entwicklungen des § 14 nach unserer Überzeugung sorgsam beachten muß.
Die Erörterungen im Finanzausschuß wie in den anderen Ausschüssen zu diesem Paragraphen haben gezeigt, daß sich dieses Zweite Gesetz zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer in bestimmten kleinen und mittleren Bereichen der Wirtschaft bedauerlicherweise sehr wohl als ein Gesetz zur Vernichtung kleiner Wirtschaftseinheiten und damit als ein Gesetz zur Förderung der Konzentration auswirken könnte.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist doch bemerkenswert, wenn bei der Beratung ,dieses Paragraphen in den Ausschüssen darüber gesprochen werden muß, daß unter Umständen ein Betrieb verpflichtet ist, Vermögensleistungen zu erbringen und sie anzulegen, der Betrieb selber dadurch aber in seiner Gewinn- und Investitionsrate gleichzeitig so geschmälert wird, daß er nicht einmal mehr 800 DM Einkommen- und Körperschaftsteuer im Jahr zu zahlen hat.
Nach diesen Erörterungen und den möglichen logischen Konsequenzen, die man daran anknüpfen könnte, könnte es sein, daß dieses Gesetz eines Tages womöglich ein Gesetz zum Schutz bestehender kleiner Betriebsvermögen nach sich zieht. Ich erwähne das nur als eine Möglichkeit, die auch im Finanzausschuß nicht ganz von der Hand gewiesen werden konnte. Denn, meine Damen und Herren, warum hätte man sonst in den Ausschußbericht hineinschreiben müssen, daß diese Vergünstigungen von 800 DM Steuerrückgewähr unter Umständen nicht zum Tragen kommen! Das zeigt, daß man sich im Finanzausschuß sehr wohl bewußt ist, daß da oder dort große Schwierigkeiten auftreten können, die wir nicht hoffen und wünschen. Weil wir hoffen und wünschen, daß sie nicht in zu großem Maße auftreten, können wir diesem Paragraphen zustimmen mit dem Vorbehalt, daß, sollte in vermehrtem Maße das Wirklichkeit werden, was im Finanzausschuß als Möglichkeit an die Wand gemalt worden ist, wir uns dann tatsächlich über die Frage einer Negativsteuer oder eines Prämiensystems im nächsten Bundestag sehr 'ernsthaft werden unterhalten müssen.
({1})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über § 14. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Paragraph ist einstimmig angenommen,
§§ 15, - 16, - 17, Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Danke. Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die §§ 15, 16, 17, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Tag wird als Wendepunkt in die Geschichte der deutschen Sozialpolitik eingehen.
({0})
Dieses Hohe Haus wird heute ein Gesetz verabschieden, das die Weichen für eine neue Eigentumspolitik stellt, da es den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden die Möglichkeit gibt, vermögenswirksame Leistungen in Tarifverträgen zu vereinbaren. Wenn Ende des vorigen Jahrhunderts um die Zulassung von Lohntarifverträgen politisch gerungen wurde, so heute um die Zulassung von Tarifverträgen zur Vermögensbildung. Damals erklärten die Gegner der Tarifverträge, die Arbeitnehmer könnten ja höhere Löhne im freien Arbeitsvertrag mit ihren Arbeitgebern vereinbaren, wenn sie bessere Arbeitsbedingungen haben wollten. Und heute erklären die Gegner der Tarifverträge zur Vermögensbildung, die Arbeitnehmer könnten ja sparen, wenn sie Eigentum bilden wollten. In Wirklichkeit können die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit heute ebenso wenig aus eigener Kraft aus dem Zustand der Eigentumslosigkeit herauskommen, wie sie vor achtzig Jahren als einzelne gegenüber dem wirtschaftlich viel stärkeren Arbeitgeber menschenwürdige . Arbeitsbedingungen durchsetzen konnten. Die Solidargemeinschaften der Arbeitnehmer, die Gewerkschaften, und - dem modernen Partnerschaftsgedanken folgend - auch die Arbeitgeberverbände müssen hier helfen. Die Möglichkeit dazu gibt ihnen dieses neue Gesetz.
Ich appelliere deshalb heute an die deutschen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände: Nutzen Sie diese Chance! Schließen Sie Tarifverträge zur Vermögensbildung ab! Setzen Sie sich nicht nur durch Deklamationen für eine breitere Vermögensbildung ein! Jede Gewerkschaft verliert ab heute das Recht, die einseitige Vermögensbildung zu kritisieren, wenn sie nicht gleichzeitig bestrebt ist, in ihren Tarifverträgen die Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu fördern.
Aber es genügt nicht, wenn die Gewerkschaften allein auf den Abschluß von Tarifverträgen zur Vermögensbildung drängen. Sie haben vielmehr eine große und neue sozialpädagogische Aufgabe zu erfüllen. Sie müssen die Arbeitnehmer über die Vorteile der Eigentumsbildung aufklären. Sie müssen
eine „Solidarität des Sparens" herbeiführen. Sie müssen den Arbeitnehmern die volkswirtschaftliche Bedeutung der Eigentumspolitik erläutern.
Es ist eine völlige Verkennung der Tatsachen, wenn so getan wird, als seien vermögenswirksame Leistungen geschenktes Eigentum, als würden die Arbeitnehmer über Tarifverträge mit Eigentum „versorgt". Unter Geschenken versteht man, wenn Worte einen Sinn haben sollen, Leistungen ohne Gegenleistungen. So ist es aber bei Zuwendungen zur Vermögensbildung nicht. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers ist seine Arbeit. Er schafft an seinem Arbeitsplatz gemeinsam mit dem Unternehmer nicht nur die Konsumgüter, die er sich für seinen Lohn kaufen kann, sondern auch die Produktionsmittel, an denen er bisher so gut wie nicht beteiligt war.
({1})
Wenn die Arbeitnehmer jetzt - sie werden es, seien Sie unbesorgt! - durch dieses neue Gesetz ihren Anteil auch an dem Produktionsvermögen erhalten sollen, so ist das kein Geschenk, sondern nichts anderes als gerechter Lohn.
({2})
Wir „versorgen" den Arbeitnehmer auch nicht mit Eigentum. Der Gesetzgeber ebnet nur den Weg zum Eigentum, erleichtert durch Anreize und Vergünstigungen den Verzicht, der in jedem Sparen liegt. Aber die eigentliche Entscheidung, ob 'er Eigentum bilden will oder ob er z. B. das Wertpapier verkaufen oder das Sparkonto auflösen will, muß jeder Arbeitnehmer für sich treffen. Wir können sie ihm durch guten Rat erleichtern, aber nicht abnehmen. Deshalb sollte das polemische Wort von der „Versorgung mit Eigentum" aus der Diskussion verschwinden.
Aus welchen Gründen setzt sich nun die Bundesregierung so nachhaltig für die Eigentumsbildung ein? - Zum freien Menschen gehört Eigentum. Eigentum mindert die Abhängigkeit von fremden Entscheidungen. Es weckt und stärkt Verantwortungskräfte. Es schafft Möglichkeiten selbständiger Lebensgestaltung. Eigentum und Erbrecht schaffen auch die wirtschaftlichen Grundlagen für die nächste Generation. Man sollte endlich aufhören, die Notwendigkeit einer verstärkten Eigentumsbildung der Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf die Milliardenbeträge der gesetzlichen Rentenversicherung in Frage zu stellen. So wertvoll die Rentenversicherung ist, so wenig sie ersetzt werden kann durch Maßnahmen zur breiten Eigentumsstreuung, ihr großer Nachteil in diesem Zusammenhang ist, daß sie der folgenden Generation keine Grundlagen für einen besseren wirtschaftlichen Start bieten 'kann.
Das menschliche Grundbedürfnis, den eigenen Kindern mindestens ebenso gute, wenn nicht bessere Lebens- und Wirtschaftsbedingungen zu schaffen, kann die Rentenversicherung leider nicht befriedigen. Rentenansprüche sind nicht übertragbar und nicht vererblich, und sie unterscheiden sich dadurch grundlegend von dem Eigentum, wie wir es meinen. Wenn man einem Unternehmer sagen würde, sein Betrieb sei ab heute nicht mehr ver9030
erblich und er könne ihn auch nicht verkaufen, würde er das mit Recht für einen unerhörten und grundlegenden Eingriff in sein Eigentum halten. Deshalb kann man nicht mit dem Hinweis auf die Sozialversicherung die Notwendigkeit einer breiten Eigentumsstreuung in Frage stellen.
Wir wollen mit unserer Eigentumspolitik und mit diesem Gesetz im besonderen weiter erreichen, daß der bisher eigentumslose Arbeitnehmer endlich voll in die Gesellschaft eingegliedert wird. In der Eigentumslosigkeit der Arbeitnehmer von heute liegt noch die Erinnerung an die Klassengesellschaft und das Proletariat von gestern. Unsere Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung beruht maßgeblich auf dem Privateigentum auch an Produktionsmitteln. Dieser Ordnung ist um so gefestigter, je mehr Bürger sie tragen. Allein durch den größeren Wohlstand, durch 'höheren Konsum, können wir unsere Gesellschaftsordnung nicht von der des Ostens unterscheiden. Auch drüben werden Fernsehgeräte und Kühlschränke produziert. Zwar wird unser Wirtschaftssystem immer produktiver und ergiebiger bleiben als das des Ostens, aber mit der allgemein fortschreitenden Produktivität werden die Abstände in den Verbrauchsgewohnheiten zwischen Ost und West, jedenfalls politisch und psychologisch, geringer, und in dem Maße, in dem sich die Konsumunterschiede zwischen Ost und West in der Meinung der Menschen abflachen, werden dagegen die Unterschiede in der Eigentums- und Vermögensbildung immer deutlicher. Wir wollen die Menschen über die 'Eigentums- und Vermögensbildung in diesen Staat, in diese 'Gesellschaftsordnung fest einwurzeln. Durch unser Vaterland, ja durch die ganze Welt geht eine Grenze. Es ist eine Grenze des Eigentums; denn sie beruht letztlich auf der unterschiedlichen Einstellung zum Eigentum. Karl Marx hat in seinem kommunistischen Manifest gesagt, die Kommunisten könnten ihre Theorie in dem einen Ausdruck zusammenfassen: Abschaffung des Privateigentums. Wir dagegen wollen „Eigentum für jeden". Die Eigentumsfrage bildet also den Kern des Kommunismus. Und diesen Kern berühren wir durch das Gesetz, das wir heute verabschieden, in einer für den Osten schmerzlichen Weise. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, wenn wir ein Volk von Eigentümern geworden sind, wird dem Kommunismus auch die letzte Chance 'bei uns entzogen sein. Das haben die kommunistischen Funktionäre natürlich längst begriffen. In dem für die kommunistische Welt epochalen Parteiprogramm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, das auf dem 22. Parteitag der KPdSU beschlossen wurde, wird Gift und Galle gegen die Maßnahmen zur Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand gespien. Es heißt dort:
Die Apologeten der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die die Massen geistig ketten wollen, tüfteln immer neue „Theorien" aus, um das Ausbeuterwesen der bürgerlichen Ordnung zu tarnen und den Kapitalismus zu beschönigen. Sie versichern, der moderne Kapitalismus habe sein Wesen verändert, sei zum „Volkskapitalismus" geworden, in dem eine „Eigentumsstreuung" im Gange sei und das Kapital sich l „demokratisiere". ... In Wirklichkeit
- so sagt dieses Programm bestätigt die Entwicklung des modernen Kapitalismus die Richtigkeit der marxistisch-leninistischen Lehre vom Anwachsen der Widersprüche und der Antagonismen der kapitalistischen Gesellschaft, von der Zuspitzung des Klassenkampfes in dieser Gesellschaft.
So viel, meine Damen und Herren, aus diesem Parteiprogramm. Daraus wird klar, daß eine wirksame Förderung der Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand eine der wichtigsten Waffen in der Auseinandersetzung mit dem Osten ist. Diese friedliche Waffe im Wettkampf der Systeme sollten wir einsetzen. Wir wollen mit diesem Gesetz die Reste der Proletarität aufheben und eine Gesellschaft von Menschen heraufführen, die in sozialer Gerechtigkeit, sozialer Sicherheit und in Freiheit leben kann.
Wer dieses Ziel mit uns anstrebt, den bitte ich, diesem Gesetz seine Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Balke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre mir sehr lieb gewesen, wenn die bisherige Debatte mich davon überzeugt hätte, daß meine Worte überflüssig sind. Das ist leider nicht der Fall. Der heute wieder als Kontrollinstrument empfohlene gesunde Menschenverstand ist allerdings für mich allein kein Argument. Es gibt ja Täuschungen über den Gesundheitszustand.
Das zur Beratung anstehende II. Vermögensbildungsgesetz, meine Damen und Herren, zählt zu den umstrittensten Gesetzen, die diesem Hohen Hause in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode zur Beschlußfassung vorgelegt worden sind. In Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung des Gesetzes und angesichts der sehr kontroversen Auffassungen, die in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Monate und auch hier im Parlament zum Inhalt wie zur Methodik des Gesetzes laut geworden sind, kann es nicht verwundern, wenn auch innerhalb der einzelnen Fraktionen unterschiedliche Meinungen bestehen, und es tut mir leid, wenn ich den Ansichten und den Überzeugungen einiger von mir sehr geschätzter Kollegen widersprechen muß. Ich halte aber nichts davon, wenn solche Meinungsdifferenzen verschwiegen werden, halte es vielmehr für meine Pflicht, nochmals auf die Problematik und die Konsequenzen hinzuweisen, die mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs verbunden sind.
Es kann unterstellt werden, daß jeder Abgeordnete in diesem Hohen Hause die Förderung der Vermögensbildung in breiten Schichten der Bevölkerung bejaht. Ich brauche nicht zu wiederholen, was in dieser Hinsicht gerade von Vertretern meiner Fraktion oder etwa auch von kirchlichen Kreisen gesagt worden ist. Ich kann mich mit dem Hinweis
begnügen, daß nach allen unseren Erfahrungen das persönliche Eigentum eine wesentliche, um nicht zu sagen, die entscheidende Voraussetzung für die Freiheit ist, und zwar die Freiheit für den einzelnen ebenso wie für ein ganzes Volk. Aber gerade weil erfahrungsgemäß ein so unlösbarer Zusammenhang zwischen Eigentum und Freiheit besteht, ist die öffentliche Diskussion über dieses Gesetz so leidenschaftlich geführt worden. Wegen der ausschlaggebenden Bedeutung seiner Methodik ist immer wieder gefragt worden, ob die vorgesehenen Zwangsmittel dem Wesen des Eigentums und seinem natürlichen Zusammenhang mit der Freiheit wirklich Rechnung tragen. Hieran, meine Damen und Herren, und nicht an der Zielsetzung scheiden sich die Geister.
Vorwiegend geht es um die Frage, ob der Gesetzgeber den Arbeitnehmer zur Eigentumsbildung zwingen soll oder ob er die selbstverantwortliche Eigentumsbildung des Arbeitnehmers fördern will. Der federführende Ausschuß für Arbeit hat sich klar und konsequent für den Zwang entschieden - ich verweise auf die von ihm in die Regierungsvorlage eingefügten Absätze 2 bis 5 des § 3 -, und damit hat er das Subsidaritätsprinzip aufgegeben.
({0})
- Das ist meine Meinung.
({1})
Man soll die Dinge nicht verschleiern. Es ist ein Zwang.
({2})
Zur Begründung hat man sich verschiedener Argumente bedient. So wurde u. a. gesagt, das II. Vermögensbildungsgesetz enthalte gar keinen Sparzwang, es begründe lediglich eine Pflicht zur Eigentumsbildung. Das ist keine Begründung, sondern ein bloßes Wortspiel.
Es ist weiter gesagt worden, die Verbraucher seien in der vergangenen Jahren einem großen Zwangssparprozeß zugunsten der Unternehmer ausgesetzt gewesen, weil diese ihre Investitionen über die Preise finanziert hätten. Deshalb könne es kein Widerspruch zu einer freien Gesellschaftsordnung sein, wenn der Sparzwang nunmehr zugunsten der Arbeitnehmer und der Verbraucher eingeführt wird. Es wird heute nicht die rechte Gelegenheit sein, über Fragen der Selbstfinanzierung zu diskutieren. Einerseits ist heute allgemein anerkannt, daß ein bestimmtes Maß an Selbstfinanzierung für die Prosperität unserer Wirtschaft und damit für unseren Wohlstand überhaupt einfach unerläßlich ist. Wenn die materiellen Voraussetzungen für eine breite Vermögensbildung nicht vorhanden wären, dann brauchten wir uns darüber gar nicht erst zu unterhalten. Zum anderen - und das ist das Entscheidende in diesem Zusammenhang - hat die Selbstfinanzierung mit der gesellschaftspolitisch grundsätzlichen Frage, ob wir unsere Bürger auf breiter
Basis zum Sparen zwingen oder ob wir sie durch geeignete Förderungsmaßnahmen dazu anregen wollen, selbstverantwortlich Eigentum zu bilden, nicht das mindeste zu tun.
Das einzige Argument, das einer sachlichen Diskussion zugänglich erscheint, ist der ehrliche Hinweis, daß der im Gesetz vorgesehene Sparzwang - mir ist kein anderes Wort für die Tatsache eingefallen - nach der Überzeugung seiner Befürworter zu einer wirksamen Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand eben erforderlich sei, weil damit gerechnet wird, daß ohne diesen Zwang der gewünschte Erfolg ausbleibt. Hier liegt gesellschaftspolitisch der Kern des Problems, und an diesem Punkt will das Gesetz in der derzeitigen Entwurfsfassung eine Weichenstellung vollziehen, deren Konsequenzen noch nicht abzusehen sind.
Nach dem II. Vermögensbildungsgesetz soll die Sparentscheidung über einen Teil des Arbeitseinkommens nicht vom einzelnen Arbeitnehmer, sondern kollektiv von den Tarifpartnern getroffen werden. Das aber heißt, daß der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer die Mündigkeit zu selbständiger und selbstverantworteter freiwilliger Eigentumsbildung abspricht.
({3})
Und das heißt auch, daß der Staat nach der kollektivrechtlichen Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die Tarifpartner und nach der kollektiven gesetzlichen Regelung der Sozialversicherung nunmehr in den letzten großen materiellen Bereich persönlicher Daseinsgestaltung eingreift,
({4})
und zwar geschieht dies pauschal für alle Arbeitnehmer, obwohl weite Teile der Arbeitnehmerschaft in den letzten Jahren zunehmend bewiesen haben, daß sie die Reife und die Mittel besitzen, mit Hilfe der gesetzlichen Förderungseinrichtungen selbständig Eigentum zu bilden.
({5})
Ich erinnere daran, daß über 65 % des Spareinlagenbestandes und etwa 60 % der Bausparsummen Arbeitnehmern und Rentnern gehören.
Hinzu kommt, daß eine solche Entmündigung - entgegen manchen Erwartungen - die Sparfähigkeit der Arbeitnehmer nicht spürbar verbessern kann. Die Sparfähigkeit kann nur im Rahmen des realen Zuwachses des Sozialprodukts angehoben werden. Mit gesetzlichen Manipulationen kann man nicht zaubern. Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft ist der einzige Maßstab; denn alles, was darüber hinaus verteilt wird, kann nur den Geldentwertungsprozeß beschleunigen.
({6})
Meine Damen und Herren, welche praktischen und welche gesellschaftspolitischen Folgen sind damit verbunden?
Praktisch werden die gutverdienenden Arbeitnehmer, also diejenigen, die mit und ohne gesetzliche Förderung sparen können und erfreulicherweise auch wollen, weiterhin zusätzlich freiwillig sparen. Die breite Schicht der mittleren Lohn- und Gehaltsempfänger, d. h. die Arbeitnehmer, deren allgemeiner Lebensstandard in den letzten Jahren so beachtlich angehoben wurde, daß sie unter Ausnutzung der gesetzlichen Sparförderungsmaßnahmen selbst Eigentum bilden konnten, werden aller Voraussicht nach ihre freiwillige Spartätigkeit in dem gleichen Maße einschränken, in dem sie zum Sparen gezwungen werden. Schließlich werden die Arbeitnehmergruppen, deren Sparfähigkeit auch heute noch unzulänglich ist, verständlicherweise dazu neigen, den zwangsweise angesparten Betrag nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfristen zu Konsumzwecken zu verwenden.
In gesellschaftspolitischer Hinsicht - und das ist ausschlaggebend - kann entgegen den gerade von kirchlicher Seite gehegten Erwartungen nicht damit gerechnet werden, daß durch tarifvertraglich kollektives Zwangssparen Mündigkeit, Selbstverantwortung und Eigentumswille unserer Bürger gestärkt werden können.
({7})
Viel eher ist zu befürchten, daß eine solche kollektive Eigentumsbildung in den Sog versorgungsstaatlichen Denkens gerät, - eine Entwicklung, vor der kürzlich auch der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gewarnt hat. Es muß klar festgestellt werden, daß die gesellschaftspolitischen Hoffnungen, die an dieses Gesetz geknüpft werden, sich nicht erfüllen werden. Das wird nur gelingen, wenn die Betroffenen überzeugt werden, daß Eigentumsbildung in erster Linie Selbstverantwortung und Verzichtbereitschaft erfordert.
({8})
Dies kann durch geeignete psychologische Mittel und materielle Anreize auf breiter Basis gefördert werden
({9})
- verzeihen Sie, Herr Kollege, ich spreche hier als Abgeordneter in dem für mich zuständigen Saal -, bis die Bereitschaft in die persönliche Entscheidung mündet, Eigentum zu bilden und zu bewahren.
Die wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings die Geldwertstabilität. - Ich spreche nicht von der Preisstabilität, meine Damen und Herren. - Ohne diese kann es keine breite Eigentumsbildung geben, ob mit oder ohne Zwang. Damit komme ich zu den Fragen der wirtschaftlichen Auswirkungen des hier zur Beratung stehenden Gesetzes.
Dazu eine Vorbemerkung! Es wird gesagt, die Vermögensbildung der Arbeitnehmer sei ein gesellschaftspolitisch so vorrangiges Ziel, daß dafür eben die entsprechenden materiellen Opfer gebracht werden müßten. Ich will das gar nicht bestreiten. Aber wir müssen uns doch klar werden über die ungefähren Größenordnungen der Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Gesamtwirtschaft und insbesondere auf die Geldwertstabilität, ehe wir die Tarifpartner durch Einräumung von Steuerprivilegien zu vermögensbildenden Maßnahmen in der vorgesehenen Weise anreizen. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, meine Damen und Herren, warum der federführende Ausschuß für Arbeit es abgelehnt hat, zu diesem Gesetz Sachverständige zu hören.
({10})
Die Professoren Schmölders und Albers z. B. - auch andere - haben in der von der FDP-Fraktion am 30. März durchgeführten Sachverständigenanhörung die durch das Gesetz entstehende Mehrbelastung der Wirtschaft auf etwa 2 bis 3'0/o der jährlichen Lohnsumme geschätzt. Wenn man die vermögenswirksamen Leistungen isoliert betrachtet, mag diese Steigerung durchaus erträglich aussehen. Tatsächlich muß sie aber im Zusammenhang mit den übrigen Forderungen an die Wirtschaft gesehen werden.
Hier ist zunächst an den tariflichen Bereich zu denken. In dem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Sachverständigengutachten wurde ein realer Einkommenszuwachs von 5 % für möglich, vernünftig und sinnvoll gehalten. Über diesen Rahmen gehen die an die Wirtschaft gestellten Forderungen schon jetzt weit hinaus. Sie sind durchweg auf eine 15- bis 20 %ige Lohnerhöhung gerichtet, ganz gleich, ob tariflich oder effektiv, und sie reichen ferner über eine Verlängerung des Urlaubs, eine Verkürzung der Arbeitszeit und die Zahlung eines Urlaubsgeldes bis hin zu besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen.
Zu diesen Forderungen, die durch Tarifverhandlungen befriedigt werden sollen, treten dann noch die gesetzlich begünstigten Forderungen zur Vermögensbildung hinzu. Das ist der klare Ausgangspunkt der Gewerkschaften, die sich zum Vermögensbildungsgesetz geäußert haben, und das ist der Zweck, der nach den Erklärungen der Bundesregierung mit diesem Gesetz verfolgt wird. Allein diese kumulierende Wirkung des Gesetzes - die übrigens in offensichtlichem Widerspruch zu den an die Tarifpartner gerichteten Maßhalteappellen steht - kann bei der hier in Rede stehenden Kostenbelastung von etwa jährlich 4 bis 5 Milliarden DM nicht ohne nachteilige Folgen für die Währungsstabilität bleiben.
Der tarifliche Bereich ist es aber nicht allein, von dem über den realen Produktivitätszuwachs hinausgehende Belastungen für die Wirtschaft ausgehen. Auch die angestrebten gesetzlichen Maßnahmen, durch die die sozialen Lasten der Wirtschaft weiter erhöht werden, würden hierzu zählen. Ich nenne hier nur die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung sowie die in der parlamentarischen Diskussion befindliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung, das Mutterschutzgesetz und
schließlich den verworrenen Komplex von Lohnfortzahlung und Krankenkassenreform.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU
und bei der FDP. - Hört! Hört! bei der
SPD. - Zurufe von der CDU/CSU: Welche
Erhöhungen bringt denn die Beitragsbemessungsgrenze? - Wie hoch sind denn die
Löhne über den Tariflöhnen? - Zuruf
von der SPD: Sie haben das Kindergeld
doch schon kassiert!
Schließlich sind unter dem Gesichtspunkt der Währungsstabilität auch die Belastungen der öffentlichen Haushalte zu nennen, die das Gesetz durch Steuerausfälle, Prämienzahlungen
({11})
- Ich bin nicht der einzige, der hier abliest, meine Damen und Herren - und durch die Einbeziehung des öffentlichen Dienstes verursacht, Aufwendungen, die in ihrer Höhe mit den Belastungen der privaten Wirtschaft vergleichbar sind, also ebenfalls mehrere Milliarden DM ausmachen werden. - Ich weiß, es ist unbeliebt, wenn man populäre Gesetze einmal mit dem Rechensitft kontrolliert.
Wenn wir in dieser Weise mehr und mehr dazu übergehen, sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich mehr auszugeben, als wir produzieren und leisten können, wenn wir heute das bewilligen, was wir morgen erst verdienen, müssen wir auch die Folgen für unsere Währung mit einkalkulieren.
Erlauben Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen zu der in dem Gesetzentwurf begründeten Zuständigkeit der Tarifpartner, mit normativer Wirkung Fragen der Eigentumsbildung zu regeln. Das Gesetz erteilt den Tarifpartnern indirekt den Auftrag, über die Regelung der Einkommensverhältnisse hinaus nun auch für die Eigentumsbildung der Arbeitnehmer Sorge zu tragen. Damit überträgt der Gesetzgeber auf die Tarifpartner nicht nur eine neue Aufgabe, sondern er begibt sich damit insoweit zugleich seiner eigenen Verantwortung für diesen Bereich. Diese Übertragung von Aufgabe und Verantwortung ist deshalb so problematisch, weil der Gesetzgeber damit nur die Eigentumsbildung derjenigen Arbeitnehmer durch Steuerbegünstigung und dergleichen fördert, die durch einen Tarifvertrag erfaßbar sind.
({12})
Die Eigentumsbildung der übrigen Arbeitnehmer - das sind, abgesehen vom öffentlichen Dienst, etwa zwei Millionen - kann auf diesem Wege nicht in gleicher Weise gefördert werden. Diese Arbeitnehmer erhalten die gesetzlichen Vergünstigungen nur, wenn sie durch eigenen Entschluß einen Teil ihres Arbeitseinkommens sparen. Diese unterschiedliche Behandlung dürfte sich jedenfalls schwer rechtfertigen lassen.
Zu der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Übertragung von Zuständigkeiten auf die Tarifpartner ist ferner zu sagen, daß sie - von der praktischen Erschwerung der Tarifverhandlungen ganz abgesehen - das Tarifrecht und die Stellung der Tarifpartner in unserem öffentlichen Leben entscheidend verändern. Da die vermögenswirksamen Leistungen an das Arbeitsverhältnis geknüpft sind, wird man zwar davon ausgehen müssen, daß es sich hierbei um einen Lohnbestandteil handelt, wenngleich dies nicht unbestritten ist. Durch den Verwendungszwang, der nach bisherigem Tarifrecht jedenfalls unzulässig ist, unterscheidet sich die Leistung aber grundsätzlich vom üblichen Lohn, über den der Arbeitnehmer frei verfügen kann. Damit werden die Tarifpartner in einer Weise tätig, die nicht mehr in den Bereich der Schutzfunktion fällt, die ihnen durch Art. 9 des Grundgesetzes zugewiesen ist.
({13})
Die Aufgabenstellung der Tarifpartner und unseres Tarifrechts wird außerdem noch dadurch weiter verändert, daß der mit einem Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen verbundene Sparzwang nach § 3 Abs. 4 des Gesetzes auch auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer angewandt werden soll. Wenn schließlich ein solcher Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen für allgemein verbindlich erklärt wird, wenn also die tarifliche Zwangssparregelung durch staatlichen Hoheitsakt auf alle nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber des betreffenden tariflichen Geltungsbereichs ausgedehnt wird, dann nimmt nach diesem Gesetz der Staat für die Nichtorganisierten das für sich in Anspruch, was er vorher auf die Tarifpartner delegiert hat.
Bei 'diesen Hinweisen habe ich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ausgeklammert. Darüber ist ja hier genug debattiert worden. Sie wissen, daß Professor Forsthoff, den ich hier nicht als Sachverständigen zu charakterisieren brauche, erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Vermögensbildungsgesetzes angemeldet hat. Ich persönlich fühle mich nicht berufen, diese schwierigen Probleme zu beurteilen. Aber ich habe Zweifel, ob diese ungelösten verfassungsrechtlichen Fragen bei der Beratung des Gesetzes ausreichend berücksichtigt worden sind. Jedenfalls erscheinen mir die Ausführungen von Professor Forsthoff, mit denen er ja nicht allein steht, so fundiert, daß ,dieses Hohe Haus daran nicht vorbeigehen kann. Dais Ansehen des Parlaments wird nicht gesteigert, wenn ein so wichtiges Gesetz verabschiedet wind ohne die Gewißheit, daß seine Rechtmäßigkeit auf keinen Fall durch eine Verfassungsbeschwerde angezweifelt werden kann.
({14})
Daher, meine Damen und Herren, bin ich ebenso wie zahlreiche Gesinnungsfreunde nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihrem Wunsch leider nicht folgen, da ich kein Manuskript habe, sondern nur einige Notizen über das, was bisher gesagt worden ist, und die werden Sie schwerlich lesen können.
({0})
- Übernahme? - Was denn übernehmen? Sollen wir vielleicht Ihren Standpunkt übernehmen, mit diesem Gesetz eine Entmündigung der Arbeitnehmer durchzuführen? Das wollen wir auf keinen Fall.
({1})
Der Herr Arbeitsminister hat davon gesprochen, daß dieses Gesetz einen Wendepunkt in der Sozialgeschichte darstelle. Wenn man von der Überzeugung ausgeht, daß dies ein Wendepunkt sei, dann ist es um so weniger verständlich, daß Sie nicht alle die Bedenken, die hier im Plenum diskutiert werden mußten, auch in den Ausschüssen bis zum Letzten ausdiskutiert haben. Wir bedauern, daß die Absicht, die Weichen für eine neue Eigentumspolitik zu stellen, mit sehr vielen Zweifeln fiber die Wege, die gegangen werden sollen, Zweifeln, ob die Voraussetzungen überhaupt gegeben sind, belastet wird. Es wäre nach unserer Überzeugung besser gewesen, den nun endlich in allen Fraktionen dieses Hauses vorhandenen Willen zum Eigentum in einer Form deutlich zu machen, die für die Arbeiter und Angestellten keine Einschränkung ihrer Verfügungsgewalt bedeutet, sondern im Gegenteil eine Ausweitung mit sich gebracht hätte.
({2})
Der Vergleich zwischen dem Kampf zur Zeit der Jahrhundertwende - als man Mühe hatte, den Tarifvertrag überhaupt zu schaffen, die Möglichkeit, über Tarifverträge Löhne und Gehälter auszuhandeln -und der heutigen Situation ist völlig falsch. Denn damals ging es darum, den Arbeitnehmern überhaupt eine Möglichkeit zu geben, durch eine gemeinsame Organisation Löhne und Gehälter zu erstreiten. Heute geht es darum, mit diesem Gesetz einen Teil des !Entgelts der Verfügungsgewalt zu entziehen. Das scheint mir ein Rückschritt zu sein und kein Fortschritt.
({3})
Deshalb kann ein solcher Vergleich, auch wenn er immer wieder wiederholt wird - es trifft das zu, was Sie vorhin sagten, Herr Kollege Burgbacher -, nicht richtiger werden. 'Dieser Vergleich war von Anfang an falsch.
Mir scheint auch die Wertung falsch zu sein, Arbeiter und Angestellte könnten nicht aus eigener Kraft aus der Eigentumslosigkeit herauskommen. Ich hätte, Herr Bundesarbeitsminister, der Arbeit der CDU in den vergangenen zwölf Jahren kein so schlechtes Zeugnis ausgestellt. Wir wissen, daß sie besser war, als Sie gesagt 'haben.
({4})
Es ist ja gerade in den letzten zwölf Jahren gelungen, bei Arbeitern und Angestellten in einem groBen Maße Eigentum zu bilden. Ein Nachlesen des Bulletins vom 30. April - der Angaben über die großen Sparleistungen, über Sparverträge und Bausparverträge - zeigt Ihnen, daß auf diesem Gebiet Milliardenbeträge erreicht worden sind, was wir für außerordentlich gut halten.
({5})
- Ich wiederhole, Herr Kollege Katzer, was ich schon einmal gesagt habe: daß für Sie bei der Verabschiedung des Sparprämiengesetzes von 1960 nicht die Eigentumsbildung, sondern konjunkturpolitische Maßnahmen im Vordergrund standen. Heute geht es um die Eigentumsbildung. Die Möglichkeiten, die darin liegen, 'haben wir nicht nur begrüßt
({6})
- das habe ich ja eben gesagt, was wir wollen -, sondern wir wollen sie sogar ausbauen. 'Das ist das, was wir wollen.
Der Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, lag schon vor, bevor der Regierungsentwurf dieses Haus erreichte; ich meine den Entwurf für den Ausbau des Bauspar- und des Sparprämiensystems. Leider hat sich die Mehrheit dieses Hohen Hauses nicht bereit gefunden, diese Dinge zur gleichen Zeit mit zu beraten; sie sind eine echte Alternative zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf.
({7})
- Ich habe es leider nicht verstanden, Herr Kollege Wuermeling, ich hätte Ihnen sonst gern geantwortet.
Von dem Herrn Bundesarbeitsminister ist darauf hingewiesen worden, für die Gewerkschaften sei hier eine neue sozialpädagogische Aufgabe entstanden. Ich pflichte ihm bei, daß hier noch mancher Nachholbedarf vorhanden ist, nämlich in der Beziehung, die Eigentumswilligkeit der Arbeitnehmer durch Aufklärung zu erhöhen. Es wäre ja auch möglich gewesen, das schon in der Vergangenheit zu erreichen. Aber hier ist offensichtlich die Mitentwicklung mancher Gewerkschaftler mit dem Godesberger Programm der Sozialdemokraten noch nicht so weit fortgeschritten, wie es im Interesse der SPD nötig gewesen wäre.
({8})
Wir werden mit großer Aufmerksamkeit die Wirkung dieses Gesetzes verfolgen, nicht zuletzt deshalb, weil ein erheblicher Widerspruch über die Wirkung besteht. Wenn es um die Wirkungsweise geht, kann man sich nicht genug darin tun, zu behaupten, mit diesem Gesetz werde eine breite Eigentumsstreuung erreicht. Wenn es aber um die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes geht, dann werden die kleinstmöglichen Summen genannt, so daß man natürlich zu ,dem Ergebnis kommen muß: es hat wenig Wirkung. Denn sonst müßte a) die Belastung für die Wirtschaft und b) die Belastung für die Steuerzahler höher werden.
Man muß sich endlich entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten man ins Auge fassen will. Wer für eine breite Wirkungsmöglichkeit ist, muß zugeben, daß auch erhebliche finanzielle Auswirkungen da sind. Wenn man das nicht glaubt, muß man sich fragen, ob das ganze Gesetz sinnvoll ist. Sie müssen mir zugeben, daß das Überlegungen sind, die bei der Beratung der haushaltsmäßigen Auswirkungen etwas schärfer hätten beleuchtet werden können, als es tatsächlich geschehen ist.
({9})
- Der hat die Obergrenze genannt, während der Arbeitsminister die Untergrenze genannt hat. Wenn Sie die Obergrenze nehmen, dann bewegt sich die Belastung eben doch etwa in dem Rahmen, den Herr Kollege Balke hier genannt hat.
Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß die Ansprüche an die Rentenversicherung nicht als Ersatz für eine Eigentumsbildung betrachtet werden können. Wenn ein Vergleich zwischen der Eigentumsbildung bei den Arbeitnehmern und bei den Selbständigen angestellt wird, dann muß man bei beiden das, was Ansprüche für die Altersversorgung sind, von vornherein ausschalten. Erst dann hat man echte Vergleichszahlen. Das ist leider selten geschehen.
({10})
Dann ist davon gesprochen worden, daß dieser Gesetzentwurf ein wesentlicher Beitrag dazu sei, die Überlegenheit unseres Gesellschaftssystems über das östliche System zu verdeutlichen. Wir bejahen jede Eigentumsmaßnahme, denn wir sind auch der Überzeugung, daß das ein wesentlicher Schritt ist, um allen kollektivistischen Tendenzen entgegentreten zu können. Wie man nicht den ganzen Kommunismus durch ein bißchen Kommunismus, den ganzen Sozialismus durch ein bißchen Sozialismus bekämpfen kann,
({11})
so kann man nicht den ganzen Kollektivismus
({12})
- lassen Sie mich ausreden - durch ein bißchen Kollektivismus bekämpfen.
({13})
- Nein, ganz und gar nicht.
({14})
In diesem Gesetzentwurf ist kollektivistisches Gedankengut enthalten.
({15})
Durch die Tarifvertragsfähigkeit soll ein Zwang auf die Arbeitnehmer ausgeübt werden, um diese Form durchzusetzen.
({16})
- Das habe ich bei § 3 schon eingehend behandelt, so daß ich es hier nicht zu wiederholen brauche.
Wenn man glaubt, Eigentumsbildung durch Zwangsmaßnahmen vornehmen zu können, besteht die Gefahr, daß man nicht die Wirkung erzielt, die die Mehrheit mit diesem Gesetzentwurf erreichen möchte. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs über den Ausbau des Bausparprämien- und des Sparprämiensystems wird sich zeigen, ob die gleiche Mehrheit, die diesem Gesetzentwurf hier zustimmt, da, wo tatsächlich in breitem Maße Eigentum gebildet wird, die entsprechende Förderung zuteil werden läßt. Es ist unbestreitbar, was Kollege Balke gesagt hat, daß zwei Drittel der Bausparverträge und etwa 60 % der Ratensparverträge von Arbeitern, Angestellten und Beamten abgeschlossen worden sind. Jede Maßnahme, hier die Förderungsbeträge zu erhöhen, hat von vornherein eine breitere Wirkung für die Betroffenen, als sie mit diesem Gesetz - wie die niedrigen Zahlen über die Auswirkungen ergeben - erreicht werden kann. Wenn man die höheren Zahlenangaben nimmt, kann man bestenfalls annehmen, daß eine solche Wirkung eines Tages einmal erreicht wird.
Wir sind überzeugt, daß der Anreiz zur Eigentumsbildung wirkungsvoller ist, wenn er in Form des Ausbaues des Bausparens und des Prämiensparens gegeben wird. Dadurch wird nämlich die Eigenentscheidung des einzelnen nicht nur beibehalten, sondern weiter gefördert. Damit wird man auch der Forderung unserer Zeit gerecht, die Eigenverantwortung des einzelnen zu stärken;
({17})
man schränkt sie nicht wie im vorliegenden Falle ein. - Der Zuruf, Herr Kollege Killat, „ohne Geld?" ist natürlich für denjenigen nicht stichhaltig, der bei der Debatte über die Frage: Wer ist sparfähig oder nicht sparfähig? heute nachmittag die Begründung und Gegenbegründung genau mitgehört hat. Daraus wurde ja sehr deutlich, daß es eben nicht um die . Frage geht: Wer ist sparfähig, wer ist nicht sparfähig?, wenn man diesem Gesetz zustimmt, sondern daß die Frage dann nur noch ist: Wem entzieht man das Verfügungsrecht mit einer falschen Begründung? Wir sind überzeugt, daß es uns bei Fortsetzung unserer Wirtschaftspolitik und bei dem Bestreben, in regelmäßigen Abständen Steuersenkungen vorzunehmen, gelingen wird, den Raum zu schaffen, den der einzelne Arbeiter und Angestellte braucht, um von seinem Einkommen sparbare Teile vermögenswirksam anzulegen.
Vielleicht folgen Sie unserem Vorschlag. Ich hoffe, aus der heutigen Debatte zumindest eine kleine Unterstützung auch bei den Überlegungen mitnehmen zu können, in welcher Form die Beiträge für die Sozialversicherungseinrichtungen durch eigenen Entscheid des einzelnen beweglich gemacht werden können, um hier einen weiteren wesentlichen Schritt zur individuellen Eigentumsbildung gehen zu können, zu einer Eigentumsbildung, die dann selbstverständlich die Erfordernisse erfüllt, die der Herr Arbeitsminister gestellt hat, nämlich vererbbar zu sein.
Wir bedauern, daß dieses Gesetz, das der Vermögensbildung dienen soll, nach unserer Auffassung diesem Ziele nicht gerecht wird. Wir müssen deshalb dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung verweigern.
({18})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, zu polemisieren. Ich habe in meinen Ausführungen dargestellt, daß heute wieder ein Wendepunkt in der Sozialgeschichte erreicht ist. Da Sie, Herr Kollege Mischnick, aber für meinen Geschmack jedenfalls etwas zu wenig in Form bleiben, von Halbkommunismus, Halbsozialismus reden
({0})
- legen Sie mich nicht auf die Vokabeln fest, bleiben Sie doch beim Sinn -, möchte ich mich mit diesen Argumenten ein wenig auseinandersetzen.
Zunächst aber folgendes: Sie preisen nun auf einmal als die Patentlösung für die Vermögensbildung Sparprämiengesetz und ähnliches an; eine uralte Erfindung von uns, zu der Sie einmal folgendes gesagt haben. Lesen Sie bitte Ihr Protokoll nach, meine Herren! Sie sprachen eben so hämisch davon, wieweit Annäherung an veränderte Programme gehe. Sie sprachen von der CDU und mit Hinweis auf die Sozialdemokratie vom Godesberger Programm. Ich möchte Sie doch einmal auf Ihren Meinungswandel hinweisen. Denn 1959 haben Sie gesagt:
Hier zeigt sich die Inkonsequenz dieses Gesetzes mit aller Deutlichkeit. Meine Damen und Herren, wenn Sie das Sparen der Bezieher kleiner Einkommen fördern und insbesondere kinderreiche Familien berücksichtigen wollen, können Sie das nicht dadurch, daß Sie ihnen die Chance geben, mehr zu sparen; denn diese Leute haben nicht das Geld dazu.
Damals waren Sie noch einsichtig. Heute allerdings, meine Herren, brauchen Sie nur nachzulesen, was die BDA als Entgegnung auf das Programm der deutschen Gewerkschaften gesagt hat. Sie hat u. a. einen Punkt angeführt: Vermögensbildung ja, aber als Aufgabe des Staates! Sie meint doch, auf dem Wege, den Sie jetzt neuerdings für den richtigen ansehen. Ich darf aus Ihren eigenen damaligen Worten noch etwas zitieren:
Je geringer nämlich das Einkommen ist, desto weniger Sparmöglichkeiten sind vorhanden.
Ich kann noch einige Zitate bringen.
({1})
Meine Damen und Herren, das Prämiensparen ist schon seit langem von diesem Hause durch Gesetzgebungsakte ermöglicht, soweit das notwendig ist. Wir freuen uns darüber, und diese Möglichkeiten werden sicher auch in Anspruch genommen. Hier und heute aber geht eis um folgendes. Ich muß jetzt einmal etwas deutlicher werden, als ich es vorhin zu Beginn der dritten Lesung gewesen bin: ich halte etwas vom Konsumverzicht; nur bin ich der Meinung, daß die für das Wachstum unserer Wirtschaft notwendige Investitionsrate, die in Zukunft um dieses Wachstums willen wahrscheinlich noch größer werden muß und die dann als weiteres Eigentum den jetzigen Besitzern des Produktivvermögens wieder zuwächst, nicht durch persönlichen Konsumverzicht dieser Besitzer entsteht, sondern durch den Konsumverzicht aller in der Volkswirtschaft tätigen Arbeiter und Verbraucher.
({2})
Wir wollen gar nicht dem deutschen Arbeiter in demagogischer Weise oder als Kollektivisten einreden, er könne zu einer höheren Konsumrate kommen; sparen sei nicht notwendig. Nein, wir ringen darum - deshalb sprach ich von der sozialpädagogischen Aufgabe der Gewerkschaften, und die Gewerkschaften haben diese Aufgabe begriffen -, dem Arbeiter klarzumachen, daß ein Teil des Arbeitseinkommens, ein Teil von dem, was wir alle miteinander schaffen, eben nicht verzehrt werden kann, sondern gespart und, wenn Sie es anders ausdrücken wollen, investiert werden muß. Die Arbeiter sind heute auch bereit, das einzusehen. So i dumm sind sie gar nicht.
({3})
- Nur eines, Herr Mischnick, an Ihre Adresse:
({4})
Die Arbeiter wollen nicht einsehen, daß nicht wenigstens ein kleiner Teil des, wenn Sie so wollen, aus der Natur der Sache heraus wachsenden Zwangssparens ihnen als ihr Eigentumstitel zuwächst. Darum dreht es sich, und um gar nichts anderes.
({5})
Wenn die deutschen Gewerkschaften nicht eine so eindeutig antikollektivistische Einstellung gehabt hätten - und deshalb hat mich Ihr Wort verletzt -, brauchten wir uns heute über Fragen des Eigentums am Produktivvermögen überhaupt nicht zu unterhalten.
({6})
Kein Geringerer als der Kardinal Frings hat am 1. Mai im Kölner Dom den deutschen Arbeitnehmern hohes Lob gespendet und gesagt, daß in keinem Land die Arbeiter so viel Disziplin gezeigt und so wenig gestreikt hätten wie z. B. hier in der Bundesrepublik.
({7})
- Weil sie arbeitsfreudig sind und weil sie durch ihre Tarifverträge ehrliche, vernünftige und vertretbare Arbeits- und Arbeitsvertragsbedingungen geschaffen haben, deshalb haben sie keinen Anlaß zum Streik.
({8})
Ich kam mir vorhin so vor, als ob ich mich im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts befände.
({9})
Wie kann überhaupt ein Mensch, der diese komplizierte Volkswirtschaft vor sich sieht, in der 231/2 Millionen Arbeitnehmer gegen Lohn und Gehalt beschäftigt sind, diese Masse der Arbeitnehmer, von deren Arbeitseinsatz und Arbeitsfreude es doch mit entscheidend abhängt, :daß dieses so komplizierte Gebilde auch funktioniert, :gegenüber den Ordnungsfaktoren in diesem Bereich, den Gewerkschaften und - ich setze hinzu - den Arbeitgeberverbänden, in diesem Zusammenhang von Teilkommunismus, von Kollektivismus sprechen? Nein, die deutschen Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände haben eine Ordnungsfunktion zu erfüllen, und zu demjenigen, ,dem man solche Funktionen überträgt, muß man auch das Vertrauen haben, daß auch er in der Lage ist, die Notwendigkeiten in der Wirtschaft zu erkennen. Eine der Notwendigkeiten ist ,die Befriedigung der ständig wachsenden Investitionsrate. Uns geht es darum, auch daran Eigentum zu gewinnen, und nicht um irgendeinen Kollektivismus. Gegen Kollektivismus schützt uns nicht Beharren in längst überständigen Ideen.
({10})
Gegen den Kollektivismus schützt uns das Wollen einer wirklich :an der Wirtschaft teilhabenden Arbeitnehmerschaft.
Das zu sagen, war ich den Arbeitnehmern schuldig.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verzeihung, daß ich noch einmal hierherkomme. Aber hier sind ,einige Reden gehalten worden, die man nicht einfach hinnehmen kann.
Herr Minister, ich gratuliere zu Ihrer Rede, die Sie soeben gehalten haben.
({0})
Ich habe das Gefühl gehabt - es war nicht nur bei mir so - ({1})
Sie dürfen nicht immer gleich tiefsinnige Hintergedanken vermuten, wenn man :einmal einem Kollegen ein Kompliment macht. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Kollegen habe ich eben
mit heller Freude festgestellt, daß man sagen kann - mit Verlaub -: Der Theo ist (doch der Beste!
({2}) - Na, warum auch nicht.
Meine Damen und Herren, zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Mischnick muß ich allerdings sagen, daß bei mir da der Humor ,ausgeht. Ich möchte mich nicht weiter mit Ihnen auseinandersetzen, Herr Kollege Mischnick, weil ich fürchte: Wenn es in dem Stil geschähe, in dem Sie hier die Mehrheit des Hauses und viele, die nicht hier sind, charakterisiert haben, könnte es mir passieren, daß ich vielleicht Worte gebrauche, die der Würde des Hohen Hauses abträglich sein könnten.
Ich muß Ihnen folgendes sagen, Herr Kollege Mischnick. Ich habe als Jüngling, 'als ich noch nicht in diesem Hause war und 'als ich 'etwas über Liberalität und liberale Gesinnung hörte, darunter immer verstanden, daß zu echter Liberalität auch Fairneß und Anstand dem politischen 'Gegner und demjenigen gegenüber gehört, der eine andere Meinung hat, und daß man jemanden, der anderer Meinung ist, nicht als halben Kommunisten abstempeln sollte.
({3})
Aber diese Haltung ist ein Zeugnis dafür, daß die Liberalität, die Sie in Wahlkämpfen so gern herausstellen, bei Ihnen nicht mehr allzu viel zu Hause ist. Das ist eine Frage der Haltung den anderen gegenüber. Ich möchte in meiner Haltung jedenfalls so liberal sein, wie Sie von sich behaupten, und darüber hinweggehen.
({4})
Ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen, die Herr Kollege Balke hier gemacht hat. Das ist der eigentliche Grund, warum ich mich noch einmal zum Wort gemeldet habe. Herr Kollege Balke, wenn das Gesetz so wichtig, so revolutionär, wie Sie es hier dargestellt haben, und so umwälzend ist, dann hätte ich es begrüßt - ({5})
- Das hat Herr Balke gesagt, Herr Minister Blank auch. Beide haben ja recht. Auch ich bin der Meinung, daß das Gesetz tatsächlich so wichtig ist. Dann möchte ich aber sagen: Wenn der Herr Kollege Balke in den monatelangen Bemühungen und Beratungen als Abgeordneter da gewesen wäre, hätte ich gern die Gelegenheit wahrgenommen, mit ihm ein paar Gedanken auszutauschen. Denn ich wüßte nicht, meine Herren von der FDP, wer sachverständiger den Standpunkt der Arbeitgeber hätte darstellen können als der Abgeordnete Balke in seiner Eigenschaft, die er außerdem noch hat. Dann hätten Sie einen erstklassigen Gutachter gehabt. So klatschen Sie Beifall, wenn er jetzt spricht.
Meine Damen und Herren, ich will ein Wort zum Zwang sagen. Das war der erste Einwand, den Herr Balke gemacht hat. Wir sind mit ihm der Auffassung, daß Freiheit und Eigentum wichtige Säulen sind, auf denen unsere Lebensart ruht. In der modernen Massengesellschaft gibt es aber auch die Verpflichtung,
die Freiheit richtig zu verstehen. Was mancher einzelne unter Freiheit versteht, ist nicht immer Freiheit in dem Sinne, wie wir sie verstehen. Sie ist nämlich nicht Zügellosigkeit und völliges Freisein von jeder Verpflichtung auch der Allgemeinheit gegenüber. Zwischen Freiheit des Individuums und Freiheitsanspruch der Gemeinschaft des Volkes muß irgendwo eine Grenze verlaufen, die jeder sehen muß, wenn er die Freiheit auf die Dauer für das ganze Volk bewahren will.
Deshalb soll man nicht sofort mit „Zwang" kommen, wenn hier in einer Richtung gewirkt wird, bei der es auch um die Freiheit geht, aber in einem höheren Sinne als im Sinne der Zügellosigkeit und der völligen Unbegrenztheit der Wirkungsmöglichkeiten des einzelnen. Solange es um das Geschäft und um das Verdienen bei dem, der das kann, geht, wird nie von Zwang gesprochen. Aber wenn es darum geht, einmal etwas für die Allgemeinheit zu tun, dann wird von Zwang gesprochen. Warum haben Sie es nicht auch die ganzen Jahre hindurch als Zwang erklärt, daß das ganze Volk durch die Systematik unserer Wirtschaft gezwungen worden ist, zugunsten der Vermögensbildung eines kleinen Teiles der Bevölkerung zu sparen? Das haben Sie doch entgegengenommen, ohne dagegen aufzubegehren.
({6})
Warum jetzt von Zwang reden, wenn es um die Mehrheit geht, wenn es um den großen Teil der Arbeitnehmer geht, die sicher auch Herr Kardinal Frings gemeint hat, als er darüber sprach, sie seien in den ganzen fünfzehn bis zwanzig Jahren in der Entwicklung zu kurzgekommen.
Für mich ist es ein überraschendes Erlebnis, daß sich hier ein so prominenter Abgeordneter, der auch ein so prominenter Vertreter der Unternehmerseite ist, vor die Freiheit der Arbeitnehmer stellt. Meine Damen und Herren, wenn Sie in den letzten hundert Jahren so gehandelt hätten, wie Sie heute hier reden, dann brauchten wir kein Gesetz über Vermögensbildung zu machen, dann hätten die Arbeitnehmer Vermögen.
({7})
Ich muß Ihnen noch etwas sagen. Herr Kollege Balke, ich habe Sie und viele hinter Ihnen in einem Verdacht - und den möchte ich ganz offen aussprechen - und zwar auf Grund der Äußerungen, die ich seit vielen 'Monaten sehr aufmerksam verfolgt habe: daß es in den Unternehmerkreisen, die so denken wie Sie, nicht wenige gibt, die von Vermögensbildung reden und sagen, daß das natürlich notwendig sei, denen es aber lieber wäre, wenn die Gewerkschaften so etwas nicht machten und von Zeit zu Zeit angeprangert werden könnten, sie würden mit sogenannten überhöhten Lohnforderungen Inflation machen. Es wäre ihnen lieber, die Gewerkschaften als schwarzen Mann an die Wand malen zu können, als etwas Vernünftiges zu tun, was auch die Entwertung unseres Geldes allmählich 'bekämpft.
({8})
Wir haben ein sehr anschauliches Beispiel von dieser Gesinnung, die hier sichtbar geworden ist, bekommen. Es wird soviel von Partnerschaft und dem Zusammenwirken von Unternehmern, Arbeitnehmern, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gesprochen. Glauben Sie, bei einer Gesinnung, wie sie hier sichtbar geworden ist, wäre es für die Gewerkschaften leicht, mit solchen konservativen Kräften zusammenzuarbeiten? Dabei zeigt das Volk, wenn so etwas nicht gelingt, immer nur auf den Arbeitnehmer, auf die Gewerkschaften. Hier wird sichtbar, daß Männer, die verantwortlich in deren Reihen stehen, eigentlich noch mit den Füßen im vergangenen Jahrhundert sind. Ich bin der Überzeugung, daß es bei einer solchen Gesinnung, wenn sie sich nicht wandelt, sehr schwer sein wird, künftig den sozialen Fortschritt und den inneren Frieden zu bewahren; denn dazu gehört beiderseitiges Einlenken.
Meine Damen und Herren, ich habe Maurer gelernt. Ich habe einen hohen Respekt vor Professoren. Aber wenn Sie hier Professoren zitieren, Herr Kollege Dr. Balke, muß ich Ihnen sagen, auch wenn Heinrich Heine mit seinem Urteil über die Professoren nicht ganz recht hat: mich interessiert das Urteil der 210 Professoren in einer anderen Sache als Bürger und als Abgeordneter genausowenig wie das Urteil der zwei Professoren, um so mehr, als die zwei Professoren mit ihren Äußerungen zu einer Sache recht spät gekommen sind. Im übrigen weiß ich, daß man auch Meinungen bezahlen kann. Ich habe noch nie etwas Verworreneres gesehen als das, was Professor Forsthoff zusammengeschrieben hat. Vielleicht hat er an die Verhältnisse in Zypern gedacht, als er diese Sätze geschrieben hat.
({9})
- Aber natürlich, er war Verfassungsgerichtspräsident in Zypern. Vielleicht verwechselt er das manchmal.
Was aus einigen Ausführungen von Herrn Professor Balke hier sichtbar geworden ist - das ist sehr hart, Herr Kollege Balke, aber ich sage es trotzdem -, das ist die Haltung und die Gesinnung, die der Kommunismus als Nährboden für seine Agitation in unserem Volke braucht.
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- Meine Damen und Herren, dann müssen Sie zuerst einmal die Methoden des Kommunismus studieren.
({11})
Dann wissen Sie, daß der Kommunismus davon lebt, daß er als Antipoden zu sich selber eine reaktionäre Gesinnung und einen nicht abgebauten Kapitalismus braucht, den er ständig als Bild sich selber gegenüber und den Menschen gegenüber an die Wand projizieren kann. Was Herr Balke uns vorexerziert hat, ist eine Gesinnung, die seit Jahrzehnten in unserem Volk und auch bei einem GroßLeber
teil der Unternehmer überwunden ist. Das ist nicht die Gesinnung aller Unternehmer.
({12})
Was Herr Kollege Balke hier geboten hat, war, wenn das so gedeutet werden sollte, auch nicht die Gesinnung aller Unternehmer in Deutschland. Ich kenne Unternehmer, die in die Zukunft hinein verantwortlich denken und handeln. In deren Namen haben Sie nicht gesprochen, Herr Balke.
({13})
- Vielleicht läßt er sich von Ihnen vertreten.
Ich wollte zum Schluß noch etwas Grundsätzliches sagen. Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine wichtige politische Frage, die mit diesem Gesetz eine Behandlung erfährt. Es ist eine Frage, die in ihrem Kern für die Hälfte der Menschheit schon auf revolutionäre Weise eine Antwort erfahren hat. Und wenn sie die Verhältnisse in manchem Land in Europa sehen, dann sollten Sie darüber nachdenken, daß auch wir in diesem Land uns keine Inseln kaufen können. Heute ist in der Fragestunde wieder über die Politik des französischen Präsidenten de Gaulle gesprochen worden, und viele von uns denken ja darüber nach, was diese Politik für Wirkungen auf uns, auf unser Land, auf das ganze Volk haben kann. Ich habe aus der Entwicklung der letzten Wochen in Frankreich - und nicht nur in Frankreich - den Eindruck bekommen - und darüber sollten wir nachdenken -, daß Herr Präsident de Gaulle nicht an eine Variante seines Handelns
denkt, daß er den Kommunismus in seinem eigenen Land durch das, was er tut, für die Periode, die sicher nach ihm kommen wird, hoffähig macht. Für diese Zeit müssen wir unser Volk hier so krisenfest machen, damit es auch dann noch, wo es einmal in Europa übler werden kann, noch zu den Werten stehen wird, für die wir selber angetreten sind: Freiheit und Eigentum als Pfeiler der Lebensart, auf der unsere Ordnung beruht. Und der Westen braucht endlich eine Alternative auf die revolutionäre Antwort, die der Osten gibt. Wenn wir die nicht finden, werden alle militärischen Bemühen sinnlos sein. Sie können nichts anderes verhindern, als die gewaltsame Ausdehnung des Kommunismus, aber unter diesem Schirm schreitet er fort.
Vermögen und Bildung, meine Damen und Herren, dürfen nicht Privilegien einer Minderheit sein,
({14})
sondern Vermögen und Bildung sind, wenn sie auf eine breite Fläche des ganzen Volkes gestreut sind, die solideste Basis nicht nur für den Fortschritt, sondern auch für die Erhaltung unserer Lebensart. In diesem Sinne sind wir für das Gesetz, in diesem Sinne haben wir uns monatelang darum bemüht. Deshalb sind wir froh, daß eine so breite Mehrheit diesem Gesetz seine Zustimmung geben wird.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Minuten ist es hier sehr lebhaft zugegangen, und es sind einige große Worte gefallen. Wir sind der Meinung, daß das vorliegende Gesetz den großen Worten doch nicht ganz gerecht wird.
({0})
Ich kann den Kollegen Leber nicht verstehen, wieso
von einer besonderen Gesinnung gesprochen wird,
wenn die Gegner des vorliegenden Gesetzes bisher
- und das werden Sie nicht abstreiten können - nur sachliche Gesichtspunkte gegen dieses Gesetz vorgetragen haben. Meine Damen und Herren, wenn Sie etwas anderes herausgehört haben sollten und wenn Sie auch aus den Ausführungen meines Kollegen Mischnick etwas anderes herausgehört haben sollten, dann befinden Sie sich im Irrtum;
({1})
denn dem Herrn Kollegen Mischnick kam es darauf an, Ihnen in seinen Ausführungen darzutun, daß man mit einem bißchen Kollektivismus nicht überwinden kann.
({2})
Meine Damen und Herren, der Satz trifft hier zu.
Warum wenden wir uns gegen die Tariffähigkeit des Gesetzes? Aus unserer liberalen Auffassung heraus, Herr Leber, weil wir der Meinung sind, daß nicht unentwegt andere für uns denken und handeln sollen, daß es keiner Organisation bedarf, um uns zur Vernunft anzuhalten. Wir wollen davon ab, und wir wollen zur Einzelverantwortung zurück.
({3})
- Herr Kollege Junghans, das hat mit Tarifverträgen nichts zu tun. Ich wehre mich dagegen, daß die Gewerkschaft bestimmt, ob ich sparen soll oder nicht. Das soll meiner freien Entscheidung vorbehalten werden.
({4})
Und ich bin Mitglied der IG-Bergbau. Das wissen Sie, Herr Kollege.
({5})
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat sehr bedeutsame Worte für das Gesetz gefunden: Meilenstein, Wendepunkt einer neuen Gesellschaftsordnung - Worte, die vor vier Jahren bei der Verabschiedung des ersten Vermögensbildungsgesetzes in ähnlicher Form gesprochen wurden, und vor einigen Monaten wurde noch festgestellt, daß dieser Wendepunkt mit idem ersten Vermögensbildungsgesetz keineswegs erreicht wurde.
({6})
- Ja, warum? Wir werden in einigen Jahren feststellen, daß auch mit diesem Gesetz keineswegs ein Meilenstein gesetzt wurde. Denn was steckt im Grunde genommen dahinter? Eine staatlich geför9040
derte Lohnerhöhung, bei der der Lohn dem Betroffenen für eine Weile vorenthalten wird, und keine Vermögensumverteilung.
({7})
Die Belastungen durch dieses Gesetz, Herr Leber, gehen :in den Preis, und in Ihrer Branche sind alle Lohnbelastungen bisher in den Preis hineingegangen.
({8})
Ich habe gebaut. Ich habe die Eigentumsförderung gewählt, die wir als Freie Demokraten für alle wünschen, Herr Leber.
({9})
- Nein, 'ich ,gestatte keine Frage. Sie können ja hier heraufkommen. Sie haben sich heute in Abstinenz geübt. Ich muß diem Herrn Bundesarbeitsminister ein Kompliment machen. Er hat Ihre Abstinenz durchbrochen. Sie haben sich in Abstinenz geübt. Sie können es nachholen.
Der Arbeits- und Sozialminister ruft zu einer baldigen Durchführung dieser staatlich geförderten Lohnerhöhung auf.
({10})
- Das ist nicht unerhört, das sind 'die Fakten, meine Freunde.
({11})
Wir sind der Meinung - und ich darf sie mit aller Deutlichkeit noch einmal herausstellen -, daß wir allen Arbeitnehmern ihren Anteil am Sozialprodukt über den Lohn gönnen sollten. Wir können nur nicht mit Ihnen den Weg gehen, daß diese Lohnerhöhung den Betroffenen vorenthalten wird, daß sie zum Sparen gezwungen werden. Durch unsere Vorschläge zur Vermögensbildung ist 'es möglich, das Sparen freiwillig zu erreichen. Nur hierdurch, Herr Leber, kann im Endeffekt ihr Wunsch, Anteil an den Produktionsmitteln zu erhalten, erfüllt werden. Wenn Sie unseren Vorschlägen folgen, werden Sie das von Ihnen verfolgte Ziel der Vermögensumverteilung sicherlich schneller erreichen - und vor allen Dingen nur über diesen Weg - als über einen zeitweiligen Konsumverzicht durch einen zeitweiligen Sparzwang, dem am Ende, wie Sie ,es selbst befürchten, der gesteigerte Konsum folgt.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung. Aus Zwischengesprächen habe ich entnommen, daß einige Kollegen meinten, ich unterstelle denjenigen, die dieses Gesetz verabschieden, daß sie damit etwas Kommunistisches oder Halbkommunistisches täten. Das ist nicht der Fall. Ich will hier ausdrücklich noch einmal feststellen: So wenig wie man Kommunismus durch ein bißchen Kommunismus, Sozialismus durch ein bißchen Sozialismus bekämpfen kann, so wenig kann man Kollektivismus durch ein bißchen Kollektivismus bekämpfen. Nur das habe ich sagen wollen und auch gesagt. Ich wäre dankbar, wenn Sie, meine Kollegen -nachdem ich glaube feststellen zu können, daß ich niemals persönliche Differenzen in diesem Hause gehabt habe -, das zur Kenntnis nähmen.
Aber, meine Damen und Herren: machen wir uns nichts vor. Hier ist ein kollektivistischer Gedankengang,
({0})
den wir aus unserer Sicht ablehnen. - Was heißt: „Also doch!"? Den kollektivistischen Gedanken werden Sie doch zugeben müssen. Mir scheint das aber etwas anderes zu sein als zu unterstellen, daß das ein kommunistischer Gedankengang sei.
({1})
- Es gibt manche Überlegungen, wo wir zu der Meinung kommen, daß die Freiheit eingeschränkt werden muß.
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Dann tun wir es, sei es durch Verfassung, sei es durch Gesetz. Hier aber muß sie nicht eingeschränkt werden. Deshalb wehren wir uns dagegen. Das ist doch der ganze Grund.
({3})
Der Arbeitsminister hat ,davon gesprochen, ich hätte gesagt, die CDU habe sich an das Godesberger Programm .angeglichen. Das stimmt nicht! Ich habe davon gesprochen, daß zwischen den Gewerkschaften und der SPD ja noch unterschiedliche Meinungen sind, wo früher etwa gleiche Meinungen waren; um auch das gleich klarzustellen. Aber eines verstehe ich nicht ganz, Herr Bundesarbeitsminister. Wenn es, wie Sie sagen, notwendig ist, daß aus dem Einkommen investiert wird, und der Arbeiter gar nicht so dumm ist, daß er das nicht wüßte - wir bestätigen das -, dann bedarf es keines tarifvertraglichen Zwanges, um ihn dazu zu 'bringen, sondern dann tut er das aus seiner eigenen Erkenntnis heraus. Deshalb sind wir ja gegen den Tarifvertragszwang, weil wir wissen, daß der Arbeiter, der Angestellte das selbst erkennt und es über die Sparprämienförderung usw. in steigendem Maße - nicht ausreichend in dem Sinne, daß alle beteiligt wären, aber in einem erkennbaren Maße - getan hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man der Meinung ist, daß der Arbeiter und Angestellte das erkennt, muß man folgern, daß der § 4 des Gesetzes allein genügen würde, um eine solche vermögenswirksame Leistung steuerlich zu begünstigen, die aus eigener Entscheidung kommt.
({4})
Eines habe ich allerdings bedauert, Herr Kollege Blank: So wie Sie das Zitat hier vortrugen, mußte derjenige, der die Dinge nicht genau kennt, annehmen, ich hätte das gesagt. Es war der Kollege Atzenroth, der es gesagt hat. Aber die Tendenz seines Ausspruchs war genau das, was ich in der heutigen zweiten und dritten Lesung als Begründung dafür angeführt habe: daß es unzumutbar ist, denMischnick
jenigen Arbeitern und Angestellten, die nur ein niedriges Einkommen haben, einen Teil ihres Entgelts durch Tarifvertrag praktisch für längere Zeit zu entziehen. Das ist der Gesichtspunkt, der auch den Kollegen Atzenroth 1961 zu dieser Meinung geführt hat.
Herr Kollege Leber hat gesagt, die Liberalität verlange es, daß man die Meinung des anderen anerkennt, daß man sie wertet, daß man entweder zustimmt oder ablehnt. Natürlich! Aber ich fürchte, daß es nicht ,zur Aufnahme in die FDP reicht. Wenn ich die Wertung betrachte, die die Meinung des Kollegen Balke durch Sie hier gefunden hat, muß ich sagen: das war wirklich nicht liberal, was da gesagt worden ist; im Gegenteil!
({5})
Wenn Sie mit Recht darauf hinweisen, Herr Kollege Leber, daß hier eine wesentliche Aufgabe vor uns steht, dann wundert es mich eigentlich, weshalb die vielen Unternehmungen der Gewerkschaften nicht bisher schon mit einer solchen vermögenswirksamen Politik bei ihren eigenen Arbeitnehmern begonnen haben,
({6})
obwohl da doch noch ein recht großer Nachholbedarf ist. Wir werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, ob die Anwendung dieses Gesetzes im ureigensten Bereich der Gewerkschaften - da haben sie eine große Möglichkeit, mitzuwirken - so schnell geschieht, wie es hier als notwendig verkündet worden ist.
Eine Schlußbemerkung! Meine sehr verehrten Damen und Herren, man hat bedauert, daß viele Dinge hier in dieser Breite diskutiert worden sind. Ich glaube aber, es ist besser, ein solches Gesetz in aller Offenheit, mit allem Freimut zu diskutieren, als den falschen Eindruck zu erwecken, daß hier ein Gesetz verabschiedet werde, das in allen Punkten nur Gutes, Unumstrittenes bringe. Das Gegenteil ist leider der Fall. Gerade wir sollten alle gemeinsam Wert darauf legen, bei solchen Maßnahmen, die wir als eine gesellschaftspolitisch entscheidende Tat ansehen, die nüchterne, offene Aussprache hier im Plenum des Parlaments zu suchen, statt sie etwa nur in die Ausschüsse zu verlegen, damit die Öffentlichkeit sieht, daß um die Dinge gerungen wird. Eine solche Aussprache ist mir immer noch lieber als eine zweite und dritte Lesung, die in zehn Minuten über die Bühne geht und bei der schließlich niemand weiß, wie die Dinge wirklich liegen.
({7})
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht weiter gewünscht. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung.
Zum § 2 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck
623 *) und Umdruck 624 Ziffer 1 vor. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? - Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier sehr viel von Liberalität gesprochen worden. Ich glaube, daß durch die Begründung des Antrags im Umdruck 623, die ich hier für meine Freunde vorzunehmen habe, der Beweis erbracht wird, wie sehr wir auch innerhalb einer Fraktion in Einzelfragen einmal unterschiedliche Auffassungen haben und sie auch vertreten können.
Es geht bei diesem Antrag darum, ob man den Katalog der möglichen vermögenswirksamen Anlagen in § 2 noch um eine weitere Anlagemöglichkeit ergänzt, und zwar durch die Aufnahme der Beiträge zu Lebensversicherungen - Kapital- und Rentenversicherungen - mit Sparanteil und einer Vertragsdauer von mindestens fünf Jahren.
Zu der in dem Schriftlichen Bericht vorgebrachten Einwendung, daß eine solche Berücksichtigung der Beiträge zu Lebensversicherungen als Vermögensanlage eine besondere Begünstigung in steuerlicher Hinsicht zur Folge hätte, weil die 312 DM schon als Sonderausgabe abgesetzt werden könnten, wäre, so meinen meine Freunde, darauf zu verweisen, daß auch andere in dem Gesetz vorgesehene Anlagen - Bausparverträge, Prämiensparverträge und ähnliche - schon steuerlich begünstigt sind, daß hier also keine im Prinzip anders geartete Behandlung vorliegt. Wenn man der Meinung ist, daß etwa eine allzu starke Kumulation solcher Steuervergünstigungen für verschiedene derartige Anlagen möglich ist, dann wäre darüber zu reden, ob man eine Höchstgrenze setzen soll. Das wäre aber nicht Gegenstand dieses Gesetzes, sondern müßte Gegenstand einer Steueränderungsmaßnahme sein.
Ein weiteres Argument, das gegen die Einbeziehung einer solchen Vermögensanlage vorgebracht wird, geht dahin, daß es sich hier nicht um eine Anlage handele, die irgendwie als Produktivkapital anzusehen sei, die dem Produktivvermögen zugute komme. Ich glaube, auch hierzu braucht man nicht sehr viel zu sagen; es genügt, darauf zu verweisen, daß auch andere Anlagen nicht unmittelbar Anlagen für das Produktivvermögen sind, weil man als Anleger gar keine Einflußmöglichkeit hat, wie beispielsweise die Sparkassen ihre Vermögensanlagen vornehmen. Das eine darf man wohl feststellen, daß der Abschluß eines Lebensversicherungsvertrags immerhin eine langfristige Anlage ist und, was Sicherheit der Anlage usw. anbelangt, auch durch die entsprechenden Vorschriften, die der Versicherungsaufsicht unterliegen, eine gewisse Garantie und Sicherheit gegeben ist.
Ein weiterer Grund, der meine Freunde veranlaßte, diesen Vorschlag zu machen, ist der, daß es sich hier um individuelle Entscheidungen für individuelle Vorsorgemaßnahmen handelt, die - und das ist nicht unbekannt - insbesondere für den Kreis der mittleren und gehobenen Angestellten doch von besonderer Bedeutung sind. Es wird in diesen Krei-
*) Siehe Anlage 7
sen schon heute ein erheblicher Gebrauch davon gemacht. Viele Angestellten, die über einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, werden durch nicht rechtsverbindliche oder betriebsgebundene Altersversorgungsversprechungen nach meiner und meiner Freunde Auffassung viel stärker gebunden, als wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, einen individuellen, eigenen Vertrag abzuschließen und dadurch eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen.
Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, daß auch in der Härtenovelle die Lebensversicherung gleichwertig neben die Rentenversicherung gestellt worden ist für die Angestellten, die durch die Erhöhung der Einkommensgrenze wieder in die Rentenversicherungspflicht einbezogen wurden und die davon befreit werden, wenn sie entsprechende Beiträge auf Grund solcher Verträge für die Lebensversicherung aufwenden.
Auf Grund der Ausführungen meines Freundes Leber glaube ich feststellen zu müssen, daß, wenn man eine solche nicht unbedeutende Kapitalanlage wie die Lebensversicherung in dem Gesamtkatalog ausschließt, es für diese Einrichtung eine gewisse Diskriminierung bedeutet. Deshalb darf ich um die Zustimmung zu diesem Antrag bitten.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner
Freunde darf ich Sie bitten, beide Anträge, die zur dritten Lesung gestellt worden sind, Umdruck 623 und Umdruck 624, abzulehnen. Ich darf sicher Bezug nehmen auf die Ausführungen meines Kollegen Müller ({0}) und des Abgeordneten Leber 711 dieser Frage. Aber manchmal muß man etwas wiederholen, um es noch deutlicher zu machen.
Das gesellschaftspolitische Ziel dieses Gesetzes ist die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Dazu gehört die freie Verfügbarkeit des Eigentums. Die in diesem 'Gesetz vorgesehene Einschränkung für einen Zeitraum von fünf Jahren dauert nicht so lange wie die Einschränkung der Verfügbarkeit bei der Lebensversicherung. Man müßte sich auch Gedanken darüber machen, daß man dann nicht nur Verträge bei Lebensversicherungen zur Förderung freigeben könnte, sondern daß 'auch die Freigabe der freiwilligen Weiterversicherung in der sozialen Rentenversicherung und der Höherversicherung in der sozialen Rentenversicherung die unausweichliche Folge wäre.
Ein weiteres Argument, das hier schon gebracht worden ist, zur Wiederholung. Lebensversicherungsverträge haben eine durchschnittliche Laufzeit von 27 Jahren, Bausparverträge haben eine durchschnittliche Laufzeit von fünf Jahren. Ich glaube, das ist doch ein sehr wesentlicher Unterschied.
Und noch ein politisches Argument: In § 2 des Gesetzes werden zum Teil Anlageformen begünstigt, die für die Arbeitnehmerschaft Neuland sind, Anlageformen, die bisher den anderen Schichten der Bevölkerung praktisch allein vorbehalten waren.
Es ist unser politisches Ziel, daß diese Anlageformen und diese Art der Vermögensbildung bei den Arbeitnehmern Anklang finden. Wir 'befürchten, daß der Einbau der Lebensversicherungen in die Förderung dieses Heranführen der Arbeitnehmer an neue Formen der Eigentumsbildung verhindert oder über Gebühr verzögert.
Ich darf Sie daher für meine Freunde noch einmal bitten, beide Anträge auf Einbeziehung der Lebensversicherung abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Deneke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben auf die Wiederholung 'unseres Antrags zu diesem Punkt verzichtet, und zwar im Hinblick auf diesen Antrag der SPD, von dem wir wußten, daß er in der dritten Lesung kommen wird. Wir werden diesem Antrag zustimmen, obwohl 'er noch immer auf rosa Papier steht und nicht wie sonst Anträge in der dritten Lesung auf hoffnungsvollem Grün.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte keine Rede mehr halten, sondern nur in einem Satz folgendes erklären. Der Antrag auf Umdruck 623 ist kein Antrag der Fraktion (der SPD, sondern der Antrag von einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion.
Zweitens. Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, diesen Antrag abzulehnen, weil ich ihn für sinngleich mit dem Antrag der FDP halte,
({0})
den wir heute mittag auch abgelehnt haben.
({1})
Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 623. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Das letztere ist die
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Schlußabstimmung. Dazu hat der Abgeordnete Scheppmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr gehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu der Auseinandersetzung, die vorhin nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Balke und des Kollegen Leber hier stattgefunden hat.
Ich möchte folgendes feststellen. Der Herr Kollege Professor Balke hat bereits gestern in unserer Fraktion davon gesprochen, er könne dem Gesetzentwurf
nicht zustimmen und werde das heute hier vortragen. Keiner hat dagegen Einwendungen gemacht. Jeder hat für seine Person das Recht, seine Meinung vorzutragen. Ich möchte dazu aber sagen: In Ihren Ausführungen, Kollege Leber, sind einige Vorwürfe enthalten, eben nach der Richtung hin, daß Herr Kollege Balke mit seiner Haltung - ich habe es wenigstens so verstanden - ein Wegbereiter des Kommunismus sei. Ich glaube, daß Herr Professor Balke auf Grund seiner untadeligen Haltung einen solchen Vorwurf nicht verdient hat. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen.
({0})
Er hat seine eigene Meinung, er hat aber auch zum Teil seine Auffassung als Präsident des Arbeitgeberverbandes vorgetragen. Man sollte aber die Dinge richtig sehen. Man sollte das richtigstellen, damit nicht irgend etwas davon zurückbleibt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte sehr, Herr Kollege!
Bitte, Herr Abgeordneter Leber!
Herr Kollege Scheppmann, sind Sie bereit mir zu glauben, daß ich diesen Satz wörtlich abgelesen habe und daß er wie folgt lautet:
Diese Haltung, die hier sichtbar geworden ist,
braucht der Kommunismus als die Basis, auf
der er selbst im Volk seine Agitation betreibt.
Das ist etwas ganz anderes, als Sie nach Ihrer eben erfolgten Darstellung bei mir vermutet haben.
Wenn ich das gesagt hätte, was Sie zitiert haben, hätte ich auch den Mut, mich bei Herrn Kollegen Balke zu entschuldigen. Das ist aber nicht der Fall.
({0})
Herr Kollege Leber, ich bin sehr dankbar dafür, daß Sie Ihre Auffassung dazu selbst noch vorgetragen haben und daß Sie durch Ihre Zwischenfrage zu einer Klarstellung beigetragen haben,
Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU folgende Erklärung abgeben.
Die Fraktion der CDU stimmt dem Gesetzentwurf zu. Wir halten das Gesetz für einen wichtigen Schritt auf dem Wege zu unserem gesellschaftspolitischen Ziel: Eigentum für alle. Dieses Ziel liegt sowohl im Interesse der Unternehmer wie der Arbeitnehmer. Denn die weitblickenden Unternehmer wissen längst, daß die Eigentumspolitik keine sozialromantische Schwärmerei einiger Außenseiter aus dem christlich-sozialen Lager ist.
Vielmehr liegt es - auch bei ganz nüchterner Betrachtung - im wohlverstandenen Interesse der Unternehmer, daß möglichst viele Arbeitnehmer
Eigentum nicht nur an Konsumgütern, nicht nur an Eigenheimen, sondern über Wertpapiere, Sparkonten, auch an den Produktionsmitteln - direkt oder indirekt - erwerben. Denn das Eigentum der drei Millionen Selbständigen ist um so gefestigter, je mehr von den 21 Millionen Arbeitnehmern diese Eigentums- und Gesellschaftsordnung aus Überzeugung mit getragen wird. In der Tat halten es 79 % der Selbständigen nach einer Meinungsumfrage für wichtig, daß auch Arbeiterfamilien ein kleines Vermögen ansammeln.
Das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung macht die vermögenswirksamen Zuwendungen durch verschiedene Vergünstigungen für die Arbeitgeber auch tragbar. Der Arbeitgeber braucht für die Zuwendungen keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Auch die Lohnsummensteuer entfällt. Soweit der Arbeitgeber nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt, kann der Arbeitgeber 30 % der vermögenswirksamen Leistungen" bis zu 800 DM von der Steuerschuld abziehen. Auf diese Weise werden vermögenswirksame Leistungen zu den billigsten Sozialleistungen, die die deutsche Sozialpolitik kennt. Vermögenswirksame Zuwendungen kosten den Arbeitgeber mit weniger als 9 Arbeitnehmern nur rund 60 % seiner Aufwendungen für eine entsprechende Erhöhung des Barlohnes.
Die Fraktion der CDU/CSU bejaht aus ihrer grundlegenden Einstellung zur Tarifautonomie und zur Sozialpartnerschaft auch die Einschaltung der Sozialpartner in die ,Bildung von Eigentum in Arbeitnehmerhand. In Übereinstimmung mit den beiden großen Kirchen lehnt sie die Versuche ab, gemeinschaftliches Handeln der Arbeitnehmer durch ihre Organe als ethisch minderwertig abzuqualifizieren. Individuelles Verhalten ist ohne jeden Zweifel aller Ehren wert. Das besagt aber nicht, es wäre das einzige menschenwürdige. Wo der einzelne auf sich selbst gestellt angesichts der ungeheuren Versuchung der modernen Konsumgesellschaft nicht imstande ist, Eigentum zu bilden, ist es durchaus legitim, daß ihm die Gemeinschaft dabei hilft.
Diese Hilfestellung bei der Eigentumsbildung durch die Gemeinschaft der Arbeitnehmer ermöglicht dieses Gesetz. Es ist ein Markstein in der Geschichte der deutschen Sozialpolitik. Es ist der Durchbruch in eine neue Zeit. Es ist der Ausdruck unseres Willens zum Eigentum. Deshalb, meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Folger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung abgeben zu dürfen.
In dem Entwurf sind einige Verbesserungen enthalten, die teilweise im Ausschußbericht dargestellt sind. In dem Ausschußbericht sind auch die Begrün9044
dungen für die Beschlüsse des Ausschusses enthalten. Ich habe heute von den Herren der FDP-Fraktion kein einziges Argument gehört, das nicht schon in dem Ausschußbericht vorweggenommen worden wäre.
Von den Verbesserungen ist die Einbeziehung des öffentlichen Dienstes am bemerkenswertesten. Eine Ungerechtigkeit für den öffentlichen Dienst, die neben manchen anderen zu unhaltbaren sozialen Spannungen geführt hätte, wird durch dieses Gesetz beseitigt.
Außerdem bringt das Gesetz die Begünstigung von tarifvertraglich vereinbarten vermögenswirksamen Leistungen. Die Herren von der FDP haben es heute immer so dargestellt, als ob das etwas ganz Neues wäre. Tarifverträge über solche Leistungen konnten auch bisher schon abgeschlossen werden, nur sind sie nicht durch das Gesetz begünstigt worden.
Tarifverträge werden freiwillig zwischen den Verbänden der Arbeitgeber und den Gewerkschaften abgeschlossen. Wo da ein Zwang sein soll, ist uns unbegreiflich. Dann müßte man auch bei den Tariflöhnen, beim Tarifurlaub und bei vielen anderen tariflichen Arbeitsbedingungen von Zwang sprechen.
({0})
Das sind die schwärzesten Punkte in dem bisher geltenden ersten Vermögensbildungsgesetz gewesen.
Ich muß allerdings an dieser Stelle auch folgendes sagen. Wir wehren uns gegen den Versuch, den der Herr Bundesarbeitsminister in seiner ersten Stellungnahme unternommen hat, den Gewerkschaften den schwarzen Peter zuzuschieben, indem er gesagt hat: Die Gewerkschaften haben es jetzt in der Hand, für die Vermögensbildung der Arbeitnehmer mehr zu tun. - Die Gewerkschaften brauchen dazu auch die Arbeitgeber und ihre Organisationen; sie sind nur ein Teil unserer Sozialordnung und können ohne ihren Partner nicht handeln.
In dem bisherigen Gesetz sind allerdings noch einige andere Schönheitsfehler enthalten gewesen. Sie haben nach dem im Bundesarbeitsblatt - Heft 5/1965 - veröffentlichten Bericht über die Anwendung des Gesetzes die Schuld an der unbefriedigenden Wirkung mitgetragen. Dort ist insbesondere nachgewiesen, daß die bisherige geringe Wirkung des Gesetzes unter anderem darauf zurückzuführen war, daß das Umwandeln aller freiwilligen sozialen Leistungen in begünstigte Leistungen möglich war und daß eine Einengung auf Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens einem Kalenderjahr sowie eine Beschränkung auf bestimmte Arbeitnehmergruppen vorgenommen werden konnte.
Fast alle diese Verbesserungen sind von der SPD vor der Verabschiedung des ersten Gesetzes im Jahre 1961 gefordert und damals gut begründet worden. Wenn man uns damals geglaubt hätte, wären nicht vier Jahre vertan worden; das Gesetz hätte eine wesentlich breitere Wirkung erzielt, die wir jetzt von dem zweiten Gesetz erhoffen. Wir bitten
insbesondere die Herren von der CDU/CSU, diese Tatsache zum Anlaß zu nehmen, den Vorschlägen der SPD in Zukunft etwas gewissenhafter zu begegnen und insbesondere nicht immer erst zu einem etwas verdächtigen Zeitpunkt der besseren Einsicht Raum zu geben.
({1})
Nicht ganz befriedigend ist für uns die Begünstigung des einseitigen Verzichts des Arbeitsnehmers auf Teile seines Einkommens, um sie vermögenswirksam anzulegen. Dadurch wird der Zweck des Gesetzes - gerechtere Verteilung des Vermögenszuwachses und Förderung der Sparfähigkeit - auf eine neue Steuer- und SozialversicherungsabgabenErleichterung verlagert und die Gefahr eines Ausweichens auf diese Möglichkeit heraufbeschworen. Wir befürchten, daß diese Bestimmung so kostspielig wird, daß ein weiterer Ausbau des Gesetzes dadurch gefährdet wird. Vorwiegend werden davon die Hochverdiener Gebrauch machen.
Mit Rücksicht darauf, daß anderenfalls die Arbeitnehmer, die mit ihrem Arbeitgeber zu keiner Vereinbarung über vermögenswirksame Leistungen kommen, ganz leer ausgehen würden, sind wir bereit, unsere Bedenken vorläufig zurückzustellen, bis sich die praktische Auswirkung beurteilen und vielleicht eine bessere Lösung finden läßt.
Enttäuscht sind wir über Reaktionen zu den Gesetzentwürfen aus einigen Ecken, die ignorieren, daß es sich im wesentlichen um zusätzliche Leistungen handelt, die die Sparfähigkeit fördern sollen und die ohne die Begünstigung nicht erbracht würden, so daß dann auch keine Lohnsteuer und keine Sozialversicherungsabgaben anfallen würden, daß ein Teil der Arbeitnehmer mit und ohne die Begünstigungen ohnedies keine Lohnsteuer bezahlen, daß nicht alle Zuwendungen 312 DM erreichen werden und daß die Sparprämien usw. nicht in allen Fällen zusätzlich zur Geltung kommen, weil die Höchstgrenzen schon bisher ausgenützt wurden.
Die SPD hat wiederholt versucht, durch eine Begrenzung nach oben die finanzielle Belastung einzudämmen. Der Widerstand aus diesen Ecken ist nur erklärlich, wenn man unterstellt, daß dort die Meinung vorherrscht, es handle sich um etwas ganz Neues, weil von dem geltenden Gesetz nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wurde, und daß irrtümlich die Meinung besteht, die Unternehmer würden vom Gesetzgeber gezwungen, ihren Arbeitnehmern 312 DM jährlich zuzuwenden. Vielleicht ist einer der Gründe des Widerstandes auch die Angst, von dem zu verteilenden Kuchen in Zukunft ein paar Bröserl weniger zu bekommen.
Dei Bestimmung, daß den Steuerpflichtigen, die ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen gewähren, eine Ermäßigung der Steuerschuld um 30% der gewährten Summe, höchstens 800 DM, eingeräumt wird, erleichtert uns die Zustimmung, da auf diese Weise den Kleinbetrieben der Weg geebnet wird. Ob die Beschränkung auf Betriebe bis zu 50 Arbeitnehmern richtig ist, muß noch abgewartet werden. Da es Betriebe mit weniger als 50 Arbeitnehmern gibt, die wenig lohnintensiv sind, aber
hohe Gewinne machen können und umgekehrt, müßte diese Methode unseres Erachtens noch verfeinert werden. Wir wollen aber auch hier zuerst abwarten, wie sich die ganze Bestimmung auswirkt, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, und werden gegebenenfalls dann notwendige Änderungen beantragen. Das ist auch deshalb gerechtfertigt, weil mit der direkten Ermäßigung der Steuerschuld im Gegensatz zu den sonst üblichen Freibeträgen ein ganz neuer und interessanter Weg beschritten wird.
Das vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, unserem Kollegen Fritz Erler, in seiner Stellungnahme zur Regierungserklärung am 14. Oktober 1964 so bezeichnete Problem „Wie können bisher Vermögenslose einen gerechteren Anteil am künftigen Vermögenszuwachs erhalten, den sie ja miterarbeiten?" wird auch mit dem zur Abstimmung stehenden Gesetz noch nicht gelöst. Wir Sozialdemokraten bemühen uns nicht nur selbst auf verschiedenen Wegen um Fortschritte in dieser Richtung, jetzt und in Zukunft, wir begrüßen auch jede Hilfe, die uns dabei zuteil wird. Das geht nicht nur mit diesem Gesetz und mit der Privatisierung der 3% Bundesvermögen. Es sei bei dieser Gelegenheit an das erinnert, was Herr Kollege Junghans schon wiederholt hier vorgetragen hat. Die gerechte Vermögensverteilung muß eine zentrale Aufgabe der gesamten Wirtschaftspolitik werden. Eine aktive Kartell- und Wettbewerbspolitik und eine auf die Ertragslage und Leistungskraft der kleinen und mittleren Unternehmungen Rücksicht nehmende Finanz- und Steuerpolitik haben dafür zu sorgen, daß die Einkommen der Arbeitnehmer nicht durch Preiserhöhungen geschmälert und weitere Voraussetzungen geschaffen werden, die es den kleinen und mittleren Unternehmungen ermöglichen, für sich selbst und für ihre Arbeitnehmer Vermögen zu schaffen.
Unbefriedigend ist auch noch die Möglichkeit der Kumulation steuerlicher und anderer Maßnahmen zur Sparförderung.
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- Meine Herren von der FDP, ich habe kein Verständnis dafür, daß Sie mich jetzt zur Eile drängen, nachdem Sie mit Ihren Anträgen, von denen Sie von vornherein wußten, daß sie nicht angenommen werden, fast die ganze Zeit in Anspruch genommen haben.
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Während die Bezieher hoher Einkommen alle Begünstigungen ausnützen können, sollten den Beziehern niedriger Einkommen die materiellen Möglichkeiten gegeben werden, die sie überhaupt erst in die Lage versetzen, die vorhandenen Begünstigungen wenigstens teilweise in Anspruch zu nehmen.
Nach Abwägung der Verbesserungen und der noch vorhandenen Mängel hat sich die SPD-Fraktion entschlossen, dem Gesetz zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Deneke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hat es nicht nötig, eine längere Schlußerklärung abzugeben. Wir haben zu den Stellen, an denen die entsprechenden Bestimmungen im Gesetzentwurf stehen, unsere Meinung gesagt.
Wir können nur mit tiefem Bedauern feststellen, daß Sie sich mit wenigen Ausnahmen an den betreffenden Stellen nicht der Diskussion gestellt, sondern sich darauf beschränkt haben, hinterher schriftlich vorbereitete Erklärungen zu verlesen, in denen sie natürlich dann unsere Argumente nicht mehr verwerten konnten.
({0})
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung mit großer Mehrheit bei drei Enthaltungen angenommen.
Wir haben nun noch über den Antrag des Ausschusses Ziffer 2 abzustimmen, der besagt, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drucksache IV/2687 durch die soeben erfolgte Annahme des Gesetzentwurfs als erledigt zu betrachten. - Hiergegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen..
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 6251. Dazu hat Herr Abgeordneter Dorn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesarbeitsminister hat erklärt, daß dieses Gesetz ein Meilenstein sei. Ein anderer Vertreter seiner Fraktion hat gesagt, daß es ein Markstein für einen neuen Weg sein werde. Wir stellen fest, daß dieser Meilenstein zu einem großen Teil auch darin besteht, daß sich die Mehrheit dieses Hauses dafür entschieden hat, nichts zu tun, um den öffentlichen Dienst mit in den Genuß dieser gesetzlichen Regelung bringen zu können. Lassen Sie mich deshalb diesen Entschließungsantrag der Freien Demokraten kurz begründen.
Nachdem sich zeigt, daß dieser Gesetzentwurf in der vorgelegten Form trotz aller sozialen, wirtschaftlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken von der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion gebilligt wurde, fordern wir Freien Demokraten die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, zu berichten, welche Möglichkeiten sie sieht, entsprechende Leistungen auch für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu gewähren. Der Gesetzentwurf schließt Beamte, Richter, Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit von dieser Möglichkeit der Vermögensbildung fast völlig aus. Sie erhalten die Vergünstigungen dieses Gesetzes nur insoweit, als sie
*) Siehe Anlage 8
vermögenswirksame Leistungen in voller Höhe aus eigenem Einkommen aufbringen, während für andere Arbeitnehmer die Aufbringung vermögenswirksamer Leistungen in voller Höhe durch den Arbeitgeber vorgesehen ist. Solch eine Lösung ist unsozial und verstößt nach Auffassung der FDP gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Wir bitten Sie daher, Ihre Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag zu geben, die Bundesregierung aufzufordern, eine Regelung vorzubereiten und dem Hohen Hause zur Annahme vorzuschlagen, damit auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes die Möglichkeit der Vermögensbildung bekommen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Motto: „Für jeden etwas", und wenn es noch so extrem ist! Erst lehnt man den § 15 dieses Gesetzes, der die Einbeziehung der Beamten vorsieht, ab, und dann wird ein solcher Entschließungsantrag gestellt!
Wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, daß die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, so wie es im Gesetz verankert ist, ein Anrecht darauf haben, mit den Arbeitnehmern der Wirtschaft gleichgestellt zu werden; denn sie erbringen
für die Wirtschaft so wichtige Vorleistungen, daß sie nicht ausgeschlossen werden können.
Aber nach unserer Meinung reicht die vorgesehene Fassung hierfür restlos aus. Die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes können Tarifverträge schließen.
({0})
Hinsichtlich der Beamtenbesoldung können wir durch gesetzliche Regelung etwas tun. Das stimmt doch! Wenn Sie das Tarifvertragsgesetz kennten, wüßten Sie, daß auch die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes solche Tarifverträge schließen können.
({1})
- Vielleicht widmen ,Sie sich ab und zu einmal Vorlesungen über Fragen des Tarifrechts.
Wir beantragen jedenfalls Ausschußüberweisung, damit wir sehen können, welche offenen Türen Sie einrennen wollen, und zwar Überweisung an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Inneres zur Mitberatung.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Herr Abgeordneter Behrendt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind ebenfalls sehr erstaunt, daß nach Ablehnung sowohl des Gesetzes als auch insbesondere des § 15 nunmehr als erstes von Ihnen der Antrag gestellt wird, die Bundesregierung möge sich Gedanken darüber machen, welche Möglichkeiten sie sieht, vermögenswirksame Leistungen entsprechend dem II. Vermögensbildungsgesetz für die
Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu gewähren.
({0})
Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie werden das gleiche tun bei anderen Gelegenheiten, wenn es sich um einen anderen Arbeitgeber handelt als die Bundesregierung oder den öffentlichen Dienst schlechthin.
({1})
Wir stimmen dem Vorschlag zu, den Antrag an den Ausschuß für Arbeit sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Inneres zu überweisen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Die Ausschußüberweisung geht zweifellos vor. Es ist beantragt, den Entschließungsantrag an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Inneres - mitberatend - zu überweisen. Das Haus ist mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich habe noch zu bemerken, daß Punkt 4 der Tagesordnung für heute abgesetzt werden muß, weil wichtige Ausschußberichte noch nicht vorliegen.
Ich rufe auf Punkt 5:
Zweite und dritte Beratung ides von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Reichsabgabenordnung ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2});
({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müser. Will der Herr Berichterstatter das Wort ergreifen?
- Das ist nicht der Fall. Das Haus begnügt sich mit seinem Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die zweite Beratung. Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf §§ 1, - 2,
- 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer dein aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - In dieser späten Abendstunde kostet es etwas Mühe, mitzustimmen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig verabschiedet.
Dann ist noch über einen Entschließungsantrag des Ausschusses abzustimmen, den 'Sie in der Drucksache IV/3258 ,auf Seite 3 .finden:
Vizepräsident Schoettle
Die Bundesregierung wird ersucht,
die Frage der handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen im Zusammenhang mit der Reform der Reichsabgabenordnung zu prüfen. Der Bundestag hält eine Verkürzung dieser Fristen im Interesse der Wirtschaft fürdringend erwünscht.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst ({4}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({5}) ({6});
({7}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wolf. Das Haus begnügt sich mit der schriftlichen Berichterstattung.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1 Ziffer 1, 2 und 3. Wer den aufgerufenen Ziffern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Ziffern sind angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 4. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 615 *) vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Jahn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Änderungsantrag der Kollegen Dr. Müller-Emmert, Dr. Güde. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. Kanka, Jahn, Benda und Genossen zu begründen. Es geht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, und deshalb muß ich Sie bitten, noch einen Moment Geduld aufzubringen. Es geht um die richtige Bewertung des Art. 4 des Grundgesetzes und seine Erfüllung im Rahmen dieses Gesetzes.
Eine Vorbemerkung: Nachdem die hier wesentliche Frage der richtigen Behandlung wiederholter Ersatzdienstverweigerung inzwischen zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gemacht worden ist, müssen wir uns darüber im klaren sein, daß jede hier zu treffende Entscheidung unter dem Vorbehalt des Spruchs des Bundesverfassungsgerichts stehen muß. Das kann und darf uns aber nicht daran hindern, eine Frage, die weithin Unbehagen bewirken muß und bewirkt, in ernster Form selber zu entscheiden.
Worum geht es? - Unter den Kriegsdienstverweigerern, die zum Ersatzdienst herangezogen werden, gibt es eine Gruppe von Leuten - eine nicht sehr große Gruppe, aber doch eine Zahl von einigen hundert -, die es aus Gewissensgründen auch ablehnen, den Ersatzdienst zu leisten. Sie argumentieren, ihr Gewissen verbiete es, jeder Art staatlichen
*) Siehe Anlage 9
Zwangs zu folgen. Nun mag man darüber streiten, ob diese Wertung allgemein akzeptiert werden kann. Wenn sich aber jemand wie diese Menschen mit solchem Nachdruck, solcher Überzeugung und solchem Ernst auf sein Gewissen beruft, dann gebietet es schon die Achtung vor dem einzelnen, insbesondere aber das, was in Art. 4 des Grundgesetzes steht, diese Gewissensentscheidung anzuerkennen. Daß sie von großem Ernst getragen ist, daran kann doch wohl deshalb kein Zweifel bestehen, weil - wie wir alle wissen - gerade aus den Reihen dieser Menschen, insbesondere aus denen der Zeugen Jehovas, eine große Zahl von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hervorgegangen ist. Sie haben es sich nie bequem gemacht, und sie haben damals auch mit ihrem Leben für ihre Überzeugung und ihr Gewissen eingestanden.
Ich sage ganz offen: Im Grunde ist es ein wenig betrüblich zu sehen, daß wir nicht soviel Mut, soviel freiheitliche Einstellung, soviel liberale Gesinnung - um ein heute schon mehrfach zitiertes Wort auch hier noch einmal zu sagen - aufbringen und sagen können: eigentlich müßten wir es aushalten, daß eine so verhältnismäßig kleine Gruppe von Menschen, die hier unter .Berufung auf ihr Gewissen eine ernsthafte Auseinandersetzung führt, völlig von den sonst notwendigen staatlichen Maßnahmen ausgenommen wird. Nun, das scheint nicht möglich zu sein. Aber das, was sich jetzt auf Grund der geltenden Gesetzeslage tut, ist ein auf die Dauer nicht nur unbefriedigender, sondern unerträglicher Zustand.
Die Rechtslage ist folgende. Das Gesetz schreibt vor, daß diejenigen, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, zum Ersatzdienst einberufen werden und daß diejenigen, die einberufen werden und dann auch den Ersatzdienst verweigern, bestraft werden. Das führt dazu, daß diejenigen, die einmal zum Ersatzdienst einberufen worden sind, der Einberufung nicht Folge geleistet haben und deshalb bestraft worden sind, nach der Strafverbüßung, wenn sie eine neue Einberufung erhalten und dieser wiederum aus Gewissensgründen nicht Folge leisten, erneut bestraft werden müssen. Das kann bis sonstwohin fortgesetzt werden, ohne daß damit in der Sache etwas Sinnvolles geschieht, ja, ohne daß überhaupt irgend etwas erreicht wird, außer daß wir einige Nachteile einstecken müssen. Einmal muß nämlich der Gesetzgeber und der Staat bei einer solchen Methode zwangsläufig an Glaubwürdigkeit verlieren, zum anderen wird darüber hinaus ein sehr wichtiger Grundsatz, der für den Gesetzgeber gelten muß und selbstverständlich gilt, nämlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel, hier einfach übersehen und mißachtet. Es ist gar nicht so, daß die Betreffenden immer wieder aufs neue einen Entschluß fassen, die Leistung des Ersatzdienstes erneut zu verweigern. Das ist vielmehr ein einziger Entschluß, den sie auf Grund ihrer Gewissensüberzeugung einmal gefaßt haben und den sie nur konsequent vollziehen.
Nun wird gesagt: Ja, wenn das im Gesetz nicht geregelt ist, kann man dann nicht einen anderen Weg finden, und ist es nicht im Grunde so, daß
durch die Praxis der Verwaltung, d. h. durch die Praxis des Bundesarbeitsministers, dem dadurch schon Rechnung. getragen wird, daß eine zweite Einberufung in der Regel nicht erfolgt? Das ist zwar richtig; meine Damen und Herren. Aber ich muß ganz offen sagen: Das ist ja nun kein hinreichender Schutz, das gibt keine hinreichende Klarheit. Abgesehen davon, daß das zwar im Augenblich Verwaltungspraxis sein mag, die Verwaltung aber durch diese freie Entscheidung ja niemals gebunden wird und sie jederzeit einseitig wieder ändern könnte, steckt doch eigentlich in diesem Verfahren auch das erklärte Zugeständnis der Verwaltung, daß hier eine Lücke im Gesetz ist. Wenn wir eine solche Lücke im Gesetz haben, nun gut, dann muß sie doch wohl endlich geschlossen werden, und zwar dadurch, daß auch der Gesetzgeber einen Riegel schafft, der bewirkt, daß eine wiederholte Bestrafung in diesen Fällen nicht in Frage kommen kann.
Wenn wir uns dahin gehend entscheiden könnten - und darum bitte ich Sie sehr herzlich -, würde damit auch einem dringenden Bedürfnis der Justiz, der Gerichte, der Staatsanwaltschaften Rechnung getragen, die nämlich mehr als unglücklich über die Zwangslage sind, in der sie sich befinden. i s gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen diese Verfahren zum wiederholten Male eingeleitet werden müssen. Das hat, wie ich mir habe berichten lassen, jetzt einen unserer Generalstaatsanwälte in der Bundesrepublik veranlaßt, alle diese Verfahren vorläufig einzustellen und zunächst einmal abzuwarten, was bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts herauskommt. Das ist auch nur ein Notbehelf, der aus dieser Situation erwachsen ist, der aber zeigt, daß es hier einer eindeutigen, klaren und abschließenden gesetzlichen Regelung bedarf.
Dem dient der Antrag, in § 12 einen neuen Absatz 5 einzufügen, in dem es heißt:
Hat ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer die gegen ihn wegen Dienstflucht verhängte Freiheitsstrafe in einer Gesamthöhe von mindestens 18 Monaten verbüßt, so wird er nicht mehr zum Ersatzdienst einberufen.
Damit ist also klargestellt, daß der Betreffende nach einer Strafverbüßung in einem bestimmten Umfang aus diesem circulus vitiosus herauskommt und damit endlich wieder ein würdiger Zustand herbeigeführt werden kann. Denn das muß doch auch einmal gesagt werden: das Verfahren, wie es nach der heutigen Gesetzeslage ist und wie es im Grunde nur mit gewissen Tricks umgangen wird, ist unwürdig, unwürdig auch für eine freiheitliche Demokratie, die stark genug ist und sein muß - und unsere ist es -, eine kleine Gruppe solcher Leute auszuhalten und hier nicht eine übertriebene Härte an den Tag legen zu müssen.
Nun gibt es in diesem Zusammenhang noch zwei andere Probleme, zu denen ich nur wenige Sätze sagen möchte. Das ist zunächst einmal der Teil des Antrags, der dahin geht, § 37 zu ändern und vorzusehen, daß nicht eine Gefängnisstrafe verhängt werden muß, sondern eine Einschließung möglich ist. Hier ist ein falscher Vergleich im Gesetz gezogen worden, und zwar deshalb, weil hier die Beziehung zum Wehrstrafgesetz hergestellt wird. Wir haben es hier aber mit einem ganz anderen Täterkreis zu tun, der gar nicht zum Wehrstrafgesetz in Beziehung gesetzt werden kann, denn es handelt sich um Ersatzdienst. Es handelt sich um etwas auch seiner Natur nach anderes als den Wehrdienst. Es handelt sich doch im wesentlichen um Leute, denen von Amts wegen attestiert worden ist, daß sie zunächst einmal eine Grundentscheidung ihres Gewissens vollzogen haben. Diese Überzeugungstäter aus Gewissensgründen nicht ohne weiteres ins Gefängnis zu werfen, sondern die Möglichkeit der Einschließung vorzusehen, halte ich eigentlich für eine Selbstverständlichkeit, ganz abgesehen davon, daß in den Beratungen des Strafrechtsausschusses ausdrücklich anerkannt worden ist, daß die Überzeugungstäter entsprechend behandelt werden sollen, und die Möglichkeit der Einschließung ohnehin für sie vorgesehen ist.
Ähnliche Argumente gelten schließlich für den dritten Punkt, nämlich den § 38 b Abs. 3, der gestrichen werden soll mit dem Ziel, auch hier vorzusehen, daß eine Gefängnisstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt werden kann. Meine Damen und Herren, auch hier ist der Vergleich mit dem Wehrstrafgesetz völlig unangebracht, weil im Wehrstrafgesetz disziplinarische Maßnahmen damit verbunden sind und weil darüber hinaus ein Ausweichen auf den Strafarrest als eine mildere Form möglich ist. Wir haben es hier mit einem normalen Unrechtstatbestand, eigentlich sogar, wenn man es genau nimmt, mit einem Ordnungsunrecht zu tun. Da sollte es doch wohl selbstverständlich sein, daß man die im Strafrecht allgemein anerkannte Möglichkeit, eine Ersatzgeldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe zu verhängen, auch zugestehen soll. Das würde dazu führen, daß in allen streitigen Fällen der Behandlung von Verweigerern des Ersatzdienstes eine Regelung gefunden werden kann, die einem Tatbestand Rechnung trägt, dem wir unsere Achtung nicht versagen dürfen. Denn selbst wenn eis dem einen oder anderen schwerfallen sollte, hier zu sagen: „Ich halte diese persönliche Auffassung, diese persönliche Einstellung für diskutabel" - das Grundgesetz gebietet im Artikel 4 die Achtung vor dieser Gewissensentscheidung, und die muß auch in dieser Novelle endlich - die Regelung des Problemes ist überfällig - vollzogen werden.
Ich bitte Sie deshalb um Annahme unserer Anträge.
Meine Damen und Herren! Sie werden bemerkt haben, daß Herr Abgeordneter Jahn nicht zu dem von mir aufgerufenen Umdruck 615, sondern zu dem Umdruck 609 ({0}) *) die Begründung geliefert hat. Zu dem Umdruck 609 ({1}) liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 615 vor. Das Wort zur Begründung dieses Änderungsantrages hat der Abgeordnete Wolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Änderungsantrag der Abgeordneten
*) Siehe Anlage 10
Behrendt und Genossen zum. Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Müller-Emmert, Dr. Güde und Genossen auf Umdruck 609 ({0}) begründe ich namens der Antragsteller wie folgt.
Wie mein Kollege Jahn schon ausgeführt hat, ist es bisher nach den gesetzlichen Bestimmungen möglich, denjenigen, der aus Überzeugungsgründen den Ersatzdienst verweigert, wegen jeder neuen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls immer wieder zu bestrafen. Wir meinen hier mit dem Strafrechtsausschuß, daß dieser gegenwärtige Rechtszustand wenig befriedigend ist, zumal er dazu führen kann, daß die Summe der gegen ihn nach und nach erkannten Strafen eine Höhe erreicht, die in keinem rechten Verhältnis mehr zu dem Verhalten des Täters steht, wenn man berücksichtigt, daß dieses nur die Folge des aus religiöser Überzeugung ein für allemal gefaßten Entschlusses ist.
Die Antragsteller bekennen sich deshalb zu der Auffassung des Sonderausschusses Strafrecht, der dem federführenden Ausschuß einstimmig empfohlen hat, an § 12 einen Absatz 5 anzufügen:
({1}) Hat ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer gegen ihn wegen Dienstflucht verhängte Freiheitsstrafen in einer Gesamthöhe von mindestens 18 Monaten verbüßt, so wird er nicht mehr zum Ersatzdienst einberufen.
Die Praxis ist auch bisher so gewesen, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in den Fällen, in denen der Ersatzdienstpflichtige gegen ihn wegen Dienstflucht verhängte Strafen in einer seiner Ersatzdienstzeit entsprechenden Höhe verbüßt hat, von einer weiteren Einberufung abgesehen hat. Von Vertretern des Arbeitsministeriums wurde hier mitgeteilt, daß die höchste Strafverbüßung 14 Monate betrug.
Wir sind daher der Meinung, daß eine bisher geübte Praxis nicht, wie im Änderungsantrag auf Umdruck 609 ({2}) vorgesehen, erweitert werden soll, um nicht von Gesetzes wegen Ersatzdienst und Strafverbüßung gleichzusetzen. Sicher wird keiner bestreiten wollen, daß 18 Monate Strafverbüßung nicht mit 18 Monaten ziviler Ersatzdienstzeit gleichzusetzen sind.
Wir bitten daher, unseren Antrag auf Umdruck 615 anzunehmen, der dem Antrag des Strafrechtsausschusses entspricht, weil er nach unserer Auffassung ein annehmbarer Kompromiß ist zwischen der Notwendigkeit, die staatliche Ordnung und Autorität zu schützen, und der Notwendigkeit, den Bogen gegenüber dem Dienstpflichtigen, dem Überzeugungstäter aus Gewissensgründen, nicht zu überspannen. Wir bitten, den Änderungsantrag auf Umdruck 609 ({3}) dahin abzuändern, daß in § 12 Abs. 5 die Zahl 18 durch die Zahl 12 ersetzt wird, und ihn im übrigen anzunehmen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst habe ich eine kleine Korrektur anzubringen - Herr Kollege Jahn, wenn Sie ein wenig aufpassen wollten -: Ich habe hier eine Erklärung der Kollegen Dr. Kanka und Dr. Güde, die von dem Antrag, den sie mit unterzeichnet haben, zurücktreten und ihn nicht mehr befürworten. Ich möchte diese Erklärung hier verlesen, damit sie im Protokoll erscheint.
({0})
- Bitte!
Haben Sie eine Erklärung dafür, Herr Kollege Scheppmann, weshalb die betreffenden Kollegen nicht selber hier im Saale sind, so daß wir uns .mit ihnen darüber auseinandersetzen können, warum sie eigentlich von ihrem Antrag zurücktreten? Es war immerhin ein einstimmiger Beschluß des Strafrechtsausschusses, der zu diesem interfraktionellen Antrag geführt hat.
Ich darf dazu sagen, meine Damen und Herren: Die Mehrheit des federführenden Ausschusses hat den einstimmigen Beschluß des Strafrechtsausschusses nicht akzeptiert, der Mehrheitsbeschluß des federführenden Ausschusses widerspricht dem einstimmigen Beschluß des Strafrechtsausschusses. Aus diesem Grunde glaube ich berechtigt zu sein, für meine Kollegen, die im Augenblick nicht hier sein können, eine Erklärung abzugeben.
({0})
- Warum, werden Sie gleich hören. Lassen Sie es mich doch erst einmal verlesen!
({1}) Ich möchte hier folgendes vortragen:
Die Kollegen der CDU-Fraktion, die den Antrag auf Umdruck 609 mit unterschrieben haben, verfolgen ihn nicht weiter. Sie halten es nicht für gut, die Zeit verbüßter Strafe und die Zeit geleisteten Dienstes gegeneinander abzuwägen. Daher verzichten sie nun auf eine Bestimmung von der Art des § 12 Abs. 5,
(Abg. Jahn: Also 12 Monate, weil das die
einzig sinnvolle Konsequenz wäre!
nachdem vom zuständigen Ministerium die Erklärung abgegeben wurde, man werde bei der Wiedereinberufung bereits oder sogar wiederholt zu verbüßten Freiheitsstrafen verurteilter Zeugen Jehovas oder ähnlicher Ersatzdienstverweigerer vernünftig maßhalten.
({2})
Was die Strafe der Einschließung angeht, soll das sehr ernste Problem der weiteren Anwendung der Einschließung als einer nicht ehrenrührigen Freiheitsstrafe im größeren Zusammenhang der allgemeinen Strafrechtsreform gelöst werden. Es ist wenig ratsam, es zum Gegenstand streitiger Erörte9050
rung über das vorliegende Gesetz mit Vorschriften des Nebenstrafrechts zu machen.
Soweit die Erklärung der Kollegen, die den Antrag auf Umdruck 609 mit unterzeichnet haben und die jetzt also, Herr Kollege Jahn, von diesem Antrag zurücktreten.
({3})
Zur Sache selbst möchte ich folgendes sagen. Es wird hier von der wiederholten Bestrafung und davon gesprochen, daß diese Relation doch nicht recht am Platze sei. Ich darf hier einmal vortragen, wie sich die Sache entwickelt hat. Als die Vorlage der Regierung eingebracht wurde, hat zunächst einmal der Bundesrat in seiner Sitzung vom 8. Mai 1964 zu dieser Angelegenheit Stellung genommen. Im Bundesrat haben sich der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuß für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuß und der Verteidigungsausschuß damit beschäftigt und die Regierungsvorlage als richtig anerkannt. So ist diese Regierungsvorlage vom Plenum dieses Hohen Hauses dem federführenden Ausschuß zugeleitet worden.
Wir haben nicht einige hundert, sondern wir haben 1300 anerkannte Kriegsdienstverweigerer. Wir haben zur Zeit 550 Widersprüche, 120 Verwaltungsstreitverfahren, 550 Strafanzeigen, 60 Beschlußverfahren und 12 neue Revisionsverfahren. Auch das möchte ich einmal sagen, weil die meisten Kolleginnen und Kollegen nicht darüber unterrichtet sind: auf etwa 1000 Ersatzdienstverweigerer haben wir einen Schriftwechsel von etwa 55 000. Sie sehen daraus, welche Arbeit das macht.
In den Ausführungen von Herrn Kollegen Jahn und Herrn Kollegen Wolf wird das doch nicht ganz richtig dargestellt. Wir müssen mal folgendes sehen. Unsere jungen Leute dienen bei der Bundeswehr 18 Monate. Dazu müssen sie laut Wehrgesetz ihre neun Monate Übungen machen. Das sind insgesamt 27 Monate. Nun wollen Sie diesen Leuten, die als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt sind, aber diesen Dienst nicht leisten wollen, in besonderer Weise das Leben leichter machen.
({4})
- Lassen Sie mich erst mal aussprechen, Herr Jahn. Ich habe Sie bei Ihrer Begründung auch nicht unterbrochen. Sie können gleich antworten. Ich wünsche jetzt keine Unterbrechung.
Ich möchte einmal darlegen, wie die Dinge in Wirklichkeit sind. Sie sind der Meinung, daß ein Kriegsdienstverweigerer bei dem zuständigen Gericht, wenn er sich weigert, seinen Ersatzdienst zu leisten, mit einer Geldstrafe davonkommen soll oder daß man ihn mit einer Ehrenhaft, einer Einschließung, bestrafen soll. Sie sind der Meinung, daß im Höchstfall eine Strafe von einem Jahr gegeben werden soll. Wiederholte Bestrafungen wünschen Sie eigentlich gar nicht.
Diesen Leuten, die aus Überzeugung glauben, sie brauchten keinen Wehrdienst zu leisten, gibt der
Gesetzgeber die Möglichkeit, im zivilen Ersatzdienst 18 Monate Dienst zu leisten, und zwar in Krankenanstalten oder in Universitätskliniken einen sehr leichten Dienst zu machen. Das wird von den Leuten abgelehnt. Von den anderen, die bei der Bundeswehr sind, verlangt man einfach, daß sie zunächst einmal 18 Monate Grundwehrdienst leisten und darüber hinaus noch neun Monate Übungen vollziehen. Das alles soll nun nach Ihrer Auffassung geändert werden. Ich bin der Auffassung, daß man eine solche Vergünstigung gegenüber der Bundeswehr - so möchte ich sie bezeichnen -, die man hier für Kriegsdienstverweigerer einführen will, nicht einführen sollte, sondern daß man .diese Leute in gleicher Weise behandeln sollte. Ich will nicht von fortlaufender Bestrafung reden. Das soll in gar keiner Weise ,gemacht werden. Es muß aber doch auch endlich einmal gesagt werden, daß diesen Kriegsdienstverweigerern, die praktisch jede staatliche Ordnung ablehnen, klargemacht werden muß, daß sie sich - wenn sie in dieser Gemeinschaft leben und wenn die Gemeinschaft für sie sorgen soll - umgekehrt aber auch in der Gemeinschaft in diese Ordnung zu fügen haben.
({5})
Das möchte ich einmal ganz klar gesagt haben. Anders geht es doch wirklich nicht. Wir haben uns schließlich alle der Ordnung zu fügen.
({6})
- Art. 4 des Grundgesetzes wird ganz genau beachtet. Nach einer anderen Bestimmung des Grundgesetzes ist die Regierung dazu verpflichtet, Vorschläge zu machen, wie der Ersatzdienst geleistet werden soll, und hierzu sind Vorschläge gemacht worden. Ersatzdienstpflichtige, die 18 Monate Dienst tun sollen, können sich sogar noch freiwillig melden und ihre Wünsche äußern, in welchen Häusern sie untergebracht werden wollen. Sie können in den Krankenhäusern Dienst am Kranken verrichten und in den Universitätskliniken und sonstigen Pflegeanstalten Dienst tun. Aber auch ,der Dienst in diesen Häusern wird von den Kriegsdienstverweigerern abgelehnt. Sie wollen ihn nicht ableisten. Es sind zwar nur verhältnismäßig wenige; etwa ein Drittel der anerkannten Kriegsdienstverweigerer haben bisher ihre Dienstleistung verrichtet.
Sie sind nun der Meinung, daß man diesen Dingen Rechnung tragen müsse. Ich möchte Ihnen einmal sagen, wie es in anderen Staaten ist. Sie wissen auch, daß in Belgien gesetzlich eine Bestrafung unbegrenzt möglich ist, daß in Frankreich eine Bestrafung gesetzlich und tatsächlich für die Dauer der Wehrpflichtzeit unbegrenzt möglich ist, daß in den Niederlanden eine Bestrafung gesetzlich unbegrenzt möglich ist. Tatsächlich dauert die Vollstrekkung so lange, bis 18 Monate Wehrdienst erreicht sind. In Italien gibt es Bestrafungen, in den USA gleichfalls. Nur Sie möchten den Kriegsdienstverweigerern etwa mit einer Geldstrafe, einer Ehrenhaft oder mit einer Einschließung entgegenkommen.
Das sind doch die Dinge, die in Ihren Anträgen stehen.
({7})
- Ich habe es gelesen und weiß sehr wohl, was drinsteht.
Ich bin .der Auffassung, daß man auf diesem Gebiete bei den Kriegsdienstverweigerern keine Ausnahmen machen kann und daß man sie nicht anders stellen kann als diejenigen, die nun bei der Bundeswehr ihre Pflicht zu erfüllen haben. Im Grunde ist es doch so: Oberstes Gebot muß es sein, beim zivilen Ersatzdienst kein Sonderrecht zu schaffen. Der Ersatzdienst ist Erfüllung der alle männlichen Staatsbürger treffenden allgemeinen Wehrpflicht. Das muß doch einmal ganz klar herausgestellt werden. Es ist nicht einzusehen, warum 0,4 % von ihnen deutlich bessergestellt werden sollen, während die restlichen 99,6 % schlechter gestellt sind.
Von den Zeugen Jehovas wird gesagt, daß sie diesen Dienst verweigern und nicht daran denken, ihn zu leisten. Man sagt, sie glaubten, man wolle sie zu Märtyrern machen. Das stimmt gar nicht. Wir wollen sie nicht dazu machen, sondern wir wollen diese Menschen nicht anders behandeln als unsere Soldaten bei der Bundeswehr. Wir wollen nicht, daß der eine zur Bundeswehr gehen muß und dort 18 Monate Dienst plus 9 Monate Übungen ableistet, während der andere glaubt, mit einer Geldstrafe oder mit einer kurzen Einschließung davonkommen zu können. Ich glaube, das verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das sollte man nicht tun.
Sie mögen für Ihre Haltung Ihre Gründe' haben; das soll uns gleich sein. Wir werden diese Gründe niemals anerkennen und werden aus diesem Grunde beide Anträge, die Sie gestellt haben, ablehnen.
Ich bitte das Hohe Haus, diese Anträge ablehnen zu wollen.
({8})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, das politische Leben ist immer interessant, und vor Überraschungen ist man nie sicher.
({0})
Ich war selten so überrascht, Herr Kollege Scheppmann, wie jetzt, nämlich darüber, daß die Herren Kollegen Güde und Kanka nicht nur nicht hier sind, sondern auch ihre Unterschriften unter dem Antrag zurückgezogen haben. Denn die Gründe, die sie dafür angegeben haben, betrafen Dinge, die schon vorher bei uns im Sonderausschuß Strafrecht in vollem Umfange bekannt waren.
({1})
Es würde mich reizen, auf Ihre Ausführungen, Herr Kollege Scheppmann im einzelnen zu entgegnen. Ich verzichte im jetzigen Augenblick wegen der vorgerückten Stunde darauf. Ich möchte aber das eine Grundsätzliche sagen - das dürfen Sie mir nicht übelnehmen -: Ihre Rede zeigt sehr wenig Verständnis für die Gewissensnöte anderer, zeigt sehr wenig Verständnis für solche Menschen, die lieber ihr Leben hingegeben haben, als ihrem Gewissen nicht zu folgen. Ich teile nicht die Auffassung der Zeugen Jehovas. Aber ich bin tolerant, so wie es dem Grundgesetz entspricht, und bin deshalb der Auffassung, daß man auch diesen.Menschen die Gewissensnot zubilligen kann.
Die 'Regelung, die der Sonderausschuß Strafrecht gefunden hatte, war von allen Parteien nach sehr langen, sehr reiflichen Überlegungen einstimmig beschlossen worden, und zwar in der Form, daß es zwölf Monate und nicht achtzehn Monate waren. Wenn ich auch den Änderungsantrag zu meinem eigenen Antrag nicht unterzeichnet habe, so unterstütze ich ihn aber in vollem Umfang. Der Antrag, der 18 Monate vorsah, war ein Kompromißvorschlag gegenüber manchen Einwendungen. Aber es sind im Arbeits ausschuß Dinge miteinander verglichen worden, die überhaupt nicht vergleichbar sind.
({2})
Ich unterstreiche damit jedes Wort, das Herr Kollege Jahn gesagt hat. Er hat die einmütige Auffassung des Sonderausschusses Strafrecht zum Ausdruck gebracht. Wir können nicht warten, bis eine generelle Regelung für das gesamte Strafrecht kommt. Die Bestimmtheit der Strafbestimmung erfordert, daß wir eine gesetzliche Regelung treffen und uns nicht mit Verwaltungsmaßnahmen und der Bereitschaft zum Maßhalten bei Verwaltungsmaßnahmen einverstanden erklären, die jederzeit geändert und widerrufen werden können. Das Arbeitsministerium hat ausdrücklich erklärt, daß es die Möglichkeit der Abweichung von dieser Praxis behalten wolle. Deswegen ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Sie können sich auch nicht auf den Bundesrat berufen. Seien wir als Abgeordnete fortschrittlich! Handeln wir auf alle Fälle im Geiste unseres Grundgesetzes, besonders des Art. 4, im Geiste der Toleranz und der Achtung vor der Gewissensnot auch der Menschen, die anderer Auffassung sind. Ich bitte daher um Annahme der Änderungsanträge.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete von Haniel-Niethammer.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht ganz kurz und ganz plastisch denjenigen Kollegen, die sich mit der Materie nicht so befaßt haben, sagen, worum es bei dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst geht und welches Anliegen die CDU und CSU und wohl auch Teile der FDP vertreten.
Der moralische Grund, warum wir das Kriegsdienstverweigerungsrecht grundsätzlich anerkennen, liegt darin, daß der Kriegsdienst unter Umständen zum Töten zwingen kann. Diejenigen, denen das
Kriegsdienstverweigerungsrecht zugebilligt wird, müssen einen zivilen Ersatzdienst von der gleichen Dauer wie der Wehrdienst - nämlich 18 Monate
- leisten. Dieser zivile Ersatzdienst steht in keiner Weise - auch nicht indirekt, wie es manchmal so polemisch in einer gewissen Öffentlichkeit verbreitet wird im Dienst der Wehrpflicht. Es geht
darum, daß die Leute in Krankenhäusern, in Heil-und Pflegeanstalten, bei den Ärmsten der Armen Dienst tun sollen und daß sie dort ihre christliche Nächstenliebe betätigen können. Wenn sie sich weigern, dieser zivilen Ersatzdienstpflicht nachzukommen, sollen sie genauso behandelt und bestraft werden, wie ein Wehrpflichtiger, der seiner Wehrpflicht nicht nachkommt.
({0})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung für die Änderungsanträge, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 615, der eine Änderung der Ziffer 1 des Änderungsantrags auf Umdruck 609 herbeiführen will. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
- Nein, das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffer 1 des Umdrucks 609. Wer diesem Antrag zustimmen
will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Hier ist die Situation etwas anders. Gegenprobe bitte! Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen über die Nr. 4 in der neuen Fassung ab. Wer dieser Nr. 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die gleiche Mehrheit wie vorhin; Nr. 4 ist angenommen.
({1})
- Entschuldigen Sie. Nehmen Sie es mir nicht übel; ich bin auch etwas müde wie Sie. Die Gegenprobe! ({2})
- Wir wiederholen die Abstimmung durch Aufstehen. Wer der Nr. 4 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe!
({3})
Ich entscheide, daß das erste die Mehrheit war; Ziffer 4 ist angenommen.
({4})
Wir fahren in der Abstimmung fort.
({5})
Ich rufe auf die Nrn. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 'F1, '12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25. Wer den aufgerufenen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein 'Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Die aufgerufenen Nummern sind angenommen.
Zu Nr. 26 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 609 ({6}) vor. Er ist bereits begründet.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe 'bitte! - Das ist die gleiche Situation wie vorhin; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen ab über die Nr. 26 in der neuen Fassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die gleiche Mehrheit wie vorhin.
Ich rufe auf die Nr. 27. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe bitte! - Das erste war die Mehrheit; Nr. 27 ist angenommen.
Ich rufe auf Nr. 28. Hier liegt auf Umdruck 609 ({7}) Ziffer 3 ein Änderungsantrag vor. Er ist bereits begründet. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe!
- Dieselbe Mehrheit wie vorhin; der Antrag ist angenommen.
({8})
- Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, warum Sie lachen. Ich habe die Absicht, die zweite Beratung dieses Gesetzes ohne Pannen zu Ende zu führen. Vielleicht verstehen Sie nun besser. Ich stelle fest: Der Änderungsantrag ist angenommen.
Wir stimmen über Nr. 28 in der neuen Fassung ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Nr. 28 in der neuen Fassung ist angenommen.
Ich rufe auf die Nrn. 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37. Wer diesen aufgerufenen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! ({9})
Enthaltungen? - Meine 'Damen und Herren, jeder kann nach seinem Gewissen abstimmen. Das wollen wir akzeptieren. Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Nummern sind angenommen.
Ich rufe nun auf Art. 2, Art. 3, Art. 4, Art. 5, Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Die aufgerufenen Artikel, Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen.
Herr Abgeordneter Wagner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben angenommenen Änderungen machen, so denke ich, eine nochmalige Überprüfung und Beratung in den Fraktionen notwendig. Ich beantrage deshalb, gemäß § 85 der Geschäftsordnung die dritte Beratung heute abzusetzen.
({0})
Ich glaube, diesem Fristeinspruch muß das Haus folgen. Die dritte Beratung ist also ausgesetzt.
Vizepräsident Schoettle
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) ({2}).
({3})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Pohlenz. Ich nehme an, das Haus begnügt sich mit dem Schriftlichen Bericht. - Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf Art. 1, - Art. 1 a, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes ({4}).
Eine Begründung seitens der Bundesregierung wird nicht gegeben.
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Das Gesetz soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. - Diesem Überweisungsantrag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag vom 21. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Äthiopien über die Entschädigung für das deutsche Vermögen in Äthiopien ({5}) .
Eine Begründung wird nicht gegeben.
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. Das Wort wird nichtgewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Das Gesetz soll überwiesen werden an den Finanzausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für ,auswärtige Angelegenheiten. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 ({6}) und zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 ({7}) .({8}).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Das Gesetz soll an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen werden. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Dezember 1962 über den Schutz des Lachsbestandes in der Ostsee ({9}).
Eine Begründung erfolgt nicht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - sowie .an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau
({10}).
Eine mündliche Begründung wird nicht gegeben. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Wirtschaftsausschuß - federführend -, an den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste Beratung des von den .Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Haftungshöchstbeträge nach dem Straßenverkehrsgesetz ({11}).
Vizepräsident Schoettle
Eine Begründung wird nicht gegeben. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Das Gesetz soll überwiesen werden an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Artzinger, Leicht, Beuster, Dr. Koch, Dr. Imle, Frau Funcke ({12}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ({13}).
Eine Begründung erfolgt nicht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; das Haus beschließt so.
Ich rufe auf Punkt 15:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Ruhensvorschriften in der gesetzlichen Rentenversicherung
und in der gesetzlichen Unfallversicherung ({14}).
Eine Begründung erfolgt nicht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - sowie an den Haushaltsausschuß ,gemäß § 96 der Geschäftsordnung und zur Mitberatung überwiesen werden. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 16:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. zentrales Institut zur Ausbildung und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten ({15}).
Dieser Antrag wird nicht begründet. Eine Aussprache wird nicht gewünscht.
Die Vorlage soll an den Rechtsausschuß überwiesen werden. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 6. Mai, 14.30 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.