Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Der Herr Abgeordnete Bartsch hat gestern seinen 60. Geburtstag gefeiert. Ich darf ihm die besten Wünsche des Hauses aussprechen.
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Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat am 16. März 1965 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. Oktober 1959 über die Übertragung von Aufgaben auf das Bundesverwaltungsamt berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3231 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 18. März 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Reinhard, Balkenhol, Struve, Bauknecht, Glüsing ({1}) und Genossen betr. Lage der deutschen Geflügelwirtschaft - Drucksache IV/3089 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3222 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 22. März 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. von Merkatz, Dr. Meyer ({2}), Freiherr von Mühlen und Genossen betr. Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Großbritannien - Drucksache IV/3139 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3237 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 173. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. März 1965 gestellten Fragen des Abgeordneten Seibert Nr. VIII/9 und VIII/10 ist inzwischen ,die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 18. März 1965 eingegangen:
Bei selbständig Tätigen werden seit jeher Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Betriebsausgaben berücksichtigt. Arbeitnehmer haben seit 1955 die Möglichkeit, ihre Kosten für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten geltend zu machen. Bis 1954 konnten für derartige Fahrten Kraftfahrzeugkosten nur in Ausnahmefällen abgezogen werden. Das hing damit zusammen, daß bis 1954 nur die notwendigen Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten waren und die Rechtsprechung bei Arbeitnehmern die Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte regelmäßig verneinte. Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 ist die Beschränkung des Werbungskostenbegriffs auf die notwendigen Fahrtkosten fallengelassen worden. Hierfür war die Überlegung bestimmend, daß Arbeitnehmer in bezug auf die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht schlechter gestellt werden sollten als selbständig Tätige.
Selbständig Tätige können ihre tatsächlichen Kosten für Betriebsausgaben ansetzen. Für Arbeitnehmer gilt eine Pauschbetragsregelung.
Die als Werbungskosten anzusetzenden Pauschbeträge für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs sind so bemessen, daß sie die tatsächlichen durchschnittlichen Aufwendungen bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung abgelten. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Anwendung der Pauschbeträge in einzelnen Fällen für den Arbeitnehmer im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten günstiger, während sie in anderen Fällen auch ungunstger sein kann. Solche Auswirkungen liegen im Wesen eine; jeden Pauschbetrags, der aus einem Durchschnitt errechnet ist Von einer besonderen steuerlichen Förderung der Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs kann deshalb aber nicht gesprochen werden. Überdies wirken sich die Pauschbeträge bei der großen Masse der Arbeitnehmer so aus, daß die Steuerersparnis ({3}) nur etwa 21 v. H. des Betrages ausmacht, der den Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM im Kalenderjahr übersteigt.
Die Berücksichtigung der Kosten eines eigenen Kraftfahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ({4}) als Werbungskosten ({5}) führt zu Steuermindereinnahmen für Bund und Länder von insgesamt ca. 550 Mio DM jährlich. Davon entfallen auf die Lohnsteuerpflichtigen 300 Mio DM und auf die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen 250 Mio DM.
Wir beginnen mit der
Fragestunde ({6}).
Die erste Frage ist die Frage - des Herrn Abgeordneten Mischnick - aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Liberal-Demokratische Partei und die Christlich-Demokratische Union vom Zeitpunkt ihrer Gründung in der Sowjetzone an kommunistisch oder kommunistisch beeinflußt waren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist nicht dieser Meinung. Es muß vielmehr in die Erinnerung zurückgerufen werden, daß sich in den ersten Jahren hervorragende Männer in beiden Parteien bemüht haben, der kommunistischen Gleichschaltung in Mitteldeutschland zu widerstehen. Daß es Schließlich doch nicht gelang, die Christlich-Demokratische Union und die Liberal-Demokratische Partei Mitteldeutschlands vor der kommunistischen Unterwanderung zu bewahren, ist nicht die Schuld der Männer, sondern das Ergebnis der übermächtigen Entwicklung unter dem Protektorat der sowjetischen Besatzungsmacht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mischnick.
Herr Minister, sind Sie bereit, auf das Bundesverteidigungsministerium einzuwirken bzw. durch Ihre Referenten klarstellen zu lassen, daß in Zukunft im Fragebogen diesbezügliche pauschalierende, diffamierende Fragen in dieser Beziehung unterbleiben?
Ich habe an das Bundesverteidigungsministerium einen diesbezüglichen Brief geschrieben und gebeten, die Fragebogen so zu ändern, daß diskri8746
minierende Ausdeutungen nicht mehr möglich sein werden.
Herr Abgeordneter Schwabe zu einer Zusatzfrage.
Erlauben Sie mir die Frage, ob für dieses Gespräch etwa in Frankfurt keine Zeit mehr war?
Ich glaube, Herr Kollege, daß es nicht im Sinne dieses Hauses liegt, eine parlamentarische Institution, nämlich die Fragestunde, durch Abgeordnete selbst zu diskriminieren.
Ich bin doppelt engagiert. Ich möchte nichts dazu sagen. Aber ich bitte doch, die Dinge jetzt nicht in dieser Form zu behandeln.
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Bitte Herr Abgeordneter Mommer!
Herr Minister, glauben Sie mit mir, daß es äußerst unfair ist, wenn überhaupt jemand in der Bundesrepublik gegenüber der Liberal-Demokratischen Partei, gegenüber der ChristlichDemokratischen Union und auch gegenüber Sozialdemokraten in der Zone, die in die Fusion gezwungen wurden, den Vorwurf erhebt, da hätten sich Liberale, Christliche Demokraten oder Sozialdemokraten zum Kommunismus bekannt?
Herr Kollege Mommer, Sie unterstreichen durch Ihre Zusatzfrage, wie notwendig es ist, hier vor dem Parlament klarzustellen, daß niemand in der Bundesrepublik auch nur auf den Gedanken kommen sollte, den hervorragenden Männern, die damals dem Kommunismus Widerstand geleistet haben, irgendeine Hilfe für den Kommunismus zu unterstellen, mögen sie nun bei der Sozialdemokratischen Partei, bei der Christlich-Demokratischen Union oder bei der Liberal-Demokratischen Partei seinerzeit gegen die Gleichschaltung gekämpft haben. Aber da das nun einmal in einem Fragebogen eines Bundesministeriums, nämlich des Bundesministeriums für Verteidigung, zu lesen war, schien es doch richtig, hier vor dem Parlament jeglicher Mißdeutung entgegenzutreten und die Wiederholung solcher Ungeschicklichkeiten wenigstens für die Zukunft auszuschließen.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie bereit sein, in diesem Sinne, den ich für richtig halte, auf die beiden Parteien, die die Koalition tragen, einzuwirken, damit diese Dinge auch im Wahlkampf unmöglich sind?
Es kann nicht die Aufgabe des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen sein den Parteien Richtlinien für den Wahlkampf zu geben.
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Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie im Kabinett darauf hingewirkt, daß diese politische Frage in dem Sinne entschieden wird, daß es dem Verteidigungsministerium untersagt wird, in Zukunft einen solchen Fragebogen aufzustellen?
Es gibt nach der Geschäftsordnung 'des Kabinetts keine Möglichkeit, einem Ministerium oder einem Minister etwas zu untersagen.
({0})
Es gibt aber den Hinweis des Ministers für gesamtdeutsche Fragen in einem Brief, daß es nicht im gesamtdeutschen Interesse liegt, durch solche Fragen Mißdeutungen über die Geschichte der Parteien Mitteldeutschlands und ihr Wirken entstehen zu lassen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Minister. Haben Sie diesen Brief geschrieben, oder werden Sie diesen Brief schreiben?
Herr Kollege Schäfer, den Brief habe ich geschrieben, wie ich eingangs sagte.
Haben Sie auch Antwort?
Da ich den Brief erst geschrieben habe, nachdem diese Frage gestellt worden war, ist es schon rein geschäftsordnungsmäßig nicht möglich gewesen, mir auch bereits eine Antwort zuzuleiten. Der Brief ist erst vor wenigen Tagen hinausgegangen.
Werden Sie uns von der Antwort unterrichten?
Soweit Sie eine Frage stellen, Herr Kollege Schäfer, wird selbstverständlich in der Fragestunde auch die Antwort erfolgen. Sie sind aber auch in der Lage, an den Verteidigungsminister selbst die Frage zu richten, wie es zu solchen Fragebogen gekommen ist.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und
Vizepräsident Dr. Dehler
Forsten. Zunächst die Frage II/1 - der Abgeordneten Frau Meermann Wie kommt es, daß seit Oktober 1964 die Erzeugerpreise des Schweinefleischs zwar zurückgegangen, die Verbraucherpreise aber gestiegen sind?
Zunächst darf ich bemerken, daß die Erzeugerpreise für Schweine seit Oktober 1964 nicht ständig gesunken und die Verbraucherpreise für Schweinefleisch in dem gleichen Zeitraum nicht ständig gestiegen sind. Nach .den Feststellungen meines Hauses sind die Schweinepreise im Durchschnitt aller Klassen - umgerechnet auf Kilogramm Schlachtgewicht - vom Oktober zum November 1964 von 3,09 DM auf 3,29 DM gestiegen, anschließend bis zum Februar 1965 wieder auf 3,10 DM gesunken; seit März 1965 steigt dieser Erzeugerpreis wieder.
Die Schweinefleischpreise sind im Durchschnitt aller Teilstücke je Kilogramm vom Oktober 'bis zum Dezember 1964 von 5,08 DM 'auf 5,15 DM gestiegen, hielten sich im Januar 1965 auf dieser Höhe und sanken im Februar 1965 auf 5,05 DM.
Sie fragen nach den Gründen für diese Preisbewegung. Dazu ist grundsätzlich zu sagen: Die Vieh-und Fleischpreise werden nicht staatlich festgesetzt, sie entwickeln sich nach den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, daß sich die Erzeugerpreise für Vieh anders bewegen als die Verbraucherpreise für Fleisch. Das kann zum Teil damit erklärt werden, daß das verarbeitende Gewerbe auf die Preisentwicklung an den Viehmärkten langsamer reagiert. Es ist auch möglich, daß innerbetriebliche Kostensteigerungen bei anderen Fleischarten über die Schweinefleischpreise ausgeglichen werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Minister, haben sich nicht durch umfangreiche Exportlieferungen die Auswirkungen des Schweineberges nur sehr langsam bis zum Verbraucher durchsetzen können?
Das ist nicht anzunehmen, Frau Kollegin. In diesem Jahr werden etwa 24 Millionen Schweine geschlachtet, während wir eine Exportquote von etwa 150 000 Schweinen halben. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Quote von 150 000 Schweinen bei 24 Millionen Schlachtungen einen nennenswerten Einfluß ausübt.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Minister, halten Sie es für denkbar, daß man bei einer ständig fortgesetzten Durchleuchtung der Preisentwicklung vom Erzeuger bis zum Verbraucher, wie es auch für andere landwirtschaftliche Produkte gut wäre, besser beobachten könnte, ob sich Senkungen der Erzeugerpreise in angemessener Zeitspanne auch auf den Verbraucherpreis auswirken?
Diese Beobachtungen werden laufend in meinem Hause angestellt. Auch andere Stellen beschäftigen sich mit dieser Frage.
Bitte, eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Minister, haben Sie davon gehört, daß Fleischer die hohen Rindfleischpreise dadurch herunterkalkulieren, daß sie die Schweinefleischpreise heraufsetzen, so daß die Hausfrauen, die billiges Schweinefleisch kaufen wollen, gleichzeitig ein bißchen das teure Beefsteak ihres Nachbarn mit (bezahlen?
Bis zu einem gewissen Grade habe ich Ihre Ausführungen, die Sie soeben gemacht haben, Frau Kollegin, im letzten Satz meiner Antwort berührt. Ich habe gesagt: Es ist auch möglich, daß innerbetriebliche Kostensteigerungen bei anderen Fleischarten über die Schweinefleischpreise ausgeglichen werden. Es ist schon so, daß die Schlächter Spitzen, die sich irgendwo auftun, vielfach dadurch zu brechen suchen, daß sie andere Fleischarten, die billiger sind, etwas stärker hinaufsetzen, um die Spitze nicht ganz wirksam werden zu lassen.
Ich rufe die Frage II/2 - der Abgeordneten Frau Meermann - auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den in Frage II/1 aufgezeigten Entwicklungen künftig vorzubeugen?
Die Bundesregierung ist nicht in der Lage und auch nicht bereit, in das freie Spiel der Marktkräfte auf dem Vieh- und Fleischsektor einzugreifen. Die Bundesregierung trägt jedoch durch exakte Preisfeststellungen und Preisveröffentlichungen zu einer Marktübersicht bei, die eine genaue Orientierung ermöglicht. Sie macht dabei je nach den Erfordernissen von ihren Möglichkeiten der Verbraucheraufklärung und der Offentlichkeitsarbeit Gebrauch. Auf Grund dieser Maßnahmen und bei den herrschenden Wettbewerbsverhältnissen können sich übertriebene Forderungen eines Gewerbezweiges nicht durchsetzen. Dieses marktpolitische System, aufgebaut auf der Grundlage der freien Marktwirtschaft für Vieh und Fleisch, ist jedem anderen System überlegen, und seine Vorteile kommen nicht zuletzt dem Verbraucher zugute.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu der Frage des Herrn Abgeordneten Dürr aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen:
Vizepräsident Dr. Dehler
Aus welchen Gründen verlangt die Deutsche Bundespost bei der Ausgabe eines neuen örtlichen Fernsprechbuchs die Rückgabe des dadurch veralteten Exemplars?
Der Fragesteller ist nicht im Saale. Wird die Frage übernommen? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Ich rufe die Frage IV/1 - der Abgeordneten Frau Freyh ({0}) - auf:
Hat die Bundesregierung mit den Bundesländern vorbereitende Gespräche über ein Verwaltungsabkommen über Ausbildungsförderung geführt, wie sie anläßlich der Berautng des zu diesem Thema eingebrachten Entschließungsantrags der Fraktion der SPD vom 9. Februar 1965 - Umdruck 548 - im Ausschuß für Familien-und Jugendfragen angekündigt wurden?
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Ich habe am 13. Februar und am Aschermittwoch mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz eine Aussprache über das Thema Ausbildungsbeihilfen über ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern gehabt.
Herr Präsident, ich könnte eigentlich gleich zur Beantwortung der zweiten Frage übergehen.
Einverstanden. Ich rufe also jetzt die Frage IV/2 - der Abgeordneten Frau Freyh ({0}) - auf:
Zu welchem Ergebnis haben die in Frage IV/1 erwähnten Ge- spräche geführt?
Das Ergebnis dieser Besprechungen war, daß der Präsident der Kultusministerkonferenz dieses Problem bei der nächsten Konferenz der Kultusminister zur Beratung stellen will und daß der Bundeskanzler, obwohl der Antrag der SPD-Fraktion - Umdruck 548 - ja vom Parlament noch nicht verabschiedet ist, diese Frage bei seinem nächsten Zusammentreffen mit den Ministerpräsidenten der Länder besprechen und beraten will.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, läßt sich schon beurteilen, wie die Haltung der einzelnen Bundesländer zu diesem Verwaltungsabkommen aussehen wird?
Ich habe lediglich eine Aussprache mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz gehabt. Aus dieser Aussprache läßt sich nicht ablesen, wie die Haltung der einzelnen Bundesländer sein wird. Aber Sie wissen ja, daß die „kleine Ausbildungszulage" im Rahmen des Familienlastenausgleichs bei der Beratung der Novelle zum Kindergeldgesetz im Rechtsausschuß des Bundesrates dem verfassungsrechtlichen Verdikt der Länder mit knapper Not - das Abstimmungsergebnis war 5:5 - entgangen ist.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, welche inhaltliche Abgrenzung haben Ihre Gespräche mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz gehabt?
Frau Kollegin, ich halte es für den weiteren Gang der Verhandlungen nicht für förderlich, wenn den übrigen Kultusministern über den Inhalt dieser Besprechungen auf dem Wege über die Presse Nachricht zuginge.
Frau Abgeordnete Freyh, noch eine Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie die Chance des Zustandekommens eines solchen Abkommens, auch zeitlich gesehen?
Das hängt von der Einstellung der einzelnen Bundesländer ab, d. h. davon, ob die verfassungsrechtliche Diskussion lange weitergeführt wird oder ob man gleich von Anfang an in die Sachdiskussion eintreten kann.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre erste Antwort so verstehen, daß Sie mit allen Ländern insofern Einverständnis erzielt haben, daß sie bereit sind, mit der Regierung über ein Verwaltungsabkommen zu verhandeln?
In keiner Weise; ich habe lediglich mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz gesprochen, und Herr Präsident Hahn hat zugesagt, daß er diese Frage auf der nächsten Konferenz der Kultusminister mit seinen Kollegen beraten will.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Haben Sie dabei schon konkrete Vorschläge gemacht, so daß über eine konkrete Vorstellung verhandelt werden kann?
Ich habe meine Vorstellungen dem Herrn Präsidenten Hahn gegenüber klar skizziert.
Aber nicht schriftlich?
Auch schriftlich.
Herr Abgeordneter Dr. Lohmar zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind die Vorschläge, die Sie dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz gemacht haben, mit den übrigen mit Wissenschafts- und Bildungsfragen befaßten Bundesressorts inhaltlich abgestimmt worden?
Noch nicht!
Herr Abgeordneter Behrendt zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß die Haltung der Länder gegenüber einem Verwaltungsabkommen an Stelle des hier verabschiedeten Bundeskindergeldgesetzes mit seinen Ausbildungszulagen anders sein kann?
Ich habe Ihre Frage nicht verstanden.
Herr Minister, wird die Haltung der Länder zu einem Verwaltungsabkommen über Ausbildungsförderung nicht anders sein als ihr Standpunkt zu den Ausbildungszulagen in dem hier verabschiedeten Bundeskindergeldgesetz?
Ich vermag das nicht zu übersehen. Auf alle Fälle war ich einigermaßen überrascht, daß die Länder zu einer Maßnahme, die im Rahmen des Familienlastenausgleichs nur nebenbei einen bildungspolitischen Charakter hat, verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet haben. Ich habe deshalb gewisse Sorgen, daß die Länder sich auf den Standpunkt stellen könnten, da der Bund - nach ihrer Auffassung - keine gesetzgeberische Kompetenz in dieser Sache hat, könne er auch keine Verwaltungskompetenz haben; mit anderen Worten, von der Länderseite könnte die Auffassung vertreten werden, das sei eine Angelegenheit, an der der Bund überhaupt nicht beteiligt werden solle.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.
Herr Minister, stimmen die Vorschläge, die Sie Herrn Präsidenten Hahn gemacht haben, inhaltlich im wesentlichen mit dem bereits seit längerem vorliegenden Referentenentwurf Ihres Hauses zu dieser Frage überein?
Ich möchte mich über den Inhalt meiner Vorschläge an Präsident Hahn hier nicht konkret äußern. Aber, Herr Kollege, Sie können natürlich davon ausgehen, daß die Vorschläge, die aus meinem Hause zu einem Verwaltungsabkommen gemacht werden, einen ähnlichen Charakter haben wie der Gesetzentwurf, der von der Bundesregierung unter der Federführung meines Hauses ausgearbeitet worden ist,
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen - Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer -:
Hat sich das Bundesgesundheitsministerium mit der Frage befaßt, ob Subventionen für den Tabakanbau mit dem Bemühen der Bundesregierung vereinbar sind, den Tabakkonsum einzudämmen?
Bitte, Frau Minister!
Herr Kollege, die Subventionen für den Tabakanbau werden den Zigarettenverbrauch, auf den es uns ja gesundheitlich vor allem ankommt, weder einschränken noch fördern. Aus der Inlandsproduktion stammen etwa 7% des Gesamtvolumens des Tabakverbrauchs. Hiervon wird wiederum nur etwa die Hälfte für Zigaretten verbraucht. Im übrigen sind die Subventionen für den Tabakanbau nicht von der Bundesregierung, sondern von Mitgliedern dieses Hohen Hauses beantragt worden.
Eine Zusatzfrage? Dr. Mommer ({0}) : Danke.
Ich komme nun zu den Fragen ,aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Frage VI/1 ist zurückgezogen worden.
Ich rufe auf die Frage VI/2 - des Abgeordneten Kahn-Ackermann -:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß durch die Haushaltskürzungen im Etat der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts keine lebenswichtigen Interessen der Bundesrepublik berührt werden?
Es ist in der Tat bedauerlich, daß aus haushaltspolitischen Gründen auch beim Kultur- und Schulfonds Kürzungen an den ursprünglich vorgesehenen Ansätzen für 1965 vorgenommen werden mußten. Die kulturpolitische Arbeit des Auswärtigen Amts erfährt dadurch unvermeidlicherweise gewisse Einschränkungen, während wir diese Arbeit gerade im jetzigen Zeitpunkt gern ausgedehnt und neue Aufgaben in Angriff genommen hätten. Es wäre aber übertrieben, anzunehmen, daß mit diesen Kürzungen lebenswichtige Interessen der deutschen Regierung berührt werden, zumal zu hoffen ist, daß die in Frage stehenden Kürzungen vorübergehender Natur sein werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist es nicht .so, daß durch diese Einsparungen in einer Reihe von Staaten zum mindesten auf dieser Ebene, ausgelöst durch Maßnahmen der sowjetisch besetzten Zone, auch Fragen unseres Alleinvertretungsrechtes berührt werden?
Herr Abgeordneter, wir bemerken in der Tat eine verstärkte Aktivität der SBZ auf kulturpolitischem Gebiet. Das muß sicherlich für uns ein Anlaß sein, unsere eigenen Anstrengungen zu vermehren. Wir müssen also sehr sorgfältig prüfen, wie wir das Geld, das uns verblieben ist und das ja immer noch ein recht ansehnlicher Betrag ist, so einsetzen können, daß wir Gefahren, die von dieser Seite her kommen, begegnen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf also Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, durch außerplanmäßige Bewilligungen dort, wo entscheidende Einbußen in diesem Jahr zu verzeichnen sein werden, den Status quo aufrechtzuerhalten?
Doch, Herr Abgeordneter, diese Möglichkeit haben wir durchaus im Auge, und wir wollen uns bemühen, auf diesem Wege doch noch hier und da eine gewisse Aufbesserung der Haushaltstage auf diesem Gebiet herbeizuführen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Huys.
Herr Staatssekretär, hat man vor, mit diesen Mitteln auch eine Zentralstelle für die Auslandsschulen zu schaffen?
Lahr, Staatssekretär des Auswärtigen Amts Herr Abgeordneter, das sind Pläne, die seit längerer Zeit erwogen werden. Im Augenblick geht es darum, daß ein Gutachten über die zweckmäßigste Form einer solchen Zentrale erstattet werden muß. Sobald dieses Gutachten vorliegt, werden Entscheidungen fallen.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie - nachdem Sie vorhin sagten, daß in Ihrem Hause Vorstellungen vorhanden sind, wie man verhindern kann, daß die Entwicklung hinter den Status quo zurückgeht - bereit, uns Ihre Vorstellungen unmittelbar schriftlich mitzuteilen, oder wären Sie bereit, den Haushaltsausschuß davon zu unterrichten?
Sicherlich werden wir das Parlament über untere Entscheidungen und Überlegungen auf dem laufenden halten. Ich möchte sagen, daß das vielleicht in erster Linie im Kulturpolitischen Ausschuß des Bundestages behandelt werden sollte.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Wann kann man mit einer solchen Vorlage oder einem solchen Bericht rechnen?
Dafür kann ich im Augenblick keinen Termin nennen, Herr Abgeordneter.
Frage VI/3 - des Abgeordneten Strohmayr -:
Bis wann ist mit dem Bau einer neuen deutschen Schule in Barcelona zu rechnen?
Das Auswärtige Amt kennt die Raumnot der Deutschen Schule in Barcelona und hofft, daß sich ein Neubau bald ermöglichen lassen wird. Angesichts der Vielzahl weiterer Schulbauvorhaben im Ausland von gleicher oder noch größerer Dringlichkeit kann jedoch ein genauer Termin für den Baubeginn nicht genannt werden. Dieser . wird wesentlich von der Höhe der Mittel abhängen, die dem Schulfonds des Auswärtigen Amts in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden.
({0})
Herr Abgeordneter Strohmayr zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß in Barcelona nach dem Kriege die erste deutsche Schule gebaut werden sollte, da sich in Barcelona die älteste und auch die größte deutsche Kolonie befindet und die alte Schule nach dem Kriege enteignet wurde?
Herr Abgeordneter, für Barcelona ist in den letzten Jahren einiges geschehen. In den Jahren 1956 und 1957 ist es, teils durch Anstrengungen des dortigen Schulvereins, teils aber auch mit Hilfe des Auswärtigen Amts, möglich gewesen, für diese Schule 900 000 DM zur Verfügung zu stellen. Infolgedessen sind später erst einmal andere Schulen in Spanien gefördert worden. Aber es ist richtig, daß wir, wenn uns wieder Mittel zur Verfügung stehen, an Barcelona denken sollten.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, kennen Sie die Deutsche Schule in Barcelona? Die beiden Villen, die nach dem Kriege gekauft wurden, sind - da sind Sie mit mir bestimmt derselben Meinung - als Schulgebäude einfach ungeeignet. Da wird den Interessen der deutschen Kinder nicht Rechnung getragen, aber auch nicht dem Ansehen der deutschen Kolonie in Barcelona, die - das möchte ich nochmals betonen - eigentlich ein ganz erstklassiger deutscher Kulturträger ist.
Ich darf Ihnen versichern, daß wir davon überzeugt sind, daß für Barcelona ,etwas geschehen muß. Ich muß aber wiederholen, daß es eine ganze Reihe von Fällen dieser Art in der Welt gibt und daß wir aus den Gründen, die ich in Beantwortung der vorigen Frage erwähnte, in unseren finanziellen Möglichkeiten gegenwärtig recht beengt sind.
Herr Abgeordneter Dr. Martin zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll, wenn die Bundesregierung einen Beschluß herbeiführte oder veranlaßte, nach dem alle anfallenden Minderausgaben für die Kulturpolitik im Ausland ebenso verwendet werden, wie es für den Ausbau der Hochschulen in Deutschland beschlossen worden ist?
Wir werden Ihre Anregung prüfen, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll, endlich einmal einen Prioritätsplan für den Schulbau und die Renovierung unserer Schulen im Ausland aufzustellen, da wir jedes Jahr vor derselben Situation stehen, daß ad hoc einmal hier, einmal dort eine der dringendsten Maßnahmen durchgeführt wird?
Ja, Herr Abgeordneter, ich glaube, das sollten wir tun.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, halten Sie nicht die Frage für berechtigt, warum das in den letzten zehn Jahren nicht längst geschehen ist?
Es sind natürlich immer Überlegungen angestellt worden, wie wir aus den Mitteln des Schulfonds die dringendsten Bedürfnisse decken können. Vor der gleichen Notwendigkeit stehen wir auch jetzt wieder. Ich verstehe Ihre Anregung so, daß man einen solchen Plan einmal auf weitere Sicht aufstellen sollte und daß dann vielleicht Anlaß sein könnte, die Mittel des Schulfonds im nächsten Jahr zu erhöhen. In diesem Sinne greife ich Ihre Anregung gern auf.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage VII/1 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Zu welchem Ergebnis haben die vom Bundesinnenminister in der 83. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 zugesagten Verhandlungen mit den Ländern über die Einführung der L-Besoldung geführt?
Herr Abgeordneter Sänger übernimmt die Frage. Bitte, Herr Minister!
Die bisherigen Verhandlungen mit den Ländern haben sich nicht auf eine L-Besoldung, sondern auf Stellenplanfragen konzentriert. Wie aber bisher zu erkennen war, ist bei den Ländern keine besondere Neigung für die Einführung einer besonderen L-Besoldung vorhanden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sänger.
Es ist aber doch wohl richtig, Herr Minister, daß einige Länder Maßnahmen getroffen haben, die eine Sonderbesoldung der Lehrer, eine bessere Besoldung, eine ungewöhnliche Besoldung, wenn Sie so wollen, vorgesehen haben. Gibt es nicht eine Möglichkeit, daß vom Bund her allgemeine Verhandlungen in der Richtung geführt werden, daß wir überall in der Bundesrepublik eine bessere Besoldung der Lehrer bekommen?
Wir werden zweifellos bei Fortsetzung der Verhandlungen auch auf diese Frage stoßen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, nachdem Sie nur allgemein ausweichend geantwortet haben, möchte ich konkret fragen: Haben Sie die Länder um eine Stellungnahme zur L-Besoldung gebeten, und wie haben die Länder konkret auf den Vorschlag geantwortet?
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wir hätten das ganze Verhandlungskonzept umstoßen müssen, wenn wir mit solchen Fragen begonnen hätten. Wir haben mit Stellenplanfragen begonnen, die ebenfalls in einem Auftrag des Hauses enthalten sind. Bei fortschreitender Beratung werden wir auch zu den Fragen der L-Besoldung kommen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Ich darf also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie die seinerzeit im Plenum gegebene Zusage bisher noch nicht erfüllt haben?
Bisher noch nicht!
Herr Abgeordneter Dr. Huys zu einer Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß durch die Besoldungsreformen in Niedersachsen und in Bayern, wo die Lehrer die Eingangsstufe A 11 bekommen haben, eine L-Besoldung schon vorweggenommen ist?
Das ist keine L-Besoldung, das ist eine Besoldungsverbesserung.
Herr Minister, wirkt sich diese Eingangsstufe der Volksschullehrer nicht auch auf die Verbesserung der Besoldung aller anderen Lehrer aus?
Das muß nicht absolut so sein.
Herr Abgeordneter Hübner zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, werden Sie bei der Behandlung dieser Frage in jedem Falle darum besorgt sein, daß die Einheitlichkeit unseres Besoldungssystems erhalten bleibt?
Davon können Sie überzeugt sein.
Ich rufe auf die Frage VII/2 - des Abgeordneten Strohmayr -:
Trifft es zu, daß einer Parlamentsdelegation von Zambia am
28. Februar d. J. auf dem Flughafen Koln-Wahn ein Einreisebzw. ein Durchreise-Sichtvermerk verweigert wurde, so daß die Parlamentarier Leipzig nur erreichen konnten, indem sie von Köln aus wieder zurück nach London und von dort über Prag und Ostberlin flogen?
Ich bitte, die Fragen VII/2 und VII/3 zusammenfassen zu dürfen.
Einverstanden! Ich rufe dann gleichzeitig die Frage VII/3 - ebenfalls des Abgeordneten Strohmayr - auf:
Hätte es nach den gesetzlichen Bestimmungen keine andere Moglichkeit gegeben, den in Frage VII/2 genannten Parlamentariern entgegenzukommen?
Nach einer Meldung der Grenzschutzstelle Flughafen Köln-Bonn ist es richtig, daß am 28. Februar dieses Jahres drei Staatsangehörige von Zambia ohne Sichtvermerk von London kamen, um zur Messe nach Leipzig weiterzureisen. Sie wollten einen Ausnahmesichtvermerk haben, der ihnen verweigert wurde. Die Reisenden sind daraufhin nach London zurückgeflogen. Der Grenzschutzstelle war nicht bekannt, daß es sich um Parlamentarier aus Zambia handelte.
Die Erteilung von Ausnahmesichtvermerken ist nicht gesetzlich, sondern durch Verwaltungsanordnungen geregelt. Es ist festgelegt, daß nur bei besonderen Ausnahme- und Härtefälle ein Ausnahmesichtvermerk erteilt werden darf. Im allgemeinen hat es dabei zu verbleiben, daß ein ordentlicher Sichtvermerk beantragt wird. Besondere Gründe, die für einen Ausnahmesichtvermerk gesprochen hätten, wurden nicht geltend gemacht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß angesichts unserer Bemühungen, bei den afrikanischen Völkern Verständnis für die besondere deutsche Situation zu wecken, ein Vorgehen mit mehr politischem Fingerspitzengefühl angebracht gewesen wäre?
Ich bin überzeugt, daß die Grenzschutzbeamten durchaus bereit gewesen wären, eine Ausnahme zu machen, wenn Sie volle Kenntnis von der Persönlichkeit der Beteiligten gehabt hätten. Diese Kenntnis ist ihnen aber nicht zuteil geworden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Bundesminister, ich glaube nicht, daß die Vertretung von Zambia nicht bekanntgegeben hat, daß es sich um eine Parlamentariergruppe handelt. Deswegen werden Sie mir wohl zustimmen, daß es besser und zweckmäßiger gewesen wäre, wenn die Dienststelle des Innenministeriums - in diesem Falle die Grenzschutzdirektion in Koblenz - sich auch noch mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung gesetzt hätte?
Herr Kollege Strohmayr, ich habe keinen Anlaß, an den Mitteilungen der Beamten zu zweifeln.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Minister, gibt Ihnen dieser Fall nicht Veranlassung, in die Dienstvorschriften aufzunehmen, daß in Zweifelsfällen solcher Art das Bundesinnenministerium oder das Auswärtige Amt um seine Entscheidung gebeten werden muß?
Herr Kollege Schäfer, ich bin überzeugt, daß es überhaupt nicht zu ,diesem Fall gekommen wäre, wenn die Herren nachgewiesen oder behauptet hätten, daß sie Parlamentarier sind. Dann hätten zweifellos ,die Beamten schon nach bisheriger Praxis die Ausnahmegenehmigung erteilt. Im übrigen muß ich sagen, daß eine lockere Praxis für Ausnahmesichtvermerke gar nicht angebracht ist, weil es viele Fälle gibt, wo das unter Umständen bedenklich sein könnte.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Darf ich meine Frage wiederholen, Herr Minister, ob Sie bereit sind, in die
Dienstvorschriften entsprechende Bestimmungen aufzunehmen, um solche Fälle für die Zukunft zu verhindern.
Herr Kollege Schäfer, ich müßte damit etwas zugeben, was nicht zutrifft, und das kann ich nicht; denn der Bericht lautet anders. Der Bericht lautet so, daß die Herren sich nicht auf ihre Eigenschaft als Parlamentarier bezogen haben. Die Angelegenheit ist ordnungsgemäß abgewickelt worden. Es besteht also kein Anlaß, etwas zu ändern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Bundesminister, hätte nicht auch die Annahme für die immerhin nicht ganz unerfahrenen Beamten nahegelegen, daß es - wenn es sich nicht um Parlamentarier handelt - möglicherweise Regierungsbeamte oder andere Beauftragte gewesen sein könnten, da normalerweise Privatpersonen aus Zambia kaum eine so weite Reise unternehmen?
Da es sich um eine Reise zur Leipziger Messe handelte, Herr Kollege Kahn-Ackermann, gibt es durchaus auch andere Überlegungen.
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Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Bundesminister, da es sich hier nicht um den einzigen Fall handelt, der in den letzten Jahren vorgekommen ist, möchte ich Sie nochmals fragen, ob Sie es nicht für zweckmäßig halten, die Bestimmungen in der Weise zu ändern, daß in Zweifelsfällen in Ihrem Hause oder im Auswärtigen Amt Rückfragen angestellt werden müssen.
Ich werde die Rückfragen veranlassen, die sich aus den Umständen als notwendig erweisen.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft sind insgesamt zurückgestellt.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zunächst die Frage IX/1 - des Abgeordneten Rollmann -:
Für wann sieht die Bundesregierung eine Erhöhung des seit dem 1. April 1957 nicht mehr erhöhten Hauptbetrages aus dem Arbeitslosengeld vor?
Ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Rollmann zusammen beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Frage IX/2 - des Abgeordneten Rollmann -:
Für wann sieht die Bundesregierung eine Erhöhung des seit dem 1. April 1957 nicht mehr erhöhten Hauptbetrages aus der Arbeitslosenhilfe vor?
Die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe richtet sich grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielt hat. Lohnerhöhungen bewirken infolgedessen auch hier höhere Leistungen. So wurde z. B. der Hauptbetrag des Arbeitslosengeldes für männliche Arbeitnehmer Ende Februar 1957 nach einem durchschnittlichen Wochenarbeitsentgelt von 90 DM, Ende Februar 1964 nach einem durchschnittlichen Wochenarbeitsentgelt von 149 DM bemessen. Ähnlich ist es in der Arbeitslosenhilfe, wo die entsprechenden Zahlen 79 DM und 127 DM lauten. Die Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit passen sich also, sofern das Entgelt die zur Zeit bestehende Leistungsbemessungsgrundlage von 750 DM monatlich nicht überschreitet, ohne besondere Maßnahmen dem Steigen der Löhne und damit unter anderem dem Steigen der Lebenshaltungskosten an. Ob das Verhältnis des Hauptbetrages zum vorher erzielten Arbeitsentgelt verbessert werden muß, lassen wir zur Zeit prüfen. Die Frage ist auch schon mit den Sozialpartnern erörtert worden. Wir setzen diese Gespräche fort. Vorschläge sollen den gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen einer kleinen Novelle zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung so bald wie möglich in der nächsten Legislaturperiode vorgelegt werden.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Reichmann - auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die voraussichtlichen Auswirkungen der vermögenswirksamen Tarifvereinbarungen der Tarifpartner in der Bauwirtschaft auf die Preisentwicklung in der Bauwirtschaft und auf die Gesamtpreisstabilität?
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, begrüßt den Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen, den die Bauwirtschaft abgeschlossen hat. Sie ist der Auffassung, daß es zur Stabilisierung der Preise beiträgt, wenn Lohnerhöhungen zum Teil gespart und damit dem unmittelbaren Verbrauch entzogen werden. Wenn alle Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft ihrerseits die 2 Pf Eigenleistung aufbringen und damit den Arbeitgeber zur Zahlung von 9 Pf vermögenswirksame Zuwendungen je Arbeitsstunde veranlassen, so könnte das im Jahre 1966, also bei Inkrafttreten des Tarifvertrages, eine Kostenerhö8754
Staatssekretär Claussen
hung von schätzungsweise 0,4% des Umsatzes des Baugewerbes bedeuten.
Diese Maximalrechnung setzt voraus, daß die vermögenswirksamen Leistungen der Bauwirtschaft zu 100% zusätzlich zum Barlohn gegeben würden, also nicht bei den Tarifverhandlungen in irgendeiner Weise bei der Erhöhung des Barlohnes berücksichtigt worden sind. Bei 0,4% des Umsatzes besteht von der Kostenseite her kein Anlaß, die Preise zu erhöhen. Die Preise werden im übrigen in erster Linie durch die Marktlage bestimmt und erst in zweiter Linie durch die Kosten. Wenn also in der Bauwirtschaft die Marktlage für Preiserhöhungen so günstig wäre, brauchten die Unternehmer nicht erst die Zahlung vermögenswirksamer Leistungen im Jahre 1966 abzuwarten, ehe sie die Preise erhöhen. Anlässe oder Vorwände ließen sich genügend finden.
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß vermögenswirksame Leistungen von 0,4% des Umsatzes Preiserhöhungen in der Bauwirtschaft veranlassen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie dann der Meinung, daß diese zusätzlichen vermögenswirksamen Leistungen aus den Erträgnissen aufgebracht werden können und nicht auf den Preis abgewälzt werden müssen?
Diese Lohnerhöhungen müssen ja nicht immer auf den Preis abgewälzt werden. Es gibt auch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen; die Bauwirtschaft hat ja auch die ganzen Rationalisierungseffekte verfrühstückt.
({0})
Infolgedessen sind nach Auffassung der Bundesregierung eine ganze Reihe von Möglichkeiten vorhanden, eine so geringe Zunahme, die in diesem Umfang wahrscheinlich nicht sofort eintreten wird, durchaus selber aufzubringen.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung die Eigenleistung bei der Vermögensbildung für besser hält als eine Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ohne Eigenleistung?
Das hängt damit nicht zusammen, Herr Abgeordneter. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß Eigenleistungen und Leistungen des Arbeitgebers im Rahmen des Vermögensbildungsgesetzes durch die Tarifvertragsparteien entsprechend ausgehandelt werden sollten.
Weil die Lohnformel zu phantasielos geworden ist, müssen mehr Elemente in die Lohnformel hineinkommen.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung unter Umständen bereit, diesen Gedanken auch in die Gesetzesüberlegungen, die im Augenblick bestehen, hineinzutragen?
Ich würde das für unzweckmäßig halten, Herr Abgeordneter. Wenn wir in einer lebendigen Demokratie der Meinung sind, daß die Tarifvertragsparteien autonom -unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls - ihre Angelegenheiten regeln sollen, können sie auch darüber entsprechende Vereinbarungen treffen, und der Gesetzgeber braucht es nicht zu tun.
({0})
Ich rufe auf die Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Sieht die Bundesregierung in der „Automation" eine überwiegend innerbetriebliche Frage oder eine gesellschaftspolitische Aufgabenstellung ganz neuer Art?
Herr Abgeordneter, ich möchte auf Ihre erste Frage antworten: sowohl - als auch. Denn jede technische Entwicklung hat Folgen für den Betrieb und für die Ordnung der Gesellschaft.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie die Automation und diesen ganzen Prozeß nur als eine technische Entwicklung in der Reihe vieler anderer betrachten?
Nein! Ich. sage ja: eine technische Entwicklung, die wie alle technischen Entwicklungen, z. B. die Entwicklung der Eisenbahn, auch auf das gesellschaftliche Leben besondere Einflüsse hat.
Herr Staatssekretär, welche Abteilung und wieviel Beamte und Angestellte - vielleicht interministeriell - beschäftigen sich mit diesen Fragen, die mit der Automation zusammenhängen?
Herr Abgeordneter, man kann die Automatisierung, wie ich lieber sage, nicht als einen Einzelvorgang betrachten -wie Sie es ja auch nicht wollen. Infolgedessen beschäftigen die verschiedenen Aspekte dieses Vorgangs verschiedene Ressorts und verschiedene Abteilungen in diesen Ressorts.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, können Sie schon sagen, in welche Richtung die Bundesregierung hinsichtlich der Lösung 'dieser gesellschaftspolitischen Aufgaben denkt, die sich aus der Automation ergeben?
Ich glaube, Herr Abgeordneter, diese Frage ist so allgemein und hat so weitgehende allgemeine Konsequenzen, daß eine eindeutige Antwort nicht möglich ist. Ich selber bin aber der Meinung, daß wir uns im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung auf die klassenlose Leistungsgesellschaft hin bewegen.
Ich rufe auf die Frage IX/5 - des Abgeordneten Dröscher -:
In welcher Weise wird die Bundesregierung die Ergebnisse der 2. Internationalen Arbeitstagung über Rationalisierung, Automatisierung und technische Fortschritte der IG Metall „Automation - Risiko und Chance" auswerten?
Die Bundesregierung hat es sehr begrüßt, daß sich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit den Fragen des technischen Fortschritts und insbesondere der Automation eingehend befaßt haben; denn sie sind ja die zunächst unmittelbar Beteiligten. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß ein solches Vorgehen auch unserer demokratischen Ordnung entspricht. Deswegen hat sie auch an der von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnten Tagung mitgewirkt und von der ihr gebotenen Gelegenheit gerne Gebrauch gemacht, um darzulegen, was sie auf diesem Gebiete bisher getan hat und was sie noch zu tun beabsichtigt. Alle Anregungen und Vorschläge, die auf diesen Tagungen, insbesondere auch der Gewerkschaft der Metallarbeiter, gemacht worden sind, werden von den zuständigen Ressorts mit aller Sorgfalt geprüft werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Beabsichtigt die Bundesregierung, da die Bundesrepublik ja eine der größten Industrienationen der Erde ist, aus den Erfahrungen z. B. der USA gewisse Folgerungen zu ziehen und etwa auch einen Regierungsausschuß für Beschäftigungsfragen oder etwas Ähnliches zu gründen, wobei die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer - vielleicht unter Hilfestellung der Regierung - mitwirken?
Herr Abgeordneter, wir wollen selbstverständlich aus den Erfahrungen der Vereinigten Staaten lernen und alles, was wir davon verwerten können, auch bei uns anwenden. Allerdings ist hier der Vergleich nicht ohne weiteres möglich, weil einige grundsätzliche Unterschiede bestehen. So wird insbesondere das Arbeitspotential in den Vereinigten Staaten wachsen, bei uns in den nächsten Jahren jedoch nicht, weil bei uns jetzt die geburtenarmen Jahrgänge erwerbstätig werden. Es gibt noch eine Reihe von anderen Unterschieden. Ob es sich empfiehlt, einen solchen Ausschuß jetzt schon einzusetzen, wage ich deswegen zu bezweifeln, weil wir ja schon eine ganze Reihe von Gesetzen und Organisationen haben, die die Vereinigten Staaten oder andere Länder nicht kennen. Ich weise nur auf folgendes hin: Wir haben doch ein ausgebildetes System der Arbeitsvermittlung über die Bundesanstalt, wir haben das Betriebsverfassungsgesetz, wir haben das Kündigungsschutzgesetz, wir haben das Tarifvertragsgesetz, lauter Gesetze, mit denen es durchaus möglich ist, alle Folgen, die sich heute aus der Automatisierung ergeben, in einer sinnvollen Weise aufzufangen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, verstehen Sie, daß man, wenn man das, was Sie hier sagen, hört, andererseits aber draußen in der Praxis immer wieder erfährt, daß insbesondere ältere Angestellte jetzt schon außerhalb der Industriezentren außerordentliche Schwierigkeiten haben, im Arbeitsprozeß untergebracht zu werden, gewisse Bedenken hat, welche Folgen der jetzt ausgelöste Prozeß haben wird?
Ich muß zugeben, Herr Abgeordneter, daß es im Einzelfall außerordentlich schwierig sein kann, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Aber für die große Masse der Arbeitnehmer gilt das nicht. Ich weise darauf hin, wie wir mit den Fragen des Bergbaus fertig geworden sind. Das ist doch eine elegante, großzügige Lösung gewesen. Oder sind Sie da anderer Meinung?
Das ist in einem Zentrum des industriellen Lebens geschehen. Wie sieht es draußen auf dem flachen Lande aus?
Wir haben 600 000 leere Arbeitsplätze. Wir wissen in Bonn überhaupt nicht, wo wir entsprechende Arbeitskräfte kriegen sollen. Wir können uns nicht damit zufriedengeben, in der Bundesrepublik dauernd nur die Unzufriedenheit zu organisieren. Wir müssen doch auch anerkennen, was tatsächlich geschehen ist.
({0})
Herr Abgeordneter Matthöfer zu einer Zwischenfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Stellungnahmen ausländischer Regierungsvertreter auf dem Automationskongreß
der IG Metall dahingehend untersuchen, ob sich auch für uns Anregungen ergeben?
Zweifellos, Herr Abgeordneter; wir werden das ganze Material sehr sorgfältig durcharbeiten. Wir sind aber mit den ausländischen Sachverständigen, wie sich schon jetzt ergeben hat, nicht immer einer Meinung.
Herr Abgeordneter Matthöfer zu einer weiteren Frage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie - bezugnehmend auf Ihre Antwort .auf die Frage des Abgeordneten Dröscher - fragend darauf hinweisen, daß es sich bei der IG Metall nicht um eine Metallarbeitergewerkschaft, sondern um eine Gewerkschaft handelt, in der auch einige hunderttausend Angestellte organisiert sind?
Sicher, wir kennen die Verhältnisse.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf, zunächst die Fragen X/1 und X/2 - des Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) -.
Wieviel Prozent der Waffenlieferungen gelangten aus anderen Ländern unmittelbar nach Israel, ohne die Bundesrepublik zu berühren?
Ist die Bundesregierung bereit zu versichern, daß sie in Zukunft bei allen Waffenlieferungen ({1}) in andere Länder die gesetzlich vorgesehenen Formen einhalten wird, in jedem Einzelfalle die Zustimmung des Bundestages einzuholen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage X/3 - des Abgeordneten Haase ({2}) -:
Wie lange war der Zusatzfragebogen für zivile Bewerber für eine Beschäftigung bei der Bundeswehr im Gebrauch, in dem u. a. nach Mitgliedschaft und irgendwelchen Verbindungen zur SPD gefragt wurde?
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Haase, weil sie sich auf den gleichen Gegenstand beziehen, zusammen beantworten?
Einverstanden! Dann rufe ich noch die Fragen X/4 und X/5 - des Abgeordneten Haase ({0}) - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob Bewerber im Standortbereich Wentorf, wo der in Frage X13 genannte Zusatzfragebogen mit dem vermutlichen Druckfehler „SPD" statt „SED" ausgegeben wurde, deshalb abgewiesen wurden, weil sie die Frage wegen der Mitgliedschaft zu Parteien und Organisationen im Hinblick auf ihre SPD-Zugehörigkeit wahrheitsgemäß mit ja beantwortet haben?
Ist die Bundesregierung bereit, die Standortverwaltung Wentorf zu veranlassen, daß alle Bewerber, die die Fragen 1 a und 1 b des in Frage X/3 genannten Zusatzfragebogens mit ja beantwortet haben, auf den verhängnisvollen Druckfehler hingewiesen werden?
Zur ersten Frage: Die Ausfüllung eines Zusatzfragebogens mit Fragen über die Mitgliedschaft oder Verbindung zu kommunistischen oder kommunistisch beeinflußten Organisationen wird auch von den Bewerbern um Einstellung als Arbeitnehmer bei der Bundeswehr gefordert. Die Fragebogen werden von den einzelnen personalbearbeitenden Dienststellen selbst hergestellt, so auch von der Standortverwaltung in Wentorf. Hier schlich sich bei einer im Februar 1964 hergestellten Serie der bedauerliche Druckfehler „SPD" statt „SED" ein.
({0})
Von dieser Serie wurden insgesamt 29 Exemplare ausgegeben. Der Rest dieser Serie ist inzwischen vernichtet worden.
Zur zweiten Frage: Die insgesamt 29 Bewerber, denen der Zusatzfragebogen seit Februar 1964 ausgehändigt wurde, haben die Frage nach der Mitgliedschaft zu den im Fragebogen namentlich aufgeführten Organisationen mit nein beantwortet. In keinem Falle wurde deshalb eine Bewerbung wegen den Beantwortung der Frage 1 mit ja abgelehnt.
Zur dritten Frage: Diese erübrigt sich auf Grund der Auskunft zur Frage 2.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich, daß sich ein Fragebogen mit einem derartig bedauerlichen Druckfehler mehr als ein Jahr in einer Bundeswehrdienststelle in Umlauf befindet, bevor es jemand merkt?
Ich nehme an, daß der Fragebogen in der Dienststelle durchaus bekannt ist und die Fragen im einzelnen nicht mehr überprüft werden, sondern nur die Antworten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordnete Haase.
Herr Staatssekretär, wenn auch in dieser Zeit nur 29 Fragebogen ausgegeben und 29 Fragebogen wieder zurückgegeben wurden, die alle einzeln bearbeitet werden mußten, dann muß also zumindest in 29 Fällen - außer in dem ersten Fall der Vervielfältigung dieses Fragebogens - überlesen worden sein, daß sich der bedauerliche Druckfehler „SPD" statt „SED" in diesem Fragebogen befindet.
Das kann man nicht ausschließen, Herr Abgeordneter. Es ist auch möglich, daß der Druckfehler eben als Druckfehler erkannt worden ist.
({0})
Herr Abgeordneter Schwabe, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist man zu dem Gesamtkomplex dieses Fragebogens von anderen Stellen des Bundes an Ihr Haus herangetreten?
Ich weiß nicht, wie ich Ihre Frage verstehen soll, Herr Abgeordneter.
Ich frage noch einmal, ob man von anderer Stelle des Bundes an Ihr Haus wegen dieses Fragebogens herangetreten ist, ob man ihn ganz allgemein beanstandet oder eine Abänderung gewünscht hat.
Ich nehme an, daß Sie auf die erste Frage, die heute morgen hier beantwortet wurde, anspielen. Ich war vorhin noch nicht im Hohen Hause; aber ich bin in der Zwischenzeit informiert worden. Ich kann nicht bestätigen, daß der Brief eingegangen ist, von dem Herr Vizekanzler -Dr. Mende gesprochen hat; offenbar ist er gerade unterwegs. Ich habe aber darauf aufmerksam gemacht und möchte das hier mitteilen, daß dieser Zusatzfragebogen keine Erfindung des Bundesverteidigungsministeriums ist, sondern auf Richtlinien zurückgeht, die vom Bundesinnenministerium vor vielen Jahren herausgegeben worden sind, und zwar
vom Bundesinnenministerium als nationale Sicherheitsbehörde. Dieser Zusatzfragebogen liegt der Überprüfung von Geheimnisträgern in den übrigen Ressorts zugrunde. Er wird bei uns von allen Bewerbern ausgefüllt, die in die Bundeswehr eingestellt werden sollen.
Ich nehme an, daß auf Grund des Briefes eine erneute Überprüfung dieses Zusatzfragebogens stattfinden wird.
Ich nehme also richtig an, Herr Staatssekretär, daß es einer so gewichtigen Intervention wie der des Herrn Vizekanzlers bedurfte, um diese sicherlich sehr mißliche Situation zu verbessern?
Die Ansicht, die Sie hier äußern, könnte ich nicht bejahen. Es ist durchaus notwendig, daß eine Sicherheitsüberprüfung stattfindet. Eine solche Sicherheitsüberprüfung kann aber nicht stattfinden, wenn man keine Angaben zur Person zur Hand hat. Infolgedessen werden Fragebogen zur Sicherheitsüberprüfung aufgestellt und ausgefüllt werden müssen.
Eine ganz andere Frage ist es, welche Fragen im einzelnen in diesem Fragebogen enthalten sind.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da es ja keine Schande ist, wenn auch eine höchste Behörde
einmal einen Mißgriff zugibt und schnell abstellt, darf ich Sie fragen, wie Sie folgendes erklären: Sie sagen, es handle sich um einen Druckfehler, statt „SED" sei „SPD" geschrieben worden. Davor aber steht ein „auch". Die Frage beginnt: „Sind Sie in kommunistischen oder kommunistisch beeinflußten Organisationen ... auch SED?" - wenn das kein Druckfehler gewesen wäre. Ich wäre dankbar, Herr Staatssekretär, wenn Sie diesen Zusammenhang erklären könnten.
Es gibt eine ganze Reihe von kommunistischen oder kommunistisch beeinflußten Organisationen, nicht nur die in dem Klammerzusatz aufgeführten. Das Innenministerium hat einmal eine Liste von Tarnorganisationen zusammengestellt, die meines Wissens in die Hunderte gehen. Es sind hier nur einige bestimmte Organisationen aufgeführt; es ist unmöglich, in einem solchen Fragebogen alle kommunistisch !beeinflußten Organisationen aufzuführen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sanger.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht doch besser zugeben, daß im Zusammenhang mit Kommunismus der Begriff „SED" keines „auch" bedürfte?
Das ist sicherlich richtig. Aber das hindert nach meiner Auffassung nicht, daß die Fragestellung in der Form, wie sie hier vorliegt, durchaus berechtigt ist.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Meermann!
Herr Staatssekretär, wenn der Druckfehler möglicherweise als solcher erkannt worden ist, wie Sie eben sagten, wie hat man dann auf eine falsche Frage eine richtige Antwort erwarten können?
({0})
Ich nehme an, daß die Betreffenden, wenn der Fehler erkannt worden ist, richtig „SED" gelesen und diese Frage dann wahrheitsgemäß verneint haben.
({0})
Herr Abgeordneter Cramer zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie überzeugt davon, daß der Fall Wentorf der .einzige Fall ist, oder ist es möglich, daß noch woanders ähnliche Druckfehlererscheinungen aufgetreten sind?
Mir ist nichts darüber bekannt, daß an anderen Stellen ähnliche Druckfehler zutage getreten wären.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Cramer.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich gewesen, diesen - wahrscheinlich beim Vervielfältigungsverfahren entstandenen - Druckfehler handschriftlich zu berichtigen, als er festgestellt wurde?
Ich sagte bereits, daß alle übrigen Exemplare vernichtet worden sind, als der Fehler festgestellt wurde. Im übrigen ist dies ja nicht der einzige Druckfehler, der bisher in der Weltgeschichte vorgekommen ist.
({0})
Ich rufe auf die Fragen XI/1, XI/2 und XI/3 - des Abgeordneten Dr. Rutschke -:
Wie ist der Sachstand der Planung der sogenannten Nordtangente zwischen der Stadt Karlsruhe und der Gemeinde Neureut?
Ist die Bundesregierung bereit, die berechtigten Interessen der Gemeinde Neureut bei der in Frage XI/1 genannten Planung zu berücksichtigen?
Ist von der Straßenbauverwaltung die Höhe von behaupteten Mehrkosten überprüft worden, wenn die in Frage XI/1 genannte Tangente näher an die amerikanische Wohnsiedlung herangefuhrt wird?
Der Fragesteller hat sich mit ,schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 25. März 1965 lautet:
Die Planung der Karlsruher Nordtangente, für deren Beschleunigung ich mich selbst schon mehrfach eingesetzt habe, ist bereits sehr weit fortgeschritten. Die Vorentwürfe für die gesamte Linie einschließlich der beiden Varianten im Bereich der Gemeinde Neureut sind fertiggestellt, so daß wahrscheinlich schon bald eine Entscheidung über die der Bauausführung zu Grunde zu legende Trasse getroffen werden kann. Bei der Planung wird selbstverständlich den berechtigten Interessen der Gemeinde Neureut Rechnung getragen. Dies ersehen Sie daraus, daß jetzt eine Tieflegung der Linie im Bereich der Kreuzung mit der Linkenheimer Landstraße vorgesehen wurde, um eine Trennung der beidseits der Nordtangente liegenden Gemarkungsteile von Neureut möglichst wenig spürbar werden zu lassen. Da andere Verkehrswege kreuzungsfrei über die Nordtangente hinweggeführt werden, scheinen mir erhebliche verkehrliche Nachteile für die Gemeinde Neureut mit dieser Planung nicht mehr verbunden zu sein. Der bedauerliche, aber leider nicht zu vermeidende Geländeverlust dürfte für die Zukunft dadurch mehr als aufgewogen werden, daß Neureut mit seiner außerordentlich günstigen Lage an der neuen Bundesstraße 10 die besten Voraussetzungen für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung geboten wird.
Zu Ihrer letzten Frage darf ich Ihnen bestätigen, daß die von den amerikanischen Dienststellen ermittelten Kosten für Ersatz bauten im Bereich der Amerikaner-Siedlung geprüft worden sind, soweit dies die früher vorhandenen Unterlagen zuließen. Inzwischen sind noch durch das Ingenieur-Büro von Prof. Schaechterle ergänzende Untersuchungen durchgeführt worden, deren Ergebnisse jetzt den amerikanischen Dienststellen zugeleitet wurden und die wahrscheinlich eine etwas genauere Ermittlung der Aufwendungen für Ersatzbauten ermöglichen. Es ist aber kaum damit zu rechnen, daß sich die schon früher genannte Summe von 29 Mio Dollar wesentlich ändern wird; es kann sogar sein, daß sich bei einer genaueren Berechnung noch höhere Kosten ergeben.
Wir haben wirklich keine Mühe gescheut, um nach einer für die Gemeinde Neureut günstigeren Lösung zu suchen. Auch die Herren von Neureut sind eingehend gehört. Leider bringt jede Lösung Schwierigkeiten und Belastungen, und unter solchen Voraussetzungen, wie sie hier gegeben sind, gibt es keine optimale Lösung, sondern nur einen möglichst erträglichen Kompromiß. Dieser Kompromiß wird in der Planfeststellung herausgestellt und jeder Beteiligte, der sich unberechtigt beeinträchtigt
fühlt, hat dabei das Recht auf Einspruch und Gehör. Dann ist erst wirklich zu übersehen, ob die Planung auch zur Ausführung gelangen kann. Um die Beteiligten in ihren Rechten möglichst nicht zu kränken, sind Mehraufwendungen oftmals berechtigt. Aber bei Mehraufwendungen, die umgerechnet auf etwa 110-120 Mio DM zu veranschlagen sind, wird man die in Frage stehende Variante wirtschaftlich nicht mehr vertreten können.
Ich komme zur Frage XI/4 - des Herrn Abgeordneten Hansing -:
Wann können die wassersporttreibenden Vereine ({0}) damit rechnen, daß das Bundesverkehrsministerium neue Richtlinien über Nutzungsgebühren für Steg- und Bojenfelder auf bundeseigenen Wasserstraßen herausgibt?
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen
XI/4 und XI/5 - des Herrn Kollegen Hansing - gemeinsam beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich noch auf die Frage
XI/5 - des Herrn Abgeordneten Hansing -:
Ist der Bundesverkehrsminister bereit, bis zur Fertigstellung der in Frage XI/4 genannten Richtlinien dafür zu sorgen, daß kein Wasser- und Schiffahrtsamt im Bundesgebiet Aufhebungen von Strom- und schiffahrtspolizeilichen Genehmigungen an wassersporttreibende Vereine ausspricht?
Der Bundesminister für Verkehr hat bereits am 17. Oktober 1964, um dringenden Anforderungen des Rechnungshofes zu folgen, die Erhebung der privatrechtlichen Entgelte für gewerbliche, industrielle und sportliche Nutzung bundeswasserstraßeneigener Land- und Gewässerflächen durch Richtlinien geregelt. Diese Richtlinien sind im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen, dem Herrn Bundesschatzminister und dem Bundesrechnungshof festgelegt worden. Aufhebungen von Strom- und wasserpolizeilichen Genehmigungen werden im Zusammenhang mit der Angleichung bisheriger Entgelte an die Sätze der neuen Richtlinien nicht ausgesprochen.
Herr Abgeordneter Hansing zu einer Zusatzfrage!
Herr Verkehrsminister, entspricht die Aufhebung von Genehmigungen für wassersporttreibende Vereine dem Bemühen der Bundesregierung, dem Sport zu helfen, insbesondere wenn die Aufhebung unter anderem damit begründet wird - wie z. B. durch das Wasser- und Schiffahrtsamt Bremen -, daß die Nutzungsgebühren dem heutigen Preisgefüge angepaßt werden müßten?
Ich habe .eben bereits gesagt, daß eine Aufhebung von Genehmigungen im Zusammenhang mit der Angleichung bisheriger Entgelte an die Sätze der neuen Richtlinien nicht ausgesprochen wird. Es wird also allenfalls mit den bisherigen Inhabern darüber verhandelt, daß sie inzwischen höhere Entgelte zahlen. Diese Entgelte ;sind ja auch sehr niedrig, und besonders bei sportlichen Vereinigungen wird nach Möglichkeit auch noch Entgegenkommen
gezeigt, soweit es der Bundesrechnungshof mit seinen Richtlinien erlaubt.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Hansing.
Herr Minister, sind Sie bereit, bei den Verhandlungen über diese Gebührensätze für die wassersporttreibenden Vereine Vertreter des Deutschen Sportbundes mit heranzuziehen?
Die Vereine, die diese Verhandlungen führen, können ja jederzeit Herrschaften mitbringen, die ihrer Ansicht nach besser unterrichtet sind als sie selbst. Aber ich glaube, bei dem an sich guten Verhältnis zwischen den Wasserstraßenbehörden und den sporttreibenden Vereinen dürfte es nicht unbedingt notwendig sein, noch höhere Vertreter des Sportes mit heranzuziehen.
Ich glaube, Herr Minister, es wäre richtig, bei solch entscheidenden Fragen -
Herr Kollege Hansing, durch Fragen können sicher Zweifel im. Glauben behoben werden.
Herr Minister, sind Sie nicht der Ansicht, daß bei solch grundlegenden Fragen die Ministerien mit dem Deutschen Sportbund in Verbindung treten sollten?
Ja, das 'ist aber in diesem Fall nur in Vorbesprechungen geschehen, zumal es sich ja hier nicht nur um Angelegenheiten der Sportvereine, sondern um Angelegenheiten aller Anlieger handelt, die ein Interesse an seiner Nutzung von Gelände oder Wasserflächen haben.
Ich rufe dann die Frage XI/6 - des Abgeordneten Hansing - auf:
Wird bei der Erstellung neuer Richtlinien für die wassersporttreibenden Vereine der Unterschied zwischen Berufsschiffahrt und den wassersporttreibenden Vereinen klar herausgestellt?
Unter den von mir soeben geschilderten Umständen ist nicht beabsichtigt, diese Richtlinien in absehbarer Zeit zu .erweitern oder zu verändern. Bei den jetzt geltenden Bestimmungen konnte im Interesse der Haushaltsklarheit eine Vergünstigung für die wassersporttreibenden Vereine über die mit dem Bundesrechnungshof festgesetzten Sätze hinaus nicht vorgesehen werden, zumal das dann nach Ansicht des Bundesrechnungshofes eine Zuwendung an die Sporttreibenden wäre.
In diesem Zusammenhang weise ich aber darauf hin, daß der Bund in den Haushalten der anderen Bundesressorts regelmäßig die Mittel für die Förderung des Sports zur Verfügung stellt. So ist vor allem im Haushalt des Herrn Bundesministers des Innern für das Jahr 1965 insgesamt ein Betrag von 36 Millionen DM eingesetzt.
Der Bundesminister für Verkehr hat seinerseits für die Förderung der Sportschiffahrt durch besonderen Erlaß bestimmt, daß bei den Entwürfen der Baumaßnahmen für Bundeswasserstraßen durch Einbau von Bootsgassen, von Bootsschlepp und gegebenenfalls von Bootsschleusen den Interessen der Sportvereine Rechnung getragen wird. Wenn Sie sich z. B. einmal an der Mosel, an der neu ausgebauten Wasserstraße entlangbewegen, werden Sie finden, daß das dort weitgehend geschehen ist.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die weiteren Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 43 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({1}).
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Anträge, die aus der Ubersicht zu ersehen sind, anzunehmen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Es ist eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen, daß die Sitzung bis 11 Uhr unterbrochen wird. Ich teile noch mit, daß alle Fraktionen Fraktionssitzungen anberaumt haben.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Meine Damen und Herren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Punkt 3 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes ({0}) ;
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen und zur Änderung des Strafverfahrensrechts ({1});
c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels 102 a in das Grundgesetz ({2});
d) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes ({3});
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({4}) ({5}) .
({6})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Zunächst frage ich den Berichterstatter des Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Güde, ob er das Wort wünscht. - Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im allgemeinen auf den Schriftlichen Bericht verweisen, der Ihnen vorliegt, und werde mich in der mündlichen Zusatzbegründung auf einige wenige Sätze beschränken.
Die Sitzung des Rechtsausschusses und auch die Fertigstellung des Berichts haben in Zeitnot stattgefunden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß in diesem Bericht schwerere Rechtsprobleme infolgedessen nur in kurzen, zusammenfassenden Andeutungen behandelt werden konnten. Ich verzichte darauf - Sie werden Verständnis dafür haben -, jetzt als Berichterstatter noch einmal die Probleme zu entfalten, weil ich, wie gesagt, bei der notgedrungen kurzen Beratung als Berichterstatter in Gefahr wäre, meine eigene Meinung hier auszusprechen - was ich mir für nachher vorbehalte -, statt objektiv referierend wiederzugeben, was der Ausschuß erörtert und beschlossen hat. Ich bitte also insoweit um Ihr Verständnis sowohl für die relative Kürze des Berichts wie für meinen Verzicht, ihn jetzt in aller Breite zu erweitern.
Ich beschränke mich jetzt auf den Antrag, zunächst den Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen und zur Änderung des Strafverfahrenrechts in zweiter Lesung zu beraten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Herr Berichterstatter, wenn ich Sie recht verstanden habe und wenn ich das Haus recht verstehe, soll jetzt zunächst die Anlage 2 des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses auf Drucksache IV/3220 aufgerufen werden.
({0})
- Einverstanden.
§ 1! Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen angenommen.
§ 2! Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem § 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Ebenfalls mit großer Mehrheit angenommen.
§ 3! Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Wilhelmi.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie ersehen daraus, daß der Antrag aus dem Hause des Präsidiums kommt, wie lange die Verhandlungen gedauert haben. In § 3 des Gesetzes, das wir jetzt beraten, ist ein ganz neues rechtliches Verfahren vorgesehen, ein Verfahren, das uns deshalb notwendig erschien, weil die Vertreter der beiden großen Parteien im Rechtsausschuß übereinstimmend der Auffassung waren, daß um. der Gerechtigkeit willen geprüft werden müsse, welche Taten verfolgt werden müßten und welche Taten von vornherein nicht verfolgt zu werden brauchten. Wir waren der Auffassung, daß die Formulierungen, die Sie in dem Ihnen jetzt vorliegenden Entwurf finden, die zutreffendensind. Wir waren weiter der Auffassung, daß eine genügende Sicherung gegen einen Mißbrauch durch die Bestimmung gegeben sei, daß die Verfolgungsbehörde, also die Staatsanwaltschaft, nur dann von einer Verfolgung absehen kann, wenn sie bei einem hohen Gericht, bei einem der Oberlandesgerichte, einen entsprechenden Beschluß erwirkt.
Gegen diese Bestimmung sind in unseren Kreisen und auch in der Fraktion der SPD Bedenken erhoben worden. Als Vorsitzender des Rechtsausschusses darf ich etwas sagen, was auch Herr Kollege Güde schon gesagt hat: wir standen in der Tat unter einem erheblichen Zeitdruck. Wir glaubten, dem Hause eine abgeschlossene Vorlage vorlegen zu sollen. Wir müssen aber, glaube ich - und zwar alle, die wir im Rechtsausschuß dafür gestimmt haben -, auch zugeben, daß es sich hier um einen ganz neuen Weg in unserem Recht handelt und daß es gut ist, wenn dieser neue Weg in aller Sorgfalt geprüft wird. Dazu gehört meines Erachtens auch, daß wir uns nicht nur auf die Juristen dieses Hauses verlassen, wenn ich auch wohl sagen darf, daß wir in den beiden Berichterstattern, Herrn Güde und Herrn Arndt, wirklich hervorragende Strafrechtler für unsere Beratung hatten und daß außerdem mancher im Rechtsausschuß war, der über große Praxis im Strafrecht verfügt. Aber ich glaube, diese Frage ist doch so wichtig, daß wir auch hören sollten, wie draußen die Rechtswissenschaft und auch die damit unmittelbar Befaßten, also die höheren Richter, beispielsweise ein Oberlandesgerichtspräsident, sowie die Vertreter der Anklage über diese Dinge denken.
Ich glaube deshalb, daß es richtig und gut ist, wenn der § 3 jetzt aus diesem Gesetz herausgenommen und nicht zur Entscheidung gestellt wird, sondern erneut dem Rechtsausschuß überwiesen wird. Der Rechtsausschuß wird sich vordringlich mit dieser Angelegenheit befassen. Die Tagesordnungen bis Ostern sind zwar schon eingeteilt und besetzt; der Rechtsausschuß wird diese Frage aber unmittelbar nach Ostern anpacken, und ich glaube, er wird auch gut 'daran tun, eine Regelung auf einer etwas breiteren Basis zu suchen, als sie sich nun gerade hier ergab; denn es erscheint mir richtig, kein Sondergesetz zu machen, sondern eine wirklich umfassende Regelung in der Strafprozeßordnung zu treffen.
Ich glaube Ihnen also die Versicherung geben zu können, daß die Beratungen im Rechtsausschuß nach Ostern zügig durchgeführt werden können, wobei ich noch einmal auf die freundliche Genehmigung des Präsidenten dieses Hauses hinweise, daß der Rechtsausschuß in der Lage ist, auch während der Plenarsitzungen zu tagen; denn nur dann kann er dieses Pensum bewältigen.
({0})
Entschuldigen Sie, das hört der Präsident dieses Hauses natürlich gar nicht gern. Er muß auf dem geraden Pfad der Geschäftsordnung selbst voranschreiten. Alles andere sind Notausnahmen, Herr Abgeordneter.
Jawohl, dessen bin ich mir völlig bewußt, und es genügt mir vollkommen, wenn die Notausnahme genehmigt wird; ob mit freudigem oder mit weniger freudigem Herzen - ich bitte um Entschuldigung -, das scheint mir nicht so wichtig.
({0})
Nach diesen Ausführungen möchte ich folgenden Antrag stellen: § 3 der Anlage 2 auf Drucksache IV/3220 wird als selbständige Vorlage an den Rechtsausschuß zurückverwiesen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde als Abgeordneter. Oder als Berichterstatter?
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das Bedürfnis,
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- ich kann warten, bis Sie wieder ernst sind -, das, was wir im Rechtsausschuß - ich möchte sagen: einhellig - beschlossen haben, gegen jede Mißdeutung zu sichern. Hinter den Bedenken, die erhoben werden, könnte die Meinung stehen, daß unausgesprochene und unrechte Motive hinter dem standen, was der Rechtsausschuß in diesem § 3 beschlossen hat. Meine Damen und Herren, vor dieser Mißdeutung sollte allein schon unsere Einmütigkeit durch die Fraktionen hindurch, von Herrn Dr. Arndt bis zu mir, bewahren. Diese Vorschrift geht auf gemeinsame Gedanken und auf gemeinsame Anregungen zurück. Es bestand und es besteht für die Weiterberatung ein ganz klares Motiv, das sachlich mit der Verlängerung der Verjährungsfrist zusammenhängt. Das, was mit der Verlängerung der Verjähungsfrist ermöglicht werden soll, soll durch den § 3 praktischer gemacht werden.
Ich habe zufällig in der Hand, was Professor Bader - ein Deutscher von Herkunft, ein schweizerischer Professor - am Schlosse eines Artikels in der „Neuen Zürcher Zeitung" geschrieben hat, wo er uns zur „Konzentration der heillos zersplitterten Prozesse" mahnt und im letzten Satz sagt:
Und vielleicht würde es dann auch möglich, in dieser Konzentration besser als bisher die Henker und nicht nur die Henkersbuben zu erfassen.
Die „Henker"; das ist der Gedanke, der in unserem § 3 steckt. Die Henkersbuben - auf schweizerisch-, die Henkersknechte sind zu unterscheiden von den schwerer Verantwortlichen und denen, auf denen eine geringere - nicht gar keine! - Schuld ruht. Das meint Bader.
Meine Damen und Herren, wir haben im Rechtsausschuß die möglichen Unterscheidungen überprüft, die Scheidung zwischen Täter und Gehilfen, und gesagt: Nein, das wird eine zu grobe Unterscheidung. Wir haben die Unterscheidung zwischen Haupttäter und Täter geringeren Ranges geprüft - diese Unterscheidung war uns zu wenig bestimmbar -, und wir haben uns dann auf diese Unterscheidung, wie sie im § 3 vorgesehen ist, geeinigt, eine Unterscheidung, die abstellt auf Täter, die in ,untergeordneter Stellung Befehle und Anweisungen befolgt haben und deren Schuld im Hinblick auf ihre beschränkte Entschlußfreiheit erheblich gemindert ist. Meine Damen und Herren, wir haben diese schwere Entscheidung wenigen hohen Gerichten anvertrauen wollen, damit kein Mißbrauch getrieben werden kann. Niemand soll fürchten und schon gar niemand soll sagen, es stecke dahinter die Absicht, wirklich Schuldige der Bestrafung zu entziehen. Im Gegenteil, wir meinen, mit einer Vorschrift wie der vorgesehenen die Durchführung der Verfahren sachlich zu erleichtern und zu verstärken, damit geschehen kann, was auf diesem Gebiet möglich ist, damit nicht rechtsverwirrende Freisprüche erfolgen, damit nicht die Fülle der Verfahren die Schwerpunkte verwischt.
Wir haben eine Einschränkung des Legalitätsprinzips nur in einem Umfang vorgesehen, der geringer ist als in den meisten Ländern der freien Welt. In den meisten Ländern der freien Welt hat das Legalitätsprinzip nicht in gleicher Weise Geltung wie bei uns.
Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich noch etwas Persönliches dazu sagen. Ich habe heute morgen durch reinen Zufall meine Ausführungen, die ich 1956 zu derselben Frage - völlig unabhängig von der jetzt anstehenden Problematik der Verjährung - gemacht habe, in die Hand bekommen. Ich stehe unentwegt, wie ich es alle Jahre hindurch getan habe, zu den beiden darin enthaltenen Aussagen. Ich habe damals gesagt: Natürlich gibt es unter uns - und ich meine jetzt die Breite des deutschen Volkes - manche, die es für eine törichte Selbstzerfleischung halten, daß die nazistischen Verbrechen überhaupt noch aufgegriffen werden. Meine Damen und Herren, ich halbe damals geantwortet und antworte heute ganz genauso: Wir wissen - und müssen leider wissen -, daß immer noch mit Taten und Tätern, mit Verbrechen und Verbrechern unter uns zu rechnen ist, auf die niemand 'berechtigterweise das Tabula-rasa-Prinzip anwenden kann, weil sich eine Gesellschaft, ein Volk selbst aufgäbe, wenn es die Verantwortlichen für so scheußliche Verbrechen unbehelligt als Vollbürger in gesellschaftlichen Ehren unter sich leben ließe. Es ist - das habe ich damals gesagt und dazu stehe ich auch heute - ein elementares Bedürfnis der menschlichen Gesellschaft, sich im gerechten Urteil der Gerichte selbst zu reinigen, indem die unerträgliche Tat gekennzeichnet und der unerträgliche Täter aus der Gesellschaft abgesondert wird.
Meine Damen und Herren, ich stehe auch zu dem Zweiten, was ich damals vor neun Jahren gesagt habe. Man muß zwischen denen unterscheiden, die den Terror ausgeübt haben, und denen, die selbst
terrorisiert wurden, zwischen denen, die die Gelegenheit nützten, ihre bösen Instinkte auszuleben, und denen, die in Widerwillen und Furcht die Irrwege der Zeit gingen, .auf die sie nicht ohne die Mitschuld aller gekommen sind. Die Träger des Terrors und die sadistischen Henker - das sind diejenigen, die noch der Ermittlung und Aburteilung zugeführt werden müssen. Dazu stehe ich auch heute noch, und dieses doppelte Anliegen steht hinter dem, was in § 3 versucht ist, was in seinem Versuch vervollkommnet werden mag, was aber nicht als Aufgabe geleugnet werden darf, nicht nur als eine Hypothek, die auf uns allen lastet, angesehen und beiseite geschoben werden darf.
Meine Damen und Herren, ich vertraue darauf, daß wir diese Aufgabe wirklich noch in dieser Legislaturperiode bewältigen, daß wir ein Gesetz - das muß nicht unbedingt so aussehen, wie es nun in der Eile entworfen ist - zur Lösung dieses Problems verabschieden. Weil ich selbst das Vertrauen habe, daß in diesem Wollen, wie es eben mein Kollege Dr. Wilhelmi für den Rechtsausschuß bekundet hat, die große Mehrheit dieses Hauses einig ist, deswegen stimme ich - wenn auch ungern - dem Antrag 'auf Rücküberweisung an den Rechtsausschuß zu.
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Ich sage noch einmal, das waren, ich glaube, unser aller Motive, und sie lassen sich sehen - intra et extra, innerhalb Deutschlands und außerhalb Deutschlands. Niemand sollte sie, niemand kann sie zu Recht verdächtigen und mißdeuten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, dem Kollegen Güde in einer sachlichen Feststellung nicht beipflichten zu können, nämlich der, daß das Ergebnis, das hier im § 3 der Anlage 2 des Ausschußberichtes steht, im Ausschuß einmütig zustande gekommen sei. Ich habe an den Beratungen und den Formulierungen dieses Teils nicht mitwirken können, weil die entscheidenden Beratungen im Rechtsausschuß am Freitag der vergangenen Woche stattfanden, zur gleichen Zeit, als hier im Plenum andere wesentliche juristische Fragen erörtert wurden und der größte Teil der Mitglieder des Rechtsausschusses - jedenfalls die Mitglieder unserer Fraktion - hier im Plenum sein mußte. Ich sage das deshalb, damit nicht ein falscher Eindruck über das Zustandekommen dieses § 3 zurückbleibt.
Zur Sache selber nur wenige Anmerkungen. Sicherlich ist es ein ernstes Problem, das hier aufgeworfen worden ist und mit dem wir uns ,auseinanderzusetzen haben: das Problem, ob es möglich und ob es notwendig ist, hier eine Unterscheidung zu treffen - um bei dem zu bleiben, was Herr Kollege Güde zitiert hat - zwischen Henkern und Henkersbuben. Aber sosehr wir die Notwendigkeit einsehen, darüber nachzudenken, miteinander zu diskutieren und eine Lösung zu finden, so ungeeignet erscheint uns dazu die Lösung, wie sie hier im § 3 der Vorlage gefunden worden ist. Nehmen Sie bitte unsere Bereitschaft, der Überweisung an den Ausschuß zuzustimmen, als einen Beitrag dazu, dieses Problem ernst zu nehmen, aber in der Sache selber heute überhaupt zu einer Einigung zu kommen.
Leicht ist das meiner Fraktion nicht gefallen. Leicht ist es ihr deswegen nicht gefallen, weil mit den in § 3 gefundenen Lösungen sich eine Reihe von Problemen auftun und eine Reihe von Problemen spürbar werden, die dieses Haus nach unserer Überzeugung so nicht hinnehmen darf.
Das Problem liegt doch in erster Linie darin, daß die Rechtsprechung unserer Gerichte in der Auseinandersetzung über die Verantwortlichkeit für die Untaten unter dem Nationalsozialismus eine Entwicklung genommen hat, die zum mindesten problematisch ist. Die Frage ist, ob wir mit einem Akt des Gesetzgebers dieser Rechtsprechung im Grunde zustimmen sollten oder ob wir nicht vielmehr auch die Verpflichtung haben, sie auch einmal kritisch zu würdigen. Denn es ist allmählich makaber, zwar in zunehmendem Maße zu sehen und in Gerichtsurteilen zu hören, daß es Gehilfen .gegeben habe, aber fast niemals etwas davon zu hören, daß die Verantwortlichen selber vor Gericht stehen. Wir dürfen uns durch diese Rechtsprechung nicht den Blick dafür trüben lassen, daß die Untaten ohne die selbstverantwortliche Mitwirkung auch vieler auf der unteren Ebene nicht möglich gewesen wären. Das ist doch die entscheidende Frage, mit der wir uns selber in diesem Zusammenhang auseinanderzusetzen haben: daß auch unter den Henkersbuben allzu viele gewesen sind, die aus eigenem Antrieb und mit dem eigenen Willen, ihren Beitrag zu den. Untaten zu leisten, gehandelt haben. Wir dürfen nicht in die Gefahr geraten, dieses Erfordernis der selbständigen Verantwortlichkeit für das Geschehene in Frage zu stellen.
Ich muß Ihnen in diesem Zusammenhang eine sehr ernste Frage stellen, Herr Kollege Güde. Wir appellieren an der Mauer in Berlin und an der Zonengrenze immer wieder an die dort eingesetzten Angehörigen der sowjetzonalen Volksarmee und Grenzpolizei und sagen: Ihr könnt auch danebenschießen. Wir appellieren an sie in dem Bewußtsein und in der Vorstellung, daß jeder, auch der an der Grenze Stehende, selbst verantwortlich ist für das, was dort geschieht. Wir müssen einmal sehr genau prüfen, Herr Kollege Güde, ob denn eigentlich die für die Morde an der Zonengrenze geschaffene Zentralstelle ihre Funktion wirklich noch wahrnehmen könnte, wenn der Satz Gesetz würde, der im § 3 Nr. 2 der Vorlage steht, wo es heißt: Hat der Beschuldigte bei Begehung der Tat in untergeordneter Stellung Anweisungen oder Befehle von Vorgesetzten befolgt und ist seine Schuld im Hinblick auf seine beschränkte Entschlußfreiheit erheblich gemindert, so kann von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen werden. Wie wollen wir denn mit diesen Fällen fertig werden, von denen ich eben gesprochen habe?
Ich führe dieses Beispiel an, um deutlich zu machen, daß so, wie es hier versucht worden ist, eine Lösung nicht gefunden werden kann. Wir wollen dem Problem gar nicht ausweichen. Aber ich glaube, wir sind es uns selber, wir sind es dem Ansehen dieses Hauses, wir sind es vor allen Dingen aber dem Selbstverständnis der Demokratie in unserem Lande schuldig, daß wir den Rahmen für die eigene Verantwortlichkeit des Individiums nicht zu eng spannen und die Ausrede, man habe auf höheren Befehl gehandelt, nicht in zunehmendem Maße zu einer Flucht aus der eigenen Verantwortung werden lassen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist an mich eine Frage gestellt worden, und ich will sie beantworten, da sie an mich persönlich gestellt worden ist, die Frage der Verbrechen an der Mauer und am ganzen Eisernen Vorhang. Das ist ein ernstes Problem. Das gebe ich dem Kollegen Jahn zu. Nachdem es mir schon den den letzten Tagen als Problem vorgestellt worden ist, habe ich mich damit beschäftigt. Ich gebe denen recht, die sagen: auch der Blick auf dieses Problem gehört zur sachgemäßen Formulierung dessen, was hier zu formulieren ist. Zugegeben! Damit werden wir uns befassen.
Ein zweites zur Verdeutlichung des Problems! Die Sache ist ernst genug, daß ich Sie für ein paar Minuten um Geld bitten muß, wenn ich Ihnen etwas Erlebtes erzähle. Es war in den letzten zwei oder drei Wochen des Krieges. Ich war Soldat, und zwar Schütze, um es genau zu bezeichnen. Da kam auf mich ein Oberfeldwebel der Feldgendarmerie zu und frug mich, den Juristen und Intellektuellen: „Was wird jetzt mit uns passieren?" Ich sagte: „Der Krieg wird in zwei, drei Wochen zu Ende sein, und wir werden in Gefangenschaft kommen und werden zwei oder drei Jahre in Gefangenschaft sein. Das kann niemand genauer sagen." Er frug weiter: „Aber daheim? Was geschieht mit Deutschland und mit unseren Familien daheim?" Ich sagte: „Peile über den Daumen und sage: anderthalb mal soviel, wie ihr selber gemacht habt, dann wirst du's treffen." Es war in Italien, in einem relativ humanen Milieu. Er sagte: „Du hast gut reden, du warst nie im Osten." Das war wahr. Er fing dann von etwas zu erzählen an, was ich in dieser Stunde zum ersten Mal gehört habe, nämlich der Transportvergasung, wo also ein Omnibus voll Juden mit dem Abgas des vorausgespannten Omnibusses oder Lastwagens getötet wurde. Er erzählte mir, wie sich dieses Verbrechen um Sebastopol herum viele Male wiederholt hat.
Ich sah, daß dieser Oberfeldwebel der Feldgendarmerie, dessen Namen ich nicht mehr weiß, der da zufällig auf mich zukam, in der Stunde wirklich in seinem Gewissen angesprochen war, vielleicht auch nur unter dem Motiv der Angst: Wie wird es uns nun ergehen?
Meine Damen und Herren, ich habe die Sache und den Mann nie vergessen, schon deswegen, weil mir dieses schreckliche Verbrechen in dieser Stunde zum ersten Mal zu Bewußtsein gekommen ist. Ich habe die Prozesse verfolgt, weil ich gedacht habe, als es mir wieder zum Bewußtsein kam: eines schönen Tages wird er irgendwo aufgegriffen und verurteilt werden. Soweit ich gesehen habe, ist das nicht geschehen. Aber ich weiß es nicht sicher. Ich weiß seinen Namen nicht mehr. Aber stellen Sie sich nun vor, der Malermeister irgendwo aus Norddeutschland würde nach zwanzig Jahren - nach zwanzig Jahren! - zur Rechenschaft gezogen. Da kann niemand sagen, es geschehe ihm ein absolutes Unrecht; denn er ist schuldig geworden. Das ist auch meine Meinung. Aber der Staat, ,die Gerechtigkeit, die Justiz müssen sich wirklich fragen, ob nach zwanzig Jahren das Bedürfnis nach Justifizierung nicht gemindert ist. Das ist, was die alten Fälle, die zwanzig, fünfundzwanzig Jahre zurückliegen, von denen unterscheidet, die sich unter unseren Augen vollziehen.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber ein anderes, und deswegen bin ich für die Verlängerung der Verjährungsfrist. Wenn derjenige, der die Transportvergasung erfunden hat, und diejenigen, die sie befohlen haben - bis zu dem Oberfeldwebel der Feldgendarmerie hin -, ermittelt werden können, bin ich allerdings der Meinung, die sollen bestraft werden. Das ist schon lange etwas, was mir weh tut, daß die offensichtlich nicht ermittelt worden sind. Diejenigen, die das erfunden, die das ins Werk gesetzt haben, sollen zur Verantwortung gezogen werden. Es liegt noch nicht einmal ein Hauch von auch nur relativem Unrecht darin, wenn die verfolgt werden.
Meine Damen und Herren, das als Beispiel für das, was in § 3 gemeint ist .und was - ich sage es noch einmal - eine unleugbare Aufgabe für uns alle ist, für den Gesetzgeber und für die Justiz.
Keine weiteren Wortmeldungen. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wilhelmi - Sie haben ihn gehört - geht dahin, § 3 der Anlage 2 als selbständige Vorlage an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Zurückverweisung an den Rechtsausschuß ist mit großer Mehrheit beschlossen. Damit fällt § 3 aus der Vorlage heraus.
Ich rufe § 4, - § 5 - sowie Einleitung und Überschrift auf. ({0})
- Also „Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen". Das andere würde dann die Überschrift für die selbständige Vorlage des bisherigen § 3. Er geht dann mit der
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafverfahrensrechts" an den Rechtsausschuß zurück. Sie können dort die Überschrift immer noch ändern, wenn Sie das für nichtig halten.
Ich rufe also jetzt § 4, - § 5, - Einleitung und die so geänderte Überschrift auf. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit angenommen.
Damit ist die zweite Beratung dieser Vorlage erledigt. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir nunmehr zur dritten Beratung dieser Vorlage übergehen und nicht zuerst die anderen Vorlagen in zweiter Beratung dazwischenschieben. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch, daß sich die dritte Beratung anschließt.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der mit soviel innerer Anteilnahme und soviel gewichtigen Argumenten geführten ersten Beratung dieser Gesetzentwürfe brauche ich nicht mehr zu betonen, daß in den letzten Tagen in den einzelnen Fraktionen Fragen von fundamentaler moralischer, rechtlicher und politischer Bedeutung angesprochen und
H) behandelt worden sind. Keiner hat sich leicht entschieden. Jeder hat mit sich und alle haben miteinander gerungen. Für die Fraktion der ChristlichDemokratischen und Christlich-Sozialen Union, für die ich zu sprechen die Ehre habe, möchte ich betonen: für unsere Entscheidungen waren weder demoskopische Meinungsumfragen noch der angebliche Druck des Auslandes maßgebend.
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Es ist für jeden eine Gewissensentscheidung, wie sie Art. 38 des Grundgesetzes vorschreibt.
Meine Damen und Herren, wenn wir trotzdem nahezu einmütig zu einer Auffassung gekommen sind, dann mag das für die Intensität unserer Beratungen, für die Intensität unserer Meinungsbildung, aber auch, wie ich hoffe, für die Qualität unserer Entscheidung sprechen.
Wenn ich vom Ausgangspunkt der Überlegungen, wie sie jedenfalls für mich persönlich gelten, ausgehe, dann bitte ich auch diejenigen auf der linken und rechten Seite des Hauses, die meine Meinung nicht teilen, mir das abzunehmen: Gerade wer das menschliche Leben für ein so einmaliges, hohes und heiliges Gut hält, daß seine verbrecherische Auslöschung nur mit dem Tode gesühnt werden kann, gerade der muß zutiefst erschrecken, wenn nun, falls wir nichts unternehmen, dutzend-, hundert-und tausendfacher Mord nicht einmal mehr mit Zuchthaus bestraft werden könnte. Wenn ich davon ausgehe, so bin ich nicht der Prüfung der Rechtslage enthoben; aber ich glaube, dazu ist in diesem Haus in der ersten Lesung genug gesagt worden.
Bei dem Gesetzentwurf, den wir hier vor uns haben, stellt sich ja die Frage - eine Frage, die ich für meine Person uneingeschränkt bejahe -, ob eine Verlängerung der Verjährung möglich ist, gar nicht. Außerdem ist es schließlich für diese Frage gar nicht unwichtig gewesen, was 80 deutsche Staats- und Strafrechtslehrer und was die Rechtsprechung gesagt haben. Unter diesen Staats- und Strafrechtslehrern habe ich zwei verehrte akademische Lehrer meiner Universitätsjahre gefunden, die sich nicht dessen zu schämen brauchen, was sie im Dritten Reich gesagt und geschrieben haben, und unter ihnen haben wir alle Partner vieler rechtspolitischer Gespräche wiederentdeckt.
Meine Damen und Herren, wenn wir auch die Verjährung gar nicht verlängern, so möchte ich das Problem der Verjährung doch einmal grundsätzlich aus der Stellung herausnehmen, in die es gebracht worden ist, beinahe so, als ob es ein Fetisch unseres Rechts wäre. Ich glaube nicht, daß das richtig ist, was einer der bedeutendsten Redner in der ersten Lesung gesagt hat, daß die Verjährung schlechthin, wirklich und wesentlich zum Recht, zu unserem Recht gehört. Erlauben Sie mir als dem Vertreter einer Partei, die die nie ganz vollziehbare Verpflichtung vor sich selber aufstellt, ihr politisches Handeln an unabänderlichen Maßstäben zu messen, zu erklären, daß für die christliche Lehre beider Konfessionen nur die Begriffe von Reue, Buße und Vergebung existieren. Vor Gott und dem Gewissen gibt es keine Verjährung. Deshalb glaube ich auch nicht, daß die Wandlung der Täterpersönlichkeit, auf die es einer der Redner so sehr abgestellt hat, durch Verjährung eintreten kann. Meine Damen und Herren, die Täterpersönlichkeit kann nur durch innere Umkehr gewandelt werden, und die ist unabhängig vom Zeitablauf.
Ich meine aber auch, daß die Verjährung rechtsgeschichtlich eine ziemlich neue Angelegenheit ist. Erst mit der Rezeption des römischen Rechts ist sie in das deutsche Strafrecht eingeführt worden und hat dann jahrhundertelang Kapitalverbrechen noch gar nicht berührt. Das, glaube ich, führt zu der Erkenntnis, daß es sich überhaupt nicht um eine Sache handelt, die im Interesse des Angeklagten oder des Schuldigen in unser Recht hineingekommen ist und die auch kein subjektives Recht des Angeklagten oder des Schuldigen begründet, sondern daß es sich hier um einen Akt der Staatsräson handelt, die Gerichte vor Überforderungen, wie sie allzu langer Zeitablauf mit sich bringt, zu schützen. Das ist auch der Grund, warum diejenigen meiner politischen Freunde, die Verjährung für Mord grundsätzlich ablehnen, sich entschlossen haben, dies jetzt nicht zu fordern, sondern diese Frage bis zu den eingehenden Beratungen über das neue Strafgesetzbuch zurückzustellen und hier darauf nicht einzugehen.
Meine Damen und Herren, es ist in diesem Zusammenhang immer wieder von der Notwendigkeit gesprochen worden, die Gerechtigkeit und die Rechtssicherheit oder den Rechtsfrieden miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Das ist ein Ziel, dem alle Juristen zu dienen haben, ganz gleich, ob sie sich in der Position des Richters, des Staatsanwalts oder des Rechtsanwalts befinden. Aber es ist ein
Ziel, das sie nie ganz verwirklichen können, auch als Gesetzgeber nicht, weil eben in diesem Leben nicht alles aufgeht - und damit auch nicht in unserem Recht. Wenn aber Gerechtigkeit und Rechtssicherheit einander widerstreiten, dann plädiere ich doch für den Vorrang der Gerechtigkeit; denn, meine Damen und Herren, wenn wir nicht daran glauben, daß die Gerechtigkeit die Idee des Rechtsstaates ist, dann sollten wir auf den Rechtsstaat lieber verzichten.
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Nun, meine Damen und Herren, ist in diesem Zusammenhang auch immer wieder das Wort von der angeblich rückwirkenden Verlängerung aufgekommen. Das ist ein völlig falscher Ausdruck. Eingetretene Verjährungen bleiben auch von diesem Gesetzentwurf - wie von allen anderen, die vorliegen - unberührt; demgemäß tritt keine Rückwirkung ein. Es handelt sich nur um die Ermöglichung weiterer Strafverfolgung durch Berichtigung eines Datums, das von diesem Hause leider einmal falsch gesetzt worden ist. Meine Damen und Herren, der Stichtag des 8. Mai 1945 war ein Irrtum des Gesetzgebers. Er war ein Irrtum des Gesetzgebers, weil es am 9. Mai 1945 noch kein einziges deutsches Gericht gegeben hat, das funktionierte.
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Es war ein Irrtum, weil der Aufbau der Justiz sehr langsam, nicht zuletzt gehemmt durch Vorschriften der Alliierten, möglich war und weil auch dann, als der Aufbau der Justiz in den Ländern abgeschlossen war, noch die Bundesinstanzen fehlten. Ich glaube, meine Damen und Herren, Verbrechen, die im Reichsmaßstabe in die Welt gesetzt wurden, können auch nur im Bundesmaßstab wirklich aufgeklärt und verfolgt werden.
Schließlich bestand bis zum 1. Januar 1950 der Vorbehalt der Alliierten für alle Verbrechen, die an Ausländern begangen worden sind. Mir ist gesagt worden, das seien 95% der Fälle, die überhaupt behandelt werden müssen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie hier das Anfangsdatum der Verjährung verschieben, dann berichtigen Sie nur einen falschen Entscheid, den wir in diesem Hause getroffen haben. Wir haben uns im Grunde schon lange entschlossen, dies zu tun, dies zu berichtigen. Denn wir haben ja vor Monaten die Regierung beauftragt, zu prüfen, wie es mit der Frage der Verjährungsverlängerung steht, wie hoch die Dunkelziffer ist. Die erschrekkende Antwort ist, daß niemand das weiß und daß selbst diejenigen, die uns von Ludwigsburg her ursprünglich gesagt hatten, daß nur noch ganz wenige und ganz untergeordnete Täter vielleicht nicht entdeckt seien, nunmehr zugeben müssen, daß möglicherweise Tausende von Morden und damit Hunderte von Mördern auch in leitender Stellung noch unerkannt sind. Eigentlich ist das ja kein Wunder. Bedenken Sie einmal: Wenn ein „normaler" Mord geschieht, dann ist die Aufklärung verhältnismäßig einfach; denn kaum geschieht ein Mord, dann setzt sich die Mordkommission in Bewegung und erforscht an Ort und Stelle alles, was zu erforschen ist. Aber
hier handelt es sich um Morde, die vom damaligen Staat geschützt waren und die nachher von der Justiz nicht aufgegriffen werden konnten - vielfach jedenfalls nicht aufgegriffen werden konnten -, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie ja in jenen Aufbaujahren mit Arbeit genug belastet war. Verbrechen kommen eben nicht von selber !auf, sie müssen im allgemeinen ermittelt und verfolgt werden.
Es läßt sich auch nicht leugnen: Dieses unser Jahrllundert hat neue Verbrechen hervorgebracht, die zumindest in ihrem Ausmaß, wahrscheinlich aber auch in ihrem Inhalt, in der Geschichte ihresgleichen suchen und nicht finden.
Man kann zu dem bekannten Interview des Philosophen Jaspers viele, auch viele kritische Bemerkungen machen. Aber richtig, glaube ich, ist mindestens einmal die Feststellung, daß wir zwölf Jahre in einem Verbrecherstaat gelebt haben, einem Staat, wie es ihn in dieser Art in der deutschen Geschichte vorher nicht gegeben hat.
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Allerdings möchte ich den Ausführungen von Professor Jaspers noch hinzufügen, daß erschreckender-weise dieser Verbrecherstaat nicht allein in der Welt steht, sondern etliche totalitäre Verbrecherstaaten gleicher Natur sich inzwischen im Osten aufgetan haben.
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Meine Damen und Herren, es ist daran erinnert worden, daß die Verjährung von 20 Jahren eine sehr theoretische Angelegenheit ist, daß sie bei einem - wenn ich das furchtbare Wort gebrauchen darf - „normalen" Mord schon deshalb meistens nicht eintritt, weil er rasch aufgedeckt wird oder weil inzwischen die Verjährung unterbrochen wird. Wenn nun hier, wo durch die große Maschinerie des Dritten Reiches und durch den Zeitablauf, in dem Mörder geschützt waren, die Aufklärung nicht rechtzeitig möglich war, dann frage ich mich allerdings, wenn wir nichts tun sollten: Nimmt eigentlich die Schimpflichkeit und nimmt die Strafwürdigkeit eines Verbrechens deshalb ab, weil sein Umfang größer geworden ist? Diese Frage können wir nur verneinen.
Wenn uns die Gerechtigkeit am Herzen liegt - und sie muß dem Gesetzgeber am Herzen liegen -, dann muß die Unterscheidung verschwinden zwischen denen, deren Verbrechen zufällig aufgekommen sind, und denen, deren Verbrechen vorerst zufällig noch nicht aufgekommen sind.
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Wenn es einen Kollegen gibt, der berichtet, daß es Millionen nicht erforscherter Dokumente allein in Jerusalem gebe, also in einer Stadt, wo wir jederzeit Einblick nehmen können, erst recht jetzt, wenn wir diplomatische Beziehungen aufnehmen, dann ist das eben ein Zeichen, daß hier unsere Justiz nicht mitkommen konnte und daß hier durch die Umstände Verbrecher geschützt wurden, die niemand schützen will.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß das alles für unsere Justiz eine schwere Aufgabe mit sich
bringt. Sie ist sowieso mit diesen Aufgaben moralisch und oft auch zeitlich fast überfordert. Aber genauso, wie heute der Gesetzgeber der Last der Geschichte nicht ausweichen kann, kann es auch unsere Justiz nicht. Wenn in den Planungen der Großen Strafrechtskommission und in dem Strafrechtsgesetzentwurf der Bundesregierung festgehalten ist, daß die Verjährung für die Zukunft überhaupt auf 30 Jahre verlängert werden soll, dann, meine verehrten Damen und Herren, kann man auch nicht sagen, daß eine Verschiebung des Stichtages um knapp fünf Jahre die Justiz vor ein unlösbares Problem stellt. Wir haben Vertrauen zur deutschen Justiz. Ich zweifle nicht daran, daß man bei den Richtern auch unsere Entscheidung kritisieren wird. In diesem Hause ist auch manches Urteil kritisiert worden, das uns nicht zutreffend erschien. Ich persönlich habe mich immer zurückgehalten und bin der Auffassung, solange man die Gründe nicht kennt, soll man auch ein Urteil nicht schelten. Wer wie wir die Notwendigkeit erkennt, das zu tun, was hier ,geschehen muß, nämlich den Stichtag zu verschieben, der muß auch in Kauf nehmen, daß dort, wo Beweise nicht erbracht werden, in Zukunft gelegentlich Urteile ergehen werden, die einen Freispruch oder eine scheinbar zu milde Strafe aussprechen. Der Rechtsstaat muß und wird durch unsere Richter gewahrt werden. Gerade weil der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten" wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft gilt, ist die Verlängerung der Verjährung oder die Verschiebung des Stichtages eine Sache, die in erster Linie dem Staatsanwalt und erst in zweiter Linie dem Angeklagten zu schaffen macht. Wir vertrauen jedenfalls auf das Berufsethos unserer Richter, die auch mit dieser schweren Frage so fertig werden müssen, wie der Deutsche Bundestag mit ihr fertig werden muß.
Nun wird in der Diskussion gesagt, die Kapitalverbrechen der NS-Zeit würden gesondert behandelt. Nein, meine Damen und Herren, es geht nicht um Kapitalverbrechen im allgemeinen. Der KZ-Bewachungsmann, der einem kleinen Kind, das sich ein Stück Brot aus 'Hunger gestohlen hat, beide Beine weggeschossen hat - und diesen Fall hat es gegeben -, kann nicht mehr verfolgt werden, wenn seine Tat noch nicht aufgekommen ist, auch wenn wir heute hier den Beschluß fassen, der Ihnen vorliegt. Es geht nicht um Totschlag und nicht um schwere ,Körperverletzung, es geht einzig und allein um Mord, um das Verbrechen, das § 211 unseres Strafgesetzbuches definiert als die vorsätzliche Tötung eines Menschen „aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln, oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken." Nur um dieses schlimmste Verbrechen, das unsere Rechtsordnung kennt, geht es. - Oder vielleicht nicht nur und allein? Meine Damen und Herren, es geht um etwas wohl auch qualitativ und nicht nur quantitativ noch Schlimmeres: es geht um Massenmord, um geplanten Massenmord.
Es ist aber noch ein anderer Irrtum zu berichtigen. Was wir hier tun, hat nichts, aber auch gar nichts
mit dem zu tun, was man Entnazifizierung genannt hat. Diese Entnazifizierung, die uns die Besatzungsmächte mit sehr unzulänglichen Mitteln verordnet haben, war ein kläglicher Versuch, politische Verantwortung zu bestrafen. Wir sind der Meinung - und wir haben sie immer vertreten -, daß der politische Irrtum straffrei sein soll. Wir haben in jenen Jahren, da die 'Entnazifizierung schwer auf weiten Schichten des Volkes lag - von denen doch große Teile zu Unrecht betroffen worden sind -, immer gesagt: Laßt den politischen Irrtum straffrei, aber bestraft diejenigen, die Verbrechen begangen haben, stellt sie vor die Gerichte! Meine Damen und Herren, wir würden alle miteinander unglaubwürdig, wenn wir nun nicht auch das Unsere täten, daß die Verbrecher wirklich vor die Gerichte gestellt werden. Gerade derjenige, der zu Unrecht von der Maschinerie der Entnazifizierung ergriffen worden ist, muß Wert darauf legen, daß der Staat, der als Rechtsstaat wiedererrichtet ist, jetzt nicht nur ihn in Ruhe läßt, sondern auch den, der wirklich schuldig geworden ist bestraft. Sonst verwischen sich die Grenzen!
Dann ist weiter in die Debatte die Frage nach den Morden geworfen worden, die an Deutschen begangen worden sind; sie sind begangen worden, und wir wissen es. Aber ich möchte mich, wie schon ein Redner meiner Fraktion in der ersten Lesung, mit aller Ruhe und Klarheit gegen die furchtbare Vorstellung wehren, als ob man Morde miteinander aufrechnen könne. Für das zumindest in der Quantität schlimmste, was im Dritten Reich verbrochen worden ist, die Millionen Judenmorde, gibt es doch gar keine Instanz und gibt es überhaupt keine Möglichkeit, aufzurechnen; denn vom jüdischen Volk ist -doch - das muß ausgesprochen werden - ein irgendwie geartetes Verbrechen an unserem Volk nicht begangen worden. Wie und gegen wen wollen Sie die Ermordung von 4000 katholischen Geistlichen aufrechnen? Aber auch dort, wo Völker oder Vertreter von Völkern gegeneinander gesündigt haben, ist die Aufrechnung nicht möglich, nicht nur deshalb, weil die Verbrechen, die an Deutschen geschehen sind, nach denen geschehen sind, die von Deutschen begangen wurden, sondern weil ich mich gegen die Vorstellung wehre: Die Deutschen haben die Polen ausgesiedelt, und die Polen haben die Deutschen vertrieben. Nein, das eine Verbrechen haben nicht die Deutschen gemacht, sondern die Nationalsozialisten, und das andere Verbrechen haben nicht die Polen gemacht, sondern die Kommunisten. Beide Parteien hatten sich des Staatsapparates ihres Landes bemächtigt, aber beide Parteien waren und sind moralisch nicht legitimiert, für ihre Völker zu sprechen.
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Wir, meine Damen und Herren, sind für unser Haus verantwortlich; andere sollen in ihrem Hause der Verantwortung gerecht werden, die ihnen die Geschichte auferlegt.
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Wir werden nach dem Maß gemessen, mit dem wir Unrecht sühnen, und dieses Maß kann vielleicht einmal Maßstab anderswo werden.
Es ist furchtbar, wenn in der Tschechoslowakei ein Straffreiheitsgesetz ergangen ist, mit dem alle Verbrechen, die mit der Vertreibung zusammenhängen, für Rechtens erklärt werden, und das noch mit der Begründung, es handele sich um Vergeltung. Wenn es irgendwo in der Welt Revanchismus gibt, dann spricht er aus diesem tschechischen Gesetz,
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ein Gesetz, mit dem auch Kindermorde für Rechtens erklärt werden. Meine Damen und Herren, wir wollen auch nicht verschweigen, daß dieses Gesetz in seinen wesentlichen Bestimmungen von einem Gesetz abgeschrieben ist, das hier in diesem Lande, nach dem 30. Juni 1934, gemacht worden ist, wo man auch Morde für Rechtens erklärt hat.
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Wir wollen hoffen, daß der Zeitpunkt kommt, wo sich ein tschechisches Parlament dieses Gesetzes so schämt, wie wir uns der damaligen Gesetze schämen, und es aufhebt.
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Wenn wir auch nur in unserer eigenen Kompetenz sprechen und nur in unserer eigenen Kompetenz handeln, so wollen und müssen wir doch erklären: von diesen da drüben, die so mit dem Recht umgehen, lassen wir uns keine Ratschläge geben, was wir zu tun haben!
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Wenn man in Polen und in der Tschechoslowakei Vertreibungsverbrechen sühnen will, werden wir das Material gern zur Verfügung stellen. Aber zumindest in der Sowjetzone hält man bis zum heutigen Tage Akten zurück. Man wartet, ob dieses Parlament den Stichtag verschiebt, um uns dann zu belasten, wenn wir es nicht tun sollten. Das scheint mir eine Manipulation mit dem Recht zu sein! Ich sehe daraus nur, daß die Kommunisten von heute die NS-Mörder von gestern begünstigen.
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Dann, meine Damen und Herren, eine für viele vielleicht merkwürdige, aber jedenfalls tatsächliche Beobachtung. In unserem Volke gibt es sicherlich Stimmen nicht nur gegen die Verlängerung der Verjährung, die wir nicht vornehmen, sondern sogar gegen jede Veränderung im derzeitigen, auch dem irrtümlich zustande gekommenen, positiven Recht. Diese Stimmen sind besonders stark in der jungen Generation. Sie brauchen nur an unsere Universitäten, Sie können aber auch an andere Stätten gehen. Vielleicht ist das überraschend. Aber ich meine, der jungen Generation ist es am ehesten nachzusehen, ja es ist geradezu zu verstehen, wenn sie sagt, sie möchte nichts mehr hören von Verbrechen, an denen sie schon deshalb nicht beteiligt war, weil sie zu jener Zeit noch gar nicht oder gerade erst geboren war.
Sicherlich ist diese Haltung der junge Menschen kein Maßstab für unseren Entschluß. Wir alle, die wir das Dritte Reich erlebt haben, ob in verantwortlicher Stellung - wir haben ja einige verehrte Mitglieder unter uns, die noch Mitglied des Deutschen Reichstages gewesen sind -, ob als junge Studenten oder Gymnasiasten oder auch erst in den letzten Jahren des Krieges, als sie heranwuchsen - wir haben ja drei verschiedene Generationen in diesem Hause, wenn ich so sagen darf -, wir alle urteilen da isicherlich strenger.
Aber vielleicht liegt alles auch daran, daß wir unserer jungen Generation nicht recht klarmachen können, wie es eigentlich zum 30. Januar 1933 gekommen ist. Vielleicht können wir es uns selbst kaum noch erklären. Versailles, die Wirtschaftskrise, demokratische Unerfahrenheit, das sind alles Gründe, die Sie rational auf den Tisch legen können, aber damit allein ist doch das nicht zu erklären, daß ein Kulturvolk einem Verbrecher zum Opfer gefallen ist. Das hängt wohl mit dem zusammen, was die Theologen das mysterium iniquitatis, das Geheimnis der Bosheit, nennen. Das kann wohl nie ganz aufgeklärt werden. Aber weil das so ist, glaube ich - und das werden wir auch unserer jungen Generation klarmachen müssen -: niemand kommt frei von der Last der Geschichte. Auch wir können uns dem fluchbeladenen Nachlaß Adolf Hitlers nicht entziehen.
Es geht - so ist immer wieder gesagt worden - in dieser Frage auch 'und gerade um die Idee des Rechtsstaates. Nun, der Rechtsstaat, den wir neu aufgebaut haben, entspricht doch - nicht in jedem einzelnen Gesetz, aber in seiner grundlegenden Struktur - dem, was die andern westlichen Mächte, mit denen wir verbündet sind, in ihren Staaten verwirklicht haben. Sie wissen, daß die Angelsachsen eine Verjährung bei Kapitalverbrechen überhaupt nicht kennen und deshalb für unsere Situation schwer Verständnis haben. Sie wissen, daß Frankreich die Verjährung einstimmig abgeschafft, Belgien sie bei einer anderen Art von Delikten um 10 Jahre verlängert hat und daß unser Nachbarland Osterreich, das in dieser Frage das gleiche Schicksal und im übrigen auch das gleiche Recht mit uns teilt, ebenfalls die Verjährung abschafft oder verlängert.
Wir können in dieser Frage feststellen, daß sich ein europäisches Rechtsbewußtsein herausbildet. Das ist kein Wunder. Die Judenverfolgung war ein europäisches Problem, und die Antwort darauf ist eine europäische Reaktion. Wer sagt, diese Angelegenheit sei eininternes deutsches Problem, der sieht die Wirklichkeit jener Jahre und die Wirklichkeit von heute nicht. Man kann sagen, daß sich in der Frage der weiteren Strafverfolgung noch nicht aufgeklärter Verbrechen eine abendländische Rechtsüberzeugung herangebildet hat. Ich war sehr beeindruckt, von meinem Kollegen von Merkatz in der Fraktion heute erneut bestätigt zu bekommen, wie sehr die Solidarität einer Rechtsüberzeugung auch eine Quelle des Rechts 'ist. Ich freue mich deshalb, wenn die breite europäische Rechtsüberzeugung ihren Widerhall in einer breiten Mehrheit in diesem Hause findet und wenn zwei .große staatstragende Parteien, die 16 Jahre lang getrennt sind in einer Unzahl schwerwiegender Fragen - als Regierung und als Opposition -, sich in dem Bekenntnis zu
Freiheit und Recht der Deutschen nach innen und nach außen zusammenfinden.
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Jedenfalls, meine Damen und Herren, wenn alle Länder Europas in dieser Frage eine klare Haltung beziehen, dann kann das Land, von dem das Unglück ausgegangen ist, sich dem sicherlich auch nicht entziehen. Dieses Problem bewegt die Welt, und das Echo auf unsere Beratungen wird die Welt auch bewegen.
Sie ist nicht zuletzt durch ein Wort erschreckt worden, das auch im Innern unseres Landes Schaden angerichtet hat, das Wort, man müsse mit Mördern leben. Meine Damen und Herren, ganz gleich, ob es sich um NS- oder um andere Mörder handelt, ich halte es weder für gemütlich noch für ehrenvoll, mit Mördern zu leben.
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Wenn ich auch weiß, daß wir immer mit Mördern leben, weil es unerkannte Mörder immer gibt, bis sie eben entdeckt werden, so meine ich doch, niemand kann und darf uns zwingen, mit erkannten und erkennbaren Mördern zusammenzuleben.
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Und ich meine, auch die Glaubwürdigkeit, die wir Deutschen durch die Staatskunst Konrad Adenauers, Ludwig Erhards, Heinrich von Brentanos, aber auch
die Arbeit aller Parteien in diesem Hause in der Welt erworben haben, steht in dieser Frage auf dem Spiel, wenn wir uns der gemeinsamen europäischen Rechtsüberzeugung nicht anschließen sollten. Diese Glaubwürdigkeit unseres Landes benötigen wir nicht nur für unser gegenwärtiges Leben, wir brauchen sie, um das nationale Anliegen unseres Volkes, die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, mit der Hilfe unserer Verbündeten zu erreichen.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß sagen: es ist der Blick nach draußen gar nicht notwendig und nicht einmal der Blick auf die deutsche Frage, auf die Lösung, die uns immer noch aufgegeben ist. Wir brauchen nur auf uns selbst hier in unserer Bundesrepublik zu blicken. Dieses unser Volk hat sich einen neuen Staat geschaffen. Seine sittliche Existenz beruht nicht zum wenigsten auf dem Opfer der Männer, die am 20. Juli und bei anderer Gelegenheit ihr Leben für die Freiheit unseres Volkes in die Schanze geschlagen haben.
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Ein Volk, das sich zu solcher Haltung entschlossen hat, kann weder mit den Henkern dieser Männer zusammenleben noch mit Mördern, die ihnen an Gesinnung und Grausamkeit in nichts nachstehen.
Wir freuen uns, meine Damen und Herren, daß wir heute einen Beschluß fassen können, der ohne irgendeine schwerwiegende Operation unseres Rechtssystems diesem unserem Willen Ausdruck verleiht und, wie wir zuversichtlich hoffen, die Möglichkeit schafft, in knapp fünf Jahren dieses Problem
endgültig zu lösen, d. h. die letzten Morde aufzuklären. Wenn Sie mit mir dieser Meinung sind, dann, meine Damen und Herren, glaube ich, daß durch Gerechtigkeit und Selbstachtung die Zustimmung zu diesem Gesetz geboten ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Jaeger hat in seiner sehr eindrucksvollen Rede die Erinnerung an die Debatte heraufbeschworen, die wir zu den Grundsätzen des heute anstehenden Problems vor kurzer Zeit in diesem Hause miteinander geführt haben. Er hat - und ich bin ihm für die Art, in der er es tat, aufrichtig dankbar - überzeugend dargetan, daß und warum das Hohe Haus heute zu dem anstehenden Problemkomplex eine positive Entscheidung fallen muß.
Selbstverständlich - und auch das ist wohl ein Gesichtspunkt, der für alle Fraktionen dieses Hauses gilt - ist jeder Abgeordnete bei der Entscheidung in seinem Gewissen frei. Ich habe das in der ersten Lesung noch einmal dargetan. Wir halten uns frei von Einflüsterungen, die uns von außen oder von innen in überreichem Maße zuteil geworden sind. Es geht hier um gar nichts anderes als darum, auf einem bestimmten Gebiete unser eigenes deutsches Haus in Ordnung zu halten und, soweit dort keine Ordnung besteht, es in Ordnung zu bringen.
Notwendig ist eine klare Entscheidung, damit nicht nach dem 8. Mai 1965 unsere Gerichte im Zweifel darüber sind, was eigentlich in bezug auf den Lauf der Verjährungsfrist nun Rechtens ist oder nicht.
Das wirkliche Problem, über das wir hier vor 14 Tagen schon eine so gründliche Aussprache geführt haben, betrifft zunächst einmal den Komplex bisher unbekannter Morde und bisher unbekannter Mörder. Soweit es sich um bekannte Morde und bekannte Mörder handelt, sind unsere Gerichte tätig geworden, ist der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen, bedarf es also zur weiteren ordnungsmäßigen Verfolgung keines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Dieses Problem aber der ordnungsmäßigen Untersuchung und Verfolgung bisher unbekannt gebliebener Mordtaten muß jetzt durch den Deutschen Bundestag seiner Lösung zugeführt werden, und ich bin froh, daß dies mit einer eindrucksvollen Mehrheit geschehen wird.
Wir setzen uns dabei ein für die Gleichheit vor dem Gesetz. Es ist immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, wie unbefriedigend der Stand eines Verfahrens bleibt, wenn diejenigen verurteilt worden sind oder verurteilt werden, die an einer bestimmten Stelle der Ermordungsmaschinerie tätig geworden sind, während ihre Vorgesetzten und Befehlsgeber sich bisher der Verfolgung dadurch haben entziehen können, daß ihre Rolle durch Fehlen von Unterlagen oder durch bisher fehlende Aufklärung in den Prozessen nicht eindeutig klargestellt worden ist.
Dieses Problem hat ja der Rechtsausschuß in jener Vorlage anzugehen versucht, die wir vorhin dem Rechtsausschuß zurücküberwiesen haben. Meine Freunde sind mit mir der Überzeugung, daß der Weg, den der Rechtsausschuß uns zu gehen vorschlug, nicht der richtige Weg gewesen ist, und unser Kollege Dr. Güde hat ja ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß es noch weiterer Arbeiten bedarf, um dieses Problem wirklich befriedigend zu lösen.
Man wird also sehr sorgfältig an die Arbeit herangehen müssen; denn der bisher gefundene Unterschied zwischen einem hinreichenden und einem dringenden Tatverdacht, der doch wohl nur für bestimmte Handlungen gegenüber einem Beschuldigten im Stadium der Voruntersuchung verwendet werden konnte, kann nicht entscheidend sein für die rechtliche Beurteilung einer Mordtat überhaupt. Ich glaube auch nicht, daß es gut ist, wenn man dem Generalstaatsanwalt eine Art richterliche Beweiswürdigung dieser oder anderer Fragen zuschiebt. Auch die Unterscheidung zwischen Untergebenen und Haupttätern befriedigt nicht; denn wie oft ist sichtbar geworden, daß es Untergebene gegeben hat, die aus Sadismus dem erteilten Befehl noch in eigener Willkür Erkleckliches hinzugefügt haben. Wie viele hat es gegeben, die die ihnen abverlangte Tat aus eigenem Willen begingen und damit diese Tat in Wahrheit zu ihrer eigenen gemacht haben!
Das alles kann mit der Formulierung, die uns der Rechtsausschuß vorgeschlagen hatte und mit der er sich also erneut zu befassen haben wird, nicht als einwandfrei gelöst gelten. Ich möchte hier darauf aufmerksam machen, daß wir bei der Beratung unserer eigenen Soldatengesetzgebung versucht haben, einen Maßstab zu setzen, der auch an dieser Stelle nicht eingerissen werden sollte. Dadurch, daß wir die Lehren aus einer sehr bitteren und schmerzlichen Geschichte gezogen haben, haben wir versucht, klarzumachen, daß Befehle, die zu einem Verbrechen auffordern, nicht ausgeführt werden dürfen und nicht etwa nur verweigert werden können. Ich weiß, daß es einfacher ist, unter den Bedingungen eines freiheitlichen rechtsstaatlichen Gemeinwesens einen solchen Grundsatz zum Gemeingut der Armee zu machen, als nachträglich mit diesem Maßstab die Verhältnisse der totalitären Gewaltherrschaft messen zu wollen. Aber ich möchte nicht, daß eine Entscheidung des Bundestages irgendwo dahin mißdeutet werden könnte, als würde jenes Signal, das wir auch für die Erziehung unserer Soldaten in unserer Gesetzgebung gegeben haben, verdunkelt oder gar wieder eingezogen werden.
Wir Sozialdemokraten haben uns davon überzeugen müssen, daß die von uns für die 'beste und sauberste Lösung gehaltene Möglichkeit, nämlich die einer Änderung des Grundgesetzes, in diesem Hause keine Mehrheit findet. Uns kam es und kommt es auch weiterhin darauf an, daß wir uns nicht ausschließlich mit dem Problem beschäftigen, daß 'bisher unbekannte Mörder und unbekannte Mordtaten verfolgt werden, sondern wir sind nach wie vor der Überzeugung, daß die Verjährung bei Mord in unserem Rechtssystem nicht den heutigen
Umständen angemessen geregelt ist. Das gilt nicht nur für die vergangenen Jahrzehnte, das gilt überhaupt, ob es nun Mord, Völkermord, Massenmord, Taxifahrermord oder Kindesmord ist. Wir sind der Meinung, daß es ein Widerspruch bleibt, wenn auf der einen Seite unbefristete Freiheitsstrafe droht und auf der anderen Seite 'bei demselben Delikt überhaupt eine Verjährung vorgesehen ist.
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Dieses Problem bleibt uns zur Lösung aufgegeben. Die Bundesregierung selbst hatte es ja auch erkannt, als sie in ihren Vorschlägen zur Großen Strafrechtsreform die Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord von 20 auf 30 Jahre - übrigens auch mit rückwirkender Kraft - vorgesehen hatte.
Wir stellen mit Befriedigung fest, daß mit der heutigen Beschlußfassung des Deutschen Bundestages ein Gedanke aufgegriffen wird, den die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in beinahe wörtlich derselben Form bereits vor fünf Jahren dem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorgelegt hat. Damals hat unser Antrag keine Mehrheit gefunden; er verfiel der Ablehnung.
Die Umstände haben uns recht gegeben. Sie haben inzwischen auch die damals anders Denkenden zum größten Teil überzeugt. Es ist sogar die Bereitschaft gewachsen, noch umfassendere Lösungen des Verjährungsproblems 'bei Mord auch für die Zukunft anzustreben. Ich hoffe, daß dieses allgemeine Problem im Rechtsausschuß weiter behandelt wird, dem ja der sozialdemokratische Antrag auf Ergänzung des Grundgesetzes und die Strafrechtsänderungsvorlage erneut überwiesen werden. Denn der allgemeine Inhalt dieser Vorlagen ist durch den heutigen Beschluß zu einem speziellen Problem nicht gedeckt.
Meine Damen und Herren, mit diesen Bemerkungen zum Stand der Sache möchte ich es jetzt bewenden lassen. Ich bin der Ansicht, daß es nicht erforderlich ist, nach den sehr ausführlichen Debatten in der ersten Lesung und nach der eindrucksvollen Rede des Kollegen Dr. Jaeger heute noch viel an Einzelheiten hinzuzufügen. Ich freue mich, daß er besonders auf einen Punkt eingegangen ist, den ich bereits vor kurzer Zeit in meiner Rede zum Verjährungsproblem gestreift habe, nämlich auf das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit zueinander. Das Recht hat der Gerechtigkeit zu dienen und darf nicht zum Vorwand werden, wider die Gerechtigkeit entscheiden zu können.
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Deshalb 'schließe ich in dem Bewußtsein, daß ,der Beschluß des heutigen Tages einen Schritt auf dem richtigen Wege darstellt, auch heute mit dem Satz, den unis der verewigte Bundespräsident Professor Theodor Heuss bei seiner Amtseinführung mit auf den Weg gegeben hat: „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk!"
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Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Bemerkungen machen. Es werden Bemerkungen teilweise sehr persönlicher Art sein, wobei ichgleichzeitig, wie ich annehme, für die ursprünglichen Antragsteller des von mir und meinen 49 Kollegen eingebrachten Antrages spreche.
Ich spreche mit einer seltsamen Mischung von Genugtuung und Bedauern. Ich empfinde eine tiefe Genugtuung darüber, daß es im Laufe der letzten Monate und insbesondere in den letzten Wochen gelungen ist, den Willen des deutschen Parlaments so zu bilden, daß am 8. Mai 1965 oder am 1. Juli 1965 zu dem ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt eine Verjährung der nationalsozialistischen Mordverbrechen nicht eintreten wird. Es steht nach dem Ergebnis der zweiten Lesung fest - und die dritte Lesung wird dieses Ergebnis zweifellos bestätigen -, daß die überwältigende Mehrheit dieses Hauses der Auffassung ist, daß diese Mordtaten weiter verfolgt werden müssen und daß der Gerechtigkeit Genüge geschehen soll. Ich wiederhole, daß ich darüber eine tiefe Genugtuung empfinde.
Das Bedauern, von dem ich gesprochen habe, bezieht sich nicht darauf, daß es wohl trotz der vorzüglichen Ausführungen meiner beiden Herren Vorredner, für die ich auch dankbar bin, dennoch nicht ganz gelingen wird, heute die für mich jedenfalls unvergeßliche Atmosphäre der Debatte vom 10. März ganz wieder einzufangen. Das liegt wohl in der Natur der Sache. Wir alle haben, die wir damals hier gesprochen haben, sehr grundsätzlich sprechen müssen, während es heute darum geht, die konkreten Entscheidungen zu treffen. Beides gehört ja zu unserer Aufgabe. Wir sind ja nicht die Akademie der schönen Künste; wir sind das Parlament des deutschen Volkes, das Entscheidungen zu treffen hat. In diesem Stadium sind wir, und da wird es dann vielleicht nicht immer gelingen, das in der - ich wiederhole, für mich unvergeßlichen - Art zu tun, in der es von vielen Rednern am 10. März hier geschehen ist.
Das Bedauern, von dem ich gesprochen habe, bezieht sich darauf, daß ich für meine Person und für meine Kollegen, die den Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes eingebracht haben, offen sagen möchte, daß die von der breiten Mehrheit dieses Hauses heute getragenen Lösung, da es wohl bei ihr bleiben wird, für sich allein weniger ist, als wir uns vorgestellt haben. Sie ist in juristischer Beziehung nicht vollauf befriedigend. Sie ist auch -das möchte ich offen sagen - für uns in politischer Beziehung nicht vollauf befriedigend. Wir bleiben der Meinung, daß eine klare Verlängerung der Verjährung in der Form, wie wir es vorgeschlagen haben, oder in anderen Formen, über die man sprechen könnte, besser wäre.
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Es gibt gar keinen Zweifel nach den Erklärungen der Sprecher der Fraktionen, die wir gehört haben, daß die breite Mehrheit dieses Hauses zwar bereit ist, der Lösung, über die wir im Augenblick verhandeln, zuzustimmen, daß sich daraus aber wahrscheinlich ergibt, daß für eine Lösung, wie sie etwa
in dem Entwurf des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes vorhanden ist, sich in dieser Stunde keine Mehrheit mehr finden würde. Wir haben daher vor der Frage gestanden, ob wir unseren eigenen Standpunkt unter allen Umständen hier weiter vertreten sollten in dem Bewußtsein, daß die Mehrheit nicht zu erreichen ist, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß wir dies nicht tun sollten.
Meine Damen und Herren, ich weiß wohl, welche Reaktionen das bei diesem oder jenem außerhalb des Hauses auslösen mag. Mich schreckt die Gefahr nicht, daß der eine oder der andere sagen wird: Nun sind sie in letzter Stunde doch umgefallen. Das tragen wir. Das spielt auch gar keine Rolle.
Ich möchte für die Antragsteller sagen: wir haben in dieser Frage in weitem Umfang alle Rücksichten der engeren Politik, der Parteipolitik zurückstellen zu müssen geglaubt um einer Sache willen, die wir für notwendig hielten, und wir sind auch nicht ganz ohne Erfolg damit geblieben. Es wäre im Ergebnis wohl falsch, zu sagen, daß die Wahrung des eigenen Standpunktes in diesem Hause wichtiger sei als das andere, was bei Abwägung aller Gesichtspunkte wohl überwiegt. Das ist der Gesichtspunkt, der wohl den Ausschlag geben sollte:
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daß es gelingt, in dieser Frage mit einer Lösung, von der ich erneut sage, daß sie mich nicht vollauf befriedigt, eine breite Mehrheit in diesem Hause zu finden. Genauso, wie ich für meine Freunde und mich sage, daß dazu sehr viel Überwindung gehört, möchte ich anerkennen, daß es auf der anderen Seite auch Kollegen gibt, von denen ich weiß, daß es ihnen nicht leicht fällt, der Lösung, die hier vorgetragen wird, von ihrem Standpunkt - der auch achtbar und auch respektabel ist - zuzustimmen. Ich meine, daß dann das Treffen in einer mittleren Lösung wohl besser wäre um dessentwillen, was der Kollege Dr. Arndt in der ersten Lesung gesagt hat - und ich wiederhole es -: daß wir mit allem Ernst den Versuch unternehmen müssen, in dieser Frage nicht eine Frontstellung der Befürworter und der Gegner einer Verjährungsverlängerung herbeizuführen. Nein, meine Damen und Herren, es kommt, nachdem die Entscheidung gefallen ist, daß am 8. Mai 1965 die Verjährung nicht eintreten wird, unter allen Umständen darauf an, daß die Einheit der Willensbildung in diesem Hause und darüber hinaus in unserem ganzen Volke, die nach den öffentlichen Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate gefährdet ist, wiederhergestellt wird und daß wir uns zusammenfinden in einer Lösung, die nicht die beste ist, die aber doch erträglich ist.
Es bleibt - ich komme damit zum Schluß - das Gefühl nicht einer Zufriedenheit und schon gar nicht einer Selbstzufriedenheit. Ich sage dennoch, meine Damen und Herren, - und das ist für mich eines der Ergebnisse einer monatelangen Diskussion, an deren Abschluß wir heute stehen -: wir haben in diesen Monaten in diesem Hause und außerhalb des Hauses eine unbequeme, eine lästige - in der ersten Lesung habe ich gesagt, auch ,das wiederhole ich -, ja, eine bittere Diskussion gehabt. Aber wir haben eine nützliche und notwendige Diskussion
gehabt, für uns selbst, für unser Haus und, wie ich überzeugt bin, für unser Volk. Ich habe auch den Eindruck - das ist für mich persönlich, wenn Sie diese sehr persönliche abschließende Bemerkung gestatten, einer der stärksten und besten Eindrücke aus dieser ganzen Diskussion -: in dieser Diskussion sind in diesem Hause über die Grenzen der Fraktionen hinweg Kräfte hervorgetreten, von denen ich meine, daß sie in Zukunft in diesem Hause bei anderen Entscheidungen weiter wirken werden. Dafür bin ich dankbar, und das rechtfertigt die Mühe, die wir miteinander gehabt haben. Insofern schließe ich mit einem Gefühl nicht nur des Bedauerns, nicht nur der Genugtuung, sondern mit einem Gefühl der ganz großen Hoffnung für die Zukunft.
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Meine Damen und Herren, eine Bemerkung zur Geschäftslage. Ich habe noch drei Redner auf der Liste. Ich würde diesen Tagesordnungspunkt gern vor der Mittagspause abschließen.
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Aber das ist leider deshalb nicht zu machen, weil einer der Redner verständlicherweise eine längere Redezeit ,angemeldet hat. Außerdem ist mir namentliche Abstimmung angekündigt. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, weil wir, so wie die Dinge jetzt stehen, unterbrechen müssen und um 15 Uhr die
Sitzung wieder beginnen müssen. Gegen 16 Uhr .spätestens - aber das ist kein Versprechen, sie kann jederzeit früher eintreten - ist die namentliche Abstimmung.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
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Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Als erstem gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Dehler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Benda hat heute ein ergreifendes Wort gesagt: Es gebe für ihn und für seine Freunde viele Bedenken, der jetzigen Vorlage über das Ruhen der Verjährungsfrist vom Mai oder Juli 1945, möglicherweise in anderen Besatzungszonen 1947 oder Ende 1949, zuzustimmen; es gehöre viel Überwindung - viel Überwindung! - dazu. Überwindung, weil er weiß, welche rechtlichen Bedenken diesem Lösungsversuch - wie allen anderen - entgegenstehen.
Aber welch ein Gegensatz zwischen Benda und seiner Verhaltenheit und seinem Ringen um das Recht und seiner Überwindung der Bedenken und den Fanfarenstößen, die sein Fraktionskollege Dr. Jaeger heute hier ausgestoßen hat,
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um diesen Vorschlag - man höre! - um diesen Vorschlag als eine Forderung der Gerechtigkeit, als eine Forderung der Freiheit, als eine Forderung des Rechts, des Rechts nach innen und nach außen, 2u preisen! Ich glaube, schon diese klingenden Worte beweisen, wie wenig Substanz hinter dieser Haltung steckt.
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Nur einiges zu der Fülle der von ihm gebrachten Mißverständnisse:
Vor Gott und dem Gewissen gibt es mehr als die Verjährung, gibt es die Vergebung. Ich kann mir keinen der Täter denken, die in jener verruchten Zeit schuldig geworden sind, der heute ohne Reue wäre.
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Niemand behauptet, daß - wie Herr Dr. Jaeger sagte - durch die Verjährung sich die Persönlichkeit des Täters wandle; das hat er mir wohl unterstellt. Gerade umgekehrt ist es! Durch den Ablauf von Jahrzehnten, besonders im Abstand von einer ganz außergewöhnlichen Zeit, wandelt sich die Persönlichkeit und ist die Verjährung gerecht.
Und die Verjährung ist doch mehr als ein Ausfluß der Staatsräson. Sie ist im Grunde - nicht anders als der Verzicht auf die Todesstrafe - der Ausfluß weiter, wissender Humanität. Der Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit findet eben in der gesetzlichen Bestimmung der Verjährung seinen Ausgleich. Wer deswegen „lieber auf den Rechtsstaat verzichten" will, weiß nichts von der Idee des Rechtsstaates.
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Der von Herrn Dr. Jaeger angeführte Umstand, daß die vorgeschlagene gesetzliche Regelung nicht bereits verjährte Taten berühre, ändert doch nichts an der Tatsache, daß hier durch ein Ausnahmegesetz die Rechtsfolgen eines abgeschlossenen Vorgangs geändert werden sollen. Das ist das Wesen der Rückwirkung, das Wesen eines Ausnahmegesetzes, das nach unserer tiefen Überzeugung gesetzwidrig - nein! sogar verfassungswidrig und rechtsstaatswidrig ist.
Herr Kollege Erler, vielleicht darf ich einen Irrtum, den Sie heute hier gebracht haben, nebenbei berichtigen. Sie sagten, daß in dem neuen Strafgesetzentwurf, der jetzt vom Sonderausschuß behandelt werde und der eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für mit lebenslangem Zuchthaus bedrohte Straftaten -vorsehe, diese Bestimmung rückwirkend gedacht sei. Das ist nicht der Fall. Jeder Jurist weiß - kein Vorwurf gegen Sie, Herr Kollege Erler! -, daß die Norm des § 2 Abs. 2 des Strafgesetzbuches daneben besteht, daß immer das mildeste Gesetz vom Richter angewendet werden muß. Diese Frage soll in einem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch auch noch ausdrücklich geklärt werden. - Ich will nur verhindern, daß hier ein falscher Schluß gezogen wird.
Das Gesetz vom 30. Mai 1956, das jetzt außer Kraft gesetzt werden soll, das den Beginn des Laufes der Verjährungsfristen normierte - nach Besat8772
zungszonen verschieden, in der amerikanischen Besatzungszone auf den 1. Juli 1945, wieder anders in der französisch besetzten Zone und im Saarland -, beruht nicht wie Herr Dr. Jaeger unterstellt, auf einem Irrtum, auf einer falschen Entscheidung. Ich sage mit allem Nachdruck: Ich habe mich nicht geirrt, als ich diesem Gesetze zustimmte, und ich möchte einen, der damals beteiligt war, fragen, ob er sich geirrt hat, ob damals nicht die maßgebenden Tatsachen, die jetzt zu einer Änderung des Gesetztes benutzt werden sollen, uns, dem Gesetzgeber, bewußter waren als heute Ihnen. Wie will man uns so etwas vormachen!
({4})
Lesen Sie die Protokolle der damaligen Sitzungen des Rechtsausschusses nach! Der Entwurf ist zwar hier im Hause ohne Debatte über die Bühne gegangen, ist aber im Rechtsausschuß eingehend behandelt worden, die Vorlage ist abgeändert worden. Wie kann man heute behaupten, das Gesetz habe auf einem Irrtum beruht! Welch eine falsche Darstellung zur Begründung eines Entwurfes von dieser Tragweite!
({5})
Bei der Beratung im Jahre 1960 - Herr Kollege Erler hat darauf hingewiesen -, bei der Beratung des Antrages der SPD, den Beginn der Frist hinauszuschieben, waren uns die Vorgänge noch vertrauter als damals, und die Mehrheit des Hauses hat nach reiflichster Erwägung aller Umstände die Verschiebung des Beginns der Frist abgelehnt. Lesen Sie doch die Protokolle nach! Meisterhaft, was damals die Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt als Berichterstatterin hier dargelegt hat! Sehr bewegend auch das, was damals der verstorbene Herr Kollege Menzel zur Begründung des Antrages der SPD vorgetragen hat! Wer es miterlebt hat, wird es nicht vergessen. Aber die Mehrheit dieses Hauses hat damals ausdrücklich aus rechtsstaatlichen, aus verfassungsrechtlichen Gründen das, was Sie heute versuchen, abgelehnt. Und heute soll das alles vergessen sein, Sie wollen es nicht mehr wissen - und da kommt einer und spricht hier von Freiheit, von Recht und von Gerechtigkeit?!
({6})
Meine Überzeugung: Wenn Sie dieses Gesetz beschließen, kein Richter kann es anwenden, jeder Richter wird vor der zwingenden Frage stehen: Was war das mildeste Gesetz seit Begehen der Tat bis zur Aburteilung? Da mögen Sie in das Gesetz hineinschreiben, was Sie wollen, ein gerechter Richter muß sagen: Das Recht bis zum Inkrafttreten Ihres Gesetzesbeschlusses war milder, das frühere Gesetz war das mildeste, es führte zur Verjährung. Darum kommen Sie nicht herum. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Bundesverfassungsgericht diesen Versuch, den Sie heute unternehmen, billigt.
Es gibt kein „europäisches Rechtsbewußtsein", von dem der Herr Dr. Jaeger spricht. Alle Stimmen, die aus Staaten kommen, deren Rechtsgefühl sehr geschärft ist, aus dem skandinavischen Bereich, aus dem angelsächsischen Bereich, lehnen das Verlangen auf rückwirkende Veränderung der Verjährungsfrist
ab. Alle! Ich will jetzt keine Psychologie des Rechtsbewußtseins der einzelnen Völker geben, obwohl das von größter politischer Bedeutung ist. Auf jeden Fall: wir müssen nach unserer Verfassung, nach unserem Recht, nach unserer Rechtsüberzeugung handeln und dürfen nicht auf den „Widerhall" einer fiktiven europäischen Rechtsüberzeugung hören, den Herr Dr. Jaeger hier ertönen zu lassen versucht hat.
Herr Dr. Jaeger hat seiner Freude Ausdruck gegeben, daß die beiden großen staatstragenden Parteien, die 16 Jahre getrennt sind in einer Unzahl schwerwiegender Fragen, sich - ich muß es wiederholen, wenn es mir auch schwerfällt - in dem Bekenntnis zur Freiheit und zum Recht der Deutschen nach innen und nach außen zusammenfinden, noch einmal: zur Freiheit, zum Recht, zum Recht der Deutschen nach innen, nach außen, zwei staatstragende Parteien! Noch einmal: Wie weit weg sind die Haltung und die Gesinnung eines Mannes wie des Herrn Kollegen Benda von diesem Wortklang und dem bösen Willen, der sich hinter diesen Worten verbirgt!
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Man wagt hier, von zwei staatstragenden Parteien zu sprechen!
({8}) - Herr Wuermeling, Sie sollten schweigen!
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Ich werde ein Wort zu Ihnen sagen, welchen Geist Sie verkörpern.
({10})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Sie haben gesagt, Sie unterstellen hier einen bösen Willen.
Sehr, ja!
Einen bösen Willen?
Ja, einen urbösen Willen, Herr Präsident.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Dehler, ich bin nicht gesonnen, das widerspruchslos hier sagen zu lassen.
({0})
Ich werde nachprüfen, auf das genaueste nachprüfen,
ob ich eine Möglichkeit habe, dagegen einzuschreiten. Aber ich möchte Sie bitten, sich zu mäßigen.
Ich wiederhole: Hinter der Behauptung, hier würden sich zwei große staatstragende Parteien in einem Beschluß zum Rechte, zur
Freiheit zusammenfinden, steht der Vorwurf, wir, die dritte Partei dieses Hauses, die Freien Demokraten, seien keine staatstragende Partei.
({0})
- Ach, ich kenne meinen Pappenheimer, und ich kenne den Herrn Dr. Jaeger, und ich sage: ich weise diesen Vorwurf mit allem Nachdruck zurück.
({1})
Diese Debatte und diese Entscheidung zum Anlaß solcher Auseinandersetzungen machen zu wollen, uns den Makel einer Partei aufdrücken zu wollen, die nicht zum Rechte, die nicht zum Staate steht, das ist böse, das ist urböse.
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Herr Abgeordneter, ich mache darauf aufmerksam, daß man zwar sagen kann, daß diese Äußerung des Abgeordneten Dr. Jaeger so gedeutet werden kann; aber Sie können nicht beweisen, daß das gemeint ist, und deshalb können Sie auch nicht unterstellen und beweisen, daß hier ein böser Wille am Werk ist. Ich möchte noch einmal bitten, sich zu mäßigen.
Herr Kollege Barzel, ich will jetzt einmal meine grundsätzlichen Dinge darlegen. Ich bin mitten drin. Ich stehe Ihnen am Ende zu jeder Frage zur Verfügung. Zunächst sage ich meine Sache, die Sache, die mir am Herzen liegt.
Herr Abgeordneter Dr. Barzel, Sie können die Zwischenfrage nicht erzwingen, wenn der Redner das ablehnt.
Ich muß ein persönliches Wort dazu sagen. Ich habe diese Partei mit geschaffen; ich stehe zu ihr, und ich glaube, daß ich gerade auch in der Haltung in dieser Frage für meine Partei von Bedeutung war. Der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger hat das Wort von der staatstragenden Partei in dem Zusammenhang mit der Ursache des Zusammenbruchs der Weimarer Republik gebraucht. Er sprach von dem mysterium iniquitatis, von dem Geheimnis der Bosheit, das über das deutsche Volk gekommen sei und das man nicht deuten könne. Auf Grund meiner Lebenserfahrung bin ich erheblich anderer Meinung, und das hat mit dem Vorwurf . „staatstragende Partei" ganz entscheidend etwas zu tun.
Ich stehe mit meinem Freund Lemmer, der soeben durch den Mittelgang schreitet, immerhin fast seit 50 Jahren im politischen Kampfe und ich habe mich mit ihm immer zum Recht, zum Rechtsstaat bekannt. Mein Freund Lemmer und ich und viele andere haben in der Weimarer Zeit einen verzweifelten Kampf gegen die bösen Mächte jener Zeit gekämpft,
({0})
einen verzweifelten Kampf. Und wem sind wir erlegen, meine Damen und Herren, wem? Nicht nur
den radikalen Parolen und dem Kampfe von links
und von rechts. Herr Kollege Jaeger und ich stammen ja aus dem bayerischen Milieu; vielleicht hat er ein bißchen Erfahrung, was dort geschehen ist. Es ist ja kein Zufall, daß das Böse, das Urböse jener Zeit in Bayern entstanden ist.
({1})
- Wollen Sie das bestreiten? Ich habe es erlebt, ich kann es besser sagen als Sie.
Bevor der Nationalsozialismus - die Frage ist ja vom Herrn Jaeger aufgeworfen - mit seinen fürchterlichen Folgen für uns und für die Welt hochgekommen ist, ist er in Bayern gezüchtet worden. Bevor er zur Macht kam, meine Damen und Herren, ist der rechtsstaatliche Gedanke, ist der Gedanke des Rechts zum Erliegen gekommen, der Gedanke, den meine Partei wie keine andere verfochten hat, wie keine andere Partei!
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Noch einmal: Ich nehme für mich in Anspruch, wie kaum ein anderer hier in diesem Raume dafür gekämpft zu haben. Vielleicht wissen die Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei, daß gerade in jener Zeit, in der in München der Nationalsozialismus hochkam, ich im Reichsbanner und auch anderswo in engem Kontakt mit der SPD stand, mit ausgezeicheten Persönlichkeiten wie Erhard, Auer, mit denen ich verbunden war in dem Willen um das Recht und um den Rechtsstaat. Ich habe mit dem Gewehr in der Hand in München das Verlagsgebäude der „Münchner Post", des sozialdemokratischen Blattes, gegen die Nazibuben verteidigt.
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Und ich lasse mir jetzt vom Herrn Dr. Jaeger sagen, ich gehörte nicht zu einer Partei, die den Staat trägt! Damals hat die Bayerische Volkspartei alles getan, um den liberalen Gedanken und damit den Gedanken des Rechts und des Rechtsstaates zum Erliegen zu bringen. So war es! So ist der Morast geschaffen worden, auf dem dann die Sumpfblüte des Nationalsozialismus zur Wirksamkeit kam!
Für den Versuch des neuen Aufbaues gilt das Wort von Theodor Heuss - unser Kollege Erler hat ihn heute vormittag zitiert -, das Wort, das er am Ende seiner ersten Rede als eben gewählter Bundespräsident gesprochen hat: „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk." Er war ein Mann von uns. Wir eifern ihm nach, wollen wie er der Gerechtigkeit und dem Rechte dienen.
Am letzten Freitag hat in einem anderen Zusammenhang der Kollege Adolf Arndt sich mit Schärfe gegen die Unterstellung gewandt, daß ein Abgeordneter dieses Hauses seine Motive nicht wahrheitsgemäß angebe. Er hat sich dagegen gewandt, daß man ihm andere Gründe unterstelle, als er sie hier vertrete. Das nehmen auch meine Freunde und ich in Anspruch.
Das Grundgesetz, dieses Gesetz des Rechtes und der Gerechtigkeit, das Gesetz der großen Grund-und Freiheitsrechte, ist von uns entscheidend mitbestimmt worden und verpflichtet uns. Aus dem Geiste dieses Grundgesetzes nehmen wir in diesem
Hause Stellung zu jeder Frage, auch zu dieser Frage. Und da darf einer auftreten und darf uns außerhalb dieser Gemeinschaft zu stellen versuchen! Schlimmer kann man sich nicht verhalten. Nein, was da abgegeben wurde, das war kein Bekenntnis zum Recht und kein Bekenntnis zur Freiheit, nicht zum Recht nach innen und nicht zum Recht nach außen. Das war kein Bekenntnis der Gerechtigkeit und Selbstachtung, und deswegen weise ich das zurück, was heute vormittag hier versucht worden ist.
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Für uns ist das Recht etwas Großes, etwas Unverbrüchliches. Aus dieser Haltung heraus haben wir Stellung genommen zu dieser Frage. Ich habe mich bekannt an dieser Stelle. Wir haben keinen Grund, daran etwas zu ändern.
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Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes sagen. Herr Abgeordneter Dr. Dehler, ich habe heute vormittag präsidiert, während der Abgeordnete Dr. Jaeger gesprochen hat. Es steht dem Präsidenten des Hauses nicht zu, irgendwie als Zensor aufzutreten, aber ich möchte ausdrücklich sagen: Wenn ich aus der Rede Dr. Jaegers herausgehört hätte, daß der Redner diese Unterstellung gegen eine in diesem Hause vertretene Partei mit Bewußtsein hätte zum Ausdruck bringen wollen, dann hätte ich ihn gerügt. Ich hatte dafür aber keinen Anhaltspunkt. Deshalb
habe ich diese Rüge unterlassen. Hätte ich sie erteilt, dann wäre sie nach meiner Überzeugung zu Unrecht erteilt worden.
({0})
Im übrigen, Herr Kollege Dr. Dehler: es gibt weder nach der Geschäftsordnung noch nach dem Grundgesetz eine Möglichkeit für den Präsidenten des Hauses, in einer solchen Sache mit Ordnungsmitteln einzugreifen. Ich empfinde nur ' die Unterstellung, daß jemand hier aus bösem Willen gehandelt habe, als zu weitgehend. Deshalb, Herr Abgeordneter Dr. Dehler, möchte ich das namens des Hauses zurückweisen.
({1})
Ich sage das ausdrücklich, obwohl die Formulierung der Unterstellung kein Verbaldelikt ist. Das will ich ausdrücklich bescheinigen. Aber, Herr Kollege Dr. Dehler, es gibt einen Satz in der klassischen deutschen Philosophie von einem Mann, den Sie immer respektiert haben, Immanuel Kant: erster Satz zur „Grundlegung zur Methaphysik der Sitten":
Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.
Der Umkehrschluß: Das Böseste in der Welt ist also der böse Wille, und ihn zu unterstellen, meine Damen und Herren, das geht mir in dieser Sache zu weit.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, um das loszuwerden, Herr Kollege Dehler, was ich soeben in einer Zwischenfrage sagen wollte, weil ich die Hoffnung hatte, daß durch das Annehmen meiner Frage eine ruhigere Atmosphäre für diesen Punkt entstanden wäre. Ich wollte Sie fragen, Herr Kollege Dehler: Sind Sie bereit, meine Erklärung als die des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion anzunehmen, daß die FDP, unser Koalitionspartner, eine staatstragende Partei ist? Das war der Sinn meiner Frage auf dem Höhepunkt der Erregung Ihrer Rede. Ich glaube, sie hätte einen anderen Verlauf genommen. Diese Erklärung gebe ich ab, ohne sie jetzt in Frageform zu kleiden.
({0})
Daß dem Herrn Kollegen Jaeger hier etwas unterstellt worden ist, brauche ich nach den Ausführungen des Präsidenten nicht mehr darzutun. Er ist falsch interpretiert worden. Er hat von zwei großen staatstragenden Parteien gesprochen. Ich habe gerade mit ihm gesprochen. Natürlich deckt auch er die Erklärung, die ich soeben abgegeben habe. Die Differenz liegt in „groß" und „klein", meine Damen und Herren.
({1})
Da ich das Wort habe, will ich noch ganz wenige Sätze anfügen.
Ich hoffe nicht, daß diese Rede - für den Beginn des Nachmittags war ein anderer Redner Ihrer Fraktion vorgesehen - ein rückwirkender oder ein vorausschauender Theaterdonner sein soll,
({2})
rückwirkend - lassen Sie mich das in aller Ruhe sagen, Herr Achenbach - im Hinblick auf das, was in den Gazetten an den ersten beiden Tagen dieser Woche zu lesen war, und vorausschauend auf das, was hier in diesen Bänken als Konsequenz der Entscheidung in dieser Sache gemunkelt wird. Meine Damen und Herren, das war das Zweite.
Das Dritte, was ich sagen möchte, da offensichtlich immer noch Mißverständnisse in der Debatte sind, ist dies: Es gibt - ich bin nicht präpariert - in der Präambel der Konvention der europäischen Mächte, die dem Europarat angehören, zum Schutze der Menschenrechte eine Passage, in der es heißt, es gehe darum, allen diesen Mächten das gemeinsame Erbe auf der Basis des Rechtes zu wahren. Das ist die Formel, um die es hier geht: das gemeinsame Erbe auf der Basis des Rechtes. Ich meine, daß das, was für Europa gilt, auch für das ganze Haus gelten sollte. Es ist klargeworden, daß das, was hier geschieht, auf der Basis und in Übereinstimmung mit dem Recht geschieht.
Diese drei Punkte hier zu erwähnen, schien mir in diesem Zusammenhang wesentlich. Ich danke dem Präsidenten, daß er mir gleich die Gelegenheit gegeben hat, das Wort zu ergreifen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich darf einleitend klarstellen, daß die Änderung in der zunächst angekündigten Folge der Redner durch die Ausführungen des Kollegen Dr. Jaeger hervorgerufen ist. Die Reaktionen unseres Kollegen Dr. Dehler sind ausschließlich auf diese Ausführungen zurückzuführen. In der Sache selbst aber ist noch einiges zu sagen, was heute in der Debatte nicht angesprochen worden ist. Dabei knüpfe ich an das an, was der Herr Kollege Erler heute morgen gesagt hat, nämlich, daß der Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorliege, ein Mittel sein solle, Ordnung in ein bestimmtes Gebiet zu bringen und den Gerichten die Möglichkeit zu klaren Entscheidungen zu geben. Das ist sinngemäß das, was er als Sinn und Zweck des vorliegenden Gesetzes angesprochen hat.
In einem kann ich Herrn Erler in gewissem Umfang bereits recht geben. Ich könnte es in noch größerem Umfange, wenn ich wüßte, was nach diesen Beratungen kommt; denn was sich in den letzten Tagen als Möglichkeit einer Regelung abgezeichnet hat, was an Verhandlungen über diese Möglichkeiten hier und in den Fraktionen geführt worden ist, das ist alles andere als etwas, was zur Ordnung eines Gebietes und zur notwendigen Klarheit beigetragen hat.
({0})
Leider ist bis zum jetzigen Stand der Beratungen auch noch nicht klar, wie die Dinge denn weiterlaufen sollen. Ich würde gern wissen, wie es mit den Anträgen der SPD und mit dem Antrag von Herrn Benda werden soll. Sollen die weiter nebenherlaufen, soll weiter die Unklarheit bleiben: Was machen wir denn nun, verlängern wir vorn oder hängen wir hinten etwas dran? Ändern wir das Grundgesetz oder ändern wir es nicht? Erst wenn das alles klargestellt ist, kann man überhaupt einmal versuchen, davon zu sprechen, daß in ein ,gewisses Gebiet Ordnung hereingebracht worden ist - bis dahin nicht!
({1})
Es erhebt sich aber weiter die Frage: Wird denn wenigstens durch das Gesetz, das hier zur Beratung ansteht, dieses Ziel erreicht, 'besonders dann, wenn man die §§ 1 und 2 des vorliegenden Gesetzentwurfes einmal als angenommen betrachtet? Es ist sicherlich vorsichtig ausgedrückt, wenn ich jetzt behaupte, daß durch dieses Gesetz die Rechtslage noch unklarer wird, als sie es gewesen wäre, wenn etwa der Entwurf Benda angenommen worden wäre.
Hierzu eine kurze Begründung. In der letzten Debatte des Bundestages ist der Bendasche Entwurf - ich darf ihn vielleicht einmal so nennen - eingehend erörtert worden. Die Geister schieden sich im wesentlichen an der Frage, ob die Verjährungsbestimmungen materielles oder formelles Recht seien. Je nachdem, wie man zu dieser Frage stand, sagte man: Ein verfassungsänderndes Gesetz ist notwendig - nämlich dann, wenn man die Verjährungsbestimmungen als materielles Recht ansah -, oder: Eine Verfassungsänderung ist überflüssig, nämlich dann, wenn man sie als formelles Recht ansah.
Das waren die Standpunkte, wie sie sich damals ergaben. Wir vertreten die Ansicht, daß auch die Verlängerung .der Verjährungsfrist materielles Recht beinhaltet und daß schon deshalb zumindest eine Verfassungsänderung nötig wäre, daß aber selbst diese an rechtsstaatlichen Grundsätzen scheitert.
Gegenüber diesem Entwurf ist nun die heutige Rechtslage wesentlich vereinfacht worden. Wir müssen nämlich von der Situation ausgehen, daß die Frage, wann die Verjährung beginnt, in der Bundesrepublik geregelt ist. Alle Stimmen, die heute auftauchen und sagen, sie sei nicht geregelt, treffen nicht die Gesetzeswirklichkeit. Ich könnte mich hier, um nicht nur unsere 'Meinung zu zitieren, wiederum auf die Schrift des Herrn Kollegen Benda beziehen, der das ausdrücklich klargestellt hat.
Nun erkennt selbst der vorliegende Bericht des Herrn Kollegen Dr. Güde an, daß durch die §§ 1 und 2 des Gesetzentwurfs der § 2 des Strafgesetzbuchs - besonders sein Abs. 2 - geändert wird. Meine Damen und Herren, wenn man vielleicht darüber streiten kann, ob die Bestimmungen des § 67 des Strafgesetzbuches, die Verjährungsbestimmungen, formelles oder materielles Recht sind, so kann man doch über eines nicht streiten, nämlich darüber, daß § 2 des Strafgesetzbuches materielles Recht enthält, ja mehr als materielles Recht, daß er gewissermaßen eines der Ausführungsgesetze zu Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes ist.
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Wenn überhaupt irgendwo, dann wird hier völlig klar und deutlich, daß der Richter - selbst wenn Sie heute das Gesetz beschließen - vor der schweren Frage steht, ob er in Zukunft das mildere Gesetz anwenden soll - nämlich das, das bis heute gilt - oder ob er das heute etwa zu beschließende Gesetz anwenden soll. Von dieser Prüfungspflicht werden Sie ihn nicht entbinden können. Wir glauben fest - Herr Dr. Dehler hat mit Recht darauf hingewiesen -, daß diese Frage vom Verfassungsgericht, vor das sie kommen wird, nicht in dem Sinn entschieden werden wird, wie es in Ihrem Bericht, Herr Dr. Güde, steht, sondern daß das Verfassungsgericht hier die Grundsätze des Art. 103 Abs. 2 klar und deutlich anerkennen wird. Ich muß aber weiter sagen: Nachdem heute morgen der Beschluß gefaßt worden ist, den § 3 nun aus der weiteren Beratung auszuklammern und ihn in den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen - glauben Sie wirklich, daß Sie damit in der Zukunft dem Richter nun ermöglicht haben, eine klare Entscheidung zu treffen? Woraus ist denn dieses Anliegen, das beide Berichterstatter im Rechtsausschuß gemeinschaftlich vorgetragen hatten, entstanden? Es ist entstanden aus der Situation, die wir haben und die ja heute bereits mehrfach angesprochen worden ist.
Unzweifelhaft hat auf der einen Seite der Gesetzgeber im Jahre 1871 nicht erkannt und nicht erken8776
nen können, daß ein Staat selbst zum Träger des Unrechts werden würde, und darum hat er eine derartige Situation gesetzlich nicht regeln können. Er hat damit aber inzidenter auch nicht die Frage regeln können, wie nun der Staatsbürger, der von diesem Staate angespannt, aufgestachelt, dem befohlen wird, gewisse Handlungen zu tun, auf diese Dinge reagieren soll. Diese Aufgabe ist heute noch zu lösen; sie muß gelöst werden, aber sie kann nicht nur von den Gerichten gelöst werden. Es ist furchtbar leicht, heute das eine oder das andere Urteil zu schelten und den Standpunkt zu vertreten, das sei nicht Rechtens. Nein, meine Freunde! Wir haben - und hier kann ich es nur wiederholen, da es nicht ein einseitiges Bekenntnis bleiben soll - Vertrauen zu unseren Gerichten; wir haben Vertrauen dazu, daß sie mit allen Kräften versuchen werden, diese Konfliktsituation in gerechter Weise zu lösen.
Aber meine Freunde, wir dürfen die deutschen Gerichte auch nicht überfordern. Es heißt den Richtern eine Last und eine Verantwortung aufbürden, wenn sie allein diese Entscheidung jeweils im Einzelfall treffen sollen, die wir nicht verantworten können. Mögen die Dinge nun laufen, wie sie wollen, die Regelung, die in § 3 vorgesehen war, muß daher eines Tages, und zwar recht kurzfristig erfolgen, sonst werden wir in unsere Justiz keine Ruhe, Ordnung und Klarheit hineinbekommen können.
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Bei dieser Situation hätte ich Verständnis dafür gehabt, wenn die ganze Vorlage an den Rechtsausschuß zurück überwiesen worden wäre.
Regeln wir aber nun bei unseren weiteren Beratungen - um darauf kurz einzugehen - nur das, was jetzt wirklich regelungsbedürftig ist! Wenn wir uns beschränken auf den Sachverhalt, der hier geregelt werden soll, nämlich auf die NS-Verbrechen der Vergangenheit, und wenn wir regeln wollen, was hier noch unter Anklage gestellt werden soll, wie hier prozessual verfahren werden soll, so wollen wir es nicht mit Problemen belasten, die weit darüber hinausgehen. Ich habe Verständnis für das, was Herr Kollege Jahn sagte, daß wir uns immer vor Augen halten müßten, was jetzt an der Mauer und an der Zonengrenze geschieht. Meine Freunde, aber meine Phantasie reicht heute nicht aus, um mir vorzustellen, was einmal geschehen soll und muß, um das zu regeln, was dort geschieht. Das werden und können wir erstgemeinschaftlich mit unseren Brüdern und Schwestern in der Sowjetzone regeln, wenn der Tag dafür gekommen ist, und mit ihnen werden wir runs bemühen, da dann die gerechte Lösung zu finden. Lösen wir es aber auch nicht aus einem Geiste, wie ihn Herr Kollege Erler hier angedeutet hat! Wir wollen und müssen die Grundsätze berücksichtigen, die wir jetzt in unserer Rechtsstaatlichkeit erarbeitet haben. Das ist schön und gut, aber wir können diese Grundsätze nicht unbesehen auf die Vergangenheit projizieren, in der diese rechtsstaatlichen Grundsätze nicht galten. So steht das ganze schwere Problem vor uns, das wir in Kürze lösen müssen, wenn wir hier nicht ein Dilemma aufkommen lassen wollen, das unsere Rechtsprechung bis ins Unerträgliche belasten wird.
Der heutige Tag hat mir aber jedenfalls auch gezeigt, daß die Auseinandersetzung mit den Argumenten, die Andersdenkende bisher gebraucht haben, keineswegs so ernsthaft war, wie es der Sache angemessen wäre.
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Ich meine dabei nicht so sehr das, was Herr Dr. Jaeger gesagt hat, als er wiederum seine Polemik gegen einen Ausspruch aufbaute, den Herr Dr. Arndt getan hatte: „mit den Mördern leben". Diese Sache ist von Herrn Dr. Arndt in der großen Debatte des Bundestages so eindeutig klargestellt worden, daß ich mich wirklich wundere, wie heute diese Dinge noch einmal wieder aufgeworfen werden können, - es sei denn, daß Sie, Herr Dr. Jaeger, diesen Ausführungen des Herrn Dr. Arndt nicht beigewohnt hätten.
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Wenige Worte noch - weil die Frage heute wieder angesprochen worden ist - zu der Bedeutung der Verjährung. Wiederum - es war wieder Herr Dr. Jaeger - wurde die Vorstellung entwickelt, es könne deshalb eine Änderung eintreten, weil ein subjektives Recht des Täters, des Angeklagten, des Rechtsbrechers hier nicht bestehe. Das ist nicht das Problem. Die Verjährung ist eines der Elemente, die die Staatsgewalt einschränken, sie setzt Zeit und Ziel für die Ausübung der Staatsgewalt. Eine Sicherung des Bürgers im allgemeinen, die ihn vor möglichen Eingriffen des Staates in seine Rechtssphäre, in seine Freiheit schützen soll, das ist der tiefere Sinn dieses Rechtes. Damit wird erst die Bedeutung restlos klar, die diese Bestimmungen haben, und, warum sie in das grundrechtartige Recht des Art. 103 Abs. 2 hineingehören.
Ist es aber nun sachlich notwendig - das ist die letzte Frage, die ich aufwerfen muß -, trotz dieser ganzen Unklarheiten, die ich aufgeführt habe, die nicht zur Ordnung, nicht zur Klarheit bei den Gerichten führen werden, in dieser Weise zu beschließen? Ich spiele nicht gern den Propheten, aber eines werde ich Ihnen heute bereits mit Sicherheit sagen können: nach 5 Jahren werden Sie die gleiche Situation haben, in der Sie heute sind. Nach 5 Jahren werden die Mächte, die uns nicht wohlgesonnen sind und die sich heute weigern, uns das Material auszuhändigen - weshalb .die Dunkelziffer immer noch da ist -, sich genauso verhalten wie heute. Wir werden die ganze Debatte dann noch einmal zu führen haben.
({6})
Ich darf noch auf folgendes hinweisen. Ich weiß nicht, was in den nächsten 5 Jahren noch auf uns zukommt. Andere sind offenbar klüger als ich und können Dinge erkennen, die heute kein Mensch wissen kann. Sie sprechen davon, daß Hunderte und Tausende von Mordfällen nunmehr noch im Hintergrunde stünden, die der Aufklärung bedürften. Möglich, aber nicht mehr als möglich, und darum nicht geeignet, eine sachlich fundierte Grundlage für irgendwelche Anträge zu sein.
In einer der ersten Sitzungen - es war in einem Ausschuß hier im Hause -, in der ich das Wort ergriff, behandelten wir die berühmte ConterganBusse
Frage. Auch damals wurde geurteilt und verurteilt, wurden Ansprüche erörtert, ohne daß man überhaupt zunächst einmal Klarheit in den Grundlagen hatte, die, wie Sie alle wissen, leider - leider, muß ich sagen - bis heute nicht gekommen ist. So ist es auch hier nicht richtig, Dinge als feststehende Grundlagen hinzustellen, die es in Wirklichkeit nicht sind. Damit ist aber der Erfolg Ihres Gesetzes auch in dieser Hinsicht zweifalhaft geworden. Es bleibt alles offen. Niemand kann heute sagen, was auf Grund dessen nun noch auf uns zukommen wird.
Aus meiner persönlichen Schau möchte ich als letztes ein paar Worte zu den vielbeschworenen Gerechtigkeitsgedanken und Rechtsstaatsgedanken sagen. Jeder in diesem Hause wird uns immer an seiner Seite finden, wenn er Recht setzen und die Dinge für die Zukunft zu gestalten versucht. Wir sehen es als unsere vornehmste Aufgabe an, hier den Grundsatz des alten römischen Rechts, das „suum cuique" - letzten Endes die Quintessenz staatlicher Gerechtigkeit jedem zuteil werden zu lassen. Wir bemühen uns mit Ihnen darum, und darin lassen wir uns von keinem den Rang ablaufen. Unsere Rechtsstaatlichkeit, unser Empfinden für Recht und Gerechtigkeit stehen in nichts dem Ihren nach, und wir brauchen uns dessen nicht zu schämen. Wir sind uns aber bewußt, daß dieser möglichen Verwirklichung der Gerechtigkeit durch den Staat Grenzen gesetzt sind. Seit eh und je ist es üblich gewesen, von den strengen Rechtsgrundsätzen des Gesetzes, des Grundgesetzes und des Rechtsstaatlichen abzuweichen, nicht mit der Begründung: ich will abweichen, ich will Unrecht tun, sondern man hat immer unter Berufung auf angeblich höhere Rechtsprinzipien gröbstes Unrecht gesetzt. Das ist der tiefere Grund, warum wir uns so intensiv dagegen wehren, weil mit allgemeinen, rechtsstaatlich nicht faßbaren Grundsätzen klares, eindeutiges Recht geändert werden soll.
Warum denn unsere strengen Bestimmungen über die Normierung von Gesetzen, insbesondere von Strafgesetzen? Warum das alles? Es hat doch seinen letzten Grund darin, daß hier die Sphären des Staates und des Staatsbürgers klar voneinander abgegrenzt sein sollen.
({7})
Meine Damen und Herren, namens der Fraktion der Freien Demokraten beantrage ich für die Schlußabstimmung über dieses Gesetz namentliche Abstimmung.
({8})
Ich könnte, wenn ich ähnlich argumentierte wie Herr Dr. Jaeger, jetzt sagen: wir stellen den Antrag, weil wir die Strenge des rechtsstaatlichen Denkens jedes einzelnen Mitglieds des Hauses überprüfen wollten. So möchte ich nicht argumentieren, Herr Dr. Jaeger. Aber, ich meine, die Entscheidung, die hier zu treffen ist, ist für jeden von uns von so großer Bedeutung, daß jeder von uns sie mit seinem Namen vor aller Öffentlichkeit decken sollte; darum unser Antrag.
({9})
Ehe ich dem Herrn Justizminister des Landes Baden-Württemberg in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates das Wort erteile, stelle ich fest, daß beantragt ist, in der dritten Lesung namentlich abzustimmen. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
({0})
- Meine Damen und Herren, es kann doch kein Zweifel sein, daß die FDP-Fraktion hier vollzählig vertreten ist. 66 Mitglieder hat die FDP-Fraktion, 50 müssen den Antrag unterstützen. Ich unterstelle, es sind 50 Mitglieder hier.
({1})
- Zählen? - Ich frage den Fraktionsgeschäftsführer der FDP, ob er der Überzeugung ist, daß 50 Mitglieder seiner Fraktion hier im Saale sind.
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- Also, das Wort gilt.
Das Wort hat Herr Justizminister Haußmann.
Dr. Haußmann, Justizminister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Justiz hat nicht versagt! Das ist zwar bisher in den Ausführungen am heutigen Vormittag nicht ausdrücklich behauptet worden, aber gelegentlich - wie wir der heutigen Presse entnehmen - in den Verhandlungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am gestrigen Nachmittag angeklungen. Ich bin dem Herrn Bundesjustizminister Dr. Bucher namens der Justizverwaltungen der deutschen Länder sehr dankbar dafür, daß er sich in Kenntnis der Zusammenhänge mit guten Gründen schützend vor die Justiz gestellt hat. Auch in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger am heutigen Vormittag klang doch manches an, was .den die Fachaufsicht für die Zentrale Stelle in Ludwigsburg führenden Justizminister von Baden-Württemberg veranlaßt hat, von dem Recht des Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes, hier das Wort zu ergreifen, Gebrauch zu machen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger hat am heutigen Vormittag davon gesprochen, daß seitens der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zugegeben worden sei, auf die Justiz würden neue Ermittlungsverfahren für Tausende bisher unbekannter Morde zukommen. Der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltung für die Aufklärung von NS-Gewaltverbrechen hat dies weder ausdrücklich noch sinngemäß in dieser Form je gesagt. Auch der Herr Bundesminister der Justiz hat weder ausdrücklich noch sinngemäß in dem Bericht, den er an den Deutschen Bundestag auf Grund des Beschlusses vom Dezember 1964 unter dem 24. Februar 1965 erstattet hat, diese Behauptung aufgestellt. Vielmehr hat der Herr Bundesminister der Justiz ausdrücklich erklärt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß noch unbekannte Taten von Bedeutung oder unbekannte Täter nach dem 8. Mai 1965 bekanntwürden.
Landesminister Dr. Haußmann
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Unterschied, ob behauptet wird, Tausende neuer Verfahren stünden bevor, oder ob man aus dem der Justiz eigenen und selbstverständlichen Verantwortungsgefühl heraus das Auftauchen neuer Komplexe nicht völlig ausschließt.
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Es darf in diesem Hohen Hause und in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, die Justiz habe die Verfolgung eines wesentlichen Teils der nationalsozialistischen Mordtaten noch nicht in Angriff genommen und nicht bewältigt bzw. mit der Bewältigung nicht so bald wie möglich und so energisch wie möglich alsbald schon im Jahre 1945 und danach begonnen und die Straftaten aus der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die in diesem Hause, wie ich annehmen darf, sicher bekannte, anderenfalls sehr lesenswerte Zusammenstellung des Bundesjustizministeriums vom Juli 1964 verweisen, in der eine sehr aufschlußreiche Darstellung über die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 gegeben ist.
Weiter muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß die systematische Aufklärung der NS-Verbrechen nicht erst mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Dezember 1964 begonnen hat. Vielmehr haben die deutschen Länder aus eigenem Anstoß im Herbst 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Straftaten in Ludwigsburg gegründet. Ausschlaggebend für diese Gründung war, wie gesagt, nicht ein Anstoß von außen, sondern allein die Erfahrungen in verschiedenen Ländern, Bayern, Baden-Württemberg, besonders durch den Prozeß vor dem Schwurgericht Ulm im Juli 1958 gegen das Tilsiter Einsatzkommando. Ich habe den damaligen Bundesjustizminister und die Herren des Bundesjustizministeriums im Oktober 1958 in Bad Harzburg - ich möchte keine Parallelen damit beschwören, wenn ich diesen Ort hier nenne - darauf hingewiesen, daß es der Sache nach doch eine Aufgabe des Bundes sei, sich der Aufklärung dieser Straftaten anzunehmen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat uns damals in einer rechtlich nicht zu widerlegenden Weise dargetan, daß nach den geltenden Gesetzen des Strafrechts und insbesondere des Strafprozeßrechts eine Zuständigkeit des Bundes, der Bundesregierung, auch des Bundestages nicht gegeben sei, weil, wie bekannt, die Justizhoheit in den Händen der Länder liege und sie deswegen allgemein legitimiert und zuständig seien, sich dieser Dinge anzunehmen.
Dieser Umstand allein hat dann dazu geführt, daß wir Justizminister uns im Herbst 1958 nach vorangegangenen Beratungen in den Landesregierungen zur Verabschiedung der Verwaltungsvereinbarung entschlossen haben, die zur Schaffung der Zentralen Stelle geführt hat, allerdings - das muß hier gesagt werden - mit einer ausdrücklich auf NS-Gewaltverbrechen, die außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland von Deutschen begangen worden sind, beschränkten Zuständigkeit. Es ist wichtig, sich diese Einschränkung der Zuständigkeit
vor Augen zu führen, um die Ausdehnung der Zuständigkeit der Zentralen Stelle, die im Einvernehmen mit dem Bundesjustizministerium erst im Dezember 1964 erfolgte, in ihrer Bedeutung zu ermessen. Man muß sich darüber klar sein, daß die Zeit vom Dezember 1964 bis heute für diese Ausdehnung auf Straftaten, die beispielsweise durch das Reichssicherheitshauptamt und als Ausstrahlung aus diesem Komplex durch die ehemaligen obersten Reichsbehörden begangen wurden, wahrlich nicht lang gewesen ist. Diese Frage ist von dem Herrn Generalstaatsanwalt in Berlin in einem früheren Zeitpunkt in Angriff genommen worden. Sie hat aber auch bei dem Aufruf der Bundesregierung und der Notwendigkeit, dem Anliegen des Deutschen Bundestages vom Dezember Rechnung zu tragen, eine Rolle gespielt.
Die Zentrale Stelle hat, obwohl sie, wie gesagt, bis Dezember 1964 nur für Straftaten außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zuständig war, rund 700 Tatkomplexe aufgeklärt. Das hat dazu geführt - und ich bitte das Hohe Haus, davon Kenntnis zu nehmen -, daß in dem in Israel gegen Adolf Eichmann durchgeführten Prozeß kein Name und kein Tatkomplex zur Sprache gekommen ist, der der Zentralen Stelle in Ludwigsburg nicht schon vorher bekannt war und neue Erkenntnisse vermittelt hätte.. Auch die jüngsten Auswertungsarbeiten im Dezember 1964 und im Februar 1965 durch Auswertergruppen in Polen und im Februar und März 1965 durch eine Auswertergruppe in den Vereinigten Staaten, in denen 1960 schon eine eingehende Auswertung erfolgte, haben 'bisher keine neuen großen Tatkomplexe, wohl aber wertvolles Beweismaterial für die bereits anhängigen Ermittlungsverfahren erbracht. Eine wirklich hundertprozentige Aufklärung aller Straftaten ist keiner Justiz der Welt, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft möglich. Ich muß das wegen der Verantwortung der Justiz in Vergangenheit und Zukunft sagen.
({4})
Das Geleistete berechtigt aber zu der Feststellung: die Justizverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland, die Zentrale Stelle in Ludwigsburg, die Staatsanwaltschaften und die Gerichte in den Ländern haben sich dieser schweren Aufgabe nie entzogen, sich ihr vielmehr gestellt und sie trotz aller in der Sache liegenden Schwierigkeiten - Beweismaterial im Ausland, lange Zeit und dergleichen - gemeistert. Ich halte es für meine Pflicht, das vor diesem Hohen Hause für die Justiz festzustellen, und möchte dies auch im Protokoll festgelegt wissen.
Wenn die Auswertungsarbeiten in Polen schon 1960 hätten stattfinden können, wären die Dinge rascher vorwärtsgegangen, und Sie müßten sich heute vielleicht mit dieser Frage nicht befassen. Wir haben auf den Landesjustizministerkonferenzen mit den Herren Bundesjustizministern im Jahre 1959 und nachher immer wieder die Frage erörtert, eine Auswertergruppe beispielsweise nach Polen zu schicken. Man hat das damals seitens der Bundesregierung nicht für möglich gehalten, weil 'keine
Landesminister Dr. Haußmann
diplomatischen Beziehungen bestanden und weil andere Hemmnisse in der Abwägung der Fragen, die hier zu berücksichtigen sind, es auszuschließen schienen. Die Justiz war daher gehemmt, diesen Dingen rechtzeitig und früher nachzugehen.
Darf ich zum Schluß
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eine Bemerkung machen, an der mir gelegen ist; auch wenn Sie bei dem Wort „Schluß" klatschen, werde ich sie doch machen. Es ist vom Standpunkt der Justiz in den Ländern - und ich bitte, das sagen zu dürfen - begrüßenswert, daß das Hohe Haus die in § 3 des Antrags von Herrn Abgeordneten Güde enthaltenen Bedenken im Rechtsausschuß prüfen, weiterbehandeln und aufgreifen will. Es ist im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit notwendig, daß dies so bald wie möglich und noch in dieser Legislaturperiode geschieht
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und daß eine Regelung gefunden wird, die die Justiz nicht überfordert, damit sie ,die von ihr übernommene und keineswegs leicht genommene Aufgabe so erfüllen kann, wie es das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und wie es diese schwere Frage erfordern.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute verpflichtet, das, was in der allgemeinen Debatte an grundsätzlichen Rechtsgedanken geäußert' worden ist, in die Tat umzusetzen. Wir sind uns der unerhörten praktischen Schwierigkeit der Aufgabe bewußt. Ich begrüße es außerordentlich - ich darf dies für meine Person sagen -, daß die Kollegen von der Freien Demokratischen Partei in diesem Fall namentliche Abstimmung verlangt haben. Hier hat man zu stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nur zwei Bemerkungen machen. Die eine bezieht sich auf den § 3 des Entwurfs, der zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuß zurückverwiesen wird. Für meine Person darf ich sagen, daß dieser § 3 für mich die wesentliche Grundlage meiner heutigen Entscheidung sein wird. Er dient dem Rechtsfrieden. Die Aufgabe, die mit diesem § 3, wie immer er formuliert wird, auf unsere Justiz zukommt, ist außerordentlich schwer. Wir - der Gesetzgeber - können die Justiz von der Bewältigung dieser Aufgabe nicht befreien. Wir wollen ihr alber das Werk - und das ist die Arbeit des Rechtsausschusses - so leicht wie möglich machen. Es geht um den Rechtsfrieden. Meine Damen und Herren, wir haben unserer Jugend eine sicherlich unvollkommene, aber immerhin eine Bereinigung dieser Dinge zu hinterlassen. Es ist nicht Aufgabe der Justiz, über die Geschichte zu urteilen; die Justiz urteilt über Menschen und über ihre Schuld, soweit sie dazu nach langem Zeitablauf noch in der Lage ist. Der Gesetzgeber aber kann an der geschichtlichen Entwicklung nicht vorbeigehen, und ich meine, daß hier die Beschränkung auf die Haupttäter und die Exzeßtäter, die in diesem § 3 beabsichtigt ist, eine erhebliche Bereinigung bringen kann.
Ich stimme der Vorlage so, wie sie vom Rechtsausschuß erarbeitet ist, nicht gern zu, das gebe ich zu; ich werde ihr aber zustimmen, weil alle Dogmatik, alle Richtlinien, alle Grundsätze immer regiert sein müssen durch die Vernunft. Es fällt mir sehr schwer - und ich glaube, vielen Kollegen hier im Hause geht es genauso wie mir -, weil ich weiß, daß die ganze Tragweite einer Hinausschiebung auf den 31. Dezember 1949 heute noch nicht erkannt ist und auch gar nicht erkannt sein kann. Ich habe große Achtung vor denjenigen Kollegen dieses Hauses, die hier ganz fest bleiben wollen, wie es - das gebe ich zu - eigentlich auch meine Absicht gewesen ist. Alber ich meine, es geht hier in dem Durchbruch der Vernunft, des praktisch Möglichen auch um etwas sehr Wesentliches, nämlich um eine möglichst große Solidarität der Entscheidung, die dann rechtsbildend auf das Bewußtsein unserer Menschen wirkt.
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Dies ist ein Weg, der nach meiner Überzeugung gegangen werden muß. Meine Damen und Herren, wer die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 betrachtet, als dieses Land, vor allen Dingen die Justiz, weitgehend unter Fremdrecht stand, wird wohl schwerlich zu dem Urteil kommen können, daß in dieser Zeit eine intakte deutsche Justiz gewaltet- habe. Ich weiß, daß mehrere tausend Verfahren auch in dieser Zeit durchgeführt worden sind; aber immerhin war es das Schicksal unseres Landes, daß es seine eigentliche Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung in dieser Zeit nicht in die Tat umsetzen konnte. Das ist kein Vorwurf gegen die Beamten der Besatzungsmacht, die im Namen ihres Staates ihre Maßnahmen getroffen haben. Aber es ist eine Frage der deutschen Selbstachtung, sich dessen bewußt zu sein, daß erst seit der Schaffung des Grundgesetzes, seit der Entwicklung der Grundlagen unserer gesellschaftlichen, staatlichen Ordnung, in der wir heute leben, eine intakte Justiz anfing zu arbeiten. Ich halte es insofern tatsächlich auch für eine Frage der Selbstachtung, daß wir uns hier zu einer klaren Entscheidung durchringen.
Das Institut der Verjährung kennt das Ruhen der Verjährung, und insofern sehe ich keine tiefgreifende Abweichung von den Grundsätzen, die unser Staatswesen tragen. Das Unvollkommene, das Unbefriedigende, das auch in dieser Lösung ist, sehe auch ich. Aber ich glaube, wir sollten doch das, was uns möglich ist, tun, um zu einer klaren Entscheidung zu kommen.
Und, meine Damen und Herren - das sage ich nur für meine Person -, wer hat eigentlich das Recht, zu behaupten, daß er recht habe bei einer Frage von einer solch großen Tragweite?
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Läßt sich diese Frage nicht überhaupt nur lösen,
indem unser Wollen zusammenklingt, um etwas
sicherlich Unvollkommenes, aber Erlösendes möglich zu machen? Das, was die Vergangenheit geschichtlich gegeben hat, bringen wir damit nicht aus der Welt. Wir lasten der Justiz viel auf.
Aber eines sei mir doch zu sagen gestattet. Wenn hier im Hinblick auf den § 3 auf die schrecklichen Tatbestände unseres gespaltenen Landes und die neuen Verbrechen, die in dieser Situation begangen worden sind, Bezug genommen wird, - meine Damen und Herren, die Menschen da drüben, die Befehle ausführen, meist aus Angst, wissen heute -nach dem, was wir erlebt haben, nach dem, was nun wirklich erfahren ist und 20 Jahre im deutschen Volk als ein lebendiges Recht weitergewirkt hat -, daß sie Unrecht tun. Sie wissen es mehr, mehr, muß ich sagen, als damals, als das Unrecht genau das gleiche war. Aber heute ist es ein Bewußtsein der Allgemeinheit geworden, wo die Grenzen liegen. Es ist ja in unserem Recht niedergelegt, daß ein verbrecherischer Befehl nicht nur verweigert werden kann, sondern daß er nicht ausgeführt werden darf. Das wissen die Menschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde also für die Vorlage stimmen in der Erwartung, daß auch - und das ist der wesentlichste Teil für mich - der § 3 zur Sicherung des Rechtsfriedens und zur Lösung der Resttatbestände verwirklicht wird. Sollte das nicht geschehen - dann eben muß ich das Risiko einer Entscheidung auf mich nehmen. Aber heute und hier kann ich es nicht auf mein Gewissen nehmen, allein meinen persönlichen Maßstab zur Grundlage der Entscheidung zu machen. Wir sind nur als gesamtes Haus Vertreter des deutschen Volkes. Als einzelne haben wir Sprecher zu sein. Aber ich bin mir tief bewußt, daß in so ernsten Fragen eine wirkliche Legitimation für den Wahrspruch keinem einzelnen von uns gegeben ist. Auch aus diesem Grunde glaube ich, daß ein möglichst hoher Grad gemeinschaftlicher Verantwortung in dieser Frage eine rechtsbildende Wirkung hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde Ihre Geduld nicht überbeanspruchen. Ich komme nur hierher, um auf eine Behauptung zu antworten, die Herr Dr. Dehler aufgestellt hat. Er hat gesagt - und das geht Sie alle an, meine Damen und Herren -: Kein Richter kann das Gesetz anwenden, das wir beschließen wollen. Darauf muß man nach meiner Ansicht antworten, und ich will ganz ehrlich antworten.
Herr Dr. Dehler, Sie waren vor 15 Jahren mein Bundesjustizminister, und ich habe von jener Zeit her eine echte Verehrung für Sie als einen Mann, der zum Recht steht, und die Leidenschaft, mit der Sie zum Recht stehen, wird jeder von uns respektieren. Ich jedenfalls respektiere sie, Herr Dr. Dehler. Ich bin Ihnen sogar dankbar dafür, daß Sie urbi et orbi, drinnen und draußen klarmachen, daß auch den anderen die Entscheidung nicht leicht fällt. Deswegen hat Ihre Leidenschaft durchaus ihr Recht.
Aber, Herr Kollege Dr. Dehler, Herr von Merkatz hat neben einigen anderen guten Sätzen auch den gesagt, der wahr ist, daß niemand allein das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, recht zu haben, auch Sie nicht. Und Sie sollten nicht die Dinge überspannen, indem Sie nun sagen: Kein Gericht, kein Richter kann dieses Gesetz anwenden. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich gewissenhaft tagelang und wochenlang Ihre Argumente und anderer Leute Argumente geprüft habe, und ich bin der Überzeugung, wenn ich noch Richter wäre oder in meinem alten Amt säße, daß ich dieses Gesetz anwenden würde, weil ich es für rechtmäßig halte. Das muß man einfach einmal sagen.
({0}) Das ist ein rechtmäßiges Gesetz.
Nicht - ich habe das in dem Bericht kurz auszuführen versucht -, nicht kann ich all denen zustimmen, die sagen, es verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes. Meine Damen und Herren, das kann man auch einem Laien klarmachen: Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes respektiert das Schuldgewissen des Menschen, indem er sagt: Wenn ihr den Schuldvorwurf ernst nehmen wollt, könnt ihr dem Gewissen und Wissen des Menschen nicht nachträglich das Verbot und die Strafnorm hinstellen, sondern vom Schuldvorwurf erfaßt werden kann nur ein Verbot, das zur Zeit der Tat bestanden hat. Meine Damen und Herren, von daher, von der Beziehung zum Schuldvorwurf müßte eigentlich klar sein, daß das Verjäihrungsrecht die Schuld des Täters zur Zeit der Tat nicht berührt. Das steht nicht in seinem Wissen und seinem Gewissen: in seinem Tatentschluß kann nicht stehen, wie die Verjährungsvorschriften lauten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Güde?
Bitte!
Herr Kollege Güde, ist Ihnen nicht bewußt geworden, daß die Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes nicht deshalb aufgeworfen worden ist, weil diesels Gesetz etwa nicht rechtmäßig zustande gekommen wäre, sondern deswegen, weil auf Grund des § 2 des Strafgesetzbuches jeweils das mildere Gesetz angewendet werden muß, und daß eben das Gesetz von 1956 insofern in den konkreten Fällen für den jeweiligen Angeklagten das mildere Gesetz ist und deshalb unter diesem Gesichtspunkt angewendet werden muß?
Sehr verehrte Frau Kollegin, ich habe bis jetzt zum Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes gesprochen, und ich wollte noch zwei, drei Sätze zu dem Einwand von Herrn Busse sagen, daß § 2 Abs. 2 das Problem ausmache. Ich habe das immer gesagt, unentwegt in all den Diskussionen der Wochen, daß § 2 Abs. 2 im Wege steht. Nur der Unterschied, meine Damen und Herren: § 2 Abs. 2 ist nicht ins Grundgesetz aufgenommen, er genießt nicht die verfassungsrechtliche Garantie, und er
kann durch einfaches Gesetz überwunden werden, kein Zweifel!
Noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Diemer-Nicolaus!
Herr Kollege Güde, ist Ihnen nicht aus den Verhandlungen 'der Großen Strafrechtskommission und auch aus der Begründung zum Entwurf des Strafgesetzbuches bekannt, daß alle dort .anwesenden Strafrechtsprofessoren jeweils 'ausführten, § 2 .des Strafgesetzbuches sei gleich Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes, und daß beraten wurde, ob es unter diesen Umständen überhaupt notwendig sei, diese Vorschrift noch in das Gesetz aufzunehmen?
Nein, das ist mir nicht bewußt, Frau Kollegin. Ich bin auch ehrlich der Überzeugung, daß all die Professoren das nicht gesagt haben können. § 2 Abs. 2 ,des Strafgesetzbuches sagt eben: Wenn zwischen der Begehung der Tat und der Aburteilung mehrere Gesetze gelten, dann gilt das mildere Gesetz. Schon wenn Sie das hören, müssen Sie begreifen, daß in Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes etwas anderes steht: das Verbot der Rückwirkung eines strengeren Gesetzes. Daß auch ein milderes Zwischengesetz gilt, ist sozusagen eine Ausnahme von dem Rückwirkungsverbot und insofern mit diesem nicht identisch und nicht, wie Herr Busse vorhin gesagt hat, eine Art Ausführungsgesetz zu Art. 103 Abs. 2 ,des Grundgesetzes, es ist auch nicht ein Ausfluß eines zwingenden rechtsstaatlichen Prinzips. Wenn Sie nachlesen - ich habe es in den letzten Tagen getan - in den Schriften bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, dann finden Sie, daß das als ein Ausfluß der Humanität gilt und nicht mehr. Denn auch in diesem Fall - ich sage 'das zur Beruhigung des Gewissens von allen - wird kein schärferes Recht angewendet als das, was zur Tatzeit gegolten hat. Es wird nur nicht das mildere Zwischenrecht aus dem Gesetz von 1956 angewendet, von dem Herr Dehler sagt: kein Irrtum!
Nun, ich will es dahingestellt sein lassen. Als ich das Gesetz von 1956, das Gesetz dieses Hauses, zum erstenmal gesehen habe, habe ich, offen gestanden, nicht begriffen, was darin steht, und es würde mich wundern, wenn im Jahre 1956 das ganze Haus das begriffen hätte, was ich nicht begriffen habe.
({0})
- Nun, man kann es aus den Materialien sehen, daß da ein kleiner Kurzschluß passiert ist. Sicher ist, daß das Gesetz von 1956 das macht, was wir Juristen eine Fiktion nennen: es behandelt die Verjährungsfristen so, .als ob verfassungsrechtlich bewirkte Hemmungen nicht entstanden wären. Das 'ist eine Fiktion; denn das heißt: so tun als ob.
Und nun muß ich zu Herrn Dr. Dehler wieder sagen: Wenn etwas ein schwaches Recht ist, ein .geringes Recht, ein Recht niederen Ranges, kein heiliges Recht, sondern ein, Recht am untersten Rande der Rangordnung, dann ist es die Festsetzung des
Neubeginns der Verjährung, die gar nicht richtig glücken konnte, weil die Verhältnisse zu kompliziert waren. Man kann nicht sagen, daß das heilige Recht - ({1})
- Nun, ,das heilige Recht, meine Damen und Herren, ist das, was Herr Dr. Dehler verkündet ,als völlig unabänderlich, als keiner Überlegung und Korrektur zugänglich, und das ist eine Übertreibung, meine Damen und Herren.
Sie werden wie wir alle Zuschriften noch und noch bekommen haben. Gestern hatte ich eine in der Hand. Da hat jemand aus dem „Kaufmann von Venedig" zitiert, wie Bassanio zu Porzia sagt:
Beugt einmal das Gesetz nach Eurem Ansehen! Tut kleines Unrecht um ein großes Recht!
Und der weise Richter, Porzia nämlich, sagt:
Das darf nicht sein. Kein Ansehn in Venedig Vermag ein gültiges Gesetz zu ändern.
({2})
Es würde als ein Vorgang angeführt,
Und mancher Fehltritt nach demselben Beispiel
Griff' um sich in dem Staat. Es kann nicht sein.
Der das zitiert hat, hat es so verstanden wie Sie und es uns vorgehalten, meine Damen und Herren. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Stelle nachzulesen. Es ist genau dort, wo die Peripetie kommt, wo „summum ius" in „summa iniuria" umschlägt. Dort liegt unsere Rechtfertigung, wenn wir uns schweren Herzens dazu entschließen, nicht auf Grund einer Übertreibung des Rechtsgedankens „summa iniuria" zu machen. Wir haben nicht zwischen zwei guten Dingen, sondern zwischen zwei Übeln gewählt, meine Damen und Herren. Niemand von uns sollte dem anderen vorwerfen, daß er nicht rechtstreu sei, und ebenso nicht, daß er nicht staatstreu sei; denn beides gehört zusammen.
Ich würde mich der Sünde fürchten, Herr Dr. Dehler, wenn ich Ihnen abstreiten wollte, daß Sie nicht nur rechtstreu, sondern auch staatstreu seien. Aber lassen Sie das auch bei unserer Entscheidung, die wir nach unserem Gewissen gefällt haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Justizminister des Landes Baden-Württemberg darf ich erwidern: auch wir wissen, daß die Justiz hier eine sehr schwere Aufgabe hat und weiterhin übernimmt. Wir würden dieses Gesetz, über das wir uns einig sind, gar nicht beschließen, wenn wir nicht das Vertrauen zur Justiz hätten, daß sie diesem Gesetz Genüge tun und es richtig anwenden wird. Herr Kollege Dehler, es war kein Dienst an der Richterschaft, ihr vorweg zu sagen, das sei ein Gesetz, daß sie gar nicht so anwenden könne und dürfe. Ich habe gestern nicht an den Arbeiten im Rechtsausschuß teilnehmen können; aber ich habe mich unterrichten
Dr. Arndt ({0})
lassen, daß dort kein Vorwurf gegen die Justiz gefallen ist, sondern gegen die Justizverwaltungen, was immerhin etwas anderes ist. Darüber wollen wir jetzt nicht streiten. Man könnte sich darüber unterhalten, ob die Justizverwaltungen rechtzeitig für die nötige Zahl der Richter und Staatsanwälte gesorgt haben und ähnliches mehr; aber wir sollten diese Sitzung doch nicht in so kleinen Punkten untergehen lassen.
({1})
Meine Damen und Herren, in den fast 16 Jahren, die die ältesten Mitglieder dieses Hauses dem Bundestag angehören, ist es selten, daß der eine oder andere Abgeordnete im Laufe des parlamentarischen Ringens in sehr wesentlichen Fragen zu einer anderen Auffassung gekommen ist. Ich bin deshalb dankbar, daß sich ein so genauer Denker, als den ich Herrn Kollegen von Merkatz nun seit 16 Jahren kenne, überwunden hat, seine Auffassung zu ändern. Auch ich bin in meinen Auffassungen keineswegs immer auf dem gleichen Punkt geblieben. Glücklich sind die, die meinen, daß sie ohne weiteres recht hätten. Ich bekenne mich zu denen, die von dieser Entscheidung gemartert worden sind.
({2})
Ich darf an ein Wort anknüpfen, das Herr Minister Haußmann gesagt hat und das ja auch so im Protokoll stehen wird: „Die Justiz war daher gehemmt, diesen Dingen rechtzeitig und früher nachzugehen." Das sind Ihre Worte, und das ist unser ganzes Problem;
({3})
denn es gibt hier nicht nur die Last für die Richter, es gibt auch die Last für den Gesetzgeber, der in unklaren und schwierigen Fragen entscheiden muß und der den Mut haben muß, diese Entscheidung auf sein Gewissen zu nehmen.
({4})
Herr Kollege Dehler, wenn die Debatte 12 oder 14 Jahre früher stattgefunden hätte, dann - entschuldigen Sie - würde ich versucht sein, wieder harte und böse Worte gegen Sie zu gebrauchen. Seitdem wir Sie kennengelernt haben - der Herr Altbundeskanzler freut sich ({5})
und, das muß ich sagen, Sie in Ihrer Art lieben gelernt haben, ist das anders. Es ist gut, daß Sie unser Gewissen schärfen, wie Sie hier mit Radikalität Ihre Rechtsstaatsidee, die ich so nicht teile, vertreten und verfechten. Daß Sie uns hier das Gewissen schärfen, ist durchaus gut. Aber, Herr Kollege Dehler, Sie haben schon Herrn Jaeger mißverstanden; eine einzige Zwischenfrage hätte geklärt, daß er nicht sagen wollte, die Freien Demokraten seien keine staatstragende Partei. Herr Kollege Barzel hat die Sache schon zurechtgerückt. Aber ich glaube, daß auch ein Sozialdemokrat, daß auch meine Fraktion zu Ihnen stünde, wenn Ihnen jemand absprechen wollte, daß auch Sie staatstragend sind. Diese Erregung war nicht nötig.
({6})
- Ja, eine kleine staatstragende Partei; gut!
({7})
Aber, Herr Kollege Dehler, Sie haben auch Herrn Benda - in einem anderen Punkte - mißverstanden. Herr Benda hat von der Überwindung gesprochen, die ihn das kostet. Aber doch nicht in dem Sinne - wie Sie sagen -, als ob er sich überwinden müßte, etwas zu tun, was ihm Unrecht oder auf irgendeine Weise unrichtig erscheine. Wenn ich Herrn Kollegen Benda richtig interpretiere,
({8})
überwindet er sich, weil hier weniger geschieht, als nach seiner Meinung geschehen müßte.
({9})
Das kann man nicht so auf den Kopf stellen. Sie haben sich erregt und haben damit auch eine falsche Darstellung des Gesetzes aus dem Jahre 1956 gegeben. Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen.
Wie leicht man sich irren kann, erkennen Sie daraus, daß Sie Herrn Kollegen Erler belehren wollten, daß der Entwurf der Bundesregierung für die Große Strafrechtsreform beileibe keine Rückwirkung der künftigen 30jährigen Verjährung vorsehe. Sie irren sich! Es steht sogar in der Begründung zu § 127 ausdrücklich, daß diese Rückwirkung bereits eingetretene Verjährungen nicht wiedereröffnen soll. Es hätte gar keinen Sinn, daß dieser Satz in der Begründung steht, wenn nicht die 30jährige Verjährungsfrist rückwirkend für alle bei Inkrafttreten der Strafrechtsreform noch nicht verjährten Mordtaten gedacht wäre.
({10})
Sie irren sich. Der Autor, der Verantwortliche, sitzt jetzt in meiner Fraktion und nicht mehr in Ihrer. Er hat es inzwischen auch noch nachgesehen. Sie sehen: So kann man sich in einer Sache, die präsent ist, irren. Aber 1956 war das weiß Gott ganz anders. Nach meiner Erinnerung haben wir den Abs. 2, der die strafrechtlichen Fristen regelte, ersatzlos gestrichen und nur den Abs. 1 stehengelassen, der die zivilrechtlichen Fristen regeln sollte. Jetzt ist mir im Ausschuß gesagt worden, ich sei im Irrtum; dies habe sich auch auf die strafrechtlichen Verjährungsfristen mitbeziehen sollen.
Nun, wenn das so sein sollte oder wenn darin diese Fiktion - wie Herr Kollege Güde richtig sagte - enthalten ist, so hat die gesamte Behandlung der Vorlage jedenfalls nicht der Arbeitsweise des Rechtsausschusses entsprochen, denn Sie können sich doch selbst nicht vorstellen, daß der Rechtsausschuß und dieses Haus eine so fundamentale Frage wie die Verjährung des Völkermordes und des geplanten Massenmordes ohne ein einziges Wort der Debatte durch das Plenum hätten gehen lassen.
({11})
- Ja, bitte schön!
Frau Dr. Diemer-Nicolaus, bitte!
Herr Kollege Arndt, ist Ihnen aus der Begründung des Entwurfs zum Strafgesetzbuch bekannt, daß es dort - zwar nicht bei der Begründung der Verjährung, aber bei der Begründung zu § 2 im Hinblick auf die Rückwirkung des Gesetzes - folgendermaßen heißt:
Überhaupt sind bei der Prüfung, welches Gesetz für den Täter das „mildeste" ist, nicht nur Änderungen der Strafdrohungen, sondern Abweichungen aller Art zu berücksichtigen, so auch Änderungen der allgemeinen Vorschriften, z. B. über Irrtum, Schuldfähigkeit, Notwehr, Notstand, Verjährung und Strafantrag?
Geht daraus nicht hervor, daß auch in dem Entwurf davon ausgegangen wird, daß die Verjährung
nachher nicht rückwirkend verlängert werden kann?
Das geht daraus nicht hervor, Frau Kollegin, sonst brauchte bei § 127 diese Begründung nicht zu stehen. Außerdem verkennen Sie, daß der Entwurf neu einführen will, daß für die Zukunft Verjährung nicht nur Verfahrensrecht, sondern auch materielles Recht ist.
({0})
- Nein, entschuldigen Sie, es hat keinen Zweck.
({1})
Wir sind hier kein juristisches Seminar.
({2})
Auch hat Sie über die Frage des milderen Gesetzes, Herr Kollege Güde, glaube ich, schon sehr eingehend belehrt.
({3})
Ich bitte doch zu sehen, daß es sich hier um eine große und geschichtliche Entscheidung handelt, und auch meine Fraktion begrüßt deshalb die namentliche Abstimmung. Allerdings hätten wir es lieber gesehen, wenn es eine namentliche Abstimmung gegeben hätte, welche dieser Entscheidung den Rang und die Kraft einer Verfassungsentscheidung gegeben hätte.
({4})
Nun, das ist nicht zu erreichen gewesen. Aber das, worum es geht, ist, durch die größtmögliche Mehrheit hier im Hause Recht zu bestätigen, weil die Gemeinschaft Recht bestätigen kann, und zwar gerade das frei vom Volk gewählte Parlament, der Bundestag, und uns dieser Entscheidung hier zu stellen. Das fällt keinem von uns leicht, und wir wissen auch, ,daß die Mittel des menschlichen Strafrechts begrenzt sind, denn der irdische Richter ist an einen engen 'Begriff der Kausalität gebunden, der nicht alle erfaßt: Die intellektuellen Urheber, die Ideologen .des Rassenhasses, die. Ideologen des Völkermordes, die Ideologen des Freund-Feind-Verhältnisses, alle die werden von unserem strengen, engen strafrechtlichen Kausalitätsbegriff nicht aburteilbar gemacht, weil es dort bereits in den Bereich des auch politischen, weltanschaulichen Irrtums geht. Aber ich (für meinen Teil bekenne mich zu der Überzeugung, daß ,die letzte Entscheidung auch darüber
nicht hier auf der Erde fällt. Was wir zu tun haben, ist, wie es Herr Kollege von Merkatz gesagt hat, mit Vernunft das Mögliche zu tun und dazu hier eine Gemeinsamkeit zu bilden, mit der wir uns der deutschen Vergangenheit stellen um der Zukunft willen.
({5})
Als Mitglied des Bundesrates hat der Herr Justizminister von Baden-Württemberg das Wort.
({0})
- Einen Augenblick, meine Damen und Herren! Das kann man nachsehen, wenn Sie das einem Mitglied des eigenen Hauses widerfahren lassen, aber nicht gegenüber einem Vertreter des Bundesrates.
Dr. Haußmann, Justizminister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Arndt war so freundlich, darauf hinzuweisen, daß nach den ihm zugegangenen Berichten über die gestrige Sitzung des Rechtsausschusses nicht die Justiz, wie ich vielleicht verallgemeinernd gesagt habe, sondern die Justizverwaltungen der Länder angesprochen worden sind. Ich möchte glauben, daß es nicht kleinkariert und unwesentlich ist, wenn ich mir erlaube, auch dies als bedauerlich und ,als unbegründet zu bezeichnen. Ich möchte das jedenfalls für die Landesregierungen von Württemberg-Baden und Baden-Württemberg seit 1946 bis heute in Anspruch nehmen, insbesondere für ,die Justizminister Dr. Josef Beyerle und Viktor Renner - von mir selbst will ich nicht sprechen, Herr Kollege Arndt, obgleich wir uns auch in dieser Beziehung in diesem Lande nichts vorzuwerfen haben.
Ich habe aber nicht deswegen ums Wort gebeten, sondern weil Herr Abgeordneter Dr. Arndt gesagt hat, ich hätte erklärt, die Justiz sei gehemmt gewesen. Ich bestreite es nicht, diesen Ausdruck gebraucht zu 'haben, der ja der Natur der Sache nach bei diesen Beratungen ohnehin in der Luft liegt. Aber 'ich habe ihn in einem anderen Sinnzusammenhang und an anderer Stelle gebraucht.
({1})
- Sie müssen 'mir schon gestatten, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, wenn Sie mir das vorhalten, daß ich mich auch dazu erkläre, wie es gemeint ist. Sonst stehen die Dinge einseitig im Raum. Wenn ein Mann Ihres Ranges es in diesem Zusammenhang sagt, ist es für unsereinen nicht ,gleichgültig, ob er es unbesehen und unwidersprochen stehen läßt, wenn er glaubt, etwas dazu sagen zu müssen.
({2})
Ich glaube Sie so zu kennen, daß Sie als Jurist - es geht ja um juristische Dinge - dafür ,auch Verständnis haben.
Ich möchte Ihnen, Herr Dr. Arndt, und dem Hohen Hause sagen, daß ich damit in einer kurzen und, wenn Sie wollen, zurückhaltenden Weise andeuten wollte, daß die von Ihnen angesprochenen Justizver8784
Landesminister Dr. Haußmann
waltungen der Länder der Bundesrepublik seit 1959 lange Jahre hindurch gehemmt gewesen sind, rein justitielle Überlegungen gegenüber, wenn Sie wollen, übergeordneten anderen Gesichtspunkten durchzusetzen. Das ist etwas anderes als die Hemmungen, die Sie im Zusammenhang mit Ihrem Anliegen im Blick auf die Jahre 1946 ff. geltend machen.
Die Staatsanwälte und Richter haben schließlich die Gesetze auszuführen, die Sie hier beschließen. Deswegen ist es ein Akt der Fürsorgepflicht, wenn ich mindestens für das Land Baden-Württemberg und vielleicht, wenn Sie wollen, stellvertretend auch für meine Kollegen in Anspruch nehme, daß wir diese subtilen Fragen der Aufklärung in den Ostblockstaaten selbstverständlich nur zusammen mit dem Bund und der Bundesregierung behandeln konnten, im Einzelfall oder im ganzen. Mehr möchte ich ohne Not darüber heute nicht sagen.
Ich darf aber Sie zum Schluß bitten - auch das ist eine ernste Überlegung vom Standpunkt der Justiz aus, die ich damit anspreche -, mir diese Begründung und diesen Gedanken abzunehmen. Wenn Sie nun in dritter Lesung im Deutschen Bundestag ein Gesetz beschließen, dann ist doch vom Standpunkt der deutschen Justizverwaltungen und der deutschen Justiz, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, die Frage gerechtfertigt: welche Gewähr ist dafür gegeben oder zu schaffen, daß nicht in Zukunft Unterlagen aus den Ostblockstaaten weiterhin vorenthalten werden und erst wieder kurz vor Ablauf einer etwa heute beschlossenen neuen Frist mit dem Ziel angeboten werden, dann eine weitere Fristverlängerung durch Gesetz auszulösen?
Die Rechtsgleichheit und die Rechtssicherheit - das ist keine parteipolitische Frage, das ist eine Frage, die alle Beteiligten und die Justiz angeht - machen es notwendig, auch zu überlegen - es steht mir nicht zu, hier einen Antrag zu stellen -, ob nicht dieser Gefahr seitens derer, die glauben eine neue Form finden zu müssen, ins Auge gesehen und vorgebeugt werden muß.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Dr. Arndt hat im Laufe seiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß die Entscheidung keinem hier im Hause leicht fällt. Ich möchte meinen, daß all diejenigen, die nicht Rechtsgelehrte sind und kein juristisches Staatsexamen hinter sich gebracht haben, trotzdem aber Mitglieder dieses Hauses sind, sich in den letzten Wochen und Monaten mit sehr vielen juristischen Fragen auseinanderzusetzen hatten, mit juristischen Fragen, die hier im Hause auftauchten und die draußen in den Zeitungen und Gazetten aufgetaucht sind, die man lesen mußte und mit denen man sich auseinandersetzen mußte.
Ich glaube, es war doch sehr verwirrend, was hier im Hause und in den Zeitungen alles als herrschende oder angeblich herrschende Rechtslehren dargeboten wurde, und es war wohl noch verwirrender, was als mögliche, als gangbare und als nicht gangbare Lösung vorgeschlagen, vorgetragen und diskutiert wurde. Ich darf gerade an den Kollegen Dr. Arndt anknüpfen, der, glaube ich, einen echten Leidensweg hinter sich hat, wenn ich die Stationen seiner juristischen Erkenntnisse in den letzten Monaten Revue passieren lasse.
({0})
Sie, Herr Kollege Arndt, waren für mich neben Thomas Dehler immer ein entscheidender Richtpunkt bei juristischen Fragen, und ich war mir sicher, daß ich auf dem rechten Wege des Rechtes war, als ich hörte, daß Dr. Dehler und Sie vor Monaten noch ein und derselben Meinung waren. Sie haben dann erklärt: Wenn schon eine Änderung, dann nur durch eine Grundgesetzänderung. Jetzt hatten wir den Entwurf Benda, eine Änderung des Gesetzes durch ein einfaches Gesetz zu § 67, und nun wird in wenigen Minuten über ,ein einfaches Gesetz und den § 2 des Strafgesetzbuchs, also über die Ruhensvorschriften, abgestimmt. Das sind vier Stationen juristischer Erkenntnisse. Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Dr. Arndt: Ich bin leider als Nichtjurist außerstande, diese Stationen bis zum Ende mitzugehen, und ich bitte alle Kollegen und Kolleginnen hier im Hause, für die Kollegen, die ebenfalls juristisch nicht so vorgebildet sind wie viele in diesem Hause, Verständnis zu haben, wenn sie bei dem Standpunkt bleiben, den sie eingenommen hatten, als die Diskussion begann, und bei dem sie sich an prominenten Rechtsgelehrten und Rechtsvertretern in diesem Hause ausgerichtet haben.
Herr Dr. Jaeger hat vorhin in seinen Ausführungen von dem Recht auf politischen Irrtum gesprochen. Ich glaube, wir müssen als Nichtjuristen auch den Juristen, ganz gleich welche Meinung sie vertreten, das Recht auf einen juristischen Irrtum zugestehen. Ich wage als nicht juristisch gebildeter Mensch nicht zu entscheiden, welche juristische Meinung hier im Hause nun endgültig diejenige ist, die man als die rechte bezeichnen kann. Von der juristischen Seite aus betrachtet sind also die Dinge so verwirrend, daß man eigentlich nicht sagen kann, die Debatte heute hätte so klare Richtpunkte gesetzt, daß man sich an diesen juristischen Richtpunkten endgültig orientieren könnte.
Was bleibt noch, wenn man diesem Gesetz zustimmen will? Es bleibt die Frage der Gerechtigkeit, die sehr oft angesprochen wurde. Nun habe auch ich mich zu prüfen; denn dazu braucht man ja kein juristisches Studium und kein Staatsexamen, um ein gewisses Gefühl für das Rechte oder für das, was man als gerecht empfindet, zu entwickeln. Auch da komme ich zu einem schrecklichen Ergebnis, zu dem Ergebnis nämlich, daß wir, was immer wir auch tun, der Idee der Gerechtigkeit nicht nahekommen, daß wir uns ihr vielleicht um Zentimeter nähern, uns aber auch gleichzeitig wieder von dieser Mehrgerechtigkeit entfernen.
Wie liegen die Dinge? Durch die Verlängerung der Verjährungsfrist oder durch das Ruhen der Verjährung geschieht es, daß mancher kleine Befehlsempfänger, der bis heute tatsächlich noch nicht
entdeckt worden ist und dann frei ausgegangen wäre, nun doch noch gefaßt und seiner gerechten Strafe zugeführt werden kann, während der große, ihm viele Ränge übergeordnete Haupttäter bereits im Jahre 1945 von den Amerikanern, Franzosen oder Engländern gefaßt und verurteilt wurde. Das Todesurteil wurde nicht vollstreckt, er wurde begnadigt und schon Anfang der fünfziger Jahre auf freien Fuß gesetzt. Das ist auch nicht befriedigend, wenn ich von der Idee der Gerechtigkeit ausgehe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte, glauben Sie es mir, wenn ich sage: gerne würde ich mit Ihnen der Idee der Gerechtigkeit dienen und ihr näherkommen, wenn ich den Eindruck hätte, daß das mit diesem Gesetz geschieht, ich kann mich aber zu dieser Überzeugung nicht durchringen. Deshalb bitte ich um Verständnis für alle diejenigen, die sowohl aus juristischen Gründen als auch deshalb, weil der Gerechtigkeit nicht Genüge getan werden kann, Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Es können noch viele Strafurteile ergehen, um die NS-Taten zu sühnen. Aber eines ist klar: Das „Dritte Reich" und seine Taten können durch Strafurteile allein nicht entsühnt werden.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir in Anknüpfung an das, was der Herr Kollege Spitzmüller soeben vorgetragen hat, ein persönliches Wort. Sie können überzeugt sein, es ist mir nicht leicht gefallen, diese Debatte schweigend mitzumachen. Sie können auch von folgendem überzeugt sein: wenn das, was ich in der ersten Lesung gesagt habe, den Eindruck gemacht hat, daß ich, wie es zu lesen war, diese Dinge als Notar oder Buchhalter und ohne jedes Gefühl 'betrachte, so ist das einfach auf die Tatsache zurückzuführen, daß es für ein Mitglied des Kabinetts wenig sinnvoll ist, persönliche Meinungen zu sagen, daß ich aber andererseits in einer Frage, in der sich offensichtlich ein aus zwei, aus drei Koalitionsparteien bestehendes Kabinett nicht einigen kann - ich habe neulich schon gesagt, daraus kann man beileibe weder einer Fraktion noch einer Regierung einen Vorwurf machen -, nicht für das Kabinett sprechen kann. Aber es drängt mich doch, persönlich noch etwas zu sagen.
Herr Kollege Spitzmüller hat von dem Leidensweg gesprochen, den Herr Kollege Arndt hier durchgemacht habe. Er hat sehr deutlich gemacht, daß er dieses Wort ernst gemeint hat. Ich meine, das dürfen wir alle für uns in Anspruch nehmen, ich jedenfalls für meine Person auch. Ich habe mir beileibe die Entscheidung hier nicht leicht gemacht und habe bei jeder Gelegenheit deutlich gemacht, daß es nicht darum gehen kann, hier irgendwelche Demonstrationen mit dem Blick nach außen, d. h. nach dem Inland und nach dem Ausland, vorzunehmen, sondern daß es darum geht, aus innerer Überzeugung das zu tun, was man für Recht hält.
Herr Kollege Arndt, ich darf Sie persönlich ansprechen. Ich verhehle nicht, daß ich persönlich enttäuscht war von der Stellung, die Sie eingenommen haben. Ich sehe völlig davon ab, Ihnen frühere Zitate vorzuhalten. Aber ich erinnere Sie daran, wie Sie mich einmal im Flügel dieses Hauses in einer anderen Sache aufgesucht halben und wie wir dann auf dieses Problem zu sprechen kamen. Ich habe noch Ihre Worte im Gedächtnis, wie Sie sagten: „Ich, Arndt, möchte nicht nur meinen politischen Freunden abraten, etwas für die Verlängerung der Verjährungsfrist zu tun. Ich möchte Sie beschwören, das nicht zu tun." Mir ging es genauso wie Spitzmüller. Dehler und Arndt, das sind für mich zwei Namen. Nun, ich sage nicht: ich sitze heute ohne Arndt da, ich sei deshalb enttäuscht. Ich habe mir dann meine eigenen Gedanken gemacht, und ich halte sie für richtig.
Ich möchte meine Worte mit einem Zitat von Ihnen, Herr Kollege Arndt, beschließen, einem Zitat, dessen Inhalt ich, wie so häufig, keinesfalls in besserer Formulierung wiedergeben könnte als in der, die Sie ihm gegeben haben:
Welcher Entschluß auch gefaßt werden mag, er wird in jedem Falle zweischneidig sein und unvermeidlich voller Gefahr. Ob er der Gerechtigkeit dient, bleibt im Dunkel der Zukunft. Vielleicht lehrt er uns, wie wenig es uns gegeben ist, das Gerechte zu finden, und auch ein demütiges Verwundern darüber, wie vorschnell und wie leichthin sie berufen wurde: die Gerechtigkeit.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Sätze.
Satz 1: Die große Mehrheit dieses Hauses hat den § 3 und damit die Auflockerung des Verfolgungszwangs aus der Vorlage eliminiert.
({0})
- Aus der Vorlage eliminiert.
Satz 2: Für mich und für einige andere war dieser § 3, d. h. die Auflockerung des Verfolgungszwangs, der süße Überzug, der Zuckerguß über der sonst so scheußlich bitteren Pille der Hinausschiebung des Beginns der Verfolgungsverjährung.
Nachdem jetzt - Satz 3 - diese Auflockerung des Verfolgungszwangs gefallen ist und nachdem ich nach Ihren Worten, Herr Kollege Jahn, vor allem nicht weiß, was mit dieser Auflockerung des Verfolgungszwangs im Rechtsausschuß geschehen wird, sehe ich mich nicht in der Lage, dieser Vorlage zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, heute hier während der dritten Lesung zu sprechen. Aber ich muß zwei Dinge richtigstellen, die von Herrn Kollege Güde und Herrn Kollege Arndt angesprochen wurden.
Ich habe Verständnis dafür, daß Herr Kollege Güde nicht alle die 12 dicken Bände der Protokolle der Großen Strafrechtskommission im Kopf hat. Aber das, worauf ich hingewiesen habe, Herr Kollege Güde, steht in Band 3 Seiten 288 ff., vertreten damals von dem Berichterstatter, Professor Bockelmann, von Professor Kielwein, von Herrn Ministerialrat Dr. Rösch und allen anderen.
Herr Kollege Arndt, auch bei Ihnen habe ich Verständnis dafür, daß Sie nicht alle Protokolle im Kopf haben, auch nicht alle Begründungen aus dem Entwurf. Aber ich darf Sie doch darauf aufmerksam machen, daß von seiten der Bundesregierung während der ganzen Dauer der Beratungen der Strafrechtskommission und auch nachher in den Entwürfen, die vorgelegt wurden, das Institut der Verjährung als solches damit begründet wurde, daß es seine Rechtfertigung sowohl in Gesichtspunkten des sachlichen Rechts als auch in verfahrensrechtlichen Gründen finde. In der Begründung wird dann weiterhin ausgeführt, daß es seine Stellung im materiellen Gesetz, die es auch im Augenblick hat, auch in dem neuen Strafgesetzbuch haben soll, um dies ganz klar zum Ausdruck zu bringen. Es ist also nicht daran gedacht, der Verjährung erst für die Zukunft einen materiell-rechtlichen Inhalt beizumessen, sondern es wird davon ausgegangen, daß das bereits in der Vergangenheit so war, jetzt so ist und in Zukunft so sein wird.
Ich darf dann doch noch etwas sagen. Herr K61- lege Güde, als ich ,auf den § 2 hinwies, haben Sie gesagt, das sei der Stein, der im Wege liege. Aber dieser Stein kann eben nicht aus dem Weg geräumt werden. Meine Damen und Herren von der SPD, warum haben ,Sie denn einen 'Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung eingebracht? Sie haben das doch deshalb getan, weil Sie sich bewußt waren, daß der Inhalt des § 2 gleich dem Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes ist und daß deshalb eine Grundgesetzänderung stattfinden muß, wenn hier überhaupt eine Änderung des jetzt bestehenden Zustandes eintreten kann.
({0})
Herr Kollege Arndt, wir haben unter Zeitdruck gestanden. Ich habe aber doch folgendes außerordentlich bedauerst. Die SPD-Fraktion hat diesen verfassungsändernden Gesetzentwurf eingebracht. In der ersten Lesung haben wir keine entsprechende Begründung gehört; sie gehört auch nicht in die erste Lesung; denn da werden die Grundsätze unter politischen Gesichtspunkten vorgetragen. Aber leider haben Sie auch bei den Beratungen im Rechtsausschuß keine Begründung Ihres verfassungsändernden Gesetzentwurfes vorgetragen, beziehungsweise konnten Sie sie nicht vortragen. Dadurch konnte die Grundsatzfrage der Verfassungsänderung bei den 'Beratungen überhaupt nicht entsprechend erörtert werden.
Vom Rechtsstaatlichen, vom Verfassungsrechtlichen her ist es uns bei dieser Sachlage, die sich bei der rechtlichen Prüfung ergibt, einfach nicht möglich, uns über diese verfassungsrechtlichen Bedenken hinwegzusetzen. Wir glauben, dem Recht zu dienen, indem wir verfassungsgetreu handeln.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Dinge sind es, die mich für ein kurzes Schlußwort noch einmal hierherbringen.
Verehrte gnädige Frau, wir alle bemühen uns, verfassungsgetreu vor unserem Gewissen eine schwere Entscheidung, die sich keiner leicht gemacht hat, hier zu fällen. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Das, was Sie am Schluß gesagt haben, möchte ich so positiv an den Anfang stellen.
Das Zweite! Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg hat dankenswerterweise in diese Debatte eingegriffen. Er hat aber deutlich gemacht, daß offensichtlich die Justiz gehemmt gewesen sei, worauf der Kollege Arndt hingewiesen hat. In Ihrer Replik haben Sie dann variiert zwischen Württemberg-Baden, Süd-Baden und Württemberg-Hohenzollern. Ich will das hier nicht ausführen. Aber damit ist völlig klargeworden, daß hier eine Hemmung eingetreten war.
Wir alle - ich lege Wert darauf, das noch einmal zu sagen - 'haben doch am Anfang der 'Überlegungen hierzu die Tatfrage geprüft. Wir haben Herrn Schüle in unsere Fraktion kommen lassen; in andere Fraktionen ist er auch gekommen. Wir 'hatten seine Erklärungen und haben dann die Regierung um einen schriftlichen Bericht gebeten. Der schriftliche Bericht lag vor. Er hat uns veranlaßt zu handeln, weil offensichtlich - wie der Kollege Jaeger heute morgen sagte - die Dunkelziffer größer war, als ursprünglich angenommen wurde. Wir haben jetzt das getan, was die Bundesregierung in ihrem Bericht gesagt hat: nämlich einen Weg gesucht, um dieses Problem in rechtsstaatlicher Weise zu lösen. Das haben wir getan; darum geht es gleich in dieser Abstimmung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Herr Kollege Dr. Barzel, ist Ihnen bei den Ausführungen des Justizministers Dr. Haußmann wirklich nicht bewußt geworden, daß die Hemmung, von der der Minister gesprochen hat, eine Hemmung durch die Bundesregierung gewesen ist, nämlich ab 1959 in der Beischaffung von Material aus den Ostblockstaaten?
Der Herr Justizminister Dr. Haußmann hat von Hemmungen gesprochen,
die unterschiedlich seien zwischen WürttembergBaden, Baden und Hohenzollern.
({0})
- Meine Damen und Herren, wollen wir die Debatte erneut beginnen? Ich glaube nicht.
Herr Kollege Memmel, ich muß noch einen Satz zu Ihnen sagen. Der § 3 - ich lege Wert darauf, das für unsere Fraktion zu sagen - ist nicht eliminiert. Daran denkt kein Mensch. Herr Kollege Güde hat hier als Sprecher unserer Fraktion dargetan, daß hier ein Problem ist. Von Ihrer Seite hat insbesondere der Kollege Jahn auf ein politisches Problem, das sehr aktuell ist, im Zusammenhang damit hingewiesen. Das alles hat den Kollegen Wilhelmi als Vorsitzenden des Rechtsausschusses veranlaßt, uns vorzuschlagen, den § 3 zurückzuüberweisen, aber nicht - das möchte ich noch einmal unterstreichen -, um diese Sache damit zu erledigen, sondern um eine bessere Lösung des hier angeschnittenen gemeinsamen Problems° zu finden. Nur darum geht es.
Meine Damen und Herren, wir haben eine rechtsstaatlich einwandfreie Lösung gefunden, wir haben in der zweiten Lesung eine Verständigung gefunden, die weit über die üblichen Grenzen solcher Fragen in diesem Hause hinausgeht. Daraus ist eine Solidarität im Recht gewachsen, von der der Kollege von Merkatz gesprochen hat. Ich meine, wir sollten aus dem Geist, der in der ersten Lesung dieses Gegenstandes das Haus bewegt hat und der uns so weit gebracht hat, daß wir jetzt mit einer großen Majorität hier entscheiden können, nun auch in der dritten Lesung den Schlußpunkt so setzen, damit wir am Schluß in dieser Sache so dastehen, wie wir in sie hineingegangen sind.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen?
({0})
- Der Herr Justizminister des Landes Baden-Württemberg als Mitglied des Bundesrates!
({1})
- Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie. Dieses Haus wird sich auch nicht von der fernsten Ferne in den Geruch bringen, daß es die Vorschriften des Grundgesetzes nicht auf das pünktlichste und höflichste erfülle. Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes sagt:
Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.
({2})
Das Wort hat der Herr Justizminister des Landes Baden-Württemberg.
Dr. Haußmann, Justizminister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Herrn Präsidenten sehr danken für diese freundliche Erklärung, die ja offenbar notwendig gewesen ist.
({3})
Es ist mir sehr unangenehm,
({4})
in diesem Stadium noch einmal das Wort zu ergreifen.
Herr Abgeordneter Dr. Barzel, Sie haben .meine Ausführungen so interpretiert, wie Sie ,sie verstanden haben. Das ist Ihr gutes Recht. Aber dann ist es, glaube ich, Herr Abgeordneter Dr. Barzel, mein gutes Recht, auch ohne die freundliche Begründung des Herrn Bundestagspräsidenten, zweierlei darzutun.
Ich habe nicht von Württemberg-Baden und Baden-Württemberg in Zusammenhang mit der Hemmung gesprochen. Ich komme gleich darauf.
({5})
- Meine Damen und Herren, es dauert nur länger, wenn Sie mich nicht anhören. Ich spreche!
({6})
Ich habe nur im Blick auf die mir bekanntgewordenen Ausführungen von Abgeordneten in der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages .am gestrigen Nachmittag und auf Pressemitteilungen, die darauf Bezug nehmen, mir zu sagen erlaubt, ich könne insoweit, Herr Abgeordneter Dr. Barziel, nur für das Land Württemberg-Baden sprechen, und da müsse ich das zurückweisen. Und ich habe es mit sehr renommierten Namen wie Dr. Josef Beyerle und Viktor Renner zu begründen versucht, um klarzumachen, daß es sich nicht um mich handelt, sondern um die Zeit seit 1946 bis heute in unserem Lande. Das ist das eine.
Das andere, betreffend die Hemmung, ist etwas ganz anderes. Der Herr Abgeordnete Moersch hat es dankenswerterweise durch ;seine Frage schon aufgeklärt. Ich muß es aber, Herr Abgeordneter Dr. Barzel, doch noch einmal sagen. Die Justiz in den Ländern war sehr bald, teilweise schon im Jahre 1945, in der Lage - und sie hat es bewiesen -, die Dinge in die Hand zu nehmen. Das ist nachweisbar und ist auch durch den Bericht des Herrn Bundesministers der Justiz dargetan. Aber - und das ist etwas ganz anderes, Herr Abgeordneter Dr. Barzel, als die Hemmung, von der wir im Sinne eines gesetzlichen Terminus technicus sprechen - wir waren nicht in der Lage, wir waren aufgehalten, wenn Sie wollen, gehemmt, in den Jahren 1959 folgende die Dinge so fortzuführen, wie ,es mit Mitteln der Justiz möglich und wie es notwendig gewesen wäre aus übergeordneten Gesichtspunkten, die ich anzudeuten mir erlaubt habe und die hier mitberücksichtigt werden müssen. Ich sage das nur deshalb, Herr Abgeordneter Dr. Barzel und meine Damen und Herren, weil sonst zu Unrecht auf der deutschen Justiz oder, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, auf den deutschen Justizverwaltungen das Odium
Landesminister Dr. Haußmann
eines Versäumnisses für diesen Zeitraum und in dieser Hinsicht liegen würde. Ich nehme nicht an, daß Sie das gewollt haben. Vielmehr, Herr Dr. Barzel, haben Sie, wie ich Sie 'zu kennen glaube, Verständnis dafür, daß ich diesen Eindruck in diesem Hohen Hause verwischen wollte.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige wenige Sätze! Von Anfang an gab es in diesem Hause eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob eis notwendig sei, auch nach dem 8. Mai 1965 bisher unbekannte Mordtaten einwandfrei verfolgen und bisher unbekannt gebliebene Mörder der Bestrafung zuführen zu können, oder nicht. Ich verstehe die Einwendungen derer, die sagten, sie wünschten das nicht. Sie sind uns hier ausführlich vorgetragen worden. Sie 'entsprechen nicht der Meinung der Mehrheit dieses Hauses.
Nun gab es aus der Mehrheit heraus verschiedene Vorschläge für die Lösung dieses Problems. Ich verstehe, daß unter diesen Umständen die Minderheit, die gar keine Lösung wollte, natürlich ein gewisses Interesse daran hat, zu erreichen, daß die verschiedenen Teile der Mehrheit sich so in die Weisheit des jeweils vorgetragenen Lösungsvorschlages verbissen, daß dann überhaupt keine Lösung zustande 1 gekommen wäre. Infolgedessen muß die Minderheit zur Kenntnis nehmen, daß .es die Pflicht derer, die eine Lösung für unabweisbar halten, war, sich auf eine Lösung zu verständigen, die eine denkbar breite Grundlage in diesem Hause findet.
({0})
Dies ist geschehen. Und auch wenn jeder einzelne von uns, wenn insbesondere diejenigen, die andere Lösungen für wirksamer und richtiger gehalten hätten, infolgedessen mit etwas Betrübnis darüber aus dem Saal gehen, daß nicht die beste Lösung gewählt worden ist, so lassen wir uns doch von denen, die gar keine Lösung wollen, nicht in der Entschlossenheit beeinträchtigen, jetzt und hier eine Lösung zu beschließen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vorausschicken, daß ich_ jede in diesem Hause vorgetragene Meinung respektiere und achte, gleichgültig, auf welcher Seite dieses Hauses ein Autor sitzt oder gesessen hat. Trotzdem kann ich der Vorlage nicht zustimmen, weil sie mich nicht zu überzeugen vermag. Ich bitte - ich sage das ausdrücklich -, mich nicht falsch zu verstehen, wenn ich in Sachen Verjährungsfristen an den § 1 des Gesetzes über Verhängung und Vollzug
der Todesstrafe vom 29. März 1933 - Reichsgesetzblatt I Seite 151 - erinnere, der lautet:
§ 5 der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 ({0}) gilt auch für Taten, die in der Zeit zwischen dem 31. Januar und dem 28. Februar 1933 begangen sind.
Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wurde zum Aufhängen des Falles „Reichstagsbrand am 27. Februar 1933" gebraucht, und durch dieses Gesetz wurde Marinus van der Lubbe am 10. Januar 1934 zum Tode geführt. Mit diesem Gesetz wurde die Mauer der Rechtssicherheit durchbrochen, es folgte Rechtsbeugung auf Rechtsbeugung. Diese Zeit der Rechtsbeugung, meine Damen und Herren, verurteilt dieses Haus. Ich möchte nicht, daß mir jemand falsche Schlüsse unterstellt. In der Sorge um die Rechtssicherheit in unserem Staat lasse ich mich von Interessenten weder des In- noch des Auslandes beeinflussen oder gar bestimmen. Ich bekenne mich zu unserer Gesetzgebung, die ihren Niederschlag im Grundgesetz - und dort allein - gefunden hat.
Der Deutsche Bundestag hat im Jahre 1956 ein „Erstes Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts" vom 30. Mai 1956 beschlossen. In seinem § 4 heißt es:
Soweit in den §§ 1 bis 3 bezeichnete Vorschriften vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ganz oder teilweise ihre Gültigkeit verloren haben, hat es hierbei sein Bewenden.
Und § 5 bestimmt in Ziffer ({1}):
Fristen, deren Ablauf auf Grund von Vorschriften oder infolge von Maßnahmen der Besatzungsbehörden gehemmt worden und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht eingetreten ist, laufen in dem Zeitpunkt ab, in dem der Ablauf ohne diese Hemmung eintreten würde, jedoch nicht vor dem Ende des Jahres 1956.
Der Gesetzgeber hat mit diesem Gesetz eindeutig und klar in freier Selbstbestimmung souverän verfügt. Sofern sich Fristen durch Hemmungen in der Laufzeit geändert haben, ist es Aufgabe der Gerichte, notfalls des Bundesverfassungsgerichts, Feststellungen zu treffen und entsprechend zu handeln.
Ich kann es mir ersparen, auf den § 2 unseres Strafgesetzbuches hinzuweisen, weil die von mir getroffene Feststellung ausreicht, um mein Nein zu der rückwirkenden Verlängerung der Verjährungsfristen zu begründen.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Gegenstand der Abstimmung ist der Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen. So heißt die Überschrift. Die zur Abstimmung stehende Vorlage
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
enthält die bisherigen §§ 1 und 2. Der bisherige § 4 wird § 3, der bisherige § 5 wird § 4; die Überschrift ' ist entsprechend geändert. In dieser Form wird der Entwurf dieses Gesetzes in dritter Lesung zur namentlichen Abstimmung gestellt.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 344 Mitglieder des Hauses und 20 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 96 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 4 Mitglieder des Hauses. Insgesamt haben 444 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 20 Berliner Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Damit, meine Damen und Herren, ist der Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen - Drucksache IV/3220 - nach Streichung des § 3 und dessen Rückverweisung an den Rechtsausschuß Gesetz geworden.
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen: 441 und 20 Berliner Abgeordnete Ja: 341 und 20 Berliner Abgeordnete
Nein: 96
Enthalten: 4
Ja
CDU/CSU
Frau Ackermann
Dr. Adenauer
Dr. Aigner Arndgen Dr. Arnold
Dr. Artzinger
Baier ({0}) Balkenhol
Bauer ({1}) Bauknecht
Bausch
Becker ({2}) Berberich
Berger
Dr. Besold Bewerunge Biechele
Dr. Bieringer
Dr. Birrenbach Blank
Frau Dr. Bleyler Frau Blohm
von Bodelschwingh Dr. Böhm ({3}) Böhme ({4}) Brand
Frau Brauksiepe
Dr. Brenck Brück
Bühler
Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Deringer
Dr. Dichgans Diebäcker
Dr. Dittrich Eichelbaum
Dr. Elbrächter
Frau Engländer
Dr. Dr. h. c. Erhard
Dr. Even ({5}) Exner
Falke
Franzen
Dr. Frey ({6})
Dr. Furler Gaßmann Gedat
Gehring
Frau Geisendörfer
D. Dr. Gerstenmaier Gibbert
Giencke
Dr. Götz
Dr. Gossel
Frau Griesinger
Günther
Frau Haas Härzschel Häussler
Gräfin vom Hagen
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Hauser Heix
Dr. Hesberg Hesemann Hilbert
Dr. Höchst Hörnemann ({7})
Hösl
Holkenbrink Horn
Frau Jacobi ({8})
Dr. Jaeger Josten
Frau Kalinke
Dr. Kanka Katzer
Klein ({9})
Dr. Kliesing ({10}) Klinker
Frau Dr. Kuchtner
Kühn ({11}) Kuntscher
Kurtz
Leicht
Lenz ({12})
Lenze ({13}) Leukert
Dr. Luda Maucher Meis
Mengelkamp
Menke
Mick
Missbach
Müller ({14}) Müller ({15})
Dr. Müller-Hermann Müser
Neumann ({16}) Nieberg
Niederalt Oetzel
Dr. Pflaumbaum
Dr.-Ing. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke
Porten
Dr. Preiß
Frau Dr. Probst
Dr. Ramminger
Rauhaus Richarts
Riedel ({17}) Rollmann Rommerskirchen
Ruf
Scheppmann
Dr. Schmidt ({18}) Schmücker
Schneider ({19}) Frau Schroeder ({20}) Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt Dr.-Ing. Seebohm
Dr. Seffrin
Seidl ({21})
Dr. Serres Dr. Siemer
Dr. Sinn Dr. Stecker
Dr. Steinmetz
Stiller
Frau Stommel
Storch
Strauß
Struve
Stücklen Teriete
Dr. Dr. h. c. Toussaint Varelmann
Verhoeven
Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Vogt
Wagner Dr. Wahl
Dr. Weber ({22}) Weinzierl
Frau Welter ({23}) Wendelborn
Wieninger
Dr. Willeke Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt
Dr. Wuermeling Wullenhaupt Ziegler
Dr. Zimmer
Berliner Abgeordnete
Dr. Gradl
Lemmer
Frau Dr. Maxsein Müller ({24}) Stingl
SPD
Frau Albertz
Anders
Arendt ({25})
Auge
Dr. Dr. h. c. Baade
Bading Bäuerle Bals
Bazille
Dr. Bechert
Bergmann
Berkhan Beuster
Frau Bayer ({26}) Biegler
Biermann
Dr. Bleiß
Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen Bruse
Buchstaller
Büttner Busch
Corterier
Cramer Diekmann
Frau Döhring
Frau Eilers
Frau Dr. Elsner
Erler
Eschmann
Faller Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh ({27}) Fritsch
Geiger Gerlach Glombig
Gscheidle
Haase ({28}) Hamacher
Hansing Hauffe Heide Heiland Hellenbrock
Herberts
Frau Herklotz
Hirsch Höhmann
({29})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Hörauf
Hörmann ({30})
Frau Dr. Hubert
Hufnagel
Hussong
Iven ({31})
Jacobi ({32})
Jacobs Jahn
Jürgensen
Junghans
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Frau Kettig
Killat
Frau Kipp-Kaule
Frau Kleinert
Dr. Koch
Könen ({33})
Koenen ({34}) Kohlberger
Kraus
Dr. Kreyssig
Kriedemann
Dr. Kübler
Kurlbaum
Lange ({35})
Langebeck
Lautenschlager
Lemper
Lücke ({36}) Maibaum
Marquardt
Marx
Matzner
Merten Metter
Dr. Meyer ({37}) Meyer ({38})
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller ({39})
Müller ({40})
Müller ({41})
Müller ({42})
Dr. Müller-Emmert
Nellen Paul
Peiter
Peters ({43})
Dr. Pohlenz
Pöhler Porzner Priebe Ravens Regling Rehs
Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Riegel ({44})
Dr. Rinderspacher
Ritzel
Dr. Roesch
Rohde Ross
Sänger Saxokowski
Frau Schanzenbach
Schlüter
Schmidt ({45})
Dr. Schmidt ({46})
Dr. Schmidt ({47}) Schmidt ({48}) Schmitt-Vockenhausen
Schoettle Schwabe Seibert
Seidel ({49})
Seifriz
Seither
Frau Seppi
Dr. Stammberger Steinhoff
Stephan Striebeck Frau Strobel Strohmayr Dr. Tamblé
Wegener Welke
Welslau
Weltner ({50})
Frau Wessel
Wolf
Frau Zimmermann
(Brackwedel
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({51}) Bartsch
Frau Berger-Heise Braun
Frau Krappe
Liehr ({52})
Frau Lösche
Mattick
Neumann ({53}) Dr. Schellenbreg Dr. Seume
Urban
Wellmann
FDP
Dr. Kohut
Rademacher
Dr. Rieger ({54})
Nein
CDU/CSU
Adorno
Dr. Althammer Baldauf
Fürst von Bismarck Blöcker
Brese
Burgemeister Drachsler
Draeger
Dr. Eckhardt Ehnes
Dr. Franz
Dr. Gerlich
Gewandt
Dr. Gleissner
Glüsing ({55}) Gottesleben
Haase ({56}) Dr. Kempfler Knobloch
Dr. Knorr
Lang ({57}) Lemmrich
Leonhard
Memmel
Dr. Dr. Oberländer
Dr. Reinhard Schlee
Dr. Schwörer Spies
Stauch Storm Sühler Tobaben
Unertl
Dr. Zimmermann (München
FDP
Dr. Achenbach
Dr. Aschoff Dr. Atzenroth
Dr. Bucher Burckardt Busse
Dr. Danz
Dr. Dehler Deneke
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. Dörinkel
Dürr
Dr. Effertz Eisenmann Dr. Emde Ertl
Frau Dr. Flitz ({58})
Frau Funcke ({59})
Dr. Hamm ({60}) Hammersen
Dr. Hellige
Dr. Hoven Dr. Imle
Kreitmeyer
Dr. Krümmer
Kubitzka
Freiherr von
Kühlmann-Stumm
Lenz ({61})
Dr. Löbe
Logemann
Dr. Mälzig Mauk
Dr. h. c. Menne ({62}) Mertes
Dr. Miessner
Mischnick Moersch
Freiherr von Mühlen Murr
Opitz
Peters ({63}) Ramms
Reichmann Dr. Rutschke Sander
Schmidt ({64})
Schultz
Soetebier Spitzmüller Dr. Supf
Wächter
Walter
Weber ({65}) Zoglmann
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Becker ({66}) Weigl
SPD
Bauer ({67}) Fraktionslos
Gontrum
Meine Damen und Herren, ich möchte nun die anderen unter Punkt 3 der Tagesordnung aufgeführten Entwürfe zur Beratung stellen. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage - allein aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen -, die Anlage 1 der Drucksache IV/3220 Buchstabe a des dritten Tagesordnungspunktes sowie die Drucksache IV/3161 - Einfügung eines Artikels 102 a in das Grundgesetz - und ferner die Drucksache IV/3162 - Achtes Strafrechtsänderungsgesetz - an den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen. Ich will dabei klar zum Ausdruck bringen, daß meine Fraktion annimmt: diese Vorlagen werden das Plenum dieses Bundestages nicht mehr erreichen. Bei Ablauf der Legislaturperiode greift dann der Grundsatz der Diskontinuität Platz. Die Situation ist hier also anders als bei dem § 3 der Anlage 2 der Drucksache IV/3220, die das Hohe Haus als selbständigen Antrag an den Rechtsausschuß überwiesen hat. Hier erwarten wir - ich wiederhole das noch einmal zur Klarstellung - eine baldige Vorlage an das Plenum dieses Bundestages.
({0})
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Erler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schließt sich dem soeben gestellten Überweisungsantrag für die genannten Vorlagen an. Wie diese Vorlagen im Rechtsausschuß bearbeitet werden, hängt natürlich auch etwas von den Erwartungen einer starken Fraktion ab, aber im übrigen natürlich von den Dispositionen des Rechtsausschusses selbst.
({0})
Herr Abgeordneter Rasner! Herr Abgeordneter Erler hat in diesem Falle mit der Überweisung ohne Auftrag ({0})
ohne Auftrag! - das Rocht auf seiner Seite. Über das weitere Verfahren entscheidet der zuständige Ausschuß.
Nun, meine Damen und Herren, ehe wir diesen Punkt der Tagesordnung verlassen, müssen wir über den Antrag des Rechtsausschusses beschließen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären,
({1})
und es muß die Überweisung, wie vorgeschlagen, beschlossen werden. Wer ist mit der Überweisung » an den Rechtsausschuß einverstanden? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Überweisung an den Rechtsausschuß ist mit großer Mehrheit beschlossen.
Dem Antrag des Ausschusses, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, gibt das Haus statt. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, es will mir nicht so recht gelingen, ohne weiteres den nächsten Punkt der Tagesordnung aufzurufen. Auf der anderen Seite sind in diesem Haus so gründliche Reden gehalten worden, daß ich mich darauf beschränken möchte ({2})
Vielleicht sind die Herren geneigt, einen Augenblick herzuhören. Ich verstehe, daß man nach einer so langen, harten und uns alle sehr in Anspruch nehmenden Auseinandersetzung den Wunsch hat, sich zunächst einmal wieder zu entspannen, meine Damen und Herren. Was ich hier abschließend sagen möchte, ist nicht ein Versuch, diese Entspannung zu verhindern. Aber ich meine doch, das Haus steht unter dem Eindruck, daß es mehr als eine Routineangelegenheit war, die uns beschäftigt hat, daß diese Stunde mehr gegolten hat als einer hochinteressanten juristischen Meinungsverschiedenheit, daß diese Stunde vor allem nicht - und das wird man ohne Rücksicht darauf, wie der einzelne in dieser Sache votiert hat, für das ganze Haus sagen dürfen - der Unversöhnlichkeit oder gar der kalten Rache nach mehr als 20 Jahre gehört hat. Sie ist auch nicht die Stunde, in der das frei gewählte Parlament der Deutschen einem Druck von außen gewichen ist, und diese Stunde ist auch keine Stunde des mangelnden
Respekts vor dem geschriebenen Recht. Nein; wenn ich dieses Haus recht verstanden habe, dann gehörte sie allein dem Dienst an der Gerechtigkeit und dem redlichen Willen, mit der Last unserer jüngsten Geschichte so ehrenhaft fertig zu werden, daß wir vor uns selbst und der Welt damit bestehen können. Ich danke Ihnen.
({3})
Nun geht es weiter mit Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung ({4}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Frau Dr. Pannhoff, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und meine Damen! Die Fraktionen der Koalitionsparteien bringen heute zur ersten Beratung zwei Gesetzentwürfe ein, die sich beide mit dem Mutterschutz befassen. Ich habe die Ehre, den Gesetzentwurf auf Drucksache IV/3125 ({0}) zu begründen. Die Begründung der anderen Vorlage auf Drucksache IV/3170 hat die Fraktion der Freien Demokraten übernommen.
Diese Gesetzesvorlage trägt die Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung". Wir wollen mit dieser Vorlage das Mutterschutzgesetz und die Reichsversicherungsordnung ändern, sie den modernen Erkenntnissen unserer medizinischen Wissenschaft und unseren gesellschaftlichen Auffassungen von den Beziehungen zwischen Mutter, Kind und Familie anpassen.
Die beiden von mir vorhin genannten Gesetze, das Mutterschutzgesetz und die Reichsversicherungsordnung, sind die Rechtsgrundlagen des arbeitsrechtlich begründeten Mutterschutzes. In dieser Vorlage werden Mutterschutz und Gesundheitsvorsorge für die von diesen Gesetzen Betroffenen, werdende Mütter, Frauen nach der Entbindung und die stillenden Mütter, neu geordnet.
Ich darf anläßlich der ersten Beratung zum Grundsatz ganz kurz ausführen, daß im Mutterschutzgesetz, das mit seinem vollen Titel „Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter" heißt, geregelt sind: erstens Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote für die werdende Mutter vor der Zeit, während der Zeit und nach der Zeit der Entbindung, zweitens Arbeitsentgelte bei Beschäftigungsbeschränkungen und -verboten und drittens das Wochen- und Stillgeld.
Die RVO regelt die Pflichtaufgaben der Krankenkassen für diese Frauen innerhalb der Zeit, von der ich vorhin sprach. Eine Änderung in der RVO tritt mit Inkrafttreten dieses Gesetzes insofern ein, als nun ärztliche Vorsorgeuntersuchungen zu Pflichtleistungen der Krankenkassen, der gesetzlichen und der Ersatzkrankenkassen, werden. Das ist eine gute und wichtige Sache, weil bisher über die gesetz8792
lichen Krankenkassen diese Leistungen nicht erfolgen konnten. Sie waren gesetzlich nicht festgelegt.
Die Gravidität ist eine Lebensphase der Frau, auf die sie physiologisch eingerichtet ist; sie hat die biologischen Voraussetzungen dafür. Aber die moderne medizinische Wissenschaft hat längst - seit 30 Jahren etwa - verkündet, daß diese Phase Gefährdungen für die Mütter enthält. Wir wissen, daß gezielte ärztliche Vorsorgeuntersuchungen die Frauen vor Gefährdungen bewahren können und daß, wenn diese Gefährdungen vorhanden sein sollten, sie behoben werden können.
Diese Überlegungen gehören zu dem Komplex der Müttersterblichkeit, über den in den letzten Monaten sehr viel gesprochen wurde - nicht immer mit großer Sachkenntnis, die notwendig gewesen wäre. Es ist natürlich wichtig, daß die ärztliche Kunst und auch die Qualität der Krankenhäuser diesen modernen Erfordernissen angepaßt werden. Über diese Notwendigkeit wird auch nicht nur geredet, sondern ,die Ärzte und die Krankenhäuser sind intensiv an der Arbeit, um den modernen Erfordernissen voll gerecht zu werden.
Aber diese beiden Komplexe allein reichen bei dieser Betrachtung nicht aus. Die Frauen müssen wissen, was in dieser Lebensphase zu geschehen hat. Sie müssen auch bereit sein, aus den Erkenntnissen der modernen Medizin die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. In einigen Ländern ist die Aufklärungsaktion, die Gesundheitsberatung mit großem Erfolg, mit nachweisbar guten Ergebnissen angelaufen. Ich kann von dieser Stelle aus nur wünschen, daß es in der ganzen Bundesrepublik so ist.
Der Entwurf sieht auch Klinikentbindung, Entbindung in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt vor, und zwar als Pflichtleistung der Kassen, aber nur, wenn die Frauen es wünschen. Sie müssen nicht hingehen. Aber wenn sie es wollen, hat die Krankenkasse diese Leistungen zu übernehmen.
Auch erhebliche finanzielle Verbesserungen sind vorgesehen. Ich möchte im einzelnen auf diese Dinge heute bei der ersten Beratung nicht eingehen.
Diese Novelle erfaßt 87 % aller Frauen. Es sind die selbständig versicherten oder durch die Ehemänner mitversicherten Frauen. Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, hat der Bund einen Gesamtmehraufwand von 270 Millionen DM zu übernehmen. Das Gesetz soll am 1. Januar 1966 in Kraft treten.
In dieser Vorlage sind auch erhebliche Verbesserungen des Schutzes der werdenden Mutter am Arbeitsplatz vorgesehen. Es besteht nicht nur das Verbot der Akkord- und Fließbandarbeit, sondern es gibt einen wichtigen Passus, der „Gestaltung des Arbeitsplatzes" heißt. In diesen Paragraphen sind die Forderungen der modernen Arbeitsmedizin in die Praxis übersetzt worden, Forderungen, die sich dem biologischen Zustand dieser Frauen anpassen. Die 6-Wochen-Schutzfrist vor der Entbindung soll bleiben. Die ärztlichen Sachverständigen waren fast alle der Auffassung, daß diese Frist reicht. Man soll uns in der Bundesrepublik nicht nachsagen, wir stünden am Ende der Skala der vergleichbaren europäischen Staaten. Denn selbst im gelobten Schweden sind die Schutzfristen vor der Entbindung nicht länger und nur fakultativ.
Wenn Sie mich fragen, ob die 8 Wochen nach der Entbindung ausreichen, bin ich um eine Antwort etwas verlegen. Ich bin der Auffassung, daß auch 10 und 12 Wochen nicht ausreichen. Ich bin vielmehr der Ansicht, daß wir uns bei den Beratungen im Ausschuß Gedanken zur Gesamtproblematik der erwerbstätigen Frau in der modernen Industriegesellschaft machen sollten, um die Dinge sehr sorgfältig zu überlegen. Ich glaube, eine Teilzeitarbeit könnte für diese Frauen eine gute Lösung sein. Wir werden darüber sprechen müssen.
Wir werden das Gesamtproblem der werdenden Mutter, der Mutter nach der Entbindung und der stillenden Mutter in der Gesamtheit des arbeitsrechtlichen Mutterschutzes und der ärztlichen Vorsorge in diesem Gesetz erfassen. Die Zweigleisigkeit hört jetzt auf. Wir legen ein einheitliches Gesetz vor, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Forderungen der modernen Medizin in das Arbeitsrecht zu übertragen. Ich bin überzeugt, daß sich dieses Gesetz zum Wohle der Frauen auswirkt.
Ich beantrage die Überweisung unseres Antrags Drucksache IV/3125 ({1}) an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Sozialpolitik.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rudoll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich 'habe die Ehre, die Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu dem diesem Hause vorliegenden Antrag der CDU/ CSU- und FDP-Fraktion auf den 'Drucksachen IV/3125 und IV/3170 darzulegen. Es handelt sich um die Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung sowie um den 'Entwurf eines Gesetzes über Vorsorgemaßnahmen für werdende Mütter und Wöchnerinnen.
({0})
Dabei möchte ich zunächst einmal an dem Verfahren Kritik üben, das von den Koalitionsparteien praktiziert wurde. Wenn man weiß, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion im Juni 1962 einen Antrag zur Änderung und Verbesserung des Mutterschutzgesetzes eingebracht hat, ist es eigentlich, meine ich, kaum verständlich, daß die Dinge nicht weiter vorangetrieben wurden; denn auch dieser Entwurf der SPD enthielt die Verbesserungen. Das sind - das können Sie mir abnehmen - wirkliche Verbesserungen im Vergleich zu dem gewesen, was dem Hause jetzt vorliegt.
({1})
Ich darf Ihnen noch einmal folgendes ins Gedächtnis zurückrufen. Nachdem im Oktober 1962 die Ausschußdrucksache der SPD an die entsprechenden Ausschüsse überwiesen worden war, hat der GeFrau Rudoll
sundheitsausschuß seine abschließende Empfehlung schon nach einigen Monaten dem federführenden Ausschuß für Arbeit zugeleitet. Der Ausschuß für Arbeit hat die erste Lesung durchgeführt. Es kam nicht zur zweiten, abschließenden Beratung, weil die Koalitionsfraktionen im Ausschuß erklärten, daß sie sich erst darüber klar werden müßten, ob man in die Vorsorgemaßnahmen alle Mütter einbeziehen sollte. Das war die letzte Behandlung, Anfang 1963. Wir haben also im federführenden Ausschuß über ein Jahr überhaupt nicht an diesem Gesetzentwurf gearbeitet.
Nach vielen mündlichen Mahnungen und letztlich nach einem Brief meines Fraktionsfreundes Behrendt vom Dezember 1964 wurde dann beschlossen, daß unser Antrag auf Drucksache IV/562 im federführenden Ausschuß besprochen werden sollte. Das war in Berlin. Die Behandlung dort hat aber nicht stattgefunden, weil die Fraktion der CDU/CSU dann ihren jetzt dem Hause vorliegenden Gesetzentwurf ankündigte.
Nun werden Sie mir sicher die Feststellung gestatten müssen: wenn der CDU/CSU- und auch der FDP-Fraktion daran gelegen wäre, in der Frage der Mütter- und .Säuglingssterblichkeit entsprechende Maßnahmen und Verbesserungen zu erstreben, wäre es ihnen ein Leichtes gewesen, mit ihrer Mehrheit im Ausschuß jede nur von ihnen gewünschte Abänderung des Gesetzes zu erreichen. Diesen Weg haben Sie nicht gewählt. Sie müssen sich dann auch von mir gefallen lassen, daß ich sage: ich hege den Verdacht, daß Sie in der Sache doch nicht so überzeugt waren; sonst hätten Sie diese Dinge nämlich gesetzlich schneller geregelt. Das Gesetz könnte schon längst über die Bühne gegangen sein.
Inzwischen wurde bei allen möglichen Gelegenheiten über die Mütter- und Säuglingssterblichkeit gesprochen und geschrieben sowie darüber, daß diese in der Bundesrepublik noch zu hoch sei. Darum wundere ich mich eigentlich, wenn ich im „Deutschland-Union-Dienst" vom 17. März in einem Halbsatz lese:
Die Einführung von Vorsorgeuntersuchungen ist ein wichtiger Schritt, die bei uns schon jetzt geringe Mütter- und Säuglingssterblichkeit zu vermindern.
Diese Feststellung scheint mir durchaus nicht angebracht zu sein, wenn auch - das wissen auch wir Sozialdemokraten - die Zahl der Todesfälle bei Müttern und Säuglingen ständig zurückgegangen ist. Wir wissen aber auch, daß dasselbe in den vergleichbaren Ländern ebenso geschehen ist. Sehr verehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, damit bleibt aber das Verhältnis dasselbe, und die Bundesrepublik bleibt in der Aufstellung der Länder an zweiter oder dritter Position der Skala. Man hat beinahe den Eindruck, daß sich bei Ihnen die Kräfte durchgesetzt haben, die der Meinung sind, daß die Mütter- und Säuglingssterblichkeit so gering sei, daß man eigentlich keine Maßnahmen zur Verbesserung des Mutterschutzes ergreifen müsse.
Vielleicht ist auch noch der folgende Gedanke anzuführen, daß Sie Ihre Vorlage bewußt bis zu
diesem Augenblick verzögert haben, weil Sie dann sicher sind, daß ein Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr zum Tragen kommt. Dann können Sie mir auch nicht übel nehmen, wenn ich sage, daß es in der Verantwortung der Regierungsparteien liegt, daß nicht :schon früher den schwangeren Frauen und Säuglingen durch lein verbessertes Mutterschutzgesetz geholfen wurde.
Nur einiges zu den Entwürfen selbst! Sie gestatten, daß ich zu beiden Entwürfen zusammen Stellung nehme. Sie versuchen hier, den Mutterschutz zu regeln, indem Sie aus dem bestehenden Mutterschutzgesetz die Bestimmungen über Leistungen herausnehmen, dieses also aushöhlen, und diese Bestimmungen in der Reichsvensicherungsordnung unterbringen. Dadurch enthält dann nach Ihren Vorstellungen das Mutterschutzgesetz nur noch arbeitsschutzrechtliche oder arbeitsrechtliche Vorschriften.
Nehmen wir den zweiten Entwurf dazu, so hat es die werdende oder stillende Mutter mit drei verschiedenen Gesetzen zu tun. Ich weiß nicht, ob das den Vorstellungen entspricht, die dem Ziel einer Vereinfachung von Gesetzesmaterien zuträglich wären. Jedenfalls ist meine Fraktion der Meinung, daß man alles, was Mutterschaft betrifft, in einem einzigen Gesetz unterbringen sollte, damit es auch die leichter haben, die es praktizieren sollen und die auf die Leistungen Anspruch haben. Ich will dazu eine Ihrer Stimmen zitieren. Am 23. Mai 1962 schrieb Ihr Kollege, Herr Dr. Jungmann, im „Deutschland-Union-Dienst":
Der Schutz der Mutterschaft sollte in einem einheitlichen Gesetz verwirklicht werden, weil nur so diesem besonderen gesundheits- und sozialpolitischen Anliegen und dem inneren Zusammenhang aller dem Schutz der Mutterschaft, dem Schutz von Mutter und Kind dienenden Maßnahmen entsprochen wird.
Ich habe mich da also in recht guter Gesellschaft befunden und auch die SPD-Fraktion. Ich bin darum sprachlos, daß Sie nun plötzlich nach über 21/2 Jahren diese Meinung eines Ihrer Kollegen nicht mehr anerkennen!
({2})
- Ich habe nicht verstanden.
({3})
- Wir haben uns lange genug darüber unterhalten,
({4})
Ich muß noch einmal sagen, statt eine Vereinfachung der Gesetzgebung zu schaffen, wird sie kompliziert. Die Betroffenen müssen sich künftig auf Grund von drei verschiedenen Gesetzen darum bemühen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und zu ihren Rechten zu kommen.
Nun einiges zu dem Begriff der Mutterschaftshilfe selbst. Bekanntlich gehören zur Mutterschaftshilfe die Vorsorgeuntersuchung, die Versorgung mit
Arzneimitteln und die Entbindung in einer Klinik oder in einem Entbindungsheim. Der sozialdemokratische Entwurf enthielt gleiche Bestimmungen, die für a 11e Mütter gelten sollten. Nachdem Sie den Antrag Drucksache IV/3170 eingebracht haben, haben Sie damit zusammen mit dem Antrag Drucksache IV/3125 jetzt auch a 11e Mütter erfaßt; das begrüßen wir. Aber sie hätten es bei uns schon lange, vor zweieinhalb Jahren, haben können.
({5})
Denn das war der Inhalt unseres Entwurfs.
Der Antrag Drucksache IV/3170 enthält genauere Bestimmungen über die Untersuchungen als der Antrag Drucksache IV/3125. Das ist aber eine Sache, die man im Ausschuß näher besprechen sollte. In dem Antrag Drucksache IV/3170 ist in § 1 von Kann-Bestimmungen die Rede. Da muß man im Ausschuß klären, ob das dem entspricht, was in dem Antrag Drucksache IV/3125 gefordert wird.
Ich will nur noch eine Frage anschneiden, die den § 2 des Antrags Drucksache IV/3125 betrifft. Dort wird der Sonderstatus der Hausgehilfin sogar ausgeweitet. Auch hier muß noch eine Klärung erfolgen. An sich waren meine Freunde und ich nach der Behandlung der SPD-Vorlage im federführenden Ausschuß der Meinung, daß man im Sinne des internationalen Übereinkommens Nr. 103 und der Empfehlung Nr. 95 auf diesen Sonderstatus ganz hätte verzichten können. Es bleibt zu klären, wohin wir mit dieser Ausweitung kommen und was es mit ihr auf sich hat.
Nun zu den Schutzfristen, meine Herren und Damen. Sie wissen, daß nach der SPD-Vorlage die Schutzfristen vor und nach der Niederkunft von 6 auf 10 Wochen ausgedehnt werden sollten. Sie bleiben nun bei 6 Wochen vorher und 8 Wochen nachher. Das entspricht einfach nicht der Diskussion, die in der Öffentlichkeit geführt worden ist. Wir sind eigentlich erstaunt, daß Sie weder auf die Stellungnahme des Bundesgesundheitsrates noch auf die Ansicht zahlreicher Gynäkologen und Gewerbeärzte von Rang und Namen Rücksicht nehmen. Nehmen Sie einmal Herrn Dr. Jungmann, den ich eben schon einmal zitierte. Er trat am 23. Mai 1962 für eine Verlängerung der Schutzpflichten vor und nach der Entbindung ein. Er unterstützte damit seinerzeit die Vorschläge des Bundesgesundheitsrates. Sind die Mütter inzwischen plötzlich gesünder geworden, sind die Komplikationen weniger geworden, oder was hat Sie dazu veranlaßt, hier bei 6 Wochen zu bleiben?
Im Gesundheitsausschuß war von einer variablen oder elastischen Handhabung dieser Schutzfristen die Rede. Das müssen Sie dann aber auch im Gesetz niederlegen. Jedenfalls sehe ich kaum eine Möglichkeit, in der Praxis auf die einzelne Schwangere persönlich abzustellen.
Hier müssen wir also ganz entschieden Kritik üben. Im Ausschuß für Arbeit konnte man bei einigen Mitgliedern des Ausschusses, die den Regierungsparteien angehören, den Eindruck haben, daß man sich auf eine Frist von 8 Wochen vorher einigen könnte. Wo ist das alles geblieben? Das scheint
irgendwie untergegangen zu sein und nach Ihrer Meinung sachlich nicht mehr gerechtfertigt zu sein. Ich erinnere jedenfalls an die Feststellung namhafter Werkärzte, daß der Krankenstand, kurze Zeit vor Beginn der Schutzfristen vor der Entbindung, erhöht ist. Daraus resultiert schon, daß die sechs Wochen nicht ausreichen.
Vor allen Dingen möchte ich dem Hause doch empfehlen, auch mal zu berücksichtigen, wie sich die Leistungsergebnisse bei vielen Frauen, die mit mechanischen Arbeiten beschäftigt sind, erhöht haben. Diese Arbeiten bedeuten schon für die normale Frau eine Anstrengung; sie ist aber für die schwangere Arbeitnehmerin noch viel größer. Ich will dafür nur ein Beispiel für viele bringen. Mir liegt eine Unterlage darüber vor, daß Frauen in einer Hemdennäherei an Maschinen arbeiten, die in der Minute 6000 Stiche machen. Diese Frauen haben nur einen Arbeitsgang zu verrichten. Sie müssen in der Stunde 180- bis 185mal eine Hemdenpasse an den unteren Teil annähen. Ich könnte noch weitere Zahlen bringen. Dieses Beispiel führe ich nur an, damit Sie eine Vorstellung davon haben, wie sich das Tempo in den letzten acht bis zehn Jahren vergrößert hat. Das Arbeitsergebnis ist viel größer geworden. Aber damit ist auch die Belastung für die Frauen weiter gestiegen. Diesen Tatsachen scheint eine Schutzfrist von sechs Wochen, wie sie jetzt schon im Gesetz gegeben ist, nicht Rechnung zu tragen.
Nun zu der Schutzfrist nach der Geburt! Sie haben sie auf acht Wochen erhöht; wir wollten zehn Wochen. Ich darf daran erinnern, daß allen Müttern, die den Stillversuch machen beziehungsweise stillen, schon nach dem jetzigen Gesetz eine Schutzfrist von acht Wochen zusteht. Von den Krankenkassen können Sie erfahren, daß schon jetzt sehr viele Frauen diese Frist von acht Wochen erhalten. Es ist also .festzustellen, daß die jetzt einzuführende Regelung mindestens für die erwerbstätigen Frauen keine Verbesserung bedeutet.
Nun zur Akkord- und Prämienarbeit! Die Sozialdemokraten waren der Auffassung, daß ein striktes Verbot der Beschäftigung der schwangeren Frauen mit solchen Arbeiten ausgesprochen werden sollte. Sie sind dem gefolgt; das ist begrüßenswert. Ich habe jedoch einige Bedenken, wenn ich daran denke, daß Ausnahmegenehmigungen von diesem Verbot für ganze Betriebe und Betriebsabteilungen erteilt werden sollen. Ich weiß nicht, wie ich das beurteilen soll.
({6})
- Das ist mir klar. Natürlich muß diese Ausnahmegenehmigung von der Aufsichtsbehörde erteilt werden. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang aber einen Satz aus der Zeitschrift „Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik" vorlesen; er lautet:
In Blanks Mutterschutzplänen deutet sich eine leichte Besinnung auf betriebliche Notwendigkeiten bei Akkord- und Fließbandarbeit an, nachdem die Wirtschaft entsprechend interveniert hat.
({7})
Dieser Satz macht mir Sorge. Es liegt zwar die wohlgemeinte Absicht vor, Akkord- und Fließbandarbeit grundsätzlich zu verbieten. Es soll aber die Möglichkeit gegeben werden, davon Ausnahmen zu machen. Wenn man diesen zitierten Satz richtig liest, dann kann man sich vorstellen, daß es solche Anträge um Ausnahmegenehmigungen regnen wird. Dann werden gerade die großen Betriebe in vielen Fällen zum Zuge kommen. Wir wissen ja auch - das ist kein Vorwurf gegen die Aufsichtsbehörde -, daß die Gewerbeaufsichtsämter so schwach besetzt sind, daß nicht in jedem Einzelfalle eine Nachprüfung erfolgen kann.
({8})
- Das bleibt, Herr Kollege Stingl, der Prüfung vorbehalten. Ich weiß noch nicht, was mit der einzelnen Frau geschieht, die in einer Abteilung arbeitet, für die eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, wenn sie die Arbeit nicht leisten kann. Das muß - das gebe ich ohne weiteres zu - sehr sorgfältig geprüft und untersucht werden.
({9})
- Das habe ich vorhin schon gesagt. Ich muß aber noch eins sagen: Mir war ein Entwurf der CDU/CSU vom November des vergangenen Jahres zu Gesicht gekommen. Dort hatten Sie von der Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung wenigstens noch den Gruppenakkord ausgenommen. Er ist jetzt aber auch nicht mehr ausgenommen. Wenn Sie Erfahrungen aus solchen Betrieben haben, dann wissen Sie, daß da die einzelne Frau gar keinen Einfluß auf das Tempo hat, sondern daß das Tempo von der Gruppe bestimmt wird. Ich weiß nicht, wie Sie das regeln wollen. Denn da, wo versucht wird, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, wird dann auch sicherlich der Weg dazu gefunden werden.
Bemerkenswert ist ferner noch, daß Sie in dem bestehenden Mutterschutzgesetz den § 12 streichen. Das heißt also, daß zukünftig der Arbeitgeber das Nettoeinkommen während der Schutzfristen an die-j enigen Angestellten nicht mehr zu zahlen hat, deren Einkommen über 660 DM liegt, die also nicht mehr versicherungspflichtig sind. Wir begrüßen das. Wir sind der Meinung, daß bei der Mutterschaft im ganzen eine gesellschaftspolitische Aufgabe vorliegt. Ich sage noch einmal: wir begrüßen das. Aber der Entlastung des Arbeitgebers darf nach unserer Meinung keine Belastung der Krankenkassen gegenüberstehen.
({10})
Dagegen wehren wir uns, und das muß auch im einzelnen noch geklärt werden.
({11})! - Abwarten!
({12})
Herr Kollege Stingl, dann nehmen Sie einmal Bleistift und Papier und rechnen zusammen, was nach
dem neuen Gesetz als Belastung ganz normal auf
die Krankenkassen zukommt, und dann machen Sie einmal die Rechnung auf, was bisher die Krankenkasse aufbringen mußte. Das muß in jedem Falle geprüft werden. Ich melde hier ja nur unseren Einspruch an. Wir werden uns gern überzeugen lassen, wenn Sie uns dartun, daß auf die Krankenkasse keine höhere Belastung zukommt. Aber noch kann ich das nicht übersehen. Ich habe ja ausdrücklich gesagt, daß wir vom Grundsatz her für die Entlastung sind. Aber wir müssen es prüfen. Es darf nicht nur zu einem Überwälzen der Kosten auf die Krankenversicherung führen.
({13})
- Abwarten!
({14})
- Herr Kollege Stingl, der Bund zahlt nur das, was über 150 DM liegt, außer dem zahlt er nichts.
({15})
- Über die Vorsorgeuntersuchung stand in Drucksache IV/3125 noch nichts. Ich gebe Ihnen zu, in der Drucksache IV/3170 übertragen Sie die Verpflichtung auf Bund und Länder. Sie wissen aber auch, daß jetzt das Stillgeld wegfällt und daß man nun erst einmal Berechnungen anstellen muß. Bitte, wehren Sie sich doch nicht dagegen - was ist denn dabei? -, einmal in einer Rücksprache mit den Krankenkassen diese Dinge zu klären. Das scheint mir jedenfalls notwendig zu sein.
Eins allerdings kann ich mir nicht ersparen: meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß Sie doch so klug beraten waren, in den Übergangsvorschriften der ursprünglichen Vorlage Drucksache IV/3125 den letzten Absatz des § 4 zu streichen, wonach unter Umständen, wenn die Krankenkassen bereit waren, auf alte Schulden zu verzichten, Finanzminister und Arbeitsminister bereit gewesen wären, durch Rechtsverordnung die Rückerstattung der Kosten schon vorher eintreten zu lassen. Das mußte ich hier sagen; denn das war eine Aufrechnung von Schulden gegen Schulden, die 'ich einfach nicht verstehen konnte. Sie haben sie gestrichen; das sei hier mal anerkannt. Sonst hätten wir nicht gewußt, wie Sie da in der Öffentlichkeit hätten bestehen wollen.
Nun noch eine letzte Sache: der Sonderurlaub. Ich vermisse - es steht auch nicht in unserem Gesetz - den sogenannten Sonder- oder Karenzurlaub im Anschluß an die Schutzfristen.
({16})
- Was heißt „Noch perfektionistischer!"? Der Gesundheitsausschuß hat eine Empfehlung an den federführenden Ausschuß gegeben, einmal zu prüfen, ob hier nicht die Möglichkeit besteht, bis zu sechs Monaten nach der Schutzfrist einen unbezahlten Urlaub zu gewähren. Und bitte - Sie sind doch auch familienpolitisch sehr interessiert -, wem kommt der Sonderurlaub denn zugute? Doch nur dem Neugeborenen und der Mutter! Das wollen Sie
doch sicherlich nicht bestreiten. Ich will hier nur schon ankündigen, daß wir im Ausschuß darüber werden sprechen müssen und daß Sie in uns Befürworter finden werden.
Ich will damit die sachliche Gegenüberstellung bzw. Kritik beenden. Ich möchte nur darauf hinweisen: es gibt hier noch eine Menge Punkte, die der Erörterung bedürfen. Wir wissen z. B. nicht, ob man den Schutz, wenn Leben und Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet sind, nicht auf Belastungen durch Omnibusfahrten usw. ausdehnen müßte. Nur meine ich, wir sollten aus diesem Gesetz etwas machen, was wirklich zum Schutz der Mutter und der zu gebärenden Säuglinge beiträgt, und nicht irgendwelche wirtschaftlichen oder sonstigen Erwägungen anstellen, wenn es um Leben und Gesundheit geht. Daß es darum geht, sollte eigentlich unbestritten sein, wenn hier .auch immer wieder gesagt wird, daß die Mütter- und Säuglingssterblichkeit schon sehr niedrig sei.
Das Gesetz soll am 1. Januar 1966 in Kraft treten. Ich kann für meine Fraktion sagen: wir bedauern, daß es so lange dauern mußte. Ich muß schon sagen, hier liegt wirklich ein Versäumnis vor, und für dieses Versäumnis, dafür, daß ein solches Gesetz 'so lange .auf sich warten ließ, müssen Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion und den Freien Demokraten, sich draußen verantworten.
({17})
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist zweckmäßig, an dieser Stelle auch den Punkt 5 der Tagesordnung aufzurufen.
({0})
Ich- rufe also Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Vorsorgemaßnahmen für werdende Mütter und Wöchnerinnen ({1}).
Die Beratung dieses Punktes wird mit der Beratung des Punktes 4 verbunden. Unter diesen Umständen gebe ich zuerst Frau Welter das Wort zur Begründung .des zuletzt aufgerufenen Gesetzentwurfs.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte den soeben aufgerufenen Gesetzentwurf ,auf Drucksache IV/3170 begründen. Ehe ich das tue, möchte ich aber doch einige Worte an meine Vorrednerin, Frau Rudoll, richten. Sie hat verschiedene Vorwürfe erhoben. Einmal hat sie gesagt, daß es zu lange gedauert hat, bis die Gesetze vorgelegt wurden. Ich möchte den Herrschaften von der Opposition sagen, daß die Regierungsparteien mit großer Sorgfalt, vielleicht auch mit anderen Ansatzpunkten als Sie an die Sache herangegangen sind. Wir sind der Meinung, daß wir jetzt eine so gute Lösung gefunden haben, daß jedermann damit zufrieden sein kann.
({0})
Sie sagen weiter: „Es sind drei verschiedene Gesetze, und Sie wollten doch Vereinheitlichung!" Das wollen wir in der Tat, und indem wir in der Vorlage auf Drucksache IV/3125 ({1}) Mutterschutzgesetz und Reichsversicherungsordnung zusammengefaßt haben, haben wir schon eine Vereinheitlichung vorgenommen.
Daß wir außerdem Vorsorgeuntersuchungen für werdende Mütter und Wöchnerinnen in einem Sondergesetz vorschlagen, ist nur eine Konsequenz davon, daß es sich um Frauen handelt, die weder selbst versichert noch mitversichert sind. Es handelt sich hier um eine ganz besondere Gruppe von Frauen, nämlich die, die bisher in keiner Weise in dieser Gesetzgebung berücksichtigt waren. Wir sind also der Meinung, daß wir hier eine sehr gute Lösung gefunden haben.
({2})
Was die Schutzfristen betrifft, so möchte ich Ihnen widersprechen, Frau Rudoll. Wir haben eine ganze Reihe von Sachverständigen gehört, die den größten Wert darauf legten, daß die Schutzfristen nach der Entbindung verlängert werden, nicht vor der Entbindung, und das ist auch sinnvoll. Denn die Bestimmung über die Vorsorgeuntersuchungen in der Zeit vor der Niederkunft sowohl in der Reichsversicherungsordnung wie in der Vorlage IV/3170 hat die selbstverständliche Folge, daß der Arzt bei der Vorsorgeuntersuchung die Frau von der Arbeit freistellt, die in dieser Zeit, auch vor den 6 Wochen vor der Entbindung, schon nicht mehr arbeiten soll.
Was die Schutzfrist nach der Entbindung betrifft, so haben wir sie von sechs um zwei auf acht Wochen verlängert, aber gesagt, daß sie in besonderen Fällen auf zwölf Wochen ausgedehnt werden kann. Wir haben also in jeder Weise hier dem notwendigen Gesundheitsschutz Rechnung getragen.
Es gibt noch mehrere Punkte, auf die zu erwidern wäre; ich nehme aber an, daß bei den Ausschußberatungen manches davon behandelt werden kann und ich will mich deswegen hier nicht weiter damit beschäftigen, weil ich nun den nächsten Entwurf begründen werde.
Ein Gesetzentwurf über Vorsorgemaßnahmen für werdende Mütter und Wöchnerinnen bildet eine notwendige Ergänzung zu dem gleichzeitig vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung, in dem, wie wir eben gehört haben, Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen für die versicherten und die mitversicherten Frauen vorgesehen werden. Damit werden etwa 87 % der in Frage kommenden Frauen erfaßt, und es steht schon lange die Frage zur Debatte, ob es nicht geboten sei, die etwa 13% nicht erwerbstätigen und nicht mitversicherten Frauen auch in die Vorsorgeuntersuchung während der Schwangerschaft einzubeziehen.
Es ist allgemein bekannt, daß die Mütter- und Säuglingssterblichkeit in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern noch hoch ist. Zwar
Frau Welter ({3})
trifft es keineswegs zu, daß sie in der zivilisierten Welt im Vergleich zu anderen Ländern am höchsten sei. Das falsche Bild ergibt sich aus der Unterschiedlichkeit in der Betrachtung der Zahlen, von denen ausgegangen wird. Wenn auch mit Befriedigung vermerkt werden kann, daß die Mütter-und Säuglingssterblichkeit in der ganzen Bundesrepublik laufend zurückgeht, so besteht doch kein Zweifel daran, daß es dringend erforderlich ist, allen werdenden Müttern Vorsorgeuntersuchungen anzubieten. Das ist eine Erkenntnis, die die Begründung für das Gesetz gibt.
Es ist das Verdienst unserer Gesundheitsministerin Frau Dr. Schwarzhaupt, daß sie immer wieder auf diese Notwendigkeit hingewiesen und schon im vergangenen Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet hat.
({4})
- Ich kann Ihnen nur sagen, daß sie schon sehr lange auf diese Notwendigkeit hingewiesen und auch einen Entwurf erarbeitet hat.
({5})
- Er ist in den vorliegenden Gesetzentwurf mit eingearbeitet.
({6})
Wenn auch der nun vorliegende Gesetzentwurf nicht ganz den Absichten der Ministerin entspricht, so bedeutet er doch unzweifelhaft einen großen Schritt nach vorn. Er führt keinen Zwang ein, sondern gibt den werdenden Müttern einen Rechtsanspruch, Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Diese Vorsorgemaßnahmen sollen umfassen die zur Feststellung der Schwangerschaft erforderlichen Untersuchungen einschließlich notwendiger Laboruntersuchungen, weitere ärztliche Untersuchungen vor und eine nach der Entbindung, die regelmäßige Betreuung durch eine Hebamme während der Schwangerschaft und die Beratung in allen Fragen der Schwangerschaftshilfe, der Wochenpflege und der Versorgung der Neugeborenen durch einen Arzt oder eine Hebamme. Es wird ausdrücklich festgelegt, daß die werdenden Mütter und Wöchnerinnen freie Wahl des Arztes und der Hebamme haben.
Jede werdende Mutter soll bei der ersten ärztlichen Untersuchung eine Bescheinigung erhalten. Warum hier ängstlich vermieden wird, das Wort „Mütterpaß" zu gebrauchen, ist mir unerfindlich. In einer ganzen Reihe von Bundesländern hat sich der Mütterpaß längst eingebürgert. Der Sinn solcher Mütterpässe - oder Bescheinigungen, falls es bei dieser Bezeichnung bleibt - liegt darin, daß durch sie die werdende Mutter zu rechtzeitiger und vor allem regelmäßiger Konsultation ihres Arztes veranlaßt wird. Der Paß bzw. die Bescheinigung wiederum soll dem Arzt Anhaltspunkte für die von ihm jeweils durchzuführenden Mindestuntersuchungen geben und bestimmte Bluteigenschaften der Mutter dokumentarisch festlegen, die für die Mutter und später für das Kind von lebenswichtiger Bedeutung sind.
Im Jahre 1962 stellte eine Expertenkommission in Nordrhein-Westfalen einmütig fest, daß ein solcher Mütterpaß mit seinen wichtigen Eintragungen nicht nur hervorragend geeignet ist, die bis heute noch nicht obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen zu intensivieren, sondern auch wesentlich zur Verhinderung der Sterblichkeit bei Säuglingen und Müttern beiträgt. In dieses Dokument werden die Blutgruppen der Ehepartner, der Rhesus-Befund und andere wichtige Daten eingetragen.'
Dabei ist der Rhesus-Faktor von besonderer Bedeutung. Bei 13 v. H. der 'Ehen besteht eine Rhesus-Unverträglichkeit der Ehepartner. Ein Kind, das einer solchen Verbindung entspringt, wird oft bei der Geburt starke Schäden aufweisen, die zum Tode führen können. Der Säugling kann gerettet werden, wenn sein Blut sofort nach der Geburt gegen Blut ausgetauscht wird, das rhesus-negativ ist und die gleiche Gruppe hat wie das Blut der Mutter.
Während in Nordrhein-Westfalen bis zum Ende des vorigen Jahres etwa in einem Drittel aller kreisfreien Städte und Landkreise die Mütterpaßaktion durchgeführt wurde, können sich vom Beginn dieses Jahres an alle werdenden Mütter in NordrheinWestfalen einen Mütterpaß ausstellen lassen, in den Blutgruppe und Rhesus-Faktor eingetragen werden. Die Kosten für den Mütterpaß einschließlich Blutuntersuchung übernimmt das Land.
Die Mütterpaß-Aktion hat nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in anderen Bundesländern Schule gemacht. Deshalb glaube ich annehmen zu dürfen, daß wir dem Begriff „Mütterpaß" auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf Eingang verschaffen werden.
Es scheint mir aber nicht gut zu sein, daß der Mütterpaß bzw. die Bescheinigung nur ohne weitere Angaben genannt werden soll. Es muß eine Ergänzung der Gesetzesvorlage in der Richtung erreicht werden, daß der Bundesgesundheitsminister ermächtigt wird, durch eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zu bestimmen, welche Untersuchungsergebnisse in das Papier einzutragen sind. Natürlich kann es jedem Land überlassen bleiben, wie das Dokument im einzelnen gestaltet wird, aber die Untersuchungsergebnisse müssen einheitlich eingetragen werden; denn in jedem Land muß jeder Arzt mit einem Blick übersehen können, ob Gefahr im Verzuge ist. Dadurch würden auch die Erkennung von Komplikationen erleichtert und die rechtzeitige Einleitung ärztlicher Maßnahmen ermöglicht werden. Bei der Bevölkerungsbewegung, die wir in Deutschland haben, ist ein einheitliches Schema für die Eintragung von Untersuchungsbefunden unerläßlich.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß Bund und Länder die Kosten der Vorsorgeuntersuchungen je zur Hälfte tragen. Da bisher die Länder, die Blutuntersuchungen bei werdenden Müttern und die Ausstellung von Mütterpässen durchführen, die Kosten selbst tragen, ist es sinnvoll, daß der Bund, der durch dieses Gesetz zusätzliche ärztliche Vorsorgeuntersuchungen vorschreibt, die Hälfte der Gesamtkosten, die bei Durchführung des Gesetzes entstehen, übernimmt.
8798 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode
Frau Welter ({7})
Ich sagte eingangs, daß es jeder werdenden Mutter freisteht, von der Möglichkeit des Gesetzes Gebrauch zu machen. Es wird nun darauf ankommen, das Gesetz durch geeignete Aufklärung in der Öffentlichkeit bekanntzumachen und vor allem in den Mütterschulen und in den Eheseminaren auf die Wichtigkeit der Vorsorgeuntersuchungen für werdende Mütter hinzuweisen. Die Stadt Gelsenkirchen, die .1961 als erste das Modell für die Mütterpaßaktion in Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat, kann mit berechtigtem Stolz darauf hinweisen, daß bis heute 60 % der werdenden Mütter ihrer Stadt einen Mütterpaß besitzen. Jährlich werden dort rund 5000 Mütterpässe ausgestellt. Wenn durch das vorliegende Gesetz für alle werdenden Mütter ohne Ausnahme die Möglichkeit zu umfassenden Vorsorgeuntersuchungen geschaffen sein wird und wenn die Bereitschaft der werdenden Mütter wächst, sich dieser Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen, werden wir unserem Ziel, die Mütter- und Säuglingssterblichkeit weiter zu senken, einen großen Schritt nähergekommen sein.
Ich beantrage Überweisung der Gesetzesvorlage an den Gesundheitsausschuß des Bundestages.
({8})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die bisherigen Ausführungen, insbesondere die der Opposition, haben sich vorwiegend mit der Drucksache IV/3125 und ihren sozialpolitischen Elementen befaßt. Ich habe dazu nur einige Anmerkungen zu machen.
Wir begrüßen die stärkere Individualisierung der Beschäftigungsverbote für werdende Mütter neben der bereits bestehenden Schutzfrist von sechs Wochen vor der Entbindung. Zu diesem Punkt möchte ich ein paar Worte sagen, gerade deshalb, weil Frau Rudoll so ausführlich dazu Stellung genommen hat. Frau Welter, Sie haben gesagt, dadurch, daß die werdende Mutter auf dem Wege der Vorsorgeuntersuchung in die Hand des Arztes komme, sei gleichzeitig eine Behandlung gewährleistet. Frau Kollegin Welter, ich möchte Sie in aller Bescheidenheit bitten, mir einen Moment zuzuhören. Die Vorsorgemaßnahmen sind ja Untersuchungsmaßnahmen und keine Behandlungsmaßnahmen. Wir müssen hier sehr deutlich unterscheiden. Sicher ist, daß mit der Einführung der Vorsorge eine größere Selektion gefährdeter Mütter stattfinden kann, und das ist ja der Sinn dieser Maßnahme. Aber das ist etwas anderes. Dies entspricht auch meiner Meinung, die ich vor der Vorlage dieses Entwurfes mehrfach in der Öffentlichkeit geäußert habe, als ich mich mit manchen Sachverständigen dagegen gewehrt habe, die Schutzfrist vor der Entbindung pauschal zu verlängern. In dem Maße, in dem Vorsorge betrieben wird, wird die Möglichkeit der Erkennung von gefährdeten Müttern größer. Also, muß man richtigerweise schließen, kommt die Entscheidung darüber, ob im einzelnen Falle die Schutzfrist vor der Entbindung verlängert werden soll oder nicht, in die
Hand des Arztes, und das halte ich allerdings für sinnvoller. Falls irgend jemand in der Öffentlichkeit, wie z. B. die Damen des DGB in der Vergangenheit, der Meinung sein sollte, ich verstünde nichts davon, möchte ich dem in Anbetracht der kürzlichen Vorgänge entgegentreten.
({0})
Wir begrüßen selbstverständlich - in Übereinstimmung mit den Sachverständigen - eine Verlängerung der Schutzfrist auf acht Wochen nach der Entbindung und auf zwölf Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten.
Ich hatte zu Anfang gesagt, daß ich nur kurz Ausführungen zu den sozialpolitischen Elementen machen wollte. Ich wende mich vornehmlich dem Entwurf Drucksache IV/3170 mit seiner Betonung der gesundheitspolitischen Komponente zu. Die dort aufgeführten Leistungen der Vorsorge erstrecken sich - insofern unterscheidet sich diese Vorlage wesentlich von der Drucksache IV/3125 - auf all e Mütter.
Man hat uns Freien Demokraten den Vorwurf gemacht, wir täten damit einen Schritt zum staatlichen Gesundheitsdienst. Ich fühle mich veranlaßt, hier eine Rechtfertigung für diese unsere Meinung darzulegen. Der Mutterschutz muß erfahrungsgemäß in erster Linie in der gesundheitlichen Betreuung der werdenden Mutter während der Schwangerschaft und bei der Entbindung verbessert werden, wenn weitere Erfolge im Kampf gegen Mütter- und Säuglingssterblichkeit erreicht werden sollen. Dies ist eine in ihren Auswirkungen besonders wichtige Gesundheitsvorsorge. Lassen Sie mich dazu als Parallele unsere Seuchengesetzgebung heranziehen. Auch dort tritt der Staat in Aktion, da möglicherweise Dritte gefährdet werden könnten. Derselbe Tatbestand liegt in diesem Falle insofern vor, als das werdende Kind gefährdet werden könnte. Für diese speziell gesundheitspolitische Aufgabe rechtfertigt sich eine finanzielle staatliche Hilfe für alle Mütter; sie muß sogar gefordert werden.
Allerdings beschränkt sich der Gesetzentwurf auf die Bezahlung freiwillig in Anspruch genommener, wenn auch gesundheitlich dringend notwendiger Vorsorgemaßnahmen.
({1}) - Bitte schön, Herr Kollege Schmidt!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich habe bereits gestattet.
({0})
Ich wurde eben durch den Schriftführer aufgehalten. - Bitte, Herr Dr. Schmidt!
Frau Kollegin Heuser, wie erklären Sie sich den Widerspruch
Dr. Schmidt ({0})
zwischen Ihren Äußerungen und den Meinungen, die Sie und auch der Herr Kollege Hamm in den Sitzungen des Gesundheitsausschusses im Juni 1963 vertreten haben, als Sie unseren Antrag, die gesundheitlichen Leistungen des Mutterschutzes auf alle Mütter auszudehnen, mit der - wörtlich zitierten - Begründung ablehnten, man müsse „von allen Menschen, die über genügend Geld verfügten - und das seien ja jene außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherungsgrenze - erwarten, daß sie aus eigener Verantwortung selbst etwas für ihre Gesundheit tun können."
({1})
Herr Kollege Schmidt, dazu kann ich Ihnen folgendes sagen. Erinnern Sie sich bitte an den von Ihnen vorgelegten, von uns im Gesundheitsausschuß abgeänderten und verabschiedeten Entwurf, wo wir sagten, daß die staatliche Hilfe für Leistungen dieser Art auch auf Frauen ausgedehnt werden soll, die weder versichert noch mitversichert sind, die sich aber - ich glaube, wörtlich zu zitieren - „in der gleichen sozialen Lage befinden" . Untersuchungen haben ergeben, daß bei den knapp 13% - Frau Welter hat diesen Satz genannt; ich möchte annehmen, daß es knapp 15 % sind - derjenigen Frauen und Mütter, die nicht versichert oder mitversichert sind, der Anteil derjenigen, die sich „in der gleichen sozialen Lage befinden", größer ist als der Anteil derjenigen, bei denen das nicht der Fall ist.
({0})
- O doch, der Prozentsatz - ({1})
- Ja, ich glaube schon, daß ich das damit erkläre.
({2})
- Herr Schmidt, lassen Sie mich bitte ausreden!
Der Prozentsatz. derjenigen Mütter unter diesen knapp 15 %, die sich nicht in der gleichen Lage befinden, ist so verschwindend gering, daß wir auch der Meinung sind, daß sich die Ausdehnung auf alle Mütter rechtfertigt. Sonst müßten Sie Bedürftigkeitsprüfungen anstellen lassen. Das wollen wir alle doch nicht.
({3})
Lassen Sie mich noch einmal auf das gesundheitspolitische Prinzip zurückkommen. Worauf es uns ankommt, ist nämlich, zu sagen: Leistungen soll der Staat gewähren und nicht Geld! Ich glaube, darin unterscheiden wir uns doch. Dies entspricht auch durchaus dem Votum des Gesundheitsausschusses vom 12. Juni 1963.
Ich möchte hierzu nur noch sagen: dieser Beschluß des Gesundheitsausschusses - das richtet sich jetzt nicht gegen die Opposition - wurde auch von den Mitgliedern mitbestimmt und positiv verabschiedet, die in der Öffentlichkeit die FDP mit dem Vorwurf angreifen, sie strebe den staatlichen Gesundheitsdienst an. Ich finde, es müßte auch ungerecht erscheinen, wenn weitere 260 Millionen DM - die übrigens, Frau Rudoll, die Krankenkassen durchaus in den Stand setzen, diese Vorsorgeuntersuchungen als Pflichtleistungen aufzunehmen, ohne die Beiträge zu erhöhen - aufgebracht würden, die nur für die mitversicherten und versicherten Frauen gelten, während die anderen leer ausgehen, - obwohl die Müttersterblichkeit diese Unterscheidung durchaus nicht macht.
Auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzes - meine Damen und Herren, darüber müssen wir uns im klaren sein, und das wollen wir auch zunächst gar nicht ändern - wird noch ein erheblicher Unterschied in der Staatshilfe für den Mutterschutz zwischen beiden Bevölkerungsgruppen, nämlich den Versicherten und den Nichtversicherten, bestehenbleiben.
Uns kam es im wesentlichen auf folgendes an: sicherzustellen die freie Arztwahl und die ärztliche Vertragsfreiheit, sicherzustellen, daß es keine direkte Einschaltung staatlicher Stellen gibt, nur den Weg der Kostenerstattung, sicherzustellen, daß das hier nicht die Übertragung der Vorsorgeuntersuchungen etwa an die Gesundheitsämter bedeutet, wie das zunächst einmal geplant war - im übrigen sind die Gesundheitsämter, wie man mir selbst von dort versicherte, personell gar nicht in der Lage, diese Leistungen durchzuführen -, und sicherzustellen, daß diese Vorsorgemaßnahmen nicht nur Pflichtleistungen der sozialen, sondern auch Tarifleistungen der privaten Krankenkassen werden. Mit all diesen Maßnahmen werden die Frauen von der Kostenabwicklung selber nicht berührt. Außerdem war noch wichtig, daß die Gebührensätze mit den kassenärztlichen Vereinigungen verrechnet werden können.
Die Kosten für diese Vorsorgemaßnahmen sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern aufgebracht werden, wobei sich die Mithilfe der Länder aus ihrer Mitverantwortung nach dem Grundgesetz rechtfertigt.
Frau Rudoll, Sie beanstanden, daß wir mehrere Gesetzentwürfe für denselben Tatbestand vorlegen: Das liegt zum Teil auch daran, daß die Aufbringung der Mittel eben unterschiedlich ist. Über eines müssen wir uns jedoch bei ,all unseren Bemühungen, auf dem gesetzlichen Wege zu einer Besserung hinsichtlich unserer Mütter- und Säuglingssterblichkeit zu gelangen, klar sein: Dazukommen sollten sinnvolle Maßnahmen z. B. seitens ,der Betriebe, der öffentlichen Verkehrsmittel etc., wie sie in der Praxis zum Teil auch schon durchgeführt wurden. Dazukommen muß die positive Einstellung unserer Frauen insgesamt zu dem Gedanken der Vorsorge und die ständige Unterrichtung der Bevölkerung .auf dem Wege der Gesundheitserziehung und -belehrung. Erst wenn dies alles zusammenwirkt, werden wir - zumindest auf diesem Gebiet - nicht mehr Krankheits-, sondern wirklich Gesundheitspolitik treiben können.
({4})
Verehrte Frau Kollegin, im Hinblick auf die von Ihnen eben zitierten jüngst vergangenen Vorgänge möchte ich nicht versäumen, Ihnen die Glückwünsche des Hauses zur Geburt Ihres Kindes auszusprechen.
({0})
Ich freue mich, daß, wenn ich es recht im Kopfe habe, zum zweiten Male in der sechzehnjährigen Geschichte des Deutschen Bundestages, eine Dame in besonderer Weise bewiesen hat, daß dieses Haus kein unfruchtbares Parlament ist.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage zu Ziffer 4 zu überweisen an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Sozialpolitik sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage zu Ziffer 5 zu überweisen an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend -, an den Ausschuß für Sozialpolitik - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß die zweite Vorlage eine rein gesundheitspolitische Vorlage ist
({0})
und daher nur einer Beratung im Gesundheitsausschuß und - wegen der Kostenbelastung - im Haushaltsausschuß bedarf. Ich stelle daher den Antrag, von der !Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung Abstand zu nehmen.
Ich habe mich an den Vorschlag des Ältestenrats gehalten, bin aber gern bereit, den Vorschlag zu berichtigen. Also wünscht niemand die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik? - Wünscht auch niemand dazu zu sprechen?
({0})
Dann ist die Überweisung mit dieser Änderung beschlossen.
Damit komm ich zu Punkt 6 der heutigen Tagesordnung, zunächst Buchstabe a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensverlusten in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin ({1}) ({2}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({3}) ({4}).
({5})
Ich danke den Berichterstattern, den Abgeordneten Kaffka und Eichelbaum, für ihren Schriftlichen Bericht. Er muß nicht ergänzt werden. - Das Wort wird vermutlich erst in der dritten Beratung gewünscht.
In zweiter Beratung rufe ich auf: §§ 1 bis 49. Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Ich eröffne die
dritte Beratung
mit der allgemeinen Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Eichelbaum.
Herr Präsident, ich schlage vor, den Punkt 6 b mit dem Punkt 6 a zu verbinden.
Bitte sehr, wenn das vorgeschlagen wird, rufe ich zugleich auf:
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechte der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ({0}) Drucksache IV/694);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({1}) ({2}).
({3})
Ich danke den beiden Berichterstattern, auch wieder den Abgeordneten Kaffka und Eichelbaum, für ihren Schriftlichen Bericht.
Ich werde dann allerdings erst in zweiter Beratung, in der wohl das Wort nicht gewünscht wird, die Paragraphen aufrufen müssen. Oder ist das nicht notwendig?
Nein, es handelt sich um den Ausschußantrag Nr. 2 -
Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren! Die Einmütigkeit der Fraktionen in bezug auf dieses Gesetz über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der SBZ und im Sowjetsektor von Berlin war schon von Anfang so groß, daß die erste Lesung ohne jegliche Erklärung und Diskussion angesetzt wurde, angeblich weil kein Dissens 'bestand und nichts kontrovers war. Mir hat es sehr leid getan, daß damals die Gelegenheit nicht genutzt wurde, die grundsätzliche Einmütigkeit der Fraktionen in einer so bedeutsamen Angelegenheit auch einmal öffentlich zu demonstrieren. Das haben wir heute nachzuholen.
Der Bericht, der, wie ich feststelle, nicht beanstandet wurde, hat - wenn man so will - eine
Lücke. Er entbehrt einer historischen Einleitung. Wenn man 12 Jahre an dieser Geschichte als Akteur beteiligt war, die ich früher einmal „dramatisch und leidvoll" genannt habe, dann kann man nicht ganz daran vorbeigehen, ohne die Vorgänge im einzelnen aufzurollen. Man sollte wenigstens zwei Momente und zwei Namen von Förderern aus diesem Hause nennen: den Abgeordneten Wolfgang Mischnick, der einen wenn auch nur skizzenhaften Entwurf übernahm und 1958 in den Bundestag brachte, und den Abgeordneten Ernst Benda, der zwei Jahre danach ein neues Schadensermittlungsgesetz formulierte, das sehr annehmbar erschien.
Das schließlich im Juni 1961 gescheiterte Gesetz über die Sicherung von Beweisen ist daran gescheitert, daß es nicht gelang, an das Verfahren zur Beweissicherung eine befriedigende Beweiswürdigung und einen brauchbaren Bescheid anzuschließen, d. h. den Begriff der „Beweissicherung" hier von dem der Zivilprozeßordnung klar und bestimmt zu trennen. In dem vorliegenden Gesetz, das in erster Linie ein Feststellungsgesetz ist, ist das unmißverständlich geschehen.
Es ist zuzugeben, daß eine solche Klärung erst erfolgen mußte; zudem auch eine Klärung darüber, daß eine einfache Einbeziehung in das Feststellungsgesetz von 1952 - an die der Gesetzgeber eben vor 12 Jahren selbst gedacht hatte - doch nicht sinnvoll und zweckentsprechend war.
Die Verhältnisse in Mitteldeutschland in der ganzen Nachkriegsentwicklung der Zone sind eben politisch, rechtlich und menschlich viel komplexer und differenzierter als der schreckliche, aber begrifflich einfachere Tatbestand der Vertreibung aus dem deutschen Osten.
Es ist ferner 'zuzugeben, daß die Rücksicht auf die in Mitteldeutschland lebenden Deutschen, ihre Interessen und Rechtsansprüche und ihren Zustand der Behindertheit in der Wahrung und Verfolgung ihrer Rechte als ein sehr sorglich zu beachtendes Moment hineingenommen werden mußte bei der Findung und Fassung der vorliegenden Rechtsvorschriften.
Ich glaube, daß diese vieljährige 'Dramatik ein gutes 'Ende gefunden hat, und das Ende ist bei jedem 'Drama das wichtigste. Der Ausschuß für den Lastenausgleich 'kann sich bestätigen lassen, daß er mit mustergültiger Zügigkeit diese so schwierige Materie bis zum 20. Januar bewältigt hat. Da hat sich die langbetriebene Vorgeschichte schließlich doch gelohnt.
Dem Gesetz fehlt in seinem Text für mein Gefühl ein einleitendes Stück: eine Präambel. Sie wurde abgelehnt, weil es im Lande so nicht Brauch ist. Ich bedaure das; aber das muß dann hier deutlich gemacht werden.
Man kann den Inhalt des Gesetzes zwar sehr einfach umschreiben: Nachdem für Westdeutschland und für Ostdeutschland seit 12 Jahren eine Gesetzgebung über Schäden an Vermögen und Wirtschaftsgütern während des Krieges und nach dem Krieg existiert, wird die Feststellung solcher Schäden für den dazwischenliegenden, bisher ausgelassenen Raum Mitteldeutschland nachgeholt. Ein Gleichstellungsgesetz, wenn Sie so wollen; wohlgemerkt nicht für Menschen, sondern für Gebiete. Das vorliegende Gesetz ist nämlich strenggenommen kein Flüchtlingsgesetz, wie irrtümlicherweise schon in der Presse stand. Der Schadensträger kann z. B. hier in 'Bonn ansässig sein, niemals über Kassel oder Hannover hinausgekommen sein, niemals die Zone 'betreten haben, aber dort Eigentum und Eigentumsrechte gehabt und eingebüßt haben. Er kann selbstverständlich seine Anträge stellen.
Eine solche Betrachtung des Gesetzes würde seinen Gehalt allerdings nicht erschöpfen, geschweige denn verdeutlichen. Dieses Gesetz - das ist sein Kern - sichert durch genaue Aufzeichnung die Rechtsansprüche von Menschen, denen in einem Unrechtsstaat durch gewaltsame Maßnahmen Unrecht geschehen ist und Recht verweigert wird. Es dient „der Befriedigung eines verletzten Rechtsbewußtseins" für den einzelnen und demonstriert damit das Wesen rechtsstaatlicher Auffassung auf dem Gebiete des Eigentums gegenüber einem Regime, das das Eigentum des einzelnen ausdrücklich dort nicht anerkennt, wo es Mittel der Produktion ist, und im übrigen eigentumsfeindliche Maßnahmen aus parteipolitischen, willkürlichen, rechtswidrigen Motiven in Unmenge durchgeführt hat. Angeprangert wird damit ein ganzes System, das kommunistische Machenschaften mit dem Etikett sozialer Errungenschaften beklebt. In dieser Hinsicht ist das Gesetz, kurz gesagt, ein Anti-Ulbricht-Gesetz. Es ist die Absage an die bolschewistische Revolution auf deutschem Gebiet. Es setzt sie in Anklagezustand. Es ist ein Schutzgesetz der Geschädigten, ein Gesetz für Freiheit und Recht. Ich füge hinzu: wenn sich Ulbricht wirklich für das von ihm beherrschte Gebiet rechtlich verantwortlich fühlte, dann hätte e r ein solches Gesetz beschließen lassen müssen.
Das Gesetz gibt im ganzen die Möglichkeit einer Dokumentation des drüben Angerichteten. Insofern dient es einer Aufrechnung zu politischen Zwecken und einer Abrechnung in den Tagen der WiederVereinigung des Getrennten. Recht und Wiedervereinigung gehören für uns unlösbar zusammen.
Zwei Fragen verdienen noch eine Erwähnung.
Erstens. Es lebt nur ein Teil der Eigentümer und der Verlustträger „im Geltungsbereich dieses Gesetzes". Es war aber nicht möglich zu warten, bis ein gesamtdeutscher Geltungsbereich hergestellt ist, wiederhergestellt ist. Schadensfeststellung und Schadensbehandlung können nicht - darin sind wir uns alle einig - auf diesen Zeitpunkt verschoben werden. Das hieße, die Frage zu leicht sehen. Es ist wahr, daß die endgültige Regelung der Schäden, sei es durch Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes, sei es durch Gewährung einer Entschädigung, dem künftigen gesamtdeutschen Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß. Damit verteidige ich eine oft angegriffene Äußerung der Bundesregierung in ihrer Begründung. Das ist aber nur unter der Betonung des Wortes „endgültig" möglich. Vorher haben wir zu achten, daß die Prozedur, die wir mit diesem Gesetz beginnen, die beiden getrennten Volksteile verbindet und nicht als Moment der Trennung wirkt, ja auch drüben nicht so empfun8802
den und nicht so verdächtigt werden kann. Ich habe früher einmal gesagt:
Wenn durch die Beweissicherung der Eigentumsraub genannt und in seinem Umfange gekennzeichnet wird, dann werden dem alle zustimmen, für die ebenfalls ein Raub ein Raub ist und für die Recht Recht geblieben ist. Der Flüchtling kann dem Drübengebliebenen in der Rechtsnachweisung vorangehen. Damit hilft er ihm, wenn er auch einmal in die Lage kommt, wieder Recht als Recht, Unrecht als Unrecht zu bezeichnen. Daß sich die Machthaber und Nutznießer drüben dadurch bloßgestellt und gebrandmarkt fühlen, gerade das darf uns nicht hindern.
Wir haben dem durch eine Reihe von Schutzbestimmungen Rechnung getragen, besonders in den §§ 12 und 41, die dafür sorgen, daß Ansprüche von Mitteldeutschen nicht verlorengehen können, auch wenn diese zur Zeit nicht imstande sind, sie geltend zu machen. Dahinter stehen sehr ausgiebige sorgfältige Überlegungen politischer und menschlicher Natur, über die wir uns aber im Ausschuß einig waren.
Zweitens. Die Gewährung von Leistungen zu regeln war naturgemäß nicht die Aufgabe dieses Gesetzes; das eben ein „Feststellungsgesetz" ist. Diese Regelung bleibt der weiteren Gesetzgebung vorbehalten. Das Plenum beschließt heute nicht über einen Entschädigungsanspruch.
Die Fraktionen haben sich jedoch schon im Dezember 1963 im Ausschuß zu der These bekannt, daß „nach erfolgter Schadensfeststellung an Flüchtlinge Leistungen gewährt werden sollen" . Das ist auch im Bericht enthalten.
Ich betone persönlich, daß ich mich zu dieser These bekenne, übrigens auch bei der ersten Lesung des SPD-Gesetzentwurfes im März 1963 bekannt habe. Wir haben in den Ausschüssen solche Leistungen noch nicht konkretisiert und nicht spezifiziert. Wir haben ausdrücklich den Namen „Entschädigung" vermieden und mit Überlegung und Absicht auch das Wort „Ausgleichsleistungen" nicht gebraucht.
Daß die aus ihrer mitteldeutschen Heimat Verdrängten „Ersatzleistungen für ihr Verlorenes" haben sollen, daß „der freie Staat in der Zeit der Spaltung Deutschlands die Verpflichtung hat, sie der Nachteile zu entheben, die sie durch ihren Eigentumsverlust haben auf sich nehmen müssen", das habe ich schon vor Jahren gesagt.
Es kommt darauf an, hier Wege zu finden und Vorstellungen zu entwickeln, die gerecht und sinnvoll sind. Ich glaube nicht, daß es immer nur ein altes Schema sein muß. Es sind sehr wohl neue Vorstellungen denkbar, wie mit Erfolg aus dem Unrecht ein Recht - ich wiederhole: Recht -, aus dem Schaden drüben eine Abhilfe hier - ich sage: Abhilfe - geschaffen werden kann. Ich zweifle nicht, daß das in einer für alle Beteiligten befriedigenden Weise gelingen wird. Das gilt für die Zukunft, muß aber jetzt schon als Weg erkundet und festgelegt werden.
Ich habe hier auch meine persönliche Stellung erwähnen müssen. Sie ist dem Kreis der Betroffenen
und der Öffentlichkeit bekannt; man kann es nachlesen. Ich habe sie erwähnen müssen, weil mir jüngst im März im „Flüchtlingsanzeiger" in einem Artikel, der der Wahlmache dient, von dem Schreiber unter völliger Verdrehung einer Rede von mir unterstellt wurde, ich hätte die Flüchtlinge ausdrücklich aufgefordert, auf ihre Ansprüche zu verzichten und statt dessen ihr Elend zur Schau zu tragen. Ich erkläre hier: das ist eine Verleumdung. Daß ein einmal so ernst zu nehmendes Blatt ein solches Machwerk veröffentlicht, zeigt einen Niveauverlust, der bedenklich stimmt. Ich sage das hier in der Öffentlichkeit. Ich sage es um der vielen ehrlichen, anständigen Flüchtlinge willen, die so etwas lesen müssen und dadurch aufgehetzt werden.
Aber wir verabschieden noch einen anderen Gesetzentwurf, das Flüchtlingsgesetz der SPD. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, ihn für erledigt zu erkläre. Ich bagatellisiere das durchaus nicht. Hier steckt im Kern die Anschauung des Flüchtlingsproblems und seiner Behandlung, die die Opposition seit vielen Jahren prononciert und beharrlich vertreten hat, die sie aber noch nie so geschlossen dargestellt hatte. Wir waren anderer Meinung, sowohl was die Regelung anlangt als auch wie die Begriffe und auch die gesetzliche Formung aussehen sollen. Das kann hier nicht durchdiskutiert werden. Sie haben Ihre Fahne hoch und weit sichtbar an den Mast eines Schiffes gebunden, und nun geht es unter. Aber so sind die Regeln des parlamentarischen Kampfes. In keinem Augenblick vom Herbst 1962 an konnten Sie überzeugt ,sein, daß das Ergebnis anders sein würde. Die Entscheidung fiel am 12. Dezember 1963 mit der Abstimmung über die sieben Thesen des Gesamtdeutschen Ausschusses. Alle späteren Anträge dieser Art konnten nur noch demonstrativ sein.
Man soll einen Gegner nicht herabsetzen, und ich bin weit davon entfernt, den untergegangenen Entwurf nachträglich hier zu zerkleinern. Aber ich muß Ihnen etwas bezüglich der Methode sagen, mit der Sie nun dieses Faktum wettzumachen versuchen.
Sie haben, Frau Kollegin Korspeter, am 27. Januar folgendes entwickelt, und am 19. März hat es Herr Schäfer geradezu faustdick wiederholt: Alles, was ,die Regierung eingebracht hat, ist schlecht, und schlecht ist alles, was die Regierungsparteien tun. Aber die verabschiedeten Fassungen sind durchaus annehmbar. Infolgedessen ist es eine einfache Rechnung, zu erklären, das Positive daran sei ein Werk der Opposition und ein Plus für sie. - So billig geht es nun doch nicht.
Regierung und regierungstragende Fraktionen des Bundestages sind doch keineswegs identisch. Ich weiß nicht, ob das dem Kabinett und den zuständigen Ministern recht wäre. Wir sind freie gewissenhafte Abgeordnete genau wie Sie. Wir haben bei jedem Regierungsentwurf dieser Art sehr merkbar unsere Bedenken, zum Teil schon unsere Verbesserungsvorschläge angemeldet. Das wissen Sie; die einzelnen Akte dieser Auseinandersetzungen können Sie in den Protokollen der Ausschüsse nachlesen. Ich könnte Ihnen, Herr Schäfer, Beispiele für die Verbesserungen der letzten Fassung des Feststellungsgesetzes geben; die entscheidenden Fragen
haben wir schon in der ersten Beratungsstunde des Gesamtdeutschen Ausschusses vorgelegt und durchgesprochen. Also bitte, lassen Sie eine solche Geschichtsumdrehung schlechter Art. Ehre, wem Ehre gebührt. Aber alle Lorbeerblätter an einen Kopf - das welkt bald!
Möge das Gesetz, das wir jetzt annehmen wollen, eine gute Station sein auf dem Wege zur Überwindung von Kriegsnot, von politischem Unrecht und von den Unheilfolgen der gewaltsamen Spaltung unseres Vaterlandes, mit der wir uns nicht abfinden werden.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Schon seit einer Reihe von Jahren haben die Flüchtlinge aus Mitteldeutschland die berechtigte Forderung erhoben, daß auch für sie eine gesetzliche Regelung geschaffen werden solle, nach der sie ihre durch die Flucht aus der Zone zurückgelassenen Vermögensverluste amtlich feststellen lassen können. Meine Fraktion begrüßt es deshalb, daß nun endlich die Zeit gekommen ist, durch ein Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz, wie es uns heute als Entwurf vorliegt, die Vermögensverluste in der Zone und im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin feststellen und beweissichern zu lassen.
Ich möchte eines hier mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen: Es zeugt von der staatspolitischen Haltung der Flüchtlinge, daß sie mit so viel Geduld auf die Erfüllung ihrer Forderungen gewartet haben. Das ist um so bemerkenswerter - auch das muß ich in aller Deutlichkeit sagen -, als die Bundesregierung auf die Forderungen der Flüchtlinge sehr oft eine ablehnende Haltung zeigte,
({0})
und zwar aus Gründen, die unseres Erachtens einer Prüfung nicht standhalten und daher stets unberechtigt waren oder die, wollte man der Bundesregierung folgen, auch heute noch bestehen würden; denn es hat sich in unserer Haltung zur Zone nichts geändert.
Ich betone dies so ausdrücklich, weil ich der Bundesregierung diesen Vorwurf nicht ersparen kann. Herr Kollege Eichelbaum, trotz Ihrer Ausführungen muß ich sagen, daß die Regierung und auch die Regierungskoalition erst dann in allen Angelegenheiten gegenüber den Flüchtlingen eine gesetzgeberische Regelung vorgenommen haben, als sie durch die Initiative der Opposition dazu genötigt wurden, etwas zu tun, um vor den Flüchtlingen bestehen zu können!
({1})
({2})
Bereits im Frühjahr 1963 hat die SPD-Bundestagsfraktion den Entwurf eines Flüchtlingsgesetzes eingebracht. Mit ihm sollte das Anerkennungsverfahren
nach §§ 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes abgeschafft und das Notaufnahmeverfahren durch ein Eingliederungsverfahren ersetzt werden; außerdem sah es die Feststellung der Vermögensverluste in der Zone und im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin vor und trug für deren Entschädigung Sorge. Dieser Gesetzentwurf, den wir vorlegten, war in sich geschlossen und entsprach auch in allen Punkten den Interessen der Flüchtlinge. die dies der SPD-Bundestagsfraktion wiederholt bescheinigt haben.
Wir sahen uns zur Einbringung dieses Entwurfs damals veranlaßt, nachdem die Bundesregierung - ich muß das in aller Eindeutigkeit hier sagen - sich seit Jahren ständig geweigert hatte, den Deutschen aus Mitteldeutschland und aus Ostberlin ein gerechtes Eingliederungsverfahren zuteil werden zu lassen.
({3})
Erst nach unserem Entwurf hat die Bundesregierung einen eigenen Entwurf eingebracht, eben den Entwurf, den wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten.
Wir alle wissen, meine Herren und Damen, daß dieser Entwurf von den Flüchtlingen damals mit tiefer Enttäuschung aufgenommen wurde - mit Enttäuschung deshalb, weil er keine Wertfestsetzung vorsah, die mit Recht von den Flüchtlingen gefordert wurde. Ihnen ging es darum, klar und eindeutig einen Wertbescheid über die Höhe der erlittenen Verluste in die Hand zu bekommen. Die Bundesregierung dagegen hatte leider in ihrem Entwurf kein Verständnis für diese berechtigten Wünsche und Forderungen der Flüchtlinge gezeigt. Das wurde ihr sowohl von den Flüchtlingen als auch von der Vertretung der Länder im Bundesrat bescheinigt. Erst danach, nachdem der Gesetzentwurf im ersten Durchgang den Bundesrat passiert hatte, entschloß sich die Bundesregierung, dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen und die Vermögensverluste in der Zone und in Ostberlin feststellen zu lassen.
Meine Herren und Damen, ich finde, daß sich die Bundesregierung mit diesem Verhalten eigentlich in eine etwas merkwürdige Situation gebracht hat. Bis vor kurzem weigerte sie sich beharrlich, den Flüchtlingen eine echte Schadensfeststellung zu ermöglichen. Der ursprüngliche Entwurf beweist es. Ich bin sicher, und ich glaube, wir alle sind sicher: so, wie die Bundesregierung damals die Ablehnung der Schadensfeststellung als berechtigt begründete, wird sie heute dieses Gesetz als große Tat der Bundesregierung herausstellen, obwohl der dem Gesetz zugrunde liegende politische Sachverhalt unverändert derselbe geblieben ist.
({4})
Die Bundesregierung kann deshalb - auch wenn Sie, Herr Kollege Kühn, den Kopf schütteln - den Vorwurf der Konzeptionslosigkeit nicht abweisen. Die Einstellung der Bundesregierung zu diesen innenpolitischen Dingen zwingt mich, diesen Vorwurf auszusprechen.
Nun komme ich, meine Herren und Damen, zu einem Punkt, der Einzelheiten des Gesetzentwurfs betrifft. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die
auf die Bundesregierung zurückführende Verzögerung nicht nur die an sich schon bestehende Beweisnot vergrößert hat; auch der Tod vieler Flüchtlinge hat die Hoffnung vieler unmittelbar Geschädigter zunichte gemacht, gerecht eingegliedert zu werden. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Feststellung der in Mitteldeutschland und in Ostberlin eingetretenen Vermögensverluste großzügig durchgeführt werden muß und in keiner Weise mit einer nochmaligen politischen Überprüfung der Flüchtlinge in Zusammenhang gebracht werden darf.
Ich betone das deshalb, weil die Bundesregierung auch eine gewisse Schuld daran trägt, wenn der einzelne Feststellungsberechtigte sich zehn Jahre nach der Flucht wegen der eben von mir erwähnten Beweisnot nicht mehr in der Lage sehen könnte, das politische Motiv für die Ursache seines Schadens beweisen zu können. Deshalb muß die Bundesregierung bei der Durchführung dieses Gesetzes dafür Sorge tragen, daß die Mittel und Maßnahmen zur Errichtung des sowjetzonalen Machtbereichs allen Behörden und Organen, die mit diesem Gesetz befaßt werden, bekannt sind. Alle Behörden und Organe müssen davon ausgehen, daß das gesteckte Ziel aller Maßnahmen im sowjetzonalen Machtbereich die Ausschaltung der gesamten Privatwirtschaft zugunsten einer autoritär gelenkten Wirtschaft war und ist. Und wir wissen, daß es auch das Bundesverfassungsgericht so entschieden hat.
Hier würde es insbesondere die Aufgabe der Bundesregierung - durch das gesamtdeutsche Ministerium - sein, darauf zu achten, daß mit der Durchführung dieses Gesetzes in der Bundesrepublik kein Streit über die Unrechtsmaßnahmen in der Zone anhebt und unsere Gerichte etwa dazu aufgerufen würden, die Liquidierung des Privatunternehmertums in der Zone zu sanktionieren. Anlaß zu dieser besorgten Äußerung bekomme ich dadurch, daß der Gesetzentwurf einen Schaden als feststellbar nur dann anerkennt, wenn er im Zusammenhang mit den nach der Besetzung entstandenen politischen Verhältnissen eingetreten ist. Diese Abhängigkeit ist zwar folgerichtig - ich gebe das zu -, aber sie kann beim Nachweis der politischen Motive zu großen Schwierigkeiten für den Antragsteller führen, und wir, glaube ich, sind alle der Meinung: das soll, das muß vermieden werden.
({5})
Es muß auch dafür Sorge getragen werden, daß die Behörden sich bei der Durchführung des Gesetzes nicht über glaubhaft gemachte Angaben hinwegsetzen und generell keine überspitzten Beweisforderungen stellen dürfen.
({6})
Zum Schluß möchte ich noch das tiefe Bedauern meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß der Teil unseres Flüchtlingsgesetzentwurfs, der die Entschädigung der festgestellten Vermögensverluste vorsieht, im Ausschuß von der Regierungskoalition abgelehnt wurde und daß dieser Entwurf heute nach dem Willen der Regierungskoalition als erledigt erklärt werden soll,
({7})
obwohl - Herr Kollege Eichelbaum - er in der Sache nicht erledigt ist.
({8})
- Eben, das haben wir ja gesagt. Sie haben gegen unsere Stimmen - ({9})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Kuntscher, gegen unsere Stimmen - ({10})
- Gegen unsere Stimmen ist unser Flüchtlingsgesetzentwurf im Ausschuß als erledigt erklärt worden. Das ist für mich um so erstaunlicher, als ich heute in einer Notiz der Liberal-Demokratischen Korrespondenz, die der Freien Demokratischen Partei gehört, etwas gelesen habe, was ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Dieser Artikel stammt von Herrn Kollegen Schmidt. Dort steht:
Um auch den vierten Schritt bei der sozialen und rechtlichen Gleichstellung noch in dieser Legislaturperiode wenigstens vorbereiten zu können, wird die FDP im Rahmen ihrer Überlegungen für eine 18. Novelle zum LAG den Vorschlag machen, auf dem Wege von Darlehensgebungen eine gewisse Entschädigungsmöglichkeit einzubauen.
({11})
Dieses Darlehen sollte zinslos bis zu einer Endregelung gegeben werden.
Liebe Kollegen von der FDP! Was fordert unser Flüchtlingsgesetzentwurf? Zinslose Darlehen!
({12})
Was hindert Sie deshalb eigentlich, heute im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Beweissicherungsgesetzes unsere Vorschläge zur Entschädigung anzunehmen?
({13})
Das frage ich mich, und ich finde es billig und beqem, es jetzt hier als Versprechen für eine kommende Zeit hinzustellen. Ich frage mich: Lehnt man eigentlich unseren Vorschlag ab, weil er von der Sozialdemokratie kommt, oder will man daraus einen Wahlschlager machen?
({14})
Ich meine, es trifft die Gruppe der Flüchtlinge ganz besonders hart, daß wir hier die Entschädigungsvorschläge ablehnen, weil die Flüchtlinge ihre Wünsche und Vorstellungen niemals unter Außerachtlassung der staatspolitischen Möglichkeiten und der finanziellen Grenzen gestellt und verfolgt haben. Diese Ablehnung heute trifft insbesondere die alten der ehemals selbständigen Flüchtlinge und die, die sich wieder selbständig machen wollen, weil ihnen eine ausreichende Sicherung fehlt.
Lassen Sie mich schließen. Mit diesem Gesetzentwurf ist die rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen nicht vollzogen.
Eine solche Gleichstellung werden wir erst mit einer Entschädigungsleistung erreichen, und ich darf Ihnen sagen, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich nach wie vor darum bemühen, eine solche Entschädigung, eine solche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen herbeizuführen.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich ebenfalls noch in wenigen Worten für meine Fraktion Stellung nehme und daß ich zunächst gleich einige Ausführungen der Frau Kollegin Korspeter richtigstelle. Zunächst einmal, Frau Korspeter, haben Sie darauf hingewiesen, daß Sie bereits im 3. Bundestag namens Ihrer Fraktion Initiativen entwickelt hätten. Nun, ich glaube, Herr Kollege Eichelbaum hat mir die Antwort beinahe schon vorweggenommen. Der erste, der auf diesem Gebiet Initiativen entwickelte, war mein Fraktionskollege Wolfgang Mischnick im 3. Deutschen Bundestag.
({0})
Daß diese Initiativen dann damals leider so verwaschen wurden, daß es nicht zu einer Verabschiedung kam, liegt wohl nicht in der Schuld der Freien Demokraten, sondern in der Schuld derer, die damals noch nicht zu dieser Gemeinsamkeit bereit waren, die erfreulicherweise bei den Beratungen dieses Gesetzes nunmehr eingetreten ist.
({1})
- Entschuldigen Sie, im 3. Deutschen Bundestag waren aber auch Ihre Kollegen, Herr Kollege Rehs, nach den Ausschußberichten nicht unbedingt in der Gesamtheit der Fraktion so bereit, wie sie es erfreulicherweise heute sind.
({2})
Ich darf daher auch Herrn Eichelbaum danken, daß
er diese Dinge schon so deutlich herausgestellt hat.
Ein zweites möchte ich sagen. Derselbe Wolfgang Mischnick war es, dessen Handschrift, glaube ich, Sie alle in der Regierungserklärung 1961 zu diesen Fragen gespürt haben,
({3})
und derselbe Wolfgang Mischpik war es auch, der als Bundesvertriebenenminister dieser Koalition die beiden ersten Schritte auf dem Weg eingeleitet hat.
({4})
- Frau Kollegin Korspeter, Sie können gern eine Frage stellen. Aber wollen wir denn hier ein Zwiegespräch durchführen? Derselbe Wolfgang Mischnick war es - ich möchte es noch einmal betonen -, der beide Gesetzentwürfe als erste Schritte vorgelegt hat.
Nun gleich noch etwas, Frau Kollegin Korspeter, weil Sie mich persönlich angesprochen haben, zu
dieser Frage: Warum sind wir Freien Demokraten genau wie unser Koalitionspartner, die CDU/CSU, nicht der Meinung, daß Ihr Gesetzentwurf der richtige gewesen wäre? Wir waren vielmehr und sind heute noch der Meinung, daß durch verschiedene Schritte mit mehreren Gesetzen das gleiche Ziel, nämlich die soziale und rechtliche Gleichstellung, erreicht werden soll. Wir sind dieser Meinung nicht erst, seitdem ich das heute in der Liberal-Demokratischen Korrespondenz geschrieben habe, sondern seit der ersten Lesung dieser beiden Gesetze, des Hilfsmaßnahmengesetzes und des Beweissicherungsgesetzes, im Bundestag. In beiden Beratungen habe ich persönlich für die Freien Demokraten erklärt: Wir glauben, daß es notwendig ist, ein eigenes Gesetzespaket für die Sowjetzoneniflüchtlinge zu schaffen, weil zu viele Unterschiedlichkeiten in den Tatbeständen usw. vorhanden sind, so daß es nicht möglich ist, die Dinge zu regeln, einfach durch eine Angleichung an die Lastenausgleichsgesetzgebung. Sie werden sich daran erinnern: bereits in der ersten Lesung des Hilfsmaßnahmen-Gesetzes habe ich in dieser Form Stellung genommen.
Nun, meine Damen und Herren, einige wenige Worte zu der Vorlage selbst und zu dem, was sich daraus für die Zukunft ergeben wird. Wir haben vor wenigen Wochen mit dem HilfsmaßnahmenGesetz den ersten Schritt beschlossen. Wir bedauern sehr, daß durch die Haltung des Bundesrats und dort ganz besonders durch die Haltung der Vertreter d e r Länder, deren Regierung von der Oppositionspartei gestellt wird, die Notwendigkeit der Anrufung des Vermittlungsausschusses entstanden ist, und wir hoffen sehr, daß bei der nächsten Beratung im Vermittlungsausschuß doch klar wird, daß, wenn wir eine vollgültige Finanzierung der weiteren Maßnahmen auf dem Flüchtlingssektor wollen, auch die Länder einen bestimmten Anteil beitragen müssen und auch können
({5})
- wir werden uns darüber unterhalten müssen, ob der Weg nicht gangbar ist -, weil nämlich ein großer Teil dieser Sowjetzonenflüchtlinge, die jüngeren Jahrgänge, den Ländern durch ihre Arbeit seit Jahr und Tag über die Steuer wesentliche Mittel zufließen läßt. - Bitte schön, Herr Dr. Schäfer!
Herr Kollege Schmidt, haben Sie Anhaltspunkte dafür, daß die Länder ihre Haltung ändern werden und daß dann mit einer Annahme zu rechnen ist?
Ich habe diese Anhaltspunkte, nämlich aus den ersten Beratungen im Bundesrat, Herr Kollege Schäfer, wo diese Meinungen nicht auftauchten, die jetzt plötzlich aufgetaucht sind. Auch in den Verhandlungen, die Herr Kollege Mischnick damals noch als Bundesvertriebenenminister mit den Ländern geführt hat, waren diese Bedenken nicht vorhanden. Jetzt auf einmal sind sie da. Sie können die Protokolle gern nachlesen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter?
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen klar, daß sich der Charakter des Gesetzentwurfs von der Einbringung bis zur Verabschiedung wesentlich geändert hat, daß es zunächst ein Sozialhilfegesetz war, wo die Länder durchaus nach dem Charakter des Gesetzes beteiligt werden sollten, während es jetzt ein Kriegsfolgengesetz ist?
({0})
Selbstverständlich ist mir das klar, und ich glaube, wir sind alle sehr erfreut darüber, daß sich das Volumen des Gesetzes erweitert hat.
({0})
Aber, Herr Kollege Schäfer, glauben Sie wirklich, daß die Ländervertreter nicht auch bei dem ersten Durchgang aus den Gesprächen, die vorher mit ihnen geführt worden waren, wußten, daß sämtliche Fraktionen dieses Hauses, wie sie es in der ersten Lesung damals schon gesagt haben, über den Regierungsentwurf hinausgehen würden und daß sich ein wesentlich größeres Volumen ergeben würde? Das war klar. Sie können gern die Protokolle über diese Gespräche einmal einsehen. Der Widerstand, der jetzt auftaucht, war jedenfalls nicht zu erwarten.
Aber lassen Sie mich zu meinem Gedankengang zurückkommen. Ich bedauere, daß ich Ihre Zeit nun doch etwas länger in Anspruch nehmen muß. Heute sind wir nun dabei, den zweiten Schritt auf dem Wege zur sozialen und rechtlichen Gleichstellung zu tun. Ich begrüße es sehr, daß - diesmal in ,Übereinstimmung aller drei Fraktionen und in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Bundesrats - ein Gesetzentwurf vor uns liegt, den wir in allen Punkten unterschreiben können.
Zwei Punkte scheinen mir besonders wichtig. Es erscheint mir wichtig, ,daß zwischen der Bundesregierung, dem Bundesrat und allen Fraktionen Übereinstimmung darüber erzielt werden konnte, ,daß über die Beweissicherung und Feststellung hinaus die Wertfeststellung erfolgen soll. Zweitens erscheint mir wichtig, daß in § 2 bereits auf das die Entschädigung regelnde Gesetz hingedeutet wird, das wir in Bälde behandeln müssen.
Nun muß ich noch einmal kurz auf das zurückkommen, was die Kollegin Korspeter von mir zitiert hat. Jawohl, wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß diese Frage im Rahmen der 18. Novelle, die in Vorbereitung ist, in der Form angesprochen werden muß, wie es vorhin zitiert wurde, nämlich in der Form von Darlehen auf der einen Seite und eventuell auch in der Form von Zuschlägen zu den Selbständigenhilfen auf Grund der Dokumentation über Vermögensverluste. Drittens muß in dieser 18. Novelle auf Grund der Möglichkeit der Feststellung nach einem Gesetz eine Stundung der Vermögensabgabe für Sowjetzonenflüchtlinge dort ermöglicht werden, wo nunmehr der Beweis, die Dokumentation für die Vermögensschädigung in .der Zone vorliegt.
Eine Bitte haben wir noch an die Bundesregierung bzw. an das zuständige Ministerium, eine Bitte, die ich schon in der ersten Lesung ausgesprochen habe
und die ich für meine Fraktion erneuern möchte. Die Vielzahl der Tatbestände macht ein sehr sorgfältiges Durchdenken notwendig. Trotzdem möchten wir darum bitten, daß dieses Durchdenken so rasch als möglich erfolgt, daß diese Durchführungsverordnungen so rasch als möglich herauskommen, damit die damit betrauten Behörden so bald als möglich mit der Durchführung des Gesetzes beginnen und also Anträge vorgelegt werden können. Wir möchten das zuständige Ministerium, Herr Minister Lemmer, bitten, .die Möglichkeiten der kollegialen Einwirkung auf die zuständigen Länderminister dahin gehend spielen zu lassen, daß ,die Landesbehörden personell und kostenmäßig genügend zur Verfügung stellen, damit die Durchführung, die Feststellung, die Dokumentation gesichert ist und sich die Feststellungen nicht wieder über Jahre und Jahrzehnte hinaus hinziehen.
Meine Damen und Herren, abschließend darf ich Ihnen erklären: Wir Freien Demokraten sind uns bewußt, daß mit diesem heutigen Schritt die von uns seit langem geforderte soziale und rechtliche Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Heimatvertriebenen noch nicht erreicht worden ist. Die FDP-Fraktion kann jedoch - ich habe das eben verdeutlicht - heute mit Genugtuung feststellen, daß sie ihrem ureigenen, im 3. Bundestag leider nicht erreichten Ziel der Gleichstellung heute um ein gutes Stück nähergerückt ist und daß damit die Auftrag der Regierungserklärung, der während der Amtszeit des der FDP angehörenden Bundesvertriebenenministers Wolfgang Mischnick erarbeitet wurde, erfüllt wird.
Die FDP-Fraktion erwartet, daß die Bundesregierung umgehend alle Möglichkeiten nutzt, die zur raschen Durchführung des Beweis- und Feststellungsgesetzes erforderlich sind, damit der große Kreis der bisher sozial und rechtlich benachteiligten Sowjetzonenflüchtlinge bald in den materiellen Genuß kommen kann. In diesem Sinne gibt die freie demokratische Fraktion dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz - Drucksache IV/ 1994 - ihre volle Zustimmung und schließt sich bezüglich der Drucksache IV/694 dem Votum des Ausschusses an.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Lemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein gutes Gesetz verabschiedet wird - und ich glaube, das vorliegende Gesetz ist gut -, entsteht immer ein Wettstreit um die Autorenschaft. Das ist üblich und braucht niemanden zu erschüttern. Es kann die Freude nicht mindern, daß endlich, endlich dieses Gesetz in Kürze in Kraft gesetzt werden kann.
Ich darf zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schmidt bemerken, daß die Rechtsverordnungen, auf die er hingewiesen hat, bereits vorbereitet sind,
(Beifall ({0})
so daß es an uns liegen wird, dieses Gesetz in allerkürzester Zeit zur praktischen Anwendung kommen zu lassen.
Lassen Sie mich zum Gang der Diskussion einige Bemerkungen machen.
Es ist nicht so, sehr verehrte Frau Kollegin Korspeter, daß die Bundesregierung dieses Gesetz als große Tat deklarieren will. Die Bundesregierung ist der Meinung: alle haben dazu 'beigetragen, daß dieses Gesetz wenigstens in der Fassung, wie sie durch die Ausschüsse zustande gekommen ist, verabschiedet werden kann.
Ich darf zu den Ausführungen, die hinsichtlich einer Verbesserung dieses Gesetzes durch die Beschlüsse des Bundesrates gemacht worden sind, bemerken, daß ich persönlich reinen Gewissens erklären kann: Als die Vorlage aus dem Bundesrat ins Kabinett kam, wurde mir als Frühlingsgeschenk zum Wiedereintritt in das Kabinett einstimmig genehmigt, eine Wertfeststellung vorzunehmen. Die Wertfeststellung ist selbstverständlich das Entscheidende. Im übrigen ist eine Übereinstimmung in diesem Fall natürlich nicht sehr schwer zu erreichen gewesen. Verhehlen wir nicht: die Kosten kommen ja erst später. Hier haben wir zunächst nur einmal eine Grundlage für Zahlungen geschaffen. Infolgedessen war auch der Bundesfinanzminister sehr freundlich zu diesem Gesetz; wir haben keine Differenzen miteinander gehabt.
Frau Kollegin Korspeter hat zutreffend von der Geduld der Flüchtlinge gesprochen. Aber ich möchte darüber hinaus ohne Kritik und Polemik - sicherlich mit Ihrer aller Zustimmung - doch sagen: Die Geduld der großen Mehrheit der mitteldeutschen Bevölkerung, die ihr schweres Schicksal heute immer noch zu tragen hat, ist sehr viel größer und unendlich viel mehr zu respektieren als das, was hier angesprochen worden ist.
({1})
Lassen Sie mich auch zu Ihren Bemerkungen, zu Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege Dr. Schäfer, eine nicht polemisch gemeinte Antwort geben. Wir beklagen wohl gemeinsam, daß wir mit dem Hilfsmaßnahmengesetz noch einige Schwierigkeiten haben. Diese Schwierigkeiten hoffen wir gemeinsam sehr schnell ausräumen zu können,
({2})
weil dieses Hilfsmaßnahmengesetz eine notwendige Ergänzung zu dem vorliegenden Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz ist. Ich möchte nur um eines bitten: Lassen wir die Juristen mit dem Streit unter sich, ob es sich hier um ein Kriegsfolgengesetz handelt oder nicht. Die einen sind dieser Ansicht. Ich meine - ich bin ein Schmalspurjurist un vielleicht nicht so kompetent -, daß es kein unmittelbares Kriegsfolgengesetz ist.
({3})
- Ja, außerdem soll man doch bei allen Gesetzgebungsakten an die Menschen denken.
({4}) Ich darf von mir aus versichern - weil hier auch
die Ausschlußbestimmungen dieses Gesetzes angesprochen worden sind -, daß ich alles tun werde, was in meiner Kraft liegt, um darauf hinzuwirken, daß ohne Pharisäertum und nicht engherzig verfahren wird, wenn diese Ausschlußbestimmngen in den einzelnen Fällen irgendwie ins Spiel kommen sollten. Nur keine kleinliche Splitterrichterei über das Verhalten der einzelnen Menschen unter einer totalitären Diktatur! Es steht uns gar nicht zu, hier etwa engherzig zu sein.
({5})
- Ich freue mich, daß diese Feststellung die Zustimmung des Hauses gefunden hat. Das müssen auch die Menschen wissen, die noch in der Lage sind, den Weg zu uns zu finden. Wer sich 20 Jahre lang in Mitteldeutschland unter schwerstem Druck und in großer seelischer Not hat durchschlagen müssen, der hat Anspruch darauf, hier mit brüderlicher Gesinnung und Großzügigkeit empfang-en zu werden.
Ich möchte also wünschen, daß alle beteiligten Organe und Behörden diese meine Bemerkungen beachten. Das bedeutet natürlich nicht, daß diese Ausschlußbestimmungen ignoriert werden können. Sie gehören in das Gesetz hinein, weil es natürlich Fälle gibt, in denen man sich ernstlich darüber auseinandensetzen muß, inwieweit eine Anteilnahme an diesem Gesetz gewährt werden kann oder nicht.
Ich hoffe, daß die Verabschiedung - ich nehme an, die einmütige Verabschiedung - nicht zu Komplikationen wie bei dem Hilfsmaßnahmengesetz führt, damit dieser Bundestag, bevor er auseinandergeht, die ersten und - wie ich meine - doch schon bedeutenden Schritte in der Richtung getan hat, daß auch den Flüchtlingen aus Mitteldeutschland das Recht zuteil wird, das andere Gruppen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben - wenn auch ein unterschiedliches; das will ich nicht verwischen -, bereits haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz. im ganzen. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zur Entscheidung über die Ziffer 2 des Ausschußantrages, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Rechte der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erstere war die Mehrheit. Ziffer 2 des Ausschußantrages ist angenommen.
Ich habe nun mitzuteilen, daß eine Absprache zwischen den Fraktionen stattgefunden hat, wonach erstens der Punkt 9 der Tagesordnung abgesetzt und zweitens der Punkt 22 vorgezogen werden soll.
Vizepräsident Schoettle
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu § 4 Absatz 4 des Altsparergesetzes ({0}).
Wird das Wort zur Begründung der Vorlage gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wir brauchen dann nicht in die Aussprache einzutreten.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Ausschuß für Lastenausgleich, der federführend sein soll. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zurück zu der normalen Reihenfolge der Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 7:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ({1}) ({2})
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({4}) ;
bb) Zweiter Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({5}) ({6});
({7}).
b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({8}) ;
Zweiter Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({9}) ({10});
({11}).
c) Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({12}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Besold, Wieninger, Burgemeister, Riedel ({13}), Gewandt und Genossen betr. steuerliche Rücklagen des Anlagevermögens ({14}).
d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Imle, Mertes, Dr. Supf, Opitz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({15});
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({16}) ({17});
({18}).
Die Aussprache zu diesen Punkten soll verbunden werden.
Zu Punkt 7 a ist Berichterstatter für den Haushaltsausschuß der Abgeordnete Windelen. - Er verweist auf seinen Schriftlichen Bericht. - Berichterstatterin für den Finanzausschuß ist Frau Abgeordnete Funcke.
({19})
- Sie verweisen auf Ihren Schriftlichen Bericht.
Berichterstatterin zu Punkt 7 b ist ebenfalls Frau Funcke. Sie verweisen auf Ihren Schriftlichen Bericht?
({20})
Ich danke Ihnen.
Zu Punkt 7 c wird ebenso verfahren.
Zu Punkt 7 d ist Berichterstatter der Herr Abgeordnete Meis. Wünschen Sie das Wort?
({21})
Zu dem Bericht der Frau Abgeordneten Funcke ist eine Änderung folgenden Inhalts vorgeschlagen worden:
Aus dem Katalog der im Zweiten Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses sowie im Ausschußantrag Nr. 1 - Drucksache IV/3189 - aufgeführten Gesetzentwürfe ist der Initiativgesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache IV/2047 - zu streichen, da die Fraktion der SPD diese Vorlage lt. Amtlichen Mitteilungen der Plenarsitzung vom 10. März 1965 zurückgezogen hat.
Dieser Vermerk wird ins Protokoll aufgenommen.
Wir beginnen mit der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze. Ich rufe zunächst den Art. 1 des Gesetzentwurfs auf. Dazu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 601 und 602 *) vor.
Zur Begründung des Antrags Umdruck 601 - der Fraktion der FDP - hat der Herr Abgeordnete Imle das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 601 steht im engsten Zusammenhang mit der Drucksache IV/1161, die am 29. März 1963, also vor rund zwei Jahren von der FDP eingebracht worden ist. Die erste Beratung hat vier Wochen später, im
*) Siehe Anlagen 2 und 3
April 1963, stattgefunden. Auf Grund der damals erfolgten Überweisung an den Finanzausschuß hat dort eine entsprechende Beratung stattgefunden, in der die beiden anderen Parteien eine stark ablehnende Haltung gegenüber diesem Antrag eingenommen halben.
Auch außerhalb des Hauses hat der Antrag zum Teil Ablehnung erfahren, unter anderem auch - das möchte ich hier einmal sagen - sowohl bei den Gewerkschaften wie auch bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Andere und auch beachtliche Stimmen halben sich für den Antrag ausgesprochen; ich darf z. B. auf den Deutschen Gewerbeverband verweisen. Wenn man sich draußen im Lande umhörte, erfuhr man, daß große Kreise der mittelständischen Unternehmen und auch des Handwerks sich für die 'Durchsetzung des Antrages aussprachen.
Der Antrag ist dann später vom Plenum an den Finanzausschuß zur erneuten Behandlung zurücküberwiesen worden. In dessen 115. Sitzung sprach man sich nun positiver zu dem Antrag aus. In der Begründung des Finanzausschusses für seine Ablehnung wurden vornehmlich fiskalische Gründe angegeben.
Welches sind nun die Gründe, die uns im einzelnen zu diesem Antrag veranlaßt haben? Bei ihrer Darlegung gestatte ich mir, um die Debatte abzukürzen, gleichzeitig bereits auf Bedenken einzugehen, die dagegen vorgebracht werden.
Wie ich schon sagte, ist es der Wunsch zahlreicher
mittelständischer Unternehmen, vornehmlich aus dem Bereich des Handwerks und des Gewerbes, die Möglichkeit zu erhalten, daß zusätzliche Mehrarbeit ihrer Arbeitnehmer in ihrem eigenen Betrieb geleistet werden kann, damit ihre Arbeitskräfte sich nicht aus diesen oder jenen Gründen veranlaßt fühlen, Mehrarbeit außerhalb des Betriebes - die dann auch steuerlich nicht erfaßt wird - zu leisten.
Nach Berechnungen von Experten soll allein im Baugewerbe außerhalb der als Stammbetriebe anzusehenden Betriebe im Jahr ein Umsatz zwischen 21/2 und 3 Milliarden DM geleistet werden. Das ist ein Betrag, der von der Steuer nicht erfaßt wird. Das sind Auswüchse, wie wir meinen, die beseitigt werden müßten.
An sich ist ja auch hier im Hause durchaus bekannt, daß sich am Wochenende z. B. Kolonnen von Bauarbeitern zusammenfinden, um in der Freizeit weitere Arbeit zu leisten. Ich darf daher in diesem Zusammenhang einmal auf ein Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. April 1963, das heute also auch schon zwei Jahre alt ist, hinweisen, in dem es beim Eingang des Tatbestandes heißt:
Der Beklagte war Leiter einer Gruppe von Bauarbeitern, die sich zusammengetan hatten, um „nach Feierabend" und an freien Tagen entgeltlich Bauarbeiten für andere auszuführen.
Hier zeigt sich also, daß auch die Gerichte schon mit diesen Fällen 'befaßt worden sind, und das unterstreicht die von uns vorgetragene Auffassung. Für uns ist es - wie ich eben schon andeutete - ein besonderes Anliegen, das Interesse zu fördern, daß,
wenn jemand schon mehr arbeiten will, er es im eigenen Betrieb tut.
Was wir bei diesen Arbeiten außerhalb des Betriebes außerdem für sehr bedeutsam halten, ist die Tatsache, daß derjenige, der nicht in seinem Betrieb, sondern anderswo arbeitet, nicht dem berufsgenossenschaftlichen Unfallschutz unterliegt. Wenn also außerhalb des Betriebes ein Unfall passiert, dann können erhebliche Nachteile entstehen.
Wir sind daher der Meinung, daß die derzeitige Regelung, nur die Überstundenzuschläge an Sonntagen, Feiertagen und bei Nachtarbeit von der Lohnsteuer zu befreien und auch .den Grundlohn zu besteuern, den heutigen Verhältnissen allgemein nicht mehr gerecht wird.
Außerdem muß berücksichtigt werden, daß wir in der Bundesrepublik trotz der Steuersenkung noch die höchste Steuerbelastung haben. Angesichts der hohen Steuerprogression in der Bundesrepublik erscheint es nicht reizvoll, noch Mehrarbeit zu leisten. Wenn nämlich z. B. bei einem durch Mehrarbeit erzielten Verdienst von 30 DM in der Woche infolge der Progression nur 10 DM in der Lohntüte verbleiben, dann ist die Mehrarbeit für den Betreffenden uninteressant, und er wird allein aus diesen Gründen die auch für den Betrieb notwendige Mehrarbeit nicht leisten.
({0})
- Natürlich läßt sich das dartun. Es kommt ganz darauf an, wie hoch der Betreffende im Verdienst ist.
Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß 'bei uns Mehrarbeit geleistet werden muß; denn sonst hätten wir weder eine Million Gastarbeiter noch 600 000 Fehlstellen. Damit will ich mich keineswegs für eine allgemeine Verlängerung der Arbeitszeit aussprechen.
Weiter wird als Gegenargument angeführt, wenn jemand Mehrarbeit leiste, sei das seiner Gesundheit abträglich. Es ist unerfindlich, wie man eine solche Behauptung aufstellen kann; denn schließlich ist es völlig gleich, ob ich die Mehrarbeit außerhalb oder innerhalb des Betriebes leiste. Die Mehrarbeit außerhalb des Betriebes kann sogar durchaus gesundheitsschädlicher sein, weil dort wahrscheinlich die Unfallschutzbestimmungen nicht so ganz beachtet werden; denn der Unfallverhütung im eigenen Betrieb wird erheblich mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Weiter ist eingewendet worden, daß dann, wenn der Grundlohn und auch die Zuschläge für die Mehrarbeit steuerfrei sind, keine Sozialabgaben geleistet werden. Dadurch bekomme der Betreffende beim Erreichen des 65. Lebensjahres nicht eine dem ganzen verdienten Arbeitslohn entsprechende Rente. Das ist richtig. Aber wenn die Mehrarbeit nicht im eigenen Betrieb geleistet wird, sondern außerhalb, wo keine Steuern gezahlt werden, werden auch keine Sozialabgaben gezahlt; und dann trifft das ebenfalls zu.
Dann darf ich hier noch eines sagen. Die Beratungen des zweiten Gesetzes über die Bildung von
Vermögen in Arbeitnehmerhand, das sogenannte 312-DM-Gesetz, stehen vor dem Abschluß. Nach diesem Gesetz sollen ja auch die Gelder, die begünstigt angelegt werden können, steuerfrei und ebenfalls sozialabgabenfrei sein. Was dort recht ist, muß in dem anderen Fall billig sein. Man kann hier nach meinem Ermessen nicht mit zweierlei Maß messen.
({1})
- Das ist gar nicht billig; natürlich, für den einzelnen, der das nicht bezahlt, schon!
Es ist gar nicht zu fassen, was alles gegen diesen . Antrag vorgebracht wird. Da wird z. B. von ernst zu nehmenden Verbänden vorgetragen, wenn man so etwas mache, würde während der regulären Arbeitszeit langsamer gearbeitet, um sich auf diese Weise Mehrarbeitsstunden zu erwirtschaften. Etwas Absurderes gibt es wohl wirklich nicht. Da haben wir eine entschieden bessere Auffassung von der Arbeitsmoral der Arbeitnehmer.
({2})
- Nein, nein.
Dann wird der Vorwurf erhoben - ich will Ihnen das gleich alles vortragen, damit ich nachher nicht noch einmal hierherzugehen brauche -, ein solcher Antrag würde zu einer weiteren Arbeitszeitverkürzung beitragen. Nach unserem Antrag sollen der Grundlohn und die Zuschläge erst von der 45. Stunde ab steuerfrei werden. Wir sind auf Grund der Tarifverträge heute schon zum Teil bei einer allgemeinen Arbeitszeit von 42 bis 43 Stunden. Es müssen also erst zwei oder drei Mehrarbeitsstunden geleistet werden, um dann von der 45. Stunde ab in den Genuß der Steuerfreiheit zu kommen.
Deswegen treffen auch Berechnungen nicht zu, auf Grund deren erklärt wird, die Annahme dieses Antrages koste insgesamt 410 Millionen DM. Ich darf darauf hinweisen, daß nach den vorgelegten Zahlen pro Arbeiter im Jahr 93 Stunden Mehrarbeit geleistet werden. Nun darf man nicht so argumentieren, als ob diese 93 Stunden zu den 45 Wochenstunden hinzukämen, sondern es handelt sich dabei um die Mehrarbeit gegenüber der allgemein tariflich festgelegten Arbeitszeit. Heute sind bereits im Bereich der IG Metall und in anderen großen Arbeitsbereichen tarifrechtlich 42 Stunden pro Woche festgelegt. Das würde bedeuten, daß erst noch zwei oder drei Stunden zu arbeiten sind. Insofern kann also die Berechnung mit 410 Millionen DM nicht zutreffen. Erst von der 45. Stunde ab kommt die Steuerfreiheit in Frage.
Es ist die Auffassung vertreten worden, um das noch einmal zu sagen, daß man dabei eine Arbeitszeitverkürzung erreichen wolle. Ich darf hier allein auf die Vereinbarung auf dem Gebiet der metallverarbeitenden Industrie hinweisen. Dort haben sich die IG Metall und der zuständige Arbeitgeberverband geeinigt, die weitere Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden erst ab 1. Juli 1966 in Kraft treten zu lassen. Das ist durchaus ein Zeichen dafür, daß sich auch bei den Tarifpartnern die Auffassung durchsetzt, daß jetzt eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit zweckmäßigerweise nicht vorgenommen werden sollte.
Ich darf nun noch etwas über die geschichtliche Entwicklung sagen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß solche Maßnahmen durchgeführt worden sind. Eine steuerliche Begünstigung des Mehrarbeitsgrundlohns ist erstmals ab 1. April 1949 in Form einer Lohnsteuerpauschalierung mit 5 % eingeführt worden. Allerdings ist sie bereits vom 1. Juli 1951 ab wieder aufgehoben worden. Eine steuerliche Sonderbehandlung der Mehrarbeitszuschläge trat dann zu Beginn des zweiten Weltkriegs in Kraft. Ab 4. September 1939 wurden alle Zuschläge offiziell an die Finanzämter abgeführt, weil man wohl der Meinung war, es solle niemand an der Mehrarbeit verdienen. Man sah aber bald, daß das nicht in Ordnung war, und hob diese Abführungspflicht ein Jahr später wieder auf. Vom 1. November 1940 an blieben die gesetzlichen und tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit sowie für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei. Allerdings wurde später durch Kontrollratsmaßnahmen diese Steuerfreiheit ab 1. Dezember 1946 wieder beseitigt, aber am 1. April 1947 wieder neu eingeführt. Sie hat dann bis zum 1. Januar 1955 gegolten. Seit dieser Zeit, 1955, besteht nur noch eine Steuerfreiheit für gesetzliche und tarifliche Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.
Als besonderer Einwand wird vorgetragen, daß verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorlägen. Diese Ansicht wird von mir in keiner Weise geteilt. Ich glaube, daß sich aus der bisherigen Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungswidrigkeit keineswegs herleiten läßt. Denn es bestehen doch Unterschiede zwischen dem Selbständigen und dem Arbeitnehmer. Dem Selbständigen steht es seit eh und je völlig frei, ob er für sich selbst Mehrarbeit leisten will oder nicht. Außerdem würde es, wenn man das hier erfassen wollte, an den Kontrollmöglichkeiten fehlen. Beim Arbeitnehmer dagegen wird die Mehrarbeit auf Grund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geleistet. Auch insofern ist das etwas völlig anderes. Ich bin daher der Meinung, daß diese Bedenken keineswegs Platz greifen.
Zu den fiskalischen Bedenken habe ich vorhin schon etwas gesagt. Der Antrag Umdruck 601, der Ihnen vorliegt, enthält gegenüber dem Antrag Drucksache IV/1161 insofern eine Änderung, als nunmehr Bereitschaftsdienst und Wartezeiten nicht mehr als Mehrheit im Sinne dieser Vorschrift gelten sollen. Wir glauben, daß sich bereits wegen der Aufnahme dieser Bestimmung auch die Berechnungen hinsichtlich der 93 Stunden, die ich vorhin angegeben habe, erheblich ändern würden.
Andererseits muß hierbei bedacht werden, daß diese Mehrarbeit in den Betrieben offiziell abgeleistet wird, wie es auch z. B. bei Saisonbetrieben der Fall sein kann, wo man gern mal für einige Zeit die Arbeitskräfte samstags noch im Betrieb hat,
und die bekommt man nur, wenn man ihnen einen entsprechenden Lohn dafür zahlt. Diesen Kalamitäten würde Rechnung getragen.
Mit einem Ausfall von 400 Millionen DM ist daher keineswegs zu rechnen, zumal hinzukommt, daß Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer, bei der Einkommensteuer und auch bei der Gewerbesteuer zu verzeichnen sein werden. Es ist natürlich sehr schwierig, das zu berechnen. Aber wir sind der Meinung, daß insgesamt nicht ein Ausfall in Höhe von 400 Millionen DM, wie es immer hingestellt wird und was uns als weitaus zu hoch geschätzt erscheint, sondern höchstens ein Ausfall von 110, 120 Millionen DM bei Bund und Ländern eintreten wird.
Eine weitere Änderung in dem Antrag Umdruck 601 liegt darin, daß wir die bisher vorgeschlagene Jahreshöchstgrenze von 15 000 DM haben in Wegfall kommen lassen. Im Vorschlag des Finanzausschusses, der hierzu auch einen Änderungsantrag bringt, ist diese Grenze auf 24 000 DM festgesetzt worden. Wir haben uns überlegt, ob wir diese Änderung auch in unseren Antrag übernehmen sollten. Ich glaube aber, daß diese Regelung heute nicht mehr erforderlich ist. Die 15 000 DM sind an der Versicherungspflichtgrenze ausgerichtet gewesen. Wir wissen aber nicht, wie diese sich in Zukunft gestaltet. Daher meinen wir, daß man nicht mehr nach diesem Betrag gehen sollte. Es sollten vielmehr alle Arbeitnehmer, gleichgültig, wieviel sie verdienen, gleich behandelt werden, wenn sie Überstunden leisten; sie sollten nicht von einer bestimmten Grenze abgehalten werden, das zu tun.
({3})
- Soviel wird es nicht, Herr Eppler.
Bei dem Antrag des Finanzausschusses liegt die Grenze bei 24 000 DM. Bei einem Einkommen von 2000 DM im Monat werden doch wohl kaum noch Überstunden geleistet. Machen wir uns nichts vor: Gehälter über 2000 DM bei Angestellten sind keineswegs zahlreich. Hinzu kommt, daß von Angestellten, die ein so hohes Einkommen beziehen, die Überstunden geleistet werden müssen, ohne daß eine Abgeltung durch Mehrarbeitszuschläge in Frage kommt. Wir glauben also, daß man insofern von der Festlegung eines Betrages abgehen kann.
Ich habe nicht alle Bedenken zu widerlegen versucht, die hier vorgebracht werden können, glaube aber, auf das Wesentlichste hingewiesen zu haben. Ich glaube, dargetan zu haben, daß die Bedenken keineswegs so durchschlagend sind, daß sie ausreichen, das Gesetz abzulehnen. Wir versprechen uns von dem Gesetz gerade rin unserer heutigen Zeit eine konjunkturpolitisch wichtige Wirkung. Wir glauben, daß die Gegenargumente nicht ziehen. Wir sind von dem Effekt unseres Antrages überzeugt. Er wird sich zum Wohl der Volkswirtschaft und zum Vorteil desjenigen auswirken, der bereit ist, in unserer heutigen Zeit etwas mehr zu arbeiten.
Ich bitte Sie daher um Annahme unseres Antrages.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Meis.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch, wie das Herr Dr. Imle getan hat, kurz auf die Daten zu sprechen kommen. Der Gesetzentwurf datiert vom 29. März 1963. Er wurde im Finanzausschuß am 13. November 1963 und in dem mitberatenden Ausschuß für Arbeit am 28. November 1963 beraten. Mein Schriftlicher Bericht, den ich damals erstattet habe, datiert vom 5. Dezember 1963 . Im Plenum konnte eine weitere Behandlung des Gesetzentwurfs noch nicht möglich gemacht werden, weil die FDP-Fraktion bereits zweimal die Absetzung von der Tagesordnung begehrt hatte.
({0})
Der Antrag ist dann an den Finanzausschuß zurückverwiesen worden.
Seit der Einbringung sind inzwischen zwei Jahre vergangen. Das wäre an sich noch nichts Besonderes, wenn die Absicht erkennbar geworden wäre, neues Material, neue Beweise zu erbringen, um die bisherigen Beschlüsse der beiden Ausschüsse umzustoßen, die übereinstimmend die Ablehnung des Initiativgesetzentwurfs empfohlen haben. Irgendwelche neue Gründe für die mit dem Gesetzentwurf begehrte Freistellung der Überstundenlöhne sind bisher noch nicht bekanntgeworden.
Ich habe die irrige Meinung vertreten, daß mein Bericht - insbesondere auch nach der ausführlichen Debatte bei der ersten Lesung - ausreichend sein müßte, auch diejenigen zu überzeugen, die anderer Meinung waren. Aber dabei habe ich mich natürlich getäuscht. Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen noch eine Anzahl Gründe vortragen bzw. aus der Debatte bei der ersten Lesung ins Gedächtnis zurückrufen, die auch im Finanzausschuß vorgebracht worden sind und dort auch auf einzelne Abgeordnete der FDP überzeugend gewirkt haben.
Es handelt sich bei der Befreiung der Mehrarbeit von der Lohnsteuer - das ist meine Auffassung und ist damals auch die Auffassung des Finanzausschusses gewesen - steuerlich um eine einseitig zugunsten der Arbeitnehmer wirkende Maßnahme, die verfassungswidrig ist, weil die Selbständigen bei gleicher oder noch größerer Arbeitszeit nicht diese Steuervergünstigung haben.
Eine verfassungsmäßig nicht zu rechtfertigende ungleiche Behandlung würde sich auch innerhalb der Arbeitnehmerschaft ergeben, weil nach dem Gesetzentwurf nur die durch Gesetz oder Tarifvertrag oder auf Grund besonderer Vereinbarungen gewährte Mehrarbeit steuerfrei bleiben soll, soweit die Arbeitszeit mehr als 45 Stunden beträgt, während diejenigen Berufe, deren normale Arbeitszeit auch heute noch über 45 Stunden hinausgeht, den für die über 45 Stunden hinausgehende Zeit gezahlten Lohn voll versteuern müssen.
Dazu ein einfaches Beispiel mit abgerundeten Zahlen: Stellen Sie sich vor, zwei Arbeiter arbeiten jeder 48 Stunden mit einem Monatslohn von 1000
DM. Der eine hat eine normale Arbeitszeit von 48 Stunden, der andere eine solche von 45 Stunden. Unterstellen wir, dieser habe 100 DM Überstundenvergütung. Dann versteuert der eine 1000 DM, der andere nur 900 DM - bei gleicher Arbeitszeit und gleichem Lohn. Ich glaube, auch der einfache Mann kann erkennen, daß hier die Gleichheit vor dem Gesetz nach dem Grundgesetz nicht gewahrt ist.
Die wichtigsten Grundsätze unseres Einkommensteuerrechts sind bekanntlich einmal der Grundsatz der Gerechtigkeit und zum anderen der Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Diese Grundsätze würden einen entscheidenden Einbruch erleiden. Demjenigen, der ein höheres Einkommen hat und mehr Steuern zu zahlen in der Lage wäre, würde für die Spitze seines Einkommens überhaupt keine Steuer mehr abverlangt.
Ein weiterer Grund: Aus dieser ungleichen Behandlung würde sich - darüber ist bei der ersten Lesung sehr ausführlich gesprochen worden - der Anreiz ergeben, bisherige Normalarbeitszeit in Mehrarbeitszeit umzuwandeln. Ich will das nicht weiter ausführen.
Herr Abgeordneter Meis, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich will erst einmal meine Gründe vortragen. Dann können Sie ({0}) ja nachher die Fragen stellen oder sich selbst zum Wort melden. Sie wissen ja nicht, was für Gründe ich noch habe. Ich habe noch eine ganze Anzahl Gründe.
({1})
Die Lohnsteuerfreiheit von Lohn- und Gehaltsbestandteilen bewirkt automatisch - das hat auch Herr Dr. Imle schon gesagt -, daß von diesen Beträgen auch keine Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen sind. Er hat aber nicht erwähnt, daß das bedeutet, daß der Arbeitnehmer eine Minderung seiner späteren Rente hinnehmen müßte. Außerdem würden bei den Sozialversicherungsträgern, und zwar sowohl bei der Rentenversicherung als auch bei der Krankenversicherung, Einnahmeausfälle entstehen, die sehr erheblich wären.
Ich muß mit besonderer Betonung darauf hinweisen, daß bei der erneuten Behandlung im Finanzausschuß allein der Ausfall für die Ablehnung maßgebend gewesen ist. Dieser hohe Ausfall von 410 Millionen DM erklärt sich übrigens daraus, daß bei Einführung der Vergünstigung diese in großem Umfange auch auf den Arbeitslohn, der jetzt bereits als Mehrarbeit entsprechend vergütet wird, Anwendung finden würde. Diese finanzielle Auswirkung - das möchte ich wiederholen - war der alleinige Grund für die Ablehnung des FDP-Antrages. Auch nach den Angaben unseres Bundesfinanzministers ist ein solcher Ausfall haushaltsmäßig nicht zu verkraften.
Mit der Steuervergünstigung soll in erster Linie die Schwarzarbeit bekämpft werden. Hier muß man doch einmal fragen: Seit wann bekämpft man Gesetzesübertretungen mit Steuervergünstigungen?
In den meisten Fällen von Schwarzarbeit handelt es sich ja auch nicht nur um Steuerhinterziehung, die bei entsprechender Meldung an das zuständige Finanzamt die Steuernachzahlung und die mit der Abschreckungswirkung ausgestattete Steuerstrafe sowie neuerdings sogar noch zusätzlich eine hohe Verzinsung auslösen würde. Es handelt sich auch um Verstöße gegen die Handwerksordnung, die schon aus Berufsstolz von unseren Handwerkern nicht geduldet werden.
Ich möchte Ihnen hierzu zu Ihrer Information einen Einzelfall anführen. In den „Ruhrnachrichten", der Dortmunder Zeitung, vom 5. August 1964 ist folgende Notiz zu lesen:
Schwarzarbeiter zahlt 1000 DM Buße.
Wegen Schwarzarbeit hat das Rechtsamt der Stadt Dortmund gegen den Radio- und Fernsehtechniker Leo Z. einen Bußgeldbescheid in Höhe von 1052 DM erlassen. Der Betroffene hatte entgegen den gesetzlichen Bestimmungen Radio und Fernsehreparaturen ausgeführt. Im Zusammenhang mit dieser Mitteilung weist die Radio- und Fernsehtechniker-Innung Dortmund und Lünen erneut auf die Notwendigkeit geordneten Wettbewerbs hin, um Verbraucher und Kunden angemessen zu schützen. Für alle Handwerkszweige wird darauf hingewiesen, daß nur der in die Handwerksrolle Eingetragene sein Handwerk 'selbständig und auf eigene Rechnung ausüben darf.
Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur noch sagen, daß wir mit besonderem Dank und Anerkennung feststellen dürfen, daß der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Herr Wild, die Förderung der Mehrarbeit durch Steuerfreiheit abgelehnt hat.
({2})
Würde man dem Vorschlag in dem Gesetzentwurf entsprechen, so würden auch erhebliche Schwierigkeiten bei der Lohnabrechnung eintreten, weil in den meisten Fällen der tariflichen Mehrarbeit unterschieden werden muß, ob sie auch gesetzlich als Mehrarbeit gilt oder nicht. Bei 42stündiger Arbeitszeit würden ja, wenn einer 48 Stunden arbeitet, drei Stunden steuerpflichtig und drei Stunden steuerfrei werden. Das müßte also auch untersucht werden.
Die steuerliche Vergünstigung des Mehrarbeitsgrundlohnes ist erstmals - Herr Dr. Imle hat es eben schon erwähnt - ab 1. April 1949, aber in Form einer Lohnsteuerpauschalierung mit 5% eingeführt worden.
({3})
- Das haben Sie auch gesagt. Sie wurde aber wegen der erheblichen Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung des Verfahrens für die Arbeitgeber ergeben haben, bereits zwei Jahre später wieder aufgehoben. Aus dem gleichen Grund ist, was sie auch erwähnt haben, später die Steuerfreiheit der Mehrarbeitszuschläge aufgehoben worden.
Eine Steuerfreiheit für Mehrarbeit wäre meines Erachtens auch bei ausschließlich wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur dann gerechtfertigt, wenn man auf der einen Seite ein Allgemeininteresse an dem nur durch Mehrarbeit zu erreichenden Arbeitserfolg begründen könnte und 711 andern der Unternehmer bei Übernahme der Mehrarbeitszuschläge, der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der übrigen lohnabhängigen Kosten etwa Verluste hinnehmen müßte. Solche Unterscheidungen sind aber weder beabsichtigt noch praktikabel.
Meine Damen und Herren, es widerspricht nach allgemeiner Auffassung dem Sinn der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung, wenn man mit Hilfe von staatlichen Subventionen - und das sind doch die erstrebten Steuervergünstigungen - eine längere Arbeitszeit erreichen will.
Ich bin der Meinung, daß es notwendig war, Ihnen den Schriftlichen Bericht, den ich vorgelegt habe, noch um die vorgetragenen Punkte zu ergänzen, zu denen Sie ja dann Stellung nehmen können, zumal auch diese Punkte im Finanzausschuß erörtert worden sind und zu der Empfehlung des Finanzausschusses an den Bundestag geführt haben, den Initiativantrag abzulehnen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, der Entscheidung bzw. der Empfehlung des Finanzausschusses zu folgen und den Antrag insbesondere mit Rücksicht auf die verfassungsmäßigen Bedenken, die finanziellen Auswirkungen und die Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzulehnen.
({4})
Meine Damen und Herren, der Präsident befindet sich natürlich in einer hoffnungslosen Lage, wenn ein Abgeordneter gern eine Zwischenfrage stellen möchte, der Präsident aber nichtimstande ist, den Redner zu bremsen.
({0})
Im übrigen muß ich sagen, obwohl ich niemandem Zensuren zu erteilen habe, wir sollten die Debatte über einen Änderungsantrag um diese Zeit des Tages vielleicht doch etwas konzentrierter führen.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. Eppler hat das Wort.
({2})
- Ich habe das zu jedem gesagt, der dazu sprach oder noch sprechen will.
Meine Damen und meine Herren! Dieses Haus hat heute abend zu entscheiden zwischen 'dem Willen der Regierung und einer Regierungspartei, oder anders gesagt, wir haben zu entscheiden zwischen dem Willen des FDP-Finanzministers und dem der FDP-Fraktion. Wir sind heute Abend gefragt, ob wir dem Finanzminister gegen
seine Fraktion oder der Fraktion gegen ihren Finanzminister recht geben wollen.
({0})
Meine Herren, ich wollte das zunächst feststellen, damit die politische Ausgangslage klar ist.
({1})
Vor 14 Tagen hat der Bundesminister der Finanzen im Ausschuß erklärt, daß ein weiterer Steuerausfall, wie er hier vom Finanzministerium mit 410 Millionen DM errechnet wurde, von diesem Hause nicht verantwortet werden
({2})
und vom ,Haushalt nicht verkraftet werden könne. Sie, Herr Imle, kommen uns jetzt mit einer anderen Zahl. Ich möchte gern doch einmal den Herrn Minister hören, wer nun eigentlich die richtige Zahl hier auf 'den Tisch legt. Vorerst bin ich der Meinung, daß der Apparat des Finanzministeriums etwas besser funktioniert als der von Herrn Imle.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, daß es mit unserem Haushalt nicht übermäßig gut steht, und da wir alle für diesen Haushalt verantwortlich sind, hat die sozialdemokratische Opposition eine Anzahl von Wünschen zum Steueränderungsgesetz 2 zurückgestellt aus Rücksicht auf diesen Haushalt und den Minister, der ihn zu verantworten hat. Wir haben das getan in der Hoffnung, daß das, was für die Opposition in diesem Falle recht ist, der Koalition und den Regierungsparteien zehnmal billig sein müßte.
({3})
Wenn sogar die Opposition in diesem Hause mit Rücksicht auf diesen Haushalt, der ja ohnehin schon aus dem Gleichgewicht ist, keine weiteren Forderungen stellt, dann müßte man es eigentlich doch als selbstverständlich voraussetzen, daß die Fraktion des Bundesfinanzministers diesem Beispiel folgt.
({4})
- Bitte, Herr Dorn!
Herr Kollege, ist Ihnen denn bekannt, daß Sie zwar zu diesem Gesetz keine Mehrausgabeanträge gestellt haben, aber in vielen anderen Fällen in diesem Hause Mehrausgaben beantragt haben, die weit mehr als das Zehnfache dieses Betrages ausmachen?
Herr Dorn, wir wollen jetzt nicht die übliche Rechnung aufmachen.
({0})
Sie haben sehr wohl gehört, was mein Kollege Möller bei der dritten Lesung des Etats hier gesagt hat und daß er eine ganze Anzahl von Anträgen zurückgezogen hat, damit diese Aufrechnung endlich einmal zu einem Ende kommt.
Ich habe ja Verständnis für den Bundesfinanzminister, wenn er hier mit seiner Fraktion Schwierigkeiten hat. Ich kann es deshalb mitfühlen, weil
es ja auch den einen oder anderen Lehrer gibt, der mit fremden Kindern bessere Erfahrungen macht als mit seinen eigenen. Das ist durchaus normal. Wenn aber dann die eigenen Kinder sich auf den offenen Markt stellen und sagen: was der Alte sagt, interessiert uns nicht, so geht das ein bißchen zu weit, und ich würde sagen: so spricht dies nicht für Familiensinn.
({1}) - Ja bitte, Herr Moersch!
Herr Dr. Eppler, ist Ihnen vielleicht einmal der Gedanke gekommen, daß durch lohnsteuerfreie Überstunden die Mehrarbeit, die geleistet wird, auch zu mehr Steuereinnahmen führt und zu dem Effekt, daß man künftig vielleicht weniger Gastarbeiter braucht?
({0})
Herr Moersch, was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, so kann ich nur sagen, daß Ihr Minister anderer Meinung ist. Er hat uns gesagt: Was an Ausfall kommt, das wissen wir, was zusätzlich eingeht, wissen wir nicht. Bitte, fragen Sie ihn doch; er soll Ihnen etwas anderes sagen, als er uns gesagt hat. Was das andere angeht, Herr Moersch, so komme ich darauf noch.
Hätte der Finanzausschuß alle Anträge der FDP zum Zweiten Steueränderungsgesetz angenommen, so wäre dadurch ein Ausfall von über 1 Milliarde DM entstanden.
({0})
Meine Damen und Herren, wenn Sie es genau haben wollen, dann wollen wir hier doch ein bißchen „aus dem Nähkästchen" plaudern.
Wir haben im Finanzausschuß unter anderem einen Antrag der FDP auf dem Tisch gehabt, der nach Meinung des Finanzministeriums einen Ausfall in Höhe von 525 Millionen DM gebracht hätte. Diesen Antrag haben wir dadurch vom Tisch gebracht, daß wir Ihnen gesagt haben: Wenn er auf dem Tisch bleibt, werden wir ihn mit unseren Stimmen annehmen. Da war er vom Tisch.
({1})
So ist das im Finanzausschuß gelaufen, und das ist vielleicht auch ein Maßstab für die Ernsthaftigkeit Ihrer Anträge.
({2})
- Bitte, Herr Spitzmüller!
Herr Kollege Dr. Eppler, ist Ihnen bekannt, wieviel Mehrausgaben der Bundeshaushalt zu tragen gehabt hätte, wenn wir in einem Ausschuß, dem Herr Kollege Hirsch vorsteht, allen Anträgen der SPD gefolgt wären?
Herr Spitzmüller, ich rede jetzt von der Einnahmeseite des Haushalts.
({0})
Wenn wir im übrigen von der Ausgabeseite des Haushalts sprechen wollten, könnten wir genauso eine Rechnung aufmachen, wie Sie das hier tun. Ich stelle dies nur fest, und ich bitte, mir dass nachher zu widerlegen. Es ist ja auch der Vorsitzende dieses Ausschusses hier anwesend, und ich bitte mir zu widerlegen, daß es, wenn wir im Ausschuß allen Anträgen der FDP zum Zweiten Steueränderungsgesetz - vom Ersten will ich gar nicht reden - zugestimmt hätten, einen zusätzlichen Steuerausfall von etwa 1 Milliarde DM gegeben hätte, wobei dieser Antrag hier mit berücksichtig ist.
({1})
Heute haben wir es also mit einem anderen Antrag zu tun. Herr Imle, Sie wissen ganz genau, daß wir zu Beginn der Beratungen des Zweiten Steueränderungsgesetzes eine ungeheure Latte von Steuerausfällen in Höhe von insgesamt 8 Milliarden DM auf dem Tisch hatten, wovon bestimmt nicht mehr als 1 Milliarde DM von uns kamen; das meiste kam auch nicht von Ihnen, sondern von Verbänden. Wir haben dann zusammengestrichen, weil wir sagten: es ist keine Luft mehr im Haushalt. Nachdem wir das getan hatten, sind Sie mit Ihren Anträgen gekommen. So war es doch in diesem Ausschuß.
({2})
Der Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, ist - das hat die Zwischenfrage von Herrn Moersch .gezeigt - mit Emotionen aufgeladen, die mit dem Gastarbeiterproblem zu tun haben. Dieser mit Emotionen aufgeladene Antrag wird jetzt als Wunderdroge verkauft.
Meine Damen und Herren, ich verstünde ja, wenn Sie z. B. das, was das Bundesarbeitsministerium zur Frage des Arbeitsmarktes gesagt hat, nämlich daß er durch diesen Entwurf nicht entlastet wird, nicht ernst nähmen. Aber eigentlich hätte ich zumindest bei der FDP erwartet, daß sie ein Gutachten der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände ein wenig ernst nimmt. In dem Gutachten der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände heißt es ausdrücklich, diese Verbände glaubten, die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt würden stärker sein als die positiven. Sie können das ja notfalls nachlesen.
({3})
- Herr Imle, Sie haben vorhin geglaubt, daß 110 Millionen herauskämen und nicht 410 Millionen. Beweisen Sie mir das mal und glauben Sie nicht nur!
({4})
- Herr Moersch, was Bundes- und Ländereinnahmen sind, weiß ich sehr wohl. Aber verstehen
Sie eigentlich, daß, wenn wir hier einen Steuerausfall haben, wieder zwei Drittel bei den Ländern bleiben werden? Auch der Herr Minister hat uns gesagt, der Bundesrat werde bei der finanziellen Lage der Länder etwas Derartiges nicht mehr schlukken. Stimmt das oder stimmt das nicht? Sie waren im Ausschuß nicht dabei; deshalb haben sie hier gut reden.
Meine Damen und Herren, ich will nicht auf alle Argumente von Herrn Imle eingehen. Aber eines hat mich ein wenig erschreckt, nämlich sein Hinweis auf Gesetze vom Jahre 1939. Damals gab es ein Interesse, unser Volk zu einer Arbeitsleistung anzutreiben.
({5})
- Nein, er hat auch vom Jahre 1939 gesprochen. Möglicherweise habe ich mich hier geirrt. Das kann Herr Imle notfalls ja noch klären.
Es wird sehr häufig der einfache Satz für diesen Entwurf vorgetragen - draußen, Herr Imle, und es geht ja eigentlich hier um draußen-: „Arbeit hat noch nie jemandem geschadet." Ich gebe zu, daß das eine Saite in meinem schwäbischen Gemüt anklingen läßt; aber trotzdem ist das eine Halbwahrheit. Sehen Sie, das gilt vielleicht einigermaßen für eine körperliche Arbeit in freier Luft, wie die alte Agrargesellschaft sie kannte; aber es gilt nicht für die nervenzermürbende Fließbandarbeit im Lärm und im Gestank unserer modernen Industrie.
Bitte, Herr Abgeordneter, wollen Sie eine Frage stellen?
Herr Abgeordneter Dr. Eppler, ist Ihnen bekannt, daß im Gegensatz zu Ihrer Auffassung die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer anderer Auffassung ist, daß eine kürzliche Umfrage ergeben hat, daß 70% der befragten Frauen und 76 % der befragten Männer bereit wären, eine Stunde mehr zu arbeiten, wenn keine neuen Gastarbeiter benötigt würden?
Herr Schmidt, das ist eine jener demagogischen Fragen, die meiner Ansicht nach völlig an der Realität vorbeigehen.
({0})
Wir haben eine ganze Menge Gastarbeiter, die Arbeiten verrichten, zu denen wir in diesem Lande nicht mehr bereit sind. Wenn Sie in der Textilindustrie die Zahl der Stunden um drei erhöhen, dann sind die Gedecke draußen im Restaurant noch nicht serviert, und dann sind die Betten im Hotel Berlin noch nicht gemacht, dann sind die Kanäle irgendwo immer noch nicht gereinigt und die Schwellen bei unseren Eisenbahnen immer noch nicht erneuert. Sie sollten hier nicht einfach diese billige Milchmädchenrechnung aufmachen.
({1})
Tatsache ist, daß in unserer Wirtschaft dort, wo eine
kurze Arbeitszeit herrscht, die Inanspruchnahme am
größten ist. Wenn Sie das zu diesen Leuten etwa im Bergbau, die heute 40 Stunden arbeiten, sagen: Nun arbeitet einmal 5 Stunden zusätzlich mit Steuer und dann noch einmal ein paar Stunden ohne Steuer, dann ist das erstens volkswirtschaftlicher Unsinn, weil wir sowieso schon Kohlehalden haben, und gesundheitspolitisch ist es ebenso dumm.
({2})
Meine Damen und Herren, ich möchte einmal fragen, was die Leute, die heute diesen Antrag stellen, sagen würden, wenn durch diesen Antrag in den nächsten drei, vier oder fünf Jahren der Krankenstand in unserer Industrie hinaufginge.
({3})
Meine Damen und Herren, der Sinn Ihres Antrages ist, daß die Menschen länger arbeiten sollen.
({4})
- Wollen oder sollen ist mir doch egal.
Herr Schmidt, im Prinzip sind wir sogar mit Ihnen einig.
({5})
Im Prinzip sind wir mit Ihnen einig,
({6})
daß es gut ist, wenn die Menschen länger arbeiten, aber nicht jede Woche länger, sondern länger in ihrem Leben, so daß nicht wie heute 60% der Männer und 72% der Frauen Frühinvaliden werden müssen!
({7})
Wichtiger als mehr Überstunden sind weniger Frühinvaliden.
Zur verfassungsrechtlichen Seite möchte ich noch etwas sagen. Ich habe heute morgen in der Debatte sehr genau Frau Diemer-Nicolaus zugehört. Sie hat gesagt: Wir kommen über die verfassungsrechtlichen Bedenken unseres Ministers 'in der Sache der Verjährung nicht hinweg. Vor 14 Tagen hat der Bundesfinanzminister im Finanzausschuß ausdrücklich erklärt, .er habe gegen diesen Ihren Entwurf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken!
({8})
Während Sie sich im Fall Bucher beinahe wie ein Mann hinter .diese Bedenken stellen, haben Sie diese Bedenken von Herrn Dr. Dahlgrün, die auch verfassungsrechtliche Bedenken waren, völlig in den Wind geschlagen.
({9})
Ich überlasse es dem Spürsinn dieses Hauses, darüber zu befinden, warum Sie in dem einen Fall die verfassungsrechtlichen Bedenken Ihres Ministers ernst genommen und sie im anderen Fall überhaupt nicht beachtet haben.
({10})
Es geht hier einfach darum, daß man natürlich gegen die verfassungsrechtlichen Bedenken von Herrn Dahlgrün Einwände erheben kann. Das kann man aber auch bei Herrn Bucher! Nur bei dem einen nehmen Sie die Bedenken ernst und bei dem anderen nicht.
({11})
Nun noch eine Schlußbemerkung! Das Regieren wie das Opponieren hat seine Plage und seine Freuden. Sie sprechen uns von der Regierungsbank auf unsere Solidarität zur Erhaltung der Stabilität des Haushalts und der Währung an. Wir sind bereit, das zu honorieren, und wir haben das auch im Finanzausschuß gezeigt. Aber wir werden sauer, wenn andere die Vorteile des Regierens mit den Vorteilen des Opponierens verbinden wollen, meine Damen und Herren!
({12})
Vielleicht ist das gar nicht so schlimm, vielleicht bereiten Sie sich mit Ihrem Opponieren auch nur auf etwas Neues vor, und früh übt sich, wer ein Meister werden will.
({13})
Nur eines können wir sagen: Wir üben uns in etwas anderem, nämlich im verantwortlichen Vollzug einer sauberen Finanzpolitik. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
({14})
I)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwörer.
({0})
Der Herr Präsident hat mich aufgerufen
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Herren Kollegen Dr. Eppler und Meis haben hier einiges erklärt, was ich von meiner Sicht her korrigieren möchte. Andererseits ist der Sinn meiner Ausführungen, vom Herrn Bundesfinanzminister über einige Punkte, die bei diesem Problem diskutiert werden, eine Auskunft zu bekommen. Ich möchte wissen, ob ich die Dinge so wie ich sie sehe, richtig beurteile.
Da ist zunächst das Verfassungsargument. Herr Kollege Dr. Eppler hat erklärt, daß der SPD-Antrag gegen die Verfassung verstoße. Er hat sich hier wohl auf den Art. 3 des Grundgesetzes, der die Gleichheit vor dem Gesetz beinhaltet, bezogen. Ich nehme das Argument der Verfassungsmäßigkeit ernst. Doch habe ich den Eindruck, daß man es manchmal auf Tatbestände anwendet, auf die es nicht paßt.
({0})
Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet, das Vergleichbares gleichbehandelt werden muß. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden erstens Gleichbehandlung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Frage der steuerlichen
Behandlung von Mehrarbeit, d. h. Beantwortung der Frage, ob es verfassungswidrig ist, wenn der Arbeitnehmer von einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden ab Steuerfreiheit erhält, der Arbeitgeber dagegen nicht.
Ich bin der Ansicht, daß die Tätigkeiten des Selbständigen und des Unselbständigen im steuerrechtlichen Sinne nicht vergleichbar sind. Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß ein Verstoß gegen die Gleichheit nur dann gegeben ist, wenn keine sachlichen Gründe diese Verschiedenheit rechtfertigen, d. h. wenn sie willkürlich ist.
({1})
Darf ich eine Frage an Sie richten: Ist Ihnen entgangen, was Herr Kollege Meis soeben ausgeführt hat, daß im Bereich der Unselbständigen jemand, der 45 Stunden tariflich arbeitet, und jemand, der 48 Stunden in der gesetzlichen Arbeitszeit arbeitet und je 1000 DM verdient, nicht verschieden besteuert werden können?
Herr Kollege Schmidt, verzeihen Sie, Sie waren etwas zu schnell, die Ausführungen bis jetzt betrafen die Unterscheidung zwischen Selbständigen und Unselbständigen, auf diese zweiten Fälle komme ich gleich.
Die . Besteuerungsgrundlage für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist verschieden. Dies hat sich in verschiedenen Gebieten des Steuerrechts niedergeschlagen, ohne das dagegen Verfassungsklagen angestrengt worden sind. Das ist wohl unbestritten. Es liegt also keine Verfassungswidrigkeit vor.
Schwieriger ist, das gebe ich zu, die Frage, die Herr Kollege Dr. Schmidt gerade angeschnitten hat, nämlich wenn es sich um zwei Arbeitnehmer handelt, die gleichviel verdienen, die verschiedene tarifliche Arbeitszeit haben, die deshalb in diesem Falle unter Umständen verschiedene Steuerbeträge zu zahlen hätten. Diesen Fall muß man sorgfältig untersuchen, doch ich meine, wenn man den vorliegenden Antrag so modifizieren würde, daß ab 45 Stunden alle Stunden steuerfrei sind, gleichgültig, ob sie Überstunden sind oder nicht, dann könnten vom verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt auch in diesem Falle keine Einwendungen mehr gemacht werden.
Das Argument, das vielfach gebraucht wird, die Unternehmer oder die freiberuflich Tätigen würden sich dagegen zur Wehr setzen, wenn der Arbeitnehmer von einer gewissen Grenze der Arbeitsleistung ab lohnsteuerfrei ist, er aber weiterhin Einkommensteuer bezahlen muß, halte ich für nicht berechtigt. Vielmehr sind es gerade die Unternehmer, und zwar vor allem die kleineren Unternehmer, die Steuerfreiheit für die Überstunden ihrer Arbeitnehmer fordern, damit sie ihre Arbeitskräfte länger in ihren Betrieben beschäftigen können. Denken Sie doch an den ganzen Dienstleistungsbereich! Wie schwierig ist hier die Situation für den Arbeitgeber, vor allem für den mittelständischen Arbeitgeber!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Sind Sie nicht der Meinung, daß gerade die Betriebe den Nutzen davon haben, die gut in der Konjunktur liegen und sich also unversteuerte Überstunden leisten können, während die anderen das nicht können?
Aber gerade die Betriebe, die gut in der Konjunktur liegen, brauchen diese zusätzliche Arbeit, sonst können sie nicht ihre Auftragsverpflichtungen erfüllen.
({0})
- Herr Kollege Stecker, vielleicht haben andere auch einmal gute Gedanken.
({1})
- Ich wäre vielleicht schon fertig, wenn Sie mich nicht dauernd unterbrächen.
Die laufende Verkürzung der Arbeitszeit geht doch im Mittelstand eindeutig zu Lasten des Arbeitgebers. Er muß am Abend und am Samstag in seinem Laden oder in seiner Werkstatt stehen oder in seinem Büro arbeiten.
Es liegt meiner Ansicht nach im Interesse der gesamten Volkswirtschaft, daß gerade in den Dienstleistungsbereichen zu Überstunden ein Anreiz gegeben wird. Dieser Bereich dehnt sich laufend aus, und trotzdem haben wir prozentual erst halb soviel Anteil von Dienstleistungen am Bruttosozialprodukt wie die USA.
Ich bin weiter der Ansicht, daß gerade in diesem Bereich eingearbeitete, betriebseigene Kräfte viel produktiver eingesetzt sind als alle möglichen Aushilfskräfte, die nebenbei etwas verdienen wollen. Hier kann entscheidend zur Verbesserung der Verhältnisse und zur Entlastung der kleinen Betriebsinhaber beigetragen werden, wenn man dem Antrag zustimmt. Halten Sie doch den Unternehmer nicht für so töricht und so kleinkariert, daß er sich gegen diese Vergünstigungen, die seinem Arbeitnehmer zugute kommen, ausspricht. Ich habe bis jetzt in mittelständischen Kreisen keine derartige Stimme gehört.
({2})
Zur Frage der Schwarzarbeit, Herr Kollege Dr. Eppler. Ich weiß und es ist jedem einzelnen klar, daß es kein Patentrezept gegen die Schwarzarbeit gibt. Auch diese Lösung ist kein Patentrezept dagegen. Aber dies ist ein Versuch, und wir müssen auch Wege gehen, die uns nicht vollen Erfolg, sondern bestenfalls Teilerfolge versprechen.
({3})
Das ist eine unbewiesene Behauptung, daß sie teurer wird, Herr Kollege Stecker, das stimmt gar nicht. Das ist ein logischer Fehlschluß, der Ihnen da unterläuft.
({4})
Meine Damen und Herren, ob Sie es hören wollen, oder nicht, wir müssen uns mit dem psychologischen Faktum herumschlagen, daß viele Arbeitnehmer davon überzeugt sind, es sei eine Ungerechtigkeit, wenn sie für Mehrarbeit, für Opfer an ihrer Freizeit Steuer zahlen müßten.
Die Meinung der Arbeitnehmer - so kenne ich es wenigstens aus meinen Versammlungen ({5})
ist die: Wenn wir schon auf unsere Freizeit verzichten sollen, damit die viel teureren Fremdarbeiter eingespart werden können, dann könnte der Staat auf seinen Steueranspruch für diese Freizeitarbeit verzichten. So kenne ich die Argumentation aus vielen Veranstaltungen. Daß dies ein Widerspruch zu unserem Steuerrecht ist, wo die Progression herrscht, Herr Dr. Eppler, ist mir klar. Das ist uns allen, die wir mit dem Steuerrecht zu tun haben, klar. Aber es ist Tatsache, daß draußen so gedacht wird und daß die Besteuerung der Überstunden oft geradezu als eine moralische Rechtfertigung für Schwarzarbeit angesehen wird.
({6})
Hier mit einem Betrug des Arbeitnehmers zu operieren oder ihn bestrafen zu wollen, halte ich nicht für richtig. Zu versuchen mit einer harten Hand seitens des Finanzamtes oder der Polizei diese Arbeiten zu unterbinden, halte ich für problematisch. Es wäre im gesamtwirtschaftlichen Sinne ein Verlust. Trotz aller Unannehmlichkeiten und Verluste durch die Schwarzarbeit wollen die Unternehmer nicht die Polizisten spielen, indem sie eine Anzeige beim Finanzamt machen. Diese Rolle liegt dem Unternehmer nicht, ganz abgesehen davon, daß er damit nur seine Leute verprellen würde.
Ich halte es für notwendig, daß wir einen anderen Weg der Abhilfe für die Schwarzarbeit finden. Ich sehe in dem Vorschlag der FDP eine Möglichkeit, die wir versuchen sollten.
({7})
In diesem Zusammenhang darf ich auf einige gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge hinweisen und nur ein paar Zahlen nennen. In der Bundesrepublik sind 1,6 Millionen Arbeitsplätze nicht von eigenen Kräften besetzt.
({8})
- Eine Million Fremdarbeiter und 600 000 offene Stellen! Sie wissen aber auch, meine Damen und Herren, daß die Erwerbsbevölkerung der Bundesrepublik bis 1970 nach den Angaben des Statistischen Bundesamts um 2% abnehmen wird und daß sie bis 1975 nur geringfügig zunehmen wird, während in den USA die Erwerbsbevölkerung in der gleichen Zeit um 17 % zunimmt.
({9})
- Die Arbeitskraft wird bei uns in der Bundesrepublik der größte Engpaß bleiben, meine Herren von der Sozialdemokratie; das wissen Sie vom Kongreß der IG-Metall, auf dem über die Automation gesprochen wurde. Dort sind diese Zahlen alle veröffentlicht worden. Sie werden deshalb nicht behaupten wollen, daß sie nicht stimmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf einen Vortrag hinweisen, den Herr Dr. Emminger, einer der führenden Männer der Deutschen Bundesbank, vor kurzem gehalten hat. Herr Dr. Emminger hat die Bundesregierung in diesem Vortrag wegen ihrer wirtschaftspolitischen Aktivität gelobt, sowohl wegen der Einflußnahme auf die EWG-Partner als auch wegen der von ihr vorgeschlagenen binnenwirtschaftlichen Maßnahmen wie Kuponsteuer, Zollermäßigung usw. Er hat aber dann auf die große Schwierigkeit bei der Erreichung der Stabilität, die im Arbeitsmarkt liege, hingewiesen. Wörtlich sagt er:
Das gestörte Gleichgewicht am Arbeitsmarkt wiederherzustellen, ist die weitaus wichtigste Voraussetzung für die Wiederherstellung eines Kosten- und Preisgleichgewichts.
An anderer Stelle sagt er wörtlich:
Ich wiederhole nochmals, die nächste Aufgabe muß die Wiederherstellung eines Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt sein.
Soweit Herr Dr. Emminger von der Bundesbank.
({10})
- Herr Dr. Schmidt, ich glaube, der Anreiz der Mehrarbeit wäre eine der möglichen Hilfen zur Wiederherstellung dieses Gleichgewichts.
Ich möchte auf die Gefährdung der Gesundheit durch die Mehrarbeit, die Herr Kollege Meis angesprochen hat, nicht eingehen. Ich möchte dazu nur sagen: Es ist sicher, daß Mehrarbeit wirklich geleistet wird, offiziell sowie als Schwarzarbeit. Bei der Schwarzarbeit ist aber der Arbeitnehmer aus verschiedenen Gründen schlechter dran, als wenn dieser Antrag durchkommt. Erstens: Wie Herr Kollege Imle bereits ausführte, fehlt bei der Schwarzarbeit die Versicherung für den Arbeitnehmer. Zweitens: Die sachkundige Aufsicht bei diesen Arbeiten ist meist nicht vorhanden. Drittens: Es sorgt niemand dafür, daß sich der Arbeitnehmer bei dieser Arbeit nicht übernimmt, während in den Betrieben darauf gesehen wird, daß die Mehrarbeit nicht übertrieben wird.
({11})
Viertens: Der Arbeitnehmer setzt sich bei der Schwarzarbeit der Bestrafung aus.
({12})
- Auch der Unternehmer, jawohl, aber meistens sind es Private.
({13})
- Meine Herren, der Arbeitnehmer hätte merkliche Vorteile von der regulären Mehrarbeit, auch was die Fürsorge für seine Arbeitskraft anbetrifft.
Zum Schluß noch ein Wort zu dem Haushaltsargument! Hier wird gesagt, dieser Antrag würde 400 bis 450 Millionen DM Steuerausfall kosten. Diese Zahl mag für den Ausfall an Lohnsteuern zutreffen, die bei der gegenwärtigen Regelung der Überstunden aufkommen. Dabei wird aber vergessen, daß dieser Ausfall durch verschiedene Faktoren entscheidend gemindert wird.
Erstens: Es ist sicher, daß zur Zeit für eine große Anzahl von zusätzlichen Arbeitsstunden keine Lohnsteuer gezahlt wird. Hier wird auch nachher kein Ausfall entstehen, wenn man die Überstunden nicht besteuert. Zweitens: Die so erzeugten Werte, vor allem auf dem Bausektor, erscheinen nicht in den versteuerten Umsätzen der Unternehmen. Es wird also keine Umsatzsteuer darauf gezahlt. Ich glaube, eine volle Umsatzbesteuerung würde eine wesentliche Mehreinnahme bringen.
({14})
Das gleiche gilt für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer.
Darüber hinaus bedenken Sie aber bitte noch eines. Die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer in ihren eigenen Betrieben, unter ihren eigenen Vorgesetzten, an ihren gewohnten Maschinen würde eine wesentliche Produktivitätssteigerung der Betriebe durch einen besseren Ausnutzungsgrad der Betriebseinrichtungen mit sich bringen.
({15})
Nach unserem System der progressiven Einkommensteuer würde dieser zusätzliche Betrag an Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht nur linear, sondern sogar progressiv steigen. Der Steuerausfall kann also niemals den vom Bundesfinanzministerium angegebenen Betrag erreichen.
Herr Kollege Eppler, nun zu Ihren Hauptargumenten! Selbst wenn der Steuerausfall eintreten sollte, könnte ich ihn nicht beklagen, weil der Herr Bundesfinanzminister, meiner Ansicht nach völlig zu Recht, vor einigen Tagen von weiteren Steuersenkungen gesprochen hat.
({16})
Wenn der Grundsatz, der von der jetzigen Bundesregierung verkündet und auch realisiert wurde, nämlich den Haushaltszuwachs auf den realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts zu beschränken, durchgehalten werden soll, ist es unumgänglich, weitere Steuerermäßigungen vorzunehmen, dies mindestens, solange eine Differenz zwischen dem realen und dem nominalen Zuwachs des Bruttosozialprodukts besteht. Herr Kollege Eppler, Sie werden mir da Recht geben.
({17})
Mit dem Steueränderungsgesetz 1964 haben wir einen Anfang gemacht. Ich bin der Ansicht, weitere derartige Gesetze werden folgen müssen, wenn der
Staat nicht in den Verdacht kommen soll, auf die Geldentwertung zu spekulieren, indem er die Differenz zwischen realem und nominalem Zuwachs in seinen Haushalt einplant.
({18})
An dieser Stelle, Herr Bundesfinanzminister, wäre eine gute Gelegenheit, den Steuerverzicht auf eine volkswirtschaftlich gute Art vorzunehmen.
({19})
Die Steuerfreiheit der Überstunden - das ist ausgeführt worden - gab es im Steuerrecht bereits. Es kann also nicht so sein, daß sie nicht praktikabel ist. Sie wurde 1955 aufgehoben, weil damals die Beschäftigungslage anders war als heute. Deshalb frage ich: Warum wollen wir nicht in dieser Zeit umgekehrter Sorge, in der Zeit der Überbeschäftigung diese vernünftige Maßnahme wieder einführen, und wenn es nur für einige Jahre ist? Wir können sie ja nachher wieder aufheben, wenn sich die Arbeitsmarktlage entscheidend verändert hat. Meiner Ansicht nach ist die Maßnahme erstens praktikabel, zweitens trägt sie zur Stabilität bei, drittens kommt sie Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen zugute.
Deshalb unterstütze ich den Antrag der FDP und bitte auch Sie, meine Kollegen aus der CDU/CSU und aus der SPD, diesem Antrag zuzustimmen.
({20})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Eppler hat mich als den „Alten" bezeichnet, dem seine Kinder in der FDP nicht folgen wollten. Das ist fast eine Majestätsbeleidigung des Alters; denn bis ich das Alter des wirklichen „Alten" erreicht habe, wird noch manches Schiff den Rhein herauf und herunter gefahren sein.
({0})
Was sehr schade ist, Herr Eppler - ich muß das nun, wie Sie das bezeichnet haben, aus dem Nähkästchen hervorholen -, ist, daß Sie in der bekannten Methode nur den halben Tatbestand erzählt und die andere Hälfte schamhaft verschwiegen haben.
({1})
Herr Kollege Eppler, Sie haben das getan, um einen Gegensatz zwischen dem Bundesminister der Finanzen und seiner Fraktion zu konstruieren,
({2})
einen einseitigen Widerspruch, während ich in Wirklichkeit im Gegensatz zu allen drei Fraktionen dieses Hohen Hauses stehe und das auch sehr deutlich im Finanzausschuß zum Ausdruck gebracht habe. Der
Finanzausschuß war nämlich einstimmig der Ansieht - Herr Kollege Dr. Alex Möller hat das für alle drei Fraktionen im Finanzausschuß erklärt -, die Finanzverwaltung habe eine vorzügliche Steuerschätzung und Vorausschau für das Jahr 1965 vorgelegt. Im Anschluß daran habe ich dann zum Ausdruck gebracht, daß ich wegen der Steigerungen bei bestimmten Steuerarten es glaube verantworten zu können, einen Steuerverzicht von etwa 65 bis 75 Millionen DM im Teil II des Steueränderungsgesetzes zu übernehmen, womit die Schwerpunkte bei den nichtbuchführenden Steuerpflichtigen wegen der Aufdeckung von stillen Reserven in bestimmten Fällen und den anderen, Ihnen allen bekannten kleinen Änderungen zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit gesetzt werden sollten, die Sie alle dann auch beschlossen haben. Das war ein Volumen von 65 bis 75 Millionen DM, wo ich geglaubt habe, Ihnen verantwortlich zusagen zu können: Das wird etwa noch drin sein.
Aber, Herr Kollege Eppler, was haben Sie dann gemacht? Auch die SPD hat einer Erhöhung um 390 Millionen DM, wenn 'ich nicht irre, im Finanzausschuß zugestimmt. Ich weiß ja nicht, wie Sie sich entschlossen haben, nachher abzustimmen. Wahrscheinlich werde ich sehen, daß Sie Ihre Arme erheben, um dem Gesetz zuzustimmen. Nach meiner Erklärung konnte ich weder diese 390 Millionen DM verantworten noch die 410 Millionen DM, die sich infolge der Lohnsteuerfreiheit der Überstunden ergeben würden. Das habe ich ehrlich und klar zum Ausdruck gebracht, so daß, wenn überhaupt von einem Gegensatz die Rede ist, nicht von einem Gegensatz zwischen meiner Fraktion und mir die Rede sein kann, sondern von einem Gegensatz des Bundesministers der Finanzen zum Parlament, das bereit ist, in dieser Höhe auf Steuern zu verzichten.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter Eppler.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß auch bei diesem Betrag von 390 Millionen DM, den Sie jetzt nennen, die FDP-Fraktion Anträge gestellt hatte, die einen weit höheren Ausfall beinhaltet hätten, und daß es nur mit Mühe möglich war, sie auf diesen Kompromiß herunterzubringen?
Die Antwort, Herr Eppler: Sie selber haben hier von diesem Platz aus gesagt, das gegenseitige Aufrechnen müßte aufhören.
({0})
- Na ja, etwa dem Sinne nach. - Ich kann Ihnen
genau dasselbe für die SPD aufrechnen. Das ist eine
herrliche Geschichte. Ich halte das nicht für richtig.
Gestatten Sie noch eine Frage, Herr Minister?
Bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, glauben Sie, daß es einer Opposition zumutbar ist, wenn die Regierungsfraktion und die Fraktion des Finanzministers Propagandaanträge stellen, päpstlicher zu sein als der Papst?
({0})
Lieber Herr Kollege Eppler, das ist für die Opposition natürlich sehr schwer. Aber dann sollte sie auch ehrlich sein und sich nicht hier demagogisch hinstellen und so tun, als ob sie das bravste Kind des Bundesfinanzministers wäre. So ist das ja nicht.
({0})
Das haben Sie getan, Herr Eppler; das haben Sie ganz eindeutig getan.
({1})
- Herr Kollege Könen, ich muß Ihnen sagen, das Wort „demagogisch" ist heute zum erstenmal von Herrn Eppler benutzt worden.
({2})
- Lesen Sie es einmal im Protokoll nach.
Herr Kollege Schwörer, es hat mir wirklich leid getan, daß Sie im Zusammenhang mit der Befreiung der Überstundenentgelte von der Lohnsteuer das Problem der Steuersenkung hier erwähnt haben. Sie müßten eigentlich wissen, daß das nun wirklich nichts miteinander zu tun hat. Die Steuersenkung, von der ich bis in die letzten Tage hinein und auch im Finanzausschuß gesprochen habe,
({3})
ergibt sich nach unserer Ansicht - ich muß sagen: auch nach Ansicht der Opposition, denn Herr Dr. Möller hat das auch zum Ausdruck gebracht - aus der Notwendigkeit, Tarifsenkungen bei steilem Progressionstarif und Wirtschaftswachstum durchzuführen. Mehr habe ich nie gesagt. Das halte ich allerdings in angemessenen Zeitabständen - ich glaube, inzwischen im Einvernehmen mit allen drei Fraktionen dieses Hauses - für richtig. Das hat aber mit solchen gezielten Maßnahmen nichts zu tun, die zu einem Steuerausfall von 410 Millionen DM führen würden, wovon der Bund jährlich 160 Millionen DM zu tragen hätte. Für einen solchen Steuerausfall sind weder im Haushalt 1965, noch im Haushalt 1966 Möglichkeiten vorhanden. Deshalb sage ich genau
wie im Finanzausschuß auch hier in der Öffentlichkeit klar: das ist nicht drin.
({4})
Sie müssen das verantworten, wenn Sie es beschließen. Ich kann gegen einen Steuerverzicht des Parlaments nichts tun. Die Lage mag sich auch im Laufe des Jahres bessern. Ich kann heute von diesem Standpunkt aus nur sagen, daß über die 75 Millionen DM hinaus mehr zur Zeit nicht zu verantworten ist. Wenn Sie es verantworten, ist es gut.
({5})
- Ja, im Finanzausschuß hat die SPD, Herr Kollege Könen, fleißig mitgestimmt.
Gestatten Sie eine Frage? - Bitte, Herr Kollege Stecker!
Darf ich um eine Klarstellung bitten. Es ist doch wohl nicht gleichgültig, ob man über Ihre Konzessionen hinaus 300 Millionen oder 700 Millionen ausgibt? Darum geht es eigentlich. Denn 300 Millionen DM haben alle drei Fraktionen im Kompromißwege zugestimmt. Hier geht es um die Frage, ob statt dieser 300 Millionen DM 700 Millionen DM ausgegeben werden sollen.
Herr Kollege Stecker, wenn das eine von meinem Standpunkt aus schon äußerst bedenklich ist, dann ist natürlich der höhere Betrag noch bedenklicher.
({0})
Ich habe bisher nichts anderes gesagt. Ich will mal sehen, wer das nachher beschließt oder nicht beschließt.
Im übrigen möchte ich noch ein Wort zu der Errechnung sagen. Wir haben die 410 Millionen DM ordnungsgemäß errechnet. Praktisch sind auch keine Angriffe gegen diese Errechnung erhoben worden. Daß bei Durchführung der Maßnahme unter Umständen Steuermehreinnahmen hereinkommen, ist nicht zu bestreiten. Die haben wir nicht berechnet, weil sie sich praktisch einer Errechnung entziehen; denn alles würde sich auf viele andere Steuerarten auswirken. Wenn die Maßnahmen der Steuerbefreiung zu einem Effekt führen, werden natürlich Steuermehreinnahmen entstehen, die aber nicht zu berechnen sind, weil es von der Art abhängt, wie die Leute reagieren. Aber auch das habe ich im Finanzausschuß von Anfang an so zum Ausdruck gebracht.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mit Sicherheit kürzer sprechen als meine Herren Vorredner. Aber trotzdem zunächst ein Wort zu Herrn Kollegen EppOpitz
ler. Ich muß sagen, ich finde es geradezu rührend, wie sich der Kollege Eppler seinen Kopf über unser Verhältnis zu unserem Finanzminister zerbricht. Ich glaube aber, das sollten Sie wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft unsere Sorge sein lassen.
({0})
- Dann will ich sagen: für den Finanzminister unserer Partei, wenn Ihnen das lieber ist.
({1})
- Womit Sie ja wohl nicht sagen wollen, daß unser nicht verantwortlich sei, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Bitte, Herr Abgeordneter Stoltenberg.
Herr Kollege Opitz, können Sie nicht verstehen, daß viele in diesem Hause diesem Satz nicht zustimmen können, wenn sie daran denken, daß Sie einmal mit diesem Minister als Partei in die Wahl treten wollen, die die Währung hütet und die Finanzen in Ordnung hält, und daß Sie zum anderen gerade jetzt den Finanzminister eine Programmrede über Ihre Finanzpolitik haben halten lassen?
Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir, nachdem das Verhältnis unserer Fraktion zu unserem Finanzminister hier zitiert worden ist, uns zu dem Verhältnis unserer Fraktion zu unserem Finanzminister äußern.
({0})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Bitte sehr.
Herr Kollege, würden Sie mir bitte verfassungsrechtlich erklären, was es bedeutet, wenn Sie von diesem Platz aus sagen: „unser Finanzminister"?
({0})
Von dem Finanzminister, der Mitglied unserer Fraktion ist, wenn Ihnen das besser gefällt!
({0})
- Ganz recht, nun zur Sache!
Die vorgetragenen Bedenken gegen unsere Vorschläge zur Lohnsteuerbefreiung für Überstunden
kommen, wie ich meine, aus einer konservativen Grundsatzhaltung, die meines Erachtens nicht mehr der Meinung der Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer entspricht.
({1})
Wir sind der festen Überzeugung, daß ein großer Teil der Arbeitnehmer gern Überstunden leisten würde, wenn nicht Vater Staat den Löwenanteil des erarbeiteten Lohnes Wegsteuern würde.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen?
Bitte sehr.
Herr Kollege, nachdem es Ihnen so sehr darauf ankommt, den Willen der Arbeitnehmer zu erfüllen, darf ich fragen, ob Sie auch in anderen Fragen - der Mitbestimmung, der Sozialversicherung und vielen anderen Fragen - bereit sind, hier anzutreten, wenn es gilt, den Willen der Arbeitnehmer zu respektieren?
({0})
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich komme noch eingehend auf die Frage der Arbeitnehmer zurück.
({0})
- Sie werden es noch hören, haben Sie keine Sorge! - Ich glaube, daß der enorm hohe Anteil an Schwarzarbeit in der Bundesrepublik die Richtigkeit unseres Standpunktes bestätigt, daß wir immer noch ein arbeitsames Volk sind. Nur muß das Arbeiten sich auch lohnen.
({1})
Ich bitte Sie, auch einmal die Situation des Dienstleistungsgewerbes, die Situation der Krankenhäuser und ähnlicher Institutionen zu überlegen, denen wir wahrscheinlich mit diesem Gesetz eine günstigere Ausgangsposition schaffen werden.
({2})
Meine Damen und Herren, hier ist im Zusammenhang mit den Gastarbeitern von Demagogie gesprochen worden.
({3})
Ich habe volles Verständnis dafür, daß im Zusammenhang mit Arbeitszeitverkürzung und ähnlichem die Diskussion um die Fremdarbeiter unangenehm ist, aber ich glaube, man kann doch nicht so weit gehen, daß man alles, was einem unangenehm ist, nun hier als demagogisch bezeichnet.
({4})
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen in Erinnerung, daß ich nur auf eine Zwischenfrage hin gesagt habe: Ich halte die Frage, ob die Leute zwei Stunden mehr arbeiten wollen und dann die Gastarbeiter weggehen oder ob sie das nicht tun wollen, für demagogisch. Nur diese Frage!
Ja, ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich verstehe nicht, warum Sie diese Frage für demagogisch halten.
({0})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Sie können sich alle heute abend noch hier zu Wort melden, meine Herren.
({1})
Ich weiß gar nicht, warum Sie diese Frage für demagogisch halten..
({2})
Denn wenn ich weiß, daß eine Stunde Arbeitszeitverkürzung, generell durchgeführt, mindestens 5- bis 600 000 Gastarbeiter bedeutet, kann ich nicht sagen, daß diese Frage demagogisch ist. Ich glaube, daß sie Ihnen unangenehm ist.
Gestatten Sie noch eine Frage?
Bitte schön!
Bitte, Herr Abgeordneter Geiger!
Herr Kollege, ist Ihnen denn verborgen geblieben, daß trotz der Arbeitszeitverkürzung die Produktion immer mehr gestiegen ist, und zwar auch die Produktion je Arbeitsstunde und je Arbeitskraft?
({0})
Erstens stimmt das nicht,
({0})
so wie Sie es hier gesagt haben, und zweitens möchte ich in Erwägung ziehen, ob man nicht doch einmal überlegen sollte, wie teuer mittlerweile diese ganzen Fremd- und Gastarbeiter für uns geworden sind, vor allen Dingen in sozialpolitischer Hinsicht. Wir sollten uns einmal überlegen, ob nicht der größte Teil der Gastarbeiter in Deutschland mittlerweile schon dazu gebraucht wird, um zunächst einmal die Häuser und Wohnungen für diese Gastarbeiter zu erstellen.
({1})
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Kollege, würden Sie uns vielleicht einmal sagen, wie Sie alles das, was Sie hier vortragen, mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinbaren wollen?
Meinen Sie das jetzt speziell bezüglich der Gast- und Fremdarbeiter
({0})
Es ist ja in diesem Zusammenhang hier heute auch von einer Milchmädchenrechnung gesprochen worden. Ich möchte ernsthaft die Frage aufwerfen, Herr Eppler, ob Sie glauben, daß das ganze Schweizer Volk ein Volk von Milchmädchen ist, das Volk der Schweizer, die ja gerade in Fragen der Gast-und Fremdarbeiter eine ganz klare Haltung an den Tag gelegt haben?
({1})
Meine Damen und Herren, wir sind nach wie vor der Meinung,
({2})
daß diese unsere Vorstellungen auch den Vorstellungen des Großteils der deutschen Arbeitnehmer entsprechen.
({3})
Ich möchte Ihnen empfehlen, Ihre, wie ich meine, konservativen Vorstellungen zu revidieren und zu überlegen, ob Sie nicht doch unseren Vorstellungen zustimmen können.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich, mit welcher Leidenschaft die Debatte um diesen Antrag geführt wird.
({0})
Da wird das Grundgesetz strapaziert, da wird von der Gleichheit gesprochen, da wird der Finanzminister angesprochen, da wird die Sorge um den Haushalt offenbart. Und wenn ich mir die Front derer ansehe, die hier gegen diesen Antrag sprechen, stelle ich fest: das ist einmal die gesamte SPD und dann, wenn ich mich nicht irre, der sogenannte Arbeitnehmerflügel der CDU mit einigen Vertretern des Haushaltsausschusses.
({1})
Deutscher Bundestag -- 4. Wahlperiode Ollesch
Und da frage ich mich: Wen wollen Sie eigentlich schützen?
({2})
Nun, meine Damen und Herren, daß Sie insgesamt gesehen - und insbesondere die SPD - den Finanzminister schützen wollen und von da her so leidenschaftlich gegen den Antrag sprechen, das nehme ich Ihnen nicht ganz ab.
({3})
Selbst wenn wir uns erlauben, einmal anderer Meinung zu sein als der Finanzminister, oder wenn wir uns einmal - das tun wir auch schon einmal - die Freiheit nehmen, anderer Meinung zu sein als die von uns mitgetragene Regierung - meine Damen und Herren, ich meine, diese Haltung wäre einer Demokratie nicht abträglich.
({4})
Gestatten Sie eine Frage?
Nein, im Moment nicht. Und ich stelle mir vor, wie die Regierung und das Parlament einmal aussehen, wenn - es könnte ja einmal möglich sein, obschon ich es nicht glaube - die SPD die Regierung stellt;
({0})
B) dann wird bis zum letzten Mann der Fraktion, stramm ausgerichtet, jeder jede Maßnahme der Regierung gutheißen.
({1})
Also den Finanzminister wollen Sie sicherlich nicht schützen.
({2})
Und den Haushalt wollen Sie auch nicht hier schützen. Denn hei anderen Gelegenheiten üben Sie nicht diese Zurückhaltung wie. heute.
({3})
- Das ist zu beweisen, meine Damen und Herren. Wen können Sie sonst noch schützen wollen? Wenn ich mir den Kreis der Gegner ansehe: die Arbeitnehmer.
Sie halten viel von Urabstimmung gerade in Ihrem Kreise. Machen Sie einmal eine Urabstimmung, dann werden Sie über das Ergebnis erstaunt sein.
({4})
Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen in diesem Hause,
({5})
der einmal in den Genuß der Befreiung der Überstunden von der Lohnsteuer gekommen ist. Ich kann mir hier also ein Urteil erlauben.
Meine Damen und Herren, wir wollen zweierlei mit diesem Antrag erreichen; das sage ich noch einmal deutlich. Wir wollen sicherlich nicht - was Sie insgeheim befürchten - die verkürzte Arbeitszeit auf dem Umweg über diesen Antrag wieder verlängern.
({6})
- Sie können nachher hier oben reden. Wir wollen aber dort, wo sowieso schon über die tarifliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet wird - und das ist in unserem Lande allgemein verbreitet - diese Dinge aus den verschiedensten Gründen wieder legalisieren.
({7})
- Ja, ich wundere mich, daß Sie uns das nicht abnehmen;
({8})
sonst würde ich ja gar nicht reden.
Gestatten Sie eine Frage?
Nein, ich gestatte keine Frage.
({0})
Wir wollen zweierlei erreichen. Wir wollen die heute auf dem Schwarzen Markt gemachten Überstunden legalisieren.
({1})
Wir wollten mit diesem Antrag dafür sorgen, daß sie dort wieder verfahren werden können, wo es möglich ist, im Interesse des die Überschicht Verfahrenden und im Interesse des Betriebs.
({2})
- Ich rede gar nicht von Gastarbeitern.
({3})
- Herr Dr. Eppler, Ihre Argumente werden auch nicht von allen Ihren Kollegen aufgenommen.
({4})
- Nein, nein! Ich führe ganz andere Argumente an, und ich hoffe, daß Sie mir diese Argumente abnehmen. Ich sagte Ihnen ja, wir wollen versuchen, mit diesem Antrag die Überstunden, die heute schwarz geleistet werden, zu legalisieren. Wir wollen dafür sorgen, daß sie in den Betrieben verfahren werden, zum Nutzen des Betriebs. Ihre Ablehnung, meine Damen und Herren, bei der Sie den Finanzminister und den Haushalt vorschieben,
ist begründet in der Sorge, es könnte Ihrem Bestreben, zu einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit zu kommen, mit diesem Antrag entgegengewirkt werden. Das ist nicht der Fall.
({5})
Zu diesem Antrag liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 601. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der° Antrag ist abgelehnt.
({0})
Das Wort zur 'Begründung des Antrags Umdruck 602 hat der Abgeordnete 'Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde das Versprechen erfüllen, das ich soeben dem Herrn Vorsitzenden unseres Finanzausschusses gegeben habe, und die Begründung dieses von den drei Fraktionen gemeinsam gestellten Antrags in einem einzigen Satz zusammenfassen. Der Änderungsantrag bezweckt, daß Waldnutzungen, die infolge höherer Gewalt, infolge einer Naturkatastrophe anfallen und das Doppelte des Nutzungssatzes übersteigen, also in die Substanz des Waldbetriebes eingreifen, nicht oder jedenfalls nicht wesentlich höher besteuert werden als nach dem bisherigen Recht, - nichts anderes. Ich bitte Sie um Annahme dieses Antrags.
({0})
Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 1602 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir 'kommen zur Abstimmung über Art. 1. Wer Art. 1 in der geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5,
- Art. 6, - Art. 7, - Art. 8, - Art. 9, - Art. 10,
- Art. 11 - sowie Einleitung und Überschrift auf.
- Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die 'Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Satz: Für die Fraktion der FDP habe ich zu erklären: Wir sehen ein, daß, nachdem die Beratungen über das Vermögensbildungsgesetz - das 312-DM-Gesetz - so vorangetrieben worden sind, unsere Anträge zur Änderung des Bausparprämien-Gesetzes und des Sparprämien-Gesetzes jetzt nicht mehr verabschiedet werden konnten. Wir möchten allerdings der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Beratung bald begonnen wird, damit noch erreicht wird, daß diese Gesetze dann vielleicht noch zusammen mit den anderen Vermögensbildungsgesetzen verabschiedet werden können.
({0})
Zur dritten Beratung liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 604 ({0}) * vor. Zur Begründung hat Frau Abgeordnete Funcke das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zur Sache sprechen; es ist ein interfraktioneller Antrag. Ich möchte nur im Interesse der SPD-Fraktion darauf hinweisen, daß vergessen worden ist, unter den Antrag die Namen der Abgeordneten Dr. Tamblé und Dr. Schmidt ({0}) zu setzen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Umdruck 604 ({0}). Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wir müssen nun über die weiteren Anträge des Ausschusses auf Drucksache IV/3189, zweite Seite, abstimmen. Ziffer 2 des Ausschußantrages geht dahin, den Gesetzentwurf Drucksache IV/1567 durch die soeben erfolgte Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer diesem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Dieser Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.
Wer der Ziffer 3 des Ausschußantrages, den Antrag Drucksache IV/1754 durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 des Ausschußantrags für erledigt zu erklären, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
*) Siehe Anlage 4
Vizepräsident Schoettle
Ziffer 4 bringt eine Reihe von Entschließungen, die der Ausschuß dem Hause vorschlägt. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch nicht. Diese Entschließungsanträge sind angenommen.
Ziffer 5 des Ausschußantrages geht dahin, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich nehme an, daß das Haus mit diesem Antrag ohne Abstimmung einverstanden ist.
Meine Damen und Herren, damit sind die Punkte 7 a, 7 b und 7 c erledigt.
Punkt 7 d: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes.
({1})
- Ja eben, aber wir müssen es in der zweiten und dritten Beratung erledigen. Der Ausschuß beantragt auf Drucksache IV/3193 den Gesetzentwurf Drucksache IV/1161 abzulehnen. Wir sind in der zweiten Beratung. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt. Damit ist der Punkt 7 erledigt.
I) Ich rufe den Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über 'die Anzeige der Kapazitäten von Erdöl-Raffinerien und von Erdöl-Rohrleitungen ({2}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({3}) ({4}) .
({5})
Der Schriftliche Bericht des Ausschusses liegt vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ravens. Das Haus nimmt den Bericht des Abgeordneten Ravens zur Kenntnis. Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Das Gesetz ist angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich wäre aber dankbar, wenn sich die Damen und Herren setzten, so daß ich feststellen kann, wie tatsächlich jeweils abgestimmt wird.
Ich rufe den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umsatzsteuerstatistik für das Kalenderjahr 1964 ({6}) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({7}) ({8}).
({9})
Der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses liegt vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Imle. Haben Sie die Absicht, das Wort zur Ergänzung Ihres Berichtes zu nehmen? - Der Berichterstatter verweist auf seinen Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Die Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({10}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
({11}) ({12}).
({13})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Stooß. Das Haus begnügt sich mit dem Schriftlichen Bericht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die Artikel 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen,
Vizepräsident Schoettle
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abschöpfungserhebungsgesetzes ({14}) ;
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
({15}) ({16}).
({17})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Stooß. Das Haus nimmt von seinem Bericht Kenntnis.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Artikel 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Diebäcker, Dr. Artzinger, Dr. Imle, Burckardt, Bäumer, Juncker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollabkommen von Brüssel vom 1. März 1956 über Carnets E.C.S. für Warenmuster nebst Unterzeichnungsprotokoll ({18}) ;
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({19}) ({20}).
({21})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Diebäcker. Wünscht der Herr Abgeordnete Diebäcker das Wort als Berichterstatter? - Das ist nicht der Fall. Der Bericht liegt vor.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auf die Artikel 1, - 1 a, - 2, - 3, Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Danke! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 14:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Diebäcker, Dr. Artzinger, Dr. Imle, Burckardt, Bäumer, Junker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollübereinkommen von Brüssel vom 6. Dezember 1961 über das Carnet A.T.A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren ({22}) ;
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({23}) ({24}).
({25})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Burckardt. Der Bericht liegt vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Ich rufe auf Artikel 1, - 1 a, - 2, - 3, Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 15:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtsund Rheinschiffahrtsachen ({26}) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({27}) Drucksache IV/3208).
({28})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Hauser.
({29})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gilt, hier nur eine kleine
Redaktionsänderung vorzunehmen. Nach der Vorlage in Drucksache IV/1709 ist unter Artikel 2 das Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen, während erst unter Artikel 3 die Berlin-Klausel kommen soll. Es ist mindestens seit einigen Jahren üblich, daß die Berlin-Klausel vor das Inkrafttreten vorgezogen wird. Ich bitte deshalb, diesem Antrag, den ich hiermit stelle, stattzugeben, den Inhalt von Artikel 2 und Artikel 3 gegeneinander auszutauschen.
Das heißt Artikel 3 wird Artikel 2 und Artikel 2 wird umgekehrt Artikel 3.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - 2 - der bisherige Art. 3 mit der Berlin-Klausel -, Art. 3 betreffend das Inkrafttreten des Gesetzes, - Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 16 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundes-Tierärzteordnung in der Fassung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung ({1}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({2}) ({3}) .
({4})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Pohlenz. Wünschen Sie das Wort, Herr Berichterstatter?
({5})
- Ich danke Ihnen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir haben noch über die Entschließungsanträge abzustimmen, die der Ausschuß dem Hause auf Drucksache IV/3197, Seite. 3, vorlegt; ich brauche die beiden Entschließungsanträge nicht vorzulesen. Wer den Entschließungsanträgen zustimmt, den
bitte ich um ein Handzeichen? - Danke. Die Gegenprobe! - Ich verstehe, daß das Haus etwas müde ist, soweit es noch vorhanden ist;
({6})
trotzdem bitte ich noch etwas mitzumachen. - Die beiden Entschließungsanträge sind einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dittrich, Büttner, Dorn und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Neuordnung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen ({7}).
Ich eröffne die Aussprache. Begründung wird nicht gegeben. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Sozialpolitik. - Das Haus ist mit der Überweisung an diese beiden Ausschüsse einverstanden. Es ist so beschlossen.
Punkt 18:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({8}), Bading, Dr. Imle, Jacobi ({9}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes ({10}).
Soll der Antrag begründet werden? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft - federführend - und an den Ausschuß für Gesundheitswesen. Diesen Überweisungsvorschlägen wird nicht widersprochen. Dann ist es so beschlossen.
Punkt 19:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gaststättengesetzes ({11}) ({12}).
Begründung erfolgt nicht. Die Aussprache ist eröffnet. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe. - Stimmt das Haus diesen Überweisungsvorschlägen zu? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen,
Punkt 20 der Tageordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundessozialhilfegesetzes ({13}).
Vizepräsident Schoettle
Soll die Vorlage begründet werden? - Das ist offenbar nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe - federführend - und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. - Diesen Überweisungsvorschlägen wird nicht widersprochen. Es ist so beschlossen.
Tageordnungspunkt 21:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abkommens über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und des Abkommens über die Internationale Finanz-Corporation ({14}).
Die Bundesregierung wird diesen Entwurf nicht begründen. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll überwiesen werden an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Entwicklungshilfe. - Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.
Punkt 22 ist schon erledigt. Punkt 23:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik auf dem Gebiet des Wohnungswesens ({15}) ({16}) .
Die Vorlage wird nicht begründet. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll überwiesen werden an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - federführend - und an den Ausschuß für Inneres sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Diesen Überweisungsvorschlägen wird nicht widersprochen. Es ist so beschlossen.
Punkt 24:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes ({17}).
Eine Begründung erfolgt nicht. Die Aussprache ist eröffnet. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. - Es erhebt sich kein Widerspruch gegen diesen Vorschlag. Es ist so beschlossen.
Punkt 25:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({18}) ({19}) .
Die Vorlage wird nicht begründet. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll an den Ausschuß für Arbeit überwiesen werden. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Es ist so beschlossen.
Punkt 26 - Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeibeamtengesetzes, Drucksache IV/3204 - soll abgesetzt werden. Dieser Gegenstand soll am 1. April 1965 aufgerufen werden.
Ich rufe Punkt 27 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({20}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung des früheren reichseigenen Gesandtschaftsgrundstücks in Bangkok ({21}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr.
Mälzig. Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Antrag - Drucksache IV/3032 - gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung in Verbindung mit § 57 der Reichswirtschaftsbestimmungen und § 3 der Anlage 3 zu § 57 der Reichswirtschaftsbestimmungen sowie § 3 Abs. 6 des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1965 zuzustimmen.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 28 auf:
Beratung der Übersicht 28 des Rechtsausschusses ({22}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({23}).
Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3153 lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.
Vizepräsident Schoettle
Wer dem Antrag des Rechtsausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Punkt 29 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ({24}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EAG für Richtlinien des Rats zur Änderung der Richtlinien vom 2. Februar 1959 zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen ({25}).
Dazu liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3195 Seite 5 vor. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Ich sehe, daß das Haus zu dieser Tageszeit nur noch einstimmige Beschlüsse faßt. Ich stelle das auf die Gefahr hin fest, daß mir widersprochen wird. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 30 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus. schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({26}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine
Verordnung des Rats betreffend Gemeinschaftsbeiträge für die Berufsumschulung von landwirtschaftlichen Erwerbstätigen, die innerhalb der Landwirtschaft ihren Beruf wechseln möchten
Verordnung des Rats betreffend Gemeinschaftsbeiträge zur Förderung der Fachausbildung von Beratern der Informationsstellen für Berufswechsel für landwirtschaftliche Erwerbstätige ({27}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Frehsee. Ich nehme an, der Herr Abgeordnete Frehsee begnügt sich mit dem Bericht, den er dem Hause vorgelegt hat. Der Antrag des Ausschusses befindet sich auf der Drucksache IV/3235.
Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 31 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({28}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Erstattungen bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke für das Wirtschaftsjahr 1964/65 ({29}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ehnes. Herr Abgeordneter Ehnes wünscht das Wort als Berichterstatter nicht.
Wir kommen zur Beschlußfassung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3218. Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 32 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1961 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes ({30}).
Die Vorlage soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Das Haus stimmt zu; es ist so beschlossen.
Punkt 33:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({31}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben für das Rechnungsjahr 1961 ({32}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller ({33}). Ich nehme an, der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht, auch nicht zu einer Ergänzung.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 34 der Tagesordnung:
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({34})
über die von der Bundesregierung beschlossene Zehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({35}), über die von der Bundesregierung beschlossene Zwölfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({36}) und über die von der Bundesregierung beschlossene Vierzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({37}) ({38}) ;
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({39}) über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung über Änderung von Zollkontingenten für das Kalenderjahr 1964 ({40}).
Vizepräsident Schoettle
Das sind termingebundene Vorlagen, die auf jeden Fall heute noch verabschiedet werden müssen.
Berichterstatter ist in dem einen Fall Herr Abgeordneter Dr. Preiß, in dem anderen Fall Herr Abgeorneter Burckardt. Die beiden Herren Abgeordneten wünschen nicht das Wort zur Berichterstattung.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu Punkt 34 a. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Einstimmig beschlossen.
Der Antrag des Ausschusses zu Punkt 34 b ist auf der Drucksache IV/3215 zu finden. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf den Punkt 35 der Tagesordnung:
a) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({41}) über die von der Bundesregierung erlassene Elfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({42}) ({43}) ;
b) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({44}) über die von der Bundesregierung erlassene Neunte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({45}) ({46}).
Berichterstatter ist in beiden Fällen der Herr Abgeordnete Rinderspacher. Der Herr Berichterstatter verweist auf seinen Bericht.
Dem Haus wird vorgeschlagen, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. - Das Haus nimmt Kenntnis.
Der letzte Punkt der Tagesordnung soll auf die nächste Woche verschoben werden.
Meine Damen und Herren, ich danke all denen, die noch treu und brav bis zum Schluß ausgehalten haben.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 1. April 1965, 16.00 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.