Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats betreffend Glukose und Laktose ({1}).
Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Wir kommen damit zum ersten Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde ({2}) .
Wir kommen zuerst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe die Frage XIII/1 - des Abgeordneten Strohmayr - auf:
Will der Bundespostminister auch in Zukunft den festen Gebührensatz von 90 DM bei neuen Fernsprechanschlüssen selbst für den Fall belassen, daß der Neuanschluß keinerlei Veränderungen erforderlich macht?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten, die Frage zu beantworten.
Die Erhebung der Pauschgebühr von 90 DM für die Herstellung und Verlegung eines Fernsprechanschlusses war bereits mehrfach Gegenstand von mündlichen Anfragen in der Fragestunde dieses Hohen Hauses. Die ausführlichen Antworten des Herrn Bundesministers Stücklen an Frau Abgeordnete Dr. Flitz und an Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) sind im Protokoll der 124. Sitzung am 29. April 1964 - Anlage 18 - und der 139. Sitzung dieses Flohen Hauses am 21. Oktober 1964 festgehalten. Zuletzt habe ich in der 146. Sitzung dieses Hohen Hauses am 12. November 1964 auf praktisch die gleiche Frage wie heute geantwortet. Ich bitte deshalb, damit einverstanden zu sein, daß ich mich zunächst einmal auf den Inhalt dieser Auskünfte laut Protokoll der 124., 139. und 146. Sitzung beziehe.
Wenn es gestattet ist, möchte ich hie Beantwortung der ersten, zweiten und dritten Frage zusammenziehen.
Dann rufe ich noch die Fragen XIII/2 und XIII/3 - des Abgeordneten Strohmayr - auf:
Ist es gerechtfertigt, die 90-DM-Pauschale für einen neuen Fernsprechanschluß sowohl in Fällen zu verlangen, die z. B. einen Arbeitsaufwand von 4 bis 6 Stunden erfordern, als auch in Fällen, da der Fernmeldemonteur in einer Viertelstunde den neuen Apparat an die vorhandene Einrichtung anschließen kann?
Wäre es nicht vertretbar, wenigstens gestaffelte Pauschalsätze für die Anlage eines Fernsprechanschlusses einzuführen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Der Fall, daß die Herstellung eines neuen Fernsprechanschlusses keinerlei Veränderungen, also keinerlei Leistungen der Deutschen Bundespost erforderlich macht, ist nicht denkbar. Es kommt vor, daß Fernsprechanschlüsse in Räumen eingerichtet werden, in denen Leitungen von früheren Anschlüssen her vorhanden sind und wieder verwendet werden können, so daß nur ein geringer Aufwand an Installationsarbeiten erforderlich ist. Der Arbeitsaufwand für die Herstellung eines Anschlusses beschränkt sich jedoch keineswegs auf die Arbeiten in den Wohn- und Geschäftsräumen des Teilnehmers. Bei der Einrichtung eines Fernsprechanschlusses sind außer den reinen Installationsarbeiten auch - in den meisten Fällen sogar überwiegend - in den verschiedensten Betriebsstellen der Deutschen Bundespost und zum Teil an den Schalteinrichtungen des Ortsleitungsnetzes Arbeiten erforderlich. Ferner ist zu bedenken, daß ebenfalls eine umfangreiche Verwaltungsarbeit von der Entgegennahme des Antrags auf Herstellung eines Anschlusses bis zur Ergänzung der Unterlagen für Auskunft, Entstörungsdienst, Rechnungsdienst und Fernsprechbuch durchzuführen ist. All diese von den Teilnehmern nicht wahrzunehmenden Tätigkeiten verursachen in der Regel höhere Kosten als die Installation des Fernsprechapparates. Die Erhebung einer festen Gebühr von 90 DM für die Herstellung eines Hauptanschlusses ist unter diesen Umständen auch bei einem geringen Aufwand an Installationsarbeiten gerechtfertigt.
Zur dritten Frage darf ich bemerken, daß eine Staffelung der Pauschalsätze nach dem unterschiedlichen Arbeitsaufwand schon deshalb nicht vertret8694
bar wäre, weil der für die Gebührenhöhe übliche Arbeitsaufwand, der zusätzlich zu dem Aufwand an Installationsarbeiten anfällt, in .allen Fällen etwa gleich groß ist. Abgesehen davon würde eine Staffelung der festen Gebührensätze dem Sinn und Zweck der Pauschalierung, die ja der Rationalisierung des Abrechnungsverfahrensdient und damit zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit im Bereich dieser Leistungen beiträgt, entgegenwirken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, auch wenn diese Frage schon öfters gestellt worden ist, so glaube ich doch, daß es notwendig ist, nochmals zu fragen. In der Privatwirtschaft - Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der gleichen Auffassung? - wäre ein solches Verhalten, daß für eine Arbeit von 5 Minuten 90 DM verlangt werden, einfach unseriös und halsabschneiderisch.
Herr Abgeordneter, obwohl Sie an mich keine Frage gestellt haben, darf ich darauf folgendes antworten. Sie haben aus meiner vorhin gegebenen Antwort ersehen, daß in der Regel nicht die Installations-, sondern die anderen Arbeiten überwiegen: Darüber hinaus darf ich wohl auf Grund allgemeiner Erfahrung sagen, daß auch in der Privatwirtschaft Pauschalgebühren üblich sind.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, wie kommt es dann, daß in den Anmeldungsformularen für die Aufstellung von Fernmeldeeinrichtungen drei Rubriken aufgeführt sind - a) Baustoffe, b) Arbeitskosten und c) Fahrt -, wenn es sich um eine Pauschalierung handelt?
Herr Abgeordneter, daß es sich um eine Pauschalierung handelt, steht fest. Es mag sein, daß in irgendwelchen Formblättern diese Rubriken vorhanden sind. Ich kann Ihnen im Augenblick darauf keine Antwort erteilen. Ich werde das nachprüfen lassen und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, wie kommt es denn, wenn es sich um eine Pauschalierung handelt, daß, sobald eine Verlängerung der Schnur um 1 m notwendig ist, pro Monat laufend 20 Pf verlangt werden?
Herr Abgeordneter, die laufende Gebühr für Benutzung ist etwas anderes als die Pauschalgebühr für die Installation eines Anschlusses.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Staatssekretär, können Sie Beispiele aus der Privatwirtschaft dafür nennen, daß Pauschalgebühren für derartige Arbeiten. 90 DM 'betragen?
Das kann ich selbstverständlich im Augenblick nicht. Aber ich habe keinen Zweifel, daß es solche gibt, und bin gern 'bereit, Ihnen hierüber bei nächster Gelegenheit etwas mitzuteilen.
Ich rufe dann noch die Frage IV des Herrn Abgeordneten Ertl aus der Drucksache IV/3192 auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt wird es möglich sein, daß die Fernsehteilnehmer im Raum Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald und Oberammergau das 2. Programm sehen können?
Der Fernseh-Frequenzumsetzer Garmisch-Partenkirchen zur Ausstrahlung des 2. Fernsehprogramms ist seit dem 24. Dezember 1964 in Betrieb. Für die Frequenzumsetzeranlage Mittenwald ist es bisher noch nicht gelungen, ein geeignetes Grundstück zu erwerben. Die Bemühungen darum werden weitergeführt. Unter der Voraussetzung, daß in Kürze ein geeignetes Grundstück zur Verfügung steht, kann die Anlage noch bis Ende dieses Jahres fertiggestellt werden. Die technischen Geräte sind sofort lieferbar. Die Fertigstellung der Umsetzeranlage Oberammergau wird ebenfalls bis Ende dieses Jahres angestrebt. Die technischen Geräte dafür stehen ab September zur Auslieferung bereit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, demnach ist der Umsetzer in Garmisch schon in Betrieb. Ich höre aber immer noch Berichte, daß die 'einzelnen Fernsehempfänger das 2. Programm dort noch nicht empfangen können.
Herr Abgeordneter, das mag sein, aber es liegt ja nicht immer nur an den Sendern, sondern gelegentlich auch an den Empfangsanlagen.
({0})
Keine Zusatzfrage mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Wollen
Vizepräsident Dr. Jaeger
Sie, Herr Staatssekretär, die drei Fragen gemeinsam oder getrennt beantworten?
({0})
- Gemeinsam. Dann rufe ich die Fragen IX/1, IX/2 und IX/3 - .des Herrn Abgeordneten Kurlbaum - auf :
Mit welchen Anteilen werden die gasverteilenden Gesellschaften an der Deutschen Gesellschaft für Gastransport beteiligt sein?
Wie werden an der Deutschen Gesellschaft für Gastransport nicht beteiligte Unternehmen bezüglich ihres Rechtes auf Mitbenutzung der Erdgassammelschiene gestellt sein?
Hat die Bundesregierung versucht, dem Bund einen angemessenen Einfluß auf die Deutsche Gesellschaft fur Gastransport zur Wahrung der Belange unserer Gesamtwirtschaft zu sichern?
Es steht im Augenblick noch nicht fest, mit welchen Anteilen die gasverteilenden Gesellschaften an der Deutschen Gesellschaft für Gastransport beteiligt sein werden. Über diese Frage wird im Augenblick zwischen den verschiedenen unternehmerischen Gruppen verhandelt.
Ich darf im übrigen auf die ausführliche schriftliche Antwort Bezug nehmen, die ich Ihnen vor einigen Tagen auf diese Frage habe zugehen lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht auch, daß die Verbrauchergruppen zu kurz kommen können bezüglich ihrer Beteiligung an einer Gesellschaft, die eine so marktbeherrschende Stellung haben wird wie diese, wenn die Aushandlung der Beteiligungen einem Machtkampf überlassen bleibt?
Herr Abgeordneter, aus meinem Kontakt mit den Oberbürgermeistern der süddeutschen Städte habe ich nicht den Eindruck, daß die Verbrauchergruppen bei den Auseinandersetzungen zu kurz kommen könnten. Im übrigen habe ich Ihnen in der schriftlichen Antwort versichert, die Bundesregierung werde keine Regelung treffen oder stützen, die nicht einen angemessenen Anteil und damit einen angemessenen Einfluß dieser Gruppen beinhaltet; denn das Gleichgewicht an Einfluß zwischen den verbraucherorientierten Gruppen und den übrigen ist ja gerade der Sinn dieses Aufbaus einer deutschen Position gegenüber der holländischen Macht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Staatssekretär, haben Sie im Augenblick ausreichende Möglichkeiten, eine Lösung zu verhindern, bei der das nicht geschieht, was Sie soeben gesagt haben, ohne daß Sie auf den guten Willen der Beteiligten angewiesen sind?
Wenn Sie erlauben, Herr Abgeordneter, möchte ich darauf bei der Beantwortung Ihrer dritten Frage eingehen, mich jetzt aber zunächst der zweiten Frage zuwenden.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen ist zu erwarten, daß sich an dem Bau und Betrieb der von Ihnen offenbar angesprochenen Erdgastransportleitung von Nordwestdeutschland nach Süddeutschland alle am Erdgasabsatz in diesem Gebiet interessierten Gruppen beteiligen und damit auch das Recht auf Mitbenutzung erlangen werden. Die Möglichkeit einer Beteiligung auch der süddeutschen kommunalen Gruppen ist im Gesellschaftsvertrag der Deutschen Gesellschaft für Gastransport ausdrücklich - und nicht ohne unseren Einfluß - vorgesehen. Zur Zeit stellt sich also die Frage nicht, ob irgendein Interessierter an dieser Operation nicht beteiligt seih könnte.
Ich komme zur dritten Frage. Die Bundesregierung hat zur Wahrung der Belange der Gesamtwirtschaft in verschiedenster Weise auf die Deutsche Gesellschaft für Gastransport Einfluß genommen. Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, daß alle am Erdgasgeschäft in dem fraglichen Gebiet interessierten Gruppen, vor allem auch die kommunalen Ferngasgesellschaften, an dem Unternehmen beteiligt werden müßten. Sie ist zum anderen seit langem bemüht, im Rahmen der Anwendung des § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes die gesamtwirtschaftlichen Belange zu sichern. Zu diesem Zweck hat in der vergangenen Woche nach vielen Besprechungen eine Unterhaltung der für die Erteilung der Freigabe nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes zuständigen Landeswirtschaftsverwaltungen, in der Regel vertreten dreh die Chefs der Wirtschaftsministerien der Länder, mit dem Bundesminister für Wirtschaft stattgefunden, in der eine volle Übereinstimmung über die künftig einzuschlagende Politik zwischen den Länderregierungen und der Bundesregierung erzielt worden ist. Die Bundesregierung hält im Augenblick eine staatliche Einflußnahme dieser Art für zweckmäßiger als etwa eine Einflußnahme über eine Beteiligung der öffentlichen Hand an der Deutschen Gesellschaft für Gastransport.
Herr Abgeordneter Kurlbaum, Sie dürfen jetzt vier Zusatzfragen stellen:
Herr Staatssekretär, bedeutet diese Einigung mit den Ländern, daß damit unabhängig von der endgültigen Gestaltung der Beteiligungsverhältnisse nunmehr die Genehmigung für diese Gesellschaft und ihre Anlagen sozusagen im voraus gegeben worden ist?
Nein, Herr Abgeordneter, das bedeutet dies nicht. Denn alle Wirtschaftsminister der Länder werden die Erteilung ihrer Genehmigung davon abhängig machen, daß die Grundsätze, auf die wir uns geeinigt haben, glaubhaft und verläßlich vorher in Verhandlungen zwischen den Landeswirt6696
schaftsministerien und den jeweils betroffenen Gruppen sichergestellt werden. Das gilt ganz besonders für Süddeutschland.
Sind Sie bereit, hier zu sagen, was diese Voraussetzungen zahlenmäßig für die Beteiligung der die Verbraucher repräsentierenden süddeutschen Gesellschaften bedeuten würde?
Ich glaube, daß ich im Interesse aller künftigen Gesellschafter, insbesondere auch der süddeutschen kommunalen Gasgesellschaften, handle, wenn ich die Anteilszahlen nicht erwähne; denn jedermann würde sich in den augenblicklich in vollem Schwung befindlichen Verhandlungen geschädigt fühlen, wenn ich hier zahlenmäßige Angaben dazu machte.
Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es denn nicht, wenn Sie jetzt begreiflicherweise auch keine Einzelheiten sagen können, Ihr Eindruck aus den Verhandlungen mit den Wirtschaftsministern der süddeutschen Länder, daß diese nach sehr vernünftigen, auch im Interesse der Verbraucher liegenden Lösungen streben?
Die Wirtschaftsminister aller süddeutschen Länder sind nicht nur in dieser Sache, sondern begreiflicherweise traditionell sehr extreme Anwälte einer verbraucherorientierten Energiepolitik. Sie haben diesen Gesichtspunkt in diesen Verhandlungen mit Härte und Konsequenz und mit bewundernswerter Logik zur Geltung gebracht.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es nicht auch so, daß bei diesen Verhandlungen entsprechend berücksichtigt wird, daß die süddeutschen Länder wegen ihrer Revierferne ganz besondere Energieprobleme haben, die in dieser Art doch zufriedenstellend gelöst werden können?
Frau Abgeordnete, ich antworte am besten mit einem Zitat eines der prominenten süddeutschen Wirtschaftsminister: Das Wichtigste in dieser Sache ist, neue industrielle Standorte südlich des Mains so leistungsfähig wie nur möglich zu machen. Dieser Aufgabe dient diese Politik.
({0})
Keine Zusatzfrage mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Nach der Wirtschaft gehen wir gleich zur Landwirtschaft über. Hier liegt nur eine Frage - die Frage II des Abgeordneten Ertl - vor:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, ab 1966 keine Mittel für die Förderung von Maschinengemeinschaften und Futterbaubetrieben ({0}) zur Verfügung zu stellen, weil diese Maßnahme nicht EWG-konform ist?
Herr Bundesminister, ich darf bitten, diese Frage zu beantworten.
Es ist beabsichtigt, die beiden genannten Maßnahmen des Bundes ab 1966 einzustellen, jedoch nicht deshalb, weil sie nicht EWG-konform sind, sondern aus folgenden Gründen.
Bei den Gemeinschaftsmaschinen hat die Bundesregierung aus den Erfahrungen der letzten Jahre die Überzeugung gewonnen, daß ein weiterer Einsatz von Förderungsmitteln des Bundes nicht mehr gerechtfertigt ist. Zwar wurde die überbetriebliche Maschinenverwendung von der Landwirtschaft als wirksames Mittel für eine rationelle Erzeugung erkannt und fand inzwischen weite Verbreitung. Dabei entstand jedoch eine Vielzahl von Organisationsformen mit gebietsweise sehr unterschiedlicher Bedeutung. Dementsprechend unterschieden sich auch die Auffassungen in den einzelnen Ländern über die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Organisationsformen und über eigene Förderungsmaßnahmen der Länder.
Diese Entwicklung zu einer größeren Differenzierung der Organisationsformen und zu deren unterschiedlicher Beurteilung auf Grund der jeweiligen gebietlichen Verhältnisse war mit der Anlaß, daß sich mehrere Länder bereits seit Jahren für ein Auslaufen der Bundesmaßnahmen eingesetzt haben. Eine Aufgabe des Bundes ist hier also nicht mehr gegeben. Denn es ist nicht möglich, in einer Bundesmaßnahme den verschiedenen regionalen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein zweckentsprechender Einsatz der Bundesmittel ist nicht mehr sicherzustellen. In den Erläuterungen des Grünen Planes 1965 ist - wie schon 1964 - vermerkt, es werde erwartet, daß diese Maßnahme künftig von den Ländern in eigener Zuständigkeit übernommen werde.
Für die Förderung von „technischen Anlagen, insbesondere in Futterbaubetrieben" sind bisher seit Beginn der Aktion Bundesmittel in Höhe von rund 160 Millionen DM verausgabt worden. Diese Maßnahme fällt an sich in die Zuständigkeit der Länder. Sie soll deshalb auch in deren finanzielle Verantwortung überführt werden. Aus diesem Grunde wurde in den Erläuterungen des Grünen Planes 1964 darauf hingewiesen, daß ein spürbarer Abbau der finanziellen Beteiligung des Bundes vorgenommen werden sollte. In den Bewilligungsbedingungen 1965 wurde vorsorglich darauf hingewiesen, daß Bundeszuschüsse für diesen Zweck im Jahre 1965 letztmalig bewilligt werden. Ich werde mich in Kürze darüber informieren, inwieweit von den Ländern Mittel für die Fortsetzung der Förderungsmaßnahmen vorgesehen sind, und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten darüber berichten.
Unter Bezugnahme auf die getroffenen Absprachen bei den letzten Agrarministerkonferenzen habe ich die Länder nochmals mit meinem Schreiben vom 10. März dieses Jahres gebeten, darum besorgt zu sein, daß gegebenenfalls in den eigenen Haushalten entsprechende Mittel eingeplant werden. Ich bin überzeugt, daß die Länder die Maßnahmen in der von ihnen als zweckmäßig erachteten Form weiterführen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß auch die anderen Maßnahmen des Grünen Planes regional verschieden wirken, so daß es auch bei der jetzt vorgesehenen Herausnahme dieser Mittel noch zu regionalen Schwerpunkten kommen wird?
Herr Kollege, welche anderen Maßnahmen haben Sie im Auge?
Ich denke z. B. an die Wasserwirtschaft, an die Maßnahmen in den Küsten- bzw. Marschengebieten und an die Altschuldenkonsolidierung.
Wir müssen bestrebt sein, die Maßnahmen des Bundes gleichmäßig über die Länder wirksam werden zu lassen. Wenn einzelne Länder ausdrücklich bitten, Maßnahmen einzustellen, die für sie nicht von Interesse sind, so müssen wir zu dem Ergebnis kommen, daß es sich in solchen Fällen nicht mehr um den richtigen Weg handelt, derartige Aufgaben vom Bund aus wahrzunehmen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Minister, werden Sie bei den kommenden Gesprächen mit den Länderagrarministern dafür Sorge tragen, daß es auf jeden Fall in jenen Gebieten, wo diese Maßnahmen schwerpunktmäßig weitergeführt werden müssen, im Jahr 1965 nicht zu einem Bruch kommt?
Wir werden bemüht sein, genau das durchführen zu helfen, was Sie eben anführten, Herr Kollege. Es darf nicht zu einer Härte, zu einem Bruch kommen. Insoweit werden wir uns bemühen, mit den Ländern ein gutes Einvernehmen zu erzielen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, wenn man davon ausgeht, daß die bisher gewährten Bundesmittel eine ausgezeichnete Initialzündung zu diesen Maßnahmen ergeben haben, muß man dann nicht
befürchten, daß durch das vorgesehene Vorgehen ab 1966 eine Wettbewerbsungleichheit für die Landwirte in den verschiedenen Ländern entsteht?
Es liegt natürlich im Wesen der Unterschiedlichkeit Ider Aufgaben in den jeweiligen Ländern, daß von Land zu Land unterschiedliche Maßnahmen möglich sind und auch getroffen werden. Man wird da niemals ein absolutes Gleichmaß herbeiführen können. Wir sind aber auf Grund der Wünsche verschiedener Länder überzeugt, daß sie ihrerseits das tun, was regional besonders notwendig erscheint. Wir befürchten nicht, daß dadurch Spannungsverhältnisse zwischen den einzelnen Ländern eintreten werden.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Ist der Wunsch der von Ihnen angeführten Länder vielleicht deshalb entstanden, weil die Richtlinien des Bundes zu eng waren und in den betreffenden Ländern zu einer Einengung 'der an sich beabsichtigten weitergehenden Maßnahmen geführt haben?
Ich glaube nicht, daß das der Grund ist. Er dürfte vielmehr in der unterschiedlichen Struktur der Landwirtschaft in den einzelnen Räumen liegen. Die landwirtschaftliche Struktur ist z. B. im südwestdeutschen Bereich anders als im norddeutschen Bereich. Hieraus ergeben sich Gegensätze in der Auffassung.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und rufe zunächst die von dem Abgeordneten Fritsch gestellte Frage X/1 auf:
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 1965, das besagt, daß § 65 Abs. 2 AVAVG in der Fassung vom 1. April 1957 in Hinsicht auf den bisherigen Ausschluß von Familienangehörigen von Arbeitgebern aus der Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung mit Artikel 3 GG nicht übereinstimmt?
Herr Abgeordneter, ich darf davon ausgehen, daß Sie den Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1965 meinen, der sich mit der gleichen Vorschrift befaßt, - weil sich ein Urteil des Ersten Senats zu dieser Frage vom 8. März 1965, wie Sie in der Frage angeben, nicht auffinden läßt. Nach diesem Beschluß ist der § 65 Abs. 2 des AVAVG nichtig; dies hat zur Folge, daß die Beschäftigung von Kindern bei ihren Eltern, Voreltern, Schwieger-, Stief- und Pflegeeltern unter den gleichen Voraussetzungen wie die Beschäftigung bei einem sonstigen Arbeitgeber versicherungspflichtig ist.
Diese Rechtslage ist vom Tage des Beschlusses an allen Entscheidungen über Anträge auf Arbeitslosengeld, Schlechtwettergeld, Kurzarbeitergeld und sonstige Leistungen nach dem AVAVG zugrunde zu legen, und zwar auch, soweit es sich um Fälle handelt, die vor dem 16. Februar 1965 entstanden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, bis wann, glauben Sie, kann ,die Bundesregierung hierzu eine Verordnung erlassen oder eine Entscheidung treffen?
Da ist keinerlei Verordnung nötig. Der Paragraph gilt nicht. Ab sofort ist bei Anträgen von der neuen Rechtslage auszugehen.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ist in diesem Beschluß enthalten, daß die Arbeitslosenversicherung nunmehr keine Zwangsversicherung mehr ist, sondern daß es in der Entscheidung der Familienangehörigen bleiben sollte, ob sie sich gegen Arbeitslosigkeit versichern wollen oder nicht?
Nein, Herr Abgeordneter, die betreffenden Personen sind jetzt versicherungspflichtig im Gegensatz zu der vom Gesetzgeber bisher getroffenen Regelung, nach der bei solchen etwas schwierig übersehbaren arbeitsrechtlichen Verhältnissen die betreffenden Beschäftigten versicherungsfrei bleiben sollten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist es denn möglich, daß die entsprechende Pressemeldung, die über die Beschlußfassung des Gerichtes berichtet, falsch ist; denn die spricht davon, daß hiermit zum erstenmal die Zwangsversicherung durchbrochen werde und daß es in der Entscheidung des einzelnen Familienangehörigen bzw. des Beschäftigungsgebers liege, ob jemand versicherungspflichtig sei oder nicht?
Ich glaube, daß diese Pressemitteilung in dieser Form nicht zutrifft. Ich will es aber gern nachprüfen, was in dieser Diskussion nicht möglich ist, und Ihnen dann Bescheid geben.
Keine Zusatzfrage. Dann kommen wir zu den Fragen des Abgeordneten Matthöfer, zunächst zu Frage X/2:
Welche Ergebnisse hatten die Ermittlungen der Bundesregierung über das Bestehen privater Betriebsgerichte oder ähnlicher Einrichtungen?
Herr Staatssekretär, bitte sehr!
Herr Abgeordneter, als wir uns das letztemal mit dieser Frage in diesem Hohen Hause befaßten, habe ich darauf hingewiesen, daß wir mit den Referenten der Arbeitsminister der Länder zusammenkommen würden und daß wir bei dieser Gelegenheit einen Gesamtüberblick über die Lage der sogenannten Betriebsgerichtsbarkeit zu erlangen hofften.
Das ist leider nicht der Fall gewesen. Denn die Landesarbeitsminister haben .auch keinen Überblick über Art und Umfang sogenannter Betriebsgerichte. Auch sind uns inzwischen weder ,aus den Kreisen der Arbeitnehmer selber noch von den Sozialpartnern entsprechende Nachrichten zugegangen, so daß wir in der Lage gewesen wären, uns mit den Tatsachen näher bekanntzumachen.
Die staatlichen Gerichte waren bisher nur in ganz geringem Umfang mit der Nachprüfung solcher betrieblichen Maßnahmen befaßt. Die Bundesregierung wird selbstverständlich auch in Zukunft in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Länder die Entwicklung auf diesem Gebiet sehr sorgfältig beobachten. Ich darf aber um Verständnis dafür bitten, daß die staatlichen Organe es nicht leicht haben, hierüber Informationen zu erhalten, weil es sich um innerbetriebliche Vorgänge handelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung inzwischen bekanntgeworden, daß das von mir in der Fragestunde am 6. November 1964 genannte Beispiel der Ahndung zahlreicher krimineller Delikte durch ein Betriebsgericht aus einer Aktennotiz stammen soll, die dem Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen vorliegt?
Wir haben diese Frage bei der damaligen Besprechung erörtert und sind eben nicht zu Ergebnissen gekommen, die so konkret wären, daß sie hier vorgetragen werden könnten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Kennt die Bundesregierung Pressemeldungen, nach denen der Justizminister von Nordrhein-Westfalen erklärt haben soll, eine Überprüfung habe ergeben, daß durch Betriebsgerichte auch Körperverletzungen, Beleidigungen und Diebstähle geahndet worden seien?
Herr Abgeordneter, das kann ich im Augenblick nicht nachprüfen; diese Meldung ist mir nicht bekannt.
Dann kommen wir zur Frage X/3 - des Abgeordneten Matthöfer -:
Ahnden die privaten Betriebsgerichte auch gesetzlich strafbare Handlungen?
Nach dem bisher vorliegenden Tatsachenmaterial werden durch Maßnahmen der Betriebe Verstöße gegen die Betriebsordnung auf der Grundlage von Betriebsordnungen arbeitsrechtlich geahndet. Zu den behandelten Verstößen gehören, wie ich bereits auf eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Jahn in der Fragestunde der 144. Sitzung erwähnt habe, auch solche, die gleichzeitig Deliktcharakter haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, wenn es zutrifft, daß Betriebsgerichte auch Vergehen ahnden, die Deliktcharakter haben, würden Sie dann einer Stimme aus der Literatur zustimmen? -, die sagt:
Soweit Betriebsgerichte kriminelle Delikte aus eigener Machtvollkommenheit ahnden, verstoßen sie gegen tragende Prinzipien unserer Rechtsordnung, arbeiten de facto als Ausnahmegerichte, die von Art. 101 des Grundgesetzes verboten sind, sie entziehen den Beschuldigten dem gesetzlichen Richter, sie umgehen die Rechtsprechungsbefugnis der staatlichen Organe, machen sich der Nötigung, der Erpressung und vielleicht auch der Begünstigung schuldig.
Ich stimme Ihnen völlig zu. Sie haben in der Frage X/4 dazu eine Antwort erbeten, und wenn der Herr Präsident gestattet, möchte ich zugleich jetzt die Antwort auf diese Frage geben.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär. - Ich lasse Ihnen nachher noch eine Zusatzfrage zu, Herr Abgeordneter.
({0})
- Sie bekommen nachher noch eine Zusatzfrage.
({1})
- Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt eine Zusatzfrage gestellt, die eigentlich keine Zusatzfrage zur Frage X/3, sondern zur Frage X/4 ist. Wenn der Herr Staatssekretär sich jetzt auf die Antwort beziehen will, die er zur Frage X/4 gibt, ist es zweckmäßig, wenn er zunächst die Frage X/4 beantwortet. Da Ihnen aber noch eine Zusatzfrage zur Frage X/3 zusteht, rechne ich Ihnen diese an. Mehr können Sie nicht erwarten. Bitte sehr, ich habe entschieden und rufe nunmehr die Frage X/4 - des Abgeordneten Matthöfer - auf:
Ist die Ahndung gesetzlich strafbarer Handlungen durch private Betriebsgerichte nach Meinung der Bundesregierung mit dem
Grundgesetz vereinbar?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, eine innerbetriebliche Ahndung von Verstößen gegen die betriebliche Ordnung, die zugleich einen Straftatbestand erfüllen, berührt den staatlichen Strafanspruch nicht. Wenn die sogenannte Betriebsjustiz in einer Weise geübt wird, daß sie in das staatliche Rechtsprechungsmonopol eingreift, ist das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das gleiche gilt - das war soeben Ihre Frage -, wenn etwa das Recht auf ein ordentliches und rechtstaatliches Verfahren beschränkt oder ausgeschlossen wird.
Herr Abgeordneter Matthöfer, Sie haben jetzt zu dieser Frage zwei und zur vorherigen Frage noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind von Ihnen die Tatbestände nachgeprüft worden, die unter Namensnennung der Betriebe und der Behörden in einer Veröffentlichung vom 10. Dezember 1964, also vor drei Monaten, unter der Überschrift, „Blank lügt" dargestellt worden sind und die mit Ihrer Antwort auf meine zweite Frage nicht übereinstimmen?
Ich kenne diese Meldung nicht, würde aber von mir aus sagen, daß eine Meldung unter dieser Überschrift von uns nicht nachgeprüft wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie halten es also, auch nachdem die Presse und die Fachpresse wiederholt Tatbestände geschildert haben, die nach Meinung der Juristen, die darüber geschrieben haben, einen klaren Verfassungsbruch darstellen, nicht für eine Aufgabe der Bundesregierung, diese Tatbestände nachzuprüfen?
Herr Abgeordneter, das habe ich nicht gesagt; ich würde auch diese Frage verneinen müssen. Ich bitte Sie aber, folgendes einzusehen: Die Bundesregierung ist bei der Durchführung dieser Maßnahmen auf die Mitwirkung der Länder angewiesen. Wir haben damals die zuständigen Stellen der Länder gebeten, uns Material zu der Frage zu geben. Wir haben, wie ich in der Antwort auf die Frage 1 sagte, bisher ausreichendes Material nicht von den Ländern erhalten. Wir können nicht eigene Untersuchungen von uns aus anstellen. Dazu sind wir nicht befugt. Solange wir nicht einen Überblick haben und wenn außerdem die Sozialpartner uns nicht unmittelbar Mitteilung machen - weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer haben das getan -, haben wir gar keine Handhabe, weiteres zu veranlassen, obwohl ich mit Ihnen übereinstimme, daß es durchaus falsch wäre, wenn die sogenannten Betriebsgerichte sich Zuständigkeiten anmaßen, die sie nicht haben,
Ihre letzte Zusatzfrage!
Wenn Ihnen also Tatbestände zur Kenntnis gebracht würden, dann würden Sie es für eine Verpflichtung der Bundesregierung erachten, dafür Sorge zu tragen, daß derartige verfassungswidrige Praktiken nicht mehr ausgeübt werden können?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Ich muß das aber wissen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage X/5 - des Abgeordneten Kaffka -:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die im vergangenen Jahr angeregte gemeinsame Heilfürsorge für französische und deutsche Kriegsopfer zu fördern?
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst bemerken, daß Ihre Anfrage nicht erkennen läßt, von wem die Anregung zu einer gemeinsamen Heilfürsorge für französische und deutsche Kriegsbeschädigte ausgegangen sein soll. Ich vermute aber, daß Sie die der zuständigen Abteilung meines Hauses zugegangene Anregung des Vertreters eines Kriegsopferverbandes meinen. Wenn das der Fall ist, darf ich Ihnen auf Ihre Frage folgendes antworten:
Als Rechtsgrundlage für eine Art gemeinsamer Heilbehandlung in der Weise, daß französischen Kriegsbeschädigten Heilbehandlung in deutschen Einrichtungen gewährt wird oder umgekehrt, kommt das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats über den Austausch von Kriegsbeschädigten zum Zweck der Heilbehandlung vom 13. Dezember 1955 in Betracht. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt nicht zuletzt wegen ihrer geographischen Lage und wegen der klimatischen Verhältnisse über alle Einrichtungen, die für eine moderne und zweckmäßige Heilbehandlung erforderlich sind. Dies ist auch in den Verhandlungen des Europarats zum Ausdruck gebracht worden. Die Bundesrepublik wird daher kaum genötigt sein, andere Mitgliedstaaten um die Aufnahme von deutschen Kriegsbeschädigten zwecks Heilbehandlung zu bitten. Auf der anderen Seite haben Vertreter meines Hauses immer wieder betont, daß die Bundesregierung bereit ist, Kriegsbeschädigte anderer Staaten im Rahmen des Abkommens zur Durchführung einer besonderen Heilbehandlung aufzunehmen.
Auf französischer Seite werden die Verhältnisse ähnlich liegen. Gleichwohl stehen wir der von Ihnen erwähnten Anregung nicht ablehnend gegenüber. Mein Haus ist daher mit dem Vertreter des Verbandes, der den Austausch angeregt hat, dahin verblieben, daß dieser Verband Verbindung zu seinen französischen Partnern aufnimmt, um die Voraussetzungen auf französischer Seite zu klären. Sollte dort Bereitschaft bestehen, ist an einen Gruppenaustausch von etwa 20 Kriegsbeschädigten zum Zwecke der Heilbehandlung gedacht,
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe nunmehr die einzige Frage aus dem GeGeschäftsbereich des Auswärtigen Amts - die Frage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus - auf:
Wird eine deutsche Schule in London errichtet?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
Das Auswärtige Amt hat sich, wie schon in der Fragestunde am 16. Dezember vorigen Jahres mitgeteilt, im September 1964 bereit erklärt, eine im Laufe des Jahres 1965 zu gründende vierklassige deutsche Schule in London zu fördern. Nunmehr haben die Eltern der künftigen Schüler erklärt, nur an einer mindestens elfklassigen Schule interessiert zu sein. Eine elfklassige Schule würde etwa einer zehnklassigen in Deutschland entsprechen. Das Vorhaben ist vom kulturpolitischen Standpunkt aus zu begrüßen. Die Finanzierungsfrage bleibt aber noch zu prüfen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus!
Herr Staatssekretär, kennen Sie die Ausführungen, die Frau von Benda in der Presse gemacht hat, und zwar darüber: „Wer anderen keine Schule baut ...", und wie stellt sich hier das Auswärtige Amt zu den Vorwürfen, die in dieser Hinsicht erhoben werden?
Den Artikel kenne ich leider nicht, gnädige Frau.
Ich werde Ihnen diesen Artikel geben.
Aber dann noch eine weitere Frage: Herr Staatssekretär, besteht, wenn die Errichtung der deutschen Schule in London sich weiter verzögert, die Gefahr, daß die SBZ ihre Pläne verwirklicht und in London eine deutsche Schule errichtet?
Von solchen Plänen ist die Sprache gewesen. Sie scheinen aber nicht weiter verfolgt zu werden.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung; zuerst Frage XI/1 - des Abgeordneten Dr. Kliesing -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Harmonisierung des Stellenkegels in der Bundeswehrverwaltung mit dem Durchschnitt der Bundesländer eine Anhebung von etwa 5600 Beamtenstellen bzw. mit den anderen Bundesbehörden eine Anhebung von etwa 1700 Beamtenstellen bedingen würde?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich bitte damit einverstanden zu sein, daß die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing zusammen beantwortet werden.
Bitte sehr, Herr Bundesminister. Dann rufe ich auch Frage XI/2 - des Abgeordneten Dr. Kliesing - auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die in Frage XI/1 genannte Harmonisierung zu verwirklichen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Zunächst zur Frage Nr. 1:
Das Fehlen von rahmenrechtlichen Vorschriften für eine möglichst einheitliche Bewertung der Amtsgeschäfte im Sinne eines gleichen besoldungsrechtlichen Leistungsprinzips in Bund und Ländern hat auch im Bereich der Bundeswehrverwaltung dazu geführt, daß der Stellenkegel der Bundeswehrverwaltung von dem der Länder zum Teil beträchtlich abweicht. Die Harmonisierung dieser Stellenkegel macht die Anhebung einer erheblichen Zahl von Beamtenstellen in der Bundeswehrverwaltung erforderlich.
Soweit der Stellenkegel der Bundeswehrverwaltung gegenüber den Kegeln anderer Bundesbehörden abweicht, ist darauf hinzuweisen, daß sich insbesondere die wiederholten Haushaltsüberrollungen auf den Stellenkegel der seinerzeit noch im Aufbau befindlichen Bundeswehrverwaltung nachteilig ausgewirkt haben.
Bei der Ermittlung exakter Zahlen dürfen die Schwierigkeiten nicht verkannt werden, die sich aus dem Vergleich von Stellenkegeln verschiedener Verwaltungen und im Hinblick auf die zwischen Bund und Ländern und auch innerhalb der Länder bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Stellenschlüssel ergeben. Die genannten Zahlen von 5600 bzw. 1700 anhebungsbedürftigen Beamtenstellen konnten daher noch nicht überprüft werden; sie können jedoch zutreffen, wenn die unterschiedliche Struktur und Organisation der miteinander verglichenen Verwaltungen und deren verschiedenartige Aufgaben außer acht gelassen werden.
In der Frage Nr. 2 wird gefragt, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um eine solche Harmonisierung zu verwirklichen. Die Antwort:
Die Bundesregierung wird entsprechend dem vom Deutschen Bundestag angenommenen Entschließungsantrag Umdruck Nr. 577 Vorschläge für eine Verbesserung der Stellenpläne in den Bundesverwaltungen und damit auch der Bundeswehrverwaltung erarbeiten und Lösungen vorschlagen, die künftig eine weitgehende Übereinstimmung in der Entwicklung der Stellenpläne bei Bund und Ländern ermöglichen sollen.
Unbeschadet dessen, Herr Abgeordneter, wird sich die Bundesregierung bemühen, noch im Wege der Nachschiebeliste zum Haushalt 1965 sowie im Zusammenhang mit dem Haushalt 1966 den Stellenkegel der Bundeswehrverwaltung zu verbessern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es geradezu ein Alarmruf ist, wenn im Schreiben des Herrn Bundesministers der Finanzen an den Deutschen Bundestag vom 29. Januar 1965 - .Bundestagsdrucksache IV/3035 - in der Anlage I festgestellt wird, daß im Jahre 1964 im Durchschnitt der Bundesverwaltung das Ausmaß der Verbesserungen 5,6 %, im Ressort des Herrn Bundesfinanzministers sogar 9,1 %, dagegen in Ihrem Bereich nur 0,5% betrug?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, die Anlage I bestärkt die Argumentation ,des Bundesministers der Verteidigung gegenüber seinem Kollegen, dem Finanzminister.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing.
Glauben Sie, Herr Minister, daß - bei allem Verständnis für die von Ihnen erwähnte Schwierigkeit, Bundesverwaltungen miteinander zu vergleichen - die Situation in der Bundeswehrverwaltung auf diesem Gebiet inzwischen doch so kritisch geworden ist, daß sie Sofortmaßnahmen rechtfertigen würde?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: In allen Verhandlungen, die das Verteidigungsministerium mit idem Finanzministerium geführt hat, und in allen Aussprachen, die darüber auch im Haushaltsausschuß stattgefunden haben, ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß es unerträglich ist, wenn der Haushalt des Verteidigungsministeriums seit Jahren überrollt wird. Das Problem, das hier angesprochen wird, hat im wesentlichen darin seinen Grund.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Minister, an welche konkreten 'Sofortmaßnahmen wäre wohl zu denken?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube, es ist am besten, daß darüber der Verteidigungsausschuß dann unterrichtet wird, wenn, die Chefbesprechung zwischen dem Finanzminister und dem Verteidigungsminister stattgefunden hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, sind Sie mit mir darin einig, daß eine gerechte Einsstufung nur möglich ist, wenn man eine Einzeldienstpostenbewertung durchführt und nicht Globalvergleiche anstellt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube, daß beides miteinander kombiniert werden muß. Wenn Sie die Entwicklung auf der Länderebene betrachten, dann stellen Sie fest, daß dort
Bundesminister von Hassel
Globalentscheidungen getroffen werden und nicht Einzeldienstpostenbewertungen. Man muß also beides miteinander kombinieren.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Herr Minister, wären Sie bereit, einmal zu verfolgen, wie im Haushaltsausschuß die Einstufungen der Zollverwaltung revidiert wurden? Ich meine, daß man in Ihrem Ressort ähnlich verfahren müßte, daß man nämlich von der tatsächlichen Dienstbewertung ausgehen müßte und nicht von Prozentsätzen.
von Hassel, Bundesminister des Verteidigung: Ich habe gesagt, .daß beides zusammengehört. Eine Neubewertung der Dienstposten ist, wie Sie wissen, im Gange.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück!
Brück ({0})-: Herr Bundesverteidigungsminister, darf ich noch einmal ganz konkret fragen, ob Sie bereit sind, bei den Verhandlungen über eine Verbesserung der Stellenplangestaltung noch im Jahre 1965, die jetzt, scheint es, allgemein anzulaufen beginnen, daran mitzuwirken, daß auch mit Rücksicht auf die Situation in den Ländern noch in diesem Jahre unbedingt etwas geschieht?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich wäre 'töricht, wenn ich das nicht täte.
({1})
Ich rufe auf die Frage XI/3 - des Abgeordneten Dr. Schneider ({2}) -:
Wieviel Prozent ({3}) der Waffenlieferungen an Israel sind aus dem Besitz der Bundesrepublik ({4}) abgegeben worden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 16. März 1965 lautet:
Die sogenannten „Waffenlieferungen" an Israel betreffen nicht nur Waffen, sondern in überwiegendem Umfang anderes Gerat, wie z. B. Lastkraftwagen, Sanitätskraftwagen, unbewaffnete Hubschrauber, Schul- und Verbindungsflugzeuge.
Wenn ich von den gesamten Lieferungen ausgehen soll, so ist es gleichwohl schwierig, Prozentzahlen anzugeben, da es dafür eines gemeinsamen Nenners bedarf. Bei Zugrundelegung des Zeitwertes ist Ihre Frage mit „knapp 60 %" zu beantworten.
Ich komme dann zu den Fragen XI/4 und XI/5 -des Abgeordneten Fritsch -, die sachlich zusammengehören:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Auflösung des US-Standortes in Straubing 350 Bedienstete entlassen werden?
Ist mit einer Übernahme der in Frage XI/4 erwähnten Bediensteten durch die Bundeswehr in Straubing zu rechnen?
Der Fragesteller wird vertreten durch den Abgeordneten Lautenschlager.
Die Antwort auf die erste Frage lautet:
Der Standort Straubing soll im Laufe dieses Jahres infolge der Verlegung von Einheiten der US-Streitkräfte geräumt werden. Mit dieser Maßnahme scheiden voraussichtlich 350 deutsche Angestellte und Arbeiter aus ihrem jetzigen Arbeitsverhältnis aus. Der Zeitpunkt der Übergabe der Kasernenanlagen steht noch nicht fest. Das amerikanische Hauptquartier USAREUR wird im Mai 1965 hierüber verhandeln.
Die zweite Frage, die dazugehört, ob mit einer Übernahme dieser Bediensteten durch die Bundeswehr in Straubing zu rechnen ist, beantworte ich wie folgt.
Die Bundeswehr ist grundsätzlich daran interessiert, das geeignete Personal im Rahmen der freien Stellen zu übernehmen. Die Verwendungsmöglichkeiten im Standortbereich Straubing sind jedoch dadurch eingeschränkt, daß die Bundeswehr nicht in vollem Umfang die zur Zeit den zivilen Angehörigen übertragenen Aufgaben weiterführt. Das betrifft insbesondere die Angestellten und Arbeiter, die 'in den amerikanischen Wirtschafts- und Betreuungsbetrieben unter eigener Regie beschäftigt werden.
Soweit das Personal in Straubing nicht übernommen werden kann, wird eine Unterbringung bei Dienststellen der Bundeswehr außerhalb dieses Standortes geprüft. Voraussetzung ist jedoch, daß die Arbeitnehmer mit einem Wechsel ihres Dienstortes einverstanden sind.
Während der Überholungsarbeiten in den Kasernenanlagen bis zur Neubelegung durch Einheiten der Bundeswehr werden nicht alle für eine Übernahme 'in Betracht kommenden Angestellten und Arbeiter sofort beschäftigt werden können. Sie sollen vorübergehend zu Bundeswehrdienststellen in der Nähe ihres Wohnortes abgeordnet werden, .damit ihnen durch eine möglichst ununterbrochene Beschäftigung der Anspruch auf Anrechnung der bei den US-Streitkräften geleisteten Dienstzeit erhalten bleibt.
Unabhängig von der Übernahme in den Bereich der Bundeswehr werden sich auch die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - also Arbeitsämter und Landesarbeitsämter - wie in allen diesen Fällen für eine Unterbringung der freiwerdenden Arbeitskräfte 'einsetzen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Lautenschlager!
Herr Minister, sind Sie bereit, wenn schon eine korporative Übernahme der bisher bei den US-Streitkräften in Straubing Beschäftigten auf Bundes- und Landesbehörden nicht möglich ist, wenigstens die Einzelübernahmen großzügig zu handhaben, um den Übernommenen die gleichen Rechte wie den bei den deutschen Behörden Beschäftigten zuzuerkennen, was sich besonders in der Zuerkennung der Unkündbarkeit nach 15jähriger Beschäftigung und in der Verlängerung der Übernahmefristen ausdrücken könnte?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Bei ähnlich gearteten Komplexen haben wir darauf zu dringen, daß nicht zwei verschiedene Dienstbereiche mit zwei unterschiedlichen Bestimmungen beispielsweise im Tarifrecht für den Betreffenden uns, der Bundeswehr gegenüber bestehen. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen eine Reihe von Beispielen aus anderen Bereichen nennen würde. Wir wollen nicht, daß die so Übernommenen bessergestellt werden als jene Kräfte, die schon seit Jahren bei der Bundeswehr sind. Wir wollen damit aber auch deutlich machen, daß sie nicht schlechter gestellt werden sollen, sondern sie werden so behandelt wie ihre deutschen Partner. Voraussetzung für jede Übernahme ist aber, daß der Betroffene in die Aufgaben der Bundeswehr auch vernünftig eingegliedert werden kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lautenschlager.
Herr Bundesminister, darf ich fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die Vordienstzeiten bei den US-Dienststellen und die sonstigen arbeitsrechtlichen Vorteile ausschließlich bei Übernahme in den Dienst der Bundeswehr angerechnet werden?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Disee Frage weiß ich nicht zu beantworten.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann kommt die Frage XI/6 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß zur Erweiterung der Übungsmöglichkeiten auf dem Truppenübungsplatz Baumholder nicht die vorhandenen und vor 2 Jahren erworbenen 100 ha eines Gutshofes benutzt werden, sondern eine Fläche in der Nähe eines Dorfes vorgesehen ist, deren Inanspruchnahme den sicheren Untergang einer Reihe lebensfähiger bäuerliche; Familienbetriebe bedeutet?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers von Hassel vom 18. März 1965 lautet:
1. Der vor zwei Jahren erworbene Gutshof „Fischerhof", westlich des Truppenübungsplatzes Baumholder gelegen, ist etwa 140 ha groß. Er ist als Standortübungsplatz Idar-Oberstein vorgesehen, weil der bisherige in der Gemarkung Idar-Oberstein liegende Standortübungsplatz zum Bau der Artillerieschule verwendet werden mußte. Dieses Vorhaben ist mit der Landesregierung Rheinland-Pfalz abgestimmt worden und fand deren Billigung im Dezember 1962.
Von dem „Fischerhof" werden nach Abzug des Bedarfs für die Standortmunitionsniederlage der Garnison Idar-Oberstein etwa 120 ha für Übungszwecke zur Verfügung stehen, die infolge starker Zerklüftung und Hängigkeit des Geländes nur bedingt militärisch genutzt werden können. Außerdem ist dieses Gelände größtenteils forstwirtschaftlich genutzt und engt auch insoweit die Übungsmöglichkeiten für die Truppe ein. Für die Truppenstärke des Standortes Idar-Oberstein wäre ein Standortübungsplatz in Größe von rd. 300 ha notwendig. Es ist deshalb nicht möglich, diesen neuen Standortübungsplatz etwa zur Erweiterung des Truppenübungsplatzes Baumholder oder als Außenfeuerstellung dafür heranzuziehen.
2. Anders liegt es bei der von Ihnen offenbar gemeinten Ortschaft Unterjeckenbach ostwärts des Truppenübungsplatzes Baumholder und der nördlich dieser Ortschaft ausgewiesenen Außenfeuerstellungen B 1 ({0}) und B 3. Derartige Außenfeuerstellungen, aus denen auf Ziele im Inneren des eigentlichen Schießplatzes geschossen wird, ermöglichen eine wesentlich intensivere Ausnutzung der Truppenübungs- und Schießplätze und damit eine erhebliche Landersparnis. Die im Umkreis des Truppenübungsplatzes Baumholder einzurichtenden Außenfeuerstellungen sind in jahrelangen eingehenden Verhandlungen mit der Landesregierung festgelegt worden. Auch für die Außenfeuerstellungen B 1 ({1}) und B 3 hat ein förmliches Anhörungsverfahren stattgefunden, in dessen Verlauf die Landesregierung mit Schreiben vom 19. November 1964 ihre Einwendungen zurückgestellt hat. Die Besorgnis,
daß durch den Schießbetrieb aus diesen Außenfeuerstellungen bäuerliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden, halte ich für unbegründet, da der den überwiegenden Teil der Außenfeuerstellungen umfassende Gefahrenbereich lediglich stundenweise abgesperrt wird und die Sperrzeiten jeweils spätestens zwei Wochen vorher durch öffentlichen Aushang in der Gemeinde bekanntgegeben werden. Im übrigen hat gerade wegen dieser Fragen die Standortkommandantur Baumholder bereits im Sommer 1964 vorsorglich mit dem zuständigen Kulturamt Fühlung aufgenommen.
Ich lasse jedoch zur Zeit die Möglichkeiten prüfen, für nachgewiesene Wirtschaftserschwernisse im Gefahrenbereich eine Entschädigung zu gewähren.
Dann rufe ich die Frage XI/7 - des Herrn Abgeordneten Haase ({2}) - auf:
In welcher Weise hat der Bundesverteidigungsminister Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Bundeswehr über den Verlauf der Wehrdebatte am 20./21. Januar 1965 unterrichtet?
Herr Präsident, die beiden ersten Fragen des Abgeordneten Haase gehören zusammen.
Dann rufe ich noch die Frage XI/8 - des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) - auf:
Ist die Unterrichtung der Offiziere, Unteroffiziere und Mann. schaften der Bundeswehr über den Verlauf der Wehrdebatte am 20./21. Januar 1965 in jedem Falle unparteiisch und objektiv erfolgt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf verweisen, daß am vergangenen Donnerstag hier in der Fragestunde der gesamte Komplex behandelt worden ist. Im Protokoll der 171. Sitzung des Deutschen Bundestages sind Fragen und Antworten verzeichnet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase!
Herr Minister, ist die Truppe auch auf andere als auf die von Ihnen dargelegte Weise über die Wehrdebatte informiert worden?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe dargestellt, daß sie durch Fernschreiben unterrichtet worden ist; sie ist durch den Pressefunk unterrichtet worden. Sie hat das gesamte Wortprotokoll im Original bekommen, und zwar vervielfältigt durch ein fotomechanisches Verfahren. Das Protokoll über die Fragestunde, die nicht dazugehörte, und über die übrigen Punkte der Tagesordnung ist damals nicht beigefügt worden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase ({0}) !
Herr Minister, denken Sie bei dem Fernschreiben an jenes Fernschreiben, das noch während der Bundestagsdebatte der Presseoffizier des Standortkommandos Hamburg an die nebenamtlichen Presseoffiziere im Standortbereich durchgegeben hat, in dem Teile der Debatte noch während der Debatte in vollem Wortlaut wiedergegeben sind?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kann diese Frage nicht beantworten. Teile der Debatte sind in der nächsten Ausgabe des Pressefunks veröffentlicht worden.
Eine Augenblick, Herr Bundesminister. Haben Sie nur die Frage XI/7 oder auch schon die Fragen XI/8 und XI/9 beantwortet?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Nein, die Frage XI/9 habe ich noch nicht beantwortet, nur die Fragen XI/7 und XI/8.
Herr Abgeordneter Haase ({0}), Sie haben noch zwei Fragen.
Eine Zusatzfrage zu Frage XI/7. Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß die Unterrichtung unparteiisch und objektiv erfolgt, wenn in diesem von mir zitierten Fernschreiben nur in einem kleinen Absatz auf die Ausführungen des Kollegen Wienand hingewiesen worden ist, dann aber in fünf Absätzen wortgemäß das wiedergegeben wird, was Sie in dieser Debatte gesagt haben, dann wieder in einem kleinen Absatz die Zwischenerklärung, die der Kollege Wienand abgegeben hat, und zum Schluß dann noch einige Ausführungen wörtlich wiedergegeben werden, die der Kollege Dr. Strauß gemacht hat?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kenne das Fernschreiben nicht. Ich verweise darauf, daß im Pressefunk Auszüge aus der Debatte veröffentlicht worden sind. Dazu ist aber folgendes zu sagen: Erstens sind die Einheiten darauf aufmerksam gemacht worden, daß in der Ausgabe des „Stern" vom soundsovielten Januar eine Darstellung von Wienand erfolgt ist. Die Einheiten sollten sich diese Ausgabe des „Stern" beschaffen. Zweitens ist dann im Pressefunk dargelegt worden, was hier in der Debatte von mir gesagt worden ist. Drittens ist angekündigt worden, daß der gesamte Wortlaut der Debatte zur Kenntnis gebracht wird.
Ich glaube, daß es objektiver nicht sein kann.
({0})
Herr Haase ({0}), Sie haben jetzt keine Zusatzfrage mehr. Jetzt kommt Herr Abgeordneter Berkhan an die Reihe.
Herr Minister, sind Sie bereit, prüfen zu lassen, wie das Fernschreiben vom Presseoffizier des Standortkommandos Hamburg an alle nebenamtlichen Presseoffiziere im Standortbereich Hamburg zustande kam?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Dann muß ich zunächst einmal wissen, was das für ein Fernschreiben ist.
Ich bin bereit, Ihnen dieses Fernschreiben zur Verfügung zu stellen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Bitte schön!
Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, Sie sagten vorhin, daß Sie veranlaßt hätten, daß die Truppe mit Fernschreiben unterrichtet würde. Könnten Sie mir darüber nähere Angaben machen? War dies von Ihnen schon am 20. Januar, als die Debatte stattfand, veranlaßt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das erste Fernschreiben, das herausgegangen ist, ist vom 15. Januar. Ich bin bereit, hier den Wortlaut des Fernschreibens vorzulesen.
Ich bitte Sie darum, Herr Minister.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Dieses Fernschreiben geht an „alle Presseoffiziere". Es ist ein Fernschreiben vom 15. Januar 1965, 10.30 Uhr, das folgenden Wortlaut hat:
Das Bundesministerium der Verteidigung hat folgende Erklärung abgegeben: „Im Zusammenhang mit neuerlichen Behauptungen des Bundestagsabgeordneten ({0}) Karl Wienand weist das Bundesministerium der Verteidigung auf die Erklärungen des Bundesverteidigungsministers hin, die dieser schon am 6. November 1964 in Entgegnung auf gleichartige Unterstellungen von Herrn Wienand abgegeben hat.
Bundesverteidigungsminister von Hassel führte seinerzeit aus: ,Ich bedauere, daß der Sprecher der SPD seine Kritik in dieser Form vorgebracht hat. Ich weise diese Vorwürfe nicht nur entschieden zurück, sondern glaube, daß mir niemand verübeln kann, wenn ich derartige Äußerungen als eine mehr als leichtfertige Unterstellung bezeichne.'"
Der inzwischen hier bekannt gewordene Inhalt der Veröffentlichung des Bundestagsabgeordneten Karl Wienand ({1}) ist, soweit er die Bundeswehr betrifft, gekennzeichnet etwa durch folgende Zitate:
„Die Bundeswehr hat uns 100 Milliarden gekostet, für die gleiche Summe hätte die Bundesregierung jeder westdeutschen Familie einen Mercedes vor die Tür stellen können."
„Die ganze Welt verdient am deutschen Rüstungsboom, und wir zahlen, zahlen, zahlen."
„Wir kaufen Maschinenpistolen in Israel, denn wir haben ein schlechtes Gewissen."
„Rüstungspolitik als Wiedergutmachung."
Der Artikel schließt: „Und nun fragen Sie mich, kontrolliert denn da keiner? Gibt es denn keinen Bundesrechnungshof? Natürlich gibt es einen. Sein Präsident heißt Volkmar Hopf."
Bundesminister von Hassel
Ich bitte die Presseoffiziere, die Herren Kommandeure, auch die der nachgeordneten Bereiche, über den Inhalt dieses Fernschreibens zu unterrichten und dafür Sorge zu tragen, daß die voraussichtlich am Dienstag zu erwartende Ausgabe der Illustrierten „Der Stern" in ausreichender Zahl zur Information zur Verfügung steht.
Wenn ich selber auf diesen Artikel hinweise, scheint mir, habe ich damit meiner Informationspflicht in besonders hohem Maße Genüge getan.
({2})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert!
Herr Minister, würden Sie veranlassen, daß Ihnen das Fernschreiben, das bisher schon immer eine Rolle spielte, und zwar das Fernschreiben des Presseoffiziers Major Seering aus Hamburg vom 20. Januar 1965, vorgelegt wird, in dem in sehr unsachlicher, einseitiger Weise über die laufende Debatte vom 20. Januar 1965 berichtet worden ist, was sich daraus ergibt, daß dieses Fernschreiben lediglich siebeneinhalb Zeilen den Ausführungen des Abgeordneten Wienand widmet, während Sie, Herr Minister, immerhin mit 60 Zeilen sehr eingehend berücksichtigt wurden?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Herr Abgeordneter, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Zunächst einmal ist bereits von Ihrem Vorfragesteller angekündigt worden, daß er mir dieses Fernschreiben überreicht. Ich werde es mir ansehen. Ich kann es nicht sagen, ich habe es nicht gesehen. Aber glauben Sie mir auch, Herr Abgeordneter, daß der Verteidigungsminister gezwungen ist, zu einem „Stern"-Artikel, der alles andere, nur nicht sachlich und unparteiisch ist, Stellung zu nehmen, und das Recht hat, seine Einheiten entsprechend zu informieren.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Minister, hat das Bundesverteidigungsministerium einen besonderen Pressefunk? Oder meinen Sie jenes vierseitige Blatt, das wir jeden Morgen bekommen, mit dem bekannten schrägblauen Druck?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Es ist jener, den Sie nannten, der gleiche „pressefunk". Jedoch ist oben rechts eine Spalte „Wichtig für den Soldaten" eingeschoben, in der eine Reihe von Dingen, die besonders den Soldaten angehen, herausgestellt wird. Bei besonderen Anlässen wird eine Einlage zur Unterrichtung der Soldaten draußen mit verteilt.
Keine Zusatzfrage mehr? - Sie haben Ihre Zusatzfragen bereits gestellt, es wird keine mehr nachgeliefert. Aber Sie können noch zur nächsten Hauptfrage fragen.
Ich komme zur Frage XI/9 - des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) :
Ist auch in anderen als den in Frage XI/7 genannten Fällen die unparteiische und objektive Unterrichtung der Truppe gewährleistet?
Ich glaube, Herr Präsident, daß sich die Antwort auf die Frage XI/9 im Grunde genommen durch die Fragen und Antworten zu den beiden vorigen Fragen bereits erledigt hat.
Dann gibt es jetzt noch zwei Zusatzfragen. Bitte, Herr Abgeordneter Haase!
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß es eine objektive und unparteiische Unterrichtung der Truppe ist, wenn z. B. in der „Information für die Truppe", die ja letztlich der politischen Bildung unserer Soldaten dient, in den letzten drei Ausgaben - in allen dreien! - jeweils eine Rede des Ministers abgedruckt ist? Sind Sie bereit, auch andere politische Probleme in den Heften „Information für die Truppe" abzudrucken, z. B. die gesamte Debatte über die Verlängerung der Verjährungsfrist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich halte es für selbstverständlich, daß der Verteidigungsminister als der Inhaber der obersten Kommandogewalt das Recht und auch die Pflicht hat, die Soldaten über Reden, die er zu grundsätzlichen Fragen gehalten hat, im Wortlaut zu unterrichten.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase ({0}).
Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die zweite Hälfte meiner Frage nicht beantwortet worden ist.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Zur zweiten Hälfte darf ich hinzufügen: Die Einheiten kriegen nach einem weit gestreuten Schlüssel die Zeitschrift „Das Parlament". In diesem „Parlament" wird die ganze Debatte angesichts ihrer Bedeutung abgedruckt sein.
Bitte, Herr Haase!
Herr Minister, werden Sie im Rahmen der „Information für die Truppe" die Truppe auch per Fernschreiben über den Fall „von Hassel-Cramer" eingehend informieren?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ihre Frage ist gegenstandslos; ich habe sie am vorigen Donnerstag hier beantwortet. Sie können im „pressefunk" nachlesen, daß meine Zusage vom Donnerstag am Sonnabend bereits realisiert wurde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies!
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß durch diese Fragen und Zusatzfragen die Veröffentlichungen des Kollegen Wienand im „Stern" nicht verniedlicht werden dürfen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich halte das für keine Zusatzfrage, sondern für eine Meinungsäußerung, der ich zustimme.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan!
Herr Minister, halten Sie es beispielsweise für unparteiisch und objektiv, wenn im Rahmen von wehrpolitischen Tagungen im Wehrkreis I ausschließlich der Wahlkreiskandidat der CDU als Redner zu Worte kommt, ein Wahlkreiskandidat anderer Parteien jedoch überhaupt nicht eingeladen wird?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Der Wehrkreis I umfaßt die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Auf welche Tagung Sie abheben, ist mir nicht bekannt.
Ich bin bereit, Ihnen das Material zur Verfügung zu stellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!
Herr Minister, halten Sie es für eine unabhängige, unparteiische und objektive Berichterstattung, wenn Sie erst durch Abgeordnete des Bundestages in der Fragestunde so weit gebracht werden mußten, die Entschuldigung im Falle „Cramer" in der gleichen Weise zu berichtigen, wie Sie es in der Berichterstattung bezüglich der Debatte getan haben?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich halte es für sinnvoll, in einer Fragestunde nicht alles zu wiederholen, was bereits vor acht Tagen hier in extenso behandelt worden ist.
({0})
Noch eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir stehen am Ende der Fragestunde.
Meine Damen und Herren, ich darf zuerst zur Tagesordnung folgendes sagen. Ich bin gebeten worden, den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU betr. Neuverteilung der Fernsehgebühren - Drucksache IV/3169 - zu Punkt 9 nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Mir wurde gesagt, das sei interfraktionell so vereinbart. Erhebt jemand dagegen Widerspruch? - Nein! Dann ist dieser Antrag auf die Tagesordnung gesetzt.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen dann vor, daß wir jetzt gleich den Punkt behandeln, den wir anfangs zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt haben, nämlich die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats betreffend Glukose und Laktose ({1}) .
Sie sind jetzt mit der Behandlung einverstanden. Ich danke dem Abgeordneten Bading für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ausschuß beantragt, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. - Ich stelle fest, daß das geschehen ist.
Ich komme somit zum Punkt 2 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Gesetz über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung ({3}).
Berichterstatter ist Herr Staatsminister Lemmer. Ich erteile ihm das Wort.
Lemmer, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 159. Sitzung am 27. Januar 1965 den Entwurf eines Gesetzes über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung angenommen. Das Gesetz hat den Zweck, den Stand und die Entwicklung der Luftverunreinigungen in der Bundesrepublik zu erkennen und eine Grundlage für Abhilfe- und Vorsorgemaßnahmen zu gewinnen. Der Bundesrat hat in seiner 278. Sitzung am 12. Februar dieses Jahres beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Im folgenden werde ich die einzelnen Punkte des Anrufungsbegehrens gemeinsam mit den jeweiligen Vorschlägen des Vermittlungsausschusses vortragen.
1. In § 1 des Gesetzes ist bestimmt, daß Messungen der Luftverunreinigungen und der hierbei vorliegenden meteorologischen Verhältnisse durchgeführt werden. Der Bundesrat hat verlangt, diesen Messungen den Zweck zu geben, bundesrechtliche Vorschriften vorzubereiten und durchzuführen, weil nach seiner Auffassung die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet der Luftreinhaltung nur begrenzt gegeben sei. Diese Frage hat jedoch dahingestellt bleiben können. Da ,die Luftverschmutzung unteilbar ist, werden die Messungen auch bei
Landesminister Lemmer
ihrer vom Bundesrat geforderten Zielsetzung dem Zweck des Gesetzes, alle Komponenten der Luftverunreinigung zu erfassen, noch immer gerecht. Aus diesem Grunde hat der Vermittlungsausschuß dem Begehren des Bundesrates entsprochen.
2. In § 3 Nr. 3 des Gesetzes ist dem Bundesminister für Gesundheitswesen die Befugnis eingeräumt, durch allgemeine Verwaltungsvorschriften die Gemeinden, in denen die Messungen durchzuführen sind, und die Anzahl der dort zu errichtenden Meßstellen zu bestimmen. Der Bundesrat hat die Streichung dieser Vorschrift beantragt, weil sie angeblich über den rechtlich zulässigen Inhalt allgemeiner Verwaltungsvorschriften hinausgehe. Bei aneinandergrenzenden Städten - z. B. Mannheim und Ludwigshafen - wäre es zwar wünschenswert gewesen, wenn eine übergeordnete Stelle hätte bestimmen können, in welcher Gemeinde die Messungen durchzuführen sind. Da aber eine loyale Zusammenarbeit mit Sicherheit erwartet werden kann, hat der Vermittlungsausschuß dem Begehren des Bundesrates zugestimmt.
3. Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes sind die Meßaufzeichnungen darauf zu überprüfen, ob aus den Luftverunreinigungen nachteilige Einwirkungen auf Menschen, Tiere usw. zu besorgen sind. Bejahendenfalls sollen die Ursachen der Luftverunreinigungen ermittelt werden. Diese konkreten Aussagen können nach Meinung des Bundesrates nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft möglicherweise nicht gemacht werden. Der Bundesrat hat deshalb verlangt, daß sich die Überprüfungen der Meßaufzeichnungen darauf beschränken, Hinweise auf die Gefahr nachteiliger Einwirkungen und Hinweise auf die Ursachen zu gewinnen.
In § 4 Abs. 2 des Gesetzes ist vorgesehen, daß Empfehlungen für Abhilfe- oder Vorsorgemaßnahmen auszusprechen sind, wenn Maßnahmen zur Verminderung der Luftverunreinigungen erforderlich sind. Hierzu hat der Bundesrat aus dem schon vorhin genannten verfassungsrechtlichen Grund beantragt, den Empfehlungen den Zweck zu geben, bundesrechtliche Vorschriften durchzuführen.
Die nach § 4 Abs. 1 zu treffende Feststellung, ob nachteilige Einwirkungen auf Menschen, Tiere usw. zu besorgen sind, sowie die Abhängigmachung der Ursachenermittlung von dieser Feststellung s'et'zen das Bestehen einer Gefährdungsgrenze voraus, die in der Tat nach dem derzeitigen Stand der Technik noch nicht verbindlich festgelegt werden kann. Nicht gefolgt werden kann jedoch dem Bundesrat darin, daß nach den Ursachen der Luftverunreinigungen nur über die Meßaufzeichnungen geforscht werden soll. Vielmehr müssen, auch wenn die Meßaufzeichnungen keine Hinweise auf die Ursachen ergeben, zusätzliche Feststellungen über die Ursachen zulässig sein, weil diese für die im Gesetz vorgesehenen Empfehlungen besonders wichtig sind. Dagegen bestehen keine Bedenken, den Empfehlungen den Zweck zu geben, bundesrechtliche Vorschriften durchzuführen, da hierdurch der vom Gesetz verfolgte Zweck nicht berührt wird. Der Vermittlungsausschuß hat somit dem Begehren des Bundesrates weitgehend entsprochen.
4. In § 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes ist im wesentlichen bestimmt, daß die Auskunftspflicht bei juristischen Personen und nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen dem vertretungsberechtigten Organ obliegt. Der Bundesrat hat sein Begehren, diese Vorschrift zu streichen, damit begründet, daß der Kreis der .auskunftspflichtigen natürlichen Personen in § 11 des Gesetzes umfassender und hinreichend klar geregelt sei. Dier Vermittlungsausschuß hat dem Verlangen des Bundesrates zugestimmt und empfiehlt darüber hinaus zu § 6 zwei redaktionelle Änderungen.
5. In § 7 Abis. 1 des Gesetzes ist durch Bezugnahme auf § 4 vorgesehen, daß die Berichte der zuständigen Behörden an den Bundesminister für Gesundheitswesen über die Luftverunreinigung neben den getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch die ausgesprochenen Empfehlungen für Gegenmaßnahmen berücksichtigen sollen. Demgegenüber hat der Bundesrat verlangt, daß sich die Berichte nicht auch auf die Empfehlungen erstrecken sollen, da diese nach seiner Auffassung nur für die Aufgaben der Länder von Bedeutung seien. Der Vermittlungsausschuß hat diesem Begehren des Bundesrates nicht entsprochen. Ferner sind in § 7 des Gesetzes für die Berichterstattungen und für das Berichtsjahr bestimmte Daten festgelegt. Der Bundesrat hat gefordert, diese Termine um zwei Monate hinauszuschieben, damit die Messungen jeweils eine ganze Vegetationsperiode erfassen könnten. Die dm Gesetz vorgesehenen Daten des Berichtsjahres entsprechen den Gepflogenheiten der Meteorologen. Der Vermittlungsausschuß hat dem Verlangen des Bundesrates deshalb in dieser Beziehung nicht zugestimmt und empfiehlt, die vom Bundestag beschlossene Fassung insoweit beizubehalten. Hinsichtlich der Termine für die Berichterstattungen hat degegen der Vermittlungsausschuß dem Begehren des Bundesrates entsprochen.
6. In § 8 des Gesetzes ist im wesentlichen vorgesehen, daß das Gesetz durch Landesbehörden durchgeführt wird. Demgegenüber hat der Bundesrat verlangt, daß das Gesetz in bundeseigener Verwaltung durch das Bundesgesundheitsamt vollzogen wird, und zwar hauptsächlich deshalb, weil das Meßverfahren noch so wenig erprobt sei, daß der damit verbundene erhebliche finanzielle Aufwand für die Länder zunächst nicht vertretbar sei.
In der Sitzung des Vermittlungsausschusses hat Herr Staatssekretär Bargatzky hierzu erklärt: Das Bundesministerium für Gesundheitswesen beabsichtige, die Rechtsverordnung und die allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach diesem Gesetz dem Bundesrat erst vorzulegen, wenn die Auswahl und Begrenzung der Kontrollgebiete sowie die Gestaltung des Meßprogramms hinreichend geklärt seien. Zu diesem Zweck sei beabsichtigt, eine Meßstation ohne finanzielle Belastung der Länder einzurichten. Die hierbei gewonnenen Erfahrungen würden zunächst mit den Experten der Länder erörtert werden. Die Pflichten aus § 1 des Gesetzes würden erst praktisch werden, wenn die Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschriften erlassen seien.
Landesminister Lemmer
Durch dieses Verfahren wird den Bedenken der Länder Rechnung getragen. Eine Änderung des Gesetzes ist damit entbehrlich. Der Vermittlungsausschuß hat deshalb dem Verlangen des Bundesrates nicht zugestimmt, sondern empfiehlt, die vom Bundestag beschlossene Fassung insoweit beizubehalten.
7. Nach dem Gesetz werden nur die Organe und Angestellten der Betriebe bei Verletzung der vorgesehenen Auskunfts- und Duldungspflichten mit Geldbuße bedroht. Demgegenüber hat es der Bundesrat für geboten gehalten, auch die Verletzung der Aufsichtspflicht mit einer Geldbuße zu bedrohen und insbesondere die Haftung der juristischen Personen und Personengesellschaften selbst zu begründen, und zwar durch Einfügung der neuen §§ 11 a und 11 b in das Gesetz. Der Vermittlungsausschuß hat dem Begehren des Bundesrates entsprochen.
Ich bitte Sie nunmehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Vorschlägen des Vermittlungsausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Werden zu diesem Punkt Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ({1}).
Berichterstatter ist Herr Senator Dr. Weichmann. Er ist nicht anwesend. Sollen wir die Angelegenheit zurückstellen, bis er eingetroffen ist?
({2})
- Das Haus verzichtet auf eine Berichterstattung. Werden Erklärungen abgegeben? - Herr Abgeordneter Kuntscher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP bin ich ermächtigt, zum Hilfsmaßnahmengesetz folgende Erklärung abzugeben.
Das Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ist am 27. Januar 1965 in diesem Hohen Hause mit seltener Einmütigkeit verabschiedet worden. Der Deutsche Bundestag hat hierbei hinsichtlich der Kostenverteilung an dem Vorschlag der Bundesregierung festgehalten.
Es ist zuzugeben, daß der Bundesrat im ersten Durchgang statt einer Kostenteilung im Verhältnis von 25 : 75 eine Kostenteilung im Verhältnis von 20 : 80 vorgeschlagen hatte. Die Differenz war also nicht erheblich und vor allem nicht grundsätzlicher Art.. Trotzdem hielt es der Bundesrat für notwendig, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Sein Petitum ging überraschend weiter; denn er lehnte mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Siedlung jede Kostenbeteiligung ab. Diese Haltung ist um so unverständlicher, als gerade von den Länderfachministern immer wieder auf eine baldige Verabschiedung des Gesetzes gedrängt wurde und die Beteiligung an der Mittelaufbringung niemals völlig abgelehnt wurde. Es sei darauf hingewiesen, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes in der vom Bundestag beschlossenen Fassung zwar eine Beteiligung vorsieht, aber gleichzeitig gewisse finanzielle Entlastungen bei den Ländern bzw. bei den von den Ländern zu betreuenden Gemeinden eintreten.
Die formale Frage, ob es sich bei der Durchführung dieses Gesetzes um eine, Auftrags- oder eine eigene Angelegenheit der Länder handelt, kann angesichts dieser staatspolitischen Bedeutung des Gesetzes nicht ausschlaggebend sein. Eis liegt auf der Hand, daß die Betreuung und Eingliederung der Millionen Flüchtlinge aus Mitteldeutschland eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein muß.
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses geht an dieser Grundtatsache vorbei. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP können ihm daher ihre Zustimmung nicht geben. Sie bedauern, daß es zu einem solchen Vorschlag gekommen ist und die Vertreter einer Fraktion im Vermittlungsausschuß in diesem Punkt eine andere Haltung eingenommen haben als bei der Beschlußfassung über dieses Gesetz hier im Plenum. Wenn sich nun unliebsame Verzögerungen für die Flüchtlinge aus Mitteldeutschland ergeben, so müssen die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP darauf hinweisen, daß sie die Verantwortung dafür nicht tragen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die SPD-Bundestagsfraktion folgendes vortragen.
Wir stimmen dem vorliegenden Antrag des Vermittlungsausschusses zu. Für die Wertung der in dem Vorschlag enthaltenen Frage ist entscheidend, welchen Charakter man dem Flüchtlingshilfegesetz zu geben hat.
Es ist nicht ausreichend, wenn Herr Kollege Kuntscher sagt: Es ist eine gesamtstaatspolitische Aufgabe, und deshalb haben es beide zu tragen. Diese Frage beurteilt sich nach verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten.
Erstens. Die Regierungsvorlage vom Mai 1963 ging von den Grundlagen der sozialen Fürsorge aus
und entsprach, so wie es auch der Berichterstatter des Finanzausschusses im Bundesrat gesagt hat, einer Harmonisierungsnovelle auf dem Gebiet der Sozialhilfe. Der Schwerpunkt liegt auf der Feststellung: Sozialhilfe. Im Laufe der parlamentarischen Beratungen ist es insbesondere unter dem Einfluß des von unserer Fraktion vorgelegten Gesetzentwurfs eines Flüchtlingsgesetzes, der dem Hause in der Bundestagsdrucksache IV/694 zugeleitet wurde, erfreulicherweise gelungen, den materiellen Inhalt des Flüchtlingshilfegesetzes zu verbessern. Damit wandelte sich sein Charakter, was für die Kostentragung von entscheidender Bedeutung ist.
Wir haben uns durch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß davon überzeugen lassen müssen, daß die vom Bundestag am 27. Januar 1965 beschlossene Gesetzesfassung den Charakter eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten hat und kein Sozialhilfegesetz darstellt, so daß die Kostentragung anders zu regeln ist. Wir müssen insoweit, den Verfassungsbestimmungen folgend, unsere eigene Auffassung revidieren.
({0})
- Haben Sie etwas dagegen, daß man sich der Verfassung gemäß verhält? - Nach Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes ist der Bund grundsätzlich verpflichtet, die Kosten zu tragen. Dem trägt der Vorschlag des Vermittlungsausschusses Rechnung.
Zweitens. Es ist ist weiterhin festzustellen, daß das Gesetz in den Bereich der Bundesauftragsverwaltung gehört. Damit entfällt aus rechtlichen Gründen die Kostenbeteiligungspflicht der Länder. Der Bund hat im Rahmen der Auftragsverwaltung ausreichende Möglichkeiten, die zweckmäßige und wirtschaftliche Verwaltung der Bundesmittel sicherzustellen. Es bedarf deshalb also nicht der Festsetzung von Interessenquoten, wobei ein Anteil von 25 % zweifellos nicht mehr als Interessenquote bezeichnet werden kann. In landeseigener Verwaltung wird lediglich Abschnitt V des Gesetzes, nämlich die Anwendung des Bundesvertriebenengesetzes, durchgeführt werden. Die Länder haben sich deshalb auch bereit erklärt - und das entspricht wiederum den Verfassungsbestimmungen -, auf der Grundlage des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 28. April 1955 20 % der Aufwendungen zu übernehmen. Der Vermittlungsausschuß hat in seinem Vorschlag dieses Angebot der Länder übernommen.
Drittens. Wir sind der Auffassung - und dem messen wir besondere Bedeutung bei -, daß die durch den Bundestagsbeschluß vom 27. Januar vorgesehene Kostenverteilung angesichts des von mir soeben erläuterten gewandelten Charakters des Gesetzes nicht mit dem sogenannten Dürkheimer Abkommen vereinbart werden . kann. Dieses Dürkheimer Abkommen ist in den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses über die Neufestsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugunsten des Bundes revidiert worden. Es geht deshalb nicht an, daß man entgegen diesen damals getroffenen Vereinbarungen, die zur Heraufsetzung des Bundesanteils von 35 auf 39 % geführt haben, den Ländern nun neue Lasten auferlegen will. Man war sich damals auch einig, daß solche Versuche nicht unternommen werden sollten. Man war sich ferner darüber einig, daß eine endgültige Kostenbereinigung an Hand der Aufgabenbereinigung durchgeführt werden sollte. Es ist deshalb unverständlich, daß man hier einen Nebenfinanzausgleich sucht, d. h. daß man auf einzelnen Sachgebieten einen Finanzausgleich eigener Art zwischen Bund und Ländern durchführen will, und dies in einem Zeitpunkt, in dem wir auf allen Seiten des Hauses erklärt haben, daß wir für eine Bereinigung der Bundes- und Länderfinanzen sind.
Gestatten Sie mir, daß ich nach diesen Bemerkungen zur Finanzierungsseite und zur verfassungsrechtlichen Seite des Problems noch einige weitere Bemerkungen mache. Bereits in der Regierungserklärung vom 29. November 1961 hat die Bundesregierung versprochen, in einem Gesetzentwurf die Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Heimatvertriebenen auf allen sozialen Gebieten herbeizuführen. Dieses Versprechen hat sie in ihrer Regierungserklärung vom 6. Februar 1963 wiederholt. Mit dem Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin hat die Bundesregierung dieses Versprechen erfüllen wollen. Dieser Entwurf entsprach aber in seinem Inhalt in keiner Weise dem von der Bundesregierung angekündigten Ziel. Deshalb hat dieser Entwurf auch damals schon in der Öffentlichkeit eine ablehnende Kritik erfahren.
Es ist den sozialdemokratischen Mitgliedern im Lastenausgleichsausschuß gelungen, sich mit einer Reihe wesentlicher Verbesserungen zu diesem Gesetzentwurf durchzusetzen.
({1})
- Ach, Sie wollen das nicht haben, Herr Eichelbaum? Das ist bemerkenswert. - Insofern konnten wir mit Genugtuung feststellen, daß sich der Gesetzentwurf in einigen Punkten unseren Vorstellungen angenähert hat. Nun hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt - Herr Kollege Kuntscher -, daß den Zonenflüchtlingen grundsätzlich die gleichen Rechte und die gleichen Leistungen wie den Vertriebenen zustehen. Sie hat sich in dieser und in verschiedenen anderen Erklärungen dahingehend festgelegt, daß das Flüchtlingshilfegesetz als eine erste Stufe zur Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen anzusehen sei.
({2})
- Da sind Sie ja wohl mit mir einig. - Wir ermahnen die CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion,
({3})
diese Regelung zu finden, Herr Stingl, im Rahmen der bestehenden Verfassungsbestimmungen, - denn andere Regelungen können Sie nicht finden.
({4})
Sie wissen ganz genau, daß dieses Gesetz ein Zustimmungsgesetz ist. Wenn Sie es heute ablehnen,
kann es nicht. in Kraft treten. Sie wissen ganz ge8710
nau, daß Ihre eigenen Versprechungen heute hier eingelöst werden müssen,
({5})
- Ihre eigenen Versprechungen, die wir verbessert haben, heute hier eingelöst werden müssen. Sie wissen auch ganz genau, daß Sie mit einem ablehnenden Beschluß dazu beitragen, daß auf dem Rücken der Flüchtlinge der Streit zwischen Bund und Ländern
({6})
über die Kostentragungspflicht ausgetragen wird.
({7})
- Meine Damen und Herren, aus Ihrem Widerspruch darf ich schließen, daß Sie das nicht wollen. Wenn Sie das nicht wollen, dann ziehen Sie bitte die Konsequenzen und stimmen Sie dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu.
({8})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, ') den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist abgelehnt.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zum Ausländergesetz ({1}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses darf ich folgendes vortragen.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 163. Sitzung vom 12. Februar 1965 auf Grund des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Inneres den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Aufenthalt der Ausländer, das sogenannte Ausländergesetz, Drucksachen IV/868, IV/3013, angenommen. Der Bundesrat hat in seiner 279. Sitzung am 5. März 1965 beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung vom 11. März 1965 den in der Drucksache IV/3185 Ihnen vorliegenden Vorschlag gemacht. Im einzelnen darf ich dazu in aller Kürze folgendes bemerken.
Zu den Punkten 1 und 2: Die vorgeschlagenen Änderungen der §§ 6 und 9 entsprechen der Anregung des Bundesrates. Sie dienen der Klarstellung.
Zu Nr. 3: Die vorgeschlagene Änderung ist eine redaktionelle Richtigstellung.
Zu Nr. 4: Der Vorschlag folgt der Anregung des Bundesrates. Es soll klargestellt werden, daß der Bundesminister oder eine von ihm zu bestimmende Bundesoberbehörde, aber nicht irgendeine andere Bundesstelle die Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder anordnen kann.
Zu Nr. 5: Die Ersetzung des Wortes „Sichtvermerk" durch das Wort „Aufenthaltserlaubnis" entsprechend der Anregung des Bundesrates dient der folgerichtigen Durchführung des § 5 Abs. 2 des Gesetzes.
Zu Nr. 6: Es handelt sich um redaktionelle Klarstellungen.
Zu Nr. 7: Die Änderung entspricht der Anregung des Bundesrates. Danach wird vermieden, daß eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Mischverwaltung entsteht. Die Bundesregierung kann erforderlichenfalls von ihrer Weisungsbefugnis nach § 25 des Gesetzes Gebrauch machen.
Zu Nr. 8: Durch den an § 44 angefügten neuen Abs. 4 wird sichergestellt, daß die Regelungen der §§ 11 und 14 den als asylberechtigt anerkannten politischen Verfolgten gesichert sind.
Zu Nr. 9: Mit der vorgeschlagenen Streichung der Worte „als Ausländerflüchtlinge" soll deutlich gemacht werden, daß der gesamte Personenkreis des § 28 zu erfassen ist.
Auf die Anregungen des Bundesrats, die vom Vermittlungsausschuß nicht übernommen wurden, bin ich nicht eingegangen.
Ich darf namens des Vermittlungsausschusses als Berichterstatter bitten, dem Vorschlag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist gemeinsam abzustimmen. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Bading, Dr. Imle und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({2}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, einen Gesetzentwurf einer Gruppe von Abgeordneten aus allen Fraktionen dieses Hauses zu begründen, den Entwurf eines Gesetzes zum
Dr. Schmidt ({0})
Schutz gegen Baulärm. Ich darf auf die eingehende Begründung, die dem Gesetzentwurf beigegeben ist, Bezug nehmen und mich auf wenige Bemerkungen beschränken.
Das Gesetz zum Schutz gegen den Baulärm will erreichen, daß - nach einer Übergangszeit - in Zukunft nur geräuscharme Baumaschinen benutzt werden, soweit das technisch und wirtschaftlich möglich ist. Als erste Maßnahme ist vorgesehen, daß der Benutzer einer heute bereits im Verkehr befindlichen Baumaschine alles zu tun hat, damit die bei ordnungsgemäßem Betrieb vermeidbaren Geräusche abgestellt werden. Bestimmte Grenzen, jenseits derer der Lärm gesundheitsgefährdend ist, dürfen auf einer Baustelle nicht mehr überschritten werden, andernfalls der Betrieb. der Maschine untersagt werden kann. Neue Maschinen dürfen in Zukunft nur noch eingesetzt werden, wenn ihr Betrieb keinen der Gesundheit abträglichen Lärm erzeugt. Die Baumaschinen sollen nach ihrer Geräuscherzeugung gekennzeichnet werden. Für besonders schutzbedürftige Bezirke können weitergehende gesetzliche Anforderungen an die Benutzer gestellt werden.
Die Antragsteller bitten, den Entwurf dem Gesundheitsausschuß - federführend - zu überweisen.
({1})
Wir treten in die Aussprache ein. - Das Wort hat der Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen den Lärm ist nicht gerade jüngsten Datums. Die Lärmbelästigung hat die Menschen schon lange gequält. Ich darf daran erinnern, daß sich Schopenhauer bereits durch die Peitschenknallerei veranlaßt gesehen hat, ein Traktat über Lärm und Geräusche zu schreiben. Nun, inzwischen sind die Zeiten fortgeschritten, aber ein sehr kluger Mann - es handelt sich um Robert Koch - hat auch schon um die Jahrhundertwende gesagt: Die Menschheit wird einmal den Lärm ebenso bekämpfen müssen, wie wir die Cholera bekämpfen. Ich glaube, diese Prophezeiung ist tatsächlich nichtig gewesen. Wir sind jetzt alle verpflichtet, uns mit den vielen Lärmquellen, die um uns sind, zu beschäftigen und für den Schutz der Menschen zu sorgen. Wir können das nicht mehr allein der Polizei überlassen.
Nun hat der Bund hierbei eine etwas schwierige Aufgabe; denn er ist keineswegs für alle diese Bekämpfungsmaßnahmen zuständig. Er hat eigentlich eine volle Zuständigkeit nur im wirtschaftlichen Bereich, und schon in den Fragen des Verkehrs ist die Zuständigkeit geteilt. Er hat wohl einen Einfluß auf die Zulassung von Kraftfahrzeugen; aber auf eine Ordnung des Verhaltens der Kraftfahrer hat er schon keine Einflußmöglichkeit mehr.
Was haben wir nun bisher auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung gemacht? Wir haben die Gewerbeordnung ergänzt und das BGB geändert, eine Änderung, die den Industrielärm betrifft, und haben damit alle gewerblichen Betriebe erfaßt, die anmelde- und genehmigungspflichtig sind. Aber für Betriebe, die nicht unter diese Kategorie fallen, fehlt schon wieder die Zuständigkeit des Bundes für Ordnungsmaßnahmen. Gott sei Dank stehen wir in der Bekämpfung des Lärms nicht allein. Auch die Länder haben schon auf diesem Gebiet eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen. Ich darf an die Initiativen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg erinnern. Ich hoffe, daß die anderen Länder folgen werden.
Wir stellen außerdem vom Bund her eine Anforderung an die Kraftfahrzeuge, wie ich bereits sagte. Aber auch hier bleibt noch vieles zu regeln offen. Ich denke z. B. an die Ersetzung der Hubraumsteuer durch eine andere Steuer. Wenn wir alle Mercedes 600 führen oder fahren könnten, wäre der Straßenlärm sehr stark eingeschränkt.
Nun möchte ich auf den uns heute beschäftigenden kleinen Stein im großen Mosaik der Lärmbekämpfungsmaßnahmen eingehen: auf die Baulärmbekämpfung. Warum beschäftigen wir uns gerade hiermit? Ich sage es ganz offen: Hier bestehen besonders gute Voraussetzungen für die Lärmbekämpfung, weil es sich um ein rein wirtschaftliches Ordnungsgesetz handelt, für das die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist.
Außerdem sind die technischen Voraussetzungen hier relativ günstig; denn es gibt laute und es gibt leise Baumaschinen. Es ist nur notwendig, die Wirtschaft anzuregen und zu veranlassen, in Zukunft nur noch die leisen Baumaschinen zu benutzen.
Meine Damen und Herren, ich bin mir selbstverständlich bewußt, daß das, wie gesagt, nur ein kleines Mosaiksteinchen ist. Es werden noch viele Probleme zu lösen sein. Aber wir sollten uns nicht davor scheuen, auch hier im kleinen eine Quelle des Lärms zu verstopfen. Mit leichtem Grausen denke ich an die Zukunft, wenn erst der Überschall-Flugverkehr im zivilen Bereich auf uns zukommen wird. Aber vorläufig wollen wir uns hiermit begnügen.
Im vergangenen Sommer hat der bekannte Theaterterkritiker Friedrich Luft einmal einen Artikel geschrieben mit dem Titel: „Die Wut über die verlorne Stille" . Zu keinem Thema hat die Zeitung mehr Leserzuschriften erhalten als zu diesem Artikel. Nun ist Wut eigentlich ohnmächtiger Zorn. Wir brauchen also nicht wütend zu sein, denn wir sind nicht ohnmächtig. Wir brauchen nur den Willen zu haben, etwas zu tun.
Ich begrüße daher im Namen meiner Fraktion diesen Antrag und möchte anregen, daß er dem Gesundheitsausschuß überwiesen wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Lärm ist zu einem wichtigen Gesundheitsproblem geworden. Die Technisierung hat eine ständig steigende Zunahme von
Lärm zur Folge. Nach modernen medizinischen Erkenntnissen führt übermäßiger Lärm mit der Zeit zu Gesundheitsschäden. Es ist eine Tatsache, daß der moderne Mensch vielfach empfindlicher geworden und durch starke Beanspruchung nervlich belastet ist. Der einzelne kann gegen die vielfachen Lärmquellen meistens nichts Genügendes tun. Die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe des Nachbarrechts reichen ebensowenig aus wie die strafrechtlichen und die allgemeinen polizeilichen Vorschriften. Denn die Polizei kann nur eingreifen, wenn eine Gesundheitsgefährdung vorliegt. Gesundheitspolitisch notwendig ist aber ein Eingreifen schon dann, wenn es sich um eine Belästigung, wenn es sich um eine Beeinträchtigung des gesundheitlichen Wohlbefindens handelt.
Wir sind uns bewußt, meine Damen und Herren, daß auch mit noch so guten gesetzlichen Maßnahmen der Lärm nicht völlig auszuschalten ist. Wir werden auch in Zukunft mit einem gerüttelten Maß von Lärm leben müssen. Es geht aber bei diesem Gesetz darum, die nach dem technischen Stand vermeidbaren Lärmstörungen auszuschalten.
Es wird gelegentlich eingewandt, man solle sich doch als Gesetzgeber zurückhalten und nicht jetzt schon Gesetze machen; das sei nämlich deshalb verfrüht, weil sowohl die Auswirkung des Lärms auf die menschliche Gesundheit als auch die Bekämpfung des Lärms wissenschaftlich nicht genügen erforscht seien. Wenn wir aber so lange warten wollten, bis der letzte Rest an Tatsachen festgestellt ist, dann brauchten wir, glaube ich, bei diesen Gesundheitsmaßnahmen - das gilt nicht nur für die Lärmbekämpfung, sondern ebenso für die Luftreinhaltung - gar nicht erst anzufangen.
Meine Fraktion begrüßt deshalb dieses Gesetz zum Schutz gegen Baulärm. Sie sieht darin eine notwendige Teilregelung, die besonders wichtig ist. Neben dem Verkehrslärm ist es insbesondere der zunehmende Baulärm, der die Bevölkerung belästigt. Er wind in Zukunft noch eine Steigerung erfahren, weil die zahlreichen Verkehrsbauten und die Städtesanierung eine weitere Ausdehnung der Baumaßnahmen mit sich bringen werden.
Ich unterstreiche das, was meine beiden Vorredner gesagt haben, und bitte, diese Gesetzesvorlage dem Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen.
(Beifall ({0})
Das Wort hat die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen.
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für die Vorlage dieses Gesetzes an den Bundestag; denn es trifft eine der wichtigsten gesundheitspolitischen Aufgaben, die zu erfüllen sind. Ich bin auch Herrn Bading dankbar dafür, daß er sehr klar dargelegt hat, wie sehr hier ein Zusammenwirken von Bund und Ländern erforderlich ist, daß der Bund nur einige Mosaiksteinchen auf diesem ganzen Gebiet setzen kann, daß hier im Gewerberecht eines dieser Mosaiksteinchen vorliegt und wir dieses nun gestalten und einsetzen wollen.
Ich habe wegen der wichtigen gesundheitspolitischen Aufgabe, die mit diesem Gesetz erfüllt werden soll, die Vorarbeiten meiner Mitarbeiter, meines Ministeriums, der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft gern zur Verfügung gestellt, und ich bin froh, daß sie so entschieden und überparteilich diese Sache mit tragen will.
Damit wird die Mitarbeit unseres Hauses an der Lösung dieses Problems aber nicht abgeschlossen sein. Erstens gibt es noch viele andere Lärmquellen und andere Gebiete, auf denen wir tätig sind und weiter tätig sein werden. Man denke z. B. an den Flugzeuglärm, an den Lärm des Straßenverkehrs, Fragen, in denen wir ständig mit .dem Verkehrsminister, der, hier federführend ist, Gespräch sind. Zweitens wird es nötig sein, sowohl in bezug auf dieses Gesetz wie in bezug auf andere Gesetze, Verordnungen oder Anleitungen, die noch folgen müssen, die Forschung auf diesem Gebiet weiterzutreiben und zu intensivieren. Der Erforschung bedürfen z. B. die Fragen: Wo fängt der störende, wo fängt der gesundheitsschädliche Lärm an? Wie können wir Maßstäbe und Meßmethoden finden, damit der Polizist und die Gewerbeaufsicht leicht feststellen könne, wo das anfängt, was nach diesem Gesetz und was nach anderen Vorschriften, die bereits bestehen und die vielleicht noch von Bund und Ländern zu erlassen sind, nicht mehr geduldet werden kann?
({0})
Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - sowie -mitberatend - dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen. - Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der juristischen Ausbildung sowie zur Kürzung der Ausbildungszeiten für Richter, Staatsanwälte und Beamte des höheren Verwaltungsdienstes ({0}).
Das Wort zur Begründung des Antrages hat Frau Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit vielen Jahren wird über die Frage diskutiert, ob und inwieweit es wohl möglich sei, die Ausbildung der Juristen zu reformieren, sie den modernen Erfordernissen unserer Zeit anzupassen, und das heißt, sie nicht nur zu verbessern, sondern auch zu verkürzen, was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig paradoxerscheint. Die Ergebnisse dieses jahrelangen Bemühens haben ihren Niederschlag in vielen Publikationen, Stellungnahmen, Gutachten und Denkschriften gefunden, von
denen die Freiburger Denkschrift eine besondere Erwähnung verdient. Alle diese Publikationen lassen erkennen, daß nun die Zeit für eine parlamentarische Erörterung dieser Fragen gekommen ist, daß es nun Sache des Bundesgesetzgebers sein muß, aus diesen Überlegungen Konsequenzen zu ziehen; denn die Reform ist nicht nur notwendig, sie ist auch gerechtfertigt.
Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß die Ausbildung der Akademiker im allgemeinen zu lange dauert. Das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein. Gerade der Jurist oder der Arzt bedarf einer gewissen Lebenserfahrung, einer menschlichen Reife, die zwar nicht unbedingt mit dem Lebensalter verbunden sein muß, die man aber nun einmal erst im Laufe der Zeit erwerben kann. Dennoch wird man sagen können, daß es der. Persönlichkeitsbildung des einzelnen dient, wenn er jung in die Verantwortung hineingestellt wird.
Um das zu erreichen, darf man sich allerdings nicht darauf beschränken, die Ausbildung nur zu verkürzen. Gerade beim Juristen bedarf es einer gründlichen Ausbildung. Sie alle wissen, welche Bedeutung das Recht in unserem Leben hat, daß die Lebensverhältnisse kompliziert geworden sind, daß die Stoffülle unwahrscheinlich groß geworden ist. Ziel einer echten Reform kann nur eine inhaltliche Neugestaltung sein. Man muß wahrscheinlich neue Akzente setzen, man muß vielleicht auch ein wenig den „Mut zur Lücke" haben.
Wir brauchen also einerseits den fachlich bestens vorbereiteten Juristen, den geistig selbständigen Menschen, der sich seiner Verantwortung voll bewußt ist. Andererseits aber geht es auch darum, die Ausbildung von Methoden zu befreien, die um die Jahrhundertwerde noch angebracht waren, heute aber nicht mehr zeitgemäß sind.
Das alles ist mit einer bloßen Kürzung nicht zu erreichen. Hier setzt bereits unsere Kritik an den beiden vorliegenden Entwürfen ein. Sie wissen, daß die beiden anderen Fraktionen dieses Hauses, die CDU/CSU und die FDP, bereits Entwürfe vorgelegt haben, die sich aber lediglich darauf beschränken, das Studium und den Vorbereitungsdienst zu kürzen. Diese Entwürfe enthalten nicht einmal das Minimum dessen, was zur Zeit in § 5 des Deutschen Richtergesetzes steht. Sie lassen viele Fragen offen und bergen die Gefahr einer allzu differenzierten Ausbildung in sich, alldieweil sie die zeitliche Dauer der Ausbildungsabschnitte entweder einer Verordnung der Bundesregierung oder aber allein den Ländern überlassen. Das ist für unsere Begriffe eine der Bedeutung der Sache nicht gerecht werdende Abstinenz. Wir finden, daß ist eine Scheinreform ohne jeden sachlichen Nutzeffekt.
Demgegenüber unterscheidet sich der Ihnen nunmehr von unserer Fraktion vorgelegte Antrag von den bereits vorliegenden Entwürfen nicht nur in der Überschrift, sondern unsere Vorlage sagt auch etwas darüber, wie wir uns im einzelnen die Ausgestaltung vom Inhalt her denken.
Lassen Sie mich daher, so wie das bei der ersten Beratung üblich ist, ein wenig zur Grundkonzeption dieses Entwurfes sagen. In Übereinstimmung mit den beiden anderen Entwürfen, in Übereinstimmung mit der Denkschrift des Freiburger Arbeitskreises für Juristenausbildung halten wir an dem Gedanken der Einheitlichkeit der Ausbildung fest. Das tun wir einfach aus der Erkenntnis heraus, daß wir es uns nicht leisten können, Schmalspurjuristen auszubilden, sondern daß es eben nützlich ist, daß derjenige, der später in die Verwaltung geht, der Anwalt wird, der in die Wirtschaft geht oder aber sich der Richtertätigkeit widmet, auch etwas über die Tätigkeit seines Kollegen weiß und daß alle die gleiche Sprache sprechen.
Unser Entwurf hält auch - wie das in unserem Lande nun schon seit Jahren üblich ist - an der Zweispurigkeit der Ausbildung fest, die an das theoretische Studium den praktischen Vonbereitungsdienst anschließt. Aber entgegen der Auffassung der beiden anderen Fraktionen, daß man das Studium um ein Semester, nämlich auf sechs Semester, verkürzen müßte, sind wir der Meinung, daß man unbedingt an einem siebensemestrigen Studium festhalten sollte, zumal das juristische Studium ohnehin das kürzeste geisteswissenschaftliche Studium ist.
({0})
Uns hat bei dieser Überlegung keineswegs die Tatsache geleitet, daß wir erst im Jahre 1961 das Deutsche Richtergesetz geschaffen haben, in dem in § 5 eine Studiendauer von sieben Semestern festgelegt worden ist. Das wäre kein Grund für uns gewesen, nicht zu sagen: Nun ja, warum sollte man es nicht ändern, wenn es tatsächlich notwendig wäre. - Davon kann aber keine Rede sein, sondern wir meinen in Übereinstimmung mit den Universitäten, mit den rechtswissenschaftlichen Fakultäten, daß sechs Semester einfach zuwenig sind und daß ein sechssemestriges Mindeststudium nicht ausreicht, die entsprechende Grundlage theoretischen Wissens zu vermitteln. Man sieht einfach an der Wirklichkeit vorbei, wenn man meint, man komme mit einer solchen Semesterzahl aus. Heute studiert ein Jurist im Durchschnitt neun Semester, und es ist einfach so, daß sich Ausbildungsvorschriften, so meinen wir, nun einmal am Durchschnitt zu orientieren haben und nicht nur an einer kleinen Zahl überdurchschnittlich Begabter. Die Fakultäten - Sie wissen es vielleicht - sind ja sogar der Meinung, man müßte mindestens acht Semester ansetzen, aber sie sind mit sieben Semestern als unterster Grenze gerade noch einverstanden. Andernfalls wäre jedenfalls der neue Stufenplan nicht zu realisieren; man käme bei der Aufstellung des Vorlesungsverzeichnisses in die schwierigste Situation, weil die Vorlesungen zu stark kollidierten.
Im übrigen - das möchte ich hier doch erwähnen - wollen wir mit einer neuen Ausbildungsordnung, mit der Reform des juristischen Studiums, nicht erreichen, daß das Jurastudium ein reines Verlegenheitsstudium wird, zu dem man greift, weil es einfach und bequem ist und nicht allzu lange dauert.
Unser Entwurf sagt auch etwas zum Gang des Studiums, indem er gewisse Dinge postuliert, und zwar im Interesse einer einheitlichen Ausbildung.
Seit fünfzehn Jahren wird um die Reform des juristischen Studiums gerungen. Bisher war es einfach nicht möglich, eine einheitliche Linie zu finden. Wir meinen, daß es bei dieser Reform im Interesse der Fakultäten unbedingt geboten ist, den Universitäten eine eindeutige Hilfestellung zu geben. Wir sehen keinen Grund, warum man ihnen diese Hilfestellung versagen sollte. Wir sind nicht der Meinung wie z. B. Herr Kollege Dr. Dichgans, daß das zu einer unnötigen Zementierung führen würde, sondern wir sind der Auffassung, daß das einer Studienreform nur dienlich sein kann.
Lassen Sie mich zwei Dinge erwähnen, die mir in diesem Zusuammenhang noch besonders erwähnenswert zu sein scheinen. Jeder Prüfer, der bei den juristischen Prüfungen anwesend ist, hat immer wieder festgestellt, daß die Prüflinge einen erschreckenden Mangel an Verständnis für politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge haben.
({1})
Wir sind deshalb der Auffassung, daß künftig bei beiden juristischen Prüfungen festgestellt werden muß, ob der Kandidat ein solches Verständnis hat. Uns ist das - ich muß es offen gestehen - ein ganz besonderes Anliegen. Ich will auch gleich sagen, warum.
Aber zuvor noch eine andere Bemerkung! Der Schwerpunkt der bisherigen Ausbildung hat zweifellos in der systematischen Schulung bestanden. Man hat versucht, dem jungen Studenten die Fähigkeit beizubringen, aus einem konkreten Sachverhalt das rechtlich Relevante zu eliminieren und Wesentliches vom Unwesentlichen zu trennen. Er ist befähigt worden, eine dogmatisch einwandfreie Subsumtion vorzunehmen. Er hat, wenn er das Studium absolviert hat, im Grunde auch gelernt, Tatbestände objektiv zu beurteilen. Alles das ist wichtig und sicherlich auch weiterhin nötig.
Aber, meine Damen und Herren, das allein genügt unserer Meinung nach nicht. Das Recht hängt nicht im luftleeren Raum. Es ist kein Glasperlenspiel um seiner selbst willen. Wer Recht richtig anwenden will, der muß Lebensvorgänge beurteilen können. Dazu bedarf es nun einmal der Kenntnis von den sozialen Gegebenheiten. Wohin reiner Rechtspositivismus führen kann, ich glaube, das ist auch ein wenig in .der Debatte in der vergangenen Woche zum Vorschein gekommen. Wenn auch etwas in der Debatte der vergangenen Woche sichtbar geworden ist, dann doch sicherlich die unlösbare Verquickung von Recht und Politik, die Unmöglichkeit, das eine vom anderen zu trennen, und das Unheil, das aus solchen Versuchen kommen muß. Ich muß offen bekennen, daß nach meinem Empfinden in der vergangenen Woche das Versagen der Juristen deutlich geworden ist, die es nicht verhindern konnten, daß ein Unrechtsstaat aufkam. Aber wir meinen, daß solche Erkenntnisse in den Alltag übersetzt werden müssen; aus ihnen müssen Konsequenzen gezogen werden. Und wir meinen daher, daß es wichtig ist, die Forderung zu erheben, daß ein angehender Jurist in der Prüfung nachweist, daß er ein wenig von den wirtschaftlichen, den sozialen
und politischen Zuusammenhängen weiß. Wir wissen alle, daß man im allgemeinen für eine Prüfung immer nur das lernt, was zum Prüfungsfach gehört, und deswegen sind wir der Auffassung, daß wir das laut und deutlich im Gesetz fordern müssen.
In diesem Zusammenhang wäre vielleicht noch ganz kurz ein Wort zu sagen. Wir sind der Auffassung, daß in den Ferien einmal eine sechswöchige praktische Unterweisung eingeschaltet werden sollte, eine Ferienpraxis, die dem jungen Studenten zum erstenmal die Möglichkeit gibt, mit dem juristischen Alltag in Berührung zu kommen. Das hat sich - soweit man es in einigen Ländern schon getan hat - gut bewährt. Die Versuche sind ermutigend.
Lassen Sie mich nun etwas zum Vorbereitungsdienst sagen. Hier besteht im allgemeinen Übereinstimmung darüber, daß es gut ist, den Vorbereitungsdienst, der jetzt mindestens dreieinhalb Jahre dauert, auf zweieinhalb Jahre zu verkürzen. Das ist nicht gerade wenig, ich gebe es zu; denn immerhin ist das fast ein Drittel der jetzigen Dauer. Aber ich glaube, diese Kürzung ist durchaus berechtigt; denn einer der größten Mängel des Vorbereitungsdienstes besteht in seinem Leerlauf. Es herrscht eigentlich allgemein Einigkeit darüber, daß man mit einer Konzentration wesentlich mehr erreichen könne; gerade bei der Verwaltung ist ja - wenn ich das an dieser Stelle einmal sagen darf - der Leerlauf besonders groß. Die Klagen darüber sind jedenfalls ein Indiz dafür, daß der Vorbereitungsdienst die zeitlichen Grenzen einer rationellen Ausbildung bei weitem überschreitet.
Wir übersehen nicht, daß es mit der Kürzung allein auch hier nicht getan ist, sondern daß noch sehr viel an personellen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen werden muß. Insbesondere innerhalb der Verwaltung hat noch viel zu geschehen; denn es ist bedauerlich - ich habe es selbst erlebt, und viele von Ihnen werden dass gleiche bestätigen können -, daß man da „herumgereicht" und mit irgendwelchen Ladenhütern beschäftigt wird, anstatt daß man einen Eindruck von der typischen Arbeitsweise der Verwaltung bekommt und die Behörde als einen in Bewegung befindlichen Organismus kennenlernt.
Im Mittelpunkt der Diskussionen über den Vorbereitungsdienst hat immer die richtige Aufteilung der Stationen gestanden. Man ist im allgemeinen der Ansicht, daß in etwa ein Verhältnis von 2 : 1 zwischen Verwaltung und Justiz zu bestehen hat. Unser Entwurf trägt dem Rechnung. Er bringt zum Ausdruck, daß 19 Monate bei der Justiz und beim Anwalt und nur 8 Monate bei der Verwaltung verbracht werden sollten. Aber daneben gibt es innerhalb des Vorbereitungsdienstes noch eine Station von 3 Monaten, die der Referendar nach eigener Wahl entweder bei den Arbeits- und Sozialgerichten oder aber bei den Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden zubringen kann. Uns scheint gerade dieser Ausbildungsabschnitt von besonderer Bedeutung zu sein, und wir bedauern es, daß die beiden anderen Entwürfe diese Wahlstation ersatzlos gestrichen haben. Angesichts der Bedeutung des Arbeits- und SoFrau Kleinert
zialrechtes scheint es uns wichtig zu sein, daß der angehende Jurist einmal Einblick in Lebensbereiche nimmt, die ihm im allgemeinen späterverschlossen sind, und es gibt keinen Zweifel, daß sich die in diesen Stationen gewonnenen Erkenntnisse für seine ganze spätere Berufstätigkeit positiv auswirken werden.
({2})
({3})
Darüber hinaus sieht unser Entwurf 'die Möglichkeit vor, im Anschluß an den zweieinhalbjährigen Vorbereitungsdienst ein weiteres halbes Jahr anzuschließen, in dem der angehende Jurist ganz persönlichen Neigungen und individuellen Berufswünschen nachgehen kann. Dieses halbe Jahr kann er bei Körperschaften verbringen, aber auch bei Fraktionen des Bundestages, bei internationalen Behörden, bei in- und ausländischen Rechtsanwälten. Das scheint uns eine sehr sinnvolle Einrichtung zu sein; es ist hier genügend Spielraum für persönliche Neigungen gegeben.
Das, meine Damen und Herren, ist in großen Zügen das, was wir uns bei der Abfassung des Ihnen vorliegenden Entwurfs gedacht haben. Ichglaube, man wird sagen können, daß er ein geschlossenes Ganzes darstellt. Es hat bisher, soweit wir sehen, eigentlich auch nicht an Anerkennung für diesen Entwurf gefehlt. Was in ihm steht, wird von uns im Interesse der einheitlichen Ausbildung für erforderlich gehalten. Der angehende Jurist muß überall einsetzbar sein. Voraussetzung dafür ist, daß die Ausbildung überall die gleiche Qualität hat. Wenn wir schon darangehen, jetzt die juristische Ausbildung zu ändern, dann muß das nach meiner Ansicht und nach Ansicht meiner Fraktion sinnvoll geschehen. Wir wollen nicht etwas Optisches, sondern wir wollen eine echte Verbesserung des juristischen Berufsbildes. Wir wollen uns an einem Leitbild des Juristen orientieren, der mehr ist als ein bloßer Rechtstechniker; er muß sich seiner Verantwortung für den Staat, in dem wir leben, für die Gesellschaft durchaus bewußt sein, und er muß bereit sein, dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Ich bitte Sie, der Überweisung unseres Antrages an den Innenausschuß - mir wäre lieber, ich könnte sagen: an den Rechtsausschuß ({4})
zuzustimmen.
({5})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab meiner Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, daß die beiden Gesetzentwürfe, die die Koalitionsparteien bereits am 2. Dezember des vergangenen Jahres dem Hohen Hause vorgelegt haben, nun auch die Opposition veranlaßt haben, sich über die Frage der Ausbildung unserer Juristen eingehend Gedanken zu machen, die sich dann zu
dem Entwurf verdichtet haben, dessen Begründung wir in so charmanter Weise - durch die Jungfernrede der Frau Kollegin Kleinert - soeben vernommen haben.
({0})
Wir hatten seinerzeit darauf verzichtet, unseren Antrag zu begründen. Nachdem aber Sie, Frau Kollegin, den Gesetzentwurf Ihrer Fraktion bei allem Charme auch sehr ausführlich begründet haben, sehe ich mich veranlaßt, auch für meine Freunde einige Ausführungen zu machen.
Alle drei Anträge stimmen in dem Willen überein, die vorgeschlagenen Änderungen zum 1. Juli dieses Jahres Gesetz werden zu lassen. Dieser Wunsch hat meine Freunde veranlaßt, in unserem Entwurf nur das Wesentliche vorzusehen. Ich glaube, angesichts der Geschäftslage des Hohen Hauses und der beteiligten Ausschüsse besteht überhaupt keine Möglichkeit, einen so ins einzelne gehenden Entwurf wie den der SPD noch zeitgerecht zu verabschieden.
Ich muß aber auch zum Materiellen Ihres Entwurfs, verehrte Frau Kollegin, ein paar kurze Bemerkungen machen. Ich vermag die Aufgabe des Bundesgesetzgebers nicht darin zu erblicken, daß man, wie Sie es offenbar wollen, den Studiengang des Studenten der Rechtswissenschaften in einer Weise regelt, die in die Entscheidungsfreiheit des Studenten und - was noch weitaus ernster ist - in den Lehrbetrieb unserer Hochschulen so stark eingreift, daß dies den Traditionen der deutschen Universitäten diametral zuwiderläuft.
({1}) Gewiß kann man darüber streiten,
({2})
ob diese Traditionen gut oder nicht gut sind. Aber wenn da etwas reformiert werden soll, muß man das doch wohl den Universitäten selbst überlassen, die im übrigen längst dabei sind, die Fragen der Gestaltung des juristischen Studiums zu überdenken. Offensichtlich sind ihre Überlegungen schon recht weit gediehen.
({3}) - Ja, das gebe ich Ihnen zu.
({4})
Zur Länge der Studienzeit nur ein kurzes Wort. Ich persönlich vermag nicht einzusehen, weshalb man einem begabten und fleißigen Studenten nicht die Möglichkeit geben soll, sich schon nach sechs Semestern zum Examen zu melden. Allerdings gebe ich zu, daß es zweifelhaft sein kann, ob man eine erst im Jahre 1961 geregelte Angelegenheit heute schon wieder aufgreifen soll. Darüber muß selbstverständlich in den Ausschüssen gesprochen werden.
({5})
Bezüglich der im SPD-Entwurf vorgesehenen Regelung des juristischen Vorbereitungsdienstes habe ich die gleichen Bedenken. Wir haben uns in unserem Gesetzentwurf lediglich auf die Verkürzung der
Ausbildungszeit beschränkt, wobei wir uns seither davon überzeugt haben, daß man die Ausgestaltung dieser Zeit, soweit sie nicht im Richtergesetz geregelt ist, den Ländern überlassen sollte, die durchaus unterschiedliche Bedürfnisse bei der Ausbildung ihrer Referendare haben.
Einer Überlegung bedarf nach meiner Ansicht die Frage der Wahlstationen - § 5 Abs. 4 des SPD-Entwurfs -. Darüber werden wir in den Ausschüssen sprechen müssen. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir in diesem Punkt gemeinsam zu einer guten Lösung kommen werden.
Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß wir die seinerzeitige Entscheidung des Hohen Hauses in der Frage der Ausschußüberweisung bedauern. Wir hätten es für sachgerechter gehalten, dem Rechtsausschuß die Federführung und dem Innenausschuß die Mitberatung zu übertragen.
({6})
Wir werden uns aber, nachdem diese Frage seinerzeit im umgekehrten Sinne entschieden worden ist, dem Überweisungsantrag der SPD-Fraktion nicht widersetzen.
({7})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Kollegin Kleinert hat hier eine sehr umfassende Begründung gegeben. Ihre Ausführungen entsprechen im allgemeinen unseren Vorstellungen, jedenfalls in weiten Teilen. Die Differenzen, die noch bestehen, können im Ausschuß geklärt werden. Auch über die Länge des Studiums kann man sich selbstverständlich noch unterhalten.
Ein Wort war besonders bemerkenswert. Frau Kleinert hat erklärt, daß wir nicht Techniker des Rechts heranerziehen wollen, sondern Menschen mit einem tiefgreifenden Rechtsempfinden. Dem stimme ich völlig zu. Nur kann man natürlich darüber streiten, ob man in einem langen Studium mehr Rechtstechnik oder Rechtsempfinden erwirbt. Sie wissen, daß es im Ausland ganz andere Studienwege gibt, daß man dort gar nicht so weitgehend auf den materiellen Inhalt des Rechts im Studium, sondern auf ganz andere Qualitäten abstellt und durchaus mit einem kürzeren Studium zurechtkommt. Zweifellos geht es nicht an, einfach ohne Änderung des Studiengangs die Studienzeit zu verkürzen, denn dann wird der Student von sich aus doch wieder die Semesterzahl erhöhen. Vielmehr muß hier in Verbindung mit den Universitäten geprüft werden, welche Studieninhalte unabwendbar sind und welche man unter Umständen streichen oder verkürzen kann. Daraus wird sich dann ergeben, ob man, wie wir es wünschen, mit einem sechssemestrigen Studium die Grundlagen für die Weiterbildung im Beruf legen kann oder ob das nicht möglich ist.
Eines, meine Herren und Damen, wird bei allen Überlegungen über Studienpläne und Studienordnungen erforderlich sein: Wir müssen uns daran gewöhnen, in dem Abschluß eines Studiums nicht mehr den Abschluß der Ausbildung zu sehen.
({0})
Wir müssen uns darauf einrichten, daß es in unserer dynamischen Welt überhaupt keinen Ausbildungsabschluß mehr geben kann. Jeder Abschluß kann nur der Anfang eines neuen Abschnittes sein, in dem Ausbildung und Fortbildung erneut aufgegriffen werden.
Wir bitten also um Überweisung und gemeinsame Beratung in den Ausschüssen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung. Erhebt sich Widerspruch? - Das Haus ist einverstanden; es ist so 'beschlossen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Süsterhenn, Gibbert, Leicht, Schultz, 'Dr. Danz, Dr. Hamm ({0}), Seither, Dröscher, Bauer ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Wein, Dessertwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein ({2}) ({3}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Dr. Süsterhenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin weder Weinbauer noch Weinhändler, weder Weinchemiker noch sonst irgendein Vinologe,
({0}) - Ja, ich bin Weintrinker.
({1})
Deshalb habe ich ein durchaus allgemein menschliches Interesse an dem Problem, das zur Lösung ansteht. Aber über dieses Liebhaberinteresse hinaus glaube ich, daß es sich hier auch um ein nicht unbedeutendes Politikum handelt.
Sie wissen, daß die Lage des deutschen Weinbaus, der ganzen deutschen Weinwirtschaft im Hinblick auf die ausländische Konkurrenz, auf die Importe, im Hinblick auch auf die bevorstehende europäische Weinmarktordnung nicht gerade als 'besonders gesichert erscheint. Da die europäische Weinmarktordnung im Rahmen des gemeinsamen Agrarmarkts in mehr oder minder greifbare Nähe rückt, erschien es mir und den anderen Kollegen, mit denen zusammen ich diese Vorlage eingebracht habe, doch notwendig, dafür zu sorgen, daß die deutsche Weinwirtschaft, insbesondere aber die deutsche ReDr. Süsterhenn
gierung nicht ungerüstet und nicht ohne eine feste Plattform in die Brüsseler Verhandlungen hineingeht. Es wäre eine absolute Unmöglichkeit, in Brüssel Verhandlungen zu führen, wenn keine klare deutsche und nach Möglichkeit gesetzlich festgelegte Linie für die Regierungsdelegation vorhanden wäre. Es wäre eine Unmöglichkeit, wenn die verschiedenen Interessenten innerhalb der deutschen Weinwirtschaft, die nicht alle identische Interessen haben, unmittelbar in Brüssel ihre vielfach differenzierten Auffassungen vorbringen könnten.
Infolgedessen wäre es außerordentlich zu begrüßen, daß sämtliche an der Weinwirtschaft Beteiligten der verschiedenen deutschen Weinbaugebiete, die ja hinsichtlich der klimatischen, Boden- und sonstigen Verhältnisse unterschiedliche Produktionsbedingungen haben, sich doch in einigen wesentlichen Grundzügen auf gemeinsame Vorschläge für ein neues deutsches Weingesetz geeinigt hätten.
Unsere jetzt noch in. Kraft befindliche Weingesetzgebung stammt aus dem Jahre 1930. Seit dem Jahre 1930 ist - ich möchte bitten, deutlich zuzuhören - sehr viel Wasser den Rhein heruntergeflossen - ich bitte, das nun nicht etwa mit dem Thema zu verwechseln, das Gegenstand dieses Gesetzes ist -,
({2})
und infolgedessen ist es notwendig, die gesetzlichen Grundlagen neu -.auch entsprechend den modernen' Produktionsbedingungen und Behandlungsmethoden - zu gestalten.
Meine Damen und Herren, ich will mich hier in keiner Weise etwa mit fremden Federn schmücken. Ich glaube, das ist auch nicht die Absicht der anderen Kollegen, die diesen Initiativgesetzentwurf mit unterzeichnet haben. Ich will vielmehr der Ehrlichkeit halber feststellen, daß dieser Initiativgesetzentwurf auf den jahrelangen vorbereitenden Arbeiten aufbaut, die vom Gesundheitsministerium in Verbindung mit anderen Ressorts und vor allem in Verbindung mit dem Weinbeirat - in dem nicht nur die Weinbauern, sondern auch die Weinhändler und Weinverarbeiter vertreten sind - geleistet worden sind.
Es ist im allgemeinen nicht üblich, daß man die Anonymität der sich in der Stille vollziehenden Referentenarbeit von außen her durchbricht, Aber ich möchte von dieser Gepflogenheit heute einmal eine Ausnahme machen, weil dazu eine besondere Veranlassung besteht. Derjenige, der sich vor allen Dingen um diese vorbereitenden Arbeiten besonders bemüht hat, ist der Ministerialdirigent Dr. Forschbach aus dem Gesundheitsministerium. Ich nenne ihn deswegen mit Dank und Anerkennung, weil er, wie ich soeben gesehen habe, in einer berufsständischen Zeitung nicht gerade mit besonderer Sachlichkeit attackiert worden ist. Das ist der Grund, weshalb ich seinen Namen nenne und auf die von ihm geleistete wertvolle Vorarbeit lobend hinweise.
Die in dem Entwurf dieses Weingesetzes vorgesehenen Regelungen liegen durchaus im allgemeinen Interesse. Denn der Konsument muß - und jetzt spreche ich in meiner spezifischen Stellung
als Weintrinker - eine Garantie dafür haben, daß das, was ihm geboten wird, qualitativ gut ist, und zwar nicht nur nicht gesundheitsschädlich, sondern auch geschmacklich angenehm und befriedigend. Darüber hinaus schreibt der Entwurf eine Bezeichnungswahrheit und -klarheit vor, die es dem Konsumenten erlaubt, sich unter dem, was auf dem Ettikett steht, auch etwas vorzustellen.
Was die Einordnung der deutschen Weinwirtschaft in die europäische Weinwirtschaft angeht, so kommt es natürlich nicht nur darauf an, jetzt eine deutsche Rechtsgrundlage zu zementieren, sondern auch darauf, bei der Gestaltung dieser deutschen Rechtsgrundlage schon eine gewisse Anpassung an die Kategorien vorzunehmen, die mißt großer Wahrscheinlichkeit in der Europäischen Weinordnung - wie man aus den vorbereitenden Arbeiten an ihrem Entwurf entnehmen kann - verankert werden. Es kommt also darauf an, daß wir nicht erst abwarten, bis die Europäische Weinordnung da ist, und dann zetermordio schreien, sondern vorausschauend bei uns in eigener Zuständigkeit eine gesetzliche Regelung schaffen, auf Grund derer die deutsche Weinwirtschaft dem Zustandekommen der Europäischen Weinordnung nicht mit Sorgen entgegenzusehen braucht. Die deutsche Weinwirtschaft muß vor unangenehmen Überraschungen bewahrt bleiben; sie soll wissen, was wir im europäischen Bereich wollen. Das ist der politische Sinn dieses Gesetzentwurfs.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, bitten, diesen Gesetzentwurf an den Gesundheitsausschuß und an den Ernährungsausschuß zu überweisen. Dabei möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß es noch möglich sein wird - vielleicht durch die Bildung eines Unterausschusses -, dieses für die deutsche Weinwirtschaft so eminent wichtige Gesetz vor Ende dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider für meinen Kollegen Seither einspringen, der eigentlich zu diesem Entwurf sprechen sollte, aber aus gesundheitlichen Gründen verhindert ist. Dabei spreche ich für die 25 Abgeordneten meiner Fraktion, die diesen von insgesamt 88 Abgeordneten - nicht von den Fraktionen - unterzeichneten Antrag mit unterschrieben haben.
Unser geltendes Weingesetz stammt aus dem Jahre 1930. Es hat seine Aufgaben erfüllt, freilich unter Zuhilfenahme einer Fülle von Verordnungen, die am Schluß, wie wir .gesehen haben, nicht mehr ganz zu überschauen waren. Sie waren in erster Linie wegen der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in der Weinwirtschaft erforderlich geworden.
Seit mehr als zehn Jahren wird sowohl von der Weinwirtschaft als auch von den Konsumenten eine Reform des Weingesetzes gefordert, und zwar eine
Reform an Haupt und Gliedern. Der Verbraucher spielt dabei eine immer gewichtigere Rolle, und das ist vom Standpunkt des Weinbauern gar nicht so schlecht. Denn für ihn ist doch das stetige Ansteigen der Absatzmenge ausschlaggebend. Wenn die Deutschen im Jahre 1935 pro Kopf 6,7 1 getrunken haben und heute bei 14 1 angelangt sind, so ist das ein schöner Fortschritt, und wir wollen hoffen, daß es so weitergeht und der deutsche Wein den entsprechenden Absatz findet.
({0})
- Ja, da müssen wir von den Franzosen noch viel lernen, aber, ich ,glaube, weniger in der Produktion als im Konsum.
({1})
Unser heute vorliegender Gesetzentwurf trägt dem berechtigten Interesse der Winzer Rechnung. Er kommt aber auch den Wünschen der Verbraucher so entgegen, wie es möglich erschien. Der Entwurf ist nicht der Weisheit letzter Schluß; das wissen, glaube ich, alle Fachleute. Aber er stellt nach unserer Meinung eine Grundlage dar, auf der ein modernes, ein fortschrittliches, ein den europäischen Gegebenheiten angepaßtes Weingesetz in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut werden kann.
Es hat kurz nach der Einbringung unseres Entwurfs - das hatten wir eigentlich gar nicht anders erwartet - eine Kritik, zum Teil heftige Kritik und sogar einen geharnischten Protest gegeben.
Aber wir sollten (uns in unseren Bemühungen davon nicht beirren lassen. Es wird unmöglich sein, alle Wünsche der Interessenten auf diesem Gebiet zu erfüllen. Das gilt bei einer so delikaten Materie in besonderem Maße. Wir Unterzeichner sind jedenfalls davon überzeugt, daß die Vorlage eine Art optimaler Interessenausgleich ist. Keiner von uns ist dabei restlos zufrieden. Erlauben Sie mir, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß in der Unterschrift alle deutschen Weinbaugebiete vertreten sind; darin liegt die Berechtigung, von diesem Interessenausgleich zu sprechen.
Es muß auf diesem Gebiet etwas geschehen. Das war die Meinung der Unterzeichner. Schon 10 Jahre versucht sich die Bundesregierung an dieser Materie. Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Regierung, daß sie die Dinge bisher nicht weitergebracht hat. Es mag sein, daß sich die Bildung des Gesundheitsministeriums und die Übertragung dieser Aufgabe an das Ministerium im Jahre 1961 besonders hemmend ausgewirkt haben, weil es eine neue technische Lösung zu finden galt und auch ein neues Organisationsschema da war. Jetzt haben einfach die Abgeordneten die Geduld verloren, das, was an anderer Stelle fachlich erarbeitet worden ist - der Herr Kollege Professor Süsterhenn hat es gerade gesagt -, aufgegriffen und in die Gesetzgebungsmaschinerie hineingebracht, damit es noch zum Zuge kommt.
Ich möchte in groben Umrissen darstellen, worum es bei diesem Entwurf für ein deutsches Weingesetz für die an der deutschen Weinproduktion und am deutschen Weinverbrauch interessierten Kreise
geht. Die Erzeuger werden in Zukunft an eine sehr strenge Leseordnung gebunden sein. Sie werden den Wein je nach der gewünschten Klassifizierung nur zu bestimmten, von den Behörden festgesetzten Terminen lesen dürfen. Sie werden nur bestimmte zugelassene Rebensorten anpflanzen dürfen. Ihr Erntegut wird die Bezeichnung „Wein" nicht tragen dürfen, wenn sie nicht weitere strenge Bestimmungen beachten.
Ein besonders kritisches Problem, das uns noch sehr beschäftigen wird, stellt die Methode dar, wie man die hohen Säuregrade, die gelegentlich in manchen Weinbaugebieten auftreten, zur Erzielung der begehrten Harmonie auf ein erträgliches Maß reduzieren kann. Auch der Mindestalkoholgehalt, den
der § 1 dieses Entwurfs fordert, wird manchen Weinbauern in manchen Weinbaugebieten noch Sorge bereiten. Aber all diese Bestimmungen dienen letztlich dem großen Ziel, dem deutschen Wein bei der deutschen Bevölkerung auch dann, wenn der Gemeinsame Markt besteht und die Konkurrenz von draußen hereinkommt, seinen ihm zukommenden Platz zu sichern.
({2})
- Ja natürlich, an der Sonne, da wächst er ja auch bei uns in Deutschland, Gott sei Dank.
Die Verbraucher werden auf dem Etikett zuverlässig lesen können, was sie kaufen. Das ist sehr wichtig. Es wird von ihrer Entscheidung und von ihrem Geldbeutel abhängen, ob sie einen Qualitätswein mit Prädikat, einen Qualitätswein oder einen einfachen Tischwein erstehen. Die Konsumenten werden sich darauf verlassen können, das zu erhalten, was sie verlangen. Dabei wird jeder Geschmack auf seine Rechnung kommen können.
Es verstößt nicht gegen die Interessen der Verbraucher, daß die übergroße, verwirrende Anzahl von Weinbergslagen im Bundesgebiet reduziert wird. Der Verbraucher wird nach wie vor den von ihm gewünschten Wein kaufen können. Das Gesetz ist so konstruiert, daß es weitgehend vom Verbraucher abhängt, welcher Geschmack und welche Qualität sich durchsetzen werden.
Auch die Hersteller, die Abfüller und die Verkäufer von Wein, Dessertwein, Schaumwein und weinhaltigen Getränken sowie von Branntwein aus Wein werden von der Neuregelung dieses Gesetzes betroffen. Es wird notwendig sein, bei der Beratung des Gesetzentwurfs mit Sachverständigen und interessierten Wirtschaftskreisen eine Lösung zu finden, die den allgemeinen Interessen entspricht.
Einzelne Weinhändler haben in den letzten Wochen gegen die Einbringung des Gesetzes protestiert. Auch der Weinhandel wird hergebrachte Gewohnheiten aufgeben müssen. Deshalb von katastrophalen Folgen zu sprechen scheint aber doch weit über das Ziel hinauszuschießen.
({3})
Das möchte ich hier einmal deutlich sagen.
Das Hauptziel der Vorlage ist es, das Vertrauen der Konsumenten zum deutschen Wein zu stärken und die Qualität und die Spezialität unserer Weine im Gemeinsamen Markt und damit ihren möglichen
Absatz zu verbessern. Dem deutschen Wein sollen neue Absatzmöglichkeiten bei uns selbst, in der EWG und in der Welt draußen eröffnet werden. Lassen Sie uns in den zuständigen Ausschüssen gemeinsam versuchen, Lösungen der vielfältigen und noch offenen Fragen zu finden, die dieser schwierigen Materie am besten gerecht werden.
Ich beantrage daher die Überweisung dieses Initiativgesetzentwurfs an den Gesundheitsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem zu dieser außerordentlich wichtigen Materie zwei Herren aus dem Kreis der Verbraucher gesprochen haben, ist es vielleicht ganz gut, wenn auch der zweite Winzer in diesem Bundestag etwas dazu sagt. Der erste Winzer, Kollege Gibbert, sitzt Ivor mir und lächelt mich an.
Ich darf vielleicht auch zu dem, was Kollege Süsterhenn gesagt hat, noch eine Bemerkung machen. Ich möchte Ihre Feststellung dahin gehend erweitern, daß Wasser nicht nur den Rhein, sondern selbstverständlich alle Flüsse hinunterläuft, also auch den Neckar und den Main und die Donau - und die Mosel -, um jede Mißdeutung auszuschließen.
Meine sehr verehrten Vorredner haben schon mit beredten Worten dargelegt, warum dieses Weingesetz erlassen werden muß. Es würde Sie strapazieren, wenn ich praktisch dasselbe mit anderen Worten noch einmal sagte.
Eine Bemerkung zu Ihnen, Kollege Dröscher. Sie sprachen davon, es sei kein Ruhmesblatt der Regierung, daß dieser Weingesetzentwurf erstens nicht von ihr, d. h. von dem Ressort, eingebracht worden sein und daß es zweitens so lange gedauert habe, bis ein Entwurf fertiggestellt worden sei. Ich muß da die Regierung etwas in Schutz nehmen. Sie wissen doch ganz genau, wie schwierig es gewesen ist, sich innerhalb der Weinwirtschaft auf diesen Kompromißentwurf zu einigen,
({0})
.den wir uns dann zu eigen gemacht haben, um 'ihn in die parlamentarische Beratung hineinzubringen. Die vielen Sitzungen, die da in den Weinwirtschaftsverbänden, im Weinbauverband, bei den Sekterzeugern usw. abgehalten worden sind, sind jedem in Erinnerung, der sich mit den Dingen befaßt hat. Es war also immerhin ein recht verdienstvolles Unternehmen der Frau Gesundheitsministerin, sich mit ihrem Haus einmal an die Kodifizierung dessen zu begeben, was in so vielen Sitzungen draußen vor dem Parlament erörtert worden ist. Ich glaube, wir Abgeordnete hätten diesen Entwurf nicht einbringen können, wenn diese Vorarbeit nicht geleistet worden wäre.
({1}) Das muß doch einmal festgestellt werden.
Mir scheint, daß die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs in der Tat dringlich ist. Die Gründe dafür haben Kollege Süsterhenn und auch Kollege Dröscher angesprochen. Es ist einmal die Situation auf dem sich bildenden EWG-Weinmarkt, wo wir, wenn wir nicht entsprechende Richtlinien haben, ohne Zweifel im Hintertreffen 'bleiben werden. Zum andern ist es natürlich notwendig - das hat Herr Kollege Süsterhenn hervorgehoben, und ich danke ihm dafür, daß er das getan hat -, das Vertrauen des Verbrauchers in den deutschen Wein zu stärken. Der Verbraucher hat dieses Vertrauen, aber die Basis muß verbreitert werden.
Nach der Weinbestandsmeldung, die auf Grund der EWG-Normen abgegeben werden muß, war am 31. Dezember 1964 ein Weinbestand einschließlich der importierten Weine von etwa 16 Millionen Hektoliter in der Bundesrepublik vorhanden. Wir steuern nun auf eine neue Ernte zu, von der wir nicht wissen, wie groß sie ist und wie sie aussehen wird. Der Verbrauch ist zwar angestiegen, hat aber doch nicht das Maß von 6 bis 7 Millionen Hektolitern überschritten. Ohne Zweifel können der deutsche Weinbau und die deutsche Weinwirtschaft mit all den Zulieferindustrien, die dazu notwendig sind, in der Zukunft nur dann bestehen, wenn der Verbrauch hier in der Bundesrepublik erweitert wird und wenn wir auch die Möglichkeit haben, zu exportieren, weil wir Qualität und deutsche Spezialität exportieren.
Deswegen mein Wunsch, daß dieses Weingesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Ich möchte dazu folgenden Vorschlag machen, der dann vielleicht in den Gremien des Gesundheitsausschusses und des Ernährungsausschusses diskutiert werden möge. Ist es nicht möglich, aus diesen beiden Auschüssen einen Unterausschuß „Weingesetz" zu bilden, der diese Beratungen durchführt, so daß dann der federführende Ausschuß und der mitberatende Ausschuß diesen Beratungen praktisch nur mehr das Plazet zu geben haben? Das könnte gegebenenfalls die Verabschiedung beschleunigen, zumal es nicht möglich ist, einen Sonderausschuß wie für das Parteiengesetz so auch für das Weingesetz innerhalb der Fraktionen des Bundestages durchzusetzen, was vielleicht nützlich gewesen wäre.
Der Entwurf - das sagte auch schon der Kollege Dröscher - ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluß. Es kann darüber gesprochen werden, aber ich glaube, wir sollten ihn nicht zerreden. Das wäre auch wieder falsch. Es muß ein Gesetz herauskommen, das für die Weinwirtschaft auch praktikabel ist. Wir dürfen kein Gesetz schaffen, das praktisch den Erzeugergleichgültig welcher Stufe, oder den Weiterverarbeitenden zu Übertretungen herausfordert. Man kann also kein Verbotsgesetz in dem Sinne schaffen, daß man dann neben jeden Weinbauer oder weinverarbeitenden Betrieb einen Polizisten stellen muß, weil die Bestimmungen so
schwierig sind, daß sie praktisch nicht durchgeführt werden können.
Auf einige wesentliche Punkte möchte ich noch kurz eingehen. Dieses Gesetz muß selbstverständlich auch auf die Produktionsbedingungen Rücksicht nehmen. Als Beispiel dafür, was ich meine, will ich nur sagen: Die altbekannten Rebsorten wie Silvaner und Riesling werden durch frühreifende Sorten ergänzt, die selbstverständlich andere Lesetermine haben werden. Da in diesem Gesetz kodifiziert werden soll, wann gelesen werden darf, um eben die höchstmögliche Qualität zu erreichen, muß auch darauf Rücksicht genommen werden. Wen es interessiert: Es ist in § 12 nachzulesen.
Ich bin auch der Meinung, daß altbekannte und altbewährte Weinbereitungsmethoden nicht diskriminiert werden sollten. Die Entsäuerung von Wein - Kollege Dröscher sprach auch davon - mit kohlensaurem Kalk soll durchaus weiter als Methode beibehalten werden, ohne daß dadurch die so behandelten Weine gegenüber anderen diskriminiert werden. Ich habe Bedenken, hier einen Schritt von dem eingefahrenen Weg zu tun; denn dann kann es so kommen, wie ich es vorhin sagte: Dann wird das Gesetz nicht mehr praktikabel sein, und wir würden hier etwas Schlechtes schaffen.
Auch was die Deklarierungspflicht, die ebenfalls in dem Gesetz vorgesehen ist, für Zusätze zum Wein, wie z. B. Schwefel, angeht, müssen wir sehr sorgfältig beraten. Ich kann mich z. B. nicht damit einverstanden erklären, daß sagen wir, der Gehalt an Schwefel deklariert werden muß, wenn er unter der im Gesetz als Norm vorgesehenen Grenze bleibt oder diese Norm nur zu zwei Dritteln erreicht. Entweder setze ich in einem Gesetz Normen - dann kann ich diese Normen ausfüllen, ohne daß ein besonderer zusätzlicher Zwang daraus entsteht -, oder ich lasse es ganz bleiben.
Ich bin auch der Meinung, daß die Überprüfung der Bestimmungen darüber vorgenommen werden muß, wieweit Wein- und Schaumweinerzeugung in denselben Räumen stattfinden können.
Das alles sind Dinge, die zwar nicht weltbewegend, aber auch von wirtschaftlichem Interesse sind. Dieses Gesetz - ich sage es noch einmal - muß praktikabel bleiben. Vor allen Dingen kommt es darauf an, uns dem Grundgedanken verpflichtet zu fühlen, daß die Qualität des Weins nicht erst im Keller entstehen kann oder soll, sondern die Qualität der Traube als des Ausgangsprodukts der Maßstab für die Qualität sein muß.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Wirtschaftsausschuß - mitberatend -. Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft ({0})
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2})
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3}) ({4}).
({5})
Zunächst Punkt 8 a: Bericht des Haushaltsausschusses. Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Brese, ob er dazu das Wört wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet.
Änderungsanträge liegen zu keinem Artikel vor. Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung!
Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist auch in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 8 b: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gibbert, ob er das Wort wünscht.
({6})
- Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht. Ich bedanke mich.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Werbesendungen in Rundfunk und Fernsehen ({7}).
Zusätzlich ist hier der Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU betreffend Neuverteilung der Fernsehgebühren - Drucksache IV/3169 - auf die Tagesordnung gesetzt worden.
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. - Das Wort zur Einbringung hat der Herr Abgeordnete Blumenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Initiativgesetz-entwurf .der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP über Werbesendungen in Rundfunk und Fernsehen begründen.
Am 15. November 1963, also vor fast eineinhalb Jahren, debattierte dieses Haus über die Drucksache
IV/1400: Untersuchung über die Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk, Fernsehen und Film. Es würde sich für manchen der kritischen Kommentatoren, der ironischen Gegner unserer gesetzgeberischen Initiative ebenso wie für die ARD-Intendanten und auch die 'Bundesländer verlohnen, die Debatte dieser 97. Sitzung einmal nachzulesen. Sie würden unsere Sorge um die 'Entwicklung in den Massenmedien und die sich immer klarer abzeichnende Wettbewerbsungleichheit und unsere Sorge um die Unabhängigkeit der Presse deutlicher herauslesen, als sie es seinerzeit zur Kenntnis oder nicht zur Kenntnis nahmen. Wir, die Initiatoren des Koaliitonsantrages, den wir heute behandeln, können uns des Eindrucks nicht erwehren, als hätten die Ministerpräsidenten der Länder, insbesondere aber die Intendanten der Rundfunk- und Fernsehanstalten, die politische Warnung vor möglichen gesetzgeberischen Konsequenzen, die hier im Bundestag ausgesprochen wurde, nicht nur überhört, sondern
insbesondere die Anstaltsintendanten - mit einer selbstgefälligen Handbewegung beiseite gewischt. Anders ist jedenfalls die Reaktion, die wir von den Anstalten in eigener Sache vom Bildschirm
ertönen hören, nicht zu begreifen.
Lassen Sie mich zu dem uns vorgehaltenen Argument, wir sollten doch die Ergebnisse der von uns selbst geforderten und eingesetzten Untersuchungskommission abwarten, sofort etwas sagen.
Erstens. Die Berufung der Kommission und ihre Arbeitsaufnahme sind bedauerlicherweise, aus welchen Gründen auch immer, verzögerlich erfolgt, so
daß wir weder mit vorläufigen Zwischenergebnissen noch vor dem Jahre 1966 - bestenfalls! - mit endgültigen Resultaten oder Vorschlägen rechnen können.
Zweitens. Wir haben in der Begründung und der Debatte anläßlich der Einsetzung einer Untersuchungskommission am 15. November 1963 von allen Fraktionen des Hauses unüberhörbar herausgestellt, daß der Bundesgesetzgeber Gesetzesinitiativen folgen lassen könnte oder auch folgen lassen würde, um eine Neuordnung von Rundfunk und Fernsehen in der Bundesrepublik herbeizuführen, gleichzeitig aber auch, um eine unserer marktwirtschaftlichen Grundordnung entsprechende, unter fairen und gleichgewichtigen Wettbewerbsverhältnissen sich abspielende Konkurrenz der publizistischen Organe sicherzustellen und somit die im Grundgesetz verankerte unabhängige, freie öffentliche Meinungsbildung zu garantieren.
({0})
Drittens. Seit diesem Zeitpunkte haben sich eine Reihe neuer Tatbestände vollzogen, so u. a. eine weitere Ausdehnung der öffentlich-rechtlichen Anstalten durch die Einführung des sogenannten Dritten Programms und die Aufnahme eines vorläufig noch zu Übungszwecken deklarierten Regionalprogramms in verschiedenen Teilen des Bundesgebiets einschließlich Berlin.
Viertens. Das Werbefernsehen der öffentlich-rechtlichen Anstalten - neuerdings auch des ZDF - hat sich, was die Einnahmeseite angeht, im Verlauf
der letzten zwei Jahre so stark entwickelt, daß es in der Tat zu einer bedrohlichen Situation kommen muß, wenn jetzt nicht an die Grundsätze unserer Wirtschaftsordnung, also die Trennung von Aufgaben gemeinnützig-öffentlich-rechtlicher Anstalten einerseits und privatwirtschaftlicher Tätigkeit andererseits, erinnert wird und daraus Schlußfolgerungen gezogen werden.
Fünftens. Der Beschluß des Bundestages, der zur Grundlage der Arbeit der Kommission gemacht wurde, hat auch heute noch wie für die Zukunft Gültigkeit und erhebliche Bedeutung. Denn die Kommission soll die Wirtschaftsentwicklung der drei Medien Rundfunk-Fernsehen, Film und Presse untersuchen, die zweigleisige Tendenz bei den einzelnen rechtlich würdigen, die Auswirkungen der verschiedenen staatlichen Privilegien auf die freie Meinungsbildung feststellen, das Verhältnis der privatwirtschaftlich arbeitenden Produktionsfirmen zu den Fernsehanstalten prüfen, ebenso wie das Eindringen der Anstalten mittels Übernahme in die Ateliers, Synchronbetriebe, Kopieranstalten, Filmvertriebs- und -exportgesellschaften, Einkaufsgesellschaften usw. Ebenso soll die Kommission die Verhältnisse in der Bundesrepublik mit denen im Ausland vergleichen.
Für alle Beteiligten wäre es sehr nützlich - ich sage das in vollem Freimut -, wenn die Kommission sehr bald aussagen könnte, ob die Wettbewerbsverzerrung zwischen den Medien etwa dadurch beseitigt werden kann, daß der Presse der Fernsehschirm eröffnet wird. Der vorliegende Gesetzentwurf über das Verbot von Werbesendungen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten hat mit der Fülle der Untersuchungsaufträge der Kommission nichts zu tun, denn der Gesetzentwurf soll einen wichtigen staats- wie wirtschaftspolitischen Grundsatz verwirklichen bzw. wieder verwirklichen. Wir wünschen nicht, daß die öffentliche Hand im Wirtschaftswettbewerb tätig wird, soweit nicht besondere hoheitliche Aufgaben ein solches Tätigwerden erfordern.
({1})
Die Bundesregierung hat die soziale Marktwirtschaft von Anfang an zum Grundpfeiler ihrer Politik gemacht und dabei das Prinzip des freien Wettbewerbs in den Vordergrund gerückt. Es muß mit zunehmender Sorge festgestellt werden, daß sich die öffentliche Hand im Laufe der Jahre nicht nur einen ständig wachsenden Anteil an der Vermögensbildung in der Bundesrepublik wie auch am jährlichen Sozialprodukt zu Lasten der arbeitenden Bürger und der unternehmerischen Wirtschaft angeeignet hat, sondern daß auch der Staat in den wirtschaftlichen Wettbewerb der Bürger durch die Betätigung der Gebietskörperschaften, der Anstalten des öffentlichen Rechts usw. ebenso wie unter Benutzung der Form von Gesellschaften des privaten Rechts massiv eingetreten ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist unbestritten, daß der Staat, der sich wettbewerbswirtschaftlich gegenüber seinen Bürgern betätigt, dem allgemeinen Wirtschaftsrecht und Wettbewerbsrecht unterliegt. Der Staat darf aber darüber
hinaus keine Vorzugsstellung im freien Wettbewerb genießen und muß sich, wenn unsere Verfassungsgrundsätze erhalten bleiben sollen, im Einzelfall auch die Beseitigung dieser Vorzugsstellung gegenüber dem Bürger gefallen lassen. Ausgenommen bleibt - wie ich schon gesagt habe - die Betätigung des Staates bzw. öffentlich-rechtlicher Körperschaften im Bereich rein hoheitlicher Aufgaben. Dies ist auch alles schon in der Rechtsprechung angeklungen. Sie hat ausgesprochen, daß die öffentlichen Aufgaben des Staates nicht in unsachlicher Weise mit eigenwirtschaftlichen Interessen und Erwägungen verquickt werden sollen. Nach unserer Auffassung kann es nicht Sache der Gerichte sein, die Grenzen des erlaubten Wettbewerbs der öffentlichen Hand festzusetzen. Dies ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers im Rahmen seiner Schutzpflicht für den freien Wettbewerb seiner Bürger.
Veranlassung für uns zum nunmehrigen Eingreifen des Gesetzgebers bietet der Fall der öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Sie wurden durch hoheitlichen Akt geschaffen und besitzen - bei der ARD noch aus der Besatzungszeit - ein geschütztes und seither weit ausgebautes Monopol. Ihre ursprünglich nur aus politischen Gründen eingeräumte Sonderstellung im Informationsbereich haben sie dann ausgenutzt, sich auch erwerbswirtschaftlich in Konkurrenz mit anderen Werbeträgern auf dem Gebiete der Wirtschaftswerbung gewinnstrebend zu betätigen.
Die Aktivität und das Vordringen der mit Gebührenhoheit sowie Privilegien verschiedenster Art - vor allem steuerlichen - ausgestatteten derzeitigen Monopolanstalten auf das privatwirtschaftliche Gebiet gegenüber den uneingeschränkt der Steuer unterliegenden Mitbewerbern ist eigentlich für jedermann sichtbar. Es handelt sich hier nicht nur der Presse gegenüber um einen Verdrängungswettbewerb, den die Anstalten schon heute betreiben, sondern auch gegenüber allen anderen, die ich schon im Zusammenhang mit dem Punkt 5 am Anfang meines Berichtes genannt habe. Dem Bundestag muß allerdings besonders daran gelegen sein, für die im Grundgesetz festgelegte unabhängige Meinungsbildung der Öffentlichkeit im demokratischen Staatswesen in ihrer ganzen Breite zu sorgen.
Würde man den Trägern öffentlicher Befugnisse zubilligen, sich wie bisher erwerbswirtschaftlich zu betätigen, zumeist über die Rechtskonstruktion von Personengesellschaften in Mehrheits- oder Alleinbesitz der ARD, so vergrößerte sich die Gefahr, daß die ihnen zugebilligten Privilegien zum Vorteil einer eigenwirtschaftlichen Betätigung und zum Nachteil der im freien Wettbewerb stehenden Bürger ausgenutzt werden. Diese latente Gefahr einer zu mißbilligenden Verquickung beider Tätigkeitsbereiche kann wirksam nur dadurch vermieden werden, daß die öffentliche Hand von jeder selbständigen, nicht im Interesse eines konkreten Verwaltungszweckes stehenden gewinnbezogenen erwerbswirtschaftlichen Betätigung ausgeschlossen wird.
Diesen Gedanken haben im übrigen die deutschen Gemeindeordnungen im kommunalen Bereich bereits Rechnung getragen und den Gemeinden ausnahmslos die erwerbswirtschaftliche, nur auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit untersagt. Durch unseren Gesetzentwurf soll auf Bundesebene eigentlich nur erreicht werden, daß die Kommunikationsmittel nunmehr das nachvollziehen, was die Gemeindeordnungen bereits vorgeschrieben haben.
Ein Eintreten der öffentlichen Hand in den Wettbewerb ist im Falle der Wirtschaftswerbung auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil nach unserer Auffassung übergeordnete Rücksichten, etwa Daseinsvorsorge nicht angeführt werden können.
Meine Damen und Herren, ein Wort noch zur Werbung! Einer der Motoren unserer Volkswirtschaft, die Werbung, ist unseren Prinzipien entsprechend, ein Betätigungsfeld der Staatsbürger. Tritt durch ein neues Medium ein neuer Werbeträger auf, gehört dieser zum Markt der Werbewirtschaft und unterliegt den gleichen Grundsätzen, die auch für die anderen Werbemittel gelten.
Nun zur Gesetzgebungszuständigkeit! Wir meinen, daß die Gestzgebungszuständigkeit des Bundes für den Gesetzentwurf nach Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes eindeutig gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff „Recht der Wirtschaft" im Sinne dieser Zuständigkeitsnorm in einem weiten Sinne aufzufassen. Es sind darunter alle das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen zu verstehen. Vor allem sind diejenigen Vorschriften dazuzurechnen, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen. Diese Zuständigkeitsnorm ermöglicht auch Gesetze, die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen, und zwar auch dann, wenn Motiv für dieses Gesetz nicht oder nicht ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte sind. Die Veranstalter von Rundfunk- und Fernsehsendungen, und zwar sowohl öffentlich-rechtliche als auch mögliche private Unternehmungen, betätigen sich im Bereich der Wirtschaft, wenn und soweit sie Werbesendungen ausstrahlen und ihre Sendezeit wirtschaftlichen Unternehmungen zur Verfügung stellen, gewissermaßen verkaufen. Auch ein Gesetz, das etwa allen Anstalten und Unternehmen die Ausstrahlung von Werbesendungen untersagen oder beschränken würde, wäre hiernach Recht der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes. Als Parallele sei auf das Gesetz über Bausparkassen hingewiesen, das in seine Regelung auch die in öffentlich-rechtlicher Form organisierten Kreditinstitute einbezieht. Die Beschaffung von Werbeaufträgen und die Verteilung der Werbespots ist ein einheitlicher Vorgang des Wirtschaftsbereichs und hat mit kulturell abgestützten Aufgaben von Funk und Fernsehen nach unserer Auffassung nichts zu tun.
({2})
Diese unsere Auffassung wird auch, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD, vom Bundeskartellamt vertreten.
In der Beurteilung der Gesetzgebungskompetenz ändert sich nichts dadurch, daß unser Entwurf ein Verbot der Ausstrahlung von WerbefernsehsendunBlumenfeld
gen nur für die öffentlich-rechtlichen Anstalten aussprechen will. Aus dem Grundrechtskatalog sind unseres Erachtens Bedenken gegen den Entwurf nicht zu erheben. Die Grundrechte als subjektiv öffentliche Rechte können in der Regel weder der Staat noch seine Einrichtungen in Anspruch nehmen, da sie nicht gleichzeitig Träger und Adressat von Grundrechten sein können. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können daher nicht geltend machen, sie seien durch die beabsichtigte Regelung in ihrer Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 des Grundgesetzes verletzt.
Ich führe dies hier aus, meine Damen und Herren, weil die ARD mit Schreiben vom 8. März dieses Jahres den Fraktionen dieses Hauses eine Reihe von Gesichtspunkten zur Berücksichtigung vorgelegt hat und weil auch die sozialdemokratischen Kollegen in Äußerungen, die bisher an unser Ohr gedrungen sind, diese Frage besonders herausheben und wahrscheinlich nachher auch noch dazu Stellung nehmen werden. Deswegen müssen wir auf diese einzelnen Punkte eingehen.
In diesem Schreiben vom 8. November trägt nun aber die ARD eine Reihe von Punkten vor, die sich neben anderen völlig am Kern der Sache vorbeigehenden Argumenten insbesondere mit verfassungsrechtlichen Bedenken beschäftigen. So trägt die ARD vor, daß der Gesetzentwurf der Koalition lediglich die Werbung in Rundfunk und Fernsehen herausgreife und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz - Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - verstoße und willkürlich die Werbung in den Anstalten diskriminiere, insbesondere gegenüber der Werbetätigkeit bei Bundespost, Bundesbahn und Städten. Der Gleichheitsgrundsatz ist - und ich glaube, der Justizminister wird mir da beipflichten - nicht dadurch verletzt, daß unser Gesetzentwurf nur die öffentlich-rechtlichen Anstalten dem Verbot unterwirft, nicht aber private Unternehmen, die künftig eine Erlaubnis zum Betrieb von Fernsehanlagen und Fernsehprogrammen erhalten. Die Werbetätigkeit etwa der Bundespost, der Bundesbahn und der Städte läßt sich nämlich nicht nur der Größenordnung nach, sondern insbesondere der Art nach nicht mit der der Rundfunk- und Fernsehwerbung vergleichen. Es kann daher nicht als willkürlich bezeichnet werden, wenn von den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nur den Rundfunk- und Fernsehanstalten die Werbetätigkeit untersagt wird. Der Bundesgesetzgeber ist also nicht durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet - so argumentieren wir -, in Zukunft, wenn etwa auch private Unternehmen eine Erlaubnis haben und erhalten und dann vielleicht auch öfters vornehmlich Werbesendungen ausstrahlen, das Verbot auch auf diese Unternehmen zu erstrecken.
Die ARD, die Zusammenfassung der Rundfunkanstalten, meint weiter, daß das 'Verbot der Werbesendungen zu einer Beseitigung des Rechtes der Wirtschaft führen würde, Hörfunk und Fernsehen zur Werbung für ihre Erzeugnisse zu nutzen, und daß damit gegen Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes verstoßen werde. Hierauf ist folgendes zu antworten. Das vorgesehene Verbot richtet sich unmittelbar nur gegen die Anstalten, nicht aber gegen die Wirtschaft. Diese ist also nicht unmittelbar betroffen. Darüber hinaus gilt folgendes. Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes besteht nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, hier der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Sie wird legitim eingeschränkt durch jede formell verfassungsgemäße Norm. Die für ihre Erzeugnisse werbenden Wirtschaftsunternehmen werden durch das Verbot nicht in ihrem Grundrecht der freien Berufsausübung oder -wahl betroffen. Allenfalls stellt das Verbot für sie - mittelbar - eine Regelung der Berufsausübung dar. Solche Regelungen aber sind für jede sachgerechte Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Die ARD bestreitet rundweg dem Bundesgesetzgeber eine Kompetenz zum Verbot der Werbung im Funk und Fernsehen. Hierauf bin ich schon eingegangen, möchte aber mit allem Nachdruch erklären, daß die Rundfunkanstalten keinesfalls die Ausstrahlung von Werbesendungen als einen Teil der ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben ansehen können. Auf alle Fälle, meinen wir, hat der Bundesgesetzgeber das Recht, die Veranstaltung von Werbesendungen durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten nach Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes zu erfassen und zu regeln - ebenso wie die sonstige wirtschaftliche Betätigung aller öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.
Die Anstalten haben dann noch versucht, aus Darlegungen des Bundeswirtschaftsministers in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. Februar 1962 eine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung zu konstruieren, nach der diese, nämlich die Bundesregierung, die verfassungsrechtliche Auffassung der ARD teile.
Eine solche Auffassung kann der Nachprüfung nicht standhalten, insbesondere, wenn sie dahin zu verstehen sein sollte, daß der Bund keine Befugnisse habe, Vorschriften über die Veranstaltung von Werbesendungen durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu erlassen. Ich möchte hinzufügen, daß auch bei den seinerzeitigen Ausführungen des Ministers die Möglichkeit des Einschreitens bejaht wurde, wenn die Anstalten ihre wirtschaftliche Macht mißbrauchen würden. Da es sich nach Auffassung der Koalitionsparteien eindeutig um eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes handelt, besteht die Notwendigkeit einer Zustimmung des Bundesrates nicht.
Ich könnte zur Begündung unseres Vorhabens, die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates zu beschränken, auch die linke Seite dieses Hauses zitieren. Sie hat in ihrem Godesberger Programm die Grundsätze einer sozialen Marktwirtschaft anerkannt. Mit einer Einmütigkeit, der ich allerdings manchmal einen etwas nachhaltigeren Hauch von Verbindlichkeit wünschen möchte, hat sich die Sozialdemokratie seinerzeit von Kopf bis Fuß auf Marktwirtschaft eingestellt. Es heißt dort - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Grundsätze -:
Freie Konsumwahl und freie Arbeitsplatzwahl
sind entscheidende Grundlagen. Freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind
wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Leistungsfähige mittlere und kleinere Unternehmen sind zu stärken. Die SPD bejaht den freien Markt, wo wirklicher Wettbewerb herrscht. Wo aber Märkte unter die Vorherrschaft von einzelnen oder von Gruppen geraten, bedarf es vielfältiger Maßnahmen, um die Freiheit in der Wirtschaft zu erhalten.
({3})
Jede Zusammenballung wirtschaftlicher Macht,
auch die in Staatshand, birgt Gefahren in sich.
({4}) So die SPD in ihrem Godesberger Programm.
({5})
Es wäre vielleicht nützlich, von unseren SPD-Kollegen, insonderheit jenen, die sich in den letzten Wochen mit Vorwürfen in der Öffentlichkeit an unsere Adresse gewandt haben, es handle sich - so auch Sie, Herr Kollege Erler - um ein durchsichtiges Wahlmanöver, es gehe uns in Wahrheit überhaupt nicht um die Sache, unser Gesetzentwurf sei nicht zu Ende gedacht - als seien wir so tumbe Toren -, nachher zu hören: Ist das Godesberger Programm nun wirklich in seiner ganzen Anlage ernst gemeint oder ist es nur ein Lippenbekenntnis gewesen? In seiner Anlage erweckt es ohnehin Zweifel, ob die Übertragung auf die Praxis des Wirtschaftslebens genügend durchdacht ist. Denn es finden sich in ihm doch erhebliche Widersprüche zwischen den alten staatswirtschaftlichen Vorstellungen der SPD und den neuen Ideen der Wettbewerbswirtschaft, wie sie vornehmlich von meinem langjährigen Kontrahenten - und dennoch persönlichen Freund -, dem Berliner Wirtschaftssenator Professor Schiller verkündet worden sind.
Ich meine überhaupt, daß die SPD, wenn sie sich bei ihren Zeitungsverlegern in Berlin und bei der Konzentrations-GmbH etwas eingehender erkundigte, durchaus in der Lage wäre, unserem Gesetzentwurf schnell und entschlossen zuzustimmen.
({6})
Die Interessengemeinschaft der sozialdemokratischen Verlags- und Wirtschaftsunternehmungen hat in einer öffentlichen Stellungnahme festgestellt, daß ein großer Teil der Abonnementszeitungen in der Bundesrepublik und Berlin durch andere Massenkommunikationsmittel in ihrer Existenz bedroht werden, vornehmlich aber durch Rundfunk und Fernsehen, die deshalb eine Sonderstellung einnehmen, weil sie wettbewerbsmäßig auf steuerlichen und anderen Gebieten gegenüber der Presse bevorzugt sind. Diese Bevorzugung ist nicht zu rechtfertigen, sie muß beseitigt werden. Besondere Gefahren sind den Abonnementszeitungen durch das Werbefernsehen, insbesondere in der Form des lokalen Werbefernsehens, wie es in Berlin begonnen worden ist, entstanden. So der Aufsichtsrat der Konzentrations-GmbH.
Wir bedauern, daß die Sprecher der SPD, an ihrer Spitze unverständlicherweise Bürgermeister Brandt, der die Berliner Situation eigentlich am besten kennen sollte, aber auch der SPD-Fraktionsvorsitzende,
Kollege Erler, wie der stellvertretende Vorsitzende, Kollege Möller, nichts Besseres gewußt haben, als uns parteipolitische Akzente zu unterstellen.
({7})
Was wir vorgeschlagen haben, geschieht nicht im Interesse einer Partei, sondern im Interesse einer vernünftigen und ,gerechten Ordnung. Es geht hier nicht um Taktik, meine Damen und Herren von der SPD, es geht hier nicht darum, zu überlegen, welche Möglichkeiten es gäbe, auf dem Wege der Verzögerungstaktik dieses Gesetz niemals wirksam werden zu lassen, sondern es geht ausschließlich um die von uns dargelegten Grundsätze, um die Sache, um das Gesamtproblem.
Lassen Sie mich es noch einmal für Sie zusammenfassen:
1. Seit vielen Jahren ist eine Neuordnung des Rundfunk- und Fernsehwesens fällig, ja überfällig.
({8})
2. Diese Neuordnung muß angepackt werden, seitdem die technische und wirtschaftliche Entwicklung in den Massenmedien und in den übrigen Publikationsmedien so rasante Veränderungen erlebt hat. Unser Koalitionsantrag stellt einen ersten, allerdings gewichtigen Schritt dar.
3. Werbefernsehen ist keine Aufgabe der halbstaatlichen Gesellschaften,
({9})
sondern Werbesendungen im Fernsehen gehören in den privatwirtschaftlichen Bereich, d. h. zu privaten Produktions- oder Programmgesellschaften.
4. Damit ist ganz klar ausgesagt, daß wir mit diesem Gesetzentwurf Werbesendungen als solche nicht verbieten wollen, sondern nur ihre Ausstrahlung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
5. Die werbende Wirtschaft, die einen legitimen Anspruch auf das Medium Fernsehen für ihre Markt- und Verkaufstätigkeit hat, wird den Zugang zum Medium Fernsehen weiter behalten.
6. Wir wünschen, klarzustellen, daß mit unserem Antrag keinerlei Gebührenerhöhung gekoppelt oder herbeigeführt werden soll. Eine Gebührenerhöhung ist nach unserer Auffassung weder notwendig noch verantwortbar, wohl aber eine Gebührenneuaufteilung.
({10})
7. Mit unserem Antrag wird keinerlei Vorstellung verbunden, etwa einseitig neue Monopole zu schaffen. Wir wollen nur das faktische Monopol der jetzigen Anstalten entsprechend auflockern. Wir sprechen hier nicht für die Zeitungsverleger oder gar einzelne Gruppen. Wir setzen uns für die Allgemeinheit ein und wünschen gleiche Startbedingungen und gleiche Chancen für private Produzenten von Fernsehprogrammen bzw. innerhalb des Fernsehens und der Presse, Zeitschriften und anderer Gruppen, die an diesem Geschäft beteiligt sind.
8. Durch unseren Gesetzentwurf wird kein Vakuum entstehen, denn wir werden die Frist für das Inkrafttreten des Gesetzes so weit fassen wie notBlumenfeld
wendig, um entsprechende sowohl wirtschaftlich wie organisatorisch, rechtlich und technisch notwendige Übergangslösungen zu ermöglichen. Als früheste Frist sehen wir, die Antragsteller, den 1. Januar 1967.
Nun wird uns die Frage entgegengehalten: Warum wartet ihr nicht auf die Untersuchungsergebnisse der Kommission? Wieso macht ihr euch zum Fürsprecher einiger Zeitungsverleger? Vor allem aber wird uns entgegengehalten, daß wir mit diesem Gesetz die Finanzierung der Anstalten praktisch zum Erliegen brächten und damit sowohl das Erste wie das Zweite Programm hinsichtlich seiner Qualität, seiner Zukunftsentwicklungen, z. B. des Farbfernsehens, auf das schwerste gefährdeten. Millionen deutscher Hörer und Seher werden mobilisiert, und es wird ihnen erklärt durch Selbstdarstellung der Intendanten -, daß wir doch ganz böse Buben wären, daß wir ganz schlimme Absichten hätten.
Nun, ich muß mich hier und heute mit Herrn Hess, dem Vorsitzenden und Sprecher der ARD, beschäftigen. Insbesondere deshalb, weil Herr Hess es für richtig befunden hat, mehrfach in eigener Sache am Bildschirm vor einem Millionenpublikum zu erscheinen. Bisher war die Vokabel „Monopol" ein allgemeiner Begriff. Es ist Herrn Hess vorbehalten geblieben, sie mit lebendiger Aktualität zu füllen, mit seiner Art von Diktion und Polemik. Das ist keine Qualifikation für den Sprecher der Intendanten öffentlich-rechtlicher Anstalten.
({11})
Ich muß das mit allem Nachdruck ansprechen, insbesondere die Art und Weise, wie er versucht hat, Abgeordnete dieses Hauses vor dem Bildschirm abzuqualifizieren und ihnen noch nicht einmal die faire Chance gegeben hat, am selben Ort, d. h. am Bildschirm zu antworten
({12})
wie Herr Hess dem Bundestag unbekümmert die Legitimation abspricht, gesetzgeberisch tätig zu werden, und die Gewaltenteilung zwischen Funk-Fernsehen und übriger Publizistik wie ein Staatssouverän postuliert.
Nun sind wir allerdings auch in der Vergangenheit selten durch besonders einfallsreiche Äußerungen des Herrn Hess verwöhnt worden.
({13})
Die Beharrlichkeit, mit der er unrichtige oder halbrichtige Tatbestände und Informationen von sich gibt, bestätigt die Kritik, die auch von anderen an ihm geübt wird. Dieser Mißbrauch allerdings mit Zahlen und Argumenten in eigener Sache kann nicht unwidersprochen bleiben. Herr Hess behauptet, daß wir ein Verbot des Werbefernsehens schlechthin anstreben. Ich habe das schon zur Genüge widerlegt. Wir sind keine Bilderstürmer gegen das Fernsehen, auch nicht gegen das Werbefernsehen. Wir meinen nur, daß Herr Hess, bevor er wirtschaftliche Vergleiche zieht, die er naturgemäß bei seiner Berufsausbildung besonders hervorragend überblickt, zunächst einmal bei sich selber, d. h. bei der ARD, anzusetzen hat.
Ein Trugschluß ist z. B. ,die Behauptung der ARD, ein Steigen der Brutto-Umsätze von Anzeigen ziehe verbesserte Ertragslagen der Objekte automatisch nach sich. Für die ARD stimmt ,das natürlich genau. Denn sie braucht sich z. B. um ,die Ausweitung des Anzeigenumsatzes wie auch um die Ausweitung ihrer Teilnehmerzahl nicht nur nicht zu kümmern, sondern braucht auch keinen Pfennig dafür auszugeben.
({14})
Es ist im übrigen eine Milchmädchenrechnung, wenn man steigende Umsätze mit steigenden Gewinnen gleichsetzt. Heute können nur schärfste Rationalisierung und genaueste Beobachtung ,des Kostenpegels Ertragslagen herbeiführen, die die Mittel für die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben schaffen, jedenfalls überall da, wo sich der private Unternehmer am Wirtschaftsleben beteiligt. Die gewählte Argumentation der ARD zeigt nur, wie wirklichkeitsfremd Intendanten, Verwaltungsdirektoren und Rundfunkjuristen mit volkswirtschaftlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen umzugehen belieben.
Herr Hess hat es u. a. fertiggebracht, heute vor einer Woche über die deutschen Fernsehsender der ARD zu erklären und seinen Teilnehmern zu versichern, ,daß jede Mark, 'die die Fernseh- und Rundfunkanstalten aus der Werbung vereinnahmen, im Interesse des Gemeinwohls und der Entwicklung des Fernsehens und zum Wohle der Fernsehzuschauer angelegt würde; es würde sich keiner daran bereichern, und es sei notwendig, zu erklären, daß sie auf diese Werbeeinnahmen nicht verzichten könnten, wenn sie weiterhin ein gutes Programm machen wollten.
({15})
Kein Wort, meine Damen und Herren, haben wir bisher von Herrn Hess oder seinen Kollegen über die Anstalten und vor allen Dingen über die Einsparungsmöglichkeiten bei diesen Anstalten einerseits oder ,gar die übersetzte Aufwendigkeit auf der anderen Seite gehört. Möge doch Herr Hess das Hauptbuch einmal für die Öffentlichkeit aufschlagen! Dann wird man staunen.
({16})
Aber ein wenig wollen wir den Schleier heute schon lüften, damit einmal sichtbar wird, was sich hinter dieser ganzen Problematik verbirgt. Die Anstalten haben Einnahmen aus Gebühren für Funk und Fernsehen, aus Werbefunk und Werbefernsehen, Kostenerstattungen, eigenen Veranstaltungen, Beteiligungen, Zinsen und Skonti, Auflösungen von Rückstellungen, Kostenverrechnungen mit den Werbe-GmbHs und außerordentliche Erträge. Bei dem inzwischen auf weit über 1 Milliarde DM veranschlagten Vermögen der ARD-Anstalten sind auch diese Posten, die ich soeben erwähnt habe, neben Gebühren und Werbeeinnahmen recht beachtlich.
Ich möchte aber noch deutlicher werden und fragen - nicht nur die ARD, sondern auch die deutschen Bundesländer -, ob wir es uns eigentlich angesichts der Tatsache, daß wir ein kleines oder mittelgroßes, aber geteiltes Land sind, in unserem Deutschland leisten können, über so viele Fernseh8726
und Rundfunkanstalten mit dazugehörigen Programmausstrahlungen zu verfügen, wie es tatsächlich der Fall ist.
({17})
Die Intendanten und Programmdirektoren unserer Sender erklären, das Fernsehen sei in Deutschland aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen nicht anders zu machen als in einem zentralen Programm, und die ARD ist ja so eine Art Versuch in der Richtung. Wenn wir über diese Fragen offen sprechen, müssen wir auch den Mut haben, unverblümt zu sagen, daß die für die Rundfunkanstalten gedachte Struktur, wie sie seinerzeit in der Besatzungszeit erdacht wurde, für das Fernsehen total ungeeignet ist. Weil die Rundfunkanstalten selber erkannt haben, daß es so nicht geht, haben sie sich eine Art eigene Bundesebene mit dem Koordinationsbüro der ARD selber geschaffen und haben dann allerdings einen geradezu unsinnigen Programmschlüssel aufgestellt, der die kleinen Anstalten nicht leben läßt und die größeren und großen zu gigantischen Mammutbetrieben mit einem haarsträubenden Vermögenszuwachs im Laufe weniger Jahre hat aufsteigen lassen.
Trotz dieser völligen Disproportionalität und eines seit Jahren andauernden wenig schönen Streites innerhalb der Anstalten und mit dem ZDF andererseits über einen gerechten Finanzausgleich geht das Spiel mit Gewinnen und hohen Einnahmen über Werbesendungen munter weiter und verleitet zu einem geradezu grotesken Aufwand und Fehlinvestitionen in verschiedensten Richtungen. Da werden Studiokapazitäten errichtet, die weit über das hinausgehen, was wirklich gebraucht wird. Da wird gerade von den Anstalten investiert, die ihren Kollegen ständig in den Ohren liegen, weil sie mit ihrem Finanzanteil aus Gebühren und Werbung nicht auskommen zu können glauben, investiert in Größenordnungen, die sich ein normales, gesundes kaufmännisches Unternehmen mittlerer bis größerer Ordnung sehr, sehr lange überlegen würde. Die Studioinvestitionen in Bremen, in Berlin - um nur einige zu nennen - sind indiskutabel und nicht, wie Herr Hess behauptet, mit jeder Mark zum Nutzen des deutschen Gemeinwohls angelegt.
Aber noch mehr! Wieso ist eigentlich Sparen ein völlig unbekannter Begriff bei unseren Rundfunkanstalten? Nicht nur, daß sie zusätzliche Atelierkomplexe neben den schon vorhandenen neu errichten, Synchronbetriebe, Filmbetriebe usw. sich zulegen, nein! Man nehme doch nur einmal das von der ARD veranstaltete Programm, dessen Herstellung prozentual auf die Anstalten verteilt worden ist! Wir halben neun Rundfunkanstalten, die alle wesentlichen Abteilungen und Unterabteilungen neunmal voll besetzt haben. In jeder Anstalt befindet sich ein kompletter Organisationsrahmen von oben bis unten.
({18})
Diese neun Anstalten mit neunmal gleichen Organisationsformen machen aber ein Programm. Sender, die nur wenige Prozent zum Programm beitragen, haben dasselbe Organisationsschema und denselben
Organisationskörper wie andere, die mehr als 20 % beisteuern. Alle Anstalten bauen, bauen Studios oder Verwalltungslbauten; ob Sommer oder Winter, die anstaltseigenen Architektenbüros und Baustäbe sind, ob Baustopp oder nicht, das ganze Jahr über voll beschäftigt.
Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden, wenn Herr Intendant Hess glaubt, unangefochten über alle Sender verbreiten zu können, daß er und seine Kollegen mit den Finanzmitteln nicht auskommen.
({19})
Wer bei dieser totalen Überorganisation behauptet, daß dies mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, einer sparsamen Haushaltsführung zu vereinbaren sei, der sagt entweder die Unwahrheit oder er hat keine Ahnung.
({20})
Und dabei schauen, mindestens in ein paar Anstalten, die Programmdirektoren und ihre Mannen die meiste Zeit nur zu, nämlich wenn die anderen senden. Sie tun also nicht mehr als das, meine Damen und Herren, was Sie und ich als Fernsehabonnenten auch tun, nämlich in die Röhre gucken.
Einzelne Intendanten haben schon so große Produktionskapazitäten erreicht - Herr Kollege Möller, Sie wissen davon -, daß sie sich mit dem Gedanken befassen müssen, sehr bald neben dem Dritten noch ein Viertes, ja Fünftes und vielleicht sogar ein Sechstes Programm zu machen, damit die Hallen nicht ständig leerstehen.
Daneben gibt es Privatbetriebe, private Fernsehproduzenten, denen zugesagt war, daß man jede Mark, die man aus der Werbung einnahm, in die private Wirtschaft zurückfließen lassen würde für Aufträge, für unpolitische Unterhaltungssendungen usw. Das waren immerhin erfahrene, aus der Filmwirtschaft kommende private Fernsehproduzenten. Man hat sie einfach - jedenfalls soweit es die ARD anlangt - mit einem kümmerlichen Auftragsanteil abgespeist und stellt in eigener Regie her. Da macht allerdings das ZDF eine rühmliche Ausnahme. Die haben ihr Wort gehalten und einen sehr ansehnlichen Teil ihres Programms an private Produktionsgesellschaften vergeben.
Kein privatwirtschaftlich betriebenes Unternehmen in der Bundesrepublik oder in Europa könnte es sich leisten, mit einem so hohen finanziellen Aufwand, mit einem so übersetzten Personalstab und Versorgungsdenken zu arbeiten wie die ARD in Deutschland. Deswegen ist ihre ganze Argumentation, daß bei Fortfall der Werbeeinnahmen sie sich nicht mehr in der Lage sehen würde, ein Fernsehprogramm auszustrahlen, bis in die letzte Position seitens der Anstalten beweispflichtig, und ich füge hinzu: nicht beweiskräftig.
Wir sehen deswegen mit großer Ruhe der Entwicklung entgegen. Unser Antrag wird den öffentlich-rechtlichen Anstalten sicherlich eine augenblicklich noch ersprießlich fließende Quelle ableiten, und
zwar endgültig ableiten, aber wir glauben, daß die Anstalten bei einem Aufkommen von 600 bis 700 Millionen DM netto in Zukunft ohne weiteres, so wie es in England die BBC auch kann, auskommen werden und keineswegs in der Qualität abzusinken brauchen. Ein Blick nach England - insbesondere von der linken Seite des Hauses, meine Damen und Herren - verlohnt sich, und man will bei uns doch nicht behaupten, daß dort weniger Demokratie, weniger Meinungsfreiheit .als bei uns herrsche. Man wird auch nicht behaupten können, daß die englischen, die französischen oder italienischen Fernsehproduktionen, die sich ohne Werbeeinnahmen aus der privaten Wirtschaft betätigen, schlechtere Programme als .die deutschen machen. Manchmal halbe ich den Eindruck, daß es umgekehrt ist.
({21})
Wir bitten, unseren Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuß - federführend - und den Rechtsausschuß - mitberatend - 2u überweisen. Die Ausschußberatungen werden noch vieles von dem bestätigen, was wir hier angesprochen und was wir vorausgesagt halben. Sie werden uns somit in die Lage versetzen, das Gesetz noch vor Ende dieser Legislaturperiode hier im Bundestag in zweiter und dritter Lesung zügig zu beraten und zu verabschieden.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrag der Fraktionen der Freien Demokratischen Partei und der CDU/CSU den Antrag Drucksache IV/3169 mit zu begründen. Dieser Antrag hat die Überschrift „Neuverteilung der Fernsehgebühren". Er fordert die Bundesregierung auf, für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, dessen Begründung wir soeben gehört haben, einen Vorschlag für ,die Neuverteilung der Fernsehgebühren vorzulegen, damit die Arbeit des Zweiten Deutschen Fernsehens auch künftig ohne Werbeeinnahmen sichergestellt werden kann.
Dieser Antrag ist auch durch die bisherige Erfahrung voll begründet, daß das Zweite Deutsche Fernsehen bei der Gebührenverteilung insgesamt viel zu schlecht weggekommen ist. Ich freue mich, daß die Gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens sich inzwischen selber einverstanden erklärt haben, auf eine Werbeausstrahlung zu verzichten, wenn sie künftig einen gerechten Gebührenanteil bekommen; sie selbst haben 50 % genannt. Ich möchte das lediglich mitteilen. Ich glaube, das ist eine sehr dankenswerte Äußerung des Intendanten Professor Holzamer und der Gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens gewesen.
({0})
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf das Problem des Deutschlandfunks hinweisen, auch wenn es nicht unmittelbar mit diesem Antrag etwas zu tun hat. Ich glaube, auch die Finanzierung des Deutschlandfunks muß nun einmal aus dem allgemeinen
Rundfunkgebührenaufkommen zufriedenstellend geregelt werden. Wir werden ja demnächst bei der Beratung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion noch einige Argumente dazu hören.
Zur Finanzierung allgemein hat Kollege Blumenfeld die treffenden Zahlen genannt. Bitte vergegenwärtigen wir uns noch einmal, daß bereits im Jahre 1965 das Gebührenaufkommen für Fernsehen und Rundfunk in der Bundesrepublik insgesamt 1 Milliarde DM betragen wird. Das ist eine ganz stolze Summe. Ich glaube, die Fernsehgebühren insgesamt liegen heute schon etwa 20 % über dem, was nach der Berechnung der Sendeminuten für den Betrieb aller Fernsehanstalten tatsächlich gebraucht wird, sofern man eine rationelle Programmgestaltung vornimmt, und ich glaube, das können wir als Gesetzgeber von den Anstalten füglich erwarten.
({1}) Das ist der Punkt, auf den es hier ankommt.
Damit ist auch gleich klargestellt, daß die Antragsteller nicht daran gedacht haben, wie es verschiedentlich unterstellt wird, etwa das Zweite Deutsche Fernsehen in ein „Verlegerfernsehen" umzuwandeln, ein Wort, das eben nicht die Sache selbst trifft. Wir von der Freien Demokratischen Partei sind der Meinung und werden auf dieser Meinung immer heharren, daß es zwei öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten oder Fernsehprogramme geben sollte, einmal das ARD-Fernsehen und zum zweiten das Zweite Deutsche Fernsehen, das in Mainz lokalisiert ist, und daß daneben die Werbung künftig von einer oder mehreren privatrechtlichen Anstalten, wie immer Sie wollen, vorgenommen werden sollte.
Dabei kommt es entscheidend darauf an, daß die Werbung treibende Wirtschaft in ihrem Verlangen nach Werbemöglichkeiten in diesen Massenmedien nicht beeinträchtigt wird, d. h. daß wir, möglicherweise gemeinsam mit den Ländern, eine Regelung finden, die einen nahtlosen Übergang der Werbetätigkeit der Wirtschaft im Fernsehen ermöglicht. Niemand wird irgendeiner Regelung zustimmen, die die Werbung im Fernsehen überhaupt ausschalten oder zurückdrängen würde. Daran kann nicht gedacht sein. Das wäre auch nicht im Interesse unserer Volkswirtschaft. Ich möchte das hier ausdrücklich zur Begründung sagen.
Es hat natürlich Konsequenzen, wenn man sagt, daß zwei Programme öffentlich-rechtlich sein sollten. Das hat die Konseqrenz, daß sich die großen Anstalten für das bereits in Gang befindliche oder geplante dritte Programm etwas überlegen müssen. Ich glaube, die Lösung wird man einmal da suchen müssen, wo künftig durch den Wegfall des Werbeblocks am Abend und der damit verbundenen zusätzlichen und besonders attraktiven Sendungen Platz werden wird. Ich höre immer von den Kindern, daß „Hucky und seine Freunde" selbstverständlich unentbehrlich sei. Ich bin der Meinung, diese Sendung wäre durchaus entbehrlich. Man könnte dann dieses Bildungsprogramm senden, was dann vielleicht allgemeine Zustimmung finden wird. Man könnte also hier durchaus ohne ein zusätz8728
liches eigenes Programm eine Einblendung dieser Art machen, wie es zur allgemeinen Volksbildung für notwendig erachtet wird.
Ich habe manchmal das Gefühl, daß dieses bildungsbeflissene Fernsehen, das wir neuerdings sehen dürfen - in Bayern wenigstens gibt es Leute, die das sehen dürfen -, gewissermaßen das Trostpflaster ist oder die Entschuldigung für manches, was man sonst in der guten Sendezeit den anderen Zuschauern bietet. Ich glaube, hier handelt es sich zum Teil mehr um ein Kompensationsobjekt als um wirkliche Bildungsaufgaben.
Nun ist die Frage: Wie soll das dritte Fernsehen, dieses privatrechtliche Fernsehen, konstruiert sein? Um allen Mißdeutungen vorzubeugen und alle Verdächtigungen aus der Welt zu schaffen, ist es einfach notwendig, sich an das zu halten, was das Bundesverfassungsgericht hier statuiert hat. Niemand, weder im Bund noch in einem Land, wird ein Gesetz machen können, das sich nicht an diesen Satz des Bundesverfassungsgerichts hält, der sagt - ich zitiere -: Privatrechtliche Anstalten sind möglich, sofern „die Veranstalter von Sendungen so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden gesellschaftlichen Gruppen in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können." Ich glaube, hiermit ist ganz klar gesagt, daß es niemand wagen könnte, irgendeine Art neues Monopol zu schaffen.
Es ist auch ebenso notwendig, hier darauf hinzuweisen, daß dieses privatrechtliche Fernsehprogramm in allen Teilen ausgewogen sein sollte und daß es Chancen für alle gesellschaftlichen Kräfte geben sollte. Ich sage: für jeden Interessierten und nicht unbedingt für die Interessenten. Das ist doch ein feiner Unterschied. Mit diesem „Verlegerfernsehen" wird, wie gesagt, ein ganz schiefes Wort in die Debatte gebracht. Das heißt, diejenigen, die uns angegriffen haben, haben dieses Wort mit erfunden. Natürlich müssen alle, die daran interessiert sind, auch das Recht haben, sich aktiv daran zu beteiligen, wie immer man das immer gesetzlich regeln will. Warum sollten die Autoren, warum sollten die Künstler von Bühne und Funk oder auch die Journalisten, warum sollten die Vertreter der Gewerkschaften, der Wirtschaft, der Kirchen oder, wenn Sie wollen - wegen der Sportsendungen -, der Sportvereine und des Deutschen Sportbunds nicht ebenfalls hier beteiligt sein?
Ich bin allerdings der Meinung, sie sollten nicht in der Form beteiligt sein, wie das in Deutschland jetzt üblich geworden ist; daß man zwar Aufsicht ausüben und Einfluß nehmen will, daß man aber wirtschaftlich kein Risiko tragen will. Ich bin der Meinung, diese Gruppen sollten auch das wirtschaftliche Risiko mit zu tragen haben und sich auf diese Weise beteiligen können. Es handelt sich hier keineswegs um Verbände oder Gruppen, die etwa dem Armenrecht unterliegen müßten. Hier ist also ein weites Feld für derartige Konstruktionen und Betätigungen gegeben. Ich sage noch einmal: Es geht hier weder um pro noch um kontra, sondern darum, daß wir eine offene Situation haben, die allen dienen soll und die dem Mittel der wirklichen Infomationsfreiheit zu dienen hat. Daraus folgt nur, daß es keine Majorisierung in solchen Gremien geben darf und geben kann, weder von der wirtschaftlichen Struktur her noch von der Aufsichtspflicht selbst. Ich meine, das Recht des Bürgers auf Information ist die Grundlage alles dessen, was wir hier zu beschließen und zu beraten haben. Wir müssen sehen, wie wir die technischen Möglichkeiten, die auf diesem Gebiet im Gegensatz zum Verlags-, zum Zeitungswesen technisch beschränkt sind, so gerecht wie möglich nutzen können. Daraus resultiert nun die Pflicht zu einer umfassenden objektiven Information durch eine solche Anstalt, wie sie auch bei den anderen, mindestens auf dem Papier, selbstverständlich gegeben ist.
Der neuralgische Punkt - ich verhehle das nicht - sind die Nachrichtensendungen. Ich glaube, wir sollten Kommentare und Meinungsäußerungen hier nicht überschätzen. Das Entscheidende ist, daß es sich um eine Art Nachrichtenmonopol handelt, das derjenige in der Hand hat, der die gesamte deutsche Bevölkerung täglich einmal mit welt- und innenpolitischen Nachrichten versorgt. Auch hier, meine ich, sollte man sich eine Konstruktion überlegen und finden können, die wirklich den Erfordernissen der umfassenden Berichterstattung und der Objektivität gerecht wird. Ich erinnere daran, daß wir eine Nachrichtenagentur haben, die auf genossenschaftlicher Basis aufgebaut ist: die Deutsche Presseagentur, bei der das auch mehr oder weniger gut - ich glaube, ganz ordentlich im ganzen - funktioniert, so daß es keine Anstände gibt. Warum sollte also für die Gestaltung des Inhalts der Nachrichtensendungen nicht jeweils eine andere Gruppe verantwortlich sein können, so daß die Anstalt selbst nur den technischen Apparat zur Verfügung stellt? Warum sollte nicht eine Agentur federführend eingeschaltet werden können, bei der ohnedies alle Interessierten vertreten sind, auch in den Aufsichtsgremien? Hier, meine ich, sollte man sich ein modernes System ausdenken, damit von vornherein solche Einseitigkeiten vermieden werden, wie wir sie jetzt erlebt haben, als der Vorsitzende a. D., Pfarrer Hess, sprechen konnte, die anderen aber, die auch etwas zu sagen haben, nicht sprechen durften. Das muß dabei unter allen Umständen ausgeschlossen werden, auch in der Nachrichtengebung der Anstalt und nicht nur in der persönlichen und direkten Ansprache.
Lassen Sie mich nicht verhehlen, daß unter den heutigen Umständen alles das, was auf dem Papier steht, Papier bleibt, wenn nicht sehr sorgfältig die Frage der personellen Besetzung vorher geklärt ist. Ich möchte jetzt nicht die personelle Besetzung in Form eines Parteien- oder Religionsproporzes hier anführen, sondern einfach die Frage, ob es qualitativ genügend gute Leute gibt, die so etwas in die Hand nehmen können.
Wenn diese Frage auftaucht, muß man einmal an die Anstalten der ARD die Frage richten, was sie eigentlich in den ganzen Jahren für die Nachwuchsbildung getan haben. Die Wahrheit ist doch die, daß die Rundfunk- und Fernsehanstalten gewartet haben, bis die Zeitungsverlage mit großen Mühen
mehr oder weniger gut ihre Volontäre ausgebildet hatten. Dann werden sie aus den kleinen Zeitungen wegengagiert. Und wir wundern uns, wenn diese kleinen Zeitungen in Schwierigkeiten kommen, weil natürlich die Finanzmasse dieser Anstalten dazu reicht, die Qualität von vornherein da wegzuholen. Die Nachwuchssorge überlassen sie den Zeitungen, ohne selbst so viel dafür zu tun, wie es ihnen eigentlich obgelegen hätte. Diese Art von Personalpolitik, die hier seit Jahren betrieben worden ist, ist ein ganz besonders betrübliches Kapitel.
({2})
Man muß sich hier überlegen, wie man das künftig ändern könnte. Es wäre im Sinne der Rundfunk- und Fernsehanstalten selbst, sich einmal darüber mehr Gedanken zu machen, als das bisher leider geschehen ist.
Dann ist auch die Frage der Konkurrenz in einer ganz anderen Art und Weise gestellt. Was wir hier in den vergangenen Jahren zum Teil erlebt haben, ist nicht gerade sehr fair gewesen. Wir dürfen uns nicht wundern, daß wir in der Breite gerade bei den kleineren Regionalzeitungen nicht mehr immer dieses Niveau in der Berichterstattung und Kommentierung haben können, wie wir das eigentlich aus der früheren deutschen Geschichte gewohnt gewesen sind und wie es auch die Stärke des deutschen Zeitungswesens war, im Gegensatz zum französischen, das auf die Hauptstadt konzentriert war, im Gegensatz auch zum britischen Zeitungswesen.
Daraus folgt dann auch gerade unter dem Gesichtspunkt der ungeheuren Bedeutung dieser kleineren Regionalblätter, daß wir in einer solchen überregionalen Anstalt natürlich jede Art von regionaler Werbung verhindern müssen. Das ist, glaube ich, ganz entscheidend. Das ist das eigentliche Kriterium dafür. Das Beispiel Berlin zeigt, wohin es führt, wenn eine öffentlich-rechtliche Anstalt als Konkurrentin in der regionalen Werbung auftritt, so daß theoretisch durchaus sogar Stellenanzeigen über das Fernsehen und über den Rundfunk regional aufgegeben werden können. Das jedenfalls muß ausgeschaltet sein. Es kann sich hier nur um die überregionalen Werbeträger selbst handeln.
Ich meine, wir alle hier im Bundestag sollten uns sehr sorgfältig Gedanken machen, wie es dann weitergeht, wenn dieses Gesetz, das wir Ihnen vorgeschlagen haben, in Kraft getreten ist. Ich glaube, es gibt eine Menge guter Überlegungen dazu.
Ich möchte meinem Kollegen Sänger allerdings antworten, daß ich von seinem Vorschlage, daß sich die ARD und die Verleger zusammensetzen sollten, nicht so besonders viel halte. Ich glaube nicht, daß es Aufgabe der ARD und der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sein kann, ihrerseits hier ein fertiges Programm vorzulegen und einen Entwurf zu machen, um diese ganzen Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Ich bin der Meinung, diese Gruppen müssen selbstverständlich mit beraten, sie müssen von uns gehört werden, und sie sollen Vorschläge machen. Aber die Entscheidung über solche wirklich ordnungspolitischen Fragen muß beim Gesetzgeber bleiben, die muß der Bundestag haben, die
müssen gegebenenfalls auch die Länderparlamente für sich in Anspruch nehmen. Es kann nicht so sein, daß wir hier gesellschaftliche Gruppen unter sich lassen, die dann miteinander das ausmachen, was sie gegenseitig für nützlich und gut halten. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Wir hätten unsere Pflicht versäumt, wenn wir so verfahren wollten; auch wenn es der Weg des geringsten Widerstandes sein mag.
Ich glaube, wir haben hier den Willen zur Zusammenarbeit, und ich möchte ausdrücklich betonen: wir von der Freien Demokratischen Partei lassen über jede vernünftige Regelung mit uns reden, über jede Regelung, die der Objektivität dient und die dem Informationsrecht des Bürgers besser gerecht wird, als es manchmal in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Parlament, das etwas auf sich hält, sollte es eigentlich gute Sitte sein, daß man bis zum Beweise des Gegenteils dem anderen Abgeordneten abnimmt, daß er seine ehrliche Überzeugung zum Ausdruck bringt und aus keinen anderen Motiven handelt als aus denen, die er sagt.
({0})
Wir haben hier - und das ist, auch wenn ich vielleicht selbst das nicht sagen dürfte, ja anerkannt worden - kürzlich eine Sitzung gehabt, in der jedem Mitglied des Hauses, ganz gleich wie es votierte, geglaubt und abgenommen wurde, daß es das aus Liebe zum Recht täte. Meine Damen und Herren, ich sage das deshalb, weil die dem Herrn Kollegen Blumenfeld unterlaufene Frage an immerhin Hunderte von Mitgliedern dieses Hauses, ob ihr politisches Programm ernst gemeint sei oder ein Lippenbekenntnis, so unter dem Niveau eines Parlaments ist
({1})
und sich so richtet, daß ich nur das hier festhalten will. Das war keine gute Stunde für das Haus.
({2})
- Nein, Herr Kollege! Eine solche Frage, die eine Unterstellung ist - wenn Sie mich fragen, dann will ich Ihnen sagen: eine solche Frage ist verächtlich.
({3})
Im übrigen werde ich mich kürzer fassen als meine Herren Vorredner. Denn die Länge der vorangegangenen Ausführungen trägt dazu bei, daß ich mich kurz fassen kann, und zwar einfach deshalb, weil ja doch von dem, was wir hier gehört haben, ich glaube schätzen zu können: an die 90 % sich nicht mit Wirtschaft, Recht der Wirtschaft, und auch gar nicht mit Wettbewerbsrecht befaßten, sondern mit Organisation des Rundfunks in jeder Hinsicht. Meine Damen und Heulen, klarer hätten doch eigentlich die Herren Vorredner nicht zu erkennen geben können, worum es ihnen wirklich geht. Doch.
Dr. Arndt ({4})
nicht darum, hier Recht der Wirtschaft zu regeln,
sondern Rundfunk und Fernsehen zu organisieren.
({5})
Da ist es also wirklich möglich, sich ganz kurz zu fassen.
Aber ich möchte doch vorweg, ehe ich etwas polemisch werde, noch einiges Grundsätzliche sagen. Das in dem fünften Artikel des Bonner Grundgesetzes verbürgte Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ist für eine Demokratie schlechthin konstituierend. Aber dieses Grundrecht der freien Meinungsäußerung bliebe in einer modernen technisierten, industrialisierten Gesellschaft wirkungslos, wenn ihm nicht Medien der Vervielfältigung zur Verfügung stünden, und zwar auf freiheitliche Weise. Darum sind in dem gleichen fünften Artikel außer der Freiheit der Meinungsäußerung auch die Pressefreiheit und die Funkfreiheit konstituiert - zwei Grundrechtsnormen und Grundrechtsbefugnisse, von denen das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Sie sind nicht etwa nur ein Unterfall der Freiheit der Meinungsäußerung, sondern haben selbständige institutionelle Bedeutung - eine Bedeutung, die dann ja zum erstenmal in dem LüthUrteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochen wurde, um das ich nicht weniger als sieben Jahre in Karlsruhe gekämpft habe.
Nun sind die Beziehungen zwischen diesen Medien - den Film kann man einstweilen herauslassen -, zwischen Pressefreiheit und Funkfreiheit, in der Tat ein sehr ernstes Problem. Darüber wird, glaube ich, in diesem Hohen Hause Einigkeit bestehen. Ich möchte dazu mit aller Entschiedenheit erklären, daß Bund und Länder - wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise; das werden wir im Ausschuß erörtern - die Verantwortung dafür tragen, daß die institutionelle Pressefreiheit und die institutionelle Funkfreiheit gewahrt werden und nicht notleiden oder sonst in Gefahr geraten. Diese Verantwortung liegt, wie gesagt, bei Bund und Ländern, wenn auch in einer sehr unterschiedlichen Weise - die des Bundes ist dabei anders als die der Länder -; denn bei diesen beiden Freiheiten geht es um den eigenen Lebensatem der Demokratie.
Wir haben deshalb im April vorigen Jahres hier einstimmig beschlossen, daß die Bundesregierung eine Kommission einsetzen soll, um die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Fernsehen und Presse untersuchen zu lassen. Wenn Herr Kollege Blumenfeld heute klagt, die Einsetzung der Kommission sei „verzögerlich" geschehen - ja, wer war denn verantwortlich? Verantwortlich war Ihre Bundesriegierung, die von Ihrer Mehrheit getragen wird.
({6})
Wenn sich Ihre Bundesregierung in dieser Frage vielleicht ebenso wenig entschließen konnte wie jetzt in der Nahost-Sache, dann war es Ihre Sache, etwas Feuer dahinter zu machen.
({7})
Aber deshalb kann man doch nun nicht davon abgehen, daß erst einmal eine Kommission die Dinge
klären soll. Herr Blumenfeld weiß ja heute schon
alles besser als die Kommission; aber das ist für uns andere nicht maßgebend.
({8})
Dabei wird es auch Aufgabe der Kommission sein, diese Dinge von den schrecklichen Schlagworten zu befreien, die hier durch die Diskussion geistern. Da wird das Wort „Monopol" in einem ganz verkehrten Sinne gebraucht. Hier liegt ein Monopol natürlicher Art vor, weil es leider nicht so viele Wellen und Kanäle gibt, daß jeder von uns einen Sender aufmachen könnte. Wenn wir das könnten, wenn wir uns Sender anschaffen könnten wie Autos, dann brauchten wir allerdings keine solche Anstalten. Der zahlenmäßige Mangel kommt ja nur von der Natur her, nicht aber deswegen, weil etwa das Land Hessen oder das Land Nordrhein-Westfalen irgend jemandem ein Monopol eingeräumt hätte. Hier wird also mit Schlagworten ein Unfug getrieben, der jeder Beschreibung spottet.
({9})
Dann kommt Herr Blumenfeld und sagt „Staat". Was Sie alles „Staat" nennen, ist erstaunlich. Für Sie ist Staat alles, was öffentlich-rechtlich organisiert ist. Ja, wenn die Rundfunkgesellschaften morgen privatrechtlich organisiert würden, was durchaus möglich ist -immer, wie Herr Moersch mit Recht gesagt hat, unter den vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Voraussetzungen -, also der gesellschaftliche Pluralismus muß darin zum Zuge kommen, aber ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich, ist sonst dabei vollkommen gleichgültig. Für Sie ist also alles, was öffentlich-rechtlich organisiert ist, Staat. Staat ist danach die Römisch-Katholische Kirche, Staat sind 27 sonstige Kirchen in Deutschland, Staat ist die Bundesärztekammer, Staat sind sämtliche Gemeinden. Es gibt bei den Italienern ein Sprichwort; wenn es regnet und der Italiener ist darüber ärgerlich, sagt er: Die verdammte Regierung! Bei Ihnen ist alles „Staat", was Sie nicht leiden mögen, wobei Sie eine Begriffsbestimmung des Staates zugrunde legen, die einen Hund jammern kann.
({10})
Vom Staat ist überhaupt nicht die Rede, denn wenn Sie einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im 12. Band wirklich in der Hand gehabt hätten, hätten Sie dort 50 Druckseiten gefunden, wo steht, daß die Sender keine Staatssender sind, keine Staatssender werden dürften, daß sie nicht „Staat" sind, sondern daß sie vom Staat auf pluralistische Weise organisierte Gesellschaft sind.
({11})
Das muß man wirklich lesen.
Also die Schlagworte sollten heraus, ebenso das ganze Vorwegnehmen. Herr Kollege Blumenfeld sagte, die Kommission solle endlich einmal Vorschläge machen, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen. Bisher hat die Kommission noch gar nicht festgestellt, ob und welche Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Sie muß ja erst einmal ermitteln, wie das ganze Zahlenwerk ist. Ich werde heute nicht darauf eingehen, denn das steht heute gar nicht zur Debatte. Zuerst muß die Kommission unbefangen
Dr. Arndt ({12})
und unparteiisch arbeiten. Wenn Sie hier aber in einem Zeitpunkt, in dem die Kommission erst vor kurzem mit ihrer Arbeit angefangen hat - nämlich im Januar dieses Jahres -, mit einem Gesetzentwurf kommen, der das Ergebnis der Arbeit der Kommission vorwegnimmt, dann ist das ein Affront gegen die Kommission,
({13})
und dann ist das ein Desavouieren des Bundestages selber. Außerdem benutzen Sie dazu dann allerdings auch ein falsches Mittel. Es gibt in den Dingen weitere Ungereimtheiten. Zunächst haben wir ein seltsames Gesetz, das gewissermaßen um die Ecke zielt. Sie sagen ja: Wir wollen das Werbefernsehen gar nicht umbringen, wir wollen es nur totmachen, damit es lebendiger wird, als es heute ist.
({14})
Im Schachspiel gibt es eine Figur, die immer um die Ecke springt.
({15})
Ja, freier Wettbewerb, sagen Sie. Der freie Wettbewerb fängt bei Ihnen ,damit an, daß Sie Verbotsgesetze erlassen. Eine seltsame Form von freiem Wettbewerb!
({16})
Dann ist !die Geschichte des Gesetzes außerordentlich interessant. Es hat nicht mit der Verbotsbestimmung angefangen. Die ursprüngliche Absicht ist ja bekannt. Es war so - ich sage es jetzt ins Unreine -, daß dem § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein Absatz angefügt werden sollte: Werbung mit Hilfe von öffentlich-rechtlich organisierten Werbeträgern ist immer unlauter.
Das erinnert so etwas !an die Entscheidung, die ein österreichisches Gericht gefällt haben soll: Der Betrieb einer Eisenbahn ist immer fahrlässig.
({17})
Das hatte damals in (Osterreich einen guten Sinn, das ging zur Gefährdungshaftung hin, aber hier hat es keinen Sinn. Das haben Sie auch selbst gemerkt, daß das so nicht geht. Dann haben Sie schnell noch einen weiteren Absatz dazugeschrieben und gesagt: Aber das gilt nicht für Bundesbahn und Bundespost. - Denn die wurden allmählich etwas ärgerlich darüber.
(Lachen ({18})
Aber eins ist doch dabei deutlich. Sie haben ein ganz richtiges Gefühl gehabt, nämlich daß es hier auf den ankommt, der wirbt. Wettbewerbsrecht ist die Regelung, wie geworben wird von denen, die Autoren der Propaganda sind, aber nicht nur Instrumente. Eine Norm, auch eine Wettbewerbsnorm, muß einen Adressaten haben. Die richtet sich nicht gegen das Fernsehen, auch nicht gegen die Hauswand. Ihre Argumentation ist ungefähr so: Wir verbieten, daß Hauswände in Zukunft mit Werbung bemalt werden, und Sie sagen, das ist rechtlicher Wettbewerb. In Wirklichkeit ist es Landschaftspflege und Denkmalschutz. Sie glauben, daß wir nun hier die Kompetenzen mit der Wirtschaftskompetenz so unterwandern können.
Es ist interessant, daß Sie dieses Gefühl bei Ihrem ersten Gesetzentwurf gehabt haben und daß Sie sich auch heute nicht ganz sicher sind, an welchen Adressaten sich ein Wettbewerbsrecht wendet und in welcher Weise sich ein Wettbewerbsrecht an einen Adressaten wenden muß. Deshalb haben Sie auch gesagt: Der eigentlich werbenden Wirtschaft geschieht gar nichts. Das haben Sie beteuert. Sie bleibe ganz unberührt. Aber die sollte ja eigentlich gerade vom Wettbewerbsrecht geregelt werden, während die Spannung zwischen Presse und Fernsehen zunächst eine ganz andere als eine wettbewerbsrechtliche ist.
({19})
- Ich komme darauf. Sie können die Dinge nicht mit der Wirtschaftskompetenz unterwandern; denn es gibt nahezu keinen Vorgang - das kennen wir sehr gut aus dem Kommunalrecht, aber auch aus dem anderen Recht -, der nicht wirtschaftliche Effekte erzielt oder von Einfluß auf die Wirtschaft ist. Wenn Sie das alles als Regelung des Rechts der Wirtschaft betrachten wollen, dann brauchen wir eigentlich eine Kompetenzverteilung gar nicht mehr.
Sie können auch das „wirtschaftlich" nicht in der Weise herauskristallisieren, daß Sie sagen, es sei nichts Kulturelles, wenn geworben wird. Denn es ist Publizistik. Es ist Information. Das ist nämlich etwas ganz Selbständiges. Rundfunk und Fernsehen sind als Kommunikationsmittel ein Ganzes.
Wie wenig es hier um Recht der Wirtschaft geht, hat Herr Kollege Blumenfeld am Anfang, in der Mitte und am Schluß seiner Ausführungen immer wieder unterstrichen. Er hat wörtlich gesagt: „Wir haben damals diese Kommission gefordert und eingesetzt, indem wir sagten: dahinter steht der Wille, eine Neuordnung von Rundfunk und Fernsehen herbeizuführen." So werden Sie es im Stenogramm nachlesen können. Das haben Sie gesagt. Was hat das mit dem Recht der Wirtschaft zu tun? Sie haben dasselbe dann noch einmal in der Mitte gesagt, und Sie haben das gleiche am Schluß gesagt. - Es ist Regelung der Publizistik, wobei auch die Werbung als ein unlösbarer Teil zur Publizistik gehört.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen hier lange Rechtsausführungen machen. Aber das will ich nicht tun. Dazu ist die Zeit zu sehr fortgeschritten. Wir werden das im Rechtsausschuß dartun. Ich weiß, daß die nicht anwesenden Juristen aus den Koalitionsfraktionen - ich sehe nur zwei -, aber auch vielleicht die anwesenden, Ihre Kompetenzvorstellungen nicht teilen. Aber ,das ist eine andere fachliche Auseinandersetzung, die im Ausschuß zu führen ist.
Ich möchte Ihnen zum Schluß nur einmal deutlich machen, wie kurzsichtig und gefährlich ein solch unüberlegtes Gesetz für das ist, was uns alle angeht, nämlich Pressefreiheit und Funkfreiheit; denn wir alle - wir alle! - sind doch auf Pressefreiheit und Funkfreiheit angewiesen. Meine Damen und Herren, wenn Sie ein bißchen Phantasie haben,
Dr. Arndt ({20})
dann müssen Sie sich jetzt einmal vorstellen, wie die Dinge liegen, wenn es umgekehrt ist.
Wir nehmen jetzt einen privatrechtlich organisierten Funk, ein privatrechtlich organisiertes Fernsehen an, und zwar einen Funk, der nur auf die Einnahmen aus dem Werbefernsehen angewiesen ist. Das ist verfassungsrechtlich möglich, es muß immer nur der Pluralismus gewahrt werden. Aber wir können uns den privatrechtlichen Funk denken, auch einen, der keine Gebühren hat, sondern der von seinen Einnahmen aus dem Werbefunk lebt. Dieser Funk erklärt eines Tages: Die Presse bedroht meine Eristenz; denn die Zeitungsanzeigen graben mir das Wasser ab. Die Presse unterbietet mich, und die Presse hat dieses und jenes. Der Funk verlangt also jetzt, daß der Inseratenteil der Presse verboten werden muß, weil er nicht zur öffentlichen Aufgabe der Presse gehört
({21})
- ich zitiere jetzt wörtlich -, er gehört nicht zum öffentlichen Teil der Presse, ist Wirtschaft und keine Publizistik. Meine Damen und Herren, das ist gar kein Spaß.
({22})
Wir haben ein Urteil des Bundessozialgerichts, das diese Behauptung bereits aufgestellt hat und das in Karlsruhe angegriffen ist. Es ist für die Presse eine Lebensfrage, zumal sie weit mehr von Inseraten lebt, worüber wir uns ja einig sind, von Inseraten, die sogar zum Teil auch erheblich mehr gelesen werden als die Leitartikel. Es ist also für die Presse eine Lebensfrage, daß der Inseratenteil als aus der Pressefreiheit nicht herauslösbar anerkannt wird.
Aber ich fahre fort und erinnere Sie noch einmal daran: Wir haben jetzt das privatrechtliche Fernsehen, und das privatrechtliche Fernsehen lebt nur vom Werbefernsehen und erklärt jetzt - alles mit Ihren Worten -: Die Presse macht mir einen Wettbewerb, der an meine Existenz geht; darum muß den Zeitungen verboten werden, einen so umfangreichen Inseratenteil zu haben, oder man muß ihn ganz streichen; denn das gehöre nicht zu ihrer öffentlichen Aufgabe, das sei auch keine, wie das Bundessozialgericht sagt, Äußerung geistiger Gedanken. Ich weiß nicht, welche anderen Gedanken als geistige man äußern kann.
({23})
Das müsse also gesetzlich verboten werden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie Funkfreiheit und Pressefreiheit nicht als Geschwister sehen und nicht erkennen, daß das, was Sie bei der einen Freiheit heute abschneiden, morgen bei der anderen Freiheit in genau derselben Gefahr sein kann
({24})
- das ist die ganze Kurzsichtigkeit Ihres Gesetzentwurfs, die Sie hierbei nicht eingesehen haben -.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber bitte schön!
Herr Kollege Dr. Arndt, halten Sie es nach Ihren besonders komplizierten Ausführungen wirklich für undenkbar oder für möglich, daß eine Einschränkung der Informationsfreiheit dadurch getroffen wird, daß man dem Bürger mehr Informationsmittel zur Verfügung stellt?
Nein; ich habe mich ja auch mit Ihren Ausführungen nicht auseinandergesetzt. Es geht hier nur darum, ob das erst einmal verbietbar ist; denn dahinter steckt ja die verfassungsrechtliche Frage, die Sie gar nicht gesehen haben, ob es ein „allgemeines" Gesetz ist. Davon, daß dies ein „allgemeines Gesetz" sei, kann hier überhaupt keine Rede sein. Es wird nicht erkannt, daß es weder um Wirtschaft noch um Kultur geht, sondern um Publizistik, daß die Werbepublizistik Unterrichtung und Information ist und deshalb von der Freiheitsgarantie mit umfaßt wird.
Ich will das Beispiel noch einmal ganz zu Ende führen, also die Umkehrung; ich hoffe sehr, Sie haben soviel Phantasie. Sehen Sie, wenn dann diese privatrechtlich organisierten Sender kommen und erklären, daß sie Not leiden und daß das Werbegeschäft bei der Presse beschränkt werden muß, dann könnten diese Sender ja auch die Forderung aufstellen, daß Programmzeitschriften nur von den Sendern herausgegeben werden,
({0})
z. B. „Hör zu". Mit den Mitteln Ihres Gesetzes könnte man das machen.
Ich brauche zu dem Antrag über die Neuverteilung der Fernsehgebühren deshalb nicht zu sprechen, weil er illusorisch ist; das soll ja erst gelten vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über Werbesendungen. Und da weiß ich genau, das wird nie in Kraft treten.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zimmermann.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr nett, daß Sie mich so freundlich empfangen. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich muß da gleich wieder an die Debatte über das Parteiengesetz denken, wo wir ebenfalls eine so freundliche Diskussion miteinander hatten. Ich hoffe, das bleibt so.
({0})
- Hier handelt es sich auch um Finanzierung, Herr Kollege Mattick.
({1})
- Aber um eine andere Art als die, die Sie offenbar gemeint haben.
Dr. Zimmermann ({2})
Nun hat der Herr Kollege Arndt zunächst einmal mit sehr heroischem Phatos begonnen, und zwar in den beiden ersten Sätzen,
({3})
um dann zu einigen kleinen kabarettistischen Scherzen seine Zuflucht zu nehmen.
({4})
Herr Kollege Arndt, Ihren Rang als Verfassungsrechtler und Jurist dieses Hauses kennen wir sehr wohl.
({5})
Ich hätte es lieber gesehen, wenn Sie sich mehr mit den verfassungsrechtlichen Argumenten beschäftigt hätten - was ich eigentlich gehofft hatte - und wenn Sie vor allem das wahrgemacht hätten, was Sie dem Herrn Kollegen Blumenfeld vorgeworfen haben, daß er sich nämlich nicht mit dem Recht der Wirtschaft befaßt habe. Auch Sie haben sich nicht sehr mit dem Recht der Wirtschaft befaßt. Vor allem habe ich eines vermißt, nämlich die Aussage, wie denn nun die Fraktion der SPD genau zu diesem Gesetzentwurf steht und was Sie denn dazu zu sagen haben, ob Sie ihm zustimmen oder ob Sie ihn ablehnen,
({6})
ferner was für Schwerpunkte Sie in der Beratung über diesen ja nicht ganz unwichtigen Gesetzentwurf setzen wollen.
Nun zunächst einmal zu diesen beiden ersten Sätzen. Sie sagten, in diesem Hause solle es gute Übung sein, daß bis zum Beweis des Gegenteiles einem Kollegen das geglaubt werde, was er hier vortrage. Herr Blumenfeld hat aus dem Parteiprogramm Ihrer Partei zitiert und hat gewisse Fragen zu einzelnen Formulierungen, die sich mit dem Wirtschaftsrecht befassen, gestellt. Ich glaube, daß das legitim und zulässig ist. Auch bei uns wird man sicher niemandem verargen, wenn er, was unsere Parteiprogramme und unsere Aussagen betrifft, da und dort seine Zweifel anmeldet und seine Fragen stellt. Ich glaube nicht, daß man deswegen gleich so hochgespielt entrüstet sein muß, wie Sie das zu Anfang Ihrer Ausführungen gewesen sind.
Sie haben gesagt, der Art. 5 Abs. 2 unseres Grundgesetzes sei konstituierend. Das ist wahr. Am Schluß haben Sie aber ein - ich muß wirklich sagen - an den Haaren herbeigezogenes Beispiel gebracht, daß eine privatrechtliche Fernseh- oder Funkanstalt sagen könnte, die Presse untergrabe ihre Existenz und tangiere ihre Werbeeinnahmen. Wir sollten doch nicht übersehen, daß der Kernpunkt des Artikels 5 Abs. 2 in der Vielgestaltigkeit der deutschen Presse liegt. Hier haben wir auf der anderen Seite aber nicht die Vielgestaltigkeit, sondern das Monopol.
Bitte, Herr Kollege Arndt, sagen Sie doch nicht, das sei ein Monopol natürlicher Art. Natürlich an diesem Monopol ist nur, daß Sie nicht 550 Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland haben können, nämlich ebensoviele, wie es Zeitungen gibt.
Das ist natürlich. Aber immerhin haben wir zur Zeit 22 Hörfunkprogramme auf verschiedenen Kanälen, und wir haben schon drei Fernsehprogramme; in Zukunft, ab 1968, 1969 oder 1970 werden es, wie Sie genau wissen, 4 oder 5 Fernsehprogramme sein. Das ist bei der Intensität und den Möglichkeiten, die dieses Medium nun einmal hat, schon eine gewaltige Streubreite. Es erreicht ja den Zuschauer - anders als die Zeitung - fast ungewollt.
Was hat es denn mit diesem Monopol überhaupt auf sich? Was ich so sehr bei der ernsthaften Befassung mit diesem Gesetzentwurf vermisse, ist dieses: Auf der, einen Seite haben wir die 2 und 5 DM Gebühren, die von der Post einkassiert werden. Natürlich wird kein Zuschauer, dem das oder jenes nicht gefällt, seinen Fernsehapparat für 800 DM zum Fenster hinauswerfen. Er behält ihn dennoch und läßt sich nach wie vor seine 7 DM dafür abkassieren, auch wenn er sich ab und zu darüber ärgern mag. Auf der anderen Seite haben wir Hunderte von kleinen, mittleren und großen Tageszeitungen, von denen sich jede täglich am Markt bewähren muß. Die Zeitung muß der Bürger mit seinen 10, 20, 40 oder 50 Pfennig erwerben; er muß einen diesbezüglichen Entschluß - also einen wirtschaftlichen Entschluß - fassen.
({7})
Das führt uns jetzt zu der wirklichen Zuspitzung des Problems. Es ist gar nicht die Frage, ob es gestern 100 Millionen Fernseheinnahmen waren und ob es jetzt, im Jahre 1964 und 1965, auf die 500 Millionen zugeht. Die exakten Zahlen der Annonceneinnahmen hat übrigens nicht Herr Hess genannt, sondern die können Sie bei Kapferer und Schmidt nachlesen. Es ist das Dreifache, es sind 1,5 Milliarden. Es geht nicht um die Feststellung des gegenwärtigen Status, sondern um die Tendenz für die Zukunft, die man - gleichsam an einem Barometer - ablesen muß. Denn wenn man erst dann handeln wollte, wenn einmal die Wettbewerbsverzerrungen total geworden sind, könnte es für viele schon zu spät sein.
Ich glaube, Herr Kollege Arndt, Sie haben vorhin meinen Freund Blumenfeld einfach mißinterpretiert, indem Sie ihm unterstellten, er habe alles Öffentlich-Rechtliche mit „Staat" gleichgesetzt. Das, was wir an den Anstalten so befremdlich finden - und auch an den Worten des gegenwärtigen Vorsitzenden der ARD -, ist, daß dort geglaubt wird, öffentliche Aufgabe sei einfach alles, was die Anstalten täten, daß also auch die Veranstaltung von Werbesendungen in den Bereich der öffentlichen Aufgabe gehöre. Das kommt mir so vor, Herr Kollege Dr. Arndt, wie König Midas, der alles, was er anfaßte, in Gold verwandelte. Die Anstalten meinen in der Tat - den Eindruck muß man haben -, daß alles, was sie tun, und gleich was sie tun, Ausfluß ihrer öffentlich-rechtlichen Funktion ist, daß alles, was sie tun, zu ihren öffentlichen Aufgaben gehört.
({8})
Das eben glauben wir nicht. Wir glauben, daß
Art. 74 Nr. 11 - das Recht der Wirtschaft - die
Dr. Zimmermann ({9})
notwendige Legitimation, auch vom Zeitpunkt her, für den Bundesgesetzgeber darstellt, einen Nagel in diese Wand zu schlagen und die Erörterungen, die man darüber führen muß, an diesem Recht aufzuhängen; denn genau da gehört die Sache hin.
({10})
- Ach, Sie wollen mich absichtlich mißinterpretieren, Herr Kollege Dr. Schäfer. Das sollten Sie eigentlich nicht tun, genauso wenig wie Herr Dr. Arndt eigentlich den Satz hätte sagen sollen, Wettbewerb fange damit an, daß Verbotsgesetze erlassen würden. Das ist zwar sehr effektvoll, aber diese Art von Wettbewerb öffentlich-rechtlicher Anstalten gegen diejenigen, die sich auf dem freien Markt täglich bewähren müssen, ist allerdings etwas, was wir eben nicht haben wollen, und was man nur verbieten kann, wenn man es nicht haben will.
({11})
Die Motive der Initiatoren des Gesetzentwurfs sollten so verstanden werden, wie sie gemeint sind. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, daß die Werbung zur Publizistik gehöre. Wie man die Publizistik auffaßt, ist eine Frage der Definition. Aber daß die Werbung immanent zum Herstellen und Vertreiben von Zeitungen gehört, darüber sind wir uns sicher einig. Ich möchte den gesuchten Beispielen, die vorhin angeführt worden sind, ein wirklichkeitsnäheres an die Seite stellen. Rechnen Sie sich bitte einmal aus, in wie starkem Maße die Inseratenteile unserer Zeitungen von den Stellenanzeigen und anderen Anzeigen, aber nicht so sehr von den Markenartikelanzeigen, beschickt werden! Bei diesem leichten Rechenexempel ergibt sich, daß eine ganze Reihe von Zeitungen bei veränderter Konjunkturlage in ernste Schwierigkeiten geraten würden, in Schwierigkeiten, die man heute noch gar nicht sieht und die dann sehr stark in den Bereich des Art. 5 Abs. 2 fielen, nämlich die Vielgestaltigkeit der Presse zu bedrohen.
Ausgezeichnet fand ich Ihr Symbol - das war gekonnt und schlagfertig - mit der Schachfigur. Das ist ja auch hier und heute nicht zum erstenmal - sicher auch nicht zum letztenmal - so um die Ecken herum behauptet worden.
Ich will nicht einen ganz unsachlichen Kommentar des Senders Freies Berlin noch einmal zitieren. Ich möchte auch nicht die unqualifizierten Äußerungen des gegenwärtigen Vorsitzenden der ARD wiederholen. Aber vielleicht sollte man so gerecht sein, z. B. Herrn Wagner von Dimitag, dem Dienst mittlerer Tageszeitungen, und auch Herrn Verleger Dr. Johannes Binkowski vom Südwestdeutschen Zeitungsdienst und viele, viele andere zitieren, die formuliert haben, wenn dieser Wettbewerb so weitergehe, seien die Leidtragenden zuerst die kleinen und die mittleren Zeitungen und dann erst die großen.
Man sollte also nicht immer wieder so ganz hinten an die Wand einen Popanz des Großverlegers projizieren, wenn man doch weiß oder wissen müßte, daß genau dies, was wir Ihnen heute zu begründen versuchen, eine eminente Sorge gerade der kleinen und mittleren Verleger ist.
Niemand von uns wird hier versuchen wollen, alte Monopole durch neue zu ersetzen. Wir wollen abler allerdings versuchen, zu sehen, ob nicht auch in der Bundesrepublik auf dem eminent wichtigen Sektor des Mediums Fernsehen in Zukunft etwas weniger absoluter Glaube an die öffentliche Funktion. und Aufgabe, sondern ein wenig mehr Wettbewerb herrschen könnte.
({12})
Das Wort hat als Mitglied des Bundesrates Herr Minister Dr. Haußmann.
Dr. Haußmann, Justizminister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das Sie heute in dieser vorgerückten Stunde noch beschäftigt, bewegt seit langem nicht nur die Rundfunkanstalten und das Fernsehen, sondern mit Recht auch die Presse und die ganze Öffentlichkeit.
Die Tatsache, daß ich mir erlaubt habe, mich auf Grund des Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes hier zu Wort zu melden, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß die Herren Ministerpräsidenten der Länder heute nicht in der Lage waren, an dieser Sitzung teilzunehmen. Es wird Ihnen aber verständlich sein, daß die Länder an diesem Problemkreis auch ein legitimes und großes Interesse haben.
Ich darf damit beginnen, daß ich es besonders dankbar begrüßt habe, daß auch seitens der Herren Abgeordneten, die die Anträge der Regierungskoalition hier begründet haben, gegenüber der Länderanstalt des Zweiten Deutschen Fernsehens eine sehr positive und freundliche Haltung eingenommen worden ist. Das erleichtert es mir um so mehr, die Dinge hier anzusprechen und für die Länder, obgleich ich hier nicht in deren ausdrücklichem Auftrag zu sprechen das Recht habe, einige Bemerkungen zu machen, die für sich wohl dann auch ein gewisses höheres Maß von Objektivität in Anspruch nehmen dürfen.
Der Umstand, .daß der Gesetzentwurf, der Sie heute in erster Lesung beschäftigt, aus der Mitte des Hohen Hauses hervorgegangen ist - es handelt sich um einen Initiativgesetzentwurf -, führt, wie wir alle wissen, dazu, daß im Unterschied zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung der Bundesrat und die Länderregierungen nicht die Möglichkeit haben, sich damit im ersten Durchgang zu beschäftigen. Aber die Tatsache, daß hier auch von Herrn Abgeordneten Blumenfeld verständlicherweise verschiedene Fragen namens der Antragsteller an die Bundesländer gestellt worden sind, berechtigt des weiteren, folgendes dazu zu sagen:
Das Problem, das hier angesprochen ist, ist ein verfassungsrechtliches, wie es der Herr Abgeordneter Dr. Arndt mit dem terminus technicus des „allgemeinen Gesetzes", ausgesprochen hat. Es berührt die Länder aber auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 und den Staatsvertrag der Länder vom 6. Juni 1961, der zur Gründung der öffentlich-rechtlichen AnLandesminister Dr. Haußmann
stalt des Zweiten Deutschen Fernsehens vor drei Jahren geführt hat.
Es ist, glaube ich, angemessen, kurz einige Anmerkungen für das Protokoll dieses Hohen Hauses und für die weiteren Ausschußberatungen und Überlegungen der Antragsteller und der Fraktionen auch aus der Sicht der Länder aus folgenden Gründen zu machen.
Der Herr Abgeordnete Blumenfeld hat - wenn ich das in der Eile richtig festgehalten habe - die Frage gestellt, „ob wir es uns leisten könnten, über so viele Anstalten zu verfügen". Er hat von einem „haarsträubenden Vermögenszuwachs" und einem „grotesken Aufwand" der Anstalten gesprochen. Ich darf mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß die Länderanstalten, die in der ARD zusammengeschlossen sind, auf Grund von Landesgesetzen zustande gekommen sind und daß ihre Organe auch von Mitgliedern der Landesparlamente mit beschickt sind, so daß auch 'in dieser Hinsicht die gesetzliche Grundlage wie die parlamentarische Kontrolle und demokratische Mitwirkung auch in den Ländern unbestritten sein dürften.
Die Gründe dafür, daß wir nach 1945 in den verschiedenen deutschen Ländern diese Anstalten bekommen haben, sind uns allen noch in Erinnerung. Nachdem ich die Ehre hatte, lange Jahre selbst dem Verwaltungsrat des Süddeutschen Rundfunks - unter dem Vorsitz des Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Alex Möller - anzugehören, möchte ich sagen, daß diese Gremien - denn das gilt auch für die Verwaltungsräte der übrigen Länderanstalten - ihre Arbeit mit Verantwortungsbewußtsein und mit dem Willen, der freien Meinungsäußerung zu dienen, geleistet haben, so wie der Herr Abgeordnete Moersch das als notwendig bezeichnet hat.
Ich möchte darauf hinweisen, daß die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestritten ist. Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg ist der Ansicht, daß der Bund lediglich die Befugnis hat, die sendetechnische Seite des Rundfunks zu regeln, das Rundfunkrecht nach Art. 5 des Grundgesetzes sich im Rahmen der Rundfunkfreiheit zu halten hat und nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in die Kompetenz der Länder fällt.
Der Rundfunk und das Fernsehen sind bei Ausführung von Werbeaufträgen der Privatwirtschaft im privatwirtschaftlichen Bereich tätig. Die Werbesendungen sind seit jeher von den Rundfunkanstalten ausgestrahlt worden.
Es ist mindestens sehr fraglich, ob die Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes - Recht der Wirtschaft - begründet ist. Durch ein absolutes Verbot der Werbesendungen würde ja nicht nur ordnend und lenkend in das Verhältnis zwischen verschiedenen Betätigungsbereichen der Wirtschaft eingegriffen werden, sondern es würde durch den Gesetzgeber in den herkömmlichen, bisher unbestrittenen Bestand der Rundfunk- und Fernsehprogramme eingegriffen werden. Man muß zu der Überzeugung kommen, daß hier eine Befugnis des Bundesgesetzgebers nicht begründet ist.
Bezüglich der Einschränkung des in Art. 14 verbürgten Grundrechts, nämlich der Eigentumsgarantie, möchte ich mich auf wenige Andeutungen beschränken. In dem Staatsvertrag vom 6. Juni 1961, der zur Schaffung der Anstalt Zweites Fernsehen geführt hat, ist in § 23 der Mainzer Anstalt die Durchführung der Werbesendungen garantiert und sogar zur Pflicht gemacht worden, weil sie, wie ich aus meiner Erfahrung als Mitglied des Verwaltungsrats des Zweiten Deutschen Fernsehens weiß, auf die Einnahmen daraus - neben den 30 % an den Rundfunkgebühren - nicht verzichten kann.
({0})
Für den Rundfunk sowohl als auch für die Presse ist die Freiheit der Berichterstattung gewährleistet.
Der Deutsche Bundestag hat am 29. April 1964 die Bundesregierung beauftragt, einen Bericht über die Wettbewerbssituation zu erstatten. Soviel mir bekannt ist - ich habe mich seit gestern darüber noch zuverlässig zu informieren versucht -, hat die Kommission sich im Dezember 1964 konstituiert, hat ihre Arbeit begonnen und soll die Absicht haben, in naher, schon terminierter Zeit im Raum Stuttgart ihre Arbeiten fortzusetzen. Es ist nicht verständlich, daß - nach diesem Beschluß des Deutschen Bundestages - vor dem Vorliegen des Gutachtens und damit der Stellungnahme der Kommission nun im Wege der Bundesgesetzgebung den Ergebnissen der Kommission vorgegriffen werden soll.
Zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis, daß gegenüber den Entwürfen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und daß auch aus rundfunkpolitischen Gründen - Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Landesrundfunkanstalten und der Mainzer Anstalt - der Antrag auf Drucksache IV/3156 abgelehnt werden müßte.
Auch ist nicht einzusehen, wie der Antrag Drucksache IV/3169 realisiert werden soll, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über Werbesendungen in Rundfunk und Fernsehen einen Vorschlag für die Neuverteilung der Fernsehgebühren vorzulegen. Es ist nicht ersichtlich, welche Zuständigkeit und welche Möglichkeit die Bundesregierung dazu hat, einen solchen Vorschlag zu erarbeiten oder ihn durchzusetzen.
Abschließend beziehe ich mich auf die Erklärung, die in der Fragestunde der 14. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14. Februar 1962 der damalige Bundesminister für Wirtschaft und heutige Bundeskanzler Professor Dr. Erhard in diesem Hause abgegeben hat - wörtlich sagte er -:
Die Angelegenheiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören in die Zuständigkeit der Länder. Alle mit Rundfunk und Fernsehen zusammenhängenden nichttechnischen Fragen, auch die der Werbesendungen, sind landesrechtlich geregelt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf das bekannte Karlsruher Fernsehurteil.
Ich glaube daher, daß bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages und des
Landesminister Dr. Haußmann
Bundesrates diese rechtliche Situation sehr ernstgenommen werden muß.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut .mir aufrichtig leid für die „Hinterbliebenen" in diesem Raum, daß ich noch einmal das Wort ergreifen muß. Es ist aber notwendig geworden, um einige Dinge an die Adresse von Herrn Arndt zu sagen und mich mit einigen Thesen von Herrn Minister Haußmann auseinanderzusetzen.
Herr Arndt, ich bin enttäuscht, daß von Ihnen der eigentliche Kern des Problems, wie er auch damals in der Bundestagsdebatte hier erörtert worden ist, nicht angegangen wurde. Wir sind genau wie Sie von Art. 5 des Grundgesetzes ausgegangen. Wir sind nicht von der Sorge ausgegangen, daß die institutionellen Garantien nicht vorhanden seien. Die sind vorhanden. Die werden in unserem Staat gar nicht diskutiert; die sind nirgends gefährdet. Was gefährdet ist, ist die Möglichkeit, von einer institutionell garantierten Freiheit tatsächlich Gebrauch zu machen. Unsere Sorge ist, ob nicht in der Entwicklung, wie wir sie vor uns haben, die Möglichkeit eingeschlossen ist, daß die Presse zwar die formalen Freiheiten hat, daß ihr aber bei einem weitergehenden für sie schwierig werdenden Wettbewerb einfach die materielle Basis auf die Dauer fehlt. Das war doch das Problem, und ich wundere mich, Herr Arndt: Sie haben doch in Berlin mit eigenen Augen gesehen, wie der Wettbewerb zwischen Fernsehen und Presse zum Untergang von Zeitungen zu führen droht. Sie haben die Denkschriften vorliegen. Hier liegt das eigentliche Problem, und ihm muß sich auch die SPD stellen und sagen, was sie zu tun gedenkt oder ob sie uns nicht gar zu folgen vermag. Das ist das eine, was ich sagen möchte.
Das zweite ist folgendes. Herr Minister Haußmann hat darauf hingewiesen, daß die Fernsehintendanten treue Hausväter seien und man ihnen nicht etwa Unwirtschaftlichkeit und dergleichen vorwerfen dürfe. Er hat gesagt, die Fernsehanstalten, insbesondere das Zweite Deutsche Fernsehen, müßten Gebühren haben, um ihre Arbeit aufrechterhalten zu können. Das ist eine Behauptung, die dauernd aufgestellt wird: Wir sind auf Werbeeinnahmen angewiesen, oder - und das wird mit dem Blick auf das breite Publikum gedroht - die Gebühren werden erhöht. Weil das auch hier gesagt worden ist, möchte ich dazu einige deutliche Ausführungen machen.
Diese Frage muß auch deshalb erörtert werden, weil von vornherein der Verdacht naheliegt, daß man sich selber aus Gebühren finanzieren kann; denn das ist doch in England, in Holland, in Frankreich, in Belgien, in Dänemark usw. der Fall, und zwar bei hoher Qualität und bei einer großen Vielfalt des Programms. Die Koppelung Gebühren und
Werbung ist nicht vorgegeben und ist nicht etwa natürlich. Die Frage muß auch deshalb erörtert werden, weil wir genau wissen, .daß die Anstalten schon im Jahre 1961 bei weit geringeren Einnahmen in der Lage gewesen sind, hohe Anlagevermögen und hohe Reingewinne zu bilden.
Meine Damen und Herren, über die Einnahmen der Rundfunkanstalten ist sehr viel diskutiert und sehr viel geschrieben worden. Man begibt sich da unter Umständen auf ein unsicheres Gelände. Ich traue vielen Artikeln und Berichten in dieser Hinsicht nicht und stütze mich deshalb lediglich auf die Geschäftsberichte der Anstalten, die Ibis zum Jahre 1961 fast lückenlos vorliegen. Wo Berichte nicht vorliegen, stütze ich meine Berechnungen auf die monatlichen Angaben der Bundespost, die ja die Zahl der Seher und Hörer genau angibt.
Vielleicht noch einige Bemerkungen zu den Quellen, um der Sorgfaltspflicht zu genügen. Für die Zeit von 1961 bis 1965 sind die Angaben lückenhaft; denn - und auch das ist interessant - nicht alle Rundfunkanstalten haben ihre Angaben vorgelegt. Auch sind die Angaben über Werbung unvollständig. Man kennt lediglich die Nettozuweisungen der Werbetöchter an die Anstalten. Diese geben natürlich keinen Einblick in die tatsächlichen Einnahmen aus dem Funk- und Fernsehwesen. Mein Freund Zimmermann hat schon gesagt: man ist da leider weitgehend auf private Errechnungen angewiesen.
Ich möchte mit dieser Vorbemerkung nur sagen: ich stütze mich jetzt ausschließlich auf die Angaben der Anstalten. Ich bleibe dabei an der unteren Grenze und verwende unsichere Posten immer zugunsten der Anstalt. Fairer kann man nicht sein. Was ergibt sich dabei? Ich versuche jetzt zusammenzufassen, um Sie nicht unnötig .aufzuhalten. Es ergibt sich, daß die Rundfunkanstalten in dem Zeitabschnitt vom 1. April 1950 bis 31. März 1955, also in einem Zeitraum von fünf Jahren, eine Gesamteinnahme von netto 1003 Millionen DM gehabt haben, jährlich also von 200 Millionen DM. In dem Zeitabschnitt vom 1. April 1955 bis 31. März 1961, in sechs Jahren, betrugen die Gesamteinnahmen netto 2607 Millionen DM bereits. Das bedeutet ein Anwachsen der Jahreseinnahmen von 200 Millionen DM auf 435 Millionen DM in diesem Zeitraum. In der Zeit vom 1. April 1961 bis 31. Dezember 1963 betrugen die Einnahmen aus Hörfunk und Fernsehen netto 14 561 Millionen .DM, wobei von den Fernsehgebühren bereits 30% für Mainz abgezogen sind, auf das Jahr. gerechnet also eine Nettoeinnahme von 571 Millionen DM. Im Jahre 1964 betrugen die Nettoeinnahmen an Gebühren nach den bis jetzt vorliegenden Schätzungen 723 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, was ich hier vortrage, bedeutet eine Vervierfachung der Einnahmen gegenüber dem Stand von 1950 bis 1955, wobei ich für das letzte Jahr die Werbeeinnahmen noch nicht einmal ausgebracht habe, weil sie noch nicht feststehen und unsichere Posten von mir nicht verwendet werden. In dem Zeitraum, den ich hier vortrage, bedeutet das eine Steigerung des Jahresaufkommens, die folgendermaßen aussieht: 200, 435, 571, 723 Millionen DM. Nimmt man aber die ganzen Zeiträume
0 zusammen, so ergibt sich eine Nettoeinnahme von 5881 Millionen DM.
Über die Verwendung dieser Einnahmen liegen bis 1961 fast lückenlose Angaben der Anstalten vor. Daraus ergibt sich, daß die Rundfunkanstalten Ibis 1961 folgende Gesamtvermögen ausweisen: Westdeutscher Rundfunk 238 Millionen DM bis 1960, NDR per 1963 176 Millionen DM, Bayerischer Rundfunk per 1961 101 Millionen DM, Süddeutscher Rundfunk per 1961 48 Millionen DM, Hessischer Rundfunk im selben Jahr 84 Millionen DM, Südwestfunk per 1961 42 Millionen DM, zusammen also 689 Millionen DM. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß diese Zahlen den in den Geschäftsberichten der Rundfunkanstalten enthaltenen Vermögensrechnungen entnommen sind und nicht etwa fremde, importierte oder manipulierte Zahlen sind.
Das ist die Lage, und daraus muß man Schlüsse ziehen. Ich beantworte jetzt die Frage von Herrn Haußmann: Sind die Rundfunkanstalten auf das Werbefernsehen als Einnahmequelle angewiesen? Können wir ohne Werbung nicht auskommen? Im Jahre 1964 stehen den Rundfunkanstalten 723 Millionen DM zur Verfügung, und an Fernsehgebühren allein haben 1964 bereits mehr als 400 Millionen DM netto zur Verfügung gestanden. Auf Grund dieser Zahlen kann man eine Antwort darauf geben, ob die beiden Anstalten Werbung brauchen. Wenn man den Zahlen des Intendanten Kerneck, seinen Angaben über die Kosten einer Fernsehminute, folgt und wenn man danach unterstellt, daß die ARD 150 000 Minuten pro Jahr ausstrahlt, dann braucht
sie dazu 210 Millionen DM, und es bleibt der Betrag von fast 200 Millionen DM für das Zweite Deutsche Fernsehen und für die Investitionen übrig.
Die Betrachtung wird aber erst vollständig, wenn man sich klarmacht, daß bei diesem aktuellen Status jedes Jahr etwa eine Million neue Zuschauer hinzukommen, die Geld bringen, ohne daß die Aufwendungen wesentlich steigen. Das ist eine Zunahme von 43 800 000 DM pro anno. Mit anderen Worten: Kostensteigerungen und Investitionen sind in diesem Rahmen ohne weiteres aufzufangen, und die Behauptung, daß die Anstalten auf Werbeeinnahmen angewiesen seien, ist meiner Ansicht nach nicht zutreffend. Bei dieser Sachlage hat man eher Grund, sich darüber zu wundern, weswegen die Intendanten nicht die kostbare Gelegenheit ergreifen, sich allein aus Gebühren zu finanzieren, um den „Sündenfall der Werbung" - um mich mit Klaus von Bismarck auszudrücken - wieder rückgängig zu machen. Denn Sünden sind ja dazu da, bereut und wiedergutgemacht zu werden.
({0})
Aus diesen Zahlen wird ja natürlich auch ersichtlich, daß es ohne weiteres möglich ist, aus dem Gebührenaufkommen das Zweite Deutsche Fernsehen zu finanzieren und ihm endlich das zu geben, was ihm zusteht.
Im übrigen: wer ein drittes Haus bauen will, der sollte sich erst davon überzeugen, ob nicht in den vorhandenen Häusern Verbesserungen notwendig sind und ob er aus eigenen Mitteln das Geld aufbringen kann, um ein drittes Haus zu bauen. Wer
nicht so verfährt, kommt in den Verdacht der unsoliden Finanzgebarung; und dem sollten sich unsere wohlhabenden und teils reichen Rundfunkanstalten nicht aussetzen.
Herr Kollege Arndt, dieser Antrag ist nicht, wie Sie meinten, unüberlegt, unbedacht, nicht zu Ende gedacht. Ich halbe das nicht gern gehört; es sind im wesentlichen psychologische, keine sachlichen Argumente. Ich habe mich dieser Seite der Sache sehr intensiv angenommen, und ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie davon Kenntnis nähmen, daß wir an dieser Sache mit großer Verantwortung arbeiten. Wir wissen, was wir da anfangen. Wir wissen, daß es hier um die Neuordnung des deutschen Funks und Fernsehens geht und vor allem darum geht, die Medien, in denen allein die Demokratie existieren kann, Presse, Funk und Fernsehen, nicht nur richtig zueinander zu ordnen, sondern ihnen auch die materielle Sicherheit für die geistige Freiheit zu geben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Kollegen Zimmermann möchte ich antworten: Herr Kollege Blumenfeld hat doch nicht nur Fragen aus dem Godesberger Programm gestellt. Da werden meine Freunde und ich uns immer freuen, werden jederzeit Fragen aus dem Godesberger Programm beantworten und werden stolz darauf sein, daß wir noch andere darüber unterrichten können.
({0})
Die Frage, die Herr Kollege Blumenfeld gestellt hat, ist eine ganz andere. Ich bitte Sie, die Frage und ihre Formulierung im Stenogramm nachzulesen.
({1})
Herr Kollege Zimmermann, auch hinsichtlich öffentlicher Aufgaben sind Sie, glaube ich, im Irrtum. Wenn ich Sie nicht mißverstanden habe, scheint bei Ihnen der Begriff der „öffentlichen Aufgabe" mit dem Begriff der „öffentlich-rechtlichen Aufgabe" durcheinanderzugehen. Öffentliche Aufgabe heißt hier: popularische Aufgabe, heißt die Aufgabe, etwas unter das Volk zu bringen, etwas zu popularisieren, etwas zugänglich zu machen. Unsere durchaus privatwirtschaftlich betriebene kommerzielle Presse hat in diesem Sinne auch eine öffentliche Aufgabe und wird in dieser ihrer öffentlichen Aufgabe rechtlich geschützt.
Man kann also die Teilung nicht so machen, als ob das Werbefernsehen nicht zur öffentlichen Aufgabe gehöre, weil die Aufgabe vielleicht nicht öffentlich-rechtlich organisiert oder erfüllt werden sollte.
Herr Kollege Martin, Sie meinen, ich sei auf den Kern nicht eingegangen, denn die institutionellen Garantien seien nicht gefährdet, sondern die materielle Basis.
({2})
Dr. Arndt ({3})
- Ja du lieber Himmel, das ist doch dasselbe! Die Garantie der Institution „Presse" in Art. 5 des Grundgesetzes heißt, daß ihre wirtschaftliche, materielle Lebensfähigkeit garantiert ist. Das steht in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich, sogar für die Presse. Es steht darin: Zwar sei es eine Illusion, daß man beliebig viele Zeitungen gründen könnte; das könnte man nicht; weder habe der einzelne die finanziellen Mittel, noch könnten unbegrenzt viele Zeitungen leben. Aber - und das ist ein Satz, der die Zeitungsverleger etwas beunruhigt hat, der aber richtig ist - wenn es einmal dahin kommen sollte, daß die Presse nicht mehr privatwirtschaftlich und kommerziell leben könnte, müßte der Staat dafür sorgen, daß ihre materielle Basis und ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit wiederhergestellt würden. - Das ist ja gerade der Punkt, um den es hier geht. -Bitte, Herr Martin!
Damit kein Mißverständnis entsteht: Ich wollte mich nicht mit Ihnen über die Terminologie streiten, sondern wollte Sie fragen, was für Konsequenzen Sie aus der aktuellen Situation von Presse und Fernsehen, wie sie in Berlin besteht, zu ziehen gedenken.
Darauf komme ich gleich; da brauchen Sie gar nicht zwischenzufragen, darauf werde ich Ihnen gleich antworten. - Institutionelle Garantie der Presse heißt also, daß dem Staat, d. h. Bund und Ländern, die Verpflichtung aufgebürdet ist, dafür zu sorgen, daß die Presse existenzfähig ist. Es ist ihre Existenz garantiert, und zwar die allgemeine Existenzmöglichkeit, nicht die konkrete eines jeden kleinen Blättchens, das vielleicht irgendwo - der „Hintertupfinger Anzeiger" - pleite geht. Es geht um die Presse in ihren wesentlichen Erscheinungen.
Nun sagen Sie, wir müßten erklären, was wir zu tun gedenken. Dazu haben wir ja die Kommission eingesetzt. Sie muß uns erst einmal sagen, was los ist. Sie können hier noch so viele Zahlen verlesen, die Sie übrigens zum Teil - ich suche jetzt einen höflichen Ausdruck - etwas agitatorisch vorgetragen haben. Wenn Sie, Herr Kollege Martin, die Vermögenszahlen der Funkanstalten genannt haben, dann ist dazu zu sagen: das sind doch keine Bankkonten und Wertpapierdepots, das ist die Studiotechnik und ist das ganze Anlagevermögen, das die Leute brauchen.
({0})
- Wir werden ja untersuchen, ob Wertpapierdepots dabei sind. Das wissen Sie gar nicht, Herr Blumenfeld, ob sie dabei sind. So ist es nicht zu machen; dazu ist die Kommission da.
({1})
Und wenn die Kommission erst einmal die Fakten gesichert hat, dann sind die verschiedenen Verantwortungen zu realisieren, wobei die des Bundes eine ganz andere ist als die der Länder, nämlich mit anderen Mitteln.
Das Beispiel Berlin hätten Sie wirklich nicht bringen sollen. In Berlin hat die Auflagenhöhe der Zeitungen zugenommen, obwohl wir in Berlin wohl reichlich viele Zeitungen haben. Sogar die Anzeigenaufträge haben zugenommen. Worunter die Presse in Berlin leidet, ist die Konzentrationsbildung, ist die Tatsache, daß es einen großen Verleger gibt, der in Berlin den Markt beherrscht.
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Arndt, ich frage nur, weil Sie es selber angesprochen haben.
({0})
- Doch, Sie haben es soeben angesprochen. - Ist Ihnen nicht bekant, daß z. B. die „Berliner Morgenpost" seit Jahrzehnten bestanden hat und immer am Berliner Markt gewesen ist und daß das nichts mit einem Konzentrationsprozeß der Presse zu tun hat?
({1})
Herr Kollege Blumenfeld, die „Morgenpost", die heute herausgegeben wird, hat mit der „Morgenpost", die in der Weimarer Zeit erschien, nicht das mindeste zu tun. - So geht es also nicht. Es ist ein großer Zeitungskonzern, der in Berlin auf die kleinen Blättchen drückt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Ich glaube, das ist eine unerträgliche Verschiebung der Dinge, wie sie wirklich vor sich gehen. Die Auslassungen dieser Zeitungen zeigen ganz deutlich, daß vom SFB im Konkurrenzkampf die Werbung aus den Zeitungen herausgenommen worden ist und daß dies fast genau der Summe entspricht, die den Zeitungen fehlt. Sie wissen genauso wie ich, daß eine Zeitung hierdurch in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen ist.
Herr Kollege Martin, ich lebe in Berlin, ich kenne die Vorgänge in Berlin, ich kenne die Anfragen an den Senat und kenne die Antworten des Senats. So einfach, wie Sie es hier darstellen, ist es nicht. Die gesamte Berliner Situation, nicht nur die der Presse, ist schwierig. Für Berlin müßte noch viel mehr getan werden, um Berlin lebensfähig zu erhalten, als gegenwärtig geschieht. So können Sie das also nicht machen.
({0})
Das ist das schlechteste Beispiel, das Sie bringen
können. Nun habe ich Sie aber eine ganze Weile
Dr. Arndt ({1})
reden lassen, ich habe Ihnen stillschweigend zugehört, und ich wäre doch dankbar, wenn Sie das nun auch täten und mich reden ließen.
Ich sage Ihnen noch einmal zu dem Kern, der materiellen Basis - das ist das, was der Jurist institutionelle Garantie nennt -: Was man zu tun gedenkt, wird sich auf Grund der Feststellungen ergeben, die die Kommission treffen soll. Denn vorher liegt überhaupt kein Material vor. Im übrigen kann man dann vieles tun. Ich erinnere Sie daran, daß Anträge meiner Fraktion der Presse eine Erleichterung, ich glaube, um 30 bis 35 Millionen DM an Steuern gebracht hätten, und daß diese Anträge von Ihnen abgelehnt worden sind.
({2})
Man kann da sehr vieles machen. Aber zunächst einmal muß doch die Diagnose gestellt werden.
Und nun die Frage, die auch Herr Zimmermann gestellt hat: Wie stellt sich die SPD zu diesem Gesetz? Die Frage ist sehr einfach zu beantworten. Da der Bund für dieses Gesetz wirklich keinerlei Kompetenz hat, ist es ausgeschlossen, daß dieses Gesetz auf eine Zustimmung stoßen kann: Ich bin der Meinung, daß man über viele verfassungsrechtliche Fragen streiten kann - wahrscheinlich über die meisten -; aber daß es keine Kompetenz des Bundes gibt, um das Veranstalten von Werbefernsehsendungen zu regeln, das halte ich allerdings für außerhalb jeder Diskussion stehend. Ich will mich nochmals bemühen, Ihnen das verständlich zu machen.
Sehen Sie, der Bund hat nach Art. 75 Nr. 2 des Grundgesetzes - hören Sie mal gut zu! - die Kompetenz, Rahmenvorschriften über allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse zu erlassen. Das ist eine sehr begrenzte Kompetenz: Rahmenvorschriften und allgemeine Verhältnisse!
Fraglos ist die Presse etwas Wirtschaftliches. Sie ist kommerzialisiert, es sind ungeheure Vermögen in der Presse investiert, sie hat einen Umsatz von Milliarden, sie hat eine wirtschaftspolitische Bedeutung, eine außenpolitische Bedeutung. Alles das hilft nichts. Sie können die Presse nicht unter der Devise „Recht der Wirtschaft" gesetzlich vom Bund aus regeln. Der Bund ist in den Fragen der Publizistik bei der Presse auf die Kompetenz zum Erlaß von Rahmenvorschriften über die allgemeinen Rechtsverhältnisse beschränkt, und beim Funk hat er überhaupt nicht einmal eine solche Kompetenz. Ich will Ihnen das in einem Wort sagen, das von keinem Juristen gesprochen ist, das aber das, worum es sich handelt - nämlich nicht um Fragen der Wirtschaft -, sehr gut wiedergibt. Dieses Zitat lautet folgendermaßen:
In der Marktwirtschaft steht zwischen Produktion und Konsum als unentbehrliches Kommunikationsmittel die Werbung - unterrichtend, Anreiz schaffend, geschmackformend.
Also erst einmal Kommunikationsmittel. Das ist eine ganz klare Definition. Es geht dabei um die Publizistik. „Geschmackformend" ist sogar etwas durchaus Kulturelles. Das entscheidende erste Wort heißt „unterrichtend" - auf lateinisch: informierend. Das
Werben gehört zur Information. Dieses Wort stammt - zitiert nach Herrn Blumenfeld - von Herrn Ludwig Erhard.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es wird vorgeschlagen, die beiden Vorlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache IV/3156 und den Antrag auf Drucksache IV/3169, an den Wirtschaftsausschuß - federführend - zu überweisen.
({0})
- Ich trage lediglich vor. Die Vorlagen sollen weiter an den Rechtsausschuß - mittberatend - überwiesen werden. Die Frage, ob die Vorlagen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik - mitberatend - überwiesen werden sollen, ist strittig.
({1}) Herr Dr. Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß Herr Dr. Arndt hier doch eines klargemacht hat: daß es sich um ein Problem der Publizistik handelt. Nun haben wir einen Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik. Ich meine übrigens, daß es sich, was die Auswirkungen des Gesetzentwurfs angeht, auch um Kulturpolitik handelt. Deswegen möchte 'ich beantragen, daß wir diesen Ausschuß als federführenden Ausschuß wählen und den Rechtsausschuß und den Wirtschaftsausschuß als mitberatende Ausschüsse einsetzen.
Das ist ein Antrag. Ich fürchte,
({0})
ich muß durch eine Abstimmung klarstellen,
({1})
welcher Ausschuß federführend sein soll. Es sind also vorgeschlagen der Rechtsausschuß und der Ausschuß für Wirtschaft.
Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Wer stimmt dafür? - Danke. Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Wirtschaftsausschuß ist federführend.
Beteiligt werden soll der Rechtsausschuß. Das ist nicht bestritten.
Ausschuß für Kulturpolitik!
({2})
Vizepräsident Schoettle
Herr Dr. Mommer hat beantragt, den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik federführend zu machen, aber Sie sagen: mitberatend.
({3})
Wir stimmen ab. Wer ist dafür, daß der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik mitberatend beteiligt sein soll? Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind also der Wirtschaftsausschuß - federführend - und der Rechtsausschuß - mitberatend - an der Beratung dieser Vorlagen beteiligt.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen die restlichen Punkte der Tagesordnung auf die nächste Sitzung vertagt werden. Damit ist die Tagesordnung für heute erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 25. März, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.