Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich freue mich, zunächst Glückwünsche des Hauses zu Geburtstagen 'aussprechen zu können. Am 22. Februar hat Frau Abgeordnete Engländer das siebte Lebensjahrzehnt vollendet;
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ebenfalls am 22. Februar hat Frau Abgeordnete Dr. Flitz .einen runden Geburtstag gefeiert;
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heute werden der Abgeordnete Arndgen 71 Jahre und der Abgeordnete Leukert 60 Jahre alt.
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Allen 'spreche ich herzliche Wünsche des Hauses aus.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 22. Januar 1965 für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Vogel den Abgeordneten Windelen als Mitglied für den Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung benannt. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; damit ist der Abgeordnete Windelen gewählt.
In der Plenarsitzung am 10. Februar 1965 ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans, Wagner, Brück und Genossen betreffend Kindergeld - Drucksache IV/2000 - in der Fassung des Antrags des Ausschusses für Arbeit - Drucksache IV/3036 - an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Entsprechend der bisherigen Praxis soll die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit - federführend -, an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 22. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke ({3}), Dr. Imle und Genossen betr. Wohnungen für Alleinstehende - Drucksache IV/3020 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3106 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats zur Änderung der innergemeinschaftlichen Handelsregelung für gezuckerte Kondensmilch -Drucksache IV/3099 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Außenhandelsausschuß - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Februar 1965,
Verordnung des Rats betreffend Gemeinschaftsbeiträge für die Berufsumschulung von landwirtschaftlichen Erwerbstätigen, die innerhalb der Landwirtschaft ihren Beruf wechseln möchten, sowie
Verordnung des Rats betreffend Gemeinschaftsbeiträge zur Förderung der Fachausbildung von Beratern der Informationsstellen für Berufswechsel für landwirtschaftliche Erwerbstätige - Drucksache IV/3078 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Arbeit - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 19. März 1965,
Verordnung des Rats über die Festsetzung der Einschleusungspreise für Bruteier von Hausgeflügel und für lebendes Hausgeflügel mit einem Gewicht von höchstens 185 Gramm - Drucksache IV/3104 an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Fürsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Februar 1965.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Elfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({4}) - Drucksache IV/3091 -
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. Mai 1965.
Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 2 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 41 des Ausschusses für Petitionen ({5}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({6});
b) Beratung der Sammelübersicht 42 des Ausschusses für Petitionen ({7}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({8}).
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Anträge des Ausschusses liegen vor. Danach sollen die in den Sammelübersichten enthaltenen Anträge angenommen werden. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fortsetzung der Zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 ({9}) ({10}) ; Berichte des Haushaltsausschusses ({11}).
Vizepräsident Dr. Dehler
Wir fahren fort in der Beratung von
Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung ({12}).
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Wellmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Aussprache stehende Einzelplan 14 ist mit einem Bedarf von zirka 18,2 Milliarden DM - er ergibt sich aus dem vorliegenden Schriftlichen Bericht, zu Drucksache IV/2914 - der größte Einzelplan; er beansprucht damit rund 29 % des Gesamthaushaltes. Es erscheint uns angebracht, einige kurze Bemerkungen hierzu zu machen; Sie brauchen also keine lange Rede von mir zu befürchten.
Wir werden zu diesem Einzelplan keine Änderungsanträge stellen, und Sie werden aus meinen weiteren Ausführungen entnehmen, warum wir es nicht tun. Ich möchte zuerst einige Bemerkungen zu der Methode der diesjährigen Haushaltsberatung machen.
Von einer sorgfältigen Beratung des Haushalts konnte schon in den letzten Jahren nicht mehr gesprochen werden.
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Aber was in diesem Jahr - zugegeben: unter Zeitdruck - an Tempo vorgelegt wurde, stellt alles Bisherige in den Schatten. Das gilt nicht nur für den Verteidigungshaushalt, sondern mehr oder minder auch für alle anderen Einzelpläne. Aber gerade bei dem Verteidigungshaushalt, der wegen seiner hohen materiellen Ansprüche und besonders wegen seiner Investitionsmittel immer wieder umstritten ist, wäre eine sorgfältige Beratung unbedingt am Platze gewesen. Die Tatsache, daß dieser Haushalt - abgesehen von einer allgemeinen Einführung - überhaupt nicht im Verteidigungsausschuß beraten worden ist, ist doch nahezu unerträglich.
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Auch kann von einer sorgfältigen Beratung im Haushaltsausschuß kaum noch gesprochen werden, jedoch viel eher von der Entgegennahme eines Diktats, - nicht eines Diktats der Regierung, sondern der Koalitionsparteien.
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In diesem Einzelplan mußte zum Ausgleich des Gesamthaushalts 1 Milliarde DM eingespart werden, und das ist auch auf dem Papier durchgeführt worden. Die ganze Prozedur dauerte nur etwa 2 Stunden.
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- Aber selbstverständlich ist das wahr. - Die wenigen materiell geringfügigen Anträge der Opposition fielen unter das Fallbeil der Abstimmungsmaschinerie, auch wenn sie noch so sachlich begründet waren. Die Regierung konnte nach ihren eigenen Aussagen nur unter Anlegung strengster Maßstäbe eine Überschreitung des Vorjahresansatzes von 19,2 Milliarden DM verhindern. Hier möchte ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Ausführungen
des Herrn Bundesverteidigungsministers aus der 99. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 13. Januar 1965 zitieren. Der Herr Bundesverteidigungsminister sagte:
Ein Wort zum Schluß! Nach menschlichem Ermessen haben wir unsere Überlegungen zum Haushalt 1965 mit größter Umsicht und Weitsicht angestellt.
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Wir glauben nicht, daß überhaupt noch wesentliche Möglichkeiten der Einsparung gegeben sind.
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Im Jahre 1964 waren sie nur deshalb gegeben, weil sich eine Fülle von einzelnen Abwicklungsvorgängen in der Produktion und im Baugeschehen verzögerte. Das wird sich nicht wiederholen. Nach einem gewissen Tal, in dem wir standen, wird der Haushalt, wie die Entwicklung der Ausgabenseite der Bundeswehr zeigt, ganz erheblich in Anspruch genommen. Überlegungen, die dahin zielen, man könnte beim Verteidigungshaushalt 1965 große Beträge einsparen, sind sicher nicht realisierbar.
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Ohne Zweifel wird die Fortsetzung unserer Verteidigungsanstrengungen dazu führen, daß die Haushalte für Verteidigung in den kommenden Jahren nicht auf der jetzigen Höhe stehenbleiben, sondern weiter ansteigen werden. Darüber sind sich wohl alle eingeweihten Kreise klar.
Soweit der Herr Bundesverteidigungsminister.
Nach diesen sehr ernsten Ausführungen vom 13. Januar 1965 durfte man wohl ,annehmen, daß der Herr Bundesverteidigungsminister am 22. Januar 1965, also 9 Tage später, im Haushaltsausschuß wie ein Löwe um seinen Haushalt kämpfen würde, zumal in diesem Jahr erstmalig die Betriebsausgaben mit 54 % des Gesamtansatzes die Investitionsausgaben überflügelt halben und die stärksten Streichungen gerade bei den Investitionsausgaben vorgenommen wurden. Aber nichts von dem! Die Bundesregierung hat fast alle Kürzungen nicht nur widerspruchslos hingenommen, nein, der Herr Verteidigungsminister war gar nicht im Haushaltsausschuß erschienen und hatte auf die Verteidigung seines Standpunkts verzichtet.
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Ist in Anbetracht dieser Tatsache nicht die Frage berechtigt, ob im Verteidigungsministerium die Aufstellung des Haushalts und (die Planung mit der erforderlichen Sorgfalt .durchgeführt werden? Wird nicht doch etwas zu sehr über den Daumen gepeilt? Die Opposition war besonders in den Jahren 1963 und 1964 in Anbetracht der hohen Ausgabereste der Auffassung, daß die Ansätze insbesondere bei den großen Beschaffungstiteln recht großzügig bemessen waren und daß man erkennen konnte, daß sie nicht ausgegeben werden könnten.
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Aber Wir haben tauben Ohren gepredigt. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was wir zu hören bekommen hätten, wenn wir Sozialdemokraten die nunbeschlossenen Kürzungen vorgeschlagen hätten.
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Auf jeden Fall hätte man unser Ja zur Bundeswehr in Zweifel gezogen und uns unterstellt, daß wir (die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik untergraben wollten.
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Nun, meine Damen und Herren, der Verteidigungshaushalt wurde vom Haushaltsausschuß um rund 1 Milliarde DM gekürzt. Sie haben zu entscheiden, ob diese Kürzung durchgeführt werden soll.
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Für mich bestehen keine Zweifel über den Ausgang dieser Abstimmung.
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Bei dieser Kürzung muß sich der Herr Verteidigungsminister aber sagen lassen, daß im Verteidigungsministerium doch nicht mit der erforderlichen Sorgfait und ohne klare, ausreichende Planung gewirtschaftet wird.
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Das ist ein Vorwurf, den wir dem Bundesverteidigungsminister nicht ersparen können, auch wenn er ihm nicht .gefällt. Wir haben wiederholt auf eine wissenschaftlich fundierte Planung für eine längere Zeit gedrängt.
Einen Augenblick! Herr Kollege Kliesing möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege, wenn Sie ,die Kürzung des Verteidigungshaushalts so hart kritisieren, warum stellen Sie dann hier keinen Antrag, die Streichungen wieder aufzuheben und den Etat zu erhöhen?
Sie werden gleich hören, Herr Kollege Kliesing, warum wir das nicht tun. Ich darf speziell auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Möller in der 106. Sitzung des Hohen Hauses vom 9. Januar 1964 hinweisen. Es kommt uns doch vor allen Dingen darauf an,
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daß jede Mark, die der Bürger an Steuern aufbringen muß, so effektiv wie möglich angelegt wird. Das ist bei der stürmischen militärtechnischen Entwicklung besonders schwer und bedarf daher sorgfältigster Planung.
Das ist nunmehr auch im Verteidigungsministerium erkannt und anerkannt worden. Darum wurde im Juli 1964 durch Planungsanweisung eine zentrale
Planung für mittelfristige - d. h. für 5 Jahre - und langfristige Planung - d. h. für 6 bis 12 Jahre - ins Leben gerufen. Im November 1964 wurden die erforderlichen Verträge abgeschlossen. Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler wird deutsche Planungsfachleute entsprechend den amerikanischen Methoden ausbilden und die ersten mittelfristigen Planungen, auf die deutschen Verhältnisse zugeschnitten, vorbereiten. Wenn man jetzt zu solchen Maßnahmen schreitet, beinhaltet doch dieser Schritt das Eingeständnis, daß die bisherigen Methoden nicht ausgereicht haben.
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Was soll also der Vorwurf gegenüber der Opposition, daß sie sich in kleinlicher Nörgelei und Besserwisserei ergehe und nur darauf ausgehe, dem Verteidigungsminister das Leben schwer zu machen?
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Durch unsere ständige Forderung nach zielbewußter längerfristiger Planung wollten wir erreichen, daß alle Mittel so sinnvoll wie möglich und damit für die Bundeswehr besonders wirkungsvoll ausgegeben werden.
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Und das ist uns gelungen.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Leicht!
Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Wellmann, daß, längst bevor Ihr Herr Möller die Rüstungsplanung gefordert hat, Herr Hitch sich schon im Jahre 1963 wegen der langfristigen Planung in Deutschland aufgehalten und im Verteidigungsministerium darüber verhandelt hat?
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Herr Kollege, auf diese Zwischenfrage habe ich gewartet. Natürlich ist mir das bekannt.
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- Selbstverständlich ist mir das bekannt. Aber vielleicht darf ich Sie bitten, sich der Mühe zu unterziehen, aus der 106. Sitzung auf Seite 4883 C zu lesen, was der Kollege Strauß zu den Ausführungen des Kollegen Möller gesagt hat, während der Verteidigungsminister auf der Regierungsbank saß und kein Wort dazu sagte, doch wohl nur aus dem Grunde, weil er seinen Vorgänger nicht desavouieren wollte.
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Durch eine längerfristige Planung ist auch die Grundlage für eine bessere, übersichtlichere Beratung im Verteidigungs- und Haushaltsausschuß gegeben, und das scheint uns dringend erforderlich zu sein.
Wir stellen ferner fest, daß eine große Diskrepanz zwischen den Aufwendungen für die Territoriale Verteidigung und die Zivile Verteidigung einerseits und den Aufwendungen für die mobilen Ver- bände andererseits besteht. Zwar hat es schon verhältnismäßig lange Ansätze für eine Territoriale Verteidigung gegeben - der NATO-Vertrag verpflichtet uns zur Aufstellung von solchen nationalen Verbänden -,
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aber erst unter dem jetzigen Verteidigungsminister wurde, wenn auch zögernd, damit begonnen. Schon am 5. November 1957 - Herr Kollege Kliesing, ich bitte zu beachten: 1957! - hat der Kollege Ollenhauer und am 23. April 19'58 hat der Kollege Schmidt ({3}) eindringlich auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Damit Sie mir nun nicht Einseitigkeit vorwerfen, darf ich auch auf die Ausführungen des Kollegen Schultz von der Fraktion der Freien Demokraten am 8. April 1959 vor diesem Hohen Hause verweisen.
Es scheint uns aber auch, daß man sich über die Organisationsform noch nicht im klaren ist. Soll sie auf freiwilliger Basis erfolgen, oder will man auf Verpflichtungen zurückgreifen?
Auch die Bereitstellung von Mitteln für die Zivile Verteidigung gibt zu Besorgnissen Anlaß. Mit 753,9 Millionen DM im Jahre 1964 hatte sie ihren bisher höchsten Stand erreicht. Niemand wird behaupten wollen, daß dieser Ansatz ausreichend oder gar zu hoch sei. Im Jahre 1965 zeigt sich mit einem Ansatz von weniger als 600 Millionen DM fallende Tendenz. Vergleichbare europäische Staaten wenden ein Vielfaches für diese Zwecke auf. Alle Fachleute sind sich darüber einig, daß die Zivilverteidigung Bestandteil der Abschreckung ist.
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Durch die Kürzung droht sie unglaubwürdig zu werden. - Herr Kollege Erler, ich setze allerdings voraus, daß Zwischenrufe von Leuten kommen, die wirklich nichts davon verstehen.
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Ich habe in meinen Ausführungen den Bundesverteidigungsminister zitiert und apostrophiert. Ich bedaure, daß er wegen einer ihm verordneten Kur nicht anwesend sein kann, um vielleicht zu einigen von mir angestellten Betrachtungen Stellung zu nehmen. Aber es wird sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt, wenn auch der Kollege Wienand, der sich zur Operation im Krankenhaus befindet, wieder anwesend sein wird, Gelegenheit dazu gegeben sein.
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Zum Schluß meiner Ausführungen wollte ich eigentlich einige kritische Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundesverteidigungsministers vom 20. Januar 1965 in bezug auf seine Anschuldigung betreffs Lobbyismus machen. Warum ich es nicht tue, werden Sie in Kürze aus anderem Munde erfahren.
Wir werden uns bei der Abstimmung über den Einzelplan 14 der Stimme enthalten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war im Jahre 1963, in dem Herr Kollege Merten bei der Beratung des Einzelplans 14 erklärte, daß sich die Opposition zum erstenmal der Stimme enthalten und nicht gegen den Verteidigungshaushaltstimmen werde.
({0})
Der Herr Bundesverteidigungsminister sei zu kurz im Amte und die Opposition könne sich deshalb noch nicht entscheiden, ob sie ihm dais Vertrauen entgegenbringen und dem Verteidigungsetat zustimmen könne. Im Jahre 1964 lautete die Begründung für die Stimmenthaltung etwas anders.
Heute, meine 'Damen und Herren, haben wir für die von den Sozialdemokraten angekündigte Stimmenthaltung keine Gründe gehört, nachdem es wahrscheinlich nicht mehr möglich war, sich auf das zu stützen, was Herr Kollege Wellmann hier angedeutet hat, nämlich, daß der 'Herr Verteidigungsminister, weil er gegen einen SPD-Kollegen eine Behauptung aufgestellt und sie noch nicht zurückgenommen habe, noch nicht das Vertrauen verdiene und deshalb die Stimmenthaltung in der Person des Herrn Verteidigungsministers begründet sei.
({1})
Meine Damen und Herren, ich halte das für keine gute Haltung. Ich hätte erwartet, daß Sie zumindest die Gründe für Ihre Stimmenthaltung offenlegen.
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Lassen Sie mich nun zu dem kommen, was Herr Kollege Wellmann als besonders starke Vorwürfe gegen seine Kollegen, auch im 'Haushaltsausschuß, erhoben hat: daß nämlich dieser Verteidigungshaushalt sowohl im Auisschuß als auch in den Koalitionsfraktionen nicht mit der genügenden Sorgfalt beraten worden sei. Ich kann mir vorstellen, Herr Kollege Wellmann, daß es bei Ihnen in der Fraktion nicht geschehen ist. Bei uns ist der Verteidigungshaushalt tagelang und wie Sie selber wissen, auch in den vorbereitenden Sitzungen, sehr eingehend besprochen worden, auch in der Fraktion mit unseren Kollegen vom Verteidigungsausschuß ganz eingehend behandelt worden. Ich darf für meine Fraktionsfreunde in Anspruch nehmen - genauso wie für mich persönlich -, daß auch im Ausschuß jede Kürzung, die wir zu einer Position vorgeschlagen haben, ganz eingehend begründet worden ist.
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Für uns waren einige Voraussetzungen maßgebend. Lassen Sie mich deshalb vorweg, bevor ich auf Einzelheiten zu sprechen komme, folgende Feststellungen treffen.
Die erste Feststellung - sie muß in diesem Zusammenhang dem Hause und vor allen Dingen wohl Ihnen, meine Damen und Herren der SPD, wieder einmal in Erinnerung gebracht werden -, ist - ich möchte daran keine Polemik knüpfen -, daß die Bundeswehr in jahrelanger Auseinandersetzung gegen Ihren Willen in der Hauptsache von der CDU/ CSU geschaffen worden ist, daß sie gegen Sie entstanden ist und daß erst zu einem späten Zeitpunkt wenigstens einige Mitwirkung von Ihnen zu erwarten war.
Die zweite Feststellung ist die, daß wir jahrelang von Ihnen gehört haben - unter ganz anderen Voraussetzungen, als sie im Augenblick sind -, daß der Verteidigungshaushalt - ich will keine Zitate bringen, ich habe die Sammlung hier - „tabu" sei, und daß Sie dann immer gesagt haben, auch der Verteidigungshaushalt müsse im einzelnen geprüft werden. Sie haben dann im Jahre 1963 die Behauptung bezüglich des „Tabus" schon fallengelassen. Auf eine Rede von mir hier im Plenum wurde erwidert, Sie hätten gar nicht davon gesprochen.
Nunmehr sind wir bei jeder einzelnen Position dazu übergegangen, diese Dinge auf das sorgfältigste zu prüfen und Abstriche auch dort zu machen, wo die Regierung den vorgesehenen Ansatz für unbedingt erforderlich hielt. Meine Damen und Herren, wer weiß, wie wir uns im einzelnen bemüht haben, jede Position, vor allen Dingen gerade auch umstrittene Positionen, auf ihre Richtigkeit, auf ihre unbedingte Notwendigkeit für dieses Jahr zu prüfen, der kann den Vorwurf, den Sie erhoben haben, Herr Kollege Wellmann, sicherlich nicht mit Recht hier vortragen. Sie müssen sich sagen lassen, daß die SPD ganz offensichtlich sich keine Gedanken gemacht und es allein den anderen überlassen hat, sich in diesen Dingen zurechtzufinden.
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Ich habe schon betont, daß wir das bereits im Ausschuß getan haben. Aber auch im Schriftlichen Bericht - Sie scheinen sich da nicht informiert zu haben - wird bei jeder einzelnen Position erklärt, warum wir den Verteidigungshaushalt gekürzt haben. Sie wissen, daß der Grundsatz, unter dem der gesamte Haushalt zu stehen hat, der ist: Wie kann durch das Eindämmen der öffentlichen Haushalte, in unserem Falle des Bundeshaushalts insgesamt, der Grundsatz aufrechterhalten werden, daß die Stabilität von Wirtschaft und Währung gewahrt werden muß? Auch der Verteidigungshaushalt war unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Sie wissen genau, Herr Kollege Wellmann, der Sie Vorwürfe erhoben haben, daß wir bei der Einzelberatung im Haushaltsausschuß die Gründe - und sie wurden allen Mitgliedern, auch Ihnen, vorgetragen -, die für eine Streichung sprechen, aber auch die Gründe, die dafür sprechen, die Ansätze so zu belassen, wie sie der Entwurf ursprünglich vorgesehen hat, genau gegeneinander abgewogen haben.
Ich sehe mich veranlaßt, weil Sie hier die falsche Darstellung gegeben haben, zum mindesten in aller Kürze noch einmal diese Abwägung des Für und Wider darzustellen.
Der erste Gesichtspunkt, warum wir meinten, daß eine starke Kürzung nicht erfolgen könnte, war, daß der Verteidigungshaushalt 1965, wie Ihnen ja bekannt ist, die Steigerung des Gesamtvolumens des Haushalts um 6 % nicht mitgemacht hat, sondern im Entwurf bei 19,2 Milliarden DM wie im Jahre 1964 stehenblieb.
Der zweite Gesichtspunkt war, daß sich gegenüber dem Haushaltsjahr 1964 die fortdauernden Ausgaben enorm, nämlich genau um rund eine Milliarde erhöht haben und sich damit das prozentuale Verhältnis ergab, das Sie zu Recht hier schon nannten: fortdauernde Ausgaben 54%, einmalige Ausgaben nur noch 46 %, daß also das Verhältnis zum erstenmal ein Übergewicht der fortdauernden Ausgaben zeigte. Auch das war ein Gesichtspunkt, der an sich dagegen spricht, im Verteidigungshaushalt Kürzungen vorzunehmen.
Ein dritter Gesichtspunkt, der ebenfalls gegen solche Kürzungen spricht, war, daß die Mehrausgaben für die Besoldungserhöhung - Sie wissen, wovon ich jetzt spreche - innerhalb des Verteidigungsetats selbst aufgefangen werden sollten. Dabei handelt es sich immerhin um eine Mehrbelastung gegenüber dem vergangenen Jahr von 340 Millionen DM.
Ein vierter Gesichtspunkt sind die erheblich steigenden Ausgaben für die Versorgung der Soldaten infolge der vom Parlament beschlossenen sozialen Maßnahmen. Sie wissen, daß wir hierfür bei den Beratungen im Haushaltsausschuß sogar die Titel gegenüber der Regierungsvorlage erhöhen mußten und daß auch da eine Summe von rund 200 Millionen DM mehr, als ursprünglich im Etatentwurf vorgesehen war, zu verkraften war. Insgesamt belaufen sich - auch das mag interessant sein - nunmehr die Versorgungsleistungen im Verteidigungsbereich auf rund 1 Milliarde DM.
Ein fünfter Gesichtspunkt, der maßgebend war, ist, daß durch die Minderausgaben des vergangenen Jahres gewisse Vorbelastungen für das Jahr 1965 entstanden.
Schließlich war die Kürzung, die mit 7 % global für alle Haushalte vorgesehen ist und die gegenüber dem vergangenen Jahr aus bekannten Gründen erhöht werden mußte, zu berücksichtigen.
Alle diese Gründe sprechen an sich gegen eine Kürzung des Verteidigungsetats. Wir mußten aber auch abwägen, welche Gründe für die Kürzung sprechen. Ich darf auch diese Gründe noch einmal vortragen.
Der erste Grund waren insbesondere - das wissen Sie; denn es ist von Ihnen auch bei den Beratungen des Nachtragshaushalts 1964 ganz heftig, vielleicht nicht zu Unrecht, kritisiert worden - die hohen Minderausgaben im Jahre 1964. Über die Gründe ihres Entstehens wurde eingehend diskutiert. Zum Schluß konnten wir feststellen, daß sie so
entscheidend waren, daß dem Verteidigungsministerium auch nicht im geringsten ein Versagen öder eine falsche Handhabung vorgeworfen werden konnte. Sie wissen, daß die Gründe besonders im Bereich der Infrastruktur und bei der Beschaffung liegen. Das hängt mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen, vor allen Dingen auch der der befreundeten Staaten, mit denen wir in diesem Bereich, vor allem im Bereich der Beschaffung, ja zu tun haben.
Wir haben uns veranlaßt gesehen, genau zu untersuchen, wieso es zu Minderausgaben in einer Größenordnung von fast 1,9 Milliarden DM gekommen ist. Wir sind der Meinung - das war einer der wichtigsten Gründe, der uns zur Streichung in vielen Titeln veranlaßt hat -, daß auch in diesem Jahr die verzögernden Elemente für den Vollzug des Verteidigungshaushaltes wie im Jahre 1964 vorhanden sind, wenn auch nicht in dem Aussmaße wie im Vorjahre. Aber sie werden hemmend auf den Ablauf des Verteidigungshaushalts einwirken. Das ist besonders für die Auswirkungen auf die Verteidigungsbauvorhaben anzunehmen. Nach den Prognosen wird die Konjunktur für einen Großteil des industriellen Sektors und die gesamte Bauwirtschaft im Jahre 1965 die gleichen Merkmale einer Hochkonjunktur aufweisen wie im Jahre 1964. Hier haben wir z. B. auch das Sachverständigengutachten in Betracht gezogen, das uns manchen Aufschluß gibt und uns sagt, daß der Ablauf der Konjunktur im Jahre 1965 sicherlich nicht wesentlich anders sein wird als im Jahre 1964. Deshalb sind auch im Bereich des Verteidigungshaushalts die hemmenden Momente bei der Infrastruktur und hinsichtlich der Beschaffungsmöglichkeiten ähnlich zu beurteilen wie im Jahre 1964. Das war einer der Hauptpunkte, warum wir in Abwägung des Für und Wider dazu gekommen sind, im Verteidigungshaushalt unter dem Gesichtspunkt unseres Generalgrundsatzes - Erhaltung der Stabilität von Währung und Wirtschaft auch vom öffentlichen Haushalt her - die Streichungen in Höhe von rund 825 Millionen DM vorzunehmen.
Ich habe schon gesagt, daß wir jede einzelne Position vorgetragen und mit den IstAusgaben 1964 verglichen haben. Auch das hätten Sie nicht verschweigen sollen, Herr Kollege Wellmann. Von diesen Zahlen her haben wir unter Berücksichtigung dessen, was ich eben gesagt habe, die Kürzung in jedem Einzelfall vorgenommen.
Herr Abgeordneter Wellmann möchte eine Zwischenfrage stellen. - Bitte schön!
Herr Kollege Leicht, sind Sie nach Ihren Ausführungen nicht doch der Meinung, daß Sie nicht den Widerspruch zwischen der Auffassung des Herrn Verteidigungsministers und Ihrer Auffassung ausgeräumt haben, sondern daß Sie ein Plädoyer für die Auffassung, die ich vertreten habe, gehalten haben?
Nein, der Meinung bin ich nicht. Ich wüßte gar nicht, warum, Herr Kollege Wellmann. Ich habe zunächst einmal die Stellungnahme meiner Fraktion zu Ihrem Vorwurf vorgetragen, daß wir es uns sehr einfach gemacht hätten und Sie nur ins Blaue hinein in Ihren Meinungen überstimmt hätten. Dabei muß ich feststellen, daß Sie überhaupt keine Meinungen vorgetragen haben, daß Sie vielleicht zu vier oder fünf Positionen einen Vorschlag gemacht haben, daß man nicht in dieser Höhe streichen oder den Ansatz erhöhen sollte. Sonst haben Sie sich um nichts gekümmert.
({0}) Lassen Sie sich das 'einmal sagen.
Zu Ihrem Vorwurf wäre sicherlich noch sehr vieles im einzelnen zu sagen. Ich komme aber nun zur Klärung der Vorwürfe, die Sie gegenüber der Regierung erhoben haben. Sie sagen gegenüber der Regierung - und es ist ja nicht das erste Mal, daß wir so etwas hören -: ihr habt, wie in den vergangenen Jahren, euren Haushalt zu breit veranlagt, ihr habt ihn undurchschaubar gemacht; wir können nicht mehr sehen, was darin steckt, ihr habt Luft. Damit wird unterschwellig - das sollten wir ganz offen aussprechen, meine Damen und Herren - gegenüber dem Ministerium und gegenüber dem Minister der Vorwurf der Unredlichkeit erhoben. Ich würde sagen, wir sollten uns auf diesem Niveau von Spekulation und Mißtrauen nicht bewegen, und ich sollte wohl in diesem Fall nicht weiter darüber sprechen.
({1})
Die Vorwürfe sind - so scheint mir - vielmehr nach den sachlichen Maßstäben von Haushaltsrecht und Finanzpolitik zu bemessen. Dann ergibt sich nämlich - und das, Herr Kollege Wellmann, sollten Sie sehen - vom Blickpunkt der Regierung her, daß dieser Verteidigungshaushalt 1965 erstens der vom Parlament gebilligten Planung entspricht und daß zweitens die Regierung im Zeitpunkt seiner Aufstellung - das war immerhin Mitte 1964 - noch damit rechnen konnte, daß im Rahmen dieser vom Parlament gebilligten Planung auch 'die 'Mittel, die sie für das Jahr 1965 angesetzt hat, gebraucht werden können. Daraus, Herr Kollege Wellmann, den Vorwurf zu machen, daß die Sache undurchschaubar sei oder ,daß sich die Regierung uns gegenüber ins Unrecht gesetzt habe, weil wir jetzt sagen: „Was ihr einmal bei der Einbringung des Etats geglaubt habt, das nehmen wir nicht mehr ,an", ist doch, glaube ich, nicht richtig.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß es Sache dieses Parlaments ist, eine Regierungsvorlage so, wie sie eingebracht wird - und zwar gleichgültig, in welchem Bereich -, in allen Einzelheiten zu überprüfen und als freies Parlament dort zu ändern, wo wir es als Abgeordnete für richtig halten.
({2})
Nichts weiter haben wir hier getan. Vermischen Sie also diese Dinge nicht.
Wenn ich alle Einzelheiten, wenn ich vor allen Dingen die Grundsätze, die wir bei den Beratungen auch über den Verteidigungshaushalt festgelegt haben, zusammenfasse und 'sie richtig sehe bzw. übersehe, muß ich feststellen, daß das, was die RegieLeicht
rung zunächst getan hat, richtig war. Das, was wir nach der Einzelprüfung getan haben, war ebenso richtig, und es entsteht, wenn ich auch unsere Streichungen abwäge, für die Verteidigungsbereitschaft, die Verteidigungskraft unserer Bundeswehr - und das möchte 'ich doch ganz deutlichfeststellen - sicherlich kein Schaden.
Im Bereich der Infrastruktur sind hemmende Wirkungen zu erwarten, die aber wahrscheinlich schon infolge des Ablaufs der Konjunktur zu erwarten sind.
({3})
- Ich komme sofort darauf, Herr Kollege Wellmann.
Wir werden im Bereich der Beschaffung auch einige Verzögerungen hinnehmen müssen, wenn überhaupt die vorgesehenen Liefermöglichkeiten gegeben sind. Ich habe auch auf diesen Faktor schon hingewiesen, meine Damen und Herren, und Sie müßten sich doch darüber freuen, daß gerade im Bereich der Beschaffung nun die Sache etwas langsamer geht; denn dagegen richteten sich doch auch in der Vergangenheit Ihre schweren Vorwürfe.
Abschließend möchte ich folgendes sagen. Sie, Herr Kollege Wellmann, haben im Auftrage Ihrer Fraktion vor allem erklärt, man sei unsorgfältig vorgegangen. Sie haben auch Vorwürfe dahin gehend gemacht, dieser Etat sei wieder übersetzt usw. Sie haben uns als Ihren Kollegen und damit sich selbst erklärt, wir hätten Beschlüsse gefaßt, die nicht vertretbar seien. Dazu muß ich Ihnen zum Abschluß sagen
({4})
- Sie haben es eben so hingestellt -,
({5})
daß Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sicherlich immer noch nicht die Erfordernisse der Sicherheit erkannt haben,
({6})
daß Sie sicherlich noch immer nicht die Verantwortung für das Gesamte sehen und daß Sie sicherlich auch noch nicht - und darauf lege ich wegen Ihres Vorwurfs, Herr Wellmann, besonderen Wert - die Funktion des Parlaments richtig sehen. Sie negieren dann unsere Funktion, wenn wir es uns gestatten
- wie es unser Recht und unsere Pflicht als freie Abgeordnete ist -, auch gegenüber der Regierung einmal andere Vorschläge zu machen.
Herr Abgeordneter Leicht, Herr Abgeordneter Berkhan möchte noch eine Frage an Sie richten.
Herr Leicht, erinnern Sie sich nicht, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr
Erler, im Januar vor diesem Hause noch einmal sehr klargemacht hat, welchen Standpunkt die deutsche Sozialdemokratie in der Frage der Landesverteidigung einnimmt?
({0})
Herr Kollege Berkhan, ich habe mich nicht mit den Ausführungen Ihres Fraktionskollegen Erler auseinandergesetzt, sondern mit dem, was Ihr Kollege Herr Wellmann vor etwa 15 bis 20 Minuten hier gesagt hat, und mit den Schlußfolgerungen, die er gezogen hat.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bin ich dem Kollegen Leicht für die Feststellung dankbar, daß auch seine Fraktion zu der Erkenntnis gekommen ist: der Verteidigungshaushalt kann genauso wenig tabu sein wie irgendein anderer Haushalt.
({0})
Ich bin Ihnen dankbar für diese Feststellung, obwohl sie nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß jede Auseinandersetzung um den Verteidigungshaushalt von den Parteifreunden des Herrn Leicht und auch von ihm selbst benutzt wird, um der deutschen Offentlichkeit ein falsches Bild über die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zur Landesverteidigung zu vermitteln. Herr Kollege Leicht, dies schadet dem deutschen Volk. Warum? - Weil es bei einem denkbaren Gegner Zweifel an dem Verteidigungswillen unseres Volkes auslösen könnte. Deshalb sollten wir uns diese Methode abgewöhnen.
({1})
Das Zweite, und damit bin ich jetzt bei der Beratung dieses Haushaltsplans selbst und bei dem, was unser Kollege Wellmann im Auftrage meiner Fraktion völlig zutreffend hier dargetan hat. Sehen Sie, Sie müssen sich für eine der beiden Versionen entscheiden: entweder hatte der Verteidigungsminister recht, als er den Ausschüssen in sehr harten Worten verkündet hat, an dem von ihm eingebrachten Haushalt gebe es keine nennenswerten Einsparungsmöglichkeiten, oder Sie haben recht, daß es solche Einsparungsmöglichkeiten gibt. Beide gleichzeitig können aber nicht recht haben.
({2})
Hat der Verteidigungsminister recht, dann haben Sie leichtfertig um eine Milliarde DM gekürzt.
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Hatten Sie recht, dann hat der Verteidigungsminister eine Milliarde DM zuviel angefordert.
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- Auf diesen Punkt müssen Sie sich leider aufmerksam machen lassen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?
Selbstverständlich.
Herr Kollege Erler, können wir uns nicht darauf verständigen, daß es auch noch eine dritte Möglichkeit gibt, nämlich daß dieses Parlament nach sorgfältiger Prüfung auch einmal einschneidende Beschlüsse - gleichgültig, in welchem Bereich es ist - fassen kann, um seine Stellung als Parlament richtig darzutun?
Einverstanden. Dann bedeutet das, daß dieses Parlament in Höhe von einer Milliarde DM vom Verteidigungsminister abgerückt ist und seinen damaligen Worten eine kräftige Zensur erteilt hat. Dafür danke ich Ihnen.
({0})
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Leicht?
Bitte!
Herr Kollege Erler, haben Sie nicht gehört, was ich dazu sagen durfte ({0})
sicher wäre noch mehr dazu zu sagen gewesen -, warum man der Regierung auch zugestehen mußte, daß sie diesen Entwurf so eingebracht hat?
Ich rede gar nicht von der Einbringung dieses Entwurfs, sondern von den Ausführungen des Verteidigungsministers zu diesem Entwurf. Davon war die Rede.
({0})
Wir haben es nämlich hier nicht nur mit dem Zahlenmaterial, sondern auch mit der mit diesem Zahlenmaterial verbundenen Kampagne des Ministers gegen politisch Andersdenkende zu tun, und deswegen bin ich auf diesen Punkt zu sprechen gekommen.
({1})
Der zweite Punkt, auf den ich in Unterstützung der Ausführungen des Kollegen Wellmann Ihre Aufmerksamkeit noch einmal zurücklenken möchte, ist dieser. Von meinem Kollegen Dr. Möller ist in einer sehr eindrucksvollen Rede hier im Bundestag die Forderung gestellt worden, man möge sich unter systematischem Studium 'bestimmter Erfahrungen in den Vereinigten Staaten von Amerika auch bei uns das entsprechende Instrumentarium zulegen, um die Grundsätze langfristiger Vorausschau in der Planung der Verteidigung, der Verteidigungswirtschaft und der Verteidigungsfinanzierung bei uns in die Praxis umsetzen zu können. Denn nur auf diese Weise ist es möglich, den für eine unseren Bedürfnissen entsprechende Landesverteidigung notwendigen finanziellen Aufwand, und nicht mehr und nicht weniger, 'bereitzustellen. In jener Debatte halben wir von Ihrer Seite gehört: Das ist alles überflüssig, das gibt es längst.
({2})
- Na sicher, in der Rede des Kollegen Strauß wurde doch ganz klar zum Ausdruck gebracht, der Herr Möller rede hier lauter dummes Zeug, der verstehe nichts davon;
({3})
denn diese Einrichtungen seien im Verteidigungsministerium längst geschaffen.
Was hat sich dann auf Grund von Vorbesprechungen abgespielt, die verdienstvollerweise der jetzige Verteidigungsminister schon geführt hatte, von denen er uns damals aber hier nichts sagte, weil damit herausgekommen wäre, daß er sich bereits auf dem Wege befindet, den Dr. Möller hier gefordert hat? Auf Grund jener Vorbesprechungen ist hinterher - und jetzt sind wir noch nicht einmal am Schluß dieser Dinge angelangt, weil die Mannschaft noch gar nicht hier ist - ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika getroffen worden, um von dort Sachverständige zu engagieren, die bei uns im Verteidigungsministerium die entsprechenden Vorbereitungen treffen könnten. Ich will jetzt gar nicht darüber rechten, ob der richtigere Weg vielleicht gewesen wäre, die entsprechenden deutschen Sachverständigen in der amerikanischen Umgebung auszubilden, weil es auch sprachlich so herum wahrscheinlich leichter ist. Aber das ist gar nicht das Problem. Entscheidend ist, daß hier überhaupt etwas geschieht. Wir registrieren das mit Genugtuung. Aber wir entsinnen uns noch der Art und Weise, wie Sie damals den Anregungen des Kollegen Möller hier im Plenum zu diesem Punkt entgegentreten zu müssen glaubten.
({4})
Nun zum letzten Punkt. Wer sich das Wirken des derzeitigen Verteidigungsministers in allgemein staatsbürgerlicher Hinsicht betrachtet, der muß leider zu dem Ergebnis kommen, daß er auch außerhalb des Hauses keine Gelegenheit ausläßt, und sei es eine Reservisten- oder eine Unteroffizierungstagung, um erneut einen Graben aufzureißen zwischen der deutschen Sozialdemokratie und der Bundeswehr.
({5})
Das bekommt der Bundeswehr nicht. - Das ist nicht
unerhört, das ist leider die Wahrheit, Ich freue mich,
wenn Sie diesen Versuch deß Verteidigungsministers mit „unerhört" quittieren.
({6})
Das ist leider die Wahrheit.
Als Beispiel nur: Über die letzte Debatte, die wir hier im Bundestag gehabt haben, sind die Einheiten der Bundeswehr auf dem Dienstweg nicht über die Sachpunkte unterrichtet worden, ob es also z. B. fehlerhaften U-Boot-Stahl gegeben hat oder nicht und wie das zusammengehangen haben mochte, ob es nun wirklich Überwasserschiffe gibt, die Sprünge aufweisen, oder nicht
({7})
- eben -, kein Wort darüber, auch nicht etwa die wortreichen Erklärungen, wer nun dafür die Verantwortung trage und wer sie nicht trage. Es sind vielmehr ausschließlich die sehr heftigen polemischen Angriffe gegen die Sozialdemokratische Partei als Ganzes herausgegeben worden. Das alles sind Verhaltensweisen, die uns nicht zu dem Ergebnis kommen lassen, daß der Verteidigungsminister als Oberbefehlshaber der Bundeswehr sich darüber freut, daß es ein gutes Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Bundeswehr geben kann.
({8})
Vielmehr tut es Ihnen allen wohl leid, daß dieses Verhältnis gut geworden ist; Sie suchen es zu stören, und das muß man im Interesse der Bundeswehr verhindern.
({9})
An sich, Herr Abgeordneter Erler, wollte der Abgeordnete Dr. Seffrin eine Frage an Sie stellen.
({0})
- Wollen Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Seffrin beantworten? Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Ich glaube, der Kollege Dr. Seffrin hat einen Anspruch darauf. - Bitte!
Herr Kollege Erler, Sie sind sich doch im klaren darüber, daß mein Zuruf „Unerhört!" sich auf Ihre Äußerungen bezog und nicht auf das, was Sie meinten?
({0})
Sie müssen doch den Widerspruch empfinden, der besteht zwischen Ihren Ausführungen, in denen Sie darstellen, wie sehr die deutsche Sozialdemokratie nun allmählich die Bedeutung der Verteidigungspolitik erkannt hat,
({1})
und den Vorwürfen, die Sie hier erheben. Ich nehme an, daß es Ihnen bei Ihrer Intelligenz nicht schwerfällt, den Widerspruch zu erkennen.
Herr Kollege Seffrin, mir ist nicht entgangen, daß es auch Ihnen offenkundig leid tut, daß es ein gutes Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Bundeswehr gibt, und daß Sie draußen im Lande alles tun werden, um das anders darzustellen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Haase ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bedaure, daß der Herr Verteidigungsminister heute an der Beratung seines Haushalts nicht teilnehmen kann. Persönlich wünsche ich ihm aber für seine Kur einen so guten Erfolg, daß er, wie er es zugesagt hat, am kommenden Montag bei einer Rosenmontagsveranstaltung in unserem gemeinsamen Wahlkreis dabei sein kann.
({0})
Da auch - darauf hat mein Kollege Wellmann schon hingewiesen - unser Kollege Wienand wegen einer Operation infolge seiner schweren Kriegsbeschädigung bei diesen Haushaltsberatungen nicht anwesend Ist, nehmen wir davon Abstand, in eine umfassende Diskussion über den Gesamtkomplex der Landesverteidigung einzusteigen.
({1})
Wir werden sicherlich bald Gelegenheit haben, hier in diesem Hause, losgelöst von Verallgemeinerungen einerseits und gefährlichen Verniedlichungen andererseits, die Probleme der Bundeswehr in sachlicher Form zu diskutieren.
({2})
Wir wollen Fehler und Schwierigkeiten aus dem Aufbau der Verteidigungsstreitkräfte darstellen, und wir sollten gemeinsam Wege und Möglichkeiten suchen, sie zu beheben oder zu überwinden. Wir wollen der Bundeswehr durch konstruktive Vorschläge helfen, ihre offensichtlichen Probleme zu lösen und den in der Bundeswehr tätigen Mitbürgern das Leben zu erleichtern.
In diesem Zusammenhang habe ich eine dringende Bitte an den Herrn Verteidigungsminister, die ich Sie, Herr Staatssekretär, bitte, an ihn weiterzuleiten. Herr von Hassel möge sich endlich abgewöhnen,
({3})
alle Vorschläge, die von irgendwoher kommen - und ich schaue dabei auch hinüber zu unseren Kollegen von der FDP-Fraktion - und dem ernsten Bemühen entsprungen sind, der Bundeswehr und den Soldaten zu helfen, vom Tisch .zu fegen, nur weil es nicht seine Vorschläge sind. Auch er möge bereit sein, den guten Willen des Gesprächspartners, auch
Haase ({4})
wenn es sein politischer Gegner ist, zu akzeptieren und mit ihm in aller Sachlichkeit und Offenheit zu diskutieren. Er würde dadurch der Bundeswehr als einem der Instrumente der Landesverteidigung einen besseren Dienst erweisen, als wenn er sein bisheriges Verhalten beharrlich weiter praktizierte.
Zum Haushalt selbst habe ich nur zwei Dinge vorzutragen, die nach unserer Auffassung nicht mehr verzögert werden dürfen.
Da ist zunächst die Frage nach der Änderung des Wehrsoldgesetzes. Ausgelöst durch meine Frage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages im November vorigen Jahres hat der Bundesminister des Innern die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 1. Dezember 1964 betr. Weihnachtsgeld für Wehrpflichtige - 'Drucksache IV/2783 - dahin beantwortet, daß die Bundesregierung die Zahlung von Weihnachtsgeld an Wehrpflichtige, die keinen Anspruch auf gesetzlicher oder tarifvertraglicher Basis geltend machen können, für nicht vertretbar hält. Das entspricht nicht der Auffassung des Verteidigungsministers, der sich im Kabinett leider nicht hat durchsetzen können. Der Innenminister kündigt aber an, daß in Kürze ein Gesetzentwurf eingebracht werden soll, der eine Erhöhung des Wehrsoldes und des Entlassungsgeldes ab 1. Januar 1965 vorsieht. Das ist die Verwirklichung einer Forderung, die die Sozialdemokraten schon bei der letztjährigen Etatberatung erhoben haben.
Ebenso meinen wir, daß auch das Unterhaltssicherungsgesetz zu ändern ist. Die Unterhaltssicherung muß den veränderten Lebensverhältnissen angepaßt werden. Wir erheben diese Forderung mit Nachdruck, insbesondere im Hinblick auf die Antwort, die der Herr Staatssekretär auf eine Frage des Kollegen Börner am 19. Februar gegeben hat. Herr Staatssekretär, Sie sagten - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Die Arbeiten an einer Novelle des Unterhaltssicherungsgesetzes sind jedoch noch nicht abgeschlossen worden, weil wegen der Arbeitsüberlastung dieses Hauses nicht damit gerechnet werden kann, daß der Entwurf noch verabschiedet werden kann.
Meine Damen und Herren, das darf doch nicht wahr sein. Wenn die Regierung zur Abwendung einer Ungerechtigkeit gegenüber einem Teil unseres Volkes die Novellierung eines Gesetzes für dringend notwendig hält, so hat sie, unabhängig von der Restdauer der Legislaturperiode, die Pflicht, dem Parlament ein entsprechendes Änderungsgesetz vorzulegen.
({5})
Mit welcher Intensität, in welchem Zeitablauf und in welcher Rangfolge der Bundestag das Gesetz berät und verabschiedet, ist einzig und allein Sache des Parlaments und nicht Sache der Regierung.
({6})
Daher nochmals meine dringende Bitte dahin, den angekündigten und den eben von mir geforderten Gesetzentwurf so bald wie möglich vorzulegen. Dabei bitten wir dringend zu überlegen, ob es nicht auch notwendig ist, allen Wehrpflichtigen zu Beginn ihres Dienstes einmalig 20 oder 30 DM zu zahlen, weil mit Eintritt in die Bundeswehr doch einige Mehrausgaben für den persönlichen Bedarf verbunden sind. Damit ist für uns allerdings die Frage nach einem Weihnachtsgeld für alle Wehrpflichtigen noch nicht erledigt. Wir werden bei der Beratung der Gesetze die entsprechenden Anträge stellen, um dieses Problem eventuell durch Gewährung eines 13. Monatswehrsoldes zu regeln.
({7})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege van Delden, die Novelle des Wehrsoldgesetzes, die vorsieht, ab 1. Januar 1965 den Wehrsold und das Entlassungsgeld zu erhöhen, ist bei der Aufstellung des Etats auch noch nicht berücksichtigt.
Ein weiteres Problem brennt uns auf den Nägeln: Die Soldatenlaufbahnverordnung, über deren Notwendigkeit seit langer Zeit keine Zweifel bestehen, läßt noch immer auf sich warten. Wir legen Wert darauf, daß diese Verordnung alsbald vorgelegt wird, damit der Beruf des Soldaten endlich in einem übersichtlichen, in einem klaren und in einem qualifizierten Berufsbild erscheint, das es mehr jungen Menschen ermöglicht und sie dazu ermutigt, sich für längere Zeit für eine Führungsaufgabe in der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen.
({8})
Es kann doch wirklich nicht so schwer sein, eine solche Laufbahnverordnung zu entwerfen. Es liegen - und das nicht nur aus dem parlamentarisch-politischen Bereich - eine ganze Reihe überlegenswerter Vorschläge vor.
Oder sollte die Tatsache, daß die Verordnung immer noch nicht vorliegt, in einem etwaigen Personalmangel des Bundesministeriums der Verteidigung begründet sein. Dann möchte ich vorschlagen, für die Novellierung der Laufbahnverordnung einige Herren aus der Abteilung abzustellen, die - nachdem der Herr Minister hier mit einigem Stolz erklärt hat, es sei ihm gelungen, den Papierkrieg weitgehend einzudämmen - folgenden Befehl an alle Dienststellen bis hinunter zu den Bataillonen verzapft hat - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Betr.: Küchenausstattungssatz Nr. 9501-9504 hier: Ausgabe von Marmelade.
Die Ausgabe von Marmelade in Suppentellern bringt es mit sich, daß der dazugehörige Löffel ständig in die Marmelade rutscht
({9})
und hierdurch hygienische und ästhetische Grundsätze verletzt werden. Ich bitte, zur Abstellung des bisherigen Verfahrens alsbald dafür zu sorgen, daß bis auf weiteres die Marmelade in der Schüssel, Tunkenschüssel, Metall ({10}), ausgegeben wird. Die Schüsseln sind nach jedem Frühstück zu entleeren und zu reinigen. Für die Entnahme der Marmelade aus den Schüsseln durch die Verpflegungsteilnehmer sind Kaffee- oder Eßlöffel zu verwenden.
Haase ({11})
Zum 1. 10. 1965 bitte ich zu berichten, ob die Neuregelung sich bewährt hat und damit auf die Beschaffung besonderer Marmeladegefäße verzichtet werden kann.
({12})
Hier, meine Damen und Herren, sind zwar keine Milliarden zuviel ausgegeben worden; aber einer ist bestimmt zuviel an Bord.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bedauere ich, daß der Kollege Haase, der gegen unseren Kollegen von Hassel im gleichen Wahlkreis kandidiert, diese Debatte zu einer sehr billigen und menschlich - für meine Begriffe - sehr bedenklichen Wahlkreisauseinandersetzung benutzt hat.
({0})
Herr von Hassel befindet sich zur Kur; das ist im Ältestenrat besprochen worden. Der Ältestenrat hat einvernehmlich davon abgesehen, zu beantragen, daß er herbeigerufen wird; Herr Minister von Hassel wäre gekommen.
Sie erwecken den Eindruck, als sei Herr von Hassel eine Rosenmontagsveranstaltung wichtiger als der Deutsche Bundestag;
({1}) das finde ich schäbig.
({2})
- Ich wiederhole, daß ich das schäbig finde.
({3})
Im übrigen, Herr Kollege Erler, wieviel bei der SPD an dem Ja zur Verteidigung echt ist
({4})
und wieviel bei der SPD an dem Ja zur Verteidigung - ich sehe den Kollegen Heinemann hinter Ihnen ({5})
Tarnung ist,
({6})
- ich möchte meinen Satz zunächst zu Ende bringen, Herr Erler ({7})
weil unsere Soldaten als Wähler interessant sind,
({8})
das gehört zu den großen Rätseln, die die deutsche Sozialdemokratie dem deutschen Volk zu dieser Zeit aufgibt.
({9})
Damit das klar ist, Herr Kollege Erler - hier sind keine Anträge gestellt worden -, beantragen wir zum Verteidigungshaushalt namentliche Abstimmung, damit das Ergebnis ins Protokoll kommt.
({10})
Meine Damen und Herren, das Wort „schäbig" ist nicht gerade vornehm; ich meine, es liegt so an der Grenze. Ich will es nicht rügen. Aber ich halte es nicht für richtig, Herr Kollege Rasner, daß wir uns in dieser Art auseinandersetzen.
({0})
An sich wollte der Abgeordnete Erler eine Frage an Sie richten, Herr Abegordneter Rasner.
({1}) - Sie wollen das Wort? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede, die wir soeben vom Kollegen Rasner gehört haben, war ein Schulbeispiel für die schäbige Art, in der hier versucht wird, Gegensätze zwischen der Bundeswehr und einem großen Teil unseres Volkes zu schüren, statt zu ihrer Überwindung beizutragen.
({0})
Damit hat sich der Kollege Rasner in den Fragen der Landesverteidigung selbst hier sein Urteil gesprochen.
({1})
Nun zweitens zum Minister von Hassel! Sie - ({2}) - haben auch gar keinen Humor. Selbstverständlich ist in den Bemerkungen des Kollegen Haase
({3})
nicht der Vorwurf enthalten, daß der Minister heute nicht hier ist. Wir wissen, daß er zur Kur ist, und respektieren das. Aber es wird uns doch wohl in diesem Hause auch noch eine humorvolle Bernerkung möglich sein.
({4})
Herr Abgeordneter Josten hat den Wunsch, eine Frage zu stellen? - Sie wollen das nicht. - Herr Abgeordneter Mommer? - Sie wünschen auch nicht das Wort.
({0})
Dann wollen wir in Ruhe fortfahren. Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Auseinandersetzungen, die jetzt hier geführt werden, überdenke, dann kommt mir in den Sinn, daß wir vor einer Reihe von Jahren mit dem Verteidigungsausschuß eine
Reise nach Schweden gemacht haben. Herr Kollege Erler, ich bin nicht ganz sicher, ob Sie damals dabei waren.
({0})
Wir haben damals geprüft, ob es nützlich und zweckmäßig wäre, die in Schweden seit Jahr und Tag bestehende Einrichtung des Beauftragten des Parlaments für Verteidigungsfragen auch bei uns - in Gestalt des Wehrbeauftragten des Bundestages - einzuführen. Wir haben damals eine Anzahl von Reisen durch die Garnisonen Schwedens gemacht. Wir hatten enge Fühlung mit dem dortigen Parlament. Es war für uns außerordentlich wertvoll, zu sehen und zu hören, wie dort in Schweden die Beziehungen zwischen der Regierung und dem Parlament beschaffen sind. Sie wissen, daß Schweden seit Jahr und Tag sozialdemokratisch regiert wird. Wir haben uns damals von den Vertretern der Opposition sagen lassen, es sei in Schweden längst selbstverständlich geworden, daß in den großen Fragen der Außenpolitik, in den großen Fragen der Verteidigung des Staates nach außen und auch in den Fragen der Erhaltung des demokratischen Staates im Inneren eine Einheit zwischen Regierung und Opposition bestehe.
({1})
Wir haben damals sehr tiefe Eindrücke mit nach Hause genommen. Wir waren uns alle einig darüber, es wäre wünschenswert, daß auch wir in der Bundesrepublik Deutschland zu einem solchen Zustand kämen.
Nun mag jeder von uns darüber nachdenken, ob wir seit der damaligen Zeit mit dieser Zielsetzung ein Stück weitergekommen sind. Ich glaube, das bejahen zu dürfen. Wir haben Fortschritte gemacht. Auf politischem Gebiet ist es schwer, Fortschritte zu erzielen. Aber ich glaube, aufs Ganze gesehen, sagen zu dürfen, daß Fortschritte gemacht worden sind.
'Herr Kollege !Erler, Sie haben eben Klage darüber geführt, es bestehe ein Graben zwischen Ihrer Partei und der Bundeswehr.
({2})
- Ich verstehe. Sie haben Klage darüber geführt, daß von seiten der Regierungspartei versucht werde, den Graben zwischen Ihrer Partei, der SPD und der Bundeswehr zu vertiefen.
({3}) Ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Erler?
Bitte.
Ich darf die Klarstellung in die Frageform kleiden. Herr Kollege Bausch, ist Ihnen entgangen, daß ich ausdrücklich festgestellt habe: Es gibt keinen Graben mehr zwischen der Bundeswehr und der SPD, aber von Ihrer Partei wird versucht, ihn wieder neu aufzureißen?
({0})
Ich habe den Sinn Ihrer Rede sehr gut verstanden. Aber was ich Ihnen sagen möchte, ist folgendes: Ich glaube, daß durch Zeitungsartikel von der Art, wie sie von dem Kollegen Wienand geschrieben worden sind, der Graben zwischen Ihrer Partei und der Bundeswehr mehr aufgerissen wird als durch all das, was von unserer Seite her geschehen ist und geschieht.
({0})
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten dafür sorgen, daß solche Artikel nicht geschrieben werden.
({1})
Glauben Sie mir, die Soldaten der Bundeswehr haben ein ganz feines Gefühl dafür, wer es mit der Bundeswehr gut meint. Ich habe von vielen Soldaten der Bundeswehr Klage darüber gehört, daß solche Artikel geschrieben werden, daß dadurch die Bundeswehr dauernd in den Brennpunkt der Auseinandersetzungen kommt und daß dadurch die von viel gutem Willen begleitete Arbeit der verantwortlichen Männer der Bundeswehr aufs schwerste gefährdet wird.
({2})
Wenn wir uns also darüber einig sind, daß wir versuchen 'sollten, was die Bundeswehr und die Fragen der Staatsverteidigung anlangt, an einem Strang zu ziehen, dann sollten wir auch dafür sorgen, daß Auseinandersetzungen dieser Art nicht geführt werden.
Meine Damen und Herren, es gibt der gemeinsamen Anliegen gerade genug. Wir haben sie oft im Verteidigungsausschuß vertreten. Ich glaube sagen zu dürfen, daß das Klima im Verteidigungsausschuß, aufs Ganze gesehen, längst nicht so schlecht ist, wie es mitunter nach außen hin den Eindruck macht. Wir haben oftmals gemeinsame Anliegen verfochten. Ich meine, wir sollten das auch in Zukunft tun.
Wenn wir ein Gesetz verabschiedet haben, dann läuft dieses Gesetz. Aber ob das Gesetz dann auch richtig angewandt wird, können wir noch längst nicht bestimmen. Wir haben es auch noch längst nicht in der Hand, daß das, was wir im Haushaltsgesetz verabschieden, richtig angewandt wird. Wir sollten uns vereinigen in dem Willen, daß das, was wir an Gesetzen und was wir mit dem Haushalt verabschieden, richtig, sinnvoll und in einer Weise angewandt wird, die dem Interesse der Bundeswehr dient.
Was mir Anlaß gegeben hat, mich zu Wort zu melden, ist eine konkrete Frage, die die Verwendung der Mittel betrifft, die wir Jahr für Jahr durch Verabschiedung des Bundeshaushalts bewilligen. In Kap. 14 05 - Bildungswesen - gibt es unter den allgemeinen Ausgaben 'den Tit. 306: Staatsbürgerlicher und völkerrechtlicher Unterricht, und den Tit. 307: Gestaltung der Freizeit.
Meine Damen und Herren, wir sind uns der Theorie nach darüber einig, daß die Bundeswehr nicht die Schule der Nation sein soll. De facto liegen die Dinge aber so, daß sehr, sehr viele Aufgaben,
die vom Elternhaus und von der Schule versäumt worden sind, von der Bundeswehr bewältigt werden müssen. De facto ist die Bundeswehr - ich glaube nicht, daß Sie mir widersprechen können, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind - weithin zur Schule der Nation geworden, ohne das angestrebt zu haben. Deshalb kommt der Ausschöpfung der Mittel, die ich eben genannt habe - Mittel für denstaatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Unterricht und für die Gestaltung der Freizeit - eine ganzaußerordentliche Bedeutung zu.
Ich habe versucht, festzustellen, inwieweit diese Mittel, die wir dem Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellt haben, ausgeschöpft worden sind. Zu meinem Erstaunen habe ich festgestellt, daß das weithin nicht der Fall war. Diese Mittel sind zu einem beträchtlichen Teil den Soldaten der Bundeswehr nicht zugute gekommen. In den Jahren 1959 bis 1964, also in den letzten sechs Jahren, sind für den Tit. 306 insgesamt 20 011 550 DM bewilligt worden. Die Ist-Ausgabe, also die tatsächlich vollzogene Ausgabe, ist um 6 075 550 DM niedriger. Meine Damen und Herren, ich weiß, wie sehr man bei den Formationen der Bundeswehr darauf aus ist, Mittel für diese staatsbürgérlichen Schulungszwecke zu bekommen. Aber der Truppe ist es nicht gelungen, die vom Parlament bereitgestellten Mittel auch wirklich in die Hand zu bekommen. Die Kommandeure sind sehr bekümmert darüber, daß alle ihre Bemühungen vergeblich waren.
Dasselbe gilt für die Gestaltung der Freizeit. Die vom Parlament verabschiedeten Mittel für den Tit. 307 beliefen sich auf 15 629 000 DM, immer in den Jahren 1959 bis 1964. Tatsächlich ausgegeben worden sind Beträge, die um 4 937 000 DM unter diesen 15 Millionen DM liegen.
Insgesamt sind also von diesen beiden Titeln mehr als 10 Millionen DM, die vom Parlament bewilligt wurden, nicht ausgegeben worden.
Wir haben allen Anlaß, Überlegungen darüber anzustellen, wie es denn kommt, daß die Truppe nicht 'in den Besitz dieser Mittel kommt, die wir vom Parlament für diese wichtigen Zwecke bereitgestellt haben. Ich habe mir die Anweisungen verschafft, die vom Verteidigungsministerium für die Ausschöpfung dieser Mittel herausgegeben worden sind. Ich habe festgestellt, daß diese Durchführungsvorschriften so unendlich verwickelt und so kompliziert sind, daß es der Truppe trotz nachdrücklichem Bemühen einfach nicht möglich ist, an diese Mittel heranzukommen. Ich habe z. B. festgestellt, daß es nicht möglich war, zu einer wichtigen Tagung, die im europäischen Bereich stattfand, auch nur einige wenige Soldaten zu schicken, weil in der Durchführungsvorschrift die Bestimmung enthalten ist, daß der Soldatsich nicht mehr 'als 200 km von seinem Standort entfernen darf. Was sind das für vorsintflutliche Vorschriften.
Meine Damen und Herren, wir haben doch alle ein brennendes Interesse daran, daß unsere Soldaten einen Überblick über die europäische Situation bekommen,
({3})
nicht nur über die Weltsituation, sondern auch über ¡die 'europäische Situation. Ehe sie sich mit der Weltsituation befassen können, müssen sie sich mit der europäischen 'Situation befassen. Aber sie können nicht nach Europa reisen, dies ist ihnen verboten. Meine Damen und Herren, das sind völlig unmögliche, geradezu groteske Zustände. Wenn ich diese Vorschriften durchsehe, 'die von den gescheiten Juristen und Finanzleuten im Bereich der Regierung ausgetüftelt und laufgestellt worden sind, dann fällt mir das Dichterwort ein: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort."
Diese Vorschriften bedürfen der unverzüglichen Korrektur. Herr Staatssekretär Gumbel, sorgen Sie dafür, daß diese Korrektur sobald wie möglich Platz greift. Denn es ist für meine Begriffe ein völlig unmöglicher Zustand, daß das Parlament Mittel bewilligt, die Truppe aber nicht in den Besitz dieser Mittel kommt und ¡die Kommandeure keine Möglichkeit haben, ihre Soldaten dorthin zu schicken, wo sie wirklich etwas Fortschrittliches lernen können. Ich glaube, meine verehrten Kollegen von der Opposition, das sind Anliegen, die unsere gemeinsamen Anliegen sein müssen.
({4})
- Herr Kollege Berkhan, ich hoffe, daß Sie mir nicht widersprechen.
Herr Kollege Berkhan zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Bausch, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß Ihre Ausführungen in eingeschränktem Maße bestätigen, daß die Truppe verwaltet und nicht geführt wird?
Wie man das formuliert, nun, da können wir unsere schöpferische Phantasie walten lassen. Man kann auch mildere Ausdrücke finden. Man kann ebenso schärfere Ausdrücke finden. Ich glaube, wir sollten uns einig sein in dem Willen, dafür zu sorgen, daß Mittel, die wir vom Parlament für diese Zwecke zur Verfügung stellen, der Truppe auch tatsächlich zugute kommen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Tamblé.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Wehrdebatte des Hohen Hauses am 20. Januar ist mein Kollege Wienand auch auf die Frage deis Sanitätswesens und des ärztlichen Personals bei der Bundeswehr eingegangen. Kollege Wienand hat eine Reihe von Anregungen gegeben, wie die Schwierigkeiten im Bereich des Sanitätswesens der Bundeswehr behoben werden können. Er hat u. a. die Frage gestellt, ob es zutreffe, daß bisher mehr als hundert Sanitätsoffiziere, unter Verzicht auf alle Ansprüche, freiwillig aus der Bundeswehr ausgeschieden seien. Mein Kollege Wienand hat noch eine Fülle von
anderen Fragen angeschnitten. Sie sind alle ohne Antwort geblieben. Herr von Hassel hat es weder am ersten noch am zweiten Tage für notwendig gefunden, auf dieses wichtige Problem, das nicht nur ein Problem des Sanitätswesens, sondern der ganzen Bundeswehr ist, einzugehen.
Enttäuscht hat das nicht nur uns Sozialdemokraten, sondern alle jene, die um die Bedeutung des Sanitätswesens in der Bundeswehr-wissen. Ich habe erst in den letzten Tagen in der ärztlichen Fachpresse gelesen, wie sehr es bedauert wird, daß die Anregungen und Fragen der Opposition weder an dem einen noch an dem anderen Tage behandelt wurden. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, darf ich erneut auf den Problemkreis, der sich um die Kap. 14 03 und 14 08 rankt, hinweisen.
Die Kosten für die Inanspruchnahme von zivilen Vertragsärzten und -zahnärzten und zivilen Krankenpflegeeinrichtungen - es sind dies bei Kap. 14 08 die Titel 301, 304 und 308 haben in den letzten Jahren eine beachtliche Zunahme erfahren. Die Ausgaben dafür betrugen im Jahre 1960 21 Millionen DM, im Jahre 1961 28 Millionen DM, 1962 39 Millionen DM, 1963 43 Millionen DM und 1964 52 Millionen DM. Also von 1960 bis 1964 eine Ausgabensteigerung von 21 auf 52 Millionen DM! Für die Jahre 1965 und 1966 wurden Kosten in Höhe von 60 und 63 Millionen DM angesetzt. In diesen Zahlen sind noch nicht jene Mehrkosten berücksichtigt, die entstehen, sobald die der Ärzte- und Zahnärzteschaft zugebilligten Erhöhungen wirksam geworden sind.
({0})
In diesem Zusammenhang darf ich auf folgendes hinweisen. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr leidet von Anfang an an einem Mangel an Ärzten. Dieser Mangel ist aber in den letzten Jahren immer stärker in Erscheinung getreten, da die Zahl der Sanitätsoffiziere keineswegs so zugenommen hat wie die Stärke der Bundeswehr. In der Fragestunde am 4. Dezember vergangenen Jahres hörten wir, daß zur Zeit bei der Bundeswehr 750 Sanitätsoffiziere fehlen, darunter 550 Ärzte und 110 Zahnärzte; der Rest der Fehlstellen entfällt auf Apotheker und Veterinärärzte. Dieses rechnerische Defizit bei den Sanitätsoffizieren täuscht aber noch insofern, als die Stellenpläne wegen des bekannten Mangels an Ärzten nur einen Minimalbedarf enthalten. Das hat dazu geführt, daß beispielsweise bei den Truppenärzten beim Heer nur etwa ein Drittel der Sanitätsoffiziersstellen besetzt ist, während zwei Drittel der Positionen von Vertragsärzten wahrgenommen werden. Wer das Berufsbild des Sanitätsoffiziers kennt, weiß, daß der Einsatz von Vertragsärzten in so großem Umfange nur eine Notlösung sein kann und darf, um gröbste Mißstände zu verhindern. Auf die Dauer können aber Sanitätsoffiziere nicht durch Vertragsärzte ersetzt werden, was wohl schon daraus deutlich wird, daß die vertragsärztliche Tätigkeit sich durchschnittlich nur auf zwei Stunden täglich erstreckt.
Einmal mehr darf ich hier und heute darauf hinweisen, daß die Ursachen für den Mangel an Ärzten bei der Bundeswehr vor allem in der materiellen und sozialen Stellung des Sanitätsoffiziers zu suchen sind. Die Besoldung des Sanitätsoffiziers, auch in höheren Dienstgraden, ist im Vergleich zum Einkommen der praktischen Ärzte völlig unzureichend. Im Durchschnitt dürfte ein Arzt als Sanitätsoffizier nur etwa die Hälfte bis ein Drittel der Bezüge eines freipraktizierenden Arztes haben.
({1})
Verschärft wird das Problem durch die geringen Aufstiegsmöglichkeiten für Sanitätsoffiziere, so daß gerade tüchtige Ärzte, die eine erfolgreiche Laufbahn im Zivilleben erwartet, von den Möglichkeiten der Laufbahn eines Sanitätsoffiziers abgeschreckt werden. Sie wissen alle, daß die Beförderungsmöglichkeiten für Sanitätsoffiziere gerade in den höheren Dienstgraden wesentlich schlechter sind als beispielsweise bei den anderen Offizieren. Im Haushalt 1964 zum Beispiel sind für Offiziere 1,04 % Generalstellen, für Sanitätsoffiziere jedoch nur 0,44 % Stellen für Generalärzte vorhanden. Ähnlich ist das Verhältnis bei den entsprechenden Stellen Oberst und Oberstarzt.
Die vom Verteidigungsministerium bisher angeordneten Maßnahmen - ich darf sie hier als bekannt voraussetzen - vermögen den Ärztebedarf der Bundeswehr weder sofort noch in absehbarer Zeit zu decken. Außerdem bringen sie keine Zugänge zur Laufbahn des aktiven Sanitätsoffiziers, der für den Sanitätsdienst einfach unentbehrlich ist.
Um diesen Beruf anziehender zu gestallten, ist es notwendig, den .Sanitätsoffizieren möglichst gleiche Beförderungs- und Aufstiegschancen zu geben wie ,den Truppenoffizieren. Ich bin mir aber bewußt, daß auch diese Maßnahme nur als ein mister Schritt zur Lösung des Problems angesehen werden kann.
In diesem Zusamemnhang muß heute auch schon darauf hingewiesen werden, daß durch die Anhebung der ärztlichen und zahnärztlichen Gebühren das Einkommensgefälle zwischen niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten und den Sanitätsoffizieren der Bundeswehr noch eklatanter wird, was darauf schließen läßt, daß für die Laufbahn des aktiven Sanitätsoffiziers mit noch weniger Zugängen gerechnet werden muß.
Nach allem, was ich hier vorgetragen habe, scheint mir folgendes vordringlich zu sein:
Erstens eine Verbesserung des Stellenkegels der Sanitätsoffiziere.
Zweitens eine eigene Besoldung für den Sanitätsdienst nach dem Vorbild Großbritanniens oder auch der USA, die eine besondere Stellenzulage für Ärzte und Zahnärzte kennen. Meines Erachtens bedürfte es dieses Vergleichs mit anderen NATO-Partnern gar nicht, nachdem das Prinzip der Stellenzulage bei der Bundeswehr neuerdings bei den Militärpfarrern schon eingeführt worden ist.
Drittens, daß den Sanitätsoffizieren die Ausübung privatärztlicher Nebentätigkeit großzügig genehmigt wird, namentlich dort, wo in einsamen Standorten die ärztliche Versorgung von Angehörigen
der Soldaten außerordentlich schwierig ist. Hierüber sollte außerdem das Einvernehmen mit der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung herbeigeführt werden.
Viertens sollte den Familienangehörigen der Soldaten und den Soldaten im Ruhestand die freie Heilfürsorge ebenso gewährt werden wie den Soldaten selbst. Die Bundeswehrlazarette sollten auch für zivile Patienten geöffnet werden.
Um schon in naher Zukunft Zugänge zur Laufbahn des aktiven Sanitätsoffiziers zu erhalten, müßte fünftens die bisher geübte Vergabe von Studienbeihilfen geändert werden. Es spricht sehr viel dafür, diese Studienbeihilfen in Zukunft so zu vergeben, daß ein gesundes Verhältnis zwischen der Höhe der gezahlten Beihilfen und der Dauer der Verpflichtungszeit als Sanitätsoffizier besteht. Die bisherige Handhabung sieht vor, daß sich der Studienbeihilfeempfänger - gleichgültig, ob er vom Beginn des Studiums an oder während des Studiums Beihilfe erhält - für die Dauer von acht Jahren als Sanitätsoffizier verpflichten muß. Eine Änderung sollte in dem Sinne herbeigeführt werden, daß sich a) für Studenten, die in höheren Semestern erstmals Studienbeihilfen erhalten, die Verpflichtungszeit als Sanitätsoffizier entsprechend verkürzt und b) für Studenten in höheren Semestern und für Medizinalassistenten, also bis zu zwei Jahren nach dem Staatsexamen, die Studienbeihilfen in voller Höhe nachgezahlt werden, wenn sich die Bewerber für die volle Dauer der vorgesehenen Dienstzeit verpflichten. Gerade durch diese Maßnahme darf man sich mit Fug und Recht einen Zugang, wenn ich mich so ausdrücken darf, „von der Seite" versprechen, da sich die Auswirkungen der schon jetzt angelaufenen Maßnahmen frühestens erst ab 1970 praktisch auswirken werden.
Durch die von mir aufgezeigten und angeregten Vorschläge könnten auch Ärzte, die im kommenden oder im übernächsten Jahr das Staatsexamen machen, gewonnen werden.
Sechstens. In konsequenter Verfolgung dieser Vorschläge - auch hier kann an erprobte Maßnahmen in Großbritannien erinnert werden - möchte ich auch zu überlegen geben, ob es nicht möglich ist, jedem Arzt, der kein Stipendium erhalten hat und der sich als Berufssanitätsoffizier verpflichtet, bei der Einstellung eine einmalige Summe als Einstellungs- oder Handgeld zu zahlen. Die Höhe eines solchen Betrages sollte sich aus den Studienbeihilfen errechnen, die ein Stipendiat während seines Studiums vom Bundesminister der Verteidigung erhält. Daß mit diesen Maßnahmen die extrem hohen Kosten für die Inanspruchnahme ziviler Vertragsärzte und Krankenpflegeeinrichtungen trotz eines gewissen Anstiegs der Personalkosten erheblich gesenkt und dem Bund auf die Dauer Mittel erspart werden, liegt auf der Hand.
Noch ein weiteres! Solange der Ärztemangel bei der Bundeswehr besteht, sollte man die Sanitätsoffiziere möglichst weitgehend von allen nicht ärztlichen, also Verwaltungsaufgaben befreien und die Arbeitsbedingungen etwa der Truppenärzte beim
Heer durch Zuweisung von Schreibkräften erleichtern.
Seit 1963 sind weder Stellenvermehrungen noch Stellenanhebungen im Bereich der Sanitätsoffiziere erfolgt. Deshalb muß gerade heute bei der Haushaltsberatung daran erinnert werden, daß ein weiteres Hinausschieben der notwendigen Verbesserungen nicht mehr länger verantwortet werden kann.
Meine Damen und Herren, ich habe die Lage des Sanitätswesens in der Bundeswehr, wie schon eingangs gesagt, etwas ausführlicher dargestellt, weil mein Kollege Wienand auf seine konstruktiven Vorschläge und Anregungen keine Antwort bekam. Ich glaube, daß es schon deshalb richtig ist, erneut daran zu erinnern, damit die Regierung wenigstens jetzt bei der Beratung des Personalhaushalts entsprechende Vorlagen unterbreitet.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht vergessen, daß auch in der technischen Streitkraft von heute immer noch der Mensch im Mittelpunkt steht, weil seine Gesundheit ausschlaggebend ist für den Leistungsstand einer jeden Armee.
({2})
Meine Damen und Herren, ich fürchte, daß wir das Ziel, das wir uns gesteckt haben, nämlich heute die zweite Beratung abzuschließen, nicht erreichen können, wenn wir Einzelfragen allzu extensiv behandeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun ist das Hohe Haus entgegen den ursprünglichen Abmachungen und wider alles Erwarten doch noch zu seiner Verteidigungshaushalts- und verteidigungspolitischen Debatte gekommen und sogar - wie ich meinen möchte - zu einer sehr detaillierten Debatte, wie uns gerade auch der letzte Diskussionsbeitrag gezeigt hat. Die SPD hat sich offensichtlich Mühe gegeben, unsere Verteidigungspolitik, die verteidigungspolitische Situation schlechthin, bis in die Einzelheiten zu durchleuchten, wenn selbst der Erlaß über den „Marmeladentopf" hier eine Rolle spielte.
Um so erstaunlicher aber muß es sein, daß ihr bei einer solch minutiösen Betrachtungsweise entgangen ist, welche hohe Bedeutung jenes Weißbuch hat, das die britischen Freunde der SPD uns gestern auf den Tisch gelegt haben und das in die Fragen unserer eigenen Sicherheit, wie ich meinen möchte, sehr massiv eingreift. Dort werden Thesen verkündet, wie beispielsweise jene, die Stationierung von NATO-Streitkräften in Deutschland sei überholt und deshalb revisionsbedürftig. Dort wird weiter erklärt, daß mehrtägige konventionelle Kriege in Europa unmöglich seien, und es wird ferner gesagt, es sei sinnlos, die NATO-Anforderungen auf logistischem Gebiet, also hinsichtlich der notwendigen Hilfsquellen, zu erfüllen. Ich möchte meiner großen Bestürzung darüber Ausdruck geben, daß uns solche Gedanken seitens der britischen Regierung hier vorgetragen werden, und ich glaube, daß bei aller Anerkennung des guten Willens zur Entspannung doch
Dr. Kliesing ({0})
Gefahren vor uns auftauchen, mit denen wir uns ernstlich auseinandersetzen müssen.
({1})
Ich wäre daher unseren sozialdemokratischen Kollegen angesichts ihrer ausgezeichneten Verbindundungen zur Labour-Regierung sehr denkbar, wenn sie diesen Dingen ihr freundliches Interesse zumindest im gleichen Maße zuwendeten wie beispielsweise den Marmeladentöpfen in der Bundeswehr.
({2})
Nun haben wir also heute wieder einmal gehört - wie wir das übrigens, seitdem es einen Verteidigungshaushalt in diesem Hause zu debattieren gibt, immer gehört haben -, daß sich die SPD nicht in der Lage sieht, dem Verteidigungshaushalt zuzustimmen. Daran sind wir gewöhnt; nur die Argumente wechseln von Jahr zu Jahr, weil es offensichtlich immer schwieriger wird, welche zu finden, und weil die dialektischen Kapriolen, die man jetzt schon aufführt, um sich noch irgendwie herauszuwinden, doch von Jahr zu Jahr grotesker werden.
Nun, es ist das gute Recht der Opposition, über diesen Verteidigungshaushalt abzustimmen, wie sie will. Aber ich finde, die Szene bekommt doch einen leicht grotesken Beigeschmack, wenn 5 Minuten, nachdem diese Erklärung hier abgegeben worden ist, von derselben Seite des Hohen Hauses die Herren heraufkommen und über die Bundeswehr einen Blütenregen von Hoffnungen, Wünschen und Versprechungen regnen lassen.
({3})
Herr Kollege Haase, 'bei aller Kollegialität muß ich Ihnen doch sagen, daß ich so ein klein wenig den Verdacht habe, beim Aufbau Ihres Manuskripts, das Sie hier verlesen haben, habe der Gedanke Pate gestanden: was können wir noch sagen, was bei der Bundeswehr gut ankommt?
({4})
- Ja nun, Sie haben hier gesagt: mehr Wehrsold, mehr Unterhaltshilfe, mehr Weihnachtsgeld - Weihnachtsgeld für alle -; ja, mein Gott, so etwas nannte man früher auf der Kirmes einen „Billigen Jakob".
({5})
- Ich will gegen die sachlichen Anliegen ja gar nichts sagen.
({6})
Ich finde es nur erstaunlich, daß Sie diese Forderungen hier erheben, nachdem Sie 5 Minuten zuvor erklärt halben, daß Sie auch in diesem Jahre nicht in der Lage wären, dem Verteidigungshaushalt, aus dem das ja letzten Endes bezahlt werden muß, zuzustimmen.
({7})
Nun hat hier Kollege Erler ein sehr ernstes Bild davon entworfen, wie wir von der CDU/CSU nun allmählich die Wirkungskraft der Abschreckung im Hirn des potentiellen Gegners herabmindern. Er hat uns gewarnt, wir sollten doch kein falsches Bild von der Haltung der SPD in der Verteidigungsfrage entwerfen,
({8})
um damit beim potentiellen Gegner Zweifel in die Wirksamkeit der Abschreckung zu erregen.
Zunächst einmal, Herr Kollege Erler, möchte ich Ihnen sagen: Sie haben hier so selbstbewußt von der Überzeugungskraft Ihrer Verteidigungspolitik gesprochen, daß ich meinen möchte, das Bild von Ihrer Haltung wird beim potentiellen Gegner nicht so sehr von uns wie von Ihnen selbst geprägt.
({9})
Ich mache mir auch ernstliche Sorgen darüber, was ein potentieller Gegner, der ja auch unsere Bundestagsprotokolle verfolgt, sich denken mag angesichts der Tatsache, daß sich hier eine große Partei trotz Godesberger Programm, trotz ihrer Kontakte zur Bundeswehr und trotz aller platonischen Erklärungen zur Verteidigungspolitik nicht entschließen kann, zu diesem Verteidigungshaushalt ja zu sagen.
({10})
Ich würde dafür noch Verständnis haben, Herr Kollege Erler, wenn Ihr Kollege Wellmann oder Sie selbst hierher gekommen wären und ernste Kritik an der Konzeption geübt hätten, die diesem Verteidigungshaushalt zugrunde liegt.
({11})
Aber ich habe hier kein Wort gegen die verteidigungspolitische Konzeption der Bundesregierung gehört.
({12})
Herr Kollege Wellmann, gestatten Sie mir, in aller Offenheit zu sagen - und zwar, wenn ich das bemerken darf, aus meiner früheren langjährigen beruflichen Erfahrung als Deutschlehrer -, daß ich selten eine Polemik gehört oder gelesen habe, die so wenig Substanz enthielt wie die Ihre heute morgen.
({13})
Eine derartige Gedankenarmut in einer Polemik ist mir selten vorgekommen.
({14})
Das war Polemik um der Polemik willen. Das war der Versuch, unter allen Umständen ein Alibi zu erreichen.
({15})
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, man muß doch schon auf gewisse Gedanken kommen, wenn eine Enthaltung zu einem Verteidigungshaushalt nicht ein einmaliger Vorgang ist, sondern allmählich zur Dauereinrichtung wird. Ich kann das durchaus verstehen. Es ist das gute Recht der OppoDr. Kliesing ({16})
sition, hierher zu kommen und zu sagen: Wir haben eine andere Konzeption, wir sagen nein zu eurem Verteidigungshaushalt. Ich kann es auch verstehen, wenn die Situation mal so ist, daß Sie sagen: In diesem Fall enthalten wir uns. Aber wenn Sie sich von Jahr zu Jahr enthalten, dann bringt einen das allerdings auf sehr merkwürdige Gedanken. Es ist doch eine janusköpfige Haltung, nach der einen Seite hin sagen zu wollen: Wir haben nicht nein gesagt, und nach der anderen Seite hin sagen zu wollen: Wir haben nicht ja gesagt.
({17})
Vielleicht aber, meine Damen und Herren von der SPD, ist auch folgendes noch hier festzustellen. Es rächt sich bei Ihnen jetzt bitter, daß Sie sich, nachdem Sie sich im Jahre 19,63 erstmals enthalten haben, im Jahre 1964 nicht haben entschließen können, ins kalte Wasser zu springen und ja zu sagen. Jetzt, wenige Monate vor der Bundestagswahl, erscheint Ihnen das zu riskant. Jetzt sind Sie die Gefangenen Ihrer eigenen Taktik. Jetzt müssen Sie bei Ihrerfortgesetzten Enthaltung bleiben. Hätten Sie voriges Jahr den Mut gehabt, ja zu sagen, würde es Ihnen diesmal nicht schwer fallen und brauchten Sie nicht diese dialektischen Kapriolen hier vorzuführen.
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Wenn Sie Ihrem Ja zur Bundeswehr den nötigen Nachdruck verleihen wollen, so ergeben sich dafür auch noch einige interessante Möglichkeiten. Ich möchte Ihnen zum Beispiel die Bitte vortragen, dann doch einmal Ihre ausgezeichneten Verbindungen zum Deutschen Gewerkschaftsbund und zu dessen Bundesvorstand auszunutzen und dafür zu sorgen, daß hier endlich einmal einiges abgestellt wird.
({19})
Daß beispielsweise die IG Metall in Stuttgart vor einigen Wochen einen Betriebsrätebrief herausgegeben hat, in dem gesagt wird, daß die ganze Bundeswehr überflüssig sei und daß man- diese Leute endlich mal einer vernünftigen Arbeit zuführen sollte, will ich keineswegs Ihnen in die Schuhe schieben. Ich möchte Sie nur bitten, Ihre guten Beziehungen zur IG Metall auszunutzen. - ({20})
- Ja nun, Herr Kollege Merten, das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Ich darf noch einmal an den Fall erinnern, über den wir im vorigen Jahr hier gesprochen haben. Als in diesen „Gewerkschaftlichen Monatsheften", die vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegeben werden,
({21})
dieser verleumderische Artikel „Auschwitz und Nagold" herauskam,
({22})
habe ich damals gefordert, daß sich der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes öffentlich davon distanziert und den betreffenden- Herrn entläßt. - Bitte schön.
Herr Kollege Erter.
Darf ich einmal hören, was das Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das für die Erziehungs- und Bildungsarbeit im DGB verantwortlich ist, Herr Tacke, gesagt hat?
Ach, jetzt kommen Sie mit dem Konzessionsschulzen!
({0})
Herr Kollege Erler, das ist doch keine seriöse Frage
gewesen. - Es melden sich so viele Herren -
Möchten Sie keine Frage beantworten?
Nein. Ich möchte in diesem Zusammenhang keine Fragen mehr beantworten. Ich möchte meine eigenen Ausführungen fortsetzen können.
Herr Abgeordneter Eschmann, Herr Kollege Dr. Kliesing will nicht.
Ich möchte sagen, daß das lebhafte Interesse, das gerade jetzt auf Ihrer Seite auftauchte, im Grunde genommen eine Bestätigung meiner These von Ihren sehr engen Beziehungen zum Deutschen Gewerkschaftsbund ist.
({0})
- Ach, wissen Sie, das ist unter der Gürtellinie.
Einen Augenblick, Herr Kollege Dr. Kliesing. Ich glaube, daß dieser Zwischenruf nicht richtig ist. Ich weise ihn zurück.
- Herr Kollege Eschmann, Herr Dr. Kliesing will Ihre Frage nicht beantworten.
Nun, nachdem Herr Kollege Erler eben hier, sagen wir mal, eine sehr merkwürdige Auffassung von dem, was Humor ist, vertreten hat, nehme ich diesen Zwischenruf nicht sehr ernst.
Der Herr Kollege Berkhan hat mir im vorigen Jahr hier den Zwischenruf gemacht, es sei mix doch sicherlich bekannt, daß der verantwortliche Redakteur entlassen sei. Herr Kollege Berkhan, ich gebe Ihnen zu und ich bin der Überzeugung, daß Sie diesen Zwischenruf in gutem Glauben gemacht haben. Aber wir beide werden sehr enttäuscht sein, wenn wir heute feststellen müssen, daß es dem DGB leider an der nötigen Zivilcourage gefehlt hat,
Dr. Kliesing ({0})
um aus dieser Geschichte die Konsequenzen zu ziehen.
({1})
- Bitte.
Haben Sie denn angesichts der Bedeutung dieses Problems wenigstens die Gelegenheit des Gesprächs zwischen dem Präsidium der CDU/CSU und dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes benutzt, um diese Frage anzuschneiden?
An diesem Gespräch habe ich nicht teilgenommen; ich kann daher darüber keine Auskunft geben.
({0})
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, den Kollege Erler hier angeführt hat. Er hat ebenso wie der Kollege Wellmann die Kürzung des Verteidigungshaushalts um 1 Milliarde DM kritisiert. Ich habe an den Kollegen Wellmann daraufhin die Frage gerichtet, warum denn hier kein Änderungsantrag auf Erhöhung vorgelegt worden sei. Er hat mir versprochen, daß er diese Frage noch beantworten werde. Leider muß ich hier feststellen, daß er mir die versprochene Antwort nicht gegeben hat, sondern dieser Frage aus dem Weg gegangen ist.
Der Kollege Erler hat gesagt, es könne etwas nicht stimmen, wenn der Bundesverteidigungsminister hier 1 Milliarde DM zuviel angefordert habe. Nun, ich meine, daß es dem Bundesverteidigungsminister lieber gewesen wäre - schon gegenüber unseren NATO-Verbündeten -, wenn er in diese Forderung der Bundesregierung - und der Finanzlage; denn ihretwegen wurde die Forderung ja gestellt - nicht hätte einwilligen müssen. Wenn der Bundesverteidigungsminister hier eingewilligt hat, so doch nur deshalb, weil es um die Stabilität unserer Währung geht,
({1})
die eine Ausweitung des Haushaltsvolumens nicht zuläßt. Ich muß hier dagegen protestieren, daß eine aus diesen Beweggründen vorgenommene Maßnahme von den Leuten kritisiert wird, die in der vorigen Woche an diesem Platz gestanden und der Bundesregierung vorgeworfen haben, sie gefährde die Stabilität der Währung.
({2})
So geht es nicht. Ich möchte hier sagen, daß wir dem Bundesverteidigungsminister unseren Dank dafür aussprechen, daß er sich dem höheren Anliegen der Erhaltung der Stabilität unserer Währung gebeugt und - wenn es ihm auch schwergefallen ist - auf wichtige Anforderungen in seinem eigenen Haushalt verzichtet hat.
({3})
Ich möchte dann noch kurz auf die Frage der langfristigen Planung eingehen. Eine langfristige Planung hat nur Sinn, wenn die Voraussetzungen für ihre Anwendung gegeben sind, d. h. wenn die Periode des Aufbaus beendet ist. Deshalb wäre es unklug gewesen, wenn man sich beispielsweise schon Ende der 50er Jahre mit den Fragen der langfristigen Planung befaßt hätte und zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß amerikanische Methoden hier eingeführt werden sollten. Daß wir uns für die amerikanischen Methoden interessieren, ist bekannt. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Erfindung der SPD. Sie können in den Protokollen dieses Hohen Hauses nachlesen, daß ich persönlich von dieser Stelle aus die Dinge hier vorgetragen habe zu einer Zeit, da unser verehrter Kollege Möller sein Interesse für den Verteidigungshaushalt noch nicht entdeckt hatte.
({4})
Aber darum geht es ja nicht. Ich möchte davor warnen, in den Methoden der cost effectiveness, in den Methoden des Mr. Hitch, die zweifellos für die Vereinigten Staaten sehr interessant und sehr wichtig sind, ein Wundermittel oder ein Allheilmittel zu sehen, mit dem wir alle unsere Probleme lösen können.
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Die amerikanischen Methoden sind in Quantität und Qualität auf die Maßstäbe der amerikanischen Verteidigungspolitik und ihre Bedürfnisse abgestellt. Ich möchte davor warnen, sie vorbehaltlos auf unsere deutschen Verhältnisse anzuwenden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein anderes Problem aufmerksam machen, was uns große Sorgen bereiten wird, nämlich die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen fortlaufenden und einmaligen Ausgaben. Wenn diese Verschlechterung noch ein paar Jahre so weitergeht, dann kommen wir in die gleiche Situation, in der sich zur Zeit der britische Verteidigungshaushalt befindet. Aus dieser finanziellen Misere heraus ist das britische Weißbuch ja letzten Endes zu verstehen, also nicht aus ursprünglich strategischen Neuerkenntnissen. Die Strategie muß sich hier den finanziellen Möglichkeiten beugen und fügen.
Es ist um so schwieriger, vor diesem Hintergrund des gespannten Verhältnisses zwischen fortlaufenden und einmaligen Ausgaben nun noch einmal die Frage des Stellenkegels zu betrachten. Von den etwa 16 000 Beamten der Bundeswehrverwaltung müßten etwa fünfeinhalbtausend Stellenerhöhungen erhalten, wenn der Stellenkegel der Bundeswehrverwaltung mit dem Stellenkegel der Länder harmonisiert werden sollte. Allein die Gleichstellung der Bundeswehrverwaltung mit den anderen Bundesbehörden würde bereits eine Anhebung von 1700 Stellen erforderlich machen. Das sind Probleme, die um der Leistungserhaltung und um der Erhaltung der Bundeswehrverwaltung schlechthin willen gelöst werden müssen. Deshalb werden wir uns mit dieser Frage in den nächsten Wochen zu befassen haben.
Herr Kollege Erler, lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung zu Ihrem Angriff auf das staatspolitische Wirken des BundesverteidigungsDr. Kliesing ({6})
ministers machen. Offensichtlich hat es Sie geschmerzt, daß der Bundesverteidigungsminister den Angehörigen der Bundeswehr die letzte Wehrdebatte, die wir geführt haben, zur Kenntnis gebracht hat.
({7})
- Das ist nicht wahr; ich habe die Veröffentlichung selbst in der Hand gehabt und habe gesehen, daß es der Text der gesamten Verhandlung war.
({8})
- Das, was ich gesehen habe, war aber so.
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- Nun, vielleicht sprechen wir von zwei verschiedenen Schriftstücken. Das wird sich ja klarstellen lassen.
({10})
Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Erler, aber sagen, daß ich es erstaunlich finde, daß Sie das staatspolitische Wirken des Bundesverteidigungsministers hier in einer so harten Art kritisieren. Ich bitte Sie, dafür Verständnis zu haben, daß bei uns dann der Verdacht wach wird, daß hier eine schlechte Tradition fortgesetzt werden soll, nämlich: „Erst den Mann und dann die Sache."
({11})
Ich möchte Ihnen sagen: Wir haben vom staatspolitischen Wirken des Bundesverteidigungsministers einen anderen Eindruck. Er stützt sich auf die Erfahrungen, daß der Bundesverteidigungsminister in Bonn und Godesberg junge Offiziere bzw. junge Unteroffiziere in bis dahin nicht gekannter Anzahl zu Tagungen zusammengerufen hat und diesen jungen Menschen Gelegenheit gegeben hat, ihre Anliegen mit einem Freimut vorzutragen und zu diskutieren, wie das in der deutschen Wehrgeschichte - zudem in der Öffentlichkeit - noch nie dagewesen ist. Ich muß sagen, daß wir das alles als einen persönlichen Beitrag des Bundesverteidigungsministers zur Integration der Bundeswehr in unsere demokratische Gesellschaftsordnung begrüßen.
({12})
Ich möchte deshalb dem Bundesverteidigungsminister dafür hier danken und ihn auffordern, auf diesem von ihm beschrittenen Weg fortzufahren.
({13})
Zusammenfassend stelle ich fest: Es ist hier eine Menge von Einzelheiten vorgebracht worden. Aber das alles sollte doch nicht darüber hinwegtäuschen, was das eigentliche Politikum dieser heutigen Haushaltsdebatte ist: daß die SPD auch im Jahre 1965 sich nicht entschließen kann, dem Verteidigungshaushalt zuzustimmen. Das ist das wichtigste politische Ergebnis der heutigen Debatte.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will keine verteidigungspolitische Rede halten; das kann ich auch gar nicht, weil ich da nicht so im Bilde bin wie die Mitglieder des Ausschusses. Aber gestatten Sie mir doch, ein paar Bemerkungen zu der Abstimmung zu machen.
Wir werden uns der Stimme enthalten. Was bedeutet es, wenn wir uns der Stimme enthalten?
({0})
- Geduld, Geduld, Geduld! Sehen Sie wir leben in einem Bundesstaat, und wir haben Bundesländer, und da kommt es vor - wie es demnächst auch hier sein wird; aber da ist es schon so -, daß die CDU in der Opposition ist.
({1})
Wie verhält sich da die CDU-Opposition - in Wiesbaden z. B. -, wenn dort über den Schulhaushalt oder über den Polizeihaushalt abgestimmt wird?
({2})
Dann stimmt diese CDU dort gegen den Polizeihaushalt, gegen den Schulhaushalt.
({3})
In Hamburg ist das auch so, wahrscheinlich auch in Berlin.
({4})
Nun, wir Sozialdemokraten kämen nicht auf die Idee, dann der CDU zu unterstellen, daß sie das Geld, das dort für die Polizei oder für die Schulen ausgegeben wird, für weggeworfenes Geld hält; keineswegs. Die CDU bringt damit zum Ausdruck, daß sie mit der speziellen Art, in der der jeweilige Minister mit diesem Haushalt Politik macht, nicht einverstanden ist, daß sie andere Ansichten darüber hat, wie man im einzelnen die Polizei führen, ausrüsten und finanzieren sollte.
Hier im Bundestag geht es jetzt um ein ganz ähnliches Problem. Es geht um die Verteidigung. Die Sozialdemokraten haben klipp und klar und schlicht immer wiederholt: Wir stehen zur Verteidigung,
({5})
und wir wissen auch, daß die Verteidigung etwas sehr Teures ist. Dazu stehe ich nicht nur, wenn ich hier an diesem Pult stehe; und wenn ich vor einer tobenden Menschenmenge draußen stünde und wegen der Ausgaben für unsere Verteidigung angegriffen würde, würde ich sagen, daß wir, wenn es die Freiheit erfordert, noch sehr viel mehr genehmigen würden als das, was gegenwärtig geschieht.
({6})
Wir kneifen nicht, wenn wir angegriffen werden, daß die Verteidigung teuer ist und daß man für dieses Geld vielleicht sehr viele Schulen, Krankenhäuser usw. bauen könnten. Nein, meine Damen und
Herren, unser Ja bedeutet auch, daß die Verteidigung teuer ist und daß auch eine sozialdemokratische Regierung demnächst
({7})
in ähnlicher Größenordnung Ausgaben für die Verteidigung machen wird.
({8})
- Das werden wir sehen.
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Aber dieses Ja zur Verteidigung bedeutet eben nicht, daß wir die Politik des Herrn von Hassel in diesem Ministerium billigen. Es würde schon dieser Vorgang mit der einen Milliarde genügen, der heute hier erörtert worden ist, um ein Mißtrauen gegen die persönliche Führung dieses Ministeriums durch Herrn von Hassel zu begründen.
({10})
Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU, merken Sie sich, wir verhalten uns hier als Parlamentarier politisch so, wie Sie sich politisch in Wiesbaden, in Hamburg oder in anderen Landeshauptstädten verhalten, wenn es um sozialdemokratische Regierungen geht.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will kurz zwei Dinge anschneiden und dem Hinweis des Herrn Präsidenten Dr. Dehler auf Kürze folgen.
Zunächst einen Hinweis auf die beabsichtigte Zwischenfrage an Herrn Kollegen Erler. Fairneß und Toleranz müssen in diesem Hause von allen praktiziert werden. Herr Kollege Erler, Ihr persönliches Bemühen um das vieler Ihrer Kollegen zweifle ich nicht an. Bitte, wirken Sie in dieser Hinsicht auch als Fraktionsvorsitzender auf alle Ihre Kollegen ein.
Bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Rasner hat der Herr Kollege Eschmann den Zwischenruf „Schmutzfink" getan.
({0})
Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, daß Sie solche Zwischenrufe zurückweisen. Ich darf darauf hinweisen, Herr Präsident Dr. Jaeger, es handelt Bich in diesem Fall um die Zeit, in der Herr Präsident Dr. Dehler den Vorsitz führte.
Dem Ansehen des Parlaments, meine Damen und Herren Kollegen, und dem Ansehen der demokratischen Parteien kann es nur von Nutzen sein, wenn bei aller Meinungsverschiedenheit ein guter Stil bleibt.
({1})
- Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Kollege Josten, sollten Sie sich verhört haben und sollte Herr Kollege Eschmann vielleicht „Buchfink" gesagt haben?
({0})
Vor meiner Wortmeldung habe ich den Kollegen Eschmann aufgesucht. Ich habe den Kollegen Eschmann gefragt: Stimmt es, was ich gehört habe? Herr Kollege Eschmann hat das bestätigt. Ich habe ihm daraufhin gesagt, nachdem er das nicht zurücknehmen wollte, daß ich es hier vortragen würde.
({0})
Wenn wir einen guten Stil wollen und wenn wir gerade draußen in der Offentlichkeit dem Ansehen dieses Hauses und dem Ansehen unserer demokratischen Parteien nützen wollen, müssen wir von solchen Dingen abrücken.
({1})
Kurz eine Bitte an Herrn Staatssekretär Gumbel. Zur Zeit wird in der Offentlichkeit die Abwanderung der Piloten unserer Luftwaffe diskutiert. Aus diesem Grunde meine Anregung, Herr Staatssekretär: geben Sie unis im Verteidigungsausschuß in Kürze einen Bericht, wie es damit aussieht, welche Maßnahmen oder Pläne bei der Regierung vorbereitet werden, um diese Abwanderung von hochqualifizierten Kräften der Luftwaffe zu reduzieren. Wir können alle nur daran interessiert sein, daß unsere Piloten, die mit hohen Kosten ausgebildet werden, dann auch bei der Bundeswehr verbleiben.
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Meine Damen und Herren, Zwischenrufe zu beurteilen und allenfalls mit Ordnungsstrafen zu belegen ist Angelegenhedt des Präsidenten, der amtiert. Wenn Herr Kollege Dr. Dehler den Zwischenruf gehört und ihn nicht geahndet hat oder wenn er ihn nicht gehört hat und deshalb nicht geahndet hat, ist es seine Angelegenheit, Stellung zu nehmen. Im letzteren Fall kann er den Ordnungsruf, oder was er sonst für angemessen hält, noch nachholen. Von mir aus ist hier nichts zu veranlassen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Präsidenten sehr dankbar für die Bemerkung, die er eben gemacht hat. Denn ich finde es etwas merkwürdig - Herr Kollege Josten, erlauben Sie, daß ich das in allem Freimut sage -, daß ein Zwischenruf moniert
wird, wenn inzwischen ein anderer Präsident amtiert. Ich würde doch bitten, daß ein Zwischenruf, den man gehört hat, rechtzeitig dem Herrn amtierenden Präsidenten zur Kenntnis gebracht wird, solange er noch da ist Vielleicht hat er ihn nicht gehört. Ich will mich aber in den Streit nicht weiter einschalten. - Bitte sehr!
Herr Kollege Schultz, ist es Ihnen vielleicht entgangen, daß ich mich sofort oben zum Präsidenten begeben habe, auch in der Rednerliste vermerkt wurde, allerdings erst jetzt dazu kam, meine Äußerung hier vorzubringen? Sind Sie mit mir der Meinung, daß es gut ist, wenn das Parlament, falls es nachträglich einen Fehler feststellt, dann davon abrückt?
Herr Kollege Josten, ich bin durchaus der Meinung, daß man von Fehlern, die gemacht worden sind, abrücken sollte. Aber ich konnte natürlich nicht wissen, was Sie eben hier auf der Tribüne gemacht haben, weil ich keine so guten Ohren habe, um das mithören zu können. Ich weiß nicht, was Sie mit Herrn Dehler vielleicht besprochen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn der kurzen Ausführungen - ich will mich ebenso kurz fassen wie Kollege Josten - möchte ich etwas zu dem sagen, was Herr Kollege Mommer hier vorgetragen hat. Sie sagten, Herr Kollege Mommer, daß es Ihr gutes Recht sei - Sie haben das bewiesen und unterstrichen -, sich hier zu enthalten oder ja oder nein zu sagen, wie man es in der Demokratie tue. Nur etwas fehlt bei Ihnen in den letzten Jahren: Sie haben nicht von der Möglichkeit der Opposition Gebrauch gemacht, hier präzise Anträge zu stellen, wie Sie sich die Dinge anders vorstellen.
({0})
Das kann niemand wegwischen; da beißt die Maus keinen Faden ab.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, einige Bemerkungen, die ich den Herrn Staatssekretär bitte auch dem Herrn Minister weiterzugeben, zu den Fragen der Wehrtechnik.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Berkhan?
Herr Kollege Schultz, würden Sie dann wenigstens zugestehen, daß die Sozialdemokraten im Ausschuß bei jeder Vorlage ihre Meinung gesagt und darauf hingewirkt haben, daß ihre Meinung auch zum Tragen kam? Die Dinge eignen sich leider nicht für Anträge im Plenum.
Daß Sie im Ausschuß vorzüglich mitgearbeitet und Anträge, die andere Leute gestellt haben, unterstützt haben, das ist ohne Zweifel richtig.
Die Frage der Wehrtechnik sollte in der zweiten Lesung doch wenigstens kurz angeschnitten werden, und zwar in einer Bemerkung, die sich konkret auf bestimmte Dinge richtet. Ich möchte das Petitum vorbringen, daß in den Lehrgängen, die an den Schulen bis hinauf zur Führungsakademie durchgeführt werden, für die Fragen der Technik in der Bundeswehr mehr Zeit aufgewandt wird. Es scheint mir zu wenig zusein, wenn an Schulen bei Kompanieführerlehrgängen einer technischen Truppe, d. h. einer mit technischemGerätausgestatteten Truppe, der Anteil der Zeit, der den Fragen der Ausbildung an Material, Materialerhaltung und Logistik, Pflege und Wartung des Geräts und der Waffen gewidmet ist, nur 5 % der Gesamtzeit beträgt. Bei Fähnrichlehrgängen beträgt er 10 %, bei Zugführerlehrgängen 15 %, bei Unteroffiziersanwärterlehrgängen 15 %. Diese Zeiten werden zum Teil auch noch unterschritten, weil das Personal nicht da ist. Das ist ein ernstes Problem. Ich bitte, ihm doch seine Aufmerksamkeit zu widmen.
Besonders wichtig scheint mir zu sein, daß in den Offizierslehrgängen etwas gesagt wird über die Geschichte der Technik allgemein, über den Soldaten als Menschen im Kraftfeld der Technik, über die Technik in der Bundeswehr und über die Befehlsgebung unter Einschluß der Probleme, die die Technik mit sich bringt. Denn dort werden diejenigen ausgebildet, die später mit den Dingen umgehen sollen und die Befehle dazu geben müssen. Das ist der eine Wunsch.
Der zweite Wunsch geht in die Richtung, von der Kollege Kliesing schon gesprochen hat. Es handelt sich um die Stellenbewertung. Was er bezüglich der Bundeswehrverwaltung gesagt hat, möchte ich nur unterstreichen und nicht wiederholen. Aber mir ist bekanntgeworden, daß auch bei den Offizieren die Stellen der Bataillonsingenieure herabdotiert worden sein 'sollen von Hauptmanns- in Oberleutnants-und Leutnantsstellen. Das scheint mir keine richtige Maßnahme zu sein, sondern dazu zu führen, daß es letzten Endes immer schwieriger werden wird, ausgebildete Ingenieure zu bekommen, die für die Truppe dringend notwendig sind. Damit würde, glaube ich, die vorzügliche Maßnahme der Ausbildung an der Ingenieurschule tin Darmstadt konterkariert, wenn man keine Fortkommensmöglichkeiten in ,der Laufbahn hat oder vorhandene noch verschlechtert.
Das gilt ähnlich auch für Vollingenieure, die, weil sie ,an bestimmten Stellen unentbehrlich sind, dort sitzenbleiben und keine Möglichkeit haben, weiterzukommen, während andere, die nicht diese Spezialausbildung haben, durch glücklichere Verwendungen ,anihnen vorbeimarschieren. Das Problem ist natürlich nicht einfach zu lösen, aber es ist darüber nachzudenken, und das Schwergewicht ist auf eine Verbesserung des Stellenkegels gerade im technischen Bereich zu legen.
Wir sind darauf angewiesen, daß wir für die Technik in der Bundeswehr möglichst viele Menschen auch draußen interessieren, die dann bereit sind, sei es als Zeitoffiziere, sei es als Berufsoffiziere, sei es auch als Reserveoffiziere, Dienst in der Bundeswehr zu tun. Im Haushalt 'steht ein Titel, in dem die Förderung der Carl-Kranz-Gesellschaft mit 30 000 DM, glaube ich, dotiert ist. Diese Gesellschaft hat sich in der Vergangenheit großes Verdienst erworben, weil
sie für den Gedanken des Dienens in der Bundeswehr und auch dafür wirbt, sich als Techniker zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, es wäre nötig, daß diese freiwilligen Bemühungen auch von dem Ministerium aus unterstützt würden und daß, soweit bei anderen Ressorts noch ein Vorbehalt vorhanden ist, dieser Vorbehalt ausgeräumt würde.
Lassen Sie mich zum Schluß 'noch etwas zu der Rede von Herrn Tamblé sagen. Das Ärzteproblem ist im Verteidigungsausschuß ziemlich eingehend diskutiert worden, und es sind Ansätze gemacht worden, die genau in der Richtung gehen, die Sie hier 'zitiert haben. Sie haben, glaube ich, ein bißchen offene Türen eingerannt. Daß die Dinge nicht auf einmal erledigt werden können, ist selbstverständlich. Aber gerade die Verhandlungen im Haushaltsausschuß haben bewiesen, daß sowohl das Parlament wie die Bundesregierung das Problem erkannt haben und sich kontinuierlich, nicht abrupt, um die Verbesserung der 'Situation 'bemühen. Auch hier glaube ich sagen zu können, daß eine Kritik an dem, was gerade au'f diesem Gebiet inzwischen getan worden ist, nicht angebracht ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß ein kurzes Wort zu dem sagen, was Herr Kollege Bausch hier ausgeführt hat. Der Haushaltsausschuß hat gerade diese Frage eingehend geprüft. Er hat erneut ebenfalls den Wunsch ausgesprochen, daß gerade die Mittel für die Freizeitgestaltung und für die staatsbürgerliche Unterrichtung ausgeschöpft werden. Es wurde auch der Auffassung Ausdruck gegeben, daß diese Möglichkeit sicher gegeben sei, wenn nur die Richtlinien anders gestaltet würden.
Damit 'in Zukunft vor allen Dingen für die 'Gestaltung der Freizeit etwas mehr geschehen kann, haben wir die 'Erläuterungen erweitert und die Möglichkeit geschaffen, auch für Soldatenheime diese Mittel zur Verfügung zu stellen.
Ich greife weiter auf, was Herr Tamblé gesagt hat und wozu sich auch Herr Kollege Schultz geäußert hat. Mit der Koalition sind sich wohl alle in diesem 'Hause darüber einig, daß gerade im Sanitätswesen Entscheidendes zu geschehen hat. Fertige Pläne, auch in der Frage der Bewertungen, der Einstufungen, sind vorhanden, und der Haushaltsausschuß wird sich in aller Kürze mit dieser Frage beschäftigen.
Aber, meine Damen und Herren, ich warne davor, wie es bei 'Herrn Tamblé etwas angeklungen ist, Maßstäbe zu setzen, indem man vergleicht, was derjenige der in der Bundeswehr ist, bekommt, und derjenige, der draußen frei praktiziert. Das will ich nicht auf das Sanitätswesen beschränkt wissen, sondern das gilt allgemein. Sie 'kennen ja die großen
Probleme bei den Unteroffizieren, vor allen Dingen bei den Unteroffizieren, die im technischen Bereich tätig sind. Auch dort müssen wir demnächst etwas Entscheidendes tun. Meine Fraktion wird in aller Kürze auch zu diesen Fragen Vorschläge vorlegen, damit dem Ministerium und dem Herrn Verteidigungsminister auch in all diesen Fragen eine gewisse Untersützung durch das Parlament gegeben wird; denn er selbst und sein Haus können diese Fragen nicht allein lösen.
Und eine letzte Bemerkung! Meine Damen und Herren, ich erkenne dankbar an, daß der Herr Kollege Dr. Mommer in einer so freimütigen und deutlichen Form, wie ich es aus dem Munde eines SPD-Sprechers eigentlich noch nicht gehört habe, hier ein Bekenntnis zur Verteidigung abgelegt hat. Das ändert aber noch nichts daran, daß wir heute keine plausible, einleuchtende Begründung für Ihre Stimmenthaltung hörten.
({0})
Wenn Sie, Herr Kollege Berkhan, sagen: Anträge können wir nicht immer stellen, wie wir wollen, - Sie haben in den vergangenen Jahren, vor allem in der Zeit, als Sie immer noch ein klares Nein zum Verteidigungshaushalt sagten, Anträge en masse gestellt.
({1})
Da hatten Sie Ideen, meine Herren, die Sie heute anscheinend nicht mehr haben, oder aber Sie fühlen sich selber nicht wohl und finden nur den Ausweg der Stimmenthaltung. In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, bedeutet das: für die Soldaten keine Mittel.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, die Änderungsanträge sind vorbeschieden. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Haushalt selbst. Es ist, wenn ich recht unterrichtet bin, namentliche Abstimmung beantragt.
({0})
Wird der Antrag unterstützt?
({1})
- Jedenfalls sind es mehr als 50 anwesende Mitglieder des Hauses.
Ich eröffne dann die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 227 und 6 Berliner Abgeordnete, mit Nein 6 Abgeordnete und kein Berliner Abgeordneter, der Stimme enthalten haben sich 165 und 10 Berliner Abgeordnete, insgesamt 398 und 16 Berliner Stimmen. Damit ist der Haushalt des Bundesministers der Verteidigung angenommen.
Ja: 225 und 6 Berliner Abgeordnete
Nein: 6
Enthalten: 165 und 10 Berliner Abgeordnete.
Ja
CDU/CSU
Frau Ackermann
Arndgen
Dr. Artzinger Baier ({0})
Baldauf
Dr.-Ing. Balke Balkenhol
Bauer ({1}) Bauknecht
Becker ({2})
Berberich
Berger
Bewerunge Dr. Bieringer
Fürst von Bismarck
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
Frau Blohm
von Bodelschwingh
Dr. Böhm ({3})
Böhme ({4})
Brand
Dr. Brenck Brese
Brück
Bühler
Burgemeister Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Deringer
Diebäcker Dr. Dittrich Draeger
Dr. Eckhardt Ehnes
Eichelbaum Dr. Elbrächter
Dr. Even ({5})
Exner
Falke
Franzen
Dr. Frey ({6})
Gedat
Gehring
Dr. Gerlich Gewandt
Gibbert
Giencke
Dr. Gleissner
Glüsing ({7})
Dr. Götz
Dr. Gossel Gottesleben Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde Günther
Frau Haas Haase ({8})
Härzschel Häussler
Gräfin vom Hagen
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Hauser Heix
Dr. Hesberg Hesemann
Hilbert
Dr. Höchst
Hörnemann ({9}) Hösl
Holkenbrink
Horn
Dr. Huys
Illerhaus
Frau Jacobi ({10})
Josten
Frau Kalinke
Dr. Kanka
Dr. Kempfler
Frau Klee
Klein ({11})
Dr. Kliesing ({12}) Klinker
Knobloch
Dr. Knorr
Krüger Krug
Kühn ({13}) Kuntscher
Kurtz
Lang ({14})
Leicht Lemmrich
Lenze ({15}) Leonhard
Leukert Dr. Luda
Maier ({16}) Majonica
Dr. Martin
Maucher
Meis
Memmel
Mengelkamp
Menke Mick
Missbach
Müller ({17}) Müller ({18})
Dr. Müller-Hermann Nieberg
Dr. Dr. Oberländer Oetzel
Frau Dr. Pannhoff Dr.-Ing. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Poepke
Porten
Dr. Ramminger
Rasner Rauhaus
Dr. Reinhard
Riedel ({19}) Rollmann Rommerskirchen
Ruf
Scheppmann
Schlee
Dr. Schmidt ({20}) Schneider ({21}) Frau Schroeder ({22}) Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Seffrin
Seidl ({23})
Dr. Serres
Dr. Siemer
Dr. Sinn Spies
Stauch
Dr. Stecker Dr. Steinmetz Stiller
Stooß
Storch
Storm
Struve
Sühler
Teriete
Dr. Dr. h, c. Toussaint Varelmann
Verhoeven Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Vogt
Dr. Wahl
Dr. Weber ({24}) Wehking
Weigl
Weinzierl
Frau Welter ({25}) Wendelborn
Werner
Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt
Ziegler
Dr. Zimmer
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Hübner
Frau Dr. Maxsein
Müller ({26})
Stingl FDP
Burckardt Busse
Dr. Danz
Dr. Dehler Deneke
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Dr. Effertz Dr. Emde Frau Dr. Flitz
({27})
Frau Funcke ({28})
Dr. Hamm ({29}) Hammersen
Dr. Hellige Dr. Hoven
Frau Dr. Kiep-Altenloh Kreitmeyer
Dr. Krümmer
Dr. Löbe
Logemann
Dr. h. c. Menne ({30}) Mertes
Dr. Miessner
Mischnick Moersch
Freiherr von Mühlen Ollesch
Opitz
Peters ({31}) Ramms
Sander
Schmidt ({32}) Schultz
Soetebier
Spitzmüller
Dr. Supf Wächter Walter Zoglmann
Fraktionslos Gontrum
Nein
SPD
Biermann
Brünen Junker Frau Kettig
Matthöfer
FDP
Enthalten
SPD
Frau Albertz
Anders
Arendt ({33}) Auge
Bäuerle Bäumer Bals
Bauer ({34})
Dr. Bechert
Behrendt
Bergmann
Berkhan Beuster
Frau Beyer ({35}) Biegler
Börner
Dr. h. c. Brauer
Bruse
Buchstaller
Büttner Busch
Corterier
Cramer Diekmann
Frau Döhring
Frau Eilers
Frau Dr. Elsner
Dr. Eppler
Eschmann
Faller Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh ({36}) Fritsch
Geiger Gerlach Glombig
Gscheidle
Haage ({37}) Haase ({38})
Vizepräsident Dr. Jaeger
Hamacher Hansing Hauffe
Heide
Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock Herberts
Frau Herklotz
Hermsdorf Herold
Hirsch
Höhmann
({39}) Höhne
Hörauf
Hörmann ({40})
Hufnagel Hussong Iven ({41})
Jacobi ({42})
Jacobs
Dr. h. c. Jaksch
Jürgensen Junghans Kaffka
Kahn-Ackermann
Killat
Frau Kipp-Kaule
Frau Kleinert
Dr. Koch
Könen ({43}) Koenen ({44}) Kohlberger
Kraus
Dr. Kreyssig
Dr. Kübler
Kurlbaum Lange ({45})
Langebeck Lautenschlager
Leber
Lemper
Lücke ({46}) Maibaum Marquardt
Marx
Matzner
Fran Meermann
Merten
Metter
Dr. Meyer ({47}) Meyer (Wanne-Eickell
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller ({48})
Milller (Nordenhaml Muller ({49}) Müller ({50})
fr. Müller-Emmert
Paul
Dr. Pohlenz
Das Wort zur Abgabe einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkläre hiermit nach § 36 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages: Mir ist gestern folgender Brief zugegangen;
Der Bundesminister der Verteidigung Oberstdorf, den 19. Februar 1965
An das
Mitglied des Deutschen Bundestages
Herrn Johann Cramer
Bonn Bundeshaus
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Cramer! Ihren Brief vom 4. Februar 1965 habe ich erhalten. Ich habe auch Kenntnis von dem Schreiben, das Sie am 17. Februar 1965 an Herrn Staatssekretär Gumbel gerichtet haben.
Ich bin bereit, Ihrem Wunsche zu entsprechen.
Meine Äußerung vom 21. Januar 1965 gegenüber Ihrem Fraktionsvorsitzenden Herrn Abgeordneten Erler, daß während der entscheidenden Sitzung des Verteidigungsausschusses über das Flugzeugmuster Transall die Lobby der Konkurrenzfirma Kontakt mit Ihnen gehabt hätte, halte ich nicht mehr aufrecht. Ich nehme sie mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr von Hassel
Dieser Brief, den ich mit Befriedigung zur Kenntnis nehme, verschafft mir die geforderte Genugtuung. Ich betrachte damit die von mir am 27. Januar 1965 an dieser Stelle angesprochene Angelegenheit als erledigt.
({0})
Ich rufe auf
Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen ({0}).
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Krappe ,als Berichterstatterin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu drei Positionen im Haushalt des Bundesministers für Gesundheitswesen Stellung nehmen. Ich habe sie als Berichterstatterin bereits bei den Haushaltsberatungen behandelt, konnte aber wegen der allgemeinen Haushaltslage nicht erreichen, daß hier Erhöhungen vorgenommen wurden. Ich möchte - gleichzeitig im Namen meiner Fraktion - auf diese drei Positionen aufmerksam machen und bitten, daß sie bei der Vorplanung für den Haushalt 1966, die ja in Kürze vorgenommen wird, mehr berücksichtigt werden.
Ich möchte einmal Kap. 15 02 Tit. 571 behandeln: „Darlehen zur Deckung des Nachholbedarfs und zum zeitgemäßen Ausbau freier gemeinnütziger Krankenanstalten sowie zur Deckung des Nachholbedarfs privater Krankenanstalten, die die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen". Hier war ein Programm ausgearbeitet, ab 1960 150 Millionen DM Darlehen zu bewilligen, pro Jahr zirka 25 Millionen DM. Die Darlehen sind unterschiedlich bewilligt worden. Im Haushaltsjahr 1965 stehen nur 18,5 Millionen DM zur Verfügung. Als Restbetrag bleiben
Pöhler
Porzner
Priebe
Ravens
Regling
Dr. Reischl Reitz
Frau Renger Riegel ({0})
Dr. Rinderspacher
Dr. Roesch Rohde
Ross
Frau Rudoll Sänger
Saxowski Dr. Schäfer Frau Schanzenbach
Schlüter
Schmidt ({1})
Dr. Schmidt ({2})
Dr. Schmidt ({3}) Schmidt ({4}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Seibert
Seidel ({5})
Seifriz
Seither
Frau Seppi Seuffert
Dr. Stammberger
Steinhoff Stephan
Striebeck Frau Strobel
Strohmayr Dr. Tamblé Theis
Wegener Welke
Welslau
Weltner ({6})
Frau Wessel Wischnewski Wolf
Frau Zimmermann
({7})
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({8}) Frau Berger-Heise Braun
Frau Lösche
Neumann ({9}) Dr. Schellenberg Dr. Seume
FDP
14 795 000 DM. Wir halten hier ein zweites Programm für dringend notwendig und sind der Auffassung, daß diese Hilfe nicht auslaufen darf. Wenn auch bei einigen oder mehreren Krankenanstalten wirklich das Notwendigste fertiggestellt sein sollte, so fehlen jetzt die Mittel für die Anschaffung moderner Geräte. Man sollte also im Gegenteil überprüfen, ob die Möglichkeit für die Gewährung solcher Darlehen nicht auf kommunale oder überhaupt auf öffentliche Krankenanstalten ausgedehnt werden könnte, weil die Anschaffungen, 'die für neuartige Behandlungsmethoden erforderlich sind, meist die Finanzkraft der Gemeinden übersteigen. Wir halten also ein zweites Programm für dringend notwendig und möchten es dem finanziellen Umfang nach eher vergrößert als gekürzt sehen.
Bei Kap. 15 02 Tit. 610 - Zuwendungen zur Errichtung und Förderung überregionaler Einrichtungen, die vorwiegend der medizinischen Prävention oder Rehabilitation dienen - sind 1,5 Millionen DM in den Haushaltsplan eingesetzt. Hier muß man sich wirklich fragen, wie mit diesen 1,5 Millionen DM geholfen werden soll. Es sind Merkmale vorhanden, in welcher Form die Beteiligung des Bundes erfolgt; aber es gibt keine direkten Merkmale dafür, wann überhaupt Hilfe gewährt wird. Hierzu liegen Anträge aus dem ganzen Bundesgebiet vor. Sieht man sich diese an, stellt man fest, daß sie alle dringlich und wirklich notwendig sind. Wie soll mit 1,5 Millionen DM geholfen werden? Das ist eine Summe, die einfach zu niedrig ist, und wir halten es für dringend erforderlich, Merkmale ) zu erarbeiten, nach denen der Bund verpflichtet ist, solche überregionalen Anstalten zu unterstützen. Deshalb muß vor allen Dingen ein wesentlich höherer Betrag eingesetzt werden; denn die Anträge, die jetzt vorliegen, würden bei dieser Höhe schon die nächsten 12 Jahre binden und gar nichts Neues mehr zulassen.
Dann möchte ich noch auf Kap. 15 02 Tit. 620 - Förderung der Forschung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens - aufmerksam machen. Hier sind in den Haushalt 1965 2 Millionen DM eingesetzt. Auch dieser Betrag ist nach unserer Auffassung zu niedrig. Er müßte mindestens verdoppelt werden. Denn was wird in vielen Ländern gerade für die Forschung ausgegeben? Forschung ist dringend notwendig, um Volkskrankheiten erfolgreich bekämpfen zu können. War es früher Tuberkulose, so sind es heute Herz- und Kreislaufschäden, Krebskrankheiten und andere Krankheiten, die bekannt sind. Zum Teil werden auch neue Krankheiten durch Verunreinigung der Luft und durch die unerhörten Lärmbelästigungen hervorgerufen. Wenn hier im Anfangsstadium geholfen wird, nützt das dem ganzen Volk. Woran sollte ein Staat mehr interessiert sein als daran, seine Bevölkerung gesund zu erhalten. Eine gute Gesundheitspflege erspart dem Staat Geld für Frühinvalidität und für die Pflege chronisch Kranker. Hier kann Sparen unter Umständen sehr teuer sein.
Wir halten es für dringend erforderlich, daß die Beträge für die Forschung erhöht werden, damit hier wirklich eine Vorausschau für die Gesundheit der Bevölkerung geübt werden kann, und wir bitten darum, das jetzt schon bei der Planung für den Haushalt 1966 zu berücksichtigen, weil mir klar ist„ daß angesichts der Haushaltssituation für 1965 eine Erhöhung nicht mehr zu erreichen sein wird.
Daher stelle ich keine finanziellen Anträge für dieses Haushaltsjahr, bitte aber um Überprüfung und Abänderung mindestens ab 1966.
({10})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Krappe hat soeben zum Einzelplan 15 aus der Sicht des Mitglieds des Haushaltsausschusses gesprochen. Gestatten Sie mir nun noch einige allgemeine Bemerkungen zur Gesundheitspolitik der Bundesregierung, insbesondere der Bundesgesundheitsministerin.
Dieses ist der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislaturperiode verabschieden. Es ist daher wohl berechtigt, sich einmal zu fragen: hat eigentlich die Errichtung des Bundesgesundheitsministeriums, die damals, im Jahre 1961, von weiten Kreisen der Offentlichkeit begrüßt wurde, die Erwartungen erfüllt, die man damals daran geknüpft hat?
({0})
Man hoffte damals, daß von einem Ministerium für das Gesundheitswesen neue Impulse ausgehen würden, daß die Ministerin Initiativen ergreifen und im Kabinett der Gesundheitspolitik das Gewicht geben würde, das ihr heute angesichts der Bedrohung durch die schon von meiner Kollegin erwähnten Volks- und Zivilisationskrankheiten wie Krebs und wie die Verschleißkrankheiten des Herzens und des Kreislaufs zukommt. Inzwischen, glaube ich - es ist nicht übertrieben, das zu sagen -, hat eine allgemeine Enttäuschung in der Offentlichkeit Platz gegriffen.
({1})
- Unser Vorwurf, Herr Conring, daß von der Bundesregierung kein Ansatz zu einer vorausschauenden Gesundheitspolitik gemacht worden ist, läßt sich nicht mit dem Hinweis, wie die Frau Ministerin ihn versuchte, auf die Vorlage einiger Gesetze, die zum Teil längst überfällig war, entkräften.
({2})
Die Vorlage etwa des Heilmittelwerbegesetzes war die Erfüllung eines Auftrages noch aus der vorigen Legislaturperiode. Und dieses Haus hat auf Initiative der SPD einen Antrag angenommen, der sehr genaue Richtlinien für ein Krankenpflegegesetz enthielt, die aber vom Ministerium nur so unvollkommen erfüllt worden sind, daß wir jetzt Mühe haben
werden, dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
Gesetzentwürfe, Frau Ministerin, haben wir auch schon vorgelegt bekommen von der damals zuständigen Abteilung des Innenministeriums. Da war sogar die vorige Legislaturperiode ganz besonders ertragreich mit grundlegenden Gesetzen wie dem Bundesseuchengesetz, dem Heilmittelgesetz, dem Arzneimittelgesetz - dem ersten seiner Art in Deutschland -, dem Lebensmittelgesetz und den verschiedenen Berufsgesetzen. Dafür allein bedurften wir doch keines Bundesgesundheitsministeriums.
Und daß die Änderung der Gewerbeordnung, Frau Ministerin, die im Bundestag im Jahre 1959 beschlossen worden ist, sich nun allmählich durch eine Verminderung der Verunreinigung der Luft bemerkbar macht, ist doch eigentlich das Mindeste, was wir damals von dieser Änderung der Gewerbeordnung erwartet haben, und auch kein Verdienst der Bundesregierung. Inzwischen sind drei weitere Vorschläge zur Verminderung der Verunreinigung der Luft aus diesem Hause hervorgegangen, zwei von der SPD, ein dritter interfraktionell. Die Einsetzung des Betrages von 15 Millionen DM aus ERP-Mitteln als Kredite für Anlagen zur Reinhaltung der Luft in den Etat - und hier sind wir durchaus zuständig, Herr Kollege Conring - ist auch nicht sehr überzeugend und ein Tropfen auf den heißen Stein. Man weiß doch, daß eine solche Anlage für ein großes Industriewerk allein fast 5 Millionen DM kostet.
Die Verordnungen - mögen es auch 35 sein - sind eine pflichtgemäße Erfüllung von Gesetzen durch Fachbeamte des Ministeriums.
Frau Ministerin, wenn Sie nun in einer Art Rechenschaftsbericht, den Sie in der letzten Zeit in verschiedenen Presseorganen veröffentlicht haben, versuchen, die „Grundsätze christlich-demokratischer Gesundheitspolitik" zu den „Gesundheitspolitischen Leitsätzen der SPD" in Beziehung zu setzen, so habe ich den Eindruck, Sie verwechseln da die Stellung von Opposition und Regierung.
({3})
Es ist eben Sache der Regierung zu handeln.
Ich darf vielleicht mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:
Fast zwei Dezennien nach ihrer Gründung erst war es der Regierungspartei möglich, einen Gesundheitspolitischen Kongreß auf die Beine zu stellen.
Und ein anderes Ärzteblatt, das keineswegs der SPD nahesteht, schreibt:
Es zeigt sich ganz einfach, daß das komplexe Thema Gesundheitspolitik auf einem Kongreß nicht einmal erfaßt, geschweige denn durchleuchtet und aufbereitet werden kann.
- So weit Stimmen aus der Offentlichkeit.
({4})
Nun, est stört uns nicht, daß auch die CDU aus den verschiedenen gesundheitspolitischen Kongressen, die wir abgehalten haben, profitiert hat. Ich meine, vernünftige Gedanken werden zum Glück allmählich Allgemeingut. Wie aber die Reaktion Ihrer Fraktion zum Beispiel auf unseren erstmaligen Vorschlag 1961 war, etwas für die Reinhaltung der Luft zu tun, darauf hat mein Kollege Erler schon neulich hingewiesen.
Aber wie sieht es nun mit Theorie und Praxis aus? Wo zeigt die Gesundheitspolitik auch nur Ansätze zur Durchführung der von der CDU selbst geforderten Maßnahmen? Wo ist das klare und übersichtliche Lebensmittelrecht? Auch eine Erneuerung des Lebensmittelstrafrechts war uns am Anfang der Legislaturperiode versprochen worden. Kompetenz des Bundes, Herr Conring! Was hat die Ministerin getan, um den Schutz des Menschen vor Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsschäden zu verbessern? Was ist geschehen, auch nur im Ansatz - man verlangt ja nicht gleich Durchführung aller Maßnahmen bis zur letzten Vollkommenheit -, um die Rehabilitation nach Unfällen und nach langdauernden Krankheiten auf den Stand anderer westlicher Staaten zu bringen? Gibt es irgendwo ein Anzeichen, daß die Ministerin angesichts der hohen Zahl von Verkehrsunfällen der Verkehrspolitik der Bundesregierung einen „gesundheitspolitischen Akzent" gegeben hat?
({5})
- Ich zitiere hier! - Und welches Gewicht haben eigentlich die Ratschläge von Wissenschaftlern, auf deren Mitarbeit, 91 an der Zahl, die Ministerin besonders hingewiesen hat?
Die einhellige Meinung der Wissenschaftler und der Ärzte - und hier ist es nicht notwendig, etwas erst noch auf den neuesten wissenschaftlichen Stand zu bringen - geht dahin, daß das Fehlen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen mit eine der Ursachen für den immer noch zu hohen Stand der Mütter- und Säuglingssterblichkeit bei uns ist. Warum ist der Gesetzentwurf der SPD im Ausschuß für Arbeit nicht vordringlich behandelt worden? Man kann es doch nur als unverantwortlich bezeichnen, wenn die so dringend notwendigen Vorsorgeuntersuchungen nicht in Gang kommen, obgleich sie längst hätten eingeführt werden können, nur weil man auf einen Entwurf der Bundesregierung wartet, der - zuletzt sollte er im Januar erscheinen - immer noch nicht da ist. Wir wissen - das bestreitet niemand mehr -, daß allgemeine Vorsorgeuntersuchungen ein sehr gutes Mittel sind, um die heute im Vordergrund stehenden Krankheiten hintanzuhalten. Wo ist denn da eine sichtbare Einflußnahme der Bundesgesundheitsministerin auf das Gesetz zur Krankenversicherungsneuregelung? Warum drängt sie nicht darauf, daß wenigstens die gesundheitlichen Verbesserungen endlich durchgeführt werden, nachdem das Gesetz selbst auf Eis gelegt ist und die Koalition sich darüber wohl ziemlich hoffnungslos zerstritten hat?
Meine Kollegin Frau Krappe hat auf das Auslaufen der Mittel für den Nachholbedarf der gemeinnützigen Krankenhäuser hingewiesen. Wir waren immer der Meinung, diese Mittel hätten auch den kommunalen Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber nun laufen sie überhaupt
allmählich aus. In der ganzen Welt steigen die Kosten für Krankenhäuser, und sie werden auf Grund der wissenschaftlichen Fortschritte weiter steigen. Diese Belastung können Länder und Gemeinden auf die Dauer nicht allein tragen, wenn wir nicht allmählich ein unerträgliches Gefälle in der Bundesrepublik haben wollen. Welche Gedanken hat sich die Ministerin gemacht, um unsere Krankenhäuser auf eine sichere finanzielle Grundlage zu stellen? Es geht doch nicht an, sich hier nur über die Kompetenz zu unterhalten. Auf diesem Gebiet sollte es auch so etwas wie eine Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben, und es stünde der Bundesgesundheitsministerin gut an, dabei die Initiative zu ergreifen.
({6})
Die Regelung der ärztlichen Ausbildung und Prülung gehört zur Kompetenz des Bundes. Die Ausbildungsordnung könnte durchaus richtungweisend sein bezüglich einer Reform unseres Medizinstudiums. Eine solche Reform ist notwendig. Uns Abgeordneten ist die Verordnung nicht vorgelegt worden. Jene Kreise in der Öffentlichkeit, denen sie zugeleitet worden ist, haben eine so heftige Kritik daran geübt, daß der Entwurf zurückgezogen worden ist. Wie ich gehört habe, hat man nun wohleinen neuen Entwurf bis zur Referentenentwurfreife gebracht. Hat man da die Vorschläge ,der leitenden Medizinalbeamten der Länder berücksichtigt? Welche eigenen Vorstellungen hat die Bundesregierung überhaupt von dieser ärztlichen Ausbildung?
Dieselbe Konzeptionslosigkeit wie hier zeigt sich auch bei den Forschungsaufträgen des Bundesgesundheitsministeriums. Fast 2 Millionen DM auf etwa 30 Forschungsvorhaben verteilt kann doch nicht die notwendige Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen sein. Frau Krappe hat schon auf die Notwendigkeit einer planmäßigen und umfassenden Forschung hingewiesen. Wir brauchen ein weit gespanntes, gezieltes Forschungsprogramm über längere Zeitspannen.
Als die Infektionskrankheiten im Vordergrund standen, wurde einst das Robert-Koch-Institut für Infektionskrankheiten geschaffen. Heute haben wir im Bundesgesundheitsamt drei Forschungsinstitute. Ich muß fragen: welche Anstrengungen hat die Bundesgesundheitsministerin gemacht, um das Bundesgesundheitsamt so auszustatten oder zu erweitern, daß es die heutigen notwendigen Forschungsaufgaben erfüllen kann?
Wo gibt es überhaupt auch nur den Versuch einer Bestandsaufnahme . des Gesundheitszustandes unserer Bevölkerung? Wir wissen doch immer nur Einzelheiten. Wir müssen doch einmal etwas klarer sehen - z. B. auf Grund von Repräsentativuntersuchungen, die in anderen Ländern längst durchgeführt werden -, wie es um den Gesundheitszustand unserer Bevölkerung bestellt ist, über den wir zunehmend besorgniserregende Einzeltatsachen hören. Gerade heute bringt Associated Press eine Meldung nicht nur von einem Kongreß, sondern auch über eine Bekanntgabe von seiten der Bundeswehr über den Gesundheitszustand bei den Musterungen, die uns doch allzusehr recht gibt. Man sollte das einmal durchdenken.
Die SPD sieht in den Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung der Gesundheit und im Kampf gegen die Zivilisationskrankheiten eine zentrale Aufgabe unserer Innenpolitik, die in einem eigenen Ministerium innerhalb der Bundesregierung auch Rang und Gewicht haben sollte.
Angesichts der Entschlußlosigkeit der Frau Ministerin und des Mangels jeglicher eigenen Initiative sehen wir uns gezwungen, den Einzelplan 15 abzulehnen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprecherin der SPD-Fraktion hat gesagt, daß der Schutz und die Erhaltung der Gesundheit ein zentrales innenpolitisches Problem ist. Frau Kollegin Hubert, das unterstützen wir Buchstabe für Buchstabe. Die Zielsetzung, die wir hier in diesem Hause haben, dürfte in keiner Weise variieren; denn jeder, der hier im Parlament Sitz und Stimme hat, wird natürlich Wert darauf legen, daß die Gesundheit des deutschen Volkes als ein zentrales Problem behandelt wird.
Frau Kollegin Hubert, Sie haben die Frage gestellt, ob es berechtigt gewesen sei, bei der letzten Kabinettsbildung im Jahre 1961 ein eigenes Gesundheitsministerium zu gründen. Ich glaube, auf diese Frage können wir nur mit einem Ja antworten. Wenn Sie in die Verlegenheit kämen, die Regierung zu bilden, würden Sie wohl, wie ich Ihren Veröffentlichungen entnehme, an diesem Gesundheitsministerium selbstverständlich festhalten.
Sie haben die Frage gestellt: Hat sich das Gesundheitsministerium, so wie es seit 1961 im Aufbau ist und besteht, bewährt? Ich möchte Ihnen, Frau Kollegin Hubert, sagen: Wir von der CDU/ CSU-Fraktion sind der Ansicht, daß das Bundesgesundheitsministerium unter der Leitung der Frau Ministerin Dr. Schwarzhaupt wertvolle Arbeit geleistet hat.
({0})
Es ist leicht, Frau Dr. Hubert, hierherzukommen, und an allem zu mäkeln. Ich habe aus Ihren Ausführungen kein einziges Wort des Positiven gehört; ich habe nur Kritik gehört,
({1})
und ich weiß nicht, ob Sie damit richtig beraten waren, daß Sie als Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses in derartig negativer Weise mit dem Bundesgesundheitsministerium zu Gericht gegangen sind.
({2})
Ich möchte von dieser Stelle aus der Frau Gesundheitsministerin und ihrem ganzen Hause ein8336
mal den herzlichsten Dank für diese wertvolle Arbeit zum Ausdruck bringen.
({3})
Herr Abgeordneter Dittrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert?
Herr Kollege Dittrich, sind Sie nicht der Meinung, daß es nun einmal die Aufgabe der Opposition ist zu kritisieren?
({0})
Frau Kollegin Hubert, wir könnten uns über die Aufgabe der Opposition sehr lange unterhralten, unid ich möchte Ihnen raten, unis auf anderen Gebieten die Alternativen zu bringen, die eine Opposition eigentlich bringen müßte. Zum Teil erfüllen Sie - wenn Sie mich schon fragen - leider die Aufgaben der Opposition nicht in vollem Maße,
({0})
und zwar deshalb nicht, weil Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemkratischen Fraktion, mehr oder weniger - ({1})
- Augenblick, ich komme gleich auf Ihre Einwände zurück, soweit ich sie überhaupt verstehen kann. Ich wollte den Gedanken nur noch zu Ende führen und zum Ausdruck bringen, daß Sie weitgehend - das bezieht sich nur auf die Frage der Frau Dr. Hubert - die Aufgaben der Opposition verkannt haben und nicht erfüllen.
({2})
Allein mit einer negativen Kritik sollten Sie hier von diesem Pult aus keinesfalls Opposition betreiben.
({3})
Eine Zwischenfrage!
Herr Kollege Dittrich, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß die erste Stufe der Kritik darin besteht, .eine Analyse zu geben unid festzustellen, ob das, was gemacht worden ist, den Anforderungen genügt oder nicht, unid daß es dann die zweite Stufe ist, Vorschläge zu machen, daß Sie aber zwischen beiden Stufen Idas Recht halben, sich zu äußern?
({0})
Herr Schäfer, so weit, so richtig. Ich gebe Ihnen mit Ihrer Fragestellung völlig recht, ich beantworte diese Frage mit Ja. Aber auf die Aufzeigung des Negativen müßten auch Vorschläge kommen, wie wir weiterfahren und weiter arbeiten können.
({0})
- Herr Kollege Schafer, ich möchte jetzt meine Ausführungen zu Ende bringen. Ich habe auch ,nicht vor, 'ein langes Referat zu halten. Ich beantworte Ihre Frage im Augenblick nicht, 'weil die erste Frage mir schon gezeigt hat, daß sie nicht von so grundsätzlicher 'Bedeutung ist, daß ich sie beantworten möchte.
({1})
- Nein, Ida kennen wir uns doch viel zu lange, als daß Sie meinen könnten, ich würde diese Frage von Ihnen ails peinlich empfinden.
Wir müssen einmal untersuchen, wieweit die Kompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Gesundheitswesens überhaupt geht. Hier kommen wir leider zu dem Ergebnis, daß in unserem Grundgesetz - Artikel 74 Ziffern 19 und 20 - die Kompetenz nicht allzu weit gesteckt ist.
({2})
Das müßten auch die Damen und Herren der SPD-Fraktion erkennen; auch sie würden ja, würden sie an unserer Stelle in der Regierung sitzen, über diese Kompetenz nicht hinausgehen können.
Das Gesundheitswesen ist eine Angelegenheit des Bundes, der Länder und der Gemeinden, soweit sich der Staat überhaupt um die Gesundheit der Menschen in allen Einzelheiten zu kümmern hat. Hier komme ich auf den Aufsatz „Staatliche Gesundheitspolitik und ihre Grenzen" der Frau Ministerin zu sprechen, den Sie auch angezogen haben. Darin führt die Frau Ministerin richtig aus: „Es ist keineswegs selbstverständlich, daß der Staat Aufgaben in Gesundheitsfragen zu erfüllen hat; allerdings" - so fährt die Ministerin fort - „umfaßt seit Jahrhunderten die Verantwortung des Staates für das Wohlergehen der Bürger auch das gesundheitliche Wohl." Ich sage also: Bund, Länder und Gemeinden sind für die Gesundheit unserer deutschen Menschen verantwortlich.
Hier möchte ich Ihnen, Frau Dr. Hubert, eine Antwort auf Ihre Forderung nach einer umfassenden Gesundheitspolitik der Bundesregierung geben. Die aufgezeigten Schwierigkeiten sind also vorhanden. Es ist aber festzustellen, daß ausgerechnet die Länder, die von der SPD regiert werden, uns die größten Schwierigkeiten bei den Fragen dieser Bundeskompetenz machen.
({3})
Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren, an das Jugendzahnpflegegesetz, ich erinnere Sie an das Wasserstraßenreinhaltegesetz,
({4})
die zu Fall kamen, weil die SPD-regierten Länder die Kompetenz des Bundes bestritten haben.
({5})
- Beim Wasserstraßenreinhaltegesetz ist ausgerechnet das Land Hessen zum Bundesverfassungsgericht gegangen,
({6})
um dort dieses Gesetz zu Fall zu bringen.
({7})
Es ist bezeichnend, daß uns die Opposition vorwirft, wir täten auf diesem Gebiet nicht genügend. Andererseits versucht sie alles, gerade dieser Bundesgesundheitsministerin Prügel zwischen die Beine zu werfen.
({8})
Das ist ein Ding, das nicht gut geht.
Frau Dr. Hubert hat ausgeführt, daß neue Impulse gegeben werden müßten. Frau Dr. Hubert, natürlich müssen Impulse im Rahmen der Kompetenz gegeben werden. Ich kann aber nicht bestätigen, daß von diesem Bundesgesundheitsministerium keine Impulse gekommen seien. Wir müssen bei einem Ministerium die Generallinie und die Einzelarbeit unterscheiden. Sie können diesem Hause nicht vorwerfen, daß es nichts getan habe. Es hat eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen herausgebracht, die im Rahmen der Gesundheitspolitik eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen haben. Es wäre für mich verlockend, Frau Dr. Hubert, diese Liste, die mir zur Verfügung steht, vorzulesen;
({9})
aber ich befürchte, ich würde das Haus langweilen, wenn ich das täte. An der Gesetzgebungsarbeit des Ministeriums zeigt sich, daß das Ministerium seine Aufgabe in vorzüglicher Weise erfüllt hat; es hat keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.
Frau Dr. Hubert, Sie haben verschiedenes angesprochen. Natürlich sind die Umwelteinflüsse wesentlich, und wir müssen darauf reagieren.
Ich sage noch einmal: nicht nur der Bund muß reagieren, die Länder und die Gemeinden müssen mithelfen. Daß die Frau Ministerin nicht Kontakt mit den Ländern und auch mit den Kommunen gepflegt hätte, das können Sie ihr zuallerletzt vorwerfen, Frau Kollegin Dr. Hubert, denn das hat sie in der Tat getan. Denken Sie an die Fragen der Luftreinhaltung, denken Sie an die Wasserreinhaltung, denken Sie an die Lärmbekämpfung. Das sind Aufgabengebiete, die die Ministerin angegriffen hat, die sie aber nicht allein im Rahmen der Bundeskompetenz bearbeiten kann. Sie hat technische Anleitungen zur Reinhaltung der Luft erlassen.
({10})
Sie gibt den Gewerbeaufsichtsämtern Handhaben, schädliche Emissionen zu verhindern oder einzudämmen. Das Gesetz über Vorsorgemaßnahmen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung will diesen Gefahren von den Emissionen her begegnen. Wir haben uns mit den Kraftwagengasentgiftungen befaßt. Wir haben auf dem Gebiet der Wasserreinhaltung gearbeitet. Wie Sie wissen, Frau Kollegin Hubert, sind wir gegenwärtig daran - durch einen interfraktionellen Antrag, der vorbereitet wird und der vor allem auf die wertvolle Arbeit des Interparlamentarischen Arbeitskreises zurückgeht -, dem Baulärm und dem Verkehrslärm in besonderer Weise zu begegnen. Wir haben Untersuchungen über den Fluglärm gemacht. Wir wissen, daß diese Aufgaben wichtig sind, daß aber eine Lösung der Probleme auf nicht geringe Schwierigkeiten stößt, die Sie wahrscheinlich in derselben Weise gehabt hätten, säßen Sie auf dem Stuhl dieser Ministerin.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hubert?
Bitte.
Herr Kollege Dittrich, sind Sie sich nicht darüber klar, daß alles das, was Sie anführen, auch schon von einer Gesundheitsabteilung des Innenministeriums gemacht worden ist, und meinen Sie, daß wir für die Verordnungen, von denen man als Nichtfachmann gar nicht so viel versteht, eine Bundesgesundheitsministerin brauchen?
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin Dr. Hubert, natürlich hat das Gesundheitsministerium die Arbeit der Abteilung des Innenministeriums fortgesetzt. Es wäre ja auch falsch und unsinnig, wollte man auf diesen Ergebnissen von jahrelangen Arbeiten nicht aufbauen. Das wäre doch nicht richtig. Mit diesem Argument können Sie doch nicht kommen, daß auch schon früher auf diesem Gebiet etwas geschehen sei.
Aber ich sage Ihnen eines, Frau Dr. Hubert: die Bedeutung des Gesundheitswesens ist erkannt. Es gibt heute - das führt Sie nämlich dazu, dieses Problem ganz besonders anzusprechen - kein populäreres Thema als das der Gesundheitspflege und der Gesundheitserhaltung. Es gibt innenpolitisch kaum ein bedeutenderes Thema, das den einzelnen so sehr berührt. Deshalb versuchen Sie ja, sich um diese Dinge zu bemühen. Sie haben Kongresse gemacht, wir haben Kongresse gemacht und haben damit der Offentlichkeit kundgetan, für wie wichtig wir dieses Thema halten. Das sollte man aber erkennen und sollte nicht so verfahren, als wären diese Wege des Gesundheitsministeriums und der Koalition falsch und Ihre Wege allein die richtigen.
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Das tun Sie auch auf diesem Gebiet, ebenso wie Sie es auf dem vorhergehenden Gebiet der Verteidigung getan haben, aus Popularitätsgründen, mit dem Ziel, im Wahljahr möglichst viele Menschen in Ihrem Sinne günstig anzusprechen. Vergessen wir aber nicht, daß es nach dem Krieg zunächst erforderlich war, die Wirtschaft in Schwung zu brin8338
gen, und daß wir jetzt daran sind, den Umwelteinflüssen zu begegnen.
Nun darf ich mich mit einem sehr ernsten Teilproblem Ihrer Ausführungen beschäftigen, das ist der Mutterschutz. Darauf muß ich eine Antwort geben, Frau Dr. Hubert, weil die Zahlen, die uns zugänglich gemacht worden sind, in der Tat besorgniserregend erscheinen. Die internationalen Vergleiche aber begegnen Bedenken insofern, als die Grundlagen der Statistik in den einzelnen Ländern verschieden sind. Ich will nichts gegen die Statistik sagen. Aber die Grundlagen sind meines Erachtens nicht richtig.
Daß wir unter den Folgen des zweiten großen Weltkrieges auch auf dem Gebiet der Säuglingssterblichkeit zu leiden haben, mögen Ihnen folgende Zahlen zeigen. Wir hatten béi 1000 Geborenen 1946 eine Sterblichkeit von 96,9. Sie betrug im Jahre 1951 53,1, im Jahre 1960 34, 1961 31,9, 1962 29,2, 1963 27,1. In den ersten drei Quartalen des Jahres 1964 betrug sie 27,2, 25,3 und 24. Sie sehen aus diesen Zahlen, wie sehr wir unter den Folgen des Krieges auch auf diesem Gebiet zu leiden hatten und wie sehr sich die Zahl der Säuglingssterblichkeit verringert hat, je weiter wir von den Kriegserscheinungen weggekommen sind und je mehr wir für den Mutterschutz tun.
Nun wissen wir, daß der SPD-Entwurf zu den Fragen des Mutterschutzes vorliegt. Wir erkennen aber auch, daß dieser Entwurf entweder zum Teil unserer Konzeption nicht entspricht oder Mängel hat, so daß wir ihn nicht als Gesetz wünschen. Wir sind daran - Frau Kollegin Dr. Hubert, das wissen Sie ganz genau -, die Frage der Vorsorgeuntersuchungen in Angriff zu nehmen. Das wird noch in dieser Periode geschehen. Da können Sie ganz sicher und auch beruhigt sein. Hier hat auch die Frau Ministerin Initiativen ergriffen und wird uns in nächster Zeit einen Entwurf vorlegen, der allerdings von einer anderen Auffassung ausgeht, als Sie sie mit Ihrem Entwurf vertreten.
Frau Abgeordnete Korspeter möchte eine Zwischenfrage stellen.
Bitte schön.
Herr Dr. Dittrich, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Frau Gesundheitsministerin selbst zugegeben hat, daß wir eines der Länder mit hoher Mütter- und Säuglingssterblichkeit sind? Würden Sie uns vielleicht auch noch verraten, wann das Hohe Haus mit der Vorlage des Mutterschutzgesetzes der Bundesregierung rechnen darf? Unseres Erachtens ist es unverantwortlich, daß wir so lange auf eine solche Vorlage warten müssen.
Die erste Frage, die Sie an mich gerichtet haben, ob die Gesundheitsministerin hinsichtlich des' internationalen Vergleichs zum Ausdruck gebracht hat, daß die Zahlen der Säuglingssterblichkeit bei uns nicht gering sind, beantworte ich mit Ja. Die zweite Frage, die Sie mir gestellt haben, wann mit der Vorlage des Mutterschutzgesetzes seitens der Regierung zu rechnen ist, beantworte ich Ihnen dahin gehend, daß wir zunächst die Frage der Vorsorgeuntersuchungen lösen wollen. Mit dieser Entscheidung in unserer Fraktion werden Sie schon in den nächsten Tagen rechnen können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Rudoll?
Herr Dr. Dittrich, ist Ihnen entgangen, daß Sie, wenn Sie es gewollt hätten, im Ausschuß bei der Behandlung der SPD-Vorlage zum Mutterschutzgesetz jede Gelegenheit zu einer Änderung gehabt hätten, Ihrer Mehrheit entsprechend? Warum verzögern Sie dann die Weiterbehandlung im Ausschuß über zwei Jahre?
Frau Kollegin, mir ist klar, daß wir hier in Ihrem Rahmen hätten tätig werden können. Aber ich sage Ihnen ja: unsere Konzeption ist eine andere als Ihre Konzeption. Sie wollen eben alles dem Staat aufladen und stellen Förderungen, die der Staat einfach nicht erfüllen kann und nicht erfüllen darf.
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- Meine Damen und Herren, ich möchte diese Debatte nicht allzusehr ausdehnen. Ich 'beantworte Ihre Frage jetzt nicht.
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- Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich möchte diese Debatte nicht allzusehr ausdehnen. Ich möchte nur versuchen, sie zu straffen und in aller Kürze Antwort zu geben auf das, was Frau Dr. Hubert gesagt hat, wobei mir gar nicht möglich ist, im Rahmen der Zeit, 'die ich mir gesetzt habe, alles zu beantworten, was sie angeschnitten hat. Ich nehme an, daß das auch nicht in allen Einzelheiten notwendig ist, aus dem 'einfachen Grunde, weil die Kritik der Frau Dr. Hubert eine rein negative war, ohne 'konstruktiv 'zu sein.
Ich möchte 'zum Ausdruck bringen, daß wir von der CDU/CSU-Fraktion die Arbeit 'dieses neuen Bundesgesundheitsministeriums begrüßen und daß wir diese Arbeit als eine erfolgreiche angesehen haben. Deshalb schulden wird der Ministerin und den Beamten und Angestellten ihres Hauses den herzlichsten Dank.
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- Wenn Sie es haben wollen, sage ich es noch zum drittenmal.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. 'Hamm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der fortgeDr. Hamm ({0})
schrittenen Zeit kann ich es mir nicht versagen, nicht nur zu den Äußerungen der Vorredner zum Einzelplan 15 etwas zu sagen, sondern auch auf die Ausführungen einzugehen, die der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Kollege Erler, zum Einzelplan 04 hinsichtlich der Gesundheitspolitik gemacht hat.
Ich bin nicht so verwegen, zu behaupten, daß in dem neuen Ministerium alle Initiativen wahrgenommen worden seien.
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Ich bin aber auch nicht so verwegen, zu behaupten, daß alles, was dort gemacht worden sei, eigentlich gar nicht eines Gesundheitsministeriums bedurft habe. Gerade wenn wir uns über Gesundheitspolitik unterhalten, die ja aus der Parteipolitik und aus dem parteipolitischen Streit ihrer Natur nach etwas herausgehoben sein sollte, ist es notwendig, daß wir das in einem sachlichen Rahmen tun. Dann müssen wir alle 'einräumen, daß uns die Bekämpfung der modernen Gefahren für die Gesundheit sehr spät in ihrer Bedeutung aufgegangen ist. Wir hatten nach dem Zusammenbruch sehr viel damit zu tun, unsere wirtschaftliche und soziale Situation zu konsolidieren. Es waren nur einzelne Warner, die frühzeitig auf die Gefahren der modernen Umwelt hingewiesen haben.
Herr Kollege Erler hat ausgeführt, die SPD sei nach 1961 verhöhnt worden, weil sie vom blauen Himmel - 'so hat er es wohl gemeint - über dem Ruhrgebiet gesprochen habe. Ich muß Ihnen sagen: als unser damaliger Parteivorsitzendèr, Reinhold Maier, im Laufe der zweiten Legislaturperiode dieses Hauses auf die Gefahren der Bodenverunreinigung, der Wasserverunreinigung, der Luftverunreinigung und der Lärmbekämpfung hinwies, ist er in allen Fraktionen dieses Hauses, abgesehen von seiner eigenen, auf ein leichtes Schmunzeln und auf weitgehendes Unverständnis gestoßen.
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- Vielleicht lassen Sie mich das einmal ausführen. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie können gleich eine Frage stellen, wenn ich meinen Gedankengang zu Ende geführt habe.
Aber wenn es darum geht, wer etwas getan hat, meine Damen und Herren, dann waren wir es, nicht nur 1956. Die FDP hat als erste einen Gesundheitskongreß vor der Bundestagswahl 1961 abgehalten, als .die anderen Parteien an eine Gesundheitskonzeption, die inzwischen recht modern geworden ist, noch gar nicht dachten.
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Ich will mich nicht weiter darüber auslassen, Herr Kollege Schäfer, daß Sie gut daran täten, bevor Sie den Regierungsparteien ein Versagen zur Last legen, bei Ihren eigenen Landesregierungen anzuklopfen und sie zu ermahnen, in dem Streit der Kompetenzen die Gesundheitspolitik nicht zu kurz kommen zu lassen. Sie erinnern sich an das Gesetz über die Reinhaltung der Bundeswasserstraßen - schon genannt - und an den, ich kann es nicht anders sagen, traurigen Vorgang, der sich um das Jugendzahnpflegegesetz im Bundesrat abgespielt hat.
Wir sind alle der Meinung, meine Damen und Herren, es ist sehr viel zu tun. Es sind echte Aufgaben des Staates vorhanden, denen der einzelne nicht gewachsen ist. Es geht nicht nur um die Verstärkung der Seuchenbekämpfung und die Bekämpfung der Umweltgefahren, es geht auch um die Bekämpfung und die Vorsorge gegen Abnutzungskrankheiten. Ich unterstreiche das, was Frau Kollegin Krappe gesagt hat: daß insbesondere die Mittel für die Forschung im 'Haushalt ab 1966 erhöht werden sollten und daß die Rehabilitationseinrichtungen einer etwas großzügigeren Unterstützung als bisher bedürfen. Ich kann mich auch nicht dem Einwand verschließen, daß der Etat für das Gesundheitsmuseum eine Erhöhung um 120 000 DM erfahren hat, während eine Kürzung der Mittel für die Einrichtung privater und gemeinnütziger Art erfolgt ist, die sich um die Bekämpfung der Suchtgefahren bemühen.
Aber nun ein anderes, Sie haben der Regierung nicht nur, Herr Kollege 'Erler - und ich glaube, auch bei Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Hubert, ist es zum Ausdruck gekommen -, ein Versagen bei diesen gemeinsamen Aufgaben, diesen allgemeinen Gesundheitsproblemen vorgeworfen, denen wir gegenübergestellt sind und bei denen es gar keinen Streit gibt, inwieweit und daß der Staat hier wesentlich mitwirken muß. Es ist auch der Vorwurf erhoben worden, insbesondere vom Herrn Kollegen Erler, daß ein Versagen der individuellen Gesundheitsbetreuung auf seiten der Regierungsparteien und der von ihnen getragenen Regierung vorliege.
Es ist unbestritten, daß eine Mithilfe des Staates auf diesem Gebiet bei besonderen Personengruppen notwendig ist. Das gilt sowohl für das Jugendarbeitsschutzgesetz als auch für das Mutterschutzgesetz, das gilt für das Jugendzahnpflegegesetz, obwohl bei diesem Vorhaben nicht die Sache selbst, aber die Wege zur Verwirklichung schon recht problematisch sind. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, wir sollten uns davor hüten, eine sinnvolle Zurückhaltung staatlicher Gesundheitspolitik auf dem übrigen Gebiet der individuellen Gesundheitsbetreuung als politisches Versagen und jedes Drängen auf staatliche Regelung als Ausdruck besonderer gesundheitspolitischer Verantwortung zu sehen.
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Es gibt weder eine sonstige noch eine staatliche Garantie der Gesundheit. Wenn man bedenkt, daß die Inanspruchnahme im modernen Leben, insbesondere auch am Arbeitsplatz und im Verkehr, vielleicht gesundheitsgefährdender ist als früher, wenn man weiterhin bedenkt, daß wir die höhere Lebenserwartung mit einer zusätzlichen Krankenziffer in den höheren Lebensaltersstufen bezahlen müssen, bleibt es doch ein Paradoxon, daß trotz des Fortschritts der Medizin und trotz des Zurückgehens der schweren Krankheiten, trotz der Verbesserung der modernen Hygiene die Kosten Ifür die Gesund8340 Deutscher Bundestag - 4. Wahrperiode - 1'67. Sitzung. Borin, Mittwoch, d'en 24. Februar 1965'
Dr. Hamm ({5})
erhaltung und Heilung in unserem Lande ständig steigen. Das sollte uns zum Nachdenken veranlassen. So einfach liegen die Dinge nicht,. daß man eine Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung auch bei höheren Einkommen kurzerhand als Mißtrauen gegenüber einem fleißigen Volk und seinen Ärzten abtun könnte. 'Es gilt im Interesse der Gesundheit die richtige Synthese zu finden, den Kranken den Weg zum Arzt zu erleichtern,
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ohne ihn durch die Absicherung des letzten Risikos staatlicherseits zu einem Verhalten zu verführen, das letzten Endes seiner Gesundheit abträglich ist. Der Perfektionismus, der das Gesundheitsgewissen des einzelnen schwächt, ist, ich glaube, darüber gibt es keinen Zweifel, der Gesundheit abträglich. Ich frage mich, ob man auf Ihrer Seite die richtige Synthese zu suchen sich bemüht. Der Mensch ist eben kein Auto, das zur Inspektion gebracht wird und durch Auswechseln von defekten Teilen repariert werden kann.
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Wir sollten uns bei allen Maßnahmen bewußt werden, daß derjenige am meisten für die Gesundheit der Menschen tut, der die persönliche Einstellung zur Gesunderhaltung und Heilung stärkt und mit vorsichtiger Hand abwägt, von wo ab der einzelne in der Sorge für seine Gesundheit überfordert ist.
Wir sollten auch die Personen und Einrichtungen, die der Gesundheit dienen, in ihrer Tätigkeit schiltzen. Es kommt nicht von ungefähr, meine Damen und Herren, daß immer wieder behauptet wird, der moderne Arzt befinde sich auf dem Wege zum Funktionär der Leistungsgesellschaft, und es gehe ihm nach und nach seine ursprüngliche und allein richtige Aufgabe verloren, dem leidenden Menschen in Notlagen ein Helfer zu sein.
Das gilt auch für die Krankenanstalten. Vorhin ist gesagt worden, man sollte ein zweites Programm der Darlehenshilfe einleiten. Ich persönlich bin dafür, meine Damen und Herren von der Opposition. Damit ist aber das Problem nicht gelöst.
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Uns kommt es darauf an, daß die Krankenanstalten die Geldmittel erhalten, die sie brauchen, um ihre Aufgabe erfüllen zu können, und zwar über den Preis, über das gerechte Entgelt. Es geht nicht an - und damit wende ich mich an die Regierung -, daß ein Zuständigkeitsstreit über die Novellierung der Bundespflegesatzverordnung dazu führt, daß die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger ausgerechnet auf dem Rücken der Krankenhausträger ausgetragen wird. Die wirtschaftliche Leistungsfähgikeit der Sozialversicherungsträger muß auf andere Weise sichergestellt werden, aber nicht zu Lasten der Krankenhäuser. Eine Novellierung darf nicht deshalb unterbleiben, weil man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenversicherungsträger weiterhin als einen wesentlichen Gesichtspunkt in der Regelung der Bundespflegesatzverordnung beibehalten will.
Meine Damen und Herren, diese gesundheitspolitische Auffassung wird gestützt durch die Notwendigkeit, eine Gesundheitserziehung und eine gesundheitliche Aufklärung durchzuführen. Was nutzt die beste Vorsorgemaßnahme, wenn wir die Leute nicht dazu bekommen? Es ist also notwendig, daß wir unsere Bürger über Gesundheit und ihre Er-. haltung aufklären. Ich bin mir bewußt, daß das eine sehr schwierige Aufgabe ist. Unsere Menschen schauen viel lieber einem Fußballspiel in einem großen Stadion zu, als sich selber im Sport zu betätigen. Die Erziehung zur gesunden Lebensweise muß nach meinem Dafürhalten in der Jugend beginnen; denn gerade die Jugendlichen sind noch empfänglich für eine Anleitung zur gesunden Lebensführung. Es ist verspätet, wenn erst die Erwachsenen aufgeklärt werden. Dazu ist nicht nur der Sport in der Schule in großem Umfange notwendig, sondern da liegt auch eine echte Aufgabe der Lehrer im Zusammenwirken mit den Ärzten.
Dazu gehört auch - lassen Sie mich ruhig dieses Thema einmal anschneiden - die Sexualerziehung, die, in einer richtigen Weise durchgeführt, eine Vorbereitung auf das Erwachsensein und auf die Familie bedeuten soll. Es ist ein Zeichen der Charakterstärke eines Lehrers, wenn er es wagt, frühzeitig auf die darin liegenden Gefahren hinzuweisen, ohne daß er deshalb in eine Art Pharisäertum verfallen darf.
Als ich vorhin die Ausführungen der Frau Kollegin Hubert hörte, halbe ich mich gefragt: Ist es denn wirklich um die Gesundheit unserer Bevölkerung so bestellt, daß man an dem, was aus dem Hause der Gesundheitsministerin und aus den Reihen der Koalitionsparteien gekommen ist, nur Kritik üben könnte?
Wir müssen doch nüchtern und klar feststellen: es wird niemals eine völlige Gesundheit geben, es wird immer Schicksalsschläge und immer Krankheit geben. Wir können aber feststellen, daß wir auf diesem Gebiet auch erhebliche Fortschritte gemacht haben.
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Das ist nicht nur hinsichtlich der Bekämpfung der Krankheiten, das ist auch hinsichtlich der erhöhten Lebenserwartung herauszustellen. Ich halte es für sehr gut, daß Kritik geübt wird, Frau' Kollegin Hubert. Ich kann nicht alles abstreiten, was Sie sagen. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Aber wir sollten unsere Kritik in einen etwas sachlicheren Rahmen in eine etwas nüchternere Betrachtungsweise stellen.
Meine Damen und Herren, Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Wenn ich so die leeren Bänke dieses Hauses sehe
({10})
- verzeihen Sie mir, Herr Kollege Schäfer -, stelle ich einen echten Widerspruch zu der Auskunft unserer Bürger bei der Umfrage um die Jahreswende fest. Ich wünsche mir bei diesem Etat - Herr Kollege Schäfer, keiner ist ausgenommen -,
Dr. Hamm ({11})
daß das Interesse der Wichtigkeit der Aufgabe entsprechend auch in diesem Hause wächst.
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- Vielleicht lassen Sie mich gerade noch ausreden.
Ich höre Sie ganz gern an, wenn Sie sich melden.
Wir sehen eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesgesundheitsministeriums darin, den richtigen Weg zu finden, die persönliche Verantwortung im Gesundheitswesen zu stärken und nur dort - nur dort! - staatliche Hilfe zu leisten, wo der einzelne überfordert ist, dann aber mit Energie und Weitsicht!
Es kam mir darauf an, die sicher in manchen Punkten gerechtfertigte Kritik der Opposition in das richtige Licht zu rücken.
Auf der Grundlage der Gesamtkonzeption, die ich hier darzulegen versucht habe, werden wir Freien Demokraten dem Einzelplan 15 zustimmen.
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Das Wort hat Frau Bundesministerin Dr. Schwarzhaupt.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr dankbar, daß Frau Krappe in einer Reihe von Punkten den Wunsch geäußert hat, daß unsere Mittel erhöht werden. Die Dinge, die sie für den Haushalt 1966 angesprochen hat, gehen durchaus mit den Vorschlägen konform, die für den Haushalt 1966 in unserem Hause erarbeitet worden sind. Insofern bin ich für diese Vorschläge außerordentlich dankbar; denn ich kann damit rechnen, daß ich jedenfalls Ihre Unterstützung bei den künftigen Beratungen im Haushaltsausschuß haben werde.
Ich möchte aber über das, was getan worden ist, gerade auch vom Finanziellen her, noch ein paar Tatsachen vorbringen. Frau Hubert hat vom Bundesgesundheitsamt gesprochen, von dem sie meint, daß es einer wirksameren Förderung bedürfe. In den letzten sieben Jahren ist für insgesamt 20 Millionen DM ein Bauprogramm durchgeführt worden, das die Voraussetzung für eine weitere Aktivierung der Arbeit ist.
Außerdem ist der Forschungstitel des Bundesgesundheitsamtes, der 1961 300 000 DM betrug, 1965 auf 1,6 Millionen DM erhöht worden. Die Mittel für unsere ressorteigene Forschung, die wir aus dem Bundesinnenministerium mit 100 000 DM übernommen haben, betragen nun 2 Millionen DM. Ist das keine Initiative auf diesem Gebiet? Wir haben diese Mittel für sehr viele Projekte bestimmt, u. a. für eine Untersuchung über die Konstanthaltung von Impfstoffen, z. B. auch für Forschungen in bezug auf den Impfstoff gegen die Kinderlähmung. Weiter sind die Mittel bestimmt für Forschungen über genetische Schäden und Schäden am werdenden Leben, die durch Arzneimittel verursacht werden könnten, und über die Frage, wie solche Schäden verhindert werden können. Für dieses ganze Gebiet, das außerordentlich wichtig ist und von dem wir alle wissen, wie es das Leben unseres Volkes berührt und beunruhigt, haben wir erhebliche Forschungsmittel ausgegeben. Dann haben wir das Krebsforschungszentrum in Heidelberg mit zwei Dritteln der Errichtungskosten mitfinanziert und haben eine erhebliche Arbeit auf dieses ganze Unternehmen verwandt, von dem ich hoffe, daß es für unser Volk segensreich sein wird. Der Bund wird auch die Hälfte der laufenden Kosten ab 1966 übernehmen.
Was die Krankenhäuser angeht, so wird beanstandet, daß die Mittel auslaufen. Frau Hubert, ist Ihnen nicht bekannt, daß gerade der Vertreter meiner Fraktion im Haushaltsausschuß erklärt hat, unsere Fraktion werde sich für ein Programm zur weiteren Unterstüzung der Krankenhäuser in Höhe von 250 Millionen DM einsetzen?
Schließlich noch ein paar Worte zu den Fragen der Wasser- und Luftverschmutzung. Sie haben gesagt, das, was hier an Besserung zu verzeichnen sei, beruhe auf der Änderung der Gewerbeordnung, die bereits vor der Errichtung des Gesundheitsministeriums erlassen worden ist. Wissen Sie nicht, daß die eigentliche praktische Durchführung erst möglich und entscheidend gefördert wird durch die technische Anleitung, die wir auf Grund dieser Gewerbeordnung erlassen haben, und daß in dieser technischen Anleitung sehr strenge, für die Industrie vielfach recht belastende Maßstäbe festgelegt sind, strengere Maßstäbe als die, die bisher angewandt wurden? Um die Durchführung dieser Bestimmungen möglich zu machen, geben wir ganz erhebliche Mittel aus dem ERP-Vermögen für Einrichtungen zur Reinhaltung von Wasser und Luft, und zwar im Haushalt 1965 65 Millionen DM für die Wasserreinhaltung und 15 Millionen DM für die Luftreinhaltung, weil die strenger werdende Gesetzgebung mit der Finanzierungshilfe ineinandergreifen muß, damit sie überhaupt durchgeführt werden kann..
Nun noch ein paar Worte zu dem Thema der Vorsorgeuntersuchungen. Frau Hubert, wir sind uns alle darüber einig, und ich glaube, keiner von uns bestreitet das, daß sie auf den verschiedensten Gebieten nötig sind. Ich möchte aber daran erinnern, daß das erste Gesetz, das wir auf diesem Gebiet gefordert haben und das der Bundestag beschlossen hat, im Bundesrat gescheitert ist. Gerade die Länder, die für dieses Scheitern mitverantwortlich sind, nämlich die sozialdemokratisch regierten Länder,
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- ich komme gleich darauf -, machen mir jetzt den Vorwurf, daß ich etwas nicht tue, was sie verhindert haben und wahrscheinlich beim nächsten Male wieder verhindern würden. Sie sagen, daß die anderen Länder im Bundesrat die Mehrheit haben.
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Von den von der CDU regierten Ländern haben drei für dieses Gesetz gestimmt; die anderen haben dagegen gestimmt. Die machen mir aber nicht den Vorwurf, daß die Bundesregierung keine Vorsorgegesetze verabschiede. Das ist es, was ich an Ihrem Verhalten so widerspruchsvoll finde, daß Sie näm8342
lieh auf der einen Seite im Bundesrat etwas grundsätzlich verneinen und mir auf der anderen Seite den Vorwurf machen, daß wir auf diesem Weg einer Gesetzgebung nicht weitergingen, einer Gesetzgebung, die Sie konsequenterweise im Bundestag vielleicht wieder bejahen, im Bundesrat aber ablehnen würden.
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- Ich habe ja gesagt, daß wir sie haben; aber Sie stimmen gegen diese Gesetze und machen mir den Vorwurf, daß ich nicht immer wieder den gleichen Versuch mache.
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Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert?
Frau Ministerin, entsinnen Sie sich dessen, was ich gesagt habe? Ich habe auf Vorsorgeuntersuchungen allgemeiner Art im Rahmen der sozialen Krankenversicherung hingewiesen. Das ist nun unstreitig ein Gebiet, das den Bund angeht, und ich habe gefragt, ob Sie Anstrengungen unternommen haben, damit wenigstens die gesundheitspolitisch wichtigen Probleme vorgezogen und dann gemeinsam hier verabschiedet werden?
Frau Hubert, Sie wissen, daß im Krankenversicherungsneuregelungsgesetz gerade die Vorsorgeuntersuchungen als Pflichtleistung enthalten sind. Ich bin überzeugt, daß bei der weiteren parlamentarischen Behandlung der Frage des Mutterschutzes und der Vorsorgeuntersuchungen für werdende Mütter auch meine Fraktion dafür eintreten wird, daß sowohl der Mutterschutz verbessert wird als auch Vorsorgeuntersuchungen nicht nur für die Versicherten, sondern auch für andere gefördert werden.
Zum Schluß noch eines, Frau Hubert. Sie haben gesagt, daß Sie von dem, was das Gesundheitsministerium getan hat, enttäuscht waren. Ich glaube, von dem, was wir getan haben, kann nur derjenige enttäuscht sein, der falsche Erwartungen an die Errichtung dieses Ministeriums geknüpft hat, insbesondere solche Erwartungen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wären.
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Das ist in der Öffentlichkeit weithin geschehen. In den Briefen, die ich Tag für Tag aus dein Volk bekomme, werden von mir immer wieder Dinge verlangt, die nach dem Grundgesetz nicht möglich sind. Da soll ich einem Gesundheitsamt eine Weisung geben, oder da soll ich eine gesetzgeberische Initiative ergreifen, von der wir alle hier wissen, daß ich mit ihr nicht durchkäme, weil das Grundgesetz die Aufgaben im Gesundheitswesen nun einmal zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt.
Meine Damen und Herren, daß die Menschen, die mir aus dem Volk schreiben, dies nicht wissen, daß wir ihnen dies immer wieder sagen müssen, ist verständlich. Ich habe auch mehrere Artikel darüber geschrieben und versuche, dies in Vorträgen klarzumachen. Aber daß Sie, meine Damen und Herren, unsere Kollegen im Bundestag von der sozialdemokratischen Fraktion, diese dem Grundgesetz offenbar nicht entsprechenden Erwartungen gehegt haben, das, Frau Dr. Hubert, kann ich allerdings nicht verstehen.
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Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hubert?
Frau Ministerin, können Sie mir aus meinen Fragen, die ich an Sie gestellt habe, einen Punkt nennen, der nicht in die Kompetenz des Bundes fällt?
Das ganze Problem der Vorsorgeuntersuchung gehört zu dem umstrittenen Gebiet, wo wir damit rechnen müssen, daß wir verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bekommen werden - vorausgesetzt, daß sich die SPD-Länder konsequent verhalten und im Bundesrat bei einer weiteren Initiative auf diesem Gebiet die gleichen Grundsätze vertreten werden, die sie bei dem Jugendzahnpflegegesetz vertreten haben. Deshalb müssen wir andere Wege suchen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen unid Herren! Ich glaube, daß die Antworten, die wir von Frau Ministerin Dr. Schwarzhaupt wie auch von den Herren Vorrednern aus der Koalition bekommen haben, uns keineswegs befriedigen können.
({0})
Denn wir müssen feststellen, daß auf die gezielten, entscheidenden Fragen der Frau Kollegin Dr. Hubert keine ,entscheidende Antwort erfolgt ist.
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- Selbstverständlich Ist das notwendig. Sie 'haben hier Ihre Theorie vertreten - und der können wir durchaus zustimmen -, daß die gesundheitspolitischen Probleme 'heutzutage ein zentrales innenpolitisches Anliegensind. Leider, Herr Kollege Dittrich, sieht die Praxis bei uns etwas anders aus.
Ich möchte vorweg eine Feststellung treffen. Es geht heute bei der Beurteilung der offiziellen deutschen Gesundheitspolitik nicht so sehr um das Rechenexempel, wie Sie es hier vorweisen wollten, wie viele Gesetze, Verordnungen und Richtlinien verabschiedet sind oder vorbereitet werden. Es geht auch nicht in erster Linie um die Frage der KompeDr. Schmidt ({2})
tenzen, die gleich immer so pauschal laufgeworfen wird. Gemessen wird die deutsche Gesundheitspolitik, Herr Kollege Dittrich, daran, ob sie den Notwendigkeiten gerecht geworden ist, die sich erstens ,aus ,dem gewandelten Bild unserer Gesellschaft zu einer modernen Industriegesellschaft und zweitens aus dem gewandelten Bild der Krankheiten ergeben. Das ist die entscheidende Frage.
({3})
Dabeimüssen wir ganz nüchtern und sachlich feststellen, daß eben zwischen diesen Notwendigkeiten und den vorhandenen gesundheitspolitischen Fakten eine bedauerliche Lücke klafft, die von der Bundesregierung nicht geschlossen werden konnte.
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Da kann natürlich von einer Bewährung, wie Sie das meinten, keine 'Rede sein. Wir können Idas mit Beispielen aus den Bereichen belegen, wo eindeutig die Bundesregierung die Zuständigkeit hat, und wir können dabei gleichzeitig auf Initiativen der sozialdemokratischen Opposition verweisen.
Fast von allen Vorrednern ist das Problem der Mütter- und Säuglingssterblichkeit angesprochen worden. Ich möchte dieses Zahlenspiel nicht wiederholen. Selbstverständlich kann man 'im internationalen Vergleich einige Unterschiede feststellen. Das geht auch aus einer Arbeit hervor, die Ende letzten Jahres vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurde und in der auch darauf hingewiesen wird, daß sich infolge der unterschiedlichen Betrachtungsweise möglicherweise unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Aber am Ende steht folgender entscheidende Satz, den ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren möchte:
Die internationale Vergleichbarkeit wird aber nur unwesentlich dadurch beeinträchtigt.
Das ist das Entscheidende bei der Betrachtung.
Wenn man nun diese Situation kennt und wenn, wie auch Frau Ministerin Dr. Schwarzhaupt immer wieder betont, die Notwendigkeit erkannt worden ist, den Mutterschutz zu verbessern, die Klinikentbindung zu fördern, die Schutzfristen zu verlängern und vor allem ,den werdenden Müttern Vorsorgeuntersuchungen zuteil werden zu lassen, muß man sich mit aller Kraft und ganzer Autorität für die Verwirklichung dieser Dinge einsetzen, zumal hier keine Kompetenzschwierigkeiten vorhanden sind.
({5})
Gerade diese Vorsorgeuntersuchungen sind von besonderer Bedeutung. Das wissen wir, und das hat wiedereine Arbeit aus der Münchener UniversitätsFrauenklinik in den letzten Wochen gezeigt, wo man feststellte, daß nur bei 40 % der Entbundenen ausreichende Vorsorgeuntersuchungen 'stattgefunden hatten und daß die Säuglingssterblichkeit in diesen Fällen um die Hälfte geringer war als in den 'Fällen, in denen keine oder nur eine unzureichende Vorsorge betrieben worden war.
Ich möchte noch einmal bekräftigen, was meine Freunde gesagt haben. Dem Bundestag liegt nun schon seit zweieinhalb Jahren ein Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mutterschutzes vor, der all die Maßnahmen vorsieht, die uns aus dieser schlechten Situation herausbringen. Deshalb kann man es nicht verstehen, daß die Vertreterin der Gesundheitspolitik im Bundeskabinett diese Dinge einfach übergeht. Wo blieb denn - das ist zu fragen - der Einfluß der Fachministerin im Kabinett und bei Ihnen, bei ihrer eigenen 'Fraktion, damit diese Dinge soschnell wie möglich Wirklichkeit werden? Diesen Einfluß haben wir leider vermißt.
Wir können die Zahl ,der Beispiele aus dem Vorsorgebereich beliebig vergrößern. Denn die Vorsorge ist heute nun einmal der Dreh- und Angelpunkt aller gesundheitspolitischen Maßnahmen. Was hat beispielsweise das Bundesgesundheitsministerium getan, um die schlechte Lösung der Vorsorge für Erwachsene zu verhindern, die vom Arbeitsministerium im Rahmen des Sozialpakets vorgesehen war? Es mußte doch auch dort klar erkennbar sein, daß die Belastung der Versicherten mit den zusätzlichen Kasten der Vorsorgeuntersuchungen den Gang zum Arzt erschweren würde, die Untersuchungen infolgedessen gar nicht wirksam werden könnten und damit dem einzelnen wie auch der Volksgesundheit unter Umständen ein nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt werden könnte. Und wo blieb der Einfluß der zuständigen Fachministerin im Kabinett, um eine solche Maßnahme zu verhindern? Daß diese schlechte Lösung bis heute noch nicht Wirklichkeit ist, liegt nicht an dem Einschreiten des zuständigen Fachministeriums, sondern an dem Drängen und Mahnen 'der Opposition und der Gewerkschaften. Auch das muß hier einmal festgestellt werden.
Und wo blieb - um diese Gedankengänge noch weiterzuführen - der befürwortende Einfluß des Ministeriums, als wir vor zwei Jahren die Unfallversicherungsneuregelung hier verabschiedeten und wir von der Opposition eine bessere werksärztliche Betreuung beantragten, die dazu dienen sollte, von der hohen Zahl der Frühinvaliden und auch von den hohen Un'fall'zahlen herunterzukommen? Es war damals nichts zu sehen, im Gegenteil! Bis heute 'ist noch nicht sicher, ob der Arbeitsmedizin im Rahmen der Prüfungsordnung auch der ihr gebührende Platz als selbständiges Prüfungsfach eingeräumt wird, und dies, obwohl heute jeder weiß, wie besonders wichtig es 'ist, daß der heranzubildende Arzt ganz besondere Kenntnisse um die Zusammenhänge zwischen Mensch und Arbeit hat. Hier liegen echte Versäumnisse vor, die nichts mit Kompetenzschwierigkeiten 'zu tun haben.
Nehmen Sie das Beispiel der Krankenhäuser! Hier hat der Bund durch eine jährliche Gewährung von Mitteln gezeigt, daß er selbstverständlich nicht nur ein Interesse, sondern auch eine Verpflichtung hat, unseren Krankenhäusern zu helfen. Denn es mangelt überall an Krankenbetten, es muß modernisiert und rationalisiert werden. Wir brauchen mehr Pflegepersonal. Da erhebt sich die Frage: Was sind denn 20 bis 25 Millionen DM im Jahr? Damit kann man doch
Dr. Schmidt ({6})
bestenfalls ein einziges Krankenhaus mit 350 Betten bauen. Ist das ein entscheidender Beitrag des Bundes zur Verbesserung der Krankenhaussituation? Das kann doch auf keinen Fall gesagt werden.
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- Die haben wir in früheren Jahren gestellt. Darauf wird noch einzugehen sein.
Wenn man alle diese Dinge sieht, muß man in der Tat feststellen, daß die Bundesregierung gar nicht so recht weiß, was sie in der Gesundheitspolitik überhaupt will. Ein Konzept ist nicht erkennbar und auch nicht bekannt. 1962 .soll es einmal eine Vorlage aus dem Ministerium für das Kabinett gegeben haben, von der man aber dann nichts mehr gehört hat, - wohl deshalb, weil das Kabinett in seiner Mehrheit diese Vorlage abgelehnt hat. In der ersten Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers im Jahre 1962 finden wir lediglich zwei Aussagen zu Fragen der Gesundheitspolitik: einmal über den Ausbau des Sports, insbesondere für die Jugend, und zum zweiten eine Mahnung an die Industrie wegen der Umweltgefahren. Sonst gibt es keine entscheidenden Aussagen der Bundesregierung in Fragen der Gesundheitspolitik. Insofern ist unsere Frage nach der abhandengekommenen oder gar nicht vorhandenen Konzeption durchaus berechtigt.
Hier ist angeführt worden, daß doch eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen verabschiedet worden seien. Ich will nicht mehr näher darauf eingehen. Frau Dr. Hubert hat das schon getan. In der Tat sind erst zwei Gesetze mit gesundheitspolitischen Auswirkungen vom Bundestag verabschiedet worden: die Novelle zum Bundesseuchengesetz im Hinblick auf die Polio-Schluckimpfung und die Änderung des Arzneimittelgesetzes, wobei eine sozialdemokratische Initiative vorausgegangen ist.
Eben ist noch von Frau Dr. Schwarzhaupt darauf hingewiesen worden, daß der Bund über den ERP-Weg beispielsweise 65 Millionen DM zur Beseitigung der Gewässerverunreinigung ausgegeben habe. Man muß sich diese Zahl noch einmal genau vor Augen führen. Diese Zahl von 65 Millionen bezieht sich auf sieben Jahre; wenn man die Jahresgelder dann noch über die einzelnen deutschen Flüsse verteilt, kann man sich ausrechnen, was für die einzelnen Verschmutzungsgebiete überhaupt noch übrigbleibt, nämlich im Grunde nur so viel, daß man dafür bestenfalls eine oder zwei Kläranlagen für Industriebetriebe bauen kann. Das ist doch kein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Situation.
Wir wollen aber nicht nur Kritisches sagen; wir wollen - und damit komme ich einer Anregung von Ihnen, Herr Dr. Dittrich, entgegen - Frau Dr. Schwarzhaupt auch einmal recht geben. Sie hat am 2. Februar im Deutschen Fernsehen folgendes erklärt - ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Ich muß aber zu den Vorwürfen sagen, daß es
nicht möglich ist, in wenigen Jahren gerade
auf dem Gebiet der industriellen Umweltschäden Versäumnisse und Unterlassungen von 15 1 Jahren auf einen Schlag wiedergutzumachen.
({8})
Wir stellen hierzu fest, daß von der zuständigen Fachministerin endlich einmal in aller Offentlichkeit zugegeben wurde, daß in den letzten 15 Jahren unter der Verantwortung der CDU-Bundesregierung Versäumnisse aufgetreten sind.
({9})
Wir sehen darin die Auffassung unserer Fraktion
bestätigt und werden daher diesen Etat ablehnen.
({10})
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen jetzt zur Mittagspause die Sitzung. Die Sitzung ist bis 14 Uhr unterbrochen.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Das Haus ist „beschlußfähig".
({0})
Im Zweifelsfalle können wir uns ja. Anleihen besorgen.
Zu der in der Fragestunde der 166. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Februar 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg Nr. VI ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 22. Februar 1955 eingegangen. Sie lautet:
Bei der unübersehbaren Zahl von stationären und beweglichen Anlagen in der Bundesrepublik, die der Lagerung und Beförderung von Öl dienen, sind wirksame Vorkehrungen gegen die Zerstörung der Anlagen durch „Einwirkungen von außen" nur in sehr beschränktem Umfang möglich. Für den Verteidigungsfall muß deshalb durch rechtzeitige, im Frieden zu treffende Maßnahmen dafür gesorgt werden, daß trotz Verschmutzung oder Verseuchung der Gewässer die Wasserversorgung, insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser im Rahmen des lebensnotwendigen Bedarfs aufrechterhalten bleibt. Die Verschmutzung durch Öl ist nur eine von vielen Gefahrenlagen, die wir ins Auge fassen müssen. Die Voraussetzungen für solche Maßnahmen bringt das Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung, das sog. Wassersicherstellungsgesetz. Der Entwurf liegt zur Zeit bei den Ausschüssen des Bundestages; die Beratungen sind weitgehend abgeschlossen. Ich hoffe, daß dieses wichtige Gesetz bald verabschiedet wird.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und die Wassergesetze der Länder die Einrichtung von Wasserschutzgebieten vorsehen, in denen die Lagerung von Öl in Behältern und die Beförderung durch Leitungen schon für normale Zeiten beschränkt werden kann. Diese Vorsorge dient auch dem Verteidigungsfall.
Wir kommen zur
Fragestunde ({1}).
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Soziaordnung, Frage I/1 - der Frau Abgeordneten Herklotz -:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß Schwerkriegsbeschädigte, die der gesetzlichen Rentenversicherung angehören, bis zum 65. Lebensjahr ihren Dienst versehen müssen, während Beamte auf ihren Antrag bereits mit dem 62. Lebensjahr in den Ruhestand versetzt werden können?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Wenn Ihre Frage von der Voraussetzung ausgehen sollte, daß
es wünschenswert sei, sich möglichst frühzeitig zur Ruhe zu setzen, so ist dem entgegenzuhalten, daß sich in der Regel nur der Beamte mit 62 Jahren pensionieren läßt, dessen Dienstfähigkeit erschöpft ist. Die Zahl der Beamten, die über das 65. Lebensjahr hinaus im Dienst bleiben möchten, ist erheblich größer. Auch ein Schwerbeschädigter erhält vor dem 65. Lebensjahr, wenn er infolge der Kriegsbeschädigung berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, Rente. Beide Tatbestände sind rechtlich und sachlich verschieden und müssen getrennt beurteilt werden.
Sollten, Frau Abgeordnete, mit der Frage jedoch die Schwerbeschädigten angesprochen sein, die weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig sind, so würde das auf eine allgemeine Herabsetzung der Altersgrenze in der Rentenversicherung hinauslaufen. Die Altersrenten beruhen aber auf dem Grundsatz der Versicherung. Jede Begünstigung kann nur allen zugute kommen und geht immer zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Die Altersrentenversicherung kann keine zusätzlichen Leistungen für Schädigungen durch Militärdienst aufbringen; dies ist den dafür vorgesehenen besonderen Gesetzen vorbehalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß für Schwerbeschädigte in aller Regel auch das gilt, was für Heimkehrer bereits festgestellt worden ist, nämlich daß die Lebenserwartung infolge der Schwerbeschädigteneigenschaft und der dadurch bedingten Leiden und Beschwerden erheblich verkürzt ist, und daß sich schon aus diesem Grunde die Frage ergibt, ob nicht Schwerbeschädigten eher die Möglichkeit des Eintritts in das ruhegehaltfähige Alter gegeben werden sollte?
Herr Abgeordneter, die Feststellung, die Sie soeben getroffen haben - Sie haben dazu vor einiger Zeit schon einmal eine Frage gestellt -, läßt sich statistisch nicht nachweisen. Im Gegenteil, für die gesamte Zahl der Schwerbeschädigten ist glücklicherweise festzustellen, daß bei ihnen die Sterblichkeitsziffer nicht über der der allgemeinen Bevölkerung liegt. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Davon abgesehen wird aber nicht verkannt, daß der Schwerbeschädigte sich schwerer tut und wegen seiner Beschädigung gewisse Nachteile hat.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Darf ich in diesem Zusammenhang, Herr Staatssekretär, die Frage stellen, ob seitens der Bundesregierung beabsichtigt ist, das Rentenalter herabzusetzen, dessen Höhe mit 65 Jahren weit überhöht ist, wenn wir den Tatbestand berücksichtigen, daß nur ein ganz kleiner Teil im Berufsleben das 65. Lebensjahr erreicht?
Herr Abgeordneter, das ist zur Zeit nicht beabsichtigt. Darüber ist gelegentlich schon gesprochen worden. Das würde zu erheblichen Umstellungen in der gesamten Rentenversicherung führen. Außerdem glaube ich nicht, daß Ihre Voraussetzung, die Menschen würden heute frühzeitig erwerbsunfähig, zutrifft. Aus der Statistik läßt sich das nicht nachweisen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Frage I/2 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -:
Wann ist mit der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung beruflicher Bildungsmaßnahmen mit dem Ziele zu rechnen, eine größere Ausnutzung der Zuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds in Brüssel für die Umschulung von Arbeitskräften, die aus der Landwirtschaft ausscheiden, zu erreichen?
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat mir mitgeteilt, daß zur Zeit eine Neufassung der Richtlinien zur Durchführung beruflicher Bildungsmaßnahmen vorbereitet wird. Dabei werden selbstverständlich die aus der Landwirtschaft ausscheidenden Arbeitskräfte und - insbesondere im Hinblick auf die EWG-Verordnung Nr. 12/64 - die durch den Europäischen Sozialfonds gebotenen Möglichkeiten berücksichtigt. Ich vermag im Augenblick nicht zu übersehen, wann der Verwaltungsrat der Bundesanstalt, der zuständig ist, die Neufassung der Richtlinien unserem Haus vorlegen wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würde die Bundesregierung ihren Einfluß dahin gehend geltend machen, daß vor allen Dingen die Dauer der Umschulungsmaßnahmen verlängert wird, die ja, soweit ich unterrichtet bin, bei uns 13 Wochen beträgt, während sie in anderen Ländern, besonders Frankreich, 6 bis 9 Monate beträgt, was selbstvenständlich erhöhte Zuschüsse aus dem Sozialfonds zur Folge hat?
Wir werden alle Umstände berücksichtigen und, soweit sie sich als neu erweisen, selbstverständlich zur Geltung bringen.
Eine zweite Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wird dabei berücksichtigt, daß nunmehr durch die Zusatzverordnung zur Verordnung Nr. 9 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Änderung der statutarischen Bestimmungen des Europäischen
Sozialfonds erfolgen soll, vor allen Dingen mit dem Schwerpunkt der Finanzierung von Ausbildungsstätten und der Hingabe von Darlehen bereits zur Errichtung solcher Ausbildungsstätten?
Herr Abgeordneter, da bin ich im Augenblick überfragt. Aber ich will Ihre Anregung gern aufgreifen und bei den Verhandlungen zur Geltung bringen.
Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Peiter -:
Wie weit sind die Pläne der Bundesregierung gediehen, in den Landgemeinden Fernsprechhäuschen mit Münzfernsprecher aufzustellen?
Eine erhebliche Vermehrung der Münzfernsprecher bei öffentlichen Sprechstellen in den Landgemeinden ist durch eine bereits im Frühjahr 1964 ergangene Anordnung zu erwarten, nach der die Münzfernsprecher bei öffentlichen Sprechstellen nicht mehr einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit wirtschaftlich sein müssen. Dabei müssen wir allerdings auf Grund der hohen Investitionskosten erwarten, daß jeder Fernwählmünzfernsprecher in einem Fernsprechhäuschen mindestens monatlich 100 DM an Einnahmen erbringt.
Auf Grund dieser neuen Anordnung haben die Oberpostdirektionen für die Jahre 1965 und 1966 einen Bedarf von 8200 Apparaten ermittelt. Der Industrie wurden hiervon bereits 6700 Apparate in Auftrag gegeben. Darüber hinaus ist beabsichtigt, für zusätzliche Anforderungen und auch in Vorausplanung für 1967 weitere 2500 Fernwahlmünzfernsprecher zu bestellen, so daß ,in ,den nächsten Jahren, und zwar vorwiegend in den Landgemeinden, rund 9200 neue Fernwahlmünzfernsprecher zum Einsatz kommen werden.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, können Sie schon sagen, in welchen Gegenden diese 6000 Fernsprechhäuschen zuerst eingesetzt werden?
Sie werden zuerst da eingesetzt, wo die Dringlichkeit am höchsten ist.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage II/2 - des Herrn Abgeordneten Felder -:
Ist der Bundespostminister bereit, geeigneten Künstlern Auftrag für die Vorlage neuer Entwürfe zu erteilen, die die Ersetzung oder Vermehrung der ,gegenwärtig noch in Gebrauch befindlichen Formulare für Glückwunschtelegramme zum Ziele haben?
Einen Auftrag an einen Kreis von Künstlern zur Vorlage neuer Entwürfe für Formulare von Telegramm-Schmuckblättern beabsichtigt der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen vorläufig nicht zu erteilen, weil entsprechende, im Benehmen mit dem Kunstbeirat der Deutschen Bundespost durchgeführte Vorhaben zu keinen voll befriedigenden Ergebnissen geführt haben.
Zum Ersatz und auch zur Vermehrung der gegenwärtig verwendeten Formulare für TelegrammSchmuckblätter ist die Deutsche Bundespost deshalb, dem Rat des Kunstbeirates folgend, auf anerkannte Meister zurückliegender Kunstepochen ausgewichen. Insoweit ist beabsichtigt, auch eine neue Serie von Telegramm-Schmuckblättern im Format DIN A 5 quer einzuführen. Die Telegramm-Schmuckblätter befinden ,sich bereits im Stadium des Probedruckes.
Daneben wird noch die Einführung einer weiteren Serie vorbereitet, bei der die Telegramm-Schmuckblätter ein einem Faksimile-Druckverfahren hergestellt werden sollen. Die Vorarbeiten werden hier allerdings noch einige Monate Zeit erfordern.
Jetzt kommt der ,Geschäftsbereich ides Bundesministers für Familie 'mild Jugend. Frage des Herrn Abgeordneten Felder:
Ist der Bundesfamilienmninister bereit, die Ratschläge näher zu erläutern, die er nach einer Pressemeldung im spanischen Kulturzentrum in Bad Godesberg kinderreichen Gastarbeiterfamilien gegeben hat, die besagten, .der Eigenheimbau lohne sich für die Gastarbeiter in jedem Fall, „da in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren ,die Baupreise rascher steigen würden, als die Geldentwertung fortschreite"?
Herr Kollege Felder, ich bin natürlich gern bereit, den Sachverhalt zu erläutern, der in der Presse verkürzt und etwas ineinander verschoben dargestellt worden ist.
Bei meinem Besuch im spanischen Kulturzentrum habe ich etwa eine Viertelstunde an. einer Aussprache zwischen spanischen Gastarbeitern und Vertretern der Aachener Gemeinnützigen Siedlungs-
und Wohnungsgesellschaft teilgenommen. Zur Diskussion stand in dieser Aussprache ein Wohnungsbauprogramm der Aachener Gemeinnützigen Siedlungs- unid Wohnungsgesellschaft für kinderreiche Gastarbeiterfamilien.
Bei der Aussprache sind nun von seiten der spanischen Gastarbeiter zwei Bedenken vorgetragen worden. Das eine Bedenken and seinen Ausdruck in der Frage, ob sie - die spanischen Gastarbeiter - noch so lange in Deutschland arbeiten könnten, daß sich der Bau eines Hauses rentiere, und das zweite Bedenken in ,der Frage, ob sie, wenn sie nach Spanien zurückkehren wollten oder müßten, ein solches Haus auch ohne große Verluste verkaufen könnten.
Zu diesen ihren Bedenken habe ich dann etwa folgendes ausgeführt:
Erstens sei ich der Überzeugung, daß die Arbeit in Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren für die Gastarbeiter sicher nicht ,ausgehen werde. Zweitens sei ich ,aus eigener Erfahrung der Meinung, daß der Bau eines Hauses die beste Sparanlage sei. Ich hätte in der Vergangenheit selber die Erfahrung gemacht, daß die Baupreise und damit der Wert eines Hauses sehr viel schneller gestiegen seien, als das Geld an Wert verloren habe.
Das war die Aussprache im Spanischen Kulturzentrum.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, dann widersprechen Sie also der Meinung, die in dieser Pressenotiz zum Ausdruck gekommen ist, daß Sie die Auffassung vertreten haben, in den nächsten 10 bis 20 Jahren würde eine fortschreitende Steigerung der Baupreise und eine fortschreitende Geldentwertung eintreten? Wenn Sie nämlich dieser Meinung wären, hätte ich gern gefragt, ob das nicht eine geringe Ermunterung für die deutschen Sparer sei.
Herr Kollege Felder, in der Presseberichterstattung ist einiges durcheinandergekommen. Den Zeitraum 10 bis 20 Jahre habe ich genannt. Darauf habe ich hingewiesen, als ich gesagt habe, daß in diesem Zeitraum die Arbeit für die Gastarbeiter nicht ausgehen werde. Im übrigen bin ich von den spanischen Gastarbeitern durchaus richtig verstanden worden, nämlich so, daß ich sie ermuntern wollte, sich hier ein 'Eigenheim zu erwerben.
Zweite Zusatzfrage!
Sie wollten also auch nicht sagen, Herr Minister, daß Sie an eine weiter fortschreitende Geldentwertung denken oder sie ins Kalkül ziehen?
Ich habe auf meine eigenen Erfahrungen Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß in den letzten zehn Jahren die Baupreise sehr viel schneller gestiegen seien, als das Geld an Kaufkraft verloren habe.
'Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Bundesminister, darf ich bei Ihrer Auffasssung hinsichtlich der steigenden Baupreise unterstellen, daß Sie sich darüber mit dem Bundeswirtschaftsminister abgesprochen haben?
Ach, wissen Sie, wenn ich einen Besuch in einem Kulturzentrum mache und zufällig in eine solche Aussprache mit spanischen Gastarbeitern hineinkomme, dann habe ich keine Gelegenheit, mich vorher mit dem Bundeswirtschaftsminister abzusprechen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.
Herr Minister, haben Sie nicht ein wenig Sorge, daß Sie in Verlegenheit geraten, wenn diese so ermunterten spanischen Gastarbeiter jetzt auf Sie zukommen und Baugrundstücke haben wollen?
Ich bin nicht der Wohnungsbauminister. Es handelt sich auch nicht um ein Bauprogramm, das von der Bundesregierung initiiert worden ist, sondern um ein Bauprogramm der Aachener Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft. Die Finanzierung erfolgt, soweit ich das in dieser kurzen Aussprache erfahren konnte, in erster Linie durch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.
Keine Zusatzfragen mehr.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Zuerst rufe ich die Frage IV/1 - des Abgeordneten Dr. Starke - auf:
Ist die Bundesregierung zur Verbesserung der politischen und psychologischen Situation in den Zonenrandgebieten bereit, in ihrem Zuständigkeitsbereich im weitesten Sinn ({0}) darauf hinzuwirken und auf die Länder dahin gehend einzuwirken, daß jede Verlegung von Behörden oder Behördenteilen, von Anstalten, Betrieben und sonstigen Einrichtungen der öffentlichen Hand sowie von kasernierten Formationen aus dem Zonenrandgebiet heraus grundsätzlich unterbleibt, auf alle Fälle aber ebenso wie die Verlegung innerhalb des Zonenrandgebiets vor Abschluß der Planung und vor Vollzug auf ihre unbedingte Notwendigkeit und mit dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen auf die Vorrangigkeit vor zonenrandpolitischen Erfordernissen geprüft wird?
Die Frage wird vom Abgeordneten Dr. Rutschke übernommen.
Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, alle drei Fragen gemeinsam zu beantworten, weil sie wegen ihres Zusammenhangs am besten gemeinsam beantwortet werden.
Bitte sehr. Ich rufe also auch die Fragen IV/2 und 3 - des Abgeordneten Dr. Starke - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, vorab in ihrem Bereich anzuordnen und den Ländern nahezulegen, daß zunächst beabsichtigte Verlegungen der in Frage IV/1 bezeichneten Art unterbleiben?
Ist die Bundesregierung bereit, zusammen mit den Ländern zu prüfen, wie dort, wo Verlegungen aus dem Zonenrandgebiet heraus mit weitreichenden tatsächlichen und psychologischen Auswirkungen stattgefunden haben, ein Ausgleich geschaffen werden kann?
Es ist wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen, von allen Bundesressorts eine Antwort zu erhalten, ob sie eine Verlegung von ihnen unterstellten Behörden Anstalten usw. aus dem Zonenrandgebiet planen. Der Grundsatz, daß solche Verlegungen unterblei8348
ben sollen, wird vom gesamtdeutschen Ministerium uneingeschränkt bejaht.
Zu der zweiten Frage läßt sich feststellen, daß die Bundesregierung gegenwärtig prüft, ob eine solche Anordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen getroffen werden kann. Sie sagt zu, daß sie an die Länder herantreten will, um sie von der beabsichtigten Verlegung von Behörden aus dem Zonenrandgebiet abzuhalten.
Zur dritten Frage kann uneingeschränkt ja gesagt werden. Die Bundesregierung ist bereit, zusammen mit den Ländern diese Frage zu prüfen.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, soweit es sich um die Kompetenz des Bundes handelt, wird Ihr Haus auch von den anderen Häusern in der Bundesregierung in dieser Richtung unterstützt?
Nach einem Gespräch, das ich soeben mit dem Bundesinnenminister bezüglich des Bundesgrenzschutzes hatte, kann ich diese Frage bejahen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seidel.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß von seiten des Bundes beabsichtigt ist, die Bundesansalt für Fleischforschung in Kulmbach nach München zu verlegen, und was sagen Sie zu dieser Absicht?
Dieses Thema ist anhängig. Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen ist mit Unterstüzung des Ausschusses des Deutschen Bundestages für gesamtdeutsche und Berliner Fragen gegen eine Verlegung von Behörden aus dem Zonenrandgebiet auch in diesem Falle.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, wir haben morgen im Haushaltsausschuß dieses Thema zu beraten. Werden Sie an den Haushaltsausschuß noch ein Schreiben richten, das diese Meinung zum Ausdruck bringt?
Ich bin gern bereit, selber im Haushaltsausschuß zu erscheinen, um die politischen und psycho[ogischen Gründe mündlich zu erläutern.
Zusatzfrage les Herrn Abgeordneten Fritsch!
Herr Minister, gilt das soeben von Ihnen auf die drei Fragen Geantwortete auch für das liederbayerische und oberpfälzische Grenzgebiet?
Ich habe das gesamte Randgebiet gemeint. Analog muß selbstverständlich das deutsch-tschechische Grenzgebiet mit in diese Fragen einbezogen werden. Selbst wenn es nicht immer gleich genannt wird, bezieht sich das auch auf diesen Bereich.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, wie würden Sie aus Ihrer Sicht die umgekehrte Forderung beurteilen, nämlich nicht nur zu verhindern, daß Einrichtungen des Bundes aus diesen Gebieten verlegt werden, sondern aktiv bemüht zu sein, Einrichtungen des Bundes in dieses Gebiet zu verlegen, wie ich es vor 14 Tagen hier schon einmal gefordert habe?
Herr Kollege, Sie wissen aus den wiederholten Erklärungen des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, aber auch der Mitglieder des Gesamtdeutschen Ausschusses dieses Hauses, daß von beiden Seiten alles getan wird, um dem Zonenrandgebiet politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Hilfen angedeihen zu lassen. Es wird an unserem Hause liegen, auch solche Gedanken gegenüber der Bundesregierung zu vertreten wie bezüglich der Verlegung von Einrichtungen in den Raum, wie Sie soeben äußerten. Die Frage des Herrn Kollegen Starke bezog sich zunächst auf die Verhinderung des Abzugs von Einrichtungen des Bundes und der Länder.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe auf die Frage V/1 - des Abgeordneten Baier ({0}) -.
Hat ;die Note der Bundesregierung vom 20. Mai 1963 an die Sowjetunion in der Frage der Repatriierung von Deutschen, die in der Sowjetunion leben, zur verstärkten Ausreisegenehmigung aus der Sowjetunion geführt?
Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, die drei Fragen gemeinsam zu beantworten.
Dann rufe ich auch auf die Fragen V/2 und V/3 - des Abgeordneten Baier ({0}) -:
Wieviel nicht erledigte Anträge auf Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik liegen bei den zuständigen Stellen noch vor?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um den in der Sowjetunion seit nunmehr zwei Jahrzehnten auf Rückführung bzw. Familienzusammenführung wartenden Deutschen behilflich zu sein?
Auf die erste Frage darf ich antworten: Im Jahre 1963 sind 242 Rückkehrer aus der Sowjetunion nach der Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Im Jahre 1964 waren es 262. Diese Zahlen stellen im Vergleich zu den Jahren vor 1963 einen Rückschritt dar. Im Jahre 1960 waren es noch zirka 3500, im Jahre 1962 noch etwa 1000 Personen,
Auf die zweite Frage darf ich antworten: Bei der deutschen Botschaft in Moskau, beim Auswärtigen Amt und beim Deutschen Roten Kreuz liegen noch über 8000 Anträge von deutschen Staatsangehörigen vor - ich spreche hier nur von solchen Personen, die nach deutscher Auffassung deutsche Staatsangehörige sind -, die von den Regierungsstellen in der Sowjetunion bisher eine Ausreisegenehmigung nicht erhalten haben und die in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren wünschen.
Auf die dritte Frage darf ich antworten: Im September vorigen Jahres hat der Präsident des sowjetischen Roten Kreuzes den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes unterrichtet, daß die beiden Rotkreuzgesellschaften Wege zu einer Lösung des Problems finden könnten, wenn die beiden Regierungen sich damit einverstanden erklärten. Die Bundesregierung hat dem Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes auf eine entsprechende Anfrage hin ihr Einverständnis mit einer solchen Regelung erklärt und gleichzeitig die Botschaft in Moskau beauftragt, dieses auch der sowjetischen Regierung mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen genannten Zahlen bezüglich der Rückführung der in der Sowjetunion noch lebenden Deutschen weit von den Zahlen des Deutschen Roten Kreuzes abweichen, wo beispielsweise allein Anträge auf Familienzusammenführung und Härtefälle in 109 303 Fällen vorhanden sind?
Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Antwort bei den Zahlen über noch vorliegende Anträge von deutschen Staatsangehörigen gesprochen, d. h. von Personen, die nach unserer Auffassung die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Es gibt darüber hinaus die Gruppe der sogenannten deutschen Volkszugehörigen, die die sowjetische Staatsangehörigkeit haben und von denen eine größere Zahl Anträge gestellt hat, mit ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Familien wieder zusammengeführt zu werden. Die mir insoweit vorliegenden Zahlen sind allerdings wesentlich geringer als die von Ihnen soeben genannten Zahlen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kohut.
({0})
- Das macht doch nichts! Da kann doch ein anderer auch einmal dazwischenfragen!
({1}) - Sie bezweifeln das?
({2})
- Glauben Sie mir, daß das durchaus in Übereinstimmung mit dem Reglement ist, dem wir hier folgen. Sie kommen sowieso nicht zu kurz; denn Sie werden mir gleich vorrechnen, daß Sie noch fünf Zusatzfragen kassieren können. - Diese Bemerkung geht übrigens von der Zeit ab. Trotzdem kommt jetzt zur Abwechslung der Abgeordnete Dr. Kohut.
({3})
Herr Staatssekretär, bietet sich nicht die nächste Gelegenheit, über dieses Thema mit Ministerpräsident Kossygin zu sprechen, da dieser doch nach Zeitungsmeldungen von dem Botschafter von Gröpper nach Bonn eingeladen worden ist?
Herr Abgeordneter, ich möchte dazu sagen, daß die Bundesregierung keine Gelegenheit vorübergehen lassen wird, mit sowjetischen Stellen über diese Frage zu sprechen.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier ({0}).
Herr Staatssekretär, ich darf noch einmal auf die Zahlen zurückkommen. Nach der Statistik des Deutschen Roten Kreuzes -31. Dezember 1964 - sind es 170 819 Deutsche, die auf Rückführung warten. Darf ich Sie fragen, wenn Sie darauf jetzt keine befriedigende Antwort geben können, ob Sie diese Diskrepanz in den Zahlen, die Sie nennen und die das Deutsche Rote Kreuz nennt, einmal prüfen und mir dann eine Nachricht zukommen lassen werden?
Ich will das ,sehr gern tun, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kohut umgangen haben, erlaube ich mir, nachzufragen: Was ist an den Agenturmeldungen über die Einladung des sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin nach Bonn?
Das gehört nicht dazu; diese Frage lasse ich nicht zu. Das ist ein völlig anderes Kapitel. Schauen Sie das Reglement an, Herr Kollege. Außerdem muß doch der Staatssekretär die Möglichkeit haben, über eine solche Frage nachzudenken.
({0})
Das wäre ein ganz anderes Thema.
({1})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Aber besser langsamer denken und dann die richtige Antwort geben.
({2})
Zusatzfrage des Abgeordneten Baier ({3}).
Herr Staatssekretär, haben 'Sie angesichts der so unbefriedigenden Zahlen über die Rückführungsergebnisse 'der vergangenen Jahre außer der von Ihnen angedeuteten Möglichkeit einer neuen Form der Rückführung noch andere Schritte unternommen, bzw. was gedenken Sie Vu unternehmen, nachdem ja inzwischen schon wieder ein Jahr vergangen ist, seitdem diese neue Form der Rückführung von Ihnen für möglich gehalten wurde?
Ich kann Ihre erste Frage mit Ja beantworten, Herr Abgeordneter. Wir haben bei mehreren Gelegenheiten diese Angelegenheit gegenüber der sowjetischen Regierung zur Sprache gebracht. Wir haben der sowjetischen 'Regierung auch Listen übergeben, aus denen die Namen der Personen hervorgehen, auf deren Rückführung wir nach den getroffenen Vereinbarungen glauben einen Anspruch zu haben. 'Ich kann Ihnen sagen, daß wir auch in der Zukunft jede sich bietende Gelegenheit in dieser Richtung ausnutzen werden.
Es geht weiter mit der Frage V/4 - des Abgeordneten Jahn -:
Wird die Bundesregierung mit der gleichen Entschiedenheit, mit der sie nunmehr die Lieferung von Waffen in Spannungsgebiete ablehnt, sich für ein Verbot ,der Mitwirkung deutscher Rüstunigswissenschaftler und -techniker en ,der Rüstungsproduktion in Spannungsgebieten einsetzen?
Darf ich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, auch die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Jahn zusammen beantworten?
({0})
Herr Abgeordneter, Sie kommen dabei nicht zu kurz. Sie haben vier Zusatzfragen.
Ich rufe dann auch die Frage V/5 - ebenfalls des Abgeordneten Jahn - auf:
Hält die Bundesregierung an der in der Fragestunde der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. Januar 1965 durch Herrn Staatssekretär Dr. Carstens erteilten Antwort fest, ihr seien Einzelheiten über die Tatsache des kürzlich erfolgten erneuten Eintritts deutscher Waffentechniker und Ingenieure in ägyptische Dienste nicht bekannt gewesen?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Frage der Tätigkeit deutscher Rüstungsexperten in Spannungsgebieten zu dem gleichen Gesamtkomplex gehört, zu dem der Beschluß der Bundesregierung über die Einstellung von Waffenlieferungen ergangen ist. 'Die Bundesregierung schlägt vor, in den Ausschüssen des Bundestages diese Frage weiter zu erörtern, in denen sie ja auch zur Zeit anhängig ist.
Auf Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter Jahn, darf ich folgendes antworten:
In Ergänzung meiner Antwort in der Fragestunde der 157. 'Sitzung des Deutschen Bundestages ist es mir heute möglich, einige Einzelheiten zu der von Ihnen gestellten Frage über neue Ausreisen von deutschen Technikern nach Ägypten mitzuteilen, soweit sie den amtlichen Stellen bekannt geworden sind.
Zunächst möchte ich unterstreichen, daß es sich nicht um Waffentechniker im eigentlichen Sinne handelt. Nach meinen Feststellungen handelt es sich um Spezialisten auf dem Gebiet des Flugzeugbaus, jedoch weder der Waffen- noch der Raketentechnik.
Bis Ende 1964 sind über 100 ausländische Techniker aus ihren Arbeitsverhältnissen in der VAR ausgeschieden. In dieser Zeit und danach haben Anwerber - meistens Deutsche, die bereits in Ägypten beschäftigt sind - im süddeutschen Raum versucht, neue Kräfte anzuwerben. Diesen Bemühungen ist jedoch bisher nur ein geringer Erfolg beschieden gewesen. Eine dieser Aktionen wurde durch das Deutsche Fernsehen bekannt, das über die Abreise von 12 Flugzeugbauspezialisten berichtete, die wohl Ende 1964 ausgereist sind. Eine weitere Gruppe von etwa 15 Spezialisten soll bereits früher ausgereist sein. Von Ausreisen in jüngster Zeit ist den amtlichen Stellen nichts bekannt.
In den Fällen, in denen die Namen der Werber bekannt sind, wird seitens der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg und den nachgeordneten Landesarbeitsämtern ein Strafverfahren wegen Verletzung des Verbots der Anwerbung und Arbeitsvermittlung von 'Deutschen in das Ausland beantragt.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Jahn!
Ich muß vorweg noch einmal sagen: Ich weiß nicht, wieso diese beiden Fragen zusammen beantwortet werden mußten. - Ich stelle also zunächst meine Fragen zu der ersten hier gegebenen Teilantwort. Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung eigentlich aus eigener Initiative unternehmen, um das Problem zu lösen?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird sich an den Beratungen in den Ausschüssen des Bundestages beteiligen und wird dort ihre Meinung zu diesem Komplex vortragen.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn!
Wird die Meinung so wie bisher darin bestehen, daß die Bundesregierung es ablehnt, eine eigene Vorlage einzubringen?
Die Frage kann ich in dieser Form nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Ich bitte Sie, aus meinen Antworten entnehmen zu wollen, daß ich nicht gern jetzt hier über die Einzelheiten der Stellungnahme der Bundesregierung Erklärungen abgeben möchte.
({0})
Ich möchte vorschlagen, daß dieser Fragenkomplex ebenso wie der andere Fragenkomplex, über den vor einigen Tagen hier gesprochen wurde, in den Ausschüssen behandelt 'wind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer zu der Frage V/4!
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es, nachdem der Beschluß der Bundesregierung, keine Waffen mehr in 'Spannungsgebiete, sprich: nach Israel zu liefern, öffentlich bekanntgegeben wurde, nunmehr auch die 'Pflicht der Bundesregierung wäre, öffentlich 2u sagen, wie sie es mit der 'Ausfuhr von Waffenhauern, von Raketenbauern hält?
Herr Abgeordneter, ich habe dazu soeben öffentlich gesagt, was nach Auffassung der Bundesregierung dazu öffentlich gesagtwerden kann,
({0})
daß nämlich dieser Komplex in 'denselben Gesamtkomplex gehört wie der andere.
Weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mommer!
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es nach den 'Erfahrungen mit der Geheimhaltung solcher Dinge ,an (der Zeit wäre, jetzt in dieser Frage zumindest auch an die Ö'ffent'lichkeit zu treten und die Beratungen nicht hinter verschlossenen Türen ides Ausschusses zu begraben?
Herr Abgeordneter, es ist nicht die Absicht der Bundesregierung, die Beratungen zu begraben. Die Bundesregierung hat das, was sie in diesem Augenblick zudem Problem 'zu sagen hat, gesagt. Sie schlägt vor, die Einzelheiten - ich betone 'noch einmal, die Einzelheiten - in den Ausschüssen zu beraten. Ich glaube, Herr Abgeordneter, der Grund, weshalb ich diese Antwort Igebe, ist auch offenkundig, ohne daß ich 'ihn Ihnen zu nennen brauche.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke!
Herr Staatssekretär, sind Sie ,der Meinung, daß nach den Worten des Herrn
Kollegen Dr. Mommer diese Fachleute aus der Bundesrepublik „ausgeführt" werden?
Ich glaube nicht, daß es sich um eine „Ausfuhr" in irgendeinem landläufigen Sinne handelt, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Will die Bundesregierung auch weiterhin wie bisher wichtige politische Informationen dem Bundestag vorenthalten?
Die Bundesregierung wird das nicht tun und hat dies nach meiner Auffassung nicht getan, Herr Abgeordneter.
({0})
Darf ich eine zweite Frage stellen?
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Haben Sie die Zeitung in den letzten Wochen nicht gelesen, Herr Staatssekretär, wenn Sie so antworten?
({0})
Herr Abgeordneter, wenn ich so antworte, stütze ich mich auf die Tatsache, daß, wie Sie es wahrscheinlich auch wissen, die Bundesregierung Abgeordnete des Bundestages informiert hat.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mattick!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Absicht, die Verhandlungen in den Ausschüssen weiterhin so zu blockieren oder will sie nichts unternehmen, daß - mit den Regierungsfraktionen - die Verhandlungen zum Abschluß gebracht werden können?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat die Verhandlungen nicht blockiert und hat auch nicht die Absicht, es in Zukunft zu tun.
({0})
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen etwas sagen: Machen Sie
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
eine aktuelle Stunde! Ich will niemanden hier zu irgend etwas aufputschen,
({0})
aber der Fragestunde sind bestimmte Grenzen gesetzt, über die kann auch nicht der Bundestagspräsident hinweg, der am allerwenigsten. Mehr gibt das Verfahren nicht her.
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob sich die Mitwirkung von Deutschen bei der ägyptischen Raketenproduktion auf die Tätigkeit von Waffentechnikern beschränkt oder ob auch vielleicht deutsche Firmen, möglicherweise sogar in größerer Anzahl, an den für diese Entwicklung und Produktion notwendigen Materiallieferungen beteiligt sind?
Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Darauf müßte ich Ihnen schriftlich antworten, wenn Sie Wert darauf legen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn!
Ich komme jetzt zu meiner zweiten Frage. Herr Staatssekretär, wollen Sie im Ernst behaupten, daß der Bundesregierung am 21. Januar 1965 von der damals bereits erfolgten Abwerbung einer Reihe von Waffentechnikern aus Donauwörth nichts bekannt war, obwohl das zuständige Arbeitsamt in Donauwörth über das Landesarbeitsamt Südbayern über die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung das Bundesinnenministerium und in diesem den Ministerialrat Breull vorher bereits informiert und von dort eine abweisende Antwort erhalten hatte?
Herr Abgeordneter, die Antwort auf eine solche Frage, wie Sie sie jetzt stellen, ist sehr schwer zu geben. Sie wissen selbst, daß die Bundesregierung über zahlreiche Ministerien, nachgeordnete Behörden, Organisationen verfügt. Es ist außerDrdentlich 'schwierig, in einem bestimmten Augenblick das Wissen aller dieser Stellen an einer Stelle, nämlich dort, wo eine Frage im Bundestag beantwortet werden muß, zu konzentrieren. Ich kann Ehnen nur sagen, daß ich mich, bevor ich eine Antwort auf Ihre Frage gab, informiert habe und daß das Ergebnis meiner Informationen das war, was ich hier vorgetragen habe.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!
Beabsichtigen Sie, Herr Staatssekretär, im Kabinett darauf hinzuwirken, daß diese außerordentlich „eindrucksvolle" Form der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ressorts in Zukunft vielleicht verbessert werden kann?
({0})
Herr Abgeordneter, ich glaube, das sind Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache liegen.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Staatssekretär, Sie halten es also für möglich, daß ein leitender und in Ausländerfragen so erfahrener Beamter offensichtlich die Bedeutung einer solchen Sache nicht erkannt hat und daß auch im Innenministerium die Bedeutung nicht gesehen worden ist?
Das habe ich in gar keiner Weise sagen oder auch nur andeuten wollen, Herr Abgeordneter.
({0})
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe zunächst die Fragen VI/1 und VI/2 - des Abgeordneten Rollmann - auf:
Welche Staaten haben bisher das Brüsseler Abkommen über blinde Passagiere vom 10. Oktober 1957 ratifiziert?
Beabsichtigt die Bundesregierung dem in Frage VI/1 genannten Abkommen beizutreten?
Ist Herr Abgeordneter Rollmann im Saal? - Das ist nicht der Fall. Dann werden die Fragen schriftlich beantwortet.
Herr Bundesminister, das Haus ist so höflich, daß es von einem Minister nicht erwartet, eine Frage zu beantworten, wenn der Fragesteller nicht im Saal ist.
Ich rufe dann die Frage VI/3 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen - auf:
Wie hoch sind die Druck- und Verteilungskosten der Broschürenreihe „Die Orientierung über den Zivilschutz"?
Die Druck-und Verteilungskosten für das erste Heft „Menschen in Gefahr" betragen etwa 130 000 DM; die Auflage beträgt 400 000 Exemplare.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ich kann von Ihnen nicht verlangen, daß Sie die Sache gekannt haben. Nachdem Sie sich aber sicher inzwischen das Heft einmal angesehen haben, frage ich Sie: Glauben Sie wirklich, daß das Heft mit den Bildern der Felszeichnungen eines Wisent-Bullen in der Höhle von Altamira, mit der Darstellung germanischer Hütten in den Reliefs der Siegessäule Marc Aurels zu Rom und der eines römischen Kastells am Limes, mit dem Bild des römischen Walls in Nordengland und vielen anderen geschichtlichen Bildern dem Luftschutz dient? Oder hätte man nicht lieber diesen Betrag nützlicheren Zwecken zuführen sollen?
Herr Kollege, es sind 100 000 Nachbestellungen erfolgt, so daß ich annehmen muß, daß die Schrift großen Eindruck gemacht hat.
({0})
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, die Freude an der Schrift veranlaßt mich zu der Frage, ob wirklich die in Betracht kommenden Kreise, nämlich diejenigen, die den Bevölkerungsschutz durchführen sollen, diesen guten Eindruck haben, oder ob nicht Schulen dankbar eine kostenlose Schrift für den Geschichtsunterricht entgegengenommen haben?
Herr Kollege, die Dinge sind folgendermaßen. Die Schrift soll an die Lehrer gehen, und ich habe großes Vertrauen zu den pädagogischen Fähigkeiten unserer Lehrerschaft, daß sie auch das Letzte für den Luftschutz herausholt.
({0})
Herr Abgeordneter Jahn, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wieviel Schutzraum-bauten hätten eigentlich mit dem Geld finanziert werden können, das Sie hier für historischen Unterricht in den Schulen zur Verfügung stellen?
Nun, ich bin kein Bautechniker, lasse mich aber gern unterrichten und darf Sie dann schriftlich informieren.
Frage VI/4 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Wie hoch sind die Auflagen der einzelnen Hefte der in Frage VI/3 genannten Broschürenreihe?
- Die beiden Fragen sind schon beantwortet? - Also, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, betrachten Sie das als eine freundliche Geste der Bundesregierung für die Förderung des deutschen Naturschutzes - Wisent! -; man kann in dieser Richtung nicht genug tun.
({0})
Sie sind aber doch bereit, Herr Minister, das noch einmal zu überprüfen?
Sie haben zwei Zusatzfragen zu dieser Frage.
Ich darf also annehmen, Herr Minister, daß Ihr Haus solche Projekte in Zukunft. sorgfältig überprüft?
Jawohl!
Ich rufe die Frage VI/5 - des Abgeordneten Kubitza - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, für die Bundesverwaltung anzuordnen, daß die ehrenamtliche außerdienstliche Tätigkeit in gemeinschaftsfördernden Einrichtungen stärker als bisher bei der dienstlichen Beurteilung berücksichtigt wird?
Ich muß die Frage mit Nein beantworten, Herr Kollege, weil ich fürchte, daß eine solche Anordnung zu Eingriffen in die private Sphäre des Bediensteten führen könnte, die wir unter gar keinen Umständen wollen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das gesamte Leben in unseren Gemeinden und Kreisen auf dieser ehrenamtlichen Tätigkeit beruht und daß es eben förderlich sein könnte, wenn man diese ehrenamtliche Tätigkeit auf dem von mir vorgeschlagenen Wege damit auch anerkennen würde?
Herr Kollege, die ehrenamtlichen Tätigkeiten werden bereits vermerkt. Eine Qualifikation darauf aufzubauen, würde Nachforschungen verlangen, die in einem solchen Fall vielleicht ganz interessant wären, sich aber im allgemeinen nicht empfehlen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, zunächst zur Frage VII/1 - des Abgeordneten Geiger -:
Erkennt die Bundesregierung nach den ersten sechs Wochen seit dem Inkrafttreten bereits offensichtliche Mängel und Fehler des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs?
Ich beantworte die Frage mit Nein. Es wäre ja auch bedauerlich, wenn bei einem von diesem Hohen Hause einstimmig beschlossenen Gesetz schon nach wenigen Wochen offensichtliche Mängel auftauchten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage VII/2 -des Herrn Abgeordneten Geiger - auf:
Hat die Bundesregierung von den Ländern bereits erste Erfahrungsberichte über das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs erhalten?
Erfahrungsberichte der Länder liegen noch nicht vor; denn der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes .am 2. Januar vergangene Zeitraum ist dafür noch zu kurz. Man wird über wirkliche Erfahrungen erst nach einigen Monaten berichten 'können.
Zusatzfrage? -Herr Abgeordneter Dr. Kohut!
Herr Minister, weiß die Bundesregierung, daß dieses Gesetz ungewöhnlich unpopulär ist?
Das weiß die 'Bundesregierung. Ich darf Ihnen aber sagen, daß sich bei einer der heute ja üblichen Befragungen durch Allensbach - ich kann das nur der „Abendpost" entnehmen - ergeben hat, daß 47 % der Bevölkerungdas Verkehrsgesetz begrüßen und 17 % es ablehnen.
Zweite Zusatzfrage!
Ist es nicht so, daß man hinsichtlich eines Punktes in diesem Gesetz, nämlich hinsichtlich der 'sogenannten Zebrastreifen, die schlechtesten Erfahrungen 'gemacht hat und dis Gefährdung der Fußgänger stärker ist als zuvor?
Ich glaube, es muß zugegeben wenden, daß die Bestimmungen über die Zebrastreifen der Ergänzung in der Praxis bedürfen, damit diese Zebrastreifen genügend deutlich gekennzeichnet werden.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Fehleinschätzung dieses Gesetzes draußen offenbar auch darauf beruht, daß allzu viele Kraftfahrer nicht wissen, daß es sich ausschließlich 'gegen den 'besonders rüden 'und rücksichtslosen Kraftfahrer richtet?
Ich habe den Eindruck, daß 'darauf die Fehleinschätzung sehr stark beruht, vor allem unmittelbar nach dem Inkrafttreten, daß sich aber die äfffentliche Meinung inzwischen etwas geändert hat.
Zweite Zusatzfrage!
Erwägt die Bundesregierung nach den sehr schlechten Erfahrungen mit der Neuregelung bei den Fußgängerüberwegen die Einführung von Vorschriften, mit denen die Überwege einheitlich besser und auch auf weite Sicht klar gekennzeichnet werden, insbesondere durch die Wiedereinführung der früher dafür einmal vorgesehenen gelben Blinklichtlampen?
Ich kann Ihnen dazu keine verbindliche Antwort geben, da das in das Ressort des Herrn Bundesverkehrsministers fällt. Ich will ihm 'aber gern Ihre Gedanken weitergeben. Ich für meine Person unterstütze ihn.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage VII/3 - des Herrn Abgeordneten Geiger - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob sich die Zahl der vorläufig eingezogenen Führerscheine im Januar 1965 stark erhöht hat, wenn man den Januar früherer Jahre, 'etwa 1963/1964, zum Vergleich hertanzieht?
Amtliche statistische Unterlagen über die im Januar dieses Jahres vorgenommenen vorläufigen Entziehungen der Fahrerlaubnis liegen noch nicht vor. Bei einer eiligen telefonischen Umfrage, die wir auf Ihre Frage hin veranstaltet haben, konnten aus einigen Bereichen Zahlen ermittelt werden, die ich Ihnen nachher gern 'schriftlich gebe; ich möchte sie hier nicht vorlesen. Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß von einem starken Ansteigen der Fälle 'der vorläufigen Sicherstellung des Führerscheins oder der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bisher nicht gesprochen werden kann. Vielmehr scheint sich das Gegenteil anzubahnen, d. h. in den meisten Fällen sind gegenüber dem Januar des Vorjahres weniger Entziehungen vorgekommen. Dabei 'muß beachtet werden, .daß einerseits durch das Gesetz die rechtlichen Möglichkeiten zur Entziehung der Fahrerlaubnis ausgedehnt worden sind und andererseits die Zahl der Kraftfahrzeuge sicher nicht zurückgegangen ist, so daß bei aller gebotenen Vorsicht - man hat ja nur einen einzigen Monat zur Verfügung - eigentlich der Schluß naheliegt, das Gesetz habe sich dahin gehend ausgewirkt, daß die Kraftfahrer vorsichtiger und besser gefahren sind.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger!
Herr Minister, ist Ihnen bei Ihren telefonischen Rückfragen auch bekanntgeworden, ob die Zahl der Fälle angestiegen ist, in denen nach Anzeigen Verkehrsteilnehmer, ohne daß sie ein Verkehrsvergehen begangen hatten, vorwiegend in den Nachtstunden aus ihrer Wohnung heraus zur Bestimmung des Blutalkoholgehalts abgeholt worden sind?
Nein. Ich habe nur die Zahlen über die Fälle, in denen der Führerschein durch die Polizei vorläufig sichergestellt worden ist.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geiger.
Würden Sie ein solches Verfahren billigen, wenn es tatsächlich so wäre?
Das läßt sich in dieser allgemeinen Form nicht beantworten. Es gibt natürlich solche Fälle, in denen einem 'betrunkenen Kraftfahrer nachgegangen wird und er erst nachher in der Wohnung festgestellt wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Herr Minister, nachdem Sie vorhin selber eine der nach ihrem äußeren Erscheinungsbild schwarz-weiß-roten Zeitungen beim Namen genannt haben, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß eben in dieser Zeitung und in weiteren mit dem Bild eines Abgeordneten
dieses Hauses die Auffassung vertreten wurde, daß dieses Gesetz freitags nachmittags durchgerutscht sei, weil nicht genug Abgordnete hiergewesen seien? Hat Ihr Haus dazu Stellung genommen?
Ich glaube, es steht mir nicht zu, über Äußerungen eines Mitglieds dieses Hohen Hauses hier eine Kritik abzugeben. Jedenfalls ist sonst von niemandem die Ansicht vertreten worden, daß dieses Gesetz sozusagen aus Versehen beschlossen worden sei.
Zweite Zusatzfrage!
Glauben Sie nicht, daß, wenn in Verbindung mit der Pressekonferenz eines so maßgeblichen Abgeordneten ein Gesetz, das so eingehend beraten worden ist, in dieser Form beurteilt wird, darin eine Schwächung des Gesetzes und eine Minderung des Ansehens des Parlaments liegt?
Ich glaube, es steht mir noch weniger zu, auf die sehr heikle Frage einzugehen, ob es überhaupt maßgebliche und nicht maßgebliche Abgeordnete gibt.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß dieser Abgeordnete, der Kollege Müller-Herrmann, dieser Zeitung gegenüber eine Berichtigung verlangt und darauf hingewiesen hat, daß seine Ausführungen in allen anderen Zeitungen richtig wiedergegeben worden seien?
Ja, das ist mir bekannt. Es ist auch in dem Bulletin der Bundesregierung zu diesem Komplex Stellung genommen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Minister, erklären Sie es allein aus sachlichen Gründen oder welche Gründe können Sie sonst dafür erkennen, daß dieses Gesetz, das bei seiner einstimmigen Verabschiedung im Juni 1964 in diesem Hause so gut wie kein Echo in der Presse gefunden hat, plötzlich nach der Verkündung im Januar 1965 einen solchen Wirbel in der Offentlichkeit hervorruft?
Ich kann das nur so erklären, daß tatsächlich einzelne Presseorgane, und zwar gerade solche, die einen großen Abnehmerkreis haben, nicht sehr sachlich über das Gesetz berichtet haben, während der größte Teil der wirklich ernst zu nehmenden Presse von vornherein sachlich berichtet hat.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gerlach.
Herr Minister, sind in diesem Zusammenhang die Presseverlautbarungen richtig, daß sich die Zahl der Fälle von Fahrerflucht nach dem 1. Januar wesentlich erhöht hat?
Das läßt sich statistisch noch nicht feststellen. Ich glaube aber, daß das schon rein logisch gar nicht möglich ist. Denn das Gesetz bringt keine Verschärfung für die Fälle, in denen Fahrerflucht überhaupt nur begangen werden kann, nämlich für die Fälle, in denen es zu einem Urteil kommt. Es könnte also höchstens sein, daß kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes einzelne Kraftfahrer, die überhaupt keine Ahnung haben, um was es bei dem Gesetz geht, aus einer allgemeinen Schreckreaktion heraus Fahrerflucht begangen haben. Nachdem sich aber herausgestellt hat, daß solche Fälle durch das Gesetz gar nicht betroffen werden, bin ich überzeugt, daß die Zahl der Fahrerfluchtfälle nicht zunehmen wird.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dürr.
Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß die 'von Herrn Kollegen Schwabe angesprochene sehr späte Reaktion auf das Gesetz in der Offentlichkeit daher kommt, daß Idas Gesetz als Novellegefaßt, d. h. nur zusammen mit der Textausgabe ides geltenden Strafrechts lesbar war, und ist die Bunderegierung auf Grund dieses Beispiels bereit, zu prüfen, ob in 'solchen Fällen eine verstärkte Öffentlichkeitsaibeit unternommen werden kann, damit solche ,Gesetze rechtzeitiger bekannt werden?
Die Bundesregierung hat sich bis jetzt nach Kräften bemüht, die entstandenen Irrtümer aufzuklären. Ich glaube sagen 'zu können, daß das zu einem Teil gelungen ist. Es ist richtig - ich habe mich schon daran gestoßen -, daß das Gesetz nur lesbar ist im Zusammenhang mit idem ursprünglichen Text. Aber leider ist die Ermächtigung, eine Neufassung herauszubringen, darin nicht enthalten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Blauer ({0}).
Würden Sie, Herr Minister, vor der deutschen Offentlichkeit b'estä'tigen, daß das Gesetz im Ausschuß in ,außerordentlich gründlicher Weise beraten warden ist 'und daß vor allem in der Berichterstattung die Eingaben der größten Organisationen wie des Anwaltvereins, ides ADAC und des AvD vorgetragen worden sind?
Das kann ich mit Überzeugung (bestätigen.
Wir kommen zu den Fragen aus Idem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, zunächst zu iden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke zusammen beantworten?
Ich rufe dann die Fragen VIII/1 und VIII/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der seinerzeitigen Anlage des Westwalds, wie z. B. in der Gemeinde Neuburg ({0}), sowohl private als auch gemeindliche Grundstücke zur Herstellung eines Kampfwagenabwehrgrabens in Anspruch genommen wurden, ohne daß Entschädigungsleistungen an die geschädigten Grundstückseigentümer gewährt wurden?
Ist die Bundesregierung bereit, durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen, daß den durch die in Frage VIII/1 geschilderte Inanspruchnahme geschädigten Grundeigentümern für die durch diese Anlagen unbrauchbar gewordenen Grundstücke oder Grundstücksteile Steuern und Abgaben grundsätzlich erlassen werden, bis es zu einer generellen Regelung der Entschädigung gekommen ist?
Die in den beiden Fragen angesprochenen Folgen der Errichtung des Westwalls sind der Bundesregierung bekannt. Die Entschädigung der betroffenen Grundstückseigentümer ist im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vom 5. Januar 1957 geregelt worden. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 1958 in Kraft getreten, und seitdem werden die den Grundstückseigentümern -Privatpersonen und auch Gemeinden - zustehenden Entschädigungsansprüche kreisweise und innerhalb der Kreise gemarkungsweise abgewickelt. Die Mehrzahl der angemeldeten Ansprüche ist bereits erfüllt. Der Kreis Germersheim wird seit einiger Zeit bearbeitet, so daß die Anmeldungen aus der Gemeinde Neuburg am Rhein etwa bis zum Sommer 1965 erledigt sein werden. Da eine generelle Regelung der Entschädigungen im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vorliegt, wird sich die Schädigung der in Anspruch genommenen Grundstücksflächen nicht oder nur ganz geringfügig auf die Steuern und Abgaben auswirken. Um die auf dem Grundstücksteil liegenden Steuern und Abgaben pauschal abzugelten, zahlen die Oberfinanzdirektionen bei der Entschädigung der Flächen einen Zuschlag in Höhe von 5 O/o des Verkehrswertes. Es besteht deshalb meiner Ansicht nach kein Grund, Steuern und Abgaben für die beschädigten Grundstücksteile 'allgemein zu erlassen. Dazu wäre auch eine Gesetzesänderung notwendig.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, es handelt sich hier darum, daß die Grundstückseigentümer seit mehr als 20 Jahren Teile oder ganze Grundstücke überhaupt nicht benutzen können, aber bisher treu und bieder für diese durch Maßnahmen des Staates unbrauchbar gewordenen Grundstücke oder Grundstücksteile Steuern zahlen, während die Entschädigungszahlungen auf sich warten lassen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß man diesen Leuten etwas zuviel an Opferbereitschaft gegenüber dem Fiskus zumutet?
Sicher hat man den Eigentümern dieser Flächen außerordentlich viel zugemutet. Aber das vom Bundestag im Jahre 1957 beschlossene Gesetz ist erst seit dem 1. Januar 1958 in Kraft. Seitdem wird an der Regelung dieser Entschädigungsansprüche gearbeitet. Um Ihnen einmal eine Vorstellung von dem Umfang der Arbeit zu geben, möchte ich Ihnen sagen, daß die Oberfinanzdirektion Koblenz allein rund 26 000 Anmeldungen nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz gehabt hat. Rund gerechnet gibt es 10 000 Bunker des Westwalls, 73 km Höckerlinie und 36 km Panzergräben. Nun müssen Sie bedenken, daß bei der Abwicklung all dieser Inanspruchnahmen von Grundstückseigentum auf Grund der Anträge sorgfältig gearbeitet werden muß, daß die heutigen Verkehrswerte ermittelt und die Grundstücksflächen vermessen werden müssen. Außerdem nehmen die Verhandlungen mit den einzelnen Berechtigten allein deshalb eine lange Zeit in Anspruch, weil inzwischen Eigentumsübergänge z. B. durch Erbschaft oder Verkäufe vorgekommen sind. Im übrigen wird nicht nur die Beeinträchtigung des Grundstücks durch bauliche Anlagen entschädigt, sondern auch eine Beeinträchtigung z. B. durch die Sprengung eines solchen Bauwerks durch alliierte Truppen. Vor Beendigung oder kurz nach der Beendigung des Krieges sind Grundstücke z. B. durch umherfliegende Riesenbrocken von Trümmern unbrauchbar geworden; auch diese Schäden werden einbezogen. Dabei bemühen wir uns, die Entschädigungen nach dem gesetzlichen Auftrag, den der Bundestag erteilt hat, möglichst schnell und möglichst umfassend und gerecht festzusetzen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich also auf Grund Ihrer Auskunft davon ausgehen, daß nunmehr eine Entschädigung für die Gemeinde Neuburg, die ich hier angesprochen habe, bis Mitte dieses Jahres gezahlt wird?
Auf Grund Ihrer Frage habe ich mich über den Fall Neuburg informieren lassen. Die Bearbeitung der Entschädigungsansprüche aus dem Kreis Germersheim ist im Gange. Wir rechnen damit, daß sie für diesen Kreis, der auch gemarkungsweise bearbeitet wird, im Laufe des Sommers 1965 ihre Erledigung findet.
Ich rufe die von dem Herrn Abgeordneten Dr. Hauser gestellte Frage VIII/3 auf:
Wird der Bundesfinanzminister der unter dem 11. Dezember 1964 im Landtag Baden-Württemberg angenommenen EntschlieBung folgen und den in Abschnitt 13 Abs. 2 der Körperschaftsteuerrichtlinien festgesetzten steuerunschädlichen Überschußbetrag von 2000 DM auf 4000 DM anheben sowie gleichzeitig die Einkommensgrenze in Abschnitt 52 Abs. 1 der genannten Richtlinien, bis zu welcher von einer Veranlagungabzusehen ist, für gemeinnützige, kulturelle und sportliche Vereine angemessen erhöhen?
Dr. Dahlgrün Bundesminister der Finanzen: Herr Fragesteller, es ist vorgesehen, den in Abschnitt 13 Abs. 2 der Körperschaftsteuerrichtlinien festgesetzten steuerunschädlichen Überschußbetrag von 2000 DM bei der Änderung der Körperschaftsteuerrichtlinien für 1964 auf 3000 DM zu erhöhen.
Eine noch weitere Anhebung ist im Hinblick auf den Wortlaut der Gemeinnützigkeitsverordnung leider nicht möglich. Nach dieser Verordnung sind sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins nur dann als steuerunschädliche Geschäftsbetriebe anzusehen, wenn die vereinnahmten Entgelte die Unkosten, die dem Sportverein entstanden sind, höchstens decken oder nur wenig überschreiten. So sagt es die gesetzliche Vorschrift der Gemeinnützigkeitsverordnung. Ist ein Überschuß von mehr als 3000 DM vorhanden, so wird man kaum sagen können, daß die Unkosten nur wenig überschritten sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Herr Minister, bis wann ist mit der Änderung dieser Richtlinien zu rechnen?
Ich nehme an, daß das nicht mehr allzu lange dauern wird. Wir haben eine Änderung dieser Richtlinien selbstverständlich mit den zuständigen Referenten der Länder abzustimmen.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, muß man bei diesem Fragenkomplex nicht berücksichtigen, daß es sich nicht nur um eine Veranstaltung, sondern um alle Veranstaltungen in einem Jahr und die dabei erzielten Überschüsse handelt, und wird dabei nicht zu überprüfen sein, daß diese Überschüsse ja nur entstehen, weil im Rahmen unserer Sportvereine eine große Zahl von Menschen ehrenamtlich Arbeit leisten, um den Vereinen finanziell zu helfen?
Das ist sicher richtig, aber auf der anderen Seite werden ja auch die Jahresunkosten dagegengerechnet.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Wäre es nicht richtig - und wollen Sie, Herr Bundesminister, nicht versuchen, das zu erreichen -, den Betrag auf mindestens 6000 DM zu erhöhen, so daß monatlich eine Summe von 500 DM als Überschuß vertreten werden könnte?
Ich habe mit den zuständigen Referenten der Länder den Text der Vorschrift der Gemeinnützigkeitsverordnung sehr sorgfältig geprüft. Alle Referenten der Länder und auch die Referenten des Bundes sind der Meinung, daß, wenn in der Gemeinnützigkeitsverordnung gesagt wird, daß die Unkosten nur wenig überschritten werden dürfen, ein Betrag von 3000 DM vertretbar ist; wenn es aber mehr ist, ergibt sich ein Gewinn. Ich weiß, das macht viel Ärger. Ich bin gern bereit, noch einmal mit den Vertretern der Länder - wahrscheinlich habe ich auf der Finanzministerkonferenz morgen früh dazu sogar schon Gelegenheit - über diese Dinge zu sprechen. Ich vermag Ihnen aber keine große Hoffnung zu machen. Die Erhöhung auf 3000 DM kommt.
({0})
Frage VIII/4 - des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser -:
Ist es mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung, wie ihn das Bundesverfassugsgericht in seinem Beschluß vom 17. Januar 1957 aufgestellt hat, zu vereinbaren und stößt es nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, wenn heute noch gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes dem Ledigen ein Freibetrag von 800 DM ,aus Nebeneinkünften steuerfrei belassen wird, während Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, der doppelte Betrag nicht gewährt wird?
Herr Fragesteller, die Freigrenze nach § 46 Abs. 2 Ziffer 1 des Einkommensteuergesetzes ist keine Steuervergünstigung; das wird immer wieder verwechselt. Sie ist lediglich eine verwaltungstechnische Vereinfachungsmaßnahme. Nach der vom Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 21. Februar 1964 vertretenen Auffassung ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, verheiratete Arbeitnehmer in den Fällen der Zusammenveranlagung entsprechend der Systematik des Einkommensteuer-und Lohnsteuerrechtes bereits zur Einkommensteuer zu veranlagen, wenn ihre Einkünfte, die nicht dem Abzug vom Arbeitslohn unterlegen haben, zusammengerechnet den Betrag von 800 DM übersteigen. Diese Auffassung wird von mir geteilt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß in der Fachliteratur nicht ungewichtige Stimmen laut geworden sind, die verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet haben, weil die Richtlinien zum Einkommensteuergesetz aus dem BFH-Urteil vom August 1961 und aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1957 noch nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen haben.
Ich glaube, Herr Kollege Hauser, daß man nur Konsequenzen zu ziehen hat aus den von Ihnen zitierten Entscheidungen, wenn es sich um Vergünstigungen handelt, die allen gleich zugute kommen müssen. Bei dem § 46 Abs. 2 Ziffer 1 handelt es sich aber nicht um eine Steuervergünstigung, sondern um eine Vorschrift zur Verwaltungsvereinfachung, die besagt: Da wir unnötige Veranlagungsverfahren möglichst sparen wollen, wollen wir uns bis 800 DM nicht darum 'kümmern; das ist nicht viel.
Im übrigen müssen Sie dabei auch berücksichtigen, daß bei der Zusammenveranlagung der einzelne Ehegatte sich im allgemeinen besserstellt. Wenn er einzeln vorgeht, kann er alles auch einzeln geltend machen. Aber es dreht sich bei Ihrer Frage nur um die Zusammenveranlagung. Ihr Gedanke, statt 800 DM 1600 DM zu sagen, läßt sich nicht durchfüh8358
ren. Es handelt sich nicht um eine Vergünstigung, sondern um eine Maßnahme zur Verwaltungsvereinfachung. Alleingerechnet ist der Betrag zu gering, daß wir glauben, nicht extra Veranlagungsverfahren durchführen zu sollen, weil dabei doch nicht viel herauskommt.
Kurze Fragen, kurze Antworten, meine Herren! Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.
Herr Minister, nachdem Sie nun so deutlich herausgestellt haben, daß es sich hier nicht um einen Freibetrag, sondern um eine Freigrenze handelt, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, daß durch ein über Generationen hin geübtes Herkommen - in der Tat ist diese Freigrenze nun schon seit Generationen Praxis - aus einer solchen Übung auch tatsächlich einmal ein Rechtsanspruch werden kann?
Für jeden Ehegatten?
Ja!
Nein, das glaube ich nicht!
Gewohnheitsrechtliche Übung!
Keine Diskussion, meine Herren. Die Fragestunde ist sowieso zu Ende. Sie wird morgen um 14 Uhr fortgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1965 ({0}) ({1}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß ({2}). ({3})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange ({4}) als Berichterstatter.
. Lange ({5}) ({6}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 139. Sitzung dieses Hohen Hauses sind der Haushaltsplanentwurf 1965 und der Entwurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1965 gemeinschaftlich behandelt worden. Für die zweite und dritte Beratung gilt das gleiche. Damit wird ein alter Wunsch dieses Hauses erfüllt. Einem Wunsch des Ausschusses entsprechend, ergänze ich den schriftlich vorliegenden Bericht durch ein paar Bemerkungen.
Dem Hohen Hause und in diesem Zusammenhang auch der Offentlichkeit soll einmal deutlich gemacht werden, daß die debattelose Verabschiedung der jeweiligen Wirtschaftsplangesetze der verschiedenen Wirtschaftsjahre nicht bedeutet, daß es sich hier um ein weniger bedeutungsvolles Instrument der Wirtschaftspolitik handelt. Vielmehr ging es im wesentlichen um unstreitige Fragen. Aber nunmehr ist von seiten des Ausschusses und auch aus der Mitte dieses Hauses der Wunsch laut geworden, den Umfang dieses Sondervermögens und seine Wirkungsmöglichkeit einmal zu skizzieren.
Wir haben eine solche mündliche Ergänzung schon einmal gehabt, als in den Bereich des ERP-Sondervermögens als besondere Aufgabe die Entwicklungshilfe hineingebracht worden ist. Wir sind jetzt an einem Punkte der Entwicklung angelangt, wo es notwendig erscheint, in verstärktem Umfang Wirtschaftsförderung oder Gewerbeförderung - aber insonderheit Wirtschaftsförderung - im Rahmen der sich als notwendig erweisenden Strukturpolitik vorzunehmen.
Dieses Sondervermögen des Bundes beläuft sich mittlerweile mit Abschluß des Jahres 1964 auf rund 8,3 Milliarden DM. Die jährlichen Erträge sind im Schnitt 200 Millionen DM, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Diese Erträge, die aus Zinsen und Rückflüssen - Tilgungsleistungen und ähnlichem - bestehen, sind im wesentlichen der Anteil, der immer wieder neu verwertbar ist.
Inzwischen ist seit der Existenz dessen, was ursprünglich als Marshallplanhilfe in der Bundesrepublik Deutschland begonnen hat und dann in der Verwaltung des ERP-Ministeriums gestanden hat, in die Binnenwirtschaft an Krediten und Beteiligungen bis Ende 1963 ein Betrag - einschließlich der Gegenwerte - von fast 13 Milliarden DM gegeben worden. Davon sind für Westdeutschland rund 9,7 Milliarden DM und für Berlin 3,25 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden. An Beteiligungen sind 'im Rahmen des Sondervermögens 343 Millionen DM im Laufe dieser Jahre bis Ende 1963 zur Verfügung gestellt worden, davon in Westdeutschland 208 Millionen DM und in Berlin 135 Millionen DM. An Entwicklungshilfe ist - da wir das Entwicklungshilfegesetz vom 9. Juni 1961 mit seinen Instrumentarien hier weitgehend mit hineingebaut haben -, soweit es sich um die Wirtschaftsförderung handelt, bis Ende 1963 fast 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt worden.
Damit wird deutlich, daß mit diesem Sondervermögen in einer etwas elastischeren Art, als es mit Haushaltsmitteln sonst möglich ist, Wirtschaftsförderung betrieben werden kann. Dem Ausschuß kam es darauf an, diesen Sachverhalt hier einmal darzustellen.
Der Bundesrat hat bei der Beratung des Entwurfs des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1965 neben der besonderen Förderung des Zonenrandgebiets und des Saarlandes auch noch die Vorstellung entwickelt - der sich auch der Ausschuß angeschlossen hat, wie in dem Bericht nachzulesen ist -, daß besondere Problemgebiete noch der Förderung bedürfen. Solche Problemgebiete sind auch nach der Auffassung des
Bundesrates diejenigen Gebiete, die insonderheit aus sich ergebenden Strukturwandlungen der Wirtschaft besonderer Förderung bedürfen. Dazu gehören beispielsweise die Steinkohlenbergbaugebiete, und dazu könnte man die Gebiete zählen, die im besonderen von der Textilindustrie bestimmt gewesen sind. Die Förderung solcher Problemgebiete, besonders des Zonenrandes, dessen wirtschaftliche neben der politischen Bedeutung nicht in Frage gestellt ist, bietet die Möglichkeit, ein Schaufenster der Bundesrepublik zur Zone hin zu haben, wie Berlin ein Schaufenster innerhalb der Zone ist. Die Förderungswürdigkeit des Zonenrandgebietes ist unbestritten. In diesem Wirtschaftsplan sind besondere Maßnahmen vorgesehen. Er soll dem Zonenrandgebiet jährlich 100 Millionen DM als Kredite zur Verfügung stellen. Das bedeutet gegenüber der bisherigen Übung 40 Millionen DM Erhöhung pro Jahr. Auf drei Jahre erstreckt, kommen effektiv 120 Millionen, DM mehr ins Zonenrandgebiet.
Dazu kommt dann das besondere Instrument, das in § 4 des Gesetzes enthalten 'ist, nämlich der Ermächtigungsrahmen von 1,2 Milliarden DM, der für Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen erforderlich ist.
Gegenüber diesem Ermächtigungsrahmen von 1,2 Milliarden DM sind seitens des Haushaltsausschusses Bedenken geltend gemacht worden, mit denen sich der Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes sehr gewissenhaft auseinandergesetzt hat. Die Bedenken zielten besonders darauf ab, daß hier der Kapitalmarkt unter Umständen in einem zu starken Maße in Anspruch genommen würde.
Es geht bei dieser Ermächtigung doch darum, neben den tatsächlichen, aus dem ERP-Sondervermögen zur Verfügung stehenden Mitteln als Kredite und Zuschüsse zusätzliche Mittel für die Wirtschaftsförderung dadurch frei zu machen und diese Mittel am Kapitalmarkt zu verbürgen; denn diejenigen, die solcher Kredithilfen 'bedürfen, bringen bis zu einem bestimmten Umfang nicht die notwendigen Voraussetzungen für die dingliche Sicherung der Kredite mit. Aus diesem Grunde und um insoweit die vorhandene Kapazität des ERP-Sondervermögens mit Kapitalmarktmitteln zu ergänzen, ist diese Ermächtigung 'im Rahmen des § 4 des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1965 vorgesehen. Die Kapitalmarktmittel kommen unmittelbar Iden Unternehmungen und Betrieben zugute, stehen 'also nicht zur Verfügung der Öffentlichen Hand, sondern werden von ihr für die Betriebe und Unternehmen nutzbar gemacht.
Man muß sich einmal Gedanken darüber machen - der Ausschuß hat des getan -, daß im Zweifelsfall 'in allen 'Bundesländern in einem 'bestimmten Umfang Problemgebiete vorhanden sind. Der Ausschuß glaubte sich bei der Aufrechterhaltung dieses Ermächtigungsrahmens deshalb auch in Übereinstimmung mit den Vorstellungen ides Bundesrats und der Länder, wobei es nur darauf ankommt, daß die Länder auch ihrerseits in entsprechender Weise die für die Problemgebiete notwendigen strukturpolitischen Maßnahmen so schnell wie möglich mit vorbereiten helfen. Hier sei im besonderen auch auf 'das Problemgebiet Saarland verwiesen, demgegenüber der Bund auch politisch im Wort ist.
Wenn man es einmal auf elf Länder bezieht, einschließlich Berlin - wir könnten Berlin hier, weil es im ERP-Wirtschaftsplan besonders behandelt ist, auch außer acht lassen -, wenn man also an die Gesamtheit der Problemgebiete vom Zonenrand über das Saarland bis zu anderen von mir als Problemgebiete bezeichneten 'Gebieten denkt, an die Verhältnisse in über zehn Ländern und an die 1,2 Milliarden DM, die an Garantien möglicherweise zur Verfügung stehen, um Kreditmittel für entsprechende Unternehmungen am Kapitalmarkt frei zu machen, dann erscheint einem 'das, verteilt auf diese Länder, auch für diesen Wirtschaftsplan nicht als eine übertriebene Forderung und erst recht nicht als eine unzumutbare Belastung des Kapitalmarkts.
({7})
- Herr Conring, ich bin der Meinung, das ist richtig. Auch der Ausschuß war und ist der Meinung, das ist richtig. Außerdem enthält dais Gesetz ja eine Bestimmung, daß bei 'den notwendigen strukturpolitischen Maßnahmen auch noch die konjunkturelle Entwicklung der Lage zu berücksichtigen sei.
Was den Ermächtigungsrahmen betrifft, so ist nicht so sehr die Frage entscheidend, ob er im Augenblick in der Gänze ausgeschöpft werden kann oder nicht, sondern entscheidend ist, daß der Bundesschatzminister ohne den Bundesfinanzminister überhaupt nicht tätig werden kann, so daß in diesem Zusammenhang also weder währungs- noch kapitalmarktpolitische Erwägungen durchschlagen könnten. Würde der Bundesfinanzminister solche Bedenken haben und es kein Einvernehmen zwischen den beiden zuständigen Ressorts geben, dann könnte dieser Ermächtigungsrahmen zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Umfang einfach nicht genutzt werden. Insoweit sind also die Bedenken, die im Ausschuß vorgetragen worden sind, mit dieser Feststellung doch wohl weitgehend auszuräumen, da sich eben solche währungs- und kapitalmarktpolitischen Schwierigkeiten nicht ergeben können; denn der Finanzminister hat für die Währungspolitik genauso wie für die Konjunkturpolitik seine besondere Aufgabe.
Meine Damen und meine Herren, ich würde Sie bitten, der Elastizität des ERP-Sondervermögens, die durch dieses Instrument aus dem § 4 des Wirtschaftsplangesetzes erhöht wird, nicht im Wege zu stehen.
Wir müssen vor allem auch daran denken, zu welchem Zeitpunkt der ERP-Wirtschaftsplan 1966 möglicherweise erst verabschiedet werden kann. Es geht eine gewisse Zeit ins Land, die die Zeit, die gegenwärtig für die Verabschiedung benötigt wird, weit überschreitet. Wir haben ja immer festgestellt, daß nach Wahlen und nach der Konstituierung des Bundestages nach dem vorjährigen Wirtschaftsplan und Wirtschaftsplangesetz in gutem Glauben weitergearbeitet werden muß. Insoweit muß auch dieser Grund bei der verstärkten Elastizität, die dem ERP-Sondervermögen in diesem Zusammenhang verlie8360
hen werden soll, berücksichtigt werden. Wir sollten uns also hüten, irgendwelche Bremsen einzubauen, die zu gegebener Zeit zu Erschwernissen für diejenigen führen, die sich auf Grund von Zusagen und Absprachen auf ganz bestimmte Vorhaben im Zonenrand oder im Saarland oder in anderen Problemgebieten eingerichtet haben.
Der Ausschuß ist insgesamt der Auffassung, daß künftige ERP-Wirtschaftspläne oder Wirtschaftsplangesetze in noch stärkerem Maße, als es in diesem Wirtschaftsplangesetz geschehen ist, auf bestimmte Schwerpunkte und Maßnahmen konzentriert werden müßten, wobei der entscheidende Schwerpunkt die Strukturpolitik bleibt. In diesen Rahmen der Strukturpolitik gehört natürlich auch die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen zur Erlangung besserer Wettbewerbspositionen gegenüber großen Wettbewerbern. Dabei handelt es sich dann weiterhin um die von mir vorhin angedeutete große Frage der Strukturpolitik.
Ich wäre also - und ich sage das namens des Ausschusses - dankbar, wenn den Vorstellungen, die im Schriftlichen Bericht dargelegt und hier von mir mündlich ergänzt worden sind, entsprochen werden könnte und wenn das Haus entsprechend dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3026 beschließen könnte, und zwar unter Zugrundelegung sowohl dieses Antrags als auch des schriftlichen vorgelegten Berichts einschließlich der mündlichen Ergänzung. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Vorstellungen folgen könnten und wenn Sie - jetzt an die Adresse der CDU/CSU-Fraktion gerichtet - den Antrag Umdruck 576 zurückzögen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3. Hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein 'Handzeichen. - 'Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 4. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 576 ({0}) *) vor. Dazu Herr Abgeordneter Windelen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, dem Änderungsantrag Umdruck 576 ({0}) zuzustimmen. Der Haushaltsausschuß hat sich wie auch in den vergangenen Jahren sehr gründlich mit dem ERP-Wirtschaftsplan beschäftigt. Er hat den 'Grundzügen und auch den Änderungen, so wie sie vom Berichterstatter hier dargelegt wurden, zugestimmt. Er hat auch der Ausweitung der Zweckbestimmung des ERP-Wirtschaftsplans auf Problemgebiete zugestimmt. Er hat das im übrigen nicht ohne gewisse Bedenken getan, weil es immer schwieriger wird, die verschiedenen Maßnahmen der Strukturpolitik, die einerseits im allgemeinen Haushalt, andererseits in zunehmendem Maße im ERP-Wirtschaftsplan gefördert werden,
*) Siehe Anlage 2 noch zu koordinieren und zu übersehen. Er hätte es grundsätzlich begrüßt, wenn es möglich wäre, daß diese Dinge, die ja nach gemeinsamen Vorstellungen entwickelt und realisiert werden sollten, auch in einem gemeinsamen Beratungswege vereinigt blieben.
({1})
Bekanntlich ist der Haushaltsausschuß für den ERP-Wirtschaftsplan lediglich mitberatend tätig; insoweit sind also die Möglichkeiten der Koordinierung und der Einwirkung sehr begrenzt. Dennoch gab es hinsichtlich der Erweiterung der Zweckbestimmung des ERP-Vermögens keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten.
Grundsätzliche Bedenken hat der Haushaltsausschuß allerdings hinsichtlich der Ausweitung des Bürgschaftsrahmens von bisher 200 Millionen DM aulf 1,2 'Milliarden 'DM geäußert. Der Berichterstatter hat zu den 'Bedenken, die geäußert worden sind, einiges gesagt. Er war allerdings der Meinung, daß diese Bedenken nicht sehr gravierend seien, weil ja das Finanzministerium die Möglichkeit habe, durch Versagung der Genehmigung - es steht in
4, daß die Genehmigung des Finanzministeriums vorliegen muß - die Ausnutzung der Bürgschaftsermächtigung zu steuern. Er räumte damit eigentlich selber ein, daß mit der Notwendigkeit einer solchen Steuerung und Begrenzung zu rechnen sein wird. Wenn man das aber einräumt, dann sollte man doch entsprechend der allgemeinen Übung nicht der Regierung die Begrenzung überlassen, sondern dann sollte das Parlament den Rahmen festsetzen. So verfahren wir im Haushalt, und so sollten wir auch im ERP-Haushalt verfahren.
Ich meine aber, daß auch die Bedenken, die man gegen die Ausweitung haben muß, etwas bagatellisiert worden sind. Es wurde gesagt, vom Kapitalmarkt her sollten keine Bedenken 'bestehen. Nun, ich glaube, daß die zwischenzeitliche Entwicklung des Kapitalmarktes die Bedenken eher verstärkt als abgeschwächt haben sollte.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Mittel in diesem Umfange werden ja nur dann aufgenommen werden können, wenn die Kapitalmarktzinsen entsprechend verbilligt werden, d. h. wenn im Haushalt eine Position Zinsverbilligungsmittel zusätzlich eingestellt wird. Darüber ist überhaupt nichts gesagt worden. Wir haben im Augenblick dafür keine Zinsverbilligungsmittel im Haushalt eingestellt. Es ist also sehr zweifelhaft, ob die Mittel in dem wünschenswerten Umfange in Anspruch genommen werden können.
Es kommt noch mehr hinzu. Es wird uns immer wieder vorgehalten, daß der Bund durch die Zinssubvention zur Derangierung des Kapitalmarktes beigetragen habe, weil er den Zins als Regulativ des Kapitalmarktes durch die Subventionen verfälsche und außer Kraft setze. Wir hören, daß von dem Volumen von etwa 20 Milliarden DM Kapitalmarktmitteln jetzt schon etwa 6 bis 8 Milliarden DM durch Zinssubventionen verfälscht sind, d. h. daß bei über einem Drittel der Kapitalmarktmittel der Zins nicht mehr das Regulativ ist.
Wir halben Bedenken, daß wir mit einem so beträchtlichen Block von einer weiteren Milliarde diese Tendenz verstärken. Ich glaube aber, es besteht auch in der Sache selbst wohl auch im BesitzAusschuß Übereinstimmung darüber, daß der ganze Block von 1,2 Milliarden DM in der uns zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt nicht in Anspruch genommen werden kann. Auch das Bundesschatzministerium war durchaus der Auffassung, daß - wenn man die Anlaufzeit, die diese Maßnahmen erfordern, mit in Betracht zieht - in diesem Haushaltsjahr mit einer wesentlich geringeren Summe auszukommen sein wird.
Wenn dem aber so ist, sollten keinerlei Bedenken bestehen, dem Antrag auf Umdruck 576 ({2}) zuzustimmen. Ich bitte deswegen um Annahme.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir mit dem Vorschlag, einen Bürgschaftsplafond einzuführen, einen entscheidenden Fortschritt hinsichtlich einer weiteren Ausgestaltung und Ausnutzung des ERP-Vermögens für strukturpolitische Maßnahmen in einzelnen Branchen und in einzelnen Räumen gemacht haben. Nun ist ja in den letzten Monaten in diesem Zusammenhang besonders das Problem der Zonenrandgebiete diskutiert worden. Wenn hier nun eine Diskussion darüber entstanden ist, ob es 1,2 Milliarde DM oder 600 Millionen DM sein sollen, so darf ich dazu vielleicht aus der Sicht des Ministeriums folgende Bemerkung machen. Wir hatten schon einmal, im Jahre 1958, einen Plafond, der damals rund 400 Millionen DM betragen hat. Er wurde seinerzeit verbraucht. Im Jahre 1964 hatten wir einen Plafond mit 200 Millionen DM, der nicht einmal zur Hälfte in Anspruch genommen worden ist. Ich bin sicher, daß wir für das Jahr 1965, zumal wir jetzt bereits Ende Februar haben und ja, bis die Dinge bekannt werden, noch eine gewisse Anlaufzeit vergeht, den Betrag von 1,2 Milliarde DM nicht werden verbrauchen können. Ich bin allerdings der Überzeugung, daß dann im nächsten Jahr der Betrag erforderlich sein wird, wenn wir eine entsprechende Entwicklung mit diesen Programmen eingeleitet und die Vorbereitungen durchgeführt haben.
Ich glaube also, daß der Änderungsantrag der CDU/CSU und der FDP im Augenblick in der praktischen Auswirkung keine Schmälerung der Wirksamkeit bedeutet, weil wir nicht mehr das ganze Jahr zur Verfügung haben.
({0})
Ich frage den Herrn Abgeordneten Lange, ob er als Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Das Wort hat dann der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen (c und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesschatzministers kann ich mich sehr kurz fassen. Da auch das Ministerium die Bedenken, die in unserer Fraktion aufgekommen sind, offenbar teilt, kann ich mich eigentlich darauf beschränken, Sie zu bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Ich darf nur noch einmal sagen: Auch wir begrüßen vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus die Auffassung des federführenden Ausschusses, daß es nötig war, für die Zukunft eine Zersplitterung der ERP-Mittel zu verhindern, und wir begrüßen insbesondere, daß es gelungen ist, über die den Schwerpunkt bildenden Zonenrandgebiete hinaus sich einige neue Schwerpunkte vorzunehmen, wobei ich Berlin als selbstverständlich ausklammern möchte. Wir sind aber der Meinung, daß es nicht nur nach Haushaltsgesichtspunkten, sondern auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nach Gesichtspunkten der Betätigung der öffentlichen Hand nicht wünschenswert ist, einen Betrag von 1,2 Milliarden DM im Wege eines Bürgschaftsplafonds zur Verfügung zu stellen, von dem ich noch gar nicht einmal weiß, in welchen Punkten er im einzelnen ausgenutzt werden soll. Wir sollten erst einmal mit den nach den Ausführungen des Herrn Bundesschatz-minister völlig ausreichenden 600 Millionen DM sehen, welche Möglichkeiten sich ergeben. Niemand wird mehr bereit sein als wir, wenn sich im nächsten Jahr die Notwendigkeit herausstellt, diese Zuschüsse zu erhöhen. Daher bitten wir, sich unserem Antrag anzuschließen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure an sich sehr, daß hier Herr Minister Dollinger und auch andere eine kleine Verbeugung vor im Haushaltsausschuß nicht ganz ausdiskutierten Problemen gemacht haben. Wir haben in unserem Ausschuß die Dinge sehr eingehend erörtert, und ich habe mich deswegen zum Wort gemeldet, weil hier einiges doch etwas schief dargestellt worden sind.
Worum geht es hierbei? Der Herr Bundespräsident, der Herr Vizekanzler, sehr viele Damen und Herren dieses Hauses sind in ,den Zonenrandgebieten gewesen und haben unter dem Eindruck der Berichte von Betriebsinhabern, Gewerkschaftsfunktionären, Oberkreisdirektoren, Landräten, Regierungspräsidenten ihre Zusagen gemacht. Der Herr Bundespräsident hat sich an den Herrn Finanzminister gewendet, der nicht helfen konnte, und hier ist eine Möglichkeit geschaffen worden, auf eine, ich möchte sagen, etwas unkonventionelle Art den Zonenrandgebieten wirksam zu helfen.
({0})
- Ach, Herr Kollege Conring, Sie wissen ganz
genau, worum es hier geht. Es geht um die Möglichkeit, einen Plafond zu eröffnen. Im Bundeshaushalt
sind für 35 Milliarden DM Bürgschaftsermächtigungen. Hier geht es darum, .den Zonenrandgebieten aus dem ERP-Plan 1 Milliarde DM zur Verfügung zu stellen, damit die Länder die Möglichkeit haben, Trägergemeinschaften zu bilden. Das tun sie bei 400 Millionen DM weiß Gott nicht. Hier muß gerade für die Länder ein kräftiger Anreiz geschaffen werden, damit sie den Plafond auch ausnützen. Darum geht es in dieser Diskussion.
Das war auch dem Kabinett bekannt. Das Kabinett hat ja diesen Antrag einstimmig eingebracht, auch mit Zustimmung des Bundesfinanzministers. Deswegen verstehe ich die Diskussion nicht. Herr Aschoff ist leider nicht im Saal. Gerade seine Kollegen im Ausschuß - ich bedaure, daß Herr Mälzig nicht ,da ist - haben bei diesen Überlegungen zum Ausdruck gebracht, daß es darauf ankommt, nun wirklich etwas als Anreiz zu geben, damit Trägergemeinschaften in den Ländern gebildet werden können.
Meine Damen und Herren, was heißt hier, Zinsverbilligungen verfälschten den Kreditzins? Dais müssen Sie auch woanders anmerken. Insgesamt werden für zirka 7 Milliarden DM Kredite, z. B. auch bei der Werftindustrie und nicht nur für die Zonenrandgebiete, Zinsverbilligungen gewährt,
({1})
wo as eine politische Aufgabe ist! Sie haben es doch in der Hand, wie Sie es gestalten wollen. Im regionalen Förderungsprogramm können Mittel für Zinsverbilligungen geschaffen werden. Hier geht es um eine Grundsatzfrage. Es fragt sich, ob tatsächlich das fiskalische Denken ausreicht, um mit den Wirtschaftsproblemen in den Zonenrandgebieten fertig zu werden. Hier geht es um eine unkonventionelle Art der Finanzierung der Mittel zur Lösung dieser Probleme.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Gewandt.
Herr Kollege, habe ich Sie nichtig verstanden: Haben Sie sich gegen eine weitere Förderung .der Werftindustrie ausgesprochen?
Nein, ich habe gesagt, Herr Kollege Gewandt, daß man bei der Zinsverbilligung
- ich kenne die Problematik; ich habe das auch im Ausschuß gesagt - immer fragen muß, in welchem Ausmaß und wo man sie einsetzen kann. Da bin ich der Meinung, daß die wirtschaftlichen Probleme in den Zonenrandgebieten mindestens mit den Problemen in der Werftindustrie gleichwertig sind.
({0})
- Hier geht es auch um einen kleinen Hausstreit; ich will das ganz offen sagen. Vielleicht ist auch eine gewisse Verärgerung bei einigen Kollegen auf diesen Bänken darüber vorhanden, daß ihre Meinung nicht berücksichtigt worden ist.
Ich darf noch etwas zu der zahlenmäßigen Auswirkung sagen. Ein Betrag von 200 Millionen DM ist vorweg. Daß er nicht in Anspruch genommen worden ist, braucht jetzt nicht erörtert zu werden. Der Betrag von 200 Millionen DM, bisher Bürgschaftsplafond, war für ganz andere Zwecke - ich erinnere nur an Bonn - gedacht. Wenn Sie jetzt um diese 200 Millionen DM von 600 Millionen DM heruntergehen, dann bleiben als Bürgschaftsplafond für den gedachten Zweck der Hilfe für Zonenrandgebiete und Problemgebiete ganze 400 Millionen DM übrig. Sie sagen, im Haushalt bestehe kein Gegenansatz für die Zinsverbilligung. Den haben wir im regionalen Wirtschaftsprogramm, wenn der IMNOS und die Länder bereit sind, die bereits jetzt gezahlten Zinsverbilligungen entsprechend zu erhöhen, damit diese Kredite in Anspruch genommen werden können. Ich mache auch darauf aufmerksam: es handelt sich hierbei nicht nur um Kredite zur Erweiterung, zur Rationalisierung der Betriebe in den Zonenrandgebieten, sondern auch um wichtige soziale Investitionen. Es ist daran gedacht, die Realkreditströme in das Zonenrandgebiet und Problemgebiete umzupolen, z. B. auch für kulturelle Dinge, für Schulen und Für Berufsschulen.
Warum ausgerechnet aus dem ERP-Vermögen? Meine Damen und Herren, hier geht es um. folgendes. Das ERP-Vermögen ist ein Sondervermögen, dessen Handhabung, dessen Verwaltung viel flexibler und elastischer als normale Bundes- oder Landesbürgschaften ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade vorgestern der Herr Vizekanzler im Rundfunk auf die Möglichkeiten mit der ERP hingewiesen hat, und jetzt verwässern Sie das dadurch, daß Sie praktisch 60 % dieses Rahmens wieder streichen.
Ich kann auch folgendes nicht verstehen. Wenn Sie diesen Rahmen zusammenstreichen, fürchte ich, daß Sie den Anreiz nicht mehr geben, daß sich Trägergemeinschaften der verschiedensten Art z. B. bei den Industrie- und Handelskammern und in den in Frage kommenden Ländern bilden; ich fürchte, daß die Dinge dann verpuffen. Hier gibt es eine Möglichkeit, das ERP-Vermögen in Zukunft politisch wirksam für die Probleme der Strukturhilfe im Zonenrandgebiet und in Problemgebieten einzusetzen. Sie würden nach meinem Empfinden politisch klug und im Interesse der Zonenrandgebiete politisch richtig handeln, wenn Sie diesen Antrag ablehnten, wie ja auch der federführende Ausschuß diesen Antrag des Haushaltsausschusses nach ausgiebiger Diskussion bereits abgelehnt hat.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen also über die Zonenrandgebiete doch noch einmal gewissermaßen zu einer ERP-Plan-Debatte, was an sich zu begrüßen ist, wenn Sie so wollen.
Herr Kollege Junghans, .ich möchte hier einige Zahlen doch noch einmal klar herausarbeiten. Wir haben im vergangenen Jahr für das ZonenrandBundesminister Dr. Dollinger
gebiet 60 Millionen DM gegeben. Das war der Betrag im Schnitt der letzten Jahre, so daß wir sagen können, daß in fünf Jahren 300 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind. Für das Jahr 1965 haben wir in unserem Plan einen Betrag von 100 Millionen DM stehen sowie 200 Millionen DM an Bindungsermächtigungen, so daß wir insgesamt 300 Millionen DM zur Verfügung haben.
Ich glaube, daß für das Zonenrandgebiet in Zukunft tatsächlich eine ganz aktive Politik möglich sein wird, und wir sollten jetzt die 1,2 Milliarden oder 600 Millionen DM Bürgschaften nicht so sehr mit dem ERP-Plan vermischen; denn diese 600 Millionen oder 1,2 Milliarden DM sind für die Gesamtheit der Problemgebiete bestimmt. Sie haben jetzt sehr stark auf das Zonenrandgebiet abgestellt. Deshalb möchte ich meine Zahlen noch einmal nennen. Während wir in den vergangenen fünf Jahren 300 Millionen DM zur Verfügung hatten, haben wir in diesem Jahr, in einem Jahr also, 300 Millionen DM zur Verfügung. Ich glaube, das ist eine ganz erhebliche Leistung für die Zonenrandgebiete.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Windelen, es ist nicht so sehr die Frage nach der Zinsverbilligung, sondern auch nach der Mischung der Mittel, die da zur Verfügung gestellt werden können, die nutzbar gemacht werden können. Insoweit schlägt also das Argument der Zinsverbilligung bei diesem Burgschaftsrahmen nicht ohne weiteres durch.
({0})
- Das kann durch die Mischung der Mittel geschehen, wie wir das auch in früheren Jahren getan haben.
({1})
- Mit den Krediten, die aus dem Sondervermögen selbst kommen.
({2})
- Das kann die Mischung sein; so ist es in früheren Jahren auch schon geschehen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern - das war auch die Überlegung im Ausschuß, im letzten Teil dieser Debatte ist im wesentlichen auf die Zonenrandgebiete abgehoben worden, und der Bundesschatzminister hat noch einmal besonders betont, was ich vorher schon in meiner mündlichen Ergänzung ebenfalls ausgeführt habe -, daß nämlich zusätzlich für drei Jahre je 40 Millionen DM gegenüber bisher je 60 Millionen DM, also insgesamt je 100 Millionen DM für die Zonenrandgebiete zur Verfügung gestellt werden sollen.
Es ist das Staatsoberhaupt dieser Bundesrepublik gewesen und später Ausschüsse dieses Hauses, die die Forderung auf verstärkte Förderung dieser Gebiete erhoben haben. Ich glaube, Herr Minister, daß man das nicht nur in der Weise tun kann, daß man jetzt 40 Millionen DM mehr, also insgesamt 100 Millionen DM, für drei Jahre 300 Millionen DM, zur Verfügung stellt, sondern auch so, daß noch weitere Mittel auf dem Kapitalmarkt freigemacht werden, um sie für diese Gebiete einzusetzen. Denn allenthalben schien doch bei denjenigen, die die Anregung gegeben haben, diesen Gebiete stärkere Hilfe zuteil werden zu lassen, der Gedanke vorherrschend gewesen zu sein, daß das, was dort geschieht, schneller geschehen muß, damit es auch schneller sichtbar wird und damit auch für andere ein entsprechender Anreiz geschaffen wird, in diesen Zonenrandgebieten zu bleiben, auszuhalten oder sogar noch mit Betrieben oder mit Zweigbetrieben dorthinzugehen. Ähnliches gilt, wenn wir diesen Plafond verstärkt für Zonenrandgebiete ausnutzen, zusätzlich für das Saarland und andere Problemgebiete, besonders auch für Steinkohlenbergbaugebiete. Wenn Sie jetzt auf die Hälfe reduzieren, - ({3})
- Wenn Sie jetzt den gedachten Rahmen reduzieren, Herr Windelen, dann schaffen Sie mit 600 Millionen DM - nehmen wir die ganzen 600 Millionen
- gegenüber den Ländern, die für das Zonenrandgebiet und andere Problemgebiete zuständig sind, nicht den erforderlichen Anreiz, sich um die Lösung der Probleme verstärkt zu bemühen.
Das waren die Erwägungen des Ausschusses. Der Ausschuß hielt es für erforderlich, es - unabhängig 'von dem, was in diesem Jahre nach der Meinung des Ministers verbraucht werden könnte, und auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, mit den Möglichkeiten des diesjährigen Wirtschaftsplans ins nächste Jahr hinein arbeiten zu müssen - bei dem gedachten, von der Regierung - sprich: dem Bundesschatzminister - selbst beantragten Bürgschaftsrahmen zu belassen. Ich würde unter diesen Gesichtspunkten dringend bitten, auch in diesem Hohen Hause bei dieser Entscheidung zu bleiben und den Antrag der Fraktion der CDU/CSU abzulehnen. Es ist meine Pflicht als Berichterstatter, darauf hinzuweisen.
({4})
Herr Abgeordneter Katzer, noch zu dem Änderungsantrag?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion, die wir bis jetzt 'geführt haben, ging etwas an der Wirklichkeit vorbei. Ich möchte nur zwei Bemerkungen machen.
Erstens, Herr Kollege Lange: Natürlich ist es richtig, daß es sich hier nicht um einen Abbau, 'sondern um eine Erhöhung handelt.
({0})
Denn wir haben den Plafond von 200 Millionen DM auf 600 Millionen DM erhöht, und zwar auch nach dem Antrag der CDU/CSU, für den ich im Ausschuß, wie Sie wissen, nicht gestimmt habe. Ich habe mich vielmehr der Stimme enthalten, und zwar deshalb, weil ich diese Diskusision für etwas gespenstisch halte.
Der Herr Schatzminister erklärt uns hier ganz nachdrücklich, er .glaube auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen - das wissen wir aus dem Ausschuß doch alle auch selbst -, daß wir mit diesen 600 Millionen DM auskommen werden. Das ist natürlich ein entscheidender Gesichtspunkt. Auf der anderen Seite muß ich Iihnen, 'Herr Kollege Conring, allerdings auch sagen, daß ich ihre Haltung nicht verstehe; denn mit den 1,2 Milliarden DM kann auch nichts passieren. Es besteht doch zu Recht die Feststellung, daß die Ausgaben nur vom ,Schatzminister in Verbindung mit dem Finanzminister vorgenommen werden können. Insofern schaden wir also in der Sache - ob wir so oder so entscheiden - wirklich niemandem, vielmehr nützen wir dem von allen Parteien unterstrichenen Anliegen. Das möchte ich hier nachdrücklich festgestellt wissen.
Außerdem möchte ich noch erwähnen, es könnte der Eindruck entstehen, als drehe es sich bei dem Wirtschaftsplan nur um diese 1,2 'Milliarden DM. Wir 'sollten einmal sichtbar machen, daß das im Verhältnis zum Gesamtprogramm 'ein relativ bescheidener Punkt ist.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 576 ({0}). Wer zuzustimmen wünscht, 'gebe bitte ein 'Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über § 4 in der so geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Entha'ltun'gen? -§ 4 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10 -sowie Einleitung und Überschrift auf. - Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig.
Dritte Beratung!
Allgemeine 'Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, kehren wir zurück zum Bundeshaushalt. Wir setzen die Aussprache über den
Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen ({1})
fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht sehr glücklich, nach dieser interessanten und interessierenden ERP-Debatte die Debatte über den Haushalt des Gesundheitsministeriums noch einmal von vorn zu beginnen. Ich glaube, es ist das erste Mal gewesen, daß in diesem Hohen Hause so intensiv über gesundheitspolitische Fragen diskutiert worden ist. Man könnte das als einen Fortschritt ansehen.
So positiv möchte ich allerdings nicht über alles urteilen, was in dieser Debatte gesagt worden ist. Es ging dabei weniger um die „Gesundheit um jeden Preis", sondern es ging um die Kritik um jeden Preis, und das war kein guter Stil.
({0})
- Nun ja, „gesunde Kritik", - das ist eine Frage, über die man streiten kann.
Es ist auch viel von Konzeptionen die Rede gewesen. Aber ich habe trotz allem aufmerksamen Zuhören nicht feststellen können, daß Konzeptionen erkennbar wurden. Es war immer nur Kritik, und zwar negative Kritik, zu hören.
Ich weiß sehr wohl, daß die Widerstände gegen eine Gesundheitspolitik der Bundesregierung nicht nur von SPD-regierten Ländern ausgehen, sondern auch von anderen föderalistischen Kreisen. Trotzdem bleibt aber die Tatsache bestehen, daß auch die SPD, und zwar geschlossen, einen Großteil der gesundheitspolitischen Initiativen der Bundesregierung abgewürgt und im Keim zerstört hat. Sie hat deswegen nicht das Recht, in einer Form, wie es hier geschehen ist, Kritik zu üben.
Frau Dr. Schwarzhaupt hat gesagt, daß sie nicht in drei oder vier Jahren in Ordnung bringen könne, was in 15 Jahren versäumt worden sei. Das hat einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Ich finde diese Bemerkung absolut berechtigt. Denn was ist in den letzten 15 Jahren gewesen? Wir haben davon auszugehen, daß ein Großteil der gesundheitspolitischen Verantwortung in der Vergangenheit und auch heute bei den Ländern liegt. Wie können Sie von einem Ministerium, das gegen sehr viele Widerstände geschaffen worden ist - auch Widerstände in unseren eigenen Reihen; das will ich gar nicht bestreiten -, das also wirklich von vorn anfangen muß, erwarten, daß es etwas in Ordnung bringen kann, was schon von der Verfassung her verfehlt ist?
Ich möchte nur auf wenige Einzelheiten eingehen, um die Debatte nicht unnötig zu verlängern. So ist zum Beispiel Kritik daran geübt worden, daß für die Reinhaltung von Wasser und Luft wenig oder zu wenig, um nicht zu sagen gar nichts, jedenfalls aber nichts Durchgreifendes, geschehen sei. Hier darf ich Ihnen nur einige Zahlen nennen. Seit
1960, in den letzten Jahren und im wesentlichen in dieser Legislaturperiode also, sind allein für die Beseitigung der industriellen Wasserverunreinigung 370 Millionen DM ausgegeben worden, und zwar aus dem ERP-Vermögen. Für die Beseitigung der Luftverunreinigung durch industrielle Verunreiniger sind 30 Millionen DM ausgegeben worden. Das ist ein anlaufendes, sich in jedem Jahr steigerndes Ausgabevolumen gewesen. Zusammen sind das also 400 Millionen DM. Die so vielgescholtene Industrie hat in derselben Zeit weit über eine Milliarde DM für diese Dinge ausgegeben. Der Bund hat sich an diesem Betrag von mehr als einer Milliarde DM in ganz erheblichem Umfang dadurch beteiligt, daß er auf Steuereinnahmen verzichtet hat; denn diese Maßnahmen sind in besonderer Weise steuerbegünstigt. Es ist also in den letzten Jahren, grob gesagt, eine Milliarde DM allein vom Bund direkt und indirekt für diese Zwecke zur Verfügung gestellt worden. Das ist immerhin eine ganze Menge.
Diese Zahlen allein sagen natürlich noch nicht sehr viel. Ich bin durchaus nicht der Meinung - und ich weiß, daß auch meine Freunde und die Frau Bundesministerin keineswegs der Meinung sind -, daß das Problem damit gelöst wäre. Das ist ein Problem von Jahren und von Generationen. Man kann diese Dinge eben nicht immer nur von der Politik des Tages her sehen. Das sind Dinge, die von langer Hand vorbereitet und finanziert werden müssen.
Von den Sprechern der SPD ist Kritik daran geübt worden, daß die ärztliche Bestallungsordnung noch nicht verabschiedet worden sei und sich noch keine befriedigenden Konturen abzeichneten. Dabei wird ja doch übersehen, daß es die Länder gewesen sind, bei denen im Jahre 1961 die Vorarbeiten gelegen haben.
Das ist aber nicht das einzige Faktum, das in diesem Zusammenhang Bedeutung hat. Wir sind gerade dabei, eine Tierärzteordnung zu verabschieden, die als Modellfall im Kern all diese Probleme mit umfaßt, und ich darf daran erinnern, daß wir dabei immer auch die Reform der Bestallungsordnungen für die akademischen Heilberufe im Auge gehabt haben.
Am 1. Januar 1968 werden wir in diesem Bereich mit der Harmonisierung auf der Ebene der EWG zu rechnen haben. Es wäre sehr unzweckmäßig, wenn wir unsere Bemühungen in dieser Richtung nicht auf dieses Datum ausrichten würden. Wir sollten uns hier nicht gegenseitig vorrechnen, wann eine solche Reform zustande kommen könnte. Sie hat auch in anderen Ländern 10 und mehr Jahre gedauert.
Lassen Sie mich mit wenigen Worten noch 'auf die Mütter- und Säuglingssterblichkeit zurückkommen. Haben Sie keine Sorge: ich will Sie nicht mit neuen Zahlen belasten! Ich möchte mich jedoch mit Nachdruck dagegen wenden, daß diese Zahlen wider besseres Wissen zu agitatorischen Zwecken benutzt werden, indem man sagt: Bei uns ist alles schlecht, und woanders ist alles gut. Ich darf hier mit dem vollen Verantwortungsbewußtsein des Abgeordneten feststellen, daß idie Verhältnisse, die wir heute in Deutschland haben, sich glücklicherweise mit denen vergleichbarer Industriestaaten absolut messen können. Ich will auch nicht verschweigen, daß es namentlich kleinere Länder in unserer Nachbarschaft gibt, die es noch besser konnten als wir, und daß wir uns daran ein Beispiel nehmen 'sollen. Nur ist es eben nicht ganz leicht, das, was dort geschieht, auf unsere Verhältnisse zu übertragen. Zweifellos haben wir noch eine Menge zu tun, und wir stehen nicht an, uns zu diesen Notwendigkeiten zu bekennen.
Ein Wort zum Schluß: Keine Kritik an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung um jeden Preis! Das erscheint uns unberechtigt. Und schon gar nicht an dem jungen Ministerium, das sich erst einmal gegen außerordentliche Widerstände unter sehr erschwerten Umständen, auch von seiten der Verfassung, durchsetzen mußte. Die Früchte seiner Arbeit sind zweifellos erst in der Zukunft zu erwarten.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 15 in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erstere war die Mehrheit; der Einzelplan 15 ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zum
Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
({0}).
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort?
({1})
- Der Herr Berichterstatter verweist auf die beiden Berichte. Ich bedanke mich.
Wird zum Einzelplan 23 das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Gewandt!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre wohl nicht richtig, den Einzelplan 23 ohne einige Bemerkungen zu diesem Thema zu verabschieden.
({0})
Ich glaube, daß die Entwicklungspolitik gerade in den letzten Tagen in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses gerückt ist und wir deshalb zu der Methode der deutschen Entwicklungspolitik hier einige Anmerkungen machen sollten. Es ist festzustellen, daß sich in der Bevölkerung eine etwas nüchternere Beurteilung dieses Themas durchsetzt. Rundfragen haben ergeben, daß 70 % der Bevölkerung sich für eine Entwicklungspolitik mit Steuergeldern eingesetzt haben. Das bedeutet allerdings nicht, daß wir die Mehrzahl der Steuerzahler bereits davon überzeugt hätten, daß die von uns angewandten Methoden immer richtig sind. Wenngleich also
eine etwas nüchternere Betrachtung verzeichnet werden kann, bleibt eine gewisse Kritik an den Methoden und an dem Einsatz unserer Steuergelder in Entwicklungsländern.
Nun ist es ganz klar - und das haben die letzten Ereignisse auch ergeben -, daß neue Akzente in der Entwicklungspolitik in den Vordergrund treten. In der vergangenen Zeit war es so, daß wir die Entwicklungspolitik sehr deutlich als eine weltweite Sozialpolitik apostrophiert haben, und die Entwicklungspolitik als einen Versuch angesehen haben, das Gefälle zwischen den hochindustrialisierten Ländern und den unterentwickelten Ländern zu verringern und neue Märkte zu erschließen. Ich meine, es ist in der Vergangenheit sehr deutlich geworden, daß die Entwicklungspolitik in erster Linie auch ein Element der Außenpolitik darstellt. Denn - das möchte ich hier einmal hervorheben - die Entwicklungsländer sind identisch mit der ungebundenen, blockfreien Welt, d. h. mit dem Raum, in dem es nötig ist, unseren Alleinvertretungsanspruch für Deutschland geltend zu machen. Das ist in der Vergangenheit durch die Anwendung der HallsteinDoktrin gelungen. Ich glaube aber, es wäre verkehrt, zu übersehen, daß die Hallstein-Doktrin nur deshalb wirkungsvoll war, weil sie gleichzeitig durch wirtschaftliche Hilfe, durch wirtschaftliche Zusammenarbeit und unsere Kulturpolitik unterstützt wurde. Nun sagte ich bereits, der Hauptpunkt des Interesses richtet sich auf die Abwicklung der Entwicklungspolitik. Wir haben hier nun den Vorzug, uns einige Lehren zu eigen machen zu können, die aus der amerikanischen Entwicklungshilfe gezogen werden können.
Die Amerikaner haben ihren Freunden in der Vergangenheit zum Teil projektungebundene Zuwendungen gemacht. Es ist erwiesen, daß sich diese projektungebundene Vergabe von Geldern nicht bewährt hat. Es bestand die Gefahr des Mißbrauchs, das Geld wurde zum Teil vergeudet, und man hat feststellen müssen, daß man sich mit Geld allein keine Freunde verschafft. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, daß bei uns vielleicht die Gefahr besteht, daß wir zur anderen Seite hin etwas übertreiben. Wenn man schnell gibt, dann spart man Mittel und erhöht unter Umständen den entwicklungspolitischen und den politischen Effekt. Es wäre nach meiner Auffassung verkehrt, den Einsatz unserer Mittel allzu dogmatisch vorzunehmen. Man muß politische und wirtschaftliche Gründe wohl gegeneinander abwägen.
Ich möchte ganz kurz zwei Beispiele anführen, die nach meiner Auffassung zeigen, wie problematisch zum Teil die Abwicklung der Entwicklungshilfe ist. Wir beklagen im Augenblick Schwierigkeiten in einem bestimmten Bereich dieser Welt. Diese Schwierigkeiten haben vielfältige Gründe, auf die ich nicht eingehen möchte. Ganz sicher aber hat zur Verstimmung der Umstand mit beigetragen, daß mit einem wichtigen Land dieses Gebietes über eine Reihe von Projekten der Entwicklungshilfe seit über anderthalb Jahren, zum Teil seit über zwei Jahren verhandelt wird, ohne daß man zu konkreten Ergebnissen gekommen ist. Ich bin sicher, daß zwangsläufig durch diese etwas überbürokratisierte Abwicklung der Eindruck entstehen mußte, daß dieser Bürokratismus vielleicht nur ein Vorwand sein könnte.
Ich möchte ein anderes Beispiel anführen, das zeigt, wie schwierig es ist, die richtige Entscheidung zu treffen. In einem anderen Land hat man abweichend von allen Regeln, die wir sonst anwenden, kurz vor Wahlen einer Regierung einen Zuschuß gegeben, der projektungebunden war. Das ist im Grunde genommen ein Verstoß gegen alle Regeln, die wir anwenden. Es gibt Situationen, in denen es berechtigt ist, einmal von der Regel abzugehen, und ich habe mich hier auch gegen eine dogmatische Anwendung unserer Prinzipien ausgesprochen. Nur, wenn man so etwas macht, muß man sich sehr genau überlegen, wen man fördert. Hier hat man eine Regierung gefördert, deren politische Kräfte so schwach waren, daß sie nicht mehr an den darauf folgenden Wahlen teilgenommen haben. Es war also eine politische Fehlentscheidung. Hier sind in zweierlei Hinsicht Beispiele für die Problematik des Einsatzes unserer Entwicklungsgelder gegeben.
Man sollte vielleicht, ohne es allzu schematisch zu betrachten, einige Faustregeln aufstellen. Ich meine, daß man erstens niemandem Entwicklungsgelder geben sollte, der sich gegen die Lebensinteressen unseres Landes ausspricht, daß man auf der anderen Seite zurückhaltend sein sollte, wenn es sich um Länder handelt, deren politische Haltung zu Zweifeln Anlaß gibt oder wo der Verdacht naheliegt, es handele sich um Schaukelpolitiker. Allerdings glaube ich nicht, daß es richtig ist, in solchen Fällen ganz von dem Einsatz von Mitteln abzusehen. Es gibt eine Reihe von Beispielen, daß sich gerade in einer schwankenden politischen Situation unsere wirtschaftliche Überlegenheit auch politisch günstig ausgewirkt hat. Ein Land in Afrika, das lange Zeit als die erste Volksdemokratie in Afrika angesehen wurde, ist heute durch u. a. den guten Einsatz unserer Entwicklungspolitik in ein Land verwandelt worden, das sich völlig unabhängig und frei entscheidet.
Das Vordringliche ist nach meiner Auffassung, daß wir bei der Entwicklungshilfe unsere Freunde unterstützen. Nun muß ich ganz offen sagen: für mich ist nicht der ein Freund, der nur in Antikommunismus macht. Die Amerikaner haben in der Tat erleben müssen, daß eine Reihe von Diktaturen, die man gefördert hat, weil sie in dieser Frage eine eindeutige Haltung eingenommen haben, nur zweifelhafte Freunde waren. Es kommt darauf an, obi die Regierung Rückhalt in der Bevölkerung hat, ob sie solide ist und ob sie bereit ist, die Probleme ihres Landes zu lösen. Hier muß die Hilfe eingesetzt werden, allerdings auch mit der notwendigen Beschleunigung.
Nun sind jedoch - darüber darf man sich nicht im Zweifel sein - unsere Mittel begrenzt. Wir befinden uns in einer Haushaltsdebatte, und deshalb ist es erforderlich, auf den Umfang unserer Mittel einzugehen. Sie wissen, daß einmal der Grundsatz aufgestellt worden ist, 1 % des Bruttosozialprodukts möge zur Verfügung gestellt werden. Ich will mich nicht an diese Linie halten, aber ich glaube, daß
eine wesentliche Unterschreitung doch bedenklich ist; denn dann sind wir nicht in der Lage, unseren Verpflichtungen nachzukommen. Im Augenblick sind wir bei 0,6 % oder vielleicht noch einem geringeren Anteil des Bruttosozialproduktes. Dafür gibt es Gründe, die wir vertreten können. Es ist nicht nur unsere Haushaltslage; wir müssen davon ausgehen, daß wir einen Berg von Verpflichtungen vor uns herschieben, die wir zunächst einmal abbauen müssen. Auf lange Sicht gesehen aber müssen wir fragen, ob wir mit dieser geringen Ausstattung die gesteckten politischen Ziele erreichen.
Von den 600 Millionen DM Bindungsermächtigungen, die wir in diesem Jahr vorgesehen haben, wird über die Hälfte zur Bedienung unserer Verpflichtungen in drei großen Konsortien verwendet werden; das sind die Konsortien für Indien, für die Türkei und für Pakistan. Diese Entwicklung ist deshalb nicht ganz unbedenklich, weil wir im Gegensatz zu früheren Jahren feststellen müssen, daß der Ostblock seine Anstrengungen erheblich verstärkt und daß er seine Mittel punktuell einsetzt. Wir müssen hier einmal ganz offen sagen, daß er in einem Bereich, der im Augenblick im Mittelpunkt der politischen Diskussion steht, eine Offerte gemacht hat, in die wir im Augenblick nicht eintreten könnten.
Es ist also die Frage, ob wir mit dieser Begrenzung auf die Dauer unser Ziel erreichen können; ich bin nicht dieser Meinung. Ich glaube, daß wir überlegen müssen, wie wir weiterkommen.
Es handelt sich jedoch nicht nur um die Höhe der Mittel, sondern auch um die Bedingungen. Wir haben bisher projektgerechte Zinsen verlangt. Das ist theoretisch begründet und pädagogisch sehr wirkungsvoll; aber es ist manchmal in .der Praxis illusionär. Was bedeuten projektgerechte Zinsen, wenn nach den Freijahren an die Rückzahlung gedacht ist und die Entwicklungsländer nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen und wir in Konsolidierungsverhandlungen eintreten müssen? Es ist also die Frage, ob wir hier nicht von vornherein zu einer anderen Bemessung des Zinssatzes kommen müssen. Im übrigen sei bemerkt, daß der Zinsendienst, soweit die Mittel zurückfließen, immerhin die Größenordnung unserer technischen Hilfe erreicht hat.
Da wir aber gewisse natürliche Grenzen unserer Leistungsfähigkeit haben, muß man immer wieder die Frage prüfen, inwieweit Ergänzungen von privater Seite nötig sind. Ich glaube, daß ein verstärkter Einsatz der privaten Hand erforderlich ist. Dazu allerdings bedarf es weiterer Anreize. Wenn wir die öffentliche Hand entlasten wollen, müssen wir das Steuerförderungsgesetz wesentlich verbessern. Sie kennen die Anregungen, die gemacht worden sind: die Einbeziehung der von der Entwicklungsgesellschaft erworbenen Beteiligung, die Einbeziehung des betriebsnotwendigen Grund und Bodens, des Vorratsvermögens, der Vorauszahlung für Erzeugnisse der Entwicklungsländer und andere Punkte mehr. Ich glaube nicht, daß wir uns alle Anregungen zu eigen machen können. Wir sollten sie aber überprüfen mit dem Ziel, durch stärkere private Anreize die öffentliche Hand zu entlasten.
Zur Entwicklungspolitik gehört aber auch die Repräsentanz der Bundesrepublik auf den großen Konferenzen mit den Entwicklungsländern. Ich möchte nur die Genfer Welthandelskonferenz erwähnen. Alle Konferenzen, an denen Entwicklungsländer in dieser Breite teilnehmen, sind politische Konferenzen. Man kann sich diesen Konferenzen nicht im Stile von Technokraten nähern, die an Zollverhandlungen teilnehmen. Ich möchte hier einmal ganz deutlich sagen, daß die Bundesrepublik heute in eine Größe hineingewachsen ist, die zur Folge hat, daß die Entwicklungswelt von uns auch klarere politische Aussagen erwartet. Wir stehen immerhin im Welthandel an zweiter Stelle, unser Sozialprodukt steht an dritter Stelle, und unter den Geberländern sind wir das vierte Land.
Ein Hauptpro'b'lem ist ;allerdings die verwaltungsmäßige Bewältigung der Entwicklungshilfe. Wir haben auch hier die Möglichkeit, zu studieren, wie andere Länder das Problem lösen. In Großbritannien und in Frankreich haben wir eine Entwicklungshilfebürokratie, die auf den ehemaligen Kolonialbehörden aufbaut, allerdings nur soweit die ehemaligen Kolonialgebiete betroffen sind. Sonst liegt die Verantwortung beim Auswärtigen Amt. Auch die genannten Länder verfügen über interministerielle Ausschüsse wie wir. Das extreme Beispiel für eine Ausweitung einer Entwicklungsbürokratie sind die Vereinigten Staaten. Dort haben wir die Möglichkeit, eine Vielzahl von Experimenten kennenzulernen. Sie haben einmal dazu geführt, daß in den Vereinigten Staaten ein völlig neuer Zweig 'der auswärtigen Vertretung gewählt und eingesetzt wurde. Ich halte diesen Weg für verkehrt. Ich glaube, es war sehr gut, daß in der Deutschen Stiftung in Tegel beispielsweise die Wirtschaftsreferenten einer bestimmten Region, nämlich Afrikas, zusammengefaßt wurden, um sie mit der neuen Aufgabe :der Diplomatie vertraut zu machen. Ich könnte mir vorstellen, daß es sehr gut wäre, in zeitlichen Abständen für bestimmte Regionen Botschafterkonferenzen einzuberufen, die ausschließlich der 'Beratung von entwicklungspolitischen Problemen gewidmet sind. Ich möchte davor warnen, daß auch wir zu einem eigenen entwicklungspolitischen Außendienst kommen. Aber diese neue Sparte der Diplomatie sollte in der Ausbilldung der Diplomaten künftig einen besonderen Rang einnehmen.
Was die Organisation im inneren Bereich anlangt, so haben wir eine neue Kompetenzverteilung der Bundesregierung. Ich begrüße diese neue Aufteilung der Kompetenzen, weil damit gewährleistet ist, daß weniger Leute mitsprechen und schnellere Entscheidungen möglich sind. Die Frage bleibt natürlich immer, ob dies eine optimale Lösung ist. Wir haben eine Reihe von Sachgebieten, die in der modernen Gesellschaft in der öffentlichen Aufgabenstellung einen besonderen Rang einnehmen. Nehmen Sie das Beispiel der Gesundheitspolitik oder der Entwicklungspolitik, also bestimmte Bereiche, die aus den klassischen Ministerien ausgegliedert worden sind. Ich meine, bei einer langfristigen Betrachtung ist die Frage zu stellen, ob es nicht vielleicht besser wäre, auf Sonderministerien zu verzichten, sie wieder einzugliedern in die klassischen Ministerien,
und die Überlegung anzustellen, ob es nicht besser wäre, dafür die politische Spitze der klassischen Ministerien etwa durch Staatsminister zu verstärken. Ich denke dabei nicht an eine kurzfristige Überlegung. Ich glaube, man sollte in der Tat die gesamte Organisation der Regierung neu durchdenken und die Frage prüfen, ob es nicht doch besser ist, zu dem Prinzip der klassischen Ministerien zurückzukehren.
In der Entwicklungspolitik haben wir den Weg eines Sonderministeriums gewählt, das unter den derzeitigen Umständen das Optimale erreicht hat. Ich möchte glauben, daß unter der Führung des Ministers Scheel die rechte Form der Entwicklungspolitik gefunden ist, daß die Bundesregierung den neuen Gegebenheiten, die sich ja täglich entwickeln, gerecht geworden ist. Wir haben eine gute Wirkung in der Entwicklungspolitik erreicht und sind auf dem rechten Wege. Deshalb möchten wir dem Minister für seine Arbeit unseren Dank aussprechen und uns mit seiner Politik identifizieren.
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Ich möchte hoffen, daß es in Zukunft gelingt, die Entwicklungspolitik als Instrument der Außenpolitik so klar und überzeugend darzustellen, daß wir in künftigen Jahren auch zu größeren Ansätzen im öffentlichen Haushalt kommen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir einige kritische Bemerkungen anläßlich der Verabschiedung des Haushalts 23 erlauben.
Eine erfreuliche Bemerkung vorweg: Ich stimme mit vielen kritischen Bemerkungen des Kollegen Gewandt von der CDU, die Sie, Herr Minister, leider nicht alle mitgehört haben, überein. Nur wird es bei der sozialdemokratischen Fraktion zu einer anderen Einstellung kommen. Mit Rücksicht auf die kritischen Punkte, die wir dem noch hinzuzufügen haben, kommen wir beim Haushalt 23 zur Stimmenthaltung.
Entwicklungspolitik ist ein entscheidender Teil der deutschen Außenpolitik und unserer Deutschlandpolitik. Die Diskussion der letzten Tage sollte das sehr deutlich gezeigt haben. Ich bedauere deshalb, daß insbesondere in Ihrem Hause, Herr Minister, lange versucht worden ist, die Entwicklungspolitik unabhängig von der Außenpolitik zu sehen. Es gibt sogar ein paar schriftliche Unterlagen, es gibt Äußerungen aus Ihrem Hause, mit denen meine Fraktion aus diesem Grunde niemals übereinstimmen kann.
Entwicklungspolitik ist nicht nur ein entscheidender Teil der ,deutschen Außenpolitik und Deutschlandpolitik, sondern insbesondere auch ein Teil weltumspannender Sicherheitspolitik. Für alle Geberländer ist Entwicklungspolitik Außenpolitik. Für ein geteiltes Land ist es in ganz besonderem Maße
Außenpolitik. Ich lege Wert darauf, daß Idas ganz deutlich zum Ausdruck kommt. Ich habe den Eindruck, Herr Minister, daß Sie heute vormittag im Kabinett die Möglichkeit hatten,sich mit Fragen der Entwicklungspolitik zu beschäftigen, die wahrscheinlich in erster Linie mit Außenpolitik zu tun hatten.
Es gibt immer wieder in der Bundesrepublik die Diskussion darüber, wem wir helfen sollen. Hier möchte ich sagen, wir sollten endlich zu der Einsicht kommen, daß nicht die Möglichkeit gegeben ist, der ganzen Welt zu helfen oder den Versuch hierzu zu machen, wie wir es zur Zeit immer noch tun. Wir gehen mit der „Gießkanne" über die ganze Welt. Da fallen in jedem Erdteil ein paar Tropfen. Wir haben auf Grund unserer materiellen Voraussetzungen aber nicht die Möglichkeit, überall in der Welt zu helfen. Wenn man mit der „Gießkanne" arbeitet, so ist das auch in den betroffenen Ländern nicht besonders wirkungsvoll.
Unsere Hilfe sollte, Herr Kollege Gewandt - hier stimme ich mit Ihnen völlig überein -, in erster Linie unseren Freunden dienen. Wir sollten uns von niemand erpressen lassen. In den letzten Jahren scheint es ein bißchen so gewesen zu sein, daß diejenigen, die uns besonders freundlich gegenübergestanden haben, ,ein wenig zu kurz gekommen sind und in erster Linie diejenigen berücksichtigt worden sind, die uns besonders hart getreten haben. Ich könnte das zahlenmäßig nachweisen.
Ich möchte bei dem Satz bleiben, den wir gemeinsam in diesem Hause geprägt haben: daß wir keine politischen Bedingungen stellen wollen. Aber ich möchte an ein Wort erinnern, daß der Staatspräsiden von Pakistan, Ayub Khan, in diesem Zusammenhang gesagt hat - und zu diesem Wort möchte ich mich für meine Fraktion bekennen -: Wer von einem anderen etwas nimmt, geht die moralische Bindung ein, dem Gebendem zumindest nicht in den Rücken zu fallen. Ich meine, das sollte in der Tat die äußerste Grenze sein, an die man 'in dieser Frage überhaupt gehen kann. Ich akzeptiere die Neutralität all dieser Länder. Aber das ist eine Verpflichtung, deren Einhaltung man erwarten kann: daß man dem Geberland zumindest nicht in den Rücken fällt.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zur Höhe unserer Hilfe machen. Die Bundesregierung hat sich im vergangenen Jahr verpflichtet, im Jahr etwa 1 % des Sozialprodukts für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Darüber gibt es keine vertragliche Vereinbarung, sondern eine verhältnismäßig lose Absprache. Wir müssen feststellen, daß die Leistungen gerade in dem Jahr danach und auch schon in dem Jahr, in dem das vereinbart worden ist, in nicht unerheblichem Maße zurückgegangen sind. Das gilt für den Zeitabschnitt, in dem China, die Sowjetunion und auch die Sowjetzone - erstmals übrigens - dabei sind, ihre Leistungen nicht unerheblich zu steigern.
Ich habe neulich den Herrn Außenminister, aber auch Herrn Minister Scheel gefragt, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß im Rahmen der von ihr vorgeschlagenen Mittel die Aufrechterhaltung
der bisherigen deutschen Außenpolitik und Deutschlandpolitik möglich ist. Beide haben ganz klar und eindeutig gesagt: Nein, in diesem Rahmen ist das nicht möglich.
Wir sind der Auffassung, daß Baransätze und Bindungsermächtigungen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen müssen. Wer für große Bindungsermächtigungen eintritt, muß auch dementsprechende Baransätze im Haushalt stehen haben, weil sonst eine unmögliche Situation eintritt, nämlich die, daß der Berg der unerledigten Angelegenheiten von Jahr zu Jahr größer wird. Wir haben in diesem Jahr wiederum die Situation, daß sowohl in der Kapitalhilfe als auch in der technischen Hilfe der Berg der unerledigten Angelegenheiten größer wird. Wir haben einen Baransatz von 100 Millionen DM für die technische Hilfe und Bindungsermächtigungen von 200 Millionen DM, also doppelt soviel. Es kommen also 100 Millionen DM hinzu für etwas, was innerhalb dieses Jahres nicht ordnungsgemäß erledigt wird. Wir meinen, Baransätze und Bindungsermächtigungen sollten in etwa übereinstimmen. Ich habe den Eindruck, daß diese Meinung beim Finanzministerium geteilt wird. Wer nur geringe Vorschläge für Baransätze macht, darf sich nicht darüber wundern, wenn es zu einer entsprechenden Bereinigung bei den Bindungsermächtigungen kommt.
Bei der Kapitalhilfe läuft ein Teil der Projekte bereits jahrelang. Es gibt Zusagen, die jahrelang zurückliegen und für deren Erfüllung bisher wenig geschehen ist. Ich will nicht sagen, daß immer die Bundesregierung schuld sei. Vielfach ist es darauf zurückzuführen, daß die betroffenen Länder nicht die geeigneten Projekte oder daß sie sie nicht zeitgerecht vorgeschlagen haben. Aber die Spanne zwischen Zusage für ein Projekt und Erledigung des Projekts soll für die Zukunft noch größer werden und muß auch auf Grund der geringen Baransätze, die wir im Haushalt haben, noch größer werden. Ich halte das für eine schlechte Politik aus dem einfachen Grund, weil das zwangsläufig zu politischem Arger führen muß. Die Aufgabe eines Teils unserer Botschafter besteht darin, den Regierungen in den Entwicklungsländern zu sagen, warum wir noch nicht können und warum wir die Angelegenheit weiter hinausziehen müssen.
Zu diesem Problem ein Wort zur Höhe der Zinsen. Ich habe manchmal den Eindruck, daß sich zumindest 'ein Ressort 'in der Bundesregierung sehr freut - und wahrscheinlich auch die KW in Frankfurt -, wenn es bei den Kreditverhandlungen möglich ist, 1/2 % oder 1 %mehr an Zinsen zu erreichen, unabhängig davon, ob dann der Kredit seinen politischen Wert überhaupt verliert. Darin sehe ich eine sehr große Gefahr. Wir sollten hier Bedingungen schaffen, über die es keine negativen 'Diskussionen gibt. Die Zinsen müssen für die Länder tragbar sein. Außerdem verliert die Hilfe sonst nicht 'nur den politischen Wert, sondern es gibt auch 'keinen materiellen Nutzen, einfach deshalb, weil nach einer gewissen Zeit Umschuldungen erfolgen müssen; und 'die machen beiden Seiten keine Freude.
Soweit es die Teilnahme der Bundesrepublik an Konsortienvereinbarungen betrifift, Herr Minister, wäre uns sehr daran gelegen, daß ganz klar und eindeutig zum Ausdruck kommt, daß diese Leistungen im Rahmen der Konsortien, unabhängig davon, ob es sich um Indien, 'um Pakistan oder auch um die Türkei handelt, jährliche Leistungen sind, die wir jeweils neu 'zu erbringen haben, und daß es sich nicht um Verpflichtungen auf Jahre hinaus handelt. Ich lege Wert darauf, daß das gerade 'aus politischen Gründen ganz klar und eindeutig zum Ausdruck kommt, abgesehen davon, daß es sich hier um ganz erhebliche Leistungen im Rahmen unserer 'Hilfe handelt.
Lassen .Sie mich einige Bemerkungen zu den multilateralen Leistungen machen.
Nicht zufriedenstellend ist, daß der deutsche Beitrag zu den entsprechenden 'Institutionen nicht in dem notwendigen Maße anerkannt wird. Die Bundesrepublik ist in der Weltbank und in ihren Schwesterorganisationen nach den Vereinigten Staaten von Nordam'eri'ka der :zweitgrößte Geldgeber. Das ist bei einem großen Teil der Kreditnehmer der Weltbank überhaupt nicht bekannt, und dies ist aus politischen Gründen keine gute Sache für uns.
Das gleiche gilt 'für den Europäischen Entwicklungsfonds. Ich habe mich gerade erst 'in den letzten Tagen davon überzeugen 'können, daß ein Großteil der achtzehn an die 'Europäische Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten afrikanischen Länder überhaupt nicht weiß, daß 'die Bundesrepublik ein Drittel der Mittel aufbringt. Das scheint mir eine schlechte Sache zu sein. Ich bin absolut für einen europäischen Gemeinschaftsfonds. Dann soll er aber auch so dargestellt werden, und es soll im Interesse unserer Politik ganz klar und offen zum Ausdruck kommen, daß 'wir entscheidend daran beteiligt sind. Ich darf nur noch an Idas leidige Kapitel erinnern, daß die deutsche Wirtschaft an den Aufträgen sowieso nur mit 3 oder 4 % beteiligt ist. Auch das ist auf die Dauer 'kein vernünftiger Zustand.
Die Verantwortung 'für die technische Hilfe ist in der Zwischenzeit in Ihr Haus übergegangen, Herr Minister. Ich will nicht hoffen, daß Idas dazu führt, daß die politischen Gesichtspunkte nun dabei ausgeschaltet werden.
Sorgen haben wir insbesondere, sogweit es sich um die technische Hilfe auf dem Gesundheitssektor handelt. Ich könnte vieles wiederholen, was vorhin gesagt worden ist. Auf dem Gesundheitssektor muß man von einem völligen Versagen der deutschen technischen Hilfe sprechen. Ich will mich gar nicht den teilweise sehr kritischen Zeitungsberichten anschließen. Aber daß uns die Sowjetzone gerade in den letzten eineinhalb Jahren auf diesem Gebiet in nicht unerheblichem Maß Überholt hat, scheint mir unbestritten zu sein.
Unbefriedigend ist auch die Öffentlichkeitsarbeit. Herr Kollege Gewandt ist darauf eingegangen. Ich glaube, wir können eine geringfügige Verbesserung der öffentlichen Meinung in bezug auf Entwicklungspolitik feststellen. Aber noch immer besteht in der deutschen Offentlichkeit die irrige Meinung, es würden Milliarden hinausgeworfen. Wenn man die
8370 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 167. Sitzung. Botin, Mittwoch, den 24. Februar 1965
Situation einmal genau untersucht, dann stellt man fest, daß die Bundesregierung an diesen falschen Vorstellungen entscheidend mit Schuld trägt. Zu einem großen Teil handelt es sich bei diesen Milliardenbeträgen um Garantien, die gut für die Entwicklungspolitik, gut aber auch für die deutsche Exportwirtschaft sind, und in den weitaus meisten Fällen werden die Summen, die hier notwendig sind, aus den Entwicklungsländern ordnungsgemäß bezahlt. Bei anderen Milliardenbeträgen handelt es sich um Kredite, die zur Verfügung gestellt werden und für die Zinsen gezahlt werden. Die Einnahmen aus den Zinsen, die die Entwicklungsländer zu zahlen haben, betragen nach Vorstellung der Bundesregierung im Jahre 1965 105 200 000 DM. Das ist mehr als für die gesamte deutsche technische Hilfe zur Verfügung steht. Wenn wir das einmal ganz nüchtern betrachten: Garantien, Kredite, für die Zinsen zu zahlen sind und schon jetzt zu Anfang derart hohe Zinseinnahmen anfallen, dann erkennen wir, daß die Vorstellungen in der Offentlichkeit nicht gerechtfertigt sind, und es sollte verhältnismäßig leicht sein, das Bild in der deutschen Offentlichkeit in Ordnung zu bringen.
Wir müssen bedauerlicherweise auch feststellen, daß es über die notwendige Entwicklungspolitik der Bundesrepublik keine Konzeption der Bundesregierung gibt. Es gibt die Meinungen der verschiedenen Häuser - das werden auch die Kollegen aus der CDU, die sich mit dieser Frage beschäftigen, nicht bestreiten können -, und es ist unbestritten so, daß sich unterschiedliche Meinungen der verschiedenen Ressorts gegenüberstehen, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Es wäre sehr gut, wenn wir hier zu einer Konzeption der Bundesregierung kämen und nicht nur zu Konzeptionen der verschiedenen Häuser, die dann nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Falls es gewünscht wird, bin ich gern bereit, die verschiedenen Konzeptionen nebeneinanderzustellen. Es gibt hier ja eine Reihe von schriftlichen Festlegungen.
Auch in der Organisation sind wir keinen entscheidenden Schritt vorangekommen. Es gibt einen Grundsatzbeschluß des Kabinetts, der in den Kompetenzen einiges regelt; aber es sind daraus noch keine Konsequenzen gezogen worden. Noch heute beschäftigen sich 15 Ministerien und das Bundes-Presse- und Informationsamt mit Fragen der Entwicklungspolitik in insgesamt 231 Referaten.
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- Über die fachliche Beteiligung gibt es auch keinen Streit. Hier sehe ich gewisse Notwendigkeiten. Ich glaube nur, daß es völlig verkehrt ist, wenn man jetzt versucht, die fachlichen Ressorts weitgehend auszuschalten und im neuen Hause einzelne Abteilungen und Referate aufzubauen, die noch einmal das gleiche tun wollen, was in den verschiedenen Häusern geschieht. Ich hoffe, meine Herren, daß Sie da mit uns einig sein werden und daß wir vielleicht zu einer gemeinsamen Haltung kommen können. Ich habe den Eindruck, daß einiges auf uns zukommt.
Alle diese Gegebenheiten erlauben uns nicht,- in diesem Jahr dem Haushalt zuzustimmen. Wir bedauern das außerordentlich. Wir bekennen uns nach
wie vor zur Notwendigkeit der Entwicklungspolitik
und werden wie bisher weiter positiv mitarbeiten.
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Das Wort hat 'der Herr Abgeordnete von Mühlen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Enthaltsamkeit ist bekanntlich kein Vergnügen, und ich glaube, daß es auch kein Vergnügen für meinen Kollegen Wischnewski war, heute hier Enthaltsamkeit üben zu müssen, zumal da er doch zu denjenigen Kollegen unseres Hohen Hauses gehört
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- ja, und manchmal ist es auch ein Vergnügen an Dingen, welche wir nicht kriegen, hat Wilhelm Busch gesagt - ,zumal da doch Herr Kollege Wischnewski mit zudem Kreis von Kollegen gehört, die sich seit Jahren mit ganzer Kraft für eine gute, gesunde Entwicklungspolitik einsetzen. Soweit ich seinen Worten gefolgt bin, übte er auch keineswegs Kritik an dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und erst recht nicht an dessen Minister. Wenn ich richtig überlege, ist es für diesen eigentlich eine sehr willkommene Schützenhilfe, um die Entwicklungspolitik 'der Bundesregierung im nächsten Jahr und für den nächsten Haushalt in die Form und in das Volumen zu bringen, die notwendig sind, um Entwicklungspolitik so treiben zu können, wie wir sie treiben müssen.
Herr Kollege Gewandt und Herr Wischnewski haben die jetzige Haushaltslage in sehr vielen Einzelheiten besprochen und gekennzeichnet. Ich möchte das nicht unter Heranziehung anderer Details, die dasselbe, was hier gesagt worden ist, nur von einer anderen Seite noch einmal beleuchten oder unterstreichen würden, wiederholen. Sicherlich, was den Zinssatz, die Steuergesetzgebung, die Organisation betrifft, stimme ich mit meinem Kollegen Gewandt überein, daß noch vieles zu tun übrigbleibt. Aber ich meine, Herr Bundesminister Scheel und sein Haus haben in den vergangenen Monaten eine stille und gute Arbeit geleistet. Ich glaube nicht, daß man unbedingt immer einen Krach provozieren muß, um nach außen hin zu dokumentieren, was man erreicht hat. Jetzt muß in weiterer Kleinarbeit das ausgefüllt werden, wofür der Rahmen gegeben ist.
Sie haben alle schon darauf hingewiesen, daß für den Haushalt 1965 nicht mehr sehr viel zu machen ist. Da ist, wie wir in Schwaben sagen, „die Katze den Baum hinauf". Ich möchte deshalb jetzt noch einige Gedanken in Erinnerung rufen, die wir bei der Aufstellung des Haushaltes für das kommende Haushaltsjahr berücksichtigen sollten.
Den Herrn Finanzminister möchte ich bitten, im kommenden Rechnungsjahr den Posten Entwicklungshilfe bei seinem Voranschlag vorrangig mit einzusetzen. Im diesjährigen Haushalt ist die Bindungsermächtigung bis zu einem kümmerlichen Häufchen zusammengestrichen. Sie wissen alle
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 167. Sitzung. Borin, Mittwoch, den 24. Februar 1965 8371
aber, daß die Bindungsermächtigung d a s Mittel für eine gezielt geplante und überlegte Entwicklungshilfe schlechthin ist. Wenn die Bundesregierung auf der Basis von 600 Millionen DM Bindungsermächtigungen Entwicklungspolitik betreiben soll, dann ist dies eine kaum lösbare Auflage. Von den 600 Millionen DM sind nur noch 200 Millionen DM für eine wirkliche Entwicklungspolitik frei. Die anderen 400 Millionen DM sind ja, wie die Kollegen Gewandt und Wischnewski bereits betont haben, gebunden und können nicht mehr in der Entwicklungspolitik frei angewandt werden. Es bleiben also nur 200 Millionen DM übrig, und das ist ein bemerkenswert niedriger Betrag für ein Land, das das drittgrößte Wirtschaftspotential der Erde repräsentiert und das als das zweitgrößte Handelsland gilt.
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß wir dem Beschluß der Welthandelskonferenz zugestimmt haben, als Minimum 1 % des Sozialprodukts für die Entwicklungshilfe zu leisten. Diesen Satz von 1 % haben wir bis jetzt nur ein einziges Mal erreicht, nämlich im Jahre 1961. Seitdem sind wir unter diesem Niveau geblieben, ja noch mehr: Unsere Entwicklungshilfeleistung ist, am Sozialprodukt gemessen, ständig gefallen. Sie hat jetzt einen kaum mehr vertretbaren Tiefpunkt erreicht, nämlich etwa 0,6 % des Bruttosozialprodukts. Während aber unser Beitrag zur Lösung der sozialen Probleme in der Welt immer kleiner wird, hat unsere Wirtschaft eine bisher kaum erlebte Prosperität erreicht. Das Ganze grenzt etwas an Bewußtseinsspaltung. Wenn wir den Anspruch nicht aufgeben wollen, eine verantwortungsvolle Gesamtpolitik zu treiben, dann müssen wir jetzt und in Zukunft den Abwärtstrend unserer Entwicklungshilfeleistungen stoppen. Es muß also dafür gesorgt werden, daß wir nunmehr wirklich den Tiefpunkt erreicht halben.
Wir kommen doch, wenn wir die gesamte Lage übersehen, nicht mehr daran vorbei, daß Weltpolitik immer mehr mit weltweiter Wirtschaftspolitik identisch ist. Seitdem z. B. das militärische Potential einer Großmacht, ein Potential von unvorstellbarer Vernichtungskraft, sich als nicht mehr genügend erweist, mit einer vergleichsweise bescheidenen Zahl schlecht ausgerüsteter Guerillas fertig zu werden, seitdem im gleichen Augenblick ein Entwicklungsland wie Rotchina - und es ist ein Entwicklungsland - gezeigt hat, daß auch der wirtschaftlich nicht so starke fähig ist, sich seine Atombombe selbst zu bauen, dann ist es praktisch unmöglich geworden, Politik mit militärischen Mitteln treiben zu wollen. In dem gleichen Maße aber, wie militärische Mittel unbrauchbar werden, gewinnt die Entwicklungshilfe an Bedeutung.
Daß dies so ist, ist für uns zweifellos eine Chance. Denn der Westen ist ja der wirtschaftlich Stärkere und kann und wird den ökonomischen Kampf mit dem Osten absolut sicher gewinnen, wenn er nur bestrebt ist, seine Mittel richtig, zur rechten Zeit und am rechten Ort einzusetzen.
Gerade jetzt, wo die Sowjetunion, wo Rotchina und sogar die Sowjetzone zu einer großzügig angelegten Offensive in den Entwicklungsländern angetreten sind, stellen wir freiwillig unsere mühsam aufgebauten Positionen in Frage und sind - wenn man den Haushalt dieses Jahres betrachtet - auf dem besten Wege, uns den weiteren Weg zu verbauen.
Ich glaube deshalb, wir sollten alle Gewitterzonen, die augenblicklich am Horizont stehen - besonders was den Nahen Osten betrifft -, sehr sorgsam von der Entwicklungshilfe trennen. Wir sollten jetzt den Entschluß fassen, im kommenden Jahr und für den kommenden Haushalt die Entwicklungspolitik in dem Rahmen und unter Einsatz der Organisationsmöglichkeiten, die durch die KompetenzFlurbereinigung im 'Ministerium Scheel entstanden sind, auf eine breitere, gesündere und für uns nützlichere Basis zu stellen.
Den Herrn Bundesfinanzminister möchte ich dabei bitten - das theoretische Verständnis für die Notwendigkeit einer großzügig geplanten und wirksamen Entwicklungshilfe hat er immer gezeigt -, dieses Verständnis im nächsten Jahr seinem Kollegen vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu bewahren und in der Praxis dafür zu sorgen, daß wir auf dem weiteren Weg der Entwicklungshilfe im Jahre 1966 nicht in eine zu enge „Korfe" geraten, in der die Entwicklungshilfe stekkenbleiben könnte.
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Das Wort hat Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
'Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Interesse für Entwicklungspolitik scheint sich auf den heutigen Tag konzentriert zu haben. 'Das ist der Grund, meine 'Damen und Herren Kollegen, daß ich in den ersten 'Minuten Ihrer Diskussion gar nicht 'hier sein konnte. Denn nicht nur das Kabinett hat sich aussschließlich mit entwicklungspolitischen Fragen befaßt, sondern auch mein amerikanischer Kollege Mr. Bell ist gerade hier im Lande, und wir haben eine Arbeitssitzung gehabt, die ich zu leiten hatte.
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Deshalb habe ich bis 'zur letzten Minute warten
müssen, und nach dieser Diskussion mit Ihnen geht
es dann heute abend weiter mit Entwicklungspolitik.
Ich freue mich über das gestiegene Interesse an diesem Teil der Politik. Das Interesse hieran ist ja bisher auch in diesem Hause weiß Gott nicht so außergewöhnlich groß gewesen. Denn wo hätte es das gegeben, daß die Kollegen mit besonderem Interesse an entwicklungspolitischen Diskussionen teilgenommen hätten, wie das jetzt der Fall .ist! Leider ist dieses Interesse infolge einer nicht gerade sympathischen Entwicklung unserer außenpolitischen Situation gestiegen.
Ich will mit Herrn Wischnewski 'beginnen, dem ich zunächst einmal bescheinigen muß, daß es mich beruhigt hat, daß er für sich und seine Freunde er8372
klärt hat, er stehe hinter .der Entwicklungspolitik und er wolle hier nur an Teilen, an der Methode, Kritik üben. Das ist natürlich sein gutes Recht.
Ich bin zum Teil darauf angewiesen, solche Kritik von Ihnen zu hören, weil nämlich die gewaltige Aufgabe, die wir hier im 'Innern und außerhalb des Landes zu erfüllen haben, mit einem Minimum an Apparat durchgeführt werden muß, eine Lage, die es uns noch nicht einmal möglich macht, ständig eine volle Kontrolle über alles zu haben. Wir bemühen uns, alle Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um dass zu erreichen. Dazu gehören natürlich .die kritischen Bemerkungen der Kollegen an erster Stelle, und Sie wissen alle - aus jeder Fraktion -, daß eine kritische Bemerkung aus dem Kreise des Parlaments nie an meinem Ohr vorübergegangen ist, sondern immer zu irgendeiner Reaktion geführt hat.
Sie haben gesagt, Herr Kollege Wischnewski, daß Entwicklungspolitik ein besonders wichtiger Teil der Außenpolitik ist. Ich hoffe, Sie werden mir zugestehen, daß wir uns darüber immer klar waren. Es hat sehr viele Leute auch bei uns in diesem Kreise gegeben, die diese Meinung über eine lange Zeit hin nicht hatten, die erst durch besondere Ereignisse darauf aufmerksam gemacht worden sind, wie wichtig dieser Sektor der Politik ist. Aber, wenn Sie glauben, Entwicklungspolitik sei ein Teil der Außenpolitik in der Weise, daß man dort, wo jemand ein „unsicherer Kantonist" zu werden droht und sich mit bolschewistischen und Sowjetblock-Staaten mehr einläßt, als wir wünschen können, hinrennen muß, um ihn mit entwicklungspolitischen Hilfen davon zurückzuhalten, dann müssen Sie doch inzwischen erkannt haben, daß das eine falsche Methode in der Entwicklungspolitik ist.
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Meine Damen und Herren, leider war es aber so - ich muß das hier einmal sagen -, daß gerade diejenigen, die betont haben, daß Entwicklungspolitik nur ein Teil der Außenpolitik ist, es in diesem Sinne verstanden haben. Das muß doch hier einmal klargestellt werden. So ist es aber nicht, und ich komme zurück auf das, was Herr Gewandt gesagt hat: Entwicklungspolitik soll dazu dienen, denjenigen Ländern in der Welt unsere Hilfe anzubieten, die unsere Freunde sind und von denen wir das Gefühl haben, daß sie mit uns gemeinsam aus diesem Instrument auch etwas machen, d. h., daß ihre politische, ihre soziale und ihre wirtschaftliche Struktur im Lande Gewähr dafür bieten, daß sie mit uns gemeinsam einen Erfolg erreichen.
Nun, meine Damen und Herren, das mögen dann unsere Freunde sein, wenn wir mit ihnen eine langfristige entwicklungspolitische Linie abstimmen; und entwicklungspolitische Instrumente wirken nun einmal langfristig. Es kann sehr wohl vorkommen, daß die Ungunst der Ereignisse das Verhältnis auch zwischen solchen Staaten und der Bundesrepublik einmal abkühlen läßt. Meine Kollegen, dann sei's drum! Wir sollten also die Entwicklungspolitik genau so betrachten, wie Sie, Herr Wischnewski, es gesagt haben, nämlich als einen wesentlichen Teil unserer Sicherheitspolitik, als ein Bemühen, nicht kurzfristig, nicht bis nächste Woche, sondern langfristig politisch zu wirken.
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- Darauf komme ich später.
Ich will ein Wort benutzen, das Herr Gewandt in der Zeit gebraucht hat, in der ich nicht hier war. Ich meine, wir sollten Entwicklungspolitik auch benutzen als eine Art weltweiter Sozialpolitik, und zwar so, wie sie verstanden werden muß, also nicht etwa in der klassischen oder konventionellen Form der Rentenzahlung - welch einfach denkender Mensch hätte denn so etwas je gedacht?! -, sondern als eine Art weltweiter Sozialpolitik, die darauf ausgerichtet ist - ich will jetzt einmal ein Wort des Außenministers nennen -, eine heile Welt zu erhalten, zu stützen und zu fördern, nämlich die Spannungen auf dieser Welt zu beseitigen. Das ist ,das langfristige politische Ziel.
Nun ist es aber so, daß wir ein geteiltes Volk sind - wer könnte das denn übersehen? - und daß wir als ein geteiltes Volk besondere außenpolitische Aufgaben, auch kurzfristige außenpolitische Aufgaben, haben. Wer wollte etwa behaupten, wir müßten nicht alle Mittel in Anspruch nehmen, um unsere schwere Stellung in der Außenpolitik zu behaupten? Das tun wir auch unter Inanspruchnahme entwicklungspolitischer Mittel, und ich glaube, bisher waren wir uns hierüber auch völlig einig. Ich wiederhole aber, daß wir uns schon wegen der Begrenztheit der Möglichkeiten, die wir haben, in der Zukunft konzentrieren müssen. Wir müssen mit unseren Maßnahmen auch einen sichtbaren Erfolg schaffen können. Das ist die Methode, die von den beiden Kollegen Gewandt und Wischnewski gleichermaßen als die zukünftige Linie der Entwicklungspolitik dargelegt worden ist, nämlich mit Freunden Sichtbares zu schaffen.
Herr Wischnewski hat dann über das schwierige Problem des Verhältnisses von Baransätzen zu Bindungsermächtigungen gesprochen. Ich kenne seine Auffassung, Bindungsermächtigungen dürfe man nur insoweit zustimmen, als sie in ,einem bestimmten Verhältnis zu den Baransätzen stehen. Ich glaube aber, daß hier eine Verkennung der haushaltsmäßigen Auswirkungen der Entwicklungspolitik festzustellen ist. Denn der Durchlauf eines normalen Entwicklungsprojekts ist nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen Ländern mit drei bis vier, ja, manchmal bis zu fünf Jahren anzusetzen. Das heißt aber, daß vom Tage der Verpflichtung an - die ich nur eingehen kann, wenn ich eine Bindungsermächtigung in Anspruch nehme - bis zur restlichen Auszahlung der Summe für ein solches Projekt viele Jahre vergehen. Bis dahin gibt es einen Berg von Zusagen, den man mit einem amerikanischen Begriff „pipeline" nennt, der mathematisch so viele Jahressummen enthalten müßte, wie dem durchschnittlichen Durchlauf der Projekte entspricht. Mit diesem Berg müssen wir uns abfinden.
Er ist auch ganz ungefährlich. Denn er müßte nach menschlichem 'Ermessen von der einen Seite immer eine Jahresrate an Zuwachs enfahren, nämlich die neuen Zusagen auf der Basis der Bindungsermächtigungen, und auf der anderen Seite eine Verringerung um eine ebenso große Jahresrate für die Verwirklichung. Damit bliebe dieser Zusagenberg idann auf einem gewissen Volumen. Wir glauben, daß dieses Volumen erreicht ist und daß man etwas tun muß, um es zu regulieren. Aber wir 'haben unsere Bindungsermächtigungen in den letzten Jahren vermindert, Herr Kollege Wischnewski, weil wir rein arbeitsmäßig über dieses ,gigantische Volumen einmal wegkommen wollten, das in einem einzigen Jahr durch die Inanspruchnahme von insgesamt 4,8 Milliarden DM Zusagen, Ermächtigungen, angefallen ist.
Sehen Sie doch einmal die Zahlen an! Wir haben zwar von 1962 an unsere Bindungsermächtigungen jährlich um einige 100 Millionen DM heruntergeschraubt. Aber unsere Auszahlungen sind nicht etwa in diesem Maße gesunken, sondern haben sich erhöht. Wenn ich einmal die Nomenklatur der Welthandelskonferenz für die Errechnung unserer Ausgaben zugrunde lege, dann haben 'wir 1962 2,527 Milliarden DM ausgezahlt, 1963 2,356 Milliarden DM und 1964 den größten Betrag, nämlich über 3 Milliarden DM. Das heißt, daß wir zum Beispiel 1964 - 'um jetzt in den internationalen Vergleich hineinzusteigen - 0,95 % unseres Volkseinkommens für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt haben. Darin sind 'enthalten die öffentlichen Mittel, die langfristigen Kredite, die nach der Welthandelskonferenz möglichen Kreditanrechnungen und die privaten Investitionen. 'Die privaten Investitionen sind - ich komme nachher noch darauf zurück - im Jahre 1964 außerordentlich angestiegen; sicherlich ein Zeichen der Wirkung unserer Entwicklungshilfegesetzgebung. Das ist genau das, was wir erreichen wollten. Wir wollten die Privatinitiative anregen, mehr zu tun; wir wollten dafür Anreize geben, um am Ende den Haushalt lentlasten zu können. Einen Teil haben wir schon erreicht. Wir werden auf diesem Wege fortschreiten. Auf die ,Bemerkungen des Herrn Gewandt werde 'ich nachher noch zu sprechen kommen.
Ich glaube also, daß wir bei dem Vergleich von Baransätzen und Bindungsermächtigungen Ihrer Kritik nicht folgen können, Herr Wischnewski. Heute kommen wir zu dem Ergebnis, daß wir richtig gehandelt haben. Allerdings müssen wir jetzt - das sage ich mißt allem Ernst - eine andere Politik einschlagen, damit wir nicht etwa 'bei den Auszahlungen, die nach unseren Berechnungen 1965 und 1966 auf der jetzigen Höhe bleiben werden, einen scharfen Absturz haben werden. Vielmehr muß mit neuen Bindungsermächtigungen der nächsten Jahre unsere Leistungskraft weiterhin nach außen sichtbar sein.
Herr Kollege Wischnewski, Sie haben sich über die zu langsame Abwicklung der einzelnen Projekte beklagt. Da geht es natürlich erst einmal um die Frage, ob wir unsere Entwicklungsprojekte kontrollieren wollen oder ob wir sie vereinbaren wollen, ohne die notwendige Kontrolle damit zu verbinden.
Der Bundestag und der Bürger, der Steuerzahler, haben ein Recht darauf, daß wir öffentliche Mittel, die wir einer politischen Aufgabe widmen, mit der Sorgfalt ausgeben, die wir überall gewöhnt sind. Das ist ja die Grundlage dafür gewesen, daß wir nur projektgebundene Entwicklungshilfe geben, von der wir wissen, daß jede Mark so eingesetzt wird, wie wir das vereinbart haben, und nicht in unrechte Kanäle fließt. Damit ist nun einmal ein gewisser Zeitablauf verbunden. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch Ihr Wille! Ohne diese notwendige Kontrolle könnten wir natürlich leicht und schnell Geld ausgeben.
Ein Zweites kommt hinzu. Zur sorgsamen Verwaltung von Mitteln und zur sorgsamen Ausgabe von Geld gehört ein Minimum an Verwaltungsapparat. Nun frage ich die Damen und Herren Kollegen hier im Bundestag, ob sie denn bereit sind, diesen notwendigen Verwaltungsapparat zu bewilligen? Das ist doch gar nicht der Fall. Ich kämpfe doch seit 1962 darum, ein Minimum an Beamten und Angestellten für diese Aufgabe zu bekommen. Der Fachausschuß, der Ausschuß für Entwicklungshilfe, hat an den Haushaltsausschuß eine Entschließung geschickt. In dieser Entschließung ist einwandfrei die Befürchtung zum Ausdruck gebracht worden, daß es bei dem augenblicklichen Verwaltungsapparat, wenn man ihn nicht verstärke, zu unwirtschaftlichen Ausgaben geradezu kommen müsse. Aus vielen Gründen, die ich jetzt nicht erörtern will, hat der Haushaltsausschuß dieser Bitte noch nicht entsprochen. Dann dürfen Sie sich aber auch nicht beschweren, wenn manche Friktionen auftauchen.
Jetzt komme ich zu der Frage der Kreditkonditionen. Beide Herren, Herr Gewandt und Herr Wischnewski, haben hier Anregungen gegeben. Ich bin mit ihnen völlig einverstanden: es ist ein Unding, in der heutigen Zeit mit Ländern, die große Außenverschuldungen haben, Kredite zu Zinssätzen zu vereinbaren, von denen wir wissen, daß sie von diesen Ländern einfach nicht erfüllt werden können. Die Bundesregierung hat dem Rechnung getragen. Das sollte hier noch einmal gesagt werden. In den letzten Jahren haben wir unsere Kreditkonditionen ständig zugunsten der Entwicklungsländer verbessert. Mit unseren Konditionen haben wir heute, neben den Vereinigten Staaten, den günstigsten Stand in der Welt. Wir wären froh, wenn alle Industrienationen so gute Konditionen für die Entwicklungsländer bieten könnten, nämlich im Schnitt 3 % bei langer Laufzeit und bei Freijahren, die auch respektabel sind.
Noch einmal: ich bin mit Ihnen einig. Die Bundesregierung ist doch nicht zuletzt im ständigen Austausch mit den Kollegen hier im Parlament diesen Vorschlägen gefolgt. Die Konsortialbeteiligungen machen unis ,auch Sorgen, weil sie leider dazu verleiten, von Jahr zu Jahr auf der Basis fester Jahresraten nur noch Beiträge herzugeben, von denen man nicht recht weiß, wie hoch der Wirkungsgrad ist, von denen man aber sicher annehmen kann, daß sie uns selber in der Bundesrepublik keinen großen politischen Vorteil in dem Sinne bringen, daß die Länder, mit denen wir auf dieser multilateralen Basis zusammenarbeiten, sehr genau wüßten, was
wir dazu tun. Es ist unsere Aufgabe und auch die Aufgabe der internationalen Organisationen, diese Information zu geben. Leider - und hier gebe ich Herrn Kollegen Wischnewski recht - ist gerade bei den internationalen Organisationen die Bereitschaft, den Partnerstaaten bekanntzugeben, wer am meisten und wer viel leistet, ich möchte sagen, nicht übertrieben stark entwickelt. Es wäre im Interesse unserer Bereitschaft, hier weiter Leistungen zu erbringen, zu wünschen, daß auch diese Organisationen etwas mehr täten, ihre Partner in den Entwicklungsländern über unsere Leistungen aufzuklären.
Über den Entwicklungsfonds will ich jetzt nichts sagen. Diese Beschwerden sind ja hier bekannt und von der Bundesregierung in Brüssel immer vorgebracht worden. Vielleicht nur ein Wort: Es hat sich gebessert. In den Bereichen, in denen die Wirtschaft in der Bundesrepublik unter den besonderen Bedingungen leistungsfähig und konkurrenzfähig ist, hat sich der Anteil unserer Beteiligung erhöht; für den Teil - das Gebiet des Bauwesens, Hoch- und Tiefbau -, in dem der Anteil noch niedrig ist, gelten ganz besondere Voraussetzungen. Vergegenwärtigen Sie sich bitte einmal folgendes: Wenn Sie z. B. als Bauunternehmer aus Bad Tölz den Versuch unternehmen, sich bei einem großen Bau in Duisburg zu bewerben, dann werden Sie feststellen, daß die 'Entfernung zwischen 'Bad Tölz und Duisburg immerhin schon so groß ist, daß dort besondere Bedingungen für einen fremden Wettbewerber herrschen, die mit vielfältigen Mitteln überwunden werden müssen. - Ähnlich sieht es hier aus. Wir tun alles, meine Kollegen, um Verbesserungen zu erreichen. Ich darf noch eins sagen: Die Kommission in Brüssel und unsere Partner in der EWG, die größeren Einfluß in diesen Ländern haben, geben sich alle 'Mühe, um diese Schwierigkeit zu überwinden, die teilweise in der Technik des Wettbewerbs und ,in der Wettbewerbsstruktur begründet liegt. Ich hoffe, daß wir Ihnen auch bald 'Ergebnisse auf diesem etwas schwierigen Sektor nennen können.
Dann hat Herr Wischnewski die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auf dem Gebiete der Entwicklungspolitik angegriffen. Ich freue mich, daß Sie, Herr Wischnewski, zugegeben haben, daß sich in letzter Zeit dort vieles gebessert hat. Ich kann das aus einer Reihe von Umfragen, die wir veranstaltet haben, bestätigen. Es ist in der Tat so, daß die öffentliche Meinung eine positivere Einstellung zur Entwicklungspolitik hat als noch vor vier Jahren, und zwar in einem ständigen Anstieg. Ich kann sagen, daß mich die letzten Ergebnisse dieser Umfragen selbst überrascht haben, d. h. mit anderen Worten, daß das Bild in der Presse sich nicht im Einklang befindet mit der Meinung des Volkes zu diesem Problem. Ich bin erfreut darüber, daß es sich verbessert hat und daß Sie das auch festgestellt haben. Aber eins muß man doch sagen, meine Kollegen: Wenn die Öffentlichkeitsarbeit hier und in den über 80 Entwicklungsländern von der Bundesrepublik nicht intensiver angefaßt werden konnte, dann liegt das natürlich an diesem Parlament, das ja doch die bescheidenen Mittel, die wir für Öffentlichkeitsarbeit angefordert haben, schlicht und einfach halbiert hat, offenbar davon ausgehend, daß sie nicht so wichtig sei.
({3})
Ich habe den Eindruck, daß hier die Meinung besteht, wenn man Milliarden ausgebe, brauche man nicht mehr als 3 Millionen, um hier und in den Entwicklungsländern alles zu vertreten.
({4})
- Aber wir sprechen doch hier nur von der Öffentlichkeitsarbeit, die mit der Entwicklungspolitik zusammenhängt.
Ich möchte Ihnen einmal einen Vergleich geben. Als der französische Staatspräsident General de Gaulle seine Reise nach Südamerika gemacht hat, hat er sich überlegt, wie diese Reise in der Offentlichkeit der Länder, die er besucht, bekanntgemacht werden kann, damit sie eine Wirkung hat. Er hat für diese eine Reise mehr Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben, als diese Bundesrepublik für die Öffentlichkeitsarbeit im Gesamtbereich der Entwicklungspolitik in der Bundesrepublik und in über 80 Entwicklungsländern wegen der geringen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, pro Jahr ausgeben kann. Dann braucht man sich doch nicht zu wundern, daß da keine gewaltigen Erfolge erzielt werden können. Ich hoffe, daß uns die Erfahrungen gelehrt haben, hier in der Zukunft etwas mehr zu tun.
Herr Wischnewski hat gesagt, die Bundesregierung habe keine Konzeption. Ich glaube, Herr Kollege Wischnewski, diesen Vorwurf wollen Sie doch wohl nicht im Ernst aufrechterhalten.
({5})
- Auch nicht die Häuser. Herr Kollege Wischnewski, wir haben in den letzten Jahren dem Bundestag für alle Bereiche der Entwicklungspolitik die Richtlinien überwiesen, auf Grund deren wir unsere Einzelmaßnahmen treffen. Sie sind von diesem Bundestag geprüft und gutgeheißen worden. Die Konzeption in der Entwicklungspolitik ist geradezu eine Gemeinschaftsarbeit zwischen Bundesregierung und Bundestag. Sie ist komplett und perfekt, wenn ich das so sagen darf. Wir haben, von allen Industrieländern und auch von den Entwicklungsländern anerkannt, ein Instrumentarium, das geradezu lückenlos ist und das so fein abgestimmt ist, daß uns viele darob beneiden.
Wenn wir heute durch außenpolitische Ereignisse in eine gewisse Malaise der Stimmung gekommen sind, dann sollten wir uns doch nicht selber etwas vormachen und sagen, das sei unsere Schuld bei der Durchführung der Entwicklungspolitik, an der wir alle Anteil haben, sondern dann sollten wir die Ursache genau da sehen, wo sie wirklich liegt, nämlich in gewissen außenpolitischen Schwierigkeiten. Wir sollten uns Mühe geben - die Bundesregierung tut das - , gemeinsam Möglichkeiten zu finden, diesen Sektor einzusetzen, um einen höheren WirBundesminister Scheel
kungsgrad zu erreichen. Da bin ich mit Ihnen völlig einig. Dieser höhere Wirkungsgrad wird sicherlich erreicht werden, wenn sich die Wirkung der neuen Zuständigkeitsregelung, die nunmehr getroffen ist, in der Praxis zeigt.
Nun muß ich sagen, daß bei der Neureglung von Zuständigkeiten die Umsetzung einer Grundsatzentscheidung in die Praxis ein ungewöhnlich qualvoller Prozeß ist. Aber dieser Prozeß muß nun einmal durchgestanden werden. Ich darf sagen, daß das gegenwärtig ohne Härten und ohne irgendwelche Friktionen auf diesem Gebiet geschieht. Ich bin sicher, daß wir mit dieser neuen Grundsatzentscheidung eine Basis gefunden haben, die die Administration der Entwicklungspolitik wirksamer macht und auch eine Beschleunigung der Durchführung im Gefolge hat; sie bietet auch die Möglichkeit, durch eine zentralere Steuerung am Ende in der Handhabung dieses Instrumentes flexibler zu werden. Das ist seit eh und je meine eigene Vorstellung gewesen.
Damit komme ich zu den Bemerkungen des Kollegen Gewandt. Seine Überlegungen zur Organisation der Bundesregierung insgesamt finde ich interessant. Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Gewandt einmal vor Jahren meine Auffassung dazu irgendwo gehört oder gelesen hat. Ich habe sie auch nur im Gespräch mit meinen engsten Kollegen in der Bundesregierung von mir gegeben, als (diese Regierung gebildet wurde. Sie deckt sich etwas mit Ihren Vorstellungen. Ich war immer der Auffassung, daß neue politische Elemente auch organisatorisch neu bewältigt werden müssen. Ich hatte immer den Eindruck, daß wir da noch etwas tun müssen. Die letzte Zuständigkeitsregelung ist ein Schritt dahin. Aber ich glaube, daß man 'sich auch über das Verhältnis der Entwicklungspolitik und der Außenpolitik im organisatorischen Bereich sehr wohl unterhalten muß. Die Haushaltsdebatte ist nicht der Platz, das zu tun, aber die Notwendigkeit besteht. Ich habe meine feste Meinung zu diesem Punkt, die die meisten Kollegen auch kennen und die ohne Zweifel, um das hier einmal zu 'sagen, der Außenpolitik den Primat in diesem Bereich läßt. Zuletzt möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, den Herr Gewandt genannt hat, weil er aktuell ist: die Ausgestaltung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes. Ich habe die Initiative der Abgeordneten, einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Gesetzes einzureichen, mit großem Interesse verfolgt. Ich verhehle nicht, daß auch ich glaube, man kann das Gesetz noch verbessern. Ich habe einmal abwarten wollen, wie es wirkt. Ich habe schon gesagt, daß zu meiner großen Freude die Erwartungen, die ich an das Gesetz knüpfte, im ersten Jahr tatsächlich eingetroffen sind und .daß eine Verbesserung des Gesetzes sicherlich dazu beitragen wird, die Basis unserer Entwicklungspolitik zu verbreitern und auch qualitativ zu verbessern. Wenn wir das mit einer Verbesserung des Gesetzes 'erreichen, sollten wir das tun. Ich möchte also den Kollegen sagen, daß ich an einer solchen ernsthaften Arbeit interessiert bin. Ich werde mitarbeiten, und auch die Bundesregierung hat sich dazu bereit erklärt. Ob wir alle Wünsche befriedigen können, hängt nun einmal davon ab, wie sich die Interessenlage auspendeln läßt. Denn Sie wissen: was des einen positives Interesse, ist des anderen negatives Interesse. Ich will nicht sagen, daß der Bundesfinanzminister in allen Dingen mein Antipode ist. Aber in dieser Frage wird er, sagen wir einmal, nicht die letzten Wünsche erfüllen können, die ich vieleicht an ihn haben werde. Ich möchte aber annehmen, daß in der Art, in der. bisher auf diesem Gebiete zwischen den Fraktionen zusammengearbeitet wurde, auch das Geheimnis liegt, die Bundesregierung hier in gewisser Weise zu einer Tat zu veranlassen. ({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23. Wer dem Einzelplan 23 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Einzelplan 23 angenommen. Ich rufe Punkt 3 Buchstabe d) auf:
Einzelplan 24 Geschäftsbereich des Bundesschatzministers ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Windelen.
({1})
- Sie verweisen auf den vorliegenden Bericht; vielen Dank! Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 24. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe. - Gegen zahlreiche Neinstimmen in der Einzelplan 24 mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Punkt 3 Buchstabe e) auf:
Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland. - Sie wünschen das Wort nicht?
({3})
Das Haus verzichtet auf die Berichterstattung und nimmt mit dem vorliegenden Bericht vorlieb.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor etwa 10 Tagen in erster Lesung das Wohnungsbauänderungsgesetz behandelten, verzichtete der Bundestag wegen der Freitagszeitnot auf eine Diskussion. Daraus ist folgendes entstanden:
Jacobi ({0})
In einem Teil der Presse hieß es: Der Verzicht auf das Wort bedeutet offenbar Zustimmung. Der Pressesprecher des Wohnungsbauministeriums hatte Journalisten gegenüber tatsächlich erklärt, die SPD habe keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf gehabt. Er übersah dabei geflissentlich, daß sich schriftliche Diskussionsbeiträge, darunter auch die äußerst kritische Stellungnahme der Opposition, im Anhang zum Bundestagsprotokoll befinden. Auch die 'bekannte Sachlage sprach gegen eine solche Behauptung.
Wir müssen uns, damit sich ähnliches nicht wiederholt, nunmehr, wenn auch kurz, zum Etat des Wohnungsbauministeriums äußern. Wir werden in Verbindung mit einem Änderungsantrag nachher einen Punkt besonders behandeln: Die Situation der alten Menschen und ihre Wohnungssorgen.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Es ist Tit. 310: Veröffentlichungen des Ministeriums. Er hat gegenüber einem Betrag von 150 000 DM, der sich im Entwurf fand, eine wesentliche Erhöhung erfahren. Nunmehr sind 300 000 DM vorgesehen. Wenn diese Summe wirklich dazu verwendet wird, objektiv und sachlich Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, dann könnte man angesichts der Bedeutung, die dem Wohnungswesen, dem Städtebau und der Raumordnung, also den Aufgabengebieten des Ministeriums, zukommt, kaum Einwendungen erheben. Aber abgesehen davon, daß wir uns im Wahljahr befinden, in dem das Wort „Propaganda" ganz groß geschrieben wird und in dem statt an sachliche Unterrichtung sehr oft mehr an Eigenwerbung gedacht wird, haben wir aus der Vergangenheit ein abschreckendes Beispiel vor Augen.
Ich meine die in Millionen Exemplaren auf Kosten der Steuerzahler verbreitete Mieterfibel. Sie wurde kurz vor einer Bundestagswahl verbreitet. Sie ist kein Hilfsmittel für die Betroffenen gewesen. Wer in ihr Rat suchte, war bald am Ende.
({1})
Dagegen strotzte sie von wohlgefälligen Darstellungen des sogenannten sozialen Mietrechts.
({2})
Sie führte irre, statt praktikable Wege für die Betroffenen zu weisen.
Wie wohltuend hebt sich dagegen der Ratgeber für die Mieter ab, den der in diesem Hause so oft als bloßer Nörgler und Kritikaster bezeichnete Deutsche Mieterbund herausgegeben hat! Diesen Ratgeber möge sich Herr Minister Lücke als Muster dienen lassen, wenn er demnächst seine Absicht wahr macht, eine Wohngeldfibel verteilen zu lassen, eine Absicht, Herr Minister, die wir von der Sache her durchaus begrüßen, zu der wir allerdings den eindringlichen Wunsch haben: Diese Fibel möge sich auf eine umfassende, nur auf die Sache abgestellte einwandfreie Information für den Gebrauch durch Ratsuchende beschränken und nicht als Wahlbroschüre gedacht sein. Eine Fibel, die sich speziell auf die Wahl einstellt, mag produziert werden, von wem man will. Die Pflicht des Ministeriums ist es, den Inhalt des Wohngeldgesetzes allein unter dem Gesichtspunkt seiner Praktizierung allgemeinverständlich zu machen.
Zur Öffentlichkeitsarbeit und zur Pressepolitik des Ministeriums ist an dieser Stelle ein weiteres Wort zu sagen. Ich meine den auf Grund einer Verlautbarung des bereits erwähnten Pressesprechers entstandenen Konflikt zwischen dem Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen und dem Ministerium. Der genannte Verband hat sich für verpflichtet gehalten, zu einem weittragenden Entwurf, dem schon erwähnten Entwurf für ein Wohnungsbauänderungsgesetz, der dem Hohen Hause kürzlich vorgelegt wurde, sachlich - und das schließt nicht aus: auch kritisch - Stellung zu nehmen. Darauf mußte er sich in einer Mitteilung, die das Pressereferat des Ministeriums am 2. Februar 1965 herausgab und die auch Eingang in das Bulletin der Bundesregierung fand, dahin belehren lassen, daß die öffentliche Kritik - ich zitiere wörtlich - „wenige Tage vor der ersten Lesung des Entwurfs im Deutschen Bundestag als einseitige Beeinflussung der gesetzgebenden Körperschaften anzusehen" sei. Ich will hier keineswegs zur Sache selbst, zu dieser Stellungnahme des Gesamtverbandes, Stellung nehmen. Wir haben zu einigen Punkten, zu denen er Stellung bezieht, eine durchaus unterschiedliche Auffassung. Hier aber geht es um eine Grundsatzfrage:
Es hat den Anschein, daß der Pressesprecher des Wohnungsbauministeriums von den Grundrechten der Meinungsfreiheit und der Petition nicht allzu viel hält. Ist das schon eine arge Sache, so wird sie noch schlimmer dadurch, daß den Abgeordneten dieses Hauses offenbar keine eigene Urteilskraft zugebilligt wird. Wie ist denn sonst die Bemerkung zu verstehen, es handle sich bei dieser Eingabe um eine einseitige Beeinflussung? Selbst wenn eine Eingabe Standpunkte enthält, die nicht mit der Meinung eines Ministeriums übereinstimmen, ja, gerade dann müssen wir Abgeordneten dankbar sein, daß wir solche abweichenden Stellungnahmen überhaupt erhalten. Es ist allein unsere Sache, über ihren Wert oder Unwert zu entscheiden. Meinungsäußerungen jeder Art, also auch kritische, sollten uns immer als Material für die eigene Urteilsbildung willkommen sein.
Ich möchte den Herrn Minister bitten, seinen Mitarbeitern das Studium des Grundgesetzes zu empfehlen. Die einschlägigen Bestimmungen zu dem hier erwähnten Fall finden sich in Iden Artikeln 5 und 17.
Ich wiederhole eis noch einmal: Meinungsverschiedenheiten müssen uns willkommen sein. Sie sind in einem idemokratischen Staatsleben geradezu lebensnotwendig. Wir müssen sie ertragen und austragen. Sie zu unterdrücken ist 'allein 'das Amt totalitärer Regierungen.
So können unid drüfen wir in diesem Hause unid auch heute um der Wahrheit willen nicht verschweigen, daß uns auch auf dem ,Gebiet der Wohnungspolitik in diesem Hause unterschiedliche Auffassungen trennen. Wir streiten uns .sogar deshalb manchmal heftig, seit mit der Abbaugesetzgebung Meinungsverschiedenheiten zutage treten. Das ist gut so
Jacobi ({3})
in einer Zeit, in der so oft über Konformismus, über Uniformität und angeblich fehlende Alternativen geklagt wird.
Meine Damen und Herren, im ,Mittelpunkt der Streitgespräche, die ja nicht nur hier geführt werden, der Streitgespräche über die mit der begonnenen Liberalisierung der Wohnungswirtschaft verbundenen Fragen, steht nach wie vor der Aussagewert der gesetzlichen Berechnung des Wohnungsfehlbestandes. Diese Berechnung, das sogenannte statistische Wohnungsdefizit, ist und bleibt ein unzulängliches Hilfsmittel. Sie gibt weder die örtliche noch die regionale Situation der Wohnungsteilmärkte wieder noch erfaßt sie den dynamischen Wohnbedarf. Dennoch werden aus den statistischen Zahlen bekanntlich weitreichende Maßnahmen abgeleitet: die Bestimmung der weißen Kreise mit den bekannten Folgen. Dabei sind .es ja nicht nur die Aufhebung des bisherigen Mieterschutzes und die Freigabe der Mietpreise, die sich empfindlich und sehr oft schmerzlich auswirken. Das statistische Wohnungsdefizit enthält darüber hinaus leider auch Ausgangsdaten für die Zuteilung der öffentlichen Mittel in den Ländern.
Damit ist das Problem der Wohnungsbaufinanzierung überhaupt angesprochen, ein Problem von außerordentlicher Vielschichtigkeit, auf das ich hier nicht näher eingehen kann. Einige wenige Bemerkungen hierzu ,sind jedoch unerläßlich.
Die Entwicklung der Wohnungsbauinvestitionen im Jahre 1964 zeigt bei erhöhten Baukosten je Wohnungseinheit eine Steigerung !des Finanzierungsaufwandes für den Wohnungsneubau von 21,1 auf 23,9 Milliarden DM. Daran ist der Kapitalmarkt mit 66,4 v. H. = 15,9 Milliarden 'DM beteiligt, während die Höhe 'der öffentlichen Mittel 4,7 Milliarden DM = 19,4 v. H. beträgt.
Um diese öffentlichen Mittel geht es. Sie haben sich seit 1963 vermindert. Diese Tendenz hält, zumindest was den 'Bund .anbelangt, an. Um so mehr ist es notwendig, diese öffentlichen 'Mittel sachgerecht zu verteilen. Hier aber liegt vieles im argen. Hier 'fehlt es, von der Unzulänglichkeit der noch zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel abgesehen, an jeder umfassenden und weitschauenden Regelung, ja selbst an einer Erfassung der Tatbestände. Wo ist denn die Darstellung der Regierung über die Gesamtsituation, wo eine Übersicht zu den Knappheitslagen an den Teilmärkten? Statt dessen werden nach wie vor Slogans verbreitet. „Es gibt keine echte Wohnungsnot mehr„ lautet einer; „es wird weitergebaut" ein anderer. Aus der selbstzufriedenen Betrachtung der Lage wird der Schluß gezogen, es gelte nur noch wenige Engpässe zu überwinden.
Die knapper gewordenen Mittel, so meint man, müßten und könnten nun noch stärker als bisher der Förderung von Eigentumsmaßnahmen zugeführt werden. Das ist doch eine der tragenden Tendenzen des Entwurfs für das Wohnungsbau-Änderungsgesetz 1965, eine der Tendenzen, zu der selbst der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grundbesitzer seine warnende Stimme 'in diesem Zusammenhang erhebt. Er weist in seiner Stellungnahme vom 4. Februar mit Recht darauf hin, daß der durch die gesetzliche Festlegung 'der Förderungsrangfolgen, wie sie in der Neufassung des § 26 vorgesehen ist, eine weitere Vernachlässigung des Mietwohnungsbaues droht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf - mit Erlaubnis des Präsidenten -einige Sätze aus der Eingabe verlesen.
({4})
- Verzeihen Sie: ich habe zitiert, was der Zentralverband 'der Deutschen Haus- und Grundeigentümer gesagt hat.
({5})
- Da heißt es: „wird der Mietwohnungsbau noch mehr als bisher vernachlässigt". Das war ein Zitat. Ich darf weiter zitieren, was 'hier im einzelnen angeführt wird:
Bei aller Anerkennung der sozial- und gesellschaftspolitischen Erkenntnis, daß das Eigentum 'an Haus und 'Boden die beste Eigentumsform ist, 'das „Volk von Eigentümern" mithin zu Recht von der Bundesregierung angestrebt wird, darf die Erfahrungstatsache nicht außer acht gelassen werden, daß es aus vielfältigen Gründen, wie schon immer, so auch heute und sicherlich auch in der weiteren Zukunft eine große Anzahl von Personen bzw. Familien gibt und geben wird, die das eigene Haus als Wohnung gar nicht anstreben können oder wollen und die daher auf Mietwohnungen, vor allem in der Form der mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialwohnung, angewiesen sind. Andererseits erscheint der Bau eines Gebäudes mit mehreren Mietwohnungen nicht nur von der Zweckwidmung her, sondern auch als Eigentumsmaßnahme, die vielfach dazu bestimmt ist, für das Alter des Bauherrn Vorsorge zu treffen, ebenso förderungswürdig wie die Errichtung oder der Erwerb eines Eigenheims.
Soweit die Eingabe des Zentralverbandes der Deutschen Haus- und Grundbesitzer.
Wenn die Opposition vor einer solchen Gefahr warnt, wie sie hier ausgesprochen wird, dann wird sie sofort verdächtigt, hinter einem solchen Einwand stehe die Absicht, eine breite 'Eigentumsstreuung zu bremsen. Neuerdings wird sogar versucht, den Kollegen Georg Leber, unseren Bundestagskollegen, in dieser Sache gegen uns auszuspielen. Dabei brauchte man nur einige der wohnungspolitischen Reden zu lesen, die er bei den verschiedensten Gelegenheiten gehalten hat. Dann wird deutlich, daß es in der sozialdemokratischen Opposition keine Meinungsverschiedenheiten in den Fragen der Wohnungspolitik gibt.
In seiner schriftlichen Stellungnahme zur ersten Lesung des Wohnungsänderungsgesetzes hat der Herr Kollege Dr. Czaja gemeint, der Satz „So viele Eigenheime wie möglich" bedürfe der Präzisierung des Ausdrucks „so viele wie möglich". Vielleicht
Jacobi ({6})
fragt Herr Dr. Czaja einmal die seiner Partei angehörenden Länderaufbauminister, so die in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen, was s i e darunter verstehen. Sie bedienen sich dieses Leitsatzes seit mehreren Jahren, 'und sie tun das, weil ihnen die Wohnungsmarktlage verbietet, die Förderung nach starren Regeln vorzunehmen, weil nicht Theoreme, sondern die praktischen Notwendigkeiten, weil allein der Bedarf entscheidend ist. Dieser Bedarf ist recht unterschiedlicher Natur, er ist außerordentlich differenziert. Um ihn zu decken, dazu reichen nirgendwo die öffentlichen Mittel aus.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja?
Bitte sehr!
Herr Kollege Jacobi, sind Sie dann der Meinung, daß in Zukunft vorrangig die 125 000 unerledigten Familienheimanträge gefördert werden müssen?
Herr Kollege Czaja, ich bin der Meinung, daß überall dort, wo Bedarf besteht und wo sich die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Förderung ergibt, dem Rechnung zu tragen ist. Darum treten wir ja im Gegensatz zu Ihnen für stärkere Bewilligungen öffentlicher Mittel ein.
Ich will Ihnen zu der Problematik, die Sie gerade ) ansprechen, etwas sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte sich die Diskussion um diese Frage nicht ganz so einfach machen und nicht so tun, als ob nur die Opposition, und dazu noch unberechtigt, Kritik an gewissen Zielsetzungen der regierungsamtlichen Wohnungspolitik übte. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, daß ich in diesem Zusammenhang einige Sätze zitiere, die sich in einem Erlaß eines Regierungspräsidiums hierzu finden. Diese Unterlage hat mir ein Kollege vor einigen Tagen gegeben, mit dem Brief eines Bürgermeisters aus einem bayerischen Dorf, in dem dieser bewegt darüber klagt, daß viele Anträge auf Familienheime, die geprüft worden sind, nicht zum Zuge kommen, weil sich die Regierung außerstande sieht, die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. In dem Erlaß, der vielen Bewerbern für Eigenheime zugegangen ist und der ein noch relativ junges Datum trägt - er stammt aus dem Spätherbst des vergangenen Jahres -, heißt es:
Die der Regierung zum diesjährigen Ordnungstermin vorgelegten Darlehensanträge waren so zahlreich, daß mit den verfügbaren Mitteln kaum die Hälfte hiervon berücksichtigt werden konnte. Um eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende gerechte Verteilung der Mittel zu gewährleisten, mußten die vorhandenen Anträge sowohl auf die Anzahl ihrer Vorränge gemäß Ziff. 4 der Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1963 als auch auf alle übrigen Dringlichkeitsmerkmale überprüft und in der sich auf Grund dieser Überprüfung ergebenden Reihenfolge bearbeitet und gefördert werden.
Auch unter den noch unerledigten Darlehensanträgen befindet sich eine sehr große Anzahl dringender Fälle, deren bevorzugte Förderung durchaus gerechtfertigt wäre, mangels Mittel jedoch nicht erfolgen kann. Da der Regierung Darlehensmittel in größerem Umfange heuer kaum mehr zugewiesen werden, ist leider damit zu rechnen, daß eine Förderung Ihres Vorhabens in diesem Jahre vermutlich nicht mehr erfolgen kann.
Die Regierung ist vorerst auch nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen, ob und welche Aussichten für eine Förderung Ihres geplanten Eigenheimes im nächsten Jahr bestehen.
Eine genaue Überprüfung Ihres Antrages in bautechnischer und finanzierungsmäßiger Hinsicht erfolgt noch. Sie erhalten hierüber von Ihrer zuständigen Kreisverwaltungsbehörde gesonderten Bescheid.
Nachdem für das Baujahr 1965 eine verbindliche Förderungszusage nicht gegeben werden kann, wird Ihnen zur Vermeidung weiterer Unkosten, die Ihnen durch einen Aufschub des Baubeginns auf unbestimmte Zeit entstehen können, empfohlen, nochmals zu prüfen, ob Sie Ihre Baumaßnahme ggfs. ohne Inanspruchnahme öffentlicher Baudarlehen finanzieren können.
So etwas schreibt ein Regierungspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
Es sitzt in Landshut und fühlt sich zu diesem Schreiben verpflichtet, weil ihm einfach für die Bewilligungsbehörden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wenn Sie mich fragen, ob wir in diesen Dingen nicht der Meinung sind, daß man für den Familienheimbau mehr tun kann, dann sage ich Ihnen: jawohl, wir sind dieser Meinung. Aber das bedeutet auch, daß Sie mit uns den Mut haben müssen, höhere Beträge zur Verfügung zu stellen, damit sich nicht auf Kosten des einen oder anderen Bedarfs die Dinge weiterentwickeln.
({1})
Dieser Fall aus Bayern ist die rauhe Wirklichkeit. Ihr entsprechen die selbstzufriedenen Darstellungen, die man manchmal über die Lage auf dem Wohnungsmarkt liest, keineswegs. Nach wie vor bleibt zu beklagen, daß die wirkliche Lage auf dem Wohnungsmarkt kein Gegenstand objektiver offizieller Darstellungen ist.
Die regierungsamtliche These, es gebe keine wirkliche Wohnungsnot mehr, hält einer sorgfältigen und umfassenden Prüfung nicht stand. Mit derartigen globalen Aussagen macht man es sich allzu einfach. Sie sind ebenso wie der tröstende Hinweis, daß weiter gebaut werde, keinerlei Ersatz für das Fehlen einer geschlossenen wohnungspolitischen Konzeption zur öffentlichen Verantwortung für das Wohnungswesen.
Ich habe soeben auf einige kritische Punkte der gegenwärtigen Wohnungspolitik hingewiesen und
Jacobi ({2})
dasselbe ausführlicher vor zehn Tagen aus Anlaß der Einbringung des Regierungsentwurfs zum Wohnungsbauänderungsgesetz 1965 getan. Ich darf mich auf diese Ausführungen, die Sie im Protokoll der 163. Bundestagssitzung als Anlage 8 auf den Seiten 8050 ff. finden, beziehen. Die Stichwörter „Problematik der Wohnungsdefizitstatistik", „Baulandpreise", „Baulandangebot", „Finanzierungsengpässe", „ungenügende Berücksichtigung der Notwendigkeiten einer bedarfsgerechten Produktion" machen deutlich, worin die Sorgen der sozialdemokratischen Opposition bestehen.
Hinzu kommt die unbestreitbare Not vieler gekündigter Mieter auf einem leider immer noch weitgehend unterversorgten Wohnungsmarkt. Was sich hier an Gerichtsentscheidungen anbietet, verstärkt die Befürchtungen, die wir bereits bei den Beratungen des neuen Mietrechts zum Ausdruck gebracht haben. Da läßt sich heute schon in einer Überschau feststellen, daß im großen und ganzen Alter, Krankheit, Invalidität und Kinderreichtum nicht als ausreichende Widerspruchsgründe nach § 556 a BGB angesehen werden. Da läßt sich feststellen, daß nach dem Urteil vieler Gerichte die Schwierigkeit der Beschaffung von Ersatzwohnraum kein besonderer Umstand im Sinne des § 556 a ist, sondern heutzutage noch als eine typische Erscheinung am Wohnungsmarkt angesehen wird und dementsprechend keine Beachtung bei den Gerichten findet. Hierbei kann man den Gerichten noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Die Gerichte haben sich bemüht, den Willen des Gesetzgebers zu erkunden, und haben festgestellt, daß der Gesetzgeber nun einmal hat erkennen lassen, daß er die Stellung des Vermieters stärken und seinen Belangen den Vorrang vor denen des Mieters sichern wollte.
Wir werden, wenn wir in einigen Monaten, vielleicht in einem Jahr, sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln, wahrscheinlich gezwungen sein, noch einmal sehr ernsthaft zu überprüfen, ob die Bestimmungen, die seinerzeit von der Mehrheit dieses Hauses verabschiedet wurden, denn wirklich verdienen, als soziales Mietrecht bezeichnet zu werden. Wir sollten es uns nicht allzu leicht machen, dies zu bejahen, wie es von Ihnen immer wieder geschieht.
In den letzten Tagen mehren sich Mitteilungen, daß schon die Pressehinweise auf die neuen Wohngeldbestimmungen zu weiteren Kündigungen, und zwar offenbar mit dem Ziel von ,Mieterhöhungen, geführt haben. Hier tun sich neue Gefahren auf.
({3}) Wir werden sie sorgfältig zu beobachten haben.
({4})
Wir haben bei der Beratung des Wohngeldgesetzes darauf hingewiesen, daß daran gedacht 'werden muß, daß es sicherlich auch hier Leute gibt, die nicht im Sinne des Gesetzgebers handeln, sondern eine Chance sehen, 2u höheren Mieten zu kommen.
Eines steht fest, meine Damen und Herren: das rosige Bild, das in vielen Darstellungen des Bundeswohnungsbauministerium s über die Lage auf dem
Wohnungsmarkt, über den ausreichenden Schutz aller Bevölkerungskreise vor Willkür, Unrecht und Not immer wieder gezeichnet wird, entbehrt der Kennzeichnung auch der Schattenseiten, die es immer noch gibt.
({5})
Es ist nicht die Freude an der Kritik, die uns das feststellen läßt. Es ist die ernste Sorge um die noch bestehenden Not- und Mangelzustände, die uns hierbei bewegt und die von der Bundesregierung offenkundig nicht genügend ernst genommen wird.
Dem Etat des Ministeriums zuzustimmen sehen wir uns deshalb außerstande. Wir enthalten uns der Stimme.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Jacobi hat für die Opposition heute wie alljährlich seine Meinung dargetan. Herr Kollege Jacobi, ich muß eines sagen: statt überzeugende Argumente, statt Alternativen gegenüber der Wohnungspolitik der Bundesregierung vorzutragen, haben Sie genauso wie Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Erler in der Eröffnungsrede im Grunde nichts anderes getan, als hier eine „kleinkarierte" Nörgelei an diesen Wohnungsbauleistungen vorzubringen.
({0})
- Wenn Sie keine andere Antwort haben, Herr Dr. Schäfer, ist das sehr traurig. Denn das, was geschehen ist, was geleistet wurde, kann sich sehen lassen. Und all das wird von Ihnen entweder als 'selbstverständlich hingestellt oder, wenn Sie das nicht mehr können, bestenfalls als ,ein Wahlgeschenk bezeichnet, um es damit in irgendeiner Form abzuwerten. Gleichzeitig werden alle großartigen Leistungen, die vollbracht wurden, völlig ignoriert. Darüber wird überhaupt nicht gesprochen. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Kolege Jacobi: statt hier immer wieder und ständig nur über Wohnungsfehlbestand und Defizit zu reden, ist es viel vernünftiger, das zu tun, was die Regierung getan hat, nämlich weiterzubauen, neue Wohnungen zu bauen, damit dieser Fehlbestand so bald wie möglich beseitigt wird.
({1})
Sie haben wie alle Jahre auch zur Frage der Öffentlichkeitsarbeit Stellung genommen. Wir haben im Haushaltsauschuß den Tit. 310 von 150 000 auf 300 000 DM erhöht. Jawohl, dazu stehen wir. Warum haben wir das gemacht? Einmal deshalb, weil die letzten Monate gezeigt haben, wie groß trotz der bisherigen Aufklärungsmaßnahmen draußen in der Bevölkerung die Unkenntnis über das Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über
Baier ({2})
ein soziales Miet- und Wohnrecht, ist, und außerdem deshalb, weil von Ihren Hilfstruppen, meine Damen und Herren, :in der Zeitschrift „Metall" und im Organ des Mieterbundes in der Bevölkerung, statt daß die Bevölkerung aufgeklärt wird, weiterhin Angst und Unsicherheit geschürt worden sind. Deshalb ist es notwendig, die Bevölkerung über die tatsächlichen Rechte, die der Mieter in der Bundesrepublik hat, aufzuklären.
({3})
Aus diesem Grunde haben wir diese Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit erhöht. Sie dienen nicht der Parteipropaganda, sondern dem Schutz und der sozialen Sicherheit unserer Bevölkerung.
({4})
- Sehen Sie sich die Zeitungen an, Herr Kollege Heiland, die Ihre Hilfstruppen herausgeben, IG Metall, die noch im Januar geschrieben haben: „Bonn drosselt den Sozialen Wohnungsbau", „Geldmittel gekürzt". Das war zu einem Zeitpunkt, wo bereits der Initiativantrag der CDU auf die Erhöhung der Mittel für den Sozialen Wohnungsbau und das Beseitigen der Degression - -({5})
- Entschuldigen Sie, Stopp der Degression ist in Wirklichkeit, wenn Sie es sehen wollen, eine Erhöhung.
({6})
Die IG Metall hat zu einem Zeitpunkt, wo jeder, der es lesen konnte und wissen wollte, längst wußte, daß das von der Regierungskoalition beantragt ist, noch in dieser Zeitung geschrieben, nur um billige Argumente zu haben, daß die Geldmittel gekürzt werden. Das gleiche haben Sie in der Zeitung „Neue Heimat", die von der „Kehrtwendung der Bundesregierung" spricht, oder in Veröffentlichungen Ihrer Partei erklärt, der Lücke-Plan sei gescheitert. All das ist unglaubwürdige Propaganda, die draußen versucht, mit der Not, die da und dort vorhanden sein mag, - ({7})
- Natürlich, wer wird das bestreiten, meine Damen und Herren, daß es Fälle der Wohnungsnot gibt. Aber damit soll man keine Geschäfte machen. Das ist das Gefährliche, und das ist das, was verwerflich ist.
({8})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? - Herr Abgeordneter Jacobi!
Würden Sie die Freundlichkeit haben, sich doch noch einmal Gedanken darüber zu machen, ob nicht einfach die sachliche Schilderung der Tatbestände notwendig ist? Sehen Sie sich doch einmal meine Ausführungen unter diesem Gesichtspunkt an, um sich selbst noch einmal zu prüfen, ob die Schilderung der Wahrheit eine Geschäftemacherei ist!
({0})
Herr Kollege Jacobi, Sie haben nicht eine einzige von den vielen positiven Leistungen des Wohnungsbaus jetzt oder in der Vergangenheit anerkannt. Vielmehr hat sich durch Ihre Ausführungen wie ein roter Faden nur Kritik und, was ich sagte, Nörgelei hindurchgezogen, und dagegen wende ich mich, indem ich sage, daß Sie, wenn Sie kritisieren, eine Alternative entgegenstellen, aber nicht in der Form kritisieren sollten, wie es von Ihnen ständig geschieht und auch heute geschehen ist.
Ein weiteres Beispiel! 'Sie haben zu der Stellungnahme der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft gesprochen und haben den Pressechef des Bundeswohnungsbauministeriums kritisiert. Ich gebe Ihnen recht: Wir müssen dankbar sein für jede Stellungnahme, die zu den Gesetzgebungsvorhaben aus der Offentlichkeit vorgebracht wird. Völlig richtig! Wir müssen nachher aus diesen Stellungnahmen unsere Meinung bilden. Ich gebe Ihnen auch darin recht, daß wir diese Stellungnahmen, auch wenn sie unsere Entwürfe kritisieren, ertragen müssen. Aber, Herr Kollege Jacobi, Sie haben nicht alles gesagt. Sie haben zwar das eine hier sehr heftig kritisiert, was der Pressechef Dr. Lunke angeblich gesagt hat - wogegen er sich verwahrt hat -, Sie haben aber nicht den Hauptteil hervorgehoben, wo er von der Verpflichtung spricht, die die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in der Verantwortung für den kleinen Mann, für den Menschen draußen im Lande hat. Auch das hat der Pressesprecher des Wohnungsbauministeriums hervorgehoben und betont, und ich glaube, das können auch wir nur nachhaltig unterstreichen.
({0})
Sie haben sich weiterhin, meine verehrten Damen und Herren, heute wieder anhören müssen, daß Sich der Bund angeblich immer mehr aus der Wohnungsbauförderung herausziehe, daß nichts oder nicht viel geschehen werde. Das ist nichts anderes als eine Legendenbildung, die hier im Hause, die draußen im Lande und die leider Gottes auch 'in den Ländern da und dort immer weiter verbreitet wird, als werde der Bund bald nichts mehr für den Wohnungsbau tun. Tatsache ist vielmehr, daß im Etat 1965 an Kassenmitteln 1170 Millionen DM veranschlagt sind und daß dieser Betrag um 215 850 000 DM über dem Ansatz des Vorjahres liegt.
Wenn Sie den Gesamtaufwand der Wohnungsbauförderung des Bundes in der infolge von Bindungsermächtigungen etwas komplizierten Etatisierung einmal betrachten, dann stellen Sie fest, daß für vielerlei Maßnahmen neben dem öffentlich geförderten Wohnungsbau und neben dem Flüchtlingswohnungsbau Geld ausgegeben wird: für den WohBaier ({1})
nungsbau in den Demonstrativbauvorhaben, für das Lagerräumungsprogramm, für die Aktion „Junge Familie", 'für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, für Baulandbeschaffungsaktionen,
({2})
für Wohnungsbauprämien, für Wohnbeihilfen, für die Wohnungsfürsorge des Bundes, für den Wohnungsbau für Schlüsselkräfte im Zonenrandgebiet und für Studenten- und Schwesternwohnungen. Alles dn allem werden seitens des Bundes im Haushaltsjahr 1965 2,4 Milliarden DM an zinsgünstigen Geldern für den Wohnungsbau mobilisiert. Wenn Sie die Wohnungsbauförderungsmittel für Bundesbedienstete - einschließlich Bundesbahn und Bundespost - einbeziehen, ist es alles in ,allem ein Betrag von 3,5 Milliarden DM, der seitens des Bundes dem Wohnungsbau der Bundesrepublik zinsgünstig zugeführt wird. Hier wird niemand allen Ernstes behaupten können, der Bund tue nicht, was er tun solle, oder der Bund ziehe sich aus der Wohnungsbauförderung zurück.
({3})
Sehr interessant, Herr Kollege Jakobi, waren Ihre Ausführungen über den Familienheimbau. Bei Ihren Äußerungen, bei denen Sie Zitate brachten, haben Sie uns leider verschwiegen, ob Sie nun für einen verstärkten Eigenheimbau sind oder ob Sie nicht dafür sind. Das war daraus nicht zu entnehmen. Sie haben sich genauso gewunden und gedreht, wie es bei Ihnen üblich ist. Auf einem Kommunalkongreß der SPD wird ein Professor gebracht, der vom „Eigenheimdogma der Regierungsparteien" spricht. Auf der anderen Seite kommt Ihr Kollege Leber, den Sie selbst zitieren, und spricht von einer verstärkten Förderung der Eigentumsbildung, die auf allen Gebieten Platz greifen müsse. Sie sagen einmal „Ja", Sie sagen einmal „Nein". Im Grunde ist es ein „Dein", das Sie zu der entscheidenden Frage, ob Sie für eine verstärkte Eigentumsbildung sind oder nicht, zum Ausdruck bringen.
Sie übersehen völlig - ich glaube, ich habe Sie dabei richtig verstanden -, daß 75 v. H. der Wohnungsbauförderungsmittel für Mietwohnungen ausgegeben wurden. Sie übersehen völlig, daß wir auf Grund einer Kleinen Anfrage über den Familienheimbau und über die Eigentumsmaßnahmen im Wohnungsbau, die Abgeordnete der CDU in diesem Jahr eingebracht haben, die Antwort von der Regierung erhielten, daß wir einen Rückstand von 125 203 unerledigten Anträgen zur Förderung von Familienheimen beklagen müssen. Das ist bedauerlich. Das möchte ich auch hier feststellen. Ich kann nur hoffen und wünschen, daß seitens der Länder eine bessere Gewichtung bei der Verteilung der Wohnungsbauförderungsmittel an die Kontingentsträger eintritt. Ich kann gleichzeitig auch nur hoffen und wünschen, daß, wie es das Zweite Wohnungsbauförderungsgesetz verlangt, für den Familienheimbau höhere Förderungssätze oder wenigstens gleich hohe Förderungssätze wie für den Mietwohnungsbau gegeben werden. Praktisch haben wir im Familienheimbau durch die Maßnahmen der Länder - denn die müssen den Wohnungsbau mit uns gemeinsam tragen - einen Nachholbedarf. Aus diesen Gründen wird mit dem Wohnungsbauänderungsgesetz doch auch eine verstärkte Eigentumsbildung für die Zukunft angestrebt, und zu dieser Frage, meine Damen und Herren von der Opposition, möchten wir gern Ihre Meinung hören. Wir möchten wissen, ob auch Sie dafür sind, daß eine verstärkte Eigentumsbildung durch den Wohnungsbau erfolgt, oder ob es nicht so sein soll. Sie können nicht heute ja und morgen wieder nein sagen. - Bitte, Frau Kollegin.
Herr Kollege Baier, haben Sie denn nicht die Nachrichten aus Nordrhein-Westfalen gelesen? Haben Sie nicht gehört, daß dort der Landeswohnungsbauminister der Bundesregierung gerade bescheinigt hat, daß er sich nicht nach ihren Zielen richten könne, sondern dem Wohnungsbau für Mietwohnungen im kommenden Jahr den Vorrang geben müsse?
({0})
Das habe ich nicht gehört. Ich kann nur sagen: nach meinen Informationen hat Nordrhein-Westfalen eine vorbildliche Wohnungsbaupolitik, auch in bezug auf Förderung von Familien- und Eigenheimen.
({0})
Ich möchte zu diesem Thema „Wohnungsbauförderung" noch etwas hinzufügen, auch an Ihre Adresse, Herr Minister. Ich möchte Sie bitten, für eine bessere Förderung 'der Anträge auf Familienheim'bau 'zu sorgen. Der Wohnungsbau sollte von dem Zuviel an Bürokratie, das ihn heute belastet, wieder etwas befreit ,werden. Die Kompliziertheit, die Unübersichtlichkeit unid die Schwierigkeiten, die sich im Genehmigungs- unid Finanzierungsverfahren draußen ergeben, sind in der Tat sehr groß. Wir möchten Sie deshalb 'bitten, mit dafür ,Sorge zu tragen, daß die Bauwilligen durch diese Last nicht einfach überdrüssig werden, sondern daß in 'dem Gestrüpp der Verordnungen unid Erlasse endlich einmal eine Flurbereinigung Platz greift und die Genehmigunigs- und Finanzierungsverfahren leichter geharidhabt iwerden.
Alles in allem ist zum Etat des Wohnungsbauministeriums festzustellen, daß allein die letzten Wochen und auch die letzte Debatte, Herr Kollege Jacobi, gezeigt haben, daß die Politik der Bundesregierung, die Politik des Bundeswohnungsbauministers nach wie vor bedeutsame Erfolge aufzuweisen hat. Gerade in der letzten Diskussion vor 10 Tagen sind durch die Verabschiedung des Raumordnungsgesetzes ,die Weichen für die Zukunft erneut gestellt warden. Es ist eine große Leistung, daß es nun nach all den Schwierigkeiten seit 1955 'gelungen ist, das Raumordnungsgesetz zu verabschieden. Ebenso sind wir sehr froh darüber, daß es uns gemeinsam ge8382
Baier ({1})
Lungen ist, das Wohngeldgesetz in einer verbesserten Form zu verabschieden. Ferner freuen wir uns, daß wir in diesem Bundestag noch die Möglichkeit haben, Idas Gesetz zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau 211 behandeln. Wir sind sehr gespannt, welche Stellung Sie zu den einzelnen Paragraphen dort einnehmen werden.
Ihrer Negativbilanz des Wohnungsbaues möchten wir eine echte Erfolgsbilanz gegenüberstellen, und das können wir mit gutem Recht tun; denn die Wohnungsbauleistung der Bundesrepublik liegt an der Spitze in Europa und mit an der Spitze in der Welt. Es ist ein Erfolg auch dieses Wohnungsbauministers, daß wir diese großartige Leistung in Deutschland vollbracht haben. Sie übersehen völlig, daß wir 'bis Ende 1964 8,3 Millionen Wohnungen gebaut haben
({2})
- wir, die Bundesrepublik unter dem Wohnugsbauminister Paul Lücke -, daß 25 Millionen Menschen in Wohnungen untergebracht worden sind, daß 4,3 Millionen Sozialwohnungen und 2,3 Millionen Eigenheime erstellt worden sind. Aber nicht nur das, meine Damen und Herren, sondern diese Wohnungen sind auch von Jahr zu Jahr größer geworden, man hat sie von Jahr zu Jahr besser ausgestattet. Die Hälfte der Wohnungen hat heute bereits eine Zentralheizung. Die durchschnittliche Wohnfläche betrug im Jahre 1964 80 qm.
Aber auch die Gesetzgebung auf dem Wohnungsbausektor war in dieser Legislaturperiode alles in allem erfolgreich. Wir haben die Abschlußgesetzgebung zum Sozialen Miet- und Wohnrecht, das Raumordnungsgesetz, das Wohngeldgesetz bekommen; der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen in Stadt und Land wird noch in diesem Bundestag eingebracht werden. Was wollen Sie noch mehr, meine Damen und Herren?
({3})
- Das, was in der Bundesrepublik geschehen ist, Herr Kollege Heiland,
({4})
und was auch in Marl sicherlich durch einen guten Bürgermeister, aber auch dank der guten Wohnungsbaupolitik des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen zustande gekommen ist, kann sich sehen lassen und ist besser als das in all den sozialistischen Staaten, die Sie uns in diesen Monaten als ein Modell vorführen.
({5})
Was wollen Sie mehr? Sie haben uns schon vor Jahren das Totengeläute des sozialen Wohnungsbaues prophezeit; Sie haben uns zwei Jahre lang etwas von Massenkündigungen erzählt; Sie haben uns erzählt, daß der Lücke-Plan scheitern würde. All das ist nicht eingetreten.
Herr Kollege Jacobi, lassen Sie mich zum Schluß folgendes feststellen. Sie haben in einem Interview mit der „Welt der Arbeit" am 19. Februar erklärt:
Es mag der falsche Eindruck entstanden sein, als sei die SPD heute nicht mehr so entschieden gegen Lückes Pläne. Aber das ist grundfalsch.
Ich möchte daraus schließen, Sie und die Opposition waren gestern und heute gegen die Pläne dieses Wohnungsbauministers Paul Lücke; trotzdem haben wir diese erfolgreiche Bilanz auf dem Wohnungsbausektor zu verzeichnen, und ich möchte für meine Fraktion erklären: Wir in der CDU/CSU werden diesen Wohnungsbauminister Paul Lücke bei der weiteren Arbeit zum Wohle unseres Volkes auch künftighin erfolgreich unterstützen.
({6})
Das Wort hat Frau Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir halben eben einerseits ein sehr schwarzes Bild über die Situation auf dem Wohnungsmarkt gezeichnet 'bekommen und dann einige Richtigstellungen von dem Vertreter und Sprecher der CDU/CSU dazu gehört. Wir müssen von der simplen Tatsache ausgehen, daß wir in Deutschland heute mehr Wohnungen als vor dem Kriege haben. Das ist immerhin ein Tatbestand, den wir uns kaum hätten träumen lassen.
({0})
Wenn noch Mängel auftreten, so kommen sie daher, daß heute dank der Wirtschaftspolitik, die die Bundesregierung betrieben hat, größere Ansprüche sowohl in bezug auf die Größe wie in bezug auf die Zahl der Wohnungen gestellt werden. Sie sind berechtigt, denn die Ansprüche sollen ja höher werden. Immerhin dürfen wir nicht so schwarz sehen, wie es Herr Jacobi getan hat. Zweifellos gibt es - besonders in den Ballungsgebieten - noch Engpässe, die schwer sind und die wirklich auch „schwarz" sind. Es mag auch in einigen weißen Kreisen noch Schwierigkeiten geben, die auf Grund der bisherigen Zählungen nicht festgestellt wurden. Der Herr Minister hat vor einiger Zeit in Aussicht gestellt, daß er uns demnächst eine Statistik über die durchgeführten Räumungsklagen vorlegen würde und daß er ferner in Stichproben in einzelnen Städten, in denen die Situation schwierig ist, nochmals eine Erhebung über den tatsächlichen Fehlbestand an Wohnungen anstellen lassen würde. Das wird objektive Unterlagen geben. Dann kann man da vielleicht mit Sondermaßnahmen eingreifen, die im Rahmen der jetzt vorliegenden Gesetze noch nicht gegeben sind. Das alles ist aber kein Grund, hier nun in tiefstem Pessimismus zu machen, sondern es ist höchstens ein Grund, ganz sachlich festzustellen: hier muß noch dies und hier muß noch das geschehen. Das werden wir demnächst gemeinsam machen.
Dann ist hier nochmals die Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes angesprochen worden. Zweifellos werden durch dieses Gesetz die Weichen für den Wohnungsbau der nächsten Jahre gestellt. Es bedarf hier sorgfältiger Prüfungen, damit keine Fehlschlüsse vorkommen. In dem Gesetz sind verFrau Dr. Kiep-Altenloh
schiedene Paragraphen, die auch meinen Freunden zu denken geben. So können beispielsweise die Preise, die beim Verkauf von Eigenheimen zugrunde gelegt werden, leicht dazu führen, daß der Bau von Eigenheimen und Stockwerkswohnungen, die wir ja fördern wollen, unterbunden wird. Man muß also sehr sorgfältig prüfen, ob die jetzt vorgesehenen Maßnahmen geeignet sind.
Für recht bedenklich halten wir es auch, daß auf Antrag von 50 % der Mieter in Miethäusern die Wohnungen verkauft werden müssen und die Mieter daran Eigentum erwerben können. Ich stelle mir einmal den Streit auf dem Flur in großen Miethäusern vor; das werden wir 'bei dieser Regelung in schönster Ausführung erleben können. Man sollte hier sehr vorsichtig sein und lieber Häuser mit Eigentumswohnungen und daneben Häuser mit Mietwohnungen bauen.
Ich stimme auch mit ,der Auffassung überein - ich komme aus einer Großstadt und kenne besonders deren Verhältnisse -, daß wir ohne eine starke Berücksichtigung des Mietwohnungsbaues mit unserem Wohnungsbauproblem nicht fertig werden. Bei unserer stark fluktuierenden Bevölkerung kann sich nur ein Teil in ein Eigenheim setzen. Sicherlich ist ein Stockwerkseigentum oder .ein Eigenheim sehr zu begrüßen. Wir halten es für richtig, daß nach der Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz das Stockwerkseigentum fast gleichberechtigt neben dem Heimeigentum steht.
Eine Grundlage für die Entwicklung des Wohnungsbaus sind die Grundstücke. Wir zerbrechen uns dauernd den Kopf, wie wir die Preissteigerungen auf dem Grundstücksmarkt eindämmen können. Ich glaube, wir können es nur, wenn wir neben dem Eigenheim auch das Stockwerkseigentum stark fördern und - ich muß es hier unterstreichen - den Mietwohnungsbau nicht vernachlässigen. So schön der Traum von dem Heim auf eigener Scholle ist, es entspricht doch nicht unbedingt den Gegebenheiten, die wir heute nunseren Großstädten haben.
({1})
Gerade wegen des Baulandes haben wir uns sehr viel den Kopf zerbrochen. Wir begrüßen es daher ganz außerordentlich, daß der jetzige Haushaltsplan eine nicht unbeträchtliche Steigerung der Mittel bringt, die zum Ankauf von Bauland bereitgestellt werden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wir können Gesetze machen, wie wir wollen, letztlich regeln hier Angebot und Nachfrage den Preis. Wenn wir mit unseren Wohnungen in unendliche Räume um die Städte gehen, dann werden die Preise steigen. Es ist also zu begrüßen, daß wir hier eine gewisse Steigerung der Mittel für die Erschließung von Bauland haben.
Ein zweiter Punkt, der ebenfalls in unserem Sinne ist! Ich meine die Erhöhung der Mittel um ungefähr 6 Millionen DM für die Renovierung der Altwohnungshäuser. Ich denke hier noch gar nicht mal so sehr an die Besitzer dieser Häuser; ich denke vielmehr an die wertvolle - ich möchte sagen - nationale Substanz, die in diesen Altwohnungen steckt. Wir dürfen nicht auf den Weg kommen, den z. B. Frankreich jahrelang gegangen ist. Dort ist unter dem Zwang einer zu geringen Miete die wertvolle Substanz der Altwohnungen verfallen. Das ist ein nationales Unglück, nicht nur ein Unglück für den Wohnungsbesitzer, wenn das geschieht.
Herr Jacobi hat vorhin ein Beispiel gebracht, über das ich mich wirklich gewundert habe. Sie haben sich immer gegen die Kappungsvorschriften bei den Wohnbeihilfen gewandt, die auf den Beschlüssen der Regierungsmehrheit beruhen. Wir haben diese Kappungsvorschriften eingeführt, damit nicht von den Mietern Mieten verlangt werden, .die ins Ungemessene wachsen, - aus dem Gedanken: große Wohnbeihilfen ermöglichen große Mieten.
Sie erwähnten als Beispiel, daß auf Grund der neuen, verbesserten Wohnbeihilfengesetzgebung Kündigungen vorgekommen seien und die Mieten sich den gesteigerten Möglichkeien angepaßt hätten. Das ist ein Beispiel gegen Sie, gegen Ihre bisherige Stellungnahme. Ich betrachte Wohnbeihilfen als ein notwendiges Übel. Denn das Normale wäre, daß der Wohnungsmarkt sich so ausbalanciert, daß auch ein Mieter mit geringerem Einkommen eine Wohnung findet, die er bezahlen kann. Wir müssen auf diesen Weg kommen. Die Wohnbeihilfen können wir nicht entbehren. Sie beeinflussen den Wohnungsmarkt. Wir müssen sie haben. Es ist eine leider notwendige Maßnahme.
Ich möchte noch auf ein Gesetz eingehen, das erst demnächst kommt, nämlich das Gesetz über die Hinausschiebung des Abbaus der Wohnungszwangswirtschaft. Wir sollten auch hier die darin steckenden Möglichkeiten genauestens prüfen:
Ich will nicht auf Dinge eingehen, die schon schriftlich in den Protokollen über die Beratung der Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes enthalten sind; dort hat meine Fraktion das Nötige dazu geäußert. Ich will auch nicht auf die Abbaugesetze eingehen, die wir noch behandeln werden. Bei diesen Abbaugesetzen werden wir uns aber auch noch einige Gedanken über die möglichen Miethöhen machen müssen. Sie können wahrscheinlich so bleiben.
Vor allen Dingen müssen wir uns Gedanken machen, ob die Möglichkeiten für die Erhaltung der Sozialwohnungen für den Personenkreis, für den sie geschaffen sind; ausreichen. Ich sehe hier keine sehr großen Möglichkeiten, aber wir müssen doch vorsichtig sein, damit wir beim sozialen Wohnungsbau nicht in ein Faß ohne Boden schöpfen. Das ist der Fall, wenn Wohnungen immer wieder von anderen in Anspruch genommen werden, für die sie nicht bestimmt sind.
Ich darf noch auf eine Position eingehen, die nachher noch Frau Meermann ansprechen wird. Das sind die 7'/2 Millionen DM, die erstmalig für den Bau von Wohnungen für alte Leute im Haushalt stehen. Die Gründe für den vordringlichen Bau von Wohnungen sind verschieden. Im allgemeinen ist es heute noch so, daß die kinderreiche Familie am schlechtesten eine Wohnung findet. Im Zweiten Wohnungsbaugesetz haben wir einen Sonderparagraphen, der
diese Gruppe von Menschen aus den anderen zu berücksichtigenden Gruppen bevorzugt heraushebt. Was die Wohnungen für Alte, Alleinstehende, Mütter mit Kindern, Schwerbeschädigte usw. anlangt, so glaube ich, daß es richtig ist, die Entscheidung darüber weitgehend den Ländern und Gemeinden zu überlassen. Nach den neuesten Zahlen aus Hamburg ist es so, daß alte Ehepaare nicht schwerer eine Wohnung finden und bei ihnen keine besondere Wohnungsnot vorliegt, jedenfalls keine größere als bei den überhaupt noch vorhandenen Wohnungsuchenden. Das sind die neuesten Zahlen aus der Sozialbehörde Hamburgs. Dagegen ist der Mangel außerordentlich groß bei Alleinstehenden, und zwar hauptsächlich bei Frauen und Frauen mit Kindern, bei alten sowohl als auch bei jungen. Was die Schwierigkeiten macht, ist der Wohnungsmarkt für Alleinstehende, u. a. für diejenigen, die beruflich tätig sind und die immer noch auf dem Sofa im Wohnzimmer bei ihren Eltern schlafen müssen und abends nicht ins Bett gehen können, weil das Zimmer noch benötigt wird. Da ist zweifellos eine ganz, ganz große Lücke, die wir berücksichtigen müssen.
Die Sonderzuweisung von 71/2 Millionen DM begrüßen wir sehr. Besonders begrüße ich aber, daß diese Mittel außerhalb des Rahmens des normalen Wohnungsbaugesetzes auch für Heime und - da auch von Pflegepersonen die Rede ist - für Pflegeheime benutzt werden können. Das liegt sonst nicht im Rahmen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Wir durften die Heime bisher nicht aus diesen Mitteln finanzieren. Wenn das jetzt möglich ist, so ist das nur 'zu begrüßen. Noch größer als der Mangel an Wohnungen für alleinstehende Frauen - um die handelt es sich hauptsächlich - ist der Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten für pflegebedürftige alte Menschen. Wenn in dieser Hinsicht die Bestimmungen ausgeweitet werden können - aus der Vorlage scheint es mir hervorzugehen -, so wäre dais ganz besonders zu begrüßen.
Nun ist der Wunsch laut geworden, daß man die Bindung für das nächste Jahr, die ja ebenso wie für das übernächste Jahr auf 71/2 Millionen DM beziffert ist, verdoppeln sollte. Ja, meine Herren und Damen, wie gesagt; die Entwicklungen in den einzelnen Landesteilen sind sehr verschieden. Man sollte erst einmal den Erfolg absehen, den diese Bereitstellung von Mitteln für den Wohnungsbau für Alte - ich denke immer wieder an Heime - hat.
Sehr grundlegend und weitgreifend vermögen diese Bundesmittel nicht zu helfen. Ich habe ausgerechnet, daß beispielsweise auf die Stadt Koblenz eine halbe Alterswohnung entfallen wird. Ich gehe dabei von der Einwohnerzahl aus: Koblenz hat etwas über 100 000 Einwohner. 7,5 Millionen sind nicht entscheidend, aber ein Anreiz auch für die Länder, hier mehr zu tun.
Ich möchte nicht schließen, ohne auf eine Sache hingewiesen zu haben, die nach meiner Meinung in unserer deutschen Bevölkerung - ich denke an die sehr wohlhabende Bevölkerung, an Firmen - noch nicht genügend angekommen ist. Wenn wir in Hamburg jetzt das, ich glaube, sechste große Altersheim aus privaten Spenden erbauen, durch öffentliche
Mittel nur etwas aufgestockt, dann sind damit mehrere 100 Plätze ohne nennenswerte Belastung der öffentlichen Hand geschaffen worden.
Wenn ich das erzähle, wird mir immer geantwortet: „Davon haben wir noch nie etwas gehört. Das gibt es kaum." Ich sage das hier und hoffe, daß das Beispiel Nachahmung findet.
({2})
Denn ich habe wirklich den Eindruck, daß Leute, die offenbar über große Einnahmen verfügen, etwas tiefer in die Tasche greifen sollten, als sie es bisher tun. Das würde eine wesentliche Entlastung der öffentlichen Hand bedeuten, und es würde auch eine gewisse Genugtuung im Gesamtgefüge des deutschen Volkes sein, daß hier die einen den anderen einmal helfen.
({3})
Auf dieser Basis sollten wir versuchen, einige Schritte weiterzukommen. Ich glaube, das wäre wesentlich. Wir können uns auch noch eine kleine Erleichterung erhoffen, wenn die zu Anfang des Krieges gebauten Wohnungen, die für eine Familie im Grunde zu klein sind, nach und nach frei werden. Sie 'bieten für einen Einzelmenschen, besonders für einen alten Menschen eine willkommene Wohnung. Das ist eine Quelle, von der ich hoffe, daß sie auch noch fließen wird.
Im übrigen bejaht meine Fraktion die Lösung dieses Problems. Sie wird den Haushalt annehmen, aber den Antrag der SPD ablehnen; denn wir wollen erst einmal Erfahrungen sammeln, um zu wissen, wohin wir damit kommen.
({4})
Zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 563 *) hat Frau Abgeordnete Meermann das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gestatten ,Sie bitte, daß ich zunächst einen Satz wenigstens zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Baier sage. Herr Baier, Sie haben bemängelt, daß der Sprecher der Opposition die Leistungen ides Bundeswohnungsbauministers nicht gebührend gewürdigt habe. Darf ich Ihnen dazu sagen, Herr Baier, daß ich mich außerordentlich gefreut hätte, wenn in Ihrer Rede ein anerkennendes Wort über die Leistungen der Opposition beim Zustandekommen sehr wichtiger Wohnungsbaugesetze gefallen wäre?
({0})
Das haben Sie leider auch nichtgetan.
Ferner haben Sie versäumt, Herr Baier, bei allen Verdiensten, die Sie dem Wohnungsbauminister am Zustandekommen des Wohnungsbaus zusprechen, auch gebührend zu erwähnen, was Länder und Gemeinden im sozialen Wohnungsbau geleistet haben. Das haben Sie erst getan, ,als Sie das Beispiel Marl
*) Siehe Anlage 3
plötzlich plastisch vor Augen geführt bekamen. Generell haben Sie das überhaupt nicht erwähnt.
({1})
- Sehen Sie, ebenso finden 'wir, daß wir das, was selbstverständlich ist, hier nicht zu erwähnen brauchen; denn sonst müßten wir beim Wohnungsbau oft genug in Selbstelogen ausbrechen.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich möchte nun den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 563 begründen. Der im Haushalt in Tit. 550 vorgesehene 'Ansatz zur Förderung des Wohnungsbaues für alte Menschen ist unzureichend. Es geht hier nicht um ein Sondertöpfchen für einen 'bestimmten Personenkreis, sondern 'es geht darum, einen großen Teil unserer Mitbürger von einer ,drückenden .Sorge zu befreien.
Diesem Haus ist bekannt, daß die Wohnungssituation der alten Menschen 'schon vor dem Inkrafttreten der Abbaugesetze wesentlich schlechter war als die der übrigen Bevölkerung. Darüber haben wir in der Debatte zum Haushalt 1963 eingehende Zahlen vorgelegt. Ich kann deshalb darauf verzichten, sie heute 'zu wiederholen .Warum war sie so viel schlechter? Weil nach Krieg und Währungsreform viele alte Menschen 'wirtschaftlich nicht in der Lage waren, 'aus eigener Kraft ihre Wohnungsversorgung zu verbessern, und weil es im sozialen Wohnungsbau nie ein eigenes Programm für sie gegeben hat.
Die Situation der alten Menschen hat sich nach dem Wegfall von Kündigungsschutz und Mietpreisbindung noch erheblich verschlechtert. Zwar hat 'der Herr Wohnungsbauminister oft und lautstark verkündet: Keine Familie soll unter die Räder kommen. Die Wirklichkeitsieht aber etwas anders aus. Alte Ehepaare, alte alleinstehende Frauen und Männer sind die ersten Opfer der Aufhebung des Mieterschutzes und 'der Mietpreisbindung geworden. Jeder in diesem Hause, der Sprechstunden hält, weiß das, und auch jeder, der Idie in Mietprozessen ergangenen Urteile verfolgt, weiß 'das. Daraus geht hervor, daß unverhältnismäßig viele alte Menschen vor Gericht um ihre Wohnung kämpfen müssen.
Der zuständige Dezernent der Stadtverwaltung Duisburg hat vor einigen Tagen mitgeteilt, daß von den Kündigungen, die, seitdem Duisburg weiße Stadt geworden ist, bei der Verwaltung registriert wurden, fast 70 % alte Menschen betreffen. Darunter 'befinden sich Ehepaare von 80 Jahren und darüber, die länger als 50 Jahre in ihrer Wohnung gewohnt haben. Ähnliche Erfahrungen werden in anderen Städten 'gemacht.
Wenn sich aber unter den Mietern, die sich nach einer Kündigung an ihre Stadtverwaltung wenden, so unverhältnismäßig viele alte Menschen befinden, beweist das doch, daß diese keine Chancen haben, auf dem freien Wohnungsmarkt eine geeignete Wohnung zu finden. Sie erwarten von der öffentlichen Hand Hilfe 'in einer Notlage, in die sie ohne eigenes Verschulden geraten sind. Für diese Notlage, meine Herren und Damen, trägt die Bundesregierung eine entscheidende Verantwortung, weil bei Aufhebung von Mieterschutz und Mietpreisbindung kein ausreichendes Angebot an geeigneten Wohnungen zur Verfügung steht.
({2})
Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht. Was hat sie getan? Unser zum Haushalt 1963 gestellter Antrag auf Einsetzung von 20 Millionen DM für den Bau von Altenwohnungen wurde abgelehnt, mit der Begründung, es sei in erster Linie Aufgabe von Ländern und Gemeinden, im Rahmen der Mittel des sozialen Wohnungsbaus auch Wohnungen für alte Menschen zu bauen.
({3})
Wir alle wissen aber, daß die Mittel des sozialen Wohnungsbaus dafür absolut unzureichend sind. Denn die kleinen Wohnungen, die auf die besonderen Bedürfnisse alter Menschen zugeschnitten sind, sind verhältnismäßig teuer. Wo bisher Altenwohnungen gebaut wurden, haben, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, von denen Frau Dr. Kiep-Altenloh soeben eine zitiert hat, Länder und Gemeinden ganz beträchtliche eigene Mittel hineinstecken müssen.
({4})
Der Bund hat auf unser wiederholtes Drängen erst Ende 1964, also viel zu spät, und dazu noch in unzureichendem Umfange, die ersten Gelder für den Bau von Altenwohnungen zur Verfügung gestellt.
In dem uns vorliegenden Haushaltsplan 1965 sind nun 7,5 Millionen DM für den Bau von Wohnungen für alte Menschen eingesetzt, dazu Bindungsermächtigungen in Höhe von 7,5 Millionen DM, deren Fälligkeit auf mindestens zwei Jahre zu verteilen ist. Das bedeutet für 1965 etwa 12 Millionen DM. Damit kann man ganze 3000 Altwohnungen fördern, oder einige mehr, wenn sie in Altenwohnheimen oder Altenheimen vorgesehen sind. Welches Mißverhältnis zum Bedarf, der mit etwa 300 000 Altenwohnungen nicht zu hoch eingeschätzt sein dürfte, abgesehen von den noch zu schaffenden Heimplätzen, die bei etwa 120 000 liegen dürften! Bei anderen Positionen in diesem Haushalt ist man mit Bindungsermächtigungen ganz außerordentlich großzügig umgegangen. Insgesamt betragen die Bindungsermächtigungen 764 Millionen DM. Nur hier will sich anscheinend der Herr Bundeswohnungsbauminister nicht ernsthaft engagieren.
Wir meinen aber, daß die Bundesregierung den vielen schönen Worten über das, was sie den Alten Gutes tun will, auch Taten folgen lassen muß, die sich hier in Mark und Pfennig ausdrücken müssen.
Deshalb beantragen wir Verdoppelung der Bindungsermächtigung auf 15 Millionen DM. Wir sind uns darüber im klaren, daß das ein Mindestantrag ist und wir danach streben müssen, daß die Gelder für den Bau von Altenwohnungen künftig nicht mehr aus den Rückflußmitteln genommen, sondern dafür Sondermittel eingesetzt werden.
Wohnungen können nicht von heute auf morgen gebaut werden; sie bedürfen langfristiger Planung.
Wenn die Länder und Gemeinden einen auch nur einigermaßen großzügigen Bau von Altenwohnungen durchführen wollen, dann müssen sie heute schon wissen, daß sie in der nächsten Zeit mit angemessenen Bundesmitteln rechnen können.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag auf Umdruck 563 zuzustimmen.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Meine Herren und Damen, wenn Sie vorhin nicht bezweifelt hätten, daß Ihr Herr Landesminister Franken für den Vorrang von Mietwohnungen eintritt, hätte ich mir und Ihnen jetzt diese Rede erspart. Nun möchte ich aber doch ein paar Worte dazu sagen.
Wie in allen Gebieten mit einem großen Bevölkerungsanteil auf engem Raum fehlen auch in Nordrhein-Westfalen Mietwohnungen. Wenn die sozialdemokratische Fraktion, Herr Baier, in diesem Bundestag immer wieder mehr Mietwohnungen fordert, weil junge Ehepaare, alte Menschen und kinderreiche Familien in solchen Gebieten eben nur mit Mietwohnungen ihren Wohnungsbedarf decken können, dann darf man uns das nicht immer wieder - und das ist schon monoton - als Eigenheimfeindlichkeit auslegen. Da Sie das vorhin bezweifelt haben, habe ich mir schnell die „Bonner Rundschau" kommen lassen. Das ist doch sicher keine Zeitung, die mit der IG Metall identisch ist. Am 12. Februar 1965 heißt es darin - Sie können es nachlesen -:
Den Bau von Wohnungen für unzureichend untergebrachte kinderreiche Familien und für junge Ehepaare bezeichnete Nordrhein-Westfalens Bauminister Joseph Franken am Donnerstag in Düsseldorf als eine der vordringlichsten Aufgaben des diesjährigen Wohnungsbauprogramms.
Die Hälfte der 665 Millionen DM zweckgebundener Landesmittel sei 1965 dafür bestimmt. Als Folge davon werde in diesem Jahr der Mietwohnungsbau den Vorrang vor Eigentumsmaßnahmen haben.
Ich habe auch andere Zeitungsnotizen gesehen, in denen das ausführlicher begründet wurde. Insofern ist es also eine unberechtigte Unterstellung von Ihrer Seite, immer wenn wir sagen, es sind noch nicht genügend Mietwohnungen da, mit dem Finger auf uns zu zeigen und zu sagen: die wollen keine Eigenheime.
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Wir wollen beides.
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- Wir haben niemals bestritten, daß wir beides wollen, das wissen Sie genau.
Lassen Sie mich aber zum Schluß noch etwas zu Ihren dauernden Angriffen gegen den Mieterbund, gegen die IG Metall u. a. sagen. Ich fühle mich für beide nicht verantwortlich. Aber die Kritik an Ihrer Gesetzgebung ist doch nicht auf diese Zeitungen beschränkt. Wenn ich jetzt etwas zitiere, werden Sie vielleicht schon ahnen, woraus es ist. Da heißt es - darf ich zitieren, Herr Präsident - in einer Zeitung:
Namhafte Zeitungen der CDU und CSU haben jahrelang die Schlagworte der SPD und ihrer Hilfstruppen, des Mieterbundes und des DGB, verbreitet. Die Niederlage der CDU bei den Kommunalwahlen, besonders in Nordrhein-Westfalen, ist wesentlich darauf zurückzuführen. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, stattdessen für Aufklärung über die Konzeption Lückes und die Notwendigkeit, im Interesse der Mieter genauso wie der Vermieter die Zwangswirtschaft abzubauen, zu sorgen.
Vor allem aber bildeten sich regelrechte Widerstandsnester gegen den Lücke-Plan und damit die Wohnungspolitik der eigenen Partei in zahlreichen Kommunen, wo der CDU angehörende Vertreter der Kommunalverwaltungen und Gemeindeparlamente manchmal hundertprozentig die Auffassungen der SPD übernahmen.
Das hat Ihr Kollege - dort drüben sitzt er - Herr Stiller geschrieben.
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Zum mindesten ist es in der letzten Nummer der Hausbesitzerzeitung, für die er verantwortlich zeichnet, erschienen. Darum meine ich, wenn namhafte Vertreter der CDU in den Kommunen dieser Mei nung sind, dann kann doch die Auffassung der SPD nicht ganz und gar falsch sein.
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Herr Abgeordneter Baier ({0})!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede der Frau Kollegin könnte mich natürlich veranlassen, mich länger damit zu befassen, wenn ich nicht den Blick auf die Uhr vor mir hätte. Deshalb will ich es kurz machen. Aber offensichtlich ist Ihnen doch zu Herzen .gegangen, was ich gesagt habe, und das ist immerhin sehr erfreulich.
Frau Kollegin, Mietwohnungen müssen in Deutschland gebaut werden, und ich glaube, dagegen war niemand in diesem Hause. Worum es aber geht, ist die Klarheit, ob Sie auch so, wie es Ihr verehrter Kollege Leber kürzlich getan hat, im Interesse der Eigentumsbildung, im Interesse der Familienpolitik den Familienheimbau in der notwendigen Weise unterstützen. Wenn Sie zu der Formel stehen, die wir und die dieser Minister seit Jahren vertritt, nämlich: so viele Mietwohnungen wie nötig, so viele Familienheime wie möglich - das ist die Formel, die wir von Anfang an haben -, wenn Sie dazu stehen, Herr Kollege Heiland, und sie nicht bei jeder
Baier ({0})
nur möglichen Gelegenheit abschwächen, dann sind wir in dieser Frage völlig einig. Im übrigen wird die Beratung des Wohnungsbauänderungsgesetzes demnächst zeigen, ob Sie dazu wirklich auch stehen oder ob es heute nur Deklamationen waren.
Nun lassen Sie mich etwas zu Ihrem Antrag auf Umdruck 563 zu Tit. 550 sagen. Verehrte Frau Kollegin Meermann, ich habe die Hoffnung, daß wirklich die Sorge um die alten Menschen und deren Anliegen hinter Ihren Ausführungen stand und nicht, wie schon einmal kurze Zeit, nachdem Sie eine solche Rede hier gehalten haben, diese Plenarrede dann mit einem sympathischen Foto von Ihnen in einer Rentnerzeitung wortwörtlich abgedruckt wird
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und damit der Eindruck erweckt wird, als hätten Sie nur zum Fenster hinaus geredet.
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Ich hoffe, daß wirklich die Sorge und das Anliegen dahinterstehen.
Was den Wohnungsbau für die alten Menschen anbetrifft, so haben wir zweifellos Sorgen. Wir haben das Problem, eine Vielzahl von alten Menschen ordnungsgemäß in den für sie geeigneten Wohnungen unterzubringen. Wir sind der Auffassung, soweit für die alten Menschen keine Möglichkeit besteht, in den Familienverband aufgenommen zu werden oder etwa den eigenen Haushalt weiterzuführen, ist die Altenwohnung sicherlich die geeignete Wohnform für sie. Aber wir müssen auch eines feststellen: obwohl schon viele Altenwohnungen gebaut wurden, ist man sich weder im Inland noch im Ausland letztlich über die Grundform, die erstrebenswert ist, einig. Das ist sehr schwierig. Wir müssen gemeinsam an der Lösung dieses Problems weiterarbeiten.
Aber es geschieht allerhand. Denken Sie daran, daß beispielsweise das gerade verabschiedete Wohngeldgesetz auch hier eine neue Perspektive bringt, so daß sich die alten Menschen auch einmal eine steuerbegünstigte Wohnung leisten und über das Wohngeld den Zusatzbetrag zur Miete erhalten können. Oder denken Sie daran, daß das Wohnungsbauänderungsgesetz, das wir in den kommenden Wochen und Monaten beraten werden, auch neue Möglichkeiten schaffen wird, die alten Menschen unterzubringen, einmal indem wir die Umsetzungsaktion fördern, d. h. Sozialwohnungen durch Anreize frei machen, um sie den wirklich Bedürftigen zur Verfügung stellen zu können, vor allen Dingen auch die Kleinwohnungen, die hierfür ja geeignet sind!
Oder denken Sie an folgendes. Wir sollten bei den Beratungen erwägen, ob man nicht auch für alte Menschen, wenn sie mit der jungen Familie im Familienverband bleiben wollen und man sich gemeinsam ein Haus bauen will, genauso, wie für die Kinder Familienzuschläge gegeben werden, einen Familienzuschlag geben und damit einen Anreiz bieten sollte, damit diese Menschen im Familienverband bleiben und dort ihre Wohnung erhalten. Ich meine, das zeigt die Vielzahl der Möglichkeiten und Überlegungen, die wir bei der Gesamtbetrachtung nicht außer acht lassen dürfen.
Zu Ihrem Antrag, die Erhöhung der Bindungsermächtigung in Tit. 550, darf ich folgendes feststellen. Im Jahre 1964 ist auf Antrag der CDU/CSU ein Leertitel mit einer Bindungsermächtigung eingebracht worden. Im Herbst 1964 hat das Bundeswohnungsbauministerium Richtlinien für diesen Titel zur Förderung des Wohnungsbaus für alte Menschen bekanntgegeben. Zugleich steht im Haushalt 1965 ein Bewilligungsrahmen von 19,5 Millionen DM zur Verfügung. Wir haben im Haushaltsausschuß über diesen Punkt diskutiert. Frau Kollegin Meermann, wenn Sie sich einmal das Protokoll des Haushaltsausschusses angesehen hätten, hätten. Sie festgestellt, daß wir von der CDU/CSU beantragt haben, daß die Regierung bis Ende dieses Jahres einen Erfahrungsbericht über die Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus für alte Menschen vorlegen und gegebenenfalls auch Verbesserungsvorschläge machen soll.
Des weiteren ,wurde auf meinen Antrag hin im Protokoll ausdrücklich vermerkt, ;daß der Bundesfinanzminister, wenn die gegebene Bindungsermächtigung in Höhe von 7,5 Millionen DM nicht ausreicht, sie entsprechend erhöhen soll. Das ist nach § 45 der Reichshaushaltsordnung möglich. Der Finanzminister ist berechtigt, die Ressorts zu ermächtigen, Verpflichtungen über künftige Haushaltsjahre einzugelhen.
Was wollen Sie dann mit Ihrem Antrag? Ihr Antrag ist unter diesem Gesichtspunkt lausschließlich aus optischen Gründen gestellt. Aus diesem Grunde müssen wir ihn ablehnen.
({3})
Aber wir haben auf ;der 'anderen Seite - und das habe ich eben ausgeführt - Möglichkeiten, die Versorgung ;der alten Menschen mit Wohnraum auch künftighin mit konstruktiven Mitteln weiter zu fördern. Der Bundeswohnungsbauminister hat bei dem Wissenschaftlichen Beirat einen Arbeitskreis „Wohnraumversorgung für alte Menschen" gebildet, in dem man sich mit den soziologischen, planerischen und bautechnischen Fragen dieses Aufgabenbereichs befaßt. Der Bundeswohnungsbauminister Paul Lücke will anhand der Ergebnisse dieses Arbeitskreises einen Wettbewerb durchführen, um die zweckmäßigste Lösung für den Bau von Alten-Wohnungen und Alten-Wohnheimen herauszufinden.
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Meine Damen und Herren, wir werden uns auch in der Zukunft nachhaltig für solche konstruktiven Maßnahmen einsetzen, um bessere und zweckmäßigere Lösungen für den Bau von Alten-Wohnungen und Alten-Wohnheimen zu finden. Die Sorge 'für die alten Menschen und ihre Unterbringung soll und darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Heimunterbringunggesehen werden.
({5})
Gewiß werden diese Heime benötigt. Zunächst sollen diese alten Menschen jedoch möglichst lebensnah und nicht isoliert untergebracht 'werden,
({6}) solange sie tätig sein wollen und können.
Baier ({7})
Ich darf Ihnen abschließend versichern: wir werden uns in der Sorge um die alten Menschen nicht übertreffen lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Baier hat mich nun doch dazu verführt, noch einiges zu sagen.
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Herr Kollege Baier, Sie sagen je nach Bedarf einmal, wir sollen uns nicht wiederholen, oder, wir sollen etwas Neues anbieten, und wie wir's machen, ist es verkehrt. Ganz scheinen unsere Argumente aber doch nicht an Ihren Ohren ,vorbeizugehen. Denn ich habe einmal ein Wort unseres Aktionsprogramms aus dem Jahre 1952 abgewandelt, und das hat Ihnen so gut gefallen, daß Sie jetzt glauben, das sei Ihre eigene Parole. Im Aktionsprogramm der Sozialdemokratie aus dem Jahre 1952 ,steht zur Wirtschaftspolitik das Wort: Wettbewerb so viel wie möglich und Lenkung so viel wie nötig. Da Sie immer wissen wollten, wie wir zum Eigenheim stehen, habe ich dieses Wort abgewandelt und gesagt: Eigenheime so viel wie möglich und Mietwohnungen so viel wie nötig. Ich weiß, daß ich ides, wenn Sie so wollen, ein bißchen bei meinem Parteifreund Schiller ausgeborgt habe, der diese Formulierung geprägt hat. Aber ich glaube, das darf ich innerhalb der eigenen Partei getrost tun. Und wenn das so wirksam war, daß Sie es jetzt sogar begriffen haben, bin ich Ihnen dafür dankbar.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Fage?
Ja, bitte schön!
Bitte, Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Kollege Hauffe, wollten Sie mit dieser Gleichsetzung von Mietwohnung und Lenkung sagen, daß die Mietwohnung auch der Lenkung entspricht?
Herr Kollege Czaja, Sie als Studienrat wissen ganz genau, daß man Worte gebrauchen und mißbrauchen kann. Ich glaube, wir leben in einer Zeit, wo der Mißbrauch von Worten Blüten treibt, die manchmal nicht mehr schön sind. Sie haben es so weit gesteigert, daß man teilweise den Eindruck bekommt, daß Sie auch gern das Wort „gemeinnützig" in „gemeingefährlich" ummünzen würden. Aber wenn wir auf dieser Basis diskutieren wollen, kommen wir, glaube ich, nicht weiter.
Nun werden Sie nicht kopfscheu! Vor einigen Jahren war es so: Wenn ich von Planung gesprochen habe - und ich kann als Techniker manchmal nicht anders -, dann haben Sie von Bolschewismus gesprochen. Aber seitdem Sie jetzt begriffen haben, daß wir ein Raumordnungsgesetz brauchen, ist das Wort „planen" plötzlich bei Ihnen salonfähig. geworden.
({0})
Vielleicht wird auch manch anderer Begriff, der in der Vergangenheit diffamiert wurde, in Zukunft wieder salonfähig. Wir glauben also daran, daß Sie besserungsfähig sind.
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- Schön, auf die Taten kommt es an. Ich glaube, wir haben die Eigenheimförderung schon zu einem Zeitpunkt betrieben - das habe ich Ihnen auch schon einmal gesagt -, als eine ganze Menge 'Menschen, die heute bei Ihnen eine politische Heimat gefunden haben, noch nicht gewillt waren, den arbeitenden Menschen und den unteren Volksschichten eine anständige Wohnung, geschweige denn ein Eigenheim zuzugestehen.
({2})
Das mußte ich in diesem Zusammenhang auch einmal sagen.
Genauso ist es bei den anderen Themen, die Sie angesprochen haben. Gehen wir einmal zum Thema Degression über! Jahraus, jahrein haben wir gesagt: Stoppt die Degression im Zweiten Wohnungsbaugesetz! Sie haben uns dann immer abgewiesen: Alle Jahre wieder; kennen wir schon usw. usf. Dann ,haben Sie uns gesagt, wir sollten einmal eine eigene Konzeption bringen. Wir haben Ihnen den Wunsch erfüllt und haben unser Wohnungsbaugesetz vorgelegt. Wir haben Ihnen 'die .eigene Konzeption vorgelegt und haben Ihnen gesagt: Weg mit den Töpfchen! Global 1 Milliarde DM für den Wohnungsbau! Das ist ja das, was der Bund ungefähr auch leistet. Im vorigen Jahr war es etwas mehr. Als wir das taten, war es auch wieder nicht richtig. Dann bringen Sie aber jetzt schleunigst den Antrag, die Degression zu stoppen, weil ja die böse Opposition sich diesmal auf etwas anderes eingestellt hat. Jetzt aber machen Sie etwas anderes. Jetzt sagen Sie uns plötzlich, wir verlangten eine Steigerung der Wohnungsbaumittel von 210 Millionen DM auf 1 Milliarde DM. Sie sagen: Übertriebene Anträge! Entweder haben Sie eis nicht begriffen, oder Sie sagen es aus Bösartigkeit. Ich weiß es nicht. Sie müssen uns aufklären, welches der Hintergrund ist.
Genauso ist es Mit vielen anderen Dingen. Sie tun so, als -werde für den Wohnungsbau schon so viel geleistet, daß er eine Einschränkung usw. vertragen würde. Ich höre immer wieder: 50 Milliarden DM öffentlicher Mittel für den Wohnungsbau! Schön, das stimmt. Es ist gut so daß wir uns dazu aufgerafft haben. Aber ist denn das zuviel, 'wenn wir uns anschauen, wie unsere Verhältnisse nach dem Kriege ausgeschaut haben? - Bitte schön!
Herr Kollege Hauffe, können Sie mir e i n Land der Welt nennen, in dem mehr für den Wohnungsbau getan wurde als in der Bundesrepublik?
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Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 16'
Herr Kollege Baier, können Sie mir ein Land der Welt nennen, das nach dem Kriege so zerstört war wie die Bundesrepublik
({0})
und in das so viele Menschen eingeschleust wurden? Auch ich bin stolz darauf, einem Volke anzugehören, das eine derartige Leistung vollbringt. Wenn wir aber schon auf unsere deutsche Leistung stolz sind, ist es nicht mehr als recht und billig, daß wir alle Kraft zuerst einmal dazu verwenden, den Menschen das Leben wieder lebenswert zu machen.
({1})
Dazu gehört als erstes der Wohnungsbau, und dazu haben wir uns bekannt. Der Herr Bundeswohnungsbauminister wird zugeben müssen, daß er diese Leistung nicht von seinem Stuhl in Bonn aus hätte vollbringen können, wenn nicht der letzte sozialdemokratische Bürgermeister unten in voller Verantwortung mitgetan und auch die Möglichkeiten seiner Gemeinde ausgeschöpft hätte
({2})
und wenn nicht vor allen Dingen die große Zahl der Sozialdemokraten in den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften nach 1945 ihre ganze Kraft dort hineingesteckt hätte.
(Erneuter Beifall bei der SPD. - Zuruf
des Abg. Lemmrich. - Abg. Baier [Mosbach] : Das ist nach der Methode „Koch und
Kellner"!
- Sie können jetzt vieles sagen, denn wir haben ja hier noch nicht die Gelegenheit bekommen, zu beweisen, was wir können.
({3})
-- Unten in den Gemeinden haben wir es bewiesen. Die Tatsache, daß wir in den Gemeinden von Jahr zu Jahr Fortschritte gemacht haben, sollte der beste Beweis sein, daß die Sozialdemokraten auf den Plätzen, auf denen sie gestanden haben, ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben.'
({4})
Gerade die Gemeinde ist doch das Gremium, das der Bevölkerung am nächsten steht, und deshalb sind wir stolz auf diese Leistungen.
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- Ich stehe auch Herrn Müller-Hermann zur Verfügung, wenn er etwas wissen will.
Nun, meine Damen und Herren, so sieht es auf den verschiedensten Gebieten aus. Wir sind Ihnen ja dankbar, wenn wir Sie langsam, aber sicher überzeugen können. Wir haben im Jahre 1963 z. B. beantragt, 20 Millionen DM für den Altenwohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Aber nach der Methode, SPD-Anträge erst einmal abzulehnen, um sie nachher in einer anderen Form wiederaufzunehmen, haben Sie dann einen Leertitel beantragt und diesen Leertitel Gott sei Dank nachher auch etwas dotiert. Wir haben versucht, es Ihnen leicht zu machen, indem wir nicht mehr einen Etatansatz in Mark und Pfennig gebracht haben, sondern eine Bindungsermächtigung vorgeschlagen haben, damit man draußen weiß, was zur Verfügung steht und was verplant werden kann, weil die Mittel erst ein oder zwei Jahre später abgerufen werden.
Sie sagen nun, Sie haben dem Finanzminister eine Möglichkeit gegeben für den Fall, daß es nicht reicht. Ich will Ihnen ganz einfach sagen: Bei diesem Finanzminister ist uns die Möglichkeit zu wenig. Wir möchten gern etwas verlangen können.
({6})
Deswegen haben wir unseren Antrag eingebracht. Aber wenn er denselben Weg geht wie die meisten sozialdemokratischen Anträge, habe ich die Hoffnung, daß das, was Sie dieses Jahr ablehnen, nächstes Jahr von Ihrer Seite kommt, und dann haben wir immerhin auch einen Erfolg.
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So sieht es in der ganzen Wohnungsbaupolitik aus. Mögen Sie heute entscheiden, wie Sie wollen, wir Sozialdemokraten nehmen für uns in Anspruch, wesentliche Impulse für die Entwicklung der Wohnungsbaupolitik gegeben zu haben Wir sind auch heute noch der Meinung, daß das Eigenheim die beste Art der Eigentumsförderung für den kleinen Mann ist.
({8})
- Das habe ich schon immer gesagt. Sie werden
von mir noch nie etwas anderes gehört haben,
({9})
und die Kollegen aus dem Wohnungsbauausschuß kann ich dafür wohl als Zeugen anrufen. Allerdings ist immer die Frage zu stellen, was im Augenblick an welchem Ort am notwendigsten ist. Deswegen habe ich schon von Anfang an die Forderung aufgestellt, daß die Entscheidung, wie und wo gebaut wird, in die Hände der Gemeinden gelegt wird, weil sie der Wirklichkeit am nächsten stehen und am besten entscheiden können, ob in der einen Gemeinde mit der Eigenheimförderung, in der anderen mit dem Mietwohnungsbau der Wohnungsnot am besten begegnet werden kann. Daß auf den Mietwohnungsbau nicht verzichtet werden kann, haben wir heute auch aus Ihrem Munde gehört. Ich bin darüber glücklich. So klar haben Sie es noch nie gesagt, wie wir in der Vergangenheit unsere Stellungnahme zum Eigenheimbau abgegeben haben. Deswegen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß diese Debatte heute in so später Abendstunde trotzdem fruchtbar gewesen ist.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der 16. Haushalt, den ich auf diesem Gebiete mit zu verabschieden die Ehre habe. Ich hätte es eigentlich sehr begrüßt, wenn man sich dieses Datums erinnert hätte. Denn, Herr Kollege Hauffe, Sie haben gesagt, daß die Sozialdemokraten mitgearbeitet haben. Ich will das gern bestätigen. Sie haben hier mit Recht rühmend die Leistungen der Gemeinden, der christlich-demokratisch regierten, der sozialdemokratisch regierten und der gemischt regierten Gemeinden, hervorgehoben. Aber, meine Damen und Herren, es muß doch wohl auch an der Politik liegen, daß diese Erfolge möglich geworden sind.
({0})
Ich habe es schon einmal hier gesagt, ich wiederhole es aber: Als mich ein ausländischer Besucher, der die Zone besuchte, ansprach, stellte er mir die Frage: Gehören die Menschen drüben in der Zone einem anderen Volksstamm an? Er begründete seine Frage mit den unterschiedlichen Leistungen, den Aufbauleistungen, den Wirtschaftsleistungen usw. Ich habe ihm gesagt, die Menschen, die drüben etwa 10 °/o der Wohnungsbauleistung, die wir vollbringen konnten, erbracht haben, seien dieselben Deutschen wie hier. Aber die Politik drüben ist nicht in Ordnung. Obwohl die Menschen arbeiten, konnten sie die Leistungen nicht vollbringen. Es ist diese unsere Politik der sozialen Marktwirtschaft, der sozialen Wohnungswirtschaft,
({1})
es ist diese unsere Politik gewesen, zu der Sie sich
- halb zog es ihn, halb sank er hin - Schritt für Schritt bequemen.
Wer die Ausschußprotokolle des Bundestages und die Plenarberichte 16 Jahre einmal nachliest, wird merken, wie schwer es ist, endlich mit dem Unfug in der Frage Eigenheime oder Mietwohnungen aufzuhören. Nach 16 Jahren hört man keine neuen Argumente. Unentwegt werden die Dinge vernebelt. Denn es geht doch gar nicht darum, ob Mietwohnungen gebaut werden, ob - Herr Kollege Franken
- wichtige Aufgaben in den Verdichtungsräumen erfüllt werden oder nicht. 75 % aller bislang gebauten Wohnungen sind Mietwohnungen. Ich bedaure das. -Auch weiterhin wird der Anteil der Eigenheime gering sein. Wir - CDU/CSU, FDP und Opposition
- sollten doch endlich einmal- wenigstens auf dieser Ebene mit dieser Diskussion Schluß machen und sagen: Wenn es unter gleichen Bedingungen möglich ist, dann gebt doch endlich dem Arbeiter das Eigenheim! Warum in aller Welt sammeln Sie dauernd Argumente gegen diese Politik?
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Ich vermisse im Augenblick 'den Herrn Kollegen Erler. Ich will die vorbereitete Rede nicht halten wegen des ausgezeichneten Verlaufs der Debatte, auch aus zeitlichen Gründen. Aber der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion hat hier dieses wichtige Thema in seiner Rede mit den Worten charakterisiert: „Die Opfer des Lücke-Plans kommen in die
Sprechstunden. Nun stelle ich der Sozialdemokratie, insbesondere dem Kollegen Erler und Ihnen, gnädige Frau - ich höre, daß auch Sie Sprechstunden abhalten; wir von der CDU/CSU sind seit 15 Jahren überwiegend die Opfer der Sprechstunden; wer wichtige Wahlkreise hat, ist einfach gezwungen, sie abzuhalten -,
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die Frage: Welche Opfer kommen in Ihre Sprechstunden? Sind unter diesen Opfern auch die zahllosen kleinen Hausbesitzer, die deshalb nicht in ihr Eigenheim hinein können, weil dort ein Mieter sitzt, der sich unter dem verfehlten, überlebten Mieterschutz zu Lasten dieser kleinen Eigenheimbesitzer in der Wohnung hält?
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Ich möchte von den Sozialdemokraten heute einmal hören: Sind Sie für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft oder sind Sie es nicht? Soll das Wort des Kollegen Erler „Die Opfer des Lücke-Plans kommen in meine Sprechstunden" heißen, daß da Leute unter die Räder gekommen sind, bei denen die Gesetze angewandt worden sind?
Gnädige Frau, Sie haben heute wieder den Versuch gemacht, darzutun, daß Alter, Kinderreichtum usw. keine Widerspruchsgründe im Sinne des § 556 a seien. Das ist 'unrichtig, und Sie wissen das ganz genau.
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Sie wissen, daß die Gerichte in der Zwischenzeit Urteile vorgelegt haben. Sie wissen, daß die Gerichte in der Zwischenzeit die Widerspruchsgründe anerkennen und entsprechend urteilen. Was bezwecken Sie eigentlich mit dieser ewigen Verneinung?
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- Verzeihen Sie, ich möchte meinen Satz erst zu Ende bringen, Herr Präsident. - Was bezwecken Sie mit ,der Verneinung der sozialen Bestimmungen dieses Gesetzes? Wollen Sie damit dieses Gesetz weiter entkräften, in Mißkredit bringen, oder wollen Sie dazu beitragen, den Gerichten zu helfen, entsprechend dem Willen des Gesetzgebers zu urteilen? Das ist die Frage.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Meermann?
Bitte.
Herr Minister, sollten Sie überhört haben, daß ich gar kein Wort zur Rechtsfrage an sich gesagt, sondern nur darauf hingewiesen habe, daß der 'Prozentsatz der alten Leute, die vor Gericht um ihre Wohnung kämpfen müssen, unverhältnismäßig hoch ist?
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Gnädige Frau, Sie müssen, wenn Sie hier diese Vorwürfe erheben, Gründe und Gegengründe bringen. Ich darf hier einmal folgenden Fall in Erinnerung rufen: Einer alten Frau wird gekündigt .Sie hat ,die Widerspruchsgründe, sie hat Kündigungsschutz, lange Fristen usw. Auch der Besitzer ist alt und möchte in seine Wohnung. Hier werden die Interessen des Hausbesitzers und des Mieters gegeneinander abgewogen. Man kann diese Fälle nicht als so einfach ,hinstellen, wie das etwa Ihre Zeitungen, die „IG-Metall" und ähnliche Pamphlete, getan haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister, darf ich Sie bitten, Ihre Bemerkungen doch noch einmal zu überprüfen und sich die Urteile etwa des Landgerichts Braunschweig, des Amtsgerichts Rüdesheim, des Landgerichts Karlsruhe
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- hören Sie genau zu, damit auch Sie das kennen; das ist wichtig! -, des Amtsgerichts Amberg, des Amtsgerichts Hattingen und des Amtsgerichts Hochheim vorlegen zu lassen, (in denen klar und deutlich zum Ausdruck ¡gebracht wird, daß Alter, Krankheit, Invalidität arid Kinderreichtum nicht als 'ausreichende Widerspruchsgründe nach § 556 a angesehen werden können?
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Ich werde Ihnen in der Mappe, die der Aufklärung dient, „schwarz auf weiß" Material in die Hand geben, aus dem Sie ersehen können, daß andere Urteile vorliegen; Urteile, die das Gegenteil besagen und die ich wegen der Kürze der Zeit Ihnen hier nicht vorlesen möchte. Es liegt in unserem Interesse, den Gerichten zu helfen, daß die Gesetzte so ausgelegt werden, wie es der Gesetzgeber will. Wir haben hier neues Recht zu praktizieren. Das kann man nicht dadurch tun, daß man einseitige Darstellungen gibt. Deshalb noch einmal meine Frage an den Kollegen Erler: Welche „Opfer des Lücke-Plans"?
Eigentlich möchte ich nun den Herrn Kollegen Jacobi beglückwünschen. Er hat nämlich - ich weiß nicht, wie ich es nennen soll - den norddeutschen Hausbesitzern am 20. Februar im Namen ,der Arbeitsgruppe „Wohnungsbau" der Sozialdemokratischen Partei einen Brief geschrieben, in dem es wiefolgt heißt:
Die SPD wird bemüht sein, auch den Interessen des Haus- und Grundstückseigentums gerecht zu wenden.
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Wo immer soziale Ausgleiche erforderlich sind,
können sie nicht dem Haus- und Grundbesitz
auferlegt werden. Seine Wirtschaftlichkeit ist zu sichern.
Meine Damen und Herren, warum sagen Sie das nicht laut und deutlich? Warum unterstützen Sie unsere Bemühungen nicht? Warum unterstützen Sie nicht, daß der Althausbesitz endlich in die Lage versetzt wird, diesen seinen Grundbesitz wirtschaftlich zu sichern?
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Herr Kollege Jacobi, Sie haben den Brief ja geschrieben. Ich freue mich über diese Haltung. Denn, meine Damen und Herren, nach 16 Jahren Wohnungsbaupolitik ist es eigentlich tragisch zu nennen, daß in der deutschen Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, als ob die sozialdemokratische Opposition und die Regierungskoalition weit auseinanderstünden. Meine Damen und Herren, der Unterschied besteht darin - ich wiederhole es -, daß die Sozialdemokraten nun längere Zeit, acht Monate brauchten, um den Abbaurhythmus einzuleiten. Nachher, im Ablauf der Gesetzgebung, entstanden bei Ihnen Bedenken hinsichtlich des sozialen Mietrechts, der BGB-Klausel. Darüber kann man streiten. Aber Sie sind dafür eingetreten, daß der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft schrittweise erfolgen sollte, und die Diskussion, z. B. in den Ausschüssen, bewegte sich nur im Rahmen des Themas: Soll man bei 3 % - dem rechnerischen Defizit, das Herr Kollege Jacobi unentwegt bemüht - oder soll man bei 1 % beginnen? Das sind völlig periphere Probleme.
Meine Damen und Herren, obwohl hier auf der oberen Ebene keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten bestehen, wird unten in den Gemeinden, in den Städten in einer Weise Nebel geworfen, Unruhe gestiftet, die deshalb bedenklich ist, weil viele Mieter und auch Hausbesitzer das neue Recht nicht kennen, verstört werden, Fehlentscheidungen treffen und in Panikstimmung geraten. Wir sollten uns hier und heute doch dahin gehend einigen, daß wir gemeinsam für die Öffentlichkeitsarbeit, gemeinsam für die Aufklärung sorgen. Aber man muß Schluß damit machen, hier oben zu nicken und die Koalition zu umarmen and unten dann wieder zu treten.
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Das geht auch nicht, wenn Sie sich hier von den unglaublichen Machwerken des Mieterbundes und der IG Metall distanzieren, die sich selbst strafen durch die Papier gewordene Unsachlichkeit.
Nun, man hat mir 150 000 DM jährlich für die Öffentlichkeitsarbeit im Haushalt gegeben und hat den Betrag dann verdoppelt. Sehr herzlichen Dank! Meine Damen und Herren, 300 000 DM für Öffentlichkeitsarbeit, das ist ein Betrag, über den jeder Werbefachmann lächelt. Ich habe mir, nachdem wir mit Unterstützung der Sozialdemokraten das Wohngeld einstimmig verabschiedet haben, die besten Werbefachleute aus Industrie und Wirtschaft kommen lassen; ich will ihre Namen nicht nennen, um keine Schleichwerbung zu betreiben. Wissen Sie, was mir einer der besten Werbefachleute Deutschlands gesagt hat? Wenn Sie das Wohngeld - wir waren doch einig und haben einen Beschluß gefaßt,
daß das schnell in alle Familien hinein bekanntgemacht werden soll - schnell und gut bekanntmachen wollen, müssen Sie mindestens 5 Millionen DM haben. Nun, ich werde versuchen, die Aufklärungsaktion sachlich, wie .immer, zu betreiben; ich habe immer sachliche Aufklärungsarbeit betrieben und werde nie eine andere betreiben. Aber das kostet Geld.
Herr Kollege Jacobi, Sie haben die Mieterfibel des Mieterbundes angeführt. Diese Fibel hatte einige sachliche Fehler. Bis sie korrigiert und aufgelegt war, kostete sie 1 DM. Bis ich diese kleine Wohnfibel in nahezu 17 Millionen Exemplaren verteilt hatte, mußte ich etwa 800 000 DM Porto bezahlen. Ich hatte 300 000 DM, um die Fibel zu finanzieren; sie sollte ja kostenlos verteilt werden.
Ich glaube, Rundfunk, Fernsehen und Presse und Sie alle werden uns bei dem unterstützen - und darüber möchte ich jetzt abschließend einige Worte sagen -, was wir morgen tun wollen. Es interessiert ja den Bundestag bei der Debatte des 16. Haushaltes für diesen Sektor, was wir morgen tun werden. Man hat mir gesagt, was wir gestern getan hätten, würde keinen Menschen mehr interessieren. Manchmal habe ich den Eindruck, daß diese Gefahr besteht.
Herr Kollege Jacobi, Sie haben hier Wieder eine unverantwortliche These vertreten. Sie haben gesagt, es werde regierungsamtlich behauptet, es gebe keine Wohnungsnot mehr. Das ist unverantwortlich, das ist unwahr, und ich muß das mit allem Nachdruck zurückweisen.
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Sie können mir aus den 16 Jahren kein Zitat, keine
Erklärung nachweisen, die etwas Ähnliches enthält.
Ich habe gerade die Zahlen der Bauvorhaben bekommen, die wir im letzten Jahr - gemeinsam - fertiggestellt haben. Das sind nicht 600 000, sondern genau 623 000.
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Das ist die höchste Bauleistung, die bei uns seit Kriegsende erreicht wurde, und sie zählt zu den Spitzenleistungen Europas. Wie käme ich dazu, die Leistungen der Gemeinden, der Wohnungswirtschaft nicht mitzuerwähnen?! Darauf können wir stolz sein. Vor allem möchte ich den Ländern 'danken, die durch Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus stark dazu beigetragen haben, daß es möglich wurde, im letzten Jahr 257 000 Sozialwohnungen - von den 623 00 - zu bauen; das waren im letzten Baujahr 40 000 Sozialwohnungen mehr als in den Jahren vorher.
Was Sie und uns, den Deutschen Bundestag, interessiert, ist doch die Frage, wie der Bauwille in der Bundesrepublik ist. Das interessiert doch die Leute: wie sieht es denn morgen und übermorgen aus? Über 600 000 Wohnungen wurden im letzten Baujahr neu genehmigt. Der Überhang, also alles, was 'baugenehmigt und 'im Bau befindlich ist, was also für die Bauleistung dieses Jahres entscheidend ist, beträgt etwa 800 000. Damit ist sichergestellt, daß auch 1965 die Wohnungsbauleistung näher bei 600 000 als bei 500 000 Wohnungen liegen wird.
Für mich ist entscheidend - und für den Deutschen Bundestag sollte das eine große Freude sein, daß der Strom des privaten Kapitals in einem Umfang in den Wohnungsbau drängt, den keiner vorauszusagen wagte. Das ist deshalb der Fall, weil wir mit dem Plunder der Zwangswirtschaft Schluß gemacht haben. Es lohnt sich wieder, sein Geld im Wohnungsbau anzulegen. Sonst gibt es gar keine Erklärung für diese ungeheure Bauleistung.
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Wenn also keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, werden es 1965 500- bis 600 000 Wohnungen sein. Und nun muß ich für .1966 und 1967 genau bei meinen Aufzeichnungen bleiben. Das Jahr 1967 habe ich bisher nicht zu nennen gewagt, weil eine so weitgehende Voraussage schwierig ist. Die Zahlen sind mir aber von den besten Experten gegeben worden. 1966 und 1967 werden zwischen 500- und 550 000 Wohnungen fertiggestellt werden.
Nun, was erwarten Sie von einem Wohnungsbauminister? Daß er Wohnungen baut! Ich habe Ihnen die Zahlen genannt. Sie sind nur möglich geworden, weil privates Kapital in steigendem Maße in den Wohnungsbau drängt. Es lohnt sich wieder, im Wohnungsbau Geld zu investieren. Sie, die Sozialdemokraten, haben sich in Ihrem Programm zur sozialen Marktwirtschaft bekannt. Tun Sie es ganz, und bekennen Sie sich auch zur sozialen Wohnungswirtschaft, die so erfolgreich verläuft!
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Der Bauleistung von 1,23 Millionen neue Wohnungen bis Ende 1967 steht ein rechnerisches Defizit von 200 000 bis 300 000 Wohnungen gegenüber. Das bedeutet - vielleicht wäre das eine Brücke, darum lese ich diesen Absatz vor; wir sollten uns über Dinge streiten, über die sich zu streiten lohnt; wir haben ja sonst Sorgen genug -, das bedeutet, daß neben der weiteren Abdeckung des restlichen Defizits und neben der Deckung des laufenden Neubedarfs schon gegenwärtig unentwegt ein erheblicher Teil der jährlichen Wohnungsbauleistung zur ständigen Auflockerung, zur Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse und zur Befriedigung der Wohnwünsche dient. Wir sind längst mitten in dem Prozeß, in dem nicht nur Wohnungsnot beseitigt, sondern auch Wohnwünsche erfüllt werden.
Dabei ist dieses Bauergebnis im vergangenen Jahr bei einer ruhigeren Entwicklung der Baupreise als in den Jahren 1960 bis 1963 erzielt worden. Hierzu hat neben den weiter wachsenden Baukapazitäten vor allem auch die Zurückhaltung der Sozialpartner bei den neuen Lohnvereinbarungen beigetragen. Es ist eine ungewöhnliche Leistung gewesen im letzten Jahr, daß trotz des bis an die Grenzen des Möglichen angespannten Baumarktes die Baupreise nicht gestiegen sind.
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Ich danke dafür den Bauarbeitern, den Gewerkschaften, der IG Bau, Steine und Erden, der Bauindustrie
und dem Baugewerbe. Dort wird praktiziert, wie
ich mir die Zusammenarbeit der Sozialpartner vorstelle. Das ist eine gute Sache. Ich möchte hoffen, daß die gegenwärtigen Verhandlungen über die neuen Bauarbeiterlöhne von dem gleichen Verantwortungsbewußtsein getragen sind.
Die von mir genannten Zahlen können nur gehalten werden, wenn wir die Preise im Griff behalten. Bedenken Sie, daß die Genehmigungen für den öffentlichen Hochbau im letzten Jahr um 21 % gesteigert wurden. Wenn er bedient werden soll, muß die Bauleistung, die Baukapazität steigen, um ohne Preissteigerungen die Dinge verkraften zu können. Deshalb, verehrte Frau Kollegin Meermann, muß man alle Betrachtungen zur Wohnungsbaufinanzierung unter diesem Blickwinkel anstellen. Wir können nicht mehr Wohnungen bauen als bis zur Grenze der Kapazität. Wir haben heute 1,65 Millionen Bauarbeiter. Der Anteil steigt, die Leistungen steigen. Es ist wirklich ein deutsches Bauwunder, wie mir kürzlich ein führender Franzose sagte, als er mich besuchte, auf das die Bauarbeiter, die Bauindustrie, die Gemeinden, alle am Bau Tätigen stolz sein können. Aber mehr bauen, mehr verlangen, mehr Geld hineinpumpen, würde zwingend dazu führen, daß es in den Preisen seinen Niederschlag fände.
Ich glaube auch nicht, daß solche Gedanken hinter den neuen Überlegungen für die Altenwohnungen stehen, für die ich deshalb mit Nachdruck eintrete. Das ist nicht nur ein Thema für den Wohnungsbau. Es muß dafür gesorgt werden, daß die alten Leute so untergebracht werden, wie sie es möchten. Wir müssen mit der Kasernierung der alten Leute Schluß machen.
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Altersheime, Pflegeheime, wo sie notwendig sind. Aber das Problem der alten Leute, ihre Eingliederung in die Umwelt, ist so bedeutsam geworden - nicht nur weil die Menschen älter werden -, daß ich dafür Modellvorhaben durchführen möchte.
Nun bin ich dankbar - und damit darf ich abschließen - , daß das Wohngeldgesetz verabschiedet werden konnte. Die Sorge, Herr Kollege Jacobi, daß das ausufern könnte, habe ich nicht. Ich bin dankbar, daß das Gesetz einstimmig verabschiedet wurde, weil damit jetzt endlich die Möglichkeit gegeben wurde, auf Gemeindeebene überall für eine rasche, gute Durchführung, aber auch für eine Aufklärung zu sorgen.
Wir haben 25 000 Gemeinden und Städte. Bedenken Sie die Diskussionen in den letzten Monaten - die sind mir ja nicht verborgen geblieben - über den Abbauplan. Die SPD sagte: Wir sind dagegen; es gibt Katastrophen, Kündigungswellen, Mietwucher usw.; das Wohngeld ist ein Fürsorgegroschen und ähnliches. Die CDU hat dann verzweifelt gekämpft.
Gnädige Frau, Sie haben meinem verehrten Kollegen Stiller einen Artikel vorgelesen, der in seiner Hausbesitzerzeitschrift gestanden hat. Ich möchte diese Ihre Ausführungen so gewertet wissen: Es mag Ihr Mitgefühl geweckt werden. In etwa mögen Sie verstehen, in welcher Situation ich mich seit Jahren befunden habe, nicht nur bei der CDU/CSU und der FDP, auch nicht nur bei der offiziellen SPD, sondern bei den Gruppen unten, die einfach mit der Unwissenheit Schindluder getrieben haben und etwa zu ,diesem unverantwortlichen Aufruf führten: Alle Kündigungen an Lücke!
Ich glaube, damit sollte man jetzt Schluß machen. Denn jetzt sieht es in den Stadtratsitzungen so aus: einstimmig für das Wohngeld. CDU, FDP, SPD: Wir sind dafür, und jetzt wird es gemacht.
Ich bin sehr dankbar, daß die Sozialdemokraten hier mitgemacht haben; denn dieses Geld wird in weißen und schwarzen Kreisen gezahlt, und zwar ab 1. April. Ich hörte heute, daß der Bundesrat sehr schnell beraten hat und ,dem Gesetz ebenso schnell zustimmen wird. Das wird wirklich eine gute Sache werden, und ich kann dann etwas ruhiger schlafen.
Frau Berger-Heise möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Minister, Sie haben sicher nicht vergessen, daß Sie und wir der Meinung sind, daß dieses Wohngeld lediglich wirtschaftlich eine Wohnung sichern kann, daß aber eine Kündigungsmöglichkeit immer gegeben ist? Darunter leiden die Mieter am meisten.
Gnädige Frau, es ist gut, daß Sie diese Frage anschneiden. Ich muß jetzt darauf antworten.
Meine Damen und Herren, das Wort „Kündigung" löst bei unseren Familien in Deutschland eine schreckliche Wirkung aus. Kündigung heißt: Ich verliere die Wohnung, ich muß weg. Für den Fachmann, der die Gesetze kennt, bedeutet die Kündigung - das haben wir festgestellt - ein „Ankündigungskommando", um neue Vertragsverhandlungen zu führen.
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- Nun, lieber Herr Könen, ich war auch einmal Soldat, lassen Sie mich diesen Begriff mal wieder verwenden! - Nur die Zahl der Urteile, die auf Grund von Räumungsklagen ergangen sind, kann Auskunft geben, ob heute mehr Menschen ihre Wohnung verlassen müssen als vorher. Als erstes Land hat Schleswig-Holstein seine Ergebnisse vorgelegt. Der Justizminister von Schleswig-Holstein hat festgestellt, daß die Zahl der Urteile auf Grund von Räumungsklagen nicht größer geworden ist als vor der Zeit des Abbaues der Zwangswirtschaft.
({1})
- Ich bin ganz Ihrer Meinung. Deshalb bin ich so leidenschaftlich bemüht, daß wir Schluß machen mit der gegenseitigen Unterstellung; denn das Wort „Kündigung" löst Schreckgefühle aus.
Darum ist es doch Aufgabe des Mieterbundes und der 'Gewerkschaften und all derer, die sich vorgeblich für den kleinen Mann interessieren, ihm klar8394
zumachen, daß Kündigung nicht Hinauswurf bedeutet.
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Meine Damen und Herren, Angebot und Nachfrage ist ein hartes Geschäft, auf allen Gebieten. Ich muß wirklich sagen, daß wir bei den Räumungsurteilen keine Steigerung zu verzeichnen haben.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer möchte eine Frage stellen.
Herr Minister, Sie haben sicher nicht sagen wollen, daß der Mieterbund und die Gewerkschaften vorgeben, sich für den kleinen Mann zu interessieren.
Ich habe bezüglich der IG Metall präzise behauptet: Wer in den letzten Wochen und Monaten diese Zeitschrift gelesen hat, kann sich nicht vorstellen, daß man sich wirklich dafür interessiert, dem kleinen Mann zu helfen. Hier geht es darum, eine Politik der Diffamierung, eine Politik der Angst zu treiben.
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Herr Abgeordneter Dr. Mommer möchte noch eine Frage an Sie richten.
Soll im Protokoll also wirklich stehen, Herr Minister, daß Sie einer großen Gewerkschaft, der größten Einzelgewerkschaft, die wir haben, generell unterstellen, sie gebe vor, sich für die Interessen des kleinen Mannes zu interessieren?
Ich kann mich ja nur auf das Organ der IG Metall beziehen, das mit der Meldung „Freitod durch Lücke-Plan" und der Sonderseite „Ist das soziales Mietrecht?" Fälle serviert hat, die mit meinem Gesetz nichts zu tun haben. Der Oberbürgermeister Vogel in München mußte z. B. ein altes Haus kaufen, um es abzubrechen. In dem Haus saß eine 85jährige Frau - die Stadt München hat ihr eine Wohnung zugewiesen -, die dann Selbstmord begangen hat. Ein ähnlicher Fall ist in Stuttgart geschehen. Beide Fälle wurden vom Deutschen Mieterbund hochgehoben und führten dazu, daß in der internationalen Presse und auch in deutschen Zeitungen Artikel standen: „Selbstmordserie wegen LückePlan".
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Die IG Metall hat in der letzten Woche eine Geschichte aus Frankfurt „Mietwucher" gebracht, wider besseres Wissen, genauso unverantwortlich wie dieser Artikel „Freitod durch Lücke-Plan", der
bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen in den Betrieben zusätzlich noch einmal verteilt wurde. Dabei weigert sie sich, sachliche Richtigstellungen vorzunehmen, nachdem durch das zuständige Ministerium in Niedersachsen erwiesen worden ist, daß dieser Fall, den ich persönlich untersuchen ließ, ebenso wie alle bisher bekannt gewordenen Fälle mit meinem Gesetz nichts zu tun hat. Man weigert sich, die Richtigstellung vorzunehmen, und das, Herr Mommer, hat mit sachlicher Aufklärung des kleinen Mannes nichts zu tun. Das liest man! Ich glaube, die Zeitung hat eine sehr hohe Auflage. Auch gestern las ich wieder ähnliche Artikel. Hier kann ich nicht glauben, daß man sich bemüht, dem kleinen Mann zu helfen.
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Herr Kollege Mommer, wer dem kleinen Mann helfen will, würde ihn sachlich aufklären.
Meine Damen und Herren, ich darf dazu noch folgendes sagen. Vor Monaten waren die Journalisten der Gewerkschaftspresse bei mir, und ich habe eine entsprechende Bitte an alle Damen und Herren und auch an den DGB gerichtet; dieser war ebenfalls bei mir mit den zuständigen Herren, wir haben stundenlang beraten, und wir sind so übereingekommen, daß wir uns wegen dieser schwierigen Frage vor Veröffentlichung der Folgen uns gegenseitig verständigen wollten. Vier Wochen nach diesem Gespräch kam das sogenannte „Schwarzbuch" des DGB, mit Arbeitergeldern finanziert, ebenso wie die Annoncen in Solingen, Dortmund und Ulm mit Arbeitergeldern finanziert wurden, nicht etwa um die Leute aufzuklären, sondern um Unruhe zu stiften.
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Das hat mit sachlicher Aufklärung nichts zu tun.
Ich erwarte vom Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Gliederungen, daß sie diese rechtmäßig zustande gekommenen Gesetze sachlich bekanntmachen, für Aufklärung sorgen und kritisieren, wenn Kritik notwendig ist. Ich bin für jede Kritik dankbar. Aber in der Form, wie es bisher geschehen ist -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geiger?
Herr Minister, es ist Ihnen doch bewußt, daß Sie es abgelehnt haben, den tatsächlichen Fehlbestand neu zu erheben, so daß dem DGB gar nichts anderes übrigblieb, als eigene Feststellungen im Interesse !der Betroffenen zu treffen?
Hier muß ich beinahe wieder in die Sachdebatte zurückkehren; denn das ist das Thema, das ja auch Herr Kollege Jacobi angeschnitten 'hat: Feststellung des Fehlbedarfs. Meine Damen und Herren, die Zukunftsbauaufgaben, die
Bauaufgaben von morgen, der Bedarf, der sich aus den Wohnwünschen ergibt, sind so ungewöhnlich groß und hängen so direkt von der weiteren Wohlstandsentwicklung ab, daß jede planwirtschaftlich festgestellte Erhebung hier scheitern muß. Wir führen ja die soziale Marktwirtschaft auf dem Gebiet nicht deshalb ein, um jedem vorzuschreiben, was er bewohnen soll, sondern wir wollen die Familien frei machen, ihnen die Möglichkeit geben, das, was 'sie bewohnen wollen, auch zu wählen.
Herr Schmitt-Vockenhausen möchte eine Frage stellen.
Herr Minister, sind Sie bereit, einmal dafür zu sorgen, daß klare, einwandfreie statistische Unterlagen über 'den Umfang 'der Kündigungen und 'die Mieterhöhungen erstellt wenden? Da wir in den Sprechstunden Fakten über Kündigungen und Mieterhöhungen auf den Tisch bekommen, muß es Ihnen doch möglich sein, einmal auf amtlichem Wege genaues Maternal über die Lage zu bekommen.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, 'zur Mieterhöhung jetzt schon die amtliche Feststellung - es steht in meinem Manuskript -: 13 % Mieterhöhungen beim Althausbesitz.
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Darf ich das jetzt verlesen, damit es ganz präzise ist:
Das Mietniveau in Altbauwohnungen in den weißen Kreisen hat sich bis Ende 1964 nur um rund 14 %
- entschuldigen Sie : 14 % erhöht. Für 29 % der erfaßten Wohnungen der weißen Kreise - 462 Städte und Kreisesind nämlich weiß - sind Mieterhöhungen nicht erfolgt. Bei einem Viertel der Altbauwohnungen wurde die zugelassene Erhöhung von durchschnittlich 20 bis 25 % nur bis 10 %, bei einem weiteren Viertel nur zwischen 11 und 20 % genutzt.
Ihre wichtige Frage, Herr Schmitt-Vockenhausen, die auch mich sehr besorgt, ist die Frage der Kündigungen und der dann vollzogenen Räumungen, also der vollzogenen Räumungsurteile. Diese Frage hat die verehrte Frau Kollegin Kiep-Altenloh wiederholt gestellt. Hier laufen die Erhebungen bei den Ländern. Ich habe vorhin von Schleswig-Holstein das erste Ergebnis mitgeteilt. Nur die vollzogenen Räumungen und ihr Vergleich zu vorherigen sind nach der neuen Rechtskonstruktion maßgebend. Alles andere gibt keine rechte Basis. An diesen Erhebungen arbeiten wir, und wir werden Ihnen die Ergebnisse zuleiten.
Herr Minister, darf ich Sie hinsichtlich der strittigen Fragen um die Wohnungsdefizite bitten, sich einmal meine schriftlichen Ausführungen, die ich bei der ersten Lesung deis Wohnungsbauänderungsgesetzes gemacht habe, anzusehen und sich daraufhin ein Bild darüber zu machen, daß 'bei den divergierenden Angaben, so vor allen Dingen 'bei den Angaben der Städte und Gemeinden, keineswegs die Wohnungswünsche angegeben werden, daß hier also nach wie vor erhebliche Unterschiede in den Berechnungen vorliegen?
Verehrter Herr Kollege Jacobi, die Wohnungsdefizite sind ein Anhalt. Sie reiten unentwegt auf diesen Zahlen herum. Ihre Vergleichszahlen, die Sie in Ihrer Rede genannt haben, sind deshalb 'unbrauchbar, weil Sie die Wohnungswünsche mit dem Wohnungsdefizit vermengen.
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Meine Damen und Herren, dieses Wohnungsdefizit ist von den Gemeinden ermittelt worden, von neutralen Behörden. Warum in aller Welt reiten Sie auf dieser Frage herum? Doch nicht um Klarheit zu bekommen, 'sondern um weitere Unsicherheit zu verbreiten.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. Hesberg wird sicherlich eine freundliche Frage an den Minister richten.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Gemeinden selber Ermittlungen angestellt haben, die die Defizitberechnungen des Bundes in vollem Umfange bestätigt haben,
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daß die in den Wohnungsämtern registrierten Nachfragen weit überschätzt worden sind?
Herr Dr. Hesberg, 'das ist bekannt. Das rechnerische Wohnungsdefizit war und ist nur ein einheitlicher objektiver Maßstab, der anzeigt, ob in einem Kreis oder in einer Stadt ein Grad der allgemeinen Versorgung erreicht ist, der es erlaubt, die wohnungszwangswirtschaftlichen Bindungen unter Berücksichtigung sozialer Absicherung zu beseitigen. Das bedeutet jedoch keineswegs - diese Vorstellung wird ja erweckt -, daß dort, wo die Zwangswirtschaft abgeschafft wird, die Bautätigkeit aufhört, daß dort nicht mehr gebaut wird. Ich habe hier die exakten Zahlen. Soweit sich gegenwärtig feststellen läßt, sind mehr als 60 % der 623 000 Wohnungen, die im letzten Jahr gebaut worden sind, in den weißen Kreisen gebaut worden. Es wird in den weißen Kreisen ebenso gebaut wie in den schwarzen Kreisen. Herr Jacobi, wir sind dabei, das Defizit zu überprüfen. Ich kann hier allerdings ein Ergebnis mitteilen, das die „Studentenstädte" betrifft. Wir haben festgestellt, daß in den Studentenstädten Göttingen, Bonn, Köln und Aachen das Wohnungsdefizit besonders hoch war, und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß wir hier eine
Korrektur vornehmen sollten, die aber nicht in Richtung einer Verlangsamung des Abbaus der Wohnungszwangswirtschaft geht, sondern in Richtung der Beschleunigung.
Herr Minister, Herr Abgeordneter Hauffe möchte noch eine Frage an Sie stellen.
Bitte sehr.
Herr Minister, es ist Ihnen doch sicherlich bekannt, daß es sowohl Defizitberechnungen gibt, die stimmen, wie auch solche, die nach der einen oder der anderen Seite nicht stimmen. Sie kennen vielleicht das Ergebnis von Bayreuth, und ich erbitte Ihre Stellungnahme dazu, daß in Bayreuth nach den amtlichen Grundsätzen festgestellt wurde: Fehlbestand 32 Wohnungen, während nachher in Wirklichkeit weit über 1000 Wohnungen fehlen.
Meine Damen und Herren, die Haushaltsexperten drängen; aber ich muß die Frage beantworten. Bayreuth ist eine Stadt, die sozialdemokratisch geführt ist, und Bayreuth hat die Erhebungen selbst vorgenommen.
({0})
- Nach dem beschlossenen Gesetz durch die zuständigen Landesämter! Wenn die Erhebungen falsch sind, liegt es an der Stadt Bayreuth und nicht an meinem Gesetz.
({1})
Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn diese sechzehnte Beratung eines sehr wichtigen Etats dazu führen würde, daß sich die sozialdemokratische Opposition dazu bekennt, daß sie für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft eintritt, daß sie dafür auch auf der kommunalen Ebene und auch bei ihren Organisationen eintritt, und daß wir Schluß machen mit der Verunglimpfung in dieser wichtigen Frage, Schluß machen mit jenem nutzlosen Geschäft, mit der Angst und der Unwissenheit der kleinen Leute parteipolitische Geschäfte zu machen. Meine Damen und Herren, das lohnt sich nicht. Und wer mir nachsagt, daß ausgerechnet ich ein Kapitalist sei, wie es neulich von der Sowjetzonenpresse gesagt wurde - der „Aktionär Lücke" - dem muß ich immer wieder erklären: Ich habe in meinem Leben persönlich viel gearbeitet, ich komme aus einer Welt, die sehr wohl um den kleinen Mann weiß. Meine dringende Bitte an den DBG geht dahin, sich zu erinnern, was es bedeutet, den kleinen Mann irrezuführen. Hier muß für Aufklärung gesorgt werden. Wer dem kleinen Mann hilft, wird schließlich seine Stimme bekommen. Was bitter dem Mund, ist dem Herzen gesund, heißt ein alter Sinnspruch. Nur der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft hat dazu geführt, daß sich bei uns morgen und in den nächsten Jahren eine Wohnungsbautätigkeit im Rahmen eines modernen Städtebaus weiterentwikkeln wird, die alle Wohnungsbauleistungen im sozialistischen Schweden und in anderen soizalistischen Ländern übersteigen wird. Wir wollen mit den Sozialdemokraten diesen Weg erfolgreich fortsetzen, auch wenn es vorübergehend schwierig, ist. Ich bitte um Ihre Unterstützung.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekommen Sie keinen Schreck, es geht sehr schnell! Was ich zu sagen habe, ließ sich nicht am Fragemikrophon erledigen. - Sie haben wiederholt betont, Herr Minister, daß Sie darum bitten, sachlich zu bleiben, keine Unruhe zu stiften, die Leute nicht ängstlich zu machen. In Düsseldorf, wo CDU und SPD in edlem Wettstreit um den Wohnungsbau in unserer Stadt liegen, ist in der vergangenen Woche im Hauptausschuß das Wohnungsbauprogramm erörtert worden. Die Verwaltung hat dort mitgeteilt, das rechnerische Defizit nach dem Bund - ich will nicht sagen: nach Herrn Minister Lücke, sie haben es auch nicht so gesagt
- werde dann 2,8 % betragen. Wir werden also weißer Kreis.
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- In einem Jahr. Das tatsächliche Defizit, Herr Minister, - nicht mit der Absicht, Unruhe zu stiften; ich glaube kaum, daß Ihre Kollegen dort drüben bereit wären, die Unruhestiftung mitzumachen - wird in Düsseldorf in diesem Jahr, wenn wir alles das gebaut haben, was wir vorhaben, 9,7 % betragen! Was Herr Kollege Jacobi sagte, ist also berechtigt. Wollen wir uns doch endlich einmal damit beschäftigen, wie wir zu diesen komischen Zahlen kommen, die nicht stimmen! Darum geht es doch.
({1})
Ich schließe die Aussprache. -
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 563 ab. Wer dem Antrag zustimmt, gebe bitte Handzeichen! Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Einzelplan 25 nach dem Ausschußantrag ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der SPD angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf den Einzelplan 14 zurück. Als wir ihn behandelten, hat der Herr Abgeordnete Eschmann dem Abgeordneten Rasner, während ,er sprach, nach dem Stenographischen Protokoll zugerufen: „Schmutzfink!" Ich rufe den Abgeordneten Eschmann zur Ordnung.
Ich rufe auf Punkt 3 Buchstabe f) :
Einzelplan 26 Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({0}).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lemmrich als Berichterstatter,
Während der Haushaltsberatungen ist ,der Einzelplan 26 von 149,7 Millionen DM auf 262,2 Millionen DM ausgeweitet worden; das sind zirka 75 %.
Verursacht wurde dies im wesentlichen durch zwei Maßnahmen: die erste ist die Erhöhung des Ansatzes für die Heimkehrerentschädigung von 40 Millionen DM auf 80 Millionen DM in Auswirkung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vom 17. Juni 1964. Mit diesem ersten Betrag soll die Novelle, für die Mittel in einem Gesamtvolumen von 200 Millionen DM erforderlich sind, in drei Jahren realisiert werden.
Die zweite wesentliche Maßnahme ergibt sich aus dem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone und dem Sowjetsektor von Berlin. Im Haushaltsentwurf war ein Ansatz von 46,9 Millionen DM vorgesehen. Er wurde um 72,5 Millionen DM auf 149,4 Millionen DM erhöht, um die Verpflichtungen aus diesem Gesetz zu erfüllen. Es ist zu bedauern, daß der Bundesrat beim Flüchtlingshilfegesetz den Vermittlungsausschuß angerufen hat, weil dadurch das Wirksamwerden dieses Gesetzes verzögert wird. Hiervon werden besonders die alten Leute betroffen, deren Lebensunterhalt durch die Hilfsmaßnahmen verbessert werden soll. Insbesondere werden auch die für die Einrichtungshilfe vorgesehenen Maßnahmen verzögert, wodurch vorerst 310 000 Familien, das sind 900 000 Personen, eine Hilfe versagt bleibt.
({0})
Herr Abgeordneter Rehs hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur bei einem Titel des Einzelplans 26 einen Nagel einschlagen, und zwar bei Tit. 601, Zuschüsse zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebenen mid zur Förderung der kulturellen Bestrebungen der Flüchtlinge. Es wäre reichlich Anlaß unid auch mehr als an der Zeit, hierzu einige eingehendere Ausführungen zu machen, um dieses kulturell unid politisch umfangreiche und dringliche Kapitel erneut der Aufmerksamkeit deis Hohen Hauses gebührend nahezubringen. Aber da angesichts der Eisenbart-Kuren dieses Haushalts ohnehin keine Chance für Änderungsanträge bestünde, will ich mich dieses Mal noch auf einige wenige Bemerkungen beschränken.
Ich bin durchaus dafür, daß wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten auch bei der Erhaltung der großen Kulturdenkmäler der Menschheit engagieren. Der Untergang des Felsentempels von Abu Simbel im Stauwasser des Nils wäre sicher für die lebende Generation ein unrühmlicher Verlust. Ich wende mich also nicht gegen die 7 oder 8 Millionen DM, mit denen wir uns an der Rettung ides Kalabscha-Tempels beteiligt haben, auch wenn uns das von Herrn Nasser jetzt vor die Füße geworfen wird.
Aber ich sehe in Relation hierzu, was wir für die kulturellen Werte und Bestrebungen von rund
151/2 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen - rund einem Viertel der westdeutschen Bevölkerung - im Haushalt zur Verfügung stellen. 'Das sind, wie der Tit. 601 ausweist, im Jahr 1,75 Millionen DM. Das sind 25 % der Summe, die wir für das ägyptische Denkmal ausgegelben haben. Das heißt, vier Jahre sind erforderlich, um für die Aufgabe in Tit. 601 die Summe zu erreichen, die für das ägyptische Denkmal ausgegeben worden ist. Hier meine ich, sind die Proportionen nicht gewahrt.
Bereits im Jahre 1962 hatte der Bundesrat die Anhebung der Kulturmittel auf 2 Millionen DM gefordert. Es war mir sehr interessant, vorhin von Herrn Bundesminister Lücke zu hören, daß die Fachleute über den Betrag von 300 000 DM für Werbemöglichkeiten angeblich lächeln. Meine Fraktion hatte damals nur eine Anhebung um rund 400 000 DM beantragt. Der Antrag wurde von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Später ist dann die Anhebung auf diese 1,75 Millionen DM erfolgt. Und dabei ist es bis heute geblieben. Meine Damen und Herren, idas sind bei 15 Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen noch nicht einmal 20 Pf pro Person und Jahr.
Ich sagte, daß ich hier heute keine großen Ausführungen zu den Aufgaben machen will, die hinter diesem Titel stecken. Aber ich möchte doch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß es bei diesem Titel um mehr als etwa um die Befriedigung eigenbrötlerischer oder sentimentaler Bedürfnisse geht. Hier geht es um die Erhaltung 800 Jahre lang gewachsenen deutschen Kulturstrebens, 800 Jahre lang gewachsener geistiger und kultureller Substanz des deutschen Ostens, um die Sicherung ihres Bestandes, um die Bewahrung und Förderung der geistigen, schöpferischen Kräfte und, alles in allem, um ein Stück Selbstverwirklichung unseres Volkes.
Meine Damen und Herren, Sie kennen alle die Preisentwicklung und wissen, daß ein gleichbleibender Titelansatz für einen solchen Zweck nicht nur Stillstand, sondern eben infolge der steigenden Preise auch Rückgang bedeutet. Wesentliche, wertvolle Vorhaben haben infolge dieser Mittelenge im Vertriebenenministerium nicht gefördert werden können, 'sie haben zurückgestellt werden müssen. Andere haben bedenklich eingeschränkt werden müssen. Das kann nicht so bleiben. Daraus sollten nach meiner Überzeugung für die kommende haushaltspolitische Planung Folgerungen gezogen werden.
Hierauf das Hohe Haus bei dieser Gelegenheit mit allem Nachdruck hinzuweisen, lag mir am Herzen.
Herr Abgeordneter Dr. Rutschke möchte noch eine Frage an Sie stellen.
Bitte!
Herr Kollege Rehs, würden Sie bitte einmal im einzelnen aufzählen, welche Vorhaben nicht durchgeführt werden konnten und mit welchen Beträgen da etwa zu rechnen gewesen wäre? Könnten Sie da einmal etwas 'in die Einzelheiten gehen?
Bei Tit. 601? Herr Kollege, da müßte ich mir den Katalog besorgen. Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die wir lieber einmal persönlich zusammen mit dem Vertriebenenministerium durchgehen sollten. Sie wissen, daß wir über diese Fragen im Vertriebenenausschuß sehr eingehend gesprochen haben. Sie waren nicht anwesend.
({0})
Ich stehe gern mit Auskünften im einzelnen zur Verfügung. Aber es liegt nicht im Sinne meiner Ausführungen, jetzt mit einer solchen Bemerkung den entscheidenden Kern meines Sachanliegens zu beeinträchtigen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich, dem ich noch für seinen Bericht zu danken habe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Bundesetat 1963 waren für den Tit. 601 1 500 000 DM vorgesehen, im Jahre 1964 waren es 1 750 000 DM. Das machte eine Erhöhung von 250 000 DM aus. Derselbe Ansatz ist im Jahre 1965 ausgebracht worden. Es handelt sich 'bei diesem Titel um eine Aufgabe, die sowohl vom Bund als auch von den Ländern zu erfüllen ist. Ich möchte jedoch hier auch erklären, daß wir uns erst vor kurzem im Haushaltsausschuß mit einem entsprechenden Vorschlag der Bundesregierung befaßt haben, nämlich einer Vorlage für einen Zuschuß für das „Jahr der Menschenrechte", das der Bund der Vertriebenen durchführen will. Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, für diesen Zweck 500 000 DM zur Verfügung zu stellen. Die Koalition hat diesem Ersuchen stattgegeben und hat der Ausgabe von 500 000 DM zugestimmt. Eis wäre sicherlich erfreulich gewesen, Herr Kollege Rehs, wenn auch Ihre politischen Freunde sich dazu hätten entschließen können, dieser Ausgabe zuzustimmen.
({0})
Bis auf einen Kollegen sahen Sie sich anscheinend dazu nicht in der Lage, denn bei der Abstimmung enthielten Sie sich der Stimme.
Herr Abgeordneter Rehs hat das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, daß die Aufgaben, die mit dem besonderen Titel „Jahr der Menschenrechte" verbunden sind, nichts zu tun haben mit den laufenden Förderungsmaßnahmen gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes. Ihr Vorbringen ist also völlig abwegig; und da ich nicht annehmen kann, daß Sie darüber nicht orientiert sind, kann ich es nur als bewußte Entstellung ansehen, wenn Sie hier einen Zusammenhang herzustellen versuchen.
({0})
Zum zweiten will ich darauf hinweisen, daß das Ergebnis der Abstimmung im Haushaltsausschuß ausschließlich darauf zurückzuführen ist, daß bestimmte Fragen, die von meinen Kollegen dort an die Regierung gestellt worden sind, nicht sachgemäß beantwortet worden sind.
({1}) - Ich habe an der Sitzung nicht teilgenommen.
({2})
- Entschuldigen Sie, meine Herren, die Antwort darauf wird mein Parteifreund Max Seidel genauer geben, weil er dabei war.
Herr Abgeordneter Seidel hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier wird ja Polemik um der Polemik willen .getrieben - bis zum höchsten Exzeß.
({0})
Herr Lemmrich und die Mitglieder des Haushaltsausschusses wissen ganz genau, daß es sich bei dieser Frage um haushaltsrechtliche Probleme gehandelt 'hat. Der Herr Finanzminister hat dem Haushaltsausschuß, obwohl der Haushalt 1965 noch 'gar nicht verabschiedet ist, für das Jahr 1965 eine überplanmäßige Ausgabe in Höhe von über 500 000 DM vorgelegt.
({1})
Wir haben der Mehrheit vorgeschlagen, diese 500 000 DM bei Einzelplan 26 unterzubringen. Das haben Sie abgelehnt,
({2})
damit das Volumen von .63,9 Milliarden DM nicht erhöht wird.
({3})
Das ist der einzige Grund gewesen, warum sich unsere Mitglieder in der Mehrzahl der Stimme enthalten haben. Sie haben nämlich mit Recht darauf hingewiesen, daß hier versucht wird, haushaltsrechtliche Positionen mit einem Trick zu meistern. Das war die Situation im Haushaltsausschuß.
({4})
Herr Abgeordneter Seidel, Herr Abgeordneter Leukert möchte eine Frage an Sie stellen. Wollen Sie sie noch beantworten? Sie müssen es nicht.
({0})
- Dann hat der Abgeordnete Lemmrich noch einmal das Wort.
Herr Kollege Seidel, Sie haben erklärt, daß sich Ihre Freunde aus haushaltsrechtlichen Gründen der Stimme enthalten hätten. Ich muß Sie dann ernstlich fragen, warum Sie eigentlich als einziger der sozialdemokratischen Kollegen dafür gestimmt haben.
({0})
Im Zuge dieser Aussprache erwies es sich aus gewissen haushaltstechnischen Überlegungen als zweckmäßig, diese 500 000 DM als außerplanmäßige Ausgabe auszubringen. Es wurde alber in der Debatte auch deutlich, wo die Gründe der Enthaltung gelegen sind.
({1})
Wir haben uns sehr ausgiebig darüber unterhalten. Herr Kollege Seidel, Sie haben Ihre Ansicht zwar mit großer Vehemenz hier vorgetragen. Die Glaubwürdigkeit Ihrer Argumente ist dadurch nicht wesentlich besser geworden.
Wenn Herr Kollege Rehs sagt, die Menschenrechte hätten mit Kultur nichts 'zu tun, so bin 'ich der Meinung, daß hier ein Zusammenhang besteht, wenn wir die einzelnen vorgesehenen Maßnahmen betrachten.
({2})
- Herr Kollege Rehs, ich habe Sie nicht so angegriffen, wie sie mich hier attackiert haben. Ich lehne es auch ab, mich in diesem Ton zu unterhalten. Ich möchte jedenfalls feststellen, daß dieser Titel heißt: „Förderung der kulturellen Bestrebungen der Flüchtlinge". Ich meine, daß der Aufgliederung über die 500 000 DM, die uns im Haushaltsausschuß vorgelegt worden ist, in einigen der vorgesehenen Maßnahmen sehr wohl dieser Kulturförderung entspricht. Das wollte ich hier der Vollständigkeit halber erklärt haben.
({3})
Damit kann ich die Aussprache schließen.
Wir stimmen ab lber den Einzelplan 26 nach dem Ausschußantrag. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der SPD angenommen.
({0})
Ich rufe auf den
Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({1}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
({2})
- Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird eine Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 27
in der vorgesehenen Fassung zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der SPD-Abgeordneten angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend ({3}).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Krappe. Es wird kein mündlicher Bericht erstattet. Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Es soll keine Aussprache stattfinden, habe ich festgestellt. Ich kann darüber abstimmen lassen. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der SPD angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 30 Geschäftsbereich Bundesminister - Der Vorsitzende des Bundesverteidigungsrates ({4}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Müller ({5}) .
({6})
- Es wird auf den Schriftlichen Bericht verwiesen. Das Haus verzichtet.
Keine Aussprache; wir können abstimmen. Wer dem Einzelplan 30 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der SPD angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung ({7}).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Stoltenberg.
({8})
- Es wird auf den Schriftlichen Bericht verwiesen. Das Haus verzichtet auf einen weiteren Bericht
Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Dr. Bechert hat seine Ausführungen zu Protokoll gegeben.*) Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Frede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der vorgerückten Zeit sei es mir gestattet, zu diesem so wichtigen Haushaltsplan einige Bemerkungen zu machen, wenn wir auch keinen Änderungsantrag, keinen Antrag auf Erhöhung oder ähnlicher Art einbringen. Auf die §§ 8 und 9 des Haushaltsgesetzes werde ich allerdings später noch zu sprechen kommen.
Eine kritische Würdigung des Einzelplans 31 muß von den besonderen Gegebenheiten ausgehen, die
*) Siehe Anlage 4
sich auf dem Gebiete der Wissenschaftsförderung in den letzten Jahren herauskristallisiert haben. Sie sind u. a. dadurch gekennzeichnet, daß die Wissenschaftspolitik mehr und mehr in den Mittelpunkt der Gesamtpolitik rücken soll. Von hoher, höchster und allerhöchster Stelle ist ihr in mehrfachen Äußerungen ein besonderer Rang in der Skala der Prioritäten zuerkannt worden. Das berechtigt zu einigen Hoffnungen für die Zukunft. Ich sage: für die Zukunft; denn der diesjährige Etat hat doch weitgehend einen Zuschnitt, der sich nicht an den Forderungen des Morgen orientiert, sondern der, man kann wohl sagen, weitgehend Gegenwärtiges konserviert, insbesondere wenn man die vorgesehenen Kürzungen mitberücksichtigt und den diesjährigen Etat mit dem des vergangenen Jahres vergleicht. Das scheint mir nicht ganz in Einklang zu stehen mit dem bekannten Satz - der neuerdings in der Presse bekanntgeworden ist und der uns alle erfreut hat -, daß der Bildung und Wissenschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts der gleiche Rang zukomme wie der sozialen Frage im vorigen Jahrhundert.
Wir freuen uns, daß diese Erkenntnis offensichtlich auch in dem Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen zur Forschungsförderung ihren Niederschlag gefunden hat. Dieser Bericht wurde auf Beschluß des Hohen Hauses erstellt und von Sprechern meiner Fraktion mehrfach gefordert. Er wird uns in Zukunft noch wiederholt beschäftigen und soll hier nur insoweit erwähnt werden, als er mit dem konfrontiert werden muß, was der Einzelplan 31 bringt.
Der Forschungsförderungsbericht ging diesem Hohen Haus erst Ende Januar zu. Er war daher den Mitgliedern des Haushaltsausschusses noch nicht bekannt. Man darf auch annehmen, daß er den Angehörigen der Koalitionsparteien im Haushaltsausschuß noch nicht bekannt war, als jener bekannte Antrag eines Vertreters meiner Fraktion abgelehnt wurde, nämlich der Antrag, die Ansätze zur zusätzlichen Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft - Kap. 02, Tit. 600 - von den vorgesehenen Kürzungen nach §§ 8 und 9 des Haushaltsgesetzes auszunehmen. Wahrscheinlich werden wir nachher vom Herrn Kollegen Stoltenberg dazu noch einige Ausführungen hören; denn die Ablehnung dieses Antrags hat doch einigen Wirbel in der Offentlichkeit verursacht und einige Kritik hervorgerufen, an der wir nicht so ohne weiteres vorbeigehen können und die wir auch nicht bagatellisieren können. In seriösen Zeitungen waren Schlagzeilen wie „Lokomotive ohne Dampf" oder „Das Volk der Dichter und Denker will kein Volk von Dummköpfen werden" zu lesen. Sie kennen auch die bekannten Äußerungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz, in denen die Skepsis, ja Verärgerung, die in weiten Kreisen der Fachwelt über den Beschluß herrscht, zum Ausdruck kommt. Es heißt dort:
Wenn Verbände, die starke wirtschaftliche Interessen repräsentieren und sich auf Millionen von Wählerstimmen berufen, den Haushaltsausschuß des Bundestages veranlassen, viele hundert Millionen DM zu ihren Gunsten an anderen Stellen einzusparen, dann geraten die
wissenschaftlichen Einrichtungen in eine hoffnungslose Lage. Denn sie repräsentieren keine Wähler, sie besitzen keine „lobby". Die Forderungen, die sie stellen, betreffen nicht eigene wirtschaftliche Interessen, sondern die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft in der näheren und weiteren Zukunft, für die die Volksvertretung verantwortlich ist:
Meine Damen und Herren, das sind nicht meine Äußerungen, das ist einiges aus dem Beschluß der Westdeutschen Rektorenkonferenz.
Aber auch der Wissenschaftsrat hat gegen jenen Beschluß der Kürzung energisch protestiert. Er hat gebeten, von jeglicher Kürzung abzusehen.
Man wird vielleicht sagen, es handle sich gar nicht um eine Kürzung um etwa 81 Millionen, sondern um geringere Beträge. Aber wenn die Reduzierung so bedeutungslos wäre, weshalb hat sich denn der Herr Bundespräsident eingeschaltet - und er hat es offenbar getan -, weshalb hat er den Herrn Finanzminister bzw. das Forschungsministerium gebeten, sich doch einmal darüber zu äußern, wie man über diese Panne hinwegkommen könne. Wir bedauern, daß der Herr Bundespräsident sich einschalten mußte. Wir können es aber verstehen, daß er sich betroffen fühlte, da ja diese Haushaltspraxis zweifelsohne nicht zu vereinbaren ist mit dem Vorrang der Wissenschaftsförderung, den auch er wiederholt in öffentlichen Ansprachen betont hat.
Nun, ich will hier auf das Manipulieren mit Zahlen nicht eingehen. Herr Stoltenberg wird bestimmt nachher nachweisen, daß es gar nicht so viele Millionen sind, sondern nur einige, vielleicht sogar gar keine. Wir haben uns darüber gefreut, wir hätten uns aber noch mehr darüber gefreut, wenn das gleichzeitig und rechtzeitig in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht worden wäre. Dann wären die Mißverständnisse oder die Bedenken, von denen ich eben sprach, gar nicht hoch gekommen. Bedenklich scheint mir allerdings zu sein, daß die Bundesregierung sich in diesen Verhandlungen bemüßigt fühlte, auszugleichen, was hier entstanden ist. Ich meine, es ist Sache des Parlaments, hier eine klare Entscheidung zu treffen, und so hoffe ich, daß das Hohe Haus dann in seiner Mehrheit unseren Antrag zustimmen wird, der von meinem Kollegen Seidel noch kurz begründet werden wird, den Antrag zu den §§ 8 und 9 des Haushaltsgesetzes, hier alle Ansätze zur zusätzlichen Förderung dringender Bedürfnisse in der Wissenschaft von den vorgesehenen Kürzungen auszunehmen. Ich verweise auf Drucksache IV/567. Meine Damen und Herren, ich darf das insbesondere deshalb betonen, weil der von mir schon zitierte Kollege Stoltenberg - im vorigen Jahr hatten wir ja eine ähnliche Situation - sich sehr positiv darüber geäußert hat, daß es 1964 möglich gewesen war, alle Sperrvermerke zu beseitigen, weil nämlich 1963 sehr erhebliche Schwierigkeiten in der Vergabe der Mittel entstanden sind. Sie haben damals gesagt:
Wir haben damit eine Unsicherheit beseitigt,
die - das muß eingeräumt werden - in den
beutscher Bundestag - 4. Wahlperiode Dr. Frede
Vorjahren gewisse Schwierigkeiten gebracht hat, und wir haben damit sichergestellt, daß der Betrag von 250 Millionen DM, so wie es die Wissenschaft wünscht, auch in vollem Umfange jetzt zur Verfügung steht.
Warum sollte nicht auch in diesem Jahr möglich sein, was im vorigen Jahr möglich gewesen ist? Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß hier eine besondere Situation im Einzelplan 31 vorliegt insofern, als alle Ansätze, alles, was wir dort im Voranschlag bringen, auf Grund einer sehr eingehenden Vorprüfung wissenschaftlicher Gremien der verschiedensten Art, die ich hier wegen der vorgerückten Zeit nicht zitieren will, vorgeschlagen, geprüft und erst dann in die Etatansätze bei den internen Verhandlungen der Ministerien eingebracht worden ist und daß sich dann schließlich das Forschungsministerium gefallen lassen mußte, daß man in einem sehr wichtigen Titel, nämlich dem von mir genannten Tit. 02, schließlich auf eine Summe kam, die weit hinter dem zurücksteht, was das hierfür entscheidende Gremium, nämlich der Wissenschaftsrat für erforderlich hält.
Der Wissenschaftsrat hat in diesem Jahre entsprechend dem Länderanteil zur Hälfte 575 Millionen DM vorgeschlagen. Demgegenüber stehen 300 Millionen, die aufgebracht worden sind und die jetzt noch gekürzt werden sollen, aber hoffentlich nicht gekürzt werden. Das bedeutet, daß auf die Seite der Länder eine immer höhere Belastung zukommt. Das bedeutet aber auch, daß gegenüber dem Vorjahr eine Gesamterhöhung erfolgt ist, die etwa 25 % beträgt. Gegenüber 884 Millionen DM der Gesamtausgaben von Bund und Ländern für die Wissenschaftsförderung haben wir jetzt 1150 Millionen DM als erforderlich angesehen. Damit verlagert sich das Schwergewicht, das wissen Sie, mehr und mehr auf die Länder und das in einer Zeit, wo deren Einnahmen durch gewisse Steuergesetze, die ich hier nicht zu zitieren brauche, weiter gekürzt werden und sie in ihren finanziellen Möglichkeiten weiter beengt sind. Die Folge ist natürlich - und das wird auch vom Ministerium klipp und klar gesagt -, daß durch solche Einschränkungen die wissenschaftlichen Bauten in dem bisherigen Umfang nicht weiter durchgeführt werden können, daß man einige strecken muß. Gewisse Bauten müssen vielleicht sogar stillgelegt werden. Wenn die Länder nicht einspringen können, wird das auf jeden Fall so sein, und das ist schon bedenklich. Bereits im dritten Jahre, Herr Stoltenberg, kann das Forschungsministerium keine Neubauten der wissenschaftlichen Hochschulen mehr finanzieren, sondern nur noch Fortsetzungsbauten.
({0})
Neue Vorhaben müssen grundsätzlich von den Ländern finanziert werden, und damit wird der von den Ländern aufzubringende Anteil mehr und mehr größer, während wir doch ursprünglich von der Tatsache ausgingen, daß das Verhältnis von Länderanteil und Bundesanteil 50 zu 50 sein sollte. Ich will das jetzt wegen der vorgerückten Zeit nicht vertiefen, sondern nur noch auf eines hinweisen.
Wir haben hier eine steile Progression zu erwarten, wenn wir den Forschungsbericht, den wir vor uns haben, ernst nehmen - ich hoffe, daß das alle tun - und dazu auch noch den Bericht der Bundesregierung berücksichtigen. In diesem Bericht werden die Aufwendungen der vergangenen vier Jahre und die Aufwendungen der künftigen drei Jahre nebeneinander gestellt. Ich habe mir die Mühe gemacht, diese Summe zu addieren und auf einen Durchschnitt pro Jahr zu bringen. Dann kommt man genau dahin - was auch in der Offentlichkeit bekannt ist -, daß man bei den Ländervorhaben im kommenden Haushaltsjahr mit einer Verdoppelung rechnen muß. Sollte man nicht sinnvollerweise die Kurve langsam ansteigen lassen? Auf diese Weise könnte man verhindern, daß Forderungen vor uns stehen, die zu erfüllen in der Tat schwierig sein würde. Sie gehen nämlich weit über das Ansteigen des Bruttosozialproduktes hinaus, was ja jedem Kenner bekannt ist.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort über die Neugründungen sagen. Wir wissen, daß jetzt vom Haushaltsausschuß der Leertitel mit einer Bindungsermächtigung ausgebracht worden ist. Wir hätten es lieber gesehen, wenn in der Höhe, in der konkrete Anträge vorliegen - nämlich für die Medizinischen Akademien Hannover und Lübeck -, die Summe von etwa 18 Millionen DM als Barmittel ausgebracht worden wäre. Wir hoffen, daß es trotzdem möglich sein wird, mit den Bindungsermächtigungen, die der Haushaltsausschuß beschlossen hat, die Bedürfnisse dieser beiden Vorhaben zu befriedigen; wir hoffen, daß noch einige im Laufe des Jahres hinzukommen werden.
Meine Damen und Herren, trotz gewisser Bedenken, die wir haben, wird meine Fraktion dem Einzelplan 31 zustimmen, nicht nur aus allgemeinen Erwägungen, sondern insbesondere darum, weil wir hier sehr deutlich das Bemühen des Bundesforschungsministeriums spüren - auch dargelegt durch den Bericht und durch verschiedene andere Maßnahmen und Wünsche, die zum Ausdruck gekommen sind -, das zu realisieren, was mit den von mir eingangs zitierten Worten und Überlegungen Allgemeingut geworden ist - zumindest sein sollte.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der teilweise sehr erregten und, wie ich glaube, etwas überspitzten öffentlichen Diskussion haben wir doch wohl einen maßvollen abgewogenen kritischen Beitrag gehört, der sogar in der für uns alle überraschenden und erfreulichen Mitteilung gipfelte, daß Sie diesem Etat zustimmen werden. Das ist natürlich nach der Erklärung, die Herr Mommer für ein ablehnendes Votum zu einem anderen Etat gegeben hat, eine Auszeichnung, zu der man den Bundesforschungsminister, aber vielleicht auch die Mehrheit des Hauses, die den Etat in dieser Fassung vorgelegt hat, beglückwünschen kann.
Ich freue mich darüber um so mehr, als diese Diskussion, von der Sie gesprochen haben, Herr Kollege Frede, über diese Titel 600 und 601 - Förderung der Wissenschaft - leider in der Offentlichkeit ganz falsche Eindrücke hervorgerufen hat; es wurden ganz falsche Zahlen genannt. Auf Grund dieser falschen Zahlen wurden Anschuldigungen gegen den Haushaltsausschuß erhoben, die wir nur auf das äußerste bedauern können. Ich glaube, man sollte, nachdem der Versuch der Richtigstellung, den wir unternommen haben, doch nicht überall durchgedrungen ist, zunächst noch einmal sagen, was hier nun eigentlich vorliegt, worum es bei diesen Titeln geht.
Die Ansätze sind im Ausschuß nicht verringert worden; es sind 300 Millionen DM für den Ausbau der Hochschulen vorgesehen. Herr Kollege Frede, Sie haben mit Recht auf die wichtige Entscheidung hingewiesen - dafür bin ich auch dankbar -, die wir beantragt und die wir dann gemeinsam getroffen haben, nun nicht nur einen Leertitel vorzusehen, sondern in die Förderung neuer wissenschaftlicher Hochschulen - sagen wir der Medizinischen Akademien - hineinzusteigen. Diese Entscheidung ist viel wichtiger als die 50 Millionen DM. Daß diese 50 Millionen DM nur eine erste Rate in einer Bindungsermächtigung sind, ist ganz klar. Das wird in die Hunderte von Millionen hineinsteigen. Damit haben wir uns hier gleichsam zum Vorreiter einer Entwicklung gemacht, die aus den bekannten Gründen in den Länderabkommen über die neuen Hochschulen bisher nicht einsetzen konnte, nicht vorankam. Es freut mich, daß der Sprecher der Opposition diese Sache gewürdigt hat, nachdem wir in der öffentlichen Diskussion überhaupt nichts von diesen Dingen gehört haben. Es geht also in dieser Kontroverse in der Offentlichkeit um das Haushaltsgesetz.
Was ist nun eigentlich beschlossen worden? Zunächst einmal - und darin liegt einer der Irrtümer derer, die hier laut protestiert haben - hat die Regierung selbst im Mai 1964 bereits zur allgemeinen Deckung eine fünfprozentige Kürzung beschlossen, die überhaupt keine Proteste hervorgerufen hat. Wir haben in der Schlußabgleichung diese 5 °/o aus den Ihnen bekannten Gründen der allgemeinen Schwierigkeiten der Deckung auf 7 % erhöht. Das sind bei diesem Titel 6 Millionen DM. Dann haben wir bei § 9 eine neue Fassung für die Bausperre gewählt. - Herr Kollege Hermsdorf?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hermsdorf?
Bitte!
Herr Kollege Stoltenberg, meinen Sie nicht, daß das eine widersprüchliche Haltung ist, wenn Sie an demselben Tag, an dem Sie den Bericht Ihrer Regierung vorlegen und fordern, daß die Leistungen für Wissenschaft und Forschung verdoppelt werden, gleichzeitig eine siebenprozentige Kürzung der noch nicht ausreichenden Leistungen vornehmen?
Ich habe Ihnen gerade klargemacht, Herr Hermsdorf, daß wir diese 5 °Io als Grundlage des Regierungsentwurfs hatten. Uns können Sie, wenn Sie das wollen, bestenfalls die 2 % anlasten; das sind 60 Millionen DM. Dem stehen allein bei den Medizinischen Akademien 50 Millionen DM an zusätzlichen Verpflichtungsmöglichkeiten gegenüber. Das darf man nicht übersehen, wenn man die Dinge in die richtige Relation bringen will.
Nun haben wir bei § 9 - das ist richtig - aus Gründen der Haushaltsdeckung den ganzen Ausgabenkatalog der Regierung ziemlich gestrichen, jedenfalls auf dem Gebiet ,des Hochbaus, aus haushaltspolitischen Gründen, in gewissem Sinne auch aus konjunkturpolitischen Gründen. Aber Iwir haben in der Schlußberatung im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium, das uns Formulierungshilfe geleistet hat, diesem § 9 bewußt einen neuen Satz hinzugefügt, einen Satz, der faktisch den Tit. 600 von der Bausperre ausgenommen hat. Das ist der berühmte Satz:
Ist ein Ansatz zu mehr als 60 v. H. durch rechtliche Verpflichtungengebunden, so sind die Mittel nur in Höhe von 50 v. H. des ungebundenen Teils des Jahresansatzes gesperrt.
Natürlich muß man einen solchen Satz auf seine Auswirkungen hin zwei- bis dreimal lesen und diskutieren, ,bevor man ihn versteht. Aber ich plädiere dafür, daß man solche Sätze und Bestimmungen genau liest, bevor man in' der Offentlichkeit Kritik übt, Protestresolutionen faßt oder vielleicht auch wissenschaftliche Institutionen nicht ganz zutreffend unterrichtet.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dr. Frede?
Herr Kollege Stoltenberg, betrachten Sie also diese in ,den Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern vorgesehene Beteiligung des Bundes von 250 Millionen DM als rechtliche Verpflichtung?
Wir haben uns in den Beratungen darauf geeinigt, daß wir sie als eine solche ,ansehen wollen, auch wenn es in einer rein theoretisch-juristischen Betrachtung 'zweifelhaft sein kann. Aber idiese Sache ist in der Interpretation - in einer der Wissenschaft freundlichen Interpretation, glaube ich sagen zu können, Herr Kollege Hermsdorf - zwischen uns nicht strittig gewesen. Sie war am 29. Januar 'klar, bevor diese ganze Welle der Proteste 'auf Grund von falschen Zahlenangaben einsetzte. Wir haben auf dieser Grundlage der 6 'Millionen - und dann der 4 Millionen, die von ,der Sperre erfaßt werden -nur mit äußerster Verwunderung in den Schlagzeilen derdeutschen Zeitungen und in den Eingaben, die Sie zitiert
haben, gelesen, 'daß 81 oder 71 Millionen DM ,gekürzt werden sollen. Man kann des nur mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, auch daß diejenigen, die diese Anschuldigungen erhoben haben, es nicht für richtig gehalten haben, das richtigzustellen.
Nun ist uns in den letzten Tagen eine zweite Überraschung zuteil geworden. Nachdem wir die Sache klargestellt hatten, haben wir Meldungen gelesen, die wieder in die Irre führten. In großen Wochenzeitungen, ,der „Zeit", dem „Sonntagsblatt" usw., istand, erst die Proteste hätten zu dieser neuen, verbesserten Lösung geführt. Das ist eine ganz sonderbare Sache. Der Ausschuß hat sich überhaupt nicht damit befaßt. Er hat am 29. Januar einen Beschluß gefaßt, der gilt. Die Proteste haben zu keiner neuen Beratung und zu keiner Neufassung geführt. Darin wird schon das Absurde der neuen Interpretation sichtbar, die ich nur als ein wenig erfreuliches Nachhutgefecht derer ansehen kann, die sich durch falsche Behauptungen zu Lasten des Parlaments und des Haushaltsausschusses ins Unrecht gesetzt haben.
Ich möchte diese Debatte nicht fortsetzen, sondern nur ein Resümee ziehen. Wir haben in diesem Jahr in Tit. 600 275 Millionen DM bzw., wenn der Bundesfinanzminister die 4 Millionen freigibt, 279 Millionen DM statt 250 Millionen DM. Das entspricht bezüglich der Steilheit der Kurve nicht den Wünschen, die aus der Wisisenschaft laut geworden sind. Aber das ist ja leider unser Schicksal in diesem Jahr gewesen, daß wir auf der ganzen Linie - die Debatte zeigt es - hinter den Wünschen zurückbleiben. Wir haben aber auf der Haben-Seite die ganz wesentliche positive Entscheidung, daß der Bund jetzt die Förderung der Medizinischen Akademien in Angriff nimmt, ohne die langwierigen Verhandlungen mit den Ländern abzuwarten. Das scheint mir ein ausgesprochener Pluspunkt in der Ausschußfassung zu sein, die Ihnen vorliegt.
Wir haben zum dritten die Absicht, den Bundesfinanzminister in einer Entschließung zur dritten Lesung zu bitten, die Differenz zu den vorgesehenen 300 Millionen DM, die im Haushalt stehen, zu dekken, falls zusätzliche Einsparungen an anderen Stellen beim Abfluß der Mittel erfolgen. Das ist eine Entscheidung, die der Finanzminister dann treffen kann, wenn er den Abfluß der Mittel in der ganzen Breite des Einzelplans und des Etats verfolgen kann.
Ich glaube, mit dieser Bilanz können wir dem Hohen Hause die Annahme des Etats empfehlen, nicht, Herr Kollege Frede, weil jetzt alle Wünsche erfüllt sind, nicht weil alles Erstrebenswerte erreicht ist, sondern weil wir reale Verbesserungen gegenüber einer ganz falschen Darstellung in der Offentlichkeit vorzeigen können. - Bitte!
Herr Kollege Stoltenberg, die Öffentlichkeit wird dennoch, glaube ich, interessieren, wie hoch die Kürzungen des Tit. 600 nach den von Ihnen vorgebrachten Berechnungsgrundlagen sind.
Ich habe es schon gesagt. Sofort stehen 275 Millionen DM zur Verfügung, durch die Freigabe der Bausperre 279 Millionen DM, während nach der Regierungsvorlage, 'die überhaupt nicht kritisiert worden ist, 285 Millionen DM zur Verfügung standen. Die größere Kürzung, die durch die 5 %ige Bausperre ausgelöst wurde, hat kein Wort der Kritik hervorgerufen. Aber die 6 plus 4 Millionen haben dieses ganze Geschrei ausgelöst; so möchte ich ,es hier einmal mit einem etwas unakademischen Ausdruck bezeichnen. - Herr Kollege Lohmar!
Herr Kollege Stoltenberg, meinen Sie nicht, daß Sie besser beraten wären, wenn Sie die Proteste aus der Offentlichkeit, über die Sie sich hier 'so etwas herablassend geäußert haben, als eine Hilfe auch gegenüber dem Parlament werten würden und wenn wir davon ausgehen würden, daß sich der Wissenschaftsrat in seinen Vorschlägen nur mit großen Bedenken mit den 300 Millionen DM einverstanden erklärt hat?
Herr Kollege Lohmar, ich bin für jede kritische Betrachtung dankbar, wenn sie auf richtigen Fakten, auf den Grundlagen der Klarheit und Wahrheit der Analyse beruht. Das scheint geradezu ein Kennzeichen der wissenschaftlichen Diskussion zu sein.
({0})
Daß das hier nicht geschehen ist, glaube ich in diesem Punkt im Einvernehmen mit Herrn Frede - ich beziehe mich auf seine Ausführungen - genügend deutlich nachgewiesen zu haben. Deshalb müssen Sie die etwas schärfere Sprache, die wir hier führen, schon verstehen; denn ich glaube, daß diese Art der Diskussion zu einer Verwirrung der Offentlichkeit führt, in der eine sachliche Etatdebatte überhaupt nicht mehr möglich ist.
Ich möchte ein letztes sagen. Herr Frede hat eine Grundsatzfrage berührt, die wir heute nicht behandeln können. Es gibt in der Tat einen grundsätzlichen Dissens in 'der Betrachtung zwischen den wissenschaftlichen Organisationen und der Mehrheit zumindest dieses Hauses. Das ist gar nicht ganz un-polemisch, weil man die Dinge verschieden .sehen kann. Die wissenschaftlichen Organisationen gehen davon aus - und auch Sie, Herr Frede, gingen in Ihren Darlegungen davon aus -, daß wir eine Rechtsverpflichtung oder zumindest eine politische Verpflichtung haben, überall beim Ausbau der vorhandenen Hochschulen die feste Grenze von 50 % einzuhalten. Darauf basieren nämlich die Zahlen, die Sie vortragen. Wir sind dieser Auffassung nicht. Die geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen entsprechen dem nicht. Seit fünf Jahren haben wir im Haushalt den Vermerk, daß sich der Bund im Rahmen der verfügbaren Mittel bis zu 50 % an dieser Länderaufgabe beteiligt. Nach unserer staatlichen Organisation sind die Hochschulen nun einmal Einrichtungen der Länder. Die Länder tragen die primäre Verantwortung, und der Bund gibt auf Grund der besonderen Bedeutung 'dieser Aufgabe eine ergänzende Hilfe, wobei wir mit Ihnen hoffen, daß die Summe wie in diesem Jahr von Jahr zu Jahr steigen wird. Von uns kann aber nicht der
8404 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 167. Sitzung. Botin, Mittwoch, den 24. Ferbruar 1965
Sprachgebrauch akzeptiert werden, daß die Länder „einspringen" müssen. Die Länder müssen nicht einspringen, wenn sie ihre staatlichen Aufgaben wahrnehmen. Der Bund gibt vielmehr eine ergänzende Hilfe, die die Länder soweit wie möglich entlasten soll und ein Mehr an gemeinsamer Leistung erbringen soll. Das ist das Ziel, das wir mit den verbesserten Ansätzen des Jahres 1965 erreichen wollen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die beiden Vorredner sehen die ganze Situation als schwieriger an, als sie wirklich ist. Zunächst möchte ich einmal sagen, daß keineswegs nur der Staat, nur der Bund, nur die Länder an der Wissenschaft und an der Forschung arbeiten. Aus dem Bericht des Wissenschaftsministeriums dürfte hervorgehen, daß auch die Wirtschaft ihren Teil dazu tut. Hier reden wir natürlich in erster Linie vom Bundesetat und klagen wohl allgemein, daß an diesem von uns allen sehr geschätzten Titel Abstriche vorgenommen werden mußten. Ich meine aber doch, daß wir die Dinge gerade wegen dieser Proteste in der Offentlichkeit, ich möchte sagen: vergrößert sehen. Der Forschungsrat, der Wissenschaftsrat, die Rektorenkonferenz sind natürlich Gremien von bedeutenden Persönlichkeiten, und wenn diese eine Kritik aussprechen - ich wage das zu sagen -, wiegt sie natürlich bedeutend mehr, als wenn irgendein Kegelklub oder sonst ein Verein einen Protest erhebt.
Die Kürzung um 25 Millionen DM, von der wir sprechen, ist natürlich unangenehm.
({0})
- Gut, ich will es gerne wiederholen: bei 2,5 Milliarden DM Gesamtleistung. Ich will es dann ausrechnen: ungefähr 1 %. Wir wollen uns aber doch darüber im klaren sein: So unangenehm diese Kürzung ist, würden wir uns doch sehr glücklich schätzen, wenn die Kürzung bei allen Etats so klein sein könnte.
({1})
Ich möchte aber noch auf etwas Grundsätzliches kommen. Die Zeit ist spät; ich weiß es. Aber ich kann es deswegen dem Hohen Hause doch nicht ersparen, daß ich einiges zu den Dingen sage, die von entscheidender Bedeutung sind. Hier ist in erster Linie von der Kürzung des Tit. 600 gesprochen worden. Wir müssen nicht nur den Etat aufstocken, von dem wir jetzt gesprochen haben, sondern vor allen Dingen auch die Ausgaben für die Forschung auf den modernen Gebieten. Die Amerikaner sagen: big sciences. Ich spreche von Weltraum, ich spreche von Atom. Dieser Punkt ist meines Wissens in der Debatte noch nicht erwähnt worden. Diese beiden Dinge sind entscheidend für unsere Zukunft. Deshalb möchte ich zu ihnen noch etwas sagen.
Der Atomausschuß hat vor drei Jahren dem Hohen Hause einen Plan überreicht, der langsam seiner Vollendung entgegensieht. Er wird noch eine ganze Menge Geld kosten. Wir haben bisher in Deutschland nur ein einziges Versuchskraftwerk, während man in England, in Frankreich, in Amerika eine ganze Reihe gebaut hat. Ich möchte deshalb der Erwartung Ausdruck geben - ich möchte das einmal am Bruttosozialprodukt messen -, daß in Zukunft etwas geschieht, daß Bund, Länder und Wirtschaft zusammen für diese Dinge wesentlich mehr tun.
Ich möchte hier einmal ganz offen sagen: Staat und Wirtschaft haben, soweit das aus dem Bericht des Ministeriums hervorgeht, nach vorläufiger Berechnung nur 7,9 Milliarden DM für die Forschung aufgebracht. Das ist ein Anteil von 1,9 %. am Bruttosozialprodukt. Der Anteil beträgt in Großbritannien 2,4 %, in den Vereinigten Staaten sogar 3 %, wobei unerfindlich und nicht zu klären ist, wieviel noch aus dem Verteidigungsetat dazu kommt.
({2})
- Nein, das ist zum größten Teil nicht darin. Soviel kenne ich davon. Die 3 %, die das Wissenschaftsministerium für das Jahr 1970 genannt hat, werden nach meiner Auffassung nicht ganz ausreichen. Wir werden also - ich möchte das unterstützen, was von 'den Vorrednern gesagt worden ist - in Zukunft eine ganze Menge mehr tun müssen.
Ich möchte noch kurz erwähnen, daß wir auch die Weltraumforschung nicht ganz nebensächlich behandeln dürfen. Ich habe mit Vergnügen gehört, daß die Bundesregierung sichergestellt hat, daß die Entwicklungsarbeiten an der ELDO-Rakete fortgesetzt werden können. Die dafür erforderlichen Mittel will die Bundesregierung bereitstellen. Ich hoffe, daß sie nicht aus einer anderen Position des Wissenschaftsministers kommen; sie müssen woanders herkommen.
({3})
- Ich möchte es gern wissen; aber ich bin nicht der Finanzminister, und ich 'bin auch nicht der Experte, der den ganzen Haushalt durchleuchtet; ich weiß nur, daß Weltraumforschung und Reaktorforschung notwendig sind, wenn wir die moderne Industrienation bleiben wollen, die wir Gott 'sei Dank bis heute sind.
({4})
- Bitte!
Herr Kollege, ich bin geneigt, jetzt zu fragen: Was hat Ihre Fraktion denn in diesem Jahr dafür getan, daß das Atomprogramm mit der Steigerungsquote versehen wurde, die im Atomprogramm liegt, nämlich bis zu 20 %? Zweitens: Ist Ihnen nicht bekannt, daß in der nationalen Weltraumforschung statt der vorgesehenen 120 Millionen DM nur 65 Millionen DM ausgebracht sind, und was haben Sie bzw. Ihre Fraktion getan, damit hier die Anforderungen erfüllt werden, die man für erforderlich hält?
Wir bzw. unsere Fraktion haben alles getan, um im Rahmen
Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode Dr. h. c. Menne
des Möglichen den Etat für Forschung und Wissenschaft so hoch zu halten, wie es eben ging.
({0})
- Es ist nicht unsere Schuld, Herr Kollege, daß in diesem Hohen Hause manche Beschlüsse gefaßt worden sind, die die Mittel im Haushalt verkürzt haben. Ich will nicht darauf eingehen, sonst könnten wir eine sehr lange Diskussion haben. Es liegt doch daran, daß die Anforderungen höher sind als das, was der Bundeshaushalt augenblicklich zur Verfügung hat.
Ich möchte aber etwas anderes sagen. Ich möchte dem Bundeswissenschaftsminister oder Forschungsminister - man wirft das ja allmählich durcheinander - für den Bericht danken, den er uns gegeben hat. Dieser Bericht sagt uns endlich einmal, was eigentlich los ist, und wir können meiner Meinung nach auf Grund dieses Berichts in Zukunft unsere Planung sehr viel sorgfältiger machen, als das bisher möglich war. Dieser Bericht ist eine Leistung,' für die wir dankbar sein sollten.
({1})
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich glaube, daß der Herr Vertreter des Wissenschaftsministeriums das gern gehört hat. Was ich jetzt sage, wird er weniger gern hören. Ich möchte im Namen meiner Fraktion beantragen, daß dieser Bericht jährlich erstattet wird - wenn Sie wollen, ähnlich wie der Grüne Plan -, damit wir sehen können, wie die Dinge weiterlaufen,
({2})
damit wir ihnen folgen und sie beeinflussen können.
({3})
- Oder alle zwei Jahre; ich bin großzügig.
Nun möchte ich aber noch sagen, daß ein anderer Punkt, der nicht so zum Ausdruck gekommen ist, uns sehr viel Sorgen macht, der naturwissenschaftliche Unterricht in den höheren Schulen. Ich bin zwar kein Naturwissenschaftler, habe aber aus Gründen, die Sie sich denken können, sehr viel damit zu tun. Wir sehen mit Sorge, daß das Saarbrücker Abkommen zwischen Bund und Ländern dazu geführt hat oder dazu führen wird, daß der naturwissenschaftliche Unterricht schon in einer Zeit eingestellt wird, wo der Jugendliche noch gar nicht weiß, welchen Beruf er ergreifen soll.
({4})
Ich möchte den Appell an Sie richten, dafür zu sorgen, daß der naturwissenschaftliche Unterricht in den höheren Schulen - durch die Länder geht das natürlich - bedeutend ausgebaut wird und daß er in die obersten Stufen hineinkommt. Denn sonst dürfen wir .uns nicht wundern, wenn wir nicht mehr genügend Naturwissenschaftler, die die Basis für unseren technischen Fortschritt sind, finden.
Herr Abgeordneter Dr. Lohmar möchte eine Frage an Sie stellen.
Bitte!
Herr Kollege, darf ich auf Ihre vorletzte Bemerkung zurückkommen. Sie haben gesagt, der Bundesforschungsbericht habe uns endlich mit den Tatsachen hinlänglich vertraut gemacht. Muß ich daraus entnehmen, daß Ihre Fraktion erst durch den Bundesforschungsbericht über die Notlage in der deutschen Forschung unterrichtet worden ist?
({0})
Sie werden nicht bestreiten wollen, daß dieser Forschungsbericht, der natürlich erst ein Anfang ist, ein außerordentlich gut durchdachter Bericht ist. Ich möchte wissen, in welchem anderen Land Sie einen solchen Bericht bekommen können.
({0})
- Wo denn?
({1})
- Nein, das stimmt nicht, ich kenne die Berichte.
,({2})
Herr Abgeordneter Dr. Menne, wollen Sie einen Antrag stellen, über den wir heute abstimmen sollen?
({0})
Ich schließe die Aussprache. Wir stimmen über den Einzelplan 31 in der Ausschußfassung ab. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung ({1}).
Es liegen vor die Berichte des Herrn Abgeordneten Windelen und der Frau Abgeordneten Krappe. Mündlicher Bericht wird nicht begehrt. Ich danke den Berichterstattern.
Dais Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht. Wir stimmen dann über den Einzelplan 60 in der Fassung des Ausschusses ab. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion angenommen.
Ich rufe auf
Haushaltsgesetz 1965 ({2}). ({3})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Schoettle. - Er nimmt auf seinen vorliegenden Bericht Bezug.
Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe § 1 'bis § 7 auf. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe § 8 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 567 *) vor. Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Müller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe für meine Fraktion den Teil des Änderungsantrages auf Umdruck 567 zu 'begründen, der sich mit der Aufhebung der Kürzung der Mittel für Tiefbaumaßnahmen des Küstenschutzes im Einzelplan 10 befaßt. Es handelt sich hierbei um die in Kap. 10 02 Tit. 619 a und b ausgebrachten 146,5 Millionen DM, die um 7 % gleich 10 255 000 DM gekürzt worden sind. Dies sind die Mittel, die auf Grund der Erkenntnisse nach der Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 für Maßnahmen zur Verstärkung und Erhöhung der Deiche bereitgestellt werden. Vielleicht hat die Bezeichnung „Tiefbaumaßnahmen des Küstenschutzes" dazu geführt, daß die tatsächliche Bedeutung dieser Aufgabe verkannt worden ist. Aber an warnenden Stimmen, hier nicht zu kürzen, hat es nicht gefehlt. Ich erinnere an die Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers an dieser Stelle am Donnerstag der letzten Woche, der hierzu sagte, hier gebe es Grenzen, die nicht weiter überschritten werden dürften, und er meinte, daß eine Kürzung der Mittel im Hinblick auf die Flut vor zehn Tagen nicht mehr zu verantworten sei. Ich muß Sie deshalb mit der Wirklichkeit konfrontieren, und diese heißt: Herstellung der Landessicherheit. Die Landessicherheit ist für Millionen unmittelbar 'betroffener Menschen an der gesamten Nordseeküste lebenswichtig.
Wer die Landschaft und die Menschen dort kennt, weiß, daß das alte Wort „Wer nicht will deichen, muß weichen" eine Bedeutung bekommen hat, die auch in diesem Hohen Hause in keiner Weise unterschätzt werden darf. Ich erinnere an die Opfer und die Schäden der Februarflut von 1962. Ich erinnere an die gemeinsamen Anstrengungen und Leistungen zur Beseitigung der Schäden. Ich erinnere an die großen Leistungen, die der Erhöhung der Sicherheit dienen.
Es ist müßig, darüber zu rechten, wer letzten Endes verantwortlich ist, die Länder oder die Deichverbände. Das Volk an der Küste blickt in diesen Tagen nach Bonn. Für Fragen der Landessicherheit ist und bleibt die Bundesrepublik, dieser Bundesstaat zuständig und verantwortlich.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in der Fragestunde am 10. Februar erklärt, daß die Landessicherheit nach den Erkenntnissen aus der Sturmflut von 1962 erst dann hergestellt ist, wenn ein Bauprogramm mit insgesamt 2,2 Milliarden DM durchgeführt sein wird. Er hat weiter auf Befragen erklärt, daß die Länder ihre übernommenen Verpflichtungen voll und ganz erfüllt haben. Ebenfalls erfüllt haben ihre Verpflichtungen die Deichpflichtigen. Das sind die Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden sowie die Gewerbetreibenden und auch die Mieter in den
s) Siehe Anlage 5 geschützten Gebieten. Abgesehen von dem persönlichen Einsatz zu allen Zeiten wird alljährlich eine Deichumlage aufgebracht, die für die Unterhaltung der Deiche verwendet wird und die im Binnenland unbekannt ist.
Die von uns nicht bestellte Sturmflut von vor zehn Tagen hat die Bedenken und die Befürchtungen der Deichvorsteher, der Deichausschüsse, der Deichbauer und aller Verantwortlichen bestätigt. Das auf eine Dauer von zehn bis zwölf Jahren angesetzte Deichbauprogramm von 2,2 Milliarden DM muß zeitlich gestrafft werden. Wir müssen neue Mittel und Wege in der Finanzierung finden. Die vorhandenen, aber leider nicht vollgenutzten Baukapazitäten müssen eingesetzt werden. Die Deichverbände sind bereit, durch Aufnahme von Fremdmitteln in Vorlage zu treten, wenn Bund und Länder den Kapitaldienst übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen, daß in jeder Kette das schwächste Glied entscheidend für die. Stärke dieser Kette ist. Obwohl die Deiche streckenweise auf die nach den jüngsten Erkenntnissen vorgeschriebene Deichkappenhöhe gebracht sind, sind die Großstädte Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, Wilhelmshaven und Cuxhaven sowie die Städte und Gemeinden in den Niederungsgebieten von Elbe, Weser und Ems stark gefährdet, wenn eine Sturmflut auf uns zukommt, die man mit der Orkanflut von 1962 vergleichen kann. Niemand von uns weiß, wann, wo und mit welcher Gewalt der „Blanke Hans" zuschlagen wird. Wenn die Deiche erst gebrochen sind und die Menschen um das nackte Leben und um ihre Existenz kämpfen, um Hab und Gut, dann wird niemand nach der magischen Grenze des Bundeshaushalts von 1965 fragen.
({0})
- Kommen Sie doch einmal zu uns und sehen Sie
sich das an. Sie sind nicht auf den Deichen gewesen.
Die vom niedersächsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach der Sturmflut von 1962 eingesetzte Ingenieurkommission kommt in ihrem umfangreichen Bericht zu folgender Schlußfolgerung:
Wenngleich die Sturmflut vom Februar 1962 vielfach als die Flut des Jahrhunderts bezeichnet wird, so ist es doch möglich, daß ein ähnliches Ereignis schon bald wieder eintreten kann. Deshalb besteht nach wie vor die Forderung, alle verfügbaren Mittel für eine schnelle Herstellung eines ausreichenden Küstenschutzes einzusetzen.
Meinesehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie nicht nur für meine Fraktion, sondern für alle Menschen an der deutschen Nordseeküste darum, der Tit. 619 a und b nicht zu kürzen und auch nicht zu sperren. Wir brauchen diese Gelder tatsächlich dringend für die Fortführung der Maßnahmen an unseren Deichen. Ich würde mich 'freuen, wenn Sie unseren Antrag annähmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seidel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat soeben den Einzelplan 31 einstimmig angenommen. Ich hoffe, daß ich jetzt mit meiner Begründung auch für den Antrag auf Umdruck 567 die Einmütigkeit des Hauses erreiche.
Im Einzelplan 31 sind im Kap. 3102 Tit. 600 300 Millionen DM für zusätzliche Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft eingesetzt. Im Vorjahr waren in 'dem gleichen Titel 250 Millionen DM ausgewiesen. Auf dem Papier ist demnach eine begrüßenswerte Erhöhung um 50 Millionen DM festzustellen. In 'den Erläuterungen zu diesem Titel heißt es, daß diese 300 Millionen DM dem Ausbau der bestehenden Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen dienen. Das Mehr an Mitteln wird in der Regierungsvorlage ausdrücklich mit idem erhöhten Bedarf 'für den Ausbau bestehender Hochschulen begründet. Ich brauche auf 'die Dringlichkeit 'der Sache selbst nicht hinzuweisen. Sie ist bereits in dem Forschungsbericht der Bundesregierung noch einmal besonders hervorgehoben worden.
Angesichts dieser Einsicht bei der Bundesregierungbleibt es unverständlich, daß man die in § 8 des Haushaltsgesetzes vorgesehene 7 %ige Kürzung auch auf diesen Titel erstrecken will. Nun war hier allerdings auch eine 20 %ige Kürzung vorgesehen. Herr Stoltenberg und einige andere Herren haben schon 'darauf hingewiesen, 'daß das nicht in vollem Umfang geschieht. Aber, Herr Dr. Stoltenberg, es trifft ja nicht zu, daß die Offentlichkeit, 'sagen wir, hier aufgehetzt worden ist. Vielmehr konnte 'dem Wissenschaftsrat in Berlin selbst das Finanzministerium in dieser Beziehung keine eindeutige Auskunft geben. Ich glaube, dort wußte selbst Herr Staatssekretär Grund nicht genau über die Sache Bescheid, und nur deshallb, weil diese Dinge dort amtlicherseits . ohne genaue Kenntnis vorgetragen wurden, ist dieser laute Protest des Wissenschaftsrates gekommen. Man sollte, Herr Dr. Stoltenberg, ein bißchen bei der Wahrheit bleiben und nicht so tun, als wäre die öffentliche Meinung hier nur von irgend jemand aufgeputscht worden. Es hätte hier amtlicherseits etwas mehr getan werden können. Dann wären die realen Zahlen sichtbar geworden.
Hinzu 'kam, Herr Dr. Stoltenberg, daß der Haushaltsausschuß bei der Beratung nicht einmal die Zeit hatte, die genauen Zahlen vom Finanzministerium heranzuziehen, 'die gezeigt hätten, was bei dieser Art von Sperre im Ergebnis herauskommt.
So viel möchte ich zu .der wirklichen Sachlage in dieser Beziehung sagen.
Ich glaube, niemand wird es dem Herrn Finanzminister abnehmen, daß angesichts eines Gesamtvolumens des Haushaltes von 63,9 Milliarden DM ausgerechnet diese 21 plus 4 Millionen DM für diesen Haushaltstitel nicht schon jetzt endgültig festgelegt werden können.
({0})
In dieser Frage sollte man nicht auf den guten Willen des Herrn Finanzministers im Verlaufe des Rechnungsjahres angewiesen sein, sondern diese 300 Millionen DM sollten für die Wissenschaft von vornherein voll zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie dringend, entheben Sie den Wissenschaftsrat für seine Dispositionen jeglicher finanzieller Unsicherheit bezüglich dieses Tit. 600 im Kap. 31 02! Wenn das unwidersprochen bleibt, was alle Fraktionen in bezug auf die Bedeutung der Aufgabe unterstrichen haben und was auch in dem Forschungsbericht Nr. 1 dokumentiert ist, dann sollte man hier so handeln. Nur durch diese Tat, daß nämlich dem Wissenschaftsrat die vollen 300 Millionen DM für diese spezielle Aufgabe zur Verfügung gestellt werden, würden Sie der Wissenschaft und der Forschung wirklich dienen. Ich hoffe, daß Sie dies wirklich einmal einsehen und diesem Antrag zustimmen. Es handelt sich nur um 25 Millionen DM, aber der Wissenschaftsrat muß eine wirkliche Übersicht über die 300 Millionen DM haben und darf nicht darauf warten müssen, was im Verlaufe des Jahres eventuell für ihn noch übrigbleibt.
Herr Abgeordneter Seidel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Geisendörfer?
Gern.
Herr Kollege Seidel, würden Sie die Freundlichkeit haben, uns bei Ihrer Begründung auch mitzuteilen, woher die 25 Millionen DM, die Sie fordern, genommen werden sollen?
Ich glaube, ich muß noch einmal sagen, daß sich das bei 63,9 Milliarden DM - und das wissen alle Haushaltsexperten - im Verlaufe des Rechnungsjahres noch erübrigen läßt. Man weiß doch ganz genau: so auf Mark und Pfennig ist dieser Haushalt in keinem Jahr ausgerechnet gewesen, wie Sie es uns jetzt vielleicht vormachen wollen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Aufregung ist zu groß und dem Gegenstand nicht ganz angemessen, um den es sich hier handelt.
({0})
Ich bedauere, daß der Abgeordnete Seidel bei der Diskussion im Kulturpolitischen Ausschuß nicht dabei gewesen ist, wo genau diese Fragen bereits geklärt worden sind.
({1})
- Ich weiß, Herr Professor Schellenberg, aber wir
haben uns erlaubt, die Sachlage im einzelnen zu
klären, und sind zu folgendem Tatbestand gekommen, und den bitte ich dabei zu berücksichtigen.
Es wird keinerlei Risiko eingegangen, wenn wir bei der jetzt getroffenen Lösung zunächst bleiben.
({2})
- Das will ich Ihnen gleich erklären, Herr Dr. Frede, wenn Sie gestatten. „Zunächst" heißt, daß der Finanzminister sich durchaus in der Lage sehen wird, falls die notwendigen Mittel für laufende Vorhaben nicht vorhanden sind, wenn also die jetzt bewilligten Mittel schon ausgeschöpft sind, in diesem Jahre zusätzliche Mittel zu bewilligen, so daß hier also keinerlei Stockung und auch keinerlei Gefahr für die vorgenommenen Dispositionen eintreten wird.
({3})
- Herr Dr. Möller, Sie haben morgen sicherlich noch Gelegenheit, im einzelnen dazu zu sprechen.
({4})
- Morgen ist auch ein noch freier Tag. Übermorgen wird wohl Herr Dr. Emde in der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes noch dazu sprechen und für die FDP dazu sicher noch einiges sagen. Ich möchte nur betonen, daß es falsch wäre, jetzt so zu tun, als ob auf jeden Fall die Aufgaben der Wissenschaft nicht zu erfüllen wären, wenn wir bei der vom Haushaltsausschuß getroffenen Regelung bleiben. Die Praxis der Vergangenheit hat wohl gezeigt, daß wir Mittel und Wege finden können. Denken Sie an den Straßenbau im vergangenen Jahr! Ich bin sicher, daß es auch in diesem Jahr gelingen wird.
Herr Lohmar möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Moersch, darf ich Sie darauf hinweisen, daß .die sozialdemokratischen Abgeordneten im Kulturpolitischen Ausschuß den Optimismus, den Sie ausstrahlen, keineswegs geteilt haben?
Sehr richtig. Das unterscheidet uns.
Darf ich Sie zweitens fragen, Herr Kollege Moersch, warum Sie eigentlich dem Finanzminister nicht die Sorge abnehmen wollen, diese fraglichen 25 Millionen DM aufzubringen, wenn wir es hier durch einen Beschluß über unseren Antrag tun können.
Herr Dr. Lohmar, weil ich glaube, daß das Ergebnis in der Sache das gleiche sein wird und daß es nicht richtig ist, die Entscheidung jetzt noch einmal umzustoßen. Ich gebe Ihnen gern zu, daß Sie im Kulturausschuß keineswegs so optimistisch gewesen sind wie wir; aber Sie werden sich erinnern, daß das in früheren Jahren ähnlich gewesen ist. Das ist eben unsere unterschiedliche Betrachtungsweise. Ich bin der Meinung, wenn in der Sache keine absolute Notwendigkeit besteht, das jetzt und l hier zu korrigieren, und wenn wir im Verlauf des Jahres die Sicherheit haben, ,daß vom Finanzminister aus das Notwendige getan werden kann, dann sollten wir es bei der zunächstgetroffenen Regelung belassen. Daß sie nicht die beste Regelung ist, wissen wir auch. Sie ist die zweitbeste. Aber sie ist weniger schlecht, als Sie es darzustellen belieben.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Seidel machen doch noch zwei kurze Bernerkungen notwendig.
Herr Kollege Seidel, man kann sich natürlich darüber unterhalten, was 25 Millionen DM im Rahmen von 63,9 Milliarden DM bedeuten. Daß man aber einen Deckungsvorschlag machen muß, wenn man überhaupt diesen Rahmen akzeptiert, und daß man nicht sagen kann: das wird sich, wenn wir das hier beschließen, schon irgendwie arrangieren, darüber sind wir uns wohl unter den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und auch dieses Hohen Hauses insgesamt einig. Insofern halte ich diese Begründung, die Sie auf die Frage nach dem Deckungsvorschlag gegeben haben, aus grundsätzlichen Erwägungen für ganz unmöglich und nicht akzeptabel. Ich bitte Sie um Verständnis, daß wir schon aus diesem Grunde Ihrem Antrag nicht zustimmen können.
Ich möchte ein Zweites sagen, nämlich zu dieser für mich als Küstenbewohner sehr bewegenden Rede über die Deiche. Natürlich ist es für viele meiner Freunde und für mich nicht sehr angenehm, daß wir bei solchen Titeln eine 7 %ige Kürzung beschlossen haben. Aber, meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen 20, 30 weitere Titel nennen,
({0})
zu denen wir in der heutigen Debatte - es wechselt etwas auf den verschiedenen Seiten, es treten jeweils die einzelnen Fachsparten an - solche Ausführungen gehört haben, die durchaus eine gewisse Überzeugungskraft in sich haben. Hier steht ein geschlossenes System eines ausgeglichenen Haushaltes - ob er gut ausgeglichen ist, Herr Kollege Möller, darüber werden wir sicherlich von Ihnen und von anderen heute oder morgen noch einiges hören -, der im Haushaltsvollzug - davon sind wir überzeugt - bei 63,9 Milliarden DM zu halten ist. Niemand, der hier mit noch so großem Nachdruck in der Sache oder auch gelegentlich einmal etwas übersteigertem Pathos in der Sache Änderungen vorschlägt, sollte sich auf das Volumen zurückziehen. Er sollte sagen, wo er einsparen will, und das haben wir von Ihnen nicht gehört. Darum können wir zu unserem Bedauern diesen Anträgen nicht zustimmen.
({1})
- Herr Kollege Schoettle, wenn Sie uns wirklich überzeugende Kürzungsvorschläge machten,
({2})
dann würden wir in eine Prüfung der Sache eintreten. Aber nachdem wir sie von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends nicht gehört haben, ist natürlich mein Optimismus für diese späte Stunde nicht mehr so groß. Das müssen Sie mir schon zubilligen.
({3})
Meine Damen und Herren, nun noch eine zweite Sache. Herr Seidel, wir haben eine verhältnismäßig sachliche Debatte über die Vorgänge dieses Wissenschaftstitels geführt, bei denen Herr Frede und ich uns gar nicht so uneinig waren.
({4})
- Über die Vorgeschichte, meine ich. Ich meine jetzt nicht die Folgerungen. - Da möchte ich Ihre Bemerkung, man sollte hier die volle Wahrheit sagen - oder so ähnlich -, doch zurückweisen. Ich habe den Sachverhalt hier völlig korrekt dargestellt. Ich bin in die kontroversen Fragen, wer hier nun wen falsch unterrichtet hat, über die es innerhalb der Bundesregierung verschiedene Versionen gibt, deshalb nicht eingestiegen, weil ich nicht in der Lage bin, ebensowenig wie Sie, festzustellen, wer was wo außerhalb unserer Sitzungen gesagt hat. Diese Frage lasse ich offen. Daß irreführende Informationen gegeben worden sind, ist klar. Wer sie gegeben hat, weiß ich nicht. Deshalb nehme ich dazu nicht Stellung.
Aber schließlich möchte ich Ihnen doch sagen, Herr Kollege Seidel, daß es in keinem Fall zweckmäßig ist, wenn morgens in Bonn ein sehr kompliziertes Haushaltswerk verabschiedet wird, nachmittags in Berlin oder München Protestresolutionen dagegen zu fassen. Das ist immer unzweckmäßig, wenn man sich die Sache noch einmal genauer besieht. Die Resolutionen, die uns in ihrer Sprache wirklich schwer getroffen haben, sind gar nicht die, die in Berlin gefaßt wurden, sondern einige andere, die acht Tage später kamen, als jedenfalls die Gelegenheit bestand, das nachzulesen.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur noch eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen des Kollegen Stoltenberg. Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben hier einen Deckungsvorschlag vermißt. Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: Selbst wenn wir einen Deckungsvorschlag gemacht hätten, hätten Sie abgelehnt. Ich habe hier einen Antrag für die Hochseefischerei begründet. Sie haben gesagt: Geht nicht, kein Deckungsvorschlag, akzeptieren wir nicht. Wir können in diesem Hause selbst mit Deckungsvorschlägen operieren, - wenn Sie nicht rangehen wollen, gehen Sie nicht ran; keine Frage!
({0}) Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben gesagt - -das gebe ich zu -, natürlich sei es auch für Sie als einen Mann von der Küste eine sehr unangenehme Sache, daß Sie dem Antrag betreffend den Deichbau nicht zustimmen könnten. Aber hier geht es nicht um eine unangenehme Sache. Hier geht es nicht darum, daß wir bei irgendeinem Titel im Haushalt etwas anderes wollen. Der Tatbestand ist vielmehr folgender: Wenn wir das Deichprogramm so durchführen wollten, wie es die Regierung geplant hat - ohne Kürzung -, wäre die Sicherheit für das ganze Gebiet von Schleswig-Holstein bis zur holländischen Grenze 1970 erreicht. Hier geht es nicht um irgendeinen Titel; hier handelt es sich um eine lebensgefährliche Sache.
({1})
Diese lebensgefährliche Sache kostet uns 25 Millionen DM. Da muß ich wirklich sagen: wenn es um die Gefahr für Leib und Leben von Menschen geht, werden doch in einem Haushalt von 63,9 Milliarden DM irgendwo 25 Millionen aufzubringen sein!
({2})
Das Wort zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion gehört. Für uns sind die beiden Objekte, Küstenschutz und Förderung der Wissenschaft, über die hier entschieden wird, von solcher Bedeutung, daß wir namentliche Abstimmung beantragen.
Der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 567 erstreckt sich auf die §§ 8 und 9 des Haushaltsgesetzes, die ich hiermit aufrufe.
Es ist namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 567 Ziffer 1 und 2 beantragt worden. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Insgesamt wurden 360 Stimmen und 15 Stimmen von Berliner Abgeordneten abgegeben. Mit Ja haben 182, mit Nein 176 gestimmt; enthalten haben sich 2 Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben 9 mit Ja und 6 mit Nein gestimmt. Die Anträge auf Umdruck 567 sind angenommen.
({0})
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen: 356 und 15 Berliner Abgeordnete Ja: 178 und 9 Berliner Abgeordnete
Nein: 176 und 6 Berliner Abgeordnete
Enthalten: 2
Ja
SPD
Frau Albertz
Anders
Arendt ({1}) Auge
Bäuerle
Bäumer
Bals
Bauer ({2})
Dr. Bechert
Behrendt
Bergmann
Beuster
Frau Beyer ({3})
Vizepräsident Dr. Dehler
Biegler Biermann
Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen Bruse
Buchstaller
Büttner Busch
Corterier Cramer Diekmann
Frau Döhring
Dopatka Dröscher
Frau Eilers
Frau Dr. Elsner
Dr. Eppler
Eschmann
Faller
Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh ({4}) Fritsch
Geiger Gerlach Glombig Gscheidle
Haage ({5})
Haase ({6}) Hamacher
Hansing Hauffe Heide Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Herberts
Frau Herklotz
Herold Höhmann
({7}) Höhne
Hörauf
Hörmann ({8})
Frau Dr. Hubert Hufnagel
Hussong
Iven ({9})
Jacobi ({10})
Jacobs Jahn
Dr. h. c. Jaksch
Junghans
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Frau Kettig
Killat
Frau Kipp-Kaule
Frau Kleinert
Dr. Koch
Könen ({11}) Koenen ({12}) Kohlberger
Kraus
Dr. Kübler
Kurlbaum
Lange ({13})
Langebeck
Lautenschlager
Leber Lemper
Lücke ({14}) Maibaum Marquardt
Marx
Matthöfer
Matzner
Merten Metter
Dr. Meyer ({15}) Meyer ({16}) Michels
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller ({17})
Müller ({18}) Müller ({19}) Müller ({20})
Dr. Müller-Emmert
Nellen Paul
Dr. Pohlenz
Pöhler Porzner Priebe
Ravens Regling Rehs
Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Riegel ({21})
Dr. Rinderspacher
Dr. Roesch
Rohde
Ross
Sänger Saxowski Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach Schlüter
Schmidt ({22})
Dr. Schmidt ({23})
Dr. Schmidt ({24}) Schmidt ({25}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schwabe Seibert Seidel ({26})
Seifriz Seither Frau Seppi
Seuffert
Dr. Stammberger
Steinhoff Stephan Frau Strobel
Strohmayr
Theis
Wegener
Welke Welslau Weltner ({27})
Frau Wessel
Wolf
Frau Zimmermann
({28})
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Berger-Heise Braun
Frau Lösche Mattick
Neumann ({29})
Dr. Seume Wellmann
FDP
Busse
Frau Dr. Flitz ({30})
Dr. Hellige
Frau Dr. Kiep-Altenloh Logemann
Dr. Rutschke Sander
Soetebier Wächter
Nein
CDU/CSU
Adorno
Arndgen
Dr. Artzinger
Baier ({31})
Baldauf
Balkenhol
Bauer ({32})
Becker ({33}) Berberich
Berger
Dr. Besold Bewerunge Dr. Bieringer
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
Frau Blohm
von Bodelschwingh
Böhme ({34})
Brand
Frau Brauksiepe
Dr. Brenck Brese
Brück
Bühler
Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Deringer Diebäcker Dr. Dittrich Draeger
Dr. Elbrächter
Dr. Even ({35})
Exner
Falke
Franzen
Dr. Frey ({36})
Dr. Furler Gedat
Gehring Dr. Gerlich
Glüsing ({37})
Dr. Götz Gottesleben Frau Griesinger
Günther Frau Haas Haase ({38})
Härzschel Häussler Gräfin vorn Hagen
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Heix
Hesemann
Hilbert
Dr. Höchst
Hörnemann ({39}) Hösl
Holkenbrink
Horn
Dr. Huys
Frau Jacobi ({40})
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Dr. Kanka
Dr. Kempfler
Klein ({41})
Dr. Kliesing ({42}) Klinker
Knobloch
Krüger
Frau Dr. Kuchtner Kuntscher
Kurtz
Lang ({43})
Leicht Lemmrich
Lenz ({44})
Lenze ({45}) Leonhard
Leukert Dr. Luda
Maier ({46})
Dr. Martin
Maucher
Meis
Memmel
Mengelkamp
Menke Mick
Müller ({47}) Müller ({48})
Dr. Dr. Oberländer
Oetzel
Frau Dr. Pannhoff
Dr. Poepke
Porten Rasner Dr. Reinhard
Riedel ({49}) Rollmann Rommerskirchen
Ruf
Scheppmann
Schneider ({50}) Frau Schroeder ({51}) Schulhoff
Seidl ({52})
Dr. Serres
Dr. Sinn Spies
Stauch
Dr. Stecker
Stiller
Frau Stommel
Stooß Storm Struve Sühler Teriete Varelmann
Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Wagner
Dr. Wahl
Dr. Weber ({53}) Wehking
Weinzierl
Vizepräsident Dr. Dehler
Wendelborn Wieninger Dr. Wilhelmi
Dr. Willeke Windelen Winkelheide
Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt Wullenhaupt
Ziegler
Dr. Zimmer
Berliner Abgeordnete
Benda
Hübner
Lemmer
Frau Dr. Maxsein Müller ({54})
Stingl
FDP
Burckardt
Dr. Dehler Deneke
Dorn
Dr. Emde
Frau Funcke ({55})
Dr. Hamm ({56}) Dr. Hoven
Kreitmeyer Kubitza
Dr. Löbe
Dr. h. c. Menne ({57}) Mertes
Mischnick Moersch
Freiherr von Mühlen Ollesch
Opitz
Peters ({58})
Ramms
Schmidt ({59}) Spitzmüller
Dr. Supf
Zoglmann
Enthalten
CDU/CSU
FDP
Ich rufe nunmehr die §§ 8 und 9 mit diesen Änderungen auf. Wer den §§ 8 und 9 mit den beschlossenen Änderungen zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich kann nicht unterstellen, daß das ein anderes Ergebnis als bei der namentlichen Abstimmung ist.
({60})
Ich stelle also fest, daß die §§ 8 und 9 mit der Änderung angenommen sind.
Ich rufe den § 10 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 569 *) vor. Wird der Änderungsantrag begründet? - Das ist nicht der Fall. Wer wünscht das Wort? - Herr Professor Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag, der nicht begründet worden ist, läuft darauf hinaus, ob die Tilgung der Schuldbuchforderung mit 21/2 oder 4 % erfolgt. Das ist politisch nicht sehr bedeutsam. Aber entscheidend sind vier Tatsachen.
Erstens. Im vergangenen Jahr wurden den Trägern der Rentenversicherung Schuldbuchforderungen auf Grund von Vereinbarungen zugeteilt. In diesem Jahr soll der Rentenversicherung eine Zwangsanleihe auferlegt werden. Das ist ein schwerer Eingriff in die soziale Selbstverwaltung und politisch ein gefährlicher Schritt.
Zweitens. Die Finanzlage der Rentenversicherung wird bereits ohne Schuldbuchforderungen im Jahre 1965 die angespannteste seit den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen des Jahres 1957 sein. Nach den Zahlenangaben im Finanzbericht 1965 werden die Überschüsse der Rentenversicherung für 1965 nur rund die Hälfte gegenüber 1964 und nur
*) Siehe Anlage 6 rund ein Drittel gegenüber denen von 1963 betragen.
Drittens. Der Bundesfinanzminister hat in der letzten Woche behauptet, die Liquidität der Rentenversicherung gestatte es, ohne weiteres Schuldbuchforderungen in Höhe von 750 Millionen DM zuzuteilen. Um trotz dieser Schuldbuchforderungen eine Liquidität der Rentenversicherung zu „garantieren", operiert der Bundesfinanzminister mit Mehreinnahmen aus einer überhaupt noch nicht beschlossenen Erweiterung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Dabei geht der Finanzminister auf der Einnahmenseite über den Regierungsentwurf hinaus. Was die Ausgaben betrifft, so können die Unterstellungen des Bundesfinanzministers schon deshalb nicht zutreffen, weil der leistungsmäßige Inhalt der Härtenovelle überhaupt noch nicht feststeht.
Viertens. Der Herr Bundesfinanzminister jongliert mit Rückflüssen an die Versicherungsträger. Die Versicherungsträger legen aber Rückflüsse aus Kapitalanlagen unverzüglich wieder in langfristigen Anlagen an. Jetzt sollen die Rückflüsse aus Kapitalerträgen zur Deckung laufender Haushaltsausgaben benutzt werden. Das bedeutet, daß Kapitalanlagen für Konsumzwecke verwendet werden. Ein solches Vorhaben ist volkswirtschaftlich bedenklich.
Wir Sozialdemokraten werden den Antrag Umdruck 569 ablehnen, weil er nur eine Nebenfrage behandelt. Wir beantragen zu § 10 absatzweise Abstimmung und zu Abs. 2 namentliche Abstimmung.
({0})
Jedes Mitglied des Hauses soll nämlich Gelegenheit erhalten, eine eindeutige Entscheidung zu der sozialpolitisch, volkswirtschaftlich und finanzpolitisch bedenklichen Methode einer Zwangsanleihe zu treffen.
({1})
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen zunächst über § 10 Abs. 1 ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Abs. 1 ist angenommen.
Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 569 zu § 10 Abs. 2. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Über Abs. 2 des § 10 mit dieser Änderung ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt.. Wir stimmen über § 10 Abs. 2 in der durch die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 569 geänderten Fassung in namentlicher Abstimmung ab.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über § 10 Abs. 2 mit der beschlossenen Änderung bekannt. Insgesamt abgegebene Stimmen 364; Berliner Abgeordnete 15. Mit Ja haben gestimmt 188 Abgeordnete, mit Nein 173
Vizepräsident Dr. Dehler
Abgeordnete. Enhalten haben sich 3 Abgeordnete. Berliner Abgeordnete: 6 mit Ja, 9 mit Nein.
§ 10 ist also jetzt insgesamt mit der Änderung in Abs. 2 angenommen.
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen: 361 und 15 Berliner Abgeordnete Ja: 187 und 6 Berliner Abgeordnete
Nein: 171 und 9 Berliner Abgeordnete
Enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Adorno
Arndgen
Dr. Artzinger
Baier ({0})
Baldauf
Balkenhol
Bauer ({1})
Becker ({2}) Berberich
Berger
Dr. Besold Bewerunge Dr. Bieringer
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
Frau Blohm
von Bodelschwingh
Böhme ({3})
Brand
Frau Brauksiepe
Dr. Brenck Brese
Brück
Bühler
Dr. Burgbacher
Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Deringer Diebäcker Dr. Dittrich Draeger
Ehnes
Dr. Elbrächter
Dr. Even ({4})
Exner
Falke
Franzen
Dr. Frey ({5})
Dr. Furler Gedat
Gehring
Dr. Gerlich
Glüsing ({6})
Dr. Götz
Gottesleben Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde Günther
Frau Haas Haase ({7})
Härzschel Häussler
Gräfin vom Hagen
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Hauser Heix
Dr. Hesberg Hesemann Hilbert
Dr. Höchst Hörnemann ({8}) Hösl
Holkenbrink
Horn
Dr. Huys
Frau Jacobi ({9})
Dr. Jungmann
Dr. Kanka Katzer
Dr. Kempfler
Klein ({10})
Dr. Kliesing ({11}) Klinker
Knobloch Krüger
Krug
Frau Dr. Kuchtner Kuntscher
Kurtz
Lang ({12})
Lemmrich Lenz ({13})
Lenze ({14}) Leonhard
Leukert
Dr. Luda
Maier ({15})
Dr. Martin Maucher Meis
Memmel Mengelkamp
Menke
Mick
Müller ({16}) Müller ({17})
Dr. Dr. Oberländer
Frau Dr. Pannhoff
Dr. Poepke Porten
Dr. Reinhard
Riedel ({18}) Rollmann Rommerskirchen
Ruf
Scheppmann
Frau Schroeder ({19}) Schulhoff
Seidl ({20})
Dr. Serres Dr. Sinn
Spies
Stauch
Dr. Stecker Dr. Steinmetz
Stiller
Frau Stommel
Stooß
Storm
Struve
Suhle
Teriete
Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Vogt
Wagner
Dr. Wahl
Dr. Weber ({21}) Wehking
Weinzierl Wendelborn Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter
Wittmer-Eigenbrodt Wullenhaupt Ziegler
Dr. Zimmer
Berliner Abgeordnete
Benda
Hübner
Lemmer
Frau Dr. Maxsein Müller ({22}) Stingl
FDP
Dr. Bucher Burckardt Busse
Dr. Dahlgrün Dr. Dehler Deneke
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Dr. Emde Frau Dr. Flitz
({23})
Frau Funcke ({24})
Dr. Hamm ({25}) Dr. Hellige
Dr. Hoven
Frau Dr. Kiep-Altenloh Kreitmeyer
Dr. Löbe
Logemann Mertes
Mischnick Moersch
Freiherr von Mühlen Ollesch
Opitz
Peters ({26})
Ramms
Dr. Rutschke Sander
Schmidt ({27}) Soetebier Spitzmüller
Dr. Supf
Wächter
Zoglmann
Nein
CDU/CSU
Schneider ({28}) SPD
Frau Albertz
Anders
Arendt ({29}) Auge
Bäuerle Bäumer Bals
Bauer ({30})
Dr. Bechert
Behrendt Bergmann
Berkhan Beuster
Frau Beyer ({31}) Biegler
Biermann
Börner
Dr. h. c. Brauer
Brünen Bruse
Buchstaller
Büttner Busch
Corterier
Cramer Diekmann
Frau Döhring
Dopatka Dröscher
Frau Eilers
Frau Dr. Elsner
Dr. Eppler
Eschmann
Faller Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede
Frehsee
Frau Freyh ({32}) Fritsch
Geiger Gerlach Glombig
Gscheidle
Haage ({33}) Haase ({34}) Hamacher
Hansing Hauffe Heide Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Herberts
Frau Herklotz Hermsdorf
Herold Höhmann
({35}) Höhne
Hörauf
Hörmann ({36}) Frau Dr. Hubert Hufnagel
Hussong
Iven ({37})
Jacobi ({38})
Jacobs Jahn
Dr. h. c. Jaksch Jürgensen
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Frau Kettig
Killat
Frau Kipp-Kaule
Frau Kleinert
Dr. Koch
Könen ({39})
Koenen ({40})
Vizepräsident Dr. Dehler
Kohlberger Frau Korspeter
Kraus
Dr. Kübler Kurlbaum Lange ({41})
Langebeck Lautenschlager
Leber
Lemper
Lücke ({42}) Maibaum Marquardt
Marx
Matthöfer Matzner
Merten
Metter
Dr. Meyer ({43}) Meyer ({44}) Michels
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Dr. Morgenstern
Müller ({45})
Müller ({46}) Müller ({47}) Müller ({48})
Dr. Müller-Emmert
Nellen
Paul
Dr. Pohlenz Pöhler
Porzner
Priebe
Ravens
Regling
Dr. Reischl Reitz
Frau Renger
Riegel ({49})
Dr. Rinderspacher
Dr. Roesch Rohde
Ross
Frau Rudoll Sänger
Saxowski Dr. Schäfer Frau Schanzenbach
Ich rufe auf § 11 und § 12. Wer zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der SPD angenommen.
Ich rufe § 13 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 568 und Umdruck 5731 vor.
Zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 568 hat das Wort der Herr Abgeordnete Jürgensen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit noch ein paar Minuten in Anspruch nehmen muß. Sie wissen, daß meine Fraktion zu dem § 13 des Haushaltsgesetzes einen Änderungsantrag gestellt hat. Ich möchte ihn mit wenigen Worten begründen.
Nach der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs sollte der Haushaltsausschuß ermächtigt werden, auf Antrag des Bundesministers der Finan-
') Siehe Anlagen 7 und 8 zen in dringenden Fällen Planstellen zusätzlich zu schaffen. In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses wurde eine Neufassung des § 13 beschlossen. Im ersten Satz des Abs. 1 wurden die Worte „in dringenden Fällen" gestrichen. Außerdem sollte die Ermächtigung des Haushaltsausschusses sich nicht nur auf die zusätzliche Schaffung von Planstellen, sondern auch auf die Umwandlung vorhandener Planstellen erstrecken. Mit dieser neuen Fassung waren selbstverständlich auch die sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses einverstanden.
Die entscheidende Änderung des § 13 befindet sich aber in Satz 2 des ersten Absatzes. Danach ist die Neuschaffung oder Umwandlung von Planstellen nur zulässig - ich zitiere wörtlich -, „wenn ein unabweisbares, auf andere Weise nicht zu befriedigendes Bedürfnis vorliegt, das ein Hinausschieben der Entscheidung bis zur Verkündung des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1966 ausschließt."
Meine Damen und Herren, mit dieser Einschränkung der Ermächtigung für den Haushaltsausschuß wird die Entscheidung über die Neuschaffung und über die Umwandlung von Planstellen praktisch dem Bundesminister der Finanzen übertragen.
Ich kann mir eigentlich nicht denken, daß das Hohe Haus die Absicht hat, die Ermächtigung für den Haushaltsausschuß so sehr einzuschränken und damit gleichzeitig einen Teil seines Etatsrechts aufzugeben. Der Haushaltsausschuß ist ja ohnehin dafür bekannt, daß er bei der Beratung der Personaltitel einen sehr strengen Maßstab anlegt, oftmals zum Leidwesen der verehrten Kollegen aus den Fachausschüssen. Die Voraussetzung des unabweisbaren, auf andere Weise nicht zu befriedigenden Bedürfnisses muß deshalb nach unserer Auffassung nicht Bestandteil des Haushaltsgesetzes sein.
Nun ist im Haushaltsausschuß davon gesprochen worden, daß bei der Beratung der Personaltitel auf Grund der Ermächtigung nach § 13 des Haushaltsgesetzes der Filter des Bundesfinanzministeriums erforderlich sei. Ich meine aber, daß auch unter diesen Gesichtspunkten auf die einschränkende Bestimmung des Abs. 1 Satz 2 verzichtet werden kann, weil der Haushaltsausschuß ja, wie Sie wissen, nur auf Antrag des Bundesministers der Finanzen überhaupt tätig werden kann. Damit ist also der gewünschte Filter schon vorhanden.
Meine Damen und Herren, die SPD-Mitglieder im Haushaltsausschuß haben den Antrag gestellt, die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen, aber mit der Erweiterung, daß sich die Ermächtigung des Haushaltsausschusses nicht nur auf die zusätzliche Schaffung neuer Planstellen, sondern auch auf die Umwandlung bereits vorhandener Planstellen erstrecken sollte. Dieser Antrag ist leider mit 11 :9 Stimmen abgelehnt worden. Inzwischen hat aber auch die Regierungskoalition - das wird Herr Kollege Althammer sicher gleich begründen - einen Änderungsantrag für den § 13 gestellt. Danach werden in dem Satz 1 des Abs. 1 die Worte „in dringenden Fällen" wieder eingefügt; im Satz 2 soll
Schlüter
Schmidt ({0})
Dr. Schmidt ({1})
Dr. Schmidt ({2}) Schmidt ({3}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schwabe Seibert
Seidel ({4})
Seifriz
Seither
Frau Seppi Seuffert
Dr. Stammberger
Steinhoff Stephan Striebeck Frau Strobel
Strohmayr Dr. Tamblé Theis
Wegener Welke
Welslau
Weltner ({5})
Frau Wessel
Wolf
Frau Zimmermann
({6})
Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Berger-Heise Braun
Frau Lösche
Neumann ({7}) Dr. Schellenberg Dr. Seume
Enthalten
CDU/CSU
Frau Kalinke Oetzel
Varelmann
dagegen das „unabweisbare, auf andere Weise nicht zu befriedigende Bedürfnis" nur noch für die Neuschaffung von Planstellen, nicht aber mehr für die Umwandlung von Planstellen Voraussetzung sein. Das, meine Herren Kollegen von der Regierungskoalition, hätten Sie auch schon im Haushaltsausschuß haben können, darüber hätten wir sicher miteinander eine Verständigung erzielt. Wir sind alber der Meinung, daß der ganze Satz 2 in Abs. 1 des § 13 entbehrlich ist, weil, wie gesagt, der Haushaltsausschuß überhaupt nur auf Antrag des Bundesfinanzministeriums tätig werden kann.
Der Sinnn unseres Antrages ist also, die alte Fassung wiederherzustellen mit der Ergänzung, daß nicht nur neue Planstellen geschaffen, sondern auch vorhandene Planstellen umgewandelt werden können. Ich bitte um Annahme unseres Antrages.
({8})
Zur Begründung des Antrages auf Umdruck 573 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits bei der Behandlung des Einzelplanes 06 auf die Problematik dieser Sache hingewiesen. Herr Kollege Jürgensen hatte die Freundlichkeit, gleichzeitig auch unseren Antrag zu interpretieren. Ich kann mich deshalb kurz fassen.
Bereits bei der Vorberatung der Haushaltspläne war ja beabsichtigt, hinsichtlich der Personalien einen sogenannten Überrollungsetat durchzuführen, und hier waren wir uns an sich einig, daß erst wieder im Jahre 1966 diese mühsame Kleinarbeit gemacht werden sollte. Es ist richtig, daß in der Zwischenzeit geltend gemacht ist, daß hinsichtlich der Umwandlung von Planstellen einfach zwingende Bedürfnisse vorliegen. Es ist auf die Ungleichheit der Stellenkegel verwiesen worden. Das hat uns veranlaßt, für die Umwandlung diesen Änderungsantrag vorzulegen. Ich möchte aber noch einmal betonen, daß wir hinsichtlich der Neuschaffung von Stellen an der strengeren Form festhalten, weil wir der Auffassung sind, daß es durchaus möglich ist, einmal diesen Personalüberrollungsetat festzuhalten.
Ich bitte daher, unseren Änderungsantrag anzunehmen. Wir sind in der Sache nicht sehr weit auseinander.
({0})
Ich stelle dann zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 568 zur Abstimmung. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über .den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 573. Wer zustimmt, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen dann über § 13 mit dieser Änderung ab. Wer zustimmen will, der gebe bitte das Handzeichen. - § 13 ist angenommen.
Wir stimmen dann ab über die §§ 14 bis 35, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, der gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Haushaltsgesetz ist in zweiter Beratung gegen die Stimmen der SPD angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Varelmann, Meis, Drachsler, Dr. Aschoff, Dr. Imle, Arendt ({0}), Hörmann ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({2}) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({3}) ({4}).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Regling. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zustimmt, erhebe sich! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes ({5}),
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({7}),
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({8}) ({9}).
Es liegt der Bericht des Haushaltsausschusses vor, erstattet durch den Herrn Abgeordneten Leicht, weiter ein Schriftlicher Bericht des Verteidigungsaus' schusses, erstattet durch den Herrn Abgeordneten Rommerskirchen. Wird die Ergänzung der Berichte gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir treten dann in die Aussprache ein. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir beginnen die Einzelberatung. Zunächst Art. I. Wir müssen 'wohl nummernweise abstimmen. Nummern 1 bis 17. Wer zustimmt, gebe Zeichen! - Einstimmige Annahme.
Ich rufe dann Nr. 18 auf. Hier liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Dr. Hamm
({10})
({11}) u. a. auf Umdruck 589 *) vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir über den Antrag auf Umdruck 589 ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Einstimmige Annahme!
Ich stelle Nr. 18 in der so geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Angenommen.
Ich rufe dann die Nummern 19 bis 31 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Auch einstimmige Annahme!
Ich rufe dann Nr. 32 auf. Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 588 **) vor. Herr Dr. Schäfer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer interfraktionellen Vereinbarung nehmen wir diesen Antrag auf Umdruck 588 zurück. Der Herr Berichterstatter wird hierzu noch namens der Fraktionen eine Erklärung abgeben.
Herr Abgeordneter Rommerskirchen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und SPD beantrage ich hiermit mündlich folgende Änderung des § 49 Abs. 1:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Änderungsvorschlag zu § 49 Abs. 1 - Nr. 32 der Drucksache IV/3039 - wird an den Ausschuß für Verteidigung - federführend - und an den Rechtsausschuß - mitberatend - als selbständige Vorlage zurückverwiesen.
Namens der Fraktionen der CDU/CSU und FDP darf ich dazu ergänzend bemerken, daß wir wahrscheinlich in etwa zwei Monaten die nun zurückverwiesene selbständige Vorlage wieder zur zweiten und dritten Beratung im Plenum einbringen werden.
Sie haben den Antrag gehört, daß Nr. 32 betreffend § 49 Abs. 1 an die Ausschüsse zurückverwiesen und als selbständige Vorlage behandelt werden soll. Ich nehme das Einverständnis des Hauses an. Es ist so beschlossen.
Dann noch Art. I Nr. 33, Art. II, Art. III, Art. IV, Art. V, Art. VI, Art. VII, Art. VIII - Art. IX bis Art. XIII entfallen nach der Vorlage -, Art. XIII a. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Art. XIV. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Berkhan, Schultz und Genossen auf Umdruck 586 ***) vor. Wird der Antrag begründet? - Das ist nicht der Fall. Wir können über den Antrag abstimmen. Wer ihm zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. - Einstimmige Annahme!
Wer Art. XIV in der so geänderten Form sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 10 ***) Siehe Anlage 11 wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Einstimmige Annahme!
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz in der Fassung der zweiten Beratung zustimmt, erhebe sich bitte! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Sie wollten jetzt noch das Wort zur Begründung eines Entschließungsantrags, Herr Abgeordneter Rommerskirchen? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe noch einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD einzubringen:
Entschließungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes - Drucksachen IV/2346, IV/3039, Nachtrag zu IV/3039 -.
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundesminister der Verteidigung wird ersucht, für die Meldungen gemäß § 24 des Gesetzes ein Formblatt vorzuschreiben, in dem die betreffenden Krankheiten gruppenweise aufgeführt sind.
({0})
Sie haben den Antrag gehört. Wer ihm zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. - Einstimmige Annahme!
Ich rufe auf den Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Protokoll vom 15. Juli 1963 zum Internationalen Übereinkommen über die Fischerei im Nordwestatlantik ({0}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) ({2}).
({3})
Es liegt vor der Bericht Ides Herrn Abgeordneten Seither. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir treten in die Einzelabstimmung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, 'gebe bitte ein Zeichen. - Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite Beratung unid eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich bitte. - Ich stelle die einstimmige 'Annahme ides Gesetzes fest.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung deis Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({4}) über den Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der 'Fraktion der SPD betreffend auswärtige Kulturpolitik ({5}).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Martin. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht, eine Aussprache ebenfalls nicht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, gebe bitte 'ein Zeichen. - Ich stelle einstimmige Annahmefest.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste 'Beratung des von den Abgeordneten Diebäcker, Dr. Artzinger, Dr. Imle, Burckardt und Genossen eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zu dein Zollabkommen von Brüssel vom 1. März 1956 über Carnets E. C. S. für Warenmuster nebst Unterzeichnungsprotokoll ({6}).
Aussprache 'wird nicht gewünscht. Vorgesehen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß. - Es ist sobeschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Diebäcker, Dr. Artzinger, Dr. Imle, Burckardt und Genassen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollübereinkommen von Brüssel vom 6. Dezember 1961 über das Carnet A. T. A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren ({7}).
Der Gesetzentwurf soll ebenfalls an den Außenhandelsausschuß überwiesen 'werden. - Keine Bedenken; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste 'Beratung des von den Fraktionen der FDP, CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung ({8}).
Das Wort hat Frau 'Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde sehe ich von der Begründung unseres Initiativantrags ab. Da aber noch ein Verweisungsantrag gestellt werden muß, beantrage ich, diesen Gesetzentwurf nicht an den Rechtsausschuß, sondern an den Sonderausschuß „Strafrecht" zu verweisen. Auch wir Freien Demokraten halten nämlich die Reform des materiellen politischen Strafrechts für sehr dringlich. Allerdings ist es nicht mehr möglich, die damit im Zusammenhang stehende Problematik noch in dieser Legislaturperiode zu beraten. Wir betrachten dieses Gesetz als eine Regelung, die im Augenblick auf der verfahrensrechtlichen Seite notwendig ist. Der enge Zusammenhang zwischen formellem und materiellem Strafrecht rechtfertigt in diesem Fall die Überweisung an den Sonderausschuß „Strafrecht".
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heinemann.
Meine Damen und Herren, die Aufhebung des Verfolgungszwangs, wie sie die Vorlage vorsieht, findet nicht die Zustimmung der SPD-Fraktion. Wir verzichten auf eine Begründung. Alles Weitere wird im Ausschuß zu verhandeln sein im Hinblick darauf, daß dieser Bundestag heute schon in der zwölften Stunde tagt.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Sonderausschuß wird eingesetzt für die Erfüllung einer Sonderaufgabe, nicht für die Erledigung vieler anderer Nebenaufgaben. Wenn Sie die weitere Entwicklung der Strafrechtsreform in dieser Weise weiter behindern, werden wir sie nie bekommen. Wir beantragen deshalb, die Sache an den Rechtsausschuß zu überweisen.
Herr Abgeordneter Dr. Güde, wollen Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Sonderausschusses Stellung nehmen?
Drei Sätze, Herr Präsident, und nicht mehr.
Der Antrag, dem Sonderausschuß „Strafrecht" diese Vorlage zu überweisen, findet das Einverständnis des Vorsitzenden des Rechtsausschusses. Das hängt zusammen mit der Geschäftslage des Rechtsausschusses. Der Rechtsausschuß wird in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein zu beraten, während der Sonderausschuß „Strafrecht" beraten kann.
({0})
Deswegen schließe ich mich dem Antrag von Frau Diemer-Nicolaus an.
Wer die Überweisung an den Sonderausschuß will, den bitte ich um ein Zeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit. Demnach ist Überweisung an den Rechtsausschuß beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 25. Februar, 14 Uhr, ein.