Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung um folgende Punkte erweitert:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Festlegung der unteren und oberen Grenzen der Orientierungspreise für Rindfleisch für das am 1. April 1965 beginnende Wirtschaftsjahr ({1}) ;
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1965/66 ({3});
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Einordnung von Quark und verschiedenen anderen Käsearten in die Warengruppe Nr. 11 des Anhangs I zur Verordnung Nr. 111/64/EWG über die Gruppenbildung auf dem Gebiet der Milch und Milcherzeugnisse ({5}) ;
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Erstattung für bestimmte Käsearten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr und für eine Verordnung des Rats über einzelstaatliche Interventionsmaßnahmen und den innergemeinschaftlichen. Warenverkehr bei Emmentaler-und Cheddar-Käse, der Gegenstand dieser Maßnahmen war ({7});
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({8}) über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Logemann, Sander, Walter, Ertl und Genossen betr. Qualitätssteigerung und Rationalisierung in der Molkereiwirtschaft ({9}) .
Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht des Bundesschatzministers betr. Ergebnisse der Entbehrlichkeitsprüfung und der Veräußerung von Bundesgelände zum Zwecke des Wohnungsbaues und der Eigentumsbildung - Drucksache IV/ 3076 - an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes - federführend - und an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - mitberatend - überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist.
Die folgende Amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Sitzungsbericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 16. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wagner, Bauer ({10}), Dr. Kempfler und Genossen betr. Mitgliedschaft in der Donau-Kommission - Drucksache IV/3029 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3060 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 165. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Februar 1965 gestellten Fragen des Abgeordneten Frehsee Nr. XII/2, XII/3 und XII/4 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 17. Februar 1965 eingegangen:
Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn läuft tatsächlich die Planung zur Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes in Hameln schon seit längerer Zeit. Dabei ist vorgesehen, Parkplätze zu schaffen und einen zentralen Omnibusbahnhof für Bundesbahn, Bundespost, Stadt und private Unternehmer anzulegen. Die Kosten für das Gesamtvorhaben betragen 900 000 DM; davon hat 200 000 DM die Deutsche Bundesbahn aufzubringen.
Am 25. März 1964 wurden diese Pläne nach landesbehördlicher Begutachtung ohne Einsprüche festgestellt. Die technische Seite ist somit geklärt. Noch nicht geklärt sind die vertraglichen und finanziellen Regelungen. Die Vereinbarung hierüber ist jedoch bereits im Wortlaut festgelegt und soll in Kürze unterzeichnet werden.
Sobald alle Beteiligten der Vereinbarung zugestimmt haben und die Finanzierung geklärt ist, soll mit der Bauausführung begonnen werden.
Vizepräsident Dr. Dehler
Wir beginnen mit der Fragestunde ({11}).
Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
Ich rufe auf die Frage VI aus der Drucksache IV/3067 - des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg -:
Hat die Bundesregierung Vorkehrungen dagegen getroffen, daß nicht im Krisenfalle, wie in der Übung „Fallex" festgestellt worden sein soll, durch Einwirkungen von außen Ölleitungen, Ölbehälter, Tankwagen usw. zerstört und damit nicht wiedergutzumachende Verseuchung des Grundwassers herbeigeführt werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe dann auf die Frage der Abgeordneten Frau Kleinert - Drucksache IV/3077 -, ebenfalls aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Wie beurteilt die Bundesregierung das in der Süddeutschen Zeitung vom 6. Februar 1965 erwähnte Projekt eines Züricher Ingenieurbüros, durch den Bau einer Pipeline Teile der Bundesrepublik mit Trinkwasser versorgen zu können?
Ist Frau Kleinert anwesend? - Wird die Frage übernommen? - Das ist nicht der Fall; die Frage wird dann schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Ministerin.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung aus Drucksache IV/3067. Ich rufe auf die Frage XI/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke -:
Ist der Bundesverteidigungsminister bereit anzuordnen, daß Dienstpflichtige dann für die Aprileinberufung vorzusehen sind, wenn sie die schulische Ausbildung im Frühjahr abschließen?
Unmittelbar nach Abschluß ihrer schulischen Ausbildung können nur Abiturienten eingezogen werden. Auf diese Gruppe von Wehrpflichtigen, Herr Abgeordneter, dürfte sich Ihre Frage beziehen. Grundsätzlich gilt folgendes:
Bei der Einberufung zum Grundwehrdienst werden die persönlichen Verhältnisse und Wünsche der Wehrpflichtigen weitgehend berücksichtigt. Im Rahmen der durch den Personalbedarf der Teilstreitkräfte abgegrenzten Möglichkeiten wird angestrebt, den Einberufungstermin im Einzelfall entweder an das Ende oder vor den Beginn eines neuen zivilberuflichen Ausbildungsabschnitts zu legen. Für Abiturienten kann dieser allgemeine Grundsatz der rechtzeitigen Einberufung zur Zeit nicht allgemein angewandt werden.
Das hat folgende Ursachen: Durch den unterschiedlichen Schuljahresabschluß innerhalb der Bundesländer stehen zirka 80 % der Abiturienten zu April eines Jahres in den Wehrbereichen I bis V und zirka 2011/4 zu Oktober, und zwar im Wehrbereich VI, zur Einberufung zum Grundwehrdienst heran. Solange dieser unterschiedliche Schuljahresabschluß noch besteht, verteilt sich die Einberufung der Abiturienten somit auf zwei Termine im Jahr. In Anbetracht der begrenzten Ausbildungskapazität für Reserveoffizieranwärter - dazu zählen vornehmlich die Abiturienten - ist die Bundeswehr gezwungen, im April und Oktober annähernd gleich starke Abiturientenkontingente einzustellen. Es läßt sich deshalb zur Zeit nicht vermeiden, daß ein Teil der April-Abiturienten erst im Oktober einberufen werden kann.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, bei allem Verständnis für die Situation der Bundeswehr in diesem Fall: Sollte man aber nicht auch Verständnis für die Abiturienten aufbringen wenn ein junger Mann, der die Schule nach der Prüfung verläßt, ein halbes Jahr herumsitzt und dann erst zur Bundeswehr gehen kann? Läßt sich unter Berücksichtigung dieser doch immerhin nicht unwesentlichen Tatsache hier nicht doch eine Änderung herbeiführen?
Herr Abgeordneter, ich zögere nicht zuzugeben, daß die Einziehung eines Teiles der Abiturienten vom April eines Jahres zum Oktober mißlich und nicht zufriedenstellend ist. Wir versuchen, so viele Abiturienten wie möglich im April einzustellen; aber wir kommen nicht um die Tatsache herum, daß zur Zeit zwei Einstellungstermine im Jahr bestehen und daß aus militärisch-organisatorischen Gründen der Kapazität personell und infrastrukturell eine andere Verteilung zur Zeit nicht möglich ist. Schon im Herbst vergangenen Jahres ist ein Teil der Abiturienten, die im April ihr Abitur abgelegt hatten, eingezogen worden, und zwar nach einem Semester Studium. Dieser Einberufung ist eine Korrespondenz mit dem Präsidenten der Rektorenkonferenz vorausgegangen; der Präsident hat anerkannt, daß gegen dieses Verfahren nach Lage der Sache nichts einzuwenden sei. Es ist seinerzeit von der Rektorenkonferenz empfohlen worden, den Abiturienten möglichst frühzeitig mitzuteilen, ob sie im April oder Oktober eingezogen werden. Danach ist verfahren worden. Die Abiturienten, die zum April eingezogen werden können - wir sind bis an die Grenze der Kapazität gegangen -, machen etwa 60 % des Jahrgangs aus, während 40 % - unter Einschluß der bayerischen Abiturienten - im Oktober einberufen werden. Alle Abiturienten haben aber erfahren, ob sie zum April oder zum Oktober einberufen werden.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage XI/2 - der Abgeordneten Frau Dr. Flitz ({0}) - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß unter der Bevölkerung der Gemeinde Schortens am Flugplatz Upjever erneut große Beunruhigung entstanden ist, da entgegen der Zusage des Bundesverteidigungsministeriums, den Flugbetrieb ab 1. Februar 1965 um 50 % zu verringern, der Flugbetrieb eher verstärkt durchgeführt wird?
Sie wird von Herrn Abgeordneten Rutschke übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Albgeordneter, Ende des vergangenen Jahres hat das Verteidigungsministerium verschiedentlich zugesagt, den. Umschulungsbetrieb auf dem Flugplatz Upjever ab Februar dieses Jahres um 50 % zu reduzieren, nachdem es gelungen war, mit den Vereinigten Staaten eine Vereinbarung über die Umschulung in Amerika zu treffen. Tatsächlich erfolgt die Umschulung eines Teils der Flugzeugführer seit Anfang dieses Monats in den Vereinigten 'Staaten. Es war nicht möglich, die Gesamtheit in die Vereinigten Staaten zu verlegen, weil auch dort die Kapazität voll ausgeschöpft worden ist.
Vor dem 1. Februar 1965 wurden in Upjever täglich etwa 35 Starts durchgeführt. Diese Angabe stellt ein Mittel dar, berechnet auf Grund der Gesamtstarts in einem Monat. Die Einhaltung der von mir erwähnten Zusage würde somit bedeuten, daß ab Februar 1965 im Tagesdurchschnitt etwa 18 Starts möglich wären.
Nun muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Zahl der Starts an einem Tage in erster Linie von den Wetterverhältnissen abhängig ist, so daß die Feststellung, inwieweit der Flugbetrieb eingeschränkt wurde, erst nach einem längeren Zeitraum, etwa ein bis zwei Monaten, möglich ist. Es wäre deshalb falsch, die Frage der Einschränkung auf Grund des Flugbetriebs an zwei Tagen beantworten zu wollen. Tatsächlich herrschte am 1. und 2. Februar dieses Jahres sehr gutes Flugwetter, so daß die Zahl der Starts an diesen Tagen entsprechend hoch war, während am 3. und 4. Februar auf Grund der schlechten Wetterlage überhaupt nichtgestartet worden ist.
Es ist auch nicht richtig, daß am 1. und 2. Februar ein 12- bis 14stündiger Flugbetrieb mit den Starfightern durchgeführt worden wäre. Auf Grund meiner Zusage bei meinem Besuch in Upjever am 15. September vergangenen Jahres ist bereits seit diesem Zeitpunkt der tägliche Flugbetrieb auf die Zeit von 7 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr eingeschränkt worden. Tatsächlich wurde am 1. Februar von 8 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, also nur sieben Stunden, und am 2. Februar von 8 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr, also insgesamt 8 Stunden, geflogen.
Die Bundeswehr ist gewillt, ihre Zusagen hinsichtlich der Einschränkung des Flugbetriebs auf Upjever einzuhalten, und sie ist bemüht, die Belästigungen unserer Bevölkerung auf ein Mindestmaß herabzusetzen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!
Herr Staatssekretär, bis wann kann damit gerechnet werden, 'daß die gegebene 'Zusage voll erfüllt worden ist?
Sie wird bereits erfüllt, denn ich sagte schon, die Hälfte der Umschüler ist, beginnend ab 1. Februar dieses Jahres, nach Amerika in Marsch gesetzt, um dort auf den Starfighter umgeschult zu werden. ' Nur die andere Hälfte wird in Upjever umgeschult. Das ganze Umschulungsprogramm dürfte Mitte des Jahres 1966 ablaufen; wir schulen also 'noch dieses Jahr und die 'erste Hälfte des Jahres 1966. Dann ist 'das Umschulungsprogramm auf den Starfighter abgeschlossen, und danach wird in Upjever nur noch das sogenannte Europäisierungsprogramm durchgeführt, das heißt, in dieser Zeit werden die in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Flugzeugführer mit den europäischen Wetterverhältnissen vertraut gemacht, weil sie in einer Gegend ausgebildet wurden, die völlig andere Witterungsverhältnisse hat, als sie hier in Mitteleuropa und in Deutschland vorliegen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke!
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß nunmehr Ihre Zusage, die gegeben worden ist, von der Bundeswehr erfüllt worden ist?
Ja.
Eine Zusatzfrage des Herrn Professor Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist die Geräuschbelastung für die Bevölkerung in dem benachbarten Ort Schortens 'in Phon, und wie hoch ist 'die Belastung in Phon, die einem Menschen für längere Zeit nach wissenschaftlich-medizinischer Ansicht zugemutet werden kann?
Ich weiß diese Frage im Moment nicht zu beantworten, Herr Abgeordneter.
({0})
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.
Sind diese Phon, Herr Staatssekretär, gemessen worden, oder werden sie in Zukunft gemessen werden?
Ich bin sicher, daß sie gemessen worden sind und daß die 'Ergebnisse vorliegen. Ich bin bereit, die Ergebnisse mitzuteilen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Staatssekretär, wie umfangreich wird die Ausbildung der neu eintretenden Flieger für die Starfighter sein, wenn die Umschulung der früheren beendet sein wird?
Ich habe die Frage akustisch nicht verstanden.
Wenn die Umschulung der zusätzlich in Amerika umgeschulten Flieger für Starfighter beendet sein wird, mit wieviel Neueinstellungen und damit neuen Übungen in Jever ist zu rechnen?
Gnädige Frau, die gesamte Ausbildung des fliegerischen Nachwuchses wird in Amerika durchgeführt, nicht hier in Deutschland. Hier in Deutschland werden zur Zeit nur diejenigen Flugzeugführer umgeschult, die bisher andere Typen geflogen haben und nunmehr auf das Überschallflugzeug, den Starfighter, umsteigen.
Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wieviel Bewegungen am 1. Februar stattgefunden haben?
Das habe ich nicht im einzelnen festgestellt. Es ist aber am 1. Februar wegen der besonders guten Wetterverhältnisse eine höhere Zahl von Starts durchgeführt worden.
Eine weitere Frage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß durch die bisher getroffenen Maßnahmen die Belästigung für die direkt in der Flugschneise wohnenden Menschen so herabgemindert wird, daß sie erträglich sein wird?
Ich möchte meinen, daß das Menschenmögliche geschehen ist. Einmal, Herr Abgeordneter - wie ich auch in der Antwort gesagt habe -, wird nur zu bestimmten Stunden am Tage geflogen, und der ganze Nachtflugbetrieb ist auf zwei Tage, und zwar auf jeweils drei Stunden eingeschränkt worden. Außerdem ist die Zahl der auszubildenden oder umzuschulenden Flugzeugführer herabgesetzt worden, soweit es nur irgend möglich war.
Herr Abgeordneter Dr. Bechert zu einer weiteren Frage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Ihre Antwort an Herrn Dr. Rutschke, daß nämlich diejenigen, die drüben in den Vereinigten Staaten ausgebildet wurden und jetzt in die Bundesrepublik kommen, dort auf anderes Wetter umgeschult werden, nichts mit der Frage zu tun hat, die hier gestellt worden ist: ob die Geräuschbelästigung nicht vermindert werden kann?
Ich meine, das ist ein Irrtum, Herr Abgeordneter. Die Flugzeugführer, die an die europäischen Wetterverhältnisse gewöhnt werden, müssen zu diesem Zweck längere Überlandflüge durchführen, während die Umschüler einen Flugbetrieb in der Nähe des Flugplatzes durchführen, der zu einer stärkeren Belästigung führt.
({0})
Ist die zweite Frage der Frau Abgeordneten Dr. Flitz damit beantwortet, Herr Staatssekretär?
Entschuldigung, ich hatte vergessen, darum zu bitten, daß ich die drei Fragen im Zusammenhang beantworten dürfte.
Dann sind damit auch die Fragen XI/3 und XI/4 - der Abgeordneten Frau Dr. Flitz ({0}) - aufgerufen:
Ist sich der Bundesverteidigungsminister bewußt, daß der Bevölkerung ein 12- oder 14stündiger Flugbetrieb mit Starfightern - wie an den Tagen vom 1. und 2. Februar 1965 - nicht zugemutet werden kann?
Ist sich der Bundesverteidigungsminister über etwaige Folgen der in Frage XI/3 geschilderten Belastung der Bevölkerung klar?
Ist auch die dritte Frage beantwortet, ob sich der Bundesverteidigungsminister über etwaige Folgen der Belastung der Bevölkerung klar ist?
Ist damit erledigt.
Ist damit auch erledigt.
Dann rufe ich die Frage XI/5 - des Herrn Abgeordneten Börner - auf:
Zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung bereit sein, wie es bereits mehrfach von der Bundesregierung zugesagt wurde, eine Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes vorzunehmen?
Ich knüpfe an die Erklärungen des Bundesministers Höcherl in der Fragestunde am 9. Dezember 1964 an. Eine umfassende Novelle des Unterhaltssicherungsgesetzes ist in Vorbereitung. Die Arbeiten sind jedoch noch nicht abgeschlossen worden, weil wegen der Arbeitsüberlastung dieses Hauses nicht damit gerechnet werden kann, daß der Entwurf noch verabschiedet wird.
Daneben prüfen die zuständigen Ressorts zur Zeit, ob noch eine Novelle eingebracht werden kann, mit der die Tabellensätze in den Fällen verbessert werden, in denen sich Härten herausgestellt haben, insbesondere bei der Geburt des zweiten Kindes.
Die Arbeiten an der großen Novelle werden so beschleunigt, daß die große Novelle dem neuen Bundestag möglichst bald vorgelegt werden kann.
Im übrigen ist eine kleinere Verbesserung des Unterhaltssicherungsgesetzes mit der Verabschiedung der Dritten Wehrpflichtnovelle zu erwarten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß diese Antwort praktisch bedeutet, daß die große Novelle noch etwa anderthalb Jahre auf sich warten lassen wird und daß damit die von der Bundesregierung eingeräumten Härten der jetzigen Regelung praktisch bis zu diesem Zeitpunkt noch bestehenbleiben und zu einer erheblichen Belastung der sozialen Lage der eingezogenen Wehrpflichtigen führen könnten?
Ich räume ein, Herr Abgeordneter, daß die große Novelle noch einige Zeit beanspruchen wird. Ich sagte, was wir für nötig halten und daß alles geschieht, um wenigstens das, was dringend notwendig ist, noch zu tun.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es dann aus Gründen der sozialen Sicherung der Wehrpflichtigen notwendig ist, möglichst bald, und zwar mit dem Ziel der Verabschiedung noch in diesem Bundestag, sich auf Ihre sogenannte kleine Novelle, d. h. auf die Anhebung bestimmter Tabellensätze zu konzentrieren, und daß mit Rücksicht auf die vorher gegebenen Argumente nun unverzüglich innerhalb der Bundesregierung eine Abstimmung geschaffen werden sollte, die dem Hohen Hause die Möglichkeit gibt, hier zu einem Beschluß zu kommen?
Ich sagte bereits, daß an dieser kleinen Novelle - wenn Sie diese Bezeichnung akzeptieren - gearbeitet wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, wann wird diese Novelle dem Bundesrat und damit auch dem Bundestag zugeleitet werden? Das ist das Entscheidende, nachdem wir seit Jahren danach fragen.
({0})
Die Novelle wird, wie Ihnen bekannt ist, gemeinsam vom Innenministerium und vom Verteidigungsministerium bearbeitet. Ich kann einen festen Termin im Augenblick nicht nennen.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß bei den betroffenen Familien und Wehrpflichtigen eine außerordentlich schlechte Stimmung besteht, wenn sie spüren, daß ihre wirtschaftlichen Sorgen und Nöte nur sehr langsam behandelt werden?
Ich kann mich dieser allgemeinen Beurteilung nicht anschließen. Das Unterhaltssicherungsgesetz ist wiederholt novelliert worden, und es ist immer versucht worden, den Veränderungen Rechnung zu tragen. Ich glaube nicht, daß die Härten so groß sind, daß ein allgemein unbefriedigender Zustand vorliegt.
Vizepräsident Dr. Dehler Ich rufe die Frage XI/6 - des Herrn Abgeordneten Dröscher - auf:
Wird die Bundesregierung bei einer Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes als Antragsberechtigten für den Mietzuschuß nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 auch die Familie des Wehrpflichtigen zulassen?
Bei einer Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes ist vorgesehen, auch die Familienangehörigen der Wehrpflichtigen als antragsberechtigt für den Mietzuschuß nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 des Unterhaltssicherungsgesetzes zuzulassen, damit die Familien schneller in den Genuß dieser Leistungen kommen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, diesen Komplex eventuell mit in die vorher zitierte vorrangige kleine Novelle einzuarbeiten, da man immer wieder bei Truppenbesuchen auf diesen Komplex angesprochen wird?
Es geht hier, Herr Abgeordneter, nicht um Leistungsverbesserungen, sondern in erster Linie um eine Vereinfachung des Verfahrens, weil ja im Augenblick nur der Wehrpflichtige selbst antragsberechtigt ist, während die Leistungen der Familie zugute kommen. Ich will gern prüfen, ob das noch aufgenommen werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, unter Bezugnahme auf Ihre Antwort auf meine letzte Zusatzfrage frage ich: Halten Sie es denn für möglich, daß die Sorgen und Nöte, die an die Abgeordneten so massiv herangetragen werden, das Ministerium auf dem Dienstweg offensichtlich nur in sehr begrenztem Umfang erreichen?
Nein, das meine ich nicht, Herr Abgeordneter. Aber sicher ist, daß die Sorgen und Nöte, die an Sie herangetragen werden, nicht unbedingt ein richtiges Bild der allgemeinen Situation ergeben.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Kreisverwaltungen, die ja das Unterhaltssicherungsgesetz durchführen, eine so begrenzte Übersicht über die Sorgen und Nöte des ihnen anvertrauten Personenkreises haben?
Sie sprachen vorhin von den Betroffenen, und jetzt sprechen Sie, Herr Abgeordneter, von den Behörden, die das Unterhaltssicherungsgesetz durchführen.
({0})
Ich rufe auf die Frage XI/7 - des Abgeordneten Dröscher -:
Welche Änderungen der Einkommensgrenzen für die Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz sieht die Bundesregierung vor?
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, bemüht sich, die in Nr. 13 c der Hinweise zur Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes genannten Einkommensgrenzen angemessen zu erhöhen. Zur Zeit ist vorgeschlagen, diese Grenzen von 230 auf 250 DM für eine alleinstehende Person und von 400 auf 440 DM für zwei Personen im gemeinsamen Haushalt anzuheben. Ob es möglich sein wird, die Einkommensgrenzen noch höher festzulegen, kann ich noch nicht sagen. Diese Frage wird in der für Mitte März vorgesehenen Besprechung über die Neufassung der Hinweise mit den Ländern erörtert werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie im Grundsatz mit mir darin übereinstimmen, daß die Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz sich an der Verbesserung des Lebensstandards unseres Volkes bzw. an der Steigerung des Preisniveaus orientieren müssen?
Das ist richtig. Hier handelt es sich aber nur um Anhaltspunkte, die gegeben werden, nicht um gesetzlich fixierte Grenzen. Die Frage der Bedürftigkeit wind letzten Endes, wie Sie wissen,
von den Gerichten entschieden. Nur im Hinblick auf eine Anwendung des Gesetzes wird den damit befaßten Behörden hiermit ein Anhalt an die Hand gegeben, welche Einkommensgrenzen etwa anzuwenden sind. Das schließt im Einzelfall nicht eine andere Bewertung und Bemessung der Einkommensgrenzen aus.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Angehörigen eines Wehrpflichtigen Unterhaltssicherung nach diesem Gesetz beziehen, solange der Wehrpflichtige lebt, jedoch dann, wenn der Wehrpflichtige z. B. im Dienst verunglückt, nur die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten?
Ja.
Ich rufe auf die Frage XI/8 - des Abgeordneten Buchstaller -:
Zu welchen konkreten Ergebnissen haben die in der Fragestunde vom 22. Januar 1964 zugesagten Bemühungen zur Errichtung von Soldatenheimen in Koblenz geführt?
darf ich die beiden Fragen - das Einverständnis des Fragestellers vorausgesetzt - gemeinsam beantworten?
Dann rufe ich auch die Frage XI/9 - des Abgeordneten Buchstaller - auf :
Wann kann damit gerechnet werden, daß in Deutschlands größter Garnisonstadt Koblenz endlich für die Soldaten des Standorts zumindest ein erstes Soldatenheim erstellt sein wird?
Ich habe in einer Fragestunde am Ende 'des vergangenen Jahres bereits über den Sachstand hier berichtet. In der Zwischenzeit hat der Vorstand der Lese-Gesellschaft in Koblenz mitgeteilt, daß er zum Verkauf des Görreshauses bereit sei. Daraufhin ist sofort die zuständige Oberfinanzdirektion in Koblenz angewiesen worden, die Verkaufsverhandlungen mit der Lese-Gesellschaft aufzunehmen. Ich habe mich persönlich mit dem Oberfinanzpräsidenten in Koblenz in Verbindung gesetzt, um auch ihn zu bitten, auf 'eine möglichste Beschleunigung dieser Kaufverhandlungen hinzuwirken. Sobald die Kaufverhandlungen abgeschlossen sind, kann mit der Herrichtung und Renovierung des Görreshauses für die Zwecke des Soldatenheims begonnen werden. Ich kann allerdings nicht bestreiten, daß das einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Buchstaller.
Herr Staatssekretär, welches sind die Gründe dafür, daß die Verhandlungen mit dem Lese-Verein in Koblenz so lange Zeit in AnBuchstaller
spruch genommen haben? Sehen Sie Anlaß, zu glauben, daß diese Verhandlungen jetzt schneller zum Abschluß geführt werden können, -als es bisher der Fall war?
Ich habe diese Hoffnung allerdings, Herr Abgeordneter. Die Verhandlungen sind deswegen so schwierig gewesen, weil bis in die jüngste Zeit hinein der Lese-Verein nicht verkaufsbereit war, auf der anderen Seite aber keine Einigung über die Kosten der Renovierung zustande gekommen ist. Diese Kosten der Renovierung liegen verhältnismäßig hoch, und der Leseverein verlangte, daß die Kosten à fonds perdu von der Bundeswehr getragen würden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Buchstaller.
Herr Staatssekretär, haben die Bemühungen sich ausschließlich auf Verhandlungen mit dem Lese-Verein beschränkt, oder wurde auch über andere Projekte verhandelt, z. B. über den Vorschlag, den der Kommandierende General, Herr Gaedcke, gemacht hat, das ehemalige französische Soldaten- und Unteroffiziersheim in der Magazinstraße für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen?
In der Vergangenheit ist stets versucht worden, ein geeignetes Gelände oder ein geeignetes Gebäude für das Soldatenheim ausfindig zu machen. Sie wissen, wie schwierig das ist, da Sie ja die Koblenzer Verhältnisse kennen. Das Soldatenheim kann ja auch nicht irgendwohin gebaut werden, sondern muß bei diesem weit gestreuten Standort zentral gelegen sein.
Das Projekt Magazinstraße ist erst in der letzten Zeit aufgekommen. Ich möchte dazu aber sagen, daß zu seiner Verwirklichung sehr viel Zeit erforderlich wäre, weil ja in diesem Gebäude eine Reihe von Dienststellen - unter anderem auch die Kleiderkasse - untergebracht ist, für die erst Ersatzraum geschaffen werden müßte; und dann dürfte auch die Herrichtung dieses Gebäudes für die Zwecke des Soldatenheims längere Zeit beanspruchen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Koblenz, z. B. in der Falckensteinkaserne, die Soldaten zum Teil auf Stuben untergebracht sind, wo drei Betten übereinander stehen, und daß angesichts solcher Unterkünfte die Dringlichkeit zur Schaffung eines ersten Soldatenheims mit gesehen werden muß?
Ich habe schon im Dezember zum Ausdruck gebracht, daß die Priorität des Soldatenheims in Koblenz unbezweifelbar ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, bei der Erstellung .des vorgesehenen Soldatenheims in Koblenz sicherzustellen, daß nach der baulichen Fertigstellung auch die notwendige Ausstattung mit Fernsehgeräten, Spielen, Büchern usw. sofort gewährleistet wird?
Das halte ich für selbstverständlich, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Herr Staatssekretär, können Sie etwas darüber sagen, bis wann etwa mit einer Auflockerung des Standortes Koblenz zu rechnen ist?
Ich kann das nicht sagen. Ich meine auch, es würde nicht in einem Zusammenhang mit dieser Frage nach dem Soldatenheim stehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Weber ({0}).
Herr Staatssekretär, halten Sie es für angebracht, daß, wenn die Kaufverhandlungen nicht vorangehen, etwa an der Kaufpreisfrage scheitern sollten, die Mietverhandlungen erneut aufgenommen werden?
Ich glaube nicht, daß nach dem bisherigen Verlauf dieser Verhandlungen dann auf diesem Wege noch zu einer Einigung zu kommen wäre. Ich würde dann meinen, daß man notfalls auf das Projekt Magazinstraße ausweichen müßte.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Weber ({0}).
Halten Sie es denn für angängig, daß bei den Umbaukosten, die Sie als zu hoch bezeichnet haben, die Kosten der Ausstattung, insbesondere der Küche, mit eingerechnet werden, die auch im Falle eines Kaufes auf alle Fälle in gleicher Höhe entstehen würden, und ist Ihnen bekannt, daß 250 000 DM vom Leseverein selbst für diesen Umbau zur Verfügung gestellt werden sollten?
Die Einzelheiten dieser Verhandlungen sind mir nicht bekannt, weil sie nicht vom Ministerium geführt werden. Ich weiß aber, daß die gesamten Renovierungs- und Herstellungskosten auf rund 1 Million DM geschätzt werden, jedenfalls von der für uns zuständigen Bauabteilung der Ober8264
finanzdirektion auf rund 1 Million DM veranschlagt worden sind und daß die Frage der Verrechnung dieser Kosten bisher nicht lösbar gewesen ist.
Ich rufe dann noch auf die Frage III der Drucksache IV/3077 - des Abgeordneten Cramer -:
Welche Vorkehrungen hat das Bundesverteidigungsministerium getroffen, um solche Schießunglücke, wie sie am 8. Februar 1965 wieder in Bergen-Hohne mit einem Todesopfer und zwei Verletzten vorgekommen sind, zu vermeiden?
Sicherheitsbestimmungen und Befehle für Sicherheitsmaßnahmen für das Schießen mit Waffen aller Art und für den Umgang mit Munition schließen bei strikter Einhaltung und einwandfreiem technischen Zustand von Waffen und Munition Unfälle weitestgehend aus; sie verhüten sie jedoch nicht völlig.
Die Untersuchungen des Unglücks vom 8. Februar 1965 beim Schießen mit Panzerkanone sind noch im Gange. Auswertbare Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sobald die Ursachen für dieses Unglück, das das erste seiner Art in der Bundeswehr gewesen ist, festgestellt sind, müssen die Maßnahmen getroffen werden, die eine Wiederholung nach menschlichem Ermessen ausschließen. Wie in jedem Falle werden auch bei dieser Gelegenheit die geltenden Sicherheitsbestimmungen gleichzeitig geprüft und, falls erforderlich, geändert. Vorerst wurde das Munitionslos, aus dem das bei dem Unglück verwendete Geschoß stammt, vorsorglich gesperrt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Kriminalpolizei in Celle festgestellt haben soll, daß das Unglück im wesentlichen auf fehlerhafte Munition zurückzuführen ist.
Das ist mir nicht bekannt. Nach meinen Informationen liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Munition ursächlich für dieses Unglück gewesen ist. Dennoch hat man, wie ich in meiner Antwort bereits ausgeführt habe, vorsorglich das Munitionslos gesperrt.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Cramer.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht zweckmäßig, diese Stellungnahme der Kriminalpolizei anzufordern und bei Ihren Feststellungen mitzuverwerten?
Ich möchte annehmen, Herr Abgeordneter, daß das geschieht.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung - Drucksache IV/3067 - auf, und zwar zunächst die Frage XIII/1 - des Abgeordneten Spies -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß für 1964 die verspätete Freigabe der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau gemäß § 18 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, die erst im September 1964 freigegeben wurden, bei den Antragstellern große Verärgerung hervorgerufen hat, weil durch die verspätete Freigabe geplanter sozialer Wohnungsbau vielfach zurückgestellt werden mußte?
Die späte Verteilung der 'Mittel für das Jahr 1964 ist nach eingehenden Beratungen mit den Ländern und schließlich im Einvernehmen mit ,den Ländern erfolgt. Die zeitweilige Zurückstellung der Verteilung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau hatte ihren 'Grund darin, daß idle Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft ausgeschöpft war und nicht überfordert werden sollte. Eine solche Überforderung hätte die Gefahr weiterer Preissteigerungen mit sich gebracht, die sich letztlich 'zu Lasten der Bauwilligen ausgewirkt hätte. Daß dadurch bei .einigen Bauwilligen Enttäuschungen hervorgerufen wurden, war angesichts der Notwendigkeit der Stabilität unserer Währung und um die Baukonjunktur zu dämpfen, unvermeidlich.
Ich rufe gleich die Frage XIII/2 - des Abgeordneten Spies - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, für 1965 die Bundesmittel gemäß § 18 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes den Ländern so rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, daß über diese Mittel bereits Ende Februar oder anfangs März d. J. verfügt werden kann?
Herr Präsident, ich bitte um 'die Erlaubnis, die beiden nächsten Fragen zusammen beantworten zu dürfen.
Herr Abgeordneter Spies ist einverstanden. Dann 'rufe ich auch noch die Frage XIII/3 - ebenfalls des Abgeordneten Spies - auf :
Falls die Frage XIII/2 verneint wird: Welche Gründe rechtfertigen das Versagen einer frühzeitigen Freigabe der vorgenannten Bundesmittel?
Die Bundesregierung beabsichtigt, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für 1965 früher als im vergangenen Jahr zu verteilen. Das Wohnungsbauministerium wird die zuständigen Länderminister zu Beginn des Frühjahrs zu einer Besprechung einladen, auf der die Wohnungsbauprogramme abgestimmt werden sollen und über die Verteilung der Wohnungsbaumittel für 1965 beschlossen werden soll.
Keine Zusatzfrage des Abgeordneten Spies. - Abgeordneter Fritsch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es neben dem Umstand der verspäteten Bewilligung insbesondere im Regierungsbezirk Niederbayern so ist, daß nur die Hälfte aller Bewerber die beantragten Mittel bekommen konnte, einfach deswegen, weil die Mittel nicht ausreichend waren? Ist die Möglichkeit gegeben, daß die Bewerber, die im Jahre 1964 nicht zum Zuge kamen, im Jahre 1965 berücksichtigt werden?
Diese Möglichkeit ist sicher gegeben. Die Entscheidung darüber liegt aber bei den Landesregierungen.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Fritsch!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß zum Beispiel im Regierungsbezirk Niederbayern im Jahre 1964 keine Überhitzung der Baukonjunktur geherrscht hat, so daß keine Veranlassung bestand, die Mittel erst verspätet auszuzahlen, und wären Sie bereit, dafür zu sorgen, daß sich solche Zustände, wie sie im Regierungsbezirk Niederbayern aufgetreten sind, nicht wiederholen?
Soweit das in der Macht der Bundesregierung liegt, sicher!
Frau Abgeordnete Meermann zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wenn schon im vergangenen Jahr die 210 Millionen DM nicht ausgereicht haben und es Reste gegeben hat, die nicht berücksichtigt werden können, wie begründen Sie dann die Annahme, daß im nächsten Jahr alle diese Bauwünsche erfüllt werden könnten? Das Geld ist ja nicht mehr geworden?
Auch im vergangenen Jahr ist so viel gebaut worden, wie die Bauwirtschaft hergeben konnte. Das Bauvolumen ist so hoch gewesen wie selten zuvor. Ich glaube, es liegt nicht an zu geringen Mitteln, sondern daran, daß die Bauwirtschaft einfach nicht in der Lage ist, mehr zu leisten, es sei denn, daß wir unnötige Kostensteigerungen in Kauf nehmen.
Eine weitere Frage der Frau Abgeordneten Meermann.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß in dem Augenblick, wo der Bauüberhang fühlbar abgebaut wird, der Zufluß öffentlicher Mittel wieder stärker werden wird?
Soweit dann noch ein Bedarf vorliegt, der durch öffentliche Mittel gedeckt werden muß, ja.
Herr Abgeordneter Dr. Czaja zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, entspricht es nicht -den Tatsachen, daß vom Bund nicht nur 210 Millionen DM, wie Frau Kollegin Meermann meinte, für den Wohnungsbau verwendet werden, sondern im Bundeshaushalt 1965 fast 1 Milliarde DM - einschließlich der Mittel für den SBZ-Wohnungsbau und der Rückflüsse - dafür Verwendung finden und daß mit den Zinszuschüssen vom Bund insgesamt '2,4 Milliarden DM für den Wohnungsbau zinsgünstig mobilisiert werden?
Das entspricht den Tatsachen. Wenn man ein richtiges Bild von den Leistungen des Bundes für den Wohnungsbau haben will, muß man alle diese Aufwendungen zusammenzählen und darf nicht nur den Betrag für den öffentlich geförderten Wohnungsbau nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz nehmen.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Wuermeling gestellte Frage XIII/4 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Auszahlung von Baugeldern für Eigenheime von Bundesbediensteten bei der Oberfinanzdirektion Köln so schleppend erfolgt, daß den Bundesbediensteten zwischen Fälligkeit und Auszahlung untragbare Zwischenzinsaufwendungen entstehen?
Grundsätzlich liegen zwischen dem Einreichen der Unterlagen und der Anweisung der Raten drei, in Ausnahmefällen vier Wochen. Dieser Zeitraum ist bei einer Oberfinanzdirektion, die einen erheblichen Arbeitsanfall auf diesem Gebiet zu erledigen hat, leider unvermeidlich, da die Unterlagen geprüft und die Kassenanweisungen vorbereitet und ausgeführt werden müssen. Wenn der Bundesregierung Fälle bekannt werden, in denen die Bearbeitung länger dauert, als ich soeben angegeben habe, so ist sie stets bemüht, Abhilfe zu schaffen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie es für tragbar, daß, wenn ein Antrag am 16. Juni 1964 gestellt wurde, der Einzug in die Wohnung am 31. Oktober erfolgte und die Bewilligung am 6. November gegeben wurde, dann, obschon monatelang alle Voraussetzungen für die Auszahlung vorgelegen haben, die Auszahlung des Darlehens dennoch erst im Februar erfolgte, und zwar nur deshalb, weil inzwischen ein Bundestagsabgeordneter interveniert hatte?
Nein, ich halte das nicht für tragbar. Wenn die Gefahr besteht, daß solche Fälle sich wiederholen, werden wir uns bemühen, Abhilfe zu schaffen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß mir seitens des Gesundheitsministeriums inzwischen eine Anzahl von weiteren Fällen - in Zusammenhang mit der Rheinischen Heimstätte in Godesberg - bekanntgeworden sind, wo ähnlich lange Verzögerungsfristen durch das Verhalten der Oberfinanzdirektion in Köln entstanden sind? Wären Sie bereit, einmal in Verhandlungen mit der Oberfinanzdirektion darüber einzutreten, wie ein geordneter Geschäftsgang auf diesem für die Bundesbediensteten doch so wichtigen Gebiet herbeigeführt werden kann?
Uns sind leider solche und ähnliche Fälle bekannt. Da die Dienstaufsicht über die Oberfinanzdirektionen beim Finanzministerium liegt, werden wir uns mit dem Finanzministerium in Verbindung setzen. Wir sind sicher, daß wir geeignete Wege finden, um hier Abhilfe zu schaffen.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Meermann!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Zinsaufwendungen nicht nur für die Bundesbediensteten, sondern generell im Wohnungsbau sehr viel höher geworden sind, und was beabsichtigt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen?
Beim allgemeinen Wohnungsbau ist das Sache der Länder und fällt nicht in die Kompetenz des Bundes.
Herr Abgeordneter Dr. Czaja zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, würden Sie versuchen, mit den Ländern in einen Meinungsaustausch darüber einzutreten, daß anscheinend durch Personalmangel die Bearbeitungszeiten auch für den öffentlich geförderten Wohnungsbau in den Ländern außerordentlich lang geworden sind und dadurch infolge der 'hohen Zinsaufwendungen erhebliche Verteuerungen der Mieten und erhöhte Anforderungen an Subventionen der öffentlichen Hand hervorgerufen 'werden?
Herr Abgeordneter, wir werden die Ministerkonferenz, die im Frühjahr stattfinden soll, dazu benutzen, um diese Frage mit den zuständigen Ministern der Länder zu besprechen.
Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja!
Herr Staatssekretär, werden Sie bei der Intervention bezüglich der Kölner Fälle auch die Tatsache mit einbeziehen, daß ein Sachbearbeiter, der diese Angelegenheiten federführend bearbeitet, auf Anfrage erklärt hat, im Normalfalle dauerte die Bearbeitung eines Bundesbediensteten-Darlehensantrages ein Jahr, was Sie wohl ebenso wie wir für unangebracht halten?
Diese Frist halte ich für völlig untragbar. Wir werden dem nachgehen.
Ich rufe die zweite von dem Abgeordneten Dr. Wuermeling gestellte Frage - XIII/5 - auf:
Wer ersetzt einem Angehörigen der Fahrbereitschaft des Bundestages durch das in Frage XIII/4 aufgezeigte Verschulden der Oberfinanzdirektion Köln entstandene Zwischenzinsen, die in diesem Einzelfall seit 31. Oktober 1964 allein 1024 DM betragen?
In .diesem Falle ist der Antrag auf Auszahlung der ersten Darlehnsrate am 7. Dezember bei der Oberfinanzdirektion Köln eingegangen. Wegen des allgemein angeordneten Kassenschlusses zum 18. Dezember konnte die erste Rate erst am 8. Januar 1965 angewiesen werden. Ein Verschulden der Oberfinanzdirektion dürfte insoweit nicht vorliegen. Die Unterlagen für 'die Auszahlung der zweiten und dritten Rate liegen der Oberfinanzdirektion seit dem 19. Januar vor. -Die 'Auszahlung ist am 12. Februar angewiesen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wuermeling.
Herr Staatssekretär, ist es nicht interessant, daß die Auszahlungsanweisung auf jenen 12. Feibruar datiert ist, an dessen Morgen ich meinerseits die Anfrage hier gestellt habe? Ist Ihnen nicht bekannt, daß dieser Entscheid dem Betreffenden erst am 17. zugegangen ist, so .daß die Frage, ob hier nicht eine Vordatierung erfolgt ist, mindestens offenbleibt?
Dazu kann ich nichts sagen, Herr Abgeordneter, da mir die Unterlagen nicht vorliegen.
Eine weitere Frage.
Wenn Sie richtig sagen, daß also die erste Zeit der Zwischenzinsen nicht durch die Oberfinanzdirektion verschuldet worDr. Wuermeling
den Ist, darf ich dann weiter darauf hinweisen, daß - nachdem seit dem 1. Januar dieses Jahres alle Unterlagen und Voraussetzungen restlos gegeben waren - sechs Wochen verflossen sind, bis die Auszahlung erfolgte, wodurch dem Betroffenen Zwischenzinsen in Höhe von ungefähr 375 DM entstanden sind? Wer zahlt das jetzt, was durch Pflichtwidrigkeiten einer Behörde verursacht worden ist?
Herr Abgeordneter, nach dem Bericht, der uns gegeben worden ist, sind die Unterlagen für die zweite und dritte Rate der Oberfinanzdirektion erst am 19. Januar zugeleitet worden; die Auszahlung ist dann knapp vier Wochen später erfolgt. Entscheidend scheint mir aber zu sein - und darin sind wir uns sicher einig, Herr Abgeordneter -, daß wir eine möglichst kurze Bearbeitungsfrist erreichen müssen, was wir allerdings nur dadurch bewerkstelligen können, daß wir uns mit dem Finanzminister wegen der personellen Fragen bei der Oberfinanzdirektion Köln in Verbindung setzen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe zunächst die Frage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf Drucksache IV/3067 auf:
Ist der Bundesarbeitsminister bereit, die Frage der Ausstellung von Zwischenbescheinigungen für die Rentenversicherungskarten beschleunigt zu prüfen, nachdem sich der Bundesfinanzminister schon grundsätzlich mit der Zulassung entsprechender Zwischenbescheinigungen für die Lohnsteuerkarten einverstanden erklärt hat?
Herr Abgeordneter, der Zulassung von Zwischenbescheinigungen könnte der Wortlaut der einschlägigen Gesetzesbestimmungen entgegenstehen, in denen vorgeschrieben ist, daß die Entgeltbescheinigungen „bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses" in die Versicherungskarten einzutragen sind. In meinem Hause wird zur Zeit eingehend die Frage geprüft, ob wir im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung im Wege der Auslegung den Wünschen der Praxis Rechnung tragen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Kann ich also Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie dem Wunsch der Wirtschaft positiv gegenüberstehen?
Jawohl.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Fritsch aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf Drucksache IV/3077 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Anwendung des § 89 Abs. 6 Nr. 1 AVAVG die Arbeitsämter bei der Gewährung von Familienzuschlag für die Ehefrau eines Empfängers von Arbeitslosengeld zu prüfen haben, ob und inwieweit die Eltern dieser Ehefrau imstande sind, ihrer verheirateten Tochter Unterhalt zu gewähren?
Diese Auswirkungen, Herr Abgeordneter, sind uns bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für vertretbar, daß die Einkommensverhältnisse der Eltern der verheirateten Ehefrau - so wie es bei Empfängern von Arbeitslosengeld in aller Regel geschieht - überprüft werden, obwohl keinerlei örtliche, sachliche oder auch familiäre Zusammenhänge mehr zwischen der Familie der Ehefrau und ihren Eltern bestehen, da sie ja mittlerweile in den Wirkungs- und Lebensbereich ihres Ehemanns gezogen ist?
Herr Abgeordneter, das liegt im Wesen dieser besonderen Familienzuschläge, die ja auch ohne Rücksicht auf die versicherungsmäßigen Voraussetzungen und nur nach sozialen Gesichtspunkten gewährt werden. Dann erfolgen gewisse Einschränkungen. Wenn jemand sich selber helfen kann, erhält er aus der Versichertengemeinschaft nichts. Zweitens erhält er nichts, wenn der Lebensunterhalt durch Leistungen sichergestellt werden kann, die Dritte gewähren, und dazu gehören auch die Eltern der Angehörigen.
Ich gebe Ihnen gern zu, daß diese Bestimmung in manchen Fällen etwas schwierig anzuwenden ist. Deshalb sind wir auch dabei, zu überlegen, ob wir diese Bestimmung im Rahmen einer Neuordnung des AVAVG nicht etwas praktikabler machen könnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, darf ich das so auffassen, daß Sie an einer Modifikation des § 89 Abs. 6 Nr. 1 arbeiten und daß die offensichtlichen Härten, die in allen Fällen auftreten, dadurch beseitigt werden?
Ich würde nicht sagen, daß in allen Fällen Härten auftreten, sondern daß solche Härten auftreten können. Wir bemühen uns aber, bei der nächsten Gelegenheit, die sich dazu bietet, eine Änderung dieser Bestimmung des AVAVG vorzuschlagen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf Drucksache IV/3077 auf:
Welche Stellung bezieht die Bundesregierung zu der Tatsache, daß eine Witwe, deren Ehemann am 6. Mai 1961 auf der Rückfahrt vom Dienst von einem angetrunkenen Angehörigen einer Stationierungsmacht zu Tode gefahren worden war, bis heute -unbeschadet zahlreicher parlamentarischer Interventionen, umfangreichen Schriftwechsels und optimistischer Aussagen zur Abwicklung des „BRANDARIS-Komplexes" - für sich und ihre Kinder noch keinerlei Entschädigung aus diesem anerkannt schuldhaft verursachten Unfall erhalten hat?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Im März 1963 wurde eine Regelung getroffen, wonach die amerikanischen Streitkräfte die Schadensregelung für die Verkehrsopfer übernommen haben, die durch ihre Mitglieder bei Verkehrsunfällen zu Schaden gekommen sind. Der amerikanische Kongreß hat jedoch der Verwendung von Haushaltsmitteln erst im Juli 1964 zugestimmt. Erst seit dieser Zeit konnten daher die amerikanischen Streitkräfte damit beginnen, über die ihnen von den deutschen Behörden vorgelegten Entschädigungsfälle Entscheidungen zu treffen und die Auszahlung der Beträge freizugeben.
Der Stand der Abwicklung ist derzeit wie folgt: Von den insgesamt bei den deutschen Behörden eingegangenen rund 2500 Anträgen sind der amerikanischen Dienststelle inzwischen mehr als 1900 zur Entscheidung vorgelegt worden. Die amerikanische Dienststelle hat hiervon in 598 Fällen eine Entscheidung getroffen, in weiteren .100 Fällen ist in Kürze mit einer Entscheidung zu rechnen. In 296 Fällen ist eine Entschädigung von rund 330 000 DM geleistet worden. In zahlreichen Fällen konnte die Auszahlung einer Entschädigung noch nicht erfolgen, weil die erforderlichen Auszahlungsformalitäten noch nicht erfüllt sind; insbesondere fehlen in manchen Fällen z. B. die erforderlichen Abfindungserklärungen der Geschädigten.
Die Bundesregierung bedauert, daß viele Betroffene immer noch auf die Auszahlung ihrer Entschädigung warten müssen, und bemüht sich laufend, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um eine möglichst schnelle Abwicklung der Schadensfälle zu erreichen. Im Januar 1965 haben mit dem Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte und der amerikanischen Botschaft neue Verhandlungen zur Beschleunigung stattgefunden. Die amerikanische Seite hat bei der Bearbeitung der Schadensfälle im Rahmen des Möglichen Beschleunigung zugesagt. Inzwischen hat das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte eine Personalverstärkung der Entschädigungsdienststelle veranlaßt. Das zusätzliche Personal soll ausschließlich zur Bearbeitung der sogenannten „Brandaris"-Fälle eingesetzt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer.
Herr Bundesfinanzminister, würden Sie den mit den Verhandlungen mit dem US-Claims Office in Mannheim betrauten Beamten Anweisung geben, daß nicht die leichten Fälle, die also der Finanzmasse nach weniger interessant und auch unstreitig sind, sondern so besonders tragische Fälle wie der, den ich in der Mündlichen Anfrage angesprochen habe, vorrangig erledigt werden?
Wir haben bereits in diesem Sinne auf die Amerikaner einzuwirken versucht. Ich bin bereit, das auch in Zukunft zu tun. In welcher Reihenfolge aber die amerikanische Dienststelle die einzelnen Schadensfälle erledigt, darauf habe ich natürlich keinen Einfluß. Ich bin jedoch sicher, daß die amerikanischen Sachbearbeiter auch einsehen, daß gerade die tragischen Fälle möglichst schnell behandelt werden müssen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Bauer.
Haben Sie eine Vorstellung, Herr Bundesfinanzminister, wie lange etwa die Abwicklung des ganzen Komplexes „Brandaris" noch dauern wird, nachdem in meinem Betreuungsgebiet von einer zügigen Erledigung von Fällen bis jetzt nichts bekanntgeworden ist?
Herr Kollege, ich kann natürlich keinen festen Zeitpunkt angeben. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir selber und die Amerikaner alles daran setzen werden, nachdem die Verhältnisse jetzt geklärt sind, möglichst schnell zu einer Entschädigung auch in diesen Fällen zu kommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert.
Herr Minister, ist es nicht möglich, daß die Bundesregierung unter Bezugnahme auf die schleppende Abwicklung dieser vielen Fälle und insbesondere darauf, daß dadurch eine Fülle von neuem Unrecht geschaffen wird, vor allem auch darauf, daß dieser Komplex ständig Gegenstand von Fragestunden ist, die amerikanischen Behörden mit Nachdruck darauf hinweist, daß diese Fälle endlich einmal ganz beschleunigt abgewickelt werden müssen?
Herr Kollege, das ist geschehen. Auch die amerikanischen Dienststellen sind vollinhaltlich Ihrer Meinung. Ich hatte aber in der Beantwortung zu Beginn bei der Übersicht über den Stand der Fälle schon gesagt, wo die Schwierigkeiten liegen. Immerhin sind von den 2500 Fällen 1900 in Bearbeitung, und in Kürze werden rund 700 abgewickelt sein. Eine solche stoßweise Arbeitsbelastung, wie sie hier eingetreten ist, läßt sich eben, auch wenn man den alleribesten Willen hat, nicht so schnell bewältigen. Die Amerikaner haben inzwischen eine ganze Reihe von Übersetzern und Sachbearbeitern neu eingesetzt, so daß ich wirklich glaube, es ist aller getan, auch auf amerikanischer Seite, um diese tragischen Fälle möglichst schnell abzuwickeln.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.
Herr Bundesminister, eine weitere Frage. Würden Sie vielleicht die Möglichkeit überprüfen, daß die Bundesregierung im Interesse der vielen Unfallopfer in Vorlage tritt und daß dann später eine Verrechnung zwischen den amerikanischen und den deutschen Behörden erfolgt?
Es ist sehr schwer, Herr Kollege, in Vorlage zu treten bei Fällen, die nicht entschieden sind. Das kann ich einfach nicht machen; die Entscheidung liegt bei den Amerikanern. Das ist sehr, sehr schwierig. Ich weiß ja nicht, wie im Einzelfall die Entschädigung festgesetzt wird. Tatsache ist, daß nach deutschem Recht entschieden wird.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Ich rufe auf die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Leicht -:
Ist die Bundesregierung bereit, auch in den kommenden Jahren zur Beseitigung von Westwallanlagen wenigstens in den Fällen noch Mittel zur Verfügung zu stellen, in denen das Vorhandensein von Bunkern und ähnlichen Verteidigungsanlagen die Erschließung oder Entwicklung eines bestimmten Gebietes ernsthaft gefährdet?
Bitte, Herr Minister.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Ich beantworte die Frage wie folgt. Die Bundesregierung ist bereit, auch in den kommenden Jahren bis 1967 Mittel zur Beseitigung von Westwallanlagen zur Verfügung zu stellen. Unter den Objekten befinden sich auch solche, die eine besondere Behinderung oder Gefährdung für die bauliche Erschließung eines bestimmten Gebiets darstellen. Zur Beseitigung von ehemaligen Westwallanlagen sind für die Jahre 1965 bis 1967 insgesamt 3,7 Millionen DM veranschlagt.
Keine Zusatzfrage? - Frage IV/2 - des Herrn Abgeordneten Leicht -:
Ist die Bundesregierung bereit, die Kommission, die im Jahre 1961 die für eine Beseitigung in Frage kommenden Bunker und sonstigen Verteidigungsanlagen des Westwalls bestimmt hatte, nochmals in Funktion treten zu lassen, um festzustellen, in welchen Fällen noch anzuerkennen ist, daß eine Beseitigung dieser Anlagen im dringenden öffentlichen Interesse liegt?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Kollege Leicht, die von Ihnen erwähnte Kommission, die sich aus Angehörigen von Landes- und Bundesdienststellen zusammensetzt, hat im wesentlichen ihre Feststellungen getroffen. Sollte die Haushaltslage es gestatten, weitere Mittel verfügbar zu machen, kann diese Kommission jederzeit wieder in Aktion treten.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß es gut wäre, auch für das Parlament,
wenn diese Kommission erneut ihre Tätigkeit aufnähme, um uns Unterlagen dafür zu liefern, ob wir im Laufe der nächsten Jahre finanziell noch etwas für diese Aktion tun müssen?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Ich will diese Frage gern prüfen.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich .des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Cramer -:
Haben die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Tarifvertragsparteien betr. Neuregelung der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes inzwischen zu einem Abschluß geführt?
In Ergänzung meiner Antwort in der Fragestunde vom 9. Dezember 1964 darf ich sagen, daß in der Zwischenzeit zwei weitere Verhandlungen stattgefunden haben und daß die Schlußverhandlung am 17. und 18. März durchgeführt werden wird. Dann müssen die Ergebnisse umgesetzt werden in einen tarifvertraglichen Teil und in einen Satzungsteil.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Minister, können Sie jetzt schon sagen, in welchen Teilen Einigkeit erzielt worden ist und welche Fragen noch offengeblieben sind?
Nein. Ich sagte ja, die Schlußverhandlung, die die letzten Streitfragen lösen soll, wird am 17. und 18. März sein. Erst dann kann ich Ihre Frage beantworten.
Frage VI/2 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -:
Kann in absehbarer Zeit mit der Öffnung von Grenzübergängen zur CSSR in Bayerisch Eisenstein und bei Haidmühle gerechnet werden?
Die Tschechoslowakei wird voraussichtlich im nächsten Jahr den Straßenübergang Bayerisch Eisenstein wieder in Betrieb nehmen. Mit der Wiedereröffnung weiterer Übergänge kann nicht gerechnet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Landkreise an der Staatsgrenze ein großes Interesse an der Wiedereröffnung ehemaliger Grenzübergänge haben - Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja.
- ich war mit meiner Frage noch nicht ganz fertig - und daß andererseits auch der Landrat von Prachatitz in internen Besprechungen zu erkennen gegeben hat, daß er seinerseits dieser Grenzöffnung förderlich sein möchte?
Die Tschechoslowakei hat diese Grenzübergänge selber gesperrt. Ich möchte eine Antwort in der Frage der Wiedereröffnung nicht vom Landrat von Prachatitz, sondern von der tschechoslowakischen Regierung haben.
({0})
Noch eine Frage!
Herr Minister, würden Sie die Grenzöffnungen auf der Straße und auf der Schiene, mindestens an den beiden Stellen, die ich gemeint habe, als einen Beitrag auch zur wirtschaftlichen Belebung der jeweils dort befindlichen Landkreise ansehen?
Vor allem dann, wenn amtliche Beziehungen aufgenommen sind.
Ich rufe auf die Frage VI/3 - des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) -:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Öffentlichkeit kritisierte Auffassung eines oberen Bundesgerichts, das die Verfügung einer Verwaltungsbehörde auf Führerscheinentzug auf Grund von Verurteilungen bestätigt hat, die durch Ablauf der Tilgungsfristen längst gelöscht waren, und sich damit den Vorwurf zugezogen hat, „Verkehrssünder auf Lebenszeit" zu schaffen und insoweit die Rehabilitierung straffällig gewordener Kraftfahrer auch nach langer Zeit so gut wie unmöglich zu machen?
Sie wird vom Herrn Bundesminister für Verkehr beantwortet. Bitte, Herr Minister.
Herr Kollege Bauer, die in der Öffentlichkeit kritisierte Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts beruht auf einer möglichen und zulässigen Auslegung des von diesem Hohen Hause im Jahre 1957 verabschiedeten § 6 a des Straßenverkehrsgesetzes. Wir haben allerdings bisher stets die Auffassung vertreten, daß getilgte Verkehrsverstöße nicht mehr verwertet werden dürfen. Diese Auffassung ist auch in der Literatur überwiegend vertreten worden. Ob nun der neuen Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts durch gesetzgeberische Maßnahmen entgegengetreten werden sollte, wird von uns zur Zeit gemeinsam mit den für die Durchführung der Straßenverkehrsvorschriften zuständigen obersten Behörden der Länder geprüft.
Eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Bauer!
Wie ist es dann zu ererklären, Herr Minister, daß gelöschte Strafanträge oder Eintragungen in der Verkehrssünderkartei in Flensburg überhaupt amtlich in den Erwägungsbereich eines Gerichts kommen können? Liegt nicht schon hier ein Verstoß vor?
Nein, das kann man in dem Fall wohl nicht sagen; denn das Bundesverwaltungsgericht hat eine ganz neue Auffassung vertreten, die dahin geht, daß die Behörde bei der Entscheidung über die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ihr 'bekannte Tatsachen auch dann berücksichtigt, wenn die Eintragung hierüber in der Zentralkartei des Kraftfahrt-Bundesamtes bereits getilgt ist. Wenn das Gericht diese Auffassung als Tenor vertritt, hat die Behörde natürlich auch die Möglichkeit, beim Kraftfahrt-Bundesamt nachzufragen, und wenn eine solche Entscheidung jetzt ergangen ist, wird möglicherweise das Kraftfahrt-Bundesamt genötigt sein, Auskunft zu erteilen. Das entspricht nicht unserer bisher Vertretenen Auffassung, was ich noch einmal unterstreichen möchte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Bauer!
Würden Sie veranlassen, 'einmal von der verfassungsrechtlichen Seite her überprüfen zu lassen, ob eine solche Prozedur Rechtens ist?
Ja, ich will das gern überprüfen lassen. Aber wenn eines der höchsten deutschen Gerichte seine Auffassung in dieser Hinsicht bekundet, ist es natürlich sehr schwierig, demgegenüber noch eine andere Auffassung darzulegen. Hier könnte nur helfen - wie ich angedeutet habe -, daß wir 'durch eine Gesetzesmaßnahme diese Auffassung endgültig ausräumen.
Ich rufe auf die Frage VI/4 - des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) -:
Hält es die Bundesregierung für Rechtens, daß ein Beamter der Deutschen Bundesbahn, der infolge anerkannten Kriegsleidens zum Wechsel in eine schlechter bezahlte Laufbahn gezwungen war, auch noch insofern geschädigt wird, als man ihm die Lehrzeit der Anfangs-Laufbahn nicht anrechnet und infolgedessen die Jubiläums-Zuwendung für 25jährige Dienstzeit beim gleichen Dienstherrn um einige Jahre später ausfolgt?
Sie wird vom Herrn Bundesinnenminister beantwortet. Bitte, Herr Minister.
Auf Grund der Anregungen der Kollegen Brück und Schmitt-Vockenhausen, die schon vor längerer Zeit einen Ausgleich der Härten bei der Jubiläumsregelung gefordert haben, ist in der Zwischenzeit der Entwurf einer Änderungsverordnung erarbeitet worden, der demnächst verabschiedet werden wird. Dadurch werden alle die Härten beseitigt werden, von denen Sie gesprochen haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bauer!
Besteht begründete Aussicht, Herr Bundesminister, daß eine solche Regelung in Zukunft auch die tragischen Fälle erfaßt, die, sagen wir, zwei Jahre zurückliegen?
Wir wollen in diesem Bereich nicht von Tragik reden. Aber es besteht Aussicht, daß die Härtefälle erfaßt werden.
Keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir fahren in der Beratung des Haushalts fort. Ich rufe auf:
Fortsetzung der Zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 ({0}) ({1}) ; Berichte des Haushaltsausschusses ({2}).
Wir kommen zum
Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr ({3}).
Will der Herr Abgeordnete Ritzel seinen Bericht ergänzen? - Das ist nicht der Fall. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen den Fraktionen ist vereinbart worden, eine allgemeine Verkehrsdebatte - nicht im Zusammenhang mit der zweiten Beratung des Haushalts - zu führen. Hierfür ist der 11. März vorgesehen. Wenn ich Sie trotzdem darum 'bitte, einige allgemeine verkehrspolitische Ausführungen machen zu dürfen, so deswegen, weil ich dazu durch einige erstaunliche Passagen veranlaßt werde, die in einer von Herrn Kollegen Dr. Müller-Hermann im „Industriekurier" veröffentlichten Artikelserie enthalten sind. Herr Dr. Müller-Hermann schreibt dort u. a.:
Die Verkehrspolitik muß aus ihrem Getto herauskommen. Sie braucht eine klare und überschaubare Gesamtkonzeption.
Herr Kollege Müller-Hermann, das sind erstaunliche Feststellungen. Bei der Regierungskoalition sitzt die Verkehrspolitik also im Getto! Das haben Sie festgestellt! Die Regierungskoalition verfügt über keine klare und überschaubare Konzeption. Auch das ist eine beachtliche Feststellung. Damit, Herr Kollege Müller-Hermann, geben Sie erstmalig zu, daß die von Ihnen vor vier Jahren gegen Herrn Dr. Seebohm durchgesetzte Wende in der Verkehrspolitik gescheitert ist. Sie sagen selbst im „Industriekurier" dazu - das wird Sie sicher auch heute noch interessieren -:
Die Verkehrspolitik befindet sich in einem Zustand der Stagnation. In der Angleichung der Startbedingungen, die 1961 noch als das wichtigste Thema für die neue Legislaturperiode des Deutschen Bundestages angesehen wurde, ist man um keinen Schritt weitergekommen. Auch in anderen Grundsatzfragen ist man allzusehr im Stückwerk und in Behelfen steckengeblieben.
Und dann ein bemerkenswerter Satz:
Den Schaden dieser Verkehrspolitik hat die gesamte deutsche Volkswirtschaft zu tragen.
({0})
Wenn Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, als Sprecher Ihrer Partei so schwere Vorwürfe erheben, erwartet doch die Öffentlichkeit eine Erklärung darüber, was in der CDU/CSU-Fraktion vor sich geht. Ist es nur Ihre Verärgerung, daß Sie sich persönlich gegen den Herrn Bundesverkehrsminister nicht durchsetzen können - denn er ist ja der Hüter des von Ihnen gebrandmarkten Gettos -, oder gibt es in Ihrer Partei zwei rivalisierende verkehrspolitische Richtungen? Ich bin der Meinung, man sollte doch hier und heute eine Klarstellung herbeiführen; denn ich kann mir nicht denken, daß es sich nur um eine nach außen hochgespielte Doppelgleisigkeit handelt.
({1})
Eine Klarstellung ist auch deswegen erwünscht, weil Herr Kollege Müller-Hermann, wie ich gehört habe, ein umfangreiches Papier vorbereitet hat, von dem man heute noch nicht weiß, gegen wen es gerichtet ist. Die Verantwortung für die Verkehrspolitik hat doch der Herr Bundesverkehrsminister. Wir werden uns dieses Papier sehr genau ansehen. Ich habe allerdings den Eindruck, daß der Herr Bundesverkehrsminister
({2})
Ihnen durch die gestrigen Verlautbarungen schon einen Teil des Schmelzes weggenommen hat. Aber darüber werden wir ja am 11. März ausführlich reden.
Nun zum Einzelplan 12. Die Entwicklung bei der Deutschen Bundesbahn ist besorgniserregend, sie ist alarmierend. Das Defizit ist lawinenhaft angestiegen. Für dieses Jahr ist der Betriebsverlust zunächst auf 1,8 Milliarden DM beziffert worden. Die Entwicklung läßt aber befürchten, daß sich die Ertragslage der Bundesbahn weiter verschlechtern wird.
Besorgniserregend ist für uns besonders, daß nur zwei Drittel dieses Betriebsverlustes liquiditätsmäßig gesichert sind. Das restliche Drittel soll die Bundesbahn versuchsweise am Kapitalmarkt decken. Wenn das nicht gelingen sollte, dann muß der Bund spätestens im 'Herbst dieses Jahres das restliche Drittel - und das sind 600 Millionen DM - aus Haushaltsmitteln bereitstellen. Meines Wissens, Herr Bundesfinanzminister, ist für diese Lücke noch keine Deckung vorhanden. Meine Frage also: in welcher Weise haben Sie für das mögliche Erfordernis schon eine Deckung in Aussicht genommen?
Aber selbst wenn es der Bundesbahn gelänge, sich auf dem Kapitalmarkt Anleihen zu verschaffen, wäre die Finanzierung der Verluste mit Mitteln des Kapitalmarktes außerordentlich bedenklich. Denn jeder Kredit, der nicht investiv verwendet wird,
erhöht die Zinslast und treibt den Verlust weiter in die Höhe. In der freien Wirtschaft würde diese Methode sehr schnell zum Konkurs der Unternehmung führen.
Deswegen fragen wir den Herrn Bundesfinanzminister, wie weit und bis zu welcher Höhe er den Turmbau der Fremdverschuldung bei der Bundesbahn weiter aufzustocken gedenkt. Heute schon hat die konsolidierte Schuld der Bundesbahn die 13Milliarden-Grenze überschritten. Wo liegt nach der Vorstellung des Herrn Bundesfinanzministers das Maximum der Verschuldung der Bundesbahn?
Die Zinsen für diese Fremdverschuldung betragen heute schon etwa 700 Millionen DM. Das sind mehr als 11 °/o der gesamten Frachteinnahmen. Diese Zinsen kann die Bundesbahn nach Lage der Dinge nicht herauswirtschaften. Und wenn Sie heute Darlehen und Liquiditätshilfen an die Bundesbahn geben, dann wissen Sie doch sehr genau, daß diese Darlehen und Liquiditätshilfen eines Tages gestrichen werden müssen, um die Bilanzverluste auszugleichen.
Aber wenn man das weiß, dann sollte man auch den Mut haben, mit dem Versteckspielen aufzuhören, dann sollte man - was wir Sozialdemokraten seit Jahren fordern - reinen Tisch machen, die Bundesbahn auf gesunde Beine stellen und endlich die Voraussetzungen für ein wirtschaftlich-kaufmännisches Arbeiten schaffen,
({3})
d. h. die Bundesbahn veranlassen, das Tarifwesen im Güterverkehr auf der Selbstkostenbasis aufzubauen. Dann könnten auch die gezielten Aktionen wegfallen, die so viel Unruhe und Unsicherheit auf dem Verkehrsmarkt geschaffen haben.
Wir halten es für falsch und für gefährlich, die Sanierung der Bundesbahn, die Gesundung der Bundesbahn an eine erneute Untersuchung der Buchführung und der Kostenrechnung der Bundesbahn zu binden. Die Bahn ist in den letzten 15 Jahren siebenmal von Sachverständigen des In- und Auslandes geprüft worden. Jede Prüfung bringt sicher eine Reihe von Anregungen und Erkenntnissen; aber die entscheidenden Fakten und Verlustquellen sind uns doch seit langem bekannt und bedürfen keiner erneuten Überprüfung. Denn durch neue Prüfungen würde die notwendige Gesundung der Bundesbahn nur wiederum neu verschleppt werden. Wir sind der Meinung, daß das Kapitel einer Gesundung der Bundesbahn abgeschlossen sein sollte, bevor dieser Bundestag auseinandergeht. Deswegen erwarten wir für die Verkehrsdebatte am 11. März präzise Vorschläge der Bundesregierung zu diesem Punkt.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserer Kritik an der Verkehrspolitik einen weiteren wichtigen Bundesgenossen gefunden, und zwar in der Person des Herrn Bundesverkehrsministers selbst. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben in dem Bulletin vom 17. und 18. Februar eine Reihe von sehr bemerkenswerten Feststellungen getroffen. Sie schreiben unter anderem, daß sich die Konkurrenzlage der Eisenbahn verschlechtert habe, sich die
Ertragslage aller Verkehrsträger bedenklich verschlechtert habe, Versuche, die Ertragslage im stark zuschußbedürftigen Stückgut- und Expreßverkehr zu verbessern, fehlgeschlagen seien, die Abwanderung zum Lkw und Omnibus anhalte, die damalige Ausstattung der Deutschen Bundesbahn mit einem Umlaufvermögen von nur 200 Millionen DM eine Groteske gewesen sei, das Defizit der Bundesbahn in kaum mehr vorstellbare Größen gestiegen sei. Nun, Herr Bundesverkehrsminister, das ist eine freiwillige, aber sehr harte Selbstkritik. Dem ist unsererseits nur hinzuzufügen, daß die Beziehungen zwischen dem Hauptvorstand der Deutschen Bundesbahn und dem Verkehrsministerium nicht die besten sind und daß die Bundesbahn die Liberalisierungspolitik von Herrn Dr. Müller-Hermann mit Einnahmeverlusten und steigenden Defiziten bezahlen mußte.
({4})
- Diese Liberalisierungspolitik geht eindeutig auf Ihr Konto. Davon können Sie sich nicht lossprechen.
({5})
- Wir haben Sie gewarnt, aber Sie haben die Warnung in den Wind geschlagen.
({6})
Wir haben gefordert, zunächst zu harmonisieren. Sie sind genau den umgekehrten, den falschen Weg gegangen. Vielleicht erkennen auch Sie heute, Herr Bundesverkehrsminister, welche gefährlichen Auswirkungen die übereilte Aufstockung der Kontingenterhöhung und die Herabsetzung der Beförderungsteuer gehabt hatten. Denn der Haus-HausTarif des Lastzugs ist einfach unbestreitbar. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben damals etwas zu schnell und, wie wir meinten, zu unüberlegt den Wünschen des Herrn Dr. Müller-Hermann nachgegeben und vor dem Verlangen des Bundesverbandes der deutschen Industrie und des Deutschen Industrie- und Handelstages kapituliert. Wir haben, uns ausdrücklich gegen diese Aufstockung ausgesprochen.
An anderer Stelle des Bulletins schreibt der Herr Bundesverkehrsminister, daß die Bundesbahn in ihrer Organisation und in ihrer Verwaltung nicht so bleiben könne, wie sie 1952 oder gar 1930 gewesen sei. Das ist auch richtig, Herr Bundesverkehrsminister, aber es lag doch in Ihrer Hand, das zu ändern. Meine Frage an Sie: welche Vorschläge haben Sie erwogen - der Herr Bundesverkehrsminister hört leider nicht zu, das tut wohl für ihn der Herr Staatssekretär -, welche Vorschläge haben Sie eigentlich erwogen, um hier Abhilfe zu schaffen?
Wir sollten uns darin einig sein, daß alles getan werden muß, und zwar so gründlich wie möglich, um die Gesundung und die Rationalisierung bei der Bundesbahn herbeizuführen. Aber wenn auch Sie ,das wirklich ernsthaft wollen, dürfen Sie doch nicht gleichzeitig die Investitionsmittel für die Bundesbahn um 1250 Millionen DM kürzen. Das sind doch Dinge, die sich diametral gegenüberstehen. Jede
ernstgemeinte Gesundung verlangt 'die zusätzliche Bereitstellung von Mitteln. Nur wenn die Bundesregierung dazu bereit und in ,der Lage ist, haben die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers einen Sinn. Sonst, Herr Bundesverkehrsminister, geht es - um mit Ihren eigenen Worten zu sprechen - im Trott der Jahre 1930 und 1952 weiter.
Einen Augenblick! Ich glaube, der Redner hat einen Anspruch, daß der Herr Bundesverkehrsminister ihm zuhört.
({0})
Ich habe ihn darum gebeten, Herr Präsident.
Das Kreuz, meine Damen und Herren, das die Bundesbahn mit sich herumschleppt, liegt natürlich zu einem Teil in der technischen Rationalisierung, zum überwiegenden Teil aber in der gemischten Rechnung von Personen- und Güterverkehr. Der Personenverkehr, der Personennahverkehr, ist hoch defizitär. Das Defizit beträgt 1,3 Milliarden DM. Es kann von der Bundesbahn tarifarisch einfach nicht ausgeglichen werden. Eine solche Annahme wäre eine Utopie. Das Defizit, das sich aus dem Personennahverkehr ergibt, muß vom Bund zum erheblichen Teil, möglicherweise sogar ganz übernommen werden. Denn - ich möchte es noch einmal sagen - der tarifarische Ausgleich ist einfach unmöglich geworden.
Wir sollten uns auch vor halben oder falschen Maßnahmen hüten. Sonst werden die Verluste noch stärker steigen. Denn die Abwanderung auf andere Verkehrsträger wird in Zukunft noch weiter zunehmen, wenn etwa der Versuch unternommen werden sollte, die Sozialtarife anzuheben, oder wenn sich die Bundesbahn nicht intensiver als bisher darum bemüht, den Personennahverkehr attraktiver zu gestalten. Dazu gehört, daß die Bundesbahn verstärkt dazu übergehen muß, den Wagenpark zu verbessern, daß sie den Fahrplan besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abstimmen muß, daß es notwendig ist, den Zugverkehr zu beschleunigen, und daß es notwendig ist, mit anderen öffentlichen Nahverkehrsbetrieben so eng und vertrauensvoll wie möglich zusammenzuarbeiten.
Wenn wir heute in puncto Bundesbahnpolitik Bilanz zu ziehen verpflichtet sind, dann müssen wir feststellen, daß die Bundesregierung auf dem Gebiet der Bundesbahnpolitik völlig ,versagt hat und daß sie sich nicht etwa nur mit 'dem Hinweis auf eine ähnliche Situation in anderen Ländern entschuldigen kann.
Ich habe heute morgen in der Presse gelesen, daß der Herr Bundesverkehrsminister die Bundesbahn aus der Sackgasse herausführen will. Es hätte besser heißen müssen: wieder herausführen will; denn die Bahn ist durch diese Politik in diese Sackgasse hineingeführt worden .
Lassen Sie mich nun einige Sätze zu dem zweiten entscheidenden Kapitel des Einzelplans 12, zum Straßenbau sagen. Hier bleibt uns leider nur die Feststellung übrig, daß der vortreffliche Bericht der Sachverständigenkommission in dem vorliegenden Haushalt überhaupt keine Berücksichtigung gefunden hat und daß genau das eingetreten ist, was wir bei der Bestellung der Sachverständigenkommission befürchtet haben, nämlich daß die Beseitigung der Verkehrsnot in den Städten und Gemeinden, daß der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nicht in dieser Legislaturperiode in Angriff genommen oder entschieden wird, sondern daß er wieder auf die nächste Legislaturperiode verschoben wird. Das ist eine für die Gemeinden und für den öffentlichen Nahverkehr der Städte und Großstädte sehr bedauerliche Feststellung, die ich hier erneut treffen muß, denn mit der Verschiebung auf die nächste Legislaturperiode ist eo ipso eine Verzögerung um anderthalb bis zwei Jahre verbunden.
Die Stellungnahme der Bundesregierung zur Drucksache IV/2661 wird sicherlich so lange zurückgehalten, bis der Haushalt 1965 hier verabschiedet ist. Dann haben die Beratungen für diesen Bundestag doch nur noch theoretischen Wert. Dieser Mangel wird nicht geheilt durch Entschließungen zur dritten Lesung. Mit einem Katalog unerfüllter Wünsche, Herr Kollege Müller-Hermann, ist am Schluß einer Legislaturperiode nur sehr wenig anzufangen. Was finanziell realisiert werden soll, das muß in diesem Haushalt stehen. Alles andere hat dann nur noch publizistischen Wert.
({0})
- Aber selbstverständlich! Wenn Sie uns die Chance geben, diese Anträge ehrlich und vernünftig zu diskutieren, dann sind wir gern bereit, eine solche Diskussion zu führen. Wir wollen uns aber nicht immer von Ihnen mit dem allgemeinen Einwand der Deckung abtun lassen. Dieses billige Argument liefern wir Ihnen nicht mehr.
({1})
Sie sind zu keiner ernsthaften Diskussion bereit. Bei Ihnen liegen die Blöcke fest. Das haben Sie oft genug gesagt. Kommen Sie also nicht mit einem solchen Einwand!
Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Sie das angekündigte umfangreiche Papier dem Bundestag zuleiten sollten, dann werden wir Sie, Herr Bundesverkehrsminister, zu jedem einzelnen Punkt dieser Entschließung um eine Stellungnahme bitten. Denn, Herr Kollege Müller-Hermann, es geht nicht an, daß alle Versäumnisse der Bundesregierung von Ihnen gesammelt und dann als eigenes Programm vorgetragen werden. Wenn Sie zu der Verkehrspolitik Ihrer Partei in Opposition stehen, machen Sie es doch nicht über diese Entschließungsanträge, sondern dann nehmen Sie doch offiziell vor dem Haus dazu Stellung!
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eine abschließende Bemerkung! Herr KollegeMüllerHermann, Sie hatten die Freundlichkeit, im Pressedienst Ihrer Partei der SPD vorzuwerfen, sie halbe keine Verkehrskonzeption.
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- Herr Kollege Müller-Hermann, wunderbar, daß Sie klatschen! Aber man soll nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Oder soll ich noch einmal zitieren, was Sie im Dezember im „Industriekurier" ja sehr trefflich dargelegt haben? Wie oft haben Sie doch Ihrem Fraktionskollegen, Herrn Minister Seebohm, vorgeworfen, daß er keine Konzeption habe! Tragen Sie 'doch diesen Streit erst einmal unter sich aus! Das ist der bei Ihnen ja bekannten Hauskrach. Auf uns bezogen, Herr Kollege Müller-Hermann, darf ich sagen: wenn Sie unsere wiederholt dokumentarisch dargelegten Grundsätze sozialdemokratischer Verkehrspolitik nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann ist das Ihre Sache. Wir können nicht mehr tun, als sie Ihnen frei Haus zuliefern.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben uns ja heute und hier mit Ihrer Verkehrspolitik zu beschäftigen, die Sie seit 13 Jahren praktizieren. Als Ergebnis Ihrer Verkehrspolitik darf ich 'feststellen: eine hochdefizitäre, 'in bedenklichem Maße fremdverschuldete Bundesbahn, ein krasses Mißverhältnis zwischen Straßenbau und Motorisierung, gefährdete Binnenwasserstraßen, die nur in Ausnahmefällen ein wirtschaftliches Befahren zulassen, ein völlig verzerrter und überzogener Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern und ein Bündel von Berichten und Gutachten in- und ausländischer Sachverständiger, aus denen die wirklich entscheidenden Konsequenzen von Ihnen bisher nicht gezogen worden sind. Diese von Ihnen praktizierte Politik halten wir für nicht vertretbar. Deswegen werden wir auch dem Einzelplan 12 nicht zustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 12 stellt im Rahmen des Gesamthaushaltsplans einen Schwerpunkt dar. Nach den Haushalten Sozialpolitik und Verteidigung ist ,er der drittgrößte an Volumen. Ichglaube, das drückt genügend aus, welche Bedeutung dieses Hohe Haus und auch die Bundesregierung dem Verkehrswesen und seinem Gewicht für unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft zumessen. Dafür danken wir der Bundesregierung.
Herr Kollege Dr. Bleiß hat im Namen der sozialdemokratischen Fraktion nun diesen Haushalt und die Verkehrspolitik der Bundesregierung in Grund und Boden verdammt.
({0})
Was mich dabei nur wundert, ist, daß bei aller Kritik von seiten der sozialdemokratischen Opposition nicht ein einziger Änderungsantrag zu diesem Haushaltsplan vorgelegt worden ist, aus dem sich konkrete Hinweise dafür ergeben könnten, wie sich denn nun die Sozialdemokratische Partei eine vernünftige Verkehrspolitik vorstellt.
({1})
Der besondere Zorn von Herrn Kollegen Dr. Bleiß richtet sich gegen die neue verkehrspolitische Konzeption,
({2})
nämlich diejenige, die wir in den Verkehrsgesetzen 1961 mit den Stimmen der sozialdemokratischen Opposition einstimmig in diesem Hohen Hause verabschiedet haben, eine Konzeption, die darauf ausging, in Anpassung an die Notwendigkeiten aus der EWG auch unsere Verkehrswirtschaft langsam, aber zielstrebig in die soziale Marktwirtschaft zu überführen.
({3})
Ich darf nochmals daran erinnern, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie 1961 dieser Konzeption zugestimmt haben und daß sich - wenn Sie etwa auf die europäische Ebene treten - gerade in Ihren Reihen die schärfsten Vorkämpfer für diese Konzeption befinden.
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Sie versuchen nun, mit einzelnen Sätzen aus einem Artikel von mir aus dem „Industrie-Kurier" eine Diskrepanz herauszuarbeiten zwischen der CDU/CSU-Fraktion und speziell mir und dem Bundesverkehrsminister und der Bundesregierung.
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Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen hier versichern - und ich sage das in aller Objektivität und aus voller Überzeugung -, daß es zwischen meiner Fraktion, mir selbst, dem Herrn Verkehrsminister 1 und der Bundesregierung in ,den grundsätzlichen Fragen keinerlei Meinungsverschiedenheiten gibt,
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sondern im Gegenteil, daß wir in voller Übereinstimmung handeln.
({7})
Der Entschließungsentwurf, Herr Kollege Dr. Bleiß, der in sehr detaillierter Form zu den konkreten Fragen Stellung nimmt, ist mit allen beteiligten Ressorts der Bundesregierung und insbesondere mit dem Herrn Bundesverkehrsminister im Detail abgestimmt worden. Sie mögen auch daraus ersehen, daß es keine Möglichkeit für Sie gibt, hier Auffassungsunterschiede herauszuarbeiten, die nicht existent sind.
({8})
Nun sind natürlich die Probleme, die sich uns im Verkehrssektor stellen, von außerordentlicher Bedeutung. Sie sind auch sehr kompliziert, und es liegt gar nicht im Bereich des Möglichen, mit all den Problemen von heute auf morgen fertig zu werden. Sie können nur in einem langfristigen Prozeß bewältigt werden. Das gilt einmal für ,die Tatsache, daß die technische Entwicklung den ganzen Verkehrsmarkt, die ganze Verkehrswirtschaft umstrukturiert; eine Entwicklung, die auf der einen Seite der Bundesbahn speziell völlig neue Aufgaben zuweist, die auf der anderen Seite die Bundesbahn vor die Schwierigkeit
stellt, sich im Wettbewerb gegen neu auftretende oder durch die technische Entwicklung auch gestärkte Wettbewerber zu behaupten bzw. sich mit ihrem Angebot von Dienstleistungen umzustellen.
Der zweite große Fragenkomplex, der eine Fülle von Problemen mit sich bringt, ist die Motorisierung. Wenn die Motorisierung bei uns in der Bundesrepublik eine so rasante Entwicklung genommen hat, so bedauern wir das durchaus nicht, sondern glauben viel eher, daß diese rasante Entwicklung auf eine gute allgemeine Politik der Bundesregierung zurückzuführen ist. 8,3 Millionen Personenkraftwagen in der Bundesrepublik, an denen die Arbeitnehmerschaft 67 % Anteil hat, ist, so glaube ich, ein Erfolg, ,auf den wir stolz sein können.
({9})
Natürlich ist das Problem der Motorisierung, was das Äquivalent im Straßenbau anbetrifft, nicht von heute auf morgen einer Lösung zuzuführen; das wissen Sie genauso gut wie wir.
({10})
Es gibt auch andere Probleme. Daß durch Lärmbelästigung, Abgase, Unfälle usw. Gefahren für unsere Menschen hervorgerufen werden, wissen wir genauso gut wie Sie. Nur, für die Lösung auch dieser Probleme gibt es keine Patentrezepte, die von heute auf morgen die Dinge in Ordnung brächten, sondern nur den Weg einer langfristigen Entwicklung.
Wir sind uns auch völlig darüber im klaren, daß sich besondere Probleme durch die Motorisierung einmal in den verkehrsschwachen Gebieten, zum anderen in den Ballungsgebieten und insbesondere in den Städten ergeben. Wenn Sie hier aber, Herr Dr. Bleiß, der Bundesregierung den Vorwurf machen, sie habe auf dem Gebiet des Straßenbaues nicht genügend getan, dann muß ich das mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
({11})
Die Bundesrepublik steht im Straßenbau heute an der zweiten Stelle in der Welt. Ich glaube, das sollte man zur Kenntnis nehmen. Das ist eine Leistung, auf die wir stolz sein können. Aber auch hier gilt natürlich, Herr Dr. Bleiß, daß wir durchaus nicht bereit sind, uns mit den bisherigen Aufbauleistungen zufrieden zu geben. Wir wissen - das ist ja das Ergebnis der Untersuchungen der von uns gewünschten Enquetekommission -, daß insbesondere in den Ballungsgebieten und in revierfernen, wirtschaftlich schwach strukturierten Gebieten noch wesentliche Aufgaben zu erfüllen sind. Wir gehen daran, und seien Sie sicher, wir sehen die Erfüllung dieser Aufgaben als eine ganz wesentliche Aufgabe an, die der nächste Bundestag zu lösen haben wird. Wir werden schon in diesen Monaten daran gehen, in Auswertung des Enqueteberichts die Maßnahmen vorzubereiten, die der nächste Bundestag dann realisieren muß.
Aber, Herr Kollege Dr. Bleiß, machen Sie es sich bitte nicht so leicht,
({12})
die sicherlich idealen technischen Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und sich um das Problem, wie das finanziert werden soll, herumzudrücken.
({13})
Denn nur wenn wir mit Vorschlägen für die technische Lösung der Probleme auch die Frage der Finanzierung verknüpfen, sind wir der Öffentlichkeit gegenüber ehrlich, die natürlich einen Anspruch darauf hat, daß auch diese Probleme, und zwar nicht vom Bund allein, sondern auch von den Ländern und Gemeinden einer gemeinsamen Lösung zugeführt werden.
({14})
Nun glaube ich, es ist richtig, daß wir uns gerade bei der Verabschiedung dieses Haushalts mit dem Problem Bundesbahn beschäftigen. Sie ist ein ganz besonderes Sorgenkind, und ich kann es mir nicht versagen, den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß einen besonderen Dank dafür auszusprechen, daß sie es fertiggebracht haben, das außerordentlich schwierige Problem der Aufrechterhaltung der Liquidität der Bundesbahn einer Lösung zuzuführen. Die Art, wie es jetzt gelöst worden ist, ist sicherlich nicht ideal, das müssen wir wohl alle sehen. Es ist aber doch wohl ein Weg, ' aus den aktuellen Schwierigkeiten herauszukommen. Denn das Bedürfnis der Öffentlichkeit, daß die Bundesbahn ihren laufenden Verpflichtungen nachkommen kann, ist in diesem Hohen Hause völlig unbestritten.
Ich muß mich aber in aller Entschiedenheit dagegen verwahren, wenn Herr Dr. Bleiß die Dinge hier so darzustellen versucht, als ob die Bundesbahn in ihre Misere etwa durch die Verkehrspolitik der Bundesregierung hineingeraten wäre
({15})
oder gar durch das Eintreten in einen stärkeren Wettbewerb. Sie wissen doch selbst, meine Damen und Herren, daß gerade die Bundesbahn in den letzten Jahren ein großer Befürworter einer wettbewerbsorientierten Verkehrspolitik geworden ist, und zwar aus sicherlich sehr richtigen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen 'Überlegungen. Ich hätte nur gewünscht, daß diese Überlegungen auch bis zur letzten Konsequenz verfolgt und weiterentwickelt worden wären.
({16})
Es scheint mir aber nicht zweckmäßig zu sein, daß wir jetzt bei der aktuellen Misere, in der sich die Bundesbahn befindet, nach Schuldigen fragen, sondern ich bin der Meinung, daß wir mehr danach fragen sollten, wo die Ursachen begründet liegen. Wir müssen uns dann gemeinsam darum bemühen, diese Ursachen aus dem Wege zu räumen.
({17})
- Sie machen es sich sehr leicht, meine Damen und Herren. Sie haben immer wieder die Meinung vertreten, der Bund habe seinen Pflichten gegenüber der Bundesbahn nicht genügt. Das trifft nicht zu, das ist falsch. Sie wissen - und ich glaube, darüber
besteht in diesem Hohen Hause sogar eine einmütige Meinung -, daß der Bundesbahn das abgenommen werden muß, was man ihr nicht an Lasten zumuten kann, wenn von ihr eine betriebswirtschaftlich vernünftige, nach Wettbewerbsgesichtspunkten orientierte Betriebsführung erwartet wird. Was der Bund und was wir mit diesem Haushalt der Bundesbahn an betriebsfremden und politischen Lasten abnehmen, übersteigt aber bei großzügigster Auslegung dieses Begriffes bei weitem das, was fairerweise der Bundesbahn abgenommen werden müßte. Schon daraus ergibt sich, daß der Bund seinen Pflichten gegenüber der Bundesbahn nachkommt. Ich darf auch darauf hinweisen, daß der Bund in den letzten vier Jahren mit Einschluß dieses Haushalts der Bundesbahn jeweils 500 Millionen DM als Kapitalaufstockung zur Verfügung gestellt hat, eben in erster Linie mit der Zielsetzung, damit ihre Modernisierung zu bestreiten und so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Börner?
Bitte sehr!
Herr Kollege Müller-Hermann, wollen Sie Ihre Ausführungen nicht dazu benutzen, den Widerspruch Ihrer eben gemachten Äußerungen mit der Darstellung der Bundesregierung im Bulletin dieser Woche über die Situation der Bundesbahn aufzuzeigen? Wollen Sie Ihre Redezeit insbesondere nicht dazu benutzen, einmal darzustellen, wie Sie zu der Frage der geringen Kapitalausstattung der Bundesbahn stehen, die Herr Seebohm im Bulletin so deutlich herausgestellt hat?
({0})
Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß eine Bundesbahn der Zukunft erhebliche Investitionen tätigen muß, ebenso wie das ja auch auf anderen Gebieten des Verkehrs geschehen muß. Sie selbst sind ja immer wieder als Vorkämpfer für noch mehr Investionen in der Infrastruktur im Verkehr hervorgetreten. Aber Sie müssen doch wohl zugeben, daß man diese gewaltigen Investitionen nicht von heute auf morgen tätigen kann, sondern daß man sie über einen längeren Zeitraum verteilen muß und daß der Bund hier seinen Pflichten in jeder Weise nachzukommen sucht.
Ich möchte mich auch dagegen verwahren, daß verallgemeinernd gesagt wird, wir suchten die Schuld für die heutige Situation nur bei der Bundesbahn. Sicher ist es richtig, daß die Bundesbahn selber ihre wirtschaftliche Lage teilweise zu günstig eingeschätzt hat. Sie kommen ja nicht an der Tatsache vorbei,
({0})
- bitte, Herr Dr. Bleiß, wenn Sie mir noch einen
Augenblick zuhören würden-, daß die Personalaufwendungen von 1963 bis 1965 um 868 Millionen DM gestiegen sind, und das bei praktisch festen Preisen oder sogar bei durch die Notwendigkeiten des Wettbewerbs bedingten Tarifsenkungen! Hier tut sich eine Diskrepanz zwischen der Kostenentwicklung und der Preisentwicklung auf, die wir sehen müssen. Mit dem Problem fertig zu werden ist sicherlich für die 'Bahn sehr schwierig. Wir müssen hier der Bundesbahn den Weg bereiten helfen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Bleiß?
Bitte sehr!
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, würden Sie freundlichst erklären: Wenn die Bundesbahn nicht schuld ist, wenn auch die Bundesregierung nicht schuld ist, wer trägt dann eigentlich die Schuld an der Misere der Bundesbahn? Wenn die Entwicklung falsch eingeschätzt worden ist, dann ist das doch ein Verschulden der Bundesregierung, oder sind Sie anderer Meinung?
({0})
Ja, das kann man sagen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien für die nicht rechtzeitige Bereitstellung der Mittel ein erhebliches Maß an Schuld und Verantwortung zukommt? Erinnern Sie sich vielleicht noch der Tatsache, daß im Haushalt 1964 vor Abschluß der Etatberatungen im Haushaltsausschuß ein erheblicher Betrag, der in den Haushalt hätte eingestellt werden müssen, von der Koalition nicht eingestellt worden ist und damit ein entscheidender Beitrag für das Zustandekommen der heutigen Situation geleistet worden ist?
Herr Kollege Ritzel, Sie wissen, daß der Betrag, um den zunächst gekürzt worden ist, am Ende des Haushaltsjahres wieder zur Verfügung gestellt wurde. Ich muß noch einmal betonen, der Investitionsbedarf der Bundesbahn ist ja gar nicht bestritten. Auf der anderen Seite haben wir Entscheidendes zur Verbesserung der Kapitalstruktur der Bundesbahn getan.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Kapitalstruktur der Bundesbahn im Vergleich zu der ihrer Wettbewerber ungleich günstig ist. Praktisch jedes Wirtschaftsunternehmen ist heute gezwungen, seine Investitionen zur Modernisierung der Anlagen auch unter Inanspruchnahme von Kapitalmarktmitteln durchzuführen.
({0})
- Ja, auch. Das gilt auch für die Bundesbahn.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte!
Darf ich Sie bitten, einmal in Ihrem Gedächtnis nachzukramen, um festzustellen, daß es in früheren Jahren, in denen der Etat gerade auf dem Gebiet der Bundesbahn stärker hätte ausgebaut werden müssen, nicht das Verkehrsministerium, sondern das Finanzministerium gewesen ist, das in entscheidenden Fragen nein gesagt hat, und daß die Koalition dieses Nein gedeckt hat?
Herr Kollege Ritzel, Sie wissen, daß wir immer unter dem Zwang stehen, einen Ausgleich des Bundeshaushalts herbeizuführen und die Ausgaben nach dem Grad der Dringlichkeit vorzunehmen. Das gilt auch für den Bereich des Verkehrs.
Herr Abgeordneter Leicht möchte eine Frage stellen.
Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, glauben Sie nicht, daß Angehörige dieses Parlaments zu dem Zustand, wie er heute im Bereich der Bundesbahn herrscht, zumindest ebenso beigetragen haben wie andere Bereiche draußen?
Herr Kollege Leicht, ich wäre darauf noch im Zusammenhang mit der Frage von Herrn Dr. Bleiß, wo denn nun eigentlich die Schuldigen sitzen, zu sprechen gekommen. Ich habe gesagt, ich möchte in diesem Hause nicht nach den Schuldigen suchen, sondern nach den Ursachen forschen.
({0})
Einiges ist sicherlich von seiten der Bundesbahn nicht rechtzeitig getan worden; aber einen Teil der Schuld trifft natürlich die Politik im allgemeinen, die sich noch nicht überall im Lande mit den Veränderungen in der Struktur des Verkehrs zurechtgefunden hat.
({1}) Und da sind Sie nicht ganz unschuldig. ({2})
- Das werde ich Ihnen gleich sagen, meine Damen und Herren; denn Sie haben tatsächlich überhaupt keine verkehrspolitische Konzeption. Sie benutzen das Thema Verkehrspolitik und das Unglück der Bundesbahn, um damit parteipolitische Geschäfte zu machen.
({3})
- Ja, ich will Idas vorziehen, meine Damen und Herren, was Ihre Vorstellungen denn im Grunde eigentlich sind. Wir sind der Auffassung, daß man bei diesem strukturell bedingten Umwandlungsprozeß nach vorne denken muß, und zwar mit einer sehr klaren Vorstellung. Ich kann Ihnen gegenüber nur wiederholen - und Sie wissen das ganz genau -, daß wir einen geordneten Wettbewerb auch auf dem Verkehrsmarkt sichergestellt wissen wollen,
({4})
einen Wettbewerb, der sich auf 'der Basis gleicher Startbedingungen 'abspielt und über den tallein eine optimale Verkehrsbedienung zu den geringsten volkswirtschaftlichen Gesamtkosten sichergestellt werden kann. An dieses Ziel wollen wir uns ohne Dogmatik und mit pragmatischen Methoden heranarbeiten.
({5})
Das ist eine Konzeption, die Sie in Ihren theoretischen Erläuterungen auch immer wieder als die Ihre ausgeben und die, wie Sie ja wissen, auch mit Ihrer Unterstützung die verkehrspolitische Konzeption im Gemeinsamen Markt ist. Wir sind aber nicht bereit, als verkehrspolitische Konzeption hinzunehmen, 'daß der Status quo erhalten bleibt und der Bund unbesehen immer mehr Mittel in diesen Verkehrsmarkt, in den Verkehrsapparat hineinpumpt. Wir meinen vielmehr, daß auch im Verkehrsapparat selbst durch innerbetriebliche Rationalisierung und durch eine 'bessere Aufgabenteilung etwas Eigenes dazu getan werden muß, um die Gesamtkosten im Verkehr dort, wo immer dies möglich ist, angemessen zu senken.
Ihre verkehrspolitische Konzeption, meine Damen und Herren, besteht doch neben der Aufforderung an den Bund, mehr Geld hineinzustecken, nur darin, jedem Verkehrsträger und auch noch der Verladerwirtschaft, je nach dem, wo Sie auftreten, nach dem Munde zu reden.
({6})
Ich will Ihnen dafür auch einige Beispiele geben.
Zunächst zum Thema Kosten. Wir gehen doch davon 'aus, daß jeder Verkehrsträger ebenso, wie die Bundesbahn es mit ihrem Schienenweg tut, seine Wegekosten aufbringen muß. Dann sagt aber Herr Dr. Bleiß, wenn er zum Kraftverkehr geht, folgendes:
Fest aber, meine Damen und Herren, steht eins, daß der Kraftverkehr, solange er der derzeitigen erheblichen 'steuerlichen Belastung ausgesetzt ist, seine Wegekosten nicht nur bezahlt, sondern überbezahlt hat.
({7})
- Hört! Hört! In einem anderen verkehrspolitischen Programm der SPD, das in erster Linie offensichtlich für die Eisenbahner ausgerichtet ist, heißt es:
Ein Sechstonner zahlt heute zirka ein Drittel seiner Abnutzungskosten, und ein 32-t-Zug zahlt zirka 15 % seiner Abnutzungskosten, und indem er 85 % von der öffentlichen Hand, von den Pkw-Fahrern bezahlt bekommt, kann er künstlich niedrigere Tarife anbieten.
({8}) Das ist das eine Thema.
Zu den Verkehrspreisen sagt Herr Dr. Bleiß bei der Binnenschiffahrt:
Wenn es der Bundesregierung mit dieser Novelle lediglich um Frachtkostensenkungen für die verladende Wirtschaft gegangen ist, dann hat sie diesen Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie voll erfüllt.
Zur gleichen Zeit wandert Herr Seibert durch die Lande - ({9})
- Dasselbe sagen Sie auch den Kraftverkehrsleuten.
({10})
Während der gleichen Zeit zieht Herr Seibert durch
die Lande und sagt: Die Tarife im Verkehr sind
natürlich viel zu hoch und müssen gesenkt werden.
Das gleiche läßt sich sagen über das Thema der Abmessungen und Gewichte. Herr Dr. Bleiß erklärt vor Kraftverkehrsunternehmern, daß eine nationale Regelung entsprechend den Europäischen Vorstellungen erfolgen müsse. Und es gibt keine Rede von Ihnen, Herr Seibert - vor allem, wenn Sie vor den Eisenbahnern sprechen -, wo Sie sich nicht mit Entschiedenheit gegen die europäischen Abmessungen und Gewichte zur Wehr setzen. Auch innerhalb des DGB scheinen die Meinungen nicht einheitlich zu sein; denn die Eisenbahnergewerkschaft fordert von der Bundesregierung: Herunter mit den Abmessungen und Gewichten! Mir liegt hier eine Erklärung der ÖTV vor, die sie auch an Bundestagsabgeordnete gesandt hat. In ihr wird die Bundesregierung aufgefordert, nun endlich einmal die einseitig gegen den Kraftverkehr gerichteten Wettbewerbsmaßnahmen abzustellen, die in zu niedrigen Abmessungen und Gewichten für die Lastkraftwagen bestehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich darf vielleicht zuerst noch einen Punkt erwähnen. - Ähnliches läßt sich auch für den Verkehrswegeausbau sagen. Herr Kollege Seibert wettert gegen neue Kanalbauten. Zur gleichen Zeit kommen aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der Opposition, immer neue Wünsche auf neue Kanalvorhaben. Wie wollen Sie das eigentlich alles miteinander in Einklang bringen?
({0})
- Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, damit das nicht im Protokoll stehenbleibt: Wollen Sie ernsthaft behaupten, daß ich in der „Schifferbörse" gesagt habe, die Preise müßten erhöht werden?
Herr Kollege Dr. Bleiß, zumindest haben Sie - das wurde mir auch von Teilnehmern berichtet, den Eindruck zu erwecken versucht,
({0})
als ob die heute in der Binnenschiffahrt und im Kraftverkehr geltenden Preise zu niedrig seien und erhöht werden müßten.
({1})
- Das ist kein Rückzug, das ist für mich vielmehr nur eine Bestätigung. Ich habe hier noch eine Fülle von weiteren Beispielen, wo Sie, meine Damen und Herren, auf dem Gebiete der Verkehrspolitik nichts anderes tun, als jedem das zu sagen, was er gern hören will. Aber das ist nicht einzureihen in eine glaubwürdige Gesamtkonzeption.
({2})
Ich darf auch das aufnehmen, was Herr Kollege Leicht dazu gesagt hat. Der Vorstand der Bundesbahn hat .im vergangenen Jahr, sicherlich taktisch nicht ganz klug und durchdacht, seine Vorschläge zur Gesundung der Bahn auf den Tisch gelegt. Man mag darüber streiten, ob es nicht richtiger gewesen wäre, unter angemessener Unterrichtung der Öffentlichkeit diese Dinge öffentlich in allem Freimut zu diskutieren. Aber Sie haben sich eine Wonne daraus gemacht, meine Damen und Herren von der Opposition, unter Ausnutzung einzelner Passagen dieses Berichts der Bundesbahn zunächst einmal bei den Bundesbahnern selbst und dann in der Öffentlichkeit einen völlig ungerechtfertigten Wirbel zu verursachen, sicherlich nicht in der besten Absicht, der Bundesbahn und der Offentlichkeit damit einen Dienst zu erweisen.
({3})
Ich darf auch darauf hinweisen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie im Vorstand der Bundesbahn und im Verwaltungsrat der Bundesbahn vertreten sind, im Verwaltungsrat sogar recht massiv, und daß letzten Endes auch der Vorsitz des Verkehrsausschusses dieses Hohen Hauses in der Hand der SPD ist. Sie, Herr Dr. Bleiß, brauchen also nicht in der Öffentlichkeit zu erklären, jetzt müßten einmal die Karten auf den Tisch gelegt werden. Sie haben in der Schreibtischschublade des Ausschußvorsitzenden doch die ganzen Berichte liegen, und sie sind bisher von Ihnen nicht auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt worden.
({4})
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Kollege Müller-Hermann, wollen Sie die fehlende und von Ihnen auch als fehlend bestätigte Verkehrskonzeption ersetzen durch Aufrechnung mit Erklärungen, die der eine oder andere Ihrer Herren Kollegen abgegeben hat?
Das will ich gar nicht, Herr Kollege. Aber ich will, daß wir bei der Diskussion auf allen Seiten sachlich bleiben. Ich kann es jedenfalls nicht tolerieren, daß von Ihrer Seite her in völlig ungerechtfertigter Weise Vorwürfe gegen die Bundesregierung und gegen uns wegen des Fehlens einer klaren Verkehrspolitik erhoben werden, wo Sie selbst eben „schwimmen". Wir haben sehr klare Vorstellungen von dem, was getan werden muß, Sie aber offensichtlich nicht.
({0})
Herr Dr. Bleiß möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Müller-Hermann, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen daß Sie im „Industriekurier" selbst festgestellt haben, daß die Berichte, die dem Ausschuß vorliegen, völlig unzureichend und auch praktisch indiskutabel sind? Woher nehmen Sie jetzt die Veranlassung, etwa mir vorzuwerfen, daß ich diesen von Ihnen als unzureichend bezeichneten Berichten nicht mehr Aufmerksamkeit zugewandt habe, als sie wirklich verdienen? Zum Beispiel der Bericht über die Wettbewerbsverzerrungen ist verstümmelt. Mit diesem Bericht ist einfach nichts anzufangen.
Herr Kollege Dr. Bleiß, dieser Bericht über die Wettbewerbsverzerrungen ist ein Teilbericht der Bundesregierung. Er ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluß
({0})
und enthält wesentliche Punkte nicht. Aber es ist ja nicht der einzige Bericht. Wir haben z. B. das Brand-Gutachten seit 1961 im Ausschuß vorliegen. Es ist sogar erneuert und überprüft worden. Auch der Bericht der Bundesbahn liegt uns vor. Aber auch da sind keinerlei Initiativen ergriffen worden.
Herr Dr. Bleiß!
Herr Kollege Müller-Hermann, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß der Brand-Bericht wiederholt zur Diskussion gestanden hat?
Nein.
({0})
Der ist nicht eingehend diskutiert worden.
({1})
- Doch, ich war sicherlich anwesend.
({2})
Wir sind uns darüber im klaren, daß das Verhältnis zwischen Bund und Bundesbahn endgültig und klar geregelt werden muß; eine Forderung, die wir immer wieder vertreten haben: Ich freue mich, daß heute auch der Bundesfinanzminister soweit ist, zuzustimmen, daß es für ihn selbst nützlicher und auf die Dauer billiger ist, wenn der Bund der Bundesbahn in großzügigster Weise das abnimmt, was ihr nicht zugemutet werden kann. Andernfalls muß er am Ende eines Haushaltsjahres ein pauschales Defizit übernehmen, das in seinen Einzelheiten und in seiner sachlichen Berechtigung gar nicht überprüfbar ist. Wir müssen nun einmal dazu kommen, daß die politischen Wünsche und Auflagen von dem Bereich getrennt werden, den die Bundesbahn in eigener Verantwortlichkeit nach kaufmännischen Gesichtspunkten verwalten oder besser gestalten muß. Wir werden unter dieser Prämisse all diejenigen Kräfte in der Bundesbahn ermutigen, die bereit sind, sich der veränderten Verkehrsstruktur zu stellen und die Bundesbahn mit den nötigen Konsequenzen in einen geordneten, volkswirtschaftlich sinnvollen Wettbewerb einzuführen.
Ich sehe mich gezwungen, etwas aus dem Entschließungsentwurf zur dritten Lesung des Haushalts herauszugreifen, den Sie, Herr Kollege Dr. Bleiß, schon erwähnt haben und in dem meine Fraktion in einer Reihe von ganz konkreten Vorschlägen die Bundesbahn ermahnt, aus eigener Initiative Wesentliches zur Verbesserung ihrer Kostensituation zu unternehmen.
({3})
Wenn wir davon ausgehen, daß der Bund der Bundesbahn, um sie nicht in Liquiditätsschwierigkeiten kommen zu lassen, heute mehr gibt, als ihr fairerweise zusteht, dann muß man eben zu der Konsequenz kommen, daß bei der Bahn selbst einiges noch nicht in Ordnung gebracht worden ist.
Das Defizit der Bundesbahn ist unangemessen hoch. Ich will Ihnen drei Zahlenbeispiele nennen. 50 % der Dienststellen der Bundesbahn erbringen heute 95 % der Einnahmen der Bahn und 50 % 5 % der Einnahmen. Ein Drittel der Gesamtaufwendungen der Bahn wird für 5 % ihrer Verkehrsleistungen ausgegeben. Ich könnte ein drittes Zahlenbeispiel anführen. Ich will es aber hier nur andeuten, um nicht einen falschen Eindruck aufkommen zu lassen. Das ist der Vergleich zwischen den französischen Staatsbahnen und der Deutschen Bundesbahn. Sie wissen, daß bei ungefähr gleicher Beförderungsleistung, allerdings unterschiedlicher Struktur des Schienennetzes die französischen Staatsbahnen 140 000 Mann weniger beschäftigen als die Bundesbahn. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß man die Dinge nicht völlig vergleichen kann. Aber dieser erhebliche Personalunterschied ist in keiner Weise zu rechtfertigen, und es gibt auch keine Argumente, um einen solchen Unterschied als notwendig nachzuweisen.
Wir werden daher einfach nicht daran vorbeikommen, daß die Bundesbahn 'selbst größere gezielte Anstrengungen unternimmt, um ihre Kostensituation auch aus eigener Kraft zu verbessern. Dazu gehört - darauf möchte ich insbesondere hinweisen - auch eine verantwortungsbewußte Mitarbeit gerade der Gewerkschaften. Natürlich, wenn man Personal abbauen will, muß das in einer Weise geschehen, daß
dadurch keine sozialen Härten entstehen. Wann kann man aber gerade dies Postulat wohl besser erfüllen als in Zeiten von Hochkonjunktur, Vollbeschäftigung und Knappheit an Arbeitskräften! Es muß natürlich auch in einer Weise geschehen, daß nicht etwa die Verkehrsbedienung davon einen unverhältnismäßigen Schaden erleidet. Aber ganz sicher muß doch ein Unternehmen, das sich in einer solch schwierigen wirtschaftlichen Situation befindet, zunächst einmal, wie das in jeder Branche üblich ist, Überlegungen anstellen: Was können wir tun, um unsere Kostenlage zu verbessern? Erst unter dieser Voraussetzung wird man auch dazu übergehen können, hinsichtlich der Preise neue Überlegungen anzustellen. Wir glauben durchaus nicht, daß das heutige Tarifniveau oder Tarifgefüge der Bundesbahn in Ordnung ist. Aber bevor man daran rüttelt, muß die Bahn natürlich selbst prüfen, wo und wie sie ihren Aufwand vermindern kann.
Aus diesem Grunde haben wir, wie gesagt, eine Entschließung vorbereitet, die in 10 Punkten konkrete Vorschläge enthält. Dazu gehört einmal der innere und organisatorische Aufbau der Bundesbahn.
Ein zweites Thema ist die Regietätigkeit der Bundesbahn. In dem Brand-Gutachten ist schon moniert worden, daß die Bundesbahn 75 0/o ihrer Oberbau-Arbeiten in eigener Regie 'durchführt. Das Gutachten verlangte seinerzeit eine Umstellung dieses Verhältnisses. Heute führt die Bundesbahn etwa 90 % dieser Arbeiten in eigener Regie aus.
Auch auf dem Gebiet des Waggonbaus tut sicheiniges. Während wir darangehen, das Bundesvermögen zu privatisieren, geht die Bundesbahn zur gleichen Zeit dazu über, sich eine Art eigenen „Werkverkehr" auszubauen. Im vorigen Jahr hat sie 8825 Güterwagen und 488 Nahverkehrswagen zum Teil „umgebaut", zum Teil zweifellos von vornherein neu gebaut.
Wenn man alle Kosten, die das Unternehmen Bundesbahn zu tragen hat, auch die Aufsichtskosten, die Sozialaufwendungen usw., einbezieht, so ist es für mich ziemlich klar, daß es teurer kommen muß als bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen.
({4})
- Dafür gibt es Beweise.
({5})
Der Vorstand der Bundesbahn selbst hat sich bereit erklärt, diese Frage sehr genau zu prüfen, und glauben Sie min die Brand-Kommission hat die Dinge sehr eingehend geprüft.
In ihrer heutigen Lage müßte die Bundesbahn vielleicht auch größere Anstrengungen machen, wenigstens über Grundstücksverkäufe einiges zur Besserung ihrer Situation beizutragen.
({6})
Ein besonderes Sorgenkind bleibt natürlich der Stückgutverkehr. Hier unterbreiten wir der Bundesbahn nachdrücklich den Vorschlag, daß sie darangehen möge, im Verteiler- und Zubringerverkehr einen Abbau ihrer hohen Kasten dadurch herbeizuführen, daß sie diesen für sie sehr kostspieligen, weil zu lohnintensiven Verkehr in möglichst enger, auch organisatorisch zu unterbauender Zusammenarbeit mit Speditions- und Güterkraftverkehrsunternehmen abwickelt.
Etwas Ähnliches gilt für den Flächenverkehr. Da legen wir ganz besonders Gewicht darauf, daß die Verkehrsbedienung verbessert wird, zumindest jedoch in gleichwertiger Form erhalten bleibt. Aber auch da wird eben eine bessere Zusammenarbeit mit Speditions- und Kraftverkehrsunternehmen angestrebt werden müssen. Wo aus übergeordneten politischen Gründen die Aufrechterhaltung von Diensten .der Bahn verlangt werden muß, wird in Zukunft eben mit Auflagen gearbeitet werden müssen, die dann finanziell abgegolten werden.
Ein weiteres Sorgenkind - da stimme ich Herrn Dr. Bleiß völlig zu - ist der öffentliche Personennahverkehr, vor allem der Berufs- und Schülerverkehr, den die Bundesbahn sicherlich nicht aus eigener Kraft kostendeckend gestalten kann. Aber auch hier muß versucht werden, einerseits eine größere Attraktivität zu erzielen, etwa durch kürzere Reisezeiten, durch Angebot von ausreichenden Sitzplätzen, andererseits die Kosten abzubauen, etwa durch Automatisierung des Fahrkartenverkaufs und durch Pauschalierung des Fahrpreises. Es ist nicht nötig, daß im Nahverkehr von Station zu Station ein besonderer Fahrpreis erhoben wird.
Auch wünschen wir neue Überlegungen von der Bundesbahn darüber, welche technischen und tarifarischen Anreize geboten werden können, um im Knotenverkehr mehr Schwerlastverkehr von der Straße auf die Schiene zu überführen. Sicherlich ist zum beiderseitigen Nutzen des Kraftverkehrs und der Bahn noch manches zum Ausbau des Behälter- und Huckepackverkehrs möglich.
Über den Umbau des Tarifsystems habe ich schon gesprochen. Ich möchte anregen, daß der Berufs- und Schülerverkehr, soweit er Defizite verursacht, anteilig von den Ländern übernommen wird. Die Bundesregierung soll 'entsprechende Verhandlungen führen.
Von erheblicher Bedeutung ist für uns die Frage der Aufteilung der Gemeinkosten auf die verschiedenen Dienstbereiche der Bahn. Hier wünschen wir eine 'gezielte Prüfung durch eine unabhängige Gesellschaft mit dean Ziel, eine wettbiewerbsneutrale Aufteilung der Fix- bzw. Gemeinkosten sicherzustellen.
({7})
- Nein, diese Kommission braucht nur einen ganz kleinen Teilbereich zu überprüfen. Wir sind genauso wie Sie dagegen, daß noch einmal eine große Untersuchung angestellt wird. Sie könnte nichts Neues zutage fördern, eventuell sogar einen Vorwand liefern, um die bei der Bahn und auf der politischen Seite notwendigen Maßnahmen weiter zu verzögern.
Das letzte ist, daß wir für die Bundesbahn ein langfristiges Investitionsprogramm wünschen, das diese in die Lage versetzt, sich bis 1970 die Gestalt zugeben, die bei richtiger Einschätzung der BedürfDr. Müller-Hermann
nisse unserer Volkswirtschaft und des durch die technische Entwicklung bedingten Strukturwandels auf dem Verkehrsmarkt eine Bahn der Zukunft haben muß.
Unsere Vorschläge sollen nicht etwa ,ein Ausdruck der Besserwisserei gegenüber der Bundesbahn sein. Sie sollten eher als ein .Akt der Ermutigung angesehen 'werden, daß die Bahn selbst diejenigen Überlegungen in die Praxis umsetzt, die in ihren eigenen Reihen durchaus durchdacht sind und deren Realisierung sicherlich nicht nur bei Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, sondern in weiten Teilen der Öffentlichkeit deshalb auf Widerstand stößt, weil das Problem in seiner ganzen Bedeutung und in seinen Zusammenhängen bisher nicht klar erkannt und vielleicht auch nicht immer richtig dargestellt worden ist. Wir sind jedenfalls der Überzeugung, daß die Bahn noch ganz große Zukunftsaufgaben zu bewältigen hat. Wir auf seiten der CDU/CSU werden ebenso, wie es sicherlich die Bundesregierung tun wird, diejenigen Kräfte der Bahn mit Rat und Tat ermutigen, die auf eine leistungsfähige und gesunde Bahn der Zukunft hinarbeiten.
({8})
Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen zunächst mitteilen, daß über die weiteren Verhandlungen eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen ist. Wir tagen heute bis 14 Uhr. Die zweite Beratung des Haushaltsgesetzes wird am Mittwoch nach der Fragestunde fortgesetzt und dann abgeschlossen. Am Mittwoch soll noch das Parteiengesetz beraten werden. Am Donnerstag wird nach Bedarf möglicherweise eine Fragestunde stattfinden. Die dritte Beratung des Haushaltsgesetzes soll dann am Freitag, früh um 9 Uhr, ohne Fragestunde stattfinden.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Fraktionen war besprochen worden, heute möglichst kurz zu brennenden Problemen im Rahmen des Haushaltsplanes 12 Stellung zu nehmen; am 10. oder 11. März soll dann eine Generaldebatte über Verkehrspolitik stattfinden. Ich bedaure sehr, daß insbesondere mein Vorredner von dieser losen, selbstverständlich unverbindlichen Verabredung erheblich abgewichen ist. Ich weiß auch nicht, was im Interesse des Verkehrs dabei herauskommen soll, wenn man eine Konzeption der anderen gegenüberhält. Ich frage einmal mit aller Deutlichkeit: gibt es überhaupt in einer der drei Fraktionen eine gemeinsame Verkehrskonzeption? Ich bestreite das. Nehmen Sie die Partei der Opposition. Sie werden mir nicht erzählen, daß Herr Bleiß mit seinen übergeordneten Ansichten als Vorsitzender des Verkehrsausschusses je mit den Auffassungen von Herrn Seibert in Übereinstimmung kommen kann. Das ist ganz selbstverständlich. Bei der CDU/CSU ist es eigentlich genau dasselbe. Auch Herr Brück, den ich hier gerade vor mir sehe ({0})
- das sage ich Ihnen gleich noch, wir haben den i Mut dazu -, wird sich nie ganz mit den Ausführungen von Herrn Müller-Hermann in Übereinstimmung befinden. Verkehrspolitik ist eben keine Weltanschauung, und deswegen ist es auch in meiner eigenen Fraktion etwas schwierig, Konzeptionen auf den Tisch zu legen, die nicht mit dem Liberalismus in Übereinstimmung sind. Ich habe einen guten Beweis dafür: auch in den Vereinigten Staaten von Amerika - und das soll ja das klassische Land der Freiheit sein - sieht man, daß man dem Verkehr nicht einfach freien Lauf lassen kann, und zwar schon seit 1880. Diese Bestimmungen über die ICC, d. h. die Interstate Commerce Commission, gelten auch heute noch.
Es war natürlich vorauszusehen, daß in einer abgekürzten Debatte, wie sie heute stattfinden soll, das Thema der Deutschen Bundesbahn, deren Verwaltungsrat ich ja angehöre, im Vordergrund stehen sollte. Die Bundesbahn im Jahre 1965 weist ein Defizit von 1,8 Milliarden DM aus. Ich möchte hier angesichts der Bereitwilligkeit des Haushaltsausschusses, des Bundesfinanzministers und sicherlich auch des ganzen Hauses von vornherein darauf aufmerksam machen: die im außerordentlichen Plan mit 750 Millionen DM vorgesehenen Darlehen werden im Jahre .1965 von der Deutschen Bundesbahn benötigt. Es bleibt dann immer noch ein Rest von 600 bis 700 Millionen DM zu tragen, über den hier auch gesprochen wurde. Ich weiß aber nicht, oh schon erwähnt wurde - und das demonstriert die bedauerliche Lage der Bundesbahn erst in ihrer vollen Härte -, daß ein Drittel der Investitionen, d. h. rund 900 Millionen DM, im Jahre 1965 gekürzt werden mußte. Was das für die deutsche Wirtschaft als den größten Auftraggeber der Deutschen Bundesbahn bedeutet, das können Sie alle selbst ermessen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran schließt sich ja sofort die Frage an: wie soll denn nun die Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn durchgeführt werden, wenn sie gleichzeitig aus Liquiditätsgründen gezwungen ist, ein Drittel ihrer Investitionen zu streichen?
({1}) Das ist die Situation.
Was nun die Rationalisierung 'selbst betrifft, so ist so viel Wind um die Stillegung von Strecken und von Güterabfertigungen gemacht worden, daß er der Größenordnung überhaupt nicht entspricht. Das waren eben politische Einstellungen zu diesen Absichten des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn, unterstützt auch vom Verwaltungsrat. Denn was kommt dabei heraus? Diese ganze von der Bundesbahn selbst vorgeschlagene Rationalisierung ergibt runde 70 Millionen DM. Das, was der Herr Bundesverkehrsminister noch dazu vorgeschlagen hat, würde wahrscheinlich weitere 70 oder 80 Millionen DM erbringen. Das sind zusammen 150 bis 160 Millionen DM. Aber das sind doch alles Palliativmittelchen angesichts eines Defizits von 1,8 Milliarden DM. Darum war dieses Geschrei meines Erachtens völlig überflüssig. Ich darf Ihnen die Versicherung geben, es wird nicht eine einzige Strecke stillgelegt, bevor nicht eingehend mit den Betroffenen unter8282
sucht ist, wie die wirtschaftliche Auswirkung und wie auch die soziale Auswirkung ist. Wir haben noch niemals ohne Beachtung dieser Grundsätze eine Strecke stillgelegt.
Aber wenn ich Ihnen sage, daß diese Rationalisierungsbestrebungen, wofür ja auch zwei besondere Ausschüsse eingesetzt wurden, schon gar nicht im Jahre 1965, aber auch für die kommenden Jahre nur ein geringer Tropfen auf den heißen Stein sind, dann kommen wir damit automatisch zu den Fragen, ,die von meinen beiden Vorrednern gar nicht genügend angefaßt und beachtet worden sind, nämlich den Fragen der Tarife oder der Entgelte, wie Sie
es nennen wollen.
Ich habe gestern mit großer Aufmerksamkeit die Äußerung des Herrn Wirtschaftsministers Schmücker gehört, der völlig in Übereinstimmung mit früheren Aussagen des Finanzministeriums gesagt hat: Auch Dienstleistungen öffentlicher Betriebe müssen kostenecht vergütet werden; daran muß sich die Offentlichkeit gewöhnen. Das muß hier heute morgen, wenn man die Bundesbahn überhaupt gesunden will, mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht werden. Dann kommt man natürlich in das Gebiet ,der Sozialtarife, ein Tabu im Wahljahr. Ich weiß das; ich will es trotzdem anschneiden, um Ihnen die Situation vor Augen zu führen, all das, was bisher hier nicht deutlich genug gesagt wurde, wohl auch mit Rücksicht auf den Wähler nicht gesagt werden sollte. Die Schülerkarten decken heute bei der Deutschen Bundesbahn 10 % der Unkosten, der Berufsverkehr 30 %. Ich bleibe nur bei diesen beiden Dingen und führe Ihnen folgendes vor Augen. Im Jahre 1911 hat eine Schülerkarte auf 7 km 3 Mark gekostet. Im Jahre 1965 kostet sie 3,80 DM. Halten Sie das angesichts der gestiegenen Reallöhne überhaupt noch für verantwortbar? Ich persönlich nicht.
({2})
Ich bitte aber, nicht verkehrt verstanden zu werden. Natürlich muß der Staat für die auferlegten Sozialtarife nach wie vor den wesentlichen Teil der Unterhaltung tragen. Ich glaube aber, daß man auch dieses Thema anfassen muß. Solche Zustände, die einfach nicht tragbar sind, müssen geändert werden.
({3})
- Sicher. Aber Sie wollen mir doch nicht sagen, Herr Dr. Bleiß, daß eine Abwanderung von den klassischen Verkehrsmitteln erfolgt, wenn die Schülerkarte statt 3,80 DM in Zukunft 4,10 DM oder 4,20 DM kostet.
({4})
- Ja, 'ich weiß; sobald man das Thema Sozialtarife anfaßt, besteht überall die Sorge, daß man damit
- gezielt auf den 25. September 1965 - schlecht ankommt.
Aber gehen wir einmal auf den Frachtverkehr über. Solange zu beweisen ist, daß der Wagenladungsverkehr bei der Deutschen Bundesbahn keine roten Zahlen ausweist, bin auch ich dagegen, daß man Frachttariferhöhungen vornimmt. Nehmen Sie den Stückgutverkehr - ich glaube, es ist heute morgen auch schon gesagt worden -, der bei der Bundesbahn nur 68 % der Kosten deckt. Dann muß man auch den Mut haben, an diese Dinge heranzugehen. Ich selbst habe, nicht nur im Verwaltungsrat, sondern auch in der Öffentlichkeit, vorgeschlagen, daß man die gesamten Entgelte der Bundesbahn, die ungefähr 10 Milliarden betragen, um 10 % erhöht. Ich habe aber niemals die Forderung gestellt, überall eine lineare Erhöhung vorzunehmen. Denn selbstverständlich muß es dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn überlassen bleiben, genau zu untersuchen, wo man Erhöhungen vornehmen kann, ohne daß die eigene Wettbewerbssituation in irgendeiner Weise geschädigt wird. Aber, wie gesagt, Tariffragen scheinen im Wahljahr mehr oder weniger tabu zu sein. Woher kommt das? Die ganzen ernsten Fragen der Bundesbahn haben wir alle
- das betrifft alle Parteien, seien Sie mir nicht böse
- 3 1/2 Jahre in dieser Legislaturperiode vor uns her geschoben, bis die ungeheure Notlage der Bundesbahn mit 1,8 Milliarden DM Defizit nunmehr im Wahljahr zu einem drängenden Problem wird. Keiner hat den Mut, an diese Dinge ernsthaft heranzugehen.
Auch die Tarifpolitik der Deutschen Bundesbahn muß in diesem Augenblick angefaßt und untersucht werden. Man hat sich Wunder versprochen von der Abtarifierung der hohen Klassen am 1. August vorigen Jahres. Man hat zwar jetzt in einer Statistik vom Oktober bis November bewiesen, daß dadurch ein gewisses Plus entstanden ist und daß man damit eine weitere Abwanderung in den hohen Klassen verhindert hat. Aber leider steht daneben die Statistik der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, die mit aller Deutlichkeit aussagt, daß trotz dieser Tarifmaßnahmen der gewerbliche Straßenverkehr und der Werkverkehr erheblich zugenommen haben. Dais ist eine Tatsache, die können Sie nicht mit diesen Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn erklären. Im Gegenteil, man möchte annehmen, daß die verbesserte Situation im Wagenladungsverkehr der Deutschen Bundesbahn sehr stark darauf zurückzuführen ist, daß der Zuwachs an Ladung für alle Verkehrsträger erheblich gestiegen ist. Haben diese 150 Millionen DM Abtarifierung irgendwelche Auswirkungen auf die Preise gehabt? Ich habe nichts davon gemerkt. Wenn jetzt eine vernünftige Anpassung der Tarife erfolgen würde, würde sie auch keine Auswirkung auf die Preise haben.
Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mit dem Präses des Deutschen Industrie- und Handelstages, Dr. Schneider, über diese Dinge zu sprechen, der ja zunächst einmal die Meldung herausgegeben hat: Kein Pfennig Frachterhöhung, die Wirtschaft wird es nicht zulassen usw. Er hat seine Meinung hinterher etwas revidiert, und zwar richtig. Er hat nämlich gesagt: Wenn die Hauptverlustquelle der Deutschen Bundesbahn der Personenverkehr ist, dann muß man den Mut haben, sowohl an den Frachtals auch ,an den Personenverkehr nach eingehenden Untersuchungen heranzugehen.
Neuerdings sagt die Bundesbahn, sie lehne es ab, weiterhin die Preisführung bei den Tarifen zu übernehmen. Darauf möchte ich etwas näher eingehen, weil es das Verhältnis der Verkehrsträger untereinander - d. h. Bundesbahn, Binnenschiffahrt und Straße - in einem starken Maße betrifft. Ich glaube, daß die Aussage der Freien Demokratischen Partei, die sie seit 1949 unentwegt gemacht hat, auch heute noch gilt. Sie geht dahin - ich darf hier wiederholen -: Die Verkehrsträger Straße, Schiene, Binnenschiffahrt sollen und müssen sich an einen Tisch setzen. Das bedeutet nicht Kartellvereinbarungen. Man sollte sich einmal gemeinsam überlegen, wie man das Vorfeld bereinigen kann. Ich denke dabei an gegenseitige demagogische Angriffe, die von jeder Seite im eigenen Interesse gemacht werden, aber einer sachlichen Prüfung einfach nicht standhalten. Wenn man diese demagogischen Behauptungen, die aus allen Lagern dieser Binnenverkehrsträger kommen, einmal beseitigt hat, kann man sich an einen Tisch setzen und überlegen, wie wir eine Verkehrspolitik betreiben können, vor allem eine Verkehrspolitik, die den Verkehrsnutzern zugute kommt, aber gleichzeitig auch der verladenden Wirtschaft nicht schadet.
Wie soll die Bundesbahn in Zukunft denn nun eigentlich arbeiten? Damit komme ich auf das Thema der Novellen von 1961. Die Novellen von 1961 wollten doch gleichzeitig, daß alle drei Verkehrsträger in Zukunft mehr kaufmännisch arbeiten. Schon die geringen Vorschläge - ich habe es bereits erwähnt -, die der Vorstand der Bundesbahn in Richtung auf eine weitere kaufmännische Betätigung gemacht hat, haben den erbitterten Widerstand nicht nur der Öffentlichkeit, sondern leider auch des Kabinetts gefunden, also selbst diese kleinen Ansätze einer stärkeren kaufmännischen Betätigung.
Ich glaube, das Hohe Haus wird die Absicht, nun das Bundesbahngesetz zu ändern und damit die Deutsche Bundesbahn wieder mehr unter die Fuchtel der Regierung zu 'bringen - im Gegensatz zu einer kaufmännischen Betätigung -, zurückweisen und, wenn eine solche Vorlage kommt, sie mit aller Energie ablehnen, damit das Ziel einer beweglicheren kaufmännischen Tätigkeit bei allen Verkehrsträgern, in diesem Fall insbesondere bei der Bundesbahn, aufrechterhalten wird.
Was andererseits die 1961 er Novellen anlangt, so stellen wir fest, daß aus dem Hause des Bundeswirtschaftsministeriums leider sehr große Schwierigkeiten kommen, wenn sich Verlader und Verkehrsträger, in diesem Falle also bei der Binnenschiffahrt, geeinigt haben. Das kann man doch einfach nicht verstehen. Ich bin darüber eigentlich sehr glücklich, daß nun die Partikuliere in der Binnenschiffahrt den Mut gehabt haben, wegen der Auslegung der 1961 er Novellen einmal das Verwaltungsgericht zur Prüfung der Frage anzurufen, ob im Gegensatz zum Bundesverkehrsministerium das Bundeswirtschaftsministerium mit seiner Auffassung überhaupt richtig handelt.
In diesem Zusammenhang ist die Frage einer Untersuchungskommission hochgespielt worden, d. h. einer einseitigen Untersuchungskommission gegenüber der Bundesbahn, die allerdings laut Bundes-Bahngesetz zulässig ist. Aber wie viele Untersuchungen haben wir schon gehabt! 'Einer meiner Vorredner hat das ja gesagt: sieben oder acht Gutachten, von ausländischen Gutachtern sogar, zuletzt das bekannte Brand-Gutachten, an dem viele hervorragende Fachleute mitgearbeitet haben. Nur Konsequenzen werden aus diesem Gutachten nicht gezogen. Was nützt dann ein neues Gutachten, das wieder einige Jahre dauert und aus dem auch nichts herauskommt!
Nun ist meine Fraktion mit dieser Sache belastet worden. Es hat geheißen, wir seien diejenigen gewesen, die diese Untersuchung wollten. Meine Damen und Herren, nichts verkehrter als das! Diese Untersuchungskommission gegenüber der Bundesbahn entsprach, soviel ich unterrichtet bin, einer Initiative des Straßenverkehrs und der Binnenschiffahrt beim Finanzminister und beim Wirtschaftsminister. Was die FDP will, ist etwas völlig anderes. Ich hoffe, daß wir das bis zur Verkehrsdebatte noch auf den Tisch legen können. Ausgehend von einer Initiative von Dr. Löbe, die auch von Herrn Ramms und von mir unterstüzt wird, erstreben wir etwas ganz anderes. Wir wollen eine Transportanstalt, die in der Lage ist, Tarifanträge gerecht zu beurteilen, die vor allen Dingen in der Lage ist - und das möchte jeder Verkehrsträger haben -, Wettbewerbsverzerrungen zu untersuchen und dementsprechend der Regierung und dem Hohen Haus Konsequenzen auf den Tisch zu legen, die aus diesen Wettbewerbsverzerrungen gezogen werden können.
Tarife bedürfen einer eingehenden Kostenuntersuchung, bevor überhaupt die Genehmigung gegeben werden kann. In diesen Tagen lese ich z. B., daß jetzt, nachdem wir soeben eine entscheidende Sitzung des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn gehabt haben, Anträge auf dem Tisch liegen, daß z. B. für Papiersendungen von Süddeutschland nach Norddeutschland Tarife kommen, die um 40 % heruntergehen, für Mineralöl Tarife, die um 60 % heruntergehen. Daraus sehen Sie, meine Damen und Herren, daß die 61 er Novelen, gegen die ich persönlich gewesen bin - ich konnte nur damals aus persönlichen Gründen hier leider nicht anwesend sein -, zu einer Entwicklung geführt haben, die für alle drei Verkehrsträger einfach untragbar ist. Daher unser Petitum für eine Transportanstalt und eine Untersuchung aller drei Verkehrsträger, damit eine gerechte Behandlung und Gegenüberstellung erfolgt.
Überhaupt, wer. hat eigentlich die Novellen von 1961 forciert? Ich habe schon am Anfang gesagt, es gebe keine klare Verkehrskonzeption einer einzelnen Partei. - Herr Müller-Hermann, Sie lesen zwar, wie üblich, immer wieder Zeitung; das ist schon bekannt. Sie haben ja vorhin auch den Verkehrsminister gebeten, zuzuhören.
({5})
Vielleicht darf ich Sie bitten, gerade an dieser Stelle einmal zuzuhören.
({6})
Wer hat die Novellen von 1961 so forciert? Da sind Sie doch der aktive Mann gewesen.
({7})
- Aber Sie sehen, wir stehen doch jetzt vor dem Scherbenhaufen der 61 er Novellen. Daran ist doch gar kein Zweifel.
({8})
Wer hat die Kontingentserhöhung so stark gefordert? Das sind doch Sie und Ihre Fraktion gewesen. Wer hat den Werkverkehr gefordert? Das sind doch auch Sie gewesen. Herr Müller-Hermann; da kommen Sie leider nicht herum. Und wer fordert auch heute noch Liberalisierung im weitesten Maße, obwohl Sie heute morgen mit aller Deutlichkeit gesagt haben, wir brauchten einen geordneten Wettbewerb, aber diesen geordneten Wettbewerb hätten wir nicht mehr?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Herr Kollege Rademacher, darf ich Ihr Gedächtnis etwas auffrischen und Ihnen in Erinnerung rufen, daß die soeben von Ihnen zitierten Gesetze die Unterschrift Ihrer Fraktion tragen? Sie sind wohl nicht da bei Ihrer Fraktion?!
Damals war ich leider nicht da, Herr Müller-Hermann.
({0})
Sie wissen ganz genau, daß mich damals eine schwere Krankheit überfallen hatte.
({1})
- Das entlastet nicht meine Fraktion. Der mache ich auch genauso den Vorwurf wie Ihnen. Aber Sie sind doch der Hauptinitiator dieser ganzen Dinge gewesen. Ich kenne doch Ihre Äußerungen im Verkehrsausschuß.
({2})
- Sie widersprechen sich in einem fort, Herr Müller-Hermann. Aber die Hauptsache ist ja wohl, daß Verkehrsexperten, die etwas sagen, möglichst jeden zweiten und dritten Tag mit Ziel auf die Ereignisse der Legislaturperiode von 1965 in der Presse mit eigenwil'li'gen Meinungen erscheinen, selbst dann, wenn sie irgendwelche Meinungen nachbeten, wie z. B. beim Zweiten Verkehrssicherungsgesetz, wo Sie ja dankenswerterweise eine Reihe von meinen Stellungnahmen sofort und jeden Tag immer wiederholt haben.
({3})
- Ja, ja, ich weiß. Ich bin aber trotz Ihrer Zweckmeldung immer noch nicht zur SPD übergetreten
und habe auch nicht die Absicht; damit Sie es genau wissen.
Ich habe vorhin schon auf den geordneten Wettbewerb in den Vereinigten Staaten hingewiesen, die 'schon 1880 erkannt haben, daß ein geordneter Wettbewerb nötig ist. Das leitet mich über -zu einer nur 'kurzen Feststellung, daß die EWG, wenn die Übergangszeit vorbei ist, sich vollkommen darüber klar ist, daß auch ab 1970 ein geordneter Wettbewerb vorhanden sein 'muß.
Ich werde heute morgen darauf verzichten, auf die Seefahrt einzugehen. Ich verzichte auch darauf, auf die Luftfahrt einzugehen, obgleich es natürlich kitzelt, etwas dazu zu sagen, daß seit 1958 die Air-Union kommen soll und )daß sie weiter denn je von einer Realisierung entfernt ist. Aber vielleicht kann der Herr Bundesverkehrsminister in der Erwiderung etwas Positiveres darüber sagen.
Wenn wir am 10. und 11. März noch einmal ausführlich über die Verkehrspolitik, wie sie für alle
- für die Verkehrsträger und auch für die Wirtschaft - zum besten ist, diskutieren sollten, dann hoffe ich, daß endlich auch das elende Thema der Maße und Gewichte ausgestanden ist. Ich bedaure sehr, daß der heilige europäische Geist zu spät über den Herrn Bundesverkehrsminister gekommen ist. Hätte er sich nämlich vor drei Jahren der europäischen Regelung angeschlossen, dann hätte er sich nicht mit der 13-Tonnen-Achse, die die Franzosen fordern, herumzuärgern brauchen. Dann hätte sich auch wahrscheinlich durch die Erhöhung der Kapazität eine Erhöhung der Kontingente erübrigt, und dadurch wäre viel Unruhe erspart geblieben.
Wenn wir überlegen, daß wir mit unserer deutschen Verkehrspolitik jetzt allmählich und dringend in die europäische Verkehrspolitik einmünden müssen, dann darf ich Ihnen voraussagen - und hier wird mir Herr Müller-Hermann hoffentlich recht geben, wo wir ja im Europarat sehr gut zusammenarbeiten - ({4})
- Ich habe Ihnen ja von vornherein gesagt, daß wir zwischen sehr eigenwilligen persönlichen Äußerungen und dem unterscheiden müssen, was eine Fraktion billigt oder nicht.
({5})
- Schreiben Sie nicht soviel in den Zeitungen, Herr Müller-Hermann. Durch Ihre verschiedensten Aussagen machen Sie sich nämlich 'unglaubwürdig.
({6})
Ich nehme das hier gar nicht von FDP zu CDU. Das ist eine sehr persönliche Meinung Ihnen gegenüber, Herr Müller-Hermann. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit noch einmal feststellen.
Ich bin davon überzeugt, daß die kommende Verkehrspolitik in der EWG wahrscheinlich noch viel schwieriger sein wird als die 'Überwindung der agrarpolitischen Fragen. Was hat das für eine Voraussetzung? Das hat doch die Voraussetzung, daß
wir auch endlich einmal dazu kommen müssen, völlig unabhängig von den Parteien zu einer Verkehrspolitik aus einem Guß zu gelangen. Davon sind wir aber leider sehr weit entfernt; denn in dem Augenblick, wo der europäische Verkehrsmarkt Platz greift, müssen wir mit einem intakten Verkehrsapparat aller drei Verkehrsträger auftreten können.
Wie ist die Situation heute? Und damit komme ich zum Ende. Der Bundesbahn kann, weil sie ein Staatsbetrieb ist, von Fall zu Fall geholfen werden, und ihr ist auch wieder durch die Bereitschaft des Kabinetts, dem der Bundestag sicher folgen wird, erheblich geholfen worden. Wie sieht es aber bei den Verkehrsträgern aus, die selbständige Unternehmer sind, d. h. bei Straße und Binnenschiffahrt? Hier gilt doch offenbar, wenn es nicht zu einer vernünftigen, ausgeglichenen Verkehrspolitik kommt, nur der eine Satz: Hilf dir selber, dann hilft dir Gott. Das ist die Situation bei den privaten Verkehrsträgern, die nicht in die Lage der Bundesbahn kommen möchten, trotz der berechtigten Ansprüche, die die Bundesbahn hat. Diese freien Verkehrsträger wollen keine Subventionen. Sie wollen sich aus eigenem durch Leistungen helfen. Dazu bedürfen sie aber natürlich einer geschlossenen Verkehrspolitik der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses, die die Schwierigkeiten, die bei einem großen Staatsbetrieb auf der einen und Privatbetrieben auf der anderen Seite immer vorhanden sind, überbrückt.
Trotz vieler Bedenken hinsichtlich der Verkehrspolitik, wie ich sie hier aufzeigen durfte und aus meiner Kenntnis der Dinge heraus aufzeigen konnte, werden wir, da die Mittel ja fließen müssen - und deswegen verstehe ich leider nicht ganz Ihre ({7}) Ablehnung des Einzelplans 12 -, dem Einzelplan 12 unsere Zustimmung nicht versagen.
({8})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Herren Redner der einzelnen Fraktionen haben jeweils am Anfang ihrer Rede gesagt, wir wollten heute keine Verkehrsdebatte machen. Wenn sich der Bundesminister für Verkehr daran nicht hielte, dann würde er wahrscheinlich länger brauchen als bis 14 Uhr - so lange, wie getagt werden soll -, um diese Methode, keine Verkehrsdebatte machen zu wollen und dann große Reden mit Fragen und Bemerkungen zu halten, aufzunehmen. Ich glaube aber, daß das Hohe Haus einverstanden ist, wenn ich sage: Wenn wir wirklich am 11. März, vielleicht sogar noch am 12. März eine Verkehrsdebatte machen, dann lohnt es sich nicht, heute alle diese Dinge darzulegen, sondern dann sollten wir das das nächste Mal machen. Denn - ich bin nun einmal aus dem alten Osterreich - das Nachtarocken ist eine nicht unbedingt befolgenswerte Methode.
Sie werden gebeten, meine Damen und Herren, einen Verkehrshaushalt zu bewilligen, dessen Größenordnung das bisherige Ausmaß weit übersteigt. Er hat erstmals die 5-Milliarden-Grenze überschritten. Sie werden mir erlauben, daß ich hierbei zunächst einmal den Herren, die uns bei der parlamentarischen Behandlung dieses sehr schwierigen und umfangreichen Haushalts unterstützt haben, vor allem im Haushaltsausschuß, meiner Mitarbeiter und meinen aufrichtigen Dank sage. Das sind die Herren Kollegen Ritzel und Mengelkamp.
Ich möchte aber darüber hinaus dem Herrn Kollegen Ritzel noch einen ganz besonderen Dank aussprechen. Sie wissen, daß Herr Kollege Ritzel zu unserem Bedauern erklärt hat, er werde wegen seines Alters und wegen der Unfälle, die er erlitten hat, nicht wieder für den nächsten Bundestag kandidieren. Er hat viele Jahre lang den Verkehrshaushalt im Haushaltsausschuß betreut, und ich darf sagen, daß wir ihm in der Entwicklung des Verkehrshaushalts und der Verkehrspolitik sehr, sehr viel verdanken. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß er immer der Meinung war, die von der Opposition aus verständlichen Gründen natürlich vertreten wird, daß dieser Verkehrshaushalt Ausdruck einer konzeptionslosen Verkehrspolitik sei. Er hat sich ganz im Gegenteil bemüht, in diesem Verkehrshaushalt immer den rechten Sinn zu sehen und mit uns gemeinsam den Faden weiterzuspinnen, der die gute Entwicklung unserer Verkehrsverhältnisse - die trotz verlorener Kriege und Zusammenbruch besser ist als in den meisten anderen europäischen Staaten - gefördert und weiter vorangetrieben hat.
({0})
Dafür dem Herrn Kollegen Ritzel meinen aufrichtigen und herzlichen Dank, verbunden mit meinen besten Wünschen für seine Zukunft, für einen gesunden und schönen Lebensabend! Wir werden ihn und sein Wirken für die Belange des Verkehrs in diesem Hause nicht vergessen.
({1})
Ich möchte mich auf einige wenige Bemerkungen beschränken:
Zu den Fragen der Bundesbahn habe ich mich, wie Herr Kollege Bleiß ja schon bemerkt hat, im Bulletin sehr eingehend geäußert. Der Jahresverlust der Deutschen Bundesbahn ist von 400 Millionen DM im Jahre 1963 auf 1 Milliarde DM 1964 angewachsen, und wir müssen für 1965 mit etwa 1,8 Milliarden DM rechnen. Die Hauptursachen für diese bedauerliche Entwicklung sind folgende:
Die Bundesbahn ist ein extrem personalintensiver Dienstleistungsbetrieb, denn 70 % der eigenen Erträge müssen für Personalausgaben verwendet werden. Die Bundesbahn wird daher von den allgemeinen Lohn- und Gehaltssteigerungen und Arbeitszeitverkürzungen, von denen ihre Mitarbeiter, die treu, brav und sehr einsatzbereit ihre Arbeitskraft diesem dank ihrer Mühen sehr sicheren Verkehrsbetrieb widmen, natürlich nicht ausgeschlossen werden können, in ungleich stärkerem Maße betroffen als andere Unternehmen. Das gilt um so mehr, als die Bundesbahn die im Zeichen der Vollbeschäftigung immer teurer werdende menschliche Arbeits8286
kraft nicht annähernd in dem Umfang durch Produktionsmittel technischer Art ersetzen kann wie die produzierende Wirtschaft.
So werden die Personalausgaben, wie schon dargelegt, in den Jahren 1964 und 1965 trotz ständiger Personalverminderung - um 62 000 Beschäftigte seit 1958 - um rund 15 % oder 900 Millionen DM steigen. Bis zum Jahre 1963 konnten die jeweiligen Personalmehraufwendungen wenigstens zum Teil noch durch stetige Ertragssteigerungen aufgefangen werden. Aber seit 1964 stagnieren die Erträge. Im Jahre 1965 muß sogar mit einer rückläufigen Tendenz gerechnet werden. Wenn Sie die mir täglich vorgelegten Gestellungszahlen der Eisenbahnwaggons in den ersten sechs Wochen dieses Jahres ansehen, so finden Sie diesen Rückgang bestätigt. Ich darf nur einmal auf die Zahlen vom 17. Februar - vorgestern - hinweisen. Während im Vorjahr an diesem Tage z. B. 37 000 Waggoneinheiten für Kohle gestellt wurden, waren ,es in diesem Jahr nur 29 800 Waggoneinheiten. Sie ersehen aus dieser Tatsache, daß hier wirklich eine strukturelle Änderung vorliegt, die diese rückläufige Tendenz unterstreicht.
Aus der scharfen Auseinanderentwicklung von Aufwendungen und Erträgen seit Anfang 1964 ist das sprunghafte Ansteigen der Verluste in den Jahren 1964 und 1965 gegenüber den Vorjahren zu erklären.
Die unbefriedigende Entwicklung der Erträge ist zu einem wesentlichen Teil auf die Strukturveränderungen in der Wirtschaft, besonders auf dem Energiesektor - die Zahl, die ich eben nannte, beweist das -, und ihre Auswirkungen auf das Transportaufkommen in Verbindung mit dem Vordringen neuer Beförderungsmittel, der Rohrleitungen und anderer Methoden, zurückzuführen. Die Kohle -40 % der Frachten, die früher die Eisenbahn zu bewältigen hatte - wird heute nicht mehr im gleichen Maße transportiert, sondern sie wird an Ort und Stelle transformiert, und die Produkte aus dieser Transformation werden über Stromleitungen und Rohrleitungen weitergeleitet.
({2})
Wir stehen 'also auf dem Verkehrssektor seit einiger Zeit in einem Umstrukturierungsprozeß großen Ausmaßes, der noch dadurch angeheizt wird, daß wir, wie Herr Kollege Rademacher zum Schluß sagte, im Begriff sind, uns in die gemeinsame Verkehrspolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzufügen, und daß wir dieser gemeinsamen Verkehrspolitik schon eine ganze Reihe von Vorleistungen widmen mußten, um nicht zum Schluß vor unübersteigbaren Mauern oder tiefen Gräben zu stehen. Dieser Umwandlungsprozeß im Verkehr ist grundsätzlich nicht auf die Bundesrepublik Deutschland oder Europa beschränkt, sondern ein weltweiter Prozeß. Sein Ziel ist die Heranführung des Verkehrs an einen verstärkten Wettbewerb.
Um eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern zu ermöglichen, haben alle Verkehrsträger seit 1961 Wettbewerbsfreiheit verhalten. Wir dürfen feststellen, daß bis 1961 diese Verkehrsträger durchaus wirtschaftlich gesund waren. Dieser Tatbestand hat sich geändert. Das ist ganz verständlich; denn wenn man in einen scharfen Wettbewerb treten muß, ist es klar, daß sich hier erhebliche Schwierigkeiten gerade für die Wettbewerber selbst und dadurch eine Senkung ihrer Erträge und natürlich auch Schwierigkeiten in der gesamten Wirtschaftsgestaltung der Wettbewerber ergeben müssen. Dazu kommt die ungünstige Entwicklung im Personenverkehr, und zwar vor allem wegen der Abwanderung auf den Personenkraftwagen.
Während der Fernreiseverkehr stagniert, hat der Personennahverkehr weiter stark abgenommen. Dadurch ist die auf diesem Sektor ohnehin bestehende erhebliche Diskrepanz zwischen Selbstkosten und Erträgen vergrößert worden. Natürlich wird man diesen Verlust nicht dadurch verringern, daß man sich bemüht, mehr Leute zu geringen Fahrpreisen zu befördern. Hier muß vielmehr eine grundsätzliche Neuüberlegung eintreten, wie ich schon in meinen Ausführungen im Sommer vorigen Jahres dargelegt habe, daß eben der Personenverkehr und der Güterverkehr der Eisenbahn voneinander streng zu scheiden sind.
Im Zuge dieser Entwicklung haben wir mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung das Leistungsangebot der Bundesbahn den geänderten Verhältnissen anzupassen. Das ist nicht von heute auf morgen möglich und erfordert für eine Reihe von Jahren zur Minderung des Defizits aus den Sozialtarifen des Personenverkehrs Zuschüsse des Bundes. Es ist zu hoffen, daß bei entprechendem Fortschreiten der betrieblichen und organisatorischen Rationalisierung der Bundesbahn die Zuschüsse in Zukunft wieder eingeschränkt werden können.
Die Bundesbahn hat in Anpassung an ihre Liquiditätslage das Investitionsprogramm im Jahre 1965 gegenüber dem Vorjahr bedauerlicherweise um 870 Millionen DM auf 2 080 000 000 DM gekürzt. Diese Einschränkung muß allerdings auch unter folgenden Gesichtspunkten betrachtet werden: Bis einschließlich 1964 hat die Deutsche Bundesbahn - abgesehen von einer geringfügigen Beeinträchtigung 1964 - ihre Investitionsprogramme mit nachhaltiger Unterstützung durch den Bund in voller Höhe ausführen können und laufend gesteigert. Das hat dazu geführt, daß die Bundesbahn trotz erheblicher Kriegsschäden in vieler Hinsicht in ihrer technischen Ausstattung und in ihrem Modernisierungsgrad mit an der Spitze der europäischen Eisenbahnen steht. Die vorübergehende Investitionseinschränkung im Jahre 1965 ist nach Ansicht der Bundesregierung vertretbar.
Seit dem Verkehrsänderungsgesetz von 1961 ist die Verkehrswirtschaft in einer bedeutsamen Umstellung begriffen. Dazu kommt der Strukturwandel der deutschen Wirtschaft, von dem ich eben gesprochen habe. Dieser Entwicklung müssen sich auch die Verkehrsträger in ihrer Investitionspolitik anpassen. Naturgemäß handelt es sich hier um langfristige Planungen, und gerade wir in Deutschland sind ja in der Welt dafür bekannt, daß wir unsere Verkehrsplanungen außerordentlich langfristig durchBundesminister Dr.-Ing. Seebohm
führen. Ich kenne wenige andere Länder, die das in gleichem Maße auf allen Gebieten der Verkehrsinvestitionen tun. Diese Planungen sind genau und gründlich vorbereitet, damit Fehlinvestitionen vermieden werden. Deshalb kann die Investitionsbeschränkung 1965 für dieses eine Jahr in Kauf genommen werden.
Die Bundesregierung wird, wie in den Vorjahren, dafür sorgen, daß die Liquidität der Deutschen Bundesbahn auch 1965 unter allen Umständen aufrechterhalten bleibt. Sie wird dies mit Hilfe der im Bundeshaushalt 1965 vorgesehenen Bundesleistungen und durch ihre Unterstützung ermöglichen, der Bundesbahn weitere Finanzierungsquellen zu erschließen.
In diesem Zusammenhang möchte ich, verehrter Herr Kollege Bleiß, auf folgendes hinweisen. Diese Erschließung von Finanzierungsquellen betrifft nicht den Kapitalmarkt, sondern den Geldmarkt; natürlich belastet sie die Höhe der Zinslasten. Aber es ist nicht so - und das kann unter keinen Umständen unwidersprochen bleiben -, daß etwa durch Aufnahme von Anleihen aus dem Kapitlamarkt - wie Sie glauben - eine Verlustdeckung herbeigeführt werden sollte. Wir lehnen derartige Methoden bei der Bundesbahn von seiten der Bundesregierung genauso ab, wie Sie dies auch für die Privatwirtschaft getan haben. Eine vorübergehende Finanzierung eines Verlustes über den Geldmarkt aber ist ja etwas ganz anderes und muß später natürlich in der Verlustdeckung durch die Bundesregierung wieder aufgefangen werden. Die Anleihen der Bundesbahn dagegen werden auf dem Kapitalmarkt nur für echte Investitionen aufgenommen und nur für echte, werteschaffende Investitionen verwendet.
Eine Zwischenfrage!
Herr Minister, haben ich Sie richtig verstanden, daß sowohl die 750 Millionen DM, die zur Deckung ides Verlustes erforderlich sind, als auch das restliche Drittel, also die 600 Millionen DM, insgesamt also 1750 Millionen DM, zur Verlustdeckung aus 'dem Geldmarkt genommen werden sollen?
Herr Dr. Bleiß, selbstverständlich werden diese Mittel aus dem Geldmarkt genommen; denn es sind ja keine Mittel, für die die Bundesbahn aus dem Kapitalmarkt Anleihen aufnimmt, sondern es sind vorübergehende Finanzierungshilfen, die später mit den Verlusten zum Ausgleich kommen, der ja erst nach Jahren erfolgt, so daß sie dann auf Grund der genehmigten Abschlußrechnungen in den Haushalt aufgenommen werden können. Außerdem ist es ja nicht üblich, daß man eine voraussichtliche Liquiditätsenge von vornherein schon bis zum letzten Pfennig vorfinanziert; denn dann würde man auch dem Unternehmen den Mut nehmen, sich anzustrengen, diese Verhältnisse aus eigener Kraft, soweit 'das irgend möglich ist, zu verbessern.
Wir haben niemals die voraussehbaren Verluste der Bundesbahn im gleichen Jahr schon vorfinanziert. Normalerweise haben wir vielmehr die Verluste, die die Bundesbahn im Vorjahr erlitten hatte, ihr zu Anfang des nächsten Jahres durch meist zinslose Darlehen des Bundes, also durch Geldmarktmittel, finanziert, die dann später im Haushalt ausgeglichen worden sind. Wenn wir in diesem Jahr anders verfahren, dann deshalb, weil die Größe dieser voraussehbaren Verluste, bedingt durch die Erhöhung der Beträge für das Personal, es notwendig macht, hier Vorsorge zu treffen, damit nicht beim Personal oder bei den Lieferanten die Sorge besteht, es könnte bei dieser Entwicklung zu irgendwelchen Schwierigkeiten oder Spannungen bei den Auszahlungen kommen.
Diese Vorsorge der Bundesregierung hätte meines Erachtens auch von Ihnen, Herr Dr. Bleiß, anerkannt werden können;
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denn es ist bisher nicht üblich gewesen, daß man einem Bundesunternehmen in dieser Weise hilft, und Sie, der Sie selbst in einem Bundesunternehmen tätig sind, kennen ja die Methoden, wie der Bund mit seinen Unternehmen umgeht, sehr genau und wissen, daß man die Verluste, die ein Bundesunternehmen erleidet, nicht schon vorfinanziert, sondern sie erst dann abdeckt, wenn sie geprüft und nachgewiesen sind und im Bilanzabschluß ausdrücklich vorliegen.
Wir tun also im Interesse der Bundesbahn und der Aufrechterhaltung des Verkehrs vorausschauend aus den gegebenen Verhältnissen weit mehr, als das in den früheren Jahren notwendig und zweckmäßig war. Das ergibt sich eben aus der ganz einfachen Tatsache, die Sie auch dargelegt haben, daß wir nicht in der Lage sind - ich habe das im „Bulletin" ausgeführt -, ohne weiteres die Einnahmen der Bundesbahn in einer Weise so zu erhöhen, daß sie den vermehrten Ausgaben für das Personal entsprechen. - Bitte!
Herr Minister, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich diese Hilfeleistung des Bundes gar nicht bestritten, sondern befürwortet habe?
Es ist mir nicht entgangen, daß Sie gesagt haben, dies sei 'notwendig. Es ist mir aber auch nicht entgangen, daß Sie laufend gesagt haben - nicht nur hier, sondern auch anderenorts -, daß der Bund für seine Bundesbahn oder die Bundesbahn selbst nicht genügend Vorsorge treffe und sich beide dabei erhebliche Versäumnisse haben zuschulden kommen lassen. Verehrter Herr Dr. Bleiß, ich höre Ihre Reden nicht nur im Bundestag, ich lese auch die Reden, 'die Sie draußen halten, und ich muß ganz offen sagen: manchmal kann ich die eine Ihrer Ausführungen mit der anderen nicht in Übereinstimumng bringen.
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Herr Bundesverkehrsminister, sollten Sie dieses Maß nicht zunächst bei sich selbst anlegen?
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Verzeihen Sie, man sollte doch nicht deswegen, weil man den Nachweis bekommen hat, daß man zu verschiedenen Zeiten und Orten verschieden gesprochen hat, mit einer solchen Replik antworten. Herr Dr. Bleiß, Sie haben mit dieser Rückfrage nur das bewiesen, was ich Ihnen soeben gesagt habe.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Sind Sie in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen?
Sicher. Da liegt genügend Material vor, doch ich will die Debatte und dieses Hohe Haus nicht aufhalten, um Ihnen das nachzuweisen. Aber ein „Weißbuch" über die Reden des Herrn Dr. Bleiß zu veröffentlichen, das scheint mir allerdings zu viel der Mühe, weil wir uns doch direkt unterhalten können.
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- Durch eine Unterhaltung können wir diese Mißverständnisse auch ausschalten. Ich meine auch das Mißverständnis, daß Sie sagen, der Wettbewerbsbericht der Bundesregierung sei auch nach Auffassung von Herrn Müller-Hermann so wenig gut, daß Sie ihn in Ihrem Ausschuß nicht einmal zur Diskussion stellten. Wenn Sie einen Bericht überhaupt nicht diskutieren lassen, dann können Sie doch nicht sagen, daß er schlecht sei. Über diesen Bericht ist sehr viel zu reden, und es steckt wichtiges Material darin. Das haben Sie aber in Ihrem Ausschuß bisher niemals auf den Tisch gelegt und, mit uns besprochen.
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Herr Minister, würden Sie bereit sein, dem Ausschuß auch all das zur Verfügung zu stellen, was wichtig ist und was Sie aus diesem Bericht herausgestrichen haben? Nur dann verlohnt es sich, darüber zu sprechen.
Wenn Sie über einen solchen Bericht diskutieren lassen, können Sie doch auch über die Motive, weshalb es zu dieser und jener Formulierung gekommen ist, diskutieren. Das ist doch Ihr gutes Recht, danach zu fragen. Warum tun Sie es denn nicht? Sie haben es jetzt fast zwei Jahre nicht getan. Der Bericht liegt Ihnen seit dem 2. August 1963 vor.
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Herr Dr. Bleiß, Sie wissen auch etwas anderes. Sie haben vorhin gesagt - wenn Sie schon eine kleine Kontroverse aufziehen, möchte ich es mir nicht verkneifen, Ihnen auch das noch freundlichst vor dem Mittagessen als Horsd'œuvre zu servieren -, ich hätte gesagt, die Erstausstattung der Bundesbahn sei eine Groteske. Aber Sie haben dabei leider nicht klar zum Ausdruck gebracht, daß diese Erstausstattung von Herrn Tannenbaum stammt und weder mit Herrn Erhard noch mit der Bundesregierung etwas zu tun hat.
Herr Minister, hatten Sie aber nicht 15 Jahre Zeit, diese Erstausstattung wesentlich zu verbessern?
Die haben wir auch wesentlich verbessert. Sehen Sie sich die Bundesbahn mal an, wie sie mit der Tannenbaumschen Ausstattung aussah und wie sie heute aussieht!
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- Verzeihen Sie, das Eigenkapital der Bundesbahn ist zu dieser Zeit mehr gestiegen als die Schulden. Vergleichen Sie bitte einmal die Eigenkapitalentwicklung in dieser Zeit! Sie sind doch ein Mann, der diese Zahlen sehr genau übersehen kann. Sie verstehen doch von diesen Dingen genug, um hier nicht in dieser Weise nur mit den Schulden zu operieren, wenn Sie auf der anderen Seite den Zuwachs des Eigenkapitals und der Investitionen haben. Lieber Herr Dr. Bleiß, wenn ich in dieser Weise z. B. über die Hüttenwerke Salzgitter spräche, dann würden Sie mir mit Recht vorhalten, daß man so über ein Wirtschaftsunternehmen nicht diskutieren kann, wenn man nur die eine Seite sieht und die andere nicht sehen will.
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- Selbstverständlich. Ich empfehle Ihnen dringend, diese Dinge noch einmal zu überprüfen. Ich habe meine Auffassung dazu, wie Sie sehen, genau niedergelegt, und Sie haben auch daraus zitiert.
Der Bundesbahn wird, wie gesagt - das möchte ich noch einmal unterstreichen -, ihre Liquidität sichergestellt, und wir werden das tun, ohne daß die Bundesbahn etwa deswegen auf den Anleihemarkt geht. Denn Anleihen der Bundesbahn werden für Investitionen verwendet und nicht zur Verlustdekkung. Ich muß diese Tatsache noch einmal ausdrücklich herausstellen.
Dann haben Sie, Herr Dr. Bleiß, auch von der Prüfung gesprochen. Dieser Gedanke, der vielfach aufgeworfen worden ist - von der Binnenschiffahrt, vom Straßenverkehr, vom Finanzministerium und von anderen Stellen -, bezieht sich nicht auf eine Prüfung, die mit den früheren Prüfungen und Gutachten verglichen werden kann. Hier sollen der Aufbau der Selbstkosten und die Zuscheidung der fixen
Kosten geprüft werden. Wir haben keine Lust, irgend jemanden anzusetzen und wieder erst einmal jahrelang zu warten, bis ein solches Gutachten kommt - Sie wissen, wie schwer es ist, ein solches Gutachten, wenn es einmal da ist, in die Tat umzusetzen -, insbesondere dann, wenn die Berichte darüber, über die wir gern mit Ihnen im Verkehrsausschuß diskutieren würden, nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden. Ich denke an den Brand-Bericht, von dem ich Anfang dieser Legislaturperiode für Sie eine Neuauflage erarbeitet habe und über den auch keine nennenswerte Diskussion in Ihrem Ausschuß durchgeführt worden ist.
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- Ich meine Versäumnisse hier und dort. Ich will nicht von Schuld sprechen. Ich bin nicht derjenige, der anfängt, auf irgend jemanden Steine zu werfen.
Ich stehe auf dem Stanpunkt, der Verkehr ist ein so großes, komplexes und schwieriges Gebilde mit soviel gegeneinanderstehenden Interessen, und zwar berechtigten Interessen, daß man hier wirklich pragmatisch vorgehen und den Verhältnissen Rechnung tragen muß, die sich aus dem Leben ergeben.
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Hier darf man aber nicht irgendeine Konzeption aufstellen und sagen: Dieses Dogma ist nun das einzig entscheidende. Das tut Herr Müller-Hermann nicht, das sollten Sie nicht tun und tun es auch nicht, und das tut auch Herr Rademacher nicht. Alle Menschen, die mit dem Verkehr zu tun haben, wissen, daß die Frage nach der Konzeption die Frage desjenigen ist, ) der sich mit den inneren Problemen dieses Riesenkomplexes noch gar nicht genügend auseinandergesetzt hat.
({4})
- Lieber Herr Dr. Bleiß, die Frage nach der Konzeption ist zuerst von Ihren Freunden gestellt worden, und dieses Schlagwort ist genauso wie das Schlagwort von den Wettbewerbsverzerrungen vielfach hin- und hergeredet worden, weil man sich gern hinter Schlagwörtern verbirgt, wenn man sich in der Sache noch nicht zu entscheidenden Vorschlägen oder Maßnahmen entschließen kann. Sie wissen genauso wie ich, daß die Verkehrspolitik der Zukunft die Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist und daß wir nicht darüber reden können, ab wir hier bei uns allein irgendwelche Maßnahmen treffen, sondern daß wir uns darüber unterhalten sollen und müssen, ob die bisher von uns getroffenen Maßnahmen zu dem uns vorgeschriebenen Weg zur europäischen Wirtschaftspolitik, also in die gemeinsame Verkehrspolitik, hineinpassen oder nicht. Das Gemeinsame, das hier vorliegt, kann nur durch einen Vergleich mit den verkehrspolitischen Entwicklungen der anderen EWG-Länder ermittelt werden und nicht durch einen Blick in das eigene Haus hinein.
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- Selbstverständlich, aber Sie können die Wettbewerbsfähigkeit nicht dadurch erzielen, daß Sie Maßnahmen vorschlagen oder vorsehen, die Sie auf die Dauer in der gemeinsamen Verkehrspolitik nicht aufrechterhalten können. Sie können ja nicht ausgehen von tarifarischen und sonstigen Maßnahmen, von denen Sie wissen, daß sie sich in der gemeinsamen Verkehrspolitik auflösen. Sie können auch nicht fordern, daß wir uns etwa bezüglich bestimmter Maßnahmen, wie' sie die Kommission und die europäischen Gremien vorschlagen, so lange zurückhalten können, 'bis wir überstimmt werden; denn dann leisten wir nicht unseren Beitrag für die gemeinsame Arbeit, sondern dann lassen wir uns eben zu Entwicklungen zwingen. Ich meine, wir Deutschen sollten gerade in bezug auf Europa bereit sein, so weit wie irgend möglich voranzugehen und nicht zu warten, bis wir zu irgendwelchen Maßnahmen gezwungen werden.
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- Wollten Sie nicht sagen: „Das setzt eine andere Verkehrskonzeption der Verkehrspolitik voraus"?
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Ich möchte wirklich die Auseinandersetzung, die wir am .11. März fortsetzen können, heute nicht noch weiterführen, sondern nur noch auf eine ganz bedeutsame Angelegenheit hinweisen. Sie haben auch von den Verkehrsgesetzen von 1961 gesprochen. Sie haben davon als der Grundlage verschiedener Maßnahmen gesprochen. Sie wissen, daß wir uns bemüht haben, durch Richtlinien, die wir entworfen haben, gewisse Begriffe der Gesetze klarzustellen. Dabei sind wir darauf gekommen, daß eine Reihe von Begriffen zusätzlich bei der Prüfung der tarifpolitischen Maßnahmen berücksichtigt werden müssen. Wir haben den Bundesminister der Justiz befragt. Der Bundesminister der Justiz und der Bundesminister für Wirtschaft haben sich mit uns über diese Fragen eingehend auseinandergesetzt, und es muß sich der Bundesminister für Verkehr dahin berichtigen, daß wir nicht nur die „Unbilligkeit", die Übereinstimmung mit den Erfordernissen des „Allgemeinen Wohls", die „Unlauterkeit" und einen sonstigen „Gesetzesvorstoß" zu prüfen haben, sondern daß wir auch die Begriffe der besten „Verkehrsbedienung", der „marktgerechten Entgelte" und die Berücksichtigung der „wirtschaftlichen Verhältnisse der Verkehrsunternehmen" zu prüfen haben. Das ist das 'Ergebnis der Überlegungen, und diese Überlegungen werden uns natürlich zwingen, uns auch mit dem Verkehrsausschuß diese Frage, die auch auf die Wettbewerbsbedingungen einen erheblichen Einfluß hat, noch einmal 'zu beraten.
Ich wollte Ihnen das heute schon sagen im Hinblick auf die Verkehrsdebatte am 11. März. Ich habe Ihnen darüber auch schon geschrieben, damit
Sie sich mit uns über diese Fragen, möglichst vorher noch einmal unterhalten können.
Ferner haben Sie sich darüber beklagt, daß der Sachverständigenbericht der Kuhne-Kommission nicht bereits seinen Niederschlag im Bundeshaushalt 1965 fand. Verehrter Herr Dr. Bleiß, der Bericht ist im Herbst 1964 eingegangen, und Sie wissen als alter Parlamentarier, daß die Grundlagen für den Haushalt im Sommer 1964 erarbeitet worden sind. Wenn wir einen so umfangreichen Bericht bekommen, der unsere zukünftige Politik für die Städte und Gemeinden bestimmt, so sind wir nicht in der Lage, das schon für diesen Haushalt auszuwerten. Es wäre auch falsch, die wichtigen Probleme zu überstürzen. Viele Maßnahmen, die heute in den Städten laufen, werden von uns nach Möglichkeit unterstützt, oder aber ihre Unterstützung wird vorbereitet. Daß sind aber alles Objekte von so großem Umfang: über die kann man nicht von heute auf morgen hinweggehen.
Die Grundlinien dieses Berichtes sind - das kann ich ruhig sagen - auch immer schon Grundlinien unserer Überlegungen gewesen. Wir haben in diesem Bericht eine Bestätigung dessen gefunden, was wir schon vorher vertreten haben, und deswegen werden wir uns gemeinsam zu bemühen haben, vielleicht auch schon bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für 1966, den wir ja noch in diesen letzten Monaten für die neue Legislaturperiode und die neue Bundesregierung in etwa vorbereiten, diese Gedanken mit einfließen zu lassen. Wir müssen uns überlegen, in welcher Weise wir zur Lösung der hier aufgeworfenen Probleme neue Finanzierungsquellen ,erschließen können, denn wir können aus den vorhandenen Finanzierungsquellen derartig große Aufgaben allein nicht bewältigen. Das muß ich einmal mit aller Deutlichkeit sagen. Aber gerade deshalb ist es wichtig, daß man sich über diese Fragen noch eine ganze Menge nützlicher Gedanken macht. So, wie wir das heute bei der Bundesbahn zu tun hatten - vor drei Jahren brauchten wir uns nicht über diese Fragen zu unterhalten -, so wird sich das auch andererseits für die Probleme des innerstädtischen Verkehrs ergeben. Auch diese Probleme werden wir langfristig in gemeinsamer Anstrengung lösen.
Ich bin erfreut, daß Sie auf die positiven Angelegenheiten des Verkehrshaushalts hinzuweisen offenbar nicht nötig hatten: kein Wort mehr von der Flugsicherung, kein Wort von der Luftfahrt, kein Wort von der Seeschiffahrt, kein Wort von allen möglichen anderen Fragen, glücklicherweise auch kein Wort über den Straßenbau. Zu all dem und anderem wäre auch vieles zu sagen gewesen, denn auch dabei ist schon vieles geleistet worden.
Ich möchte Ihnen zusammengefaßt nur das eine sagen: Suchen Sie eine Bundesregierung oder suchen Sie die Regierung eines Landes, die bezüglich der Ausgestaltung der großen Linien der Verkehrspolitik und der Ausgestaltung des Verkehrswegenetzes gerade in den letzten Jahren zu so entscheidenden Voraussetzungen für die Zukunft gekommen ist wie diese Bundesregierung, und seien Sie sich bitte einmal klar: wie dieser Bundesfinanzminister und wie dieser Bundesverkehrsminister unter der Leitungdieses Bundeskanzlers für die Zukunft die Linien der Entwicklung abgesteckt haben, so wird sie auch eine zukünftige Bundesregierung zu verfolgen haben, ob sie das nun gern tut oder nicht und gleichgültig, wer sie auch immer zusammensetzt!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dichgans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Damit die Debatte nicht völlig den Charakter bekommt, als wären nur Fachleute unter sich, gestatten Sie mir bitte einige kurze Bemerkungen eines interessierten Zuhörers. Fünf Minuten ohne Manuskript!
({0})
Die Schwierigkeiten, die erörtert worden sind, haben viele Wurzeln. Ich möchte der fachlichen Debatte am -11. März nicht vorgreifen. Ein Teil der Wurzeln scheint mir aber in diesem Hohen Hause zu liegen, und zwar in einer seltsamen Zwiespältigkeit der Auffassung von Verkehrspolitik. Auf der einen Seite fördern wir mit aller Macht den Kraftwagenverkehr. Wir haben ein wahrhaft grandioses Straßenbauprogramm, und die Erfolge der Förderung des Kraftwagenverkehrs sehen wir allenthalben. Auf der anderen Seite weigern wir uns hartnäckig, zur Kenntnis zu nehmen, daß es überhaupt Kraftwagen gibt. Dafür zwei Beispiele: Als vor 1.00 Jahren die Eisenbahnen gebaut wurden, wurden die Güterabfertigungen so angelegt, daß man sie bequem mit Pferdefuhrwerken erreichen konnte. Heute haben wir Kraftwagen, die eine etwa viermal größere Reichweite haben. Wenn Sie mir in einer kleinen Kopfrechnung folgen, werden Sie ohne weiteres einsehen, daß die viermal größere Reichweite des Kraftwagens - auf die Fläche bezogen - eine Reduzierung der Güterabfertigungen auf 1/16 des ursprünglichen Bestandes ermöglichen müßte. Niemand denkt an eine so drastische Reduzierung, aber selbst eine weit geringere Reduzierung stößt in allen Fraktionen dieses Hohen Hauses auf größten Widerstand.
Das zweite Beispiel! Nachdem man die Autobusse erfunden hat, ist es nicht mehr sehr sinnvoll, eine Lokomotive und drei Personenwagen im Gesamtgewicht von über 100 t in Bewegung zu setzen, um 25 Schüler in die Schule zu bringen. Wenn man aber daraus Konsequenzen ziehen will, stößt auch das hier in diesem Hause auf größte Schwierigkeiten.
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Zwei Argumente werden dagegen geltend gemacht, zunächst ein regionalpolitisches: man müsse verhüten, daß die entlegenen Gebiete veröden. Diese Behauptung geht von der Unterstellung aus, daß die Bedienung mit Kraftwagen schlechter sei als die mit der Bundesbahn, das ist natürlich falsch. Der Kraftwagen unterscheidet sich von der Eisenbahn nur in einem: daß man die Kosten des Kraftwagens ausweisen und bezahlen muß. Ich bin sehr dafür,
daß diese Kosten im Rahmen regionalpolitischer Programme notfalls durch Subventionen bezahlt werden. Bei der Eisenbahn verschwinden diese Subventionen in einem Riesendefizit. Das mag tagespolitisch bequem sein, aber es ist, auf die Dauer doch, glaube ich, ganz falsch.
Zweitens das sozialpolitische Anliegen! Es wird uns hier gesagt: Die Sanierung der Bundesbahn darf nicht auf dem Rücken des Personals ausgetragen werden, und: Kein Eisenbahner darf auf die Straße geworfen werden. Beide Sätze unterschreibe ich Wort für Wort. Wer wie ich der Generation angehört, die die schrecklichen menschlichen und politischen Folgen der Massenarbeitslosigkeit erlebt hat, ist ein überzeugter Anhänger der Politik der Vollbeschäftigung für das ganze Leben. Aber werfen wir denn Eisenbahner auf die Straße? Davon ist doch gar keine Rede. Es handelt sich nur um eine Umsetzung auf andere Arbeitsplätze, ein Prozeß, der allenthalben in größter Breite im Gange ist. Denken Sie daran, daß die Eisenbahn in früheren Jahren viele Arbeiter abgegeben hat! Denken Sie daran, daß die deutsche Landwirtschaft in 15 Jahren mehr als 1 Million Arbeitskräfte abgegeben hat. Wir haben den Eisenerzbergbau, eines der ältesten deutschen Gewerbe, in gewissen Landstrichen völlig stillgelegt. All das ist geschehen aus einem wirtschaftlich vernünftigen Grunde: der Bewegung der Arbeitskräfte zu den Punkten der höchsten Produktivität.
Frau Dr. Elsner, die Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses des Europäischen Parlaments, hat im vergangenen Jahr dort eine sehr einleuchtende Rede über die rationalisierungsfördernde Wirkung der Lohnerhöhung gehalten. Das ist nur einer der Aspekte der Lohnerhöhung, aber gewiß ein sehr wichtiger. Wir können in der Tat die Lohnerhöhungen nur dann aufbringen, wenn wir sehr sparsam mit den Arbeitskräften umgehen.
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Das ist nicht nur ein wirtschaftspolitisches Anliegen, sondern auch ein sozialpolitisches Anliegen ersten Ranges. Denn die soziale Sicherheit können wir hier nicht beschließen und befehlen; sie kann nur das Ergebnis einer florierenden Wirtschaft sein. Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß die Arbeiter dorthin kommen, wo ihre Arbeit die höchste wirtschaftliche Wirkung hat. Ich möchte deshalb anregen, daß wir die natürliche Fluktuation der Arbeiter zu den Punkten höchster Produktivität, die doch sehr wünschenswert ist, nicht hemmen, sondern im Gegenteil fördern. Dafür gibt es wirksame Methoden. Wir haben im europäischen Raum für solche Fälle Sozialpläne entwikkelt, um die Umsetzung zu fördern. Damit haben wir die allerbesten Erfahrungen gemacht. Es hat sich nämlich gezeigt, daß die Summen, die wir dafür vorgesehen hatten, in keinem einzigen Falle auch nur annähernd in Anspruch genommen wurden, weil sich die Umsetzungen, sobald sie einmal in Gang gekommen waren, wirtschaftlich ganz von selbst vollzogen.
Ich würde also vorschlagen: Helfen wir in diesem Hohen Hause in diesem Sinne mit, indem wir die Bundesbahn so behandeln, wie wir das im Bundesbahngesetz beschlossen haben: als wirtschaftliches Unternehmen. Damit treiben wir zugleich eine gute Sozialpolitik. Eine falsche Wirtschaftspolitik ist nämlich im Ergebnis auch eine falsche Sozialpolitik.
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Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache zum Einzelplan 12 geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor. - Wer dem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 12 ist angenommen.
Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen ({0}).
Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Jürgensen, ob er das Wort wünscht? - Der Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache zu Einzelplan 13 in zweiter Lesung. Herr Abgeordneter Cramer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 13 kann auch in diesem Jahre nicht unsere Zustimmung finden, obwohl dieser Einzelplan eigentlich nur das Gehalt des Ministers - der es auch sicher weiterhin bekommen wird - und den Voranschlag der Bundesdruckerei mit einem Gewinn von 9,5 Millionen DM enthält. Zu diesen beiden Positionen wollen wir also nicht Stellung nehmen.
Was uns interessiert und was wir ansprechen wollen und müssen, Ist die Finanzsituation der Deutschen Bundespost und ist ihre Kapitalstruktur seit jenem unglückseligen 29. Juli, nicht deshalb, weil es mein Geburtstag ist, sondern weil an diesem Tage in diesem Hause die Zurücknahme jener Gebührenerhöhung, die am 1. August in Kraft treten sollte, abgelehnt wurde. Sie wissen, wir standen damals hier in einer großen Debatte. Wir haben an jenem Tage vieles gesagt, und es ist auch später, letztmalig am 4. Dezember, in diesem Hause sehr vieles zur Situation der Bundespost gesagt worden. Ich will nichts wiederholen, was damals gesagt wurde. Ich frage nur: was hat die Bundesregierung getan, um aus der Bundespost wieder ein gewinnbringendes, zumindest ein kostendeckendes Unternehmen zu machen?
({0})
- Herr Dr. Conring, ich kenne Ihre Zwischenrufe. Ich höre gar nicht mehr hin. Ich weiß, in welche Richtung sie gehen. Ich gebe auch gar keine Antwort.
Die Politik der Bundesregierung gegenüber dem Sondervermögen Post war eine Politik der halben Maßnahmen und der ganzen Versäumnisse.
({1})
Die Bundesregierung hat versucht, und zwar gegen jeden sachverständigen Rat aus diesem Hause, aus dem Postverwaltungsrat, aus den Kreisen der Postbenutzer, manchmal sogar gegen die bessere Einsicht des zuständigen Bundesministers, allein - ich betone das Wort „allein" - mit dem Mittel der Gebührenpolitik die Finanzmisere zu beheben.
Daß Gebührenerhöhungen Grenzen gesetzt sind, hat die Erhöhung der Gebühren vom 1. März 1963 schon einmal bewiesen. Verkehrsrückgang und Einnahmenrückgang waren die Erfolge dieser Gebührenerhöhung - wenigstens auf einigen Teilgebieten -, und die Gebührenerhöhung auf dem Fernmeldesektor im vergangenen Jahre war ebenfalls falsch in der Anlage, so daß die Regierung gezwungen war, diese Erhöhung teilweise wieder zurückzunehmen. Meine Damen und Herren, so kann man doch keine Sanierung der Bundespost vornehmen.
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- Da ist nichts zu sanieren? Dann können wir es aufgeben. Dann wollen wir die Post anbieten, dann wollen wir sie privatisieren. Vielleicht findet sich doch noch einer, der etwas aus der Bundespost macht. Ich bin nach wie vor der Meinung, wir können etwas aus der Bundespost machen.
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- Das tun wir auch. Aber lassen Sie mich ruhig weiterreden. Sie werden schon merken, worauf ich hinauswill.
Mindestens seit zwei Jahren - mindestens - sind wir uns in diesem Hause darüber klar, daß das Postverwaltungsgesetz von 1953 reformbedürftig ist. Dieses Gesetz ist in besseren Zeiten gemacht worden, da gebe ich Ihnen Recht. Damals waren noch Überschüse da. Damals konnte abgeliefert werden. Inzwischen hat sich aber manches geändert.
Tatsache ist, daß in den letzten Jahren mehr aus dem Postbetrieb herausgeholt worden ist, als herausgewirtschaftet werden konnte. Wie würden Sie einen Unternehmer bezeichnen, der dauernd mehr ausgibt, als er einnimmt, der über seine Verhältnisse lebt und schließlich nur noch Schulden hat und von diesen Schulden lebt? Ersparen Sie mir den Ausdruck! Wir alle wissen, wie man einen solchen Unternehmer nennt. Aber so leinen Unternehmertyp stellt im Fall Bundespost die Bundesregierung dar; denn sie besteht auf Ablieferung, obgleich seit Jahren kein Gewinn mehr erwirtschaftet wird. Sie weigert sich, neues Kapital in dieses Unternehmen hineinzustecken, damit das teure Fremdkapital abgetragen werden 'kann.
Ich sagte, alle Parteien in diesem Hause sind oder waren sich darüber einig, daß eine Novelle zum Postverwaltungsgesetz kommen muß. Man hat uns in diesem Hohen Hause einige Male den Vorwurf gemacht, daß wir die Initiative nicht ergriffen hätten. Wir hätten ja als Opposition handeln können, obwohl das nicht unsere Aufgabe sein kann. Aber wir haben diesen Vorwurf ernst genommen, uns hingesetzt und einen 'Entwurf für eine Novelle zum Postverwaltungsgesetz gemacht. Auch Herr Dr. Besold war so einsichtsvoll, eine solche Novelle vorzubereiten und mit der Unterschrift einiger seiner politischen Freunde hier einzubringen. Über diesen Entwurf ist hier im Hause zwar gesprochen worden, und er ist auch dem Ausschuß überwiesen worden, aber im Ausschuß hat die Regierung beantragt - und Idle Vertreter der Regierungsparteien haben dem zugestimmt -, über diese Entwürfe vorläufig nicht zu sprechen.
Wir behaupten nicht, daß unser Entwurf der Weisheit letzter Schluß ist. Aber ganz gewiß ist er eine Diskussionsgrundlage. Es wäre sicher an der Zeit gewesen, darüber ernster zu reden. Ich sagte schon, statt mit uns darüber zu diskutieren, ob z. B. an die Stelle der Ablieferung von 6 2/3 % eine andere Art der Abführung an den Bund stattfinden sollte - meinetwegen in Form einer Verzinsung des Eigenkapitals -, hat man im Ausschuß diese Diskussion verhindert. Wir haben zwar allgemein über die Situation der Bundespost gesprochen. Aber durch diesen Beschluß wurde eine Verabschiedung des Gesetzes verhindert: Erst sollen die „Sieben Weisen" ihr Gutachten abgeben und dann soll weitergeredet werden.
Nun wissen wir aber, daß dieses Gutachten nicht vor der Sommer 1965 auf den Tisch dieses Hauses kommen wird, d. h. dieser Bundestag wird nicht mehr darüber beraten können. Das ist außerordentlich zu bedauern.
({4})
- Herr Dr. Conring, der Postverwaltungsrat kann das Postverwaltungsgesetz nicht ändern. Das muß der Bundestag tun.
({5})
Ich will kein Prophet sein, aber soviel dürfte wohl feststehen: Auch die „Sieben Weisen" werden zu derselben Festellung kommen, zu der wir hier schon immer gelangt sind, daß die Bundespost nämlich Eigenkapital braucht. Das ist das erste. Zweitens müssen der Bundespost gewisse betriebsfremde Lasten abgenommen werden. Drittens müssen der Bundespost die Mittel gegeben werden, _damit sie ihren umfangreichen 'Investitionsbedarf, insbesondere auf dem Fernsprechsektor, bedienen kann.
({6})
- Sicher! Hier kommt es doch darauf an - ({7})
- Wir können dieses Gebiet weiter ausdehnen. Aber ich glaube, es führt zu nichts. Wenn wir nicht
den Willen haben, auf gesetzlicher Basis etwas zu ändern, hat das Hin-. und Herreden gar keinen Zweck. Dann tritt das ein, was ein Kollege im Verwaltungsrat mit Recht gesagt hat: Das ist eine Hickhack-Politik und nichts anderes.
({8})
- Meine Damen und Herren, unser Vorschlag ist doch da. Was wollen Sie denn? Reden Sie doch mit uns über diese Gesetzesnovelle!
Für die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses ist die Gutachterkommission nach meiner Auffassung nichts anderes als ein Feigenblatt, hinter dem sie schamhaft ihre Untätigkeit verbirgt. Wir sind nicht willens, dieser ewigen „Töpfchenpolitik" zu folgen. Es nützt nicht, daß der Bundesfinanzminister mal hier, mal da mit einigen hundert Millionen aushilft, um das jährliche Defizit zu beseitigen. Nein, die Gesundung der Bundespost kann nur durch durchgreifende Maßnahmen erfolgen und nicht dadurch, daß man jedes Jahr wieder in der Haushaltssatzung festlegt, daß die Bundespost einige hundert Millionen für das betreffende Jahr nicht abzuliefern braucht. Die Bundespost kann gesund werden, sie kann wieder Gewinn bringen, wenn wir hier nur wollen und wenn wir dafür die Voraussetzungen schaffen. Ich möchte wiederholen, was ich am 4. Dezember hier gesagt habe: Die Bundespost ist nicht schlecht, sie wird nur von ihrem Eigentümer schlecht behandelt.
Meine Damen und Herren, bilden Sie sich doch nichts darauf ein, daß das Kapitalverhältnis in diesem Jahr nicht, wie befürchtet, auf 8 % Eigenkapital und 92 % Fremdkapital absinkt, sondern daß wir wahrscheinlich ein Verhältnis von 12 zu 88 haben werden. Das ist noch kein Erfolg.
Wenn es einem Brtriebsinhaber in Zeiten der wirtschaftlichen Hochkonjunktur nicht gelingt, seinen Betrieb auf gesunde Füße zu stellen, dann ist in seinem Betrieb etwas faul. Wenn die Bundesregierung es in diesen Jahren nicht fertigbekommen hat, die Bahn sowohl als auch die Post zu sanieren und aus der Zone der roten Zahlen herauszubringen, dann war ihre ganze Politik falsch. Und diese Politik war falsch!
Den Bediensteten der Bundespost einschließlich der Bundesdruckerei, den Beamten, den Angestellten und den Arbeitern, unseren herzlichsten Dank und Anerkennung für ihre Leistungen! Das ist kein Lippenbekenntnis. Wir müssen den Postbediensteten sagen, daß sie ihre Pflicht erfüllt haben trotz aller Schwierigkeiten.
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Wir möchten durch unsere Politik dazu beitragen, daß ihr Unternehmen, die Bundespost, wieder gesund wird.
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Reden allein nützen nichts mehr.
({10})
Es muß jetzt gehandelt werden. Sie haben dieses Handeln bisher verhindert. Erst dann, wenn Sie dazu bereit sind, werden wir zum Handeln kommen.
Weil die Bundesregierung nicht gehandelt hat, sondern bestenfalls Kurpfuscherarbeit geleistet hat, deshalb lehnen wir den Einzelplan 13 ab.
({11})
Herr Abgeordneter Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Cramer, Sie haben soeben gesagt, alles, was in der Bundespost getan worden sei, sei Kurpfuscherarbeit. Das glauben Sie doch selbst nicht. Aber Sie sagen ja zu allem nein, ob es die Verkehrspolitik ist, ob es die Bundespostpolitik ist. Wir haben keine Konzeption, Sie haben die Theorien schon seit hundert Jahren! Wir müssen aber seit dem Zusammenbruch des deutschen Volkes täglich handeln, täglich entscheiden, täglich Wege finden, und wir haben Wege gefunden.
({0})
Herr Kollege Cramer, Sie haben doch selbst einmal im Postverwaltungsrat gesagt, man könne eine Milliarde einsparen. Als Sie aber gefragt wurden, wie Sie das machen wollten, haben Sie selber keine Vorschläge machen können.
({1})
Daß es verschiedene Wege gibt und daß wir einen Weg finden müssen, darüber sind wir uns im klaren; das brauche ich nicht zu wiederholen. Einer von diesen Wegen ist - und dazu stehe ich - die Änderung des Postverwaltungsgesetzes.
({2})
- Ja, bitte!
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Dr. Besold, Sie erklärten, ich hätte gesagt, man könne eine Milliarde sparen. Das stimmt doch nicht. Das wissen Sie ganz genau. Ein hoher Postbeamter hat ein Gutachten ausgearbeitet und behauptet, man könne eine Milliarde sparen.
Warum haben Sie sich keine Gedanken gemacht, wie man diese Sparmaßnahmen durchführen könnte? Wir haben uns Gedanken gemacht. Ich stehe auch zu der Feststellung, daß die Gesundung der Bundespost auch nur durch die Änderung des Postverwaltungsgesetzes durchgeführt werden kann, weil diese Jacke des Postverwaltungsgesetzes zu eng geworden ist.
Herr Kollege, Sie haben neulich einmal durchblikken lassen, ich hätte mich bei der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses gedrückt. Ich habe mich nicht gedrückt. Es gibt persönliche Verhältnisse, die einen einmal hindern können, zu erscheinen; und so war das. Ich hätte aber nichts anderes sagen können als das, was ich schon das letzte Mal, ich glaube, am 4. Dezember, hier gesagt habe, nämlich daß
wir vom Parlament aus eine Initiative in Richtung auf eine Änderung des Postverwaltungsgesetzes ergreifen sollten und ergreifen müssen, daß wir aber dabei alle Meinungen und alle Vorschläge, die jetzt ausgearbeitet werden, in die Erwägung einbeziehen sollten. Dazu gehört auch die Meinung der Kommission, die ja nun einmal eingesetzt worden ist und für die Sie selber gestimmt haben. Es hat keinen Sinn, jetzt diese Vorschläge - Ihren Vorschlag, unseren Vorschlag - zu nehmen, ohne die Meinung der Kommission, die auch arbeitet und die vielleicht wiederum einen anderen Vorschlag macht - auch wir haben ja verschiedene Vorschläge gemacht -, mit hineinzuarbeiten und dann wirklich etwas Endgültiges zu machen.
Ich habe das schon damals zum Ausdruck gebracht. Ich habe am 4. Dezember erklärt: Der Initiativantrag, den ich mit meinen Kollegen eingereicht habe, soll nicht als Vorgriff auf die schwierigen Aufgaben des zu erstellenden umfassenden Berichts der Sachverständigenkommission gewertet werden. Wir haben auch nicht die Absicht, ihr - wie ein Mitglied der Sachverständigenkommission mir gegenüber meinte - für ihre saure Arbeit das Brot wegzunehmen; im Gegenteil, wir wollen mit diesem Entwurf zur Brotvermehrung 'beitragen. Wir betrachten diesen Initiativentwurf als einen konstruktiven Diskussionsbeitrag, der in Ergänzung zu anderen Beiträgen, insbesondere zu dem zu erwartenden Kommissionsbericht, eine umfassende Sanierung der Bundespost auf lange Sicht ermöglichen soll. Das ist unser aller Wunsch; und dazu gehört auch, daß wir - was Sie heute bemängelt haben - den Kommissionsbericht abwarten. Denn es wäre unrationell, jetzt diese beiden Anträge zu beraten und dann, wenn der Kommissionsbericht da ist, wieder von vorn anzufangen. Wir müssen alles zusammen in eine Linie bringen, die dann das beste Ergebnis wäre.
Herr Kollege, Sie halben in Ihrem Schlußsatz die Arbeit der Bundespost, des Bundespostministers und aller derer, die sich um die Bundespost bemühen, herabgewürdigt. Das ist doch wirklich keine Qualifikation mehr. Sie selber haben doch als Postverwaltungsratsmitglied gesehen, daß die Deutsche Bundespost im Weltmaßstab auf einer Höhe steht, daß wir sie mit der Post in allen anderen Ländern der westlichen Welt vergleichen können. Ich meine, eine solche Qualifikation sollten Sie hier nicht abgeben, wenn Sie ernst genommen werden wollen.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundespostminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war vorauszusehen, daß die heutige Debatte nicht nur nichts Neues bringen konnte, sondern in sich sogar mager sein mußte, nachdem wir bereits am 4. Dezember die Probleme der Deutschen Bundespost in einer ausführlichen Debatte in diesem Hause behandelt haben.
Nun, Herr Kollege Cramer, Sie haben auch in diesem Jahr Ihr Soll erfüllt und den Antrag gestellt, daß mein Gehalt gestrichen wird. Sie haben zwar sofort in wirklich liebenswürdiger Weise hinzugefügt: „Es wird aber nicht passieren."
({0})
So bin ich auch einer Androhung enthoben und brauche Ihnen nicht anzukündigen, daß ich, wenn Sie mein Gehalt streichen, Ihnen meine beiden Kinder zur Ernährung schicken würde.
({1})
Wenn Sie, Herr Kollege Cramer, die Politik der Bundesregierung, bezogen auf die Behandlung der Deutschen Bundespost, als halbe Maßnahmen oder völliges Versagen oder als Kurpfuscherei bezeichnet haben, so darf ich Ihnen sagen, daß Ihre Kritik eigentlich angesetzt war auf das Verhältnis von Fremdkapital zum Eigenkapital, also auf das Gebiet der Finanzstruktur. Ich habe in diesem Hause schon ausgeführt, daß die Frage des Verhältnisses des Fremdkapitals zum Eigenkapital für die Deutsche Bundespost nicht eine Frage der Liquidität ist. Denn die Deutsche Bundespost ist liquide. Sie hat also nicht die gleichen Rücksichten hinsichtlich Eigenkapital und Fremdkapital zu nehmen, wie das ein Privatunternehmer tun müßte. Was auch ich immer in einer sehr kritischen Weise angesprochen habe, das ist die Belastung, die sich aus dem Fremdkapital ergibt, das sind die 470 Millionen DM Zinsen, die eben im Haushalt verkraftet werden müssen und die dazu führen können, daß auch von da aus das Gebührengefüge der Deutschen Bundespost ins Wanken kommt, - nicht allein aus dieser Position!
Wenn ich mir nun aber den Gesetzentwurf ansehe, den Sie eingebracht haben, bei dem ich selbstverständlich unterstelle, daß er mit dazu beitragen soll, bei der Deutschen Bundespost eine stabilere Ordnung auf dem finanziellen Sektor herbeiführen, dann bedeutet er nicht mehr und nicht weniger, als daß das Fremdkapital plus Eigenkapital marktgerecht verzinst werden müßte, und das bedeutet bei einem Gesamtvermögen der Deutschen Bundespost von 15 Milliarden DM, daß dann allein Zinsbelastungen von 900 Millionen DM auftreten würden.
({2})
- Die Ablieferung dafür nicht; aber, Herr Cramer, wenn Sie das einmal genau durchrechnen, dann werden Sie feststellen, daß man damit nicht, wie Sie es sich vorstellen, die Deutsche Bundespost sanieren oder die Voraussetzungen dafür schaffen könnte, daß in Zukunft die Tarife nicht mehr geändert zu werden brauchten.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gscheidle?
Bitte sehr!
Herr Minister, darf ich Sie daran erinnern, daß im Entwurf der SPD-BundestagsGscheidle
fraktion u. a. neben der Streichung der Abgabe steht: dafür allerdings die Verzinsung des vom Bund einzubringenden Eigenkapitals - es würde sich aber für ihre Betriebsberechnung nichts ändern -; Sie wären jedoch die Amortisation für diesen Teil los. Ich glaube also, die Darstellung, die Sie hier gegeben haben, war doch zu einfach.
Ich war mit meiner Darstellung noch nicht ganz zu Ende, Herr Abgeordneter Gscheidle. Sie haben sich etwas zu früh zu ,dieser Zwischenfrage gemeldet. Das, was diese Regelung an Günstigem mit isich brächte, wäre allein die Frage der Amortisation, also der Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen. Damit würde eine stabilere Investionspolitik bei der Deutschen Bundespost ermöglicht.
({0})
- Die Streichung der 6 2/3 % ist auch in dem anderen Antrag enthalten. Aber, Herr Kollege Cramer, ich glaube, daß ich dem Hause heute entgegenkomme, wenn ich nur noch einige wenige Bemerkungen mache.
Sie meinten, es sei Kurpfuscherei gewesen. Ich darf hier doch mit allem Nachdruck feststellen - und Herr Kollege Besold hat es dankenswerterweise auch getan -, daß die Deutsche Bundespost trotz dieser in der Tat vorhandenen Erschwernisse ihre Aufgaben in vollem Umfange erfüllen konnte. Wenn Sie auf dem Gebiet des Fernmeldewesens an die 93 % Vollautomatisierung im Selbstwählfernsprechdienst der Deutschen Bundespost denken und die Vereinigten Staaten mit ungefähr 50 %, England mit unter 50 % und Frankreich mit ebenfalls unter 50 % gegenüberstellen, dann müssen Sie doch zugeben, daß die Deutsche Bundespost auf dem technischen Sektor ihre Einrichtungen in einer hervorragenden Weise zum Wohle unseres gesamten Volkes, zum Wohle aller Benutzer weiterentwickelt hat. Wenn man darüber hinaus weiß, daß 50 % ,des gesamten Auslandsfernsprechdienstes ebenfalls schon vollautomatisiert sind, wenn man hinzunimmt, daß der Telexverkehr im Inland zu 100 %, mit dem Ausland zu 90 % automatisiert ist, und wenn man in Betracht zieht, daß in diesem Jahre die erste automatische Briefverteilanlage im praktischen Postdienst eingesetzt werden kann, daß 13 Millionen Postsparkonten bereits völlig automatisiert sind, daß sich der Postscheckdienst in der Automatisierung befindet, ebenso der Paketdienst - ich nenne hier nur einige Stichworte -, so kann man doch davon ausgehen, daß die Deutsche Bundespost - ihren Aufgaben entsprechend - in der Entwicklung mitgehalten hat.
Nun, Herr Kollege Cramer, möchte ich nicht nur ein Wort des Dankes an die Angehörigen der Deutschen Bundespost sagen - das tue ich ohnedies jedes Jahr zur Jahreswende -, ich möchte auch betonen, daß die Deutsche Bundespost neben diesen betrieblichen Leistungen auch auf dem sozialpolitischen Gebiet Beachtliches geleistet hat. Ich erinnere nur an zwei von uns durchgeführte soziale Maßnahmen, an die Errichtung von 92 600 Wohnungen mit Zuschußmitteln der Deutschen Bundespost und an die trotz der angespannten Finanzlage vorgenommene Erhöhung der Löhne und Gehälter, die allein im vergangenen Jahr einen Gesamtbetrag von mehr als 500 Millionen DM ausgemacht hat, also eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Bediensteten der Deutschen Bundespost.
Herr Kollege Cramer, ich möchte mit allem Nachdruck bitten, daß wir diese Fragen, die die Deutsche Bundespost betreffen, auch in Zukunft mit der Sachlichkeit behandeln, die sie verdienen.
Die Deutsche Bundespost wird in Auswirkung der Maßnahmen des Jahres 1964 im Jahre 1965 kein Defizit mehr haben. Vielmehr wird seit vielen Jahren zum erstenmal wieder im Jahre 1965 nicht nur ein ausgeglichener Haushalt, sondern ein Haushalt mit Gewinn vorliegen. Das möchte ich auch zur Rechtfertigung der Anstrengungen der Deutschen Bundespost hier mitteilen.
Die Siebenerkommission arbeitet sehr gewissenhaft, sehr gründlich und sehr zügig. Aber über ein Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 9 Milliarden DM und mit so komplizierten Dienstzweigen wie bei der Deutschen Bundespost kann man nicht innerhalb weniger Wochen ein aussagefähiges Gutachten auf den Tisch des Hauses legen. Der Vorsitzende dieser Kommission hat zugesagt, daß das Gutachten ungefähr Mitte des Sommers 1965 fertig sein wird. Wenn dieses Gutachten zur Verfügung steht, dann sollten sich alle Kräfte, die an einer gesunden Post interessiert sind, zusammensetzen, um die richtigen Wege zu finden, die die Deutsche Bundespost in den Stand versetzen, nicht nur die Aufgaben der Gegenwart, sondern auch die Aufgaben der Zukunft zu meistern.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 13, Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Herr Bundesminister, wir haben vorsichtshalber ausgezählt, ob Sie eine Mehrheit haben. Bloß für den Fall, daß das Gehalt gestrichen wird: dann müßte der Bundespostminister zurücktreten und die Kinder der Opposition zur Versorgung schicken.
({0})
Das ist ein klarer Fall der Grenzen des Sozialstaats, um das einmal konkret zu sagen.
Also wer dem Einzelplan 13 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere ist trotzdem die Minderheit. Das Gehalt ist gerettet,
({1})
der Einzelplan 13 ist angenommen. Ich rufe auf:
Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung ({2}).
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich frage den Berichterstatter, den Herrn Abgeordneten Leicht, ob er das Wort wünscht.
({3})
- Dafür ist Ihnen das Haus ganz besonders dankbar. Der Schriftliche Bericht wird gewürdigt und der Verzicht erst recht.
Zu diesem Einzelplan liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 571 und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 574 *) vor. Der Änderungsantrag Umdruck 572 ist zurückgezogen.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 571 hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Änderungsantrag handelt es sich um einen Antrag von einiger grundsätzlicher Bedeutung für das Verhältnis dieses Hohen Hauses zur Regierung. Ich stütze mich bei der Begründung auf eine sehr eingehende Aussprache, die wir im Ältestenrat des Deutschen Bundestages gehabt haben. Dort sind die anwesenden Mitglieder .des Ältestenrates einschließlich des Präsidenten und der Vizepräsidenten übereinstimmend zu der Auffassung gekommen - ({0})
- Vizepräsident Schoettle war nicht dabei, oder sagen wir: der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Vizepräsident Schoettle, war nicht dabei.
({1})
Sonst sind wir aber übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, daß .die bisherige Praxis geeignet ist, die Grenzen zwischen diesem Haus und der Regierung zu verwischen. Dieses Haus hat eine legislative Aufgabe und eine 'Kontrollfunktion. Es hat keine exekutive Funktion und sollte nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung keinerlei exekutive Funktion auf sich ziehen. Wir tun auch nicht gut daran, wenn wir der Regierung erlauben, sich auf Kosten dieses Hauses bei Regierungsmaßnahmen zu entlasten.
({2}) Diese Gefahr könnte immerhin beistehen.
Wir selbst stehen der Ausübung unserer eigenen Kontrollfunktion entscheidend im Wege, wenn wir durch Abstimmung Mitverantwortung für Regierungsmaßnahmen, für reine Exekutivmaßnahmen, auf uns ziehen. Es scheint mir undenkbar zu sein, daß, wenn dieses Haus Mitverantwortung für eine exekutive Maßnahme auf sich zieht, es anschließend die Regierung wegen solcher Maßnahmen kritisiert. Das kann in extremen Fällen zu schweren verfassungspolitischen Konflikten 'führen.
Ich glaube, daß ich meine Begründung auf diese wenigen Sätze beschränken kann. In der Öffentlichkeit ist darüber auch schon 'diskutiert worden.
*) Siehe Anlagen 2 und 3
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag auf Umdruck 571, der den einvernehmlichen Beratungsergebnissen aller Fraktionen im Ältestenrat Rechnung trägt, zuzustimmen.
({3})
Herr Abgeordneter Schoettle, wollen Sie reden? - Ich denke, Sie 'wollen mich ablösen.
({0})
Also, reden Sie erst; nachher werden Sie Präsident. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage wäre an sich Anlaß zu einer tiefgründigen verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung. Ich muß aber ganz offen gestehen, daß ich den Argumenten, die im Ältestenrat und auch anderwärts vorgebracht worden sind, nicht folgen kann. Ich glaube, wir jagen einer Illusion nach, wenn wir den Versuch machen, die Gewaltenteilung so lupenrein durchzuführen, daß sich überhaupt nirgends Berührungspunkte ergeben. Es gibt eine Seite der Kontrollfunktion des Parlaments, die eben nicht unter dem Gesichtspunkt der reinen Gewaltenteilung durchführbar ist, z. B. die Kontrolle des Parlaments in Einzelfragen der Regierungshandlungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Durchbrechung der Gewaltenteilung besteht doch in vielen Punkten. Lesen Sie einmal das Haushaltsgesetz, lesen Sie einmal den Haushalt in bezug auf seine Einzelheiten und verfolgen Sie die Praxis, die sich im. Laufe der letzten 15 Jahre entwickelt hat. Ich rede jetzt vom Standpunkt des Haushaltsausschusses. In wie vielen Fällen hat die Regierung den Haushaltsausschuß geradezu in Anspruch genommen, damit er ihr bei der Durchführung ihrer eigentlichen Aufgaben behilflich sein sollte. Hier gibt es die Art von Gewaltenteilung, die demonstriert worden ist, einfach nicht.
({0})
- Herr Kollege Conring, Sie haben vollkommen recht. Ich habe immer wieder auf die Verwischung der Grenzen aufmerksam gemacht, die in einer zu häufigen Inanspruchnahme von Parlamentsausschüssen für bestimmte Regierungsaktionen liegt. Hier steht man eben vor der Frage, ob man eine Praxis, die sich entwickelt hat, weiterführen will, oder ob man nun eine radikale Schwenkung durchführen will.
In dem Fall, um den es sich hier konkret handelt, scheint mir der Fehler nicht darin zu liegen, daß ein Parlamentsausschuß oder zwei Parlamentsausschüsse künftig etwa in Anspruch genommen werden könnten, wenn es sich darum handelt, so entscheidungsschwere Fragen zu behandeln wie die der Ausrüstungshilfe. Das ist ja der Punkt, auf den sich die ganze Geschichte hier zuspitzt. Hier scheint mir der Fehler darin gelegen zu haben, daß man zu einem Zeitpunkt, als die Dinge praktisch durch Abkommen in die Welt gekommen waren, nicht Parlamentsausschüsse, sondern einzelne Repräsentanten der FrakSchoettle
tionen unter dem Siegel strikter Vertraulichkeit in Anspruch genommen hat, einer Vertraulichkeit, die praktisch bedeutete, daß die Herangezogenen überhaupt nicht in der Lage waren, ihr Wissen und ihre Verantwortlichkeit irgendwie auf die politischen Kräfte zu übertragen, die hinter ihnen stehen. Das war der Fehler, der Versuch, mit Konventikeln bestimmte Fragen zu bewältigen; das ist am Parlament vorbeigegangen.
({1})
Deshalb, meine ich, ist es kein Unglück und bedeutet es keinen Bruch in unserer verfassungsrechtlichen Konstruktion, wenn in solchen Fällen die Parlamentsausschüsse, die für das Gebiet verantwortlich sind - „Gebiet" heißt in diesem Fall „die Außenpolitik", die ja hier in Frage steht, und zum anderen die Finanzpolitik, die Haushaltspolitik -, herangezogen werden, wenn es sich darum handelt, bestimmte Maßnahmen in bestimmten Richtungen durchzuführen. Das scheint mir kein Unglück zu sein.
Ich wollte das gesagt haben, meine Damen und Herren, weil ich glaube, daß man wirklich in allem Ernst die Frage prüfen muß, ob man das tun sollte, was hier z. B. im Beschluß des Haushaltsausschusses steht. Dieser Beschluß entspricht übrigens völlig dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Dieser Antrag war insofern also nicht notwendig, und wir ziehen ihn zurück. Es ist nun die Frage, ob man diesem Beschluß folgen will, der eine kooperative Heranziehung des Haushaltsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses vorsieht, oder ob man auf die Formel gehen will, die die CDU/CSU-Fraktion vorschlägt und die lediglich eine Information vorsieht. Das ist eine Frage, die man in guten Treuen so oder so entscheiden kann.
Auf eines aber mache ich Sie aufmerksam, meine Damen und Herren. Auch die Information der beiden Ausschüsse bedeutet im Grunde genommen, daß man eben „mitgefangen und mitgehangen" wird. Der Unterschied ist also so minimal, daß ich der Meinung bin, man sollte darauf keinen besonderen Wert legen. Wir ziehen also unseren Antrag zurück, weil er im Haushaltsgesetz, d. h. in Einzelplan 14, durch eine Erläuterung praktisch schon realisiert ist. Und wie Ihr Antrag beschieden wird, das muß ich meiner eigenen Fraktion überlassen. Ich bin der Meinung, man sollte diesen Antrag nicht annehmen, sondern es bei dem lassen, was bereits beschlossen worden ist.
({2})
Herr Kollege Schoettle, können Sie mich jetzt ablösen? Ich wollte mein Sprüchlein selbst auch sagen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier als Präsident dieses Hauses.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem heiligen Augustin wird das Wort zugeschrieben, daß aus Afrika immer etwas Neues komme. Ich will damit nicht auf die letzte Fernsehsendung eingehen, die ich selber nicht gesehen habe. Ich will hier auch gar keine hochpolitische Debatte eröffnen, sondern ich möchte mir einige Bemerkungen erlauben zu der Sache, von der Herr Kollege Schoettle mit Recht gesagt hat, daß sie nicht nur hochinteressant ist, sondern daß sie sich inzwischen für dieses Haus in einer Situation präsentiert, in der es berechtigt ist, selbst in der Haushaltsdebatte - mit der wir nicht mehr so ganz in der richtigen Zeitplanung sind - und selbst am Freitagmittag gegen 12 Uhr ein paar Bemerkungen dazu zu machen.
Ich kann mir Länge und Breite schenken, Ich gestehe offen, daß ich geschwankt habe, ob ich dem Herrn Kollegen Schoettle und auch Ihnen diese Diskussion hier zumuten soll. Aber ich lese doch auch so einigermaßen die Zeitungen, und da treffen mich gewisse Punkte schmerzlich. Das geht weniger meine Person an. Aber wenn ich „Bundestag" höre oder in der Zeitung darüber lese, dann zucke ich, wenn auch unsichtbar, zusammen und frage mich: Ist das Echo gut oder schlecht? Was ich heute darüber gelesen habe, gefällt mir gar nicht. Da heißt es z. B. in einer angesehenen Zeitung aus Frankfurt - nicht der FAZ; es gibt noch einige andere angesehene Zeitungen - in einer Glosse:
Die Bundesrepublik steht nicht zuletzt deshalb vor dem Debakel ihrer Politik gegenüber Israel und den arabischen Staaten, weil das Parlament die Geheimdiplomatie einiger Manager, also nicht einmal der Regierung, widerspruchslos hinnimmt und sich sogar in der Rolle des Erfüllungsgehilfen der jeweils stärksten Gruppe des Kabinetts gefällt.
Das ist natürlich ein Vorwurf, der sich irgendwie auf die Organisation der Gewalten und die ganze Entwicklung dieses Staates bezieht und der von diesem 'Hause einigermaßen ernst genommen werden sollte.
Nun zu der Sache selber, um die es geht und über die wir neulich im Ältestenrat eine wirklich spannungsgeladene Debatte geführt haben, bei der der Verlierer übrigens der Herr Vorsitzende des Verteidigungsausschusses war. Das wird man sagen dürfen, ohne ihm im mindesten zu nahe zu treten. Er hat mit dem Mut und dem Engagement eines Löwen, der längere Zeit gefastet hat, gefochten und die Vorrechte seines Ausschusses vertreten.
({0})
Er hat drei Vorschläge gemacht, um einige dieser Vorrechte, von denen ich der Meinung bin, daß sie illegal sind, zu verteidigen und 'zu schützen. Ich habe dem Ältestenrat gesagt: Das werfen wir alles unter den Tisch. Der Ältestenrat ist auch einhellig so verfahren, und selbst Herr Kollege Jaeger als Vizepräsident des Hauses hat das dann schweigend ertragen.
Aber damit war nur ein Problem aufgeworfen, dem wir uns - das gebe ich zu - nicht unbedingt
jetzt in dieser Sitzung mit Ausführlichkeit stellen müssen, dem wir aber in dieser Sitzung einmal ins Gesicht schauen sollten und das wir öffentlich vor dem Parlament einmal ansprechen sollten. Die Bemerkung des Kollegen Schoettle, daß die seitherige Handhabung in einer ganz hervorragenden Weise gleichzeitig die Konkretisierung der Kontrolle sei, ist ganz zutreffend. Die Mitwirkung und das Eintreten in Details, die möglicherweise einer bestimmten Rechtsauffassung nach bei der Regierung liegen, das Eintreten in Details und die Mitwirkung an der Entscheidung - das ist eine vorsichtige Formulierung - bedeuten jedenfalls eine konkrete Kontrolle durch ein Parlamentsorgan. Das ist nicht zu bestreiten.
Nun hat der Herr Kollege Schoettle im Blick auf den vorliegenden Änderungsantrag daraus soeben den Schluß gezogen, daß es doch dabei bleiben sollte, daß eine kooperative Heranziehung beider Ausschüsse, in diesem Falle des Haushaltsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses - vom Verteidigungsausschuß ist im Moment nicht die Rede - stattfindet, und das der prinzipielle Unterschied zwischen dem, was seither war, und dem, worauf dieser Änderungsantrag zielt, gar nicht so groß sei; denn eine entsprechende Information könne ein ähnliches Mithereinziehen in die Verantwortung und damit ein ähnliches Festnageln bedeuten wie die tatsächliche Mitwirkung und Mitentscheidung. Nur in diesem einzigen Punkt weiche ich von Herrn Kollegen Schoettle ab.
Meine Damen und Herren, wir müssen dabei bleiben, daß die Information, die wir von der Regierung redlich, offen und so uneingeschränkt als möglich - dafür haben wir die Geheimausschüsse - verlangen müssen, unter allen Umständen dieses Haus in seiner Entscheidung frei läßt. Ich spreche hier nicht für eine Partei. Ich sage ganz offen, ich verfechte hier die Aktions- und letztlich die Entscheidungsfreiheit und die Entscheidungshoheit des Hauses. Deshalb warne ich davor, entsprechend der auf die Praxis abgestellten Bemerkung des Herrn Kollegen Schoettle - so war es und so ist es tatsächlich - weiter so zu verfahren.
Ich bitte Sie, sich zu überlegen, ob wir diese Differenz nicht vertiefen müssen. Es muß dabei bleiben, daß dieses Haus von der Regierung eine faire und offene Auskunft verlangen kann. Hier gilt wirklich Schillers schönes Wort, das von Beethoven vertont wurde: „Wahrheit gegen Freund und Feind". Das steht uns zu Gesicht. Wir wollen hier gar nicht vom Feind reden, sondern von der Wahrheit gegenüber den Regierungsparteien, in den Ausschüssen, auch hier vor dem Parlament, und der gleichen Wahrheit gegenüber der geschätzten Opposition. So muß es sein.
Aber es geht unter gar keinen Umständen, meine Damen und Herren, daß Sie auf eine solch faire und weitgehende substantielle Information nun so etwas gründen wie „mitgefangen, mitgehangen". Darauf darf sich ein Ausschuß nicht einlassen. Hier stellt sich schon das Problem der Delegation der Rechte dieses Hauses im ganzen auf bestimmte Ausschüsse. Wahrscheinlich können wir das im
Prinzip nicht ändern. Aber schon, daß das Haus „mitgefangen, mitgehangen" sein soll, wenn ein legitimer Ausschuß dieses Parlaments, der auch noch sachlich zuständig ist, in einer politischen oder gar technischen Sachfrage ja sagt, selbst wenn er einstimmig dazu ja sagt, ist eine so weitgehende Bindung des Hauses und auch der Entscheidungsgewalt jedes einzelnen gleichberechtigten Mitgliedes dieses Hauses in wichtigen Fragen, daß man sich hin und wieder die Frage vorlegen müßte, ob man das dann nicht doch trotz aller Nutzüberlegungen - vor allem bei auswärtigen Angelegenheiten - fairerweise dem Hause vortragen müßte, damit auch die anderen eine Einlassungs-, eine Denk-, eine Äußerungsmöglichkeit haben?
Worauf ziele ich jetzt ab? Ich kann keinen langen staatsrechtlichen Vortrag halten, sondern ich spreche jetzt über die Praxis des Parlaments schlechthin. Ich ziele darauf ab, daß Fragen, die ihrem Gewicht nach eigentlich nicht nur in den einen oder anderen dafür bestimmten Ausschuß gehören und dort abgetan werden dürfen, sondern die ihrem Gewicht nach vor das ganze Haus gehören, auch, wenn es sein muß, wenn es die Substanz und die Bedeutung der Sache erfordern, dem ganzen Haus zugänglich werden.
Von großer Wichtigkeit ist dabei, daß wir den Unterschied zwischen Information - ich sage noch einmal: möglichst voller Information - und Entscheidung ganz prinzipiell festhalten, wenn wir so verfahren, wie es im Änderungsantrag vorgesehen ist. Ich habe mir Mühe gegeben, meine eigenen Freunde für diesen Schritt zu gewinnen. Sie haben ihn keineswegs spontan unterstützt; es gibt auch Abgeordnete, die zunächst einmal ganz anderer Meinung waren. Ich will nur verdeutlichen, was eigentlich gemeint ist.
Ich habe mit diesem Antrag folgendes im Sinn: ich möchte, daß bei Sachen von wirklicher Bedeutung dem Parlament als Ganzem die Möglichkeit eröffnet bleibt, zu diskutieren und hier vor dem ganzen Haus Stellung zu nehmen. Solange etwas mit dem Charakter der Information vor einem Geheimausschuß im Stadium der Verhandlung steht und dort nicht eine Entscheidung irgendwelcher Art mit abverlangt wird, besteht die Möglichkeit, die Sache in die politische Debatte und damit auch vielleicht in die Gesamtentscheidung des Hauses zu ziehen. Ich versuche jedenfalls, auf diese Weise die Gleichberechtigung aller Kollegen in diesem Haus und ihre Mitwirkung in Dingen von besonderem politischen Gewicht nach Möglichkeit zu vertreten.
({1})
Ich rede gar nicht von der mißlichen Situation,
in die wir durch eine ganz andere Geschichte einmal gekommen sind - die Waffenlieferung an
Israel ist ja vor keinem Parlamentsausschuß und
vor keinem Organ des Hauses behandelt worden -,
sondern ziehe daraus nur die Konsequenz, daß man,
wenn es schon um eine Sache von bedeutendem
politischem Gewicht geht, erst einmal zwischen
Information und Entscheidung unterscheiden muß.
Ich sage hier ganz offen: ich vermag nicht einzusehen, daß der Verteidigungsausschuß z. B. das
Recht und die Macht und die Kraft hat, darüber zu
entscheiden, ob nun irgendein Hubschrauber, ab das Flugzeug A, das Flugzeug B oder dass Flugzeug C gekauft werden soll.
({2})
Man kann das doch eigentlich vom Verteidigungsausschuß gar nicht verlangen. Ich lasse jetzt einmal die ganze Rechtsstruktur der Verfassung beiseite. Ich vergesse den ganzen Montesquieu und sage nur folgendes. Wir dürfen nicht einem Teil unserer Kollegen so etwas zuschieben lassen oder zulassen, daß sie sich das selber aneignen, vielleicht noch bei einem etwas schwankenden Minister dieser oder jener Art. Ich denke jetzt gar nicht an einzelne Personen. Es gibt doch auch bei der Regierung die Situation: Man sieht die Risiken, die in der Entscheidung liegen, wenn man das Flugzeug A kauft, man sieht auch die Risiken beim Kauf von B, beim Kauf von C. Überall gibt es ein gewisses Risiko, das getragen werden muß. Es ist doch eine Verführung. für den Mann, der mit seinem Apparat die Entscheidung zu tragen hat und selbst vor dem Hause für diese Entscheidung geradezustehen hat, wenn man ihm die Chance gibt, dieses Risiko auf einen auch noch geheim tagenden Parlamentsausschuß abzuwälzen. Der Parlamentsausschuß fühlt sich geehrt, er sagt: Na ja, wir bringen euch aus der Klemme. Wir übernehmen das Risiko dieser Entscheidung und entscheiden uns eben dann für das Flugzeug B.
Vierzehn Tage später, vier Monate später oder vielleicht vier Jahre später stellt sich heraus, daß es der größte Unsinn war, den man gemacht hat. Hier stehen dann einige Leute auf und sagen: Moment mal, wie kam es denn eigentlich zu diesem wahnsinnigen Flugzeugkauf B?! Das mußtet ihr euch doch damals schon sagen!
Was würde dann geschehen? Dann kommt der Verteidigungsminister, der auf jeden Fall dafür geradezustehen hätte, hierher, blättert die Protokolle auf - das haben wir in den letzten Tagen erlebt - und sagt: Einen Moment mal, in der 183. Sitzung des Verteidigungsausschusses, vormittags zwischen 12.30 Uhr und 12.45 Uhr ist die Entscheidung gefallen, auch noch einmütig unter Mitwirkung der Opposition: Flugzeug B. Also bitte sehr! Ihr seid doch, wenn schon nicht gescheiter als wir, so doch mächtiger als wir, und damit habt ihr uns das Risiko abgenommen.
Meine Damen und Herren, so etwas geht nicht. Ich habe es jetzt karikiert. Ich verstehe, daß dieses Haus bei politischen Entscheidungen nur ein klein wenig mitzuwirken wünscht, aber auch da gibt es schon Grenzen; sobald es aber in die Technik geht, wenn nämlich politische Entscheidungen realisiert werden, finde ich, daß dieses Haus überfordert ist, wenn es in eine Verantwortung mit hineingezogen wird, die es nicht übernehmen kann und wozu es auch nicht bestimmt ist.
({3})
Man muß das klipp und klar sagen, denn wenn man so weitermacht, wie es sich bei uns - ich sage nicht: überall, aber da und dort - eingebürgert hat, wissen Sie, was wir dann tun müssen? Dann müssen wir z. B. die Assistenz unseres Verteidigungsausschusses völlig umbauen, dann müssen wir diese Assistenz mit einer Spezialabteilung unserer wissenschaftlichen Abteilung verbinden, wir müssen einen parlamentarischen Hilfsdienst schaffen, der mindestens dem organisierten Sachverstand im Bundesverteidigungsministerium gewachsen ist.
({4})
Und wissen Sie, was dann kommt? Dann werden wir zum Schluß zwei organisierte Gruppen von Sachverständigen haben, und die werden sich immer höherstocken. Wissen Sie, wo wir uns dann befinden? Wir befinden uns in einer engen Schlucht 'unten auf dem schmalen Fußwegchen zwischen den Gebirgen der beiden Sachverständigengruppen. Ob die Sachverständigen sich dann über unsere Köpfe hinweg verbinden oder ob der eine sich als unser Schützen- und Eideshelfer oder als sonst etwas betrachtet - wir werden so oder so schließlich von den Sachverständigen abhängig sein.
({5})
Meine Damen und Herren, tun Sie, was Sie wollen; das Haus ist völlig frei. Aber bitte, seien Sie sich doch über die Konsequenzen im klaren. Es nützt nichts, wenn wir bloß 'sagen: Also gut, dann machen wir eben einen parlamentarischen Hilfsdienst, der auf uns hört.
Ich mache ergebenst darauf aufmerksam, daß natürlich ein parlamentarischer Hilfsdienst, der so gebaut, so organisiert, so tief gestaffelt und so mächtig in sich selber geworden ist, daß er seinen Kollegen in der Exekutive gewachsen bleibt, auch seine eigenen Gedanken hat. Was können wir dann tun? Wir sitzen in der Sitzung, und unser Sachverständiger sagt das und der andere Sachverständige sagt etwas anderes oder aber 'die beiden Sachverständigen sind schon vorher 'beim Frühstück übereingekommen zu sagen, heute werden wir denen mal gemeinsam sagen, was sie zu tun haben.
({6})
Ja, und dann? Meine Damen und Herren, deshalb kalkulieren Sie das durch!
Ich greife überhaupt nicht die Entscheidung des Haushaltsausschusses an, die der Regel nach unter ganz anderen Gesichtspunkten fällig ist. Ob man Flugzeug A, B oder C kauft oder kaufen mußte - sicher ist, daß es Geld kostet. Der Haushaltsausschuß muß wissen: Haben wir dieses Geld überhaupt oder, falls es nicht zu dem reicht, was wir hier bewilligt haben, wollen wir das nachbewilligen? Dazu ist der Haushaltsausschuß da. Kann das finanzpolitisch, kann das haushaltsmäßig überhaupt verkraftet werden? Das soll ihm auch weiter bleiben. Nichts dagegen! Aber das Hineinziehen in eine Sachentscheidung Oder gar der muntere Drang von Ausschüssen, die sehr aktions- und entscheidungsfreudig sind, hinauszugreifen, nach dem Motto: das nehmen wir jetzt einmal selber in die Hand, und dann ein höflicher Minister, der sich denkt: Es ist doch am besten, ich arrangiere mich in einem Dilemma mit Risiken mit dem Ausschuß - meine Damen und Herren, das hat doch alles gar keinen richtigen Zweck. Es muß doch dabei bleiben: Wofür die Regierung steht, 'daß muß sie auch verantworten, mit
allen Konsequenzen. Es kann durchaus sein, daß ein Fachminister auch einmal stürzt über einer nicht politisch falschen Linie, sondern wegen einer weltgehenden Fehlentscheidung in einer Sache, in der wir wahrscheinlich ,auch nicht gescheiter wären.
({7})
- Meine Herren, so ist die Ordnung dieses Hauses. Haben Sie noch nicht gemerkt, daß jetzt nicht der CDU-Abgeordnete Gerstenmaier spricht, sondern ein Mann, der die Ehre hat, für dieses Haus zu sprechen, und der sich Mühe gibt, sich zu überlegen: Was machen wir denn, wie kommen wir weiter?
Ich benutze die Gelegenheit, dieses Problem einmal hier in das Bewußtsein der Kolleginnen und Kollegen zu rücken,
({8})
und nur darum habe ich meine eigene Fraktion gebeten: Seid so nett und gebt mir diese Möglichkeit! Und deshalb dieser Antrag. Sie können den Antrag ablehnen oder annehmen. Das, was Herr Kollege Schoettle befürchtet hat, ist nicht beabsichtigt: die Beschneidung der Zuständigkeit des Haushaltsausschusses unter finanzpolitischen Gesichtspunkten. Überhaupt nicht! Aber bitte, meine Damen und Herren, ich muß warnen vor dem Hereinziehen des Parlaments in Sachentscheidungen und Detailfragen, die uns zwar die Möglichkeit der kontrollierenden Einsicht geben, aber uns unter diesem Titel darüber hinaus in eine Verantwortung hineinziehen, in eine Entscheidungsposition bringen, die uns nachher in diesem Saal nicht mehr frei sein läßt zu opponieren, zu kritisieren und Konsequenzen zu ziehen. Davor warne ich! Ich habe hier die Aktions- und Entscheidungsfreiheit des Parlaments in seinem eigenen Rechtsbereich in einer konkreten Sache zu vertreten.
({9})
Ein Teil dessen, was der Herr Präsident und Abgeordnete Gerstenmaier gesagt hat, nämlich die Vision, die er hier von der möglichen Entwicklung dargestellt hat, wenn wir den einen Weg gehen, hat mich etwas an ein Gemälde von Peter Breughel erinnert: Der unvollendete Turmbau zu Babel nach der Sprachenverwirrung. Aber das ist eine Bemerkung, die eigentlich von dieser Stelle aus nicht hätte gemacht werden dürfen.
({0})
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident Dr. Gerstenmaier hat dem in dem Antrag in Rede stehenden Problem einen sehr weitgespannten Raum gegeben und eine ganze Reihe von Problemen aufgeworfen, die natürlich eigentlich mit diskutiert werden müssen. Da wäre z. B. auch das Problem der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit zu diskutieren. Wir können ja immer nur die ganze Bundesregierung stürzen, wenn ein Minister versagen sollte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Darf ich nur in der Form der Frage folgendes richtigstellen, Herr Kollege Schultz? Es ist Ihnen doch wahrscheinlich deutlich, daß Sie auch bei dieser Konstruktion des Kanzlersturzes die Entlassung eines Ministers erzwingen können - ({0})
-. Meine Herren, ich bin großzügig, und diese Last bin ich noch bereit, mit Ihnen zu tragen. Vor allen Dingen verspreche ich Ihnen, dafür Abhilfe zu schaffen.
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Herr Kollege Schultz, darf ich also fragen: Ihnen ist doch wahrscheinlich bewußt, daß es trotz des konstruktiven Mißtrauensvotums gegen den Bundeskanzler als einziger Möglichkeit ja doch die Möglichkeit gibt, das Mißtrauensvotum anzuzeigen und anzudrohen, wenn der Bundeskanzler einen bestimmten Minister nicht entläßt? Tut er es dann beharrlich nicht, müssen Sie eben das konstruktive Mißtrauensvotum einbringen.
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Herr Kollege Gerstenmaier, wir haben ja in dieser Legislaturperiode ein Beispiel dafür gehabt, daß die Entlassung eines Ministers ohne den gemeinsamen Rücktritt mehrerer Minister gar nicht möglich gewesen ist. Das widerspricht ein wenig dem, was Sie eben gesagt haben. Aber ich glaube, wir können das nicht vertiefen.
Die andere Frage, die Sie angeschnitten haben, ist die Frage der Gewalt des Verteidigungsausschusses in diesem Parlament. Sie wissen, daß wir im Parlament alle miteinander sagen: „Die Kollegen im Haushaltsausschuß sind bessere Menschen als wir übrigen, denn sie haben eine sehr viel weitergehende Befugnis." Manche sind ihren Kollegen im Haushaltsausschuß gram darüber, andere empfinden es aber als sehr angenehm, daß Ihnen von diesen Kollegen manche Verantwortlichkeit abgenommen wird. Aber der Verteidigungsausschuß hat natürlich nach dem Grundgesetz eine besondere Kontrollbefugnis. Sie zeigt sich schon darin, daß der Verteidigungsausschuß ohne Antrag des Plenums Dinge der Verteidigung an sich ziehen und untersuchen kann. Dann muß auch das alles geändert werden.
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Ein Wort über die Käufe von Flugzeugmustern etc. Sicher ist der Verteidigungsausschuß oder sind die Parlamentarier, die darin tätig sind, in einem gewissen Sinne mitverhaftet bei einer solchen Entscheidung. Dazu ist es sicher richtig - was Sie geSchultz
sagt haben - daß die Information der Abgeordneten besser werden muß. Wir sollten nach dem Beispiel der Vereinigten Staaten zu den sogenannten Hearings übergehen, in denen Sachverständige zu den einzelnen Problemen gehört werden. Soweit ich mich erinnere, ist bisher im Verteidigungsausschuß noch nie eine Entscheidung gegen die Regierung getroffen worden, sondern es sind immer nur die Bedenken geltend gemacht worden, und wir kamen dann meistens zu einstimmigen Entschlüssen. Ob das richtig ist oder nicht, wäre dann dabei zu untersuchen.
Aber zurück zu dem anstehenden Problem! Auch die FDP-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, aber wir haben uns dann in der Fraktion noch einmal darüber unterhalten und inzwischen unsere Meinung insoweit geändert, als wir es doch für richtiger halten, dem Änderungsantrag der CDU/CSU zuzustimmen. Von uns ist anerkannt worden, daß eine förmliche Zustimmung der genannten Ausschüsse in der Tat ein zu weitgehendes Überlappen der Exekutivgewalt und der Legislativgewalt ergäbe. Wir haben unseren Antrag daher zurückgezogen.
Aber wenn wir nun nur eine Information haben, kann natürlich nicht die Meinung verbreitet oder aufrechterhalten werden, die Information sei zu verstehen in dem Sinne des „Mitgefangen, mitgehangen".
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Dagegen müssen wir uns allerdings verwahren. Bisher sind die Dinge unter „Geheim" gelaufen. Deswegen war nicht die Möglichkeit gegeben, in der Öffentlichkeit dazu Stellung zu nehmen. Wohl war die Möglichkeit gegeben, die Fraktionsspitze als solche zu informieren. Denn die Kollegen, die in diesen Geheimsitzungen waren, waren praktisch Vertreter des Fraktionsvorsitzenden. Aber das reichte natürlich nicht aus.
Deswegen möchte ich ganz deutlich machen, daß man tunlichst auch und gerade diesen Titel nur dann unter die Formel „Geheim" stellen sollte, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich bin der Meinung, daß viele Dinge, die hier bewilligt worden sind, durchaus in das Licht der Öffentlichkeit hineingehören und gar nicht unter „Geheim" hätten laufen müssen.
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Das eine Mal, wo etwas unter „Geheim" gemacht worden ist, da ging es schief - um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen.
Ich glaube, damit habe ich an sich die Haltung, die wir zu diesen Fragen haben, in etwa klarzustellen versucht. Sicher sollte die Gelegenheit der Beratung dieses Antrags dazu führen, daß wir uns über die Abgrenzungen zwischen Legislative und Exekutive weitere Gedanken machen, daß wir uns insbesondere auch einmal die Arbeit des Verteidigungsausschusses unter diesen Aspekten weiter überlegen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Präsident Dr. Gerstenmaier hat uns einige Gedanken vorgetragen, aus denen Sorgen sprechen, die unser aller Sorgen sind. Es Ist, glaube ich, unbestritten, daß ein Parlament, infolgedessen auch der Deutsche Bundestag, nicht versuchen kann und nicht versuchen darf, sich an die Stelle der Exekutive zu setzen. Wir alle sind keine Anhänger eines „régime des assemblées", wie es eine Weile in Frankreich praktiziert worden ist und das sicher zum Niedergang der früheren französischen Republiken mit beigetragen hat. Wir müssen infolgedessen sorgsam auf die Einhaltung unserer und der Befugnisse der Exekutive achten. Die Gewaltenteilung haben auch wir alle groß zu schreiben. Diese Sorge respektiere ich.
Dennoch finde ich, daß die Ausführungen, die wir von Ihnen vorhin gehört haben, nicht frei von Widerspruch waren. Auf der einen Seite plädierten Sie dafür, daß das Parlament im ganzen besser in den Stand gesetzt würde, seine Entscheidungsgewalt in politischen Fragen auszuüben. Im ganzen! Aber dann plädierten sie dafür, daß man, damit das Parlament im ganzen seine Entscheidungsgewalt besser ausüben könne, einigen Ausschüssen ihre derzeitigen Befugnisse verkürze. Das führt aber nicht zu einer Anreicherung von Befugnissen beim ganzen Parlament, sondern ausschließlich und allein zu einer Anreicherung der Befugnisse der Exekutive.
Wir müssen über diese Dinge wirklich einmal nachdenken, weil ich das Gefühl habe, daß sich auch unsere Minister als politisch verantwortliche Persönlichkeiten sehr oft in der gleichen Lage befinden wie wir selbst, daß sie nämlich von der Exekutive bedient werden mit bestimmten, sicher nach bestem Wissen und Gewissen ausgearbeiteten Vorschlägen, deren wirkliche Beurteilung auf die politische Tragfähigkeit, auf die sachliche Zweckmäßigkeit, auf die Einordnung in das Gemeinwohl nur dann richtig vorgenommen werden kann, wenn auch die Alternativen mit vorgetragen werden. Wer nur einen Vorschlag kennt, wer nur eine Alternative kennt, kann in Wahrheit nicht entscheiden. Man muß infolgedessen die Möglichkeit haben, sich auch mit den verschiedenen Alternativen vertraut zu machen, um sich dann für die richtige zu entscheiden.
Dies ist vorab Sache der Regierung. Aber wenn sie dann das Parlament oder seine Ausschüsse unterrichtet, dann darf sie nicht nur über den Entschluß unterrichten, zu dem sie als der Weisheit letztem Schluß gekommen ist, sondern dann muß sie, genauso wie zu ihrer eigenen Meinungsbildung Alternativen herangezogen worden sind, über den Gang ihrer eigenen Entscheidung und der Motive und des Pro und Kontra auch das Parlament unterrichten.
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Hier fürchte ich nun, daß es eine Reihe von Gegenständen gibt, bei denen das schon aus Zeitgrün8302
den gar nicht im ganzen Hause möglich ist. Wir haben außerdem noch das Problem, daß es Gegenstände gibt, die sich einer solch großen Erörterung entziehen, auch wenn wir uns alle gegen übermäßige Geheimniskrämerei zur Wehr setzen. Auch hier teile ich Ihre Meinung, daß es viel zu sehr eine gewisse Bequemlichkeit gibt, aus der heraus Dinge mit einem Geheimstempel versehen werden, um sie einer unbequemen Diskussion zu entziehen.
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Sehr häufig dient dieser Stempel nicht dem Schutz des Gemeinwohls vor Gefährdungen durch böse Feinde, sondern der Bequemlichkeit derer, die eine Entscheidung ausgearbeitet haben und sie nicht auf alle Seiten hin einer öffentlichen Diskussion und Kritik stellen wollen. Daher sollten wir gemeinsam Front machen gegen den Mißbrauch des Geheimstempels, der ihn praktisch entwertet und praktisch dazu beiträgt, daß wirklich wichtige Vorgänge, die unmittelbar an die Substanz unserer Sicherheitsinteressen rühren, dann unter Umständen auch nicht mehr entsprechend behandelt werden, weil man gewohnheitsmäßig auch Dinge anderer Art unter den Geheimschutz stellt. All das ist also zu bedenken.
Aber, verehrter Herr Dr. Gerstenmaier, es ist nicht zu bedenken bei dem jetzt zur Entscheidung anstehenden Fall. Wir entscheiden nämlich heute bei dem Antrag der CDU/CSU oder der Vorlage des Haushaltsausschusses nicht über das Grundsatzproblem der Mitwirkung des Verteidigungsausschusses etwa bei weitgehenden Waffenbeschaffungsprogrammen. Das sollten wir noch einmal miteinander diskutieren. Heute geht es um Geld, um gar nichts anderes. Es geht darum, ob wir unter Umständen durch einen Weg, wie Sie ihn vorschlagen, die Exekutive geradezu handlungsunfähig machen. Warum?
Wenn Parlamentarier Geld bewilligen sollen, dann müssen sie wissen, wofür. Es gibt Probleme, bei denen es ausgeschlossen ist, daß die Bundesregierung schon bei der Vorlage des Haushaltsplans detaillierte Voranschläge vorlegen kann, wofür das Geld eigentlich ausgegeben wird. Es ist aber Aufgabe der parlamentarischen Mittelbewilligung als eines hervorragenden Instruments der politischen Kontrolle der Regierung, bei der Bewilligung der Mittel zu wissen, was damit geschieht, nicht erst hinterher, wenn der Rechnungshof ein paar Jahre später kommt und man sich dann mit Dingen beschäftigt, die längst den Bach hinunter sind. Deswegen muß das Parlament vorher wissen, was mit einem Ansatz geschieht.
Nun wissen wir, daß das unter Umständen nicht schon bei der Vorlage des Haushaltsplans vor dem ganzen Hause im Detail vorgelegt werden kann. Dann geben wir infolgedessen an unsere eigenen Ausschüsse die Ermächtigung, durch eine bedingte Bewilligung, dafür zu sorgen, daß dann, wenn die Regierung Aufschluß gibt, was damit geschieht, diese Ausschüsse mit der Billigung gewissermaßen des Hauses, das den Rahmen abgesteckt hat, im einzelnen diese Mittel zur Verwendung freigeben. Dieser Brauch hat sich bewährt. Den würde ich jetzt nicht durch einen plötzlichen Galoppangriff in einer ganz anderen Frage zu Fall bringen. Ich schließe mich daher in der Konsequenz der Auffassung von Herrn Vizepräsident Schoettle an und bitte, es bei der Vorlage des Haushaltsausschusses bewenden zu lassen.
Aber die Diskussion des viel weiterreichenden Problems, nämlich Geheimhaltung und Mitwirkung bei bestimmten Einzelfragen, sollten wir uns aufheben; denn darin steckt noch viel, was des Nachdenkens wert ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dein Präsidenten dieses Hauses sehr dankbar dafür, daß er von seinem hohen Stuhl hier herabgestiegen ist und in unser Bewußtsein ein Problem gerückt hat, von dem ich sagen muß, daß es mich seit Jahren bedrückt und in steigendem Maße mit Sorge erfüllt, so daß ich mich in der letzten Zeit wiederholt gefragt habe, ob ich nicht besser daran tun würde, mein Mandat im Verteidigungsausschuß niederzulegen, weil ich mich in mancher Hinsicht dort überfordert fühle. Ich glaube, daß meine Ausschußkollegen, wenn sie ehrlich sind, mir darin zustimmen müssen.
Ich habe nun im zwölften Jahr die Ehre, diesem Ausschuß anzugehören, und glaube daher auch über einige Erfahrungen zu verfügen. Aber diese Erfahrungen sind nicht nur politischer Natur, sondern hier geht ,es auch um rein technische Probleme, wie schon angedeutet wurde. Die zwölfjährige Tätigkeit in diesem Ausschuß hat mich als Nichttechniker noch nicht in die Lage versetzt, zu entscheiden, welches von zwei verschiedenen Triebwerken ,beispielsweise das geeignetere ist. Ich halte es daher für notwendig, daß das Ergebnis einer solchen Beratung im Verteidigungsausschuß nichts anderes sein kann als ein blutiger Dilettantismus. Ich will auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, die dieser Praxis entgegenstehen, gar nicht eingehen. Ich gebe dem Kollegen Erler völlig recht, wenn er sagt: der Verteidigungsausschuß muß informiert sein, warum gerade dieses Flugzeug oder jene Panzerkette genommen wurde, welche Alternativen da gewesen sind. Denn wenn wir Verteidigungspolitik betreiben, müssen wir schließlich auch wissen, mit welchem Gerät die Bundeswehr ausgestattet ist und aus welchen Gründen das so geschehen ist. Aber man soll uns doch nicht überfordern und uns dann immer wieder die Verantwortung zuschieben.
Ich möchte noch eines hinzufügen. Es kann dann geschehen, daß von diesem oder jenem nicht fachlich vorgebildeten Mitglied des Ausschusses fachmännische oder jedenfalls fachlich klingende bohrende Fragen kommen. Dann fragt man sich natürlich: Wer hat diesem Kollegen die Fragen vorbereitet, wenn sie nicht aus dem Ministerium kommen und nicht aus eigenem Wissen kommen können? Und dann fängt die Sache an, nach einer anderen Seite hin problematisch zu werden.
Dr. Kliesing ({0})
Damit kommen wir auf das Problem der Sachverständigen. Meine Damen und Herren, ich halte auch das für nicht ganz ungefährlich. Denn so viele Sachverständige zu technischen Spezialproblemen gibt es in unserem Lande gar nicht, und es beisteht in sehr vielen Fällen die Gefahr, daß der betreffende Sachverständige auch Bindungen zu bestimmten Industrien hat, die bestimmte Interessen haben, welche dann auf eine sehr verschleierte Art und Weise hier doch zum Vorschein kommen. Deshalb möchte ich vor einem solchen Verfahren warnen.
Ich bin der Auffassung, der Verteidigungsausschuß hat einen Anspruch darauf, daß er über alle Neueinführungen und über alle Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers auf diesem Gebiet großzügig und intensiv informiert wird und Gelegenheit hat, in einer Diskussion irgendwelche Zweifel oder Unklarheiten auszuräumen. Ich bin aber der Meinung, daß man die Verantwortung für die Entscheidung, ob dieses oder jenes Flugzeug genommen, ob dieses oder jenes Triebwerk benutzt werden soll, in der Hand dessen allein lassen sollte, dem die Verfassung diese Verantwortung gegeben hat.
Deshalb Herr Präsident, bin ich Ihnen dankbar, daß Sie dieses Problem hier angeschnitten haben. Wenn ich mich hier zu Wort gemeldet habe, so nur deshalb, um Sie zu bitten, es nicht bei der heutigen Diskussion zu belassen, sondern durch Ihre Initiative in geeigneter Weise - in interfraktionellen Besprechungen oder was sich da anbieten mag -dazu beizutragen, daß in dieser Frage jetzt endlich einmal Nägel mit Köpfen gemacht werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei dem Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier sehr herzlich dafür bedanken, daß er dieses dringliche und bedeutsame Problem, das unlängst im Ältestenrat besprochen wurde, hier angeschnitten hat. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses gehöre auch ich zu denjenigen Abgeordneten, die seit Jahr und Tag schmerzhaft darunter leiden, bei jeder Gelegenheit genötigt zu sein, bei Entscheidungen mitzuwirken, deren Tragweite abzuschätzen ihnen ganz unmöglich ist,
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Entscheidungen, die auch rein finanziell gesehen von außerordentlicher Tragweite sind; meistens handelt es sich um Milliardenbeträge. Erst jetzt haben wir tagelange Beratungen über ein solches Problem geführt, und demnächst werden wir wieder eine solche Entscheidung zu fällen haben.
Mein Kollege Dr. Kliesing hat hier eine Erklärung abgegeben, der ich nur zustimmen kann. Aber, Herr Kollege Dr. Kliesing, ich bin wirklich der Meinung, daß es nicht bei dem sein Bewenden haben sollte, was Sie jetzt hier erklärt haben, sondern daß jetzt in dieser Sache einmal unwiderruflich darüber entschieden werden muß, ob es so weitergehen soll wie bisheroder ob wir eine andere Praxis anwenden wollen.
,So viel ist klar: wir müssen als Mitglieder des Verteidigungsausschusses darüber unterrichtet werden, was geschieht, welche Apparate, welche Waffensysteme angeschafft werden sollen. Aber die Verantwortlichkeit muß klargestellt ,sein. Die Verantwortung muß bei der Regierung liegen; denn wir können ja gar keinen Einblick in die Dinge haben, wie wir ihn haben müßten, um wirklich darüber entscheiden zu können. Meine sehr dringliche Bitte ist also, daß das, was jetzt besprochen wird, nicht irgendwie im luftleeren Raum stehenbleibt, sondern daß es Folgen hat, an die wir uns alle gebunden halten.
Herr Kollege Dr. Gerstenmaier hat aber nicht nur dieses Problem angeschnitten, sondern auch ein anderes Problem, zu dein ich ebenfalls ein Wort sagen wollte. Wir haben uns hier über die Probleme der Ausrüstungshilfe unterhalten. Der Herr Bundeskanzler hat von hier 'aus Namen von Kollegen genannt, die in ,gewisse Vorgänge seit Jahr und Tag eingeweiht waren. Die gesamte Presse hat über diese Angelegenheit gesprochen. Als wir nach Hause kamen, wurden wir 'gefragt: wie steht es denn eigentlich mit eurer Verantwortung? Habt ihr denn davon gar nichts gewußt? Nun, meine verehrten Kollegen werden mit mir darin übereinstimmen, daß wir wirklich nichts davon gewußt haben. Aber als ich nun gestern einem der Kollegen, der zu den Eingeweihten gehörte, sagte: „Verehrter Freund, jetzt wollen wir uns einmal zusammensetzen, und dann werden Sie die Freundlichkeit haben, die Karten auf den Tisch zu legen und uns über die Angelegenheit zu informieren", da sagte 'er: „Nein, das werde ich nicht tun. Denn ich bin mit heiligen Eiden darauf verpflichtet worden, über diese ganzen Vorgänge tiefste Verschwiegenheit zu bewahren" .
Was bedeutet 'das? Meine verehrten Damen und Herren, das bedeutet für mich in jedem Falle, daß es für mich nicht heißen kann: „Mitgefangen - mitgehangen."
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Man kann mich nur für etwas verantwortlich machen, von dem ich unterrichtet bin. Wenn ich nicht unterrichtet bin, kann ich 'logischerweise keine Verantwortung tragen.
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Ich lege Wert darauf, !das hier zusagen. Ich bin nicht bereit, für eine Sache Verantwortung zu tragen, von der ich nichts weiß und die ich nicht kenne. Sonst hat parlamentarische Arbeit überhaupt keinen Sinn mehr. Ich bin bereit, den Kopf für etwas hinzuhalten, wenn ich nach reiflicher Prüfung und Überlegung dazu ja gesagt habe. Wenn ich aber von einer Sache überhaupt nichts weiß, dann kann man mich billigerweise für ,diese Sache nicht verantwortlich machen. Das möchte ich hier gesagt haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.
Meine Damen und Herren, vielleicht können wir uns verständigen. Herr Kollege Erler, ich versuche, in aller Kürze das Problem noch einmal in drei Punkte zusammenzufassen.
Ich bin erstens mit Ihnen insofern einverstanden: Ich verfechte - sicher mit Ihnen zusammen - die Auffassung, daß es bei jedem ernsthaften politischen Problem eine Chance geben sollte, daß dieses Parlament im ganzen es an sich zieht. Ich verfechte also die Forderung, daß nicht durch einen Mißbrauch oder auch einen wohlgemeinten strengen Gebrauch des Geheimstempels und des dazugehörigen Arrangements mit .einigen Geheimausschüssen diesem Hause überhaupt die Möglichkeit verwehrt wird, zu einer ernsten politischen Sache als solcher Stellung zu nehmen. Ich muß das verfechten, das bin ich dem Haus 'schuldig, ohne Ansehen der Person und der Organisation. Das folgt aus ,der Gleichberechtigung aller - mit gleicher Stimmkraft ausgestatteten - Mitglieder des Hauses.
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Da ist eigentlich kein Unterschied zwischen uns.
Ich bedanke mich dafür bei Ihnen, daß Sie noch ausdrücklich auf den Punkt Geheimsachen hingewiesen haben. Wir stehen unter dem Eindruck, daß von den Geheimschutzbestimmungen eher zuviel als zuwenig Gebrauch gemacht wird, - übrigens mit all dem, was daraus folgen kann: „Ihr laßt den Armen schuldig werden . . .". Das ist unnötig, das ist auch nicht human.
Zweitens können wir uns wahrscheinlich auch noch über folgendes verständigen. All die Dinge, über die wir jetzt reden, bewegen sich in einer Ebene, in der die politische Entscheidung mit der materiell-technischen Entscheidung eng zusammenhängt. Lassen Sie mich an einem Beispiel zeigen, was ich meine; es soll deutlich machen, worüber in einem Ausschuß mit Sinn und Verstand gesprochen und ein klares Votum ausgebracht werden könnte, sogar ohne eine formelle Bindung des Parlaments. Ich rede jetzt nicht von der Waffenhilfe für Israel, sondern ich spreche von dem Problem Somalia, das es einmal gegeben hat; ich sehr gar nicht ein, warum man es hier nicht öffentlich ansprechen soll. Somalia ist ein kleines Land mit 2 1/2 Millionen Einwohnern, am afrikanischen Horn, an der Ostküste Afrikas, in strategisch wichtiger Position gelegen. Dieses kleine Land sieht sich eingeengt zwischen dem großen Äthiopien und dem sich neu organisierenden Ostafrika, den Staaten Kenia, Tanganjika und Uganda. Die Somalen sind keine Bantus. Sie haben den Wunsch, sich selber zur Darstellung zu bringen und sich nach allen Seiten verteidigen zu können. Sie haben deswegen auch uns nach Waffen gefragt. Als ich seinerzeit etwas von der Sache hörte, habe ich gesagt: Ich liebe die Somalen, aber gebt ihnen keine Waffen! - Antwort des Verteidigungsministers - und sie war berechtigt -: Aber dann müssen Sie damit rechnen, daß die Russen oder gar die Chinesen die Waffen geben. - Daraufhin habe ich gesagt, dann müsse das abgewogen werden. Nach sorgfältiger Abwägung - da stand nicht Sinn gegen Unsinn,
Schwarz gegen Weiß, (sondern das war wirklich eine Frage der Abwägung - kam ich zu dem Ergebnis: Ich bleibe dabei; gebt den Somalen andere Hilfe, z. B. Verwaltungshilfe - dazu gehört auch die Polizei -, gebt ihnen aber keine Militärhilfe, denn das bringt uns 'in Konflikt mit Äthiopien und anderen, im Süden gelegenen Staaten, z. B. Kenia!
Ich glaube, 'so etwas ist eine politische Entscheidung, die wirklich mit Sinn und Nutzen, ja sogar notwendigerweise im Auswärtigen Ausschuß und meinethalben auch im Verteidigungsausschuß besprochen werden sollte. Und was auch immer man dann tut, ob Verwaltungshilfe oder Militärhilfe, der Haushaltsausschuß wird sich mit der Sache befassen und entscheiden müssen, ob dafür Geld da ist oder kein Geld da ist, ob das in den Titel hineingehört oder nicht. Das Recht soll er behalten.
Aber dann kommt drittens die ganz große Schwierigkeit, aus der heraus die beiden Voten, des Herrn Kollegen Kliesing und des Herrn Kollegen Bausch, gekommen sind. Ich bitte Sie, Herr Kollege Erler, das noch einmal zu überlegen. Erlauben Sie, daß ich meine Meinung dazu an einem bildhaften Beispiel klarzumachen suche:
Ein Mann ist krank und geht zum Arzt. Der diagnostiziert und sagt: Es ist möglich, dieses Leiden internistisch oder chirurgisch zu heilen. Dann hat der Betreffende immer noch die Entscheidung darüber, ob er sich operieren oder internistisch behandeln lassen will. Der Arzt wird ihm beide Möglichkeiten und deren Erfolgschancen vortragen, aber die Entscheidung wird schließlich bei dem Patienten liegen. Wenn er sich nun aber für die Operation, für die chirurgische Behandlung entschlossen hat, dann ist es mit seiner Entscheidung und seinem Votieren aus. W i e nämlich die Operation durchgeführt werden soll, mit welchem chirurgischen Mittel, ob nach dieser oder jener Methode, das muß in der Hand der Ärzte, das muß ganz allein in der Hand der Fachleute bleiben. Der Patient gewährt ihnen entweder Vertrauen oder er gewährt es ihnen nicht. Fällt er in die Hand eines Kurpfuschers oder macht der Arzt einen Kunstfehler, konnte er das vorher nicht wissen. Das ist sein Risiko. Ich rede hier insbesondere im Blick auf die Praxis im Verteidigungsausschuß. Verstehen Sie, eines kann man nicht vom Parlament verlangen: man kann nicht verlangen, daß es mit operiert; das ist unmöglich. Es soll meinethalben noch mitentscheiden: Internistisch oder chirurgisch. Übersetzen Sie sich das bitte in die parlamentarische Praxis! Es gibt Grenzfälle dabei, und man kann unter ihnen vielleicht noch Entscheidungen von vorwiegend politischer Qualität akzeptieren. Ich bestreite aber, daß die Entscheidung für das Flugzeug A, für das Flugzeug B, für das Flugzeug C oder für diesen oder jenen Panzer und was es da alles noch gibt, eine Entscheidung ist, die von diesem Parlament verlangt werden kann. Davon rede ich.
Deshalb meine ich, daß man sich über den Punkt drei eigentlich auch verständigen könnte, und auf diesen Punkt drei zielt dieser Antrag vor allem, wenn ich ihn recht verstanden habe.
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Meine Damen und Herren, zu diesem Fragenkomplex liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich könnte mir vorstellen, daß wir jetzt über die Anträge abstimmen. Wortmeldungen liegen noch zum Einzelplan 14 vor; das will ich vorsorglich gleich bemerken.
Wir können also zur Abstimmung kommen. Der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 574, der eigentlich Ausgangspunkt der ganzen Diskussion gewesen ist, ist zurückgezogen. Es liegt der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 571 vor. Diejenigen Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! ({0})
- Es ist ein schwerer Entschluß; aber ich entscheide, daß das erste die Mehrheit war.
({1})
Der Antrag ist angenommen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bin jetzt in einer ganz schwierigen Situation. Es ist jetzt 13.50 Uhr, und ich habe noch vier Wortmeldungen zu dem Einzelplan 14 vorliegen. Also gut, dann muß das Haus entscheiden. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt entscheiden, daß Sie jetzt abbrechen und am Mittwochmorgen um 9 Uhr fortfahren wollen, muß ich gleich eine zweite Entscheidung herbeiführen. Die Haushaltssachverständigen haben mir gesagt, daß wir den Mittwoch sicher so brauchen werden, daß wir es uns wahrscheinlich nicht leisten können, am Mittwochmorgen eine Fragestunde zu machen. Wir müssen also am Mittwochmorgen um 9 Uhr gleich mit der Haushaltsdebatte fortfahren. Außerdem müssen auf jeden Fall - und zwar aus Termingründen - noch die Zusatzpunkte, die auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, erledigt werden.
Ich frage also jetzt zuerst: Soll mit der Beratung des Einzelplans 14 fortgefahren werden? ({0})
- Es soll also ,abgebrochen werden? - ({1})
- Ich lasse also über den Vorschlag, abzubrechen, abstimmen. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Zweitens brauche ich Ihre Freistellung, weil es eine geschäftsordnungsmäßige Bestimmung ist, daß jede Sitzung mit einer Fragestunde beginnt. Deshalb brauche ich die Freistellung nach § 127 der Geschäftsordnung, also Ihre Erklärung, daß Sie damit einverstanden sind, die Fragestunde am Mittwochvormittag ausfallen zu lassen und mit der Haushaltsberatung am Mittwochvormittag um 9 Uhr fortzufahren. Einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle Ihr Einverständnis, wenn ich nunmehr die Zusatzpunkte aufrufe, die - soweit mir gesagt worden ist - aus Termingründen erledigt werden müssen.
Punkt 1:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Festlegung der unteren und oberen Grenzen der Orientierungspreise für Rindfleisch für das am 1. April 1965 beginnende Wirtschaftsjahr ({3}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Wächter. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Über den Antrag des Ausschusses soll Beschluß gefaßt werden. Wird dem Antrag zugestimmt? - Kein Widerspruch, es ist so beschlossen.
Punkt 2:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1965/66 ({5}).
Herr Abgeordneter Ehnes ist Berichterstatter. Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird dem Antrag des Ausschusses zugestimmt? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 3:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Einordnung von Quark und verschiedenen anderen Käsearten in die Warengruppe Nr. 11 des Anhangs I zur Verordnung Nr. 111/64/EWG über die Gruppenbildung auf dem Gebiet der Milch und Milcherzeugnisse ({7}).
Berichtererstatter ist der Herr Abgeordnete Krug. Wünscht er das Wort? - Er wünscht das Wort nicht. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird dem Antrag des Ausschusses zugestimmt? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommision der EWG für eine Verordnung des Rats über die Erstattung für bestimmte Käsearten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr
und für eine Verordnung des Rats über einzelstaatliche Interventionsmaßnahmen und den innergemeinschaftlichen Warenverkehr bei Emmentaler- und Cheddar-Käse, der Gegenstand dieser Maßnahmen war ({1}).
Herr Abgeordneter Krug ist Berichterstatter. Er verzichtet. Das Haus stimmt zu? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 5:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Logemann, Sander, Walter, Ertl und Genossen betr. Qualitätssteigerung und Rationalisierung in der Molkereiwirtschaft ({3}).
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter, der Herr Abgeordnete Sühler, dazu das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Angenommen.
Ich gebe noch bekannt, daß Punkt IV der Tagesordnung - das ist das ERP-Wirtschaftsplangesetz 1965 - im Einvernehmen mit den Fraktionen am Mittwoch, dem 24. Februar 1965, aufgerufen werden soll, und zwar spätestens um 15 Uhr. - Das Haus hat davon Kenntnis genommen. Diese Vereinbarung muß gehalten werden, weil sich der Bundesrat am Donnerstag damit befassen muß.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende der Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 24. Februar, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.