Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in (die Tagesordnung habe ich einiges bekanntzugeben. Zunächst habe ich unsere Kollegin Frau Korspeter zu beglückwünschen, die am 31. Januar ihren Geburtstag gefeiert hat,
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dann den Kollegen Becker ({1}), der am 8. Februar 60 Jahre alt geworden ist.
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Wir wünschen beiden Kollegen Glück und uns, daß wir sie im nächsten Bundestag wiedersehen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 9. Februar als Nachfolger für den ausgeschiedenen Abgeordneten Hoogen als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß den Abgeordneten Dr. Wilhelmi benannt. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Wilhelmi als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes erfordert Mehrausgaben in Höhe von 500 Millionen DM. Der Entwurf muß daher dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Ich schlage vor, diese Überweisung jetzt vorzunehmen, damit der Ausschuß sofort seine Beratungen aufnehmen und das Haus heute nachmittag den Gesetzentwurf behandeln kann. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat unter dem 4. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Haase ({3}), Wienand, Felder, Bals, Paul, Herold, Schmidt ({4}), Matzner, Buchstaller, Dr. Morgenstern und Fraktion der SPD betr. Weihnachtsgeld für Wehrpflichtige - Drucksache IV/2783 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1V/3038 verteilt.
Die Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 2. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Besold, van Delden, Wagner und Genossen betr. die augenärztliche Behandlung der Schielkranken und ihre Bewertung in der amtlichen Gebührenordnung - Drucksache IV/2973 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/3033 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 8. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Artzinger, Stooß, Leicht, Leonhard und Genossen betr. Erhaltung des Tabakanbaus - Drucksache IV/2997 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3045 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 8. Februar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wächter, Peters ({5}), Logemann, Sander und Genossen betr. Landeskulturelle Maßnahmen - Drucksache IV/2998 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3046 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat am 1. Februar 1965 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete Siebente Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({6}) - Drucksache IV/3019 - dem Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung übersandt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 29. Januar 1965 zur Verordnung des Rats zur Festsetzung der gemeinsamen Qualitätsnormen für Knoblauch - Drucksache IV/2993 - mitgeteilt, daß der Ausschuß die vom Ministerrat bereits verabschiedete Verordnung zur Kenntnis genommen und keine Bedenken erhoben habe.
Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP haben in der Sitzung des Ältestenrates am 9. Februar 1965 ihren Antrag betr. Berichte und Entschließungen des Europäischen Parlaments - Drucksache IV/903 neu - zurückgezogen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinie des Rats auf Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über landwirtschaftliche Pachtverträge auf die Landwirte, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind - Drucksache IV/3021 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1965,
Richtlinie des Rats auf Anerkennung des Rechts der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, auf Betriebswechsel - Drucksache IV/3022 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1965,
Verordnung des Rats über die Erstattung für bestimmte Käsearten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr - Drucksache IV/3042 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Außenhandelsausschuß zur Mitberatung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Februar 1965,
Verordnung des Rats über Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1965/66 - Drucksache IV/3043 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Februar 1965,
Verordnung des Rats zur Festlegung der unteren und oberen Grenzen der Orientierungspreise für Rindfleisch für das am 1. April 1965 beginnende Wirtschaftsjahr - Drucksache IV/3044 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Februar 1965,
Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 9 des Rats über den Europäischen Sozialfonds in der Fassung der Verordnung Nr. 47/63/EWG - Zusatzverordnung des Rats über den Europäischen Sozialfonds - Drucksache IV/3041 an den Ausschuß für Sozialpolitik mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1965.
Vizepräsident Dr. Schmid
Nun, meine Damen und Herren, treten wir in die Tagesordnung ein.
Punkt 1:
Aktuelle Stunde über die Fragen, die für die deutsche Politik durch die jüngste Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten aktuell wurden.
Es ist das erstemal, daß wir von diesem neuen Instrument parlamentarischer Demokratie Gebrauch machen. Aller Anfang ist schwer. Manche meinen, aller Anfang sei leicht; vielleicht, aber prozedurelle Dinge sind im allgemeinen schwer. Ich glaube, daß es richtig ist, wenn ich kurz die Regeln mitteile, die wir selber uns gesetzt haben, denen zu folgen also nichts anderes bedeutet, als daß jeder von uns dem folgt, was er selber will, wenn wir diese Regeln strikt beachten. Wenn wir das nicht tun, dann wird der Versuch schon am Anfang scheitern.
Die Dauer der Aussprache ist auf eine Stunde beschränkt, wobei die von der Bundesregierung in Anspruch genommene Redezeit unberücksichtigt bleibt. Hier ergibt sich schon eine Schwierigkeit. Falls die Bundesregierung noch in der letzten Minute das Wort ergreifen sollte, also über die 60 Minuten plus der zusätzlichen Redezeit hinausgeht, dann ist der Fall gegeben, daß jeder das Recht hat, ,das Wort zu verlangen, um auf die Erklärung der Regierung zu antworten. Das ist eine Frage, bei der wir uns schlicht einigen müssen, wie wir in diesem Fall prozedieren wollen.
Ich schlage vor, daß zumindest für heute die Herren von der Regierungsbank uns nicht in die Verlegenheit setzen, uns den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, wie wir bei Zeitüberschreitung verfahren sollen.
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Wir werden das später tun und eine Lösung suchen.
Weiter - auch das ist wichtig, das geht ins Herz -: Die Verlesung von Erklärungen oder von Reden ist unzulässig.
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Ich glaube, daß wir dies getrost auf uns nehmen können. Am Anfang jeder neuen Sitzungsperiode des Bundestages haben wir immer auf diejenigen unserer Kollegen Rücksicht genommen, die in voller Jugendfrische zu uns kamen und die eingefahrenen Bräuche des Hersagens von Reden nicht kannten. Aber nun sind wir über drei Jahre in dieser Zusammensetzung hier, und da, glaube ich, gehört es fast zur Selbstachtung, daß wir es ablehnen, Schonung auch nur anzunehmen.
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Ich werde also, wenn ich feststelle, daß einer der Sprecher auf die Hilfe eines fertigen Textes nicht verzichten zu können glaubt, einmal abmahnen und, wenn er seine „Krücken" nicht wegstellt, ihm das Wort entziehen.
Weiter heißt es: Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf Minuten sprechen.
Ich habe angeordnet, daß dem Redner in der vierten Minute neben das Pult ein Brettchen gelegt wird, auf dem die Warnung steht: „Sie haben noch eine Minute Zeit!"
({10})
Wenn die fünf Minuten abgelaufen sind, werde ich den Redefluß erbarmungslos stoppen.
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Ferner: Zwischenfragen sind nicht zulässig. Der Redner darf also nicht gefragt werden, ob er eine Zwischenfrage zuläßt.
Ergänzend weise ich noch darauf hin, daß der Bundeskanzler in einem Schreiben an den Herrn Präsidenten die Einrichtung der Aktuellen Stunde begrüßt hat. In dem Schreiben heißt es weiter:
Ich bin deswegen damit einverstanden, daß die Mitglieder der Bundesregierung sich an die für die Mitglieder des Bundestages vorgesehene Redezeit halten und grundsätzlich
- wobei ich unter „grundsätzlich" verstehe: ein für allemal und ohne Ausnahme ({12})
nicht länger als jeweils fünf Minuten sprechen.
In einem weiteren Schreiben hat der Herr Präsident des Bundesrats mitgeteilt, daß sich die Mitglieder des Bundesrats gleichfalls grundsätzlich - ich lege das Wort „grundsätzlich" hier in derselben Weise aus - in die geplante Redeordnung einfügen werden.
Ich denke, daß ich verstanden worden bin. - Ich entnehme Ihrem freundlichen Lächeln, daß Sie mit diesem Verfahren einverstanden sind.
Wir treten in die Aktuelle Stunde ein. Wer meldet sich zum Wort - Herr Erler!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle schulden dem französischen Staatspräsidenten Dank für seine herzlichen Worte zur Freundschaft und Aussöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volke. Wir wissen ihm auch Dank für die klare Feststellung, daß kein wahrer Friede herrschen kann, solange - ich zitiere in diesem Fall sogar -„die anomale Situation Deutschlands und die Leiden, die sie zur Folge hat, fortbestehen." Damit ist klar, - ({0})
- Entschuldigen Sie, einige Notizen darf man benutzen; man darf nur keine Reden verlesen. Ich glaube nicht, daß ich den Eindruck erwecke, nicht der deutschen Sprache mächtig zu sein, ohne zu lesen.
({1})
Wir stellen also mit Befriedigung die Unterstützung des Ziels der Wiedervereinigung Deutschlands durch die französische Regierung fest. Dieses Ziel wird ja auch ausdrücklich bekräftigt von den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens in den jüngsten Tagen. Allerdings sind alle drei Mächte zu dieser Haltung auch verErler
traglich verpflichtet, und wir sollten dafür sorgen, daß diese rechtliche Verpflichtung nicht aus dein Blickfeld gerät und auf diese Weise nicht etwas zur bloßen Wohltat wird, was auch Rechtspflicht ist.
In Paris wurde zutreffend auf den Zusammenhang aufmerksam gemacht zwischen der Wiedervereinigung Deutschlands, einer Friedensregelung, der Sicherheit im Herzen Europas und den Grenzproblemen. Ich kann mich nur wundern, wie lebhaft die Darstellung dieses Zusammenhangs begrüßt wird, wenn man in Paris davon spricht, wie erbittert und entstellt aber in Deutschland gefochten wird, wenn hier dieser Zusammenhang einmal dargelegt wird.
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Teilt die Bundesregierung die Meinung des französischen Staatspräsidenten, jene von ihr und John Foster Dulles zu Anfang der 50er Jahre verfolgte Wiedervereinigungspolitik sei ein Traum gewesen, wenn man nicht Krieg führen wollte, wozu doch niemand bereit war? Was bedeutet die mit geradezu jubelnder Stimme vorgetragene Zustimmung der Bundesregierung zu den Erklärungen des französischen Präsidenten nun eigentlich genau?
Ich glaube, wir sind durch einige Perspektiven beunruhigt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es die Meinung dieses Hauses ist, die Wiedervereinigung Deutschlands werde erst erreichbar, wenn die Sowjetunion nicht mehr totalitär, also nicht mehr kommunnistisch sei und Osteuropa frei werde. Das wäre eine völlige Abkehr von der bisherigen Deutschlandpolitik dieses ganzen Hauses. Diese Perspektive kann nur zur Hoffnungslosigkeit führen und würde vielberedete Initiativen in der deutschen Frage zur reinen Trostpille degradieren.
Ist es der Bundesregierung gelungen, jenen französischen Standpunkt zu ändern, daß zwar die Grenzen Deutschlands juristisch erst in einem Friedensvertrag festzulegen seien, daß aber dieser Vertrag die Oder-Neiße-Linie zu enthalten habe? Die Lösung der deutschen Frage, so hieß es in jener Presseerklärung, sei Sache der europäischen Nachbarn, also auch der Sowjetunion, aber dann nicht mehr der Vereinigten Staaten, vielleicht einmal nicht mehr Großbritanniens. Das wäre das Ende der VierMächte-Verantwortung und auch der besonderen Drei-Mächte-Verpflichtung. Der frühere Bundeskanzler Dr. Adenauer beschuldigt die Vereinigten Staaten von Amerika, sich von Europa zu entfernen. Eine solche Erklärung, wie sie in Paris abgegeben worden ist, wäre aber geeignet, die Vereinigten Staaten von Amerika politisch aus Europa hinauszudrängen. Versuche anderer Auslegung ändern am Wortlaut nichts. Welchen Sinn hatte denn sonst diese Außerung in Paris?
Nach den Angaben des früheren Bundeskanzlers sollte der deutsch-französische Vertrag auch der Konsultierung vor wichtigen Presseerklärungen dienen. Ist die Bundesregierung konsultiert worden und teilt sie die französischen Vorstellungen über die Reform der Vereinten Nationen und über die Herstellung einer neuen Welt-Reservewährung und der Rückkehr zum klassischen Goldstandart?
Alle diese Fragen müssen sachlich geprüft und besprochen werden. Unter Freunden muß man über gemeinsame Sorgen reden. Ob der Weg maßloser Beschuldigungen richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Deshalb ist eine Äußerung der Regierung dringend geboten, ob sie die Meinung des früheren Bundeskanzlers teilt, daß in Deutschland tiefes Mißtrauen gegen die amerikanische Politik herrsche. Bisher hat die Bundesregierung einen anderen Standpunkt vertreten.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme das gleiche Recht in Anspruch wie der französische Staatspräsident, der bei seiner Presseerklärung sagte, daß er nicht willens und nicht in der Lage sei, all das ausdrücklich wiederzugeben, was in der persönlichen Besprechung ausgeführt wurde. Das ist selbstverständlich. Ein vertrauliches Gespräch zwischen Regierungschefs und zwischen Außenministern wäre sonst überhaupt nicht möglich.
Nun zu der Sache selbst. Was Präsident de Gaulle gesagt hat, sowohl bei unseren Gesprächen in Rambouillet als auch bei seiner Pressekonferenz, war eine Schau auf weite Sicht.
({0})
Ich habe das einen säkularen Prozeß genannt, und genauso war es auch gemeint.
Er sagte: Ich persönlich bin der Meinung, daß im Augenblick keine reale Chance zu einer Wiedervereinigung besteht! Aber er sei der Auffassung - ich habe mich da nicht voll angeschlossen, sondern nur gesagt, es mögen einige reale Züge dahinter sein -, es könne eine Entwicklung eintreten, die dazu führe, daß sich die Ostvölker ihrer europäischen Gesinnung und Kultur und der alten Zusammengehörigkeit mehr bewußt werden und ein größeres Selbständigkeitsstreben zeigen. Dann werde unter Umständen auch dort ein Bedürfnis entstehen, die Wiedervereinigung zu bejahen. Dann, in diesem Augenblick - und er meinte, das könne ein langjähriger Prozeß sein -, müsse man allerdings auch über die Fragen sprechen, die die europäische Sicherheit, die Bewaffnung und die Grenzen betreffen. Das Wort Oder-Neiße-Linie ist in diesem Zusammenhang nicht gefallen.
Ich habe dem französischen Staatspräsidenten gesagt: Das mag man glauben oder nicht glauben, darauf mag man vertrauen oder nicht vertrauen, wir haben jedenfalls die Elemente einer solchen Entwicklung nicht in der Hand. Denn was Frankreich und wir auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet tun können, das wird allein nicht ausreichen, um den von ihm gesehenen oder angenommenen Prozeß auch tatsächlich zu beschleunigen oder bald Wirklichkeit werden zu lassen.
Ich sagte: Es nützt dem deutschen Volke, und zwar dem deutschen Volke diesseits und jenseits vom Stacheldraht, nichts, wenn ich ihm sage: in 20, 30
oder 40 Jahren kann vielleicht ein Prozeß heranreifen, der euch die Wiedervereinigung bringen wird. Neben diesem Prozeß, den ich nicht weiter beurteilen will - es steht mir auch keine Kritik zu -, bedarf es der Politik des Tages und des Augenblicks. Das heißt, wir dürfen nicht erlahmen, in immer neuem Anlauf die Wiedervereinigung herbeiführen zu wollen und sowohl die Verantwortung unserer westlichen Alliierten als auch die Vier-Mächte-Verantwortung sichtbar werden zu lassen. Darauf sagte der französische Staatspräsident: Ich sehe ein, daß das notwendig ist, und ich bin bereit, mich mit unseren anderen Alliierten, nämlich mit unseren amerikanischen und britischen Freunden, gemeinsam mit der Bundesrepublik zusammenzusetzen und diese Frage zu klären. Das ist die Wahrheit.
Daß das so deutlich zum Ausdruck gekommen ist und daß das in der Zwischenzeit von dem amerikanischen Präsidenten und von dem britischen Premierminister bestätigt wurde, das ist ein Fortschritt und ist jedenfalls ein neuer Impuls. Es ist für Deutschland unerträglich, in einem politischen Niemandsland zu leben, in dem von der Ostseite nur dauernd ein hartes Nein geäußert wird und uns von der westlichen Seite zwar die Sympathien entgegenschlagen, aber in der Erwartung dieses östlichen Neins keine Aktion und keine Initiative mehr unternommen wird, keine Impulse mehr ausgehen.
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In meinem persönlichen Gespräch mit dem französischen Präsidenten sind Weltwährungsfragen und ihre Zusammenhänge mit dem Dollar nur ganz am Rande erwähnt worden. Die Vorstellungen sind mir nicht unbekannt. Sie stammen von Professor Jacques Rueff, der das schon lange wissenschaftlich vertreten hat. Ich glaube, es ist hier nicht der Ort, und ich habe vor allen Dingen auch nicht die Zeit, das hier zu vertiefen.
Aber Deutschland hat in jedem Augenblick deutlich gemacht, daß es gerade auch in währungspolitischer Hinsicht auf die volle Solidarität aller westlichen Staaten setzt. Wir haben das kenntlich gemacht mit der Stützung des britischen Pfundes,
({2})
und wir werden nichts unternehmen, was dem Dollar schadet. Nur gemeinsam können wir an dieses Problem herantreten.
Und wenn Sie mich fragen, wie wir zu unseren westlichen Alliierten stehen, dann muß ich sagen: wir sind in der glücklichen Lage, daß wir zu unseren westlichen Alliierten, zu unseren Freunden, ein Bleichstarkes Vertrauen haben, daß sie zu uns stehen und daß sie uns helfen werden, unser deutsches Anliegen zum Erfolg zu führen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir sehen alle diese Probleme, die hier zur Debatte stehen, aus der Sicht
der deutschen Hauptstadt Berlin. In und für Berlin stehen wir gemeinsam mit den USA, mit Frankreich und mit Großbritannien. Wegen dieser Lage, in der die Lage Deutschlands manifest wird, wollen und dürfen wir nicht zwischen diesen Freunden wählen. Wir sind zugleich der Auffassung - und es ist durch Taten bekundet, daß wir diese Auffassung haben können -, daß wir volles Vertrauen zu allen drei westlichen Hauptverbündeten haben können und haben sollten. In dieser Gesinnung betrachten wir die Probleme, die sich hier stellen.
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Nun zu dem, Herr Kollege Erler, was Sie zu der Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten gesagt haben. Ich hatte das Glück, vor genau 48 Stunden mit ihm diese Fragen erörtern zu können, und darf Ihnen vielleicht, ohne hier das Gespräch zu schildern, in vier Punkten die Ergebnisse, so wie ich sie sehe und wie sie hier soeben bestätigt worden sind, zusammenfassen.
Erstens: In allen diesen Fragen keine deutschen Vorleistungen und keine deutschen Vorleistungen etwa auch verbaler Art zur Unzeit.
({1})
Zweitens: Eine völlig klare Position in der Frage der Vier-Mächte-Verantwortung. Ich glaube, es ist einfach unerträglich, das auch nur in Frage zu stellen. Frankreich steht mit den anderen und uns zusammen in Berlin, und man muß das Selbstverständliche nicht immer betonen.
Das Dritte: Die französische Regierung ist nach wie vor bereit - und der Bundeskanzler hat das ja in Rambouillet besprochen und erreicht -, eine Initiative gemeinsam mit den drei Westmächten, gerichtet an die Sowjetunion, zur Lösung der deutschen Frage zu unterstützen.
Das Vierte - und ich hoffe, hier begegnen sich wieder die Auffassungen aller im Hause - ist, daß wir die Fragen, die sich hier stellen, zugleich mit der Vier-Mächte-Verantwortung und europäisch sehen und betreiben müssen. Wenn wir uns in diesem „Zugleich" fänden, wäre das, glaube ich, eine gute Sache. Denn wir wollen doch - ich wiederhole hier diesen Appell für meine Freunde in aller Form - auch im Wahljahr die nationale Substanz nicht unter den Schlitten geraten lassen.
({2})
Herr Kollege Erler hat ein paar Worte über Presseberichte, über Interviews und Gespräche unseres Vorsitzenden Konrad Adenauer gesagt. Ich habe mit ihm heute ein Gespräch darüber gehabt. Ich glaube, Herr Kollege Erler, Sie haben nur einige Befürchtungen angedeutet - ohne sie zu präzisieren -, durch die Bundeskanzler a. D. Dr. Adenauer falsch interpretiert wird. Er hat kein Mißtrauen und alles das, was Sie versucht haben, ihm hier zu unterstellen. Er hat eine Sorge geäußert, - eine Sorge, die wir nicht alle teilen.
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- Herr Kollege Erler, ich könnte Ihnen in anderem Zusammenhang auch solche Zeitungen vorzeigen. Lassen Sie mich aber eine parlamentarische Bemerkung machen: Wir machen heute hier den Versuch mit einer Aktuellen Stunde. Warum versuchen wir das? Um hier das politische Gespräch zu führen, und wenn ich hier eine verbindliche politische Antwort nach einem Gespräch mit Konrad Adenauer gebe, dann ist das, glaube ich, wichtig, und es sollte nicht versucht werden, durch Vorzeigen von irgend etwas das Gespräch wieder an den falschen Ort zu bringen.
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Meine Damen und Herren, wir freuen uns über diese Aktuelle Stunde. Ich glaube, daß wir gut daran täten, alle miteinander dieses Instrument - ich bekomme den Zettel: noch eine Minute; aber ich brauche diese Minute nicht mehr - auszubauen zu einem Ort des sachlichen parlamentarischen Gesprächs. Der Ort der hitzigen und kontroversen Debatte sollte vielleicht ausführlicheren Aussprachen vorbehalten bleiben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.
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- Ich sehe Herrn von Kühlmann-Stumm aber hier sitzen und benutze die Gelegenheit, ihn zu seiner Genesung zu beglückwünschen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten haben mit Genugtuung begrüßt, daß durch die Pressekonferenz, die der französische Staatspräsident am 4. dieses Monats gegeben hat, die Aktualität der deutschen Frage auch dort wieder ins Bewußtsein gehoben worden ist, wo sie nur allzu leicht vergessen wird. Wir haben feststellen können und müssen, daß die Analyse der Situation auf einem historischen Hintergrund, die der französische Staatspräsident gegeben hat, doch manche schmerzhaften Züge enthält, daß sie aber andererseits uns einen Beweis dafür gibt, daß Politik eine Frage der Interessenvertretung und nicht eine Frage der Gefühle ist.
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Es handelt sich darum, die eigenen Interessen zu erkennen und sie mit den Interessen der anderen, mit denen man zu tun hat, zu vergleichen und zu sehen, ob sie parallel laufen, ob sie sich decken oder ob sie auseinandergehen, und dabei müssen alle berücksichtigt werden, die bei den eigenen Interessen mitzuwirken haben. Wir sind der Meinung, daß kritisch überspitzte Bemerkungen an die Adresse eines großen Landes, das die Wichtigkeit einer Regelung der deutschen Frage für die Erhaltung des Friedens in vollem Umfange erkannt hat, sehr fragwürdig sind und daß man da vorsichtig und überlegsam vorgehen sollte.
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Wir begrüßen es, wenn Frankreich mit den osteuropäischen Ländern auf dem Hintergrunde der gemeinsamen europäischen Geschichte stärkere Verbindungen eingeht. Für uns aber ist der Punkt, auf den es im Osten letzten Endes ankommt, wo das Schwergewicht unserer Interessen im Spiele ist, Moskau. Dessen sollten wir uns immer bewußt bleiben, auch wenn wir in jeder Hinsicht die Kontakte mit den Ostblockländern für notwendig und richtig halten.
Wir halten aber die Regelung der deutschen Frage nicht nur für ein europäisches Problem. Wir sind der Meinung, daß in dieser Hinsicht die Äußerungen des französischen Staatspräsidenten leicht zu irrtümlichen Schlüssen führen können. Wir hoffen, daß wir seine Meinung nicht falsch interpretieren, wenn wir annehmen, daß er nicht abzuwarten wünscht, bis die deutsche Frage geregelt werden kann, wenn sich in der Sowjetunion das System einmal wirklich völlig geändert haben sollte.
Wir lehnen selbstverständlich Vorleistungen in jeder Form ab, auch in der Form, daß man gewisse Äußerungen an die Öffentlichkeit hinausgibt, die beim Gegner den Eindruck erwecken, man habe schon innerlich verzichtet und wage nur nicht, es auszusprechen, d. h., man sage das nur hinter der vorgehaltenen Hand.
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Wenn von langen Fristen, gar von einer Generation oder von 30 bis 40 der 50 Jahren, die Rede ist, so nehmen wir das nur mit großem Bedauern zur Kenntnis. Nach unserer Meinung handelt es sich hier um ein Anliegen, das unter allen Umständen dauernd und laufend, auch wenn es anderen auf die Nerven geht, von uns vertreten werden muß. Wir sollten uns an das Vorbild des alten Cato halten.
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Meine Damen und Herren, wir sind keine Römer, und die anderen sind keine Punier. Wir sollten den alten Cato vielleicht in seiner Beharrlichkeit nachahmen, aber nicht in seinem Vokabular.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kernpunkt der Ausführungen von General de Gaulle war doch der, daß die Wiedervereinigung zu einer wesentlich europäischen Aufgabe gemacht wurde und daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien gar nicht erwähnt wurden. Ich habe den Eindruck, daß einige Kanzleien nachher erschrocken waren über das, was der General gesagt hat, hier vor allem und dann auch in Paris selber. Es kamen dann beschwichtigende Erklärungen - zunächst in Paris -, in denen gesagt wurde - und da isst jetzt die Frage, ob das für Sie befriedigend ist -, daß zuerst dieser europäische Prozeß vor sich gehen müsse und daß dann wieder
die Vier-Mächte-Verantwortung und -Prozedur in Kraft trete. So zu lesen in den Erklärungen des Sprechers der französischen Regierung. Hier bei uns war man, wie ich sagte, erschrocken und korrigierte schnell und heute hier wieder: Jawohl, es muß bei der Vier-Mächte-Verantwortung bleiben.
Aber wie steht nun der französische Staatschef wirklich dazu? Herr Barzel hat mit dem, General gestern noch gesprochen und hat heute hier gesagt, de Gaulle werde eine Vier-Mächte-Initiative unterstützen. Nach der Rückkehr ides Bundeskanzlers haben wir gehört, daß Frankreich bei den anderen Westmächten die Initiative zu einer solchen VierMächte-Initiative für die Wiedervereinigung ergreifen werde. In den französischen Zeitungen ist dann zu lesen, daß, wenn die anderen, also Großbritannien und die Vereinigten Staaten, bereit wären, bei Moskau für ein Vier-Mächte-Gremium vorstellig zu werden, der General diese Initiative unterstützen werde. Das sind sehr verschiedene Lesarten. Wie ist es denn nun? Was ist ausgemacht? Wird der General eine Initiative unterstützen?
Ich möchte hier noch folgende Punkte anführen. Am Verhandlungstisch spielt Macht immer noch eine Rolle. Wo wären wir, wenn wir an diesem Tisch mit der Sowjetunion ohne die Freundschaft und die Macht der Vereinigten Staaten und auch Großbritanniens säßen? Und - darf ich das nur mit einem Wort sagen - wie steht es denn überhaupt um Berlin, wenn wir die Linie einschlagen, die uns der französische Staatschef empfiehlt? Da hängt nicht die Erweiterung der Freiheit, sondern die Behauptung der Freiheit da, wo sie ist, zwar auch, aber nicht nur von Frankreich, sondern in erster Linie doch von der Macht der Vereinigten Staaten und von ihrem Willen ab, mit uns zusammen die Freiheit in Berlin zu verteidigen.
Wie vereinbart sich die Bedeutung der Vereinigten Staaten für die Sicherheit der Bundesrepublik und Berlins sowie für die Wiedervereinigung mit dem, was der Vorsitzende der CDU in Interviews sagt, was er jetzt in diesen Tagen gesagt hat, nämlich: „Amerika tut nichts; es weigert sich, die Gefahren zu sehen"? Ich finde, daß das beleidigend für die Vereinigten Staaten ist, die hier seit 1954 geblieben sind, die in Berlin die Hauptlast der Verantwortung tragen, die hier in der Bundesrepublik sechs Divisionen haben.
Und wie steht das mit Frankreich, mit seinen Verpflichtungen zur Verteidigung der Bundesrepublik?
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Ist es richtig, daß nach den Plänen der NATO fünf Divisionen da sein sollten, in Wirklichkeit aber keine zwei da sind und diese noch dazu nicht dort stehen, wo sie stehen sollten, nämlich an der Grenze? Sie stehen auf dem linken Rheinufer.
Wie vereinbaren sich die Tatsachen, die hier doch festgestellt werden müssen, mit dieser Art der Kritik, der unsachlichen Kritik an den Vereinigten Staaten?!
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Und wenn man da John Forster Dulles beschwört: Ist es nicht so, daß es dessen Politik war, die Sowjets zurückzurollen, und daß Staatspräsident de Gaulle gerade - mit Recht - feststellt, daß diese Politik gescheitert ist, daß das rolling back und damit auch eine Politik, die hier zehn Jahre lang betrieben worden ist, die Politik der Stärke, der Zurückwerfung der Sowjetunion, restlos gescheitert ist?
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Ich glaube, daß solche Interviews, wie sie der Vorsitzende der CDU/CSU gegeben hat, geeignet sind, die isolationistischen Kräfte in den Vereinigten Staaten zu stärken.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Interview, das Präsident de Gaulle vor wenigen Wochen gegeben hat, steht in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Besuch unseres Bundeskanzlers in Paris und mit den dort geführten Gesprächen. Es erfüllt uns mit Befriedigung und mit Freude, daß Präsident de Gaulle in einer so klaren und unzweideutigen Weise sich für die deutsche Wiedervereinigung einsetzt.
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Es ist gewiß richtig, daß sich die drei Westmächte bereits in den Verträgen verpflichtet haben, für die deutsche Wiedervereinigung einzutreten. Aber die Worte, die Präsident de Gaulle gefunden hat, gehen über diese juristische Verpflichtung weit hinaus.
Präsident de Gaulle hat die Frage der deutschen Wiedervereinigung als das europäische Problem par excellence bezeichnet. Deutschland liegt im Herzen Europas, und seine Wiedervereinigung ist natürlich ein europäisches Problem. Diese Wiedervereinigung kann auch nicht zustande kommen ohne eine gewisse Mitwirkung seiner europäischen Nachbarn. Allerdings wissen wir sehr wohl, daß die deutsche Wiedervereinigung nicht nur ein europäisches Problem ist, sondern auch ein globales Problem und daß die deutsche Wiedervereinigung deshalb die ganze Welt berührt. Sie berührt die Frage der Entspannung in der ganzen Welt, weil in diese Entspannungsverhandlungen die beiden großen Mächte, die Sowjetunion und Amerika, eingesetzt sind. Infolgedessen ist natürlich auch die Haltung und die Mitwirkung Amerikas bei der Gewinnung unserer Wiedervereinigung von großer Bedeutung.
Wir haben aber die Gewißheit, daß Frankreich sich seiner Verantwortung, die ihm als einem der Partner der Viermächtevereinbarungen zukommt, voll bewußt ist. Das, was der Bundeskanzler und was Herr Barzel gesagt haben, hat uns das erneut bestätigt.
Präsident de Gaulle - das ist vorhin schon gesagt worden, allerdings wurde es mit etwas Mißfallen quittiert; ich sage es noch einmal - ist zwar ein Visionär, sogar ein großer Visionär, er ist zugleich
aber ein Realist; er ist beides. Wenn er als Visionär gesprochen hat, dann hat er ein Bild des künftigen Europa entfaltet, das für seine Verwirklichung vielleicht geraume Zeit braucht, ein Bild, das in die Zukunft projiziert ist. Diese große Vision entbindet uns natürlich nicht von der Verpflichtung, in jedem Zeitpunkt jede Situation darauf zu prüfen, ob sie Chancen einer Initiative in sich trägt. Auch Frankreich ist bereit, die Chancen einer solchen Initiative zu nutzen. Der Sinn der Initiative ist ja der, nicht nur den deutschen Willen zur Wiedervereinigung, sondern auch den gemeinsamen Willen unserer Alliierten und der Deutschen zum Ausdruck zu bringen, daß diese Wiedervereinigung in gemeinsamer Arbeit der drei Westmächte geschafft werden muß.
Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen. Es ist die Verteidigungsleistung Frankreichs in Zweifel gesetzt worden. Frankreich hat seinen Verteidigungsbeitrag geleistet,
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und Frankreich hat, auch wenn es Kritik an der
jetzigen NATO übt, doch zum Ausdruck gebracht,
daß es ein Partner der Allianz ist und bleiben will.
Wir glauben, daß die gute deutsch-französische Zusammenarbeit durch den letzten Besuch unseres Bundeskanzlers in Paris eine erneute Bestätigung und einen erneuten Auftrieb gegeben hat, der uns mit Befriedigung erfüllen kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es begrüßt, daß Herr Barzel uns eine Interpretation dessen gegeben hat, was der französische Staatspräsident in seiner Pressekonferenz gesagt hat. Ich möchte hinzufügen: Auch wenn wir hier diese Interpretation gehört haben, so ist es im Interesse der Welt, in der sich die Wiedervereinigung abspielt, wichtig und notwendig, daß diese Interpretation aus Paris bestätigt wird.
({0})
Wir werden also nach einer genauen Analyse der Ausführungen Fragen zu stellen haben. Diese Fragen müssen wir stellen. Es darf nicht in der Welt der Eindruck entstehen - ich zitiere jetzt bewußt einmal eine Schweizer Zeitung -, daß mit der einen Hand uns etwas gegeben worden ist - die moralische Unterstützung für die Wiedervereinigung - und daß uns mit der anderen Hand etwas genommen worden ist; das ist die Frage der Vier-MächteVerantwortung, die Frage der langen Dauer, der Dezennien, von denen man spricht, und das Aufwerfen von Bedingungen, von Voraussetzungen. Das ist der Eindruck, den wir verwischen müssen. Herr Barzel hat das dankenswerterweise hier getan. Aber es muß für die Welt ganz klargestellt werden, und es dürfen hier keine Mißverständnisse bleiben.
Nur noch ein Wort, weil in einer deutschen Zeitung diese Sache erschienen ist; wir wollen das alles ja ganz kurz machen. Es ist gesagt worden, auch in Paris bejahe man die Vier-Mächte-Verantwortung. Wir müssen das verlangen und fordern. Wir wissen, daß es gesagt worden ist. Es darf aber nicht mit der Einschränkung versehen werden, daß das eine juristische Frage sei. Die Vier-Mächte-Verantwortung muß von einer eminent politischen Bedeutung sein. Mit einer nur juristischen Bedeutung können wir uns nicht abfinden.
({1})
Ich glaube, es war notwendig, das hier noch einmal klarzustellen. Herr Barzel hat zwar gesagt, daß er gerade aus Paris komme; wir haben das ja auch gelesen. Aber es ist notwendig, zu betonen, daß das allein für die Welt als Interpretation nicht ausreicht. Es muß aus Paris, um alle Mißverständnisse und Unklarheiten zu beseitigen, auch für die Welt bekanntgegeben werden.
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Wir haben noch 35 Minuten. Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr zu Guttenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu dem, was der Abgeordnete Dr. Starke gesagt hat. Ich vermag nicht ganz zu begreifen, aus welchen Gründen der Abgeordnete Starke aus französischem Mund eine Bestätigung dessen erwartet, was der Herr Bundeskanzler und der Herr Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU hier erklärt haben.
({0})
Meine Damen und Herren von der SPD, erlauben Sie mir, Ihnen ganz kurz einiges zu Ihrer allgemeinen Haltung gegenüber Frankreich zu sagen. Ich tue das nicht nur deshalb, weil soeben die beiden Kollegen - Herr Dr. Mommer und Herr Erler - uns hierzu einiges gesagt haben, sondern auch deshalb, weil einige Äußerungen in Ihrer Parteizeitung „Vorwärts" und in einigen anderen Organen Ihrer Partei dazu zu lesen waren. Ich habe manchmal den Eindruck, daß Sie es geradezu meisterhaft verstehen, gewisse theoretische Liebeserklärungen an ein theoretisches Frankreich zu verquicken mit ständigen negativen Interpretationen, ja sogar Verdächtigungen gegenüber der faktischen Regierung und dem faktischen Frankreich, mit denen wir es zu tun haben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur dies eine sagen - nach meiner Erfahrung; und ich denke, die Ihre wird nicht anders sein -: das deutsche Volk will das nicht.
({2})
Das deutsche Volk ist der Auffassung, daß die Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nicht in dieser Weise - manchmal leichtfertig - in Gefahr gebracht werden soll.
({3})
Wenn ich sage „leichtfertig", dann meine ich damit, daß man z. B. im „Vorwärts" lesen konnte - ich zitiere -: man solle die bloßen Wunschvorstellungen europäischer Größe - die man de Gaulle unterstellt - nicht an die Stelle der Solidarität mit den Vereinigten Staaten setzen. Dies, meine Damen und Herren, fand ich jetzt wieder bestätigt von seiten der SPD für eine Sache, die ich unter die Kategorie der leichtfertigen Unterstellungen rechnen muß.
({4})
In Wahrheit haben wir allen Grund, dem französischen Staatspräsidenten und seiner Politik dafür dankbar zu sein, daß er ein Drittel seiner gesamten Pressekonferenz dieser deutschen Frage gewidmet hat.
({5})
Wir haben allzuoft gehört - zwischen den Zeilen und zwischen den Worten -, daß man Frankreichs Zuverlässigkeit in dieser deutschen Frage letztlich keinen Glauben schenken könne. Mir scheint, daß damit nun endgültig ein Ende sein sollte, und mir scheint vor allem, daß wir uns dafür bedanken sollten, daß der französische Staatspräsident in seiner Pressekonferenz gesagt hat - wörtlich -, die deutsche Frage sei ein wesentliches Ziel der französischen Politik, und er hat weiter gesagt, daß die Lösung des deutschen Problems das europäische Problem par excellence bedeute. Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, wie man sich gegen diese Äußerungen de Gaulles wenden kann. Es ist doch unsere gemeinsame Politik bisher gewesen, davon auszugehen, daß die Einigung Europas gleichzeitig ein Weg zur Wiedervereinigung sei. Wenn der französische Präsident sagt, daß die deutsche Frage eine europäische Frage geworden sei, dann halte ich das für eine Bestätigung dessen, was dieses Haus immer gesagt hat, einschließlich der Sozialdemokraten, wenigstens seit einiger Zeit, nicht seit je.
({6})
Lassen Sie mich kurz noch zu etwas Stellung nehmen, was Herr Kollege Erler eingangs gesagt hat. Er hat mehr oder weniger die CDU/CSU und die Bundesregierung angeklagt, sich eines doppelten Maßes zu bedienen bei der Frage, wie man sich hinsichtlich der Grenzen und hinsichtlich der Rüstungsvereinbarungen im Zusammenhang mit 'der Wiedervereinigung verhalten soll. Eine ähnliche Überschrift haben wir im „Vorwärts" gelesen. Da stand, es sei ein blamabler Fall für die CDU/CSU und ihre Regierung, de Gaulle in einer Sache Beifall zu zollen, in welcher gegen Herrn Kollegen Erler und in welcher gegen die Vereinigten Staaten andere Meinungen vertreten worden seien. Ich kann nur sagen: der Herr Kollege Erler hat etwas anderes gesagt, als es de Gaulle gesagt hat,
({7})
und auf jener Pressekonferenz des amerikanischen Außenministers ist auch etwas anderes gemeint gewesen. Der amerikanische Außenminister hat nach Pressemeldungen seinerzeit gesagt, jede Deutschlandinitiative müsse Sicherheits- und Grenzfragen einschließen. Der Herr Kollege Erler ging so weit, zu sagen, man solle vorbereitende Gespräche in dieser Sache mit den Polen führen. De Gaulle hat gesagt, jede Deutschlandregelung müsse Sicherheits- und Grenzprobleme einschließen. Das sind verschiedene Dinge. Ich meine, die SPD sollte das nicht durcheinanderwerfen.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns in aller Ruhe bemühen, festzustellen, auf Grund welcher Tatsachen wir die Position Frankreichs zur Bundesrepublik analysieren können, so kennen wir aus den jüngsten Ereignissen von Rambouillet wenig, wir kennen etwas mehr oder vielmehr alles aus der Pressekonferenz vom 4. Februar, und wir kennen vier Punkte, die uns heute Herr Kollege Barzel über seine Unterredung mitgeteilt hat, die er vor 48 Stunden in Paris gehabt hat.
In dieser Unterredung hat er nach seinen Darstellungen, die ich selbstverständlich nicht bezweifle, festgestellt - er, Herr Barzel -, daß Frankreich eine klare Position in der Frage der Viermächteverantwortung einnehme und daß in dieser klaren Position die französische Regierung wie bisher und immer, so sagte er, bereit sei, sich an einer Initiative für Deutschland zu beteiligen. Ich darf in Parenthese sagen: wenn es so ist, Herr Kollege Barzel: „wie bisher und immer", dann war der Zusatz, den Sie machten, daß der Herr Bundeskanzler das in Paris erreicht habe, ein Widerspruch in sich.
({0})
- Nun gut, Herr Kollege Barzel, wir haben in Sachen Ereignisse unsere Erfahrungen, und wir werden uns im Wahlkampf noch in allen Einzelheiten darüber unterhalten.
({1})
Hier möchte ich folgendes sagen: Zu welcher Initiative will die französische Regierung bereit sein, oder genauer: Mit welchem Ziel will sie diese Initiative führen, oder noch genauer: Ist die französische Regierung bereit, gewisse Vorleistungen, auch verbale Vorleistungen, von denen Sie sprachen, gegenüber der Bundesrepublik, der befreundeten Bundesrepublik, und ihrer Regierung so zu interpretieren, daß wir die Klarheit gewinnen, daß auch Frankreich keine Vorleistungen zu Lasten Deutschlands in der Grenzfrage vornimmt?
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Guttenberg hat soeben hier gesagt, er vermöge nicht einzusehen, weshalb die französische Regierung eine Aussage bestätigen
solle, die hier im Deutschen Bundestag erfolgt sei. Dazu ist unsererseits festzustellen: Hier werden nicht die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers oder die Aussagen des Kollegen Dr. Barzel angezweifelt, sondern hier wird darüber diskutiert, daß Aussagen, die in Frankreich und Paris erfolgt sind, mißverständlich sind und daß es gut wäre, wenn die französische Regierung diese Mißverständnisse beseitigte.
({0})
Wenn hier der Freude darüber Ausdruck gegeben worden ist, daß der französische Staatspräsident die deutsche Frage als eine europäische Frage ansieht, so können wir nur sagen: Wir betrachten die deutsche Frage schon längst als eine europäische Frage, und die Auffassung, daß es sich bei der deutschen Frage lediglich um eine Frage der nationalen Repräsentanz der Deutschen handle, haben wir immer als einen verhängnisvollen Irrtum angesehen, weil wir der Meinung waren, daß die Zerreißung Deutschlands eine Bedrohung des Friedens in Europa und in der Welt ist.
Aber, meine Damen und Herren, wenn man aus einer Aussage: „Die deutsche Frage ist eine europäische Frage", etwa ableiten wollte, man könne mit der Lösung der deutschen Frage warten, bis dieses Europa, das heute in zwei Teile geteilt ist, wieder zusammengewachsen ist, dann muß ich Ihnen sagen: Das können wir schon deshalb nicht tun, weil wir uns dann in einer gefährlichen Nähe zu einer Aussage bewegen, die die andere Seite des
Eisernen Vorhangs vertritt, die ja auch im Hinblick auf die „Konföderationspläne" mit ganz langfristigen Zeiten disponiert.
({1})
Ich glaube also, daß es notwendig ist, eine Diskussion zu führen, die am Ende eine klare Aussage bringt über die Frage: Was geschieht zum deutschen Problem hier und jetzt?
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Das Wort hat der Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Kern der Debatte die Frage des Kollegen Mommer gewesen ist, ob der französische Staatspräsident eine Deutschland-Initiative unterstützen wird oder nicht. Ich bedaure, daß das überhaupt in Zweifel gezogen worden ist.
({0})
Ich möchte Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten ein Stück aus der ersten Pressekonferenz vorlesen, die nach Rambouillet stattgefunden hat. Dort hat einer der anwesenden deutschen Journalisten folgende Frage gestellt:
Wird Frankreich den deutschen Wunsch nach einer alliierten Deutschland-Initiative in Moskau oder nach einem prozeduralen alliierten Test in Moskau unterstützen?
Die Antwort des französischen Regierungssprechers war:
Die französische Regierung ist durchaus bereit, mit der Bundesregierung und den anderen beiden verbündeten Regierungen, der britischen und der amerikanischen, sich an den Gesprächen darüber zu beteiligen, bei denen das beste Verfahren, um dieses Ziel zu erreichen, ausgearbeitet werden soll.
Das ist, glaube ich, eine ganz klare Erklärung nach Rambouillet.
Nach der Pressekonferenz des Herrn französischen Staatspräsidenten ist noch einmal von französischer Regierungsseite folgendes festgestellt worden - und ich zitiere das hier nach dem Text, den die Französische Botschaft ausgegeben hat -:
Kein Ausspruch von General de Gaulle - in dieser Pressekonferenz kann so interpretiert werden, als wäre das Abkommen, demzufolge die Verantwortung für die Wiedervereinigung Deutschlands bei den vier Mächten liegt, in Frage gestellt worden.
Ich glaube, daß auch das eine sehr klare und eindeutige Aussage ist.
({1})
Nun ergibt sich daraus eine abschließende Frage, nämlich diese: Gibt es etwa ein grundlegendes, neues Deutschland- und Wiedervereinigungskonzept? - Dazu lautet die Antwort ganz klar: Es gibt kein neues Konzept dafür, sondern es gibt nur das allen bekannte, von der Bundesregierung oft genug vorgetragene Konzept einer aktiven, täglichen, unmittelbaren Wiedervereinigungspolitik. Für dieses Konzept gibt es einen Hauptsatz; ich komme trotzdem noch einmal auf Cato zurück: Ein „Ceterum censeo" heißt hier: Deutschland muß wiedervereinigt werden, Deutschland wird wiedervereinigt werden.
({2})
Ich finde es erstaunlich und erfreulich, welchen Ruf, ja welchen Ruhm jener alte Cato hier genießt.
({0})
Ich hoffe, daß alle, die ihn zitieren, auch gelegentlich einiges von dem lesen, was seine Zeitgenossen über ihn geschrieben haben, nicht nur sein Buch „Über den Landbau".
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich zunächst - ich hoffe, im Namen des Hauses - diese Aktuelle Stunde dazu benutzen, dem britischen Premierminister Dank zu sagen für die klaren Worte, die er gestern zur deutschen Frage ausgesprochen hat.
({0})
In seiner kurzen Formulierung ist eine deutliche
Abwendung von der visionären Vorstellung, die
wir in den letzten Wochen erlebt haben, zu einer meiner Ansicht nach realistischeren Vorstellung zu erkennen, wenn er hier ganz klar und deutlich sagt: Wir werden in Europa keine Ruhe haben, bevor nicht das ganze deutsche Volk in freier Wahl über sich entscheiden kann. Ich darf einen Satz verlesen:
Wir werden es nicht dadurch erreichen, daß wir auf irgendeine Position der Stärke verzichten, über die wir heute verfügen.
Dafür darf ich als Berliner ganz besonders danken, denn darin liegt unsere Sicherheit.
({1})
Darf ich eine zweite Bemerkung an Herrn Baron von Guttenberg machen. Sehr geehrter Herr Baron von Guttenberg, eine größere Verdächtigung und Diffamierung der französischen Nation konnte es doch gar nicht geben, als sie der ehemalige Bundeskanzler in dem Interview ausgesprochen hat, das heute veröffentlicht worden ist, wenn er sich nämlich hinstellt und behauptet, nach dem alten Präsidenten de Gaulle - er nennt das Alter von 73 Jahren - werde in Frankreich nur noch die Kommunistische Partei existieren. Das ist die Stütze, auf der wir hier aufbauen. Daß die Kommunistische Partei so stark ist und so stark wird, verdanken wir u. a. einem Wahlgesetz, das de Gaulle vor diesen Kommunalwahlen in Frankreich jetzt durchgedrückt hat. Sie kennen die Dinge genauso gut wie ich.
({2})
Eine dritte Bemerkung. Ich verstehe nicht ganz, wieso Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, in der Auseinandersetzung über die Fragen der deutschen Politik die Bemerkungen, die Herr Erler gemacht hat, und die Herr Brandt in seiner Darstellung für Dean Rusk gemacht hat, so herabwürdigend behandeln, wenn Sie zugleich bereit sind, mit dem französischen Präsidenten so sachlich über die gleichen Argumente zu debattieren, die Brandt und Erler in wenigen Sätzen dargestellt haben, indem Sie fragen: Was soll eigentlich bei den kommenden Verhandlungen werden?
Darf ich zum Schluß eine Frage an die Bundesregierung stellen: Die französische Presse beschäftigt sich mit der deutschen Initiative, und zwar der Viermächte-Initiative in der Deutschlandfrage. Da heißt es heute in einer Stimme, die hier zitiert wird:
Der einzige Beweggrund, der London, Paris oder Washington zu einer Aktivierung der Besprechungen hinsichtlich der Wiedervereinigung veranlassen kann, ist wahlpolitischer Art. Soll man die Wiederwahl von Bundeskanzler Erhard sicherstellen oder nicht? Aus denselben wahlpolitischen Gründen ist die Bundesregierung nicht in der Lage, den Preis für diese Wiedervereinigung zu zahlen.
Meine Frage zum Schluß ist: Unter der Voraussetzung, daß die Sowjetunion nein gesagt hat, daß de Gaulle selbst gesagt hat: „Wir sind zu einer Initiative bereit, wenn das im Interesse der deutschen Bundesregierung liegt", was steckt an neuem
Gedankengut darin, auf Grund dessen man tatsächlich eine Initiative entwickeln kann? Oder ist der Verdacht der Pariser Zeitung berechtigt, daß hier wahlpolitische Gründe im Vordergrund stehen?
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte den Diskussionsbeitrag, den Herr Kollege Mattick gerade geliefert hat, für sehr bedenklich. Ich bin nicht der Meinung, daß es die Aufgabe des Hauses sei, so oder so Zensuren zu verteilen. Ich bin der Meinung, daß unsere drei westlichen Verbündeten Verbündete des ganzen deutschen Volkes und nicht bestimmter Parteien dieses Hauses sind.
({0})
Ich muß Ihnen eines sagen, Herr Kollege Mattick. Ich bin der Meinung, daß uns gerade die Pressekonferenz de Gaulle's einen großen Vorteil gebracht hat, daß nämlich durch die Tatsache der umfangreichen Behandlung des deutschen Problems durch de Gaulle das deutsche Problem aktualisiert wird.
({1})
Ich meine, daß Sie einen grundlegenden Fehler bei der Betrachtung dieser Pressekonferenz machen, daß Sie nämlich die Europäisierung des deutschen Problems und die Viermächteverantwortung, das Engagement der Amerikaner in Europa als eine Alternative auffassen. Ich persönlich bin der Meinung, daß das additiv gesehen werden muß, daß beides zusammengehort, sowohl das Engagement der Amerikaner in Europa wie die Viermächteverantwortung wie auch die Europäisierung dieses Problems.
({2})
Es ist doch unsere gemeinsame Auffassung, auch die der Opposition, wenigstens bisher gewesen, daß uns die Europäisierung des deutschen Problems hilft, das Ressentiment im Ostblock gegenüber der Bundesrepublik und dem deutschen Volke abzubauen. Wir sind doch gemeinsam der Meinung, daß das Zusammenwachsen von West- und Osteuropa, das vielleicht langfristig durch die innere Entwicklung des Ostblocks möglich werden wird, auch die Lösung des deutschen Problems zunehmend erleichtern wird. Die deutsche Politik hat daraus - mit Ihrer Zustimmung - die Konsequenzen gezogen durch die Ermittlung der Handelsmissionen in Osteuropa, durch die Verstärkung des Handels, durch die Verstärkung des Kulturaustausches.
Wir sehen, daß gerade Frankreich eine besonders aktive Ostpolitik betreibt. Wir wissen jetzt gerade auch auf Grund der letzten Erklärung des französischen Staatspräsidenten, daß sich diese aktive Ostpolitik nicht gegen uns, gegen unsere Interessen richtet. Er hat erklärt, daß es die vornehmste Aufgabe der französischen Politik sei, die deutsche WieMajonica
dervereinigung herbeizuführen. Deshalb baut sich
auch diese aktive Ostpolitik Frankreichs in die Hilfe
zur Erlangung der Einheit unseres Vaterlandes ein.
Da bin ich der Meinung, meine Damen und Herren von der Opposition, daß es in einer solchen Situation nicht richtig ist, gegenüber dem französischen Staatspräsidenten Mißtrauen zu erwecken;. sondern daß es im Gegenteil richtig wäre, auf eine enge Koordination mit der französischen Politik gerade in diesem Raum Wert zu legen. Ich darf doch darauf hinweisen, daß Sie die Frage der Grenzen, die Frage der Vorleistungen nicht nur vor dem Hintergrund dieser Pressekonferenz sehen müssen, sondern auch vor dem Hintergrund der französischen Erklärungen in der Vergangenheit.
({3})
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die französische Regierung die Dreimächteerklärung mit unterschrieben hat, die die Antwort auf den Vertrag zwischen Ulbricht und Chruschtschow war. Dort ist auf diese Fragen eine ganz eindeutige Antwort gegeben worden. Gerade die französische Politik, gerade der französische Staatspräsident improvisiert ja nicht aus einem Augenblick heraus. Hier ist vielmehr eine bewundernswerte Kontinuität seiner Politik festzustellen. Sie werden dann in diese Kontinuität auch das mit einbauen müssen, was die französische Regierung früher erklärt hat.
Ich meine, das sollte uns veranlassen, gerade in der deutschen Ostpolitik, gerade in der Frage der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes aufs engste mit der französischen Regierung zu koordinieren.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zunächst die gemeinsame Überzeugung dieses Hauses, daß die Aussöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk eine bleibende Errungenschaft ist, die von keiner Seite in Zweifel gezogen werden darf.
Ich darf hinzufügen, daß die Sozialdemokratische Partei in ihrer hundertjährigen Geschichte sehr viele Opfer an Freiheit, Gut und Blut für dieses Ziel gebracht hat.
({0})
Aus dieser Debatte ist gleichfalls klar geworden - auf der einen ({1}) oder auch auf jener Seite ({2}) etwas deutlicher, bei der anderen in Form von Interpretationen niedergelegt -, daß die deutsch-französische Freundschaft uns nicht der Aufgabe enthebt, genauso wie auch bei unseren anderen Verbündeten die praktische Politik auf die Auswirkungen auf die deutsche Frage und das Schicksal Europas zu untersuchen und dort, wo unter Umständen bei manchen Eigenwilligkeiten Korrekturen im deutschen Interesse angebracht werden müssen, verständnisvoll mit den Verbündeten zu sprechen. Das ist eine Aufgabe. Sie gilt gegenüber Amerika wie gegenüber Großbritannien wie gegenüber Frankreich. Davon kann keiner unserer Verbündeten ausgenommen werden.
({3})
Hierher gehört nun der Satz unseres Kollegen zu Guttenberg von der deutschen Initiative, die jetzt in Gang kommen soll und die man nicht belasten dürfe mit Zusammenhängen, die erst bei einer Deutschland-Regelung auftauchen würden.
Meine Damen und Herren, machen Sie es sich nicht so leicht! Eine Deutschland-Initiative, die nicht zu einer Deutschland-Regelung führen soll oder kann, eine Deutschlandinitiative, die den Gesamtzusammenhang infolgedessen nicht bereits beachtet, ist Augenauswischerei.
({4})
Deshalb werden wir von allen Verbündeten einschließlich unseres französischen Nachbarn darauf aufmerksam gemacht, daß wir selber uns bei der Vorbereitung der Initiative über alle Zusammenhänge im klaren sein müssen.
({5})
Wie sieht es nun mit der Verabredung des Kollegen Barzel aus, daß keine verbalen Vorleistungen zur Unzeit gemacht werden sollen? Der Grundsatz ist völlig richtig. Vielleicht hat der Kollege Barzel die Kontinuität der französischen Politik gemeint, von der Kollege Majonica gesprochen hat. Ich darf hier daran erinnern: In der ersten Pressekonferenz, die der neue Regierungschef in Frankreich abhielt, hieß es - wenn es also Kontinuität gibt, dann steht das ja wohl noch so da -:
Die Wiedervereinigung der gegenwärtig getrennten Teile Deutschlands in einem einzigen, völlig freien Deutschland scheint uns das objektive Ziel, die normale Bestimmung des deutschen Volkes unter der Voraussetzung zu sein, daß es seine gegenwärtigen Grenzen im Norden, Süden, Osten und Westen nicht in Frage stellt.
Meine Damen und Herren, es wäre Anlaß, bei der Erörterung dieses Problems auch bei unserem französischen Nachbarn darauf hinzuwirken, daß das nicht zur Kontinuierlichkeit französischer Politik gerechnet werden kann. Laßt uns mit vereinten Kräften daran arbeiten! Sonst gehen wir unter schlechten Voraussetzungen in das Gespräch über Wiedervereinigung und Friedensregelung hinein.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst in aller Form, aber mit großem Nachdruck die Vorstellung zurückweisen, die Erklärung und die Haltung von Präsident de Gaulle oder unsere Gespräche seien von wahltaktischen Gesichtspunkten beeinflußt worden.
({0})
Das ist ungut. Zu der letzten Erklärung von Herrn Erler muß ich sagen: Wenn nach Ihrer Ansicht eine Deutschland-Initiative nur dann Sinn habe und nur dann unternommen werden dürfe, wenn gleichzeitig die Sicherheit für eine deutsche Regelung bestünde, dann wären wir lahmgelegt.
({1})
Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen. Es ist in dem Gespräch von Rambouillet und auch in der Pressekonferenz nicht mit einem Wort davon die Rede gewesen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Rechtsposition irgendwie preisgeben sollte oder preisgeben müßte. Wenn davon gesprochen wurde, daß es sich hier um ein europäisches Problem handelt, so kann man das gut verstehen in dem Sinne, daß sich dieses Ereignis in Europa vollzieht, aber nicht, daß es als eine isolierte europäische Frage zu betrachten sei. Uns geht es am ehesten an, aber die Mitwirkung unserer übrigen Verbündeten, der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, ist dabei unerläßlich.
({2})
- Das hat der französische Staatspräsident auch ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Er erklärte z. B., daß die Sicherheit und der Friede in Europa nur durch die mächtige nukleare Abschreckung der USA gesichert sei. Darauf könne nicht verzichtet werden. Er habe Verständnis dafür, daß die amerikanischen Truppen bei uns in Deutschland ein wesentliches Element der Verteidigung des deutschen Volkes seien.
Im übrigen ist etwas völlig untergegangen, was in Rambouillet eine Rolle gespielt hat und in der Pressekonferenz in den Hintergrund gedrängt wurde. Das ist das Zugeständnis des französischen Staatspräsidenten, bereit zu sein, aktiv an einer politischen Union mitzuwirken, auch ohne daß vorher über alle materiellen Fragen schon eine völlige Übereinstimmung besteht.
({3})
Das wollten wir doch: Europa muß sich politisch formieren. Wenn Einigkeit und Geschlossenheit bestehen, werden wir in allen europäischen Fragen besser .vorankommen.
Meine Damen und Herren! Es trifft auch nicht zu, daß der französische Staatspräsident Amerika und Großbritannien überhaupt nicht genannt habe. In unserer Unterhaltung hat das immer eine entscheidende Rolle gespielt. Mit keinem Wort kann weder mein Gespräch noch die Pressekonferenz dahin gedeutet werden, daß der Versuch unternommen weide, die Bundesrepublik etwa von den Vereinigten Staaten oder von Großbritannien zu lösen und mit Frankreich eine engere Bindung als mit den anderen Partnern herzustellen, es seien denn die besonderen Bindungen, die wir u. a. in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben und in Zukunft hoffentlich in der Europäischen Politischen Union haben werden.
Im übrigen - das darf ich noch zum Schluß sagen - kann ich in aller Form 'bestätigen: In den Gesprächen habe ich nicht eine atlantische Position preisgegeben, und ich muß fairerweise dazusagen: der französische Staatspräsident hat mir das auch nicht abverlangt.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nur vier Punkte zur Klarstellung, damit sich keine Legenden bilden!
Erstens. Herr Kollege Mattick hat dem Bundeskanzler a. D. Dr. Adenauer einen Satz unterstellt, den er nicht gesagt hat. Ich habe hier den Text, den mir soeben Kollege Erler zeigte. Ich zitiere aus diesem Text:
Im einzelnen sagte der Altbundeskanzler:
Stellen Sie sich einmal vor, wie der Kreml Europa sieht: De Gaulle ist 74 Jahre alt. Wenn er geht, gibt es keine wichtige französische Partei mehr, außer den Kommunisten. In Fran-reich wird - nach Meinung Moskaus - eine Volksfront entstehen.
Haben Sie gehört, Herr Kollege Mommer: „Sehen Sie mal, wie Moskau das sieht!" - nicht, wie er es sieht. Das ist korrekt zitiert, Herr Kollege.
({0})
Und wenn wir wirklich über Volksfront in Frankreich sprechen wollen: Wir können gern das Ergebnis der Kommunalwahlen in Frankreich abwarten und uns dann darüber unterhalten.
Zweitens. Herr Kollege Erler hat in Zusammenhang mit der deutschen Frage von Augenauswischerei gesprochen. Herr Kollege Erler - diesen Vorwurf will ich Ihnen nicht machen; aber das betrifft einige, die sonst eine Meinung dazu geäußert haben -, Augenauswischerei ist auch, wenn wir uns für den Nabel der Welt halten oder wenn wir glauben, eine Initiative sei erst sinnvoll, wenn die Annahme gesichert sei. Nein, wir müssen drängen. Ich bin froh, daß es uns gelungen ist, dieses Echo nicht nur aus Paris, sondern auch aus Washington und auch aus London zu bekommen.
({1})
Das dritte. Herr Kollege Erler, Sie haben die Zusammenfassung, die ich über die Gespräche gab, die ich hatte, als eine Verabredung mit dem französischen Staatspräsidenten bezeichnet. Das ist natürlich nicht der Fall. Aber ich glaube, wir dürfen froh sein, daß uns unsere Politik so weit gebracht hat, daß wir mit Vertrauen und Dank alles das feststellen können, was sich hier zwischen den beiden Völkern glücklich und freundschaftlich entwickelt hat.
Das vierte. Damit auch das klar ist, darf ich vielleicht aus dem Text der Pressekonferenz folgendes zitieren. De Gaulle sagte:
Es ist wahr, daß die Sowjets, nachdem sie ihrer Zone mit Gewalt ein Regime nach ihrer Fasson aufgezwungen hatten, den Glauben erweckten, daß Deutschland eines Tages unter einem System der gleichen Art wiedervereinigt werDr. Barzel
den könne. Aber die atlantische Allianz, der wirtschaftliche und soziale Erfolg der Bundesrepublik, die Ablehnung, die der Kommunismus bei der gesamten deutschen Bevölkerung fand, machten diese Ansprüche hinfällig.
Wir sind froh, unseren Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet zu haben. Die Voraussetzung der Wiedervereinigung in Freiheit bleibt, daß hier gesicherte Freiheit ist.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mommer.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es hat sich gelohnt, daß wir diese aktuelle Stunde veranstaltet haben. Wir sind beruhigt durch die Erklärungen, die die Bundesregierung hier abgegeben hat, einmal der Herr Außenminister, was die deutsche Initiative angeht, und ein anderes Mal der Herr Bundeskanzler in bezug auf die Mitwirkung aller unserer Verbündeten bei der Aufgabe, die die Aufgabe Nr. 1 des deutschen Volkes bleibt.
Meine Damen und Herren, das ist die Haltung von uns allen hier im Saal. Aber das ist nicht die Haltung, die aus dem Presseinterview des Präsidenten der Französischen Republik hervorgeht. Wenn da mit keinem Wort die Vereinigten Staaten und Großbritannien erwähnt sind, so ist das kein Zufall, sondern liegt auf der Linie der Politik, die der französische Staatspräsident verfolgt, nämlich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten möglichst - möglichst! - aus Europa hinauszudrängen. Wir freuen uns, daß wir uns darin einig bleiben. Wir brauchen viele Freunde. Wir brauchen Freunde in der ganzen Welt. Wir brauchen alle unsere Verbündeten, jawohl, aber vor allem auch die Vereinigten Staaten.
({0})
Ich habe keine Wortmeldungen mehr. Die Zeit ist noch nicht ganz abgelaufen. Aber das soll nicht bedeuten, daß ich jemanden auffordere, sich noch zu melden. Die aktuelle Stunde ist damit abgeschlossen.
Ich glaube, das Haus hat die Bewährungsprobe dieser ersten Stunde bestanden. „Vivant sequentes", darf ich auf lateinisch sagen.
Zu den in der Fragestunde der 132. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Juni 1964 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Kempfler Nr. I/1 und I/2 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Cartellieri vom 5. Februar 1965 eingegangen:
Die Frage ist in der Zwischenzeit von den zuständigen Bundesressorts und von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland einer eingehenden Prüfung unterzogen worden und hatte folgendes Ergebnis:
Die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 des Gesetzes könnte allenfalls deshalb in Zweifel gezogen werden, weil hier ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt festgelegt ist, ohne daß die Voraussetzungen, unter denen die Erlaubnis zu erteilen ist, in der Vorschrift selbst enthalten wären. Die Entscheidung scheint damit allein in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Nun ist es zwar richtig, daß die in einem Rechtsstaat erforderliche Begrenzung des Ermessens der Verwaltungsbehörde bei Verboten mit Erlaubnisvorbehalt im Gesetz selbst festgelegt sein muß. Das Gesetz über die Führung akademischer Grade bietet jedoch ausreichend Anhaltspunkte, um eine diesem Grundsatz Rechnung
tragende Auslegung des § 2 Abs. 1 zu ermöglichen. Wie sich aus der gleichzeitigen Regelung der Führung ausländischer und inländischer akademischer Grade ergibt, ist die Hauptaufgabe, die das Gesetz lösen will, der Schutz der deutschen akademischen Grade. Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Führung akademischer Grade vom 21. 7. 1939 ({0}) hat der Antragsteller u. a. sein Reifezeugnis sowie Studien- und Prüfungsnachweise beizubringen. Im Genehmigungsverfahren ist also darauf abzustellen, ob der ausländische akademische Grad einem inländischen Grad gleichwertig ist, d. h. ob er auf Grund eines Studiums an einer anerkannten wissenschaftlichen Hochschule und nach Bestehung einer Prüfung erworben wurde. Auch § 2 Abs. 2 des Gesetzes, wonach die Genehmigung hinsichtlich akademischer Grade bestimmter ausländischer Hochschulen allgemein erteilt werden kann, deutet darauf hin, daß auf die Gleichwertigkeit abzustellen ist. Entsprechend diesen Grundsätzen hat sich eine ständige Verwaltungspraxis entwickelt.
Im übrigen ist ein Ermessenspielraum, wie er sich in § 2 Abs. 1 des Gesetzes findet, keine auf vorkonstitutionelle Normen beschränkte Besonderheit. Auch die neuere Bundesgesetzgebung weist mitunter ähnliche Regelungen auf ({1}). Auch hier ergibt sich die rechtsstaatlich erforderliche Begrenzung des Ermessens aus dem Gesamtinhalt der geregelten Materie.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade können demnach keine grundsätzlichen Bedenken geltend gemacht werden. Es muß den zuständigen Landesgesetzgebern überlassen bleiben, ob sie im Wege einer Novellierung des Gesetzes die in der Verwaltungspraxis entwickelten Grundsätze als Voraussetzungen in den Gesetzestext aufnehmen wollen.
Zu der in der Fragestunde der 160. Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. Januar 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Bechert Nr. VI/4 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 28. Januar 1965 eingegangen:
Manöverschäden, die durch die ausländischen Stationierungsstreitkräfte und durch die Bundeswehr verursacht werden, sollen nach Möglichkeit gütlich durch Vereinbarung geregelt werden. Hierfür sind bei Stationierungsschäden die Behörden der Verteidigungslastenverwaltung der Länder, bei Bundeswehrschäden die Behörden der Bundeswehrverwaltung zuständig.
Nach dieser Vorbemerkung über die Zuständigkeit darf ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Verteidigung zu der gestellten Frage selbst folgendes sagen:
Ein Großteil der Schäden, insbesondere die Bagatellschäden, werden in einem vereinfachten Verfahren durch Vereinbarung teils schon während des Manövers, teils bald nach seinem Abschluß geregelt. Die Abwicklung dürfte im allgemeinen nicht länger als 2 Monate in Anspruch nehmen.
Aber auch Schäden, die nicht unter das vereinfachte Verfahren fallen, wozu insbesondere z. B. Straßenschäden u. ä. schwierigere und umfangreichere Komplexe gehören, werden von den zuständigen Landes- oder Bundeswehrverwaltungsbehörden im Interesse der Betroffenen so zügig wie irgend möglich bearbeitet. Bei den Stationierungsschäden ist hierbei allerdings zu berücksichtigen, daß die Stationierungsstreitkräfte dabei zu beteiligen sind. Kommt eine Einigung nicht zustande, so kann der Betroffene in beiden Fällen die Festsetzung der Entschädigung im förmlichen Verfahren vor den Festsetzungsbehörden der Inneren Verwaltung der Länder verlangen. Über die Dauer solcher Festsetzungsverfahren, an die sich u. U. ein Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten anschließen kann, läßt sich generell nichts sagen. Dazu sind diese Verfahren nach Umfang und Schwierigkeitsgrad zu verschieden.
Übrigens kann bei Stationierungsschäden schon während des Verfahrens mit Vorauszahlungen geholfen werden, die bis zu 80 % der voraussichtlichen Entschädigung betragen dürfen. Auch die Bundeswehrverwaltung hat die Möglichkeit, in besonderen Fällen Vorschüsse zu leisten.
Zu der in der Fragestunde der 160. Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. Januar 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Börner Nr. X/1 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 30. Januar 1965 eingegangen:
Es trifft zu, daß ledige Soldaten, die auf Grund dienstlicher Verpflichtung in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen, nur den halben Ortszuschlag erhalten.
Diese durch § 12 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes ({2}) getroffene Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß diese Soldaten den örtlichen Teuerungsverhältnissen nur zum Teil unterworfen sind und in keinem Fall Ausgaben für Wohnung, Heizung, Licht, Wasser usw. haben. Trotz der Tatsache, daß diese Soldaten regelmäßig auch an der verbilligten Gemeinschaftsverpflegung ({3}) teilnehmen, hat es der Gesetzgeber für vertretbar gehalten, ihnen die Hälfte des Ortszuschlages zu belassen. Im Gegensatz hierzu hatten Ledige nach früherem Besoldungsrecht überhaupt keinen Anspruch auf Woh7930
Vizepräsident Dr. Schmid
nungsgeldzuschuß ({4}). Die Gewährung der Hälfte des Ortszuschlages kann somit keinesfalls als Benachteiligung angesehen, die Differenz zum vollen Ortszuschlag mithin auch nicht als „Miete" bezeichnet werden.
Unter diesen Umständen entspricht es auch nicht der Rechtslage, die Differenz zwischen dem halben und dem ganzen Ortszuschlag mit der Höhe der Raumnutzungsgebühr in Vergleich zu setzen. Die Raumnutzungsgebühr wird nur von den ledigen und verheirateten Soldaten erhoben, die zur Teilnahme an der Gemeinschaftsunterkunft nicht verpflichtet sind, diese aber zeitweilig mit besonderer Genehmigung in Anspruch nehmen. Sie kann daher nur den Wert der tatsächlichen Raumnutzung in angemessener Weise berücksichtigen und ist deshalb verhältnismäßig niedrig. Da kein Anspruch auf bestimmte Ausstattung, Größe des Raumes und überhaupt auf Überlassung der Nutzung besteht, kann die Gebühr ebenfalls nicht als „Miete" angesehen werden.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Fragestunde ({5}). Die Frage I wird am Freitag aufgerufen.
II, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Strohmayr -:
In welcher Weise ist das Bundeswirtschaftsministerium in das von der Bayerischen Staatsregierung geplante Rationalisierungsprogramm für die Textilindustrie in Bayern eingeschaltet worden?
({6})
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist eines der interessantesten parlamentarischen Instrumente, dessen Handhabung um so nutzbringender ist, je mehr nichtfragende Abgeordnete zuhören, wie geantwortet wird. - Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu setzen.
Dem Bundesministerium für Wirtschaft ist aus Gesprächen mit Vertretern des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr bekannt, daß man sich -
Meine Damen und Herren, die Aufforderung, sich zu setzen, gilt für jedermann ohne Ansehen der Person. - Herr Abgeordneter Gerstenmaier, ich habe das Haus aufgefordert, Platz zu nehmen.
({0})
Herr Staatssekretär, fahren Sie bitte fort.
Ich beginne nochmals. - Dem Bundesministerium für Wirtschaft ist aus Gesprächen mit Vertretern des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr bekannt, daß man sich in Bayern mit dein Gedanken trägt, das „ERP-Kreditprogramm für Anpassungs- oder Umstellungsmaßnahmen der gewerblichen Wirtschaft auf Grund des internationalen Wettbewerbs" durch ein bayerisches Kreditprogramm zu ergänzen. Durch dieses von der bayerischen Staatsregierung in Aussicht genommene Programm soll verschiedenen Zweigen der bayerischen Industrie, insbesondere der Textilindustrie, die im Zuge der Entwicklung zu größeren Märkten in besonderem Maße Strukturveränderungen ausgesetzt sind, die Durchführung notwendiger Anpassungsmaßnahmen erleichtert werden.
Über die Richtlinien für dieses Programm ist bisher meines Wissens noch nicht abschließend entschieden worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, bis wann hier mit Maßnahmen gerechnet werden kann?
Herr Abgeordneter, ich zögere etwas, diese Frage zu beantworten, weil dieses Zusatzprogramm eine rein bayerische Angelegenheit ist. Aber wie ich sagte, arbeiten wir mit dem bayerischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr gut zusammen. Herr Staatssekretär Wacher hat mir heute am Telefon gesagt, daß die Entscheidung sehr bald fallen werde. Sie hängt von der Etatberatung im Bayerischen Landtag ab.
Frage II/2 - des Abgeordneten Strohmayr -:
Ist dem Bundeswirtschaftsminister bekannt, bis wann die geplante rechtsrheinische Erdgassammelleitung den Raum Augsburg-München erreichen wird?
Es ist zur Zeit noch nicht genau zu übersehen, bis wann die geplante rechtsrheinische Erdgassammelleitung den Raum Augsburg/München erreichen wird. Die Beantwortung dieser Frage hängt insbesondere davon ab, wann es zum Abschluß entsprechender Verträge über die Lieferung von Erdgas in den bayerischen Raum kommen wird, wie schnell die Verhandlungen über 'den Bau und Betrieb der Erdgassammelleitung im süddeutschen Raum zu einem Abschluß gelangen und in welchem Maße vorhandene Leitungen zum Transport von Erdgas herangezogen werden.
Die Lösung dieser Fragen ist in erster Linie Sache privatwirtschaftlicher Entschließung.
Sofern die derzeitigen Überlegungen schnell zu Ergebnissen führen, kann damit gerechnet werden, daß die geplante rechtsrheinische Erdgassammelleitung etwa 1968 bis 1970 den Raum Augsburg/ München erreichen wird.
Konkretere Angaben können angesichts des gegenwärtigen Sachstandes nicht gemacht werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob an einen Verbund mit den niederbayerischen Erdgasleitungen gedacht ist?
Herr Abgeordneter, diese Leitung soll ja angeschlossen werden an die bekannte Leitung, die vom norddeutschen Raum bis Ulm geführt wird, über die zur Zeit verhandelt wird. Mehrere Anschlußmöglichkeiten sind zwischen der nördlichen Trasse, der Trasse Ulm/Passau und der südlichen
Trasse, von Kempten genau nach Osten verlaufend, vorgesehen. Nach Norden heraus führt die Leitung Ingolstadt/Regensburg.
Danke schön!
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft sind beantwortet. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ides Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Frage III - des Abgeordneten Hammersen -:
Treffen Gerüchte zu, denen zufolge die Bundesregierung beabsichtigen soll, den nach dem Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni 1960 am 1. Juli 1965 anstehenden nächsten Freigabetermin für ca. 50 Kreise auf den 31. Dezember 1965 zu verschieben und somit die Rechtswirkungen aus dem genannten Gesetz für die Kreise, deren statistisches Wohnungsdefizit am 31. Dezember 1964 nicht mehr als 3 Vo betrug, erst zum Jahresende 1965 eintreten zu lassen?
Nein, diese Gerüchte treffen nicht zu. In dem Gesetzentwurf zur Verlängerung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft, den die Bundesregierung im vergangenen Monat den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet hat, ist lediglich vorgesehen, den Endtermin um zwei Jahre zu verschieben. Der Termin des 1. Juli 1965 bleibt aufrechterhalten.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, wäre es nicht angesichts der Bedeutung, die gerade dieser Antwort für viele Tausende von Mietparteien zukommt, angezeigt, die Antwort noch durch eine amtliche Erklärung der Bundesregierung zu vervollständigen oder zu unterstreichen?
Herr Abgeordneter, ich greife Ihre Anregung gern auf. Wir werden es in geeigneter Form noch einmal klarstellen.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Darf ich weiter fragen, Herr Staatssekretär, ob die etwa fünfzig Stadt- und Landkreise, die somit am 1. Juli dieses Jahres das schwarze Trauergewand einer mehr als vierzigjährigen Wohnungszwangswirtschaft mit dem weißen Freudenkleid des freien Wohnungsmarktes vertauschen dürfen, bereits von diesem freudigen Ereignis, daß sie endlich „weiß" werden, unterrichtet sind?
Das wird wie immer in dem üblichen Verfahren geschehen, sobald die einwandfreien statistischen Daten dafür vorliegen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jacobi!
Herr Staatssekretär, darf ich, ohne mich des merkwürdigen Bildes zu bedienen, das der Kollege Hammersen soeben gebraucht hat, fragen, ob aus Ihrer Antwort zu entnehmen ist, daß Erwägungen in der Bundesregierung, mit der Verschiebung der Schlußtermine doch noch einmal die Frage der weißen Kreise zu überprüfen, abgeschlossen sind, ob Ihre Antwort also generell bedeutet, daß unabhängig von der Verschiebung der Schlußtermine jeweils zu den Daten, die sich aus der Statistik ergeben, die Erklärung zum weißen Kreis mit den damit verbundenen Folgen von Ihnen veranlaßt werden wird oder sich zwangsläufig ergibt?
Ich darf darauf verweisen, daß die Bundesregierung ihre Meinung dazu in dem Gesetzentwurf niederlegt hat, wonach es ja bei den Abbaustufen verbleibt, mit Ausnahme der Endtermine.
Die Frage ist beantwortet.
Die Frage zu IV, Geschäftsbereich des Bundesschatzministers, wird Donnerstag aufgerufen.
Wir kommen dann zu V, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, und zwar zunächst zu der Frage V/1 - des Abgeordneten Mischnick -:
Würde es die Bundesregierung aus ihrer gesamtdeutschen Verantwortung heraus begrüßen, wenn die Senderkette des Deutschen Fernsehens in der Zeit, in der sie weder für die Ausstrahlung des 1. Programms noch für die Wartung in Anspruch genommen wird, dem Zweiten Deutschen Fernsehen zur Ausstrahlung seines Programms in die Sowjetzone zur Verfügung gestellt würde?
Die Frage des Kollegen Mischnick ist mit Ja zu beantworten. Die Bundesregierung bemüht sich zusammen mit dem Bundesministerium für das Post-und Fernmeldewesen und den Rundfunkanstalten der Länder und auch mit den Bundesanstalten nach Bundesrecht, den Empfang der von hier aus abgestrahlten Sendungen in Mitteldeutschland zu verbessern. Das gilt auch für die Fernsehsendungen. Am 2. Juli vorigen Jahres habe ich deshalb die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gebeten, besonders geeignete Teile des Zweiten Programms über die Sendekette des Ersten Fernsehens auszustrahlen, weil das Zweite Deutsche Fernsehen in Mitteldeutschland über die Fernsehkette des Zweiten Fernsehens nicht empfangen werden kann. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat erklärt, daß sie die Dinge prüfen werde. Das letzte Schreiben, daß man in eine Prüfung eintrete, datiert vom 9. Februar dieses Jahres.
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Minister, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, generell darauf hinzuwirken, daß politisch interessante Sendungen für die Zone in beiden Anstalten zu besseren Zeiten gesendet werden, als das zum Teil jetzt der Fall ist?
Herr Kollege Mischnick, die Bundesregierung wird nichts unversucht lassen, um sowohl den Fernsehempfang in Mitteldeutschland technisch zu verbessern wie auch das Programm besser zu gestalten. Es ist nicht zu verantworten, staatspolitisch wertvolle Sendungen zur Information, zur Aufklärung etwa erst ab 22.30 Uhr auszustrahlen, wie es leider in der Vergangenheit geschehen ist. Ich habe mit einem Schreiben vom 4. Dezember 1963, also vor eineinviertel Jahren, den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - damals Herr Intendant von Bismarck - gebeten, und zwar in Übereinstimmung mit dem Bundestagsausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, nicht nur die Zeiten der Fernsehsendungen vorzuverlegen, sondern auch möglichst eine ständige Sendung einzurichten, etwa am Freitag oder am Samstag nach der Tagesschau, die ungefähr drei bis fünf Minuten lang sein und unter dem Leitwort „Das Wort an ganz Deutschland" stehen sollte. Es sollten hier hervorragende Persönlichkeiten Deutschlands zu ganz Deutschland, also auch zur mitteldeutschen Bevölkerung, sprechen, in gewisser Analogie zum „Wort zum Sonntag" oder zu dem vor einiger Zeit noch ausgestrahlten „Brief aus Amerika" von Thilo Koch. Leider ist eine Entscheidung darüber, ob diese drei oder fünf Minuten am Anschluß an die Tagesschau eingeräumt werden sollen, trotz des Zeitablaufs von eineinviertel Jahr noch nicht erfolgt.
Die Tagesschau des 1. Deutschen Fernsehens erfreut sich in Mitteldeutschland wegen der Objektivität ihrer Information außerordentlicher Wertschätzung. Deswegen wäre es zweckmäßig, im Anschluß an diese Tagesschau dieses „Wort an ganz Deutschland" zu senden. Ich hoffe, wir werden es trotz der Verzögerung, die, wie gesagt, bedauerlich genug ist, dennoch erreichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Minister, ist Ihnen etwas darüber bekannt, daß zur gleichen Zeit, zu der Sie sich hier bemühen, eine bessere Lösung zu finden, bei der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands Überlegungen in der Richtung angestellt werden, daß die bisherige Sendung „Diesseits und jenseits der Zonengrenze", die sich allgemeiner Beliebtheit erfreut, in Zukunft eingestellt werden soll?
Herr Kollege, als wir diese Nachrichten hörten, haben wir uns sofort an den neuen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands, den Intendanten des Hessischen Rundfunks, Herrn Hess, gewandt, und zwar
in einem Fernschreiben vom 19. Januar 1965. Herr Hess hat am 20. Januar, also einen Tag später, mitgeteilt, daß sich die Intendanten-Konferenz einstimmig für eine Verstärkung der Programme für Mitteldeutschland ausgesprochen habe und daß einige Veränderungen bevorstünden. Erstens werde die Sendung „Diesseits und jenseits der Zonengrenze" auch weiterhin zu einem festen Termin und zu guter Sendezeit ausgestrahlt werden, und zwar 14tägig im Wechsel dienstags um 21.45 Uhr beginnend - immer noch spät genug, was ich bedaure - und freitags, hier allerdings bereits um 20.15 Uhr beginnend, was ich als einen Fortschritt ansehe. Darüber hinaus sollten in einer neuen MagazinSendung, die der Westdeutsche Rundfunk Köln in Zukunft neben den Sendungen „Panorama" und „Report" alle 14 Tage am Freitag senden werde, in stärkerem Maße als bisher aktuelle Fragen behandelt werden, die sich aus der Teilung Deutschlands ergäben.
Ich rufe auf die Frage V/2 - des Abgeordneten Herold -:
In welcher Weise fördert das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Altersheime, Volkshochschulen und andere staatsbürgerliche Erziehungsstätten im Zonenrandgebiet?
Ich darf auf diese Frage folgendes antworten: Für das Zonenrandgebiet stehen dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Frage Förderungsmittel nur für kulturelle Aufgaben und Maßnahmen gesamtdeutschen Charakters zur Verfügung. Altersheime und staatsbürgerliche Erziehungsstätten können aus diesen Mitteln nicht gefördert werden. Für Volkshochschulen im Zonenrandgebiet sind im Rechnungsjahr 1964 auf Vorschlag der Kultusministerien der vier Zonenrandländer Bundeszuschüsse in Höhe von 584 200 DM gezahlt worden.
Ich rufe auf die Frage V/3 - des Abgeordneten Franke -:
Ist dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen bekannt, daß die vom niedersächsischen Ministerium für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge herausgegebene Informationsschrift über das Zonenrandgebiet ein hervorragendes Echo gefunden hat, namentlich bei Journalisten, Publizisten und Schulen?
Herr Präsident, ich bitte, mir zu genehmigen, daß ich die Fragen 3 und 4 in der Antwort miteinander verbinde.
Ist der Fragesteller einverstanden? - Ja. Dann rufe ich zusätzlich die Frage V/4 - des Abgeordneten Franke - auf:
Ist das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen bereit, die Herausgabe der in Frage V/3 bezeichneten Schrift in einigen Fremdsprachen zu unterstützen?
Die vom niedersächsischen Ministerium für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und FlüchtBundesminister Dr. Mende
linge geschaffene Informationsschrift über das Zonenrandgebiet ist nach eingehender vorheriger Beratung mit dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen herausgebracht worden. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen übernahm fast die Hälfte der gesamten Druck- und Verlegekosten. Mir ist bekannt, daß diese Schrift in der gesamten Öffentlichkeit ein erfreuliches Echo gefunden hat und viel verlangt wird. Bei meinem ersten Besuch an der Zonengrenze vor etwa eindreiviertel Jahren habe ich einige Exemplare der Aufklärungsschrift des niedersächsischen Ministeriums für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge mitgenommen mit dem Ziel, sie übersetzen zu lassen und sie entlang der ganzen Zonengrenze in möglichst vielen Sprachen auszugeben.
Wir selbst haben schon vor Jahren eine Zonenrand-Aufklärungsschrift als Faltblatt herausgegeben. Sie ist im Juli 1964 in neun Fremdsprachen neu aufgelegt worden.
Wir werden selbstverständlich die Herausgabe dieser Schrift in einigen Fremdsprachen auch aus Mitteln unseres Hauses unterstützen, weil wir sie für ein wertvolles Mittel der Aufklärungsarbeit halten, an deren Kosten wir uns gerne beteiligen möchten.
Die Fragen sind beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Lohmar gestellte Frage VI/1 auf:
Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der Untersuchungen zum Problem der Begabungsreserven bekannt, die von den Kultusministerien der Länder Bayern und Baden-Württemberg veranlaßt wurden?
Ich bitte mir zu gestatten, daß ich die drei Fragen des Abgeordneten Dr. Lohmar zusammen beantworte.
Ist der Fragesteller damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann rufe ich auch die Fragen VI/2 und VI/3 auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die abweichenden Resultate der in Frage VI/1 genannten Untersuchungen hinsichtlich der vorhandenen Begabungsreserven?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Bundesländer zu einer methodisch einheitlichen und sachlich ausreichenden Untersuchung der Frage zu veranlassen, in welchem Maße mit Begabungsreserven in der jungen Generation gerechnet werden kann?
Der Bundesregierung sind die beiden Erhebungen bekannt. Die Unterschiede erklären sich daraus, daß für die Untersuchungen in Bayern alle 700 000 in Frage kommenden Schüler, in Baden-Württemberg dagegen nur die Schüler aus drei Landkreisen herangezogen worden sind, und zwar aus drei Landkreisen, in denen keine besonders intensive Bildungsstruktur vorliegt. Aus diesen verschiedenen Maßstäben erklären sich die unterschiedlichen Ergebnisse.
Die Bundesregierung hat weder ein Recht noch die Absicht, auf diese Länder einzuwirken. Aber
sobald der Bildungsrat besteht, werden wir in den gemeinsamen Gesprächen, die dort vorgesehen sind, auch die Methoden solcher Untersuchungen erörtern.
Zusatzfrage!
Herr Minister, Sie erklären den Widerspruch in den Ergebnissen beider Untersuchungen daraus, daß in Bayern eine sehr viel größere Zahl von Schülern in die Untersuchung einbezogen worden ist als in Baden-Württemberg, wo man die Erhebung auf drei - noch dazu bildungspolitisch unterentwickelte - Landkreise beschränkt hat. Müßte man, wenn man von dieser Ihrer Voraussetzung ausgeht, nicht annehmen, daß in den baden-württembergischen Ergebnissen ein geringeres Begabungspotential festgestellt worden sei als in den Ergebnissen aus Bayern, während es doch in Wirklichkeit - das wissen Sie genausogut wie ich - gerade umgekehrt ist?
Es handelt sich nicht um meine Voraussetzungen, sondern um die Voraussetzungen der beiden veranlassenden Behörden, die jeweils einen anderen Maßstab bei ihren Befragungen - Befragungen durch Lehrer - angelegt haben. Wenn Sie das bayerische Ergebnis etwas differenzieren und analysieren, werden Sie feststellen, daß auch dort große Abweichungen von Landkreis zu Landkreis und zwischen Stadt und Land bestehen. Man sieht also, daß die methodischen Fragen noch nicht völlig geklärt sind und daß es noch gewisser Forschungen bedarf. Diese Forschungen könnten durch das Max-Planck-Institut oder durch das Bundesamt für Statistik angestellt werden. Es muß jedenfalls eine einheitlich gültige Methode gefunden werden. Was ich dazu 'beitragen kann, werde ich gern tun.
Zusatzfrage.
Darf ich die Antwort auf meine letzte Frage so verstehen, Herr Minister, daß Sie bis zu dem Zeitpunkt, wo in dem Bildungsrat der Ihrer Meinung nach notwendige Rahmen für ein Gespräch mit den Ländern geschaffen worden ist, in Ihrem Hause die Vorbereitungen dafür treffen werden, daß die Bundesregierung dann unverzüglich mit Anregungen an die Länder herantreten kann?
Ich werde Vorbereitungen durch das Bundesamt für Statistik einleiten.
Zusatzfrage.
Ich setze voraus, daß sich die Untersuchungsergebnisse im wesentlichen auf junge Menschen beziehen, die nicht älter als 14 bzw. 18 Jahre sind, und frage die Bundesregierung, ob sie eine Vorstellung davon hat, was mit den Begabungsreserven der älteren Jahrgänge, die nicht mehr in
den Genuß von schulischen Förderungen kommen, geschehen kann.
Auch das müßte über die Länder geschehen. Wir könnten bei der Kultusministerkonferenz eine Anregung geben. Ich werde das gern tun.
Frage VI/4 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Ist die Äußerung eines Landesministers richtig, der nach mir zugeleiteten Resolutionen behauptet, daß seine Landesregierung gegen die Flut sittenverderbender Machwerke machtlos sei, wenn nicht die bundesrechtlichen Verbotsvorschriften erweitert würden?
Ich bitte mir zu gestatten, die beiden Fragen zusammen zu beantworten.
Einverstanden. Frage VI/5 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Wenn die Behauptung nach Frage VI/4 zutrifft: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Ländern die erforderliche Zuständigkeit zu geben, gegen die Veranlasser sittenverderbender Machwerke wirksam vorgehen zu können?
Mir ist die erste Frage nicht ganz verständlich, weil der betreffende Landesinnenminister durchaus über die
gleichen Erkenntnisse verfügt, die uns zugänglich sind. Es gibt ein Gesetz über die Verbreitung von jugendgefährdenden Schriften, und es gibt eine Einrichtung, die, wenn Anträge vorliegen - und Anträge müssen eingebracht werden -, recht wirksam zu arbeiten weiß. Soweit es sich um andere Erzeugnisse handelt, gibt es ebenfalls Prüfungseinrichtungen, wie z. B. die freiwillige Selbstkontrolle. Im übrigen gibt es den § 184 und den § 184 a des Strafgesetzbuches, ebenfalls zwei Instrumente, die wirksam eingesetzt werden können.
Interessant ist folgendes. Die Antragsberechtigung liegt beim Bund und bei den Ländern, bei den obersten Jugendbehörden. Es liegen aber recht unterschiedliche Ergebnisse vor. Es wäre interessant zu wissen, aus welcher Ecke Ihre Frage kommt. Dann könnte ich Ihnen vielleicht auch den Prozentsatz sagen. Sie könnten dann zurückschreiben, daß von der Möglichkeit nicht der angemessene Gebrauch gemacht worden ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Ihnen sagen, daß ich in etwa diese Beantwortung meiner Frage erwartet habe. Ich werde Ihnen gern die Resolutionen zuleiten, die ich bekommen habe, damit Sie wissen, aus welcher Ecke die Meinung verbreitet worden ist, die Länder hätten nicht genügend Handhaben, um Maßnahmen treffen und entsprechend vorgehen zu können.
Es ist zwar keine Frage gestellt worden, aber ich darf auf Ihre Bemerkungen erwidern, daß ich Ihnen nur empfehlen kann, diese Antwort den Verfassern der Resolutionen weiterzuleiten.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies.
Herr Bundesminister, darf ich an die unterschiedliche Qualifizierung des Filmes „Das Schweigen" erinnern und feststellen, daß es durch die unterschiedliche Behandlung dieser Materie in der deutschen Rechtsprechung doch eine große Rechtsunsicherheit gibt.
Die Rechtsprechung entzieht sich unserer Einflußnahme. Ich glaube, wenn man bis zur höchsten Instanz geht, wird man auf dem Wege über die Rechtsprechung auch ein ziemlich einheitliches Bild erzielen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies.
Herr Bundesminister, glauben Sie, daß die Landesminister von sich aus alles tun könnten, um hier das Erforderliche zu veranlassen, damit gegen ,diese Machenschaften wirklich wirksam vorgegangen werden kann?
Die Landesminister haben sehr viele Möglichkeiten, genauso wie der Bund. Der Bund hat davon reichlich Gebrauch gemacht. Sollte das Hohe Haus der Meinung sein, daß diese Möglichkeiten noch ausgedehnt werden sollten, so wird es mich bestimmt nicht als Gegner haben.
Herr Abgeordneter Spies, ich glaube, es ist eine Überforderung eines Bundesministers, ihn zu fragen, was er etwa von dem, was ein Landesminister tun könnte, glaubt.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Jugendbehörden der Länder eine Arbeitsteilung beschlossen haben, nach der in dem einen Land mehr die Kriminalromane auf jugendgefährdendes Schrifttum durchforscht werden, während sich die anderen Jugendbehörden mehr mit Leihbuchromanen befassen, und ist es richtig, daß sich aus dieser Arbeitsteilung die verschiedene Zahl der Anträge aus den einzelnen Ländern erklärt und daß Schlüsse über größere oder kleinere Intensität der Verfolgung nicht zutreffend sind?
Mir ist eine solche Arbeitsteilung nicht bekannt. Aber sie wäre ein guter Grund dafür, daß die Ergebnisse so unterschiedlich sind.
Eine Zusatzfrage, Frau Pitz.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß durch eine bessere AusFrau Pitz-Savelsberg
stattung Ides Etats der Bundesprüfstelle sehr vieles auf diesem Gebiet verbessert werden könnte?
Ich sehe der Möglichkeit der Haushaltsberatungen mit Vergnügen entgegen.
({0})
Die nächste Frage, Frage VI/6 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -:
In wieviel Mordfällen in der Bundesrepublik konnten die Täter bis jetzt nicht ermittelt werden?
Die nächste Frage darf ich folgendermaßen beantworten.
In den Jahren 1953 bis 1963 - seit 1953 wird Kriminalstatistik geführt - sind 4004 Straftaten dieser Art - Mord und Totschlag, hier gemeinsam gezählt und nichtdifferenziert - bekanntgeworden. Davon wurden 3574, also 89,3 % aufgeklärt. Nicht aufgeklärt blieben 10,7 %.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie sagen, wie wir hinsichtlich der Aufklärungsquote in etwa im internationalen Vergleich liegen, also hinsichtlich der Fälle, die nicht aufgeklärt werden konnten?
Es ist bedauerlich, wenn ein Fall nicht aufgeklärt werden kann. Aber sowohl im nationalen wie im internationalen Bereich ist dieses Ergebnis als außerordentlich günstig zu bezeichnen.
Noch eine Zusatzfrage?
Herr Minister, welche personellen und materiellen Maßnahmen halten Sie für geeignet, um die von Ihnen genannte Dunkelziffer noch mehr zu senken?
Eine Verbesserung des polizeilichen Bereichs auf der Kommunal-, Länder- und auf der Bundesebene.
({0})
- Aus der Verbesserung dieser polizeilichen Einrichtungen ergeben sich schon die materiellen Folgen.
Keine Zusatzfrage mehr.
Dann rufe ich Frage VI/7 - der Frau Abgeordneten Freyh - auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell die vorgesehenen Ausbildungszulagen im Bundeskindergeldgesetz - Drucksache IV/2649 - ebenso wie das Kindergeld nicht als anrechnungsfrei zu behandeln, sondern dem Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten hinzuzurechnen?
Die Bundesregierung ist durchaus der Meinung, daß eine Anrechnung stattfinden muß. Die Vorlage, die Sie anziehen, ist nicht eine Vorlage der Bundesregierung, sondern eine Initiativvorlage aus dem Hohen Haus. Das Plenum hat die Vorlage noch nicht verabschiedet, so daß Endgültiges noch nicht gesagt werden kann. Aber grundsätzlich sind wir der Meinung, daß eine Anrechnung stattfinden muß. Die Frage, ob die Anrechnung beim Einkommen oder bei der Beihilfe erfolgen soll, muß noch geklärt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, welche Erwägungen haben denn die Bundesregierung bisher veranlaßt, das Kindergeld, das ja aus sozialen Gründen sonst steuerfrei gehalten wird, bei der Studentenförderung und auch beim Bundessozialhilfegesetz beispielsweise als Einkommen zu werten?
Sie haben recht. Sie sprechen damit eine Zweifelsfrage an. Die Auslegung hat bisher in dem erwähnten Sinne stattgefunden. Ich werde die Auslegung überprüfen lassen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß daraus gewisse soziale Ungerechtigkeiten entstanden sind und daß eine solche Auslegung, wie sie bisher erfolgt ist, eigentlich schon lange sozial ungerecht gewesen ist und dringend hätte abgestellt werden müssen?
Wenn ich nicht der Auffassung wäre, hätte ich keine Nachprüfung zugesagt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerlach.
Herr Minister, ist Ihnen als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion nicht bekannt, daß die Ausbildungszulage doch eigentlich zur Verstärkung des Familienlastenausgleichs gegeben werden sollte?
Wir haben eine sehr verschiedene Regelung. Wir haben im Kriegsopferrecht - um ein Sachgebiet herauszugreifen - den rechtlichen Sachverhalt, wonach eine Anrechnung stattfindet.
Noch eine Zusatzfrage.
Entspricht es nicht bei dem betonten Charakter des Familienlastenausgleichs dem Sinn der Ausbildungszulage, eine Anrechnung zu unterlassen?
Der einfachste Weg dazu ist eine gesetzliche Bestimmung. Nachdem die Vorlage noch offen ist, darf ich Sie bitten, um eine solche gesetzliche Bestimmung besorgt zu sein.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, zunächst Frage VII/1 - des Herrn Abgeordneten Rademacher -:
Wurden alle Vorbereitungen getroffen, um die nächtliche Abfertigung an der deutsch-niederländischen Grenze in Emmerich stromaufwärts durchführen zu können?
({0})
Während die Abfertigung von Rheinschiffen stromabwärts bereits seit dem 18. Januar 1965 auf niederländischem Staatsgebiet in Lobith auch nachts von der deutschen und niederländischen Zollverwaltung gemeinsam durchgeführt wird, erfolgt die gemeinsame Zollabfertigung von bergfahrenden Schiffen in Emmerich nur bei Tage. Die deutsche und die niederländische Zollverwaltung sind sich darin einig, daß Nachtabfertigungen aus Sicherheitsgründen nur am Steiger, also vom Lande aus, möglich sind.
Gegen die schon häufig in Erwägung gezogene Nachtabfertigung von Bergfahrern in Emmerich bestehen wegen der ungünstigen Stromverhältnisse erhebliche Bedenken technischer Art, auf die der Bundesminister für Verkehr in der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt mehrfach hingewiesen hat. Die Zentralkommission hat nunmehr die zuständigen deutschen Stellen im Dezember 1964 gebeten, die örtlichen Verhältnisse und die nautischtechnischen Möglichkeiten für eine Nachtabfertigung der Bergfahrt bei Emmerich erneut zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung soll im März oder im April 1965 auf der nächsten Sitzung des Zollausschusses der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt vorgelegt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Emmericher Rheinspediteure versuchen, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die Nachtabfertigung für bergfahrende Schiffe in Emmerich zu ermöglichen?
Das ist mir durchaus bekannt. Aber diese Bemühungen der Spediteure beseitigen nicht die nautisch-technischen Schwierigkeiten.
Würden Sie bereit sein, vom Ministerium aus das Bemühen der Emmericher Spediteure zu unterstützen, die Nachtabfertigung in Emmerich vorzunehmen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind?
Ja, selbstverständlich! Zur Zeit werden in Lobith Erfahrungen gesammelt, ob nicht dort die Nachtabfertigung der bergfahrenden Schiffe erledigt werden könnte.
Die Frage VII/2 wird beantwortet, wenn die an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gerichteten Fragen beantwortet werden.
Ich rufe auf die Frage VII/3 und VII/4 - des Abgeordneten Leicht -:
Zu welchem Prozentsatz sind die an die französischen Streitkräfte überlassenen Liegenschaften ({0}) in Landau ({1}) genutzt?
Wie viele der zur Belegung an Angehörige der französischen Streitkräfte überlassenen Wohnungen in Landau ({2}) stehen seit längerer Zeit leer?
Die den französischen Streitkräften in Landau/Pfalz überlassenen Liegenschaften werden von diesen weiter benötigt und augenblicklich auch voll genutzt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß ein Teil der Wohnungen, die in meiner zweiten Frage angesprochen sind, im Augenblick leerstehen?
Ihre zweite Frage muß ich mit Nein beantworten. Von den überlassenen Wohnungen stehen zur Zeit keine leer.
Die Fragen VII/3 und VII/4 sind damit beantwortet.
Ich rufe auf die Frage VII/5 - des Abgeordneten Leicht -:
Ist die Bundesregierung dem von mir schon oft ausgesprochenen Wunsch, die in Frage VII/3 angesprochenen Liegenschaften für die Bundeswehr freizumachen, schon einen Schritt nähergekommen?
Der Wunsch, die Liegenschaften der französischen Streitkräfte in Landau für die Bundeswehr frei zu machen, konnte der Verwirklichung bisher leider nicht nähergebracht werden. Er bleibt aber in die Umgruppierungsüberlegungen nach wie vor eingeschlossen.
Die Fragen sind beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe auf die Frage VIII/1 - des Abgeordneten Dr. Kohut -:
Warum gibt es keine bundeseinheitliche Aktion zur Bekämpfung und Ausrottung der Tollwut angesichts der Tatsache, daß deren Verbreitung sich nicht nach den Ländergrenzen richtet?
Die staatliche Bekämpfung
der Tierseuchen, also auch der Tollwut, richtet sich nach den Vorschriften des Viehseuchengesetzes von 1909, das als Bundesrecht fortgilt. Die Bestimmungen des Gesetzes sowie der Ausführungsvorschriften ergeben bundeseinheitlich den Rahmen für die staatliche Tierseuchenbekämpfung. Der Vollzug dieser Vorschriften liegt jedoch bei den Bundesländern. Die Bundesregierung kann daher eine eigene Aktion nicht durchführen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, es leuchtet doch ein, daß eine gemeinsame Aktion gegen die Tollwut geschaffen werden muß. Können die Länder nicht durch Sie als Bundesminister dazu veranlaßt
werden?
Die Länder werden jeweils auf Referentenebene bei uns im Hause über diese Dinge befragt. Wir sprechen mit ihnen über gemeinsame Richtlinien. Aber die Durchführung als solche muß dort bleiben, Wir können also nichts anderes tun als versuchen, möglichst gut zu koordinieren.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es denn wirklich so schwer, eine so vernünftige und hochwichtige Sache in dieser Bundesrepublik durchzuführen?
Ja, das ist sehr schwer.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Pohlenz.
Herr Minister, Ihnen ist ja bekannt, daß im Ernährungsausschuß Bestrebungen im Gange sind, im Hinblick auf die Maul- und Klauenseuche und die Schweinepest bundeseinheitliche Maßnahmen sicherzustellen. Würden Sie sich dafür verwenden, daß die Tollwut in diese Bestrebungen einbezogen wird?
Wir sind gerne bereit, mit den Ländern wegen der Sache Rücksprache zu nehmen.
Ich rufe auf die Fragen VIII/2 und VIII/3 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -:
Ist die Bundesregierung in der Lage, das Hohe Haus über das Gesetz der Vereinigten Staaten von Nordamerika 85-765 über die Einführung humaner Methoden beim Schlachten von Tieren vom 27. August 1958 zu unterrichten, das das rituelle Schächten ausdrücklich regelt und im Einklang mit der Politik der Vereinigten Staaten bezeichnet?
Haben dem in Frage VIII/2 genannten Gesetzgebungsakt wissenschaftliche Gutachten veterinärphysiologischer Art zugrunde gelegen?
Zur ersten Frage: Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben die Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz über die Einführung humaner Methoden beim Schlachten von Tieren vom 27. August 1958 erlassen. In Abschnitt 2 dieses Gesetzes wird bestimmt, daß u. a. die nachfolgend beschriebene Methode des Schlachtens von Vieh als human im Sinne dieses Gesetzes anzusehen ist: Schlachtungen nach den rituellen Vorschriften des jüdischen Glaubens und anderer religiöser Glaubensbekenntnisse, die ein Schlachtverfahren vorschreiben, bei dem das Tier durch Blutleere im Gehirn, die durch die gleichzeitige und sofortige Durchtrennung der Kopfschlagader mit einem scharfen Gegenstand verursacht wird, das Bewußtsein verliert.
Zu Frage VIII/3: Ob für den Erlaß dieses Gesetzes wissenschaftliche Gutachten veterinärphysiologischer Art maßgebend gewesen sind, ist mir nicht bekannt; es ist aber anzunehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, liegt Ihnen nicht das Gutachten vor von Mr. H. H. Dukes, Professor der Veterinär-Physiologie und Leiter des Department Staatl. Veterinär-College von New York, Cornell Universität, von dem behauptet wird, daß es das Gutachten gewesen sei, auf Grund dessen diese gesetzliche Regelung eingeführt worden ist?
Wir haben versucht, dies nachzuprüfen; es ist bisher noch nicht gelungen, Herr Kollege.
Frage VIII/4 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -:
Gibt es in der Bundesrepublik wissenschaftliche Gutachten veterinärphysiologischer Art über das rituelle Schlachten und seine Wirkungen für die betroffenen Tiere?
Zur Frage des rituellen Schlachtens haben namentlich in den Jahren 1927 bis 1929 maßgebende Wissenschaftler des In- und Auslandes sowie die Direktoren der deutschen Schlachthöfe Stellung genommen. Ein Teil dieser Gutachter ist .der Auffassung, daß das Schächten von Tieren als Tierquälerei anzusehen und daher abzulehnen ist. Demgegenüber hat eine nicht unerhebliche Zahl der Gutachter den Standpunkt vertreten, daß beim Schächten den Tieren keine größeren Schmerzen zugefügt werden als bei den sonst üblichen Schlachtmethoden.
Zusatzfrage.
Herr Minister, gibt es nicht neuere Gutachten - denn das sind immerhin Gutachten von 1927 bis 1929, soweit ich verstanden habe -, auf die man eine solche Regelung aufbauen könnte?
Uns liegen .aus neuester Zeit keine Gutachten vor, weil an und für sich die Fragen der Zuständigkeit in diesen Dingen zwischen Bund und Ländern noch nicht ganz geklärt sind und weil sich aus naheliegenden Gründen weder dieser noch jener Teil im Augenblick danach drängt, Gutachten anzufordern. Aber auch die vorliegenden Gutachten aus jüngerer Zeit, nämlich nach 1927/29, sind so unterschiedlicher Art, daß wir darauf im Augenblick keine Meinung stützen können.
Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn Sachverständige so unterschiedlicher Meinung sind, wie das offenbar von Ihnen behauptet wird, sind Sie dann nicht der Auffassung, daß wir es nicht - wie in der Frage des Issels-Prozesses - verwaltenden Stellen überlassen dürfen, diese Dinge je nach Gusto zu behandeln, sondern daß vielmehr der Gesetzgeber hier nun klar und eindeutig durch ein Tierschutzgesetz bestimmen muß, was Rechtens und was human ist?
({0})
Herr Kollege, vielleicht kommen wir dadurch fam besten weiter, daß ich noch einmal die Möglichkeit aufgreife, mit den Ländern darüber zu 'sprechen, um ein Gutachten anfertigen zu lassen, das neuesten Datums ist und das die Dinge klärt.
Wären Sie bereit, das Material, das Sie dazu haben, dem Innenausschuß, der sich je mit dem Tierschutzgesetz befaßt, zu übermitteln?
Jawohl.
Frage VIII/5 - des Abgeordneten Hermsdorf -:
Ist die Bundesregierung bereit, das zum Schutz der Bevölkerung auf eine Dauer von noch 10 Jahren geplante Deichbauprogramm zur Erhöhung der Landessicherheit unter Beachtung des Sicherheitsbedürfnisses auf einen Zeitraum von 5 Jahren zu verkürzen?
Zur Beantwortung der Frage darf ich vorweg bemerken, daß der Küstenschutz verfassungsmäßig zunächst eine Aufgabe der vier Küstenländer ist, zu deren Erfüllung der Bund bisher beachtliche Mitel bereitgestellt hat. Er ist bereit, diese Bundeshilfe auch weiterhin zu gewähren. Eine Erhöhung der Mittel zur zeitlichen Verkürzung des Deichbau-Programms hängt in den Ländern wie beim Bund von der Haushaltslage ab. Es kann heute noch nicht übersehen werden, ob die Bundesmittel künftig erhöht werden können.
Zusatzfrage.
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß die Auffassung, die Frage des Küstenschutzes sei eine ausschließliche Angelegenheit der Länder, etwas - nun, sagen wir - überholt ist? Denn schließlich dient der Küstenschutz nicht nur einem Land, sondern allen Ländern, die an der Küste liegen.
Herr Kollege Hermsdorf, ich darf darauf hinweisen, daß die Bereitstellung von Mitteln durch den Bund ein klarer Beweis dafür ist, daß wir uns nicht auf den Standpunkt stellen, daß sei einseitig Sache der Länder, sondern daß der Bund bereit ist, mitzuwirken, um den Schutz zu verwirklichen.
Zusatzfrage.
Das wird anerkannt. Aber, Herr Minister, haben Sie nicht gerade durch die Verschiebung des Beteiligungsverhältnisses Ihre ursprüngliche Zusage wesentlich eingeschränkt?
Das sieht zwar nach den Verhältniszahlen so aus, aber nicht nach der absoluten Höhe der gegebenen Gelder.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.
Ist eine größere finanzielle Wirksamkeit der zu Recht von dem Kollegen Hermsdorf angesprochenen Kürzung der Mittel für das Deichbauprogramm zur Erhöhung der Landessicherheit nicht dadurch gegeben, daß, wie es der niedersächsische Landesverband der Wasser- und Bodenverbände fordert, der Bund und die betreffenden Länder neben den dafür vorgesehenen Bundes- und Landesmitteln den Kapitaldienst für eine verstärkte Darlehensaufnahme durch die Deichverbände übernehmen?
Herr Kollege Wächter, soweit ich im Bilde bin, haben Sie diese Frage bereits als Kleine Anfrage eingebracht, die, soweit ich weiß, auch beantwortet worden ist. Wir haben in der Antwort zum Ausdruck gebracht, daß die Mittel des Bundes auf diese Weise allzu stark strapaziert würden, daß dieses Verfahren sehr teuer ist und wir es deshalb ablehnen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.
Sind die Küstenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein dem bisher in Einzelplan 10 Tit. 619 geforderten Beteiligungsverhältnis im vollen Umfang nachgekommen, oder sind
etwa da für ausgewiesene Bundesmittel deswegen nicht voll ausgeschöpft worden, weil die Länder ihren Anteil an dem von ihnen geforderten Beteiligungsverhältnis nicht erfüllt haben? Um welche Länder würde es sich gegebenenfalls handeln?
Die Länder haben ihre übernommenen Verpflichtungen insgesamt voll erfüllt, und die entsprechenden Mittel des Bundes sind ergänzend dazu gegeben worden.
Herr Abgeordneter Müller ({0}), eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie so verstehen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung hinter den Deichen zu befriedigen?
({0})
Herr Kollege, ich glaube, daß die ganzen Darlegungen, die in diesem Hause zu diesen Fragen immer wieder von der Bundesregierung gemacht wurden, eindeutig beweisen, daß uns das Wohl und Wehe der Bevölkerung außerordentlich am Herzen liegt.
({0})
Noch eine Frage.
Herr Bundesminister, was ist darunter zu verstehen, wenn bei den Mitteln nach Einzelplan 10 Tit. 6,19 b von einer angemessenen Beteiligung der Länder im Einzelfall gesprochen wird?
Die Länder bringen ein Drittel des Betrages auf, der insgesamt erforderlich ist. Es scheint mir doch so zu sein, daß der Bund mit der Aufbringung der Mittel in immer größerem Umfang - gerade angesichts der Folgen der Sturmflutkatastrophe von 1962 - an der äußersten Grenze dessen ist, was er zu leisten imstande ist.
Keine weitere Frage. Dann die Frage VIII/6 - des Herrn Abgeordneten Hermsdorf -:
Ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit den Kastenländern Sofortmaßnahmen zu ergreifen und zu finanzieren, die eine volle Ausschöpfung der vorhandenen Deichbaukapazitäten gewährleisten?
Die Frage VIII/6 wird durch meine Ausführungen zur Frage VIII/5 bereits zum Teil beantwortet. Die Bundesregierung steht in ständigen Verhandlungen mit den Küstenländern, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die nötigen Sofortmaßnahmen zu ergreifen. In den vergangenen Jahren waren die in den Küstenländern vorhandenen Deichbaukapazitäten weitgehend ausgenutzt. Im vergangenen Jahr war ein Überhang an solchen festzustellen. Die Ausnutzung der Baukapazitäten richtet sich nach den von Bund und Ländern bereitgestellten Haushaltsmitteln.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Hermsdorf!
Herr Minister, ich verstehe durchaus, daß sich das nach den von Bund und Ländern bereitgestellten Mitteln richtet. Sind wir aber nicht gezwungen, auf Grund der Planung rascher voranzugehen als bisher? Die Bundesregierung hat ja in der ursprünglichen Planung mit zehn Jahren gerechnet. Damit kommen wir jetzt nicht mehr aus, sondern wir müssen auf kürzere Zeit planen. Brauchen wir dann nicht eine größere Baukapazität?
Wir haben immer einzubeziehen, daß wir durch die Sturmflut vor eine völlig neue Situation gestellt wurden. Im Vergleich zu früher, wo wir jährlich 50 Millionen DM verbauten, verbauen wir heute für 200 Millionen DM. Wenn alle diese Gelder nicht mir in Neubauten, Verstärkungen, Erhöhungen hineinfließen, sondern auch zur Wiederherstellung dienen, so ist es immerhin ein Beweis dafür, daß alles getan wird, um den so notwendigen Küstenschutz entsprechend zu verstärken.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Bundesminister, es ist doch so, daß die beachtenswerten Leistungen des Bundes und der Länder leider nicht dazu führen, daß die Bevölkerung überall in Ruhe schlafen kann, weil noch ganze Strecken unter der Deichkappenhöhe sind, die vor der Sturmflut vorgeschrieben war. Besteht hier keine Möglichkeit, neue Mittel und Wege der Finanzierung zu finden, damit auch diese Lücken geschlossen werden, und zwar in einer kürzeren Zeit?
Wir stehen in unentwegten Verhandlungen mit den Ländern, die ihrerseits erhebliche Forderungen stellen auf Grund von Planungen, die sie gemacht haben. Wir wenden diesen Dingen alles Interesse zu und helfen, wo es geht. Es ist aber nicht alles zu erfüllen. Dennoch sind wir gern bereit, auch im kommenden Jahr wieder das Möglichste zu tun.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Hermsdorf - auf, die in der Drucksache IV/3034 unter den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen aufgeführt ist:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Beteiligungsverhältnis bei den in Frage VII/1 genannten Maßnahmen zu Lasten der Länder zu ändern?
Bitte, Herr Minister.
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, das Beteiligungsverhältnis zu Lasten der Länder zu ändern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Der Bundesregierung ist der Schriftwechsel zwischen der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung bekannt. Dabei bezieht die niedersächsische Landesregierung hinsichtlich des Beteiligungsverhältnisses einen Rechtsstandpunkt. Wie will die Bundesregierung darauf antworten?
Ich kann es Ihnen im Augenblick nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, diese Frage schriftlich zu beantworten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage V11I/7 - des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) - auf:
Ist die Bundesregierung davon überzeugt, daß die durch die Februar-Sturmflut 1962 an den Deichen der deutschen Nordseeküste entstandenen Schäden mit den bisher bereitgestellten öffentlichen Mitteln restlos beseitigt sind und die Landessicherheit somit wiederhergestellt ist?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß es bei einigen Deichverbänden Deichstrecken gibt, die gegenüber dem früheren Soll vor der Sturmflut nicht ausreichende Deichkappenhöhen aufweisen. Diese Mängel sind auf unzureichende Unterhaltung durch diese Deichverbände zurückzuführen, die vom Bund, Ländern und Bundesrechnungshof in früheren Jahren bereits beanstandet worden sind. Diese Mängel können erst mit der Verstärkung und Erhöhung der Deiche nach den Erkenntnissen aus der Sturmflut 1962 beseitigt werden.
Am Ende des Baujahres 1963 teilten die Küstenländer dem Bund mit, daß alle Schäden aus der Sturmflut 1962 behoben seien und die Deichsicherheit, die vor der Sturmflut bestanden hatte, wiederhergestellt sei. Darüber hinaus seien etwa 230 km Deichstrecken nach den neuesten Erkenntnissen verstärkt und erhöht worden. Im Baujahr 1964 wurden weitere 135 km Deichstrecken verstärkt und erhöht.
Bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie der Überzeugung, daß wir alle das Menschenmögliche getan haben, um die Landessicherheit wiederherzustellen?
Davon bin ich nicht überzeugt; denn es läßt sich niemals vorhersagen, wann,
wo und mit welcher Gewalt ein Sturm einbricht und Schaden anrichten kann. Gegen solche Möglichkeiten sind unsere Küsten auch heute noch nicht in dem Maße geschützt, wie es wünschenswert wäre. Aber der Schutz ist um ein Erhebliches größer als vor 20, 50 oder 100 Jahren.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage VIII/8 - des Abgeordneten Müller ({0}) - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die vor der Sturmflut im Februar 1962 vorgeschriebene Deichkappenhöhe an vielen Stellen nicht vorhanden ist?
Die Bundesregierung ist - wie aus der Beantwortung der vorigen Frage schon hervorgeht - davon überzeugt, daß die Schäden aus der Sturmflut 1962 restlos beseitigt sind. Die Landessicherheit nach den Erkenntnissen aus der Sturmflut 1962 ist nach ihrer Meinung erst hergestellt, wenn ein 2,2 Milliarden DM betragendes Bauprogramm ausgeführt ist.
Keine Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage VIII/9 - .des Abgeordneten Müller ({0}) - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vorhandene Baukapazitäten bei den Deichverstärkungsarbeiten wegen fehlender öffentlicher Mittel nicht voll genutzt sind und deshalb mit großem Kostenaufwand eingerichtete Baustellen bereits stillgelegt bzw. abgebaut werden mußten?
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Baustellen vorzeitig wegen fehlender Finanzierungsmittel stillgelegt bzw. abgebaut werden mußten. Sollten solche Fälle vorgekommen sein, bitte ich um Angabe von Einzelheiten. Wenn Bauunternehmer ihre ihnen übertragenen Arbeiten ausgeführt haben, wird es sich allerdings nicht vermeiden lassen, daß diese Unternehmer nach Beendigung ihrer Arbeiten die Baustelle räumen.
Zur Frage der Ausschöpfung vorhandener Baukapazitäten darf ich auf meine Antwort zur gleichen Frage des Herrn Kollegen Hermsdorf verweisen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, es ist nicht ganz so, wie Sie sagen. Es sind Baustellen geräumt worden, die hätten weitergeführt werden können, wenn ausreichende öffentliche Mittel zur Verfügung gestanden hätten.
Ich glaube, wir reden etwas aneinander vorbei, Herr Kollege. Ich habe zum Ausdruck bringen wollen, daß Bauvorhaben nach unserem Wissen nicht aus Mangel an Mitteln stillgelegt wurden, wenn das Bauvorhaben wie geplant sein Ende gefunden hat. Selbstverständlich wird das Bauvorhaben unter Umständen ein größeres Volumen haben als das geplante. Dann ist Ihr Standpunkt
richtig, daß hier die Kapazität hätte weiter eingesetzt werden können. Insoweit muß ich aber darauf verweisen, daß die Mittelhergabe eben ihre Grenzen hat und damit auch die Möglichkeit, damit zu arbeiten.
Keine weitere Frage. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage IX/1 - des Herrn Abgeordneten Liehr - auf:
Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Finanzierung des Europäischen Sozialfonds?
Die Ausgaben des Europäischen Sozialfonds werden durch Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten gedeckt. Gemäß Art. 200 des EWG-Vertrages gilt hierfür ein besonderer Aufbringungsschlüssel: Belgien 8,8%, Deutschland 32 %, Frankreich 32 %, Italien 20 %, Luxemburg 0,2 %, Niederlande 7 %.
Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage IX/2 - des Herrn Abgeordneten Liehr - auf:
Wie hoch sind die jährlichen Zuwendungen aus dem Europäischen Sozialfonds?
Die Höhe der jährlichen Zuwendungen aus dem Europäischen Sozialfonds schwankt je nach den Entscheidungen, die die EWG-Kommission im Laufe eines Jahres auf die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Anträge trifft. Seit der Errichtung des Fonds sind bis zum 31. Dezember 1964 allen Mitgliedstaaten insgesamt 98 Millionen DM bewilligt worden. An diesem Fonds haben teil: Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Liehr.
Herr Staatssekretär, worauf ist es zurückzuführen, daß, obwohl die Bundesrepublik Deutschland, wie Sie soeben sagten, 32 % der Mittel aufzubringen hat, die Zuwendungen aus dem Fonds, wenn meine Informationen zutreffen, nur etwa 20% ausmachen, während Frankreich bei 32 % der aufzubringenden Mittel etwa 30 % zurückhält und alle anderen Länder in der EWG mehr erhalten, als sie einzahlen?
Herr Abgeordneter, dieser Fonds ist ja zu bestimmten Zwecken gebildet worden. Er sollte einen Ausgleich verschiedener sozialpolitischer Risiken bewirken. Wenn jedes Land das wiederhaben wollte, was es einzahlt, könnte es doch von vornherein sein Geld behalten. Dann hätte der Sozialfonds also seinen Zweck verfehlt. Da ein Ausgleich stattfinden soll,
erhält z. B. Italien im Verhältnis zu den Beiträgen das meiste. Das ist auch gewollt. Deutschland hat insgesamt 21 Millionen DM aus dem Fonds zurückerhalten, und zwar für verschiedene Zwecke.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Liehr.
Herr Staatssekretär, mir kam es im wesentlichen darauf an, auf die Relationen hinzuweisen. Darf ich Sie deshalb fragen, was mit den Zuwendungen geschehen ist, die die Bundesrepublik Deutschland aus diesem Sozialfonds erhalten hat bzw. erhält?
Herr Abgeordneter, dieser Fonds dient dazu, für die Berufsumschulung, die Umsiedlung von Arbeitslosen, die Beibehaltung des gleichen Lohnstandes, die Umstellung von Unternehmen, Beträge zu zahlen. Wir haben vorwiegend Mittel für den Bergbau erhalten und für einige andere Zwecke. Der größte Teil ist für den Bergbau verwendet worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, eine Mitteilung darüber zu machen, was die einzelnen Länder an Zuwendungen aus dem Europäischen Sozialfonds erhalten?
Am 31. Dezember 1964 entfielen von den insgesamt bewilligten Zuschüssen 5,6 Millionen DM auf Belgien, 30 Millionen DM auf Frankreich, wie der Herr Abgeordnete vorhin schon erwähnt hat, 32 Millionen DM auf Italien, 35 000 DM auf Luxemburg und 9 Millionen DM auf die Niederlande.
Dann rufe ich auf die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Felder -:
Ist der Bundesinnenminister bereit, über den gegenwärtigen Stand der Verhandlung zur Altersversorgung für Rechtsanwälte Auskunft zu geben?
Jawohl, Herr Abgeordneter. Was wollen Sie wissen? Ich bin bereit, die Frage zu beantworten.
({0})
Der gegenwärtige Stand der Verhandlungen ist, daß die Bundesregierung am 3. Juni 1964 den Entwurf des Gesetzes dem Bundestag vorgelegt hat. Er ist als Drucksache IV/2298 veröffentlicht. Der Gesetzentwurf liegt nunmehr in dem Ausschuß für Sozialpolitik als federführendem Ausschuß und im Rechtsausschuß zur Mitberatung. Wie schnell die Ausschüsse arbeiten, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung.
Dann die Frage 1X/4 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Wann wird die Bundesregierung die Rechtsverordnung zu § 604 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 erlassen?
Herr Abgeordneter, wir mußten den Entwurf, den wir in unserem Hause schon fertiggestellt hatten, noch einmal umarbeiten. Wir rechnen damit, daß wir in zwei bis drei Monaten eine kabinettsreife Vorlage machen können.
Herr Staatssekretär, haben Sie damit gerechnet, daß ich Ihnen die frühere Antwort Ihres Hauses auf meine frühere Frage heute wieder vortragen würde?
Das glaube ich wohl, daß Sie sich das gedacht haben. Aber wir können ja auch nicht mehr als arbeiten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht überzeugt, daß ich mit einer solchen Antwort ausgesprochen unzufrieden sein muß? Daß Sie arbeiten, das habe ich immer angenommen. Ich möchte nur wissen, wann Sie endlich diese Verordnung durchbringen.
Sobald wir können.
({0})
Ach, bitte, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen - -
({0})
- Aber diese Qualifikation ist nicht richtig.
Bitte, Herr Abgeordneter Börner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär halten Sie dieses von Ihnen eben skizzierte Verfahren und den Ausblick, den Sie dazu gegeben haben, für eine loyale Erfüllung eines gesetzgeberischen Auftrags durch die Bundesregierung?
Das würde ich bejahen, Herr Abgeordneter, und Sie bitten, zu berücksichtigen, daß es sich hier um eine ziemlich schwierige Materie handelt. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß wir den ersten Entwurf fertig hatten, daß es aber auf die Einwendungen hin, die von anderen Ressorts und von den anderen beteiligten Stellen gekommen sind, erforderlich war, eine Neubearbeitung vorzunehmen. Da wir gleichzeitig mit der Aufstellung der versicherungsmathematischen Bilanzen beschäftigt sind, ist gerade diese Abteilung außerordentlich stark belastet.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, sehen die Geschäftsordnung der Bundesregierung und die Praxis Ihres Hauses nicht vor, daß man Abteilungen, die besonders stark mit Arbeit belastet sind, durch die Zuziehung von Fachkräften aus anderen Abteilungen zeitweilig verstärken kann, und welche Bemühungen sind angestellt worden, um dieses leidige Problem in dieser Weise zu lösen?
Herr Abgeordneter, Sie werden vielleicht selber wissen, daß wir für diese Arbeit Versicherungsmathematiker brauchen. Wir haben die freien Stellen für Mathematiker trotz eifriger Bemühungen bisher noch nicht besetzen können, so daß wir diese Arbeiten mit den vorhandenen Kräften erledigen müssen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage XI/1 - des Herrn Abgeordneten Rademacher -:
Stehen dem Kraftfahramt Flensburg genügend Kräfte zur Verfügung, um die auf Grund des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs zu erwartende Mehrbelastung reibungslos durchführen zu können?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dürr übernommen.
Mit einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung des Kraftfahrt-Bundesamtes auf Grund des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs ist nicht zu rechnen. Die Auswirkungen. dieses Gesetzes auf die Arbeit des Verkehrszentralregisters können deshalb mit den bisher geforderten Kräften ohne Nachteil für einen reibungslosen Arbeitsablauf aufgefangen werden.
Dann die Frage XI/2 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Hält es der Bundesverkehrsminister noch für angebracht, daß sich nach dem Luftverkehrsgesetz die Höchstbeträge bei dem Ersatz für verlorene oder beschädigte Sachen grundsätzlich nach dem Gewicht der Sachen richten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Nach § 46 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes haftet der Luftfrachtführer im Falle des Verlustes oder der Beschädigung einer beförderten Sache bis zu einem Betrag von 67,50 DM für das Kilogramm. Die Bemessung des Schadensersatzes nach dem Gewicht der Sache beruht auf der internationalen Regelung im Warschauer Abkommen in der Fassung des Haager Protokolls von 1955, dem über 50 Staaten angehören. Der Bundestag hat, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, bei Verabschiedung des 6. Änderungsgesetzes zum Luftverkehrsgesetz am 29. April 1964 auf Antrag aller Fraktionen eine Entschließung gefaßt, wonach die Bundesregierung ersucht wird, im internationalen Rahmen auf eine Erhöhung der Haftungssumme hinzuwirken. Dementsprechend haben sich die deutschen Vertreter auf der letzten Sitzung des Rechtsausschusses der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation im vergangenen September dafür eingesetzt, daß die Erhöhung der Haftungssumme möglichst bald in den Gremien der Organisation behandelt wird.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Absender oder Fluggast bereits heute das Recht hat, durch Angabe eines höheren Lieferwertes und Zahlung eines Zuschlages die Begrenzung der Haftung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes auszuschließen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie über den Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen, von denen Sie gesprochen haben, zu einem Ergebnis führen, etwas sagen, oder ist das doch etwas schwierig für Sie?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, wie schwierig es ist, Zeitpunkte für das Ergebnis von Verhandlungen zu nennen, die auf so breiter internationaler Ebene stattfinden müssen. Ich kann nur die Versicherung abgeben, daß die Vertreter der Bundesregierung angewiesen sind, alles daran zu setzen, daß die zuständigen Organe sich möglichst bald abschließend mit dieser Frage befassen.
Eine weitere Frage.
Ich kann also aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie das Unbefriedigende des augenblicklichen Zustandes anerkennen?
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß diese beschränkte Haftung überprüft werden muß, wobei man überlegen kann, ob diese Uberprüfung in der Richtung einer Erhöhung der Mindestsumme oder in Richtung einer Festsetzung nach dem Wert zu geschehen hat.
Ich beende die Fragestunde und rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes ({0}).
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum 10. Male kann heute der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Namen der Bundesregierung diesem Hohen Hause den Bericht über die Lage der Landwirtschaft und die Zusammenstellung über die Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft entsprechend dem Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes vom 5. September 1955 vorlegen. Es war damals das erste Mal in der Geschichte der deutschen Agrarpolitik, daß sich die parlamentarische Vertretung des deutschen Volkes einmütig zu einem gesetzlich verankerten, langfristigen Agrarprogramm bekannte.
Auch heute, nach zehn Jahren, ist der mit 'dem Landwirtschaftsgesetz gegebene Auftrag, der deutschen Landwirtschaft zu helfen, als gleichberechtigter Partner in der Volkswirtschaft ihre vielschichtige Aufgabe erfüllen zu können, immer wieder Gegenstand eifriger Diskussionen nicht nur im parlamentarischen Raum, sondern auch in der übrigen landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Öffentlichkeit.
Das Landwirtschaftsgesetz darf wie wenige Gesetze für sich in Anspruch nehmen, mit zunehmendem Alter sich eines wachsenden Interesses aller Bevölkerungskreise zu erfreuen, wozu nicht zuletzt die fortschreitende Integrierung der sechs Volkswirtschaften - und vor allem der Agrarwirtschaften
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ihre Impulse beigetragen hat.
Die Bundesregierung war und ist immer bemüht, den Grünen Bericht als die wichtigste Erkenntnisquelle über die Ertragslage der Landwirtschaft zu verbessern und seine Aussagekraft zu stärken. Ich darf dabei vor allem die verantwortungsvolle Arbeit der Parlamentarier, der Wissenschaftler, der Beiratsmitglieder meines Ministeriums, der Ländervertreter sowie meiner Mitarbeiter und nicht zuletzt der 8000 landwirtschaftlichen Betriebsinhaber erwähnen, die uneigennützig die gesamten Buchführungsunterlagen ihrer Betriebe zur Verfügung stellten. Erst durch diese Zusammenarbeit konnte der Grüne Bericht Jahr für Jahr termingerecht als ein gut fundiertes Dokument vorgelegt werden.
Wir sollten uns mit Recht darüber freuen, daß wir in der Bundesrepublik jetzt für 10 Jahre über ein derartiges authentisches Zahlenmaterial in der Form des Grünen Berichtes verfügen, der auch in anderen Ländern als Vorlage für ähnliche Erhebungen dient.
Der besondere Wert des Grünen Berichtes liegt neben dem Ausweis der Ergebnisse des abgelaufenen Wirtschaftsjahres vor allem in dein langfristigen
Entwicklungsvergleich. Die Verbesserungen der Aussage der verschiedenen Zahlenreihen erfolgten stets unter dem Gesichtspunkt, das Entwicklungsbild in seinem Kern zu wahren. Das hat die Bundesregierung auch grundsätzlich dazu bewogen, durch die wirtschaftliche Entwicklung bedingte Korrekturen verschiedener Ansätze in der vom Gesetz vorgeschriebenen Vergleichsrechnung durch wissenschaftliche Untersuchungen sowohl quantitativ und qualitativ als auch in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit so exakt wie möglich zu erfassen, bevor sie in die Rechnung aufgenommen werden.
Für den Aufbau des Berichtes ist, abgesehen von einigen Umstellungen, die den Überblick erleichtern sollen, die aus den früheren Veröffentlichungen bekannte Gliederung beibehalten worden. Erweiterungen sind nur dort erfolgt, wo dies im Hinblick auf die Fortschritte der Agrarpolitik in der EWG und hinsichtlich bisher nicht veröffentlichten Materials aus der letzten Landwirtschaftszählung als notwendig erschien.
Nachdem bereits im letzten Grünen Bericht eine spürbare Verbesserung der Ertragslage der Landwirtschaft ausgewiesen werden konnte, ist es besonders erfreulich, daß sich diese günstige Entwicklung auch im abgelaufenen Jahr weiter fortgesetzt hat. Die Verkaufserlöse haben sich 1963/65 gegenüber dem Vorjahr beachtlich erhöht. Da die Betriebsausgaben nicht in gleichem Maße stiegen, vergrößerte sich der Differenzbetrag zwischen den Verkaufserlösen und den gesamten baren Betriebsausgaben um rund 1,3 Milliarden DM. Nach den Vorschätzungen für das laufende Wirtschaftsjahr 1964/ 65 kann mit einem ähnlich großen Unterschied zwischen den Verkaufserlösen und den gesamten baren Betriebsausgaben wie 1963/64 gerechnet werden.
Allerdings ist für die Beurteilung der Höhe des Differenzbetrages zu bedenken, daß aus ihm zunächst der Barlohnanspruch der in den Betrieben mitarbeitenden Familienarbeitskräften, die rund 2 Millionen betragen, beglichen werden muß und nur der dann verbleibende Teil den Landwirten zur persönlichen Verwendung verbleibt.
Die Zunahme der Verkaufserlöse um 1,74 Milliarden DM auf insgesamt 24,47 Milliarden DM erreichte zwar nicht den besonders hohen Zuwachs des Vorjahres, übertraf aber die entsprechenden jährlichen Zunahmen wahrend des letzten Jahrzehnts und war hauptsächlich den höheren Barerlösen bei tierischen Produkten zu verdanken, deren Anteil an den Verkaufserlösen sich auf 76% belief.
Das Ergebnis des abgelaufenen Wirtschaftsjahres bestätigt erneut die Tatsache, daß die Landwirtschaft sich ständig bemüht, ihren Leistungswillen durch die erhöhte Leistungsfähigkeit ihrer Betriebe zu beweisen. Es ist mehr als eine Pflicht, es an dieser Stelle anerkennend festzustellen!
Der Wille zur Selbsthilfe ist und bleibt die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß die agrarpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung der westdeutschen Landwirtschaft innerhalb und außerhalb des Rahmens der Grünen Pläne ihren größtmöglichen Nutzeffekt erreichen und gesamtwirtschaftlich vertretbar sind.
Die Schwierigkeiten, mit denen die westdeutsche Landwirtschaft zu kämpfen hat, um sich im Rahmen einer hochindustrialisierten Volkswirtschaft den durch rasche Änderung der Technik bedingten vielfältigen 'Entwicklung mit Erfolg anzupassen, sind bekannt und mit graduellen Unterschieden in allen Industrieländern der westlichen Welt anzutreffen. Dieser notwendige Anpassungsprozeß wirft nicht nur betriebs- und marktwirtschaftliche Probleme auif, sondern greift auch tief in die gesellschaftlichsoziale Struktur einer Bevölkerungsgruppe ein, deren Stabilität aus staatspolitischer Sicht immer als ein positiver Faktor eines demokratischen Staatswesens gewertet wird. Manche Kritik, die sich gegen ein angeblich zu weitgehendes Beharrungsvermögen in der Landwirtschaft richtet, muß für den Kenner der Struktur und der geschichtlichen Entwicklung unserer westdeutschen Landwirtschaft unverständlich bleiben, zumal die Erfolge der mit den Grünen Plänen eingeleiteten Umstrukturierung offensichtlich sind.
Hier einige konkrete Zahlen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ging seit 1949 bis 1964 um 23 % zurück. Während in den Größenklassen von 0,5 bis 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche - und 1964 erstmalig auch in der Größenklasse von 10 bis 20 ha landwirtschaftliche Nutzfläche - rund 509 000 Betriebe aufgegeben wurden oder in eine höhere Größenklasse aufrückten, erhöhte sich die Zahl der Betriebe mit 10 ha bis unter 100 ha landwirtschaftliche Nutzfläche um rund 59 000 Betriebe, so daß heute rund 450 000 Betriebe weniger vorhanden sind als vor 15 Jahren. Das Produktionsvolumen der aufgegebenen Betriebseinheiten war zu klein, um je Arbeitskraft ein ausreichendes Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit erzielen zu können. Die von diesen Betrieben durch Verpachtung oder Verkauf abgegebenen Nutzflächen dienten überwiegend zur Aufstockung von Betrieben in den Größenklassen von 10 bis unter 100 ha landwirtschaftliche Nutzfläche.
Ein weiteres Kennzeichen der Umstrukturierung in der westdeutschen Landwirtschaft ist der Rückgang der Zahl der Vollarbeitskräfte seit 1949 bis heute um insgesamt rund 1,69 Millionen Arbeitskräfte; allein im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verminderte sich ihre Zahl wiederum um 56 000 Arbeitskräfte. Dabei wurde die freie Entscheidung des einzelnen, gebotene bessere Einkommenschancen in außerlandwirtschaftlichen Berufen wahrzunehmen, erleichtert, wenn gewerbliche Arbeitsplätze in erreichbarer Nähe zur Verfügung standen, so daß der bisherige Wohnort trotz Berufswechsels beibehalten werden konnte. Deshalb zeigt sich, daß unbeschadet ihrer Berufszugehörigkeit heute relativ mehr Familienmitglieder in landwirtschaftlichen Haushalten leben als vor acht Jahren. Hier wird deutlich, daß der bäuerliche Familienverband trotz beruflicher Umschichtung seinen Zusammenhalt nicht verliert.
Die Verminderung der Zahl der betrieblichen Vollarbeitskräfte war in den Betriebsgrößenklassen unter 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und über 50 ha landwirtschaftliche Nutzfläche am stärksten.
Während in den Jahren zwischen 1949 und 1960 die Gesamtzahl der hauptberuflichen Betriebsinhaber um rund 321 000 zurückging, erhöhte sich diejenige der nebenberuflichen Betriebsinhaber um 43 000. Dabei ist zu beachten, daß die Zahl der über 65 Jahre alten Landwirte zugunsten der unter 45 Jahre alten Landwirte abnimmt. Daneben geht die Zahl der männlichen hauptberuflich mithelfenden Familienangehörigen erheblich stärker zurück als diejenigen der weiblichen; der Anteil der weiblichen Kräfte am Gesamtbestand der mithelfenden Familienangehörigen steigt damit laufend an. Allerdings beschränkte sich die Abwanderung von hauptberuflich Mithelfenden seit etwa 10 Jahren fast ausschließlich auf die Betriebsgrößenklassen unter 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Außerdem verschiebt sich der Zeitpunkt des Berufswechsels in den letzten Jahren immer mehr zum Schulentlassungsalter hin. Mithilfe im Eltern- oder Geschwisterbetrieb als Lebensberuf in der traditionellen Form wird in absehbarer Zeit nahezu verschwunden sein.
Andererseits nimmt in Betrieben mit 5 und mehr ha landwirtschaftliche Nutzfläche die Teilbeschäftigung der männlichen Mithelfenden stetig zu. Besonders in der Größenklasse von 5 bis unter 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche findet ein ständiger Übergang von hauptberuflicher zu nebenberuflicher Tätigkeit in der Landwirtschaft statt.
Die Veränderung der beruflichen Struktur der bäuerlichen Familien wirkt sich auch hinsichtlich der Einkommensquellen aus. Nur je rund 60% aller Betriebsinhaber und ihrer Familienangehörigen in Betrieben mit 0,5 und mehr ha landwirtschaftliche Nutzfläche beziehen vorwiegend ihren Lebensunterhalt aus der Land- und Forstwirtschaft. Die übrigen erhalten ihr Einkommen überwiegend aus nichtlandwirtschaftlichen Quellen oder sind Rentner und Pensionäre. Innerhalb der Landarbeiterschaft hat sich vor allem die Abwanderung jüngerer lediger Arbeitskräfte in Hausgemeinschaft, die sich schon seit Jahren vollzieht, weiter fortgesetzt. Der Bestand an technisch ausgebildeten Facharbeitern nimmt zwar zu, erreicht aber nicht die benötigte Zahl an qualifizierten Arbeitnehmern.
Die strukturelle Umschichtung der westdeutschen Landwirtschaft war von einer beachtlichen Leistungssteigerung begleitet. Gegenüber 1950 konnte trotz des starken Rückgangs der Zahl der Erwerbstätigen die Nahrungsmittelproduktion um rund 55% gesteigert werden. Sie reicht heute aus, um die Nahrungsmittelversorgung einer inzwischen um über 8 Millionen größeren Bevölkerung zu rund 68 % aus dem Inland zu sichern.
Die höhere Leistung einer verminderten Zahl von Arbeitskräften führte von 1950/51 bis 1963/64 zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität je Arbeitskraft um 174%, eine auch im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft beachtliche Leistung!
Sie war nur dadurch möglich, daß die Betriebsleiter anstelle menschlicher Arbeitskraft in immer stärkerem Maße Kapital in Form von Maschinen und technischen Einrichtungen einsetzten. In dem genannten Zeitraum tätigte die westdeutsche Landwirtschaft Investitionen für Wirtschaftsgebäude und
Maschinen von rund 32,0 Milliarden DM; davon allein rund 24,0 Milliarden DM für neue Maschinen. Der Zeitwert des gesamten landwirtschaftlichen Aktivkapitals errechnete sich 1954/55 auf rund 26 000 DM je Arbeitskraft und stieg bis 1963/64 auf rund 50 000 DM je Arbeitskraft an. Auch diese Zahlen zeigen deutlich, wie sehr sich die Landwirtschaft durch immer weitergehende Arbeitsteilung dem Charakter der gewerblichen Wirtschaft nähert. Die arbeitsteilige Verflechtung mit der übrigen Volkswirtschaft wird sich auch weiterhin verstärken.
Die umfangreichen Investitionen in der Landwirtschaft mußten zu einem erheblichen Teil auf dem Wege der Kreditaufnahme erfolgen. Obwohl die Investitionen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr noch nicht wieder die Höhe des Jahres 1960/61 erreicht haben, ist das Fremdkapital auf 16,8 Milliarden DM weiter angestiegen. Allerdings ist durch die erweiterte Zinsverbilligungsaktion erreicht worden, daß sich die Kreditzunahme mehr auf die länger- und mittelfristigen Kredite verlagert hat. Erstmalig im Wirtschaftsjahr 1963/64 ist der Anteil der langfristigen Kredite höher als der Anteil der kurzfristigen Kredite. Die Zinsleistungen erhöhten sich 1963/64 auf 847 Millionen DM; gemessen an den Verkaufserlösen lagen sie mit 3,5 % niedriger als in den drei vorhergehenden Jahren.
Auch in der Zukunft ist noch mit einem großen Investitionsbedarf vor allem für Neu- und Umbauten von Wirtschaftsgebäuden zu rechnen. Verglichen mit der Außenwirtschaft ist die Hofwirtschaft mit ihren vielfach veralteten und unzweckmäßigen Gebäuden noch weit im Rückstand. Gerade für die bäuerlichen Betriebe führte diese Situation nach der Abwanderung der Fremdarbeitskräfte zu einer starken Belastung der Betriebsleiter und ihrer mithelfenden Familienangehörigen.
Die Leistungssteigerungen in der Landwirtschaft und hier vor allem die erhebliche Verbesserung der Arbeitsproduktivität haben zusammen mit den staatlichen Hilfen die Einkommen in der Landwirtschaft beachtlich erhöht. Abgesehen vom Wirtschaftsjahr 1961/62 hat sich das Einkommen je Vollarbeitskraft seit 1954/55 von Jahr zu Jahr steigend um insgesamt rund 3180 DM verbessert. Diese Einkommenssteigerung von rund 137 % reichte aber nicht aus, um mit der noch größeren Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens in der gewerblichen Wirtschaft um rund 3480 DM Schritt zu halten. 1963/64 hat sich der Abstand zwischen dem Einkommen der in der Landwirtschaft Tätigen und dem Einkommen vergleichbarer Berufsgruppen der gewerblichen Wirtschaft erneut erheblich verringert. Er ist mit 1488 DM zwar absolut noch größer als in den Jahren 1954/55 bis 1960/61; aber der relative Abstand ist 1963/64 mit 21 % der bisher niedrigste seit Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes. Der Einkommensabstand wäre ohne die Direkthilfe des Bundes, die in den untersuchten Betriebsgruppen zwischen 6 und 17 % des Betriebseinkommens ausmachten, noch größer gewesen. Dabei ist festzustellen, daß das Ziel der Direkthilfen, das Betriebsergebnis möglichst in Betrieben aller Größenklassen und aller Bodennutzungssysteme zu verbessern, weitgehend er7946
reicht wurde. Auch den kleineren Betrieben kommen die Förderungsmaßnahmen, bezogen auf die Flächeneinheit, in mindestens gleichem Maße wie den größeren Betrieben zugute.
Nach der vorläufigen Schätzung der Verkaufserlöse und der Betriebsausgaben für das Wirtschaftsjahr 1964/65 kann angenommen werden, daß die Ertragslage der Landwirtschaft nicht ganz so günstig sein wird wie im Vorjahr. Es ist allerdings zur Zeit noch nicht zu übersehen, ob und wieweit sich der Einkommensabstand zwischen den vergleichbaren Berufsgruppen der gewerblichen Wirtschaft und der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung verändern wird, da dies vor allem von der Lohnentwicklung in der gewerblichen Wirtschaft abhängt. Sicher wird aber die Masse der Betriebe von einer Einkommensparität noch weit entfernt bleiben.
Die größeren und intensiver bewirtschafteten Betriebe mit guten Ertragsvoraussetzungen erzielen in der Regel höhere Einkommen als die kleineren, extensiver bewirtschafteten Betriebe mit geringen Ertragsvoraussetzungen. Bei den gegebenen Strukturverhältnissen führt das regional gesehen zu einer Differenzierung zwischen den nordwest- und den süddeutschen Betrieben. Der im Durchschnitt aller süddeutschen Betriebe erzielte Lohn blieb seit 1956/57 durchschnittlich um 14 % hinter dem der nordwestdeutschen Betriebe zurück.
({0}) - Das ist eine Größenfrage.
Ih allen modernen Industriestaaten besteht das Problem der Einkommensdisparität, wenn auch mit graduellen Unterschieden. Mit Hilfe der forcierten Anwendung des technischen Fortschritts und der Rationalisierung wird im allgemeinen in der Industrie die Steigerung der Produktivität und der Einkommen bei annähernd voller Ausnutzung der Investitionen wegen der sehr viel höheren Nachfrageelastizitäten über eine stärkere Steigerung der Gesamtproduktion erreicht. Die Landwirtschaft muß diesen Prozeß dagegen vollziehen, ohne daß wegen der niedrigen Nachfrageelastizitäten eine entsprechende Steigerung der Gesamtproduktion möglich ist.
Außerdem ist der Ausnutzungsgrad der je Beschäftigten bereits hohen Investitionen wegen des Saisoncharakters vieler landwirtschaftlicher Betriebszweige und Arbeiten nicht annähernd so hoch wie in der Industrie. Es ist nicht zu verkennen, daß der Zwang zu noch stärkerem Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Kapital anhalten wird, wenn je Beschäftigten in der Landwirtschaft ein der allgemeinen Entwicklung entsprechendes Einkommen erzielt werden soll.
Die überwiegende Zahl der Leiter landwirtschaftlicher Betriebe steht vor der Aufgabe, die vorhandene Arbeitskapazität ihrer Familien durch einen entsprechenden Einsatz technischer Hilfsmittel so zu ergänzen, daß eine optimale Betriebsorganisation erreicht wird. Dieser unumgängliche Anpassungsprozeß wird mehr und mehr das Bild unserer Landwirtschaft verändern: die Betriebe werden größer, mit weniger Arbeitskräften bewirtschaftet, verbinden höhere Kapitalintensität mit einer stärkeren Betriebsvereinfachung, werden aber damit auch mit höherem Produktions- und Marktrisiko belastet. Diese Betriebe müssen in der Lage sein, neben einem angemessenen Arbeitseinkommen auch eine angemessene Kapitalverzinsung zu erwirtschaften.
Es bedarf keiner näheren Begründung, daß ein solcher außerdem unter Zeitdruck stehender Prozeß nur dann erfolgreich verlaufen kann, wenn zur Unterstützung der eigenen äußersten Anstrengungen der Betroffenen staatliche Hilfestellung in ausreichendem Maße und in angemessener Form geboten wird.
Wenn ich nun auf den Grünen Plan zu sprechen komme, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß das agrarpolitische Tagesgeschehen, insbesondere die Verhandlungen in Brüssel, die Öffentlichkeit haben fast vergessen lassen, daß in der Bundesrepublik von den Bauern und Landwirten große Leistungen vollbracht worden sind. Der Wille der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewältigen und sich den ändernden ökonomischen Gegebenheiten anzupassen, ist durch die staatliche Agrarpolitik wirksam unterstützt worden; und es wird auch weiterhin eine wesentliche Aufgabe der Bundesregierung sein, eine leistungsfähige Landwirtschaft in den kommenden Jahren innerhalb der EWG zu erhalten und zu stärken.
Eines der wichtigsten Werkzeuge staatlicher Agrarpolitik in der Bundesrepublik ist der Grüne Plan, den die Bundesregierung diesem Hohen Hause nun zum zehnten Male vorzulegen hat.
In meinen Ausführungen über die Ertragslage der Landwirtschaft habe ich auf die Erfolge und Leistungen der Landwirtschaft hinweisen können. Sie sind zu einem wesentlichen Teil auf die Hilfen des Staates, die in den bisherigen Grünen Plänen enthalten gewesen sind, zurückzuführen.
Der Grüne Plan 1965 enthält daher außer den Maßnahmen, die sich 'bereits seit einem Jahrzehnt bewährt 'haben, zusätzlich solche Hilfen, die geeignet sind, die landwirtschaftliche Bevölkerung weiterhin dabei zu unterstützen, den raschen und zugleich schwierigen Umstellungsprozeß zu meistern, den die wirtschaftliche Entwicklung und der Übergang zur Endphase des europäischen Agrarmarktes ihr abverlangt.
Die Erfolgsbilanz der deutschen Landwirtschaft macht deutlich, daß die Bundesregierung richtig gehandelt hat, wenn sie nicht nur Mittel zur Verbesserung der Ertragslage der Landwirtschaft eingesetzt hat, sondern daß die Hilfen des Staates sich insbesondere darauf konzentriert haben, strukturelle Unzulänglichkeiten im weitesten Maße auf den Gebieten der Produktion und des Absatzes zu beseitigen. Nur eine strukturell gesunde Landwirtschaft ist über Jahre hinaus in der Lage, den wirtschaftlichen Anforderungen, die an sie gestellt werden, gerecht zu werden.
Der Grüne Plan 1965 liegt Ihnen als Drucksache vor, so daß ich die Kenntnis der Sie interessierenden Einzelheiten voraussetzen darf. Ich möchte daher
meine Erläuterungen auf die wichtigsten Positionen und auf grundsätzliche Fragen beschränken.
Der Gesamthaushalt des Bundes ist im Interesse einer stabilen Währung entsprechend der Zuwachsrate des Sozialprodukts auf 63,9 Mrd. DM begrenzt worden. Damit wurde auch der Haushalt meines Ressorts, der auch den Grünen Plan umfaßt, festgelegt. Für den Grünen Plan 1965 ergibt sich eine Ausgabensumme von 2517 Millionen DM. Das Volumen liegt damit unter Berücksichtigung des Nachtragshaushalts 1964 um rund 61 Millionen DM höher als das des Jahres 1964.
Die gegenüber dem Vorjahr um rund 60 Millionen DM erhöhte Dotierung erstreckt sich mit 30 Millionen DM in erster Linie auf die Aufwendungen für die Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung sind gleichfalls aufgestockt worden. Hier sind insbesondere für das immer wichtiger werdende Gebiet der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse vermehrt Mittel bereitgestellt worden. Das gleiche gilt für den Ansatz für die Qualitätsverbesserung der Milch. Das steigende Investitionsvolumen in der gesamten Landwirtschaft erfordert auf dem Sektor der Zinsverbilligung gleichfalls vermehrte Bundesmittel.
Im Interesse der Bereinigung des Grünen Planes ist schon im Jahre 1964 eine Neugliederung des Grünen Planes vorgenommen worden. Diese Gliederung ist im Grünen Plan 1965 beibehalten worden. Zugleich ist gemäß dem Bundestagsbeschluß vom 16. April 1964 die Zusammenfassung der einzelnen Hilfen in formeller Hinsicht geändert worden. Während in den bisherigen Grünen Plänen drei Gruppen von Maßnahmen bestanden haben, ist der diesjährige Grüne Plan erstmals um die Gruppe „Verbesserung der sozialen Lage in der Landwirtschaft" erweitert worden. In dieser Gruppe treffen wir die Hilfen mit spezifisch sozialpolitischem Charakter an. Diese umfassen die finanziellen Aufwendungen für die Altershilfe und für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Diese sind bisher in der Gruppe „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse" enthalten gewesen. Somit sind nunmehr vergleichende Betrachtungen sozialer Leistungen zugunsten der Landwirtschaft mit denen anderer Wirtschaftsbereiche und mit denen der übrigen EWG-Mitgliedstaaten auf dem Agrarsektor erleichtert.
Ich lege Wert darauf, auch hier noch festzustellen, daß die Grünen Pläne dazu da sind, eine weitsichtige Agrarpolitik zu unterstützen. Das Landwirtschaftsgesetz als Rechtsgrundlage des Grünen Planes verpflichtet die Bundesregierung nicht dazu, bestehende Einkommensdisparitäten durch direkt einkommensausgleichende Maßnahmen jährlich zu beseitigen; vielmehr sollen die Mittel der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik so eingesetzt werden, daß die für die Landwirtschaft bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden und die Produktivität erhöht wird. Die Bundesregierung ist daher in erster Linie bestrebt, solche Maßnahmen zu ergreifen, die die
Lage der Landwirtschaft nachhaltig zu verbessern in der Lage sind.
Die bisherigen Erfolge sind ermutigend, das Hillsprogramm in seinen wesentlichen Zügen in der bisherigen Form fortzuführen. Das schließt nicht aus, daß infolge der wirtschaftlichen Entwicklung und wegen der fortschreitenden europäischen Integration einige Schwerpunkte dieses Programms verschoben und neue Maßnahmen in das Programm einbezogen werden. Gerade die elastische Handhabung beim Einsatz staatlicher Mittel zur Förderung der Landwirtschaft ist die Voraussetzung für den Erfolg des Grünen Planes. Uns sind Hilfsprogramme zugunsten der Landwirtschaft anderer Staaten bekannt, die wegen ihrer einmal eingeschlagenen Richtung durch die fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung so unelastisch geworden sind, daß es von dem einmal beschrittenen Weg kaum ein Zurück gibt, ohne daß schwere wirtschaftliche und politische Störungen die Folge sein würden. Es besteht angesichts des zweifellos auch in der Landwirtschaft zu erkennenden wirtschaftlichen Aufstiegs keine Veranlassung, die bewährten Methoden des Grünen Planes grundlegend zu ändern.
Die Bundesregierung verfolgt mit den Grünen Plänen kontinuierlich die Leitidee der Agrarpolitik, die Anpassung der Landwirtschaft an die arbeitsteilige Volkswirtschaft und die Eingliederung in den Gemeinsamen Markt zu vollziehen. Die materiellen und ideellen Werte der Landwirtschaft sollen bei diesem Umstellungsprozeß erhalten bleiben. Das bedeutet, daß die Agrarpolitik der Bundesregierung nicht darauf abgestellt ist, einerseits überkommenen oder gar autarkistischen Gedanken Vorschub zu leisten; anderseits soll aber der einheimischen agrarischen Produktion ein angemessener Anteil an der Marktversorgung erhalten bleiben. Gerade die Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungsmittelproduktion im eigenen Lande ist immer noch die beste Gewähr dafür, daß die Gesamtbevölkerung - auch in Krisenzeiten - ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt wird. Der augenblickliche Wohlstand in der Bundesrepublik, unter dessen Zeichen Nahrungsmittel und Bedarfsgüter aller Art aus dem Ausland beschafft werden können, darf darüber nicht hinwegtäuschen. Der Bundesregierung und auch Ihnen allen ist bekannt, daß die Preisgabe der landwirtschaftlichen Produktion zugunsten ungehemmter Einfuhren von Agrarerzeugnissen sich in Krisenzeiten bitter rächen kann. Die oft vertretene Meinung, daß die einheimische Erzeugung vernachlässigt oder stark eingeschränkt werden könnte, kann von einer verantwortungsbewußten Regierung nicht unterstützt werden, weil einer verstärkten Nahrungsmittelversorgung aus. Importen durch zusätzliche gewerbliche Exporte Grenzen gesetzt sind. Alle verantwortungsbewußten Regierungen haben daher ihre Agrarpolitik auch darauf auszurichten, die Versorgung der inländischen Bevölkerung aus der eigenen Produktion im vertretbaren Umfang decken zu können. Darüber können selbst die Überlegungen, daß die Produktion sich unter ökonomischen Gesichtspunkten nur auf den wirtschaftlich günstigsten Standort auszurichten hat, nicht hinwegtäuschen.
Wenn Aufbau und Art des Grünen Planes unter diesen Aspekten gesehen werden, ist zu erkennen, daß die Mittel einerseits so eingesetzt werden, daß den Bauern und Landwirten eine sofortige Hilfe zuteil wird, daß aber ein anderer Teil der Maßnahmen seine große Bedeutung darin hat, die Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion nachhaltig zu verbessern. Die Auswirkungen werden erst im Laufe der Jahre voll zur Geltung kommen.
Insbesondere die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur werden erst in der Zukunft wirksam werden. Sie schaffen für viele Betriebe die notwendigen Voraussetzungen, um den Anforderungen an die moderne Landbewirtschaftung gewachsen zu sein. Die Erhöhung dieses Mittelansatzes erfolgt in erster Linie auf dem Gebiet struktureller Betriebsverbesserungen. Alle Vorhaben auf diesem Sektor sind darauf abgestellt, wettbewerbsfähige Höfe zu erhalten und zu schaffen.
Darüber hinaus sind im Haushalt meines Ressorts Mittel für die wirtschaftliche Stärkung des gesamten ländlichen Raumes enthalten, die nicht allein der Landwirtschaft zugute kommen. Ich darf hier insbesondere verweisen auf den Wirtschaftswegebau, für den im Grünen Plan 100 Millionen DM eingesetzt sind, die Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung und die Restelektrifizierung. Sie alle dienen als infrastrukturelle Maßnahmen den Bewohnern ländlicher Gemeinden, gleichgültig, ob sie Landwirte sind oder nicht.
Der Verbesserung der Agrarstruktur steht eine relative Unbeweglichkeit des Produktionsfaktors Boden entgegen. Erstmalig werden daher im Grünen Plan auch Hilfen bei der freiwilligen Landabgabe bereitgestellt. Das optimale Verhältnis der' Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital im landwirtschaften Betrieb zueinander ändert sich ständig. Mit den Hilfen bei der freiwilligen Landabgabe kann das Verhältnis der Produktionsfaktoren in den landwirtschaftlichen Betrieben der Bundesrepublik wesentlich verbessert werden. Was bisher auf dem Gebiet der Verbesserung der Agrarstruktur geleistet worden ist - die Erfolge sind beachtlich -, bitte ich Sie aus den Zahlenangaben der Drucksache zu IV/2990 zu entnehmen.
So wie diese Maßnahmen darauf abzielen, in der Zukunft zur vollen Wirkung zu gelangen, indem strukturelle Unzulänglichkeiten beseitigt werden, für die die heutige Generation der in der Landwirtschaft Tätigen keineswegs verantwortlich zu machen sind, so sind auch die Hilfen zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung darauf abgestellt, sofort und nachhaltig zu wirken. Dies gilt sowohl für die Mittel, die für die rationellere Gestaltung der Erzeugung eingesetzt werden, als auch für die Förderung von Qualität und Absatz.
Durch die Hilfen auf dem Gebiet der rationelleren Gestaltung der Erzeugung sollen den Landwirten Mittel in die Hand gegeben werden, um kurzfristige Umstellungen und Anpassungen in ihren Betrieben vornehmen zu können. Insbesondere die Futterbaubetriebe partizipieren an diesen Hilfen. Die Futterbaubetriebe wirtschaften zum Teil unter besonders schwierigen natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Diese durch zweckdienliche Investitionen zu beseitigen oder zumindest in ihrer Auswirkung herabzusetzen, ist das Ziel der Hilfen für die Futterbaubetriebe. Die bisher auf diesem Gebiet gewährten Hilfen zeigen, daß es durchaus möglich ist, solche Betriebe bei ansprechender Gestaltung der Produktion und des Einsatzes von Betriebsmitteln mit einer Rentabilität zu bewirtschaften, die der der Ackerbaubetriebe gleichkommt.
Zu den Maßnahmen, die der Förderung der Qualität und des Absatzes dienen, möchte ich einige grundsätzliche Ausführungen machen. Die Verwirklichung des europäischen Agrarmarktes schreitet schnell voran. In einem gemeinsamen europäischen Agrarmarkt treten die Bauern und auch die Verarbeitungs- und Handelsbetriebe von Agrarprodukten der EWG-Mitgliedstaaten in einen echten Wettstreit miteinander. Schauplatz dieses Kampfes um den Absatz von Agrarprodukten wird in erster Linie die Bundesrepublik sein, da sie von allen EWG-Staaten den höchsten Einfuhrbedarf an Lebensmitteln hat. In den übrigen EWG-Ländern - insbesondere in den Niederlanden und in Frankreich - ist die Landwirtschaft für einen derartigen Wettstreit wohl gerüstet. Diese Staaten, deren Produktion schon lange Jahre auf den Export ausgerichtet ist, verfügen zum Teil schon über hervorragende Absatzorganisatonen für landwirtschaftliche Produkte, oder sie sind im Begriff, sich solche Einrichtungen zu schaffen.
Für die Landwirtschaft in der Bundesrepublik bedeutet das, daß sie sich bis zum Zeitpunkt der Verwirklichung des europäischen Agrarmarktes den ändernden Verhältnissen anpassen muß. Nur wenn ihr dieses gelingt, besteht eine echte Chance, an dem weiteren marktwirtschaftlichen Aufstieg in angemessenem Umfang teilhaben zu können. Daher müssen schon jetzt die Weichen des Absatzes so gestellt werden, daß der bisherige Anteil am Absatz landwirtschaftlicher Produkte im Inland für die deutschen Bauern erhalten bleibt oder - besser noch - gesteigert wird. Darüber hinaus ist die Produktion und Vermarktung so einzurichten, daß auch der Agrarexport in Drittländer mehr noch als bisher belebt wird. Der Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (aus der Bundesrepublik läßt in den letzten Jahren ermutigende Ansätze erkennen. Um die Land- und Ernährungswirtschaft in den Stand zu setzen, in einem europäischen Großmarkt ihre Chance wahrzunehmen, hat die Bundesregierung für die Maßnahmegruppe „Förderung von Qualität und Absatz" rund 44 Millionen DM mehr in Ansatz gebracht als im vergangenen Jahr. Die Notwendigkeit, Marktanteile zu behaupten oder zu erweitern, stellt die Land- und Ernährungswirtschaft in der Bundesrepublik vor neue Aufgaben. Eines läßt sich mit Bestimmtheit voraussagen: Die Marktanteile lassen sich nur sichern, wenn das Angebot an Nahrungsmitteln quantitativ und qualitativ in zeitgerechter Form erscheint. Die Mittel des Grünen Planes, die helfen sollen, das deutsche Angebot quantitativ und qualitativ zu verbessern, sind in diesem Jahr erhöht worden. Sie Bundesminister Schwarz sollen dazu dienen, die Initiative sowohl in der Erzeugung als auch in der Vermarktung zu wecken und zu unterstützen. Insbesondere die Bezeichnungen horizontale und vertikale Verbundwirtschaft oder Integration deuten darauf hin, daß es sich um neue Gemeinschaftsformen handelt. Erzeugergemeinschaften sind beispielsweise bereits für den Qualitätsweizen und die Schweinemast entstanden. Die Bildung weiterer Erzeugergemeinschaften hängt in erster Linie von der Aufgeschlossenheit der Erzeuger für diese Art der Bewirtschaftung und Betriebsführung ab. Den Wünschen der Erzeuger in dieser Richtung kann durch entsprechende Ausgestaltung der Richtlinien Rechnung getragen werden. Vielerlei Initiative regt sich auf diesem Gebiet. Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt diese auf die Zukunft ausgerichteten Bestrebungen, indem sie ihrerseits neue Gesetzentwürfe durch ihre Mitarbeit fördert und zur Verwirklichung einer verbesserten Marktstruktur finanzielle Mittel bereitstellt. Eine besondere Förderung ist auch im Grünen Plan 1965 für die Milch vorgesehen. Es soll - wie bereits in den früheren Jahren - die aus Tbc- und brucellosefreien Beständen an die Molkereien angelieferte Milch mit 4 Pf je kg bezuschußt werden. Gerade dieser Förderungszuschlag bedeutet für die bäuerlichen Betriebe eine wesentliche Hilfe. Der Umstellungs- und Anpassungsprozeß in der Landwirtschaft ist noch keineswegs zum Abschluß gekommen. Der Kreditbedarf der Landwirtschaft für Investitionen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe sowie für Maßnahmen auf dem Gebiet der Agrarstruktur wird daher auch 1965 beträchtlich sein. Ein weiteres Anwachsen des Kreditvolumens ist daher die Folge. Die Gesamtaufwendungen im Grünen Plan für die Kreditverbilligung belaufen sich auf 268,1 Millionen DM. Sie sind damit um 26,6 Millionen DM höher als im Vorjahr. In dieser erhöhten Summe ist die Bedienung bereits früher in die Zinsverbilligung einbezogener Kredite enthalten. Die fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung und die damit im Zusammenhang stehende soziale Sicherung der arbeitenden Bevölkerung in der gewerblichen Wirtschaft macht es erforderlich, auch die soziale Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu stärken. Die Bundesregierung ist dieser Entwicklung im Grünen Plan sichtbar dadurch gefolgt, daß sie die Förderungsmaßnahmen auf sozialem Gebiet zugunsten der Landwirtschaft in einer besonderen Gruppe zusammengefaßt hat. Es handelt sich um die Zuschüsse für die landwirtschaftlichen Alterskassen und für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Die hierfür eingesetzten Mittel sind dazu bestimmt, die Aufwendungen der Altershilfe zu decken und angemessene Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu sichern, ohne die landwirtschaftlichen Betriebe durch Beitragserhöhung zusätzlich belasten zu müssen. Die der selbständig erwerbstätigen landwirtschaftlichen Bevölkerung gewährten Leistungen für die soziale Sicherheit haben noch keineswegs die Höhe erreicht, die in anderen Ländern besteht. Hinzu kommt, daß sich aus der agrarstrukturellen Entwicklung ein Mißverhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsberechtigten durch einen Überhang an Leistungsberechtigten ergibt und daß die dadurch entstehende alte Last nicht allein der wirtschaftenden Generation aufgebürdet werden kann. Ich halte es für notwendig, daß unseren alten Bauern und Bäuerinnen, die zeit ihres Lebens hart gearbeitet haben und die auf Grund der besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage waren, sich für ihr Alter genügend Rücklagen zu schaffen, auf diese Weise geholfen wird. Mit der Verbesserung der sozialen Sicherheit, insbesondere der Altersversorgung, für die landwirtschaftliche Bevölkerung wird gleichzeitig auch eine günstige agrarstrukturelle Wirkung erzielt. Den alten Landwirten wird die Abgabe ihrer Betriebe erleichtert; damit wird zum einen erreicht, daß Land für die Aufstockung frei wird, zum anderen rückt eine jüngere Generation in die Leitung der Betriebe ein, die den Anforderungen einer modernen Wirtschaftsführung besser gewachsen ist. Die Altersstruktur der Betriebsinhaber hat sich, wie der Grüne Bericht zeigt, seit Inkrafttreten des Altershilfegesetz erheblich verjüngt. Damit habe ich die wesentlichsten Punkte des Grünen Planes erläutert. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß auch in Zukunft der Grüne Plan als notwendiges Werkzeug staatlicher Agrarpolitik beibehalten werden soll. In diesem Zusammenhang will ich noch kurz auf die Mittel eingehen, die die Bundesregierung zur sogenannten „Vorfeldbereinigung" zur Verfügung stellt. Die langwierigen Verhandlungen in Brüssel um den Getreidepreis haben gezeigt, daß die Bundesregierung sich bewußt ist, welches Opfer der Landwirtschaft durch die Getreidepreissenkung zugemutet wird. Wie der diesjährige Grüne Bericht zeigt, hat sich die Lage der Landwirtschaft gebessert; aber die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes sind noch nicht erreicht. Deshalb hat die Bundesregierung, unabhängig von den Ausgleichszahlungen, die die Kommission aus der Gemeinschaftskasse vorsieht, als Konsequenz aus dieser Erkenntnis sich entschlossen, für das Jahr 1965 weitere 770 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Davon sind 150 Millionen DM für die Verbesserung der Altersversorgung und die Erhöhung der Leistungen der Unfallversicherung vorgesehen. Zur Erweiterung der Zinsverbilligungsprogramme sind über die Mittel des Grünen Plans hinaus weitere 50 Millionen DM bereitgestellt worden. Zur Senkung der Produktionskosten soll der Dieselkraftstoff mit 40 Millionen DM verstärkt verbilligt werden. Darüber hinaus ist eine Senkung der Zuckersteuer um 70 Millionen DM vorgesehen, um eine Erhöhung des Zuckerrübenpreises auf 7,25 DM je Doppelzentner zu ermöglichen. Der Rest von 380 Millionen DM soll als besondere Anpassungshilfe zur Verfügung gestellt werden, um die Startbedingungen der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt in der Endphase zu verbessern. Diese Mittel sind in erster Linie dazu bestimmt, die notwendigen Investitionen zu erleichtern und zur Verbesserung der sozialen Sicherung beizutragen. 7950 Bundesminister Schwarz Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben der zukünftigen Agrarpolitik, die Mittel des Grünen Planes zusammen mit den zusätzlich vorgesehenen Mitteln in einem aufeinander abgestimmten und wohldurchdachten Umstellungs- und Anpassungsprogramm einzusetzen. Ich bin davon überzeugt, daß es den unternehmerischen Kräften in unserer Landwirtschaft gelingen wird, die keineswegs geringen Anpassungsschwierigkeiten zu meistern. Aufgabe der Bundesregierung ist es, durch den Einsatz agrarpolitischer Hilfen die notwendigen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. ({1})
Der Bericht der Bundesregierung wird am 1.7. Februar zur Aussprache gestellt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes ({0})
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2}),
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({3}) ({4}) ;
({5})
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes ({6})
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({7}) ({8}) ;
({9})
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit ({10}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans, Wagner, Brück und Genossen betr. Kindergeld ({11})
in Verbindung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses ({12}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({13}).
Ich danke den Herrn Berichterstattern. Werden Ergänzungen der Berichte für nötig gehalten? - Das ist nicht der Fall.
Wir treten dann in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1 Nrn. 1, - 2, - 2 a. - Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Es liegt vor der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 547 *) Nr. 1, eine Nr. 2 b ein-
*) Siehe Anlage 2
zufügen. Wird der Antrag begründet? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Gerlach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zweiten und der dritten Beratung des Bundeskindergeldgesetzes am 4. und 6. März 1964 haben Sprecher aller Fraktionen insbesondere in ihren Erklärungen zur Schlußabstimmung den Fortfall der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld für wünschenswert angesehen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. März 1964 eine Entschließung gefaßt, in der .es u. a. heißt, daß bei der notwendigen systematischen Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs in naher Zukunft auf die Einkommensgrenze verzichtet werden sollte. Dieser Auffassung haben sich nach der Verabschiedung des Bundeskindergeldgesetzes in der Öffentlichkeit und in Verlautbarungen Sprecher der Koalitionsfraktionen angeschlossen, obwohl es ihnen bereits am
4. März 1964 möglich gewesen wäre, dem Antrag der SPD-Fraktion auf Aufhebung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld zuzustimmen, zumal da mit diesem Antrag ein Deckungsvorschlag für das Jahr 1964 verbunden war. Herr Kollege Spitzmüller hat namens seiner Fraktion den Antrag damals abgelehnt, weil für 1965 noch keine Deckungsmöglichkeit vorhanden gewesen sei. Daß wir aber optimistisch sein konnten, beweist der Beschluß des Haushaltsausschusses, für das Jahr 1965 zusätzlich 617 Millionen DM in den Bundeshaushalt aufzunehmen.
Der vorliegende Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 547, den ich hier in der Gänze, also in den Ziffern 1 bis 5 begründe, hat keine höheren Aufwendungen zur Folge. Wenn also die Sprecher der Koalitionsfraktionen vor einem knappen Jahr der Aufhebung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld nicht zustimmen zu können glaubten, weil für 1965 keine Deckung möglich erschien, so haben sie heute Gelegenheit, diesem von mir vertretenen Antrag zuzustimmen. Im übrigen bin ich allerdings der Meinung, daß Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, vor einem Jahr Ihre Zustimmung zur Aufhebung der Einkommensgrenze deshalb versagten, weil Sie sich für das Wahljahr 1965 noch eine Speckseite auf Vorrat legen wollten.
({0})
Die Einkommensgrenze hat gerade beim Kindergeld zu kuriosen Ergebnissen geführt. So kann z. B. ein nicht buchführungspflichtiger Landwirt Zweitkindergeld erhalten, sein bei ihm beschäftigter Melker mit der gleichen Kinderzahl vom Bezug des Zweitkindergeldes ausgeschlossen werden, wenn er mehr als 600 bzw. 650 DM verdient.
Ich muß noch einmal betonen: die Beibehaltung einer Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld, auch wenn sie nur noch für Zweikinderfamilien gelten soll, widerspricht einer fortschrittlichen Familienpolitik. Sie verfälscht die Leistungen des Kindergeldes zu bloßen Fürsorgemaßnahmen und führt gerade bei geringem Überschreiten der Einkommensgrenze zu unbilligen Härten. Die mit der Prüfung der Einkommensgrenze beauftragten Bediensteten der Arbeitsämter wissen besonders gut, daß
die ständige Überprüfung der Einkommen unerfreulich ist. Sie ist aber nicht nur unerfreulich, sondern auch teuer. Jede Uberprüfung kostet etwa 10 bis 12 D-Mark, fast die Hälfte des eigentlichen Zweitkindergeldes. Die Beibehaltung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld für Familien, die weniger als drei Kinder haben, benachteiligt vornehmlich junge Familien, die bei niedrigem Anfangseinkommen ohnehin mit erheblichen wirtschaftlichen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen haben.
Der vorliegende Änderungsantrag auf Umdruck 547 ist identisch mit dem Antrag der SPD-Fraktion zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes, Drucksache IV/2608, der dem Ausschuß für Arbeit - federführend - von diesem Hohen Hause überwiesen wurde. Auch im Ausschuß war man einhellig der Meinung, daß die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld beseitigt werden muß.
({1})
Dennoch hat sich die Mehrheit im Ausschuß praktisch gegen die völlige Aufhebung der Einkommensgrenze entschieden. Das gleiche gilt also, wie es in der Vergangenheit war: man gibt nach außen hin Erklärungen ab, daß es richtig und notwendig sei, die Einkommensgrenze aufzuheben; kommt es dann zur Entscheidung, weicht man aus, und statt zu seinem Wort zu stehen, fabriziert man Nebenprodukte nach dem Gießkannensystem.
Der Änderungsantrag meiner Fraktion hält sich an die Systematik der Kindergeldgesetzgebung. Er verfolgt zielgerecht den Ausbau eines gerechten Familienlastenausgleichs. Er kommt dem eigentlichen Endziel näher, Kindergeld für alle Kinder, also auch für Erstkinder, zu gewähren.
Ich bitte um Annahme dieses Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der soeben von Herrn Kollegen Gerlach in seiner Gesamtheit begründete Änderungsantrag auf Umdruck 547 verfolgt in der Tat das gleiche Ziel, das die SPD-Fraktion bereits in der zweiten Lesung des Bundeskindergeldgesetzes am 4. März 1964 und erneut mit ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. Oktober 1964, Drucksache IV/2608, zu erreichen versucht hat. Das Problem ist also nicht neu, und ich möchte gleich an den Anfang meiner Ausführungen stellen: es besteht auch gar kein Zweifel, daß die generelle Aufhebung der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld in nicht allzu ferner Zeit erfolgen wird.
({0})
Ich nehme also praktisch das Ergebnis meiner weiteren Ausführungen vorweg.
Ich muß aber noch einmal auf meine Ausführungen in der zweiten Lesung des Bundeskindergeldgesetzes zurückkommen. Ich habe damals betont und möchte es heute deutlich wiederholen: Das Zweitkindergeld hatte bisher die Funktion und soll sie zunächst - ich sage ausdrücklich: zunächst -, soweit die Einkommensgrenze noch nicht beseitigt wird, weiter haben, den Familien mit einem Einkommen bis zu der Höhe, in der sich die steuerfreien Beträge nach dem Einkommensteuergesetz für das zweite Kind überhaupt nicht oder nicht in vollem Umfange auswirken, hierfür einen Ausgleich zu geben. Aus diesem Grunde mußte ja auch die Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld nach § 4 Abs. 1 der Ausschußvorlage im Sinne des Steueränderungsgesetzes von 7200 DM auf 7800 DM erhöht werden.
Darf ich noch eine zweite, auch am 4. März 1964 bereits getroffene Feststellung wiederholen. Wir haben damals in der Debatte mehrfach ausdrücklich betont - und darauf bezog sich auch Herr Kollege Gerlach -, daß wir die Frage der Einbeziehung auch des zweiten Kindes in die Gewährung eines echten Kindergeldes, also ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Einkommensgrenze, erneut überprüfen würden. Schon damals glaubten wir, darauf hinweisen zu müssen, daß wir sicherlich auch zu dem Ergebnis kommen würden, die Einkommensgrenze zu beseitigen. Soweit ist es richtig. Die von uns angestellte Uberprüfung ergab denn auch, daß die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld so bald wie möglich - und ich lege besonderen Wert darauf, das zu betonen - fallen soll. Aus diesem Grunde heißt es auch - was hier schon einmal erwähnt wurde - mit Recht in dem vorliegenden Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit, daß der Ausschuß einmütig der Auffassung war, daß die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld beseitigt werden muß. Die Mehrheit .des Ausschusses hielt jedoch den Zeitpunkt für eine völlige Aufhebung der Einkommensgrenze wegen der erheblichen Mehraufwendungen, die damit verbunden wären, noch nicht für gekommen.
Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich zu diesem Mehrheitsbeschluß. Wir können aber nicht alles auf einmal tun. Im Jahre 1964 war eine wirksame Verbesserung des Kindergeldes für die dritten und weiteren Kinder vordringlich. Das Bundeskindergeldgesetz hat diese Verbesserung rückwirkend ab 1. Januar 1964 gebracht. Im Haushalt 1965 wirkt sich erstmals die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt voll aus. Die Mittel, die in diesem Jahre für weitere Verbesserungen des Kindergeldes verfügbar gemacht werden konnten, sind aber begrenzt. Immerhin kommt der von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachte Entwurf der Abschaffung der Einkommensgrenze generell einen großen Schritt näher. Die Beseitigung der Einkommensgrenze für Familien mit zwei und mehr Kindern führt zusammen mit der vorgesehenen Erhöhung der Einkommensgrenze für die übrigen Familien zu einer Verdoppelung der Zahl der Empfänger des Zweitkindergeldes.
Nun werden manche sagen, damit werde nur der Rückgang der Zahl der Berechtigten seit 1961 wieder einigermaßen ausgeglichen. Ich komme damit auf die Diskussion vom 4. März zurück und möchte weiteren Entgegnungen vorbeugen. Doch dies ist nicht
Müller ({1})
richtig. Die höchste Zahl der Zweitkindergeld-Berechtigten, die bisher erreicht worden ist, hat 1,6 Millionen betragen. Nach Inkrafttreten des heute zur Beratung stehenden Gesetzentwurfs werden aber insgesamt 2,24 Millionen Familien in den Genuß des Zweitkindergeldes gelangen.
Die Beseitung der Einkommensgrenze für die übrigen noch vorhandenen 1,46 Millionen Zweitkinder muß zu unserem großen Bedauern dem nächsten Bundestag vorbehalten bleiben, damit auch er auf diesem Gebiet noch etwas zu tun hat. Sie wäre jetzt finanziell gesehen nur möglich bei Verzicht auf die Ausbildungszulage. Das will ich ganz offen aussprechen.
Nun könnte man sagen, daß es bei dem heutigen Stand der Kindergeldleistungen nahe liege, zunächst das seit Jahren bestehende Ärgernis der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld zu beseitigen und für alle Zweitkinder Kindergeld zu zahlen. Auch dieses Problem ist uns ja nicht unbekannt. Das hätte bei einem Zweitkindergeld von 25 DM monatlich aber zusätzlich zu den bereits gezahlten 330 Millionen DM für das Zweitkindergeld einen Finanzbedarf von 780 Millionen DM jährlich verursacht.
Auf der anderen Seite kommt man einfach nicht an der Tatsache vorbei, daß Eltern, die ihre Kinder über die Volksschulpflicht hinaus auf weiterführende Schulen schicken, dafür erheblich größere finanzielle Opfer auf sich nehmen müssen als andere Eltern, die ihre Kinder einem Lehr- oder Anlernberuf zuführen, in dem ihnen in der Regel je nach Lehrjahr gestaffelte Vergütungen gezahlt werden.
Bei Abwägung der beiderseitigen Interessenlage erscheint es uns sachgerecht, zunächst den Eltern, die ihre Kinder auf eine weiterführende Schule schicken, eine Ausbildungszulage zu gewähren und die Einkommensgrenze für die Zahlung des Zweitkindergeldes bei der Mehrkinderfamilie aufzuheben. Wir sind also der Auffassung, daß dieser Ausbildungszulage als einer besonderen Leistung des Familienlastenausgleichs im Augenblick der Vorrang zukommt. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt darüber hinaus eben den Mehrkinderfamilien oder, wenn Sie wollen, den kinderreichen Familien. Hier muß auch künftig der Schwerpunkt jeder echten und konstruktiven Familienpolitik liegen.
Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht besonders zu betonen; daß das Hohe Haus in seiner Gesamtheit ohne Unterschied der Fraktionen darin übereinstimmt, daß familienpolitische Maßnahmen grundsätzlich nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig sein dürfen. Für einen großen Teil der Kinder, die sich in schulischer Ausbildung befinden, werden nach dem geltenden Bundeskindergeldgesetz zur Zeit überhaupt noch keine Familienbeihilfen gewährt. Für die übrigen Kinder wird nur das allgemeine Kindergeld gezahlt. Das kann auf die Dauer nicht befriedigen. Der besonderen Belastung der Familien, deren Kinder sich in Ausbildung befinden, muß bei Gewährung der Familienbeihilfen künftig in stärkerem Maße als bisher Rechnung getragen werden. Die neue Ausbildungszulage soll diesem dringenden Bedürfnis Rechnung tragen. Sie hat gegenüber der generellen Aufhebung der Einkommensgrenze für die Zahlung des Zweitkindergeldes nach unserer Meinung den Vorrang.
Ich darf nochmals betonen: Es bleibt unser erklärtes Ziel, auch das zweite Kind generell in die Gewährung eines echten Kindergeldes einzubeziehen, d. h. die Einkommensgrenze zu beseitigen. Noch muß dieser letzte Schritt aus finanziellen Gründen und mit Rücksicht auf den Ausgleich des Haushalts zunächst zurückgestellt werden. Ich darf deshalb namens der CDU/CSU-Fraktion bitten, die Änderungsanträge der SPD-Fraktion in ihrer Gesamtheit abzulehnen und der Ausschußvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
({2})
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 547 unter Ziffer 1. Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Art. 1 Nr. 3. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 3 a. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD
({0})
- Sind damit sämtliche Änderungsanträge auf Umdruck 547 erledigt?
({1})
Wir können dann abstimmen über die Nrn. 3.a, 3 b und 3 c. Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen.
- Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Nr. 4. Hierzu hat das Wort Frau Abgeordnete Brigitte Freyh.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Ziffer 4 - § 14 a - sieht der Antrag der Koalitionsfraktionen die Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes durch einen Unterabschnitt „Ausbildungszulage" vor. Hierzu möchte ich im Auftrage meiner Fraktion Stellung nehmen.
Lassen Sie mich zunächst vorausschicken, daß der jetzt zur zweiten Lesung vorliegende Antrag nach unserer Auffassung überstürzt und unsorgfältig beraten wurde. Beispielsweise schloß der federführende Ausschuß seine Einzelberatung über den Antrag nach nur dreistündiger Dauer ab. Die rechtliche Prüfung ist nicht hinreichend erfolgt. Von Regierungsseite wurde noch in der abschließenden Beratung im Ausschuß für Arbeit erklärt, daß die im Bundesjustizministerium bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorlage im Laufe der Beratungen nur abgeschwächt, nicht aber ausgeräumt worden seien.
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Es wurde auch nicht ernsthaft nach Lösungen von Einzelfragen gesucht, die während der Beratungen auftauchten; ich nenne z. B. die Problematik der Altersgrenze des 15. Lebensjahres für Volksschüler
- die bekanntlich noch in der Mehrzahl mit dem
Frau Freyh ({1})
14. Lebensjahr beispielsweise auf berufsbildende Schulen überwechseln -, die Nichtberücksichtigung von Berufspraktikanten, von Vollwaisen, von Pflegekindern, die Auswirkungen der Einbeziehung von Gastarbeiterkindern.
Es ist sicherlich auch ungewöhnlich, daß dem federführenden Ausschuß zur abschließenden Beratung nur Empfehlungen der mitberatenden Ausschüsse vorlagen, nicht aber die eigentlichen Protokolle dieser Ausschüsse.
Die Eile, mit der dieser Gesetzentwurf in den Ausschüssen beraten wurde, ist sicherlich damit zu erklären, daß man unter allen Umständen den Termin des 1. April für das Inkrafttreten einhalten wollte. Denn dieser Termin wird es ermöglichen, daß die vorgesehenen Ausbildungszulagen, für die ebenfalls der zweimonatliche Auszahlungsrhythmus des Kindergeldes gelten wird, etwa am 1. Juli rückwirkend für vier Monate an die Empfänger ausgezahlt werden. Mir scheint, daß ein weiterer Kommentar dazu überflüssig ist.
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Ausbildungszulagen sollen in das Bundeskindergeldgesetz als eine Form des Familienlastenausgleichs eingefügt werden. Nach den bisher hierbei angewandten Grundsätzen heißt das, daß die Leistungen in Pauschalbeträgen bestehen, daß sie ihrer Höhe nach nur dazu bestimmt sind, Familienlasten zu erleichtern, nicht aber sie voll auszugleichen, daß sie ohne Einkommensgrenzen gewährt werden und schließlich daß nicht ein individueller Anspruch auf Ausbildungszulagen begründet wird, sondern daß diese Hilfe ausdrücklich den Familien gilt. Unter diesem Vorzeichen wird bei uns das Kindergeld gezahlt. Es ist sicherlich in Ihrem Sinne dann konsequent, wenn man diese Grundsätze auf die vorgesehene Erweiterung des Familienlastenausgleichs durch Ausbildungszulagen anwendet. Es fragt sich jedoch, ob ein System, das bisher dem Zweck einer Hilfe zum Lebensunterhalt für Familien mit Kindern einigermaßen gerecht wurde, für die neue Aufgabe der Ausbildungszulagen geeignet ist.
Zunächst handelt es sich bei den Ausbildungszulagen wie beim Kindergeld um eine unvollständige Lösung. Trotz der im vorliegenden Antrag vorgesehenen Erweiterung wird bei der allgemeinen Kindergeldregelung nach dem Willen der Koalitionsparteien ein großer Teil von Kindern aus dem Familienlastenausgleich weiter ausgeklammert bleiben. Sie haben sich gegen eine Vervollständigung der Kindergeldregelung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesprochen. Statt dessen wird aber auch für die Ausbildungszulagen nur eine Teillösung angestrebt.
Wie sieht diese beabsichtigte Teillösung aus, wenn man sich den Kreis der Berechtigten näher anschaut? Wer wird diese Ausbildungszulagen erhalten, wer nicht? Von den insgesamt 2,7 Millionen jungen Menschen, die sich augenblicklich nach dem
15. Lebensjahr in einer Ausbildung befinden, werden nur die Familien von 930 000 Kindern tatsächlich einen Anspruch auf Ausbildungszulagen haben. Das ist ungefähr ein Drittel aller in einer Ausbildung befindlichen jungen Menschen.
Ausgeklammert sind zunächst alle Einzelkinder aus vollständigen Familien; eine Regelung, die sicher Probleme mit sich bringt, wenn man auf die unterschiedlichen Einkommen der Familien generell keine Rücksicht nehmen kann. Ausgeklammert sind ferner faktisch alle Lehrlinge und Anlernlinge. Bei ihnen wird der Anspruch auf den Ausgleich der zusätzlich mit der Ausbildung verbundenen Familienlasten durch Vergütungen und Erziehungsbeihilfen als abgegolten betrachtet. Die unterschiedliche Höhe dieser Vergütungen oder Beihilfen spielt dabei weitgehend keine Rolle, obwohl sie sich erheblich unterscheiden und bei weitem nicht überall in der Höhe gezahlt werden, in der man sie gern zu zitieren pflegt. Die Ausschußberatungen haben ergeben, daß keine Form der Lehrlings- oder Anlernlingsausbildung bekannt ist, in der Vergütungen nicht gezahlt werden oder so gering sind, daß sie die 40 DM Ausbildungszulage unterschreiten. Die Aufführung der Lehrlinge und Anlernlinge im Antragstext wird also weitgehend zur Farce, wenn man diese Gruppe zunächst ausdrücklich einbezieht, um sie dann in einem späteren Satz wieder auszuklammern.
Frau Abgeordnete Freyh, Herr Kollege Wuermeling möchte eine Frage an Sie stellen.
Frau Kollegin, darf ich einmal die bescheidene Frage stellen, ob Ihnen aus den Ausschußberatungen nicht die besondere bildungspolitische Zielsetzung dieser Ausbildungszulagen bekannt ist und wie Sie Ihre jetzige Ablehnung dieser Ausbildungszulagen mit den bildungspolitischen Anforderungen vereinbaren, die auch von der SPD in der Öffentlichkeit immer wieder gestellt werden?
Herr Kollege Wuermeling, Sie sind offenbar meinem Gedankengang genau gefolgt. Denn ich wollte gerade an dieser Stelle ansetzen, um zu sagen, daß die Ausbildungszulagen damit faktisch zu einem Schüler- und Studentengeld werden.
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Daher rührt auch der gern von Ihnen zitierte bildungspolitische Aspekt, den das Kindergeldgesetz durch die Einfügung der Ausbildungszulagen erhalten soll, zu dem ich aber später noch ausführlich etwas sagen werde. Ich möchte erst in meinem Gedankengang fortfahren.
Auch bei dieser Gruppe der 930 000 Schüler und Studenten werden nun bei weitem nicht alle Familien von der Ausbildungszulage einen zusätzlichen Nutzen haben. Während bei den Lehrlingen und Anlernlingen die Ausklammerung wenigstens aus dem Antragstext deutlich wird, muß man sich bei ,den Schülern und Studenten in das unübersichtliche Gestrüpp der schon bestehenden individuellen Förderungsmaßnahmen begeben. Nur dann kann man feststellen, wer zwar zunächst unter die 930 000 fällt, wem aber Kindergeld und damit Ausbildungsgeld auf eine andere Ausbildungshilfe an7954
Frau Freyh ({1})
gerechnet werden. Das werden nicht wenige sein. Individuelle bundeseinheitlich geregelte Ausbildungshilfen - von den Länderhilfen sei hier abgesehen - werden noch immer nach über 20 verschiedenen Regelungen an rund 240 000 junge Menschen vergeben.
Bei einer Reihe von diesen sogenannten Kategorienförderungen, beispielsweise beim Bundessozialhilfegesetz und beim Honnefer Modell, gilt, wie heute in diesem Hause in der Fragestunde noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde, Kindergeld als Einkommen der Unterhaltsverpflichteten und wird deshalb auf die Förderungsbeträge angerechnet. Hier wird sich also die neue Ausbildungszulage - ebenso wie bisher das Kindergeld - nicht auswirken.
Das ist um so weniger zu rechtfertigen, als es sich bei Kindergeld und Ausbildungszulage um Leistungen handelt, die sonst aus sozialen Gründen steuerfrei bleiben. Man begründet diese Handhabung damit, daß es sich bei Kindergeld und Ausbildungshilfen aus der Kategorienförderung gleichermaßen um öffentliche Mittel handelt. Eine solche Aufrechnung wäre meines Erachtens vielleicht noch verständlich, wenn die schließlich gezahlte Beihilfe tatsächlich kostendeckend wäre. Daß das aber häufig nicht der Fall ist, zeigt das Beispiel des Honnefer Modells. Dort ist schon seit längerer Zeit nachweisbar - und diese Auffassung wird mit Nachdruck auch von den Studentenverbänden und vom Deutschen Studentenwerk vertreten -, daß die Stipendien nicht mehr kostendeckend berechnet werden.
Wenn man also wie bisher das Kindergeld nunmehr auch die Ausbildungszulagen als Einkommen anrechnet, wird der Abstand zwischen den Familien, die für Lebensunterhalt und Ausbildung ihrer Kinder die Leistungen des Familienlastenausgleichs zusätzlich erhalten, und denjenigen, die auf öffentliche Hilfe angewiesen sind, noch größer.
Es ist meines Erachtens keine gute Form der Sozialpolitik und außerdem inkonsequent, wenn der Familienlastenausgleich dort aufhört, wo er als Ergänzung von schmal bemessenen Beihilfen dringend benötigt würde. Für eine beträchtliche Anzahl der 240 000 Förderungsfälle nach Kategorien wird außerdem die Ausbildungszulage gewissermaßen zu einer neuen Kategorie. Das wird dann auch bei der Ausbildungszulage dazu führen, daß man sie zunächst einmal beantragen kann, dann aber als Einkommen verrechnet bekommt, wobei der Bund aus dem neuen Töpfchen nimmt, was er bei einem alten einsparen kann.
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Der darunter fallende Kreis wird also nicht wie die übrigen Anspruchsberechtigten zusätzlich entlastet, sondern er ist im Effekt ebenfalls ausgeklammert.
Auch bei einer weiteren Gruppe von Schülern und Studenten scheint es mir bemerkenswert, daß sie bei Ausbildungshilfen im System der Kindergeldgesetzgebung nicht berücksichtigt wird. Ich meine den Zweiten Bildungsweg, der in den meisten Bundesländern inzwischen mit Nachdruck ausgebaut wird. Absolventen des Zweiten Bildungsweges sind von den Ausbildungszulagen ausgeschlossen, wenn, wie es im Antragstext heißt, der Besuch der Schule die Arbeitskraft des Kindes weder ganz noch überwiegend in Anspruch nimmt. Schon 1962 waren es über 50 000 Jugendliche, die die Fachschulreifekurse des Zweiten Bildungsweges besuchten. Für diese jungen Menschen besteht bei dieser Schulform eine tatsächliche Chance zum Nachholen der Grundlage für eine weiterführende qualifizierte Berufsausbildung. Von ihren persönlichen Opfern für diese Form der Ausbildung möchte ich hier gar nicht reden. Da diese Ausbildung jedoch überwiegend die Berufsausbildung oder Berufsausübung begleitet, wird sie bei den Ausbildungszulagen nicht berücksichtigt. Das gilt ebenso für Schüler an Abendmittelschulen und an Abendgymnasien.
Bei den erwachsenen Besuchern von Hochschulreifekursen und Abendgymnasien entstehen zusätzlich Probleme aus der oberen Altersbegrenzung, wegen der diese Personen entweder schon vor der Reifeprüfung, noch häufiger aber beim Besuch von Hochschulen, keine Ausbildungszulagen erhalten werden.
Die Aufzählung der ausgeklammerten Gruppen ist sicherlich nicht vollständig. Sie sollte jedoch verdeutlichen - das war meine Absicht -, daß zunächst nur bei einem Drittel der in einer. Ausbildung befindlichen jungen Menschen zusätzliche, mit der Ausbildung verbundene Familienlasten unterstellt werden, und zwar ausschließlich bei Schülern und Studenten. Innerhalb dieses Drittels werden dann einer großen Gruppe aus sozial schwächeren Schichten die Leistungen des Familienlastenausgleichs als Einkommen angerechnet werden.
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Schließlich wird der bildungspolitisch bedeutsame Zweite Bildungsweg fast vollständig nicht daran teilnehmen.
Problematisch ist jedoch auch die Höhe der pauschalierten Ausbildungszulage. Die vorgesehenen 40 DM sollen ja nicht nur die mit der Ausbildung der Kinder verbundenen Lasten erleichtern, sondern, wie immer wieder aus Kreisen der Antragsteller betont wurde, auch einen Anreiz zu weiterführender Ausbildung ausüben. Lebenshaltungskosten lassen sich wie beim Kindergeld noch einigermaßen pauschalieren. Bei Ausbildungszulagen ist die Pauschalierung hingegen bedenklich. 40 DM haben einen ganz unterschiedlichen Wert, wenn man sie mißt an hohen und niedrigen Einkommen, an langen oder kurzen Ausbildungen und auch an den unterschiedlichen Kosten, die damit verbunden sind. In einigen Bundesländern gibt es seit Jahren vollständige Lernmittelfreiheit. Es müssen also keine Schulbücher angeschafft werden. In anderen Ländern übernimmt der Staat die Förderungskosten für bestimmte Schulformen. Es gibt außerdem Schulen mit und ohne Schulgeld, Ausbildungen am Familienwohnsitz oder getrennt von der Familie. Der Effekt, der mit einem Pauschalbetrag erreicht wird, muß daher sehr verschieden sein, sicherlich am höchsten in den Ländern, in denen schon jetzt am meisten geholfen wird.
Natürlich werden die Ausbildungszulagen in vielen Familien das Familienbudget entlasten. Das ist
Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode Frau Freyh ({4})
zu begrüßen. Das werden jedoch überwiegend solche Familien sein, in denen ohnehin schon feststand und es auch finanziell möglich war, daß die Kinder weiter eine Schule besuchen. Aber die Ausbildungszulagen werden auch dorthin fließen, wo die Ausbildung der Kinder eine mühelose, durch dieses System unnötig belohnte Selbstverständlichkeit darstellt. Diese Ausweitung bleibt nicht ohne Einfluß auf die Gesamtkosten von jährlich 450 Millionen DM. Sie führt aber andererseits dazu, daß die Pauschale dort zu niedrig bemessen sein wird, wo Begabungsreserven in wirtschaftlich schwächeren Einkommensschichten erschlossen werden müßten.
Aus einer Unterlage des Bundesfamilienministeriums geht hervor, wie hoch die Ausbildungszulagen sein müßten, wenn Familien aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, ihren begabten Kindern den Weg in einen qualifizierten Beruf zu öffnen. Nach diesen Beispielen lagen die durchschnittlich gezahlten Ausbildungshilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz im Jahre 1962 pro Monat für Schüler an Mittel- und höheren Schulen bei 105 bis 110 DM, für Fachschüler bei 180 bis 186 DM, für Lehrlinge und Anlernlinge nach Abzug der Lehrlingsvergütung bei 77 bis 83 DM. Diese Leistungen, wenn sie in die Betrachtung der Ausbildungszulagen einbezogen werden, machen deutlich, daß 40 DM für wirtschaftlich schwächere Familien keine Wirkung haben werden. Der von den Koalitionsparteien eingeschlagene Weg schließt es nach unserer Auffassung aus, die Ausbildungszulagen so zu gestalten, daß sie sich gezielt auswirken können.
Ausbildungszulagen und gezielte Ausbildungsförderung sind zweierlei. Das ist ja auch von Ihrer Seite immer wieder unterstrichen worden. Beide stehen jedoch in einem engen sachlichen Zusammenhang; denn die hohen Kosten der Ausbildungszulagen zwingen nun einmal zur Beurteilung ihres sozial- und bildungspolitischen Effekts. Wir halten nach wie vor die gezielte Ausbildungsförderung für die vordringliche Aufgabe und haben deshalb auf Änderungsanträge zu der Vorlage verzichtet, weil sie sich nicht in eine gezielte Ausbildungsförderung umwandeln läßt. Jede Differenzierung des Betrages würde die Einführung von Einkommensgrenzen bedeuten, die auch wir im Familienlastenausgleich für unangebracht halten. Selbst eine geringfügige Anhebung des Ausbildungsgeldes - etwa von 40 auf 50 DM monatlich - zieht bei Ihrem Vorschlag eine Erhöhung der Gesamtkosten um 25 % nach sich, ohne daß damit denjenigen gedient wäre, bei denen wirtschaftliche Gründe eine weitere Ausbildung ihrer begabten Kinder verhindern.
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Einführung von Ausbildungszulagen, die um des eingeschlagenen Weges willen den Bund jetzt mehr kosten werden als eine gezielte Förderung, ist ungeeignet und unzureichend, um die, finanziellen Hindernisse für die Ausschöpfung der Begabungsreserven zu beseitigen. Der Kostenaufwand ist deshalb - an der Wirksamkeit gemessen - viel zu hoch. In der sozialpolitisch und bildungspolitisch wichtigen Ausgabe, vor allem dort Hilfe zu gewähren, wo es die wirtschaftliche Situation der Familien erfordert und wobei auch die unterschiedlichen
Ausbildungskosten in die Überlegungen einzubeziehen sind, bringt uns die Einführung von Ausbildungszulagen nicht weiter. Das Postulat der gleichen Chance für alle Begabten - unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen - findet hier nicht seine Verwirklichung, und außerdem - das läßt sich nicht genug unterstreichen - bleibt bei den unübersichtlichen, lückenhaften, ungleichen und daher dringend reformbedürftigen Formen der Kategorienförderung alles beim alten.
Die Regierungsparteien wären deshalb sicherlich besser beraten gewesen, sich mit allem Nachdruck zunächst für eine gezielte Ausbildungsförderung einzusetzen, statt sie weiter auf die lange Bank zu schieben, wie das hiermit geschieht.
Es wird nun von seiten der Koalitionsparteien und der Regierung immer wieder versucht, uns Sozialdemokraten in die Schuhe zu schieben, daß in dieser Legislaturperiode keine gezielte Ausbildungsförderung zustande kam. Bekanntlich hat meine Fraktion im ersten Jahr dieser Legislaturperiode - 1962 - einen Initiativgesetzentwurf zur Ausbildungsförderung in diesem Hause eingebracht. Er wurde in mehreren Sachverständigenanhörungen einer verfassungsrechtlichen Begutachtung unterzogen. Abgesehen von der Tatsache, daß sich nämlich das Land Bayern unter Hinweis auf seine Stellungnahme bei den Beratungen des Bundessozialhilfegesetzes strikt gegen die Kompetenz des Bundes aussprach, dagegen, daß nach Art. 74 Nr. 7 des Grundgesetzes ein Ausbildungsförderungsgesetz vom Bund erlassen werden könnte, wurde damals die Zuständigkeit des Bundes von den übrigen vertretenen Ländern nur angezweifelt. Der Vertreter des Landes Hessen verwies auf die Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht und äußerte Zweifel, ob das, was mit ,dem Ausbildungsförderungsgesetz beabsichtigt wird, verfassungsrechtlich gedeckt ist. Diesen Zweifeln schlossen sich die Vertreter der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an. Die Bundesregierung selbst war allem Anschein nach von den angemeldeten Zweifeln oder von der strikten Ablehnung des Landes Bayern nicht so beeindruckt, daß sie ihre eigenen Arbeiten an einem Ausbildungsförderungsgesetz einstellte; denn dem Referentenentwurf vom März 1963 folgte ein weiterer im Mai 1964, den man aber offenbar den Bundesländern nicht mehr zugeleitet hat. Die Gründe werden Sie selbst am besten kennen. Vielleicht war inzwischen das Wahljahr zu nahe gerückt, als daß man es für richtig gehalten hätte, nach jahrelangem Zögern in einem eigenen Rechtsgutachten die verfassungsrechtliche Situation zu klären oder endlich einmal gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder über eine Lösung zu beraten. Ein solches gemeinsames Gespräch wurde diesem Hause im April 1964 sogar schriftlich angekündigt, als die Regierung auf eine _ Kleine Anfrage von CDU-Abgeordneten antwortete, daß sie solche Besprechungen im Auge habe. Von einem solchen Gespräch ist aber bis heute nichts bekanntgeworden.
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Warum hat man an dieser Stelle nicht mit Nachdruck weitergearbeitet? Sind nicht Zweifel an dem
Frau Freyh ({6})
ernsthaften Willen der Bundesregierung berechtigt, wenn diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden?
Die Regierungsparteien weichen jedoch nun auf einen Vorschlag aus, der der Begabtenförderung wenig nützt, aber Früchte im Wahljahr zu tragen verspricht.
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- Herr Kollege, Sie haben sicherlich Gelegenheit, nachher noch dazu Stellung zu nehmen.
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Sicherlich können Sie darauf verweisen, daß die gezielte Ausbildungsförderung Gegenstand allgemeiner Regierungserklärungen in diesem Hause war, bis hin zu der Rede des Herrn Bundeskanzlers bei der Einbringung des Haushaltsplans 1965. Wir können Ihnen jedoch den Vorwurf nicht ersparen, daß nicht alle politischen Möglichkeiten genützt wurden. Ihre Jugendorganisation, die Junge Union, fordert beispielsweise noch heute nachdrücklich von der Bundesregierung die Lösung der eigentlichen Ausbildungsförderung.
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Darin ist sich die Junge Union mit allen Jugendverbänden in der Bundesrepublik einig, die gerade in den letzten Wochen wiederholt gemeinsam oder als Einzelverband mit Nachdruck an dieses Haus appelliert haben, daß die Ausbildungszulagen die eigentlichen Probleme nicht lösen.
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Bekanntlich ist die Politik des Vor-sich-Herschiebens von wichtigen Aufgaben eine schlechte Politik.
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Nichts anderes tun Sie aber doch, wenn Sie jetzt wieder in der Öffentlichkeit erklären, daß den Ausbildungszulagen selbstverständlich noch eine gezielte Ausbildungsförderung folgen müsse. Wir möchten Sie deshalb heute erneut beim Wort nehmen und legen einen Entschließungsantrag vor, der die Bundesregierung zu Verhandlungen über ein Verwaltungsabkommen über Ausbildungsförderung mit den Ländern auffordert.
Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn Sie mir gestatten würden, den bereits vorliegenden Entschließungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 548 *) bereits jetzt im Zusammenhang mit meinen Ausführungen kurz zu begründen.
*) Siehe Anlage 3
Bitte sehr.
Wir fordern in unserem Antrag die Bundesregierung zur unverzüglichen Aufnahme von Verhandlungen mit den Ländern auf, weil wir der Auffassung sind, daß der Auftrag des Hauses aus dem Jahre 1959, der von allen Fraktionen gemeinsam gegeben wurde, nicht weiter verzögert werden darf.
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Die Ausbildungshilfen aus öffentlichen Mitteln haben sich inzwischen so entwickelt, daß nebeneinander die verschiedensten Förderungsformen entstanden sind und noch immer wieder entstehen, die von ganz unterschiedlichen Berechtigungen, Leistungen und Verfahren bestimmt werden. Wir halten deshalb eine einheitliche und übersichtliche Regelung für erforderlich, die von dem Grundsatz ausgeht, dort zu helfen, wo die individuelle finanzielle Leistungskraft für eine Ausbildung nicht ausreicht.
Ausbildungsförderung auf einer solchen einheitlichen Grundlage sollte für alle Formen der Ausbildung in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen. Der viel zitierte gemeinsame Kulturwille von Bund und Ländern könnte sich für die gezielte Ausbildungsförderung in einem solchen Kulturabkommen niederschlagen. Das Instrument des Verwaltungsabkommens hat sich bereits in anderen Zusammenhängen bewährt, wenn es darum ging, Fragen zu regeln, die Bund und Länder gemeinsam berühren.
Wir möchten Sie bitten, diesen Entschließungsantrag an 'den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen - mitberatend - zu überweisen.
Zum Abschluß meiner Ausführungenmöchte ich mitteilen, daß sich die sozialdemokratische Fraktion bei Ziffer 4 des Antrags in Drucksache IV/3028 der Stimme enthalten wird.
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Meine Damen und Herren, wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Freyh hat die Fragen, die im Zusammenhang mit der Ausbildungszulage stehen, berührt und aus ihrer Schau der Dinge das Problem so dargestellt, als handle es sich hier um eine Sache, der keine Bedeutung beizumessen wäre, weil nur 40 DM gegeben würden usw. Aus ihren Ausführungen ging hervor, daß es nach ihrer Auffassung viel besser wäre, sich den Auffassungen der SPD, niedergelegt im Ausbildungsförderungsgesetz, anzuschließen.
Hier ergibt sich die Frage, ob diese Alternative - Ausbildungszulage auf der einen Seite, Ausbildungsförderungsgesetz auf der anderen Seite - in der Tat gegeben ist. Wie eben schon durchklang, erklären viele Bundesländer - dazu rechnen auch zahlreiche von der SPD regierte Länder -, daß der
Bund hier überhaupt 'keine Gesetzgebungskompetenz habe, ein Ausbildungsförderungsgesetz also gar nicht beschließen könne.
Sollten wir das Risiko eingehen, nachher mit so einer Sache vor dem Verfassungsgericht stehen zu müssen? Ich glaube, das sollten wir nicht. Wir sollten hier eine Regelung Platz greifen lassen, die recht bald in Kraft treten kann. Deswegen wollen wir diese Frage der Ausbildung von familienpolitischen Grundsätzen aus angehen.
Ich meine aber, daß wir bei dieser Frage auch noch ein wenig auf das Grundsätzliche eingehen sollten. - Bitte schön, Herr Kollege Behrendt.
Herr Kollege Diebäcker, ist Ihnen unbekannt, daß auch das Bundesjustizministerium heute noch verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Regelung der Ausbildungszulagen für einzige Kinder hat, wenn auch in abgeschwächter Form?
Ich komme auf diese Fragen gleich zu sprechen, Herr Kollege Berendt.
Ich meine aber, wir sollten darlegen, aus welchen Gründen wir diese Regelung aus Überzeugung durchsetzen wollen.
Es ist doch so, daß die Eltern das Grundrecht, das in Art. 6 des Grundgesetzes niedergelegt ist -„Pflege und Erziehung der Kinder" -, nur verwirklichen können, wenn sie ein familiengerechtes Einkommen haben. Zu dem Auftrag „Pflege und Erziehung der Kinder" gehört selbstverständlich auch die Ausbildung der Kinder. Wir wollen mit dieser Ausbildungszulage ganz gezielt - ich betone: ganz gezielt - denjenigen Eltern helfen, die für die Ausbildung ihrer Kinder nun einmal hohe Kosten aufzuwenden haben.
Nun werden Sie sagen: 40 Mark, das ist nichts! Wir sagen dagegen: Das ist ein Anfang, das ist ein familienpolitischer Durchbruch, auf den wir sehr stolz sind. Hier wird Neuland betreten, meine Damen und Herren.
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In der Kindergeldfrage haben wir vor Jahren auch mit sehr viel niedrigen Sätzen angefangen und haben sie stetig angehoben. Wir werden sie auch noch weiter anheben.
Ich bin überzeugt, daß sich in der Frage der Ausbildungszulage noch einiges tun wird. Das Ganze schließt natürlich nicht aus, daß man sich des näheren auch einmal die Gedanken ansieht, die in dem SPD-Entwurf eines Ausbildungsförderungsgesetzes niedergelegt worden sind.
Wir sehen die Dinge so, daß wir hier eine gewisse „Grundförderung" - so möchte ich es nennen - betreiben wollen, die nachher durch eine Ausbildungsbeihilfe ergänzt werden kann, beispielsweise auf Grund eines Ausbildungsförderungsgesetzes.
Wir wollen also eine Familienpolitik mit bildungspolitischen Konsequenzen betreiben. Die Familienpolitik ist keine neutrale Angelegenheit. Sie wirkt in die verschiedensten gesellschaftlichen Räume hinein, auch auf das Gebiet der Bildungspolitik. Ich glaube, daß diese Konsequenzen angesichts der Verhältnisse, die wir in unserem Land haben, sehr erwünscht sind.
Meine Damen und Herren, hier und dort wird gesagt - und heute klang es ja auch an -, daß die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Ausbildungszulage, wie wir sie haben wollen, ebenso angezweifelt werden könnte wie für eine Ausbildungsbeihilferegelung. Dazu möchte ich folgendes sagen.
Erstens ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Kindergeld von keiner Seite bestritten worden. Sie wird aus Art. 74 Abs. 7 des Grundgesetzes hergeleitet. Zweitens berücksichtigt auch die Kindergeldregelung weitgehend den Tatbestand der Ausbildung. Kindergeld wird zunächst einmal bis zum 18. Lebensjahr gezahlt, mit dem die Ausbildung im allgemeinen abgeschlossen ist. Wenn feststeht, daß die Ausbildung länger dauert, wird das Kindergeld bis zum 25. Lebensjahr gezahlt. Das Kindergeldgesetz berücksichtigt also, wie gesagt, schon heute weitgehend die Ausbildung. Auch insofern wird die Gesetzgebungskompetenz des Bundes keineswegs bestritten.
Nun sind wir der Meinung, daß man den Familienlastenausgleich im Hinblick auf die Ausbildung weiter verstärken sollte. Wenn wir diesen kleinen Schritt weiter machen, kann doch dafür die Kompetenz des Bundes nicht bestritten werden. Der Zweck ist auch hier ein familienpolitischer, nämlich die Verminderung der Belastungen der Familie, die ihr eben aus der Ausbildung der Kinder entstehen. Daher auch der Einbau dieser Vorschriften in das Kindergeldgesetz. Wir sollten also diesen ersten Schritt tun, dem noch - davon bin ich überzeugt - andere auf diesem neuen Sektor unserer Familienpolitik in den nächsten Jahren folgen werden.
Übrigens: „In den nächsten Jahren", meine Damen und Herren! Es wird so häufig vom Wahljahr gesprochen. Lassen Sie mich noch ganz kurz hierzu etwas sagen. Ich meine, es müßte allen Damen und Herren des Hauses bekannt sein, daß die Idee der Ausbildungszulage unmittelbar nach der Regierungsumbildung im Jahre 1962 aufgetaucht ist. Damals sind diese Fragen sehr eingehend diskutiert worden, und jetzt ist die Sache eben entscheidungsreif geworden. Wir sollten nicht bei allen Beschlüssen, die ein Jahr oder ein halbes Jahr vor der Wahl getroffen werden müssen, gleich erklären, es drehe sich hier um Wahlgeschenke und ähnliches.
Was die Entschließung betrifft, so sind wir von der CDU/CSU der Auffassung, daß sie dem Ausschuß für Arbeit - federführend - und dem Familien- und Jugendausschuß - mitberatend - überwiesen werden sollte.
Es ist auch die Frage der Anrechnung dieser Ausbildungszulage angesprochen worden. Dazu wird sich noch einer meiner Kollegen äußern. Ich möchte
die blumige Wiese der mannigfachen Argumente nicht schon jetzt abmähen.
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Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte noch einige ergänzende Bemerkungen zur Frage der Anrechnung der Ausbildungszulagen auf allgemeine Ausbildungsbeihilfen machen, die heute bundesrechtlich oder landesrechtlich geregelt sind. Ich möchte dazu in aller Kürze drei Feststellungen treffen.
Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion ist der Überzeugung, daß die Anrechnung in diesem Zusammenhang in allen Bundes- und Landesgesetzen einheitlich geregelt werden sollte. Wenn der Grundstock der Ausbildungszulage einmal geschaffen ist, müssen wir also gemeinsam mit den Ländern dafür Sorge tragen, daß eine gleichmäßige Handhabung der etwaigen Anrechnung oder Nichtanrechnung auf allgemeine Ausbildungshilfen erfolgt.
Zweitens. Die Ausbildungszulagen und die Ausbildungsbeihilfen zusammengenommen müssen eine angemessene Gesamtleistung in dem Sinne garantieren, daß die Eltern wirklich in die Lage versetzt werden, mit diesen beiden Leistungen dem Kinde die gedachte Einzelausbildung zuteil werden zu lassen.
Drittens. Im Augenblick ist es lediglich unsere Aufgabe, klarzustellen, daß die Ausbildungszulagen nach dem Bundeskindergeldgesetz, die wir heute beschließen, den Grundstock, die Grundvoraussetzung für alle anderen Ausbildungsbeihilfen bilden und daß sich auf diesem Grundstock alles andere weiter aufbauen wird.
Das ist das, was ich als unseren Standpunkt zur Frage der Anrechnung darlegen darf.
Noch eine kurze Bemerkung zu der allgemeinen Ausbildungsbeihilfenregelung. Ich habe bereits in meiner Amtszeit viel mit der Absicht des Hohen Hauses und der Bundesregierung zu tun gehabt, eine allgemeine Ausbildungsbeihilfenregelung unter Vereinheitlichung zu treffen. Ich glaube, Frau Kollegin Freyh ging ein wenig davon aus, als sei für uns die Ausbildungszulage, die wir hier schaffen, ein Ersatz für die allgemeine Ausbildungsbeihilfenregelung, die seit Jahren von uns angestrebt wird. Ich bedaure es eigentlich, daß dieser Gedanke im Hintergrund auftauchte, weil wir in unseren Darlegungen im Ausschuß doch wohl überzeugend und eindeutig erklärt haben - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten das Protokoll zitieren daß diese Ausbildungshilfe, wie wir sie damals noch nannten, in keiner Weise als ein Ersatz für die angestrebte Ausbildungsbeihilfenregelung anzusehen sei und daß unsere Fraktion nach wie vor die Absicht habe, eine allgemeine Ausbildungsbeihilfenregelung zu schaffen.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Freyh, Herr Dr. Wuermeling?
Bitte sehr.
Herr Kollege Wuermeling, darf 'ich Sie dann einmal fragen, warum denn auf diesem Gebiet nicht weiter gearbeitet worden ist?
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Ich hatte schon erwähnt, daß 1964 ein Entwurf der Bundesregierung ausgearbeitet worden ist, aber dann trotz der Ankündigung über ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten, die man diesem Hause gegeben hat, nicht weiter verfolgt worden ist.
Verehrte Frau Kollegin, es müßte doch auch Ihnen aus den Ausschußberatungen der letzten Jahre bekannt sein, daß seitens der Bundesregierung immer wieder neue Verhandlungen mit den Ländern mit neuen Entwürfen und neuen Formulierungen versucht worden sind, daß aber gar nicht unter Führung des Landes Bayern, sondern unter genauso energischem Eintreten der Länder Hessen, Bremen, Hamburg und Niedersachsen jeder breiten Ausbildungsbeihilfenregelung auf der Bundesebene widersprochen worden ist. Ich bestreite gar nicht, daß auch Regierungen, die von der CDU/CSU geführt werden, einen gleichen Standpunkt vertreten haben. Aber wollen Sie denn der Bundesregierung zumuten, einen 'Gesetzentwurf vorzulegen, von dem sie mit Sicherheit voraussehen kann, daß er eine einmütige Ablehnung im Bundesrat erfahren wird?
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Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage? - Frau Abgeordnete Freyh!
Wann hat denn das Gespräch stattgefunden, Herr Kollege Wuermeling, von dem die Bundesregierung hier schriftlich berichtet hat und das dazu führen sollte, daß mit den Ländern gerade diese verfassungsrechtlichen Bedenken erörtert und ausgeräumt werden?
Frau Kollegin, diese Frage fällt, wie Sie wissen, außerhalb meiner Amtszeit.
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Die Frage müssen Sie schon an den jetzigen Herrn Minister richten, da ich sie aus persönlichem Wissen nicht beantworten kann.
Noch ein Hinweis in diesem Zusammenhang: Gerade die sozialistisch geführten Länder und darunter vor allem das Land Bremen haben mit allem Nachdruck in den Schriftsätzen, die ich seinerzeit im Ausschuß vorgetragen habe, darauf hingewiesen, daß die verfassungsrechtlichen Grundvoraussetzun-
) gen für das Jugendwohlfahrtsgesetz, bezüglich deren die Klage beim Bundesverfassungsgericht schwebt, dieselben Voraussetzungen sind, die auch für den Erlaß eines Bundesausbildungsbeihilfengesetzes geklärt werden müßten. Ich billige absolut den Standpunkt der Bundesregierung, die, da diese Klage über den Begriff „öffentliche Fürsorge" jetzt beim Bundesverfassungsgericht schwebt, erklärt: Da diese Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht noch nicht gefallen ist, können wir das Bundesverfassungsgericht nicht präjudizieren oder etwa Gefahr laufen, vom Bundesverfassungsgericht nachher wegen einer Regelung, die verfassungsrechtlich nicht tragbar sein soll, desavouiert zu werden.
Nun noch eine letzte Bemerkung. Es wurde immer wieder das gesamte Anliegen dieses Gesetzentwurfs bagatellisiert. Ich darf in diesem Zusammenhang nur einmal auf zwei Tatsachen hinweisen.
Der derzeitige Jahresaufwand nach dem Kindergeldgesetz beläuft sich im Haushalt 1965 auf 2,1 Milliarden DM, und der Jahresaufwand nach dem Bundeskindergeldgesetz steigert sich durch die hier neu zu treffenden Maßnahmen von 2,1 auf fast 2,9 Milliarden DM, daß heißt, um mehr als ein Drittel unseres bisherigen Kindergeldaufwandes.
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Mir liegt daran, hier gerade meinerseits vor aller Öffentlichkeit einmal zu erklären, daß das der größte familienpolitische Fortschritt auf dem Gebiete des Familienlastenausgleichs ist, den wir hier je im Deutschen Bundestag beschlossen haben.
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Denn selbst die Einführung des Kindergeldes kostete - damals noch nicht zu Lasten des Bundeshaushalts - keine 600 Millionen DM.
Das ist die Entwicklung bei uns, und wenn wir heute den internationalen Vergleich ziehen - ich will die Zahlen nicht im einzelnen bringen, sie sind aus Aufsätzen in der Presse bekannt -, so dürfen wir feststellen, daß wir mit dieser Neuregelung schon ohne die Ausbildungszulagen nunmehr endlich auf der Mitte unserer Nachbarländer liegen wir haben ja lange genug bedauert, daß wir so zurückhingen - und daß wir, wenn wir die Ausbildungsbeihilfen hinzuzählen, mit unserem Familienlastenausgleich hinter den bestleistenden Ländern Frankreich und Belgien rangieren. Meine Damen und Herren, wir sind stolz darauf, das endlich zu schaffen.
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Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich lasse über Ziffer 4 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 5 und Ziffer 6. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich lasse über den gesamten Art. 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen!
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die CDU/ CSU-Fraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben.
Erstens. Für die Fraktion der CDU/CSU gehört die Fortentwicklung der Familienpolitik zu den vordringlichsten innenpolitischen Aufgaben. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erklärung vom 15. Oktober 1964 im Rahmen der Haushaltsdebatte festgestellt, daß zu dem weiteren zielbewußten Ausbau des Familienlastenausgleichs auch die Förderung der Bildung und Ausbildung aller jungen Deutschen gehört, die in der Zukunft neben der Meisterung ihres eigenen Schicksals die Verantwortung für unser Land zu tragen haben. Mit idem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes wird der damit vorgezeichnete Weg konsequent fortgesetzt.
Zweitens. Die Verbesserungen, die mit dem Gesetz erreicht werden, sind zweifacher Art: Die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld, die nach der übereinstimmenden Auffassung dieses Hohen Hauses sobald wie möglich völlig beseitigt werden sollte, wird zunächst für die Familien mit drei und mehr Kindernaufgehoben. Zugleich werden durch eine Ausbildungszulage, von der lediglich die Einzelkinder aus Vollfamilien ausgenommen sind, die besonderen Einkommensbelastungen der Eltern in allen sozialen und beruflichen Schichten berücksichtigt, die das Opfer einer längerfristigen Ausbildung ihrer Kinder in allgemein- oder berufsbildenden Schulen auf sich nehmen. Angesichts der Tatsache, daß zwischen den Erziehungsbeihilfen oder Vergüt'ungen, die auf Grund eines Lehr- oder Anlernverhältnisses gezahlt werden, und den Aufwendungen für den weiteren Schulbesuch eine erhebliche Diskrepanz besteht, hält die CDU/CSU-Fraktion diese Maßnahme im Rahmen des Bundeskindergeldgesetzes und auf seiner verfassungsmäßigen Grundlage für geboten.
Drittens. Für jeden dieser beiden Schritte zu einem weiteren Ausbau des Familienlastenausgleichs und für ihr Nebeneinander war die Überlegung maßgebend, im Rahmen des nur beschränkten finanziellen Spielraums ein Optimum an familienpolitischen Verbesserungen für unsere Familien zu erreichen.
Mit der Ausbildungszulage als einer Leistung eigener Art wird noch akzentuierter, als es bisher schon durch die Weitergewährung des Kindergeldes über das 18. Lebensjahr hinaus geschieht, der überdurchschnittlichen Belastung des elterlichen Einkommens bei weiterführender Schulausbildung der Kinder Rechnung getragen.
Viertens. Es wird dem nächsten Deutschen Bundestag vorbehalten bleiben müssen, die dem Familienlastenausgleich im Grunde systemfremde Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld auch für die Familien mit nur zwei Kindern völlig aufzuheben, für die sie durch den Gesetzentwurf nur um 600 DM im Jahr bzw. 50 DM im Monat angehoben wird. Darüber hinaus wird in der nächsten Legislaturperiode endlich eine befriedigende Regelung der individuellen Ausbildungsbeihilfen gefunden werden müssen. Die mit der Ausbildungszulage erreichte Grundförderung im Rahmen des Familienlastenausgleichs, die sicherlich noch in der einen oder anderen Hinsicht verbesserungsfähig ist, hat nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion eine eigenständige Bedeutung. Sie behält diese Bedeutung als Basisförderung auch dann, wenn die Vereinheitlichung 'der individuellen Ausbildungsbeihilfen im Einvernehmen mit den Ländern geschaffen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben gehört, daß das eine oder andere von der Opposition kritisiert worden ist. Die Anträge, die hier gestellt worden sind, hätten immerhin eine Mehrbelastung von 500 Millionen DM gebracht. Das ist in diesem Jahre nicht möglich. Die Fraktion der CDU/CSU ist daher der Auffassung, daß das Gesetz in der Form, in der es in zweiter Lesung beschlossen worden ist, auch in der dritten Lesung verabschiedet werden sollte. Wir werden dem Gesetzentwurf in dieser Form geschlossen zustimmen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD wollte mit ihrem nunmehr abgelehnten Antrag auf Drucksache IV/2608 erreichen, daß die Anspruchsvoraussetzung für das Zweitkindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz wegfällt und damit für alle Zweitkinder in der Bundesrepublik Kindergeld gezahlt wird. Es ist nicht das erstemal, daß die SPD-Fraktion dieses Begehren vorbrachte. Auch in der zweiten und dritten Lesung des Kindergeldgesetzes in der 118. Sitzung am 4. April 1964 hat mein Kollege Gerlach hierzu eine ausführliche Begründung gegeben. Er wies damals u. a. darauf hin, daß die Bundesrepublik in der Gewährung von Kindergeld unter den EWG-Ländern an letzter Stelle liegt und daß die Steuervorteile für die Zwei- und Mehrkinderfamilien dies nicht aufwiegen. Alle Familienverbände forderten die Aufhebung der Einkommensgrenze, weil die Beibehaltung der Einkommensgrenze die Leistungen des Zweitkindergeldes zu einer Fürsorgemaßnahme herabmindert. Auch nach jener Debatte im Bundestag wurde auf nationalen und internationalen Familienkongressen immer wieder Kindergeld für alle Kinder oder - als Teillösung - mindestens für alle Zweitkinder gefordert.
Die Koalitionsparteien haben sich dieser berechtigten familienpolitischen Forderung gegenüber aber wenig einsichtig gezeigt. Sonst hätte die Drucksache IV/2649 anders aussehen müssen. In dieser Vorlage verbessern Sie die Leistungen nicht, sondern fangen nur die Preissteigerungen etwas ein, indem Sie die Einkommensgrenze von 7200 auf 7800 DM heraufziehen.
Ich kann es mir versagen, auf die Schwierigkeiten, Ungerechtigkeiten und Nachteile dieser Einkommensgrenze einzugehen. Das alles ist in diesem Hause schon ausführlich behandelt worden. Eines macht jedoch die Haltung der Koalition vor allem klar: daß sie sich der Strukturveränderung der Familie im modernen Industriezeitalter nicht voll bewußt ist und noch nicht begriffen hat, daß Hilfe für die Familie mehr sein muß als ein soziales Pflästerchen, wenn der Auftrag, den uns das Grundgesetz für die Familie stellt, erfüllt werden soll. Die Kindergeldgesetzgebung muß im Zusammenhang mit der gesamten Familienpolitik gesehen werden. Nur wenn man weiß, um was es im ganzen geht, kann die richtige Entscheidung im einzelnen getroffen werden.
Wenn wir Familien sagen, haben wir wahrscheinlich verschiedene Vorstellungen über das, was Familie in der heutigen Zeit bedeutet. Viele Menschen, besonders die älteren, streben einem Leitbild nach, das vor Jahrzehnten gültig war, als die Familie noch eine Einheit von Arbeits- und Lebenswelt darstellte. Das bürgerliche Familienidyll früherer Zeiten ist ein für allemal vorbei. Mit der Industrialisierung im vergangenen Jahrhundert kam die Verlagerung der Arbeitswelt aus der handwerklichen und bäuerlichen Familie hinaus in die Fabriken und die Büros, und damit ergaben sich für die Familien grundlegende Strukturveränderungen.
In der vorindustriellen Gesellschaft war die Großfamilie vorherrschend. Sie wurde von mehreren Generationen gebildet und umfaßte einen weiten Kreis der Verwandtschaft. In ihr gab es eine geschlossene Lebens- und Arbeitswelt. Sie alle waren eine Arbeitsgemeinschaft. Jeder trug sein Teil zur notwendigen Arbeit bei, auch die Kinder; sie bedeuteten für diese Familien Arbeitskräfte und damit Reichtum. Jeder hatte in dieser Familie seine soziale Geborgenheit. Wie armselig aber diese Geborgenheit oft aussah, wissen wir zum Teil noch aus eigener Erfahrung. Immerhin, dieses soziale System funktionierte über lange Zeit, und manche führenden Leute von heute meinen, dieses System sei auch heute noch brauchbar. Das ist ein Fehlschluß; denn die Industrialisierung veränderte die Umweltbedingungen und damit auch die Struktur der Familie. Die Großfamilie ist weitgehend, auch auf dem Lande, der Kleinfamilie gewichen, nicht nur durch die Arbeitsverlagerung, sondern auch durch die vielen Aufgaben, die von der Familie in die Industrie hinaus verlagert wurden. Sie ist gewissermaßen vieler ihrer Funktionen entladen worden.
Während in der Großfamilie viele Kinder erwünscht waren, weil sie Arbeitskräfte für den eigenen Familienbetrieb abgaben und damit das Einkommen verbesserten, bedeuten Kinder in der heutigen Kleinfamilie eine große wirtschaftliche Belastung. Je mehr Kinder heute in die Familie hineingeboren werden, um so ärmer ist sie. Kinder, die in der Familie aufwachsen, sind aber später als Arbeitskräfte in der Wirtschaft notwendig. Staat und Wirtschaft investieren Milliardenbeträge, um Fabrikationsanlagen und Güter zu erhalten und zu entwickeln. Aber die Kosten für die Erziehung und Ausbildung der Menschen, die späterhin die Arbeit tun sollen, müssen heute noch ganz überwiegend von den Eltern allein getragen werden. Darin liegt eine große Ungerechtigkeit, und unter dieser Einstellung und diesem veralteten Denken haben die Kinder und die Mütter in unserer Zeit 'besonders zu leiden.
Die SPD ist der Meinung, daß die Eltern aus der Sorgepflicht für ihre Kinder nicht entlassen werden dürfen. Aber daneben muß der Familie Hilfe in verschiedenen Formen, insbesondere ein wirksamer Familienlastenausgleich, geboten werden.
Ein familienpolitisches Problem ersten Ranges, das mit der Kindergeldgewährung und der Ausbildungsförderung in engem Zusammenhang steht, ist die Erwerbstätigkeit der Frau, insbesondere die Erwerbstätigkeit der Mutter. Die Erhebung von 1959 wies 9 199 000 erwerbstätige Frauen nach, darunter 6,3 Millionen in einem abhängigen Arbeitsverhältnis; 1961 war die Zahl schon auf über 7 Millionen angestiegen, und heute wird sie noch weit höher sein. 62 % der erwerbstätigen Frauen haben Kinder. Dazu kommen noch 600 000 arbeitende Frauen, die Kinder zu versorgen haben.
Die Zunahme der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen, die Kinder haben, geht aus folgenden Zahlen hervor: 1950 waren in der Altersgruppe von 25 bis 30 Jahren 25 % Ehefrauen; die Zahl ist bis 1957 auf 40 % angestiegen. Bei den Frauen in der Altersgruppe von 15 bis 25 Jahren waren 1950 30 % Ehefrauen; 1957 ist der Anteil der Ehefrauen auf 50 % angestiegen. Aus dem Mikrozensus von 1957 ergibt sich, daß von den erwerbstätigen Frauen 1 475 000 keine Kinder hatten, 1 539 000 1 Kind, 940 000 2 Kinder, 394 000 3 Kinder und 234 000 4 und mehr Kinder hatten. Es ist festzustellen, daß der Prozentanteil der arbeitenden verheirateten Frauen mehr steigt als der der unverheirateten. Besonders muß vermerkt werden, daß der prozentuale Anteil der Mütter am stärksten geworden ist. Niemand kann und darf einer Frau die Berufsarbeit verbieten. Wenn aber so viele Mütter mit Kindern eine außerhäusliche Tätigkeit aufnehmen, dann müssen ganz bestimmt gewichtige Gründe dahinterstecken. In den meisten Fällen reicht eben das Einkommen des Mannes nicht aus, um der Familie einen der heutigen Zeit entsprechenden Lebensstandard zu bieten.
Nach einer Denkschrift des Bundesfamilienministers - die allerdings schon einige Jahre zurückliegt - sieht das Bruttoeinkommen von Mehrkinderfamilien so aus: Von den Lohnsteuerpflichtigen haben etwa 20 bis 25 % ein Einkommen, das
bei 400 DM liegt, mehr als 30% ein Einkommen unter 450 DM und etwa 50% ein Einkommen unter 500 DM. Nach einer Erhebung von 1959 tragen erwerbstätige Mütter folgende Anteile zum Familieneinkommen bei: 72 % der erwerbstätigen Mütter 25 bis 50 % des Familieneinkommens, 23 % der Mütter 50 bis 75 % des Familieneinkommens. Die Mütter gehen also - das weisen diese Zahlen mit aller Deutlichkeit nach - unter dem wirtschaftlichen Druck ihrer Tätigkeit außer dem Hause nach.
Die Frau muß in jedem Fall die freie Entscheidung darüber haben, ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen will. Aber trotz einer positiven Einstellung zur Berufsarbeit muß man sagen: es sollte keine Mutter, die kleine Kinder hat, aus wirtschaftlicher Not gezwungen sein, eine außerhäusliche Tätigkeit aufzunehmen. Eine vernünftige Politik müßte verhindern, daß die Mütter und die Kinder die Opfer unserer Wohlstandsgesellschaft sind. Ferdinand Oeter schreibt in seinem Aufsatz über Mütter und Kinder in der industriellen Massengesellschaft folgendes:
Man wird infolgedessen davon ausgehen müssen, daß das moralische Versagen bei der rechten Erziehung der Kinder nicht so sehr eine Schuld der Mutter ist als vielmehr derjenigen Führungskräfte, die bisher der veränderten Soziologen Situation nicht ausreichend Rechnung getragen haben.
Oeter meint, daß gerade den Müttern heute eine Doppellast aufgebürdet ist, die unser soziales Gewissen nicht in Ruhe lassen dürfe.
Die SPD brachte mit Ihrer Drucksache einen Antrag ein, der uns in der Familienpolitik einen Schritt vorwärtsbringen könnte. Regierung und Koalition haben bisher bei der Kindergeldgesetzgebung fast ausschließlich die kinderreiche Familie bedacht. Daß sie Hilfe nötig hat, wird von niemand bestritten. Aber genauso muß der jungen Familie geholfen werden, die sich wirtschaftlich sehr schwer tut, wenn die Frau nicht mitarbeitet. Um den Kindern die beste Entwicklungs- und Erziehungsmöglichkeit zu geben, sollten staatliche wirtschaftliche Hilfen für eine ausreichende finanzielle Basis der jungen Familie sorgen. Auch den alleinstehenden Müttern muß in größerem Umfange als bisher geholfen werden. Wenn durch den Antrag der SPD etwa 2 Millionen Kinder mehr als bisher in den Genuß des Kindergeldes gekommen wären, wäre das eine gezielte Hilfe für junge Familien gewesen.
Andere Länder tun in dieser Hinsicht mehr. So zahlt Frankreich nicht nur Kindergeld für alle Kinder, sondern auch für Mütter, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, ein sogenanntes Herdgeld,
({0})
um ihnen einen Anreiz zu bieten, auf Erwerbsarbeit
zu verzichten und die Kinder selber zu versorgen.
({1})
Das Vorhandensein eines Familienministeriums sagt über die tatsächlichen familienpolitischen Leistungen der Regierung noch gar nichts aus.
({2})
Wir stellen fest, daß der frühere und der jetzige Familienminister sich im Kabinett weder in den Fragen . des Familienausgleichs noch der Ausbildungsförderung durchsetzen konnten.
({3})
Die Entscheidung der Koalitionsparteien zum Antrag der SPD auf Aufhebung der Einkommensgrenze beweist, daß sie noch nicht erkennen, wie wenig sie der Normalfamilie den notwendigen Schutz angedeihen lassen.
({4})
Nicht nur die kinderreichen, sondern auch die Familien mit zwei Kindern sind in wirtschaftliche Bedrängnis geraten.
({5})
- Als Normalfamilie bezeichnen wir Eltern mit zwei Kindern.
Seit 1949 - ({6})
- Das ist Ihnen ein bißchen unangenehm, darum werden Sie unruhig; aber das macht nichts.
Lassen Sie mich noch folgendes sagen. Seit 1949 ist die CDU verantwortlich für die Familienpolitik im Bund.
({7})
Sie ist der ihr gestellten Aufgabe, obwohl sie zeitweise die absolute Mehrheit besaß, nicht gerecht geworden.
({8})
- Das ist nicht nur die Auffassung der SPD. Der Familienbund der Deutschen Katholiken veröffentlichte in der Zeitung „Die Stimme der Familie" einen Appell an die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages, in dem es u. a. heißt:
Im Eifer einer gewissen Torschlußpanik darf es nicht geschehen, daß unsere Belange wieder in den Hintergrund gedrängt werden.
({9})
Heute wird nun im Rahmen des Familienlastenausgleichs ein weiteres Pflästerchen geklebt. Neben der Erhöhung der Einkommensgrenze - bei Wegfall dieser Grenze für die Mehrkinderfamilie - soll eine Ausbildungszulage von 40 DM monatlich für jedes Kind gewährt werden, das eine öffentliche oder staatlich anerkannte private allgemein- oder berufsbildende Schule oder eine Hochschule besucht oder in einem anerkannten Lehr- oder Anlernberuf ausgebildet wird. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, daß weder Lehrlinge noch Einzelkinder einen Anspruch haben, sofern sie nicht einen alleinstehenden Elternteil haben. Dieses Gesetz schafft also neue Ungerechtigkeiten.
Seit Jahren wird von allen Sachverständigen in der Bundesrepublik ein Ausbildungsförderungsgesetz gefordert, das dem einzelnen Kind eine auf seine Fähigkeit gezielte ausreichende wirtschaftliche Hilfe gibt. Seit 1962 liegt dem Bundestag ein entsprechender Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion vor. Die Behandlung im Ausschuß wurde immer wieder - das ist heute verschiedentlich festgestellt worden - mit der Begründung hinausgeschoben, die Regierungsvorlage werde demnächst dem Bundestag zugeleitet. Das ist bisher nicht geschehen. Verfassungsrechtliche Schwierigkeiten werden vorgeschoben. Man muß sich aber fragen - das haben auch Sie durch Ihre Sprecher vorhin sagen lassen -, ob sich nicht dieselben Schwierigkeiten für die jetzt zur Behandlung anstehende Vorlage ergeben, wenn der Berichterstatter dazu schreibt - ich zitiere -:
Der Familienlastenausgleich als die zentrale familienpolitische Maßnahme kann bildungspolitisch nicht neutral sein. Er hat notwendigerweise Auswirkungen auf die Bildungsbereitschaft und den Bildungswillen.
Während durch dieses Gesetz die Bildungsbereitschaft und der Bildungswille gehoben werden sollen und die Hilfe eine wirkliche Einkommenshilfe sein soll, trifft dieses Gesetz leider nur bestimmte Bevölkerungsgruppen.
Während der Vater mit einem Monatseinkommen von 3000 DM, der seinen Sohn auf die höhere Schule schickt, die Ausbildungszulage von 40 DM monatlich erhält, wird der Vater, der seinen zehnjährigen begabten Sohn aus finanziellen Erwägungen nicht rechtzeitig auf die höhere Schule schicken kann, von dieser Förderung ausgeschlossen. Nach der Anlage dieses Gesetzes kann den wirtschaftlich bedürftigen Familien nicht rechtzeitig geholfen werden.
Auch Lehrlinge werden diese Zulage nicht erhalten, weil ihre Erziehungsbeihilfe, die in jedem Fall über 40 DM liegt, voll angerechnet werden muß. Wir haben also wieder den Zustand wie bisher, daß den Normalfamilien keine ausreichende oder überhaupt keine Hilfe gegeben werden kann. Wir haben dasselbe, was wir bisher bei den Kategorienförderungen gehabt haben.
Es ist klar zu erkennen, daß diese Ausbildungszulage eine Leistung an Familien höherer Schüler ist, die ihren Kindern die bessere Schulausbildung durch ihr bisheriges Einkommen schon ermöglichen können. Eine Anhebung der Bildungsbereitschaft ist durch dieses Gesetz kaum zu erwarten. Es geht an den bildungspolitischen Problemen unserer Zeit vorbei.
Trotz dieser Kritik, die ich eben vorgetragen habe, verkennen wir nicht, daß diese Ausbildungszulage für viele Familien, die über ein verhältnismäßig geringes Einkommen verfügen und große Anstrengungen machen, um ihren Kindern eine
bessere Bildung und Ausbildung zu geben, eine willkommene wirtschaftliche Hilfe sein wird.
({10})
Wir halten es auch für richtig, daß Alleinstehende - es wird sich insbesondere um Frauen handeln - für ihr Kind diese Zulage erhalten. Wir bedauern aber, daß es die CDU/CSU nicht verstanden hat, in ihrer 16jährigen Regierungszeit einen Familienlastenausgleich und eine Ausbildungsförderung zu schaffen und zu finanzieren,
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die dem Auftrag des Grundgesetzes und dem § 1
des Jugendwohlfahrtgesetzes vollauf gerecht wird.
Auch das vorliegende Gesetz, sowohl bezüglich des Kindergeldes als auch der Ausbildungszulage, entspricht nicht den Vorstellungen der SPD über eine unserer Zeit angepaßte Familien- und Jugendpolitik. Das Gesetz ist falsch angelegt und in den Leistungen unzureichend.
Unter den 950 000 Kindern, die eine Ausbildungszulage erhalten sollen, sind viele aus Familien, die jede Hilfe dringend gebrauchen können. Deshalb und da nach allen Erfahrungen die Regierungskoalition nicht imstande sein wird, noch in diesem Bundestag ein Ausbildungsförderungsgesetz zu verabschieden - Sie haben selber heute gesagt, daß das nicht möglich sein wird -, hat sich die SPD-Fraktion dazu durchgerungen, diesem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zuzustimmen, obwohl sie sich der Unzulänglichkeit des Gesetzes bewußt ist. Die SPD hofft aber, daß sich im nächsten Bundestag eine Mehrheit findet, die bereit ist, einen Familienlastenausgleich durchzuführen, der allen Familien eine wirtschaftliche Existenzgrundlage sichert.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem sich die SPD unter großen Schmerzen durchgerungen hat, wie wir eben hörten, diesem unzureichenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu geben, möchte ich ein paar Worte zu der Materie sagen.
Meine Vorrednerin hat bemängelt, daß der völlige Wegfall der Einkommensgrenze noch nicht eingetreten sei. Nun, das wissen wir. Wir wissen, daß wir auf dem Gebiete des Kindergeldes beachtliche Leistungen zu verzeichnen haben. Es ist vielleicht richtig, daß wir uns jetzt in dieser Stunde wieder einmal darüber klarwerden, wie groß denn diese Leistungen waren. Es liegt nahe, eine Bilanz zu ziehen. Haben wir die gesetzgeberischen Aufgaben erfüllt, denen wir uns vor über drei Jahren zu Beginn der Legislaturperiode gegenübersahen? Ich glaube, wir können das ohne jedes Zögern mit einem klaren Ja beantworten.
Die wichtigsten Aufgaben, die sich diesem Bundestag beim Kindergeld stellten, waren die Vereinfacheng der organisatorischen Durchführung und eine Neuregelung der Mittelaufbringung. Außerdem mußte das auf vier Gesetze zersplitterte Leistungsrecht in einem einzigen Gesetz zusammengefaßt werden. Mit dem Bundeskindergeldgesetz, das wir im letzten Jahr verabschiedet haben, sind diese Reformziele in vollem Umfang erreicht worden. Daneben bestand die Aufgabe, die Leistungen nach dem Kindergeldrecht in angemessenem Umfang zu verbessern. Auch das ist geschehen. Vor erst knapp einem Jahr sind durch das Bundeskindergeldgesetz die Leistungen für die dritten und weiteren Kinder beträchtlich erhöht worden. Mit der soeben beschlossenen Novelle wird die Einkommensgrenze teilweise beseitigt und eine Ausbildungszulage eingeführt.
Die Auswirkungen dieser Verbesserungen für die Familie will ich einmal an einem einzigen Beispiel kurz verdeutlichen. Noch vor einem Jahr erhielt eine Familie mit fünf Kindern nach dem Kindergeldrecht nur 120 oder 145 DM, je nachdem ob ihr Einkommen über oder unter der Einkommensgrenze lag. Die gleiche Familie soll in Zukunft ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens mindestens 205 DM bekommen. Dieser Betrag soll sich durch die Ausbildungszulage auf maximal 405 DM erhöhen können. Ich glaube, das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
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Ich stehe leider immer vor der Notwendigkeit, bei der Verabschiedung eines Gesetzes den Damen und Herren von der SPD zu sagen, sie sollten sich doch ihre eigene Leistung nicht vermiesen, sondern wir sollten stolz sein auf das, was dieses Hohe Haus so Entscheidendes in der Frage des Familienlastenausgleichs mit diesem Gesetz wieder getan hat.
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Weil ich Verständnis habe für Ihre Schmerzen, mit denen Sie sich zur Zustimmung durchgerungen haben, meine ich, sollten wir ein Wort des Dankes sagen an die Damen und Herren, die in den zuständigen Ausschüssen diesen Hohen Hauses gearbeitet haben, des federführenden Ausschusses für Arbeit und der mitberatenden Ausschüsse für Sozialpolitik und für Familien- und Jugendfragen. Ohne die zügige Beratung der Novelle zu dem Gesetz in diesen Ausschüssen hätte das Gesetz entweder gar nicht mehr oder doch jedenfalls nicht so rechtzeitig verabschiedet werden können, daß es bereits am 1. April in Kraft treten kann.
Meine Damen und Herren, ich beglückwünsche Sie zu diesen erfreulichen Leistungen auf dem Gebiete der Fortentwicklung des Familienlastenausgleichs. Sie können stolz darauf sein!
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Der Herr Minister für Familienfragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema dieser Debatte scheint den Ton bestimmt zu haben; denn es war eine Debatte in ausgesprochen
Bundesminister Heck
familiärem Klima. Trotzdem muß ich ein paar Dinge richtigstellen.
Frau Kollegin Freyh, Sie waren so freundlich, den Schwarzen Peter bei den Stellungnahmen der Länder zu Ihrem Gesetzentwurf Bayern zuzuschieben. Ich erlaube mir, Ihnen die Ausführungen des Staatssekretärs Dr. Müller von Hessen wörtlich vorzulesen. Herr Staatssekretär Dr. Müller hat vor dem Ausschuß ausgeführt:
Die Begabtenförderung ist es ja gerade, die diesen Gesetzentwurf uns so sympathisch macht, aber eben weil es sich um eine Angelegenheit der Kulturpolitik handelt, läßt sich die Frage mit dem Gesetzentwurf nicht lösen.
Meine Damen und Herren, ich halte es für eine gute Sache, daß Sie sich in der Frage der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit nun doch offensichtlich der Meinung der sozialdemokratisch regierten Länder und der Meinung der Bundesregierung angeschlossen haben, nämlich, daß es das beste ist, wenn wir diese Frage gemeinsam mit den Ländern über ein Verwaltungsabkommen regeln.
Nun soll ich gerade zu dieser Frage als Mitglied der Regierung antworten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß Sie daran erinnern, daß es sehr lange Zeit gedauert hat, bis die Länder das Verwaltungsabkommen über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem kulturellen Gebiet unterschrieben haben, das geschah nämlich erst im Sommer des vorigen Jahres. Ehe dieses Abkommen unter Dach und Fach gebracht war, war es nicht möglich, ein neues Thema bezüglich eines gemeinsamen Vorgehens zwischen Bund und Ländern an die Länder heranzutragen.
Weiterhin muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Länder erst seit einigen Monaten dabei sind, eine Bestandsaufnahme über den Stand der Ausbildungsbeihilfen in der Bundesrepublik - sowohl die Leistungen des Bundes wie die Leistungen der Länder betreffend - vorzunehmen. Dieses Memorandum ist zwar fertiggestellt, aber von den Kultusministern noch nicht veröffentlicht worden, d. h. die Voraussetzungen für ein Gespräch mit den Ländern werden zur Zeit in den Ländern erst geschaffen.
Für die Bundesregierung kann ich Ihnen sagen, daß in meinem Hause bereits ein fast fertiger Entwurf für einen solchen Vertrag mit den Ländern vorliegt; und zum Schluß möchte ich Ihnen noch sagen, daß ich mich vor wenigen Tagen mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz auf nächsten Samstag verabredet habe, um der Sache nach die letzten Probleme zu besprechen. Ich glaube nicht, daß es zweckmäßig wäre, die Ministerpräsidenten zu einer Aussprache zusammenzuholen, ehe nicht von der Sache her die Voraussetzungen für eine Aussprache geschaffen sind. Soviel zu der Frage, was die Bundesregierung für eine Aussprache mit den Ministerpräsidenten getan hat.
Eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich noch einmal mit Nachdruck unterstreichen: Wir waren nie der Auffassung, daß diese Ausbildungszulagen über den Familienlastenausgleich
das Thema der Ausbildungsbeihilfen insgesamt regeln sollten. Aber ich verstehe nicht ganz, warum Sie sich soviel Mühe geben, diese, wie ich meine, bildungspolitisch großartige Leistung so herabzuspielen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht nachzulesen, was in den Ländern an Erziehungsbeihilfen geleistet wird. Ich wähle zwei seit langem sozialdemokratisch regierte Länder als Beispiel aus, das Land Bremen und das Land Hessen. In diesen Ländern sind die sozialdemokratischen Landesregierungen offensichtlich der Auffassung, daß es bildungspolitisch ausreichend und fortschrittlich ist, Erziehungsbeihilfen in folgender Höhe zu leisten: Das Land Bremen gewährt Erziehungsbeihilfen jährlich zwischen 110 und 560 DM. Sie werden mir zugeben, daß, wenn man hier die 480 DM unserer Ausbildungszulagen zum Vergleich heranzieht, diese nicht sehr weit von der höchstmöglichen Leistung im Lande Bremen entfernt sind. - Im Lande Hessen werden - gestaffelt - folgende Erziehungsbeihilfen gezahlt: An den Höheren Schulen von der 5. bis zur 8. Klasse 240 bis 360 DM,
({0})
- jawohl im Jahr -, von der 9. bis zur 10. Klasse 360 bis 480 DM und von der 11. bis zur 13. Klasse 400 bis 600 DM.
Ich finde: was von Ihnen in sozialdemokratisch regierten Ländern als eine fortschrittliche Sache angesehen wird, das sollten Sie auf der Ebene des Bundes nicht mit dem Prädikat „Speck für die Wählermaus" abtun.
({1})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe?
Bitte schön.
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß die isolierte Darstellung dieser Sachverhalte eine unvollständiges Bild der gesamten Situation gibt?
Ich vergleiche in diesem Zusammenhang nur die Leistungen der Länder Bremen und Hessen für Erziehungsbeihilfen mit der Ausbildungszulage über den Familienlastenausgleich und sage: was in Bremen und Hessen als ausreichend angesehen wird, kann hier nicht als völlig unzulänglich bezeichnet werden.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe?
Bitte sehr.
Ist Ihnen aber bekannt, daß die Gesamtleistung etwa des Landes Hessen für die heranwachsende Jugend ein anderes Bild ergäbe, als es sich ergibt, wenn man nur diesen einen Punkt hier propagandistisch ausnützt?
({0})
Herr Kollege, ich habe auch nicht die Leistungen des Landes Hessen und des Landes Bremen insgesamt mit den Leistungen des Bundes insgesamt verglichen. Das wäre, glaube ich, der Sache nach nicht korrekt.
Frau Kollegin Schanzenbach, ein paar Worte noch zu Ihren Ausführungen: Sie meinten, der Minister setze sich im Kabinett nicht durch. Ich will Ihnen ganz offen sagen, der Minister braucht im Kabinett nicht sehr viel Lärm zu machen, weil er - das möchte ich hier auch einmal sagen - einen ausgesprochen familienfreundlichen Finanzminister hat.
({0})
Dann haben Sie „Die Stimme der Familie", das Organ des Familienbundes der deutschen Katholiken, zitiert. Es wäre hier interessant, wenn Sie das Datum nennen würden. Dann müßten Sie nämlich feststellen, daß diese Ausführungen in der „Stimme der Familie" veröffentlicht worden sind, ehe diese Novelle zur Beratung anstand.
({1})
Ich muß Ihnen jetzt sagen, daß gerade der Familienbund der deutschen Katholiken die Ausbildungszulagen im Familienlastenausgleich mit fast überschwenglichen Worten begrüßt hat; er hat nämlich erklärt, dieser bildungspolitische Ausbau dos Familienlastenausgleichs sei der größte Fortschritt in der Familienpolitik, der seit langem erzielt worden sei.
({2})
Verehrte Frau Kollegin, ich unterstelle Ihnen natürlich nicht, daß Sie Ihre Ausführungen im Hinblick auf die Wahlen gemacht haben.
({3})
Ich gestehe Ihnen gern zu, daß Sie sich versehen haben.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Schanzenbach?
Bitte schön.
Herr Minister, ist es wahrscheinlich, daß „Die Stimme", die ich zitiert habe, vor der Zeit liegt, ehe das Gesetz im Bundestag eingebracht wurde? Darf ich aber fragen: War es vielleicht der Druck, der von dort her kam, daß das Gesetz überhaupt in den Bundestag gekommen ist?
({0})
Gnädige Frau, diese Argumentation mit Wahlspeck und Wahlgeschenken ist ja eigentlich langsam langweilig geworden,
({0})
und zwar aus folgendem Grund. Ich will es begründen.
({1})
Wenn ich mir jedesmal die Reaktion vor Augen hielte, daß die Opposition etwas, was die Regierung oder die Koalitionsfraktionen hier im Bundestag verabschieden, als Wahlgeschenk bezeichnet, dann müßte ich daraus eigentlich den Schluß ziehen: Sie wünschen, daß die Regierung zwei Jahre vor der Wahl in Urlaub geht und nichts mehr tut.
({2})
- Herr Schwabe, in diesem Punkt sind wir verschiedener Meinung.
Aber ich möchte Ihnen ein weiteres zu dem Thema „Wahlspeck" sagen.
({3})
- Darauf wollte ich eben kommen. Es gehört eigentlich zum Wesen der Demokratie, daß das Parlament gerade das nicht tut, was die Wähler nicht wollen. Wenn sich eine Regierung daran orientiert, was die Mehrheit der Bevölkerung für notwendig hält, dann halte ich das nicht nur für eine nützliche, sondern für eine gute Sache. Sie können sich darauf verlassen, daß wir es auch in Zukunft so halten werden.
({4})
Liegt noch eine Wortmeldung vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 548. Er ist bereits begründet. Das Wort wird nicht gewünscht.
Soll an den Ausschuß überwiesen werden?
({0})
- Also Ausschuß für Arbeit - federführend - und Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zur Mitberatung. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich komme zum Ausschußantrag Nr. 3, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Damit komme ich zu Punkt 4 b und rufe den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/2608 auf. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Der Ausschuß schlägt Ihnen Ablehnung vor. - Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Meine Damen und Herren, wer dem Ausschußantrag zustimmt, muß also mit Nein abstimmen. Ich frage zuerst, wer für den Gesetzentwurf ist. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu Punkt 4 c, und zwar zu dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans, Wagner, Brück und Genossen. Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Haus verzichtet.
Dann hat Herr Abgeordneter Stingl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist von so weitgehender Bedeutung - auch für andere Bereiche des Kindergeldrechts -, daß wir Zurücküberweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und den Haushaltsausschuß beantragen.
Widerspruch erhebt sich nicht. Das Wort wird auch nicht gewünscht. Dann ist Zurücküberweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und den Haushaltsausschuß zur Mitberatung beschlossen.
Meine Damen und Herren, nachdem wir Punkt 4 erledigt haben, rufe ich Punkt 5 auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst ({0}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
({3})
Ich danke idem 'Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Wolf, für seinen Schriftlichen Bericht. Soweit ich gehört habe, ist Zurücküberweisung an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Sonderausschuß für Strafrecht zur Mitberatung vorgeschlagen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Die Punkte 6,. 7, B und 9 der Tagesordnung werden am Freitag behandelt.
Damit komme ich zu Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Folger, Dr. Kreyssig, Marx, Seuffert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
({4});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres ({5}) ({6}). ({7})
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Stauch, für ,seinen Schriftlichen Bericht und
mache darauf aufmerksam, daß der Ausschuß beantragt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wer dem Antrag des Ausschusses gemäß handeln will, muß gegen den Gesetzentwurf stimmen. Ich rufe aber zuerst auf: Wer für die aufgerufenen Bestimmungen ist, gebe das Handzeichen. - Eine Stimme. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die große Mehrheit! Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Abgelehnt.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
'Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abschöpfungserhebungsgesetzes ({8}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Außenhandelsausschuß - mitberatend - vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung ({9}).
Auf Begründung wird verzichtet. Zur Aussprache hat Herr Abgeordneter Wilhelm von der SPD eine Erklärung abgegeben, die ich mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll gebe *). Ich danke für diese Form der Vereinfachung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß sowohl zur Mitberatung als auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses ({10}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Vorschriften der Mitgliedstaaten der EWG zur Aufrechterhaltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölerzeugnissen ({11}) ({12}).
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Elbrächter, für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 4
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({13}) über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Beyer ({14}), Frau Strobel, Junghans, Kurlbaum, Lange ({15}), Porzner und Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964 ({16}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Gewandt. Ich erteile ihm das Wort.
({17})
- Das Haus verzichtet auf die Berichterstattung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({18}) über die von der Bundesregierung beschlossene Fünfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({19}) ({20});
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({21}) über die von der Bundesregierung beschlossene Sechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({22}) ({23}).
Ich danke den Berichterstattern, den Abgeordneten Dr. Rinderspacher und Dr. Löhr, für ihre Schriftlichen Berichte. Wind das Wort gewünscht? -. Das ist nicht der Fall.
Zu ,a) wird beantragt, der Verordnung zuzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Zu b) beantragt der Ausschuß, der Verordnung unter Annahme seiner Änderungsvorschläge zuzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine 'Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({24}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Reitschule in Hannover an die Stadt Hannover ({25}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mälzig. Ich erteile ihm das Wort. - Das Haus verzichtet 'auf die Berichterstattung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur Veräußerung des früheren reichseigenen Gesandtschaftsgrundstücks in Bangkok ({26}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Punkt 18 soll von der Tagesordnung abgesetzt werden. - Er ist abgesetzt.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Verkehrsplanes für das Gebiet entlang der Zonengrenze ({27}) ;
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wehner, Dr. Gradl, Mischnick, Hösl und Genossen betr. Förderung des Zonenrandgebietes ({28}).
Soll der Antrag der FDP begründet werden? - Das ist nicht der Fall.
Soll der Antrag der Abgeordneten Wehner, Dr. Gradl, Mischnick, Hösl und Genossen begründet werden? - Bitte sehr, Herr Dr. Gradl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die zügige Abwicklung der Tagesordnung nicht unnötig verzögern. Aber der Antrag, um den es hier geht, ist von einer solchen Bedeutung, daß ein Wort zur Begründung gesagt werden muß. Es ist der interfraktionelle Antrag Drucksache IV/3016, ein gemeinsamer Antrag aller Mitglieder des Bundesausschusses für gesamtdeutsche Fragen. Er enthält das Ersuchen an die Bundesregierung, Maßnahmen zur zusätzlichen Förderung des Zonenrandgebietes zu ergreifen.
Der Ausschuß und Vertreter der Regierung haben sich im abgelaufenen Jahr mehrfach intensiv mit den Fragen des Zonenrandgebietes befaßt. Es sind Reisen dorthin gemacht worden, man hat sich an Ort und Stelle einen Eindruck verschafft. Das Ergebnis dieser Reisen - sie sind noch nicht abgeschlossen - ist dieses: Erfreulicherweise hat das Zonenrandgebiet im ganzen den Rückstand, den es vor einer Reihe von Jahren gegenüber der Entwicklung im Bundesgebiet im allgemeinen hatte, überwunden. Heute kann man feststellen, daß man von einem Notstandsgebiet - gelegentlich wird das im Übereifer gesagt - nicht mehr sprechen kann. Im allge7968
meinen hat das Zonenrandgebiet gleichgezogen. Die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung und der Länder des Zonenrandes haben sich gelohnt.
Aber auch dies muß man sehen - und deshalb ist dieser Antrag eingebracht worden -: Was im Zonenrandgebiet erreicht worden ist, ist noch nicht genug. Das Zonenrandgebiet ist in dem Niveau, das es erreicht hat, nicht einheitlich. Es gibt eine Reihe von Kreisen und Bezirken, in denen noch mancherlei nachzuholen ist. Es kommt uns darauf an, daß die Bundesregierung in einer systematischen Weise mit den Regierungen der Länder und mit den Gemeinden das Zonenrandgebiet durchforstet, um herauszufinden, wo noch nennenswerte Rückstände sind und wo noch Wesentliches zusätzlich getan werden muß.
Wir erwarten nicht - und ich glaube, niemand im Zonenrandgebiet erwartet das -, daß die Bundesregierung mit einem Füllhorn erscheint. Aber es gibt eine Reihe von Dingen, die gezielt .in diesem oder jenem Gebiet zusätzlich gemacht werden müssen. Es kann nicht hingenommen werden, daß es angesichts der schändlichen Trennung der beiden Teile Deutschlands auf unserer Seite der Demarkationslinie irgendeinen Bezirk, irgendein Gebiet, irgendeine Landschaft, irgendein Dorf gibt, die das Gefühl haben könnten, sie seien vergessen worden.
Ein Zweites kommt hinzu. Wir waren bei unseren Reisen tief beeindruckt von der Arbeit und den Urteilen der Behördenleiter, der Landräte und Bürgermeister entlang der Zonengrenze sowie von dem,
was die Leute aus der Wirtschaft dort auf die Beine gestellt haben. Aber sie alle sehen mit Sorge, daß sie in einer Zeit, in der die EWG immer enger zusammenwächst, plötzlich nicht mehr nur der Rand des Bundesgebietes sind, sondern daß vielleicht auch die Gefahr besteht, daß sie zum Rand der EWG werden. Geographisch sind sie es sowieso. Auch unter diesem Gesichtspunkt muß sorgfältig gesucht werden, was an zusätzlichen Möglichkeiten erschlossen werden kann, um diesem Gebiet die Sicherheit und Aussicht zu geben, die es braucht. Übrigens sind nicht nur wirtschaftliche Dinge nötig. Vielleicht noch wichtiger sind die Maßnahmen, die auf dem Gebiet der inneren Struktur und auf kulturellem Gebiet getroffen werden müssen.
Dies alles jedenfalls soll von der Bundesregierung sorgfältig geprüft - wir wissen, daß sie dabei ist - und dargestellt werden, damit wir uns in diesem Hause einen Eindruck von dem verschaffen können, was geschieht und was in absehbarer Zeit noch geschehen muß und kann. Das wird auch gewisse finanzielle Leistungen erfordern. Wir glauben nicht, daß sie nicht getragen werden können. Zusätzliches muß nun einmal getan werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen am Zonenrand entlang deutlich machen, daß wir die Demarkationslinie nicht zu einem Isolierstreifen werden lassen, sondern daß wir dieses ganze Gebiet so mit Leben erfüllen wollen, daß jeder, der von draußen dorthin kommt, augenfällig wahrnimmt: die Deutschen rechnen nicht mit der Dauer dieser Grenze, sondern sie tun auch hier das Ihre, um die Wiedervereinigung vorzubereiten und herbeizuführen.
Das waren - in gebotener Kürze - etwa die Überlegungen, die die Mitglieder des Ausschusses zu diesem interfraktionellen Antrag veranlaßt haben. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag mit der Maßgabe zuzustimmen, ihn an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen unter Mitbeteiligung des Haushaltsausschusses zu überweisen.
({0})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Beide Anträge sollen an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - federführend - überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Nunmehr geht es um die Mitberatung. Nach den Unterlagen, die ich habe, soll der Antrag der Fraktion der FDP nicht an den Haushaltsausschuß, sondern an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung überwiesen werden. Bleibt es dabei?
({0})
Dann ist so beschlossen.
Der Antrag Wehner, Dr. Gradl, Mischnick, Hösl und Genossen hingegen soll zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, die nächsten drei Punkte der Tagesordnung werden am Freitag aufgerufen.
Damit hätten wir unsere Arbeit heute beendet. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Februar 1965, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.