Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich freue mich, Herrn Kollegen Wittmer-Eigenbrodt zu seinem 75. Geburtstag unsere herzlichen Wünsche aussprechen zu können.
({0})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung ,des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({1}) über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertundzweite Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Erhöhung von Zollkontingenten für das Kalenderjahr 1964 ({2}).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinderspacher.
- Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in .den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Die Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 8. Dezember 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Siemer, Burgemeister, Riedel ({3}) und Genossen betr. Fleischbeschaugesetz - Drucksache IV/2736 - beantwortet. Ihr Schreiben wird als Drucksache IV/2828 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 151. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 1964 gestellten Fragen des Abgeordneten Sänger Nrn. I/3 und I/4 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Dahlgrün vom 8. Dezember 1964 eingegangen. Sie lautet:
1. Ich gehe davon aus, daß sich diese Frage auf den Anspruch auf Soforthilfe für Rückwanderer nach § 141 des Bundesentschädigungsgesetzes ({4}) vom 29. Juni 1956 bezieht. Nach dieser Bestimmung kann der Verfolgte deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehorigkeit, der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus Verfolgungsgründen ausgewandert ist, eine Soforthilfe in Höhe von 6000 DM erhalten, wenn er nach dem 8. Mai 1945 in der Bundesrepublik oder in West-Berlin seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt genommen hat oder nimmt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 10. Februar 1960 ({5}) entschieden, daß ein ausgewanderter Verfolgter, der nach dem 8. Mai 1945 im Ausland ohne Zwischenwohnsitz in der Bundesrepublik für diese diplomatische oder konsularische Aufgaben übernimmt, vor Beendigung seines Auslandsaufenthaltes keinen Anspruch auf Soforthilfe hat. Auf die Frage des Wiedererwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit kommt
es daher in diesen Fällen nicht an. Ihre Frage zu 1. muß somit nach der derzeitigen Rechtslage verneint werden, da die Entschädigungsorgane der Länder, die das BEG durchführen, an die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gebunden sind.
2. Abgesehen von dem Anspruch auf Soforthilfe nach § 141 BEG spielt die Frage des Wohnsitzes im Ausland für Wiedergutmachungsansprüche keine Rolle. Die maßgeblichen innerdeutschen Wiedergutmachungsgesetze gewähren Ansprüche grundsätzlich unabhängig davon, ob der Verfolgte aus der Emigration zurückgekehrt ist oder seinen Wohnsitz im Ausland beibehalten hat. Eine Ausnahme gilt lediglich in den Fällen, in denen der Verfolgte seinen Wohnsitz in Ländern des Ostblocks hat, mit denen die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen unterhält.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1:
Fragestunde ({6}) .
Es liegt vor eine Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Jahn - Drucksache IV/2824 -, die den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen betrifft:
Ist die Bundesregierung bereit, Verwandtenbesuche in der SBZ über die bevorstehenden Weihndchts- und Neujahrsfeiertage in den Fällen finanziell zu unterstützen, in denen wegen des Zwangsgeldumtausches die Besuche unverschuldet und unvorhergesehen aus wirtschaftlichen Gründen unbillig erschwert oder gar unmöglich werden?
Auf die Frage des Kollegen Jahn möchte ich erklären: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Besuche zu Weihnachten und Neujahr in Mitteldeutschland nicht am Währungszwangsumtausch scheitern dürfen. Darum prüft gegenwärtig das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen, welche Hilfen in begründeten Fällen gegeben werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Jahn.
Läßt sich absehen, Herr Minister, wie lange diese Prüfung noch dauern wird? Es sind ja praktisch nur noch wenige Tage, die zur Verfügung stehen.
In wenigen Tagen wird auch unsere Entscheidung gefallen sein. Wir glauben, daß ohnehin nur ein ganz kleiner Personenkreis in Frage kommen kann; denn nach § 5 der Zonenverordnung sind
Rentnerinnen und Rentner und Jugendliche unter 16 Jahren vom Zwangsgeldumtausch befreit.
Keine weitere Frage. - Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir fahren dann mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz fort. Ich rufe auf die Frage VII/3 - des Abgeordneten Stingl -:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Beleidigung des Berliner Senats und welche Beleidigung, Verleumdung und politisch üble Nachrede des Regierenden Bürgermeisters der Aktion zugrunde lag?
Die Frage ist mit Ja zu beantworten. Der Bundesregierung sind diese Vorgänge bekannt.
Herr Bundesminister, stand schon in dem Antrag auf Untersuchung und Durchsuchung, daß über finanzielle und inhaltliche Ermöglichung, Unterstützung oder Gestaltung durch unbekannte Mittäter oder Gehilfen Aufschluß gegeben werden solle?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich weiß nur, daß es in dem Beschluß des Gerichts so stand.
Wenn offensichtlich ist, daß es einen Beleidiger und einen Verleumder gibt - in diesem Falle den Artikelschreiber -, ist es dann auch noch üblich, daß man nach den Informanten, Mittätern und finanziellen Ermöglichern sucht, oder ist das nur in einem Fall möglich, in dem Politiker betroffen sind?
Herr Kollege Stingl, Sie fragen wieder nach einem Einzelfall, einem Einzelfall, zu dem ich eine ganz beistimmte persönliche Ansicht habe und bei dem ich auch volles Verständnis habe, daß er Sie bewegt. Aber es ist Ihnen nicht damit gedient, daß ich hier meine persönliche Meinung sage. Sie wollen die Meinung der Bundesregierung hören. Die Bundesregierung kann es aber nicht unternehmen, sich zum Zensor von Länderinstanzen aufzuwerfen.
Wenn Sie aber bei Ihrer Frage absehen von dem Fall und sie allgemein stellen, dann ist sie so zu beantworten, daß das naturgemäß nicht üblich ist. Aber ein Fall kann durchaus so gelagert sein, daß man, obwohl der Beleidiger feststeht, trotzdem nicht nach Informanten, aber nach Anstiftern Ermittlungen anstellt, z. B. in einem Fall, wo die betreffende Falschmeldung schon einmal verbreitet worden ist oder sogar durch einstweilige Verfügung untersagt worden ist. Hier liegt natürlich der Verdacht nahe, daß der betreffende Beleidiger zu der Wiederholung dieser Äußerung durch eine andere, dritte Person veranlaßt worden ist.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Bundesminister, Sie haben die Frage des Herrn Abgeordneten Stingl bejaht. Wodurch wurde der Senat von Berlin denn eigentlich beleidigt?
Das zu beurteilen, liegt allein in der Zuständigkeit des Gerichts, nicht in meiner.
({0})
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Liehr.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Veröffentlichungen des Echo-Verlages erkennbar die Tendenz verfolgen neonazistisches Gedankengut zu verbreiten?
Ich glaube, daß die Frage in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Hier dreht es sich ja darum, ob die Veröffentlichung eine strafbare Handlung im Sinne der Beleidigungsbestimmungen war.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Liehr.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die verbreiteten Diffamierungen, die die ungeheuerlichsten und niederträchtigsten Vorwürfe enthalten, gegen ein bestehendes gerichtliches Verbotsurteil verstoßen und offensichtlich wider besseres Wissen erfolgt sind?
Auch das unterliegt allein der Beurteilung durch das Gericht. Ich möchte hierüber namens der Bundesregierung kein Urteil abgeben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Benda.
Herr Bundesminister, hält die Bundesregierung nach ihren bisherigen Vorstellungen über die Informationsfreiheit und den Schutz der Informanten der Presse die Pressefreiheit für noch gewährleistet, wenn 50 Polizei- oder Kriminalbeamte in die Redaktion einer Zeitung eindringen und dort nach unterstellten Mittätern oder Gehilfen forschen?
Die Frage wegen der Beteiligung von 50 Beamten isst schon zu Ende der letzten Fragestunde gestellt worden. Ich glaube, daß die Informationsfreiheit nicht davon abhängig ist, wie viele Beamte sich an einer solchen Aktion beteiligen. Aber grundsätzlich ist die Bundesregierung selbstverständlich der Ansicht - ich habe diese Ansicht immer wieder vertreten -, daß die Informationsfreiheit - soweit wie irgend möglich - auf jeden Fall gewährleistet werden soll und daß bei solchem strafrechtlichen Einschreiten darauf Rücksicht genommen werden muß.
Ich rufe die Frage
VII/4 - des Herrn Abgeordneten Stingl - auf:
Was kann nach Auffassung der Bundesregierung Senator Kirsch bei der Erläuterung der Beschlagnahmeaktion unter „finanzieller und inhaltlicher Ermöglichung, Unterstützung oder Gestaltung durch unbekannte Mittäter" gemeint haben?
Auch diese Frage geht natürlich auf eine Wertung der Äußerungen des Senators Kirsch hinaus. Diese Wertung steht mir nicht zu, vor allem nicht die Interpretation seiner Äußerung. Im übrigen aber, glaube ich, unterliegen Sie hier einem Irrtum, denn es waren nicht die eigenen Worte des Herrn Senators Kirsch, sondern es war ein Zitat aus dem Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. November.
Herr Minister, es ist mir bekannt, daß das ein Zitat ist. Aber würden Sie nicht meinen, daß der Herr Senator Kirsch sich letztlich von dieser Form distanziert hat, da er in seiner Rede vor dem Abgeordnetenhaus davon sprach, daß Beschlagnahmen in Verlagsgebäuden mit dem Ziel, Informanten zu eruieren, unter Umständen unzulässig seien?
Jawohl, Herr Senator Kirsch hat Wert darauf gelegt - ich habe seine Erklärung auch hier -, sehr genau zwischen Informanten und Anstiftern zu unterscheiden. Er hat gesagt, es würde Bedenken begegnen, wenn
3) die Suche nach Aufzeichnungen, soweit dies die inhaltliche Ermöglichung oder Gestaltung der Artikel betreffe, auf die Feststellung von Informanten oder Verfassern abzielen sollte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Stingl.
Darf ich Herrn Senator fragen, -
({0})
- Entschuldigung, Herr Minister, -
Den Senator müßten Sie nämlich fragen!
Ich wäre sehr froh, wenn der Senator gefragt würde.
Ich stimme Ihnen zu, Herr Minister. Entschuldigen Sie, daß ich zusätzlich frage: Würden Sie nach dem, was Ihnen über die Aktion bekannt ist, sagen, daß die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abwägung zwischen den Erfordernissen der Pressefreiheit und denen der Strafverfolgung bei dieser Aktion ausreichend berücksichtigt wurde?
Ich hoffe, daß die anhängige Beschwerde in diesem Verfahren Gelegenheit dazu gibt, daß sich eine höhere Gerichtsinstanz mit dieser sehr brennenden Frage befaßt.
Herr Abgeordneter Memmel zu einer weiteren Frage.
Herr Bundesminister, ich will abstrakt fragen, nicht konkret: Ist die Bundesregierung in Ansehung der Vorschriften des Reichspressegesetzes und des Strafrechtes der Meinung, daß sich Geldgeber für ein Publikationsorgan überhaupt jemals wegen der Veröffentlichung eines beleidigenden Artikels in eben diesem Publikationsorgan strafbar machen können?
Ein solcher Fall ist durchaus denkbar, wenn etwa ein Geldgeber einen verantwortlichen Redakteur oder Herausgeber anstiftet, einen Artikel strafbaren Inhalts zu bringen oder ihm dafür Geld gibt. Das ist möglich.
({0})
Eine zweite Frage, Herr Abgeordneter Memmel.
Die zweite abstrakte Frage: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ein Durchsuchungsbeschluß, der zur Ermittlung von Material gegen eine Person erlassen wurde, dann rechtswidrig ist, wenn diese Person sich gar nicht strafbar machen konnte?
Ihre Frage ist nicht zulässig. Ziffer 7 der Richtlinien für die Fragestunde besagt, daß nur konkrete Fragen und keine abstrakten Fragen gestellt werden können.
Ich darf noch ein Wort dazu sagen. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich habe als amtierender Präsident die Fragen des Herrn Kollegen Stingl zugelassen, obwohl sie sicher nach den Richtlinien nicht zulässig sind. Denn nach Ziffer 5 der Richtlinien sind nur „Einzelfragen aus dem Bereich der Verwaltung, soweit die Bundesregierung unmittelbar oder mittelbar verantwortlich ist, und Einzelfragen aus dem Bereich der Bundespolitik" zulässig. Hier sind hingegen nur Fragen aus dem Bereich der Landesjustizpolitik berührt.
Ich wollte keine Schwierigkeiten machen, weil sich unsere Praxis anders, von den Richtlinien weg entwickelt hat. Ich habe aber im Ältestenrat angeregt, daß Anfang nächsten Jahres geklärt wird, wie wir hier verfahren wollen.
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Ich stelle es dem Herrn Minister anheim, ob er Ihre abstrakte Frage beantworten will.
Herr Präsident, dann ziehe ich diese abstrakte Frage zurück und stelle eine andere Frage. Darf ich das?
Einverstanden.
Sieht sich die Bundesregierung veranlaßt, von den Rechten des Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, weil die Berliner Staatsanwaltschaft einen Antrag gestellt hat, der ein eklatant rechtswidriges Ziel verfolgt hat?
Ich kann den Sinn Ihrer Frage im Augenblick nicht verstehen.
Darf ich Sie dann bitten, Herr Minister, daß Sie meine Frage schriftlich beantworten?
Jawohl.
Wollen wir uns dahin verständigen! - Herr Abgeordneter Benda zu einer weiteren Frage.
Herr Minister, die soeben geschäftsordnungsmäßig gemachten Bemerkungen veranlassen mich zu der Frage, ob sich die Bundesregierung für die Wahrung der Pressefreiheit auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts auch insoweit für zuständig erklärt, als die Tätigkeit einzelner Landesjustizverwaltungen oder der ihnen unterstellten Behörden in Frage kommt.
Die Bundesregierung hält sich dafür insofern für zuständig, als sich daraus Folgerungen für die Gesetzgebung ergeben können.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Benda.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Aktion, über die hier diskutiert wird, zusammen mit ähnlichen, möglicherweise vergleichbaren Aktionen einen wertvollen Beitrag für die Überlegungen dieses Hauses auf dem Gebiete der Gesetzgebung in dieser Materie, vor denen wir stehen, liefern könnte?
Diese Ansicht teile ich durchaus mit Ihnen.
Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Minister, nur zur Klarstellung, nicht abstrakt, sondern konkret: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß der Herr Kollege Stingl den Deutschen Bundestag mit dem Berliner Abgeordnetenhaus verwechselt hat?
Ich glaube nicht, daß er das verwechselt hat. Aber ich glaube, daß er sich über die Kompetenzen nicht ganz im klaren war.
({0})
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, es gebe eine Art Dienstaufsicht des Bundesjustizministers über die unabhängigen Gerichte der Länder?
Daß ich dieser Meinung nicht bin, ist, glaube ich, aus den Antworten auf ,die Fragen deutlich geworden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Liehr.
Herr Minister, könnte es besondere Gründe dafür geben, daß sich ein Mitglied der CSU, der Herr Kollege Memmel, nach den finanziellen Hintergründen der Sache erkundigt?
Ich glaube nicht daß das eine Frage ist, die veranlaßt ist. Ich lasse sie nicht zu.
Ich rufe auf die Frage VII/5 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung den alten Mitbürgern zu helfen, die ihren Lebensabend durch jahrzehntelang bezahlte Lebensversicherungen materiell gesichert glaubten, dann aber kurz vor oder nach der Währungsreform ausbezahlt wurden und deshalb erheblich benachteiligt worden sind?
Die Währungsumstellung, die wir im Jahre 1948 vorgenommen haben, war nicht möglich ohne einen festen Stichtag. Es ist die Eigenschaft aller Stichtage, daß sie Härten mit sich bringen. So sind sicher in vielen Fällen, die Sie im Auge haben, Härten entstanden. Aber die Bundesregierung und auch dieses Hohe Haus haben keine Möglichkeit gesehen, diesen Härten abzuhelfen.
Wir haben auf dem Gebiet der Lebensversicherungen getan, was möglich war. Wir haben die Rentenversicherungen und die Kapitalzwangsversicherungen so weit aufgestockt, daß sie heute praktisch als 1 : 1 umgestellt betrachtet werden können. Bei diesen beiden Arten von Versicherungen war dies deshalb möglich, weil einmal der Kreis der Versicherten sehr klar und eindeutig zu bestimmen war und weil zum anderen bei beiden Gruppen auch offensichtlich war, daß es sich hier um eigentliche Lebensversicherungen zum Zweck der Altersversorgung gehandelt hat.
Wenn man aber aus dem übrigen großen Teil der gesamten Kapitallebensversicherungen einzelne herausgreifen wollte, bei denen besondere Härten vorliegen, so wäre eine Abgrenzung des Personenkreises schlechthin nicht möglich. Es gibt Lebensversicherungen von verschiedenstem Umfang zu verschiedensten Zwecken, ganz kleine, solche, die nur als Aussteuerversicherung, als Sterbegeldversicherung usw. gedacht waren. Da also eine Abgrenzung nicht möglich ist, sieht sich die BundesBundesminister Dr. Bucher
regierung bis jetzt nicht in der Lage, auf diesem Gebiet noch etwas Weiteres zu tun.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer weiteren Frage.
Herr Bundesminister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß speziell bei dem Personenkreis, der in Eigenverantwortung seine Alterssicherung auf eine Lebensversicherung abgestellt hatte und dem die Versicherung in der Zeit von 1945 bis etwa 1955 ausgezahlt wurde, ein ganz besonderer Härtefall vorliegt, und zwar nicht nur bei einzelnen, sondern bei dieser ganzen Gruppe?
Darin stimme ich sicher mit Ihnen überein, Herr Kollege. Vielleicht darf ich hier ausnahmsweise doch einmal meine persönliche Meinung sagen, nicht die der Bundesregierung. Ich persönlich habe die Ansicht vertreten, wir täten besser daran, für die Menschen etwas zu tun, die, genau wie Sie es sagen, aus eigener Verantwortung für ihren Lebensabend sorgen wollten und darin vom Staat wieder enttäuscht worden sind. Wir täten besser daran, zuerst für diese Menschen etwas zu tun, bevor wir uns eine sonst sehr großzügige Sozialpolitik leisten. Aber, wie gesagt, dies ist meine persönliche Ansicht.
Würden Sie, Herr Bundesminister, da es sich - es ist schrecklich, das zu sagen, aber man muß es sagen - um ein „aussterbendes"
Problem handelt, bereit sein, wenigstens diejenigen, die noch Ansprüche auf eine Sonderregelung stellen könnten, dadurch zu unterstützen, daß Sie einen Antrag oder eine Gesetzesnovelle bei der Bundesregierung initiieren?
Ich glaube, Herr Kollege, daß das über meine Kompetenz hinausgeht. Es handelt sich hier nicht nur um rein rechtliche Fragen, wie wir sie bisher bewältigen konnten, sondern das sind natürlich Fragen, die ins Wirtschafts- und Sozialpolitische hineingehen. Ich glaube also nicht die Verantwortung für die Bundesregierung übernehmen zu können, hierauf eine zusagende Antwort zu geben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Könen.
Herr Minister, wären Sie bereit, wenn auf dem Gebiet der wirtschaftspolitischen Gesetzgebung keine befriedigenden Ergebnisse für diesen angesprochenen Personenkreis zu erzielen waren, einmal mit Ihrem Kollegen Innenminister darüber zu sprechen und ihn zu veranlassen, daß er in seinem Ministerium einmal feststellen läßt - das müßte bei den Ländern erfragt werden -, ob entsprechende Erfahrungen bezüglich § 3 des Bundessozialhilfegesetzes, der die Rücksichtnahme auf die Besonderheiten des Einzelfalles vorschreibt, gemacht worden sind und ob noch etwas
zu tun ist? - Entschuldigen Sie das holperige Deutsch, aber dazu zwingt mich die Fragestunde.
({0})
Ja, ich habe die Frage verstanden. Ich werde gern mit meinem Kollegen in dem Sinne sprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hamm.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß die Lösung dieser Frage dadurch erschwert worden ist, daß die Differenz zwischen den sonstigen Sozialleistungen und diesem Anliegen durch die bisherige Nichtberücksichtigung dieses Anliegens größer geworden ist?
Ja, das ist sicher richtig.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die erste Frage VIII/1 ist die des Abgeordneten Dr. Kohut:
Kann die Bundesregierung Tatsachen anführen, die beweisen, daß der Vorwurf, die Deutsche Mark habe seit 1948 50 % ihrer Kaufkraft eingebüßt und verliere jährlich weitere 3 bis 4% ihres Wertes, zu Unrecht erhoben wird?
Herr Abgeordneter, diese Frage ist uneingeschränkt mit Ja zu beantworten. Welchen Preisindex Sie immer nehmen, der in der Frage erwähnte Vorwurf besteht keinesfalls zu Recht. Der Preisindex für die Lebenshaltung weist in den ersten 10 Monaten dieses Jahres im Vergleich zum zweiten Halbjahr 1948 eine Minderung der Kaufkraft von 19% auf und nicht, wie behauptet wird, von 50 %. Dieser Kaufkraftverlust ist in der langen Spanne von 16 Jahren eingetreten. Es kann also keine Rede von einem Kaufkraftverlust von jährlich 3 bis 4 % sein. Angesichts dieser eindeutigen Zahlen des Lebenshaltungsindex erscheint es der Bundesregierung unverständlich, wie der in der Frage erwähnte Vorwurf erhoben werden konnte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Wie stellt sich die Bundesregierung dazu, daß die Renten insgesamt siebenmal erhöht worden sind, so daß jetzt die allgemeinen Renten um 46,8 % erhöht wurden, was doch auf eine Minderung der Kaufkraft schließen läßt?
({0})
Herr Bundestagsabgeordneter,
die Rentenerhöhungen sind hier in diesem Hohen Hause beschlossen worden. Ich glaube, Hauptzweck der Rentenerhöhung war nicht, dem Kaufkraftverlust zu entsprechen, sondern die Rentner ,an der Steigerung der Produktivkraft der deutschen Wirtschaft, insbesondere an den Leistungen der arbeitenden Menschen, teilnehmen zu lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Ist die Regierung nicht davon überzeugt, daß der Kaufkraftschwund eine erhebliche Rolle gespielt hat, - wenn ich auch zubillige, daß die Erhöhung des Lebensstandards mitgespielt hat?
Nein, keine wesentliche Rolle. Die Steigerung der Leistungskraft unserer Gemeinschaft war das tragende Motiv.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, kännen Sie sagen, wie groß der Kaufkraftverlust der D-Mark im Verhältnis zum Dollar der Vereinigten Staaten bzw. zum Schweizer Franken ist?
Herr Abgeordneter, ich bin sehr gern bereit, diese Frage ausführlicher schriftlich zu beantworten. Ich kann sie hier nur allgemein beantworten. In den letzten Jahren war die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung in den Vereinigten Staaten ganz besonders stabil. Die Stabilität des Preisindex in den Vereinigten Staaten war mit einer der tragenden Anlässe für die Stabilitätspolitik der Bundesregierung, auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ,der deutschen Wirtschaft.
Die Entwicklung in der Schweiz, Herr Abgeordneter, war in der jüngsten Vergangenheit nicht sonderlich gut. Ich möchte darauf hinweisen, daß - inzwischen habe ich die Zahlen 'bekommen - im Jahre 1962 der Index in der Schweiz bei 115 ({0}) gelegen hat und inzwischen auf 123 angestiegen ist. Damit ist die Steigerung in der Schweiz in dem Zeitraum, über den ich hier zufällig die Zahlen habe, von 1962 bis zum Oktober 1964, größer als in der Bundesrepublik gewesen. Aber ich kann die Frage gern noch ausführlich beantworten.
Herr Abgeordneter Vogt zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen möglich in diesem Zusammenhang auch den Kaufkraftschwund der schwedischen Krone bekanntzugeben?
({0})
Ja, Herr Abgeordneter. Wenn Sie den Preisindex für die Lebenshaltung von 1953 = 100 setzen, zeigt der Preisindex in Schweden im September dieses Jahres 143; in der Bundesrepublik 124 Punkte auf.
Herr Abgeordneter Könen zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihren verschiedenen Antworten entnehmen, daß die Kaufkraftminderung, wie Sie sie hier in Zahlen genannt haben, in erster Linie oder vielleicht sogar vollständig aus der Bewegung des Index der Lebenshaltungskosten errechnet worden ist?
Herr Abgeordneter, die Zahlen, die ich eben genannt habe, basieren auf dem Preisindex für die Lebenshaltung unter Berücksichtigung der dem Hohen Hause bekannten verschiedenen Indexreihen.
Ich möchte darauf hinweisen, daß der Index aus dem zweiten Halbjahr 1948 natürlich eine gewisse Problematik in sich birgt. Wie Sie wissen, stammt der Index aus einer Zeit vor der Gründung der Bundesrepublik. Das ist aber nicht meine Schuld, sondern wohl die Schuld des bekannten Verfassers. Hier werden mit dem zweiten Halbjahr 1948 meines Erachtens systematisch fragwürdige Vergleiche angestellt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Könen.
Sind Sie aber mit mir nicht auch der Auffassung, daß der Lebenshaltungskostenindex nicht alles erfaßt, was bei der Beurteilung einer Kaufkraftentwicklung zu bedenken ist?
Selbstverständlich bejahe ich diese Frage, Herr Abgeordneter. Aber ich darf darauf hinweisen, daß es eine ganz besondere Problematik beinhaltet, einen alles erfassenden Index aufzustellen. Unser Preisindex für die Lebenshaltung, der vom Statistischen Bundesamt errechnet ist, ist aber, glaube ich, durchaus ein sehr brauchbarer Index. Es gibt beim Statistischen Bundesamt einen Beirat, an dem auch die Gewerkschaften beteiligt sind. Dieser Index wird besonders einvernehmlich erarbeitet.
Schönen Dank.
Ich rufe die Frage VIII/2 - des Abgeordneten Dr. Kohut - auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung des Währungsexperten Dr. Hjalmar Schacht, daß die Wertschrumpfung der Deutschen Mark mit staatlicher Hilfe herbeigeführt wird?
Die zweite Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese abfällige Auffassung ganz und gar nicht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Will sich die Bundesregierung weiterhin auf Indizes stützen und es zulassen, daß der Sparer, der Vertrauen zur jeweiligen deutschen Währung hatte, in fünf Jahrzehnten zum drittenmal enttäuscht wird, während Grund und Boden, Waldbesitz und vieles andere im vollen Wert erhalten bleibt? Zugrunde gehen ja nur die Mark-Konten.
Herr Abgeordneter, der Preisindex ist für uns keine absolute Wahrheit. Er ist nur Ausdruck der Entwicklung. Wir haben auch inter- national gesehen kein besseres „Thermometer", um die Entwicklung zu messen. Ich möchte aber zum deutschen Sparer etwas sehr deutlich sagen. Herr Abgeordneter, in der Bundesrepublik haben wir in diesem Jahr eine Sparquote, die in der deutschen Geschichte und auch im internationalen Vergleich - das erste sage ich ohne Einschränkung, das zweite mit einer gewissen Zurückhaltung - nahezu einmalig ist. Die Sparquote hat in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr 10 % überschritten.
Herr Staatssekretär, wollen Sie wirklich in Abrede stellen, daß sich die Kaufkraft der Deutschen Mark alljährlich um mehrere Prozent mindert?
Herr Abgeordneter, ich habe darauf hingewiesen, daß in der Entwicklung - Sie hatten ja die Zeiträume genannt - vom 2. Halbjahr 1948 bis jetzt eine Minderung um 19/% eingetreten ist. Ich habe auch auf eine gewisse Fragwürdigkeit der Vergleichsbasis - zweites Halbjahr 1948 - verwiesen. Aber auch wenn Sie das Jahr 1950 nehmen und mit den ersten zehn Monaten von 1964 vergleichen, kann überhaupt keine Rede von einem Kaufkraftverlust von 50 % sein. Dabei ergibt sich auch „nur" - zehnmal in Anführungsstriche gesetzt; kein Mensch in der Bundesrepublik beruhigt sich damit! - ein Kaufkraftverlust von 25 %. Das ist genau die Hälfte der gegenüber 1948 behaupteten Steigerung.
Wir kommen zur Frage VIII/3 - des Abgeordneten Dr. Kohut -:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, damit die „Schwindsucht" der Deutschen Mark, eine Tatsache, die der Präsident der Deutschen Bundesbank, Blessing, nicht bestreitet, gestoppt wird?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir bitte eine Vorbemerkung. Gewiß bin ich
nicht in der Lage, hier Erklärungen für den Präsidenten der Deutschen Bundesbank abzugeben. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß Herr Präsident Blessing mit seiner von der Bundesregierung voll geteilten Sorge um die Stabilität der Deutschen Mark nicht im Zusammenhang mit derart propagandistisch verzerrten Darstellungen genannt werden sollte.
Wie Sie wissen, haben Bundestag, Bundesbank und Bundesregierung gerade in diesem Jahr erfolgreiche Maßnahmen zur Sicherung der Geldwertstabilität unternommen. Ich erwähne nur die Abwehr von Auslandsgeld, .die Beschränkung der Bankenliquidität, die Erleichterung der Einfuhren im Zuge der vom Hohen Haus beschlossenen 50 %igen Zollsenkung gegenüber Importen aus dem EWG-Raum sowie die Begrenzung des Bundeshaushaltes.
Zur Fortsetzung dieser konsequenten Politik hat die Bundesregierung u. a. das Hohe Haus gebeten, den Gesetzentwurf zur Kapitalertragsteuer bald zu verabschieden.
Jeder Kenner der Materie weiß, daß angesichts der europäischen Integration und der internationalen Zusammenarbeit auf wirtschafts- und währungspolitischem Gebiet nationalen Maßnahmen Grenzen gesetzt sind. Deshalb hat die Bundesregierung insbesondere seit Beginn dieses Jahres eine bewußte Stabilitätspolitik im internationalen Raum durchzusetzen versucht. Sie hat damit, wie z. B. der einstimmige Beschluß des EWG-Ministerrats vom 15. April 1964 beweist, gute Erfolge gehabt, die sich etwa in der Handelsbilanzsituation gegenüber der EWG sehr deutlich niedergeschlagen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Herr Staatssekretär, will die Bundesregierung - nach Ihren Ausführungen - nicht von den Vorschlägen des ehemaligen Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht Kenntnis nehmen - ich unterstelle, daß Sie die drei von ihm gemachten Vorschläge kennen - und Maßnahmen gegen die tatsächlich in aller Öffentlichkeit, vor allem an den Preisen, festzustellende Wertminderung der D-Mark treffen?
Herr Bundestagsabgeordneter, ich meine, daß ein Staatssekretär dieser Bundesregierung sich nicht zu Äußerungen des Reichswirtschaftsministers der Jahre 1934/35 äußern sollte.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich bei der hier offen gezeigten Bescheidenheit der Bundesregierung höflichst anfragen, was mit den 40 Milliarden DM Devisen geschehen soll, die als sogenanntes Hamstergeld bei der Bundesbank liegen. Darf ich weiter
fragen, ob man sie nicht - entsprechend den Vorschlägen des immerhin als Währungsexperte anerkannten Herrn Schacht - im Ausland arbeiten lassen sollte.
({0})
Herr Abgeordneter, ich wiederhole, was ich eben mit größerer Zurückhaltung gesagt habe. Ich glaube nicht, daß die Erfahrung des Reichswirtschaftsministers Dr. Schacht aus der Zeit, als er Reichswirtschaftsminister war, der Bundesregierung Anlaß bieten sollte, ihre erfolgreiche Politik zu überprüfen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nach dem Frage- und Antwortspiel, das sich zwischen Herrn Kollegen Dr. Kohut und Ihnen ergeben hat, nicht für richtig und zweckmäßig halten, Herrn Dr. Kohut noch einmal detalliert - vielleicht schriftlich, damit er es immer präsent hat - aufzuzeigen, daß die Deutsche Mark nicht zugrunde geht, wie er gemeint hat?
({0})
Ich bin gern dazu bereit, Herr Abgeordneter, da es Ihrer Anregung entspricht.
Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie - im Sinne des Herrn Fragestellers - Herrn Dr. Schacht für einen Währungsexperten schlechthin?
Herr Abgeordneter Wehner, ich habe hierzu keine Erklärung für die Bundesregierung abzugeben. Angesichts meines Alters zögere ich auch etwas, eine persönliche Meinung zu äußern. Ich würde aber, wenn Sie mich heute nach meiner Meinung über die aktuellen Äußerungen von Herrn Dr. Schacht in einer deutschen Illustrierten fragen, sagen: Ich halte ihn jetzt nicht für einen Währungsexperten.
({0})
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wehner.
Würden Sie es für denkbar halten, daß man den Mefo-Wechsel-Reiter Dr. Schacht als einen Experten für ganz spezielle monetäre Abschöpfungsaktionen und nicht als einen Währungsexperten bezeichnet?
({0})
Herr Abgeordneter, ich habe die Hoffnung, daß Sie Mitleid mit mir haben und mich von der Beantwortung dieser Frage entbinden.
({0})
Herr Dr. Kliesing, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würde ich Ihre Antwort an Herrn Kohut richtig interpretieren, wenn ich darin nicht einen Ausdruck der Bescheidenheit der Bundesregierung sähe - wie Herr Kollege Kohut meinte -, sondern einen Ausdruck der Selbstachtung, die sich eine Regierung in einem demokratischen Rechtsstaat selbst schuldig ist?
Herr Abgeordneter, ich beantworte diese Frage uneingeschränkt mit Ja.
({0})
Ich rufe auf die Frage VIII/4 - des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert -:
In welcher Weise hat die Bundesregierung dafür Sorge getragen, daß die Erfahrungen, die aus dem Fall des Versicherungsunternehmens American Military International Insurance Association ({0}), gewonnen wurden, vom Bundesaufsichtsamt ausgewertet und zur Verbesserung des Schutzes der Versicherungsnehmer nutzbar gemacht wurden?
Die Ursachen für den Zusammenbruch der American Military International Insurance Association lagen vornehmlich im Geschäftsbereich dieser Gesellschaft außerhalb des Bundesgebietes. Auf Grund dieser Erfahrungen wird in Zukunft vor der Zulassung ausländischer Versicherungsunternehmen in der Bundesrepublik mit der Versicherungsaufsichtsbehörde des Sitzlandes zwecks eingehender Auskunftserteilung vor allen Dingen dann Fühlung aufgenommen werden, wenn es sich um eine Versicherungsgesellschaft mit verhältnismäßig kurzer Geschäftsdauer handelt. Hierdurch können falsche Angaben über Geschäftsgenehmigungen und Bilanzzahlen erschwert, zumindest aber leichter festgestellt werden. Außerdem werden die Zulassungs- und Tätigkeitsbedingungen für ausländische Versicherungsunternehmen auf Grund der Koordinierung dieser Rechtsvorschriften im Rahmen der EWG alsbald eine Änderung dahingehend erfahren, daß die Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsgesellschaften ihre Verbindlichkeiten im Tätigkeitsland in voller Höhe mit dort gehaltenen Vermögenswerten bedecken müssen. Diese Änderung wird auch für ausländische Versicherungsunternehmen mit Sitz außerhalb der EWG vorgenommen werden, von denen daneben
noch die Lokalisierung von Eigenkapital im Bundesgebiet in Form von Kautionen verlangt werden wird. Hierbei werden die Kautionsvorschriften so ausgestaltet werden, daß die hinterlegten Vermögenswerte mit dinglicher Wirkung gegen Dritte ausschließlich für die Erfüllung von Versicherungsansprüchen zur Verfügung stehen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Hat die vom Bundesaufsichtsamt ausgeübte Staatsaufsicht nicht deshalb versagt, weil die von der AMIIA eingegangenen Risiken in gar keinem Verhältnis zu ihrem Eigenkapital gestanden haben?
Herr Abgeordneter, wenn ich recht unterrichtet bin, war die AMIIA auf Grund der damals bestehenden Vorschriften genötigt, Kaution zu stellen. Diese Kaution hat sie gestellt. Aber - ich hatte ja mehrfach Gelegenheit, hier in der Fragestunde auf Fragen hinsichtlich der AMIIA zu antworten - die große Schwierigkeit bestand doch darin - ohne daß ich nun die Versicherungsaufsichtsbehörden in Delaware angreifen oder qualifizieren will -, daß eben die Angaben und die Auskünfte, die wir erhalten haben, sehr ungenügend waren.
Eine weitere Frage, 1) Herr Müller-Emmert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen vielleicht 'bekannt, daß sehr viele Gläubiger der AMIIA behaupten, daß das Bundesaufsichtsamt seine Aufsichtspflicht ganz eindeutig verletzt habe, so daß sogar die Frage zu prüfen ist, ob nicht unter Umständen die Bundesregierung nach den Grundsätzen der Amtshaftpflicht gemäß § 839 BGB haftbar ist?
Herr Abgeordneter, mir sind die Vorwürfe bekannt. Ich glaube, Sie spielen auf den Artikel eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins an. Wir haben uns sehr, sehr eingehend mit der Frage AMIIA befaßt und sind (der Meinung, daß hier Vorwürfe gegen das Bundesaufsichtsamt nicht zu erheben sind. Ich glaube, ich wiederhole hiermit eine Auskunft, die ich bereits in einer früheren Fragestunde gegeben habe.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe auf die Frage XI/1 - des Abgeordneten Dr. Rinderspacher -:
In welcher Weise wird die Bundesregierung die beispielhafte Zusammenarbeit des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes und der Industrie- und Handelskammer Freiburg unterstützen, deren Ziel es ist, den Strukturwandel der südbadischen
Landwirtschaft durch gemeinsame Maßnahmen zu fördern, so etwa durch ein großzügiges Umschulungsprogramm für bisher in der Landwirtschaft tätige Arbeitskräfte?
Das Programm des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes und der Industrie- und Handelskammer Freiburg zur Umschulung von bisher in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräften befindet sich noch in der Vorbereitung. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband bemüht sich zur Zeit, durch Stichproben in den Gemeinden festzustellen, in welchem Umfange jüngere Kleinlandwirte und 'mithelfende landwirtschaftliche Familienarbeitskräfte für eine Umschulung zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse dieser Feststellungen liegen noch nicht vor. Bereits jetzt läßt sich aber übersehen, daß der statistische Arbeitskräfteüberhang in .der kleinbetrieblichen Landwirtschaft nicht ohne weiteres in andere Berufe umgesetzt werden kann, da ein Teil der Personen für eine Umschulung bereits zu alt ist.
Sobald der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Freiburg konkrete Vorstellungen über die geplanten Umschulungsmaßnahmen entwickelt hat, wird geprüft werden, inwieweit (die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung das Vorhaben im Rahmen ihrer beruflichen Bildungsmaßnahmen fördern kann. Ich verweise hierzu auf den Anfang November begonnenen Umschulungslehrgang, der für 25 Kleinlandwirte vom Landesarbeitsamt Nordbayern gemeinsam mit der Handwerkskammer Regensburg (in Cham durchgeführt wird. Für den Fall, daß eine Förderung aus Mitteln der Bundesanstalt nicht möglich ist, wird die Bundesregierung die Möglichkeit (einer finanziellen Unterstützung prüfen.
Im übrigen habe ich mich nachdrücklich dafür eingesetzt, daß Müllheim im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung als zentraler Ort für die Industrieansiedlung eingestuft wurde und daß auch Breisach besonders gefördert wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Hauser.
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Minister, welche Tätigkeiten die im Zuge des Strukturwandels ausgeschiedenen Arbeitskräfte, insbesondere die Betriebsleiter, aufgenommen haben und welche soziale Stellung sie einnehmen?
Herr Kollege, eine Statistik über die aus dem landwirtschaftlichen Beruf Ausscheidenden wird nicht geführt. Wir haben lediglich eine repräsentative Untersuchung aus der Forschungsgesellschaft für Agrarsoziologie, die Arbeitnehmer betrifft. Bei den Arbeitnehmern gehen etwa 50 % in den Bereich der Hilfsarbeiter; die anderen 50 % verteilen sich .auf andere Bereiche.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Ist die Bundesregierung der Meinung, Herr Minister, daß die gegenwärtige punktuelle Behandlung sowie die Mittel und die Richtlinien ausreichen, und ist sie nicht der Meinung, daß diese Frage der Umschulungshilfen eigentlich in engem Zusammenhang mit der Bereinigung der gesamten Wirtschaftsstruktur in einer regionalen Wirtschaftspolitik gesehen und gelöst werden muß?
Herr Kollege, die Antwort, die ich darauf geben könnte, würde ähnlich lauten wie die Antwort an Herrn Kollegen Rinderspacher. Ich möchte so sagen: eine punktuelle Handhabung der Maßnahmen hat nur bedingten Erfolg, weil hier die Dinge in der Breite gesehen werden müssen. Es müssen dabei die gebietlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Vor allem aber spielen auch Bedarf und Struktur der gewerblichen Wirtschaft dabei eine ausschlaggebende Rolle.
Herr Abgeordneter Geiger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, zu prüfen, ob durch geeignete Umschulungsmaßnahmen nicht auch das Problem des Arbeitskräftemangels unserer Wirtschaft besser behoben werden könnte?
Herr Kollege, ich bin gern bereit, dies im Einvernehmen mit dem Arbeitsministerium zu tun.
Herr Abgeordneter Reichmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es angesichts der besonders schwierigen Verhältnisse in Südbaden nicht für angebracht, daß ein umfassendes Agrarstrukturgesetz geschaffen wird, in dessen Rahmen dann die Folgemaßnahmen der Umstrukturierung besser unterstützt und gefördert werden könnten?
Herr Kollege, wir sollten die Maßnahmen auf dem Agrarstrukturgebiet, die zu ergreifen sind, nicht überstürzen. Wenn es so ist, daß wir heute, im Jahre 1964, das, was wir vor zehn Jahren getan haben, bereits kritisch betrachten müssen, dann wäre es nicht gut, mit einem Gewaltakt die derzeitige Struktur zu verändern. Nach meiner Auffassung und auch nach Auffassung der Bundesregierung ist es richtig, organisch vorzugehen. Das schließt nicht aus, daß man in jenen Gebieten, die Sie meinen, besonderen Nachdruck auf die Verbesserung der Agrarstruktur legen sollte.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Minister, sind Ihnen die Maßnahmen im benachbarten Elsaß bekannt, wo die Zusammenarbeit sämtlicher Stellen der Wirtschaft, der Landwirtschaft, der Industrie, der Landesplanung und anderer Einrichtungen wesentlich besser koordiniert ist als bei uns?
Mir ist bekannt, daß das Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte im Elsaß, wie in Frankreich schlechthin, ein außergewöhnlich gutes ist.
Frage IX/2 - des Abgeordneten Dr. Rinderspacher -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die aufgesplitterte, kapitalarme und arbeitsintensive Landwirtschaft in der oberrheinischen Tiefebene eine besonders schwache Ausgangsbasis für den Gemeinsamen Europäischen Markt hat?
Der Bundesregierung ist die schwierige Lage der Landwirtschaft in der oberrheinischen Tiefebene sehr wohl bekannt. Sie hat deshalb auch die hervorragende Zusammenarbeit des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes mit allen Organisationen und Behörden stets begrüßt, weil sie beispielhaft für eine konstruktive Unterstützung der Agrarstrukturpolitik der Bundesregierung ist. Abgesehen von den mannigfachen Förderungsmaßnahmen des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, die sich besonders mit der Behebung der Schäden wasserwirtschaftlicher Art durch den Rheinseitenkanal befassen, ist das Gesamtentwicklungsprogramm Oberrhein mit meiner Befürwortung bei der EWG-Kommission in Brüssel mit einem Antrag auf Beihilfen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds eingereicht worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie auch bereit, durch umfassende Information die Aufklärung zu unterstützen, die der landwirtschaftlichen Bevölkerung über Aufstiegsmöglichkeiten im gewerblichen Sektor der Wirtschaft gegeben werden kann?
Herr Kollege, es wird sich hier um eine Zusammenarbeit zwischen Bundes-und Landesregierung handeln, weil die örtlichen Verhältnisse jeweils auch von den Landesregierungen mit einbezogen werden müssen.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser.
Herr Minister, ist die Bundesregierung davon überzeugt, daß die von
Ihnen soeben angeführten Maßnahmen in ihrer Gestaltung ausreichen, um die allgemeine Struktur in diesem oberrheinischen Raum so zu verbessern, daß die Landwirtschaft dieses Raumes der Konkurrenz im Gemeinsamen Markt gewachsen ist?
Wenn das Gesamtentwicklungsprogramm Oberrhein, das vom Land Baden-Württemberg mit allen beteiligten und interessierten Stellen und Organisationen aufgestellt wurde, zur Durchführung kommt, dann bezweifle ich nicht, daß die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß die Landwirtschaft in diesem Raum auch mit der benachbarten EWG-Landwirtschaft konkurrieren kann.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauser.
Ist die Bundesregierung der Meinung, Herr Minister, daß die Landwirtschaft in diesem schwachstrukturierten Gebiet einer ähnlichen Förderung bedarf wie etwa das Emsland oder andere Entwicklungsräume?
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß man die Maßnahmen im Emsland mit den Maßnahmen, die hier durchgeführt werden, vergleichen kann. Die Maßnahmen im Emsland dienten vorwiegend dazu, nach dem Zusammenbruch 1945 für Vertriebene und Flüchtlinge neues Siedlungsland zu beschaffen. Das ist in einem immerhin beachtlichen Umfange gelungen. Hier haben wir aber doch ein Programm zu entwickeln, das den Förderungsmaßnahmen anderer, ähnlich gelagerter Räume entspricht. Ich darf sagen, daß die hier beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie zur Wirksamkeit kommen, durchaus voll dasselbe bezwecken werden, was wir anderwärts bereits erreichen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reichmann.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Wettbewerbslage der Landwirtschaft in der oberrheinischen Tiefebene besonders deshalb so ungünstig ist, weil die Situation des für sie existenzwichtigen Tabakanbaues, verglichen mit der Situation in Frankreich mit seinem Tabakmonopol, so schlecht ist, daß es dringend einer Harmonisierung im Rahmen der EWG bedarf?
Der Bundesregierung ist der Umstand bekannt. Aber ich glaube, daß das Tempo, mit dem wir in der Harmonisierungsfrage vorwärtsschreiten, nichts zu wünschen übrigläßt.
Ich rufe auf die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Agrarausschuß des Europäischen Parlaments nach einem Besuch des Oberpfälzer und
des Bayerischen Waldes in einem Bericht an die Kommission der EWG u. a. zu folgenden Schlußfolgerungen gelangte: „Dem Bayerischen Wald als agrarischer Region fehlt ein praktikables Programm für eine gesamtwirtschaftliche Erschließung. Die von der Bundesrepublik und dem Land Bayern geführten agrarischen Einzelmaßnahmen verpuffen vielfach als Teilmaßnahmen, obwohl an sich eine Steuerung möglich ist."?
Weder der Bundesregierung noch der Bayerischen Staatsregierung ist bisher ein offizieller Bericht über die Bereisung des Oberpfälzer und des Bayerischen Waldes durch den Agrarausschuß des Europäischen Parlaments bekanntgeworden. Nach meinen Feststellungen liegt auch der EWG-Kommission ein derartiger Bericht nicht vor. Es steht noch nicht fest, ob ein Bericht über den Besuch überhaupt erstattet werden soll.
Zum sachlichen Inhalt der Anfrage kann ich daruf hinweisen, daß die Bayerischen Staatsministerien für Wirtschaft und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seit geraumer Zeit an einem Gesamtentwicklungsplan für diese Räume arbeiten, der die besonderen Schwierigkeiten im Zonenrandgebiet, d. h. in diesem Falle der Grenze zur Tschechoslowakei, berücksichtigt. Die besonderen Förderungsmaßnahmen des Bundes sowohl auf den rein agrarischen Gebieten, wie z. B. für die von Natur benachteiligten Gebiete, als auch des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung werden in dieses Gesamtprogramm eingegliedert. Pläne über einige Teilmaßnahmen aus dem Gesamtentwicklungsprogramm, insbesondere vordringliche wasserwirtschaftliche Maßnahmen und Verarbeitungs- und Vermarktungsvorhaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse, sind auch von mir mit Anträgen auf Beihilfen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds an die Kommission der EWG eingereicht worden. Vorrangskriterium für die Bewilligung derartiger Anträge ist die Einordnung in einen Gesamtentwicklungsplan des betreffenden Gebietes. Dieser Forderung ist bei den Anträgen zu den von der Bayerischen Staatsregierung vorgelegten Entwicklungsplänen voll entsprochen worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist dabei berücksichtigt worden, daß es bei diesen Gebieten Bayerischer Wald und Oberpfälzer Wald nicht allein um von Natur benachteiligte Gebiete geht, sondern daß es sich auch um Grenzlandgebiete handelt, wo die Förderung über das normale Maß der Förderung der von Natur benachteiligten Gebiet hinausgehen soll?
Herr Kollege, es dürfte Ihnen bekannt sein, daß hier zwei Fakten zusammentreffen. Einmal handelt es sich um die Maßnahmen für die Zonenrandgebiete und zum anderen um die Maßnahmen für benachteiligte Gebiete. Die Möglichkeiten, die sich aus diesen beiden Gruppen von Maßnahmen ergeben, werden in diesem Fall voll ausgeschöpft.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Ist bei diesen Maßnahmen vorgesehen, auch den landwirtschaftlichen Betrieben eine Hilfe angedeihen zu lassen, deren Ertragswert unter der Grenze bleibt, die 'die Verpflichtung begründet, Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterssicherung zu zahlen und Leistungen zu empfangen?
Die Maßnahmen für von Natur benachteiligte Gebiete umfassen jene Betriebe, die mindestens zur Alterskasse gehören, d. h. von der Alterskassengrenze ab. Die Maßnahmen für benachteiligte Gebiete kommen allen dort befindlichen Betrieben und dort lebenden Menschen in irgendeiner Form zugute.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Balkenhol.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir durch die schnelle Verabschiedung des Raumordnungsgesetzes der Lösung dieser Probleme näherkommen?
Herr Kollege, es ist sogar eine Voraussetzung. Ihre Bemerkung trifft völlig zu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sander.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesregierung endlich einmal das Problem der benachteiligten Gebiete nicht nur in einigen Ländern, sondern ,allgemein in der Bundesrepublik aufgreifen und im Hinblick auf die starke Technisierung berücksichtigen müßte, daß teilweise Böden mit guten Bodenwertzahlen heute zu den benachteiligten Gebieten gehören?
Die Bundesregierung hat in enger Zusammenarbeit mit dem Parlament in der Vergangenheit alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die ihr gut und richtig erschienen, um dort Hilfe zu geben, wo sie nötig war. Die Bundesregierung wird sich weiterhin in dieser Richtung bemühen. Die Frage aber, welche Böden besserer oder schlechterer Art besonders gefördert werden müssen, ist so schwierig, daß sie einer sehr eingehenden Prüfung und auch Behandlung in dem zuständigen Ausschuß bedarf.
Eine weitere Frage? - Bitte.
Herr Minister, sind Sie bereit, hierfür eventuell einen Forschungsauftrag zu geben, damit endlich einmal in der Bundesrepublik dieses Problem vom Grundsätzlichen her geklärt wird?
Ich will den Fragenkomplex gern daraufhin prüfen lassen, ob er geeignet ist, bei einem Forschungsauftrag untersucht zu werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lautenschlager!
Herr Minister, bis wann sieht sich die Bundesregierung in der Lage, zur Beruhigung der Mittel- und Kleinbetriebe in den genannten Gebieten in der Form beizutragen, daß sie eine Aussage darüber macht, welche Betriebe nach Größe, Struktur und Bonität keine Aussicht mehr haben, nach 1970 noch wettbewerbsfähig zu sein?
Herr Kollege, wenn ich Prophet wäre, würde ich diese Auskunft sofort geben. Da es mir aber leider daran ermangelt, vermag ich das nicht zu tun. Es wird in allen Zeitläuften Klein-und Kleinstbetriebe geben, die auf Grund besonderer Verhältnisse - der Bodenqualität, der Stadtnähe oder der Tüchtigkeit des Betriebsleiters - existenzfähig sein werden. Eine generelle Antwort wird es nicht geben. Wahrscheinlich werden wir im Bereich der mittelgroßen Betriebe einen Zuwachs bekommen, während wir bei den ganz großen und ganz kleinen Betrieben eine Schrumpfung zu verzeichnen haben werden.
Ich rufe auf die Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Wie verträgt sich die von der Bundesregierung immer wieder in den Vordergrund gestellte Hilfe für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe mit der im Land Rheinland-Pfalz geübten Praxis bei der Verteilung von Bundesmitteln, wenn z. B. dar Winzerverein Merxheim-Meddersheim mit 72 angeschlossenen Familienbetrieben und 240 Morgen bewirtschafteter Weinberge nicht mehr in den Genuß einer Beihilfe zur Erweiterung der Aufnahmekapazität kommen kann, sondern diese Mittel alle zum Einsatz bei den Groß-Genossenschaften kommen sollen?
Die Bundesregierung hat im „Grünen Plan 1964", ähnlich wie in den vergangenen Jahren, 5,5 Millionen DM zur Strukturverbesserung des deutschen Weinbaues bereitgestellt. Diese Mittel werden zur Förderung der Kellerwirtschaft durch Errichtung und Ausbau von Winzergenossenschaften eingesetzt. Bei der Vergabe der Mittel arbeitet die Bundesregierung eng mit den Landesregierungen der weinbautreibenden Länder zusammen. Um Fehlinvestitionen von öffentlichen Zuwendungen zu vermeiden, werden nach einem Strukturplan nur solche Winzergenossenschaften unterstützt, deren Wirtschaftlichkeit sich über Jahre voraussagen läßt. Von den Landesregierungen werden geeignete Projekte ausgewählt und der Bundesregierung zur Prüfung auf Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit vorgelegt. Die Vorschriften hierzu sind in den Richtlinien zur Förderung der Kellerwirtschaft festgelegt. Hierdurch soll nach Möglichkeit vermieden werden, nicht entwicklungsfähige Winzergenossenschaften in die Maßnahmen einzubeziehen. Größere Genossenschaften werden nur geBundesminister Schwarz
fördert, wenn sie die Funktion einer Zentralkellerei übernehmen. Diesen fällt bei der Konzentration der Weinerzeugung die Aufgabe zu, Weinausbau und Absatz für die angeschlossenen benachbarten kleineren Winzergenossenschaften zu übernehmen.
Der von Ihnen benannte Winzerverein MerxheimMeddersheim zählt zu den sieben an der Nahe bestehenden Winzergenossenschaften. In diesem relativ kleinen Raum arbeiten aber auch drei Gebietsgenossenschaften, die in der Lage sind, alle anfallenden Mosternten aufzunehmen. Die Aufgabe des Winzervereins Merxheim-Meddersheim beschränkt sich daher künftig auf das Abkeltern der Moste als Kelterstation. Die Landesregierung hat aus diesen Gründen in den eingereichten Projektlisten für 1964 den erwähnten Winzerverein bei der Erweiterung der Aufnahmekapazität nicht berücksichtigen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Muß ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Minister, daß hier gegen den erklärten Willen der 72 Familienbetriebe, die seit Jahren eine funktionierende Winzergenossenschaft unterhalten und auf der mittleren Ebene durchaus wettbewerbsfähig sind, gewissermaßen das Todesurteil über diese Genossenschaft gesprochen wird, weil sie in dem Strukturplan der Landesregierung nicht berücksichtigt wird?
Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß wir die Familienbetriebe nicht durch die von mir soeben genannten Maßnahmen unterstützen wollen. Im Gegenteil, wir sehen diesen Weg, den Familienbetrieben zu helfen, als den sichereren und aussichtsreicheren an. Das ist besser, als daß diese Betriebe sich in dem Drang, sich individuell zu verhalten, zersplittern, ein zersplittertes Angebot auf den Markt bringen und auf diese Art und Weise dann nicht den einem Familienbetrieb eigentlich zustehenden Lohn erhalten können.
Eine weitere Frage? - Bitte.
Herr Bundesminister, halten Sie es nicht für richtig, daß neben den großen GebietsWinzergenossenschaften, die ein großes Angebot an Konsumweinen auf einer ganz breiten Mengenbasis unterhalten, auch noch lebensfähige kleinere Genossenschaften existieren, die ein Qualitätsangebot in einer besonderen Differenzierung haben, was sich aus ihrer Bodenqualität, aus ihrer Lage, aus ihrer örtlichen Situation und aus der Bereitschaft ergibt, auch in kleineren Familienbetrieben etwas Besonderes zu leisten?
Wenn Ihre Frage vor 20, 30 oder 40 Jahren gestellt worden wäre, hätte ich sie
mit Ja beantwortet. Heute, im Zeichen des großen Angebots, müssen wir die Zersplitterung möglichst vermeiden. Ich darf darauf hinweisen, Herr Kollege, daß wir auch an ,die Verbraucher denken müssen, die bei der Vielzahl der verschiedenen Weine heute oft nicht mehr wissen, was sie trinken und was sie trinken sollen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gibbert.
Herr Minister, sind Sie mit mit mir der Meinung, daß es sich hier um eine der in den letzten 50 Jahren gegründeten Genossenschaften handelt, an denen nur ein Teil der Winzer oder die Winzer nur mit einem Teil ihres Ertrages beteiligt sind? Sind Sie nicht grundsätzlich mit mir der Meinung, daß es richtig wäre, Genossenschaften, die sich bisher verdient gemacht haben, zu fördern, um sie zu einer Größe zu bringen - meinetwegen unter der Garantie, daß sie eine gewisse Größe erlangen -, bei der gewährleistet ist, daß diese Genossenschaften alle kellertechnischen Voraussetzungen und Marktvoraussetzungen erhalten, um sich durchsetzen zu können?
Unter den von Ihnen genannten Voraussetzungen würde ich immer ja sagen.
Ich rufe auf die Frage IX/5 - des Abgeordneten Dröscher -:
Trifft es zu, daß die Studierenden an den Höheren Landbau-und Weinbauschulen des Landes Rheinland-Pfalz im Jahre 1964 die gesetzlich möglichen Ausbildungsbeihilfen nur zu 60 % ausgezahlt erhalten konnten, weil angeblich dem Land Rheinland-Pfalz zu wenig Bundesmittel zugewiesen worden sind?
Die Bundesregierung gibt aus den Haushaltsmitteln meines Hauses zu den von den Ländern im Bereich der Landwirtschaft gewährten Ausbildungsbeihilfen einen Zuschuß. Das Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz hat in diesem Rechnungsjahr zunächst 160 000 DM erhalten. Entsprechend dem Bedarf beantragte es zusätzlich 120 000 DM Bundesmittel, die in den Monaten Mai und August in voller Höhe bewilligt worden sind. Weitere Beträge wurden für Ausbildungsbeihilfen nicht angefordert. Es trifft also nicht zu, daß dem Land Rheinland-Pfalz zuwenig Bundesmittel zugewiesen worden sind und aus diesem Grunde bedürftige Studierende der Höheren Landbau- und Weinbauschulen nicht ausreichend gefördert werden konnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich unter diesen Umständen, daß das Land Rheinland-Pfalz - bisher wenigstens - nur 60 % der möglichen Beihilfen ausgezahlt hat unter
ausdrücklichem Hinweis darauf, daß nicht ausreichend Geld zur Verfügung stehe?
Ich kann nur das eine sagen, daß ich gerne bereit bin, den Sachverhalt noch einmal nachzuprüfen. Aber die Auskünfte von Rheinland-Pfalz bewegen sich eindeutig in der Richtung, daß das von dort angeforderte Geld dort auch empfangen wurde. Wenn es heute noch nicht so weit ist, daß die Studierenden in den vollen Genuß gekommen sind, so könnte es sich dabei um eine technische Panne handeln. Das ist aber nicht meine Sache.
Eine weitere Frage? - Bitte.
Darf ich der Antwort entnehmen, daß Sie Ihr Haus noch einmal bemühen werden, das festzustellen und dafür zu sorgen, daß die Studierenden das Geld bekommen?
Auf Grund der von Ihnen gestellten Frage bin ich gerne dazu bereit.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir sind am Ende der heutigen Fragestunde. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1964 ({0}) ({1}) ;
Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Nachtrag zum Haushalt des Jahres 1964, der heute dem Hause zur zweiten und dritten Beratung vorliegt, wäre an und für sich eine durchaus normale Sache, wenn nicht einige Aspekte seines Inhalts und der allgemeinen Finanz- und Haushaltspolitik der gegenwärtigen Bundesregierung es notwendig machten, sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was wir heute hier zu verabschieden haben.
Die rechtzeitige Vorlage eines Nachtragshaushalts ist von den Sozialdemokraten stets gefordert worden. Auch wir wissen, daß im Laufe eines Haushaltsjahres bei einzelnen Positionen Veränderungen von oft beträchtlichem Gewicht eintreten können. Das ist schon deshalb unvermeidlich, weil bei der etwas schwierigen, um nicht zu sagen schwerfälligen Art unserer Gesetzgebung - auch der Haushaltsgesetzgebung - zwischen der Aufstellung eines
Etats und seiner Verabschiedung und erst recht seinem Vollzug relativ lange Zeiträume liegen. Die Methode des Nachtrags wäre also an sich nicht zu beanstanden, obwohl er - auch das kann nicht verschwiegen werden - reichlich spät vorgelegt worden ist.
Anders verhält es sich mit den Einzelheiten seines Inhalts. Wir Sozialdemokraten wollen nicht etwa alle Einzelheiten kritisieren. Im Gegenteil, es gibt sogar einige Einzelheiten, in denen wir alte, gute Bekannte erblicken, nämlich solche, die wir bei der Beratung des Haushalts 1964 dem Hause in Form von Anträgen vorgelegt haben und die im Frühjahr mit der Begründung, sie seinen nicht durchführbar oder nicht realistisch, oder was sich immer sonst an ablehnenden Argumenten anbot, abgelehnt worden sind. Solche Anträge sind dann allerdings der sozialdemokratischen Fraktion auf ihr NegativKonto geschrieben worden, auf jene berühmte Milchmädchenrechnung über die „Kosten sozialdemokratischer Anträge", mit der die Legende von der verantwortungslosen Ausgabenpolitik der SPD gestützt werden soll, die angeblich die Währung gefährden und auch sonst das Vaterland dem Untergang entgegensteuern würde. Wenn man an die Art denkt, wie in den letzten Wochen in diesem Hause und von dieser Stelle aus - von höchster Stelle - mit hohen Millionenbeträgen zu Lasten kommender Haushalte operiert worden ist, wenn man daran denkt, wie im Schoße der Regierungsfraktionen gerade jetzt unter dem Eindruck der langsam einsetzenden Wahlkampfpanik noch eine ganze Serie von reichlich dicken Wahlgeschenken ausgetüftelt wurde, kann man nur feststellen, daß es offensichtlich nicht dasselbe ist, wenn zwei dasselbe tun. Über diese Themen wird übrigens noch heute zu sprechen sein. Ich denke, daß das mein Freund Alex Möller besorgen wird.
Doch zurück zum Nachtragshaushalt. - Ich möchte nicht allzusehr in die Details gehen, obwohl auch hier richtig ist, daß im Detail der Teufel sitzt. Meine Damen und Herren, wir anerkennen durchaus, daß z. B. staatspolitische Notwendigkeiten für die Verstärkung gewisser Titel im Etat des Auswärtigen Amtes sprechen oder daß beim Etat des Gesamtdeutschen Ministeriums einige Titel aufgestockt worden sind. Wir begrüßen z. B. auch, daß für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell 14 Millionen Mark mehr eingesetzt worden sind, so daß sich der Gesamtbetrag nunmehr auf 47 Millionen Mark beläuft. Bei der Gelegenheit erinnern wir aber daran, daß die sozialdemokratische Fraktion im April 1964, also vor rund acht Monaten, eine Erhöhung des Ansatzes um 9 Millionen Mark beantragt hat. Damals wurde dieser Antrag abgelehnt. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß nun auch der Bund die Studentenförderung besser ausstattet und damit die Verpflichtungen aus dem mit den Ländern abgeschlossenen Verwaltungsabkommen erfüllt.
Zu den Veränderungen im Haushalt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten müssen allerdings einige kritische Anmerkungen gemacht werden. Auch hier wird durch die ErhöSchoettle
hung der Mittel für die Preisverbilligung von Getreide einem sozialdemokratischen Antrag vom Frühjahr dieses Jahres nachträglich entsprochen. Die Deckung für die Mehrbelastungen insgesamt wird in dem Einzelplan 10 selbst gefunden, nach unserer Meinung leider auch mit den Mitteln für die Verbesserung der Agrarstruktur. Das müssen wir allerdings bedauern. Die Tatsache, daß bei dieser Etatposition beträchtliche Reste bestehen, bot zwar eine bequeme Ausweichmöglichkeit. Sie hätte aber nicht Veranlassung sein sollen, gerade diese für einen so notwendigen Zweck gemeinten Titel zur Dekkung heranzuziehen.
Noch eine kritische Bemerkung zu den Ansätzen für die Preisverbilligung von Getreide! Nach Einführung der EWG-Marktordnung Nr. 19 wurde das importierte Brotgetreide teurer. Es war der Wille des Gesetzgebers, diese Verteuerung durch eine entsprechende Subvention auszugleichen. Deshalb wurden Ausgleichsbeträge zur Preisverbilligung von Getreide in den Haushalt eingesetzt. Im Haushaltsausschuß ist dieses Thema Gegenstand von mehreren Debatten gewesen. Dabei wurde beschlossen, daß nur diejenigen Mühlen die Subventionen erhalten sollten, die bei der Antragstellung versichern, daß sie den für eingeführtes Getreide - für e i n -g e f ü h r t es Getreide! - festgesetzten sogenannten Schwellenpreis bezahlt haben.
Die Regierung hat sich leider über diesen Beschluß hinweggesetzt, angeblich weil er nicht praktikabel sei. Daß der Ernährungsausschuß dieses Hauses denselben Standpunkt vertreten hat, ist nicht weiter verwunderlich. Aber das Ergebnis ist folgendes. Der Schwellenpreis dürfte im Durchschnitt eine Verteuerung von 80 DM je t gegenüber der Zeit vor der Einführung der EWG-Marktordnung ausmachen. Dieser Schwellenpreis wurde aber im ersten Halbjahr 1964 um bis zu 40 DM je t unterlaufen. Die Regierung hat sich leider nicht entschließen können, dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Im Gegenteil, sie hat die sicher bequemere Methode gewählt, die Subvention auf die gesamte Weizenvermahlung umzulegen. So erhalten jetzt auch diejenigen Mühlen die Subvention, die überhaupt keinen Auslandsweizen vermahlen.
({0})
Es genügt, daß eine Mühle einfach versichert, sie habe die Menge vermahlen, um die Subvention zu bekommen. Die Subvention, die schließlich auf Grund unseres Drängens von 26 DM je t auf 24 DM und zum Schluß auf 21 DM gesenkt wurde, wird jetzt also ohne Rücksicht auf die effektive Verteuerung bezahlt. 'Man kann das eine echte Jedermannsmaßnahme nennen, die aber vom Gesetzgeber so niemals beabsichtigt worden ist.
Auch im Verkehrshaushalt werden einige Veränderungen vorgenommen, die von der sozialdemokratischen Fraktion bereits früher vorausgesagt und gefordert wurden. Sie betreffen in der Hauptsache die Bundesbahn und den Straßenbau. Wir begrüßen diese Maßnahmen, wenn sie auch nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, daß sich die Bundesregierung besonders gegenüber der Bundesbahn und deren
Sanierungsnotwendigkeiten schwere Versäumnisse hat zuschulden kommen lassen, die durch die jetzigen Maßnahmen nicht aufgeholt werden.
Zwei bemerkenswerte Züge dieses Nachtrages müssen ebenfalls vermerkt werden. Da ist einmal die Streichung einer Minderausgabe von 400 Millionen DM beim Einzelplan 32, bei der Bundesschuld. In den Erläuterungen zu diesem Titel heißt es etwas einsilbig:
Die Voraussetzungen für die Veranschlagung einer Minderausgabe sind entfallen.
Dahinter steckt aber die harte Tatsache, daß sich die Bundesregierung offenbar getäuscht hat, als sie bei der Festsetzung des Haushaltes 1964 von einer Bereitschaft der Bundesbank ausging, sie werde in eine Stundung der Tilgungsraten aus der Nachkriegshilfe einwilligen. In der Streichung der Minderausgaben drückt sich offenbar das Scheitern dieser Hoffnung aus.
Das zweite bemerkenswerte Charakteristikum dieses Nachtrages sind die recht bescheidenen Hinweise auf Quellen, aus denen die Deckung für die veranschlagten Mehraufwendungen fließen soll. Gewiß, die Endzahlen des Haushalts 1964 bleiben unverändert. Damit hat sich die Bundesregierung an ihre Maxime gehalten, daß die Erhöhung des Jahresetats an die Steigerung des Nationaleinkommens gebunden ist. Darüber, ob diese Bindung an die magische Grenze, wie das genannt worden ist, eine Tugend oder das Gegenteil davon ist, könnte man lange reden. Wir haben bei der ersten Beratung des Haushalts 1964 auch hier im Plenum des Bundestages darüber debattiert. Sicher ist nur eines, meine Damen und Herren: mit dieser Bindung der öffentlichen Haushalte wird man unter den gegenwärtigen Umständen in aller Regel unter der wirklichen Erhöhung des Sozialprodukts bleiben. Daraus ergibt sich dann für den Finanzminister noch eine ganz bequeme Manövriermasse.
Daß das so ist, zeigt sogar, auf eine negative Weise, dieser Nachtragshaushalt, in dem die 500 Millionen DM Steuermehreingänge die das Bundesfinanzministerium selber zugibt, überhaupt nicht erscheinen. Sie sind ganz einfach hineingebuttert worden, wie man zu sagen pflegt.
Auch sonst sind die Hinweise auf die Herkunft der Deckungsmittel dürftig. Wir finden lediglich in den Erläuterungen zu Kap. 60 02 zu Tit. 300 - Minderausgaben - eine lakonische Bemerkung über die Deckungs- und Finanzierungsmöglichkeiten:
In .einigen Bereichen, namentlich bei der militärischen und zivilen Verteidigung, fließt ein Teil der Investitionsausgaben langsamer als erwartet ab. Eine Erhöhung der Minderausgabe auf den veranschlagten Betrag erscheint gerechtfertigt.
Das ist der einzige Hinweis in der ganzen Regierungsvorlage, und man kann wohl mit Fug und Recht hinzufügen, daß durch diese Art der Nicht-Veranschlagung oder Nicht-Offenlegung der Herkunft der Deckungsmittel der Haushalt sicher nicht durchsichtiger und nicht ehrlicher wird.
Nun ist es sicher zweckmäßig, dort, wo Minderausgaben zu erwarten sind, diese zur Deckung von Mehrausgaben im Wege eines Nachtragshaushalts heranzuziehen. Das ist immerhin besser als die Umschichtungen, die sozusagen hinten herum die Gewichte in einem vom Parlament verabschiedeten Haushalt verschieben. Aber die Frage muß doch gestellt werden, ob nicht z. B. im Verteidigungshaushalt schon bei der Programmierung für den Haushalt 1964 vorausgesehen werden konnte, .daß wesentliche Bestandteile der Programme nicht in diesem Haushaltsjahr durchgeführt werden könnten und daß infolgedessen die betreffenden Programme zu hoch veranschlagt worden sind. Es ist zu vermuten, daß bei der Veranschlagung ,dieser Programme mehr die politische Optik nach außen als die realen Verwendungsmöglichkeiten eine Rolle gespielt haben. Es ist schließlich nicht selbstverständlich, daß aus dem Einzelplan 14, dessen Höhe bei den Beratungen des Haushalts jedesmal mit Zähnen und Nägeln verteidigt wird, nahezu der gesamte Mehraufwand dieses Nachtrags, mindestens aber zwischen 1,5 und 1,6 Milliarden DM, finanziert werden kann. Das erscheint uns denn ,doch als eine so erhebliche Fehlplanung, daß wir sie nur mit Erstaunen feststellen können.
Was hätten Sie gesagt, meine Damen und Herren, wenn wir Sozialdemokraten etwa bei der Beratung des Haushalts 1964 eine Kürzung des Verteidigungshaushalts auch nur um -eine Milliarde gefordert hätten? Feindschaft gegen die Bundeswehr, Gleichgültigkeit gegenüber der Verteidigung der Bundesrepublik, wenn nicht gar unpatriotische Gesinnung, das wären wohl die mindestens Vorwürfe gewesen, die Sie uns dann gemacht hätten.
({1})
Ich will mich auf ,diese Bemerkungen zum Nachtragshaushalt 1964 beschränken und abschließend namens meiner Fraktion erklären, daß wir diesen Nachtrag trotz unserer Zustimmung zu seinen Einzelheiten aus allgemeinen politischen Gründen ablehnen werden. Einer dieser Gründe - das möchte ich ganz offen noch einmal aussprechen - ist die Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung. In diesem Hause wird gegenwärtig der Bundeshaushalt 1965 beraten. Er wurde dem Parlament und der Öffentlichkeit mit sehr anspruchsvollen Begründungen als ein Haushalt der Mäßigung, der Beschränkung auf das Mögliche vorgelegt. Ganz abgesehen davon, daß dieser Entwurf schon von vornherein wieder mit recht zweifelhaften Mitteln ins Gleichgewicht gebracht worden ist - ich denke nur an die Veranschlagung von Globalkürzungen -, ist er durch die Vorgänge der letzten Woche noch stärker in Zweifel gezogen worden. Dazu gehört auch die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler am Mittwoch der vergangenen Woche von dieser Stelle aus dem Hause abgegeben hat, mit der neue große Belastungen des nächst jährigen Haushalts angekündigt werden, ohne daß bis jetzt zu erkennen wäre, wie die Regierung - nicht der Haushaltsausschuß dieses Hauses, sondern die Regierung - diese Belastungen in den von ihr selbst gezogenen Rahmen pressen will. Dazu gehört auch die hektische Betriebsamkeit
der Regierung und ihrer Koalition, 'die darauf abzielt, unter dem Eindruck der herannahenden Bundestagswahl noch so viel Wahlgeschenke zu produzieren, daß auch dadurch der Rahmen von 63,9 Milliarden DM gesprengt werden müßte, wenn ehrlich und ohne Kunststücke veranschlagt würde.
Man hätte Grund, meine Damen und Herren, sich die Frage vorzulegen, ob es unter solchen Umständen für dieses Haus nicht besser wäre, der Bundesregierung einen Etat zurückzureichen, der doch offensichtlich auf eine sehr eigenartige Weise unausgeglichen und unvollständig geblieben ist.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich darüber gefreut, daß der Redner der Opposition zum Ausdruck gebracht hat, daß er die Methode eines Nachtragshaushalts nicht anfechten möchte.
({0})
- Das ist nichts Neues. Aber man ist auf manches, insbesondere nach Ihren letzten Andeutungen, gefaßt gewesen. Ich entsinne mich noch gut, daß in der Zeit, als die Bundesregierung den Haushaltsplan 1964 einbrachte, das Wort „Nachtragshaushalt" fiel und daß damals manche in der Öffentlichkeit die Andeutung machten: Nun, sie werden die Grenze von 60,3 Milliarden DM im Haupthaushalt 1964 wahren; aber sobald der Zeitpunkt des Nachtragshaushalts gekommen sein wird, dann werden sie diese - von Ihnen als „magisch" bezeichnete - Grenze überschreiten.
Wir freuen uns, daß die Bundesregierung durch ihren Nachtragshaushalt deutlich gemacht hat, daß sie die öffentlichen Ausgaben in der Begrenzung auch weiterhin an den Zuwachs des Bruttosozialprodukts binden woll. Wir freuen uns darüber, weil wir das als einen notwendigen Beitrag ansehen, von der Haushaltsseite her den Stabilisierungsbemühungen eine Stütze zu geben.
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Wir freuen uns auch darüber, daß diese Politik der Bundesregierung, die ja vor allem von dem Herrn Bundeskanzler selber vertreten wird, nicht nur beim Haushalt 1964 und nicht nur beim Nachtragshaushalt 1964 ihren Ausdruck gefunden hat, sondern daß auch bei dem Haushaltsplan 1965 die fälschlich als „magisch" bezeichnete Grenze, aufrechterhalten werden wird.
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- Ich glaube es, Herr Schoettle, daß es nicht Ihre Erfindung ist. Denn diese magische Grenze ist gar keine magische Grenze, sondern es geht einfach um die Feststellung, daß man die öffentlichen Ausgaben nicht beliebig ausweiten kann, sondern daß es dort Grenzen gibt.
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Wie es bei dem Einzelmenschen ist, daß er nur dann mehr ausgeben kann, wenn er auch mehr einnimmt, wenn er also einen Zuwachs an Einkommen hat, so ist es in dem ganz anderen Bereich der öffentlichen Wirtschaft auch, daß nicht mehr ausgegeben werden kann, als der Zuwachs des Sozialprodukts der Volkswirtschaft für öffentliche Ausgaben hergibt. Man kann natürlich auch mehr ausgeben; sicher kann man das. Aber man muß sich dann nicht darüber wundern, daß das kein Beitrag zur Erhaltung der Stabilität und zur Abwehr der Geldentwertung ist, sondern daß man damit geradewegs einen Beitrag zur Geldentwertung leistet. Und dazu sind wir von der CDU/CSU allerdings nicht bereit.
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Wir freuen uns also darüber, daß der Nachtragshaushalt nicht nur in bezug auf die Ausgabenbegrenzung die bisherige Politik der Bundesregierung fortsetzt, sondern daß er sich auch in bezug auf die Konjunktur richtig verhält.
Herr Schoettle, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede zum Etat 1964 davon gesprochen, daß sich ein „Gesetz", glaube ich, sagten Sie, zu entwickeln drohe, daß man die Bindung der öffentlichen Ausgaben an den Zuwachs des Sozialprodukts der Volkswirtschaft vornehme. Dies Gesetz ist kein ehernes Gesetz, das durch Jahre und Jahrzehnte hindurch bestehen bleiben müßte. Aber in der jetzigen Lage, von der Sie selbst gesagt haben, daß sie einem Boom entgegengehe - was übrigens gar nicht zutrifft -, m u ß allerdings die Haushaltspolitik darauf ausgerichtet sein, daß sie auf die Konjunktur die nötige Rücksicht nimmt. Wir sind deshalb auch zufrieden damit, daß die Bundesregierung sich auch bei ihrem Nachtragshaushalt konjunkturmäßig richtig verhalten hat, indem sie mit mehr als der Hälfte der Ausgaben, die gedeckt werden sollen, Schulden tilgt, nämlich den Fehlbetrag aus dem Haushaltsjahr 1963 und die bekannten Schulden bei der Bundesbank.
Ich habe nicht vor, eine Debatte über die Haushaltspolitik zu entfesseln. Ich mache lediglich darauf aufmerksam, daß wir es zur Zeit nur mit dem Nachtragshaushalt 1964 zu tun haben. Wenn wir uns über den Haushaltsplan 1965 in der zweiten Lesung unterhalten werden, wird der Zeitpunkt gekommen sein, um die Fragen klarzustellen, die mit diesem Haushaltsplan in Einnahme und Ausgabe zu tun haben. Im übrigen haben Sie doch, Herr Schoettle - darauf mache ich aufmerksam -, im Haushaltsausschuß einstimmig den Nachtragshaushalt gebilligt.
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Ich war etwas überrascht zu hören, daß Sie jetzt den gesamten Nachtragshaushalt ablehnen wollen.
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Nun zu den Einzelbemerkungen, die Herr Schoettle machte.
Sie sagten, man sei weitestgehend den Wünschen der Sozialdemokratie gefolgt. Sie sehen daraus, daß die Regierungsparteien immer gewillt sind, der Opposition zu folgen, wenn sie gute Gedanken hat.
Aber wir widerstreben der Opposition, wenn sie Gedanken zur Unzeit hat.
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Als Sie damals den Antrag stellten, die Mittel für die Studentenförderung zu erhöhen, ist eine Erhöhung im Haushaltsplan tatsächlich nicht vorgesehen gewesen; es war damals aber auch das Verwaltungsabkommen mit den Ländern, das erst die Grundlage für eine Erhöhung bildet, noch gar nicht vorhanden.
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Das kam erst im Juni 1964. Die finanziellen Folgerungen aus diesem Verwaltungsabkommen werden in dem jetzigen Nachtragshaushalt gezogen. Das ist ordnungsgemäß, und es ist kein Nachziehen auf Grund sozialdemokratischer Wünsche oder Anträge, sondern es ist eine notwendige Folgerung aus den Verhandlungen mit den Ländern.
Herr Schoettle hat sich dann darüber gewundert, daß für die Landwirtschaft vorgesehene Mittel zur Deckung herangezogen werden. Es handelt sich in Wirklichkeit um Ausgaben für die Landwirtschaft im Haushaltsjahr 1964, die kassenmäßig in diesem Jahr nicht getätigt werden können, weil die Durchführung der Strukturmaßnahmen viel längere Zeit beansprucht, als wir alle miteinander wünschen können. Infolgedessen vollzieht sich der Abfluß dieser für Strukturmaßnahmen der Landwirtschaft vorgesehenen Mittel aus dem Bundeshaushaltsplan 1964 nicht so rasch, wie wir es wünschten. Damit werden der Landwirtschaft aber durchaus keine Mittel entzogen. Sie haben vielleicht übersehen, daß in demselben Titel zum Ausdruck gebracht ist, daß die Bindungsermächtigung um 70 Millionen DM erhöht worden ist, um der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, Verpflichtungen in der gleichen Höhe einzugehen, die kassenmäßig im Haushaltsjahr nicht mehr abfließen. Wenn der große europäische Durchbruch und damit eine Ausgleichszahlung an die Landwirtschaft notwendig wird, können Sie von Ihrer Seite nicht gleichzeitig sagen, das seien „Wahlgeschenke", und hier Tränen vergießen, wenn Ausgaben für die Landwirtschaft effektiv nicht geleistet, aber durch Bindungsermächtigung gleichwohl ermöglicht werden. Das ist ein Widerspruch, auf den ich aufmerksam gemacht haben wollte.
Dann haben Sie - das soll die letzte Bemerkung sein, die ich machen möchte - gefragt, wie das eigentlich mit den Steuereinnahmen sei, wo sie im Nachtragshaushalt zu sehen seien. Sie sind gar nicht zu sehen. Insofern haben Sie formal recht. Aber es wird Ihnen nicht unbekannt sein, daß wir zuvor die Ausgabenbegrenzung in den öffentlichen Haushalten nach dem realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts vornehmen, während die Einnahmen so genommen werden müssen, wie sie effektiv kommen, nämlich nach dem nominellen Bruttosozialprodukt.
Daß das gewisse Schwierigkeiten haben kann, ist uns im Haushaltsausschuß durchaus geläufig. Aber Sie sollten doch nicht übersehen, daß die Einnahmeseite des Haushalts nicht nur diese Steuermehreinnahmen, sondern ein außerordentlicher Haushalt
auch Einnahmen aus Anleihen ausweist. Der Anleihemarkt gibt aber im Augenblick die Mittel, die wir aus ihm zur Deckung der Ausgaben entnehmen wollen, nicht in vollem Umfang her.
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- Herr Möller, Sie haben ja seinerzeit Ausführungen darüber gemacht, daß wir den Bedarf der öffentlichen Haushalte, der sich auf mehrere Jahrzehnte verteilt, zweckmäßigerweise durch Anleihen befriedigen sollten. Gut, wir sind dazu bereit. Nur haben wir Ihnen damals schon erwidert: Der Anleihemarkt ist nicht beliebig groß und für öffentliche Anleihen nicht in beliebigem Umfang verfügbar. Das Volumen der für öffentliche Anleihen verfügbaren Geldmittel ist eben nicht unbegrenzt.
Inwieweit Ihre damalige Behauptung zutrifft oder nicht zutrifft, das wird im Augenblick durch die Einnahmeseite im außerordentlichen Bundeshaushalt jedermann deutlich vor Augen geführt. Wenn ich die Zahlen richtig in der Erinnerung habe, sind dort etwa 700 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt als Einnahmen ausgefallen, Ausfälle, deren Deckung dann die nominellen Steuermehreinnahmen übernommen haben.
Ich meine, es wäre gut, wenn die Opposition, die diese Dinge aus dem Haushaltsausschuß genau so gut kennt wie wir, nicht den Eindruck erweckte, daß Steuermehreinnahmen irgendwohin verschwänden oder zu irgendwelchen unbekannten Zwecken verwendet würden. Es wäre gut, wenn sie hier klar und deutlich zum Ausdruck brächte, daß die Steuermehreinnahmen des Jahres 1964 zur Deckung der Ausgaben herangezogen werden, die im Etat stehen, sowie zur Deckung der Einnahmelücke, die im außerordentlichen Etat auf dem Anleihemarkt entstanden ist.
Im übrigen möchte ich noch eine Schlußbemerkung machen. Im Augenblick wird ja in der Öffentlichkeit sehr viel von „Wahlgeschenken" gesprochen. Das ist Mode geworden. Es ist nur natürlich, daß dann, wenn davon die Rede ist, ein Chor vorhanden ist, der gern darin einstimmt. Ich möchte aber doch einmal die Frage an Sie richten: Was sind denn diese Wahlgeschenke? Worin bestehen sie eigentlich? Sie werden sich doch wahrscheinlich einmal mit dem Begriff der Wahlgeschenke auseinandersetzen müssen
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Gemeint ist damit unterschwellig offenbar der Vorwurf, die Bundesregierung und die sie tragenden Regierungsparteien seien bereit, für irgendwelche Zwecke Geld zur Verfügung zu stellen, das sie, wenn keine Wahl wäre, sicher nicht ausgeben würden.
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- Es freut mich, daß die Opposition mir darin zustimmt.
Ich bitte Sie aber, einmal folgendes zu überlegen. In der vorigen Woche, als der Durchbruch in Richtung Europa - so darf ich es einmal bezeichnen - erfolgte und daraufhin in einer Regierungserklärung Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft angekündigt wurden, hatte Ihre Partei doch nichts anderes zu tun, als zu rufen: „Wahlgeschenke".
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- Glaubten Sie denn wirklich, daß die Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft, die selbstverständlich auch in Ihrem Parteiprogramm mit untergebracht würden, „Wahlgeschenke" waren? Glauben Sie nicht, daß das eine notwendige wirtschaftliche Maßnahme war?
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Ich glaube, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Ihrerseits 'bei jeder passenden Gelegenheit - oder richtiger, bei jeder unpassenden Gelegenheit - von Wahlgeschenken sprechen, wo wirtschaftlichen oder sozialen Notwendigkeiten Rechnung getragen wird.
Herr Abgeordneter Dr. Conring, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte diese meine kurzen Bemerkungen als Randbemerkungen bezeichnen. Ich halte hier keine Haushaltsrede, sondern mache einige Anmerkungen zur Rede des Oppositionssprechers. Deshalb möchte ich mich jetzt nicht in große Debatten einlassen.
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- Ich komme noch einmal wieder, meine Herren; greifen Sie nur an!
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Es ist auch noch gar nicht so lange her, daß wir den ersten Teil des Steueränderungsgesetzes hier behandelt haben, bei dem die öffentliche Hand auf eine Milliardensumme an Einnahmen verzichtete. Auch da erklang aus Ihren Reihen deutlich der Ruf: Dais sind Wahlgeschenke. ,Sie entsinnen sich. Dieser Ruf wird bei jeder Gelegenheit hörbar. In Wirklichkeit handelte es sich doch, wie jedermann weiß, darum, daß wir verhindern wollten, daß !die Steuerzahler durch die Progression bei der Einkommensteuer immer mehr Steuern zahlen, mehr Steuern, als sie eigentlich zahlen sollten.
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Wir wollten damit verhindern, daß der Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozialprodukt noch über das hinausgeht, was wir jetzt schon haben; denn die Steuerzahler in unserem Staat liegen im Vergleich zu anderen Staaten in der 'Spitzengruppe der Steuerzahler.
Wir sind immer noch der Meinung, daß der Zuwachs, der sich im Einkommen vollzieht, in der Hand des 'Privatmanns, der Vermögen bilden soll und der Vermögen für Investitionen haben muß, immer noch besser untergebracht ist als in der öffentlichen Hand, wenn diese ihre Grenzen überschreitet.
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Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode Dr. Conring
Auch wir leugnen natürlich nicht, daß die öffentliche Hand mit dem Zuwachs der Einkommen in der Volkswirtschaft Schritt halten muß und daß noch viele Aufgaben zu »erfüllen sind, chie wirklich dringlich sind - das wird von uns gar nicht geleugnet -, auf welcher Ebene »sie auch immer anfallen mögen.
Auf der anderen Seite aber sind die Grenzen zu beobachten, von denen ich eben sprach. Es muß ein gesunder Anteil der öffentlichen Hand am Zuwachs des Volkseinkommens da sein, und es muß einen größeren Anteil der privaten Hand daran geben; sonst würden wir durch einen immer stärker werdenden Staat immer mehr von unserer Freiheit, von unserer Verantwortung und unserer Selbständigkeit verlieren. Das aber nennen Sie „Wahlgeschenke". Wir sind darüber »anderer Auffassung.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlage unserer Beratung sind der Nachtragshaushalt 1964 und der Bericht des Haushaltsausschusses, in dem die Annahme dieses Nachtragshaushalts empfohlen wird. In »der gestrigen Debatte im Haushaltsausschuß hat die Opposition nichts gesagt, woraus sich ergeben könnte, daß sie den Nachtragshaushalt heute im Plenum ablehnen würde. Im Gegenteil ergab sich aus ihren Fragen und aus ihrer Reaktion auf die Antworten des Herrn Finanzministers, daß sie im Prinzip mit dem Inhalt des Nachtragshaushalts einverstanden war.
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Worum geht es in diesem Nachtragshaushalt? Wie ist er politisch zu bewerten? Was bedeutet er für die weitere Finanzpolitik der Regierung? Ich glaube, das sind die »drei Fragen, über die wir uns hier heute zu unterhalten haben.
In dem Nachtragshaushalt sind eine Reihe kleinerer Korrekturen verschiedener Einzelpläne enthalten, über die wir uns hier nicht näher zu unterhalten brauchen, weil im Haushaltsausschuß und auch im Plenum im Prinzip Einverständnis über diese Ausgaben besteht. Ich nenne nur einige Zahlen, um die im Verhältnis zum Gesamthaushalt geringe Bedeutung dieser Ausgaben darzustellen: 600 000 DM mehr für das Auswärtige Amt, 3 Millionen DM mehr für das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, 50 Millionen DM mehr für Grunderwerb im Einzelplan 35. Über diese »Positionen gab und gibt es keine Meinungsunterschiede. Zum Teil sind die politischen Entscheidungen, die zu diesen Mehrausgaben führen, hier bereits im Laufe des Haushaltsjahres gefallen. Dies trifft z. B. für die Beamtenbesoldung zu. Hier ist eine Verstärkung der Mittel um 30 Millionen DM veranschlagt. Die Zahlung ist »ausgelöst worden durch den Beschluß des Bundestages, die Beamtenbesoldung zum 1. Oktober dieses Jahres zu erhöhen. Eine Reihe anderer Ausgaben sind zwangsläufig in den Nachtragshaushalt „hineingewandert".
Ein zweiter größerer Komplex von Ausgaben wird verursacht durch Maßnahmen, die ich als Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur bezeichnen möchte. So sind 307 Millionen DM Mehrausgaben zugunsten der Deutschen Bundesbahn und 183 Millionen DM Mehrausgaben für den Straßenbau veranschlagt, zwei Maßnahmen, die für die allgemeine Entwicklung der deutschen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sind und die sicherlich auch im Sinne des gesamten Hauses liegen.
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Mit den 307 Millionen DM, die wir für die Bundesbahn geben, haben wir nahezu die »gesamte Belastung durch den Fehlbetrag aus dem Jahre 1963 abgedeckt, der ja 340 Millionen DM betrug und die Bundesbahn im Laufe dieses Jahres in eine Liquiditätskrise hineingeführt hat.
Auf die Bereitstellung der zusätzlichen 183 Millionen DM für den Straßenbau während des Haushaltsjahres werde ich im weiteren Verlauf meiner Rede noch zu sprechen kommen.
Der dritte Komplex von Ausgaben, die in diesem Nachtragshaushalt vorgesehen sind, umfaßt Ausgaben, die finanzpolitisch von Bedeutung sind: »die Zahlung von 400 Millionen DM an die Deutsche Bundesbank und die Abdeckung des Defizits aus dem Haushaltsjahr 1963 in Höhe von 511 Millionen DM. Ich möchte noch einmal die Diskussion während der dritten Lesung dm April dieses Jahres in die Erinnerung zurückrufen. Damals ist hier das Problem des Schattenhaushalts behandelt worden, und ich habe für meine Fraktion ausgeführt, daß ich gerade die Tatsache der nicht erfolgten Tilgung der Schulden gegenüber der Bundesbank in Höhe von 400 Millionen DM und die Nichteinstellung des Defizits aus dem Jahre 1963 in Höhe von 511 Millionen DM als eine erhebliche Belastung für das Haushaltsjahr 1964 ansähe. Ich habe damals für meine Fraktion den Wunsch geäußert, daß diese Probleme im Laufe des Jahres bereinigt würden, und Gott sei Dank ist es uns gelungen, diese Bereinigung hier jetzt durchzuführen.
Herr Kollege Schoettle hat sich über das Problem der Minderausgaben nicht allzu positiv geäußert. Er hat gesagt, da sei eine Zahl von 1,7 Milliarden DM, nicht weiter aufgegliedert im Haushalt, als Zunahme der Minderausgaben eingebracht. Nun, Herr Kollege, der Bundesfinanzminister hat gestern im Haushaltsausschuß schon eine gewisse Voraufgliederung dieser Zahl vorgetragen, aus der sich ergibt, daß die Masse der Minderausgaben im Verteidigungshaushalt anfallen wird und daß sich zwei weitere Einzelpläne auch mit Minderausgaben an dem Ausgleich dieses Nachtragshaushalts beteiligen werden. Er hat weiter ausgeführt, daß die endgültigen Zahlen erst in einigen Wochen vorliegen werden und daß erst dann die Aufgliederung der Minderausgaben auf die Einzelpläne erfolgen kann, ein Vortrag des Bundesfinanzministers, der im Haushaltsausschuß mit allem Ernst entgegengenommen wurde und an dem wir auch heute hier nichts aussetzen können. Ich glaube, der Vorwurf, die Minderausgaben seien
nicht entsprechend aufgegliedert, ist mehr in der theoretischen Diskussion zu suchen als im sachlichen Inhalt.
Das ist in dürren Worten der Inhalt des Nachtragshaushalts, eines Nachtragshaushalts, dessen allgemeine und finanzpolitische Bewertung ohne Zweifel zu positiven Ergebnissen führt. Es ist gelungen, die erforderlichen Umstellungen vorzunehmen, ohne das Volumen des Gesamthaushalts zu verändern. Die sogenannte magische Zahl von 60,3 Milliarden DM hat sich also zum Ende dieses Jahres als eine reale Zahl herausgestellt. Durch eine disziplinierte Ausgabenpolitik und eine glückliche Zusammenarbeit aller Beteiligten ist erreicht worden, was sehr viele Skeptiker zu Beginn des Jahres für unwahrscheinlich gehalten und was viele Kritiker als unmöglich dargestellt hatten. Es hat sich somit gezeigt, daß es finanzpolitisch richtig sein kann, eine äußerste Grenze festzulegen und politische Maßnahmen im Rahmen dieser Grenze zu planen.
Es hat sich weiter ergeben, daß notwendige Forderungen zur Verbesserung der Infrastruktur im Rahmen dieser Grenze erfüllt werden konnten. Die Tatsache, daß wir allein für das Verkehrswesen 490 Millionen DM gesetzlich bereitgestellt haben, ist ein deutlicher Beweis für die Entschlossenheit dieser Regierung, den großen Sektor der Gemeinschaftsaufgaben in der erforderlichen Weise finanziell auszugestalten.
Als im Sommer deutlich wurde, daß infolge der raschen Baufortschritte, die sich aus der günstigen Wetterlage ergaben, die Straßenbaumittel nicht ausreichten, hat der Bundesfinanzminister bereits nach einer ganz kurzen Verhandlungsphase von wenigen Tagen die geforderten Finanzmittel in voller Höhe zur Verfügung gestellt. Dieses positive Verhalten läßt uns manch anderer in Zukunft zu lösender Frage mit Vertrauen und Ruhe entgegensehen.
Von besonderer Bedeutung aber ist das konjunkturpolitisch richtige Verhalten der Regierung im Rahmen dieses Nachtragshaushalts. Die Abdeckung des Haushaltsdefizits und die bisher nicht eingeplante Tilgungsleistung an die Bundesbank bedeuten konjunkturpolitisch die Stillegung von 911 Millionen DM. Natürlich hätte es Möglichkeiten genug gegeben, diese 911 Millionen DM in anderer Weise auszugeben. Genügend Wünsche, nicht nur von sogenannten Interessentengruppen, sondern genügend, im einzelnen sachlich fundierte Wünsche lagen vor. Das Problem der meisten dieser Wünsche aber war darin zu sehen, daß es sich um Wünsche handelt, die sich als jährlich wiederkehrende Dauerleistung finanziell auswirken, während der hier im Nachtrag als Deckung zur Verfügung stehende Betrag von 1,7 Milliarden DM doch nur durch Restebildung, also durch momentanes Nichtausgeben von Geld, entstanden ist, wobei jedermann weiß, daß die Geldausgabe in Wirklichkeit ja nur um einige Monate, vielleicht um ein Jahr oder zwei Jahre verschoben worden ist. So war es logisch, zum mindesten einen erheblichen Teil der entstandenen Reste konjunkturdämpfend zur Tilgung von Schulden und alten Verpflichtungen einzusetzen.
Diese richtige Planung muß klar und deutlich begrüßt werden. Noch mehr aber ist zu begrüßen, daß es Regierung und Koalition gelungen ist, diese Planung in die Tat umzusetzen und gegenüber allen Anfechtungen bis zum erfolgreichen Abschluß durchzuhalten.
({2})
Konjunkturell richtiges Verhalten ist die Basis für Stabilität der Währung und damit für Stabilität des Preisgefüges, Dinge, an denen die Gesamtheit der Bevölkerung in höchstem Maße interessiert ist. Das muß auch die Forderung für das weitere Verhalten aller politisch entscheidenden Kräfte im . nächsten Jahr sein. Es ist hier nicht der Platz und die Stunde, eine finanz- und haushaltspolitische Vorschau auf den Haushalt des Jahres 1965 zu geben. Es ist aber erforderlich, einige Vorstellungen für die weitere gesetzgeberische Arbeit zu entwickeln, für eine gesetzgeberische Arbeit, die nicht ohne Auswirkung auf den Haushalt des Jahres 1965 bleiben wird. Die Fraktion der FDP ist entschlossen, die finanzpolitisch bewährte Politik der letzten Jahre, die sich so deutlich in diesem Nachtragshaushalt darstellt, auch in der Zukunft fortzusetzen. In dieser Politik sind die währungspolitischen Ziele mit der Forderung ausgedrückt: Stabilität der Währung und Stabilität des Preisgefüges und Sicherung gleichbleibender Zuwachsraten des Sozialprodukts. Die FDP ist überzeugt, daß eine Politik der Wahlgeschenke im Endeffekt niemand nützt, weder denen, die sich im Augenblick darüber freuen, zusätzliche Leistungen zu erhalten, noch der Allgemeinheit, die über ihre Steuerleistung diese Wahlgeschenke bezahlt. Das heißt nicht, daß die FDP sich gegen eine Weiterentwicklung der Sozialgesetzgebung oder sonstiger Gesetzgebungsbereiche wendet Im Gegenteil, unser Verhalten in den letzten Jahren hat deutlich gemacht, daß wir auf der einen Seite bereit sind, alle sinnvollen sozialpolitischen Initiativen zu unterstützen, daß wir zum anderen durch eine erhebliche Ausdehnung des steuerbegünstigten Sparens verstärkten Anreiz zur Vermögensbildung bieten wollen. Aber die FDP ist überzeugt, daß alle diese Vorhaben nur dann sinnvoll sind, wenn sie in den Rahmen der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialpolitik eingegliedert beschlossen werden und wenn nicht durch die Summierung von Vorhaben eine Entwicklung ausgelöst wird, an deren Ende eine Zerstörung der deutschen Währung stehen würde.
({3})
Das bedeutet, daß die Festlegung einer Haushaltsgrenze auch für das Jahr 1965 beibehalten werden muß, einer Haushaltsgrenze, die aufgebaut ist auf der Zuwachsquote des Sozialprodukts und berechnet ist mit einem Endbetrag von 63,9 Milliarden DM.
Wir sind gewillt, die sicherlich notwendigen Korrekturen im Haushalt im Rahmen dieser finanziellen Gegebenheiten vorzunehmen.
Das setzt Umstellungen im bestehenden Volumen des Haushalts voraus und wirft natürlich die Dekkungsfrage auf, da die Summe der Anforderungen
ja ohne Zweifel - je nachdem, was man heute addiert - erhebliche Beträge ausmacht. Es wird notwendig sein, um vernünftige Entschlüsse zu fassen, das Abschlußergebnis des Haushaltsjahres 1964 abzuwarten. Der Bundesfinanzminister hat gestern im Haushaltsausschuß erklärt, daß er sich um eine möglichst rasche Zurverfügungstellung der Abschlußzahlen bemüht und daß vorläufige Abschlußzahlen dem Haushaltsausschuß bereits in den letzten Tagen des Januars zugehen werden.
Aus diesen Abschlußzahlen wird klarwerden, in welchen Bereichen die Entwurfszahlen den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden können. Es unterliegt dabei keinem Zweifel, daß der Einzelplan des Verteidigungsministeriums auch im nächsten Jahr größere Beträge als Reste anbieten wird.
Wir sollten aber dabei das Verhalten der zuständigen Minister, des Bundesverteidigungs- und des Bundesfinanzministers, besonders positiv würdigen. Es ist nicht immer so gewesen, daß entstehende Reste in dieser Form klar ausgewiesen wurden. In der Vergangenheit ist mehrfach versucht worden, zum Teil mit Erfolg, durch Umschichtungen und sogenannte Vorauszahlungen das Entstehen größerer Restbestände zu umgehen. In diesem Jahr ist strikt nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung nur dann eine Zahlung erfolgt, wenn die rechtlichen und vertraglichen Verpflichtungen tatsächlich geschaffen waren. Das ist ein erheblicher Fortschritt, und ich möchte im Namen meiner Fraktion dem Herrn Bundesverteidigungsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister zu diesem Verhalten unsere besondere Zustimmung ausdrücken.
({4})
Neben dem Verteidigungshaushalt werden sich auch in anderen Einzelplänen Einsparungsmöglichkeiten ergeben. Es ist aber natürlich, daß derartige Umschichtungsmöglichkeiten des Gesamthaushalts 1965 nicht in unbegrenztem Umfang bestehen. Ebenso natürlich ist es, daß die Verpflichtungen und Zusagen, die von der Regierung gegeben wurden, und daß die Beschlüsse des Parlaments in den Veränderungen voll enthalten sein werden. In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt darüber hinausgehende Wünsche befriedigt werden können, wird eine Frage zukünftiger Entscheidung sein.
Aus der Verhandlung im Haushaltsausschuß vom gestrigen Tage und dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses ergibt sich keine Kritik am Verhalten der Regierung und der Koalition in Sachen Nachtragshaushalt 1964;
({5}) das muß einmal ganz deutlich gesagt werden.
Die Probleme des Jahres 1965 sind zu lösen, wenn die gesunden und klaren Grundzüge der Politik unbeirrt fortgesetz werden. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist dazu bereit. Sie stimmt diesem Nachtragshaushalt in der klaren Erkenntnis zu, daß er ein Stück auf dem Wege einer richtigen Politik ist, die auch im Jahre 1965 fortgesetzt werden wird.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, daß die Herren Kollegen Conring und Emde ein Plädoyer für diesen Nachtragshaushalt und diese Finanzpolitik der Bundesregierung sich zu halten bemüht haben. Ich habe aber kein Verständnis dafür, daß sie sich auch bemüht haben, nachzuweisen, daß sie an der öffentlichen Meinung vorbeiliegen.
So hat beispielsweise am 7. Dezember, also vor einigen Tagen, eine angesehene Zeitung, nämlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung, einen Artikel mit der Überschrift „Gefahren für den Bundeshaushalt" veröffentlicht. Schon der erste Satz enthielt die lapidare Feststellung: „Von drohender finanzpolitischer Anarchie in unserem Lande ist seit ein paar Wochen die Rede."
({0})
Später wird in diesem Artikel hinzugefügt: „Was sich gegenwärtig in der Finanzpolitik abspielt und was sich weiter ,abzuspielen droht, rechtfertigt die harten Worte."
({1})
Ich habe mit voller Absicht die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert, weil ich bisher der Meinung war, daß Sie wenigstens ,ein solches Blatt in einer solchen Diskussion ernst nehmen.
({2})
Sie können doch nicht, meine Herren von der Koalition, einfach darauf hinweisen: Wir diskutieren über den Nachtragshaushalt. Auch mein Vorredner, Herr Emde, hat die Zusammenhänge zwischen dem Nachtragshaushalt und der Finanz- und Haushaltspolitik überhaupt aufgezeigt.
Im Bewußtsein der Tragweite solcher Vorwürfe, wie sie in der Öffentlichkeit erhoben werden, mußte die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die erste passende Gelegenheit benutzen - und das ist doch ohne Zweifel die zweite und dritte Lesung des Nachtragshaushalts 1964 -, um in dem für die deutsche Finanzpolitik mitverantwortlichen Bundestag auch ihrerseits nachdrücklichst die Verantwortung für die jetzige Situation klarzustellen. Das tun wir - ob Ihnen das angenehm oder unangenehm ist, spielt keine Rolle -, das ist unsere Pflicht hier in diesem Bundestag als eine starke Fraktion, die sich berufen fühlt, kritisch die Tätigkeit der Bundesregierung zu überwachen, und das um so mehr tun muß, als sie immer wieder festzustellen hat, daß es sich bei den Koalitionsfraktionen nur um treue Gefolgsleute handelt.
({3})
Wenn wir uns fragen, wie diese finanzpolitische Situation entstanden ist, so sind drei Fakten festzuhalten. Diese drei Fakten, meine Herren von der Koalition, bestehen und können auch von Ihnen nicht weggewischt werden,
Erster Fakt: Bei der Beratung im Bundesrat wurde darauf hingewiesen, daß der Bundeshaushalt 1963 mit einem Überschuß abgeschlossen hätte, wenn nicht kurz vor Jahresende Umschichtungen, insbesondere beim Verteidigungshaushalt, vorgenommen worden wären. Diese Umschichtungen haben nach Ausführungen von Bundsfinanzminister Dahlgrün vor dem Bundestag am 7. Januar 1964 im Ergebnis eine Entlastung im Etat 1964 herbeigeführt. Das ist deswegen besonders beachtlich, weil der Bundeshaushalt 1963 durch Beschlüsse des Bundestages sowie nach Anrufung des Vermittlungsausschusses erhebliche Veränderungen erfahren hat und weil im Laufe des Rechnungsjahres 1963 Mindereinnahmen an Steuern von 636 Millionen DM eingetreten sind. Der Ausgleich des Nachtragshaushalts 1963 wurde auch durch Minderausgaben im außerordentlichen Haushalt in Höhe von rund 370 Millionen DM sowie durch Vereinnahmung eines Tilgungsdarlehens aus dem VW-Erlös in Höhe von 280 Millionen DM herbeigeführt.
Im diesjährigen Haushalt hat der Bundestag gegenüber dem Regierungsentwurf eine Deckung für neue und geänderte Haushaltsansätze in Höhe von 852,4 Millionen DM beschlossen. Der Nachtragshaushalt weist eine zusätzliche globale Minderausgabe von 1,72 Milliarden DM aus, die der Finanzierung von Mehrausgaben über 1,79 Milliarden DM dienen mit der Erläuterung zu dem entsprechenden Titel:
In einigen Bereichen, namentlich bei der militärischen und der zivilen Verteidigung, fließt ein Teil der Investitionsausgaben langsamer als erwartet ab. Eine Erhöhung der Minderausgabe auf den veranschlagten Betrag erscheint gerechtfertigt.
Wenn es Sinn und Zweck eines Nachtragshaushalts ist, Positionen, die nicht vorhersehbar sind, zu etatisieren und den zeitnahen Tatbestand in Einnahme und Ausgabe wiederzugeben, so kann niemand bestreiten, daß dieser Nachtragshaushalt diese Voraussetzungen nicht erfüllt. An Stelle von echten Deckungsvorschlägen ist die globale Ermächtigung für die Exekutive um den errechneten Differenzbetrag erhöht worden. Das ist sowohl ein unzulängliches als auch ein bedenkliches Verfahren.
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Vorhersehbar waren z. B. doch die Inanspruchnahme der Tilgungsrate durch die Bundesbank aus der Nachkriegswirtschaftshilfe in Höhe von 400 Millionen DM, wie mein Kollege Schoettle schon gesagt hat, und auch .- das wiederhole ich trotz der gegenteiligen Bemerkungen in der bisherigen Diskussion - der jetzt eingesetzte weitere Betrag für den Straßenbau von 183,5 Millionen DM.
Es finden sich überhaupt einige Beträge im Nachtragshaushalt, die bei der Haushaltsdebatte in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts 1964 von der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt worden sind. Ich bin davon überzeugt, daß diese Beträge, die jetzt im Nachtragshaushalt etatisiert werden, nach wie vor die Milchmädchenrechnung auffüllen müssen, die immer wieder von der Koalition aufgemacht wird, um zu beweisen, daß wir zuviel fordern und daß wir mit unseren Forderungen nicht maßhalten könnten.
Ein letztes Wort zu diesem Punkt: Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Dahlgrün, hat bei der Postdebatte am 4. Dezember dem Kollegen Börner ein Privatissimum über Haushaltspolitik und Steuereinnahmen gehalten.
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Es war in keiner Weise berechtigt. - Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie sagen: „Das war auch nötig", so muß ich Sie bitten, einmal in aller Ruhe das Protokoll zu lesen. Erinnern Sie sich an die Aufgaben eines Abgeordneten hier im Parlament, erinnern Sie sich an das Verhältnis eines Abgeordneten dieses Parlaments zum Minister, und dann überlegen Sie, ob Sie eine solche Bemerkung wiederholen können!
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Das Privatissimum war aber auch in der Sache falsch, und das weise ich Ihnen nach. Eine solche Feststellung treffen zu müssen, scheint mir etwas bedenklicher zu sein, als sich mit dem Vorwurf zu beschäftigen, den der Herr Bundesfinanzminister meinem Kollegen Börner gemacht hat. Die sozialdemokratische Fraktion hat schon in der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1964 und in der späteren Konjunkturdebatte darauf hingewiesen, daß sie mit den Schätzungen der zu erwartenden Steigerung dès Bruttosozialprodukts und damit auch mit den Steuervorausschätzungen der Bundesregierung nicht konform geht. Ich erinnere an das Bundeskanzlerwort vom 9. Januar im Deutschen Bundestag - ich zitiere wörtlich -, „sich über eine Zuwachsrate von 6% nominal und 4% real nicht hinauslocken zu lassen, auch nicht von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten".
Wie in jedem Konjunkturaufschwung, so werden auch diesmal die effektiven Steuereinnahmen das veranschlagte Aufkommen erheblich übertreffen. Das hat aber, wie der Herr Bundesfinanzminister wissen müßte, bereits die Einnahmeentwicklung des ersten Halbjahres mit einer Zuwachsrate von rund 10'0/o unterstrichen: erstes Halbjahr 1963 - ich nenne die Zahlen - 22,676 Milliarden DM, erstes Halbjahr 1964 25,523 Milliarden DM. Wenn man jetzt, wie aus den Erklärungen des Bundsefinanzministers vom 4. Dezember zu entnehmen war, im Nachtragshaushalt 1964 von 500 Millionen DM Steuermehreinnahmen ausgeht, so möchte ich meinen, daß sich dieser Betrag schon allein aus der konjunkturempfindlichen Umsatzsteuer ergeben wird. Hinzu kommen noch zwei beachtliche Posten an Mehreinnahmen, und zwar bei den Zöllen und bei dem Bundesanteil an der Einkommensteuer.
Der Nachtrag gibt keine neuen Zahlen an, weder bei den Steuereinnahmetiteln noch bei den Positionen der Anleihefinanzierung. Es genügt nicht, daß der Herr Kollege Emde vorhin den Herr Bundesfinanzminister mit Ausführungen im Haushaltsausschuß zitiert hat. Das, was der Nachtrag in der Einnahmeseite auszuweisen hat, muß ausgewiesen werden, wenn der Nachtrag uns möglichst nahe an die
Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit heranbringen soll.
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Herr Kollege Conring hat einen Ausflug auf den Kapitalmarkt unternommen und gemeint, die Situation sei so, daß die Bundesregierung mit ordentlichen Einnahmen den außerordentlichen Haushalt zu finanzieren in der Lage sei. Es ist immerhin sehr beachtlich, daß in dieser Situation, wo in diesen Tagen neue Veröffentlichungen über den Schuldenstand der Gemeinden erschienen sind und wo das Deutsche Industrieinstitut neue Angaben über die Notwendigkeit für die Länder veröffentlicht, an den Kapitalmarkt zu gehen, im Bundestag festgestellt wird, daß die Bundesregierung in der Lage ist, mit ordentlichen Einnahmen den außerordentlichen Etat mitzufinanzieren.
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- Glauben Sie doch ja nicht, Herr Kollege Conring, daß ich Ihnen erspare, auf diesen Ihren schwächsten Punkt einzugehen!
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Diese eine Tatsache in diesem Zusammenhang festzuhalten ist notwendig, wenn wir die Finanzpolitik als Ganzes sehen, wenn wir der Meinung sind, daß das, was der Bürger an Steuern und öffentlichen Abgaben zu zahlen hat, allen zugute kommen muß, die Träger öffentlicher Aufgaben sind, also nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern und Gemeinden, und zwar nach einem Katalog, der sich aus der Dringlichkeit der Aufgabenstellung zu ergeben hat und nicht aus der Stärke der Position, die der eine oder andere einnimmt.
({10})
- Es ist eine erhebliche Verbesserung des Finanzausgleichs zugunsten des Bundes vorgenommen worden. Das kann doch Ihrer Kenntnis nicht entgangen sein. Wenn Sie hier an einer Debatte über den Nachtragshaushalt teilnehmen, möchte ich erwarten, daß Sie sich zumindest einmal die Verhandlungen im Bundesrat über diesen Nachtragshaushalt 1964 ansehen. Dann müssen Sie erkennen, daß die Länder und daß der Berichterstatter des Finanzausschusses des Bundesrates mit Nachdruck darauf hingewiesen haben, daß die Länder auf Grund der Abschlüsse 1962 und 1963 beim Bundeshaushalt und auf Grund dieser Entwicklung des Bundeshaushalts 1964 zu Recht der Meinung sein müssen, man habe bei der Änderung des Finanzausgleichs von den Ländern zu früh und zuviel mehr verlangt und leider auch bekommen.
({11})
Ich jedenfalls, der ich aus einem Lande komme, wo eine Landesregierung nicht durch Sozialdemokraten in der Verantwortung verstärkt ist, sehe mir auch selbstverständlich die Stellungnahmen der Länder in einer solchen Situation an. Und der Herr Bundesfinanzminister - ({12})
- Wenn man sich nach Niedersachsen orientiert, dann sollte das für Sie eine Warnung sein und Sie veranlassen, sich etwas näher mit den Argumenten zu beschäftigen, die der FDP-Finanzminister von Niedersachsen vorgetragen muß, um zu begründen, warum er eine Anleihe am Kapitalmarkt aufnehmen muß, um einmal das Defizit für den Haushalt 1964 und dann das mutmaßliche Defizit für den Haushalt 1965 zudecken.
({13})
Meine Damen und Herren darüber können Sie nun einmal nicht hinwegsehen.
Nun aber wieder zurück zu der Bemerkung, die vorhin gemacht worden ist und die den Kapitalmarkt betrifft. Ich möchte hier den Herrn Bundesfinanzminister zitieren, der sich im Bundesrat am 20. November mit den Argumenten der Länder auseinandersetzen mußte und der darauf hingewiesen hat, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Einführung einer Kapitalertragsteuer für festverzinsliche 'Wertpapiere von Gebietsfremden eingebracht hat - das ist also die sogenannte Kupon-Steuer. Der Herr Bundesfinanzminister sagte hierzu - nachzulesen in dem Protokoll auf den Seiten 212/213 -:
Diese Maßnahme, meine Damen und Herren, die den Druck auf den Kapitalmarkt vermin-dem sollte, hat, wie Sie wissen, auf der anderen Seite zu großen Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt geführt. Der Bund hat im Wege der Kurspflege mehr als 280 Millionen DM aufwenden müssen. Dazu kommen noch Stützungskäufe der Bundesbahn, der Bundespost und des Lastenausgleichs von zusammen rund 270 Millionen DM. Insgesamt sind somit vom Bund einschließlich seiner Sondervermögen für mehr als 550 Millionen DM Kursstützungskäufe erfolgt.
Das ist die Situation am Kapitalmarkt, die Sie herbeigeführt haben: mit der Konsequenz, daß Sie einen derartigen Betrag aus den zusätzlichen Steuereinnahmen für einen solchen Zweck zur Verfügung stellen müssen. Meine Damen und Herren, Sie glaubeen doch nicht, daß das in dem Augenblick aufhört, in dem Sie das Gesetz beschließen. Jeder Fachmann wird Ihnen sagen, daß Sie dann erneut erhebliche Beträge zur Kurspflege zur Verfügung stellen müssen.
Diese Seiten müssen Sie berücksichtigen, wenn Sie darauf hinweisen, daß der Bund den Kapitalmarkt nicht in Anspruch genommen habe, weil der Kapitalmarkt insoweit für den Bund z. Zt. keine Beträge abwirft.
({14})
- Wir sind für Stabilitätspolitik, aber, Herr Kollege Schmidt, wovon ich hier spreche, das hat nichts mit dieser Frage der Stabilitätspolitik zu tun.
({15})
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller
- Ich habe mit einer solchen Bemerkung gerechnet und habe mir deswegen ein Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft vom 3. Dezember 1964 mit nach hier oben genommen. Vielleicht glauben Sie dem mehr als mir; das müssen Sie ja, dazu sind Sie verpflichtet. Das Schreiben hat den Betreff: Kapitalertragsteuer für Gebietsfremde.
I. Konjunktur- und währungspolitische Gründe
1. Veranlassung für die Gesetzesvorlage war die konjunktur- und währungspolitische Situation im Frühjahr 1964. Es ist zuzugeben, daß die Situation heute eine andere ist.
Also, meine Damen und Herren, ({16})
- Aber selbstverständlich!
Die Besserung ist weitgehend bedingt durch die von der Bundesregierung verfolgte Politik,
({17})
nicht zuletzt durch die Ankündigung der Kuponsteuer für Gebietsfremde.
({18})
- Meine Damen und Herren von der CDU, Sie können doch schließlich von dem Referenten des Bundesministers für Wirtschaft, der das geschrieben hat, nicht verlangen, daß er hinzuschreibt: „Beispielsweise wäre die Herabsetzung .der Zölle nicht ohne die Haltung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion möglich gewesen."
({19})
Soviel Loyalität müssen Sie doch dem Herrn im Bundeswirtschaftsministerium entgegenbringen! Und wenn er ,das wirklich geschrieben hätte, dann traue ich Herrn Schmücker zu, daß er diesen Satz herausgestrichen hätte.
({20})
- Mit diesem Zwischenruf erinnern Sie mich daran, daß Sie etwas über das Steueränderungsgesetz gemacht haben, auch im Zusammenhang mit den sogenannten Wahlgeschenken. Herr Kollege Wehner hat schon dazwischengerufen, .daß für uns in erster Linie der Zeitpunktinteressant ist, in dem Sie bestimmte Beträge zur Verfügung stellen. Darauf komme ich gleich noch in einem anderen Zusammenhang zurück.
Sie hätten ja durch unsere Vorlagen, die wir im Herbst 1962 eingebracht haben - z. B. ein Steueränderungsgesetz -, die Möglichkeit gehabt, bereits zum 1. Januar 1964 etwas zu tun.
({21})
Das haben Sie aber nicht nur deshalb nicht getan, weil
Sie damals 'überhaupt noch keine Konzeption hatten, wie das Steueränderungsgesetz aussehen sollte,
({22})
sondern weil Sie dieses Steueränderungsgesetz möglichst nah an den neuen Wahltermin heranbringen wollten.
({23})
Meine Damen und Herren, es nimmt Ihnen in der Öffentlichkeit niemand .ab, wenn Sie etwa so tun, als hätten Sie eine einheitliche Konzeption gehabt. Warum haben Sie dann das Steueränderungsgesetz halbieren müssen?
({24})
Warum haben Sie dann erst die Hälfte verabschiedet?
({25})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt?
Bitte sehr!
Herr Kollege Möller, haben Sie nicht bemerkt, daß wir uns für Gemeinschaftsaufgaben, für die Sie in diesem Ausmaße eintreten, gerade im letzten Haushalt in einer besonderen Weise verpflichtet gefühlt haben?
({0})
- Zum 'Beispiel auf dem Gebiete des Straßenbaus!
Dazu ist zweierlei zu sagen. Erstens hat das, was Sie, Herr Kollege Schmidt, sagen, gar nichts mit dem Steueränderungsgesetz zu tun.
({0})
Hier ist von Ihrem Fraktionsredner das Steueränderungsgesetz in dem von mir genannten Zusammenhang angesprochen worden. Wenn Sie als Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages nur so darauf reagieren können, dann ist damit zugegeben, daß Sie bisher und vielleicht auch heute keine einheitliche Konzeption über das haben, was das Steueränderungsgesetz zuwege bringen soll.
({1})
Nun die Gemeinschaftsaufgaben! Wir haben durch Ihren Redner vorhin gehört, daß auf Grund eines Abkommens zwischen Bund und Ländern dieser Etatansatz erhöht worden ist, daß also auf Grund einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern der Bund beispielsweise 50 % bei der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell zu tragen hat. Daß man das hier etatisiert, ist keine hervorstechende Tat, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Sie nehmen dann auf die Beträge für den Straßenbau Bezug. Meine Damen und Herren, es steht doch fest, daß Sie sich über alle Bedenken, die von der
sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sowohl bei Beratung der Änderung der Finanzierung des Straßenbaus als auch bei der Beratung des Haushalts 1964 geäußert wurden, mit dem Ergebnis hinweggesetzt haben, daß wir dann im Spätherbst die Situation hatten, die Sie verpflichten mußte, Beträge zur Verfügung zu stellen.
({2})
Sie hätten diese Situation vermeiden können, wenn Sie bei den Haushaltsberatungen 1964 den vernünftigen Vorschlägen meiner Fraktion gefolgt wären. Das konnten und durften Sie nicht. Deswegen ist es nicht geschehen.
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Möller, erlauben Sie die Frage, ob die Sozialdemokratie den Ablauf des Wetters im Haushaltsjahr 1964 auch hat vorhersehen können?
({0})
Dieses Wetter hat allein die Mehrausgaben im Straßenbau überhaupt ermöglicht.
Herr Kollege Conring, soweit ich mich erinnere, ist die dritte Lesung des Haushalts 1964 Mitte April erfolgt. Es hätte also keine prophetische Begabung für irgendeine Fraktion dazu gehört, zu wissen, was für eine Wetterlage wir im Januar 1964 gehabt haben.
({0})
Nun, meine Damen und Herren, der Regierungsentwurf zum Haushalt 1964 sah bei einem Anteil von 40 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer einem Sollansatz von 53,47 Milliarden DM vor. Aus der Vorlage des Bundesfinanzministeriums vom 4. März dieses Jahres ergeben sich bei einem Bundesanteil von 39% nach den vom Bundesfinanzministerium verwendeten Konjunkturdaten vom Herbst 1963 53,078 Milliarden DM und nach den Konjunkturdaten vom Frühjahr 1964 53,24 Milliarden DM. Auf Grund des Bundestagsbeschlusses vom 16. April 1964 haben wir im Haushaltsplan 1964 ein Soll von 53,245 Milliarden DM. Zum Nachtragshaushaltsgesetz wurden keine neuen Zahlen in der Regierungsvorlage, wo sie hingehören, genannt. Wenn wir von der Bundestagsrede des Bundesfinanzministers am 4. Dezember ausgehen, rechnet man mit Steuermehreinnahmen in Höhe von 500 Millionen DM. Das würde also 53,745 Milliarden DM ergeben. Ich habe schon in der Haushaltsdebatte am 9. Januar 1964, siehe Protokoll Seite 4852, erklärt, daß der Bund bei einem Bundesanteil von 39 % mit einer Steuereinnahme von mindestens 53,56 Milliarden DM rechnen müsse.
Diese Zahlen beweisen, daß der Bundesfinanzminister und die Vertreter der Koalitionsparteien keine Berechtigung haben, sich in diesem Punkt mit
Kollegen meiner Fraktion rechthaberisch auseinanderzusetzen. Sie hätten vielmehr allen Anlaß, endlich einzusehen, wie seriös und verantwortungsvoll die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ohne den Apparat der Bundesregierung auch bei diesen zugegebenermaßen recht schwierigen Vorausschätzungen vorging.
({1})
- Das hat nichts mit Rechthaberei zu tun, sondern das sind Zahlen, die Sie nicht wegwischen können, und diese Zahlen lesen Sie bitte noch mal im Protokoll nach! Ich anerkenne Ihre Objektivität aus den Beratungen im Finanzausschuß. Ich bin überzeugt davon, daß Sie dann bedauern, diesen Zwischenruf gemacht zu haben.
Wenn, wie weiter gesagt worden ist, am 15. September der Arbeitskreis für gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung erneut die für den Nachtragshaushalt notwendigen Zahlen ermittelt hat, so bin ich offenbar falsch unterrichtet worden, als man mir mitteilte, daß der Arbeitskreis für Steuervorausschätzung beim Bundesfinanzministerium das letzte Mal im Mai dieses Jahres getagt habe.
Nicht die Tatsache, daß man einen Nachtragshaushalt vorlegt, gibt Anlaß zur Kritik. Entscheidend bleibt das Wie, das sich ganz besonders auf die globalen Umschichtungskunststücke bezieht, die nicht endgültig zu einem neuen, aber schlechten Prinzip der Haushaltspolitik dieser Bundesregierung werden dürfen. Das jedenfalls ist der Standpunkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.
Nun der zweite Fakt. Bei der Beratung des Nachtrags ist im Bundesrat auf den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt 1965 hingewiesen worden, wobei der Berichterstatter des Finanzausschusses darauf aufmerksam machte, daß sich zu Lasten des Rechnungsjahres 1965 Einnahmeausfälle von mehr als 3,5 Milliarden DM bei Bund, Ländern und Gemeinden in der Diskussion befinden. Das war am 20. November dieses Jahres. Inzwischen hat sich, wie Sie wissen, einiges geändert. Außerdem wird die Ausgabenseite in den kommenden Monaten ebenfalls in verschiedenen Positionen andere, und zwar höhere Beträge aufweisen. Diese Gesamtsumme von 5 Milliarden DM hat nun doch wohl mit dem Wahltermin zu tun. Der Berichterstatter des Finanzausschusses des Bundesrates erklärte:
Man mag einzelne Maßnahmen als solche in ihrer sachlichen oder zeitlichen Notwendigkeit für diskussionsfähig halten. In ihrer Häufung und Verschiedenartigkeit stellen sie aber ganz gewiß nicht das Produkt einer systematischen Finanzplanung dar.
Nach Pressemeldungen vom 24. November soll Herr Kollege Dr. Stoltenberg mitgeteilt haben, daß die Koalitionsfraktionen Streichungen in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen D-Mark im Entwurf des Bundeshaushalts 1965 vornehmen wollen, um den von der Bundesregierung festgesetzten Etatrahmen von 63,9 Milliarden DM
nicht zu sprengen. Meiner Meinung nach hätte die Bundesregierung diese ihr natürlich unbequeme Aufgabe zu lösen, zumal da die kritische Durchleuchtung ihres Haushaltsentwurfs die Zweifelhaftigkeit der festgesetzten Obergrenze ergibt,
({2})
diese Grenze, die Sie bisher immer als die „magische Grenze" bezeichnet haben. - Herr Kollege Conring, hier ist hinzuzufügen, daß es bei konjunkturstabilisierenden Maßnahmen einer Haushaltspolitik nicht nur auf die Verteidigung eines bestimmten, und zwar realistischen Haushaltsvolumens ankommt - es müßte realistisch sein -, sondern in erster Linie auf das Verhältnis der Einnahmen aus Steuern zu den Ausgaben im Inland. Wenn Sie das vielleicht freundlicherweise in Ihren künftigen Diskussionsbeiträgen beachteten, würde uns das manches erleichtern; dann kriegen wir nämlich ganz andere Zahlen.
({3})
Ich gebe auch Herrn Staatssekretär Grund recht, der kürzlich in einem Vortrag auf die schwierige Problematik hinwies, die sich daraus ergibt, daß auf der Ausgabenseite die reale Wachstumsrate zugrunde gelegt werden soll, daß dagegen bei den Schätzungen auf der Einnahmenseite die nominelle Wachstumsrate eine Rolle spielt. Herr Staatssekretär Grund hat auf die Schere zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenseite hingewiesen und zugegeben, daß diese Scherenentwicklung in der Tat im Haushalt 1965 gewisse Sorgen bereite.
Nun der dritte Fakt! Das alles hätte aber sicher nicht ausgereicht, um, wie ich vorhin zitiert habe, von einer „drohenden finanzpolitischen Anarchie" zu sprechen. Unabhängig von den bisher in der Diskussion befindlichen Beträgen, für die im nächsten Bundeshaushalt Deckung gefunden werden muß, hat die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Agrarpolitik am 2. Dezember ergeben, daß für 1965 840 Millionen DM und später mindestens 1,1 Milliarden DM zusätzliche Mittel für die Landwirtschaft bereitgestellt werden sollen. Bei der Getreidepreisfrage soll es sich tatsächlich um eine Richtlinienentscheidung des Bundeskanzlers handeln, ohne daß aber der Bundeskanzler in diese Entscheidung die Beantwortung der ihm offensichtlich unbequemen Deckungsfrage eingeschlossen hat.
({4})
Das Bundespresseamt meint in einer Mitteilung, Lösungen wegen der Umgestaltung des Bundeshaushalts 1965 seien nicht vor Mitte Januar möglich, und alle Berichte über Deckung und Kürzungsvorschläge trügen rein spekulativen Charakter.
Nun kam eben der typische Zwischenruf: „Das hören Sie noch von uns!" Wenn das so ist, dann sollten wir die Etatberatung aussetzen, weil sie nicht auf einer realistischen Basis geführt wird.
({5})
Aber ich habe noch ein Weiteres hinzuzufügen. Der von dem Herrn Bundeskanzler gefundene Betrag, also 840 Millionen DM 1965, dann 1,1 Milliarde DM in den folgenden Etatjahren, muß doch - oder wollen Sie das auch bestreiten? - in einem realistischen Verhältnis zu den Möglichkeiten des Bundeshaushalts stehen. Denn sonst kann man den Betrag nicht nennen. Oder nennen Sie mir bitte den Grund, warum es für 1965 genau 840 Millionen DM, aufgeteilt in die Sparten, die wir kennen, und dann 1,1 Milliarden DM sein müssen, wenn nicht zu gleicher Zeit der Herr Bundeskanzler sich darüber hat informieren lassen, daß es möglich ist, im Bundeshaushalt die notwendige Deckung herbeizuführen. Diese Deckung gehört dazu. Der Vorschlag und die Dekkung dieser Ausgaben von 840 Millionen DM bzw. 1,1 Milliarden DM sind Siamesische Zwillinge.
({6})
Ich möchte einmal wissen, was Sie sagen würden, wenn wir hier in derselben Frage nun ganz plötzlich
({7})
mit einem solchen Vorschlag hervorgetreten wären! Da hätte es nichts genutzt, wenn wir auf einige unserer Vorschläge verwiesen hätten, wie die entsprechenden Steuermehreinnahmen erzielt werden können, die also echte Deckungsvorschläge gewesen wären. Sie hätten sich glatt darüber hinweggesetzt und geglaubt, uns anprangern zu müssen, wenn wir mit solchen finanziellen Vorschlägen gekommen wären, ohne zum gleichen Zeitpunkt das Notwendige über die Deckung vor diesem Hohen Hause auszusagen.
({8})
Wie auch andere angesehene Zeitungen, die der SPD in keiner Weise nahestehen, so äußert sich z. B. der „Mannheimer Morgen" wie folgt:
Das dicke Ende kommt zweifellos nach. Bundesfinanzminister Rolf Dahlgrün weiß bis zur Stunde noch nicht, wie er die Milliarden-Hilfe für die Landwirtschaft aufbringen soll, ohne den Grundsatz zu verletzen, daß die Bundesausgaben des nächsten Jahres die Summe von 63,9 Milliarden DM nicht übersteigen dürfen.
Dann kommt ein Satz, den ich nicht zitieren möchte. Es heißt weiter:
Statt dessen zieht es Dahlgrün offenbar vor, dem Bundeskanzler und dem Parlament die Verantwortung zu überlassen. Wie auch immer der Haushaltsausgleich vollzogen werden soll, das Ergebnis kann nur peinlich ausfallen.
({9})
So, meine Damen und Herren, schreiben heute Zeitungen, die sich immer als treue Anhänger der Bonner Regierungspolitik ausgewiesen haben.
({10})
- Ja, dann werden Sie aber einmal den Zeitpunkt erleben, wo Sie die Laterne des Diogenes brauchen, um noch Zeitungen zu finden, die als seriös gelten und die diese Art von Regierungs- und Koalitionspolitik vertreten möchten.
({11})
Der Bundesregierung und ihrer Koalition empfehlen wir mit Ernst und Nachdruck: Ersetzen Sie die Hilflosigkeit der Maßhalte-Appelle an die SPD durch eigenen konstruktive, der Lage Rechnung tragende harte Arbeit, bei der Sie Ihre immer wieder behauptete politische Kraft durch Mut zu Entscheidungen beweisen können.
Meine Damen und Herren, falls Sie heute in der Debatte noch einmal auf unsere politischen Vorstellungen zurückkommen möchten, die wir in unserem Regierungsprogramm vor der Wahl dieses Bundestages entwickelt oder die wir auf unserem Karlsruher Parteitag erneut in diese Zeit hineingestellt haben, dann sind wir bereit, mit Ihnen auch darüber ein ernstes Wort zu sprechen. Aber denken Sie daran, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich die Feststellung treffen, daß wir uns heute über den Nachtragsetat für 1964 unterhalten müssen
({0})
und noch nicht einen Ausblick auf den Etat des Jahres 1965 geben sollen.
Wir können verstehen, daß die Opposition versuchen will, von uns zu hören, auf welche Weise wir den Etat des Jahres 1965 genauso gut zu meistern gedenken, wie wir den Etat 1964 mit diesem Nachtrag gemeistert haben.
({1})
Wir können ihr diesen Gefallen nicht tun. Wir hoffen, daß sie die Zeit, die wir ihr noch geben, dazu nutzt, mitzuhelfen, daß der Etat 1965 zusammen mit ihr so ausgeglichen wie der Nachtragsetat 1964 dem deutschen Volk dargeboten werden kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte einige Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Möller aufgreifen, die er in seiner Sicht auf den Etat 1965 gemacht hat. Allerdings spreche ich nicht in der Sicht auf den Etat 1965, sondern in der Sicht auf den Etat 1964.
Herr Möller hat versucht, eine finanzpolitische Konzeption aufzuzeigen. Obwohl Sie jetzt vielleicht sagen mögen, ich sei nicht in der Lage, Schatten vorauszuwerfen, glaube ich nicht, daß das, was Sie dargeboten haben, Herr Kollege Möller, eine solche Konzeption darstellt. Wenn man von Finanzpolitik spricht, muß man davon ausgehen, daß die Finanzpolitik und die finanzpolitische Konzeption in erster
Linie dafür zu sorgen haben, die Stabilität von
Wirtschaft und Währung zu erhalten und zu sichern.
({2})
Wenn ich von diesem Gesichtspunkt ausgehe, ist festzustellen, daß der Beitrag der Bundesregierung, der Koalitionsparteien und auch - zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt - der Beitrag der Opposition darin bestanden hat, die Beschränkung der öffentlichen Ausgaben an dem realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts zu orientieren. Ich glaube, daß der Weg, der hier eingeschlagen worden ist, eine solche finanzpolitische Konzeption als Beitrag zur Stabilität von Währung und Wirtschaft zu betrachten, richtig war. Wenn das aber ein richtiger Beitrag war - und ich wiederhole, daß auch die Opposition das einmal anerkannt hat -, dann ist damit die Beschränkung der öffentlichen Ausgaben des Bundes zunächst festgestellt. Damit ist aber auch die Möglichkeit gegeben - und insofern kann ich das, was Sie zu Herrn Kollegen Schmidt als dem Vorsitzenden des Finanzausschusses gesagt haben, nicht akzeptieren -, wegen der Beschränkung der Ausgaben dem Steuerzahler auf der Einnahmenseite eine Entlastung zu bieten, und zwar in der Größenordnung, wie es diese Beschränkung des Etatvolumens zuläßt.
({3})
Sie haben gefragt, warum wir das Steueränderungsgesetz teilten. Genau hier liegt für uns der Ansatzpunkt zu sagen: Wir sind verantwortungsvoll genug, zunächst einmal abzuwarten, wie groß der Unterschied zwischen realen und nominalen Steuermehreinnahmen für das Jahr 1965 sein wird, um dann erst festzustellen, was uns dann noch zur Entlastung der Steuerzahler übrigbleiben wird.
({4})
Das, Herr Kollege Möller, muß man wohl unter verantwortungsvoller Finanzpolitik verstehen. - Ich will aber nun nicht mehr über das Jahr 1965 sprechen.
Sie erwähnten die Ausführungen meines Kollegen Stoltenberg, der sicher etwas für Sie nicht gerade Angenehmes festgestellt hat, als er davon sprach, welch schwere Aufgaben bei der Abgleichung des Etats auf dieses Parlament zukommen, zumal wenn man berücksichtigt, was an Mehrausgaben durch Gesetzgebungsvorhaben, und zwar sowohl durch Vorlagen der Regierung als durch Vorlagen aus dem Parlament entstehen könnte. Dabei handelt es sich nicht um eine Frage der Deckung, sondern - bei einer verantwortungsbewußten Finanzpolitik - um eine Frage der Redressierung der Ausgaben auf das im Interesse von stabiler Währung und Wirtschaft beschränkte Volumen. Die Frage der Deckung wäre in diesem Augenblick - darüber sind wir uns doch im klaren -, wenn sie gestellt würde, viel einfacher als die Frage, wie man sich hier konjunkturpolitisch, finanzpolitisch richtig und verantwortungsbewußt verhält, indem man die Ausgaben auf das Volumen bringt, das wir unter den Aspekten, die ich darstellen konnte, für vertretbar halten.
Sie haben von den Ausgaben gesprochen. Nun, ich will nicht aufrechnen. Wenn ich hier etwas klar7536
stelle, will ich damit nach keiner Seite einen Vorwurf verbinden. Aber wenn ich Ihre Forderungen auf Mehrausgaben betrachte, muß ich feststellen, daß diese, zumindest die, die Sie in Karlsruhe oder sonstwo vorgebracht haben, weit höher liegen als die Mehrausgaben auf Grund der Vorschläge, die von der Regierung und den Regierungskoalitionen auf den Tisch gelegt worden sind. Ich sage noch einmal: Ich mache Ihnen keinen Vorwurf; aber Sie müssen doch mit uns zusammen auch versuchen, Ihre Forderungen in dem Rahmen unterzubringen, der verantwortungsvollerweise vertreten werden kann, und da beginnt die Schwierigkeit.
Der Nachtragshaushalt hat eigentlich die beste Kritik durch den SPD-Finanzsenator von Hamburg, Herrn Dr. Weichmann, erfahren. Mit Genehmigung des Präsidenten darf ich vorlesen, was er im Bundesrat zum Nachtragshaushalt 1964 festgestellt hat:
Kritisch oder besser nicht kritisch ist hier zu bemerken, daß in einem schnellebigen Wirtschaftsprozeß
- und genau das trifft die ganze Sache und in Anbetracht der immer mit Schätzungen verbundenen Ungewißheiten Mehrausgaben als solche ein unvermeidbares Attribut des Haushaltsplanes im Verlauf seines Vollzuges sein werden. Zudem ist ohne Frage anzuerkennen,
- erklärt der Finanzsenator Weichmann daß die erforderlichen Mehrausgaben nicht zu einer Ausweitung des Haushaltsvolumens geführt haben, sondern im Rahmen des ursprünglich bewilligten Gesamtvolumens aufgefangen werden sollen.
({5})
Das aber, meine Damen und Herren, ist genau die Feststellung, die wir hier zu treffen haben: dieser Nachtragsetat enthält genau das, was die Regierung schon bei der Einbringung des Haushalts 1964 gesagt hat, und dafür gebührt allen Dank, die mit dazu beigetragen haben, daß es möglich war, diese Grenze zu halten.
({6})
- Ja, bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Senator Weichmann in der genannten Bundesratssitzung auch folgende Feststellung getroffen hat:
Haushaltspolitisch muß aber die Methode der Globalveranschlagung von Minderausgaben nach wie vor als unerfreulich, ja eigentlich als haushaltsrechtlich unzulässig angesehen werden.
Ist Ihnen das bekannt?
Herr Kollege Möller, das ist mir bekannt. Herr Senator Weichmann hat nämlich nicht nur diese Frage kritisch beleuchtet, sondern drei Fragen, u. ,a. auch diese. Ich hätte diese Tatsache sowieso gebracht. Das ist nämlich wirklich der Ansatzpunkt, von dem aus eine scharfe Kritik zunächst hätte vorgebracht werden können, vor allen Dingen auch in den Bereichen, in denen die Minderausgaben aufgetreten sind.
Wenn man genauer überlegt, warum die Minderausgaben 'in diesen Bereichen - Verteidigung, zivile Notstandsplanung - entstanden sind, stellt man aber fest, daß gerade das zutrifft, was Herr Weichmann gesagt hat. Der Ablauf eines Haushaltsjahres, insbesondere in den Bereichen, wo es sich um Investitionsausgaben handelt, ist ,eben einfach nicht immer auf Heller und Pfennig vorauszusagen. Es waren die verschiedensten Umstände, die dort zu Minderausgaben geführt haben. Sie werden es mir sicherlich in 'diesem Augenblick ersparen, näher auf die Gründe für das Zurückbleiben der Ausgaben in diesen Bereichen einzugehen. Ich habe diese Gründe hier zusammengestellt. Dieses Zurückbleiben beruht zum Teil auf Entwicklungen im inneren Bereich, zum Teil aber auch auf Einflüssen von außen her. Nehmen wir z. B. die mit den Beschaffungsprogrammen im Verteidigungshaushalt zusammenhängenden Fragen. Hier haben wir zum Teil auch vom Ausland her Verzögerungen erlebt. Sie kennen diese Fragen sicherlich, und ich kann es mir ersparen, im einzelnen darauf einzugehen. Für die Klarstellung dieser Fragen im Nachtragsetat haben wir, glaube ich, zu danken.
Die Opposition hat uns gesagt, der Rahmen von 60,3 Milliarden DM könne nie .gehalten werden. Dadurch, daß diese Grenze nun doch genau hat eingehalten werden können, ist dargetan, daß durch ein Zusammenwirken von Parlament und Regierung - mit den Möglichkeiten, die der Regierung durch das vom Parlament 'beschlossene Haushaltsgesetz gegeben sind, denken Sie an den § 7 ,des Haushaltsgesetzes, also an die Möglichkeit der konjunkturpolitischen Steuerung in gewissen Bereichen - durchaus eine verantwortungsvolle Finanzpolitik betrieben werden kann.
Meine Damen und Herren, ich habe in einer Pressemitteilung gelesen - und deswegen hätte ich gedacht, daß hier vielleicht so manches andere von der Opposition gesagt worden wäre -, und zwar gelesen im Zusammenhang mit der Bewilligung von 770 Millionen DM Mehrausgaben für die Landwirtschaft - wir haben das in der letzten Woche hier besprochen -, daß sich von nun an die Opposition strikt gegen Kürzungen im Verteidigungshaushalt aussprechen wird.
({0})
In Ihrem Pressedienst, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben Sie uns den Vorwurf gemacht, wir wollten große Milliardenbeträge im Verteidigungshaushalt kürzen, um damit für die Landwirtschaft und für gesellschaftspolitische Aufgaben tätig zu sein. Welche Änderung der Auffassung auch hier!
Die Feststellung im Bundesrat - und das, was man bei nüchterner 'Betrachtung überhaupt in diesem Nachtrag finden kann - veranlaßt mich und meine Freunde zu sagen: Die Regierung hat hier
richtig gehandelt, sie hat das gehalten, was sie versprochen hat, und wir können uns nur wünschen, daß sie auch im nächsten Jahr, hoffentlich unter Mitwirkung der Opposition, das Ziel erreichen wird, das sie sich in der Haushaltspolitik gesteckt hat: Währung und Wirtschaft zu sichern.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir - was Sie verstehen werden - besonders die Ausführungen der beiden Herren angehört, die für die Opposition gesprochen haben. Wenn ich die Notizen betrachte, die ich mir gemacht habe, dann kann ich nur sagen: Schade!
({0})
Ich hatte von beiden Herren - das sage ich hier offen, ehrlich und aufrichtig - wirklich etwas mehr erwartet.
({1})
Herr Kollege Dr. Möller, die Lautstärke macht es auch nicht.
({2})
Ich will einige Ungereimtheiten zeigen, um deutlich zu machen, was ich meine.
Herr Kollege Schoettle hat von der „hektischen Betriebsamkeit" der Bundesregierung gesprochen. Bisher habe ich von der Opposition immer nur gehört, daß wir lahm und schlapp seien.
({3})
- Ja, Herr Kollege, wir kommen auch noch einmal aneinander.
({4})
- Genau - im Wahlkampf, der nach dem, was hier produziert worden ist, offenbar schon in diesen Saal hineingetragen werden soll.
Herr Kollege Schoettle hat der Bundesregierung vorgehalten, sie habe den Verteidigungshaushalt mit Zähnen und Klauen verteidigt. Er hat vergessen zu erwähnen, daß sich das jetzt offenbar umgekehrt hat - Herr Leicht hat es erwähnt -, daß jetzt die SPD den Verteidigungshaushalt mit Zähnen und Klauen zu verteidigen gewillt ist. So kommen wir nicht weiter, meine Damen und Herren.
Ich bewundere auch, meine Damen und Herren, die hellseherischen Qualitäten der Opposition. Ich habe das Wort „Hellseher" hier vor ganz kurzer Zeit einmal gebraucht. Dabei erinnere ich mich nicht, bei welcher Gelegenheit; ich glaube, es war bei der Postdebatte oder bei der ersten Lesung des Haushalts. Damals habe ich einmal darzustellen versucht, daß man mit der Finanzpolitik wirklich fast hellseherische Qualitäten haben muß. Wenn man nämlich bedenkt, daß 500 Millionen DM eine gewaltige Summe Geldes sind, und wenn - so rechnen wir in diesem Jahr 1964 - ein solcher Betrag an Steuern mehr hereinkommt, dann könnte man auf die Idee kommen, wir hätten uns gewaltig verschätzt. Wenn man aber diese Summe mit den 56 bzw. 60 Milliarden DM in Beziehung setzt, um die es wirklich geht, wird man feststellen, daß die Verschätzungsquote unter 1% liegt; und damals hatte ich gesagt: „Das grenzt an Hellsehen."
Wenn aber Herr Kollege Schoettle fast jede der Ausgaben dieses Nachtraghaushalts für die SPD okkupieren möchte, +indem er sagt: „Das habt ihr uns im Frühjahr abgelehnt", so ist dazu folgendes zu sagen: es kam, Herr Kollege Dr. Möller, das ist bisher wohl unbestritten, nicht auf das Wetter im Januar 1964 an, sondern - nach den Forderungen des Bundesverkehrsministers nach Abschluß seiner Herbstbereisung - auf das Wetter im Herbst 1964.
({5})
Wenn Sie das vorausgesehen haben und voraussehen konnten, dann finde ich das großartig; aber ich muß Ihnen sagen, Herr Dr. Möller: Ich glaube nicht daran.
Herr Kollege Dr. Möller bringt hier - das habe ich schon bei früheren Gelegenheiten, wenn wir diskutierten, hin und wieder beanstandet - häufig ein Zahlenbild, ohne gleichzeitig das weitere dazugehörige Zahlenbild zu bringen. Sie brachten das nette Beispiel mit den Siamesischen Zwillingen.
({6})
Die eine Hälfte fehlt bei Ihnen so oft.
({7})
Ich möchte Ihnen also z. B. sagen, daß der Bund von dem im Haushalt 1964 veranschlagten Anleihebedarf von 2,2 Milliarden DM bis jetzt immerhin 1,5 Milliarden DM - annähernd 1,6 Milliarden DM - aufgenommen hat. Wenn Sie jetzt die Länder, deren gestiegene Verschuldung von Ihnen so häufig beklagt wird, betrachten, dann stellen Sie fest, daß sie im Jahre 1963 2,1 Milliarden DM veranschlagt und nur 522 Millionen DM aufgenommen haben, das heißt etwa 25 %. Herr Dr. Möller, erklären Sie mir einmal, wo die Länder den Fehlbetrag hergekriegt haben.
({8})
Den Fehlbetrag haben die Länder nämlich mehr eingenommen! Im Jahre 1964 haben sie 2,8 Milliarden DM - also erheblich mehr als 1963 - veranschlagt, und davon hatten sie - ich habe allerdings die Zahlen nur bis August 1964 - bis zum August immerhin erst etwa 25 % aufgenommen.
({9})
Das muß man natürlich, wenn man hier auf die Verschuldung der Länder hinweist, auch mitteilen, insbesondere dann, wenn man diese Verschuldungs7538
zahlen und Kreditaufnahmen mit der Situation des Bundes in Verbindung setzt.
({10})
Herr Kollege Schoettle hat behauptet, die zu erwartenden Mehreinnahmen an Steuern im Jahre 1964 - ich habe sie in der vorigen Woche hier vor dem Hohen Hause auch schon erwähnt, allerdings mit dem sehr betrüblichen Zusatz, daß sie schon verbraucht sind -, hätte ich in den Haushalt „hineingebuttert". Herr Schoettle wie Herr Möller haben übersehen, daß ein Etatrahmen auch durch Mehreinnahmen überschritten wird, und nicht nur dann, wenn ich mehr Geld ausgebe. Das heißt also: wenn ich nicht, was finanzpolitisch richtig ist, die etwa 500 Millionen oder 600 Millionen, was weiß ich, Mehreinnahmen zur Deckung von Mindereinnahmen im außerordentlichen Haushalt benutze, wird der Etatrahmen nicht gehalten. Ich verletze dann nicht nur die Regel, die wir uns alle - einschließlich der Opposition- für das Jahr 1964 gesetzt hatten, sondern ich verletze auch Regeln der Finanzpolitik, die wir einhalten sollten und Gott sei Dank im Jahre 1964 einhalten können; ich hoffe, daß das Jahr 1964 gut zu Ende läuft. Daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sich darüber vielleicht etwas ärgern, kann ich nicht ändern. Jedenfalls von „Hineinbuttern" von Steuermehreinnahmen kann gar keine Rede sein.
Herr Kollege Leicht hat schon erwähnt, daß von der sozialdemokratischen Opposition in den Ausschüssen und im Plenum eine Fülle von Anträgen -I in Gestalt von Initiativgesetzen - gestellt worden ist, deren Durchführung Beträge im Umfange von Milliarden erfordern würde.
({11})
Ich spreche die beiden Koalitionsparteien keineswegs davon frei, daß auch sie Pläne in solcher Richtung haben. Deshalb - das sage ich Ihnen allen ganz offen - haben der Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundesrates, Herr Kollege Dr. Weichmann, und ich vor dem Bundesrat das gesamte Parlament, die Opposition und die Regierungskoalition, gemeint, als wir vor einer Überspannung des Bogens gewarnt haben.
({12})
Aber was ist dem Finanzausschuß bei dem letzten Gesetz, um das es ging und bei dem er dem Bundesrat die Ablehnung empfohlen hatte, im eigenen Hause passiert? Sämtliche Länderregierungen einschließlich des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg haben ihre Finanzminister im Stich gelassen und haben ihre Zustimmung gegeben.
({13})
- Das 312-DM-Gesetz, Herr Dr. Möller. Auch dazu haben Herr Dr. Weichmann und ich im Bundesrat referiert. Aber wir haben alle zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Finanzausschuß des Bundesrates, der aus finanzpolitischen Erwägungen gewarnt hatte
- wie ich auch -, einfach nicht zu Gehör gekommen ist. Herr Kollege Möller meint nun, das alles
allein auf die Regierungsparteien legen zu sollen. Ich versichere Sie: Herr Professor Weichmann und ich haben nicht nur die Regierungskoalition, sondern alle gemeint.
({14})
- Die hatte ich eingangs bereits erwähnt, Herr Kollege Conring.
Ich möchte jetzt auf die sachliche Seite der Debatte zurückkommen, weil ich das aus meiner Sicht für viel wichtiger halte als alles andere. Hier möchte ich einen Gesichtspunkt hervorheben - ich glaube, er ist schon erwähnt worden -, der mir wichtig erscheint. Wenn ich die Mehrausgaben dieses Nachtragshaushaltes werte, dann komme ich darauf, daß über die Hälfte der 1,8 Milliarden DM Mehrausgaben, die sich herausgestellt haben, dem Geldkreislauf entzogen wird, also wirksam geeignet ist, zur Dämpfung aufgetretener Überhitzungserscheinungen in einigen Bereichen der Volkswirtschaft beizutragen und die Schuldenlast des Bundes zu vermindern. Mit diesem Nachtragshaushalt - da geht kein Weg nebenher - hat die Bundesregierung ihre Pflicht erfüllen können. Sie hat etwa 500 Millionen DM Steuern
- in Form von Mindereinnahmen des außerordentlichen Haushalts - und über 900 Millionen DM - das Defizit 1963 und die 400 Millionen DM Nachkriegswirtschaftshilfe an die Deutsche Bundesbank
- in wirklich konjunkturneutraler Weise untergebracht.
Das bestreitet die Opposition ja auch gar nicht. Die Kritik vom Herrn Kollegen Schoettle hat sich an der Deckungsfrage entzündet. Auch da - ich habe es schon erwähnt - ist alles gut gelaufen. Die 60,3 Milliarden DM, das Volumen des Bundeshaushalts 1964, werden durch diesen Nachtrag nicht überschritten. Schon aus diesem Grunde hat - auch das sagte ich schon - der Gedanke auszuscheiden, die Ausgaben teilweise durch Steuermehreinnahmen zu decken. Das hätte eine Ausweitung des Volumens zur Folge gehabt.
Deshalb kommen für die Deckung nur Minderausgaben in Betracht. Aus der Sicht von heute und nach den Betriebsmittelzuweisungen für Dezember 1964 ist damit zu rechnen, daß auch nach Berücksichtigung der veranschlagten globalen Minderausgaben von 528 Millionen DM - das ist noch gar nicht erwähnt worden - zum Schluß des Haushaltsjahres im gesamten Haushalt insgesamt Minderausgaben in einer Höhe verbleiben, die zur Deckung des Nachtragshaushalts von 1,8 Milliarden DM ausreichen.
An dieser Stelle muß ich auf das eingehen, was Herr Dr. Möller über die Steuermehreinnahmen im Zusammenhang mit den höher geschätzten Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts gesagt hat. Herr Dr. Möller hat auch hier wieder nur halb recht. Es ist richtig, daß diese Steuermehreinnahmen im wesentlichen aus der Umsatzsteuer, aus der Mineralölsteuer kommt. Aber bei allen anderen Steuern richtet sich die Lage nicht nach der Zuwachsrate im laufenden Jahr 1964, sondern nach einem früheren Präferenzzeitraum, sagen wir einmal 1962/63. Der ist Grundlage für das, was heute hereinkommt.
Schon in der Postdebatte habe ich erklärt, daß wir Ende August noch Hunderte von Millionen Mindereinnahmen gegenüber dem Soll hatten. Erst der Steuertermin vom 10. September brachte die Wende. Ich kann Sie davon unterrichten, daß noch vorgestern - heute ist ja einer der großen Steuertermine - das Soll des Jahres 1964 nicht erreicht war. Wir richten uns hier so ein bißchen nach dem Genossen „Trend", den die SPD ja so gut kennen will.
({15})
Das Schwergewicht im Verteidigungssektor! Ich wundere mich sehr über das, was Herr Kollege Schoettle und Herr Dr. Möller hier an ernsthaften Bedenken vorgetragen haben. Nach der Lautstärke sollte man meinen: Alles ist ganz schlimm. Gestern im Haushaltsausschuß haben wir uns jedoch ganz sachlich unterhalten. Ich habe alle Fragen beantwortet. Es kommt darauf an - darüber hat, glaube ich, im Haushaltsausschuß Einigkeit bestanden -, den Abschluß auf den 31. Dezember 1964 dem Haushaltsausschuß so schnell wie überhaupt nur möglich zur Verfügung zu stellen, damit nach Abschluß der ersten Lesung, nachdem .der Haushaltsausschuß sich den ersten gründlichen Überblick verschafft hat, im Zusammenhang mit den Abschlußzahlen des Jahres 1964 eine Beurteilung des Jahres 1965 erfolgen kann.
Es ist ja auch nicht so, wie Herr Dr. Möller es dargestellt hat, daß die Bundesregierung jetzt am Zuge wäre. Nein, wir haben das Haushaltsgesetz 1965 eingebracht. Es liegt im Haushaltsausschuß.
3) Praktisch könnte ich in der Sache überhaupt nichts ändern, wenn ich mir nicht den Vorwurf zuziehen will, daß ich das Parlament und - was ganz schlimm ist - den Bundesrat ausschalte. Ich müßte ja miteinem „Nachtrag" des Haushalts 1965, der noch gar nicht fertig ist, den Gesetzgebungsweg beschreiten. Sie werden mir zugeben: Das klingt 'sehr gut, wenn man kritisiert, aber in der Praxis läßt sich nichts anderes tun ,als das, was wir gestern im Haushaltsausschuß gemeinsam verabredet haben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß ich nicht mehr allzuviel zu sagen brauche. Die erste Lesung des Nachtragshaushalts war am 2. Dezember, also vor wenigen Tagen. Durch das verständnisvolle Zusammenwirken aller Beteiligten - Bundestag, Bundesrat, nicht zuletzt des Haushaltsausschusses unter dem Vorsitz von Herrn Kollegen Schoettle -ist es dahin gekommen, daß nur eine Woche später der Nachtragshaushalt 1964 in zweiter und dritter Lesung heute verabschiedet werden soll. Ich hoffe, daß das geschieht.
Die Zeitplanung stellt damit - und das ist wichtig - die rechtzeitige Feststellung des Rechnungsabschlusses 1964 sicher, auf der dann der Haushalt 1965 aufzubauen ist.
Ich möchte die Gelegenheit, daß ich hier zum Nachtragshaushalt 1964 etwas sage, nicht vorübergehen lassen, ohne allen, die sich darum bemüht haben, meinen besonderen Dank auszusprechen.
({16})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Antrag des Haushaltsausschusses zum Nachtragshaushaltsgesetz, Drucksache IV/2829. Sie haben die Drucksache vor sich. Soll ich die Punkte einzeln aufrufen?
({0})
- Das ist nicht notwendig. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, möge die Hand erheben. - Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetz in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung im ganzen zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das Nachtragshaushaltsgesetz 1964 ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Umstellungsergänzungsgesetzes ({1}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({2}) ({3}) .
({4})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Seume. Wollen Sie den Bericht mündlich erstatten? ({5})
- Sie verweisen auf Ihren Schriftlichen Bericht, der den Damen und Herren des Hauses vorliegt. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen.
Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Wir stimmen über das Gesetz im ganzen ab. Wer dem Gesetz zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf den Zusatzpunkt:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({6}) über die
Vizepräsident Dr. Schmid
von der Bundesregierung beschlossene Einhundertundzweite Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({7}) ({8}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Rinderspacher. - Er ist nicht im Hause. Begnügt sich das Haus mit dem Schriftlichen Bericht? - Sie finden den Bericht in der Drucksache IV/2833.
Wortmeldungen? - Das Wort wird nicht gewünscht. Das Votum lautet:
Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 10. Dezember 1964 mit der Vorlage befaßt. Er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und der Verordnung zugestimmt.
Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, der Verordnung - Drucksache IV/2816 - zuzustimmen. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zu Punkt 32 der Tagesordnung:
Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige agrarpolitische Debatte steht unter einem ganz besonderen Vorzeichen. Wir müssen über die Agrarpolitik diskutieren, weil wir Europa wollen. In der letzten Zeit war die europäische Situation sehr schwierig geworden. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten wurden überlagert durch politische Vorstellungen, die sich gegenseitig auszuschließen drohten. Das große Werk der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geriet in eine äußerst bedenkliche Gefahrenzone. Der Herr Bundeskanzler hat diesen Knoten mutig durchschlagen.
({0})
- Ist es etwa nicht so? Seine Initiative, der meine politischen Freunde und ich unsere große Anerkennung nicht versagen, hat den Weg frei gemacht für die unumgänglichen Entscheidungen, die die Zeit fordert. Niemand unter uns wird daran zweifeln, daß die europäische Einigung einen kräftigen Auftrieb bekommen hat. Wir kennen alle die Schwierigkeiten, die diese notwendige Entwicklung hemmen.
({1})
Jedes Land hat seine eigenen Sorgen; jede Regierung ist darauf bedacht, diese zunächst mit den eigenen Mitteln zu bannen.
({2})
Die supranationale Idee des EWG-Vertrages ist noch weit davon entfernt, Wirklichkeit zu sein. Die schwierigen Verhältnisse haben im Gegenteil den nationalen Überlegungen zusätzlich Impulse gegeben, und wir dürfen die Berechtigung dieser Tendenz nicht einmal ohne weiteres bestreiten. Immerhin
gelang es in ihrem Zeichen, die Währungsschwierigkeiten in Frankreich und Italien spürbar zu mildern. Die aktive Solidarität der Partner ist dabei allerdings nicht wegzudenken. Deshalb ist die optimistische Folgerung erlaubt, daß die jüngste Entwicklung auch ihre guten Seiten hatte. Sie bestätigte zu ihrem Teil die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit und schuf damit eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der nächsten Schritte, über die in diesen Tagen und Wochen in Brüssel entschieden wird. Die Beratungen im Ministerrat können und müssen gepflogen werden im 'Bewußtsein der Erfahrung, daß es sich lohnt, füreinander einzustehen, auch wenn es Opfer fordert. Das, meine ich, ist das Überzeugende im europäischen Sinne an der großartigen Initiative unseres 'Herrn Bundeskanzlers Erhard.
({3})
- Diese schnelle und mutige Entscheidung hat Sie wohl sehr überrascht. Das paßt Ihnen wohl gar nicht.
({4})
- Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie aus Verlegenheit lachen.
({5})
Die Bundesregierung hat sich mit der Annahme seiner Vorschläge dazu bereit erklärt, beträchtliche Lasten zu übernehmen, um den weiteren europäischen Weg zu ermöglichen. Ich wage zu unterstellen, daß das Hohe Haus auch in dieser 'Debatte dieser bedeutungsvollen Absicht seine Zustimmung nicht versagen wird.
Das schließt allerdings nicht verschiedene Auffassungen über Einzelheiten aus. Bei der europäischen Diskussion der letzten Monate, um nicht zu sagen, der letzten Jahre, spielte die Agrarpolitik eine ungewöhnlich große und - ich füge hinzu - auch eine ungerechtfertigte Rolle. Es mußte der Eindruck entstehen, als ob es nur die Landwirtschaft sei, die Europa noch im Wege stünde. Daß die Dinge in Wahrheit sehr viel anders liegen, wurde und wird leider auch heute noch mancherorts verschwiegen. Aber es ist einfach nicht wahr, daß die Ungleichheiten, die die europäische Gemeinsamkeit bisher verhinderten, allein im Bereich der Landwirtschaft zu suchen sind. Die Stichworte Konjunktur-, Währungs-, Steuer-, Sozial- und Verkehrspolitik genügen, um erkennen zu lassen, welche großen und umfassenden Aufgabenbereiche noch zu bewältigen sind.
Demgegenüber ist die europäische Landwirtschaft heute schon geradezu ein Idealfall der Annäherung. Immerhin gelang es bisher, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen Markt zu etwa 85 % der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu verwirklichen. Das schwierigste Kapitel steht allerdings noch bevor. Erst mit der Angleichung der Agrarpreise und der Lösung der damit unmittelbar verbundenen Probleme wird es abgeschlossen sein.
Unser Bundeskanzler hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß kein Anlaß dazu besteht, den deutschen Getreidepreis von der Kostenseite her zu
diskutieren. Die Bundesregierung hat stets ebenso unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß der Landwirtschaft deshalb Einkommenseinbußen nicht zugemutet werden dürften, wenn es zu einer Verminderung der Preise käme. In dieser Verpflichtung stehen die Vorschläge unseres Bundeskanzlers Erhard. Aus politischen Gründen hat er sich zu einer Konzession in der Preisfrage bereitgefunden, und aus wirtschaftlichene Gründen und um der Gerechtigkeit willen sollen der Landwirtschaft die finanziellen Folgen ferngehalten werden.
({6})
Die Kritik hat an den Vorschlägen bemängelt, daß sie ohne agrarpolitische Konzeption seien. Man beanstandet nicht nur die Höhe der vorgesehenen Mittel, sondern äußert auch Bedenken gegen ihre Verwendung. Dabei geht es zunächst um jene 840 Millionen DM aus den Mitteln des Bundeshaushalts 1965. Sie sind in Verbindung mit zusätzlichen 260 Millionen DM ab 1966 als Ausgleich für die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen hinsichtlich der Kosten, Lasten und Sozialleistungen in der EWG und für das Vorziehen der Getreidepreisangleichung gedacht. Diese Summe wird allerdings auch unter dem Gesichtspunkt der Deckung im Haushalt zunehmend diskutiert. Zu diesem Problem hat sich soeben unser Kollege Leicht geäußert. Er hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Koalitionsfraktionen einen Vorschlag unterbreiten werden, in dem die 840 Millionen DM für 1965 berücksichtigt sind.
Die Auskehrung dieser Mittel an die Landwirtschaft ist aber auch die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß diese die Senkung des Getreidepreises verkraftet und sie darüber hinaus auch wirtschaftlich ohne Schaden übersteht. Es ist eine völlig falsche Vokabel, wenn hier und da das ominöse Wort verwendet wird, es handle sich dabei um ein Geschenk an die Landwirtschaft. Noch unberechtigter ist es, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß diese Summe der Preis sei, mit dem man dem Bauernverband die Zustimmung zur Herabsetzung des deutschen Getreidepreises abgekauft habe. Die vorgeschlagenen 840 Millionen DM für 1965 und ihre Aufstockung um 260 Millionen DM im Jahre 1966 sind eine absolute wirtschaftliche Notwendigkeit, für die der Herr Bundeskanzler selber in seiner Erklärung vor diesem Hohen Hause am Mittwoch der vergangenen Woche die Begründung gegeben hat. Mit der Anerkennung für die ungewöhnliche Investitionsbereitschaft der deutschen Landwirtschaft verband er die Feststellung, daß es ihre finanzielle Kraft übersteige, wenn sie den verstärkten Investitionsdruck der verkürzten Übergangsfrist ohne staatliche Hilfe überstehen müßte.
Diese Formulierung müßte eigentlich jeden überzeugen. Es ist ein sehr großer Unterschied, ob der Bauer fünf Jahre oder nur noch zwei Jahre vor sich hat bis zu dem Augenblick, wo über die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes in der freien Konkurrenz entschieden wird. Dennoch hakt die inzwischen geäußerte Kritik schon an diesem Punkte ein mit der Behauptung, an der Verkürzung der Übergangsfrist sei unsere Bundesregierung schuld; sie hätte sich bereits längst in der Frage des Getreidepreises entscheiden müssen; das wäre politisch besser gewesen, und vor allem hätte es die Bauern eher mit der Wahrheit bekanntgemacht, die man ihnen statt dessen vorenthalten habe.
Ich halte diesen Einwand für unberechtigt. Was politisch besser gewesen wäre, mag diskutiert werden, wenn es um die Außenpolitik geht. Ich möchte mich auf die Bemerkung beschränken, daß auch in der Politik alles seine Zeit braucht.
Dabei darf ich noch einmal auf die wirtschaftliche Entwicklung und nicht zuletzt auf die großen Schwierigkeiten in einzelnen Partnerländern verweisen. Die Bereitschaft zum Entgegenkommen auf allen Seiten dürfte inzwischen zum mindesten nicht geringer geworden sein.
Was aber die Agrarpolitik angeht, möchte ich glauben, daß diese Kritik vor der Wirklichkeit versagt. Wäre es nach dem Vizepräsidenten Mansholt gegangen, dann hätten wir bereits seit einem Jahr den ermäßigten Getreidepreis. Das hätte bedeutet, daß die deutsche Landwirtschaft nach den Schätzungen unseres eigenen Bundesernährungsministers schon in diesem Wirtschaftsjahr eine runde Milliarde DM weniger eingenommen hätte. Eine entsprechende Summe hätte zum Ausgleich den Bundeshaushalt 1964 belastet. Wer da glaubt oder gar wie die SPD behauptet, die Aufschiebung der Getreidepreisentscheidung habe bei unseren Bauern falsche Vorstellungen über die agrarpolitischen Möglichkeiten am Leben erhalten, sollte seine Aufmerksamkeit lieber dem letzten Grünen Bericht der Bundesregierung zuwenden. Aus ihm ergeben sich Feststellungen, die nicht mißverstanden werden können. Sie lassen nämlich ganz deutlich erkennen, daß die Bauern in ihrer großen Masse immer den Augenblick vor Augen haben, wo die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem größeren Markt uneingeschränkte Wirklichkeit ist. Nicht nur der inzwischen erreichte Technisierungsgrad und die ungewöhnlichen Bauaufwendungen beweisen das; in allen Bereichen, die die Produktion verbilligen und die Absatzchancen verbessern, regt es sich, von der Strukturverbesserung ganz zu schweigen. Die Dörfer verwandeln ihr Gesicht. Die Fluren werden zusammengelegt zu Flächen, wie sie die Technik erfordert. Milliarden sind von der Landwirtschaft, aber auch von der Bundesregierung und von den Ländern dafür aufgewendet worden. Alles nur zu dem einen Zweck: konkurrenzfähig zu sein.
Es ist einfach eine Feststellung wider die Wahrheit, wenn behauptet wird, die Agrarpolitik der Bundesregierung habe die Landwirtschaft zu falschen Vorstellungen über ihre Zukunft kommen lassen. Die harte Wirklichkeit wurde längst begriffen und durch mutige und kostspielige Taten beantwortet.
({7})
Es gibt wohl auch kaum einen verantwortungsbewußten Bauern, der sich nicht wieder und wieder ausrechnet, was eine Senkung der Getreidepreise und damit auch der Preise der Veredelungsprodukte für seinen Betrieb ausmachen würde. Er überlegt auch, was er wohl gegen diese Minderung seines
Einkommens unternehmen kann und wie er sich darauf einzustellen hat, mit immer weniger Arbeitskraft und verstärktem Kapitaleinsatz seinen Betrieb in Ordnung zu halten. Die erreichte Arbeitsproduktivität des deutschen Bauern wird in keinem Land der westlichen Welt übertroffen.
({8})
Was aber den deutschen Bauern so belastet, ist die Tatsache, daß sein Einkommen durch die EWG nicht etwa über den Preis bestimmt wird. Nein, sein Einkommen soll nach der Konstruktion des Vertrages durch erhöhte Subventionen bestimmt werden.
Es ist aber auch völlig verfehlt, die Vorschläge des Herrn Bundeskanzlers als ein Wahlgeschenk zu diffamieren. Eine solche Behauptung ist übrigens auch sehr billig.
({9})
Ich kann mir schon in diesem Augenblick die Frage nicht versagen, was denn wohl die Kritiker in der bedrängenden und beunruhigenden Situation dieses Herbstes gemacht hätten, die ganz einfach zum Handeln zwang.
({10})
Auch ein anderer kritischer Einwand, die Vorschläge der Bundesregierung kämen nur den Großen zugute und vernachlässigten die Kleinen, hat mit der Wirklichkeit nicht das geringste zu tun.
({11})
Wer sind denn eigentlich diese Großen und diese Kleinen? Es gibt in der Bundesrepublik etwa 16 000 Betriebe über 50 Hektar, über 100 Hektar nur noch etwa 2600. - Sie lachen bei den 16 000 über 50 Hektar.
({12})
- Meine Herren von der SPD, darf ich Ihnen die Frage vorlegen: Ist Ihnen denn nicht bekannt, daß in diesen Betrieben Mann und Frau mit ihren eigenen Kindern - ohne jede fremde Arbeitskraft - schon heute allein wirtschaften? Sind das denn die Großen? Das sind die Familienbetriebe! Ich erinnere an diesen unseren Grundsatz, den wir in der Agrarpolitik immer wieder vertreten haben und zu dem wir uns immer wieder bekennen.
({13})
Der Strukturwandel hin zu leistungsfähigen Betrieben auf der Grundlage gesunder Familienexistenzen vollzieht sich in einem Tempo, wie man es nicht für möglich halten konnte. Ich möchte denjenigen sehen, der in der Lage ist, hier zu entscheiden, ob einer der staatlichen Hilfe bedarf oder nicht.
Die deutsche Landwirtschaft muß als Ganzes gesehen werden. Im Vergleich zu der übrigen Wirtschaft ist festzustellen, daß die Grünen Berichte über die Lage der Landwirtschaft alljährlich eine klare Aussage geben. Es wäre daher besser und entspräche zudem der Wirklichkeit, wenn künstliche und konstruierte Unterschiede aus der öffentlichen Debatte verschwänden. Statt dessen sind ganz andere Maßstäbe nötig, um die Berechtigung der von der Bundesregierung gemachten Vorschläge zu beurteilen.
Dabei möchte ich, wenn ich mir das Bukett dieser Vorschläge ansehe, die Aufbesserung der Zuckerrübenpreise an erster Stelle nennen. Das ist Agrarpolitik, die den wirtschaftlichen Grundsätzen folgt. Die erhöhten Kosten werden durch einen entsprechenden Preis aufgefangen. Also: bessere Rentabilität über bessere 'Preise. Auf den Verbraucher schlägt der erhöhte Erzeugerpreis nicht durch, weil wir die Zuckersteuer senken.
({14})
Auch die weitere Verbilligung des Dieselöls gehört in diesen Zusammenhang. Sie verdient .die gleiche Anerkennung.
Der Preiserhöhung gleichwertig ist die Kostensenkung. Sie ist die andere wesentliche Voraussetzung, um der Landwirtschaft zu rentablen Verhältnissen zu verhelfen. Die Ausdehnung der Zinsverbilligung 'auf die alten Schulden liegt in der gleichen guten Linie. Aber leider reichen die Möglichkeiten in dieser Richtung nicht aus, um die notwendige Stärkung der Finanzkraft für 'die großen vor uns liegenden Investitionen zu erreichen. Das gilt ganz besonders für die vor uns liegenden Jahre bis zu dem Augenblick, wo die uneingeschränkte Konkurrenzfähigkeit in der EWG gegeben sein wird.
Der Herr Bundeskanzler zog daraus nur eine selbstverständliche Konsequenz, als er mit den 300 Millionen DM für die verschiedenen sozialen Hilfen und mit den 380 Millionen DM für die Investitionsförderung die Agrarpolitik- des Bundes in zwei Bereichen erweiterte. Beides setzt 'an der richtigen Stelle an. Die sozialen Hilfen sind eine absolute Notwendigkeit. Die Heraufsetzung des Altersgeldes fördert - auch über das bisher schon festzustellende erfreulich große Ausmaß hinaus - den Generationswechsel in unseren landwirtschaftlichen Betrieben. Die Notwendigkeit dieser agrarpolitischen Aufgabe wird niemand bestreiten wollen.
Auch die Zuschüsse im Bereich der Unfallversicherung stehen damit in- engem Zusammenhang. Ich darf dabei auf ein zentrales Problem hinweisen: Die Zahl der Beitragspflichtigen nimmt alljährlich ab, während die Zahl der Rentenberechtigten, die aus der Landwirtschaft in andere Berufe abwandern, zunimmt.
Der andere große Bereich, der durch die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen erfaßt werden soll, ist die Investitionsförderung. Der Höhe nach muß sie am jährlichen Bedarf gemessen werden. Nach den Grünen Berichten investierte die deutsche Landwirtschaft 'im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 3,5 Milliarden DM jährlich. Wer die Verhältnisse in der Landwirtschaft kennt, weiß, wie notwendig diese Hilfe ist. Alle Vorschläge, diese Mittel gezielt zusätzlich der Strukturverbesserung zuzuführen, gehen an dieser Lage vorbei. Der zusätzliche Investitionsdruck ist nämlich 'auf allen Höfen gleichermaßen gegeben. Dabei geht es im einzelnen um sehr verschiedene Aufgaben. Der eine mag in der Technisierung noch manches nachholen müssen, und der andere muß dringende Bauvorhaben bewältigen. Ein
dritter schließlich braucht noch erhebliche Gelder für die Dränage seiner flurbereinigten Äcker, und der vierte muß für die Anpassung seiner Veredelungswirtschaft an den Markt mehr aufwenden, ,als er aus seinen Erträgen herauswirtschaften kann. Aktuelle Aufgaben, die im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit schnellstens abgeschlossen werden müssen, gibt es in jedem landwirtschaftlichen Betrieb.
Die von der Bundesregierung beschlossene Investitionsförderung findet daher die besondere Unterstützung meiner Fraktion. Sie ergänzt die großen Aufwendungen für das Agrarstrukturprogramm, die schon eingesetzt sind und weiter eingesetzt werden müssen. Die Vielseitigkeit der Investitionsaufgaben schließt eine gezielte Verwendung der vorgesehenen Investitionsförderungsmittel aus. Jeder auf Einzelmaßnahmen beschränkte Vorschlag müßte erstens bei den nach Größen, Bodenarten und Kulturmöglichkeiten unterschiedlichen Betrieben zwangsläufig unvollständig bleiben. Außerdem würde eine solche Regelung zu Fehlinvestitionen geradezu herausfordern, von dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand ganz zu schweigen.
Darum ist es aber auch nötig, für die 380 Millionen DM einen Schlüssel zu finden, der der ganzen Landwirtschaft zugute kommt. Persönlich glaubte ich, daß die Zahlungen für den Lastenausgleich und für die Grundsteuer dafür den besten Schlüssel abgeben würden; nicht, um diese Steuern zu ersetzen, sondern weil sie vor allem der Landwirtschaft Mittel entzogen haben, die sie für die Erreichung ihrer Konkurrenzfähigkeit gebraucht hätte.
Man macht verfassungsrechtliche Bedenken dagegen geltend; zu ihrer Beurteilung fehlt mir die Sachkenntnis. Aber wenn sie nicht ausgeräumt werden können, sollte man sich eines einfachen Schlüssels ohne viel Verwaltungsarbeit bedienen. Hier bietet sich z. B. die landwirtschaftliche Nutzfläche an. Es gibt nach meiner Meinung nur diese Alternative, wenn der Zweck erreicht werden soll. Ich hoffe, daß die Entscheidung schnell getroffen wird. Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Landwirtschaft einen Getreidepreiskompromiß nur dann wirtschaftlich durchstehen kann, wenn die bewilligten Mittel sehr schnell zur Auszahlung kommen.
Die Landwirtschaft braucht das Geld für den großen und immer größer werdenden Umstellungsprozeß. Darum empfindet sie aber auch jeden Versuch, diese Mittel in Verbindung mit einer Wahl zu bringen, als ein Zumutung, ja als ein Kränkung. Diese Verbindung bedeutet doch im Grunde nichts anderes als den Versuch, diese Hilfen in Zweifel zu ziehen.
({15})
Gerade unser Vertrauen, das Vertrauen des Parlaments und der Bundesregierung braucht die Landwirtschaft, um selbst mit Vertrauen ihrer Zukunft entgegensehen zu können,
({16})
einer Zukunft, die so stark von der EWG beeinflußt wird.
Gerade darum begrüßen wir auch die klaren und präzisen Äußerungen, mit denen der Bundesernährungsminister Schwarz in der vergangenen Woche das deutsche Angebot in Brüssel den Partnern unterbreitete. Er hat die deutsche Bereitschaft zur Preisangleichung mit einer Reihe von Bedingungen versehen, die wir in der CDU/CSU-Fraktion ohne Einschränkung bejahen. Der Kollege Bauer wird noch auf diese einzelnen Fragen eingehen. Doch schon die ersten Beratungen dieser Woche in Brüssel haben erkennen lassen, daß die Einschränkungen in Verbindung mit dem deutschen Preisvorschlag und den deutschen Vorstellungen über den Ausgleich der Preissenkung bei unseren Partnern nicht gerade auf sehr großes Verständnis stoßen. Das ist wohl auch nicht weiter verwunderlich. Jeder versucht zunächst einmal, seine Position so gut zu verteidigen, wie es geht. Aber fest steht auf alle Fälle, daß es zunächst einmal die Bundesrepublik war, die entgegenkam. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist eigentlich eine ideale Konstruktion, allerdings unter der Voraussetzung, daß alle Partner ihren Teil beitragen zu dem gemeinsamen Nenner übereinstimmender wirtschaftlicher Verhältnisse. In den vergangenen Jahren ist auch schon mancher gute und überzeugende Beweis dafür erbracht worden - trotz aller großen Unzulänglichkeiten, die noch übriggeblieben sind.
Die europäische Agrarpolitik steht unter den Früchten der bisherigen EWG-Entwicklung ganz gewiß nicht an letzter Stelle. Ich meine sogar, wir sollten sie sehr hoch bewerten. Wäre das nicht der Fall, würden sich die bedeutungsvollen Beschlüsse der Bundesregierung nicht rechtfertigen lassen. Sie sind vielmehr ein Ausdruck berechtigter Zuversicht, den wir in unserer heutigen Aussprache alle miteinander bestätigen sollten.
Die CDU/CSU-Fraktion steht geschlossen zu dieser großen politischen Entscheidung der Bundesregierung. Es kommt in diesem Augenblick nicht entscheidend darauf an, ob das eine oder andere besser so oder anders gemacht werden könnte. Es kommt vielmehr an auf die Klarheit und Unzweideutigkeit unserer Entscheidung. Je einmütiger wir heute in diesem Hohen Hause hinter die Vorschläge der Bundesregierung treten, desto überzeugender wird die Wirkung sein, die von unseren Beratungen auf die Brüsseler Verhandlungen und Entscheidungen ausstrahlt.
Die Landwirtschaft in der Bundesrepublik und deren Zukunft stehen in diesen Tagen wieder einmal im Mittelpunkt der Brüsseler Verhandlungen. Aber alles, was wir dazu sagen und beschließen, steht in einem größeren europäischen Zusammenhang. In dieser Verantwortung bejahen wir die vorgeschlagenen Hilfen für die Übergangsjahre als einen konstruktiven agrarpolitischen Beitrag. In dieser Verantwortung erfüllt uns die Hoffnung, daß auf der Grundlage des deutschen Entgegenkommens in Brüssel Entscheidungen fallen, die Europas Zukunft nützlich sind.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache, die heute stattfindet, hat einen sehr ernsten Anlaß, der gerade die Damen und Herren der Koalition mit tiefer Trauer erfüllen muß.
({0})
Sie stehen an der Bahre einer Politik, die die Koalition fünf Jahre hindurch treu begleitet hat,
({1})
mit der sie den Wahlkampf 1961 und ein Dutzend weitere Wahlkämpfe bestritten haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich fange ja gerade erst an, Herr Präsident! Es wird noch genügend Gelegenheit zu Fragen sein.
Ich sprach also von einer Politik, die nun am 30. November nach schwerer Agonie für immer dahingegangen ist.
({0})
Das Ende dieser Politik war schon seit langem vorauszusehen. Aber noch am Grabe pflanzten Sie neue Hoffnungen auf,
({1})
und jeden, der nicht Ihrer Meinung war, schimpften Sie einen Verleumder, einen Feind unserer Landwirtschaft und womöglich noch einen Feind Europas. Und als Ihre schöne Politik eingesargt war, da taten Sie so - wie soeben Herr Struve -, als habe sie niemals existiert, und wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte es noch nicht einmal eine Leichenrede gegeben.
({2})
Indes, Herr Kollege Struve, gebietet es die Pietät, daß man von einem so schönen Kinde nicht ohne ergriffenes Gedenken Abschied nimmt.
({3})
Herr Kollege Struve, mir wird unvergeßlich sein, wie in diesen Tagen zwischen dem 30. November und dem 1. Dezember die Agrarpolitiker der CDU/ CSU und der FDP mit düsteren Gesichtern und in Weltuntergangsstimmung der Ohnmacht nahe waren.
({4})
- Warten Sie ab, Herr Mauk! Es kommt noch faustdick. Ich kann Ihnen heute nichts ersparen.
({5})
Noch wenige Wochen vorher, am 15. Oktober, hatte der damals noch amtierende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Dr. Barzel, von dieser Stelle aus erklärt:
Wir unterstreichen erneut: Wir bekennen uns
zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers
vom 19. März 1964, die das Festhalten am deutschen Getreidepreis zum Inhalt hat.
({6})
Aber wie ein Naturwunder brachen bei Herrn Dr. Barzel wenig später die europäischen Frühlingsgefühle durch,
({7})
und alles, was er vorher einmal gesagt hatte, war nicht mehr wahr. Mit europäischer Lyrik hat er diesen Sinneswandel zu überdecken versucht.
({8})
Herrn Struve schließe ich in diese Bemerkung ein. Er ist seinem Meister heute in glänzender Weise gefolgt; er setzt sich eifrig von gestern ab.
Und Herr Zoglmann, der amtierende Vorsitzende der FDP-Fraktion, hatte am gleichen 15. Oktober ausgeführt:
Ein geeintes Europa wird nur dann gesund und
funktionsfähig sein, wenn es in allen Bereichen
und in allen Teilen gesund ist. Das gilt auch
für die deutsche Landwirtschaft. Deshalb begrüßen wir es, daß die Bundesregierung am
deutschen Getreidepreis festhalten will. Wenige Wochen später sprach dann sein Fraktionskollege Dr. Starke - anscheinend der neue Agrarsprecher der FDP - von dem Opfer der Landwirtschaft für die Einigung Europas. Die von ihm entworfene und am 24. November laut angekündigte Große Anfrage unterblieb und mußte in den Papierkorb wandern. Dieser Canossagang hat ihn anscheinend arg mitgenommen; er ist gar nicht anwesend.
({9})
Alles mehr als peinlich! Die Hoffnung der Freien Demokraten, die große Bauernpartei der Bundesrepublik zu werden, ist nun auch dahin, nachdem klar geworden ist, daß es mit ihrer Bauerntreue nicht weit her ist.
({10})
Ihre soeben eingebrachte Entschließung wird daran nichts ändern.
Meine Herren von der Koalition! Meine politischen Freunde und ich machen Ihnen nicht zum Vorwurf, daß Sie endlich einer Harmonisierung der Getreidepreise im Gemeinsamen Markt zugestimmt haben.
({11})
Sie konnten ja gar nicht anders handeln; denn die Bundesregierung war am 14. Januar 1963, am 23. Dezember 1963 und im Sommer dieses Jahres im EWG-Ministerrat ganz konkrete Verpflichtungen eingegangen. Wir machen Ihnen aber zum Vorwurf, daß Sie fast drei Jahre lang die Öffentlichkeit und vor allem die deutsche Landwirtschaft in bedenkenloser Weise über die Konsequenzen dieser Entscheidung in Brüssel getäuscht haben.
({12})
Dr. Schmidt ({13})
Dieser fleißige Berufsstand hat es einfach nicht verdient, so behandelt zu werden.
({14})
Man kann doch nicht mit diesem Berufsstand Schindluder treiben, um sich politisch an der Krippe zu halten.
({15})
Sie haben meine politischen Freunde und mich jahrelang verdächtigt, die deutsche Landwirtschaft der EWG zu opfern. Und was tun Sie heute?
({16})
Wir machen Ihnen zum Vorwurf, daß Sie es versäumt haben, eine neue agrarpolitische Konzeption für den Fall einer Getreidepreissenkung zu entwickeln, und wir werfen Ihnen schließlich vor, daß Sie auch heute noch der Landwirtschaft und der Öffentlichkeit vorgaukeln, in Wirklichkeit passiere den Bauern überhaupt nichts, denn sie erhielten einen dauerhaften und vollwertigen Ausgleich für die Erlösminderung und obendrein noch eine Kompensation für die sogenannten Wettbewerbsverzerrungen. Das ist nicht nur unzutreffend, sondern das läuft wiederum auf eine bewußte Täuschung hinaus.
({17})
Obendrein fehlt nur noch die fortgesetzte Behauptung, die Entschließung des CDU-Parteitages und der Koalition hier in diesem Hause vom 19. März hätten noch ihre volle Gültigkeit.
Seit Beginn dieser Legislaturperiode hat die Agrarpolitik der Bundesrepublik allein aus dem hundertfach bekräftigten Schwur bestanden, am Getreidepreis sei nicht zu rütteln. Der Exponent dieser Politik war Herr Ernährungsminister Schwarz, der noch vor seinem Amtsantritt feierlich erklärt hatte, er würde im Falle einer Senkung dieser Preise aus dem Kabinett ausscheiden, damit man von ihm nicht sagen könne, er sei ein zweiter Caprivi. Später modifizierte Herr Schwarz diesen Schwur durch die Erklärung, die Bundesregierung werde am Getreidepreis festhalten, bis ein vollständiger und dauerhafter Verlustausgleich gewährleistet sei. Ich werde im weiteren Verlauf meiner Ausführungen den Nachweis erbringen, daß das eben nicht der Fall ist. Zunächst gilt es festzuhalten, daß Herr Schwarz sich noch nicht von seinem Amte getrennt hat.
Meine Damen und Herren, ich möchte es mir versagen, aus der unübersehbaren Fülle der Entschließungen, der flammenden Appelle der CDU/CSU und der FDP, der feierlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesministers Schwarz auch nur die wichtigsten zu zitieren; denn damit würde ich sicherlich meine Redezeit überschreiten und das Hohe Haus bis zur späten Nachtstunde hier festhalten.
({18})
Ich müßte dabei beginnen mit der Regierungserklärung des damaligen Vizekanzlers Professor Erhard vom 30. Juni 1961, ich müßte fortfahren mit den ungezählten Reden und Rundfunkvorträgen des damaligen und heutigen Bundesernährungsministers, ich dürfte nicht die Ausführungen des Staatssekretärs Hüttebräuker vergessen und natürlich auch nicht die Parolen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, des Kollegen Struve, der wegen des Getreidepreises sogar den EWG-Vertrag ändern wollte. Soeben aber hat der gleiche Struve den Knoten weggeworfen. Ich müßte auch an die Kollegen in Ihren Reihen erinnern, die im Falle eines Beschlusses der Preisangleichung ihr Mandat niederlegen wollten. Ich sehe, sie sitzen alle noch hier in diesem Raum.
({19})
Und ich müßte schließlich erwähnen, daß der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, der Kollege Dr. Effertz, noch am 3. November dieses Jahres vor Wirtschaftsjournalisten erklärt hat, es dürfe kein Zweifel bestehen, daß die FDP eine Änderung der Haltung der Bundesregierung in der Getreidepreisfrage zu einer Koalitionsfrage machen würde.
({20})
Dieser Zitatenschatz ist überaus umfangreich, und es wäre zweifellos reizvoll, ihn hier auszubreiten. Ich bedauere, daß ich auf dieses Vergnügen verzichten und mich auf ein einziges Zitat beschränken muß, auf ein Zitat, das die Lage, vor der wir heute stehen, sicherlich am besten beleuchtet. Es handelt sich um eine Erklärung, die Herr Minister Schwarz vor der Delegiertenversammlung des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes in Rendsburg vor einiger Zeit abgegeben hat. Dort hat er wörtlich ausgeführt:
Wir wollen unter allen Umständen uns nicht in Fragen aufsplittern, was könnte vielleicht einmal später eintreten, sondern wir wollen nur an dem festhalten: Wir gehen von unseren Getreidepreisen nicht runter.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben mich soeben zitiert. Darf ich noch einmal hören, was ich gesagt haben soll?
Ich kann es wiederholen: „Es dürfe kein Zweifel bestehen, daß die FDP eine Änderung der Haltung der Bundesregierung in der Getreidepreisfrage zu einer Koalitionsfrage machen würde."
Das ist nur ein Viertel der Antwort, die ich gegeben habe. Ich habe gesagt, ich könnte mir vorstellen, wenn in Brüssel - ({0})
- Entschuldigen Sie, Sie waren ja bei dieser Pressekonferenz nicht dabei; das ist die übliche Halbmeldung. Ich habe gesagt: Wenn unter Mißachtung und
ohne Berücksichtigung der Voraussetzungen in Brüssel, was ich nicht glauben kann, ein Nachgeben im Getreidepreis einseitig erfolgt, dann könnte ich mir vorstellen, daß das unter Umständen Koalitionsschwierigkeiten bedeuten könnte. Das ist meine persönliche Meinung. Bitte ganz zitieren, nicht die Hälfte.
Sie waren doch einer der Scharfmacher in der Frage des Festhaltens am deutschen Getreidepreis. Daß es Ihnen heute schwerfällt, davon herunterzukommen, das glaube ich Ihnen.
({0})
Der Devise von Herrn Schwarz, die ich soeben zitiert habe, ist dieser buchstabengetreu nachgefolgt. Er hat sie bei allen möglichen Gelegenheiten ausdrücklich bekräftigt, und er hat damit den Keim für eine verhängnisvolle Politik gelegt, deren Folgen für die deutsche Landwirtschaft sich heute noch nicht voll übersehen lassen.
Mit dieser fatalen Taktik hat es die deutsche Delegation in Brüssel fertiggebracht, daß die Bundesregierung an die Wand gedrückt wurde. Manchmal hatte man den Eindruck, sie reiße sich geradezu um den Schwarzen Peter. Diese Taktik hat sogar dazu geführt, daß die europäische Politik in eine schwere Krise geriet.
Heute versucht man, die Sache so hinzustellen, als habe es sich um einen klugen Schachzug gehandelt. Der Herr Bundeskanzler hat in der vergangenen Woche an dieser Stelle sogar behauptet, er habe nur den richtigen Augenblick abwarten wollen, um außer der Getreidepreisregelung auch noch Fortschritte in anderen Bereichen der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit durchzusetzen. Selbst den Mitgliedern der CDU-Fraktion, von Herrn Barzel einmal ganz zu schweigen, dürfte es schwerfallen, diese Behauptung zu beweisen, und wenn sie dies beschwören müßten, würden sie einen glatten Meineid leisten. Was der Bundeskanzler hierbei wieder einmal exerziert hat - erst äußerste Härte, dann Rückzug auf der ganzen Linie -, das rundet das Bild von ihm in bester Weise ab.
({1})
Der Leidtragende dieser unseligen Taktik des sturen Neins ist die deutsche Landwirtschaft.
({2})
Denn diese Taktik hat auf der einen Seite verhindert, daß man in Brüssel aus der Defensive herauskam und versuchen konnte, für die deutschen Anliegen in der Europa-Politik und in der EWG-Agrarpolitik Forderungen auf ähnliche Weise durchzusetzen, wie dies unsere Partner versuchen. Auf der anderen Seite hat sie jeden Fortschritt in der deutschen Agrarpolitik blockiert.
({3})
Der Getreidepreis - das war das A und O aller
Agrardebatten in dieser Legislaturperiode, das war
wichtiger als alle Grünen Pläne und alle Kernfragen
der deutschen Agrarpolitik. Keines der dringenden Probleme wurde angepackt:
Erstens. Die geradezu haarsträubende Haushaltspolitik des Bundesernährungsministeriums wurde mit dem Mantel der christlich-demokratischen Nächstenliebe überdeckt;
({4})
Hauptsache war, der Getreidepreis blieb erhalten.
Zweitens. Die Strukturverbesserung stagnierte, weil man die Zeit nicht aufbrachte, sich ein paar neue Ideen einfallen zu lassen.
Drittens. Ein Ausbau der sozialen Sicherung des Landvolks war nicht möglich, denn dazu fehlte das Geld. Jetzt übrigens ist es auf einmal vorhanden.
Viertens. Die Rationalisierung der Betriebe konnte nicht beschleunigt werden, obwohl die Möglichkeit dazu - durch einen Druck auf die Betriebsmittelpreise - bestanden hätte. Wir haben dazu genügend Fingerzeige gegeben.
Fünftens. Die Verbesserung der Marktstruktur wurde nicht intensiviert, denn man ging davon aus, daß sich bis zum Ende der EWG-Übergangszeit 1970 nicht allzuviel ändern würde,
({5})
schon gar nicht an den Preisen.
Seit Beginn dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung außer Routinevorlagen und EWG-Verordnungen nicht einen einzigen Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause eingebracht, der die deutsche Agrarpolitik einen nennenswerten Schritt nach vorn gebracht hätte.
({6})
Die einzige Initiative, die der Erwähnung wert ist, kam von außen: der Entwurf eines Marktstrukturgesetzes, den der Deutsche Bauernverband und Raiffeisenverband ausgearbeitet haben, von dem die sozialdemokratische Fraktion die Kerngedanken übernommen hat.
({7})
Es ist kaum zu fassen, daß zu den schärfsten Gegnern dieses 'Entwurfs Herr Struve gehört.
({8})
Wenige Wochen, nachdem er selbst im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes das Marktstrukturgesetz gebilligt hatte, kam er mit einem Gegenentwurf heraus, der in dieser Form nicht weniger weltfremd ist
({9})
als die Agrarparolen der FDP, die den Bauern heute noch ein Gesetz zum automatischen Ausgleich der Disparität verspricht.
Ich will es mir versagen, auf die deutsche Taktik in Brüssel im einzelnen einzugehen. Sie war ganz offensichtlich von der Zwangsvorstellung beherrscht, man könne durch kleine Gefälligkeiten eine Unterstützung für den deutschen Standpunkt in der Getreidepreisfrage einhandeln. Wie sich gezeigt hat, ist diese Hoffnung unerfüllt geblieben.
Dr. Schmidt ({10})
Lassen Sie mich an dieser Stelle nur einige wenige Bemerkungen über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen in Brüssel machen.
In meiner kurzen Erklärung in der letzten Woche habe ich schon hervorgehoben, daß die Bereitschaft der Bundesregierung, über die Angleichung der Preise zu verhandeln, ein eminenter Fortschritt ist. Dieser Schritt erfolgt leider zu spät, ja viel zu spät.
({11})
Die Bundesregierung wird einräumen müssen, daß sie schon wieder unter einem ungeheuren Zeitdruck steht. Den hat sie aber selbst zu verantworten. Von den tröstenden Erklärungen des Bundesaußenministers in der Fragestunde vor 14 Tagen bleibt also gar nicht viel übrig.
Der Verhandlungsvorschlag der Bundesregierung ist allen Kollegen in großen Zügen bekannt. Der Verhandlungsspielraum ist offen, und scheinbar ist darüber noch nicht entschieden. Die Lage vor der letzten Runde, die in einer Woche zu Ende gehen soll, bietet Ihnen, meine Damen und Herren, wenig Hoffnung für ein Durchsetzen ides Standpunktes der Bundesregierung. Die Bundesrepublik ist .den Schwarzen Peter nicht losgeworden. Um es noch deutlicher zu sagen: wir stehen ziemlich isoliert da, zumal Luxemburg eine bescheidene Rolle in diesem Ringen spielt und sich immer auf das Sonderprotokoll berufen kann.
Ich kann mich nicht des 'Eindrucks erwehren, daß die deutsche Delegation und die Bundesregierung in solch harten Verhandlungen nicht einmal die einfachsten Regeln und Verhaltensweisen beachtet haben. Angefangen von der Publizierung frommer Wünsche, von Zusagen und Versprechen im Innern, die die deutsche Lage nur erschwert haben, von der Verhandlungsführung, die den anderen Delegationen erlaubte, von Anfang an weitere Zugeständnisse zu fordern und zu erwarten, und die keine Einmütigkeit in den deutschen Auffassungen erkennen ließen, bis zur völligen Fehlbeurteilung der Wünsche und Forderungen unserer fünf Partner, es ist eine einzige Kette - gelinde ausgedrückt - peinlicher Überraschungen.
({12})
- Lesen Sie die „Welt" nach! Da finden Sie es ähnlich beurteilt.
({13})
Hat man denn noch immer nicht begriffen, daß man es in Brüssel nicht mit braven Micheln anderer Länder zu tun hat, sondern mit Vertragspartnern, die genau wissen, was sie wollen, und die bestens vorbereitet in die Verhandlungen gehen?! Vielleicht werden Sie auf die Verhandlungsmethoden unserer Partner schimpfen und die Schuld für das mögliche Mißlingen womöglich dort abladen, wo man sie nicht suchen sollte.
({14})
Sie sollten wissen, daß das dort keine „Kaffeekränzchen" sind.
In der gegenwärtigen Stunde ist ,es offensichtlich, daß unsere Partner darin einig sind, uns in der Frage der Preishöhe, der Preisrelationen, der Revisionsklausel und des Einkommensausgleichs allein zu lassen, zumal die EWG-Kommission es in meisterhafter Weise verstanden hat, durch alle möglichen Zugeständnisse an den einen oder anderen Pluspunkte für ihren Standpunkt zu sammeln. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich kann abschließend nur den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die Verhandlungen zu einem befriedigenden Ergebnis führen mögen.
Meine Damen und Herren, ich knüpfe an die ersten Bemerkungen an: Sie bekommen jetzt die Quittung für Ihr Verhalten der letzten Zeit in Brüssel. Mit kleinen Gefälligkeiten - das sagte ich schon - können Sie das nicht gutmachen. Aber das hat die Bundesregierung nicht daran gehindert, sich immer wieder vorzumachen, es werde schon nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ganz abgesehen davon, daß man nicht nur sich selbst, sondern auch die Landwirtschaft in einem geradezu unverantwortlichen Maße getäuscht hat, hat diese Politik auch bewirkt, daß der nun schon seit Jahren überfällige Kurswechsel unterblieben ist, über den wir uns in diesem Hause schon einmal einig waren.
Mehr noch: Man hat nicht einmal einige Gedanken darauf verschwendet, was nun eigentlich getan werden müsse, wenn der Getreidepreis eines schönen Tages nun doch gesenkt wird. Als nämlich die Stunde der Wahrheit gekommen war, war das Bundesernährungsministerium nicht einmal in der Lage, dem Kabinett ein Programm vorzulegen, aus dem hervorging, welche Maßnahmen und mit welchen Mitteln sie jetzt getroffen werden müßten, um eine ernste Krise der Landwirtschaft zu verhindern. Es war der Deutsche Bauernverband, der die Bundesregierung aus dieser fatalen Verlegenheit retten mußte.
Es ist in den letzten Wochen, meine Damen und Herren, sehr viel über die sogenannten Wettbewerbsverzerrungen gesprochen worden. Aber erstaunlicherweise hat niemand danach gefragt und gesagt, wie diese Verzerrungen überhaupt entstanden sind. Die Antwort ist gar nicht so schwer. Diese Verzerrungen kommen zu einem großen Teil daher, daß sich die Regierungen unserer Partnerländer etwas haben einfallen lassen, während die Bundesregierung geschlafen und dabei geträumt hat, es würde alles so bleiben, wie es ist.
({15})
Der Herr Bundeskanzler hat nunmehr am vergangenen Mittwoch erklärt, daß er für einen Ausgleich der bestehenden Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft bei den Kosten, Lasten und Sozialleistungen sorgen wird. Im Grundsatz ist dieser Gedanke durchaus zu bejahen, und es gehört sicherlich zu den wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben der deutschen Agrarpolitik, sich um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt zu bemühen. Wir wissen, daß das noch nicht der Fall ist. Wir fragen uns jedoch, weshalb die Bundesregierung in der Vergangenheit eigentlich
Dr. Schmidt ({16})
noch nichts dagegen unternommen hat und aus welchen Gründen sie es unterlassen hat, die Landwirtschaft und die Öffentlichkeit über diese Verzerrungen aufzuklären. Diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bleibt eine Phrase, solange er nicht tatkräftig an die Beseitigung dieser Mißverhältnisse herangeht.
Der Herr Bundeskanzler hat es leider auch versäumt, zu erklären, welchen Umfang diese Verzerrungen denn nun eigentlich haben. Er war dazu offensichtlich nicht in der Lage, weil es das zuständige Ressort noch nicht fertiggebracht hat, eine detaillierte Aufstellung vorzulegen. Aus einer solchen Aufstellung müßte hervorgehen, um welche Maßnahmen und Beträge es sich im einzelnen handelt. Es müßte weiter daraus hervorgehen, welche Verzerrungen gegebenenfalls durch eine entsprechende deutsche Initiative in Brüssel beseitigt werden könnten. Schließlich müßte daraus hervorgehen, für welche Bereiche die nationale Politik zuständig ist. An diese Analyse müßte sich dann ein Agrarprogramm anschließen. Ein solches Programm hätte schon längst in der Schublade liegen können.
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- Ja, wir haben es! Bis zum 30. November lag nichts, aber auch gar nichts vor, getreu nach dem Motto des Herrn Schwarz, daß „man sich nicht in Fragen aufsplittern soll, was später einmal geschehen könnte."
Leider spricht nichts dafür, daß man wenigstens jetzt gewillt ist, von der Politik der Täuschung und Selbsttäuschung abzugehen.
({18})
- Passen Sie auf! Ich sagte das schon. Kaum hatte die Bundesregierung die eine Illusion zu Grabe getragen, da hob sie schon die nächste aus der Taufe. Sie erklärte nicht nur, sie werde für einen Ausgleich der Wettbewerbsnachteile sorgen, sondern sie sagte auch der Landwirtschaft einen vollen Ausgleich der Erlösminderungen als Folge einer Getreidepreissenkung zu. Es wäre nicht erstaunlich, wenn die Bundesregierung an diese Zusage von der Landwirtschaft noch einmal sehr nachdrücklich erinnert würde. In dem Kommuniqué, das im Anschluß an die Gespräche zwischen Kabinett, Koalition und Landwirtschaft veröffentlicht worden ist, fehlen nämlich leider einige Erläuterungen und Wahrheiten, die in diesem Zusammhang unumgänglich sind: und zwar:
Erstens. Wenn es zu einem Ausgleich kommt, wird dieser allenfalls für zwei Jahre möglich sein, nämlich bis zum Ende der Übergangszeit.
Zweitens. Nicht die Erlösminderung des einzelnen Erzeugers kann ausgeglichen werden, sondern allenfalls der Rückgang der Erlöse der Landwirtschaft insgesamt.
Drittens. Ein Ausgleich kann sich nur auf die Erlösminderungen beziehen, die sich unmittelbar aus der Getreidepreissenkung ergeben. Nicht erfaßt werden dagegen die Einbußen aus dem Wegfall der verschiedenen Schutzmaßnahmen, für deren Abschaffung sich der Herr Bundeswirtschaftsminister
Schmücker in der vergangenen Woche in Brüssel eingesetzt hat.
Viertens. Die möglichen Beihilfen dürfen nicht an einzelne Erzeugnisse gebunden sein, sondern müssen in einer produktneutralen Form gegeben werden.
Fünftens. Art und Umfang dieser Maßnahmen werden nicht von der Bundesregierung bestimmt, sondern vom EWG-Ministerrat, der auch in dieser Frage nach 1965 bekanntlich mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann. Soweit es sich übersehen läßt, wird der Ministerrat jetzt und erst recht in einem Jahr nur einem degressiven Ausgleich zustimmen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Alle diese Einwendungen gegen diese Formulierungen des Herrn Bundeskanzlers sind nicht etwa Einwendungen der Opposition, sondern sie ergeben sich ganz zwangsläufig aus dem EWG-System, das schließlich von der Bundesregierung mitentwickelt worden ist.
Dieses System hat einen guten Sinn, denn es soll dafür sorgen, daß die Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden, und es soll verhindern, daß neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Die Bundesregierung könnte sicher mit Recht darauf hinweisen, daß auf diesem Gebiet bisher zuwenig geschehen ist und daß die EWG-Kommission ihre Pflichten - ganz offensichtlich aus politischen Gründen - vernachlässigt hat. Aber es wäre eine gefährliche Fehlspekulation, sich einzubilden, man könne das Problem dadurch lösen, daß man auf einen Schelm anderthalbe setzt und eine Agrarpolitik in der EWG nach dem Motto betreibt: „Wer bietet mehr?"
Innenpolitisch - und jetzt komme ich zu dem anderen Aspekt - wäre zu den Zusagen des Herrn Bundeskanzlers zu bemerken, daß bisher noch nicht klar ist, woher überhaupt die 840 Millionen für 1965 kommen sollen. Wir sind mit Dr. Starke von der FDP der Meinung, daß nicht das Parlament, sondern die Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag machen muß. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß man die Deckungsvorschläge dem Haushaltsausschuß überläßt oder in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts mit einem kleinen Papierchen die ganze Komposition ändert. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, möchte ich an dieser Stelle unterstreichen, daß meine Fraktion dieses Spiel mit gezinkten Karten
({19})
nicht mitmachen wird, und zwar nicht deshalb, weil sie es der Landwirtschaft nicht gönnt, daß sie aus der Bundeskasse etwas bekommt, sondern weil sie die Methode ablehnt, mit der hier die Verantwortung verschoben werden soll.
Damit hängt auch etwas ganz anderes zusammen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wissen natürlich ganz genau, daß Sie nur einen Teil der Zusagen durch Gesetze abdecken können. Der Bundeskanzler hat der Landwirtschaft gegenüber
Dr. Schmidt ({20})
Verpflichtungen übernommen, für die er allenfalls als Mitglied der CDU geradestehen kann. Denn es ist völlig ausgeschlossen, daß eine Regierung Wechsel querschreibt und dann ihrer Nachfolgerin die Einlösung überläßt.
({21})
Mit einem solchen Geschäftsgebaren kann nicht nur eine Firma, sondern selbst eine Regierung pleite machen.
({22})
Sie können allenfalls sagen: Liebe Bauern, wählt
uns, -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, es kann nachher gefragt werden. - Sie können also allenfalls sagen: Liebe Bauern, wählt uns, dann bekommt ihr vielleicht etwas, vorausgesetzt, daß wir dann noch Geld im Topf haben und Brüssel uns keine Schwierigkeiten macht.
({0})
Das ist das äußerste, Herr Struve, was Sie mit ehrlichem Gewissen versprechen können. Sie können natürlich den Zynismus so weit treiben, wie Sie es bei dem Getreidepreis getan haben. Aber es ist die Frage, ob man Ihnen das noch abnimmt.
Als der Katalog der von dem Herrn Bundeskanzler zugesagten Maßnahmen in der Öffentlichkeit bekannt wurde, schrieben einige Zeitungen, die Landwirtschaft habe ein gutes Geschäft gemacht. Ich möchte mir erlauben, diese Behauptung zu bezweifeln. Der Katalog besteht zu fast drei Vierteln aus Maßnahmen, die von der Koalition schon seit Monaten bindend in Aussicht gestellt worden sind. Damit haben Sie sogar mehrere Wahlkämpfe in den letzten Monaten bestritten, allerdings nicht mit dem gewünschten Erfolg.
({1})
Peinlich war es natürlich, daß sich die Bundesregierung zunächst quergelegt hatte, angeblich deshalb, weil kein Geld vorhanden war. Aber über Nacht war es auf einmal da, und weil die Koalition eine so durch und durch ehrlich Politik treibt, darf die Landwirtschaft sicher sein, daß es weiter zur Verfügung stehen wird - bis zum nächsten Umfallen.
({2})
Das beinahe zwei Jahre andauernde Gezerre um den Zuckerrübenpreis zeigt das doch mit aller Deutlichkeit, meine Kollegen von der Regierungskoalition. Es ist wirklich keine Feldherrentat, daß Sie sich jetzt bei den Zuckerrüben dazu aufgerafft haben, den „Rubikon" zu überschreiten.
({3})
„Es gibt zweierlei Arten von Regierungserklärungen", hat der stellvertretende Pressechef der Bundesregierung neulich erklärt, veränderliche und unveränderliche Regierungserklärungen.
({4})
Die Erklärungen zur Wiedervereinigung seien unveränderlich,
({5})
die zum Getreidepreis dagegen veränderlich.
({6})
Was die 1,1 Milliarden DM betrifft, die für 1966 in Aussicht gestellt sind, wird man wohl erst den Barometerstand des übernächsten Jahres abwarten müssen. Es ist bezeichnend für die Art und Weise, mit der hier Agrarpolitik betrieben wird, daß bisher noch nicht einmal klar ist, wozu eigentlich die 380 Millionen DM bestimmt sind, die im kommenden Jahr als sogenannte Investitionshilfe verteilt werden sollen.
({7})
Darüber gibt es allenfalls private Meinungen. Wenn es richtig ist, was man so in den Zeitungen liest, dann besteht die Absicht, mit der Gießkanne übers Land zu gehen und das Geld entsprechend den Leistungen zur Grundsteuer A und zum Lastenausgleich zu verteilen.
Gegen dieses Verfahren erheben wir schärfsten Einspruch:
({8})
- Sie haben sich auch dazu bekannt, Herr Kollege Struve - erstens einmal, weil das keine Investitionshilfe ist, sondern ein Wahlgeschenk wäre,
({9})
zweitens, weil eine solche Subvention nicht dauerhaft sein kann und früher oder später in den Sog der EWG-Vorschriften geraten wird, und drittens, weil Sie dem Bauern keinen Gefallen erweisen, sondern seine Position in unserer Gesellschaft und vor allem seine Position in der Dorfgemeinschaft unnötig schwächen, ja unmöglich machen.
({10})
Wenn Sie die Situation in den ländlichen Gemeinden verbessern wollen, dann müssen Sie endlich mit einer Finanzreform beginnen. Aber was Sie vorhaben, das läuft darauf hinaus, daß die Bevölkerung auf dem Lande mit den Fingern auf die Bauern zeigen und sagen wird: „Die lassen sich sogar die Steuern vom Staat schenken."
({11})
Ich verkenne nicht, daß es notwendig wäre, sich über eine Investitionshilfe zugunsten der Landwirtschaft ernstlich Gedanken zu machen.
({12})
Dr. Schmidt ({13})
Das würde voraussetzen, daß man sich überlegt, wo investiert werden muß, welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, was die Landwirtschaft dafür aufzubringen hat und mit welchen Mitteln ihr der Staat helfen kann.
({14})
So etwas schüttelt man nicht aus dem Ärmel, sondern das Ganze bedarf einer gründlichen Vorbereitung, wie sie leider bisher von der Bundesregierung als Zeitverschwendung angesehen worden ist.
({15})
Wenn man nun einmal schon kein Programm in der Schublade hatte und deshalb zu einer Verlegenheitslösung Zuflucht nehmen mußte, dann frage ich mich, weshalb man nicht an die Strukturverbesserung gedacht hat, an die der Deutsche Bauernverband vor einigen Wochen wieder in eindringlicher Weise erinnert hat.
({16})
Eine Aufstockung der Strukturmittel ist um so dringender, als die Globalkürzung des Grünen Plans für das kommende Jahr um 250 Millionen DM im wesentlichen aus den Titeln zur Strukturverbesserung genommen werden soll. Aber darüber wird im Zusammenhang mit dem Haushalt und dem Grünen Plan zu sprechen sein. Auf jeden Fall ist es ein sehr anrüchiges, um nicht zu sagen unzulässiges Verfahren, wenn der Bundeskanzler in der Öffentlichkeit mit Millionen um sich wirft, von denen er .selber noch nicht weiß, wie sie verwendet werden sollen.
({17})
Offensichtlich hat er vergessen, daß es sich dabei um das Geld der Steuerzahler handelt. Die Steuerzahler sind sicherlich bereit, Maßnahmen zu finanzieren, die zu sinnvollen und vernünftigen Ergebnissen führen. Das Verfahren aber, das hier angewendet wird, bewirkt genau das Gegenteil.
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- Herr Bauknecht, es richtet einen psychologischen Schaden an, der kaum wiedergutzumachen ist. Indem Sie dem Bauern auf diese Art und Weise Geld geben, nehmen Sie ihm gleichzeitig auch noch den letzten Rest an moralischem Kredit, den er in der Öffentlichkeit hat.
({19})
Diesen Kredit hat die Bundesregierung mit ihrer Agrarpolitik ohne Konzept und Überlegung nun wirklich genügend untergraben, und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch auf dem internationalen Parkett. Was hat sie denn getan, um die gemeinsame Agrarpolitik von der Stelle zu bringen?
Wieso springt denn der Bundesminister Schwarz immer auf das Bremserhäuschen, anstatt sich daran zu beteiligen, wenn die Herren Pisani, Bisheuvel und Mansholt ans Weichenstellen gehen? Glaubt man denn wirklich, den Zug noch aufhalten zu können? Wann fängt die Bundesregierung an zu handeln, anstatt immer nur sich vom Partner das Handeln vorschreiben zu lassen?
({20})
Weshalb gibt sie also vor jeder Verhandlung ihre Marschroute preis? Und dann wundert sie sich, daß sie laufend Federn lassen muß! Glauben Sie denn noch an den Weihnachtsmann?
({21})
Glauben Sie denn noch an den Weizenpreis von 440 DM, an den Roggenpreis von 400 DM oder etwa noch an die 700 Millionen DM Ausgleichszahlungen aus der Gemeinschaftskasse?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Schmidt, glauben Sie wirklich, daß Sie mit dem Strukturplan die Lage der deutschen Landwirtschaft verbessern, und glauben Sie denn, daß Sie von seiten Frankreichs 'die Hilfe für die deutsche Landwirtschaft 'bekommen? Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie endlich mit dieser Art Ihrer Argumentation hier aufhörten.
({0})
Herr Kollege Sander, ich weiß, die Situation ist für Sie sehr peinlich.
({0})
Ich halte in der Tat die Strukturmaßnahmen, sowohl die normalen, also die Betriebsstrukturmaßnahmen, wie die Marktstrukturmaßnahmen für außerordentlich wichtig. Aber ich möchte Ihnen doch mal einen Rat geben. Sie haben sicher zum Teil auch die Bibel in Ihrem Hause oder in Ihrem Schubkasten. Sie täten besser, Sie läsen einmal nach in Matthäus 3, Vers 2 und handelten so, wie dort geschrieben steht.
({1})
Wo, meine Damen und Herren - die Frage geht auch die Bundesregierung an -, sind Ihre progressiven Forderungen? Es braucht sich dabei keineswegs um so spektakuläre Dinge wie um den Getreidepreis zu handeln. Keine. Forderung an unsere Partner ist berechtigter als die, mit den offenen und versteckten Exportsubventionen Schluß zu machen. Aus der Inaktivität der Bundesregierung auf diesem Gebiet läßt sich schließen, daß man in den Bonner Amtsstuben überhaupt nicht darüber Bescheid weiß, was in den Partnerländern vor sich geht.
Nicht minder erschütternd ist es zu sehen, wie unsere Delegation in Brüssel von ihren taktischen Möglichkeiten Gebrauch macht. Denken Sie beispielsweise an den Agrarfonds, der in wenigen Jahren mehrere Milliarden Mark enthalten wird und zu dem wir die größten Beiträge leisten sollen, aber das wenigste dafür zurückerhalten.
Die Krone des Ganzen ist aber die Sorglosigkeit, mit der man sich und anderen vormacht und vorgeDr. Schmidt ({2})
macht hat, man habe noch genügend Zeit, aktiv zu werden. An Hand des Terminkalenders darf ich Ihnen das erläutern. Ihr Bundesminister Schmücker hat vor zehn Tagen im EWG-Ministerrat die Pläne vorgetragen. Danach sollen bis zum 1. Juli 1967 nicht nur die Getreidepreise angeglichen, sondern es soll auch die gemeinsame Agrarpolitik - ich zitiere wörtlich - „im wesentlichen zum Abschluß gebracht" werden.
Das bedeutet auch eine Harmonisierung der übrigen Richt- und Orientierungspreise. Das 'bedeutet weiter den Wegfall sämtlicher nationaler Schutzmaßnahmen. Und das bedeutet eine Verlagerung nahezu faller entscheidenden Kompetenzen nach Brüssel.
Der Wirtschaftsminister hat weiter die Hoffnung ausgedrückt, daß bis zum 1. Juli 1967 die inneren Zollgrenzen in der EWG verschwinden. Wie sich das ,auf den Agrarbereich auswirkt, wissen Sie genauso gut wie ich.
Herr Kollege Schmücker hat schließlich darauf hingewiesen, daß bis zu diesem Termin die KennedyRunde abgeschlossen sein wird, in die bekanntlich auch die Landwirtschaft einbezogen ist. Nebenbei bemerkt: diese Ideen des Herrn Schmücker sind nicht gerade neu. Sie decken sich weitgehend mit denen der EWG-Kommission. Sie dürfen sicher sein, daß sie sich ,auf landwirtschaftlichem Gebiet auch mit den Vorstellungen der Agrarexportländer der Gemeinschaft decken.
In 21/2 Jahren wird also der entscheidende Moment gekommen sein. Das heißt aber leider nicht, daß wir noch 21/2 Jahre Zeit haben, um unser Haus zu bestellen. Wenn man in der Integration vorankommen will - und das wollen die Kommission und die fünf Partner -, dann wird man die Entscheidung nicht auf die letzte Minute verlegen können; das ist schon deshalb unmöglich, weil im Vertrag und in den EWG-Verordnungen bestimmte Fristen gesetzt sind. Das wichtigste Datum ist der 1. Januar 1966, denn von diesem Tag an gilt die qualifizierte Mehrheit im Ministerrat. Wenn Sie sich vor Augen halten, wie viele Stimmen auf die Agrarexportländer entfallen, dann können Sie sich vorstellen, was dann passiert.
Wie hat sich die Bundesregierung - die Frage muß ich stellen - darauf vorbereitet? Trotz eines riesigen Apparates und trotz der nahezu unbeschränkten Mittel, die der Bundestag für wissenschaftliche Arbeiten zu bewilligen bereit ist, hat es das Bundesernährungsministerium noch nicht einmal fertiggebracht, eine saubere Analyse der Entwicklungstendenzen der deutschen Landwirtschaft aufzustellen. Eine solche Analyse müßte auf die Situation in den Jahren 1970 bis 1975 abzielen, wenn im Gemeinsamen Markt auch die letzten Hindernisse weggefallen sind. Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt wird die Lage in vielen Bereichen unserer Landwirtschaft ganz anders aussehen als heute. Ein Teil der marktfernen Standorte wird auf einmal dem Markt näherrücken; ich denke dabei ,an Bayern. Für einen Teil unserer Produktion sehen die Chancen wesentlich schlechter aus, für andere dagegen besser.
Eine Analyse, die der Agrarpolitik helfen soll, muß aber noch weiter reichen. Man wird die Frage stellen müssen, wie sich das Preis-Kosten-Verhältnis voraussichtlich entwickeln wird, wie groß der Einfluß der Wettbewerbsverzerrungen ist und mit welchen Mitteln sie abgestellt werden können, wie es eigentlich mit den Kompetenzen zwischen Bonn und Brüssel bestellt ist und wie es mit den Finanzen aussieht. Wenn man das hat, kann man auch einigermaßen disponieren, Schwerpunkte schaffen usw. usf. Mir ,scheint es auf die Dauer unverantwortlich zu sein, mit der Stange im Nebel herumzustochern in dem naiven Vertrauen darauf, daß man schon nicht vom rechten Wege abkomme.
Selbst auf die Gefahr hin, Ihnen noch weiter auf die Nerven zu gehen, darf ich Sie daran erinnern, daß der Bundestag vor drei Jahren die Regierung aufgefordert hat, eine agrarpolitische Konzeption zu entwickeln, die dem Gemeinsamen Markt entspricht. Wie diese Konzeption ,aussieht, das ist uns und der Öffentlichkeit bis jetzt verborgen geblieben.
Es ist nicht meine Aufgabe, mir den Kopf darüber zu zerbrechen und der Regierung und der Koalition Vorschläge zu machen, was sie mit den zugesagten Milliarden anfangen sollen, die der Landwirtschaft in 'den nächsten beiden Jahren zufließen sollen. Die Probleme, die es anzupacken gilt, liegen ,auf der Straße; man braucht sie nur aufzuheben.
Ohne Ihnen hier die Einzelheiten eines SPDAgraranpassungsprogramms auseinanderzusetzen, möchte ich nur die Frage aufwerfen, ob Sie denn in der Strukturpolitik auch in Zukunft so weiterwursteln wollen wie bisher, ohne langfristiges Programm, ohne 'ausreichende Koordinierung der Maßnahmen von Bund und Ländern, ohne Einschaltung der landwirtschaftlichen Mitverantwortung, ohne ausreichende Kenntnis der weiteren Entwicklung. Die Antwort ist vielleicht darin zu suchen, daß sich die Strukturtitel des Einzelplans 10 als der beste Dispositionsfonds für Wahlgeschenke erwiesen hat. Das hatte den Vorteil, daß man die gleichen Beträge zweimal ,ausgeben konnte.
Wie stellen Sie sich eigentlich die Entwicklung der Marktstruktur vor? Glauben Sie allen Ernstes, daß sich nach der Methode des Herrn Struve eine Verbesserung erreichen läßt, die nach seinem eigenen Eingeständnis die öffentlichen Mittel dafür verwenden will, auf billige Importe mit subventionierten Exporten zu reagieren? Wieso hat es die Bundesregierung bisher für nicht notwendig gehalten, sich näher mit dem Gedanken eines Marktstrukturgesetzes zu befassen, das schließlich seit einem Jahr im Gespräch ist? Glauben Sie denn, es gelingt Ihnen in der kurzen Zeit, die noch zur Verfügung steht, die notwendige Initiative auch im kleinsten und entlegensten Dorf zu wecken, indem Sie einige Millionen in den Grünen Plan packen, die dann nicht ausgegeben werden, weil die Richtlinien nicht rechtzeitig herauskommen oder weil man das Geld für andere Dinge braucht?
Die Kartoffelwirtschaft z. B. hat dieser Tage einen Generalplan vorgelegt, der manchen Ansatzpunkt für vernünftige Maßnahmen enthält. Die Bundes7552
Dr. Schmidt ({3})
republik ist das größte Kartoffelland der EWG. Der Produktionswert der Kartoffelerzeugung ist größer als der Wert der gesamten Eisen- und Stahlerzeugung. Es wäre also der Mühe wert, sich darüber Gedanken zu machen und nicht nur Maßnahmen zu entwickeln, die den Bund Geld kosten. Warum ist der Bundesregierung auch hier nichts eingefallen?
Welche Konzeption hat die Bundesregierung auf sozialpolitischem Gebiet? Warten Sie auf andere? Wir wollen Sie nicht überfordern und Ihnen nicht zumuten, daß Sie unser Sozialprogramm für die Landwirtschaft übernehmen. Mit schönen Worten vom Familienbetrieb und von der bewährten Politik, wie sie ständig im Agrarbrief der CDU zu finden sind, kommen Sie jetzt doch nicht weiter. Wenn die Bundesregierung ein Konzept hätte, dann hätte sie für den Fall einer Getreidepreissenkung ein EWG-Anpassungsprogramm vorgelegt, bestehend aus einer Analyse, einem langfristigen Strukturplan einschließlich der Marktstruktur und einem Bündel vorbereiteter Gesetzentwürfe für die verschiedensten Bereiche. Dann hätte man sich nicht zu sorgen brauchen, was man mit den geplanten Mitteln anfangen soll. Dann, aber nur dann, hätte die Verzögerungstaktik in Brüssel noch einen gewissen Sinn gehabt. So aber wurden drei volle Jahre unnütz vergeudet. Diesen drei Jahren trauern wir nach, während Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nur den Getreidepreis als Wahlparole beklagen.
({4})
Selbst wenn der Regierung und der Koalition jetzt noch etwas Vernünftiges einfallen sollte, wobei erhebliche Zweifel berechtigt sind, dann haben Sie noch einige Wochen Zeit, und dann kommt der Wahlkampf, dann kommt das neue Kabinett, und dann kommt der berühmte 1. Januar 1966, den Sie bis zuletzt negiert haben. Spätestens - das sei mein abschließender Satz - an diesem Tage wird die deutsche Landwirtschaft merken, daß die Agrarpolitik der Bundesregierung in der 4. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages einen riesigen Scherbenhaufen hinterlassen hat.
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Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schmidt, ich hoffe, Sie sind damit einverstanden, daß auf die fachlichen Fragen nachher der Kollege Schwarz antworten wird.
Ich möchte zu einigen Anmerkungen, die Sie über die Brüsseler Situation gemacht haben, jetzt sofort Stellung nehmen.
Daß Sie eine Vielzahl von Vorwürfen erhoben haben, die Sie so geschickt in Nebensätze gekleidet haben, daß Sie einem Ordnungsruf entgehen konnten, nun, das ist Ihre alte Kunst. Hätten Sie diese Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet,
dann müßte ich sagen: Es wimmelte von Beleidigungen.
({0})
Es wimmelte von Beleidigungen!.
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- Ich will es gern wiederholen: Hätten Sie die Vorwürfe in die Form der direkten Rede gekleidet, dann wimmelte Ihr Vortrag von unverschämten Beleidigungen.
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- Ich habe erst einen Satz gesprochen und möchte zu Ende kommen.
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Meine Damen und Herren, ich will gar nicht alle Beispiele herauspicken,
({4})
sondern nur ein Beispiel, Herr Kollege Hermsdorf,
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das Sie in aller Seelenruhe - in Ruhe, nicht in der Lautstärke, die Sie jetzt an den Tag legen - überdenken können,
Sie behaupten, der Herr Bundeskanzler werfe mit den Millionen um sich. Meine Damen und Herren, wer die Milliardenanträge in diesem Hause stellt, wissen Sie wohl besser als wir.
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Sollen wir Ihnen jedesmal die Rechnung aufmachen, wenn Sie hierherkommen und Anträge ohne Dekkung stellen?
Im übrigen erheben Sie den Vorwurf, wir seien diejenigen, die draußen in der Öffentlichkeit
({7})
dieses unsinnige Gerede stützten, als würde den Bauern alles in den Hals geworfen. Sie, Herr Schmidt, haben in Ihrem Beitrag mit dem Ausdruck „mit Millionen um sich herumwerfen" dafür gesorgt, daß dieser Tratsch neuen Boden gefunden hat.
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Ich möchte ausdrücklich sagen, und ich habe das auch in der vorigen Woche hier schon erklärt: Wir sind verpflichtet, unserer Landwirtschaft bei dem ungeheuer schwierigen Strukturwandel zu helfen, und wir müssen bei der Wirtschaftskraft, die wir haben, dafür auch die notwendigen Mittel aufbringen.
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Das Nächste, meine Damen und Herren. Herr Schmidt hat es für richtig gehalten - das ist die alte Taktik der Sozialdemokraten seit der Veröffentlichung des Godesberger Programms, seitdem man nicht mehr den Mut zur Alternative hat,
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und Herr Schmidt hat diese Taktik fortgesetzt -, das, was an neuen Aufgaben vor uns steht, als Versäumnisse hinzustellen.
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Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß wir uns in der Tat mit vielen Dingen nicht abzuplagen brauchten, wenn Sie 15 Jahre etwas zu sagen gehabt hätten; aber Gott sei Dank war das nicht der Fall, und so haben wir uns mit diesen Konsequenzen auseinanderzusetzen.
Dann stellen Sie die Behauptung ,auf - ein Adjektiv zu dem Wort „Behauptung" suchen Sie sich bitte selber -, daß wir in Brüssel allein stünden. Haben Sie einmal die Güte und fragen Sie Ihre Frau Kollegin Elsner, die auf Straßburger Boden den Versuch machte, die deutsche Bundesregierung anzugreifen, wie dann nach meiner Erwiderung auch die Sozialisten der anderen Länder - die übrigens noch den Mut haben, sich Sozialisten zu nennen ({12})
auftraten.
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- Nein, Herr Schmidt, ich spreche jetzt zu Ende, genau wie Sie. - Die Sozialisten der anderen Länder sind dann aufgetreten und haben gegen Frau Kollegin Elsner Stellung genommen.
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I) Ich kann schlecht das wiederholen, was sich dort abgespielt hat. Wenn das „Isolierung" ist, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: kaufen Sie sich einen neuen Duden!
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Nun zu den Verhandlungen selbst.
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- Sie möchten es wohl gerne werden? Aber Sie werden nicht das Glück haben.
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Meine Damen und Herren, es ist hier gesagt worden, wir stünden isoliert da.
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Als diese Debatte angesetzt wurde, habe ich mit dem Kollegen Schwarz überlegt, in welchem Ausmaß wir würden antworten können. Denn es ist doch immer eine mißliche Sache, während laufender Verhandlungen eine Parlamentsdebatte zu führen. Hätten wir es beim Ministerrat in Brüssel mit einem Parlament zu tun, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Aber es ist doch nun einmal so, wie Sie selber auch dargestellt haben, daß man mit einem gewissen Verhandlungsgeschick - das Sie uns selbstverständlich absprechen - arbeiten muß. Dazu gehört, daß es nicht möglich ist, jede Position von
vornherein offenzulegen. Man kann nicht mit jeder Verhandlung auf den Markt gehen.
Ich möchte aber doch soviel sagen: Jeder hat gewußt, wie schwer uns allen die Entscheidung in der Frage des Getreidepreises gefallen ist, weil es sich um eine unerhört schwere Entscheidung. für einen bedeutenden Berufsstand handelt.
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Und wenn bei der Mitteilung in Brüssel nicht ein großes Hosianna ausgebrochen ist, so ganz einfach deswegen, weil die Mitteilung als solche ja seit Tagen bekannt war und es ganz natürlich war, daß die Debatte sofort ins Materielle ging und bei der Erwähnung des Materiellen - ({20})
- Natürlich war sie bekannt!
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- Sie müssen es ja wissen; Sie sind ja Journalist. Aber ich war dabei und Präsident des Rates; vielleicht weiß ich es ebensogut wie Sie.
Meine Damen und Herren, ich habe Zustimmung von den einzelnen Delegationen bekommen, als ich feststellte, daß ich gar nicht überrascht sei, daß nach drei, vier äußerst freundlichen Worten - die Sie nachlesen können - sofort die Debatte en detail, im einzelnen, begonnen habe. Denn jeder wollte doch sofort seine Position aufbauen. Wenn ich es unter diesem Gesichtspunkt sehe, kann ich nur hocherfreut sein über die erste Debatte. Ich habe heute nachmittag einen Besuch gehabt, der mir Bericht über den Fortgang der Beratungen erstattet hat. Danach habe ich gar keinen Zweifel, daß wir in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit zu einem Abschluß, und zwar zu einem guten Abschluß, kommen werden.
Nun fragen Sie uns: Warum haben Sie so lange gezögert? Was ist bis dahin getan worden? Meine Damen und Herren, glauben Sie sich tatsächlich berechtigt, nur die agrarpolitische Seite von Brüssel ins Auge zu fassen? Haben Sie nichts gehört und gelesen - oder sogar daran mitgearbeitet - über das, was sich hinsichtlich der sogenannten Kennedy-Runde getan hat? Haben Sie nicht verfolgt, wie die Ausnahmeliste gebildet worden ist? Haben Sie gar nicht gemerkt, welche Debatten wir über die Konjunkturpolitik geführt haben bis hin zu Maßnahmen in den einzelnen Ländern, die auf deutsche Anregung getroffen worden sind, bis hin zur Währungspolitik?
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Wir sind heute in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft so weit, daß, ohne daß eine bindende Verpflichtigung besteht, in weiten Bereichen bereits eine Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln, nein, die Tatsache des gemeinsamen Handelns registriert werden kann.
Nun noch einmal zu dem Getreidepreis! Ich habe in jeder Sitzung darauf hingewiesen, daß aus europäischen Gründen ein gemeinsamer Getreidepreis
notwendig ist, daß wir aber nicht der Argumentation zustimmen - und ich bleibe auch heute dabei -, daß etwa, weil die Kennedy-Runde beginnt, schon jetzt eine Entscheidung fallen müßte. Ich bin deswegen auch eigens drüben in den Vereinigten Staaten gewesen und habe mit den Herren darüber verhandelt. Man ist uns immer mit diesem Argument entgegengetreten, das falsch war.
Inzwischen sind die Verhandlungen - ich zähle gleich noch einige Einzelpositionen auf - so weit fortgeschritten, daß es an der Zeit war, hier eine Entscheidung zu fällen. Diese Entscheidung liegt heute zwar ziffernmäßig vor uns. Aber die vielen Konsequenzen, die noch überdacht werden müssen, sind doch von ungeheurer Tragweite.
Herr Kollege Schmidt bemängelt z. B., daß wir uns noch nicht über den Sozialplan klar sind. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal ansehen, welche Konsequenzen das für die deutsche Sozialpolitik haben könnte,
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wenn wir einfach auf das einstiegen, was die anderen haben und was für die Kostenberechnung der Landwirtschaften anderer Staaten von eminenter, von ausschlaggebender Bedeutung ist.
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Sie mögen den Mut haben, ohne Berücksichtigung der Tatbestände von heute auf morgen zu entscheiden, - vermutlich deswegen, weil Sie so wenig Bauern hinter sich haben. Wir haben diesen Mut nicht. Wir kümmern uns um die Einzelfragen und I nehmen uns, auch wenn wir gedrängt werden, die Zeit dazu, diese Einzelfragen zu diskutieren.
Sie haben die Geldfrage angeschnitten. Nun, auch sie wird noch einige Debatten in Brüssel erfordern. Ich glaube aber, sagen zu können, daß die deutschen Maßnahmen als EWG-konform angesehen werden können.
Der Hauptgrund der sogenannten Verzögerung ist folgender. Es war unser Bemühen, entsprechend der guten Verbindung, die wir zur deutschen Landwirtschaft haben, auf jeden Fall ein Entscheidung mit den deutschen Bauern zu finden und nicht gegen ihren Willen.
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Und, meine Damen und Herren von der SPD, das, was Sie niemals für möglich gehalten haben - und das ist der Grund Ihres Ärgers, Herr Schmidt -,
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hat der Herr Bundeskanzler in seinen Gesprächen fertiggebracht: mit dem Verband hier zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen, also diese Maßnahme mit den Bauern durchzuführen.
So werte ich das, was sich hier soeben abgespielt hat, als eine entsprechende Reaktion des Überspielten. Sie haben es sehr geschickt gemacht, Herr Schmidt, das will ich nicht bestreiten. Aber ich möchte Ihnen sagen: Auch dieses Störfeuer kann uns nicht hindern, in Brüssel weiterzuarbeiten, weil
wir aus der Zusammenarbeit wissen, das die bisherigen deutschen Initiativen von allen Verhandlungspartnern nicht nur akzeptiert, sondern als Motor für die Arbeit begrüßt und anerkannt worden sind. Wir wollen daran weiterarbeiten, daß wir in allen Bereichen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Harmonie gelangen. Weil wir wissen, daß dazu sehr viel Bereitschaft gehört, auch einmal über die Hürden zu springen, daß aber genauso dazugehört, wichtige Fragen vorher zu klären, deshalb haben wir die bekannten neun Fragen gestellt, die erst einmal beantwortet werden mußten. Ich halte es verhandlungstechnisch für einen unerhörten Erfolg, daß wir diese Antworten auf dem Tisch liegen haben, und das ist die Zeitspanne wert, die Sie heute hier so stark kritisieren.
Wir dürfen - das möchte ich abschließend feststellen - als Deutsche sagen, daß wir froh und glücklich darüber, ja, dankbar dafür sind, mit unseren befreundeten Partnern in dieser Harmonie zusammenzuarbeiten. Wenn andere uns hin und wieder das Lob spenden, daß wir es gewesen sind, die die Europapolitik immer wieder aus der Stagnation herausgerissen haben, so würde ich das für mich als Argument nicht übernehmen; aber ich muß es übernehmen in Abwehr gegen Ihre ungerechtfertigten Vorwürfe,
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gegen Ihre Vorwürfe, als hätten wir nicht sauber und mutig gearbeitet. Wir sind davon überzeugt, daß allem Störfeuer zum Trotz die europäische Arbeit weitergehen wird. Wenn dieser Erfolg da sein wird, dann sind neue Aufgaben da, und ich bin sicher, diese neuen Aufgaben werden Sie dann jeweils wieder als Versäumnis interpretieren.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint an der Zeit, daß ich Ihnen entsprechend der Empfehlung des Ersatzpastors Schmidt in Nachahmung zu Wehner Matthäus 3 Vers 2 verlese: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe."
({0})
Aber, meine verehrter Herr Kollege Schmidt, wir haben hier Agrarpolitik zu machen und uns nicht mit Eschatologie zu beschäftigen. Die dürfen Sie machen, wenn Sie an der Regierung sind; dann wird das Volk das Himmelreich erleben.
({1})
- Ich bedanke mich .- Als ich das Ergebnis von Karlsruhe las und die schönen Bilder sah, dachte ich immer wieder, mein Freund Schmidt wird einmal ein sehr tüchtiger SPD-Landwirtschaftsminister, mit dem ich gern zusammenarbeiten würde. Ich würde nicht so scharf die Klingen kreuzen, aber ich würde dann konstruktive Opposition machen. Und dann dachte ich mir: Warum ist er eigentlich nur Schattenberater geworden? Heute weiß ich es, Kollege
Schmidt. Es ist Ihre Vielseitigkeit; von der Grabrede bis zur Lustbarkeit - das ist natürlich so vielseitig, daß es für ein Ministerium nicht ausreicht.
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Nun, mein sehr verehrter Kollege Schmidt, von der heiteren zur ernsten Seite! Sie haben von der Bahre gesprochen. Ich möchte mich nicht auch als Ersatzpastor betätigen. Außerdem bin ich ja Katholik; ich müßte mich also zuvor scheiden lassen, es sei denn, das Konzil führt bald eine Änderung herbei. - Sie haben von der Bahre gesprochen, vor der wir stünden. Verehrter Herr Kollege Schmidt, die Forderungen, die Sie zum Getreidepreis hier in Bonn und in Straßburg seit Jahren mit Mansholt auf gleicher Ebene vertreten haben, hätten die Angleichung um fünf Jahre vorverlegt. Daß wir das auf das Jahr 1967 hinausgeschoben haben, darauf sind wir Freien Demokraten außerordentlich stolz, und ich glaube, mit uns ist die deutsche Landwirtschaft hierfür dankbar.
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Nun, darüber werden wir noch zu reden haben.
Es ist heute auch über die deutsche Verhandlungsposition in Brüssel gesprochen worden. Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber, verehrter Herr Kollege Schmidt: Der Bundesregierung haben Sie heute nicht den Rücken gestärkt; Herrn Mansholt haben Sie wieder viele Argumente geliefert.
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- Last not least - auch das sei hier betont -: Es ist sicherlich sehr gut, Kritik zu üben, und das ist das hohe Recht der Opposition - manchmal beneiden wir Sie darum; wir sind da ganz ehrlich, Kollege Schmidt -; aber Opposition ohne Alternative ist auch keine gute parlamentarische Arbeit.
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Nun zu dem Kapitel: Überstimmung der Bundesrepublik". Wir haben immerhin die Aussage des Herrn de Gaulle, der erklärt hat: „Ein Überstimmen im Jahre 1966 gibt es nicht". Wir vertrauen auf die partnerschaftliche Zusage.
Wir haben manche Kritik an dem bisherigen Weg zu üben, wie Sie wissen; wir scheuen auch nicht davor zurück. Ich betone aber: Hätte die Opposition viel früher mit uns Freien Demokraten - auch in der Zeit, wo wir gemeinsam in der Opposition waren - an der deutschen Agrarpolitik festgehalten, hätte sie mit uns den Weg 1956 im Landwirtschaftsgesetz mit beschritten - wir wären in vielen Dingen in eine bessere Verhandlungsposition gekommen. Sie haben immer mitgeholfen, in Brüssel die deutsche Position in der Getreidepreisfrage zu schwächen.
({6})
Im Protokoll der 224. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages ist der Bericht des Kollegen Lücker über die Landwirtschaft im Vertrag zur Gründung der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft festgehalten. Darin heißt es:
Das vorgesehene System von Mindestpreisen soll jedem Mitgliedstaat während der Übergangszeit, die bekanntlich auf zwölf bis fünfzehn Jahre berechnet ist, in nicht diskriminierender Weise die Möglichkeit geben, Schwierigkeiten zu überwinden, die durch den Abbau von Zöllen und Kontingenten entstehen können.
In dem Bericht wird ferner wiederholt festgestellt, daß jedem Partner der EWG gleiche Chancen eingeräumt werden sollen. - Diese rückschauende Feststellung mache ich deshalb, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, daß die deutsche Landwirtschaft und die deutschen Agrarpolitiker die Realitäten des Gemeinsamen Marktes nicht rechtzeitig erkannt hätten. Tatsächlich muß dazu festgestellt werden, daß die Entwicklung in der Zwischenzeit weit über das in dem Vertrag vorgesehene Maß und Ziel hinausgegangen ist. Der Ausbau eines gemeinsamen Agrarmarktes hat dabei größere Fortschritte gemacht als die Harmonisierung im Bereich der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.
Daher muß hier die Frage gestellt werden, ob es überhaupt möglich ist, den Agrarmarkt isoliert von den übrigen Bereichen der Volkswirtschaft zu harmonisieren, oder ob nicht eine Gesamtharmonisierung mit dem Ziel einer politischen Vereinigung herbeigeführt werden muß. Die kommenden Verhandlungen in Brüssel werden beweisen, inwieweit die deutschen Zuggeständnisse für die Harmonisierung des europäischen Agrarmarktes sich tatsächlich auch auf die politische Einigung Europas fördernd auswirken werden.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal kurz auf die Problematik der Getreidepreisharmonisierung hingewiesen. Man konnte in letzter Zeit immer wieder das Argument hören, ,der deutsche Getreidepreis sei eben einfach überhöht. Das kann nur jemand behaupten, 'der die Entwicklung der letzten zehn Jahre nicht kennt. Der deutsche Getreidepreis ist seit dem Jahre 1951 nicht verändert worden. Der französische Weizenpreis lag dagegen im Durchschnitt der Wirtschaftsjahre von 1953 bis 1956 unter dem deutschen Weizenpreis. Bei Vertragsschluß im Jahre 1956 übertraf der ,französische Weizenpreis mit rund 450 DM pro Tonne den deutschen sogar um 46 DM je Tonne. Durch die Abwertung des Franc und durch die Aufwertung der D-Mark entstand das große .Preisgefälle zwischen dem deutschen und dem französischen Getreidepreis.
Dazu muß noch die tatsächliche Entwicklung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, der sich von 1958 bis 1963 um 132 % erhöhte. Am größten war der Exportzuwachs in Italien mit 195 % und in Frankreich mit 172 %, während in der Bundesrepublik nureine Exportzunahme um 127 % und in Belgien und Luxemburg eine solche um 114% festzustellen war und die Niederlande mit 98 % unter dem Durchschnitt der EWG lagen.
Die französische Agrarausfuhr in die EWG-Länder hat sich von 1958 bis 1963 nahezu vervierfacht, und zwar von rund 500 Millionen DM im Jahre 1958 auf 1,9 Milliarden DM 1963. Der Wert der französischen Agrarausfuhr in die Bundesrepublik hat im gleichen Zeitraum von rund 290 Millionen DM 'auf über 1 Milliarde DM, also um mehr als ,das Dreifache, zugenommen. Der Export der französischen Industriegüter nahm von rund 4 Milliarden DM im Jahre 1958 auf mehr als 10 Milliarden DM im Jahre 1963, also um das Zweieinhalbfache, zu. Im gleichen Zeitraum hat der gewerbliche Export 'aus Frankreich in die Bundesrepublik von rund 1,8 Milliarden DM auf etwa 4,3 Milliarden DM, also um mehr als das Doppelte, zugenommen. Diese Zahlen zeigen eindeutig, wie sehr die wirtschaftliche Integration fortgeschritten ist und wie auch unsere Partner hier einen beachtlichen Vorteil in Anspruch nehmen konnten.
Wenn die Bundesregierung mit Zustimmung des Bauernverbandes nun bereit ist, den Getreidepreis vorzeitig zu harmonisieren, so kann man wohl mit Recht behaupten, daß damit deutscherseits ein Höchstmaß an europäischem Verständigungswillen bewiesen wird, der wohl auch durch eine ebenso große Bereitschaft zu einer echten Partnerschaft in der gesamten EWG honoriert werden muß.
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Unser Kollege Dr. Starke hat eingehend zu der Grundsatzfrage des Beschlusses der Bundesregierung Stellung genommen und dabei auf unsere Bedenken hinsichtlich der künftigen Gestaltung der Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft hingewiesen. Wir Freien Demokraten sind nach wie vor der Auffassung, daß auch in einem Industriestaat der Landwirtschaft die Möglichkeit gegeben werden sollte, auf der Basis kostendeckender Preise ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Dieser Weg erscheint uns volkswirtschaftlich nach wie vor richtiger, als über Einkommens- und Sozialsubventionen den Weg der Umverteilung über Steuermittel zu gehen.
Leider zwingen gerade die Zusagen der letzten Woche zu neuen Subventionen. Soweit solche Mittel als Anpassungshilfen mit vorübergehendem Charakter, insbesondere zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, gewährt werden, findet 'die Gewährung solcher Beihilfen unsere Zustimmung. Auf lange Sicht muß es auch das Ziel der EWG-Agrarpolitik sein, den Erzeugern einen gerechten Preis zuteil werden zu lassen; damit 'befindet man sich dann in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen des EWG-Vertrages. Dieser Weg ist für die Verbraucher und die Erzeuger der bessere und der zweckmäßigere.
In der Öffentlichkeit wurde gerade in den letzten Wochen wiederholt der Versuch gemacht, den Freien Demokraten vorzuwerfen, sie steuerten im Hinblick auf die deutsche Agrarpolitik einen protektionistischen Kurs auf eine angebliche Bauernfängerei. Herr Kollege Schmidt hat uns hier apostrophiert, deshalb sei es mir gestattet, hierzu ein paar Worte zu sagen. Herr Kollege Schmidt, wir Freien Demokraten sind in der glücklichen Lage, nicht ständig Programmänderungen vornehmen zu müssen.
Im Berliner Programm können Sie genau unsere Stellungnahme zur Agrarpolitik nachlesen. Ich möchte Ihnen das sehr empfehlen. Sie würden dann feststellen, daß wir uns bis heute bemüht haben, auf der Basis unseres Berliner Programms einen agrarpolitischen Kurs zur Erhaltung der Landwirtschaft zu steuern.
Wenn es um die Erhaltung einer leistungsfähigen deutschen Landwirtschaft geht, muß auch in einem Industriestaat eine ähnliche Rücksichtnahme im Rahmen der Gesamtwirtschaft geübt werden, wie sie z. B. beim Kohlenbergbau als selbstverständlich gilt. Bei der Eingliederung in den europäischen Markt, in dem die deutsche Landwirtschaft einer Konkurrenz der anderen Partnerstaaten ausgesetzt ist, die durch staatliche Hilfsmaßnahmen in der Produktion, auch im Absatz und in der Exportförderung stärkstens begünstigt sind, muß bedacht werden, daß die deutsche Landwirtschaft ohne ähnliche Staatshilfen in den Wettbewerb gehen muß. So waren wir immer wieder gezwungen - und sind das wohl auch heute noch -, darauf hinzuweisen, daß von einem echten europäischen Markt erst gesprochen werden kann, wenn die Kosten ebenso harmonisiert wie die Wettbewerbsverzerrungen beseitigt sind und wenn 'die Marktmonopole in gewissen Partnerländer echt europäisiert werden.
In der letzten Woche ist das Wort vom „europäischen Frühling" gefallen, den wir uns alle wünschen und brauchen. Wir können nur wünschen, daß diese Hoffnung sich erfüllt. Dabei kommt es auf echte politische Verständigung an und nicht nur auf eine Verständigung in Form von wirtschaftlicher Integration, in welcher ein Teil erhebliche Vorteile hat, während der andere ständig erhebliche Opfer bringen soll.
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Wir möchten auch nicht hoffen, daß dieser „europäische Frühling" nur in Form eines Wintermärchens stattfindet. Als Landwirt möchte ich hinzufügen: dem Frühling geht voraus der Winter mit Frost. Wir möchten nicht hoffen, daß die Entwicklung im europäischen Markt nur dadurch gefördert wird, daß ähnlich den Frostschäden zunächst unsere deutsche Landwirtschaft erheblichen Benachteiligungen ausgesetzt ist. Dabei sind wir uns durchaus bewußt, daß die kommende Entwicklung manchen Umwandlungsprozeß für die deutsche Landwirtschaft nach sich ziehen muß, wie er sich ja bereits seit einem Jahrzehnt abzeichnet.
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und europäische Politik bedarf natürlich insgesamt einer Fortentwicklung. Nachdem wir nun wiederum seitens der Bundesregierung eine beachtliche Vorleistung erbracht haben, ist es nun an der Zeit, nochmals daran zu erinnern, daß bis heute keine Fortschritte hinsichtlich einer echten parlamentarischen Kontrolle in Brüssel erreicht worden sind. Hier appellieren wir ganz besonders an die Opposition, einmal mitzuhelfen, daß dort überhaupt erst demokratischer Geist einzieht. Können wir es uns wirklich leisten, in diesem Bundestag nur noch VollErtl
zugsorgan der Brüsseler Exekutive zu sein? Dürfen wir heute in unserem Land nur noch das tun, was in den Brüsseler Amtsstuben beschlossen worden ist? Es wäre ein schlechtes Zeichen für ein kommendes demokratisches Europa, wenn die Grundfunktion des demokratischen Staates, nämlich die Gewaltenteilung in Legislative und Exekutive, laufend beiseite geschoben wird und die nationalen Parlamente in ihrer Beschlußfähigkeit so weitgehend eingeschränkt werden, daß sie praktisch nur noch die Vollzugsorgane einer Exekutive in Brüssel sind.
Zusammenfassend darf ich noch einmal betonen: Wir sagen ja zu einer politischen Einigung in Europa. Sie muß aber aufbauen auf der Basis gleicher Chancen, gleicher Pflichten und Rechte.
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Es muß ein gleiches Recht für alle herrschen, damit wir zu einer demokratischen Ordnung im gesamten Europa kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freien Demokraten haben Ihnen einen Entschließungsantrag auf Umdruck 531 *) vorgelegt, der sich in zwei Teile gliedert. Im ersten Teil wollen wir die Bundesregierung noch einmal ersuchen, bei den Beratungen zur Harmonisierung der Agrarpolitik folgende Mindestforderungen zu berücksichtigen:
Bei der Festsetzung des europäischen Getreidepreises zum 1. Juli 1967 muß unbedingt durch eine Revisionsklausel die allgemeine Kaufkraftentwicklung berücksichtigt werden.
Ferner müssen die Erzeugerpreise zwischen Brot-und Futtergetreide unverändert in der Relation 100 : 91 : 85 verbleiben.
Um die Gefahr auszuschalten, daß es bei veränderten Verrechnungskursen zu erneuten Schwierigkeiten kommt, soll der Getreidepreis in Zukunft lediglich in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Voraussetzungen für einen dauernden Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitätsweizen geschaffen werden. Gerade im Hinblick auf eine Erzeugungs-Schwerpunktbildung im kommenden europäischen Markt sollten der deutschen Landwirtschaft die Möglichkeiten, die sie durch eine erhebliche Vereinheitlichung in den Erzeugungsgebieten bei Braugerste und Qualitätsweizen erreicht hat, auch künftig erhalten werden.
Neben der Festsetzung der Preise für Getreide dürfte es dringend erforderlich sein, daß nun auch insgesamt die Preise für tierische Veredelungsprodukte harmonisiert werden, sei es für Rinder, sei es für Schweine und Geflügel, wobei auch hier berücksichtigt werden muß, daß die Kriterien, die maßgeblich die Kosten des Getreidepreises bestimmen, berücksichtigt werden müssen. Ähnliches gilt für die noch festzusetzenden Erzeugerpreise für Zuckerrüben und Ölsaaten.
Für die Bundesrepublik ist außerdem von besonderer Bedeutung die Gestaltung der landwirtschaftlichen Produktion in den marktfernen Gebieten, sei
*) Siehe Anlage 2
es in Schleswig-Holstein, sei es in den deutschen Mittelgebirgslagen, in den Zonenrandgebieten oder im bayerischen Bergbauerngebiet. Die Regionalisierung im bisherigen Umfang muß beibehalten werden. Dabei sind besonders die Probleme der einseitigen Frachtbelastungen und der Benachteiligungen durch Boden und Klima zu berücksichtigen. Im Zuge einer koordinierten Struktur- und Raumplanung muß ferner dafür Sorge getragen werden, daß auch in diesen Gebieten in Zukunft eine leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft erhalten bleibt, und zwar nicht nur wegen der Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion, sondern auch wegen der Erhaltung unserer alten Kulturlandschaft.
Im zweiten Teil unserer Entschließung befassen wir uns mit den Maßnahmen, die wir angesichts der von der Bundesregierung gefaßten Beschlüsse für dringend notwendig halten. Denn auch wir haben uns Gedanken gemacht, wie der Weg in Zukunft weitergehen soll. Vordringlich erscheint uns dabei die Ergänzung des Landwirtschaftsgesetzes in verpflichtender Form, wie es in einem Antrag meiner Fraktion klar zum Ausdruck kommt. Hierbei muß noch einmal auf das Problem der Preise und Subventionen hingewiesen werden. Wie ich bereits eingangs betont habe, halten wir eine Preis-Politik für die Einkommensgestaltung der Landwirtschaft für wesentlich sinnvoller als den Einkommensausgleich über Subventionen.
Zu den Sozialmaßnahmen ist folgendes zu sagen. Der französische Landwirtschaftsminister Pisani hat in einem Interview kürzlich der deutschen Bundesregierung geraten, ähnliche umfassende Sozialmaßnahmen einzuführen, wie sie Frankreich für die eigene Landwirtschaft durchführt. Dazu möchten wir Freien Demokraten ganz klar Stellung nehmen. Sozialmaßnahmen als Ersatz für Einkommen lehnen wir generell ab. Sozialmaßnahmen in der gewährten Form der Altershilfe, eines Zuschusses zur Berufsgenossenschaft, des Ausbaus der ländlichen Krankenversicherung, der Förderung des Betriebshelfer-und Dorfhelferinneneinsatzes werden auch von uns vollauf befürwortet. Sozialmaßnahmen sind Maßnahmen, die der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsfürsorge dienen sollen. Sie können aber niemals - und das sei noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt - Einkommensersatz sein.
Maßnahmen, die zur beschleunigten Anpassung an den EWG-Markt erforderlich sind, müssen nach unserer Auffassung in einem EWG-Anpassungsgesetz festgelegt werden. Dieses EWG-Anpassungsgesetz soll sich in drei Teile gliedern: 1. Investition, 2. Qualitätsverbesserung, Absatzförderung und Marktstruktur, 3. Verbesserung der Struktur.
Wir kommen dabei zurück auf unsere früheren Vorstellungen zur Entwicklung eines langfristigen Investitionsprogramms. Dieses Programm soll mit einer Laufzeit von zehn Jahren veranschlagt werden. Dabei müssen sich die Investitionen der Landwirtschaft in die Formen der Strukturinvestitionen, der Gebäudeinvestitionen, der technischen Investitionen und der Rationalisierungsinvestitionen gliedern. Die einzelnen Kreditarten müssen je nach Laufzeit und entsprechend der Belastbarkeit zinsgünstig gegeben
werden. Dabei muß besonders berücksichtigt werden, daß durch die Strukturmaßnahmen erhebliche langfristige Belastungen auf vielen Betrieben ruhen. Inwieweit hier überhaupt Zinsen angebracht sind, muß noch eingehend untersucht werden. Im Zusammenhang mit diesem langfristigen Investitions- und Technisierungsprogramm muß die Bereinigung der hochverzinslichen Altschulden gesehen werden.
Ein Wort noch zu den Gebäude- und technischen Investitionen: Auch in Zukunft wird noch ein erheblicher Bedarf an Modernisierung bei Gebäuden und bei der Anschaffung von Maschinen sein. Angesichts der schwierigen Einkommenssituation in der Landwirtschaft muß die Zinshöhe so gestaltet werden, daß die Tilgung auch bewältigt werden kann. Strukturmaßnahmen müssen im Hinblick auf den allgemeinen Charakter weitgehend in Form von Zuschüssen und zinslosen Darlehen gegeben werden. Im Rahmen des Investitionsprogramms müssen vor allem auch Forschungsvorhaben für Technisierung, Modernisierung und Rationalisierung nachhaltig gefordert werden, denn nach wie vor ist in vielen Fragen noch keine Endphase abzusehen. Im Rahmen des Investitionsprogramms muß auch die Last der Altschulden bei jenen Betrieben, die frühzeitig investiert haben, berücksichtigt werden.
Die Förderung der Produktion bedarf einer sinnvollen Konstruktion von Erzeugung, Absatzförderung und 'Vermarktung. Entsprechend den bäuerlichen Gegebenheiten wird es notwendig sein, Erzeugungsschwerpunkte zu bilden. Das gilt sowohl für die Bodenproduktion - wie schon erwähnt, beispielsweise in Form von Qualitätsgerste und Qualitätsweizen - als auch für die. Veredelungsproduktion, also für Milch, Mast oder ähnliches mehr. Dazu ist wiederum sowohl die Förderung von Erzeugergemeinschaften als auch die Absatzförderung und Marktregulierung mit dem Ziel eines ständig gesicherten Absatzes und Marktes notwendig. Das erfordert einerseits die Regelung der Marktstruktur, wird aber nur dann wirksam sein können, wenn auf lange Sicht die 'Marktstruktur verbessert wird und wirksam gemacht werden kann durch einen entsprechenden Marktfonds. Daß dabei Rücksicht zu nehmen 'ist auf die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse in der Vermarktung und daß durch staatliche Förderungsmaßnahmen nicht neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen dürfen, versteht sich von selbst. Bei den 'Maßnahmen zur Stärkung des Absatzes spielen Werbung und Agrarexport eine bedeutende Rolle und verdienen daher unser ganzes Augenmerk.
Der dritte Teil unseres Anpassungsgesetzes soll eine langfristige 'Strukturplanung auf der Basis eines langfristigen Strukturprogramms ermöglichen. Auch hier haben wir, Herr Kollege Schmidt, solange ich FDP-Debatten zum Grünen Plan und Grünen Bericht kenne, immer wieder daran erinnert, daß wir ein langfristiges Strukturprogramm befürworten. Sie hätten es schon lange duchgesetzt, wenn Sie unseren Anträgen zugestimmt hätten. Offensichtlich haben Sie dieses Problem verschlafen.
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Ich würde einmal die Protokolle der letzten Debatten zum Grünen Plan und Grünen Bericht nachlesen; Sie dürfen sogar die Protokolle der letzten drei Jahre nachlesen.
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- Nein, wir hätten uns gefreut, wenn uns die Opposition unterstützt hätte, dann hätte wahrscheinlich die CDU auch noch mitgemacht, dann hätten wir schon längst erreicht, was wir wollten, aber offensichtlich haben Sie es nicht mitbekommen.
Die Strukturmaßnahmen müssen mit der Raumordnung eng gekoppelt werden. Hoffentlich müssen wir dabei mit der Raumordnung nicht dieselbe Erfahrung machen wie mit dem Bundesbaugesetz, das auf dem Lande oft geradezu ein Bauverhinderungsgesetz geworden ist. Zu der Entwicklung der Agrarstruktur ist grundsätzlich zu sagen: in den letzten 50 Jahren mußte die deutsche Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Betriebsgröße, Boden und Klimaverhältnisse um jeden Preis produzieren. Dadurch wurde die Struktur erheblich konserviert. Der Strukturwandel ist nicht nur ein Problem des Betriebes und seiner Größe, sondern auch ein Problem der Menschen und Generationen in der Landwirtschaft. Der Strukturwandel kann daher, wenn es nicht zu gesellschaftspolitischen Schwierigkeiten kommen soll, nur kontinuierlich und langfristig betrieben werden. Das Ziel muß die Erhaltung eines leistungsfähigen bäuerlichen Betriebes sein. Das Kriterium kann dabei nicht allein die Fläche sein, sondern ebenso das Können und Wollen des Bauern und seiner Familie. Wir denken zunächst an jene Betriebe, die für die Zukunft erhalten bleiben wollen, weil die bäuerliche Familie ja sagt. Hier müssen durch die staatliche Hilfe die Voraussetzungen zu einer modernen Bewirtschaftung geschaffen werden. Zweitens denken wir an jene Personen, die, aus was für Gründen auch immer - nicht durch staatlichen Zwang - von sich aus aus dem landwirtschaftlichen Produktionsprozeß ausscheiden wollen. Hier bedarf es einer sinnvollen Koordinierung aller möglichen Maßnahmen: Weiterbildung, Umschulung und Fortbildung. Besonders wichtig erscheint aber hier die Raumordnung; jenen Menschen muß auch ihr Wohnsitz auf dem Lande erhalten bleiben können, und sie müssen ihr Zusatzeinkommen dann eben in einer industriellen oder gewerblichen Beschäftigung finden. Das dritte Problem ist die Mobilisierung von frei werdendem Boden.
Die Gefahren einer deutschen Getreidepreissenkung liegen darin, daß die industriellen Veredelungsproduzenten die bäuerlichen zum Erliegen bringen. Daher muß die bäuerliche Veredelungswirtschaft am Boden gebunden bleiben. In diesem Zusammenhang muß auf die Gefahren einer Überproduktion von Veredelungserzeugnissen hingewiesen werden. Getreideüberschüsse werden heute in der hungernden Welt überall gern abgenommen. Anders ist es dagegen mit der Veredelungsproduktion. Oder ist es etwa das Ziel, durch eine Überproduktion in der Veredelungswirtschaft die deutsche Landwirtschaft in Schwierigkeiten zu bringen? Ich frage deshalb, meine sehr verehrten Kollegen
von der Opposition, weil unsere verehrte Frau Kollegin Strobel und manche ihrer Kollegen von der Opposition immer so sehr von der Notwendigkeit einer verstärkten Veredelungsproduktion in der Bundesrepublik reden. Die Überfüllung des Agrarmarktes mit Veredelungsprodukten könnte das gefährlichste Experiment für die deutsche Landwirtschaft werden.
Abschließend ein Wort zu den Anpassungshilfen. Ich möchte auf die Ausführungen des Kollegen Struve nicht näher eingehen. Wir werden im Ernährungsausschuß über die Einzelheiten zu sprechen haben. Wir möchten uns heute mit grundsätzlichen Bemerkungen zufrieden geben. Staatliche Anpassungshilfen müssen so gegeben werden, daß sie gerecht und wirksam verteilt werden, daß niemand bevorzugt und auch niemand benachteiligt wird. Keinesfalls wollen wir sie nach dem Motto, das jüngst in der Öffentlichkeit verkündet worden ist, nämlich die Reichen reicher zu machen und die Armen ärmer, verwendet sehen. Unbedingt muß die Leistung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen berücksichtigt werden.
Die Freien Demokraten haben sich wiederholt für die Erhaltung einer leistungsfähigen bäuerlichen Landwirtschaft ausgesprochen. Seit der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes im Jahre 1956 haben wir leidenschaftlich darum gerungen, die deutsche Landwirtschaft in den Rahmen der industriellen Entwicklung gerecht einzugliedern. Was in den letzten Jahren für die deutsche Agrarpolitik national bedeutsam war, ist jetzt besonders für die europäische Agrarpolitik notwendig und zu bejahen. Es geht um die Schicksalsfrage im Rahmen einer gerechten Gesellschaftsordnung. Ein gesundes Europa ist ohne ein gesundes Bauerntum nicht denkbar.
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({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß es zur Ordnung dieses Hauses gehört, nicht mit einem vorbereiteten Konzept hier heraufzugehen. Hätte ich heute eines, dann würde ich Ihnen, Herr Präsident, die Rede übergeben, um Sie endlich zu erläsen, damit diese Debatte zu Ende wäre.
({0})
Aber ich habe leider kein vorbereitetes Konzept. Infolgedessen erlauben Sie mir, daß ich so schnell, wie das überhaupt nur möglich ist, noch ein paar Dinge sage.
Herr Kollege Schmidt, was glauben sie eigentlich, wird man in der deutschen Landwirtschaft denken, wenn man 'dort die Rede, die Sie heute gehalten haben, einmal in Ruhe nachliest? Sie wird sich dann fragen: Ist das der konstruktive Beitrag der deutschen 'Sozialdemokratie zur deutschen und europäischen 'Landwirtschaftspolitik?
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Wissen Sie, warum ich Ihnen diese Frage stelle? Ich stelle Ihnen die Frage deshalb, weil Sie in ,einen großen Aufwand von Worten und tragisch gefüllten Ausführungen zwei Dinge eingepackt haben, die schlicht und einfach nichts anderes bedeuten als praktisch die Zustimmung Ihrer Fraktion zu der von der Bundesregierung gefundenen Vereinbarung.
Sie sagten einmal, Herr Kollege Schmidt - ich habe es mir genau notiert -: „Der Steuerzahler wird sicher bereit sein, das Seinige zum Ausgleich beizutragen." Das war die eine Aussage. Das ist positiv, und ich danke Ihnen dafür.
Es gibt eine zweite Aussage: Die SPD macht der Bundesregierung und der Koalition keinen Vorwurf ob dieser Einigung.
Herr Schmidt, das sind eigentlich die beiden einzigen Kernsätze. Wenn man sie aus Ihrer Rede herausschält, sind sie die versteckte und verdeckte Zustimmung zu einer Einigung, .die allerdings von uns herbeigeführt worden ist. Ihr ganzer Ärger muß offensichtlich nur .daraus ,entstanden sein, daß Sie sehr spät geschaltet und nicht gemerkt haben, daß der Zug mit dieser Angelegenheit für Sie abgefahren war.
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Herr Kollege Schmidt, über die ganze Tragikomödie des ersten Teils Ihrer Rede will ich nichts mehr sagen. Ich habe heute nacht einmal eine Stunde nicht geschlafen. Da habe ich mir gedacht, - ({3})
- Ich bin bald 50, Herr Kollege, und da kommt das manchmal vor. Herr Kollege Schmidt, da habe ich darüber nachgedacht: Was wird der Kollege Schmidt heute zum besten geben? Ich habe mir überlegt, womit beginne .ich nun die Erwiderung auf seine Rede. Und wissen Sie, was mir da eingefallen ist? Etwas viel Freundlicheres als eine Grabrede oder .etwas Ähnliches. Ich bin zu Lehar gekommen. Sie kennen doch die Operette in der es heißt: immer nur lächeln und immer vergnügt. Bei ihnen müßte man sagen: immer nur grollen und niemals vergnügt; und wenn ich an Ihr Bauernherz .appelliere, dann müßte ich noch ,den Schlußsatz hinzufügen: doch niemals zeigen, wie's drinnen aussieht.
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Denn fin Wahrheit, lieber Kollege Schmidt - ich kenne Sie nun seit elf Jahren -, sind die zwei vorhin herausgepickten Sätze Ihr Bekenntnis zu dieser Vereinbarung, und es paßt weder zu Godesberg noch zu Karlsruhe, daß plötzlich in so kurzer Zeit dieser Bundeskanzler und diese Bundesregierung eine solche Vereinbarung hier auf den Tisch legen konnte.
Eine weitere Konsequenz werden die deutschen Bauern aus Ihrer Rede herauslesen. Ich bin der festen 'Überzeugung, sie werden zu dem Schluß kommen, daß es um die deutsche Landwirtschaft nicht allzu schlecht bestellt sein wird, im Gegenteil, daß für diese deutsche Landwirtschaft und ihre Zukunft gesorgt ist, wenn diese unsere Agrarpolitik auch über das Jahr 1965 fortgesetzt werden kann. Das ist eine weitere Konsequenz, die man daraus herauslesen kann.
Herr Kollege Schmidt, eines habe ich auch nicht verstanden. Wen wollten Sie denn eigentlich bei Ihren Ausführungen, die nach Brüssel gerichtet waren, ermuntern? Die anderen, uns das Leben dort noch schwerer zu machen?
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Besteht die sozialdemokratische Agrarpolitik nur darin, Wasser auf die Mühlen der anderen zu gießen, oder ist es nicht so, daß Sie auch ein bißchen an die deutsche Position denken sollten?
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Damit, lieber Herr Kollege Schmidt, will ich zum Ernst des Problems und zu dem Ernst, der diesem Hause angemessen ist, zurückkehren. Ich will Gesagtes nicht mehr wiederholen. Ich will nur für meine Freunde von der Landesgruppe nochmals besonders betonen, daß wir die erfolgreichen Bemühungen des Bundeskanzlers im Zusammenwirken mit der Koalition und dem Berufsstand auf einem wichtigen Teilgebiet der europäischen Politik begrüßen. Wir sehen von uns aus darin einen erneuten Beweis deutscher Bemühungen um ein politisch und wirtschaftlich zu einigendes Europa. Dieser deutsche Beitrag, um nicht sagen zu müssen: dieses große Opfer, das insbesondere unserer Landwirtschaft hier zugemutet wird - jetzt passen Sie gut auf, Herr Kollege Schmidt, wir kritisieren auch, wir, die CSU -, ist uns deshalb so schwer geworden, weil wir glauben, daß der uns hier aufgezwungene agrar- und wirtschaftspolitische Weg falsch ist. Wir halten jede Umwandlung von bisherigen echten Einkommen in Hilfen der öffentlichen Hand dort, wo sie irgend vermeidbar sind, für verhängnisvoll. Diese Politik allerdings, meine sehr verehrten Kollegen, kann in diesem Hause nur kritisiert werden. Die Weichen für sie werden in erster Linie von der Kommission in Brüssel und vom Ministerrat in Brüssel gestellt. Deshalb sprechen wir es aber hier in diesem Hause an.
Lassen Sie mich etwas Weiteres hinzufügen. Wenn wir unsere Landwirte als freie und selbständige Unternehmer erhalten wollen, müssen wir uns darum bemühen, in erster Linie über Kosten- und Preisgestaltung zu helfen, statt sie immer stärker in die Abhängigkeit der öffentlichen Hand zu drängen.
Dies gilt allerdings, Herr Kollege Schmidt, auch für manche übertriebenen sozialpolitischen Vorstellungen. Ich habe schon im März dieses Jahres darauf hingewiesen, daß nach unseren Vorstellungen Sozialhilfen in der Landwirtschaft und bei den Selbständigen schlechthin dort ihre Grenze haben, wo sie die Unabhängigkeit und die Selbständigkeit des bäuerlichen Betriebs zu gefährden beginnen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den übrigen Wirtschaftsbereich.
Wir haben es bisher in unserer nationalen Agrarpolitik fertig gebracht, ein günstiges Verhältnis - das sage ich auch an die Adresse dieses Landwirtschaftsministers, der heute so kritisiert und so angegriffen worden ist - von echtem Einkommen zu öffentlichen Hilfen zu erhalten. Wir möchten deshalb
die Bundesregierung und unsere Kollegen im EWG-Parlament um so mehr bitten, dafür zu sorgen, daß auch die europäische Agrarpolitik auf diesen Kurs unserer bisherigen politischen Vorstellungen gebracht wird.
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Die CDU/CSU hat Ihnen eine Entschließung auf Umdruck 532 *) vorgelegt, die eine Dokumentation unserer Vorstellungen für die laufenden Verhandlungen in Brüssel darstellt. Mit Rücksicht auf die Zeit erspare ich mir, darauf einzugehen. Sie liegt Ihnen vor und wird zu Protokoll genommen. Ich glaube auch, der Großteil der Kollegen, die jetzt hier sitzen, kennen unsere Vorstellungen; ich brauche sie nicht noch einmal vorzutragen. Sie reichen von der Aktualisierung der Getreidepreise bei ihrem Inkrafttreten im Jahre 1967 bis hin zu der Vorstellung - bezüglich der Regionalisierung -, daß schließlich und endlich das Verhältnis der einzelnen Getreidesorten untereinander und daß eine entsprechend harmonisierte Verkehrspolitik entscheidende Voraussetzungen für das Inkrafttreten eines gemeinsamen Preises sind.
Aber so sehr uns die Verhandlungen um den Getreidepreis zur Zeit bewegen, möchte ich doch darauf hinweisen - ich glaube, auch Sie, Herr Kollege Schmidt, haben in Ihrem SPD-Pressedienst darauf hingewiesen -, daß es nach den vorliegenden Äußerungen von den verschiedensten Seiten nicht ausgeschlossen erscheint, daß auch andere Produktenpreise auf den Verhandlungstisch kommen. Die Rede ist da von allem möglichen, von Milch und Fleisch. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß damit Einkommensteile für unsere Landwirtschaft angesprochen sind, die in weiten Gebieten der Bundesrepublik 80 und 90% des gesamten landwirtschaftlichen Einkommens überhaupt darstellen.
Deshalb sei die - hoffentlich unbegründete - Sorge ausgesprochen, daß es auf diesem Feld nicht zu weiteren schwerwiegenden Problemen für unsere Landwirtschaft kommt. Sollte dennoch ein umfangreicheres Verhandlungspaket in Brüssel zustandekommen, so sei nur am Rande daran erinnert, daß es dann auch deutsche Wünsche gibt, die wir gern auf dem Tisch sehen. Ich darf etwa nur auf die marktgerechte Festsetzung des Orientierungpreises für die Rinder, auf die Absicherung des Erzeugermilchpreises, insbesondere durch die Fortgewährung des Förderungszuschlages, und schließlich auf die bisher fehlende Bereitschaft der Kommission verweisen, eine gewisse Ordnung und Regelung etwa des Hopfenmarktes in Angriff zu nehmen. Ähnlich liegen die Dinge bei der noch bevorstehenden Zuckermarktordnung und bei der Regelung des Zuckerrübenpreises.
Mein Kollege Struve hat über die zusätzlichen Maßnahmen des Jahres 1965 gesprochen. Sie wissen, daß es auch Vorstellungen für das Jahr 1966 gibt, wonach eine weitere Aufstockung, Herr Kollege Schmidt, hoffentlich mit Ihrem und mit unserem
*) Siehe Anlage 3
Zutun, erfolgen soll. Auch über den Einsatz dieser Mittel gibt es bereits erste Überlegungen.
Für die CDU/CSU möchte ich hier schon erklären, daß wir diese Mittel im wesentlichen in Richtung Agrar- und Marktstruktur eingesetzt wissen wollen. Aus den vier in der Zwischenzeit bekanntgewordenen Vorschlägen zur Verbesserung der Marktstruktur oder zu einem Marktstrukturfondsgesetz wird hoffentlich ein von allen Kreisen der Wirtschaft gutgeheißener und .von uns verabschiedeter Gesetzesvorschlag werden, der uns die Möglichkeit gibt, diesen Fonds aufzubauen und in Richtung Marktstruktur einzusetzen und zu nutzen.
Auf dem Feld der Agrarstruktur möchte ich neben der Verstärkung der bisherigen Maßnahmen insbesondere die Mittel hervorheben, die wir bisher für die von der Natur benachteiligten Gebiete ausgegeben haben. Auf diesem Gebiet stellen wir uns ein Mehr vor.
Gleichzeitig darf ich bei dieser Gelegenheit neue Initiativen meiner Fraktion auf dem Gebiet der Strukturpolitik, der Agrarstrukturpolitik ankündigen.
Alles Entgegenkommen aber, alles Bemühen zur Vereinheitlichung der Preissysteme in Brüssel bleibt nach unserer Auffassung Stückwerk, wenn nicht in der Harmonisierung der Kostenelemente Fortschritte erzielt werden. Der Klimmzug, den wir jetzt machen müssen, wäre unnötig, wenn in dieser Richtung mehr erreicht worden wäre. Wir möchten deshalb die Kommisison erneut ermuntern, ihre so oft überschäumende Aktivität in dieser Richtung einzusetzen. Denn ohne Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen und ohne Angleichung der Kosten wären gemeinsame Preise ein Dach ohne soliden Unterbau.
({8})
Als die sich anbahnende Einigung über einen deutschen Beitrag zur Angleichung der Getreidepreise bekannt wurde, fehlte es nicht an Anerkennung für den Bundeskanzler, die Koalition und die deutsche Landwirtschaft. Bald aber meldeten sich die Kritiker, die Zweifler und die Besserwisser zu Wort. Meine Damen und Herren, darunter sind sehr viele, die vorher nicht oft und laut genug sagen konnten: Macht endlich voran mit dieser Preisharmonisierung! Jetzt, wo der Vorschlag da ist, kommen ihnen plötzlich die Bedenken und die Zweifel, und sie würden am liebsten rückwärts wieder aus dem Geschirr herausgehen. Das sei diesen Kreisen einmal ins Tagebuch geschrieben. .
Meine Damen und Herren, angesichts der politischen Bedeutung dieses Schrittes für die europäische Einigungspolitik und in Abwägung des Spielraums, den die weit fortgeschrittene Integration in der europäischen Landwirtschaft überhaupt noch ließ, halten wir die erreichte Lösung trotz der geäußerten grundsätzlichen Bedenken für eine optimale Lösung.
Lassen Sie mich noch ein Wort hinzufügen: Sie ist nach unserer Auffassung weder zu früh noch zu spät gekommen, sondern, wie wir meinen, im richtigen Augenblick, sowohl was die Wirkung nach innen als auch was die Wirkung nach außen anlangt. Bezüglich der Wirkung nach innen insofern, als
endlich die Verdächtigungen ausgeräumt sind, als wollten wir Entscheidungen ausweichen oder sie über bestimmte Termine hinausschieben oder als fehlte es uns, der Koalition, an dem Mut zu schweren Entschlüssen. Regierung und Bauernstand haben sich, so meine ich, der Bedeutung dieses Beschlusses gewachsen gezeigt. Und wir danken beiden dafür.
Was die Wirkung nach außen betrifft, so konnten wir insbesondere unseren Partnern in der EWG auf diese Weise wieder einmal beweisen, daß die Bundesrepublik in Gesinnung und Tat europäisch denkt und europäisch handelt. Wir haben den sehnlichen Wunsch, daß dieser mutige Schritt und dieses erneute Opfer der deutschen Land- und Volkswirtschaft von den anderen EWG-Staaten gewürdigt wird und zu konstruktiven, in eine gute gemeinsame Zukunft gerichteten Beschlüsse führt.
({9})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß die Opposition den heutigen Nachmittag zu einem großen Fest gestalten würde. Darüber waren wir alle nicht überrascht. Überrascht waren wir eigentlich mehr über die Methoden; denn ein Fest sollte doch zumindest so stattfinden, daß man auch festliche Möglichkeiten nutzt und nicht eine Fülle von unrichtigen Daten auf den Tisch legt, wie wir sie heute vernommen haben.
Herr Kollege Schmidt, ich weiß, daß auch Sie Bauer mit Leib und Seele sind. Aber es wundert mich, daß Sie davon heute in Ihren Ausführungen so weit abgerückt sind, daß wir wirklich herzlich wenig davon gemerkt haben. Denn die Vorwürfe, die Sie an die Regierung, insonderheit an das Bundeslandwirtschaftsministerium, gerichtet haben, sind doch im wesentlichen an den Dingen erheblich vorbeigegangen.
Es war für Sie natürlich eine große Freude, festzustellen, daß der Getreidepreis, von dem wir selbstverständlich immer gesagt haben, daß wir ihn halten wollten, nun nicht mehr gehalten wurde. Aber sagen Sie einmal: Warum haben wir ihn denn halten wollen? Doch unter allen Umständen deswegen, weil wir die Landwirtschaft vor Schaden aus diesem und aus den angrenzenden Bereichen bewahren wollten.
({0})
Wir stehen heute vor der Tatsache, daß irgendwann und irgendwie ein Ausgleich in irgendeiner Höhe erfolgen soll. Aber vorher werden bereits Leistungen vollzogen, die ganz erheblicher Art sind. Hier sind Voraussetzungen eingetreten, die zumindest bei meinem Amtsantritt nicht vorherzusehen waren. Das möchte ich hier feststellen. Wenn Sie aber meine persönliche Meinung hören wollen - hier spreche ich nur ad personam -, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß mir eine Getreidepreis7562
höhe in der alten Richtung lieber wäre als alles andere,
({1})
einfach deswegen, weil ich das aus dem Produkt verdiente Geld weit höher schätze als jede Art von Subvention, auch wenn diese den doppelten Preis erbringen sollte.
({2})
Wenn sich aber im Laufe der Zeit politische Notwendigkeiten ergeben, die gravierend sind - ({3})
- Ich brauche nicht auf das hinzuweisen, was der Herr Bundeskanzler am letzten Mittwoch hier gesagt hat. Ich spreche nur von den politischen Notwendigkeiten, die sich aus Bereichen ergeben, die ich nicht zu vertreten habe, die ich aber nicht verkenne. Deshalb muß ich schon sagen, daß man die Dinge wenigstens objektiv betrachten sollte.
Sie haben uns Vorwürfe gemacht, wir hätten von meinem Hause aus keinerlei Konzeption dafür, wie nun die Gelder, die hier in Aussicht gestellt sind, verwendet werden sollen. Ich darf daran erinnern, daß wir einen Teil im sozialen Bereich ausgeben werden; dagegen werden Sie wohl keine Einwendungen zu erheben haben. Auch einige andere Dinge werden ohne weiteres klargehen. In bezug auf Investitionen und Rationalisierung wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Hohen Hause etwas unternehmen, was dann auch unter Ihrer Mitwirkung Gestalt annehmen soll. Das ist, glaube ich, eine bessere Methode, als wenn man in einsamem Gang im Kabinett etwas hinlegt, was gewissermaßen erledigt werden könnte, ohne daß Sie auch nur gefragt würden. Deswegen sollten wir gemeinsam arbeiten und nicht so verfahren, wie Sie das, wenn ich es richtig verstanden habe, beabsichtigen, nämlich jede Mitarbeit an dem Problem abzulehnen.
Sie haben unsere Tätigkeit in Brüssel außerordentlich hart angegriffen. Herr Dr. Schmidt, ich möchte Ihnen nur eines sagen: wer als einziger in einer Situation steht, daß ihm die Herabsetzung eines Preises abverlangt wird, ist natürlich gegenüber denjenigen, die ihn nur anzuheben brauchen und die auf diese Art und Weise ganz anders in der Lage sind, einen Druck auszuüben, erheblich im Nachteil.
({4})
Wir haben hier - gewissermaßen aus der Materie heraus - in einer Verteidigungsstellung stehen müssen, die weiß Gott von uns nicht gewünscht war, die sich aber deshalb ergeben hat, weil man sich auf der anderen Seite vor Preiserhöhungen scheute. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß natürlich auch da gewisse Berechtigungen vorlagen.
Die Vorwürfe wegen der Haushaltsmittel für 1963 sind reichlich altbacken. Wir haben sie in Berlin, wie ich glaube, eingehend erörtert, und ich brauche nicht wieder darauf einzugehen. Ich möchte sagen, daß es keineswegs ein Versehen des Hauses war, daß vielmehr hier sehr viele Umstände zusammentrafen. Da Sie aber später in irgendeiner Korrespondenz, die Ihnen nahesteht, schrieben, wir würden
für 1964 dasselbe Manöver bewußt ausüben, um für Wahlagitation und was weiß ich Mittel bereit zu haben, werden wir Ihnen laufend berichten. Daraus werden Sie erkennen, daß das Möglichste getan ist, um die Mittel so gut und so richtig zu verwenden, wie es eine ordentliche Haushaltsgebarung vorschreibt.
Die Struktur, sagen Sie, stagniere. Dazu kann ich nur feststellen: Diejenigen, die im Ernährungsausschuß mitarbeiten, wissen, daß wir fast die Hälfte des Grünens Plans für Strukturverbesserungen verwenden. Man sollte nicht darüber zetern, daß hier zuwenig ausgegeben werde. Ich kann mir nämlich vorstellen, daß es auch einmal zuviel werden könnte, und zwar insofern, als man unbedachte Maßnahmen auf dem Gebiet der Struktur durchführen könnte. In unserer Landwirtschaft gibt es eine ganz, ganz große Zahl von Betrieben, die strukturell in Ordnung sind und denen es dennoch nicht gut geht.
({5})
Wenn wir für eine weise Verteilung der Mittel - sei es für struktur-, sei es für einkommensverbessernde Maßnahmen - eine gemeinsame Konzeption finden wollen, so muß sie so sein, daß sie auch für die Zukunft taugt.
Ein recht kluger Journalist hat kürzlich in einer großen Tageszeitung geschrieben:
Die sog. Fortgeschrittenen sollten sich darüber im klaren sein, daß durch ihre Fortschritte heute schon Milliarden vergeudet werden.
Ich will mir das nicht ganz zu eigen machen; aber gemeint hat er damit, daß man sich, wenn in puncto Struktur etwas allzu heftig geschieht, nach einigen Jahren darüber klarwerden muß, ob das, was man getan hat, weise gewesen ist.
Sie haben Ihre Kritik dann an der Marktstruktur aufgehängt. Ich kann nur sagen, die horizontale und die vertikale Verbundwirtschaft, die mit erheblichen Mitteln gespeist wurden, haben schon ihre Früchte getragen. Ich möchte dazu auch folgendes sagen. Wir haben in der Bundesrepublik ein System von Handel und Genossenschaften, um das uns manche anderen Länder beneiden. Ich will hier von Holland, wo alles besonders gut funktioniert, absehen. Wenn man sich dort, wo alles, sagen wir einmal, in einem gewissen Rückstand ist, sehr harter Methoden bedient, sollte man diese harten Methoden nicht ohne weiteres auf uns übertragen und glauben, sie seien auch bei uns notwendig; denn es hat sich auch schon manches zu Tode organisiert.
Die Frage der agrarpolitischen Konzeption für die EWG in der Zukunft möchte ich nur ganz kurz streifen. Selbstverständlich haben wir nicht nur ein Professoren-Gutachten und einen wissenschaftlichen Beirat, selbstverständlich haben wir auch unsere Bundesforschungsanstalten, und selbstverständlich holen wir immer wieder den Rat der einschlägigen Wissenschaftler ein. Wenn aber von der EWG-Anpassung die Rede ist, kommt mir die Fragestellung - bei der man immer so tut, als gäbe es diese Anpassung bei uns nicht - genauso vor wie Schnack, den man so gemeinhin in der Zeitung liest: Wir
brauchen eine neue Strukturpolitik, wir brauchen eine neue Agrarpolitik. Das sagt sich nämlich sehr leicht, und man ist von dem Thema runter. Aber wie es eigentlich gemacht werden soll, sagen diese „Künstler" meistens nicht.
({6})
- Ja, wir sind sehr gespannt auf das, was da eines Tages noch im Ernährungsausschuß aus Ihrem Munde kommen wird.
({7})
- Na ja, wir werden sehen. Was z. B. die Anpassung an einen niedrigen Getreidepreis anlangt, so kann ich heute schon eines vorausahnen. Die Härte, mit der heute in unserem Berufsstand um die Existenz gerungen wird, ruft eher ein Mehr an Getreidemenge hervor als ein Weniger. Denn das, was man über den Preis nicht bekommt, versucht man über ein Mehr an Menge wieder hereinzuholen. Hier also eine EWG-Anpassung im Sinne einer Einschränkung des Getreidebaues oder einer Ersatzleistung oder einer Ersatzfurcht zu preisen, ist zwar theoretisch sehr einfach, die Realisierung ist hingegen außerordentlich schwierig. Denn wohin sollen unsere Bauern eigentlich ausweichen? Etwa in die Veredelung? Ich habe schon Sorge genug, daß unsere großen Betriebe, weil sie aus dem Getreide nicht mehr den entsprechenden Nutzen ziehen können, in die Veredelung einsteigen und unseren Bauern das Leben noch schwerer machen, als es für sie schon ist.
({8})
Nein, meine Damen und Herren, ich meine, wir sollten diese Dinge ohne Zorn und Eifer betrachten und mit nüchterner Überlegung aus einer Sache das beste zu machen versuchen, die nun einmal weiß Gott nicht einfach zu lösen ist. Wir sollten vor allen Dingen immer davon ausgehen, daß die Agrarpolitik ein Instrument ist, dessen Einsatz sich auszurichten hat an dem, was ökonomisch optimal, aber auch politisch, und 'hier möchte ich hinzusetzen: menschlich durchsetzbar ist. Diese Gesichtspunkte müssen miteinander verbunden werden. Ich habe nur den einen Wunsch: daß in diesem Hohen Hause stets ein Landwirtschaftsminister zu Worte kommt, der nicht nur Planquadrate im Kopf, sondern auch ein warmes Herz für die Anliegen unserer Bauern im Leibe hat.
({9})
Ich darf damit schließen, daß ich Ihnen sage: wir trugen mit dem Vorgehen, das wir besprochen haben, einer politischen Notwendigkeit Rechnung. Wir trugen dabei aber auch der Notwendigkeit Rechnung, unserer Landwirtschaft keinen 'Schaden zuzufügen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn wir nicht in allen Punkten mit der Darstellung des
Herrn Ministers Schwarz übereinstimmen, so möchte ich doch sagen; daß wir uns 'für seinen sachlichen Beitrag zu dieser wichtigen, politisch bedeutungsvollen Debatte ausdrücklich bedanken.
({0})
Ich kann leider nicht dasselbe vom Herrn Bundesminister Schmücker sagen.
({1})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion muß es
ablehnen, daß Herr Bundesminister Schmücker den Versuch unternimmt, Ausführungen unseres Fraktionssprechers in einer Weise zu qualifizieren, die weder in der Sache berechtigt ist noch dem Amt ,eines 'Bundesministers zukommt.
({2})
- Ja, eben, das käme für Herrn Bundesminister Schmücker noch erschwerend hinzu.
Meine Damen und Herren, das wäre für mich aber kein Grund gewesen, mich hier zum Wort zu melden; denn als so bedeutungsvoll ist diese Art der Polemik des 'Herrn Ministers Schmücker von uns nicht zu werten. Es ist hier jedoch in der Sache ein Ton aufgekommen, zu dem man sich äußern muß, um kein Mißverständnis entstehen zu lassen. Sie haben von einem Störfeuer gesprochen und haben damit die Ausführungen unseres Fraktionssprechers gemeint. Was hat Herr Kollege Martin Schmidt dargestellt? Erstens die Leidensgeschichte der Haltung der Bundesregierung zur Agrarpolitik im EWG-Raum und zur Getreidepreisfrage im besonderen. Für diese Leidensgeschichte ist weder der Kollege Schmidt noch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verantwortlich.
({3})
Das, was die Bundesregierung da in den letzten Jahren gemacht hat, hat allein sie und ihre Mehrheit zu verantworten.
({4})
Wenn nun nach den Worten des Bundeskanzlers in der Sache ein Opfer für Europa gebracht werden soll, dann können Sie es doch der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nicht verdenken, wenn wir diese Debatte dazu benutzen, auf die Versäumnisse der Vergangenheit hinzuweisen - das ist schließlich der Sinn einer politisch-parlamentarischen Debatte -, und wenn wir uns bemühen, die Konsequenzen aufzuzeigen, die aus der augenblicklichen Situation nach unserer Auffassung entstehen werden. Auch das, meine ich, ist unser gutes Recht, und was wir dazu sagen, sollte von der Bundesregierung als ein guter und notwendiger Rat der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gewertet werden.
({5})
Nun hatte ich bei dieser Art Ihrer Polemik, die ja nicht mit Beweisführung gleichzusetzen ist, den Eindruck, daß Sie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als eine Vereinigung von Staaten ansehen, die sich gegenseitig mit dem größten Mißtrauen begegnen müssen.
({6})
Wir sind der Meinung, bei der EWG handelt es sich um einen wirtschaftlichen Zusammenschluß befreundeter Staaten, die in den dafür vorgesehenen Instanzen bemüht sein müssen, eine vernünftige wirtschaftspolitische Synthese in diesem Raum zu entwickeln, und die bemüht sein müssen, Lösungen zu finden, die allen sechs Teilen gerecht werden.
({7})
- Selbstverständlich! Ich habe ja 'gesagt: allen sechs. Sie können doch noch bis sechs zählen.
({8})
In einem Punkt, meine Damen und Herren, können wir uns doch sicher einigen: Wir haben einen demokratischen Staat mit einem Parlament. Es ist der Vorzug dieser demokratischen Ordnung, daß man sich in einem solchen Parlament zu allen schwebenden politischen Fragen äußert. Das kann manchmal ein Nachteil sein gegenüber dem kommunistischen System, das gebe ich zu, aber es gehört zu den Grundzügen der demokratischen Ordnung. Und wir haben uns hier frei und fair geäußert,
({9})
in dem Willen und dem Bestreben, der gemeinsamen Sache zu dienen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherlich wäre es auch mir möglich gewesen, so gesetzt feierlich zu antworten, wie das Herr Kollege Möller soeben getan hat. Aber, Herr Möller - ich weiß nicht, wieviel Zeit Sie haben -, lesen Sie sich doch einmal durch, was da alles in Nebensätzen und Adjektiven und Attributen an Vorwürfen gesagt worden ist.
({0})
Das ist das - darf ich das einmal sagen -, was ich Ihren Kollegen ein wenig übel nehme: daß sie immer wieder mit diesen Nadelstichen arbeiten, haargenau an der Beleidigung vorbei, Unterstellungen bringen.
Nun sagen Sie, es sei nicht meines Amtes, hier zu qualifizieren. Selbstverständlich nicht! Aber, Herr Möller, ich wiederhole: Ich gehöre diesem Hause an von Anfang an; ich bin Parlamentarier, und mein Recht als Parlamentarier hört auch nicht auf, wenn ich da oben sitze.
({1})
Ich will mit Ihnen gleichberechtigt 'diskutieren. Mehr will ich nicht.
({2})
- Ich habe leider Ihren Zwischenruf nicht verstanden.
Dann haben Sie gesagt: „die Leidensgeschichte". Ich habe mich bemüht, in wenigen Worten darauf hinzuweisen, daß wirklich eine Vielzahl von Vorfragen zu klären gewesen ;ist. Ich hätte es für völlig falsch angesehen, wenn man hier angefangen hätte damit, zu sagen: „Das und das ist unsere Zustimmung, .und nun müßt ihr dies und jenes tun." Nun sagen Sie, ich hätte es so dargestellt, als würde es dort einen ziemlich harten Kampf geben, und unter Freunden sei so etwas doch nicht üblich. Nun, das ist immer eine Frage .des Maßes. Natürlich herrscht eine freundschaftliche Atmosphäre. Aber geboxt wird. Das ist klar. Jeder hat seine Interessen; die muß er vertreten, und ich habe es immer so gehalten, daß es eine legitime Sache der Politik ist, auch seine Interessen zu vertreten.
Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß die große Kunst der Politik nicht darin liegt, Verträge zu machen oder dies oder jenes in Gesetzen festzulegen, sondern darin, dahin zu kommen, daß am Ende die Interessen so 'einander gleichen, daß sie !in Gleichklang stehen. Das ist unser Bemühen, und .dieses Bemühen haben wir gerade auf diesem Felde bewiesen. Denn wir gehen im Gleichklang mit dem betroffenen Berufsstand in diese Verhandlung hinein. Sie können ruhig sagen, wir hätten etwas versäumt. Zeitlich sind wir nach Ihren Begriffen zu spät gekommen. In der Sache haben wir das Ergebnis, das wir wollen:
({3})
zusammen mit den deutschen Bauern eine Einigung über die gesamte Agrarpolitik, nicht nur über den Getreidepreis. Meine Herren, das war doch der Fehler: immer wieder „Getreidepreis, Getreidepreis". Aber die vielen anderen gleich wichtigen Dinge - ({4})
- Sie ärgern sich darüber, daß ich Ihnen - ({5})
- Dann rufen Sie doch nicht so viel dazwischen! Wie soll ich denn sonst Ihr Verhalten deuten? Ich weiß es nicht. Vielleicht gelingt es mir später einmal, das Verhalten zu deuten.
Es kam doch darauf an, die Einmütigkeit im Innern zu erzielen und in Europa im EWG-Rahmen eine Gleichschaltung, ein Zusammenfallen der Interessen zu erreichen. Beides ist gelungen. Beides kostet Zeit. Aber, meine Damen und Herren, es kommt darauf an, wer unter dem Strich gewinnt; und das sind einstweilen wir und nicht Sie.
({6})
Wird noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sorge, es kommt keine Rede mehr.
Dem Haus liegen zwei Entschließungsanträge vor, einer der FDP und einer der CDU/CSU. Ich mache dem Hohen Hause den Vorschlag, beide Entschließungsanträge dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung zu überweisen.
({0})
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt, die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 531 - der Fraktion der FDP - und 532 - der Fraktion der CDU/CSU - dem Ausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Damit sind wir am Ende dieses Punktes der Tagesordnung.
Ich rufe den Punkt 18 der gemeinsamen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes ({0})
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2})
b) Mündlicher Bericht des Finanzausschusses ({3}) ({4})
({5})
Für den Finanzausschuß hat der Abgeordnete Stooß einen Mündlichen Bericht erstattet. Er wünscht diesen Mündlichen Bericht schriftlich zu ergänzen. Die Ergänzungen werden zu Protokoll genommen. *)
Für den Haushaltsausschuß hat der Abgeordnete Windelen einen Bericht erstattet, für den, ich danke. Eine Ergänzung ist hier nicht notwendig.
Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1, 2, 3, 4, 5 und die Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Haus hat zugestimmt.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 4
Zu einer persönlichen Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Memmel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an den Beginn meiner persönlichen Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung gewissermaßen als Überschrift ein Wort Shakespeares stellen, das lautet: „Laß dich durch Sturm und Felssturz nicht aus der Ruhe bringen, in Sachen der Ehre aber muß ein Strohhalm dich bewegen." Herr Kollege Liehr hat heute in der Fragestunde anläßlich der Beantwortung der Fragen des Kollegen Stingl zur Berliner Echo-VerlagsAffäre durch den Herrn Bundesjustizminister eine Zusatzfrage gestellt, die in ihrem Sinn nicht auf die Erforschung eines Sachverhaltes hinzielte, sondern darauf, mich persönlich und die CSU als Partei zu diffamieren. Die Zusatzfrage war nach Ziffer 5 und Ziffer 16 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig. Der amtierende Herr Bundestagspräsident hat sie auch nicht zugelassen. Der Herr Kollege Liehr hat nämlich an meine abstrakte Frage, ob die finanziell an einen Verlag Beteiligten sich jemals als Teilnehmer an beleidigenden Publikationen des Verlages strafbar machen können, die Frage angehängt, ob es vielleicht besondere Gründe gebe, weswegen ich mich für meine Person und die CSU der Straflosigkeit versichern wolle. Der Herr Kollege Liehr hat das in Kenntnis der Tatsache getan, daß die CSU-Landesleitung in einer Presseerklärung offiziell erklären ließ, daß sie mit den beiden Berliner Zeitungen weder redaktionell noch politisch noch finanziell das geringste zu tun habe.
Die mir persönlich und der CSU zugefügte Beleidigung, die fast verleumderischen Charakter hat, weise ich hiermit in aller Form schärfstens zurück. Ich möchte den Kollegen Liehr darauf aufmerksam machen, daß er mit seiner Frage den Indemnitätsschutz des Abgeordneten überschritten hat.
({0})
Ich würde mich freuen, wenn der Herr Kollege Liehr sein Bedauern über dieses Verhalten mir gegenüber ausspräche.
Herr Abgeordneter Memmel, Sie hatten das Wort zu einer persönlichen Erklärung. Soweit es sich um Ihre Rechtfertigung handelt, ist das richtig. Allerdings überschritten Sie den Rahmen, indem Sie auch noch eine politische Partei heranzogen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 11. Dezember 1964, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.