Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! In der kurzen Zeit seit der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages hat der Tod dreimal in unsere Reihen gegriffen.
({0})
Wir haben drei Kollegien verloren, die diesem Haus seit dem ersten Tag angehört und aktiv in ihm gewirkt haben.
In einem feierlichen Staatsakt hat die Bundesrepublik Deutschland am 17. November in diesem Saale von Dr. Heinrich von Brentano Abschied genommen. Hier an der Stätte seines aufopferungsvollen Wirkens ist ihm mit der Trauerfeier und mit dem Schlußwort, das der Präsident dieses Hohen Hauses gesprochen hat, die höchste Ehrung zuteil geworden, die die Bundesrepublik Deutschland zu vergeben hat. Heute, in der ersten Plenarsitzung nach seinem Tode, gedenken wir noch einmal des Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Fraktion und langjährigen Bundesministers des Auswärtigen, der am 14. November nach schwerer Leidenszeit in einem Darmstädter Krankenhaus verstorben ist. Es ist nicht die Stunde, die Wurzelkräfte des Menschen und Politikers Heinrich von Brentano und die Stationen seiner politischen Laufbahn im einzelnen aufzuzeigen. Dies ist in den Reden anläßlich des Staatsaktes und in zahllosen würdigenden Nachrufen im In- und Ausland geschehen.
Wir gedenken in dieser Stunde mit Bewegung des ehemaligen Außenministers und Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU als eines vorbildlichen Parlamentariers und aufrichtigen Kollegen. Neben vielem, wofür Heinrich von Brentano zu danken ist, schuldet ihm der Deutsche Bundestag besondere Ehrerbietung dafür, immer das Beispiel für einen parlamentarischen Stil gegeben zu haben, der in der politischen Auseinandersetzung Entschiedenheit in der Sache mit Ritterlichkeit und Fairneß in vollendeter Weise zu verbinden wußte.
Mit Heinrich von Brentano ist ein Staatsmann heimgegangen. Der Deutsche Bundestag wird sein Vermächtnis stets in Ehren halten.
Nach längerem Leiden verstarb am 24. November der Abgeordnete Johannes Even. Er wurde am 10. Dezember 1903 in Essen geboren. Nach einer Handwerkslehre war er von 1921 bis 1924 als Arbeiter in den Krupp-Werken tätig. Durch die Mitarbeit im Katholischen Arbeitersekretariat Essen und seine Teilnahme an zahlreichen Fortbildungskursen der Christlichen Gewerkschaften arbeitete er sich zum Kartellsekretär der Christlichen Gewerkschaften und Diözesansekretär der Katholischen Arbeiterbewegung in Mainz hoch. Er übte dieses Amt von 1927 bis 1939 aus. In diesem Jahr enthob ihn die Gestapo aller seiner Ämter, und es begannen für ihn Jahre der Verfolgung und der Bedrückung.
Nach dem Zusammenbruch stellte sich Johannes Even sofort in den Dienst des politischen und sozialen Wiederaufbaus des geschlagenen und darniederliegenden Landes. Er zählte zu 'den Mitbegründern der Christlich-Demokratischen Union in Nordrhein-Westfalen. Im gleichen Jahr 1945 war er auch Mitbegründer des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Katholischen Arbeiterbewegung im Kreise Bergheim, dessen Landrat er von 1946 bis 1948 war. Für die Christlich-Demokratische Union gehörte er von 1946 bis 1950 dem Landtag von Nordrhein-Westfalen an.
Johannes Even widmete seine Kraft vor allem den sozialen Fragen unserer Zeit. Sie blieben sein ureigenes Arbeitsfeld, seit er in seiner Jugend im Revier mit den sozialen Problemen konfrontiert worden war. Der Verbindung von katholischer Soziallehre und praktischer Politik galt seine hingebungsvolle Arbeit als Schriftleiter der Zeitschrift „Ketteler Wacht" und als Verbandssekretär der Katholischen Arbeiterbewegung Westdeutschlands. 1955 gehörte Johannes Even zu den Mitgründern der Christlichen Gewerkschaften Deutschlands. Er war Vizepräsident der Internationalen Katholischen Arbeiterbewegung und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. 1959 wurde er zum Verbandsvorsitzenden der Katholischen Arbeiterbewegung gewählt.
Dein Deutschen Bundestag gehörte Johannes Even seit 1949 für den Wahlkreis 64 - Bergheim-Euskirchen - an. Er war Mitglied des Ältestenrates, des Wahlmänner-Aussschusses und des Vorstandes seiner Fraktion. Im 2. und 3. Deutschen Bundestag gehörte er u. a. den Ausschüssen für auswärtige Angelegenheiten und für Arbeit an. Ferner war er Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Mit unserem Kollegen Johannes Even ist ein stiller und kluger Mann aus unserer Mitte geschieden, der in seiner Selbstlosigkeit vielen Menschen Hilfe gewesen und Vorbild geworden ist. Wir tragen schwer an diesem Verlust.
Am 30. November verstarb nach längerer Krankheit der Abgeordnete Hermann Ehren.
Er wurde am 17. Oktober 1894 in Essen geboren. Früh fand er in der katholischen Jugend- und Verbandsarbeit sein Arbeitsfeld. 1920 wurde er Jugendsekretär in der Zentrale des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter Deutschlands und Redakteur der Zeitschrift „Die Knappenjugend". Aus der Bewährung in diesem Amt wurde Hermann Ehren auf Empfehlung des christlichen Gewerkschaftsführers Heinrich Imbusch im Jahre 1925 Leiter der katholischen Vereinszentrale Oberschlesien in Gleiwitz.
Seine politische Heimat fand Hermann Ehren in den Jahren der Weimarer Republik in der deutschen Zentrumspartei. Für sie war er Stadtverordneter in Gleiwitz und Mitglied des Oberschlesischen Provinziallandtages und Provinzialausschusses. Nach dem Zusammenbruch von 1945 wurde Hermann Ehren aus Oberschlesien ausgewiesen. Er kehrte in die angestammte Heimat, ins Revier - nach Bottrop und Dortmund -, zurück und stellte sich in den Dienst am politischen Wiederaufbau des Landes. Noch 1945 schloß er sich der Christlich-Demokratischen Union an. Er widmete sich besonders der Vertriebenenarbeit und wurde Stellvertretender Vorsitzender der Landsmannschaft der Oberschlesier. Im Sinne dieser I Arbeit wirkte er auch von 1949 bis 1954 als hauptberuflicher Schriftleiter bei den „Ruhr-Nachrichten" in Dortmund. Er war Präsident der Deutsch-Spanischen Gesellschaft.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Hermann Ehren seit 1949 mit einer kurzen Unterbrechung über die Landesliste Nordrhein-Westfalen an. Er war Mitglied des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen. Während der 1., 2. und 3. Legislaturperiode gehörte er den Ausschüssen für Heimatvertriebene, für Lastenausgleich, für Fragen des Gesundheitswesens und für Kulturpolitik an.
Der Tod unseres erfahrenen und fleißigen Kollegen Hermann Ehren hinterläßt eine spürbare Lücke in unseren Reihen.
Ich spreche den Angehörigen unserer verstorbenen Kollegen und der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union die aufrichtige Anteilnahme des Hauses aus.
Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den ersten Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde ({1}).
Die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers wird erst am Freitag aufgerufen. Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage II/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling -:
Ist dem Herrn Bundesjustizminister die Meldung des Bonner Generalanzeigers vom 21./22. November 1964 bekannt, derzufolge ein Bonner Staatsanwalt gegen einen Autofahrer, der wegen wesentlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ({2}) ein Rentnerehepaar tödlich überfahren hat, nur zwei Monate Gefängnis mit Bewährungsfrist ohne Führerscheinentzug beantragt hat?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten!
Zu der ersten Frage darf ich folgendes sagen:
Die Meldung ist dem Bundesjustizministerium bekannt.
Obwohl der Fall die Justizhoheit des Landes Nordrhein-Westfalen und nicht die des Bundes berührt, bin ich ermächtigt, folgendes zu erklären:
Das Urteil des Schöffengerichts Bonn vom 19. November 1964 ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte haben Berufung eingelegt.
Das ist die Antwort auf die Frage 1.
Eine Zusatzfrage?
({0})
- Nein.
Herr Abgeordneter Bausch zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, empfinden Sie es nicht als ganz ungewöhnlich, daß überhaupt ein solches Urteil gefällt werden konnte? Halten Sie es nicht für einen bedauerlichen Vorgang, daß solche Urteile gefällt werden und im Lande der Eindruck entsteht, man könne zwei Menschen totfahren, ohne daß einem praktisch etwas geschieht?
Die Frage könnte sachgemäß nur der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen beantworten. Das Urteil ist noch nicht einmal abgesetzt. Es lag bis zum 30. Oktober - ich habe mich erkundigt - noch nicht schriftlich vor. Sie sehen vielleicht, daß der Fall prekär ist und daß der Staatsanwalt zwei Monate beantragt hat, während das Gericht sogar auf drei Monate erkannt hat. Ferner ergibt sich aus der Bedeutung dieses Einzelfalles, daß sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Berufung eingelegt haben. Ich glaube, es ist sehr schwer, vielleicht sogar unzulässig, in einem Fall, der noch in der Schwebe ist und die Gerichte beschäftigt, sachlich zu dem Inhalt des Verfahrens Stellung zu nehmen.
Wir kommen zur Frage II/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling -:
Was gedenkt der Herr Bundesjustizminister zu tun, um den strafrechtlichen Schutz des Lebens friedlicher Fußgänger gegen verantwortungslose Autoraserei so zu gewährleisten, wie es die Achtung vor dem Leben des Mitmenschen in einem geordneten Rechtsstaat gebietet?
Hierauf darf ich folgendes antworten:
Das Hohe Haus hat erst kürzlich - am 21. Oktober 1964 - den von der Bundesregierung seinerStaatssekretär Dr. Bülow
zeit vorgelegten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs verabschiedet. Das Gesetz wird gerade heute, am 2. Dezember 1964, im Bundesgesetzblatt verkündet. Mit dem Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs hat das Hohe Haus - und auch die Bundesregierung - alles getan, was es derzeit zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes im Straßenverkehr für notwendig gehalten hat.
Das geltende Recht selbst ermöglicht durchaus eine angemessene Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung. Für fahrlässige Tötung ist eine Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen.
Es hängt alles davon ab, wie das Gesetz in der Praxis angewendet wird. Erscheint ein Urteil in einer Einzelsache nicht befriedigend, so ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein Rechtsmittel einzulegen und auf eine Verschärfung der Strafe hinzuwirken, wie es in dem in der Frage 1 erörterten Fall geschehen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wuermeling.
Herr Staatssekretär, da der Schutz des Lebens des Mitbürgers eine besonders wichtige Aufgabe gerade auch des Bundesjustizministeriums ist, erlaube ich mir zu fragen, ob das Justizministerium wohl bereit ist, die Frage der Strafbarkeit solcher Handlungen und der Handhabung bei der Bestrafung mit den Justizministern der Länder bei nächster Gelegenheit einmal zu erörtern, um auch von da her durch Einwirkung sicherzustellen, daß solche Vorkommnisse, wie sie bedauerlicherweise festgestellt worden sind, zukünftig unterbleiben.
Herr Abgeordneter, das kann ich zusagen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst zur Frage III/1 - des Herrn Abgeordneten Dröscher -:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung einer privaten Wirtschaftsagentur die alleinige Auswertung der Berichte der vorwiegend aus Steuergeldern finanzierten Bundesstelle für Außenhandelsinformation in Köln eingeräumt hat und damit einverstanden ist, daß die von dieser Bundesstelle zusammengestellten Informationen nicht von der übrigen Wirtschaftspresse bezogen werden können?
Die Bundesstelle für Außenhandelsinformation ({0}) unterrichtet die am Außenhandel interessierten Wirtschaftskreise, Verbände und Behörden durch Veröffentlichungen verschiedenster Art. Sie bedient sich bei deren Verbreitung der auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis jeweils geeigneten Veröffentlichungswege. Eine wichtige Informationsmöglichkeit für die täglichen Nachrichten hat sich
der BfA durch die „Nachrichten für Außenhandel" ({1}) erschlossen, die von der „Vereinigte Wirtschaftsdienste GmbH" ({2}) in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien und der Arbeitsgemeinschaft Außenhandel der deutschen Wirtschaft herausgegeben werden. Der Zusammenarbeit mit der VWD liegt die Forderung der deutschen Wirtschaft nach einer Rationalisierung der außenwirtschaftlichen Nachrichtengebung unter Berücksichtigung eines aktuellen Informationsbedürfnisses zugrunde.
Die VWD unterhält selbst zahlreiche eigene Informationsdienste, die zur Vervollständigung der BfA-Nachrichten in sinnvoller Weise beitragen. Die Publikation der BfA-Nachrichten im Rahmen des VWD-Nachrichtenagentur-Systems bietet die Möglichkeit, diese Nachrichten sehr weit zu streuen, da ihre Bezieher bemüht sind, die Meldungen weiter zu verbreiten.
Die VDW ist eine unabhängige Nachrichtenagentur; an ihr sind aber auch die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft und die Gesamtheit der deutschen Zeitungsverlage - durch dpa vertreten - als Gesellschafter beteiligt. Die VWD repräsentiert also zugleich die im Bundesgebiet zu informierenden Kreise. Die Gesellschaft schüttet keine Gewinne aus; sie ist vielmehr gehalten, Gewinne zur Verbesserung der Nachrichtengebung einzusetzen. Sie stellt somit in Verbindung mit dem Kreis ihrer Gesellschafter eine Organisation dar, die sich weitgehend der Gemeinnützigkeit nähert. Hierdurch ist es der BfA als amtlicher Stelle möglich, ihre täglichen Nachrichten ohne besondere Druck- und Vertriebskosten zu verbreiten.
Der Zusammenarbeit stimmte auch der Verwaltungsrat der BfA zu, der sich aus Vertretern der Bundes- und Länderministerien, der Spitzenorganisationen der Wirtschaft und dies Deutschen Gewerkschaftsbundes zusammensetzt.
Herr Kollege, darf ich trotzdem hinzufügen: Das ist die Antwort, die erarbeitet worden ist und die ich heute morgen vorgefunden habe. Sollte sich etwas anderes herausstellen - und ich bin begierig, das zu hören -, etwa daß diese Handhabung, die auch mir nicht ganz einleuchtet, ausgenutzt wird, so bin ich selbstverständlich bereit, das zu prüfen und zu untersuchen.
Herr Abgeordneter Dröscher eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, nachdem also die Berechtigung meiner Frage offenbar geworden ist, gestatte ich mir eine weitere Frage: Ist Ihnen bekannt, daß dieses Unternehmen, das gewissermaßen ein Monopol innehat, die Informationen an Journalisten nur zu einem Preis weitergibt, der ein Vielfaches der normalen Bezugsgebühr ausmacht, und zwar auch dann, wenn die Berichte nur zur Information verwendet werden?
Nein, das ist mir nicht bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, im Sinne Ihrer ersten Ausführungen darauf einzuwirken, daß das abgestellt wird?
Ich werde zunächst einmal prüfen, ob das, was Sie hier mitgeteilt haben, den Tatsachen entspricht, und ich werde mich auch um die Konstruktion insgesamt kümmern. Falls das zutrifft, was Sie hier mitteilten, wird es selbstverständlich sofort abgestellt.
Dann kommen wir zur Frage III/2 - des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) -.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die von ihr getragene Wirtschaftspolitik und die von ihr vertretene Monopolgesetzgebung es nicht zulassen, daß ein Unternehmen für Leistungen, die allein von ihm erbracht werden können und dürfen, generelle Pauschalabgeltungen verlangt und eine Offenlegung der tatsächlichen Leistungskosten ablehnt, obwohl in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die erbrachte Leistung weit unter dem pauschalen Entgeltsatz liegt?
So allgemein, wie Sie die Frage formuliert haben, Herr Abgeordneter, ist sie schwer zu 'beantworten. Vorkehrungen gegen den Mißbrauch von Monopolmacht trifft z. B. § 22 des Kartellgesetzes. Danach kann die Kartellbehörde einem Unternehmen, das für eine
bestimmte Art von gewerblichen Leistungen marktbeherrschend ist, untersagen, bei Abschluß von Verträgen über diese Leistungen seine Marktstellung beim Fordern von Preisen mißbräuchlich auszunutzen. Ein solcher Mißbrauch könnte auch die Forcierung eines Pauschalentgelts sein, wenn in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die erbrachte Leistung ihrem Wert nach weit unter dem pauschalen Entgelt läge.
Ihre Anfrage, Herr Kollege, über die Pauschalgebühr für die Herstellung eines Fernsprechanschlusses, die der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen in der 146. Sitzung dieses Hohen Hauses am 12. November 1964 beantwortet hat, läßt mich vermuten, daß Sie mit Ihrer vorliegenden Frage auf den gleichen Gegenstand zielen. Unter dieser Voraussetzung darf ich dazu noch folgendes sagen:
Für die Durchführung des Kartellgesetzes gegenüber der Deutschen Bundespost ist ausschließlich das Bundeskartellamt zuständig. Die zuständige Beschlußabteilung des Bundeskartellamtes hat jedoch in anderen Fällen die Ansicht vertreten, daß das Kartellgesetz keine Handhabe 'bietet, die von der Bundespost erhobenen Fernsprechgebühren zu überprüfen; denn die Fernsprechgebühren werden auf Grund des § 14 des Postverwaltungsgesetzes durch Rechtsverordnung des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft verbindlich festgesetzt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat der fraglichen Verordnung zur Änderung der Fernsprechgebührenvorschriften vom 19. Dezember 1962
zugestimmt, da der Herr Bundespostminister dargelegt hatte, daß die Pauschalgebühr für die Einrichtung eines Fernsprechhauptanschlusses in Höhe von 90 DM der durchschnittlichen Höhe der tatsächlichen Einrichtungskosten entspricht und daß die Pauschalierung zur Rationalisierung des Verwaltungsdienstes notwendig ist. Danach ist es nicht so, daß die Pauschalgebühr von 90 DM eine Ausnutzung der Monopolstellung der Deutschen Bundespost darstellt und deshalb wirtschaftspolitisch zu beanstanden wäre.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Bundesminister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie zwar grundsätzlich meine in der Frage zum Ausdruck kommende Auffassung teilen, daß Sie aber im Hinblick auf die Bundespost aus Rationalisierungsgründen eine solche Monopolausnutzung, sagen wir einmal, dulden?
Herr Kollege, so, wie sich die Frage im Moment anhört, möchte ich sagen, daß ich im Grundsatz Ihrer Auffassung bin. Hier handelt es sich aber um eine Verordnungsregelung.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie, da es sich um eine Verordnungsregelung handelt, darum bitten, daß Sie die Angelegenheit dem Bundeskartellamt übergeben und überprüfen lassen? Ich bin der Meinung, daß es sich um eine ausgesprochene Ausnützung einer Monopolgestaltung handelt.
Herr Kollege, ich will gern überprüfen, ob dieser Ihrer Anregung entsprochen werden kann.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Cramer aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zur Verhinderung eines Durchbruches an dem nördlichen Festmachegelände der ehemaligen 3. Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Nach den Feststellungen der Bundesvermögensverwaltung, der die Unterhaltung der ehemaligen III. Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven obliegt, und der zuständigen Deichbehörden dringt unterhalb der zerstörten nördlichen Schleusenmauer Wasser in den Innenhafen ein. Auf Grund dieser Feststellungen ist das zuständige Niedersächsische Wasserwirtschaftsamt Wilhelmshaven, dessen sich
der Bund bei Durchführung der entsprechenden Unterhaltungsarbeiten bedient, beauftragt worden, umgehend Vorschläge für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen auszuarbeiten. Der Prüfungsbericht soll in etwa 14 Tagen vorgelegt werden. Die Bundesregierung wird sodann alle Sicherungsmaßnahmen unverzüglich auf Kosten des Bundes durchführen lassen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auf eine Länge von etwa 200 bis 300 m aus der 30 Jahre alten Deichfußsicherung durch Sprengung und Überflutung 50 % herausgewaschen worden sind?
Herr Abgeordneter, diese Tatsache ist mir in etwa bekannt. Die zuständige Deichschaukommission hat im Oktober den Schaden festgestellt. Ich darf jedoch darauf hinweisen, daß die III. Hafeneinfahrt die Flutkatastrophe im Februar 1962 ohne Schaden überstanden hat. Trotzdem ist beabsichtigt, Abhilfe zu schaffen. In 14 Tagen wird die Bundesregierung nach Vorliegen des Prüfungsberichts in der Lage sein, darüber eine Entscheidung zu treffen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer!
Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß alle diese Maßnahmen so rechtzeitig durchgeführt werden können, daß keine Durchbruchsgefahr besteht?
Die für die Deichsicherheit zuständigen Stellen in Wilhelmshaven haben der Bundesregierung zur Auflage gemacht, bis Herbst 1965 Abhilfe zu schaffen. Sofortmaßnahmen wurden nicht gefordert. Wenn der Bericht in 14 Tagen ergibt, daß schneller gehandelt werden muß, wird die Bundesregierung das tun.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe auf die Frage VI/1 - des Abgeordneten Benda -:
Wie beurteilt die Bundesregierung den in der „Welt der Arbeit" vom 6. November 1964 behaupteten Vorgang, wonach das Generalsekretariat der Arabischen Liga in Damaskus eine deutsche Firma unter Androhung des Abbruches der Geschäftsbeziehungen aufgefordert haben soll, eines ihrer Aufsichtsratsoder Vorstandsmitglieder zur Aufgabe seiner „pro-israelischen Aktivitäten" und seiner Mitgliedschaft in einer privaten, der Förderung der deutsch-israelischen Beziehungen gewidmeten Vereinigung zu bewegen?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Herr Präsident, die Antwort darauf lautet wie folgt: Schon seit vielen Jahren wird von arabischer Seite,
teilweise mit Schreiben ähnlichen Inhalts, versucht, einzelne Firmen in dritten Ländern, also keineswegs nur deutsche Unternehmen, unter Hinweis auf nachteilige Auswirkungen auf Exportinteressen in arabische Länder zur Aufgabe ihrer Beziehungen zu Israel zu bewegen. Die arabischen Staaten begründen diese Haltung mit der Feststellung, daß sie mit Israel noch keinen Frieden geschlossen hätten. Die Bundesregierung mißbilligt die aus dieser Einstellung herrührenden Boykottmaßnahmen und hat die arabische Seite hierüber nicht im unklaren gelassen. Sie ist der Meinung, daß betroffene Unternehmen nach Prüfung und Abwägung ihrer Interessenlage Forderungen, wie sie in der „Welt der Arbeit" geschildert wurden, entgegentreten sollten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es nicht nur Sache der betroffenen Firmen, sondern auch der Bundesregierung selber ist, deutsche Staatsbürger und deutsche Unternehmen gegen einen Eingriff von ausländischer Seite in nach der deutschen Verfassung geschützte Grundrechte zu schützen, Eingriffe, die jeder deutschen privaten oder öffentlichen Stelle verboten werden?
Die Bundesregierung kann ebenso wie die Regierungen anderer westlicher Staaten nicht verhindern, daß arabische Stellen aus dem Ausland Briefe, wie sie in dem zitierten Zeitungsartikel wiedergegeben worden sind, an einzelne Firmen absenden oder bei Geschäftsbeziehungen bestimmte private Unternehmen bevorzugen, andere dagegen nicht. Sie beobachtet jedoch alle diesbezüglichen Maßnahmen laufend mit großer Sorgfalt. Den Kampf gegen verfassungswidrige Erscheinungen kann sie innerhalb Deutschlands vornehmen gegenüber den Stellen, auf die sie Einfluß hat, aber nicht im Ausland.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht, soweit es sich um Ihren Geschäftsbereich handelt, bei aller Notwendigkeit, die Angelegenheit auch nach ihren außenpolitischen Auswirkungen zu betrachten, doch der Meinung, daß in dieser Frage ein sehr deutliches und offenes Wort der Bundesregierung die beste Diplomatie wäre?
Ein deutliches und offenes Wort empfiehlt sich immer dann, wenn es Aussicht auf Wirkung hat. Dann bin ich sehr für etwas Derartiges. Dies ist ein sehr komplizierter Sachverhalt, mit dem sich die verschiedensten Regierungen anderer Länder in ähnlicher Weise wie wir herumschlagen müssen und der nur mit einer gewissen Sorgfalt behandelt werden kann.
Ich rufe die Frage VI/2 - des Herrn Abgeordneten Benda - auf:
Falls der in der „Welt der Arbeit" behauptete, in der Frage VI/1 in Bezug genommene Vorgang sich tatsächlich so abgespielt haben sollte: Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um derartige Eingriffe ausländischer Stellen in die durch die Artikel 2 und 9 des Grundgesetzes geschützte Freiheit der Persönlichkeit und in die Vereinigungsfreiheit für die Zukunft zu verhindern?
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Es ist Sache der betreffenden Unternehmen, nach freiem Ermessen unter Abwägung ihrer Interessenlage zu entscheiden, ob sie derartigen Zuschriften entgegentreten oder sie einfach ignorieren wollen. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, Ausländern in bezug auf die von ihnen für richtig gehaltenen Geschäftsmethoden Auflagen oder Vorschriften zu machen. Die negative Einstellung der Bundesregierung zu den Versuchen von arabischer Seite, ihre Interessen durch Boykottmaßnahmen zu vertreten, ist wiederholt und auch öffentlich bekanntgegeben worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Herr Minister, hat zwischen Ihrem Hause und dem Herrn Bundesminister der Justiz einmal ein Gespräch über die rechtliche Seite dieser Angelegenheit stattgefunden, die möglicherweise ja auch für die Frage zukünftiger Aktionen eine Rolle spielen könnte?
Ich kann darüber nichts mit Sicherheit sagen. Ich nehme an - die Sache liegt ja viele Jahre zurück -, daß das einmal geschehen ist. Ich will ein solches Gespräch aber gerne führen.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, mir nach Prüfung dieser Frage, speziell der rechtlichen Seite und der möglichen rechtlichen Erwiderung solcher Maßnahmen, eine entsprechende Mitteilung zu machen?
Das will ich gerne tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, ist es richtig, daß die Regierung eines der arabischen Staaten gegenüber einem unserer Kollegen, nämlich Herrn Professor Böhm, wegen seiner Tätigkeit für die Wiedergutmachung an Israel und wegen seines Eintretens für die Normalisierung der Beziehungen zu Israel damit gedroht hat, ihm kein Einreisevisum für dieses Land zu geben? Was hat die Bundesregierung gegen -dieses Vorgehen eines fremden Staates gegen die Freiheit eines Abgeordneten dieses Hauses getan?
Mir sind die Einzelheiten nicht gegenwärtig, da die Sache längere Zeit zurückliegt. Ich weiß aber, daß wir in der Sache energisch protestiert haben.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer weiteren Frage.
Ist die Bundesregierung bereit, Herr Bundesminister, sich nun endlich nicht nur auf eine warnende Mahnung in bezug auf Boykottmaßnahmen arabischer Staaten in dieser und ähnlichen Fragen zu beschränken, sondern darüber hinaus die Frage zu prüfen, ob es die Würde unseres Volkes verträgt, daß von arabischen Staaten, die weitgehend von uns ernährt werden, eine derartige Haltung weiterhin eingenommen werden kann?
Herr Kollege Ritzel, diese Frage ist - wie meistens in solchen Fällen - ein bißchen komplizierter. Hier handelt es sich nicht um Handlungen dieser betreffen Staaten, sondern hier geht es um das Generalsekretariat der Arabischen Liga, die ihrerseits natürlich wieder in der Lage ist, gewisse Empfehlungen an die anderen Staaten zu geben. Der Sachverhalt ist also nicht etwa so, als ob wir hier unmittelbar mit diesen anderen Staaten konfrontiert wären.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Ist vielleicht auch die Arabische Liga mit ihrem Generalsekretariat dafür verantwortlich, daß Deutschen, die in die arabischen Länder reisen wollen, die Einreise verweigert wird, weil sie in ihrem Paß ein israelisches Visum haben?
Mir ist ein solcher Vorfall nicht bekannt.
Herr Abgeordneter Metzger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Bundesregierung angesichts dieser Unfreundlichkeiten - ich denke an den Fall Böhm, ich denke an den Fall des israelischen Visums; es ist ja tatsächlich so, daß jemand, der ein israelisches Visum hat, nicht in einen arabischen Staat einreisen kann - die Möglichkeit hat, zumindest Vorhaltungen - ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken - in der Richtung zu machen, daß wir ja Entwicklungshilfe für diese Staaten leisten, daß wir also Erhebliches für diese Staaten tun und daß Unfreundlichkeiten unter Umständen Unfreundlichkeiten zur Folge haben könnten?
Herr Kollege Metzger, es ist nicht ganz leicht, im Rahmen einer Fragestunde dieses sehr komplexe Feld zu beackern. Die Sache gehört schon seit vielen Jahren zu unseren großen Leidproblemen. Sie liegt
auf beiden Seiten außerordentlich schwierig. Hier werden wir in Konflikte hineingezogen, auf die wir nur einen sehr geringen Einfluß haben. Wir können uns jeweils nur in Einzelfällen entsprechend verhalten, und das haben wir getan. Die generellen Einwirkungsmöglichkeiten sind, glaube ich, geringer, als man normalerweise annehmen könnte.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Metzger.
Aber sind Sie nicht der Meinung, Herr Bundesminister, daß die Bundesrepublik zum mindesten die Verpflichtung hat, ihre eigenen Staatsbürger zu schützen?
Ja, das hat sie ganz sicher, und das tut sie.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Bundesrepublik Deutschland es ihrer Selbstachtung schuldig ist, diese an Erpressung grenzenden Methoden mit entsprechenden Konsequenzen in der Entwicklungshilfepolitik zu beantworten?
Ich habe gerade gesagt, daß das Feld komplizierter ist, daß wir hier nicht unmittelbar mit Handlungen von Staaten gegenüber der Bundesrepublik konfrontiert sind, sondern daß dies ein sehr viel diffuseres Gelände ist. Deswegen, glaube ich, bietet der von Ihnen angegebene Weg keine praktische und sinnvolle Lösung.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Ist es nicht richtig, daß die Arabische Liga, von der hier gesprochen wird, eine überstaatliche Organisation ist und nicht den Charakter einer Handelsagentur hat?
Ich wollte mich nicht hinsichtlich der juristischen Qualifikation der Liga hier im einzelnen festlegen. Nur soviel ist sicher, daß wir es im Verkehr mit ihr nicht mit einem anderen Staat zu tun haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, um auf Ihre Ausführungen zurückzukommen: Wann werden ‘Sie „das Feld beackern", statt hier in gekonnter Form immer auszuweichen?
Es ist nicht meine Art auszuweichen. Warum sollte ich ausweichen, wovor sollte ich ausweichen? Ich
schildere nur die Schwierigkeiten, wie sie sind. Ich habe mich mit dem einen Teil der Schwierigkeiten hier noch gar nicht beschäftigt; vielleicht kommt das noch bei den späteren Fragen. Hier muß man eine auf lange Sicht ausgewogene und richtige Politik zu treiben versuchen, und das tun wir. Das sieht vielleicht nicht immer sehr eindrucksvoll aus, ist aber nichtsdestoweniger nach unserer Meinung sehr wohl abgewogen im 'deutschen Interesse.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, ich frage noch einmal: Wann und wo sehen Sie die Möglichkeit, diesem Hause klare Erklärungen zu geben und, nach Ihren eigenen Worten, das Feld zu beackern?
Ich glaube durchaus, 'daß sich das, was man - ich will es jetzt mal vornehm umschreiben - als Nahostpolitik bezeichnen kann, in seinen Konturen allmählich verdeutlicht. Es wird im nächsten Jahr wahrscheinlich einige Ereignisse geben, die uns die Möglichkeit geben werden, weiter daran zu arbeiten.
Eine Zusatzfrage, Herrr Abgeordneter Wehner.
Herr Minister, wo, wenn nicht in der Fragestunde des Bundestages, sollten denn eigentlich nach Ihrer Meinung solche schwierigen Fragen und Vorkommnisse behandelt und öffentlich geklärt werden?
Das will ich sehr gern sagen, Herr Kollege Wehner. Wir tun es im Grunde auch. Es gibt ein paar Themen, von deren öffentlicher Behandlung oder, sagen wir mal: zu ausgesprochen öffentlicher Behandlung man sich im Interesse Deutschlands nicht besonders viel versprechen kann. Das ist nun einmal so, weil jeder Satz und jeder Halbsatz, der hier gesagt wird, natürlich mit größter Sorgfalt in anderen Ländern und anderen Kanzleien nachstudiert wird und, wirklich aus dem Augenblick heraus geboren, schädliche Folgen haben kann. Deswegen glaube ich, daß das, was wir auch in diesem speziellen Fall getan haben, das richtige ist, zum Beispiel im auswärtigen Ausschuß ein solches Kapitel intensiver zu traktieren und dabei vielleicht zu Schlußfolgerungen zu kommen, die sich dann nachher auch öffentlich darlegen lassen. Das ist meine Meinung von der Behandlung der Sache. Ich bin in der Fragestunde immer bereit, soweit zu gehen, wie ich glaube, es im deutschen Interesse vertreten zu können. Aber das hat eben irgendwo seine schnell erreichten Grenzen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wehner.
Hat die Bundesregierung nicht selber das Bedürfnis, daß solche bedauerlichen Vor7270
kommnisse, von denen hier einige aufgegriffen worden sind, von ihr öffentlich und fair klargestellt werden können, oder meinen Sie tatsächlich, daß sich solche Dinge durch Schweigen von selber regeln?
Nein, das ist nicht der Fall. Aber auch in beinahe all den genannten Dingen hat es öffentliche Erklärungen gegeben. Sie können auch wiederholt werden.
Ich bitte nur, eines nicht zu übersehen. Hier gibt es einen doppelten Tatbestand. Hier gibt es einmal einen Tatbestand, mit dem neben unis eine ganze Reihe anderer westlicher Länder befaßt sind. Solche Boykottaufrufe und -androhungen beschränken sich nicht auf die Bundesrepublik, sondern reichen über ein sehr weites Feld und werden von den betreffenden Ländern in einer nach 'deren Meinung möglichst geschickten Weise behandelt.
Der zweite Teil des Komplexes, den ich noch nicht behandelt habe, ist wieder für Deutschland empfindlicher als für andere Länder. Hier kommt manchmal eine Wechselwirkung zustande, die es für uns besonders schwierig macht. Das erklärt natürlich auch das Gefühl, aus dem heraus Sie Ihre Frage stellen.
Zu einer Frage Herr Abgeordneter Flämig.
Hat sich erledigt.
Herr Abgeordneter Sänger.
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Minister, daß es in den letzten, ich glaube, zwei bis höchstens drei Wochen zwei sehr peinliche Vorgänge gegeben hat? Es war einmal eine Erklärung einer in Bonn ansässigen Botschaft eines arabischen Staates, die nahezu den Eindruck einer Drohung machte, obwohl in dem Text ausdrücklich stand, es solle keine Drohung sein, und zum anderen die Erklärung einer führenden ägyptischen Zeitung. Beide gipfelten in dem Trend, jetzt genüge es nicht mehr, zu fordern, die Bundesrepublik dürfe keine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen, sondern jetzt müsse mehr gefordert werden.
({0})
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um solchem zunehmendem Druck einen Gegendruck entgegenzusetzen?
Ich kenne die beiden Vorkommnisse im einzelnen nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, daß ich ein paar Tage weg gewesen bin. Ich will es mir aber gern 'einmal zeigen lassen.
Herr Kollege Sanger, auch darauf lautet meine Antwort: Wir können diesen ganzen, sehr schwierigen Komplex, wie ich glaube, nur nach gewissen, nach unserer Auffassung langfristig richtigen Gesichtspunkten behandeln. Dazu gehört eine gewisse
Bereinigung sowohl der einen wie der anderen Sache. Das Ganze hängt eng miteinander zusammen. Aber den Zeitpunkt genau anzugeben, an dem wir glauben, zu wirklich 'besseren Lösungen zu kommen, ist außerordentlich 'schwierig. Wir haben damit sehr viel zu tun, 'daß es in diesem Nah-Ost-Bereich eine tödliche Feindschaft gibt, die in einer so intensiven Weise von dort in andere Teile der Welt dringt, daß es außerordentlich schwer ist, sich dazu richtig zu verhalten.
Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen: Es ist zum großen Teil eine Frage, die nicht nur die Bundesrepublik, sondern zahlreiche westliche Länder betrifft. Wenn man den Maßstab anlegen will, wie man sich gegenüber Druck verhalten soll, dann kann man nicht einen objektiven absoluten Maßstab anlegen, sondern muß ein bißchen den Maßstab des Verhaltens auch dieser anderen großen und bedeutenden Länder anlegen, um unsere Haltung, die schwieriger ist als die der anderen, richtig abzustimmen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sanger.
Herr Minister, könnte man angesichts der Tatsache, daß zwischen öffentlichen Aussagen einiger arabischer Regierungen und unter vier Augen geführten Gesprächen eine wesentliche Differenz klafft, solchen Regierungen nicht sehr deutlich machen, daß wir von den Grundsätzen unserer auf den Frieden und auf den Ausgleich gerichteten Politik nicht - und auch nicht in diesem Fall - abweichen werden, also niemand zu unterstützen bereit sind, der sich auf kriegerische Maßnahmen vorbereitet?
Ich glaube, was Sie gerade aussprechen, ist sehr oft von der Bundesregierung öffentlich erklärt worden. Es ist in der Tat der Inhalt unserer Politik.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesaußenminister, ich darf noch einmal auf Ihre Meinung zurückkommen, es sei unzweckmäßig, diese Fragen hier in der Fragestunde zu erörtern, und Ihre Unterstellung, daß jedes Wort, das hier gesprochen wird, registriert wird. Halten Sie es trotz dieser Meinung nicht für gut, wenn wenigstens aus der Art der Frage und der Stimmung, die dadurch zum Ausdruck kommt, so etwas wie ein Barometer entsteht, das auch im Ausland beachtet werden kann, insbesondere bei den arabischen Staaten?
Ich würde dazu folgendes sagen: Natürlich ist hier jede Frage zulässig, und jede Frage ist natürlich auch, wenn Sie so wollen, ein Stück Barometer. Dagegen ist nicht das geringste einzuwenden. Auch die freie deutsche Presse ist in der Behandlung dieser Fragen frei, und insoweit sie sie behandelt,
ist auch das ein Barometer. Aber es ist doch ein Unterschied zwischen dem, wie die Bundesregierung hier im einzelnen reagiert, und dem, was sozusagen an unmittelbarer Spontanmeinung deutlich wird. Ich meine, die Bundesregierung kann ihre Motive in bestimmten Dingen besser in einem kleineren Kreise als vor der großen Öffentlichkeit darlegen. Nur das meine ich.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Sie haben aber doch, Herr Bundesaußenminister, Verständnis dafür, daß die Abgeordneten von dieser Möglichkeit, die sie haben, Gebrauch machen, wenn sie einmal ihre Meinung kundtun wollen?
Von mir aus steht dem nicht das allergeringste entgegen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlüter.
Ist Ihnen auch nicht die Tatsache bekannt, Herr Bundesminister, daß die deutschen Staatsbürger, die den Staat Israel besuchen, an der israelischen Paßkontrolle gefragt werden, ob sie auf einen Sichtvermerk des israelischen Staates in ihrem Paß Wert legen?
Mir ist dieser Vorgang - es ist offenbar etwas ähnliches wie das, was soeben schon gefragt wurde - in der Tat nicht bekannt.
Sind Sie bereit, wenn Sie bei einer Nachprüfung feststellen, daß es sich in der Tat so verhält, oder offiziell die Bundesregierung, gegenüber 'den politischen Institutionen dieser arabischen Staaten in dieser Frage etwas zu unternehmen?
Ich möchte mich - ich habe es gerade schon gesagt - hier 'zurückhaltend ausdrücken. Es gibt gewisse Dinge, die man mit Sicherheit durchsetzen kann und die man deswegen tut, und es gibt gewisse andere Dinge, auf die man nur einen begrenzteren Einfluß hat und die man dann unter Umständen lieber in anderer Weise behandelt. Ich möchte mich also in diesem Punkte keineswegs festgelegt haben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gscheidle.
Herr Bundesminister, können Sie darüber Auskunft geben, wie hoch die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland an die arabischen Staaten im Jahre 1964 war?
Das kann ich nicht aus dem Stegreif sagen; aber ich will mir die Zahlen gern geben lassen.
Ich möchte auch bezweifeln, ob diese Zusatzfrage noch in unmittelbarem Zusammenhang mit ,der Frage steht - in mittelbarem sicherlich.
Bitte, Herr Abgeordneter Gscheidle zu einer zweiten Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, würden Sie es billigen, wenn sich Behörden der Bundesrepublik Deutschland aktiv einschalten, um die Unterschriftenaktion des Deutschen Gewerkschaftsbundes für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel zu unterbinden?
Wenn ich es richtig verstanden habe, geht die Frage dahin, ob ich es billige, wenn man gegen die Unterschriftenaktion des Deutschen Gewerkschaftsbundes Einfluß nimmt. Ich würde sagen, das ist eine Sache, die im Rahmen der freien Meinungsäußerung liegt - sowohl einerseits wie andererseits.
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich Sie nach Ihren bisherigen Darlegungen fragen: Verfolgt die Bundesrepublik im Nahen Osten eine Politik, welche uns möglichst die Freundschaft mit dem Staate Israel und der arabischen Welt sichert?
({0})
Ja. Ich glaube, das ist eine ganz gute Formulierung, Herr Kollege Josten.
({0})
Wir kommen zur Frage VI/3 - des Abgeordneten Rollmann -:
Wann wird die Bundesregierung die völlig unzulänglichen räumlichen Verhältnisse der Deutschen Schule in Tokio durch einen Neubau beheben?
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Der deutsche Schulverein in Tokio hat vor kurzem mit Mitteln des Schulfonds des Auswärtigen Amts bereits ein Baugrundstück erworben. Im Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für 1965 ist ferner ein Leertitel für die Kosten des Bauvorhabens ausgebracht. Das Auswärtige Amt beabsichtigt, nachdem baufachlich genehmigte Pläne, die gegenwärtig ausgearbeitet werden, bis dahin vorliegen dürften, für das Haushaltsjahr 1966 die erste Baumittelrate zu veranschlagen.
Ich rufe auf die Fragen VI/4, VI/5 und VI/6 - der Abgeordneten Frau Geisendörfer:
Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Beispiel anderer Staaten zu folgen und eine Laufbahn für Wissenschaftsattachés einzurichten?
Vizepräsident Dr. Jaeger
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung - bei Bejahung der Frage VI/4 - die Zuständigkeit solcher Wissenschaftsattachés zu regeln?
Hat die Bundesregierung - bei Bejahung der Frage VI/4 - schon bestimmte Vorstellungen, bei welchen diplomatischen Vertretungen und wann solche Wissenschaftsattachés bestellt werden sollen?
Die Bundesregierung beabsichtigt, an einige deutsche Botschaften in den größten und wichtigsten Industrieländern technisch-naturwissenschaftliche Referenten zu entsenden, die in einem engen beruflichen Kontakt zu der Forschung stehen und die - hierauf kommt es wesentlich an - fähig sind, etwaige politische Auswirkungen technisch-naturwissenschaftlicher Entwicklungen zu erkennen. Die Bundesregierung ist bemüht, hierfür aus den Kreisen der Forschung geeignete Persönlichkeiten zu gewinnen.
Diese technisch-naturwissenschaftlichen Referenten werden für die Dauer ihrer Tätigkeit Angehörige des Auswärtigen Amts sein und von diesem den in Betracht kommenden Botschaften zugeteilt.
Es ist vorgesehen, zunächst bei der Botschaft in London einen solchen Referenten einzusetzen. Mit dessen Entsendung ist im kommenden Frühjahr zu rechnen. Für einen späteren Zeitpunkt werden - je nach den Erfahrungen - die Botschaften in Paris, Washington, Rom, Tokio für den Einsatz von technisch-naturwissenschaftlichen Beratern in Erwägung zu ziehen sein. Die Mittel für einen ersten Referenten sind im Haushaltsplan 1965 mit 100 000 DM beantragt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist nicht gerade auch für Washington eine solche Stelle vorgesehen, nachdem in Washington eine große Zahl von wissenschaftlichen und „atomaren" Attachés aus sehr viel kleineren Staaten als der Bundesrepublik Deutschland tätig ist und es, glaube ich, nachgewiesen ist, daß sie einen großen Einfluß und auch einen wichtigen politischen Auftrag haben?
An der Botschaft Washington ist auf technischnaturwissenschaftlichem Gebiet zur Zeit ein Beamter des Auswärtigen Dienstes eingesetzt, der über eine entsprechende abgeschlossene Ausbildung verfügt. Die Entsendung eines Referenten nach Washington erscheint daher nicht vordringlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß dem Militärattachéstab bei der Botschaft Washington ein technischwissenschaftlicher Referent für Verteidigungsfragen beigegeben ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß das Hilfspersonal
des zuerst angeführten Beamten so unzureichend ist, daß es sehr fraglich ist, ob er seiner Aufgabe in dem gewünschtem Maße nachkommen kann?
Sie sprechen von Washington. Das weiß ich nicht; das will ich mir aber gern noch einmal vortragen lassen. Ich habe ja gerade gesagt, daß wir für diese andere Stelle im Haushaltsplan 100 000 DM angesetzt haben. Ich würde glauben, daß das eine Größenordnung ist, mit der man auch das Washingtoner Problem behandeln könnte. Aber, wie gesagt, das muß ich mir einmal in den Einzelheiten ansehen.
Frau Abgeordnete, Sie haben drei Fragen gestellt, haben also sechs Zusatzfragen. Bitte sehr!
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß dieses Problem von Ihrem Haus mit Dringlichkeit und Nachdruck behandelt wird und daß die von Ihnen angedeuteten Lösungen möglichst bald realisiert werden?
Ich möchte Ihre Frage uneingeschränkt mit Ja beantworten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, wie ist der Stand der Diskussion innerhalb der Bundesregierung über die Entsendung von Entwicklungshilfe-Attachés?
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, das scheint mir eine gesonderte Frage, keine Zusatzfrage mehr zu sein.
Ich rufe auf die Frage VI/7 - der Abgeordneten Frau Freyh ({0}) -:
Trifft es zu, daß Ehefrauen von im Auslandsschuldienst verwendeten und durch das Auswärtige Amt vermittelten deutschen Lehrkräften grundsätzlich an der Schule, an der der Ehemann unterrichtet, nur als Ortskräfte angestellt werden, auch wenn sie die gleichen beruflichen Voraussetzungen wie ihre Ehemänner mitbringen und die gleiche Verwendung im Auslandsschuldienst erstreben?
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt:
Grundsätzlich wird nur ein Ehepartner als Lehrer an eine deutsche Auslandsschule vermittelt. Der Grund liegt in folgendem: Die Erfahrung hat gelehrt, daß an Auslandsschulen Unfrieden entstanden ist, wenn Ehepartner im gleichen Kollegium arbeiteten und gelegentlich gemeinsam in Gegensatz zu dem Kollegium gerieten. Es handelt sich also um Bedenken pädagogischer Art.
Weitere Bedenken liegen darin, daß vom finanziellen Aspekt her ein großes Einkommensgefälle, wie es sich bei der gleichzeitigen Beschäftigung beider Ehepartner als vermittelte Kräfte an einer und
derselben Schule ergeben würde, innerhalb des
Kollegiums leicht zu Neid und Zwistigkeiten führt.
Aus dieser Erkenntnis heraus verfahren die Bundesländer im innerdeutschen Schuldienst so, daß Lehrerehepaare möglichst nicht an der gleichen Schule unterrichten. Was das Auslandsschulwesen angeht, so hat der Auslandsschulausschuß der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder auf seiner letzten Sitzung im Juli 1964 in Bad Kreuznach beschlossen, auf eine frühere Empfehlung hinzuweisen, wonach Lehrerehepaare nicht an dieselbe Auslandsschule vermittelt werden sollten.
Die Bundesregierung ist zwar nicht gehalten, den Empfehlungen des Auslandsschulausschusses zu folgen; sie hat jedoch in Anerkennung der vorgetragenen pädagogischen und finanziellen Bedenken eine Vermittlung von Lehrerehepaaren an dieselbe Auslandsschule seit 1962 vermieden. Im übrigen wird auch im Bereich des Auswärtigen Dienstes der Grundsatz befolgt, daß Ehepaare, die Angehörige des Auswärtigen Dienstes sind, nicht an derselben Auslandsdienststelle verwendet werden.
Die Bundesregierung erhebt jedoch in der Regel keine Einwendungen, wenn der einheimische Schulverein den Ehepartner eines vermittelten Lehrers als Ortskraft anzustellen wünscht.
Herr Minister, darf ich dieser Antwort also entnehmen, daß Sie auch in Zukunft nicht bereit sein werden, Ehepaare an den Schulen gleichwertig anzustellen und damit dem in meiner zweiten Frage erwähnten Grundsatz der Gleichberechtigung Geltung zu verschaffen?
Diese Zusatzfrage betrifft die Frage VI/8 - der Frau Abgeordneten Freyh ({0}) -:
Wie beurteilt die Bundesregierung - falls die Frage VI/7 zustimmend zu beantworten ist - diesen Sachverhalt vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichberechtigung?
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sich gerade auf dem Gebiete des Auslandsschulwesens die Frage der Gleichberechtigung kaum befriedigend lösen lassen wird. Sie ist bestrebt, Lehrerehepaaren bei der Verwirklichung des Wunsches zu helfen, im Auslandsschuldienst tätig zu sein. Sie muß allerdings auch bemüht bleiben, die eingangs geschilderten Gefahren zu vermeiden. Dabei muß sie davon ausgehen, daß der Ehepartner eines in den Auslandsschuldienst vermittelten Lehrers keinen Rechtsanspruch auf Vermittlung in den Auslandsschuldienst hat. Das ist die Antwort auf Ihre zweite Frage.
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Sie haben vier Zusatzfragen.
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Antwort im Zusammenhang mit dem spürbaren Lehrermangel, der auch an Auslandsschulen herrscht?
In der Tat wäre es schöner, wenn die Antwort positiv ausfallen könnte, wenn ich auch hier sozusagen über eine bessere zahlenmäßige Auswirkung berichten könnte. Dem Mangel ist ja, soweit es sich um das Zurückgreifen auf den Ehepartner handelt, gelegentlich in der Weise abgeholfen worden, wie ich es geschildert habe. Im übrigen möchte ich sagen, Frau Kollegin, daß der Fall, der hinter dieser Anfrage steht, möglicherweise demnächst in einem positiven Sinne an einem anderen Ort eine Lösung erfährt - Sie kennen den Fall nicht? -,
({0})
also: an einem anderen Ort eine Lösung erfährt. Da ist ein entsprechendes Angebot gemacht worden. Aber es wird nicht immer möglich sein, allen Prinzipien gleichzeitig Rechnung zu tragen.
Frau Abgeordnete Freyh, Sie haben keine Zusatzfrage mehr? - Dann als nächster Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Minister, Sie sprachen von „Ehepartner". Gibt es auch Fälle, in denen mitgebrachte Ehemänner nur als örtliche Kräfte eingestellt werden?
({0})
Ich kenne einen solchen Fall nicht. Aber ich habe ja gesagt: das Problem der Gleichberechtigung läßt sich nicht unbedingt befriedigend regeln. Cum grano salis würde dort dasselbe gelten.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Minister, meinen Sie nicht auch, daß man bei der Regelung, die Sie vorschlugen - die Ehefrauen, die Lehrerinnen sind, als Ortskräfte einzustellen -, eine Lösung finden müßte, um die beamtenrechtlichen Nachteile, die den Lehrerinnen dadurch entstehen, auszugleichen?
Ich glaube, daß das möglich sein müßte. Im Grunde können wir davon ausgehen, daß die Betreffenden für die Zeit, in der sie im Auslandsschuldienst sind, sowieso besser gestellt werden. Aber sie sollen dadurch natürlich nicht in eine Lage kommen, in der sie nachher versorgungsmäßig schlechter gestellt wären. Da stimme ich Ihnen ganz zu.
Herr Abgeordneter Könen ({0}).
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß insbesondere in Südamerika deutsche Angestellte und Ingenieure, die wegen der Lage ihres Arbeitsplatzes nicht in der Lage sind, ihre Kinder in einer zentral gelegenen deutschen Schule unterrichten zu lassen, sich zusammentun, um
- und zwar legen sie Wert darauf - ein Lehrerehepaar zu engagieren, im Wege eines Schulvereins oder sonstwie, weil sie mit Recht glauben, daß die Frau des Lehrers in Auslandsschulen in solchen abgelegenen Gebieten nicht nur als Lehrerin, sondern auch als Vermittlerin vieler anderer Dinge eine wertvolle Arbeit zu tun hat?
Ich weiß das nicht im einzelnen, Herr Kollege Könen, aber möglicherweise haben Sie den Fall der deutschen Schule in Santa Cruz in Bolivien im Auge, wo in der Tat zwei andere Lehrerehepaare mit Doppelkontrakt tätig sind und wo einem weiteren deutschen Lehrerehepaar ein Doppelkontrakt angeboten worden ist. Daraus ergibt sich, daß es örtliche Ausnahmen geben kann.
Herr Minister, darf ich Ihnen sagen, daß ich Sie enttäuschen muß? Ich sprach jetzt von Kolumbien, wo die gleichen Verhältnisse sind.
Gut, also ich habe hier Bolivien als ein Beispiel. Wie es in Kolumbien ist, weiß ich nicht, aber ich will mir das gerne einmal ansehen.
Herr Minister, sind wir uns, wenn ich einmal mit der Sache an Sie herantrete, darüber einig, daß in 2800 m Höhe die Einrichtung deutscher Schulen ein wenig schwierig ist und daß deshalb Lehrerehepaare dort sehr notwendig wären?
Ich dachte, daß das schon für Bolivien zuträfe. Aber für andere Plätze wird das möglicherweise ebenso gelten.
Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesaußenminister, obwohl ich hoffe, daß in Ihrer vorhin gegebenen positiven Antwort der in Ihrem Amt vorgetragene Fall des Lehrerehepaares Groß gemeint ist, der sich positiv entwickeln könnte, darf ich doch noch einmal fragen: Sind Sie sicher, daß die von Ihnen ,gegebene Auskunft, auch in Innerdeutschland würden Lehrerehepaare möglichst nicht an einer Schule beschäftigt, noch den heutigen Gegebenheiten entspricht, nachdem z. B. in meinem Amt an zwei Schulen mit sehr gutem Erfolg Lehrerehepaare gleichzeitig an einem Schulort tätig sind?
Ich bin kein genauer Kenner der innerdeutschen Schulverhältnisse, und ich muß mich auf das verlassen, war mir die zuständigen Stellen als ihre Politik erklärt haben. Daß es davon Ausnahmen geben mag, 'das glaube ich schon.
Eine zweite Zusatzfrage!
Ich darf noch einmal fragen. Verstehen Sie, Herr Bundesaußenminister, daß die betroffenen Ehepaare die zweitspurige Verwendung des Ehepartners nur als Ortskraft als eine ausgesprochene Benachteiligung und Diskriminierung betrachten müssen?
Ich verstehe schon, daß viele es so empfinden. Aber die Empfindungen des 'Menschen sind nicht immer berechtigt, wenn man gleichzeitig die Empfindungen anderer 'berücksichtigt. Die Empfindungen anderer gegenüber diesem Tatbestand sind ganz erheblich anders. Die Empfindungen anderer sind die, daß es hier. einem Ehepaar besonders und ungebührlich gut geht. Das ist leider so. Der Neid oder die Mißgunst spielt unter den Menschen eine größere Rolle, als das nach der Anlage der Schöpfung sein sollte.
({0})
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, Herr Bundesaußenminister, daß das Auswärtige Amt die Position 'der Neidischen stärker berücksichtigt als derjenigen, die Gerechtigkeit verlangen?
Die Frage der Gerechtigkeit ist eine noch kompliziertere Frage, und dafür einen objektiven Maßstab anzugeben, ist noch schwieriger. Ich glaube, dies sind Dinge, die man wirklich nur als Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse ansehen kann und bei denen man den Versuch machen muß, zu Lösungen zu kommen, die sowohl für die Betroffenen wie für ihre Umwelt erträglich sind und die auch nicht gegen Rechtsprinzipien verstoßen. Das ist die Haltung, die ich hier eingenommen habe.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Minister, halten Sie es familienpolitisch für richtig, Ehepartner, die beide im Auswärtigen Dienst beschäftigt sind, in getrennten Ländern unterzubringen, wie das aus Ihren Ausführungen hervorgeht?
Frau Kollegin, als ich gestern abend diese Antwort studierte, bekam ich an dieser Stelle einen leichten Schreck; das muß ich Ihnen zugeben. Diese Fälle sind aber nicht sehr häufig. Ich will Ihnen aus der jüngeren Zeit einen Fall erzählen. Ein jüngeres Ehepaar wurde entgegen diesem Grundsatz an dieselbe Stelle versetzt. Nach einer gewissen Zeit vergrößerte sich die Familie auf natürliche Weise,
({0})
und die Ehefrau quittierte den Dienst, so daß sich das Problem auf diese Weise regelte. Dieser Grundsatz hört sich sehr hart an; aber es gibt wohl nicht sehr viele praktische Fälle.
Damit komme ich zu den Fragen VI/9 und VI/10 - des Abgeordneten Biechele -:
Sind unter den Deutschen, die im Kongo ({0}) in die Hände der Aufständischen geraten sind, Opfer zu beklagen?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den an Leib und Leben bedrohten Deutschen zu helfen?
Ich darf die Antwort auf die beiden Fragen zusammenfassen.
Nach den bisher vorliegenden Berichten sind keine deutschen Staatsangehörigen unter den jetzigen Opfern im Kongo zu beklagen. Die Weite des Raumes und die bestehenden Verkehrsverhältnisse erschweren alle praktischen Maßnahmen, Leib und Leben zu schützen. Die dafür in Frage kommenden deutschen Botschaften haben bereits vor längerer Zeit alle zur Rettung möglichen Schritte unternommen. Die Bundesregierung hat sich darüber hinaus mit den zuständigen in- und ausländischen nationalen wie internationalen Stellen in Verbindung gesetzt und sie gebeten, bei der Rettung deutscher Staatsangehöriger mitzuwirken.
Eine Zusatzfrage!
Besitzt die Bundesregierung Informationen darüber, wieviel deutsche Staatsbürger etwa in diesem Bereich gelebt haben und tätig gewesen sind?
Ich habe hier keine Unterlagen darüber zur Verfügung, will das aber gern festzustellen versuchen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, ob in diesem Raum auch deutsche Entwicklungsprojekte verwirklicht worden sind oder verwirklicht werden sollen?
In einem gewissen Umfange, Herr Kollege, trifft das schon zu.
Noch eine Zusatzfrage? Sie können ja vier Zusatzfragen stellen.
Trifft es zu, Herr Bundesminister, daß einige Regierungen - ich lese es von der britischen Regierung - bei den Vereinten Nationen auf neue Rettungsaktionen drängen und daß dabei an den Einsatz einer internationalen Streitmacht gedacht ist, und sieht die Bundesregierung unter Umständen eine Möglichkeit, wenn deutsche Staatsbürger noch bedroht sein sollten, sich an einer solchen Aktion zu beteiligen?
Soweit es sich um die Beteiligung deutscher Militärpersonen handelte, würde ich dem außerordentlich zurückhaltend gegenüberstehen. Soweit es sich um die Unterstützung anderer Rettungsaktionen handelt, würde ich die Sache wesentlich positiver betrachten.
Eine vierte und letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ich habe nur „die Unterstützung anderer Rettungsaktionen" im Auge. Würden Sie bereit sein, wenn es dahin käme, für die Bundesregierung in diesem Bereich eine Hilfe anzubieten?
Das halte ich für durchaus möglich.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Infolge der fortgeschrittenen Zeit können die anderen Fragen erst morgen 'beantwortet werden.
Wir kommen noch einmal zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die hierzu vorliegende Frage des Abgeordneten Dr. Imle auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Bestrebungen in Flensburg, in Erweiterung der Staatlichen Schiffsingenieurschule und der Forschungs- und Erprobungsstelle für Schiffsbetriebstechnik eine Technische Hochschule zu errichten, wobei als erste Stufe die Errichtung einer Technischen Akademie als Außenstelle der Universität Kiel in Betracht käme?
Ich darf bitten, Herr Bundesminister.
Die Planung und Errichtung von neuen wissenschaftlichen Hochschulen ist Aufgabe der Länder. Wegen der großen Bedeutung der Hochschulen für die wissenschaftliche Forschung ist die Bundesregierung jedoch, wie sie wiederholt erklärt hat, bereit, sich an der Finanzierung der neuen Hochschulen zu 'beteiligen. Hierüber hofft sie in Kürze mit den Ländern, die bekanntlich am 4. Juni dieses Jahres ein Abkommen über die Finanzierung neuer Hochschulen abgeschlossen haben, zu einer Vereinbarung zu kommen. Eine wesentliche Voraussetzung für ihre Beteiligung an einem Neugründungsprojekt ist für die Bundesregierung eine positive Beurteilung durch den Wissenschaftsrat.
Soweit ich unterrichtet bin, ist die Frage der Errichtung einer Technischen Hochschule in Flensburg über den Stand von Vorerwägungen noch nicht hinausgekommen. Der Wissenschaftsrat hat sich mit diesem Neugründungsplan bisher nicht befaßt. Die Bundesregierung und, wie ich höre, auch die Landesregierung Schleswig-Holstein sind daher der Auffassung, daß zunächst eine Äußerung des Wissenschaftsrates zu der Frage eingeholt werden sollte, ob die Gründung einer Technischen Hochschule im norddeutschen Raum empfohlen wird. Erst dann kann beurteilt werden, ob Flensburg als Standort einer Technischen Hochschule in Betracht kommt.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde. Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, habe ich eine Reihe amtlicher Mitteilungen zu machen:
Die Mitgliedschaft im Bundestag haben erworben: die Abgeordnete Frau Griesinger am 23. November 1964 als Nachfolgerin für den am 16. November durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hahn ({0}) und die Abgeordnete Frau Kleinert am 13. November als Nachfolgerin für den verstorbenen Abgeordneten Winterstein.
Ich begrüße die neuen Kolleginnen und wünsche ihnen ,eine gute Zusammenarbeit.
({1})
Sodann hat die Mitgliedschaft im Bundestag erworben - wieder .erworben, darf ich sagen - der Herr Abgeordnete Dr. Preiß am 24. November 1964 als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Dr. von Brentano. Der Herr Kollege Dr. Preiß mußte sich einer Operation unterziehen und befindet sich noch im Krankenhaus. Ich wünsche ihm baldige Genesung.
({2})
Am 17. November hat der Herr Abgeordnete Dr. Dr. h. c. Friedensburg seinen 78. Geburtstag gefeiert. Ich darf ihm die Glückwünsche des Hauses und meine eigenen aussprechen.
({3})
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. November 1964 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes ({4})
Gesetz zu dem Abkommen vom 5. März 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über den Luftverkehr
Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes.
Der Bundesminister des Innern hat am 13. November 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausrüstung des Luftschutzhilfsdienstes - Drucksache IV/2546 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2741 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 12. November 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raume Soltau-Lüneburg - Drucksache IV/2639 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2742 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 10. November 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtsstellung der bei den Alliierten Beschäftigten - Drucksache IV/2638 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2743 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 12. November 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtsansprüche unehelicher Kinder gegenüber Angehörigen der alliierten Streitkräfte - Drucksache IV/2637 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2744 verteilt.
Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat am 21. November 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({5}), Bading, Dr. Imle und Genossen betr. Schutz des Mutterbodens - Drucksache IV/2710 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2758 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 23. November 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({6}), Bading, Dr. Imle und Genossen betr. Fischereirechte am Oberrhein - Drucksache IV/2712 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2764 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 23. November 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({7}), Bading, Dr. Imle und Genossen betr. Abladen von Schutt und Abfällen in der Nordsee - Drucksache IV/2711 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2765 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 3. November 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 4. Dezember 1963 über die derzeitige umsatzsteuerliche und ausgleichsteuerliche Behandlung von Schweineschmalz und Talg berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2698 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 13. November 1964 zum Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für verschiedene Mischfutterarten - Drucksache IV/2673 - mitgeteilt, daß er von einer Stellungnahme absieht, da der Ministerrat der EWG über die Verordnung bereits Beschluß gefaßt hat. Der Ausschuß hat gegen die Verordnung keine Bedenken erhoben.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 19. November 1964 mitgeteilt, daß gegen die Verordnung Nr. 142/64/EWG des Rats vom 21. Oktober 1964 zur Verlängerung und Anpassung der Grenzen der Erstattung bei der Erzeugung für Getreide- und Kartoffelstärke bis zum 31. März 1965 ({8}) keine Bedenken erhoben werden.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 19. November 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 4. November 1964 wegen der Errichtung einer D-Zug-Station im Raum Bingen-Bingerbrück berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2775 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats über Maßnahmen, die beim Eintreten einer Lage zu treffen sind, welche die Verwirklichung der in Art. 39 Abs. 1 Buchstaben c), d) und e) des Vertrages genannten Ziele gefährden könnte - Drucksache IV/2730 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Januar 1965
Verordnung des Rats zur Ergänzung der Verordnung Nr. 3 und 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer ({9}) - Drucksache IV/2734 an den Ausschuß für Sozialpolitik mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Dezember 1964
Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten - Drucksache IV/2748 an den Ausschuß für Inneres mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Dezember 1964
Richtlinie des Rats über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG zur Aufrechterhaltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölerzeugnissen ({10}) - Drucksache IV/2756 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Januar 1965
Verordnung des Rats über die Durchführung einer Grunderhebung im Rahmen eines Erhebungsprogramms zur Untersuchung der Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in der EWG - Drucksache IV/2757 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 27. Januar 1965.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({11}) - Drucksache IV/2732 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({12}) - Drucksache IV/2763 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. März 1965.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 37 des Ausschusses für Petitionen ({13}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({14}).
Das Wort wird nicht begehrt. Ich nehme an, 'daß dem Ausschußantrag zugestimmt wird. - Widerspruch erfolgt nicht. So beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1965, 1966 und 1967 ({15}),
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({16}) ({17}); ({18})
b) Fortsetzung der Aussprache über die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betreffend Situation des Energiemarktes, insbesondere Lage des Steinkohlenbergbaus und über die Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Energiepolitik und Lage des Steinkohlenbergbaus ({19}) .
Herr Abgeordneter Blumenfeld hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich nehme an, .daß eine Ergänzung nicht notwendig ist. Wir können damit in die Aussprache eintreten.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Burgbacher.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst handelt es sich um die Vorlage für Kohlezoll und Kohlekontingent. Ich glaube, daß wir darüber keine Debatte mehr zu führen brauchen. Wir haben in dieser Vorlage die Einfuhr der Kohlenmenge nicht wie bisher erhöht, sondern sie mit Rücksicht auf die Kohlesituation auf dem alten Stand belassen. Wir haben die Verteilung in Verbrauchsnähe gebracht und haben die Verlängerung auf drei Jahre vorgeschlagen, weil wir annehmen, daß diese Frage nach drei Jahren auf EWG-Ebene ihre Regelung gefunden hat.
Nun zu dem Hauptthema! Ende 1956 hat das Europäische Parlament in Straßburg in langen Debatten die Probleme erörtert, die sich aus der damals gegebenen Kohlenmangellage ergaben. Es wurde die Frage erörtert, ob nicht die Bestimmung der Pariser Verträge über die Verkündung der Mangellage angewandt werden müßte. Knapp zwei Jahre später hat das gleiche Europäische Parlament die Probleme erörtert, die sich aus dem Kohlenüberfluß, der dann an Stelle des Mangels eingetreten war, ergaben. Aus diesem historisch belegten Beispiel mag man ersehen, daß in der energiewirtschaftlichen Entwicklung Prognosen auf längere Sicht zwar zweckmäßig sind, aber immer mit der notwendigen Skepsis, vor allem in Hinblick auf ihre praktischen Folgerungen, gesehen werden müssen.
Diese Kohlenüberflußlage besteht nun also schon seit sechs Jahren. Es ist gelungen, in diesen sechs Jahren Förderung und Verkauf der deutschen Steinkohle zu sichern. Die jetzt in den Revieren des Steinkohlenbergbaus eingetretene Unruhe ist durch die Anmeldung auf Grund des Rationalisierungsverbandsgesetzes entstanden. Sie ist verschärft worden durch die Tatsache, daß auf dem Heizölmarkt Preiszusammenbrüche zu verzeichnen sind, die mit
Kostenpreisen nichts mehr zu tun haben und dadurch die Absatzlage der Kohle verschärfen, da hier ein ruinöser und nicht mehr ein normaler Wettbewerb gegeben ist. Außerdem steht Erdgas vor der Tür.
Man sollte immer von zwei Voraussetzungen ausgehen: einmal davon, daß die europäische Steinkohle in voraussehbarer Zeit zu normalen Bedingungen nicht wettbewerbsfähig wird, und zum anderen davon, daß aus Gründen der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes gegenüber anderen Märkten eine möglichst sichere, vor allem ausreichende und möglichst preiswerte Energie zur Verfügung stehen soll. Aus der ersten Voraussetzung ergibt sich, daß man entweder die Steinkohle in Deutschland und der EWG zu einem sehr großen Teil aufgeben oder daß man zu mittelbaren oder unmittelbaren Subventionen greifen muß, wie es ja auch schon geschehen ist. Aus der zweiten Voraussetzung ergibt sich, daß sich der Wettbewerb unter marktgerechten Bedingungen vollziehen soll, womit eigentlich ausgeschlossen sein müßte, daß einer der Energieträger einen ruinösen Wettbewerb betreibt.
Der Begriff der Sicherheit kann nur relativ und nicht absolut verstanden werden. Sowohl die Bundesrepublik als auch der Gemeinsame Markt sind und bleiben energieimportabhängig, und diese Energieimportabhängigkeit wird mit der Steigerung der Energienachfrage, die nicht nur unvermeidbar, sondern auch notwendig ist, noch steigen. Als sicher wird man ansehen dürfen die Energieträger an heimischer Energie, worunter ich Energie in Europa oder im EWG-Raum verstehe. Dann folgen die anderen Räume des freien Europa, dann folgen die Räume der NATO-Welt, dann die der neutralen Welt und - als unsicherstes Glied - die des Ostens. Es scheint aber nicht gleichgültig zu sein, ob in der Bundesrepublik und im Gemeinsamen Markt der Grad der Energieversorgung aus heimischen Energieträgern 10 bis 20 % oder 30 bis 50 % beträgt. Alle Länder der freien Welt überlegen eine Notstandsgesetzgebung, die nicht nur für Fälle des heißen, sondern auch für Fälle des sogenannten kalten Krieges eine relative Sicherheit gewährleistet,
d. h. die Sicherheit, die aus geologischen Gründen, aus Gründen der Vorkommen der Energieträger möglich ist.
Was soll eine Notstandsgesetzgebung nutzen, wenn im Falle eines kalten Krieges die gesamte Energieversorgung und damit praktisch das wirtschaftliche und zivile Leben mehr oder weniger stillgelegt wird? Wenn in der Bundesrepublik für die Bundeswehr über 20 Milliarden DM jährlich ausgegeben werden, so hat dieses notwendige Abwehrinstrument nur seine Effektivität mit einem Minimum an eigener Energieversorgung, auf jeden Fall mit einem Minimum der Energieversorgung, die man dringend und unverzichtbar braucht.
Man könnte demzufolge auch so argumentieren, daß ein öffentlicher Zuschuß zur sicheren Energieversorgung eigentlich zur sicheren Verteidigung der Freiheit und Existenz notwendig ist - wie es übri7278
gens in der USA-Gesetzgebung mit dieser Begründung geschieht.
Diese Feststellung hat nicht nur Bedeutung für den Fall des kalten oder heißen Krieges, sondern hat auch in sogenannten ruhigen Zeiten, in denen auf politischer, parlamentarischer und diplomatischer Ebene gearbeitet und gefochten wird. Denn der präsumtive Gegner weiß über den Grad der Sicherheit in der Energieversorgung und damit der Überlebensmöglichkeit genau Bescheid, und je nachdem, wie ernst er sie nimmt, beurteilt er die Stärke unserer Argumente.
In allen Ländern bestehen dirigistische oder restriktive Bestimmungen auf dem Gebiet der Energieversorgung. In vielen Teilen der freien Welt, wie etwa in England, Frankreich, Osterreich und de facto im wesentlichen auch in Italien und in gewissem Sinne in Holland, ist die Energiewirtschaft verstaatlicht oder staatlich beherrscht. Es gibt in der freien Welt außer der Bundesrepublik, die eine relativ liberale Energiepolitik betreibt, nur noch die skandinavischen Länder mit liberalen Märkten für Energiewirtschaft. Gleichzeitig ist festzustellen, daß die Bundesrepublik seit Jahren eine hervorragende wirtschaftliche Entwicklung nimmt und voraussichtlich in der Zukunft nehmen wird und demzufolge eine ständig steigende Energienachfrage zu erwarten ist.
Aus ,diesen Gründen stürzt sich die internationale Ölindustrie auf diesen deutschen Markt, um sich einen möglichst großen Anteil für das Erdöl zu sichern. Das ist nicht nur ein prinzipieller Kampf des Öls, sondern es ist auch ein individueller Kampf zwischen den einzelnen Ölunternehmen. Daher erklären sich die Preiszusammenbrüche.
Sicherlich ist es jedem Verbraucher von schwerem oder leichtem Heizöl sehr zu gönnen, daß er sich zu den billigsten Preisen, die es in der Welt gibt, versorgen kann. Er trifft aber aller Wahrscheinlichkeit nach eine Entscheidung auf Grund eines Irrtums, nämlich insofern, als er annimmt, daß diese Preise in Zukunft bleiben, während sie heute schon jenseits unserer Bundesgrenzen erheblich höher sind als bei uns und also in der Höhe, in der sie 'bei uns bestehen, nicht bleiben werden.
Die derzeitigen Welterdölvorkommen reichen für den derzeitigen Welterdölbedarf knapp 40 Jahre. Die Erdölindustrie sagt, daß noch neue Erdölvorkommen gefunden werden. Das mag sein. Vom Verbrauch her aber ist zu sagen, daß der Ölverbrauch rasant weiter steigen wird, auch bei angemessenen Preisen. Außerdem müssen wir geradezu hoffen, daß die Entwicklungsländer sich entwickeln, das heißt vor allem, daß sie anfangen oder fortsetzen, ihren Energiebedarf zu steigern. Was bedeutet es aber, wenn rund 1 Milliarde Menschen beginnen, Energie zu verbrauchen, auch wenn sie in bescheidenem Umfang beginnen! Das bedeutet, daß dann die Nachfrage nach Öl und demzufolge nach den Heizölen erheblich steigt und daß sich dann selbstverständlich die Preise auf ein anderes Niveau einpendeln werden.
Ich bitte, diese Hinweise nicht so aufzufassen, als wollte ich behaupten, ,daß die Preise über die Kostenpreise der europäischen Steinkohle steigen; das liegt mir fern. Ich habe schon in der Einleitung bemerkt, daß in absehbarer Zeit ohne öffentliche Hilfe die europäische und die deutsche Steinkohle nicht wettbewerbsfähig sein kann, aber nicht nur wegen des Öls, sondern wegen der unter gänzlich anderen geologischen Voraussetzungen geförderten US-Kohle.
Wenn ich in diesem Zusammenhang auf das scheinbar ferner liegende Gebiet der Reinhaltung der Luft und des Wassers hinweise, so bitte ich das so zu verstehen, daß die Luftverunreinigung durch die Verwendung der Heizöle und die Gefahr der Wasserverunreinigung durch Undichtigkeit von Ölleitungen oder Öltransporten bestehen. Ich erwähne das, weil auf diesem Gebiet wahrscheinlich noch Kosten auf uns zukommen, die den Ölpreis beeinflussen können.
Wir brauchen die Steinkohle. Die Steinkohle ist vor allem nicht substiuierbar in der Eisen- und Stahlgewinnung und schwer substituierbar in allen auf Kohle gebauten Elektrizitätswerken. Würde man die Kohlenförderung erheblich schrumpfen lassen, so würde das auch für die Entwicklung der Eisen-und Stahlindustrie und der deutschen Elektrizitätswirtschaft von negativer Bedeutung sein.
Die Notwendigkeit, etwas zu tun, haben Bundestag und Bundesregierung rechtzeitig erkannt. Sie haben vor allem die Richtlinie verkündet, daß der deutsche Steinkohlenbergbau die echte Chance haben muß, 140 Millionen Tonnen jährlich zu fördern und zu verkaufen. Abgesichert ist diese Erklärung durch das Gesetz über das Zollkontingent für feste Brennstoffe, das wir heute verabschieden wollen, durch die Heizölbesteuerung, durch die Beihilfen zur Knappschaft, durch das Gesetz über den Rationalisierungsverband und noch einige andere Maßnahmen.
Bei der Beurteilung der Hilfe an die Knappschaft mit rund 1,8 Milliarden DM jährlich muß man allerdings in Betracht ziehen, daß der Bergbau überproportional mit sozialen Leistungen belastet ist, die sich aus der Eigenart des Berufs ergeben, und außerdem, daß die Knappschaft bei relativ sinkender Aktiv-Belegschaft und relativ ständig steigender Zahl der Bezugsberechtigten lebt. Anders formuliert ist es so, daß, wenn die Knappschaft ein Teil der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherung wäre, dieser Tatbestand überhaupt nicht erkennbar wäre.
Nun sind auf Grund des Rationalisierungsverbandsgesetzes 31 große und fünf kleine Schachtanlagen zur Stillegung angemeldet worden. Auf der Basis der Förderung von 1959 bis 1961 würde das die Stillegung von 26 Millionen Tonnen bedeuten, von denen bereits 4 Millionen stillgelegt sind. Es ist nun zweifellos so, daß in diesen Anmeldungen sogenannte Vorsorgeanmeldungen enthalten sind, d. h. die Anmeldungen von all den Schachtanlagen, die noch nicht wissen, ob sie stillegen, die aber zur Vermeidung eventueller finanzieller Nachteile die Frist gewahrt haben. Es scheint jetzt schon erkennDr. Burgbacher
bar, daß von den 26 Millionen 12 bis 15 Millionen positiv rationalisierbar sind, d. h. daß heute schon feststeht, daß diese Menge an anderer Stelle gefördert werden wird. Von den verbleibenden 12 bis 14 Millionen Tonnen ist sicherlich ein großer Teil sogenannte Vorsorgeanmeldung und entfällt. Es würde vielleicht noch die Gefahr einer vorläufig echten Reduktion der Förderung um 5 bis 7 Millionen Tonnen bestehen.
Man sollte diese Zahlen, die ja noch nicht effektiv sind, bei allen Beteiligten mit Ruhe und Besonnenheit beurteilen, vor allem sich in die inneren Zusammenhänge vertiefen. Eine offizielle Liste der Antragsteller ist noch nicht bekannt. Was man aber darüber hört, zwingt zum Nachdenken. Wenn unter den beantragten Stillegungen solche mit 1700 kg pro Mann und Schicht und darunter sind, so leuchtet der Antrag sozusagen ohne weiteres ein. Für die zwischen 1700 und 2200 kg fängt es schon an, problematisch zu werden. Ganz problematisch aber wird es, wenn für Zechen über 2200 kg, ja, bis 3000 kg pro Mann und Schicht vorsorglich Stilllegungen beantragt sind.
Warum sage ich das? Nun, die DurchschnittsSchichtleistung im Jahre 1963 betrug in Belgien 1,8 t, in Frankreich 1,9 t, in Holland 2,1 t und in der Bundesrepublik 2,5 t, heute wahrscheinlich geht sie auf 2,8 t zu.
Ab 1970 ist der Gemeinsame Markt nach den Römischen Verträgen vollendet. Dann soll im Gemeinsamen Markt jedes Gut dort gefördert oder erzeugt werden, wo das unter den günstigsten Bedingungen geschieht, natürlich auch unter Berücksichtigung der Frachtfragen usw. Aber auch unter dieser Berücksichtigung wird man generell sagen dürfen, daß nach den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes die relativ am wenigsten gefährdeten Zechen die deutschen sein müßten. Es scheint nicht ohne weiteres verständlich, daß wir heute Zechen stillegen, deren Schichtleistungen erheblich über denen in anderen Ländern liegen. Selbstverständlich muß man bei diesem Schichtleistungsvergleich neben den Transport-auch die Sortenfrage mit in Betracht ziehen. Mit anderen Worten, es erscheint mir notwendig, daß sichergestellt wird, daß im Rahmen des Rationalisierungsverbandsgesetzes stillgelegt wird nur aus Rationalisierungsgründen und aus keinen anderen unternehmerisch oder privatwirtschaftlich noch so verständlichen Gründen.
({0})
Es ist also eine Aufgabe für Bund und Bergbau, alle Anmeldungen darauf zu überprüfen, ob sie dem Sinn der Rationalisierung entsprechen oder nicht. Es wäre nützlich, wenn alle Unternehmensleitungen mit der Stillegung nicht beginnen würden, bevor diese Kernfrage für jede Schachtanlage geprüft ist.
Wenn man sich die Preise für die Heizöle ansieht, muß man feststellen - ich will auf die reizvolle Verlesung der Zahlen der Zeit wegen hier verzichten -, daß sie in der Bundesrepublik die niedrigsten in der Welt sind und daß in ,den anderen europäischen Ländern die Preise für schwere und leichte Heizöle zwischen 20 und 80 % über den bei uns zur Zeit erhobenen Preisen liegen.
Wenn man, nebenbei bemerkt, die fiskalischen Belastungen der Heizöle in den europäischen Ländern miteinander vergleicht, stellt man fest, daß bei den leichten Heizölen Großbritannien und Belgien weit über unseren Belastungen, fast beim Doppelten, liegen. Frankreich liegt in der Belastung mit uns gleich. Nur die Niederländer liegen etwas unter unserer Belastung. Beim schweren Heizöl liegen wir in der Belastung allerdings an der Spitze, aber mit geringen Abständen zu Großbritannien und Italien, mit größeren zu den Niederlanden.
Glaubt man nun, daß sich die Ölindustrie innerhalb des 'Gemeinsamen Marktes auf den niedrigsten Preis, nämlich den bei uns, einpendelt, oder ist das nicht irreal? Wir wollen nicht sagen, daß sie sich auf den höchsten Preis einpendelt, obwohl mir das bei ständig steigender Nachfrage gar nicht ausgeschlossen erscheint, auf jeden Fall möglicher als umgekehrt. Wir wollen aber annehmen, daß das Einpendeln irgendwo zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis stattfinden wird. Dann würde die Wettbewerbssituation schon erheblich anders aussehen.
Was nun die gebauten, im Bau befindlichen und angemeldeten Raffineriekapazitäten in der Bundesrepublik betrifft, so werden sie 1968 auf knapp 100 Millionen Jahrestonnen ausgerichtet sein. Das entspricht wärmewertmäßig übrigens auch genau 140 Millionen Tonnen Steinkohle. Damit ist entgegen den Prognosen der Ölindustrie, die sie der Bundesregierung damals bekanntgegeben hat, der Stand erreicht, der in der der Bundesregierung mitgeteilten Vorausschau frühestens 1975 hätte erreicht werden sollen. Die Ölindustrie wendet ein, daß die Nachfrage eben stärker gestiegen sei, als sie vermutet habe. Das stimmt auch. Aber offensichtlich ist doch das Angebot noch stärker gestiegen als die Nachfrage; denn wie wäre sonst der Preiszusammenbruch zu erklären? Es ist also so, daß man der Ölindustrie die Abweichung von den Zahlen, die sie der Regierung damals mitgeteilt hat, nicht allein vorhalten kann. Das Entscheidende ist vielmehr, daß sie eine Situation geschaffen oder zugelassen hat, bei der der Überfluß des Öls zu Preiszusammenbrüchen führt, an denen sie letzten Endes selbst keine Freude haben kann und mit denen sie auf die Dauer nicht existieren kann.
Die großen Ölgesellschaften in England und vor allem in den USA können rote Zahlen bei uns leicht verkraften, einmal, weil sie in allen anderen Ländern höhere Preise haben, und zum anderen, weil sie sich eben sagen - und das würde ich an ihrer Stelle auch tun -: Wenn von den großen freien Ländern der westlichen Welt die Bundesrepublik die relativ liberalste Energiepolitik hat, dann gehen wir mit unserem Überfluß dahin, weil wir dann immer noch bessere Preise bekommen, als wenn wir den Überfluß ins Meer schütten oder sonstwie nutzlos verbrennen müßten. So sind die Preisdifferenzen zu erklären.
Wir haben kürzlich den kritischen und pessimistischen Bericht der Deutschen Erdöl-AG in Hamburg gehört. Aus diesem Bericht ergibt sich, daß bei dem Preischaos auf dem Heizölmarkt die großen internationalen Gesellschaften im Rahmen ihrer Gesamtbilanz mit Jahreserträgen von einigen Milliarden Dollar all dies spielend verkraften können. Die deutschen Ölgesellschaften müssen sich mit diesen Preisen aber auch abfinden. Sie haben jedoch keine internationale „Mutter", die ihnen von den reichen Einnahmen aus anderen Ländern einen Zuschuß für den deutschen Markt geben könnte. Das heißt, ihre Existenz ist gefährdet; das heißt aber auch, daß dieses Preischaos vom Standpunkt der internationalen Ölgesellschaften die angenehme Folge hat, daß die deutschen Ölgesellschaften in ihrer Existenz erschüttert, wenn nicht gar auf die Dauer ernstlich bedroht werden. Kann uns das gleichgültig sein? - Ich glaube nicht. Deshalb haben Bundestag und Bundesregierung das Gesetz über die Beihilfen aus dem Mineralölsteueraufkommen zugunsten der Förderung der heimischen Ölindustrie mit der Möglichkeit zu Krediten bis 800 Millionen DM verabschiedet.
Welche Aussichten hat die Steigerung der Produktion heimischen Öls, wenn die Heizölprodukte weit unter Kostenpreis verkauft werden müssen? Sollen wir uns die Möglichkeit zur Steigerung heimischer Energiedarbietung - darunter verstehen wir nicht nur Kohle, sondern auch heimisches 01 und Erdgas - verscherzen?
In der vom Bundeswirtschaftsminister am 13. November gehaltenen Rede zu den Großen Anfragen der Koalition und der Opposition sind gewichtige Ansatzpunkte für weitere Maßnahmen enthalten; ich nenne die Förderung der Verstromung der Kohle. Es ist zweifellos für eine Volkswirtschaft von großem Interesse, wenn ein so wichtiger Energiezweig wie die Elektrizitätswirtschaft vorwiegend, wenn nicht ausschließlich, auf heimischer Energie beruht. Nur dann ist mit der sicheren Elektrizitätsversorgung unter allen Umständen zu rechnen. Bei den heutigen Ölpreisen ist die Erzeugung von Strom aus Kohle teurer als aus Öl. Über die Festigkeit der Ölpreise haben wir uns genügend ausgesprochen.
Ich bin deshalb der Auffassung, daß ernstlich überlegt werden kann, durch gesetzliche Maßnahmen die Elektrizitätserzeugung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern im Gemeinsamen Markt auf die heimischen Energien abzustellen, also Steinkohle, Braunkohle, Wasserkraft, deutsches bezw. europäisches Erdöl und Erdgas. Ob man dabei dem Verbraucher zumuten will, eine etwa vorhandene Differenz zwischen den Selbstkostenpreisen von Steinkohle und denen von internationalem Öl hinzunehmen - sie ist relativ unbedeutend bei angemessen stabilisierten Ölpreisen -, oder ob man die Differenz sonstwie ausgleichen will, etwa durch Subventionen, scheint mir eine sekundäre Frage zu sein. Dagegen sollte man an der primären Frage, wenigstens die Elektrizitäsversorgung in Europa auf heimische Energie zu stellen, nicht ohne weiteres mit dem Rechenschieber in der Hand vorübergehen. Der Rechenschieber ist, wie wir alle wissen, ein guter Knecht, aber in vielen Fällen ein miserabler
Herr. Außerdem ist Politik mehr als Rechenschieberarithmetik.
Dann wird ein Gesetz über die Ölpipelines kommen. Das heißt, Leitungen für das Öl sollten unter das gleiche Recht gestellt werden wie Gas- und Stromleitungen nach dem Energiewirtschaftsgesetz. Man sollte dieses Gesetz sehr schnell erlassen. An dieser Stelle sei bemerkt, daß sich der nächste Bundestag einer Reform des Energiewirtschaftsgesetzes angelegen sein lassen muß. Denn so, wie es jetzt ist, daß es nur auf Gas- und Elektrizitätswirtschaft abgestellt ist, kann es wohl nicht bleiben, nachdem feststeht, daß andere Energien auf dem Markt sind oder auf den Markt kommen.
Die Anmeldung der Raffinerien und der Ölleitungen mag ein erster Schritt für weitere Maßnahmen sein. Von wesentlicher Bedeutung außer informativer Art ist diese Maßnahme zunächst wohl nicht.
Dagegen ist die Anregung, daß sich deutsche Kohle, deutsches Erdgas und deutsches Öl bzw. europäische Kohle, europäisches Erdgas und europäisches Öl zu einer echten Zusammenarbeit zusammenfinden, beginnend hier in der Bundesrepublik, vor allem um bei der Erdgasentwicklung die Vorgänge zu vermeiden, die wir bei der Ölentwicklung zu verzeichnen haben, eine sehr wichtige und nützliche Anregung. Ich hoffe, daß die, die es angeht, sie gut gehört haben, vor allem aber beachten, um eventuelle Maßnahmen dieses Hauses durch ihr eigenes Verhalten überflüssig zu machen.
Die Förderung des Baus von Blockheizwerken ist eine gute Anregung, aber ein bescheidener Beitrag zur Gesamtlösung des Problems.
Herr Präsident Schneider aus Düsseldorf hat eine Anregung gegeben, die ich wenigstens mitteilen möchte. Die Regierung bitten wir, sie zu prüfen. Seine Anregung war, man sollte sich einen europäischen Heizölpreis auf Grund der vorhandenen Preissituation in allen Ländern sozusagen erdenken und dann die Differenzen zu diesem europäischen Heizölpreis bei den Importen nach bekannten Vorbildern positiv oder negativ abschöpfen.
Wir haben in der Bundesrepublik eine Heizölsteuer. Sie bringt zur Zeit rund 500 Millionen DM ein. Die Bundesregierung hat das Recht, sie zu erhöhen. Es könnte angebracht sein, zu prüfen, ob und wann man von diesem Recht Gebrauch machen sollte, ganz oder teilweise. Wahrscheinlich wird man aber prüfen müssen, ob die bis jetzt gesetzlich vorgesehene Degression der Heizölsteuer ab 1967 zur gegebenen Zeit noch verantwortet werden kann.
Der bayerische Wirtschaftsminister Schedl, für dessen Bekenntnis zur Aufrechterhaltung der Kohle wir alle dankbar sein dürfen, hat nun in Fortsetzung seiner Initiative am 13. November von diesem Platz aus eine weitere Frage zur Diskussion gestellt, die sicherlich auch zu prüfen ist, nämlich die der Einführung einer Frachtbasis der Kohle, also sozusagen eines Kohlenpreises, der in der ganzen Bundesrepublik, wenn auch nicht absolut, so doch relativ gleich, auf jeden Fall weniger ungleich ist als zur Zeit. Er meint, daß auch hei der Bundesbahn die Kohletransporte ohne Verluste, ja, sogar mit Gewinnen
für die Bundesbahn verbilligt werden könnten, und tritt schließlich für eine offene Subvention der Kohle ein. Die offene Subvention der Kohle wird zur Zeit auf EWG-Ebene durch eine Initiative der interexekutiven Kommission für Energiepolitik im EWGRaum ebenfalls geprüft und vorgeschlagen.
Nun haben inzwischen Gespräche bei dem Herrn Bundeskanzler mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und Vertretern der Ölindustrie, wenigstens von etwa 75 % der Ölindustrie, stattgefunden. Bei diesen Gesprächen hat sich ein an sich erfreulich erscheinendes Ergebnis gezeigt. Die Ölindustrie möchte nämlich selber dafür sorgen, daß sie nicht mit einem höheren Angebot auf den Markt kommt, als der prozentualen Zuwachsrate der Energienachfrage gegenüber dem Vorjahr entspricht, und will Angebote an Kraftwerke nicht ohne Einvernehmen mit der Bundesregierung machen und noch einiges andere. Am Schluß erwartet sie, daß die Bundesregierung die in diesem Gentlemen's Agreement vorgesehenen Maßnahmen unterstützt. Aus der Absicherung der in dieser Besprechung vorgetragenen Auffassung der Ölindustrie, von der man nicht weiß, wie sie sich praktisch auswirkt, ergibt sich logischerweise, daß die beste Absicherung des in Aussicht gestellten Verhaltens der Ölindustrie durch Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gewährleistet werden kann.
Wir erlauben uns deshalb, die Bundesregierung zu bitten, von dem ihr nach § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes souverän zustehenden Recht Ge- brauch zu machen. § 10 gibt der Bundesregierung die Möglichkeit, in verschiedenartigen Stufen von sozusagen verschiedensten Härtegraden sich in die Regulierung des Energiemarktes einzuschalten. Das geht von der automatischen Genehmigung bei der Anmeldung über alle möglichen Stufen, von der Lizenzierung bis zur Kontingentierung. Der Bundesregierung muß natürlich überlassen bleiben, wann, wie und mit welchen Härtegraden das geschieht. Es wird sehr wesentlich davon abhängen, wie die Ölindustrie das in Aussicht gestellte Verhalten tatsächlich durchführt.
Wer an die historisch gewordenen Zeiten des Kohle-Öl-Kartells seligen oder unseligen Angedenkens zurückdenkt, wer an die frühere Erklärung der Ölindustrie bei der Bundesregierung zurückdenkt, der wird sich einer gewissen Skepsis nicht erwehren können. Aber § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes kann dann die Absicherung der Erklärung sein, die die Ölindustrie im letzten Gespräch selber gewünscht hat.
Es ist interessant, daß sich die gleiche Ölindustrie anderswo auch anders verhalten kann. So spricht die internationale Ölindustrie in den USA - das sind zwar nicht dieselben Menschen, aber dieselben Kräfte - verschiedene Sprachen. Während die deutschen Töchter der Ölkonzerne eine Politik der freien Einfuhr in die Bundesrepublik propagieren, versuchen die Zentralen derselben Konzerne, den Import billigen Rückstandsöls in die USA durch Steuern und Einfuhrquoten zu beschränken. So tritt die Sun Oil Co. als Sprecherin der US-amerikanischen Ölindustrie in einer Kampagne gegen das gegenwärtige Ölimportprogramm der Regierung vor dem amerikanischen Kongreß auf. Das American Petroleum Institute - API - gab eine Grundsatzerklärung zur Importfrage heraus, wonach es Aufgabe der Regierung sei, „ein geeignetes Programm zur Beschränkung der Öleinfuhren vorzulegen, wenn das freie Einströmen von Öl die Sicherheit des Landes bedrohen, die nationale Verteidigung beeinträchtigen oder im Gegensatz zu den übergeordneten Interessen der USA stehen sollte". Zu den nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten gehöre vor allem auch die Erhaltung einer gesunden heimischen produzierenden Energieindustrie. „Angesichts der zur Zeit herrschenden Umstände sind wir einstimmig der Meinung, daß stets gewisse Beschränkungen für Öleinfuhren im nationalen Interesse nötig sind", heißt es in dieser Erklärung, die von einem Ausschuß unter dem Vorsitz des Standard-Oil-Präsidenten ausgearbeitet worden war.
Auch aus einer anderen Richtung wird der Kampf gegen die Ölimporte in die USA geführt: 36 Senatoren aus den Öl produzierenden Staaten drängen Präsident Johnson, diese Einfuhren baldigst zu beschränken, da „die sich stetig verschlechternde Situation in den Ölstaaten einer Katastrophe zusteuere". Wir brauchen das Wort „Ölstaaten" nur durch „Kohlestaaten" zu ersetzen, dann haben wir alles, was wir in unserer Situation brauchen.
Nun wird die Frage aufgeworfen, ob dieser § 10 mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages und des GATT in Übereinstimmung zu bringen sei. Ich möchte behaupten, daß ,es möglich ist, nach den Artikeln 115 und eventuell 226 des Römischen Vertrages die Vereinbarkeit zu erreichen. Ich bin aber unabhängig davon fast sicher, daß die Entwicklung der europäischen Energiewirtschaftspolitik, was die Kohle- und Ölfragen betrifft, in ungefähr der Richtung der Ausführungen, die ich hier mache, laufen wird. Ich erinnere noch einmal daran, daß die interexekutive Arbeitsgruppe der Europäischen Kommissionen zur Zeit eine Vorlage über die Subventionierung der europäischen Steinkohle in allen Körperschaften Europas diskutieren läßt, und zwar - das ist auch interessant - deshalb, weil man bekanntlich in idem Pariser Vertrag über die Errichtung der Montanunion nur an Kohlemangel und nie an Kohleüberfluß gedacht hat, so daß der Vertrag in diesem Punkte heute nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Ich erwähne das nicht als Kritik an den Schöpfern dieser Verträge - sie waren mindestens so klug, wahrscheinlich klüger als wir -, sondern ich erwähne das, weil sich also so große, weise Männer in der Prognose über die Energieentwicklung handfest getäuscht haben, und das erwähne ich, um zu vermeiden, ,daß wir auf Grund einer Augenblickssituation irreparable Entschlüsse für alle Zukunft fassen.
({1})
Nun wird natürlich mit Recht über die Wettbewerbsfähigkeit der bundesrepublikanischen und der europäischen Industrie auf Grund verschiedener Energiepreise nachgedacht. Die Wettbewerbsfähigkeit von deutschen oder EWG-Produkten entscheidet
sich aber nicht an einem Kostenfaktor, sondern an der Gesamtheit aller Kostenfaktoren. Man muß deshalb bei der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit immer von dieser Gesamtheit der Kostenfaktoren ausgehen, z. B. von den Unterschieden in der Lohngestaltung, die auch heute noch in der freien Welt, in der NATO, außerordentlich groß sind.
Im vorliegenden Falle ist es so, daß bei dem Preischaos auf dem Heizölmarkt die deutsche Wirtschaft zur Zeit eine sozusagen überproportionale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Wirtschaft der anderen EWG-Länder besitzt, die ganz andere Heizölpreise zu zahlen haben. Dagegen wäre vom deutschen Standpunkt aus gar nichtseinzuwenden, wenn dieser Vorgang nicht später mit volkswirtschaftlichen Nachteilen bezahlt werden müßte. Es droht aber eben die Gefahr, daß er mit übernotwendiger Stillegung der Zechen bezahlt wird; und da diese irreparabel ist, ist dieser Weg falsch.
Der Vizepräsident der Hohen Behörde hat kürzlich auf einer Pressekonferenz in Brüssel als Richtzahl für die EWG-Produktion an Steinkohle 200 bis 220 Millionen Tonnen genannt. Zur Zeit sind es 240 Millionen Tonnen. Auch wenn man solchen Richtzahlen auf europäischer Ebene, wo man anfängt, sie zu nennen, keine übertriebene Bedeutung beimessen kann, muß man doch feststellen, daß, wenn es sich um eine eventuelle, so maßvolle Reduktion der europäischen Steinkohle handelt, nicht die deutsche Steinkohle die erste zu sein braucht, diese Reduktion durchzuführen.
Es gibt Sachverständige, die der Meinung sind, daß von 1980 ab infolge der enormen Steigerung des Weltenergiebedarfs an den errechneten 10 Milliarden Tonnen Steinkohle-Einheiten 2,6 Milliarden fehlen werden. Es kann weiter festgestellt werden, daß die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion sich darauf einrichten, ihre Förderkapazitäten an Steinkohle ausweiten, in den USA bis 1980 um 100%, in Rußland um 50 %.
Die ante portas stehende Atomelektrizität kann uns in unserer Haltung zur heutigen Kohle- und Energiepolitik noch nicht entscheidend beeinflussen. Auch bei optimistischer Entwicklung der Atomelektrizität wird sie im Jahre 1970 oder 1975 höchstens - höchstens! - 10 % des dann vorhandenen Strombedarfs decken. Das wären wahrscheinlich 2 bis 2,5 % des dann vorhandenen Gesamtbedarfs.
Die Zunahme an Energienachfrage, die wahrscheinlich einer Verdoppelung der Energienachfrage in zehn Jahren entsprechen dürfte, wird, das ist unbestritten, zunächst vor allem dem Öl zufallen, dann dem Erdgas und dann, im Jahre 1970 anfangend, der Atomelektrizität.
Daß wir in der Bundesrepublik und in Europa mit diesen Erwägungen weit entfernt sein wollen von irgendwelchen nach Autarkie auf dem Energiesektor auch nur riechenden Überlegungen, möchte ich ausdrücklich feststellen. Die Importabhängigkeit der Bundesrepublik und des Gemeinsamen Marktes von zur Zeit 30 bis 35 % wird sich unvermeidlich steigern - wahrscheinlich bis auf 60 % -, sie wird
sich auch steigern müssen und sollen, und die Energie soll so preiswert wie möglich sein.
Es soll aber auch angestrebt werden, der heimischen Energie in dieser Entwicklung einen Platz zu lassen, wahrscheinlich durch Kombination der verschiedensten Maßnahmen, von denen in diesem Referat und vor allem in der Politik der Bundesregierung gesprochen wird.
Gestern hat sich der Landtag Nordrhein-Westfalen mit diesen Fragen in einer stundenlangen Sitzung befaßt und eine Entschließung gefaßt, die ich Ihrer Aufmerksamkeit empfehle.
Die Entschließung, die wir Ihnen vorschlagen, deckt sich in wesentlichen Punkten mit der Entschließung des Landtags Nordrhein-Westfalen.
Ich erlaube mir, Ihnen den Antrag Umdruck 511 *) vorzulegen. Der Zeit wegen möchte ich darauf verzichten, ihn punktweise zu begründen, weil alles, was ich ausführte, die Begründung für diese Entschließung ist.
Den Antrag der Fraktion der SPD zu den Großen Anfragen finden Sie auf Umdruck 514 **).
Wir bitten - das Hohe Haus wird das verstehen -, dem Entschließungsantrag der Koalition auf Umdruck 511 den Vorzug zu geben und den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir heute zweifellos eine ausgiebige Debatte haben werden - und angesichts der großen Problematik auch haben müssen -, werde ich mich bei meinen jetzigen Ausführungen auf das allgemeine energiepolitische Problem beschränken; zu den Spezialproblemen des Steinkohlenbergbaues und der Gemeinden, die von den Stillegungen betroffen werden, werden sich nachher Freunde von mir noch im einzelnen äußern.
Wenn man die energiepolitische Auseinandersetzung der letzten Jahre in diesem Hause an sich vorübergehen läßt, wird man folgendes festhalten müssen. Ende 1958 wurde der Kohlezoll beschlossen, zusammen mit einem zollfreien Kohlekontingent. Dieses Gesetz war zunächst eng befristet; seine Geltungsdauer mußte mehrmals verlängert werden. Schon im Jahre 1960 erwies sich diese Maßnahme als unzureichend. Man ging zur Heizölsteuer über, befristete sie zunächst bis 1963 und hat sie nunmehr bis 1967 befristet. Warum sage ich das? Ich sage das, weil daraus offenbar wird, daß die Bundesregierung und die Mehrheit in diesem Hause bei jeder dieser Beratungen von der Illusion ausgegangen sind, man könne die Probleme der deutschen Energiewirtschaft und insbesondere die Probleme des Steinkohlenbergbaues kurzfristig mit befristeten Maßnahmen lösen.
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
In diesem Zusammenhang möchte ich ein gewisses Vokabularium beanstanden, das auch von diesem Platz aus angewendet wurde; es wird so getan, als wenn es sich beim deutschen Steinkohlenbergbau um so etwas wie eine Art Gesundungsprozeß handele. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist nicht krank. Aber er sieht sich einem Strukturwandel in der Energiewirtschaft gegenüber, dem Rechnung zu tragen ihm angesichts seiner Kostenlage schwerfallen muß. Das Problem des Steinkohlenbergbaues besteht insbesondere darin, daß er wegen der relativen Starrheit seiner Kosten und wegen seiner knappen Gewinnspannen natürlich in seiner Preispolitik nicht den Spielraum hat, den die großen internationalen Mineralölkonzerne haben.
Es handelt sich also nicht darum, immer wieder Augenblicksschwierigkeiten durch befristete Maßnahmen zu beseitigen. Nein, es handelt sich um einen langfristigen Anpassungsprozeß der Steinkohle an die rasante Entwicklung auf dem Öl- und Gassektor. Niemand in diesem Hause kann eine zuverlässige Aussage darüber machen, wie lange und wie schwierig dieser Anpassungsprozeß sich auf die Dauer gestalten wird. Ich glaube, daß die Ehrlichkeit gegenüber denjenigen, die im Steinkohlenbergbau beschäftigt sind, und denjenigen, die dort ihr Geld investieren sollen, aber auch die Ehrlichkeit gegenüber den Verbrauchern der Steinkohle es erfordert, daß mit mehr Klarheit und Ehrlichkeit über diese Probleme gesprochen wird.
Wir wundern uns allerdings nicht darüber, daß die Bundesregierung auch bei diesen Problemen immer wieder versucht, mit einer hinhaltenden Taktik mit ihnen fertigzuwerden. Wir haben etwas Ähnliches auch bei der Agrarpolitik immer wieder feststellen müssen. Allerdings hat die Bundesregierung diese Taktik gerade auf dem Gebiete der Agrarpolitik nunmehr in den letzten Tagen bezüglich des Getreidepreises mit so etwas wie einem Offenbarungseid beenden müssen.
({0})
- Bitte schön!
Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Blumenfeld.
Herr Kollege Kurlbaum, welche konkreten Lösungen hat denn die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hier in den Energiedebatten der letzten Jahre dargelegt?
Ich bin eben gerade dabei, unsere Vorstellungen darzulegen. Bitte äußern Sie sich dann nachher, wenn ich meine Darlegungen gemacht habe.
({0})
Meine Damen und Herren, ich kann jetzt nicht alle die Vorschläge darlegen, die insbesondere mein Freund Deist in großer Ausführlichkeit hier im Bundestag gemacht hat. Schauen Sie sich auch
unser umfangreiches Kölner Programm von 1962 zur Energiepolitik an, da können Sie das alles nachlesen, wenn Sie guten Willens sind.
({1})
Nun hat Bundeswirtschaftsminister Schmücker eine Diagnose über die Lage auf dem Energiemarkt und im Steinkohlebergbau gegeben, auf die ich jetzt im einzelnen eingehen möchte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat mit Recht von einem Strukturwandel außerordentlichen Ausmaßes gesprochen. Darin können wir ihm nur zustimmen. Man könnte höchstens hinzufügen, daß dann aber auch außerordentliche Anstrengungen nicht nur materieller, sondern auch geistiger Art vollbracht werden müssen, um mit dem Problem fertig zu werden.
Zweitens hat Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker hingewiesen auf die Langfristigkeit der Investitionen, die in der Natur und der Technologie des Steinkohlebergbaus begründet sind. Auch darin kann man ihm zustimmen. Man sollte aber dieses Argument durch ein anderes Argument ergänzen und sollte darauf hinweisen, daß die Menschen, die ihre Lebensarbeit dem Steinkohlebergbau widmen und in Zukunft widmen sollen und widmen wollen, letzten Endes auch eine sehr langfristige Entscheidung treffen müssen und daß auch für diese langfristige Entscheidung aller dieser Menschen die richtige Vertrauensgrundlage geschaffen werden muß.
Dann hat Herr Bundeswirtschaftsminister Schmükker gesprochen von der Unübersichtlichkeit der zukünftigen Entwicklung. Nun, meine Damen und Herren, die rasante Entwicklung der Technik im allgemeinen bringt es mit sich, daß auf vielen Gebieten die Entwicklung nicht ganz einfach zu übersehen ist. Das ist, so würde ich sagen, etwas Allgemeines, und wir sehen die Aufgabe des Unternehmertums in einer freien Wirtschaft darin, mit diesen schwierigen Problemen der langfristigen technischen Entwicklung fertig zu werden. Das kann also auch das Besondere nicht sein.
Das Sonderproblem des Steinkohlebergbaus liegt in etwas anderem. Das Sonderproblem des Steinkohlebergbaus liegt für uns Volkswirtschaftler darin, daß es sich hier um eine wichtige, unverzichtbare Energiequelle in der Bundesrepublik handelt, die bei den derzeitigen Heizölpreisen infolge ihrer Kostenlage gegenüber ihren bisherigen Abnehmern in Wettbewerbsschwierigkeiten gerät. Es ist heute auch durch die Ausführungen des Herrn Burgbacher hier wiederum zum Ausdruck gekommen, daß man nun allerdings allgemein der Meinung ist, es sei außerordentlich unsicher, ob die derzeitige Preissituation beim Heizöl langfristig aufrechterhalten werden wird. Daran sind berechtigte Zweifel zu äußern. Wir wissen, daß schon im vorletzten Winter die Mineralölwirtschaft den erhöhten Heizmaterialbedarf in einer sehr markanten Weise für sich preislich ausgenutzt hat.
Dais Sonderproblem der Steinkohle liegt darin, daß sie abgeschirmt werden muß durch die Maßnahmen dieses Hauses und durch die Maßnahmen der Bundesregierung gegenüber einem Konkurrenten, der eine geballte Wirtschaftsmacht darstellt und der
im Gegensatz zur Kohle in der Lage ist, seine Konkurrenzpreise beliebig herauf- und herunterzumanipulieren. Um dieses Problem handelt es sich in erster Linie: Wie kriegen wir die Heizölpreise in den Griff, damit dieses willkürliche Herauf- und Heruntermanipulieren von seiten dieser großen Machtgruppen nicht mehr in dem Umfang erfolgen kann wie in der Vergangenheit? Die Bundesregierung hat bisher offensichtlich die Meinung vertreten, daß man dieses Problem lediglich durch gutes Zureden lösen könne, sie meint, man solle mit den betroffenen führenden Mineralölfirmen reden. Herr Burgbacher hat schon einiges über diese Verhandlungen gesagt.
Da ist zunächst einmal die Frage zu stellen: Zureden wozu? Offensichtlich will man zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung des Angebots zureden. Wie soll diese freiwillige Selbstbeschränkung des Angebots zustande kommen? Die Bundesregierung stellt sich das offenbar so vor, daß es durch Verabredung unter den Unternehmen geschieht. Wir stellen die berechtigte Frage, ob überhaupt schon alle, die an einer solchen Verabredung mitwirken müßten, ihre Zustimmung zu erkennen gegeben haben. Nach den Nachrichten, die wir in der Presse lesen, hat sich bisher nur ein beschränkter Kreis zu einer solchen Verabredung bereit gefunden. Wir haben soeben von Herrn Burgbacher gehört, daß dieser beschränkte Kreis gleichzeitig eine Absicherung durch Maßnahmen der Bundesregierung gewünscht hat. Schließlich stellen wir die Frage: Wieweit soll diese Selbstbeschränkung des Angebots gehen?
Damit kommen wir zu der notwendigen Konkretisierung, die der Nervus rerum der ganzen Angelegenheit ist. Wir erlauben uns die Frage an die Bundesregierung, wie eine solche Vereinbarung über eine freiwillige Selbstbeschränkung mit den geltenden Bestimmungen des Kartellgesetzes in Einklang zu bringen ist. Vor allen Dingen fragen wir: Wieweit soll diese Selbstbeschränkung gehen, und welche Wirkung auf die Verbraucherpreise wird zu erwarten sein? Es ergibt sich hier also eine beinahe endlose Kette von Fragen, auf deren Beantwortung wir, glaube ich, ein Recht haben.
Dabei kommt es immer wieder auf folgendes hinaus: Es ist notwendig, daß die Bundesregierung gerade in diesem Punkte ihre Vorstellungen weit mehr konkretisiert, als sie das bisher getan hat. Es ist dem Steinkohlenbergbau nicht damit gedient, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister hier verkündet, daß die Aufrechterhaltung einer Steinkohlenförderung von 140 Millionen Tonnen erwünscht sei. Der Steinkohlenbergbau möchte vielmehr wissen - das ist die konkrete Frage -, welche Zielvorstellungen die Bundesregierung bezüglich der Konkurrenzpreise des Heizöls hat. Nur die richtige Relation zwischen den Preisen von Steinkohle und Heizöl kann zu dem Ausmaß an Sicherheit führen, das die Steinkohle für sich beanspruchen kann.
Heute besteht folgende Lage. Wenn man die Heizölpreise nicht auf die Gewichtseinheit, sondern, wie das viel richtiger ist, auf den Wärmegehalt dieses Heizstoffes bezieht, dann liegt der sogenannte
Wärmepreis für das Heizöl heute schon in weiten Gebieten der Bundesrepublik wesentlich unter dem Wärmepreis der Steinkohle. Wenn die Umstellung von Steinkohle auf Heizöl noch nicht das Tempo angenommen hat, das dem Unterschied der Wärmepreise entsprechen würde, dann liegt das nur daran, daß bei den Abnehmern eine totale Unsicherheit darüber besteht, wie sich die Preise des Heizöls in Zukunft entwickeln werden. Ich hatte Gelegenheit, vor dieser Debatte mit einigen bedeutenden Abnehmern von Steinkohle und Heizöl auch aus dem Bereich der Elektrizitätswirtschaft zu sprechen. Die einen wollen angesichts der zu erwartenden Erhöhung des Heizölpreises zunächst noch keine Maßnahmen treffen. Andere wiederum haben sich schon bei Neubauten dafür entschieden - dafür gibt es wichtige Beispiele -, ihren Heizstoffverbrauch ungefähr auf die Grundlage 30 % Kohle und 70 % Heizöl umzustellen.
Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, kann das für die Steinkohle sehr gefährlich werden. Darum ist es auch hier notwendig, daß die Bundesregierung nicht nur den Wunsch äußert: 140 Millionen t Steinkohle, sondern endlich konkret sagt, was ihre Zielvorstellung für die Konkurrenzpreise zur Steinkohle ist. Erst das kann allen Beteiligten das notwendige Ausmaß an Sicherheit für ihre Überlegungen geben.
Nun zu den Maßnahmen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier am 13. November im einzelnen aufgeführt hat! Er hat zunächst gesagt, daß die bisherigen Maßnahmen - Kohlenzoll, zollfreies Kontingent, Heizölsteuer - aufrechterhalten werden. Ich glaube, es kann gar kein Zweifel bestehen, - das hat Herr Dr. Burgbacher ja schon gesagt -, daß das bis auf weiteres geschehen muß. Aber durch Aufrechterhaltung bisheriger Maßnahmen allein kann man die akute Krise, in der wir jetzt stehen, zweifellos nicht beseitigen.
Was sind also die neuen Maßnahmen der Bundesregierung? Da ist zunächst die Rede von der Förderung des Steinkohlenabsatzes bei Elektrizitätswerken und bei sogenannten Blockheizwerken. Herr Dr. Burgbacher hat hierzu schon eine Bemerkung gemacht, eine sehr zurückhaltende Bemerkung, die darauf schließen läßt, daß auch er von der quantitativen Wirkung dieser Maßnahme nicht gerade sehr überzeugt ist. Ich vermag darüber kein Urteil abzugeben, weil bisher nicht gesagt worden ist, welches Ausmaß die steuerliche Förderung des Absatzes der Kohle für diese Zwecke haben wird. Selbst wenn wir wüßten, welches Ausmaß die Förderung durch die Steuergesetze hat, könnten wir immer noch nichts dazu sagen, wenn wir nicht wissen, auf welche Höhe in Zukunft der Heizölpreis ungefähr gebracht werden soll. Denn jedes Unternehmen, das vor der Frage steht, ob es Heizöl oder Kohle verwenden soll, wird den - von Herrn Dr. Burgbacher nicht sehr geliebten - Rechenschieber nehmen und sich die steuerliche Förderung und die Differenz zwischen Heizölpreis und Steinkohlenpreis ausrechnen.
Immer wieder kommen wir also auf das Problem, daß die gesamte Diskussion der energiepolitischen
Situation zu keinem Ergebnisführen kann, wenn die Bundesregierung nicht ihre Zielvorstellungen über die Preisrelationen auf diesem Markte bekanntgibt. Das hat sie bis heute nicht getan, sie hat sich über dieses Problem vollständig ausgeschwiegen. In der Entschließung, die wir Ihnen vorgelegt haben, haben wir entscheidenden Wert darauf gelegt, daß die Bundesregierung nicht nur bezüglich einer absoluten Größe des zukünftigen Steinkohlebergbaues ihre Absichten konkretisiert, sondern auch bezüglich der Preisrelationen das Notwendige sagt.
Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker hat von einer Meldepflicht für Neuanlagen von Raffinerien, von Ölleitungen und ähnlichen festen Anlagen gesprochen. Es ist interessant, daß auch Herr Dr. Burgbacher selbst hinter diesen Vorschlag ein Fragezeichen gesetzt hat. Er hat sich auch sehr zurückhaltend geäußert. Unsere Meinung dazu wird Ihnen von vornherein klar sein. Wir haben ja eine ähnliche Diskussion schon im Zusammenhang mit unseren Kartellgesetznovelle gehabt. Die Bundesregierung verharrt in ihrer Novelle dabei, Zusammenschlüsse lediglich meldepflichtig zu machen. Sie will also das Phänomen der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der Bundesrepublik nach wie vor nur meldepflichtig machen. Auf dem Energiemarkt haben wir es mit einem ähnlichen Problem zu tun. Wir sind der Meinung, daß man sich hier mit handfesteren Methoden vertraut machen muß. Wie die USA auf diesen Gebieten vorgehen, ist bekannt. Man sollte sich ihre Erfahrungen und ihre Methoden, gerade was die volkswirtschaftlich unerwünschte Machtzusammenballung betrifft, zunutze machen. Die Amerikaner haben wirklich jahrzehntelang Erfahrungen sammeln können im Umgang mit Großmächten auf privatwirtschaftlicher Grundlage, mit denen auch wir es hier auf dem Energiemarkt zu tun haben. Wir glauben, daß auch dieser Vorschlag der Bundesregierung verhältnismäßig wenig bringen wird.
Nun hat der Herr Bundeswirtschaftsminister angekündigt, daß die Bundesregierung unter Umständen die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes in Erwägung ziehen wird, und dazu ist einiges zu sagen.
Wir sind der Meinung: so wie .die Lage sich - eben auf Grund immer nur kurzfristiger Maßnahmen - entwickelt hat, wird wahrscheinlich gar nichts anderes übrigbleiben, als auch dieses Instrument anzuwenden. Aber, meine Damen und Herren, versprechen Sie sich von der Anwendung dieses Instruments keine Dauerlösung des Problems! Damit werden Sie nicht auskommen; denn dieses Instrument hat sehr unerquickliche Nebenwirkungen. Ich möchte sie genau charakterisieren. Die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes muß eindeutig zu einer Verringerung des mengenmäßigen Angebots führen. Man kann die Frage nach der Anwendung des § 10 nicht mit Ja oder Nein beantworten. Vielmehr stellt sich die Frage: Bis zu welcher Größenordnung der Verknappung des Angebots soll man gehen? Das ist hier die entscheidende Frage, und ohne ihre Beantwortung ist eine prinzipielle Stellungnahme nicht gerade sehr sinnvoll.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß eine solche mengenmäßige Verknappung des Angebots natürlich die Gefahr von Preissteigerungen in sich schließt, die der Verbraucher zu bezahlen hat. Darum ist wieder die Frage wichtig: Wie weit sollen diese Preissteigerungen gehen? Wir landen immer wieder bei derselben Frage: bei der Konkretisierung des Niveaus, auf dem die Heizölpreise zu stabilisieren sind.
Man spricht hier davon, daß die Mineralölwirtschaft sich mit einer solchen Lösung einverstanden erklärt. Ich finde das nicht gerade sehr überraschend. Die Aufforderung, das Angebot zu verknappen, läuft doch im wesentlichen darauf hinaus: Liebe Mineralölwirtschaft, verzichte auf einen allzu großen Umsatz, verkleinere ihn etwas, aber erziele um so höhere Gewinne!
({2})
- Das ist natürlich die Frage. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.
({3})
- Lassen Sie uns doch einmal in Ruhe darüber reden. Ich habe ja gar nicht bestritten, daß eine Stabilisierung erfolgen muß. Ich habe im Gegenteil erklärt: Hier muß gesagt werden, auf welcher Höhe stabilisiert werden muß. Das ist die Gretchenfrage, die wir der Bundesregierung stellen,
({4})
das müssen sowohl der Steinkohlenbergbau als auch der Verbraucher wissen, und solange uns das nicht bekanntgegeben wird, werden wir uns nicht mit einer generellen Vollmacht zufrieden erklären können. Wir wollen die Konkretisierung des Ziels, auf das Sie zusteuern wollen.
Herr Blumenfeld, Sie kennen die Diskussion im Wirtschaftsausschuß und wissen ganz genau, wie unwohl uns allen - mit Recht - im Wirtschaftsausschuß bei dem Zollkontingent für Kohle ist. Denn auch hier ist die Frage völlig offen, ob nicht unerwünschte Pfründe entstehen können bei denen, die über die Kontingente verfügen. Sie kennen dieses Problem sehr genau, und gerade auf ein ähnliches Problem steuern wir hier zu.
Darum sind wir der Meinung, daß das Problem unseres Energiemarktes nicht durch einzelne, kurz befristete Maßnahmen gelöst werden kann. Darum haben wir in unserem Antrag an die Bundesregierung auch die Forderung nach der Vorlage eines umfassenden Energiewirtschaftsgesetzes aufgestellt. Ohne das können wir nicht auskommen. Herr Burgbacher hat sich ja auch schon ähnlich geäußert, wenngleich er offenbar der Meinung zu sein scheint, daß man das noch auf die lange Bank schieben könne. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß hier schon außerordentlich viel Zeit versäumt worden ist.
Im übrigen möchte ich auch noch auf folgendes aufmerksam machen, - es muß nachher im Ausschuß sehr genau überlegt werden -: Wenn Sie
hier eine Beschränkung des Angebots nicht nur für Heizöl vornehmen, Herr Burgbacher, sondern auch für Rohöl, dann bitte ich Sie, einmal die Frage zu beantworten, wie Sie es erreichen wollen, daß sich die Beschränkung der Rohöleinfuhren nicht auf die Tankstellenpreise auswirkt. Wenn sich die Beschränkung nicht auf die Tankstellenpreise auswirken sollte, Herr Burgbacher, dann stelle ich die Frage, ob dadurch nicht immerhin die Versorgung der freien Tankstellen, bei denen mindestens 10 % unserer Kraftfahrer ihren Bedarf zu billigeren Preisen decken können, in Zukunft gefährdet wird und damit nicht die freien Tankstellen überhaupt zum Verschwinden gebracht werden. Dais ist eine sehr schwierige Frage, die wir heute hier nicht im Plenum ausdiskutieren können. Aber bitte, im Zusammenhang mit Ihrem Vorschlag ergibt sich ein Problem, mit dem sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß sehr eingehend wird befassen müssen.
Nun komme ich zum letzten Problem. Auch wir haben in unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, sich Gedanken zu machen und Vorschläge vorzulegen über Maßnahmen, die verhindern, daß wir den Einfluß auf den Energiemarkt schrittweise verlieren und damit unsere Selbständigkeit in der Versorgung mit Energie einbüßen, die eine der entscheidenden Lebensgrundlagen unserer Volkswirtschaft ist.
Sie werden sich vielleicht, wie das der Herr Bundeswirtschaftsminister auch getan hat, auf die sogenannte freiheitliche Wirtschaftsordnung berufen. Meine Damen und Herren, war bedeutet dieser Begriff? Wie kann man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung sprechen, wenn wir uns hier einer Gruppe gegenübersehen, nämlich den großen Mineralölkonzernen der Welt, die einen Jahresumsatz von 100 Milliarden DM haben und deren Gewinne nach Bezahlung aller Steuern bei etwa 5 Milliarden DM im Jahr liegen? Das ist die allergrößte Machtzusammenballung wirtschaftlicher Art auf privatrechtlicher Grundlage in dieser Welt. Wie kann man sich gegenüber einer solchen Machtzusammenballung auf unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung berufen wollen!
({5})
Eine solche Vorstellung haben wir jedenfalls nicht von einer demokratischen freiheitlichen Wirtschaftsordnung, sondern nach unserer Ansicht muß die Bundesrepublik einer solchen geballten Macht mit dem entsprechenden Instrumentarium ausgerüstet entgegentreten können.
({6}) Das ist der entscheidende Punkt.
Lassen Sie mich jetzt einige Vergleiche ziehen. Wie sieht es z. B. in den Niederlanden aus? In den kleinen Niederlanden, gewiß rein machtpolitisch gesehen einer verhältnismäßig kleinen Nation in unserer Welt, hat es die Regierung verstanden, sich nach den Erdgasfunden eine maßgebliche Beteiligung an der Gewinnung und am Verkauf des Erdgases zu sichern. Sie hat über die rein zahlenmäßige Beteiligung hinaus noch Sonderrechte gefordert und
durchgesetzt. Die Verkaufspreise sind von ihrer Genehmigung abhängig, der Bau von Rohrleitungen gleichermaßen. Wie sieht es in Frankreich auf dem Gebiet des Gases aus? In Frankreich gibt es, wie Sie wissen, nur die Gaz de France, also ein hundertprozentiges staatliches Monopol. Außerdem hat sich in Frankreich der Staat maßgebliche Beteiligungen in der Ölwirtschaft gesichert. In Italien gibt es die staatliche ENI, die einen Einfluß auf 20 % des gesamten Mineralölabsatzes hat.
Ich spreche jetzt gar nicht von Großbritannien. Da sehen die Verhältnisse natürlich noch ganz anders aus. Ich spreche jetzt von den Ländern, mit denen Sie sich einen Vergleich, auch von Ihrer Ideologie aus gesehen, mindestens gefallen lassen müssen.
Wie sieht es nun in diesem Zusammenhang in der Bundesrepublik aus? Die Bundesrepublik geht auf diesem Gebiete einen gefährlichen Alleingang. - Ich bin gerne bereit, Ihnen gleich zu antworten. Ich will Ihnen nur noch ein paar Zahlen dazu in Erinnerung bringen. In der Bundesrepublik gibt es von Seiten der öffentlichen Hand überhaupt keinen irgendwie gearteten maßgeblichen Einfluß in der ûl- und Gaswirtschaft. Im Gegenteil, der atomisierten übrigen Wirtschaft stehen auf diesem Gebiet folgende Ziffern gegenüber: Die 'drei großen Mineralölkonzerne kontrollieren in der Bundesrepublik bereits 60 % der Raffineriekapazität. Sie haben an dem Markte des leichten Heizöls einen Anteil von 60 %, an dem Markte des schweren Heizöls einen Anteil von 70 %. Sie sind also auf diesem Gebiet marktbeherrschend. Auf dem Gebiete der deutschen Erdgasförderung handelt es sich um einen Anteil von sogar 75 %.
Jetzt sind die Zahlen genannt. Herr Abgeordneter Blumenfeld kann die Frage stellen.
Herr Kollege Kurlbaum, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie für die Bundesrepublik ebenso wie für die von Ihnen angeführten Beispiele Frankreich, England und Holland einer Verstaatlichung des Bergbaus und aller übrigen Energieversorgungen und einem staatlichen Dirigismus das Wort reden?
({0})
Herr Blumenfeld, von einer Verstaatlichung des Bergbaus habe ich kein Wort gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen, 'daß auf dem Gebiete derjenigen Energiearten, die gerade dem Steinkohlenbergbau das Leben schwer machen, alle anderen großen Industrieländer Westeuropas sich einen maßgeblichen öffentlichen Einfluß gesichert haben,
({0})
der dazu verwendet werden kann, gerade den Weiterbestand der Steinkohle zu sichern. Wir in der Bundesrepublik gehen einen gefährlichen Alleingang, indem wir das nicht tun.
({1})
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage? Herr Abgeordneter Blumenfeld möchte eine weitere Frage stellen.
Ja, bitte!
Herr Kollege Kurlbaum, darf ich nicht trotzdem noch einmal fragen, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß die von Ihnen als Beispiel angeführten Maßnahmen der öffentlichen Hand, wie Sie es genannt haben, in den anderen Ländern zur Voraussetzung haben, daß es da eine maßgebliche staatliche Beteiligung oder völlige staatliche Kontrolle dieser 'Energieträger gibt? Deswegen habe ich die Frage gestellt, ob Sie das für die Bundesrepublik befürworten.
({0})
Herr Blumenfeld, man kann doch nicht in dieser Schwarz-weiß-Façon über diese Dinge diskutieren. Wir haben hierzu dm einzelnen Vorschläge zu machen, und die werden wir im Ausschuß beraten. Wir schlagen nur vor, daß wir uns einmal gemeinsam sehr genau ansehen, was in den Niederlanden geschehen ist, was in Frankreich geschehen ist, was in Italien geschehen ist und was eben in der Bundesrepublik nicht geschehen ist.
({0})
Wir glauben, allein dafür ist es notwendig, unserem Antrag Rechnung zu tragen, die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Energiemarkt der Bundesrepublik und die Wettbewerbsverhältnisse auf den Energiemärkten der anderen großen westeuropäischen demokratischen Länder einmal nebeneinander zu betrachten und zu analysieren. Wir stehen auf dem Standpunkt, Herr Blumenfeld, daß das sehr wichtig ist und daß es sich hierbei um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung über eine unserer Lebensgrundlagen handelt. Die Energieversorgung ist nicht nur eine Lebensgrundlage für die großen Unternehmungen, sondern letzten Endes die Grundlage des zukünftigen Lebensstandards unserer Gesamtbevölkerung überhaupt.
({1})
Wir glauben, die Sache wäre es wohl wert, daß die Bundesregierung einmal eine zusammenfassende ungeschminkte, lückenlose Darstellung der Verhältnisse bei uns und den anderen demokratischen Staaten herausgibt, damit sich nicht nur die Spezialisten in diesem Parlament ein Bild von dieser entscheidenden Lebensfrage machen können, sondern jeder einzelne Abgeordnete, der das sonst wegen seiner allgemeinen Überlastung mit anderen Fragen nicht tun kann. Es ist notwendig, daß sich jeder einzelne Abgeordnete des Hauses in dieser Frage angesprochen fühlt. Dann werden wir gemeinsam zu brauchbaren Lösungen kommen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung zur Situation. Vor einigen Wochen hat ein hoher Regierunsgbeamter mir gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß wir sozusagen in einer Sternstunde der zukünftigen energiepolitischen Entwicklung ständen. Ich bin nun nicht sternkundig. Soweit ich mich mit Sternen beschäftigt habe, hat sich das im wesentlichen auf das Studium der Venus beschränkt.
({0})
Dabei habe ich festgestellt, daß diese sowohl als Morgen- wie als Abendstern erscheinen kann. Ich habe nun den dringenden Wunsch, diese Debatte, die wir in dieser Form eigentlich nicht mehr alle zwei Jahre wiederholen sollten, möge nicht unter dem Zeichen des Abendsterns stehen, sondern uns selbst wie auch der Bevölkerung zeigen, daß der feste Wille vorhanden ist, die bisher nicht gelösten Probleme einer positiven Erledigung zuzuführen.
Für die Fraktion der FDP darf ich zunächst erklären, daß wir dem Zollkontingentsgesetz zustimmen. Unsere Zustimmung ist durch die Überlegung bedingt, daß in der zur Zeit besonders schwierig gewordenen allgemeinen Energiesituation nichts geschehen sollte, was derzeit laufende Dinge ändern und damit wieder die Erkenntnis der gegebenen Voraussetzungen erschweren könnte. Man sollte aber die Zustimmung zum Zollkontingentsgesetz doch mit einer Feststellung verbinden, die auch für unsere zukünftigen Beratungen nützlich wäre.
Dieses Gesetz ist zweifellos ein Kompromiß, durch den berechtigte Wünsche bestimmter Bevölkerungs- und Landeskreise zurückgestellt worden sind. Wir sollten die Gelegenheit ruhig benutzen, uns bei süddeutschen Freunden und bei denen, die im norddeutschen Raum besondere Interessen haben, dafür zu bedanken, daß sie im übergeordneten Interesse ihre Bedenken gegen dieses Gesetz zurückgestellt haben.
Das Gesetz sollte nun der Anlaß sein, die Energiedebatte vom ,13. November fortzusetzen. Ich möchte nicht Gefahr laufen, die Ausführungen von Herrn Kollegen Burgbacher zu wiederholen. Wir haben unsere Auffassung zu dieser Großen Anfrage durch den Herrn Kollegen Brand hier vortragen lassen. Wir stehen hinter seinen Ausführungen. Ich möchte mich darauf beschränken, zweckmäßigerweise zu den einzelnen Punkten unserer Entschließung noch einige ergänzende Bemerkungen zu machen, , die sich auch auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Kurlbaum beziehen.
Wie kam es eigentlich, daß wir im November in einer emotional hochgepeitschten Stimmung plötzlich meinten,
({1})
jetzt müsse über Energie gesprochen werden? Darüber kann man ganz ruhig reden. Wenn ich Ihnen meine Begründung gesagt habe, Herr Kollege, werden Sie mir vermutlich sogar zustimmen.
Für mich war die Tatsache erstaunlich, - daß man teilweise wohl nicht voraussah -, daß an einem bestimmten Stichtag Anmeldefristen eines Gesetzes ablaufen, das in der Überschrift die Worte „Rationalisierungsverband für den Steinkohlenbergbau" trägt. Ich persönlich hätte, wenn ich darüber hätte bestimmen können, niemals dafür gestimmt, daß diese Frist vom Juli auf den Oktober verlängert wurde, und habe auch überall, wo ich gefragt wurde, gegen diese Verlängerung gesprochen. Ich bin sehr zufrieden, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister neulich erklärt hat, daß eine weitere Verlängerung der Frist über Juli 1965, den Beginn der Stillegungen, hinaus, nicht erwogen wird. Meine Fraktion hält es für untragbar, daß durch eine Verlängerung von Fristen eine weitere Unruhe in die Belegschaften und in die verantwortlichen Unternehmensführungen getragen wird.
Über den Rationalisierungsverband ist allerdings in diesem Zusammenhang einiges zu sagen. Wir haben seinerzeit im Wirtschaftsausschuß bei der Beratung dieses Gesetzes sehr ausführlich darüber gesprochen, inwieweit es dem Bundeswirtschaftsminister möglich sein sollte, auch die wirtschaftliche Lage einer Zeche zu untensuchen. Es ist damals seitens der beteiligten Regierungsvertreter das Bedenken erhoben worden, daß das über die Verantwortlichkeit der Regierung hinausginge. Nun ist das Gesetz so konstruiert, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Stillegungsprämie als solche geprüft werden, während das andere innerhalb der Unternehmen stattfindet. Soweit ist das alles schön und gut.
Die Praxis zeigt eine Schwierigkeit, die darin besteht, daß es offenbar möglich ist, innerhalb der Konzerne die schwächste Konzernzeche zu schließen, wobei sich der nicht erwünschte Tatbestand ergeben kann, daß daneben eine sehr viel schlechtere Zeche liegt, die einer anderen Firma gehört. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Tatsache, daß eine in sich hervorragend funktionierende Zeche stillgelegt werden soll, weil sie im Konzern die schwächste ist, während eine wirklich schwache, die nicht dazu gehört, weiter arbeitet, psychologisch vom geistigen Normalverbraucher schwer zu verkraften ist.
Es muß also - und das möchten wir bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck bringen; Herr Burgbacher hat das schon erwähnt - durch die Aufsicht des Bundeswirtschaftsministeriums dafür Sorge getragen werden, daß Stillegungen nur dort stattfinden, wo sie dem Gedanken einer echten Rationalisierung, d. h. einer Hebung der Wettbewerbsfähigkeit dienen, aber nicht der Schrumpfung - das schon gar nicht -, auch nicht irgendeinem Interesse an betriebswirtschaftlichen Verbesserungen, die auf ganz anderen Gebieten liegen. Es wird interessant sein, zu hören, inwieweit in dem bundeseigenen Zechenbesitz derartige Überlegungen wirksam geworden sind oder wirksam werden. Dort besteht natürlich die Möglichkeit, innerhalb verschiedener Gesellschaften, die praktisch einen Eigentümer haben, solche Voraussetzungen zu schaffen.
Endlich sollte man, wenn man über die Konsequenzen des Rationalisierungsverbandes spricht, davon abgehen, immer nur zu sagen, er führe zu unwirtschaftlichen Stillegungen. Das soll er nicht. Er soll zu Stillegungen führen - das ist der Sinn dieses Gesetzes gewesen-, die innerhalb des Kohlenbergbaus unrentable Zechen ausschließen. Dabei müssen - darauf legen wir besonderen Wert, und das ist in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gekommen - sämtliche Voraussetzungen, deren Erfüllung notwendig ist, um eine Härte gegenüber der Belegschaft zu vermeiden, strengstens beachtet werden.
Diese Vorsorge erstreckt sich auch auf die Frage, die man in diesem Kreise heute nicht ausführlich erörtern kann, wie das Schicksal der Betroffenen in bezug auf die zunächst zu erhaltende Wohnberechtigung in Zukunft entschieden werden wird. Das große Problem des Bergarbeiterwohnungsbaus steht sowieso vor uns, genauso wie die vorhin schon angeklungene Frage, der Tragbarkeit aller heute vorhandenen Sozialversicherungen. Es gilt den Vorwurf abzuwehren, daß hier unzumutbar subventioniert wird, während Leistungen für Ausgeschiedene in einem Ausmaß übernommen werden müssen, das bei anderen Berufszweigen nicht vorhanden ist. Das ist ein weites Feld. Es gehört genauso zu dem von Herrn Kurlbaum angedeuteten Thema der langfristigen Überlegungen.
Meine Damen und Herren, wir kommen in unserer Entschließung dann zu einer positiven Einstellung zu den Erklärungen der Bundesregierung über ihre Absichten. Wir lassen keinen Zweifel daran, daß man nach unserer Meinung nicht immer nur ununterbrochen von Absichten sprechen kann, sondern wir legen entscheidenden Wert darauf, daß nun Maßnahmen ergriffen werden. Über einen Teil dieser Maßnahmen haben wir bereits vor zwei Jahren gesprochen.
Nun ist uns angekündigt worden, daß die Verstromung stärker an die Kohle gebunden werden soll. Wir begrüßen das, nachdem festgestellt worden ist, daß sich die damit für sieben Jahre verbundenen finanziellen Lasten bei Unterstellung einer zwanzigjährigen Laufzeit dieser Elt-Werke in einem tragbaren Ausmaß halten werden und wir damit feststellen können, daß 15,3 Millionen t sozusagen sicher untergebracht sind.
Diese Frage der Unterbringung der Tonnage bringt mich sofort auf die zweite Frage - ich nehme an, Herr Arendt, daß Ihr Lächeln wohlwollend ist -: Wie stehen wir zu der Zahl von 140 Millionen Tonnen? Meine Freunde haben gegenüber der Nennung einer solchen Zahl von jeher Bedenken gehabt, weil wir unter gar keinen Umständen den falschen Eindruck erwecken wollen, als ob man in einer freien Wirtschaftsordnung irgend jemandem eine sogenannte Garantie geben könne.
Abet auch nach unserer Auffassung ist es notwendig - damit schließe ich an die Ausführungen von Herrn Kurlbaum an -, daß man sowohl der Unternehmensleitung in einem Wirtschaftszweig, der ganz langfristig investieren muß, als auch der Belegschaft, von der man täglich Leistungssteigerung im Sinne der Rationalisierung erwartet, nicht nur
ein Gefühl, sondern auch eine Sicherheit dafür gibt, daß sie mit einer gewissen Größenordnung und Sicherheit ihrer Entwicklung rechnen können.
Wir haben deshalb die Formulierung gewählt, daß wir von der Bundesregierung erwarten, daß sie Absatzverhältnisse schafft, die diese Förderung ermöglichen. Gerade was die Absatzverhältnisse anlangt, Herr Kurlbaum, sind wir, glaube ich, gar nicht weit auseinander. Nur meine ich, daß man heute - das spricht gegen Ihre eigene Argumentation - natürlich nicht in der Lage ist, theoretisch irgendwelche Preisfixierungen beim Heizöl festzulegen; das wäre ja ein ausgesprochener Eingriff in die Marktwirtschaft. Vielmehr werden wir - darin bin ich mit Ihnen einig -, wenn auch vielleicht nicht im Plenum, sondern im Wirtschaftsausschuß - leider sind wir nie dazu gekommen, den notwendigen Energie-Unterausschuß in diesem Hause zu bilden -, mit der Bundesregierung überlegen müssen, welche langfristige Entwicklung über das Jahr 1970 auf dem Gebiet der Preisrelationen zu verfolgen ist. Ihr Vorschlag führt dann umgekehrt ja auch dazu, daß er unter Umständen allein auf Kosten des Verbrauchers ausgeführt wird, nämlich durch eine Anhebung der Heizölpreise. Das will auch kein Mensch. Wir müssen uns überlegen, welche Maßnahmen dabei möglich sind. Hinzu kommt, daß wir in den nächsten Jahren nicht nur die Relation dieser Preise, sondern dazu noch die Relation zu dem Preis des auf uns zukommenden Erdgases einkalkulieren müssen, über das heute noch gar nicht gesprochen worden ist.
In diesem Sinne sind nach unserer Auffassung die 140 Millionen Tonnen als Richtzahl eine Notwendigkeit, wobei ich durchaus zugebe, daß es darauf ankommen wird, Maßnahmen über das hinaus, was heute als Tageslösung vorgeschlagen wird, zu treffen und für eine längere Zeit der Zukunft beizubehalten. Denn darüber sind wir uns wohl einig - das ist ja auch ein Teil der pragmatischen Wirtschaftspolitik -: Vorsorge auf dreißig Jahre können wir in der Energiewirtschaft durch Gesetze von heute wohl kaum treffen. Ich darf nur an das Schicksal der berühmten Prognose der „Atomweisen" erinnern. Wir werden alle Jahre wieder vor neue Situationen gestellt sein.
Der zweite Punkt ist der Vorschlag der Bundesregierung - auf Wunsch des Hauses -, eine Anmeldepflicht einzuführen. Ich gebe zu, daß diese Anmeldepflicht natürlich keinen unmittelbaren Einfluß auf die Kapazitäten hat. Ich könnte mir aber doch vorstellen, daß damit erstens der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben ist, überhaupt authentische Unterlagen über die Entwicklungslinie zu gewinnen, während sie ja heute auf die wohlwollende Mitteilung irgendwelcher Interessenten angewiesen ist. Zweitens bestände vielleicht die Möglichkeit, durch Einführung von Fristen den Bau so in den Griff zu bekommen, daß zwischen Anmeldung und Baubeginn eine längere Frist liegen könnte. Das alles sind Dinge, die erörtert werden müssen. Aber es handelt sich nicht um ein Allheilmittel.
Was bezüglich der Fernheizwerke oder Blockheizwerke gesagt worden ist, ist eine gute Sache, weil
die vorgesehene Maßnahme auch modern ist. Sie wird sich aber finanziell für die Förderungssicherung vermutlich nicht in größerem Umfange auswirken.
Es bleiben nun noch einige Punkte, die auch in den Entschließungen nicht angesprochen sind.
In den Gesprächen war auch das Problem der Vorratshaltung angeschnitten worden. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auf folgende Überlegungen hinweisen: Wir stehen in diesem Hause ja vor den großen Aufgaben der Notstandsgesetzgebung. Dabei beschränke ich mich persönlich auf alle die gesetzlichen Maßnahmen, die zum Bevölkerungsschutz, zur zivilen Landesverteidigung und zur Wirtschaftssicherung gehören. In diesem Zusammenhang gewinnt das Problem der Vorratshaltung auf dem Energiesektor einen ganz bedeutenden und wichtigen Akzent. Ich halte es für unerläßlich, daß die Bundesregierung auf dem Gebiet der Vorratshaltung sehr schnell zu Vorschlägen kommt. Dabei reicht es nach unserer Auffassung nicht aus, zu sagen: es ist ein Vorrat von soundso viel Prozent der Förderung oder der Einfuhr anzulegen!, sondern es wird, wie Besuche und Rücksprachen in den benachbarten Ländern Mitgliedern meines Ausschusses gezeigt haben, darüber hinaus auch notwendig sein, gewisse Standort- und Lagerungsvorschriften zu schaffen. Rein wettbewerbsmäßig gesehen - Herr Kollege Kurlbaum, vielleicht interessiert Sie das - ist ja die Frage der Lagerhaltung für die Frage einer Kostenverteilung zwischen den verschiedenen Energieträgern natürlich auch von einer entscheidenden Bedeutung. Deshalb sollten wir sie nicht außer acht lassen.
Dann ist in der Entschließung des nordrhein-westfälischen Landtages eine Forderung angesprochen, die von uns unterstützt wird, nämlich die beschleunigte Schaffung eines Gesetzes über Pipelines. Ich begrüße es, daß der nordrhein-westfälische Landtag in seiner Entschließung zum Ausdruck bringt, daß das in engstem Einvernehmen mit der Bundesregierung gesteuert werden soll, weil ich es unmöglich fände, wenn etwa einzelne Ländergesetze kämen, die uns dann wieder eine einheitliche Konzeption in der Energiewirtschaft erschweren würden.
Es geht bei der Pipeline-Gesetzgebung auch nicht darum, auf diese Weise versteckt irgend jemand zu beschweren, insbesondere etwa Interessen des süddeutschen oder des Rhein-Main-Raumes zu stören, sondern es geht einfach darum, strukturell dafür zu sorgen, daß vor allem das auf uns zukommende Erdgas nach allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu den für den Verbraucher günstigsten Preisen bis in die letzte Ecke kommt.
Deshalb ist dieses Gesetz notwendig. Es wird nur möglich sein, wenn wir gleichzeitig das Energiewirtschaftsgesetz ändern - das ist eine Forderung, die die Koalition erhebt, aber auch die Opposition ist der Auffassung, daß es baldmöglichst geändert werden muß -, insbesondere die §§ 2 und 4, um zu erreichen, daß die gesamte Primär- und die gesamte Sekundärenergie in Bundesregie erfaßt werden kann.
Wenn man das aber in einem Energiewirtschaftsgesetz machen will, sollte man gelegentlich darüber nachdenken, ob es sehr praktisch ist, wenn nicht einmal die Zuständigkeiten für die Energie in einem Bundesministerium zusammengefaßt, sondern auf verschiedene Häuser verteilt sind, wie es jetzt der Fall ist.
Meine Damen und Herren! Bei der Betrachtung der Pipeline-Gesetzgebung ergeben sich zwei neue Gesichtspunkte. Der eine die Entwicklung beim Erdgas. Ich darf bemerken, daß im Kreise meiner Freunde die Entwicklung der internationalen Verflechtung auf dem Energiemarkt mit sehr starker Sorge betrachtet wird. Wir sind durchaus d'accord mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, wenn wir sagen: wir sind stolz auf einen liberalisierten Kapitalverkehr und alles. Aber wir meinen doch, daß es gerade unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs eine zumindest nicht sehr angenehme Entwicklung ist, wenn die Beziehungen zwischen dem Gaserzeuger in Holland und der Bundesrepublik in Zukunft ausschließlich von der Absicht und der Weichenstellung zweier oder dreier internationaler Konzerne abhängen. Wir bedauern auch, daß es, was die Gewichtigkeit der Teilhaber an der deutschen Erdölproduktion angeht, nunmehr langsam offenbar dazu kommt, daß dieselben Konzerne auch im deutschen Erdölgeschäft eine so überwiegende Stellung bekommen, daß die gutgemeinte Absicht der Bundesregierung und des Bundestages auf dem Gebiete der Förderung des deutschen Erdöls - wofür wir hier in diesem Hause nicht nur 800 Millionen DM, sondern im ganzen 2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt haben - nicht verwirklicht wird. Wir sehen also mit Interesse aus privatwirtschaftlicher Sicht der Entwicklung entgegen, wie weit es gelingen wird, im Rahmen der beteiligten Unternehmen Formen zu finden, die auch die berechtigten Interessen der gesamten deutschen Volkswirtschaft auf dem Gebiete der eigenen Erdölförderung und auf dem Gebiete des zukünftigen Bezuges und der Verteilung von Erdgas sicherstellen werden. Wenn das nicht gelingt, ist die zukünftige Energiepolitik wieder nur ein Torso, bei dem ein großer, entscheidender Teil nicht erledigt ist.
Meine Damen und Herren, wir haben dann in der Entschließung - damit komme ich zu dem letzten „heißen" Punkt - zu dem § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes Stellung genommen. Einer der Herren Vorredner hat vorhin gesagt, es habe in den Besprechungen über die Einfuhrbeschränkungen für Mineralöl ein sogenanntes Gentleman's Agreement stattgefunden. Ich möchte unterstellen, daß ein solches Gentleman's Agreement existiert. Ich glaube aber, daß man ein solches Agreement nicht zum Gesetz machen kann, unter dem wir hier zu arbeiten haben. Ich halte es für mit der Würde und der Verantwortung einer Regierung und eines Parlaments schlecht vereinbar, sich in volkswirtschaftlichen Grundsatzfragen auf Gentleman's Agreements zu stützen.
Nun, lassen wir einmal den Inhalt und die Wirksamkeit außer Beurteilung. Dann ergibt sich doch
folgendes. Der § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes
wird offenbar in weiten Kreisen mißverstanden.
Meine Fraktion legt Wert auf folgende ausdrückliche Feststellung. Wir verbinden mit der Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes in keiner Weise den Gedanken einer Kontingentierung. Wir würden zu jedem Schritt entschlossen sein, wenn wir feststellten, daß die Bundesregierung aus dem § 10 eine Kontingentierung bis zum Bezugsscheinsystem entwickelte. Wir waren der Auffassung, daß der Sinn eine Lizensierung ist.
Die Lizenzierung kann man wie folgt beschreiben - hier knüpfe ich wieder an die Worte von Herrn Kurlbaum an -: nach unserer Auffassung kann eine Lizenzierung nicht den Sinn haben - Herr Kurlbaum, ich finde den Satz fast gefährlich -, zu einer Verknappung zu führen, sondern wir wollen dem Verbraucher - das haben wir ausdrücklich gesagt - weiterhin die freie Wahl ermöglichen.
Wir wollen also eine solche Lizenzierung dahin verstanden wissen, daß man die heutige Höhe der Einfuhr zugrunde legt - das ist mit gutem Willen doch zu machen -, gleichgültig ob Sie einen Stichtag festlegen und sagen: „Wir legen die Einfuhr von voriger Woche zugrunde", oder ob Sie - was auch unschwer möglich ist - eine Feststellung über den derzeitigen Verbrauch treffen. Sie haben Anhaltswerte über den durch Strukturwandel bedingten Übergang von einem Brennstoff zum anderen.
Wir wollen uns nichts vormachen, und das wird sich auch die Kohle nicht vormachen können: im Hausbrand wird aus den verschiedensten Gründen gelegentlich, hier und da, eine weitere Abwanderung von der Kohle zum Öl eintreten. Bei der Industrie liegen die Dinge schon wieder anders, weil man sie an dieser Hinsicht beeinflussen kann. Wir haben außerdem aus den letzten Jahren - ich frage das Bundeswirtschaftsministerium, ob ich darüber richtig orientiert bin - doch ziemlich ausreichende Anhaltswerte für den jährlichen Anstieg an Zusatzenergie, die ja jeder den anderen Energieträgern zubilligen will, ohne die Kohle hier zu beteiligen.
Wenn man alles das zusammennimmt, kommt man zu folgender Überlegung. Die Regierung bekommt von uns keinen Auftrag, so und so zu verfahren, sondern sie soll nur gezwungen werden, eine gesetzliche Handhabe zu benutzen, um im Wege der Lizenz zu verhindern, daß das entgegen jeder Voraussage um das Mehrfache gestiegene Einfuhrvolumen an Öl verhindert wird, um eine weitere Deroutierung des Energiemarktes zu verhindern. Wenn man das ganz offen sagt, haben selbst meine Freunde, wenn auch mit schwersten Bedenken, eine Möglichkeit, der Regelung zuzustimmen. Wir tun das in der Erwartung, daß die Regelung im Interesse der unter Umständen Betroffenen liegt. Ich glaube, daß die Mineralölwirtschaft selbst vermutlich besser dabei fährt, wenn sie ein von der Regierung klar geregeltes Verhältnis vor sich sieht, als wenn diese Verhältnisse alle halbe. Jahre wiederkehren und hier erörtert werden müssen. Insofern begrüßen wir die Vorschläge der Bundesregierung.
Wir stehen gemeinsam mit der CDU hinter dem Entschließungsantrag, dessen wesentliche Punkte ich eben noch einmal erwähnt habe. Die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Entschließungen wird sich ergeben, wenn die Bundesregierung, wie wir hoffen, noch eine abschließende Erklärung über die von ihr eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnah-. men abgegeben hat. Ich bin nicht ermächtigt, bereits einen Antrag zur formellen Erledigung der Entschließung zu stellen. Aber vielleicht darf ich einen persönlichen Gedanken entwickeln. Ich habe den Eindruck, daß wir in der Energiefrage - auch Herr Kurlbaum hat das anklingen lassen - mit den Plenardebatten und dem Entschließungsantrag allein in der Sache nicht weit genug kommen. Es wird nötig sein, daß wir uns selbst die Voraussetzung schaffen, in den dafür vorhandenen Ausschüssen die Dinge von Grund auf einmal so mit der Bundesregierung zu besprechen, daß konkrete gesetzliche Regelungen oder volkswirtschaftlich gemeinsam verantwortete Prognosen erarbeitet werden.
Sie gestatten, daß ich auch als Wahl-NordrheinWestfale - seit 8 Jahren - noch etwas dazu sage. Es handelt sich in der jetzigen Situation nicht allein um ein Problem, das nur mit Verstand, Rechenschieber usw. erledigt werden kann, sondern es ist für das nordrhein-westfälische Land ein soziologisches, gesellschaftspolitisches Problem erster Klasse, von dem wir genauso betroffen sind wie der Kumpel, der unter Umständen hier ernstlich gefährdet wird. Das möchte ich für meine nordrhein-westfälischen Freunde ausdrücklich feststellen.
({2})
- Bitte sehr, das ist mir klar. Wir sollten es uns daher sehr überlegen, ob wir nicht etwa durch eine schlichte Überweisung an Ausschüsse in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, wir seien nicht bereit, uns zu einer Meinung durchzuringen. Wir müssen vielmehr beides verbinden. Diesen Gedanken nur als persönliche Anregung.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Weinzierl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was das Hohe Haus heute bewegt, ist der Wellenschlag einer in einem hervorragend wichtigen Teil unseres Vaterlandes ausgebrochenen sozialen Unruhe, dm Ruhrgebiet und im Aachener Raum. Es sind die verständlichen Sorgen der Bergleute, die von uns nicht nur beruhigt werden müssen, die vielmehr einen Anspruch darauf haben, daß der Grund ihrer Sorge selbst abgestellt wird.
Zwei Ursachen sind für die Unruhen maßgebend. Es sind ,der Verlust der anerkannten Lohnspitzenposition der Bergarbeiter und die Furcht älterer, verdienter Bergleute, ihren erreichten sozialen Status durch Verlust ihres Arbeitsplatzes und auch - wie das befürchtet wird - ihrer Wohnung im Zuge
der Rationalisierungsstillegungen aufgeben zu müssen.
Ich glaube sagen zu können, daß Bundesregierung und Bundestag einig sind in dem Ziel, soweit wie nur möglich Abhilfen zu gewähren. Das, worüber aber nicht überall Einigkeit herrscht, ist die Methode, wie Abhilfen herbeigeführt werden können. Das Ziel ,der Bundesregierung und damit auch der CSU-Landesgruppe ist bekannt. Wir wollen das geordnete Zusammenwirken aller Energieträger auf dem Energiemarkt zur Erhaltung eines angemessenen Energiepreises unter Wahrung der Interessen aller Energieverbraucher herbeiführen. Wir wollen in diesem Rahmen die Aufrechterhaltung eines Kohleabsatzes in Höhe von ca. 140 Millionen Tonnen. Man soll nicht sagen, daß wir, die CSU-Landesgruppe, partikuläre Sonderinteressen eines energiefernen Raumes verträten.
Wir haben zur Erreichung dieses Ziels Opfer gebracht - ich verweise nur auf unsere Zustimmung zur Verlängerung des Heizölsteuergesetzes -, und wir sind bereit, dafür weitere Opfer zu bringen. Dies sind Opfer unserer Energieverbraucher für Kohle als schutzbedürftiges Allgemeingut.
Das Aufkommen an Heizölsteuer und damit die zugunsten von Hilfsmaßnahmen für die Kohle zweckgebundenen Mittel haben sich gegenüber den dem Entwurf zugrunde liegenden Schätzungen wesentlich erhöht. Die Forderung des Kohlebergbaus, die ,ein Teil der Abgeordneten dieses Hauses übernommen hat, ist die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes. Dies ist nicht erst seit gestern so, vielmehr kreisen auch alle Energiedebatten der Vergangenheit um diesen Punkt. Die CSU hat von jeher davor gewarnt, diesen Weg zu beschreiten, und sie tut es heute wieder. Wir warnen davor, weil wir befürchten, daß, ganz gleich, welches die Anfangsschritte sein mögen, am Endpunkt der Entwicklung eine Kontingentierung, d. h. eine Verbrauchszuteilung für den Letztverbraucher stehen wird. Nach unserer Auffassung würde das gegen die Grundsätze unserer freien sozialen Marktwirtschaft verstoßen, zu der sich auch die Opposition erst in Karlsruhe wieder laut bekannt hat.
Die große Frage ist, ob die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gleichzeitig wirksam und EWG-konform gestaltet werden kann. Einfuhrrestriktionen für Rohöl kann die Bundesregierung im Alleingang nur für Drittländer verfügen. Nach Art. 226 des EWG-Vertrages bedürfen Rohölrestriktionen gegenüber den EWG-Ländern der Genehmigung durch die Kommission. Einschränkungen gegenüber Drittländern allein sind aber nicht wirksam, weil sie durch Einschleusungen über EWGLänder spielend umgangen werden können.
({0})
Durch den Einsatz des Energieträgers Öl haben die energiefernen Gebiete beträchtliche wirtschaftliche Strukturverbesserungen erzielt. Ein dem Energieverbraucher aufgezwungener Verzicht auf die freie Wahl des Energieträgers würde die Er7292
folge zunichte machen. Jedenfalls aber würde jede wirtschaftliche Strukturpolitik und jede sinnvolle Raumordnungspolitik in die Zukunft hinein unmöglich gemacht, wenn Öl für den Letztverbraucher kontingentiert würde.
Ein weiterer Gedanke, der entscheidend die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes verbietet. Das Vertrauen des Verbrauchers, des Gewerbes und der Industrie auf eine früher getroffene energiepolitische Entscheidung des Staates, die Anlaß für Investitionen gewesen ist, muß geschützt werden.
Die CSU-Landesgruppe ist der Auffassung, daß von diesen Grundsätzen der Energiepolitik dann abgegangen werden müßte, wenn die Besorgnisse der SPD zuträfen, daß die internationalen Mineralölgesellschaften durch ihre Marktpolitik die Selbständigkeit unserer Energieversorgung in Frage stellten. Die CSU-Landesgruppe sieht aber vorderhand weder Anzeichen für monopolistische Bestrebungen der großen Ölgesellschaften noch für einen Verdrängungswettbewerb der übrigen Energieträger gegenüber der Kohle. Von 1950 bis heute hat sich der Marktanteil der großen internationalen Gesellschaften an den Mineralölerzeugnissen nicht vergrößert; er ist im Gegenteil bei den großen Gesellschaften zurückgegangen. Auch das Aufbauprogramm für Raffineriekapazitäten läßt nicht den Schluß zu, daß große Gesellschaften ihre Marktstellung in monopolistischer Weise ausbauen wollen oder können. Noch heute muß ein beträchtlicher Fehlbedarf an Raffinerieerzeugnissen, insbesondere an Leichtöl, durch Importe gedeckt werden. Diese Situation wird sich auch bis 1970 nicht wesentlich verändern. Bis heute ist der absolute mengenmäßige Marktanteil der Kohle durch andere Energieträger nicht zurückgedrängt worden.
Wenn der Kohleabsatz von 124 Millionen Tonnen im Jahre 1963 auf 115 Millionen Tonnen zurückgegangen ist, so nicht deswegen, weil die Kohle Kunden verloren hat, sondern weil der Kohleeinsatz - z. B. bei der Stahlerzeugung oder bei der Verstromung und auch beim Eigenverbrauch der Zechen - rationeller geworden ist. Es trifft zu, daß gegenüber den Absprachen über den Ausbau von Raffineriekapazitäten 1962 nach den heutigen Planungen ein Mehr von 13 Millionenn Tonnen Steinkohleneinheiten im Jahre 1966 vorhanden sein wird. Andererseits hat sich aber auf Grund der effektiven Entwicklung des Energieverbrauchs erwiesen, daß die Energienachfrage bis 1966 weit über die den damaligen Absprachen zugrunde liegenden Schätzungen hinauswachsen wird und daß die Mehrinvestitionen für Raffineriekapazitäten noch unter dem erwarteten Nachfragezuwachs liegen werden.
Gestern wurde bekannt, daß die Mineralölindustrie in Verfolg der Anregungen, die sie aus dem Gespräch mit dem Herrn Bundeskanzler mitgenommen hat, eine Absprache über Rohöleinfuhren und die Verteilung des Energiebedarfs auf die Energieträger getroffen hat. Das macht die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes zunächst unnötig, solange die Absprachen gehalten werden, und das wollen wir hoffen. Der Grundsatz unserer marktwirtschaftlichen Politik, der dirigistische Maßnahmen
nur in den Ausnahmefällen erlaubt, wo es unser
Sozialstaatsprinzip gebietet, sollte gewahrt werden.
Welche Wege schlägt nun die CSU vor? Um es knapp auszudrücken: den Einsatz aller Mittel zur Erhaltung des Steinkohlebergbaues im bisherigen Rahmen und zu diesem Zweck den Einsatz aller Mittel, die gegenüber dem erwünschten Erfolg verhältnismäßig entsprechend sind. Der bayerische Wirtschaftsminister Dr. Schedl hat' ein Programm vorgelegt, das realisierbar erscheint und das dazu geeignet ist, den Kohleabsatz auf lange Sicht zu sichern. Und darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es. Die Programmpunkte sind bekannt; ich erwähne sie kurz in rascher Aufzählung: Schaffung von Kohlefrachtbasen entsprechend dem Vorbild bei Stahl und Eisen; Finanzierung der Frachtverbilligung für revierferne Gebiete durch Einführung einer Kohlefrachtabgabe in den reviernahen Gebieten, um einen Ausgleich für die ganze Bundesrepublik und für die gesamte Energiepolitik zu erreichen; Förderung der Verstromung im Stromabsatzgebiet und besondere Verbilligung der Transportkosten für Kohle, die zu diesem Zweck eingesetzt werden soll; Bereitstellung weiterer Mittel für den beschleunigten Ausbau des Rhein-MainDonau-Kanals, weil der dann auch wieder für eine bestimmte Menge von Kohle den Absatz sichern wird.
Dieses Programm beruht auf dem Grundgedanken, daß, auf lange Sicht gesehen, der Kohle nicht dadurch geholfen werden kann, daß das übrige Energieangebot beschränkt wird, sondern nur dadurch, daß der Kohlenabsatz fest gesichert wird. Dazu kann vor allem auch die Verstromung in Kohlekraftwerken im Stromabsatzgebiet, selbstverständlich mit bestimmten Schwerpunkten auch die Verstromung am Ort, führen. Ein Gutachten der Technischen Hochschule Aachen besagt ja, daß für längere Strecken der Transport von Kohle billiger ist, als etwa - man spricht von Strecken zwischen 300 und 400 km - den Strom zu transportieren. Ich weise darauf hin, daß hier gerade für die in weiter Zukunft festzulegende Sicherung bestimmter Kohleabsatzmengen noch manches getan werden kann.
({1})
Mit Hilfe von Großkraftwerken wird man einen gewaltigen Teil der Kohleförderung binden können. Beispielsweise wird allein das Großkraftwerk Franken zwischen Erlangen und Nürnberg nach Abschluß der letzten Ausbaustufe einen jährlichen Kohleverbrauch von ca. 2,4 Millionen t haben. Der aufgezeigte Weg kann dahin führen, daß man durch Transportkostenverbilligung für lange Strecken die Kohle überall im Bundesgebiet zum ungefähr gleichen Preis anbietet. Das hat unser Wirtschaftsminister bei seinen Ausführungen in der letzten Plenarsitzung gesagt. Er hat darauf hingewiesen, daß wir das, was bei den Kokereigasen möglich geworden ist, auch hier anstreben sollten im Sinne der Sicherung des Absatzes von Kohlen aus dem Ruhrgebiet. Der Ausbau von Wasserwegen in die revierfernen Gebiete ist für die Kohle immens wichtig geworden. Beispielsweise wurde der Beschluß zum Ausbau der
Stromerzeugungskapazitäten beim Großkraftwerk Franken auf Kohlenbasis erst im Hinblick auf die Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals möglich.
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich mich etwas mit der Haltung der SPD in der Energiefrage befassen. Die SPD-Fraktion dieses Hauses fragt unter Nr. 3 ihres Antrags die Bundesregierung danach, wie sie das Vertrauen in den Fortbestand des deutschen Steinkohlenbergbaues wiederherstellen wolle. Dies gibt Anlaß zu der Feststellung, daß es die SPD selbst war, die zu wiederholten Malen das Vertrauen des deutschen Steinkohlebergbaues auf seinen zukünftigen Fortbestand untergraben hat.
({2})
Die Bundesnegierung und die Regierungsparteien sind dem zwar immer wieder widerlegten, aber ständig wiederholten Vorwurf der SPD ausgesetzt, sie hätten kein energiepolitisches Konzept.
({3})
Ich glaube, es ist erlaubt zu sagen, daß es die Bundesregierung bisher erreicht hat, daß wir in dem energiepolitischen Raum einen Ausgleich gefunden haben und bisher noch immer gut vorwärts gekommen sind.
({4})
Wir bitten die SPD, einmal mit aller Deutlichkeit zu erklären, was sie haben will, ob Maßnahmen, die unabweislich zur Verteuerung unserer Energiekosten ohne durchgreifende Verbesserung der Kohlesituation führen, oder Beibehaltung einer Politik, die den billigen Energiepreis sichert und damit verbraucherfreundlich ist. Auch in der SPD muß die Einsicht vorhanden, sein, daß entweder nur das eine oder nur das andere zu haben ist. Wir sehen uns hier aufgerufen, einmal im Reviergebiet den Vormarsch des Öls zu stoppen und zum anderen im revierfernen Gebiet die Energiekosten zugunsten des Letztverbrauchers zu verbilligen.
({5})
Es ist bekannt, daß es dabei nicht nur um die Energiekosten allein geht, sondern daß die Energiekosten in die Herstellungskosten aller Produkte eingehen. Sie wissen, wie die verschiedenen Produktionszweige am Energiekostenfaktor beteiligt sind.
({6})
Ich möchte mit besonderem Nachdruck noch einmal auf die Verstromung der Kohle hinweisen.
({7})
Die Kohle wie auch das Öl werden in bestimmtem Ausmaß als Grundstoffe benötigt. Das Öl wird sehr viel als Treibstoff für unseren Verkehr, für die Arbeitsmaschinen usw. verwendet. Zur Deckung des Bedarfs des Gewerbes und der Industrie bis in die letzte Verästelung beim Verbraucher und in den Haushalten hinein wird der elektrische Strom in Zukunft in zunehmendem Umfang die moderne Energie der Zukunft sein müssen. Auch ich bin der
Auffassung, daß wir, wenn wir auf die Verwendung der elektrischen Energie bis in die letzte Verästelung beim Verbraucher hinein hinarbeiten, damit auch die sicherste Investitionspolitik in unserer gesamten Volkswirtschaft treiben. Dann wird es eines Tages gleich sein, ob der elektrische Strom, dessen Ausnutzung dann gesichert ist, nun von der Wasserkraft oder von der Kohle oder vom Öl oder vom Gas oder von der Atomenergie. kommt. Jedenfalls ist auf der Verbraucherseite dafür gesorgt, daß die Investierungen in weitester Zukunft genutzt werden können.
Eine weitere Sicherung ist darin zu sehen, daß die Verbundwirtschaft im Sektor der 'Elektrizität schon sehr weit vorangeschritten ist. Mit der Zielsetzung, möglichst viel Kohle zu verstromen, steuern wir eine moderne Entwicklung an, die jedem Verbraucher dient; denn der elektrische Strom wird nach wie vor die kultivierteste Energie sein, die wir dem Verbraucher darbieten können.
Gerade darum möchte ich vor zu frühzeitigen Stilllegungen warnen.
({8})
Es ist auch sehr zu überlegen, ob man dort, wo vielleicht die Kohle zunächst nicht noch weiter abbauwürdig bleibt, zu Stillegungen schreitet, weil nämlich damit diese Vorräte ein für allemal verloren sind. Wir sollten uns das reiflich überlegen, schon im Hinblick darauf, daß wir eines Tages diese Kohle wieder brauchen werden, wenn wir die Verstromung verbilligt haben werden, und dazu ist unsere Technik, ist unsere Wissenschaft aufzurufen. Sie soll an der Verstromung arbeiten, sie soll alles tun, um dem Verbraucher eine möglichst billige elektrische Energie darbieten zu können.
Es wird notwendig sein, die Probleme in den Ausschüssen gründlich zu beraten und zu versuchen, das Bestmögliche herauszuholen.
({9})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, es sei doch gut, daß wir heute noch einmal eine Energiedebatte durchführen. Ich begrüße das besonders deswegen, weil wir ,es hier mit einem konkreten Problem zu tun haben, das jeder erfassen kann, und trotzdem, ja trotzdem, mit einem Problem von so weittragender Bedeutung, daß bei allen Einzelfragen die Grundsätzlichkeit angesprochen ist, aus allen Einzelfragen die Grundsatzprobleme deutlich werden. Hier bei dieser Debatte haben wir nicht die Möglichkeit, uns hinter Grundsätzen beim Detail zu verstecken oder im Detail Grundsätze zu verraten.
Nun darf ich im Blick auf die sozialdemokratische Fraktion sofort sagen: Ich begrüße die Debattenrede des Kollegen Kurlbaum, aber ich möchte in aller Freundschaft - das darf ich gerade bei Herrn Kurlbaum betonen - sagen, wir sind hier unterschiedlicher Meinung, nicht unterschiedlich in der Beurteilung der Dringlichkeit und der Wichtigkeit des Problems, nicht unterschiedlich in dem Bemühen um die Sache, aber wir sind unterschiedlich 'in der Meinung über den Weg der Politik. Vieles von dem, was Sie hier kritisiert haben, Herr Kurlbaum, ist nichts anderes als Ihre Darstellung, eben daß Sie anderer Meinung sind.
({0})
Ich lege Wert darauf, nicht in schwarz-weiß zu
malen, aber auch jede Verwischung zu vermeiden;
hier muß wieder klar und deutlich ,diskutiert werden.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich möchte darum am Anfang noch einmal mit aller Deutlichkeit die Ansicht der Bundesregierung dartun. Es ist weiterhin das Ziel der Bundesregierung, die deutsche Wirtschaft und die deutschen Privathaushalte möglichst billig und sicher mit Energie zu versorgen. Niedriger Preis und ungestörte Versorgung sind jeweils nicht extrem zu erhalten. Das liegt nun einmal in der Unvollkommenheit dieser Welt.
({2})
Es kommt darauf an, beide Bedingungen so miteinander zu verbinden, daß jede in optimaler Form erfüllt werden kann. Wir brauchen billige und sichere Energie, um im technischen Fortschritt den Anschluß an die Spitze zu erhalten. Aber die Energieversorgung selber unterliegt auch dem Wandel, den jeder technische Fortschritt mit sich bringt.
Mancher mag sich in den letzten Wochen gefragt haben, weshalb der Notruf der Bergleute und der Appell der betroffenen Gemeinden so starken Widerhall in der gesamten deutschen Bevölkerung gefunden haben. Nun, das liegt nicht nur daran, daß die gesamte deutsche Bevölkerung der Arbeit des Bergmanns Achtung zollt und dem Bergmann selbst Zuneigung entgegenbringt, es liegt auch daran, daß jeder - wenn nicht er selber, so doch in seinem Freundes- oder Verwandtenkreis - es kennengelernt hat, was es bedeutet, sich infolge eines technischen Fortschritts umstellen zu müssen. Diese Notwendigkeit der dauernden Anpassung ist eine der harten, der sehr harten, aber nicht zu vermeidenden Seiten der Marktwirtschaft. Wir haben unsere Marktwirtschaft nicht zuletzt deswegen soziale Marktwirtschaft genannt, weil wir wollen, daß die in einer modernen Wirtschaft notwendige Anpassung so sozial wie nur irgend möglich vorgenommen wird. Übrigens, meine Damen und Herren, kann die Wirtschaftspolitik betrieben werden nach welchem Rezept auch immer, die moderne Wirtschaft muß rationalisieren, sie muß Anpassungen vornehmen. Davon gibt es keine Ausnahme, in keinem Land der Welt, und zwar gleichgültig, wie es regiert wird.
Aber offenbar ist es so, .daß die Bevölkerungen der verschiedenen Länder auch unterschiedlich reagieren. Ich bin auf jeden Fall keineswegs traurig, daß wir bei, uns in Deutschland Reaktionen bis zur heftigen Demonstration hatten, weil daraus hervorgeht, daß unsere Menschen noch ein Verhältnis zu ihrer Arbeit besitzen, ein Verhältnis zu ihrem Beruf haben. Niemand sage, es sei leicht, Altgewohntes, Herkömmliches aufzugeben. Das ist nicht einmal leicht, wenn etwas viel Besseres dafür geboten wird. Man denke doch nur daran, wie schwer es den Hunderttausenden geworden ist, die aus der Landwirtschaft in andere Berufe gegangen sind. Wie häufig hat ein gewerblich tätiger Unternehmer und Arbeitnehmer lächelnd neben einer kleinen Bauernhütte gestanden und sich gefragt: Warum schinden diese Menschen sich noch so ab? Meine Damen und Herren, das ist ein Vorgang, der nicht mit dem Rechenstift zu erfassen ist. Man muß selbst einmal durch diese - ich wiederhole - harte Mühle gegangen sein, um zu begreifen, was das alles bedeutet. Es gibt nun einmal eine Vielzahl von Gewerben, die heute nicht mehr gefragt sind, weil der Markt bestimmt, was produziert wird. Unsere freie Wahl, das kaufen zu können, was wir wollen, das ist der Markt. Deshalb finden in vielen alten Gewerben viele Menschen keine Tätigkeit mehr. Das ist in allen Bereichen so. Der Fortschritt 'hat dafür gesorgt, daß auf den einzelnen Menschen eine höhere Leistung kommt. Das bedeutet, daß diese Leistung mit einer geringeren Anzahl von Menschen erbracht werden kann oder aber daß, falls es vom Markt gefordert wird, mehr Güter zur Verfügung gestellt werden können.
In den letzten Jahren haben viele Bergleute ihren Beruf verlassen. Zwar hat immer neben der Stammbelegschaft ein großer Teil fluktuierend Beschäftigter gestanden, aber die Gesamtbeschäftigtenzahl ist doch von 550 000 auf 350 000 zurückgegangen. Wir müssen auch heute noch damit rechnen, daß ein leichter Rückgang in den Beschäftigtenzahlen anhalten wird. Um es aber gleich zu sagen: Wer glaubt, man könne ohne den Bergmann, wir könnten in der Energiepolitik ohne die Kohle auskommen, der irrt.
Es kommt nun darauf an, den Arbeitsplatzwechsel und, wo es not tut, auch den Wohnungswechsel so sozial zu gestalten, wie es irgendwie möglich ist. In einem der vielen Gespräche in meinem Hause sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Rosenberg, mir einmal, auch er sei sich darüber im klaren, daß man heutzutage in der Lage sein müsse, ja, in der Lage ist, eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die jedem einen Arbeitsplatz garantiert, aber niemand sei in der Lage, den Arbeitsplatz, den sich der einzelne nach Beruf und Heimat jeweils wünsche, zu garantieren. Ich füge hinzu - und sicherlich auch in Übereinstimmung mit den Sozialpolitikern -, daß ein solcher Wechsel nur erfolgen darf, wenn er sozial abgesichert ist und wenn raumpolitisch die nachteiligen Folgen behoben sind.
Darum hat der Bund seit Jahren eine bewußte regionale Förderung betrieben und dafür in den
letzten Jahren über eine Viertelmilliarde aufgewandt. Und würde ich mehr Mittel bekommen, wer würde froher darüber sein als ich, meine Damen und Herren! Diese Politik soll weiter verstärkt werden. Sie kann nur in Zusammenarbeit mit den Ländern und den Gemeinden verstärkt werden. Ich möchte hier wiederholen: Was das Land Nordrhein-Westfalen und die Gemeinden des Ruhrgebietes in den letzten 15 Jahren an struktureller Umstellung geleistet haben, ist bewunderungswürdig. Die neuen Industrieräume, die in der Bundesrepublik entstanden sind, hatten es dagegen viel leichter. Leichter hatten es auch die Industrieräume, die nicht auf alte Rohstoffbasen ausgerichtet waren. Wer diese Feststellung bezweifelt, der möge sich nur einmal die Steuerkraft der alten Industriegemeinden des Ruhrgebiets oder der Gemeinden der neuen Wirtschaftsräume der Bundesrepublik ansehen. Deshalb ist es auch limmer mein persönliches Anliegen gewesen, die wettbewerbsverfälschende, auch regionalpolitisch wettbewerbsverfälschende Gewerbesteuer aus ihrer dominierenden Rolle herauszubringen.
Ich ziehe also die politische Schlußfolgerung, daß die soziale Marktwirtschaft ohne eine bewußte Strukturpolitik, die in erster Linie von den Gemeinden, dann von den Ländern, aber koordinierend vom Bund betrieben werden muß, nicht durchführbar ist.
Die zweite Feststellung ist aber die, daß um der Wahrhaftigkeit willen jede politische Partei und jede wirtschaftliche Vereinigung die Pflicht hat, wenn sie sich zur sozialen Marktwirtschaft, zur Wettbewerbswirtschaft, bekennt, auch die Nachteile, die persönlichen Nachteile, die der einzelne jeweils in Kauf nehmen muß, als dem System innewohnend anzuerkennen und zu vertreten. Das aber, meine Damen und Herren, geschieht zur Zeit nur in einem sehr, sehr geringen Ausmaß.
({3})
In Grundsatzaussprachen wird mit den Vokabeln Wettbewerb, Preisstabilität, Freiheit der Tarifpartner schwungvoll gearbeitet. Aber wenn es dann darum geht, einmal die unbequemen Kehrseiten dieser Dinge durchzustehen, dann verlieren leider viel zu viele den Mut und gehen den einfachsten Weg; sie schimpfen jeweils auf den anderen, und wenn sie dann beide zusammen sind, schimpfen sie gemeinsam auf Bonn. Man verlangt die Freiheit für den einzelnen, und wenn hie und da ein einzelner in dieser oder jener Funktion die Freiheit nicht richtig gebraucht oder ein einzelner in dieser oder jener Stellung - will ich lieber sagen - die Funktion der Freiheit nicht richtig sieht, dann schimpft man auf den Staat, so als lebten wir in einer Staatswirtschaft, die für alles und jedes natürlich verantwortlich sein muß.
Wenn ich das sage, so sage ich es keineswegs, um die Verantwortung, die beim Staat liegt, zu schmälern, sondern ich sage es, um die Verantwortung, die beim einzelnen liegt, anzusprechen.
Ich bitte Sie also um der Wahrhaftigkeit der Diskussion willen und um der Wahrhaftigkeit der
Grundsätze willen, bei den Anpassungsvorgängen auch das Unvermeidbare als solches, eben als unvermeidbar zu 'bezeichnen und nicht die Schuld - um politische Geschäfte zu machen und um private Geschäfte zu machen - auf die falsche Stelle zu schieben.
({4})
Ich spreche diese Bitte auch deswegen aus, damit
wir künftig unsere Strukturpolitik ausbauen können.
Bei der Debatte über Zollermäßigungen im verflossenen Sommer habe ich bereits darauf hingewiesen, daß für weitere Bereiche Rationalisierungsverbände gegründet werden oder daß nach den Vorschlägen der Betroffenen strukturelle Maßnahmen ergriffen werden sollen. Das geht aber doch nur, meine Damen und Herren, wenn die Notwendigkeit solcher Maßnahmen eingesehen wird und wenn alle führenden Kräfte sich darum bemühen, diese Einsicht bei unserer Bevölkerung zu stärken.
Ich möchte nun zu den einzelnen Diskussionsbeiträgen kommen. Ich darf bei dem Kollegen Weinzierl beginnen und ihm für das Verständnis danken. Nun, es ist gar nicht so einfach, Verständnis aufzubringen, wenn man weit vom Schuß ist. Aber, Herr Kollege Weinzierl, Ihre Sorge um die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes - ich komme gleich im einzelnen noch darauf zurück - ist zwar verständlich, aber auch, wie ich glaube, ein wenig übertrieben. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die sich aus dem GATT und aus den EWG-Verträgen ergeben, und darum habe ich in Straßburg - vielleicht ein wenig zu temperamentvoll - einen besonders dringenden Appell an alle gerichtet und habe gesagt, daß wir auch hier nicht die Möglichkeit haben, in die nationale Isolierung zurückzugehen, sondern daß es höchste Zeit wird, eine gemeinsame Energiepolitik zu beginnen, die leider dadurch aufgesplittert ist, daß wir eine Montanunion,. ein Euratom und eine EWG-Behörde haben.
({5})
- Meine Damen und Herren, der Ministerrat der EWG ist ein Rat, der auf Einstimmigkeit angewiesen ist, und sie können einen Institution, die auf Einstimmigkeit angewiesen ist und die noch nicht das Recht zu Mehrheitsbeschlüssen hat, keinen Vorwurf als Institution machen. Vielleicht investieren Sie etwas in diese Sache; dann werden Sie mir recht geben.
Ich habe diesen Appell in Straßburg noch einmal aufgegriffen und gesehen, wie die Parlamentarier aller Fraktionen zustimmten. Ich kann auch hier nur sagen, daß sich die Bundesregierung Mühe gibt, voranzukommen. Sie alle wissen, welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind. Ich darf vielleicht jetzt in Erwiderung Ihres Zwischenrufs folgendes sagen. Wenn bei diesen Bemühungen hin und wieder einmal einige Pannen eintreten, dann sollte man sie solidarisch beheben und nicht zum Gegenstand einer polemischen Auseinandersetzung machen.
({6})
Meine Damen und Herren, die Betroffenen wissen genau, was ich meine.
Ich möchte jetzt zu den Ausführungen von Herrn Aschoff kommen und sagen, daß sich die Frage der Verlängerung der Fristen natürlich hervorragend für Glossen eignet. Wäre ich noch in meinem alten Beruf, ich hätte auch nicht gezögert, einiges darüber zu schreiben. Aber der Hergang ist so, wie es das letzte Mal gesagt habe. Es kam eine Anregung, und ich versprach, diese Anregung aufzugreifen und mich mit den Beteiligten zu unterhalten. Ich stellte fest, es war ein Alleingang. Darum war die Sache für mich wieder vom Tisch, und sie ist vom Tisch, Herr Aschoff.
Dann haben Sie gefragt, wie wir sicherstellen könnten, daß über den Rationalisierungsverband kein Mißbrauch getrieben wird. Nun, Herr Aschoff, wir können heute noch nicht eingreifen. Das Gesetz ist hier beschlossen. Aber in dem Augenblick, wo wir am Zuge sind, nämlich bei der Prämienantragstellung, werden wir so handeln, wie Sie es mit Recht und, wie ich weiß, mit Unterstützung des ganzen Hauses gefordert haben.
Jetzt möchte ich sehr gern auf den Punkt Lagerhaltung ausführlich eingehen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit mir der Herr Präsident gibt. Aber ich muß einige Minuten darauf verwenden, wenn ich es tun soll.
Sie können weitersprechen. Sie unterliegen keiner Beschränkung.
Ich dachte, daß wir vielleicht um 13 Uhr Schluß machen wollten, und dann schaffe ich das nicht ganz.
Ich bin in der Tat der Meinung, daß die gesamte Lagerhaltungspolitik noch nicht in Übereinstimmung steht mit den Grundsätzen der Wettbewerbswirtschaft, der sozialen Marktwirtschaft. Denn durch die Wettbewerbswirtschaft wird jeder Unternehmer zum schnellen Umsatz gezwungen. Wenn wir dazu unsere Steuergesetzgebung betrachten, stellen wir fest, daß das Prinzip „Großer Umsatz, kleiner Nutzen" ebenfalls in diese Richtung weist. Volkswirtschaftlich sind wir aber darauf angewiesen, eine gewisse Bevorratung durchzuführen.
Man könnte jetzt einigermaßen enttäuscht feststellen, daß aus dem Prinzip der Marktwirtschaft heraus die Sicherung der Lagerhaltung nicht gewährleistet ist. Aber ich halte diesen Schluß nicht für richtig. Der Fehler muß irgendwo anders liegen. Wir haben schon häufiger diskutiert - auch wir beide -, wo er wohl liegen mag. Nun, es ist keine Ausrede: Er liegt nach meiner Meinung in der unterschiedlichen Behandlung der sogenannten Betriebsmittel - das ist dasselbe wie Lagerhaltung - und des angelegten Vermögens, ist also im wesentlichen ein steuerliches Problem. Wenn wir es aber jetzt lösen wollen, Herr Aschoff, kostet das eine Unsumme, die wir uns heute nicht leisten können. Aber ich bitte Sie trotzdem sogar um Ihre Kameradschaft, dieses Problem im Interesse der Sicherung der Versorgung möglichst bald zu lösen. Es muß eine steuerliche Besserstellung der Lagerhaltung erfolgen. Es darf nicht so bleiben, daß, wie ein Kollege aus dem
Hause von seinem Bereich einmal sagte, die Lagerhaltung der von einem Unternehmen produzierten Güter sozusagen von der Bundesbahn durchgeführt wird, weil .sie immer auf Achse sind. Das ist ein Nachteil der Wettbewerbswirtschaft oder, sagen wir, der noch nicht ausreichend vollzogenen steuergesetzlichen Anpassung an die Marktwirtschaft. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mithülfen, Schritt für Schritt - es ist nämlich teuer - eine Änderung durchzuführen.
Herr Kollege Burgbacher, ich habe sehr genau zugehört, als Sie sagten, nur aus Gründen der Rationalisierung solle stillgelegt werden. Das ist richtig, und wir müssen darauf achten. Es soll sich niemand genieren, wenn er etwas anderes gewahr wird, auch bei Bundesgesellschaften, mir das zu sagen. Ich bin dann bereit, in ,diesem Sinne mit einzugreifen, mit aufzupassen.
({0})
Ich habe das übrigens - wenn Sie Wert darauf legen, werde ich es vorlesen - in der letzten Rede schon gesagt.
Es wird Sie nicht wundern, daß 'ich mich über den Antrag der CDU/CSU und der FDP freue und daß ich auch den Antrag, der gestern in Nordrhein-Westfalen angenommen worden ist, durchaus begrüße, Herr-Ministerpräsident. Es ist darin ein Punkt enthalten, Herr Kollege Burgbacher - das ist auf Seite 2 der zweite Absatz: „nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis . . ." ; es geht dann weiter mit dem Öl -, zu dem ich nach den letzten Ereignissen - die für mich ein wenig enttäuschend waren, das gebe ich zu; aber das hängt nun einmal mit dem Geschäft zusammen - vielleicht noch einmal ausführlich Stellung nehmen werde.
Nun habe ich das Vergnügen, mich mit Herrn Kurlbaum auseinanderzusetzen. Herr Kurlbaum, als Sie die ersten zehn Minuten gespochen hatten, da habe ich mich gefragt, wie Sie jetzt wohl die Kurve kriegen zu dem SPD-Antrag. Denn Sie haben gesagt: Der Steinkohlenbergbau ist nicht ungesund, es handelt sich hier um Strukturwandlungen, kurzfristige Maßnahmen helfen nicht, und niemand weiß, wie lang und wie schwierig der Prozeß sein wird. Das ist genau meine Meinung; so denke auch ich. Aber als Sie dann anfingen, uns hinhaltende Taktik vorzuwerfen, da wurde, wie ich meine, wieder deutlich, daß wir politisch - das ist doch ehrenwert - unterschiedliche Auffassungen haben. Wenn wir politisch unterschiedliche Auffassungen haben und nicht in der Lage sind, sie auszudiskutieren, halte ich mich an die Bibel: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Ich kann Ihnen sagen: 140 Millionen t sind noch da. „Noch da", werden Sie sofort sagen und das ausnutzen, weil ich es vielleicht hätte anders sagen müssen.
Aber im übrigen können wir bei allen Schwierigkeiten, die in den europäischen Ländern bestehen, mit einiger Genugtuung feststellen, daß unsere Probleme die geringsten sind und wir in einer sehr, sehr schwierigen Situation nicht vor den Problemen
gestanden haben, wie andere; ich meine die Suez-Krise.
Meine Damen und Herren, natürlich ist es notwendig, langfristig vorzugehen. Gerade das habe ich mich bemüht deutlich zu machen, nicht nur in meiner Antwort, sondern auch in den Maßnahmen, die ich gleich noch einmal aufzählen werde.
Herr Kurlbaum, Sie haben dann den Ausdruck „geistige Investitionen" gebraucht. Es tut mir leid, daß ich sie vorhin schon einem anderen Kollegen zurückgegeben habe. Ich bin der Meinung, man muß hier geistig etwas investieren. Tun Sie es auch, Herr Kurlbaum! Lesen Sie Seite 7251 ! Da steht nämlich, was Sie von mir gefordert haben. Da steht es im einzelnen. Ich brauche es nicht zu wiederholen.
Nun haben Sie ein gewisses Mißtrauen gegen die freiwillige Selbstbeschränkung. Das muß man haben; davon bin auch ich überzeugt. Man darf hier nicht, nur weil man es will, daran glauben, daß es so kommt, wie man möchte, sondern man muß jeden Tag mißtrauisch, höllisch aufpassen, ob die Dinge auch funktionieren.
Sie haben recht, der Kreis, der beim Herrn Bundeskanzler war, war nicht vollständig. Man hätte vielleicht einen größeren Saal nehmen müssen. Es ist jetzt meine Aufgabe, mit denen, die noch nicht da waren, zu sprechen und zu einem Ergebnis zu kommen.
Herr Kurlbaum, ich will Ihnen aber sagen, weshalb ich für den § 10 in der Hand, im übrigen aber für eine Selbstbeschränkung bin: weil ich eine Behörde verhindern möchte.
({1})
Sie haben gefragt, ob diese Maßnahme mit dem Kartellgesetz vereinbar sei. Nun, Sie wissen, Vorabreden sind nicht genehmigungspflichtig. Sie kennen auch den § 8 des Kartellgesetzes, wo davon die Rede ist, daß den übergeordneten Gesichtspunkten Rechnung getragen werden muß. Dabei will ich gleich hinzufügen, daß Zwangskartelle natürlich nicht möglich sind.
Dann, meine Damen und Herren, fing die Sache wieder an, kritisch zu werden. Denn nachdem Sie vorher von dem schwierigen, langwierigen Prozeß gesprochen hatten, wollten Sie nun plötzlich Preisrelationen von mir hören, so etwa wie das bekannte Verhältnis 100 : 85 bei Brot- und Futtergetreide. Meine Damen und Herren, ich hoffe meine bäuerlichen Freunde nicht zu verärgern, wenn ich gestehe, daß auch ich meine: Selbst diese Marktordnungen könnte man freiheitlicher gestalten. Aber ich werde mich bis zum letzten dagegen wehren, daß das Marktordnungsprinzip in die gewerbliche Wirtschaft eindringt. Wir müssen sehen, daß wir hier mit freieren Lösungen zurechtkommen. Wir wissen doch, daß der Preis u. a. eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen hat: daß wir an dem Preis erkennen, was in der Wirtschaft los ist. Jeder, der den Preis verfälscht, kaschiert auch den Wirtschaftsablauf.
({2})
Das ist die eigentliche Gefahr. Davor möchte ich im Interesse der Kohle warnen. Sie muß jeden Augenblick wissen, wie es um sie steht und welche Aussichten sie hat.
Aber im übrigen ist es doch so - ob kurzfristig oder langfristig -: Alle Gutachten, die ich gelesen habe, kommen gemeinsam zu der Feststellung, daß wir Schwierigkeiten im wesentlichen eigentlich nur in einer Übergangsphase von fünf bis sechs Jahren haben. Es gibt sogar Berechnungen, die sagen: Nach sieben Jahren werden die Amerikaner mehr Erdöl importieren als heute Europa. Schon daraus soll hervorgehen, daß die Sorge um das Kohleproblem eine vorübergehende Sorge ist. Ich glaube, man sollte das mit in Rechnung stellen. Ich selber habe das Zutrauen, daß die Kohle wieder voll wettbewerbsfähig wird.
Dazu aber, meine Damen und Herren, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten. Ich möchte hier sagen - was eigentlich in Erwiderung auf Ihre Ausführungen gesagt werden muß -: Die Kohle ist noch nicht verloren. Herr Kurlbaum, Sie können nicht einmal zuversichtlich tun und dann, wenn Sie kritisieren, so tun, als wenn schon alles verloren wäre. Nein, man muß doch während seiner ganzen Darstellung den roten Faden - oder nehmen Sie eine andere Farbe; ich meine jedenfalls, den richtigen Faden - in der Hand behalten.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon erwähnt: jedes Ding hat zwei Seiten, manches sogar drei Seiten. Wenn nun das Öl verknappt werden soll, damit die Kohle bestehen kann, dann heißt das doch, daß das Öl für diejenigen knapper wird, die Öl haben wollen, und da kann ich nicht gleichzeitig darüber schimpfen, daß es knapper wird. Meine Damen und Herren, ich muß doch jeweils die Konsequenzen aus einer Maßnahme ziehen.
({3})
Darauf kommt es mir an, und ich glaube, daß unsere gesamte politische Debatte - darum habe ich die Eingangsbemerkungen gemacht - darunter leidet. Die Quadratur des Zirkels ist auch hier nicht zu erreichen. Wenn man verknappen will, dann muß man auch die Konsequenzen ziehen. Bei jeder Maßnahme muß man wissen, daß sie Auswirkungen hat, und wenn die Auswirkungen kommen, muß man bereit sein, sie ganz bewußt in Kauf zu nehmen.
Nun komme mir niemand und sage: Das kannst du dadurch ändern, daß du in den Haushalt hineingehst. - Meine Damen und Herren, der Preis wird immer bezahlt und wird immer vom Bürger dieser Republik bezahlt, ob über die Theke oder über das Finanzamt. Ich warne davor, wieder Illusionen aufkommen zu lassen, als könne man von irgendwoher sein Geld holen und etwas verbilligen. Nein, es wird immer der Preis bezahlt.
({4})
- Natürlich wird er auch heute nachmittag bezahlt,
und ich stehe dazu, Herr Kollege Wehner, daß er
bezahlt wird, genauso, wie ich dazu stehe, daß wir
als deutsches Volk Milliarden aufbringen, um unsere Kohle zu sichern.
({5})
Herr Kurlbaum hat auf etwas hingewiesen, was auch mich - ich gebe es zu - seit Monaten bedrückt. Wir haben schon früher einmal darüber gesprochen. Ich meine die geballte Macht der hier am Geschehen beteiligten Unternehmen.
({6})
Wir müssen doch, Herr Kurlbaum, einmal überlegen: Handelt es sich hier um eine Konzentration, die aus technischen Gründen notwendig ist, oder handelt ,es sich um eine marktwidrige Konzentration? Ich glaube, bei der Internationalität dieses Geschäftes wir man um eine gewisse Konzentration nicht herumkommen. Es war das Bemühen dieses Hohen Hauses, durch das Umstellungsgesetz bei Ablösung der Präferenzen dafür zu sorgen, daß wir Deutschen - und das heißt immer: deutsche Firmen - mit ins Spiel kommen. Ich freue mich darüber, daß das trotz der hohen Summen -es hat sich damals um eine Milliarde gehandelt - hier so sachlich abgehandelt und verabschiedet worden ist. Es ist unser Bemühen, mit unter die Big Five - die dann die Großen Sechs oder Sieben werden mögen - zu kommen. Aber eins läßt sich doch nicht bestreiten, Herr Kurlbaum: Diese Großen Fünf - oder Sechs oder Sieben, wenn Sie den deutschen Markt nehmen- sind ja keine Einheit, diese Großen Fünf bilden ja keine große Koalition, sondern sie sind einzelne Unternehmer, die sich am Markt streiten.
({7})
Natürlich nicht! Ich bin ebensowenig ein Prophet wie Sie; aber ich sage, daß ich keiner bin.
({8})
Herr Kurlbaum, ich möchte darauf hinweisen, daß aus der Entwicklung der Heizölpreise hervorgeht, wie diese sich untereinander bekriegen,
({9})
und weil sie sich untereinander bekriegen, muß die Kohle als Nichtbeteiligter darunter leiden. Das ist doch der Tatbestand. Es ist nicht etwa die Zusammenballung als solche, sondern es ist der ruinöse Wettbewerb unter diesen, die Sie insgesamt als Macht annehmen, und darunter muß ein anderer leiden. Das ist das, was ich gern verhindern möchte. Wir müssen nur die Form finden, um hier zu einem guten Ergebnis zu gelangen.
Ich danke also Herrn Kurlbaum für diesen Hinweis. Welche Rolle die internationalen Gesellschaften in Europa spielen, das wird spätestens in ein bis zwei Jahren eines der bewegenden Themen in unserer Bevölkerung sein. Davon 'bin ich fest überzeugt.
({10})
- So wird es sein, jawohl. Aber, Herr Wehner, wir müssen doch sehen, daß wir um Gottes willen bei dieser Debatte nicht den Fehler von 1929 und 1930 machen und uns auf die nationalen Grenzen zurückziehen. Wir müssen nach vorn. Wir sehen jetzt an den Maßnahmen verschiedener Länder, wie man sich zurückzieht, daß man sich abkapselt. Mit der nationalen Abkapselung fängt auch im wirtschaftlichen Bereich das Unglück an.
({11})
Wir müssen nach vorn, wir müssen vorstoßen.
Darum bin ich dem Deutschen Bundestag so dankbar, daß er dieses Gesetz verabschiedet hat, durch das die deutschen Unternehmen ins Spiel gebracht werden. Darum werden Sie von mir auch niemals hören, daß ich über die „Zebras" schimpfe, also diejenigen, die in Kohle- und Ölunternehmen sitzen. Das ist die natürliche Fortentwicklung, daß die Kohlenunternehmen sich dort betätigen, und aus dieser Fortentwicklung sollen sie schließlich ihre Aufgaben als Unternehmer und auch ihre sozialen Aufgaben erfüllen.
({12})
Vor einem aber warne ich, meine Damen und Herren: zu glauben, daß man diese Entwicklung besser gestalten könne, indem man vor ein Haus ein Schild stellt: „Energiebehörde", und in dieses Haus Menschen hineinsteckt. Meine Damen und Herren, das ist noch niemals der bessere Weg gewesen. In einer Notlage ein unvermeidbarer Weg; und ich stehe nicht an, zu erklären, daß wenn die Not so groß sein sollte, ich nicht zögern würde, von dieser Ultima ratio Gebrauch zu machen.
Ich möchte nun zu dem Antrag der SPD Stellung nehmen und dann gleich noch einmal die Frage der Ölgesellschaften aufgreifen. Der Antrag der SPD macht - ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, was ich jetzt sage - nach meiner Meinung einer sozialistischen Partei alle Ehre; denn was darinsteht, ist eine sozialistische Vorstellung. Das ist Ihr gutes Recht, meine Herren. Aber Sie sollten es nach meiner Meinung auch sagen. Lesen Sie es selbst:
... einen Bericht über die Ziele, die die Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung der verschiedenen Träger der Energiewirtschaft an der Energieversorgung der Bundesrepublik und der Preisrelationen auf dem deutschen Energiemarkt verfolgt.
Ich kann nur fragen: Wie stellen Sie sich das vor? Das müssen Sie hier einmal dartun. Ich halte ein solches Verfahren nicht für möglich, oder, wenn es dennoch gemacht wird, für gefährlich .Sie werden weder das Optimum der sicheren und billigen Versorgung erreichen, noch werden Sie soziale Ruhe schaffen; und letzten Endes können Sie die ganze Zeche nur bezahlen - wie es immer gemacht wird - aus dem großen, als anonym angesehenen Steuersäckel, was aber im Einzelfall der Aufbringung eine verdammt individuelle und harte Sache ist und keine anonyme. Sie fordern weiter:
Vorschläge für Maßnahmen, die verhindern, daß die Bundesrepublik beim Zugang zu ausländischen Öl- und Gasquellen und bei der Einfuhr, Herstellung und Verteilung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe noch weiter in die AbBundesminister Schmücker
hängigkeit von den großen Mineralölkonzernen gerät.
Ich habe vorhin schon ausdrücklich betont, ,daß ich Herrn Kurlbaum dankbar dafür bin, daß er dieses Thema hier angeschnitten hat. Wir sind noch nicht einer Meinung, vielleicht werden wir es auch nicht; aber das Thema ist wichtig.
In der Besprechung mit dem Herrn Bundeskanzler hat es eigentlich ziemlich rasch eine Einigung gegeben. Was ich nicht sofort begriff - sehen Sie es mir bitte nach -, war, weshalb man von allen Seiten über den § 10 hinausgehen wollte und, nun: nicht gleich eine Behörde, aber doch schon ein bißchen mehr als den § 10 haben wollte. Ich habe das erst nicht begriffen, und letztens begreife ich es heute auch wieder nicht. Denn, meine Damen und Herren, darüber sollen sich auch die Anhänger der sozialen Marktwirtschaft klar sein: Wenn ein Staat eine Behörde einrichtet, ihnen das unternehmerische, das Absatzrisiko und was weiß ich, jedes wirtschaftliche Risiko durch die Quoteneinteilung und die Festsetzung der Preisrelationen abnimmt, dann ist auch kein moralisches Recht mehr zum Gewinn gegeben.
({13})
Ich muß das in aller Deutlichkeit sagen, so wie ich vorhin erklärt habe: Wenn man die Marktwirtschaft will, muß man auch den Arbeitnehmern sagen, daß es Unangenehmes und Hartes gibt, was man gemeinsam durchstehen muß. Kein Unternehmer in Deutschland darf sich einbilden, daß ihm Idas Risiko vom Staat abgenommen wird und daß er dennoch verdienen kann. Das muß hier einmal festgestellt werden.
({14})
Herr Abgeordneter Kurlbaum zu einer Zwischenfrage.
Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie sich dessen bewußt, daß Sie bei der Auslegung dessen, was ich hier vorgetragen habe, weit über das hinausgegangen sind, was ich gesagt habe? Sind Sie sich bewußt, daß ich mit keinem Wort davon gesprochen habe, daß eine Energieaufsichtsbehörde Preise festsetzen soll? Wissen Sie nicht, daß es aber z. B. eine Rankenaufsicht schon lange gibt und daß es eine Versicherungsaufsicht schon lange gibt? Sind Sie sich nicht dessen bewußt, daß, wenn Sie in Zukunft den § 10 anwenden wollen, die Öffentlichkeit zum mindesten wissen will, welche Zielvorstellungen die Bundesregierung bezüglich der Anwendung dieses Gesetzes hat? Sind Sie sich dessen bewußt, daß man, wenn Sie eine Vorschrift wie den § 10 handhaben wollen, wissen muß, wie stark man ihn anwendet und welches Resultat man mit dem Paragraphen erreichen will, d. h. daß man Vorstellungen quantitativer Art haben muß?
({0})
Schmücker, Bundesministed für Wirtschaft: Lieber Herr Kollege Kurlbaum, ich kann die Beurteilung der Politik Ihrer Fraktion nicht nur aus einem Vortrag entnehmen. Hin und wieder lese
ich sogar den „Neuen Vorwärts", und darin stand so etwas. Herr Kollege Arendt hat glücklicherweise zwei Funktionen; vielleicht ist er Ihnen sehr dankbar, daß Sie ihm jetzt einige Sätze aus seinem. Konzept gestrichen haben. Von ihm hatte ich es gelesen.
Nun muß ich wieder auf mein Thema zurückkommen. Ich möchte noch einmal begründen, weshalb man versuchen soll, möglichst mit einer Selbstbeschränkung, mit einer Absprache zu Rande zu kommen, die kartellrechtlich möglich ist. Man soll es deswegen versuchen, weil erstens die Aufsicht oder die Verantwortung des Staates nicht das unternehmerische Risiko und damit auch nicht das unternehmerische Können ersetzen kann. Darüber hinaus bin ich der Meinung, daß die soziale Marktwirtschaft davon lebt, daß man im freien Spiel der Kräfte auch mit dem Appell an die Vernunft und nicht unbedingt mit dem Befehl von oben arbeitet.
Es mag sein, daß wir uns nur sehr geringfügig unterscheiden. Vielleicht! Ich möchte nur betonen, was ich vorhin darzustellen anfing. Ich war überrascht, daß man viel mehr Dirigismus von mir verlangte, weil es sich im Dirigismus bequemer arbeiten läßt und weil dann immer der Staat die Schuld hat, wenn es schiefgeht, und man selber durch die Gewinnabsicherung profitiert. Das kommt nicht in Frage, meine Damen und Herren! Wer sich an diesem Wirtschaftsleben unternehmerisch beteiligen will, muß das in Verantwortung nicht nur für sein Unternehmen, sondern auch für die Gemeinschaft tun. Sollte sich herausstellen, daß es nicht geht - die bisherigen Erfolge haben uns Recht gegeben -, dann allerdings bin ich bereit, einzugreifen. Jedoch möchte ich Sie herzlich bitten: tun Sie alles, daß dies vermieden wird, damit wir mit diesem Dirigismus nicht in eine nationale Abkapselung kommen und damit die ersten Sünden begehen, wie es vor 35 Jahren gemacht worden ist - mit einem Ende, das fürchterlich war.
({1})
Ich darf nun noch einmal die Maßnahmen der Bundesregierung nennen. Die Bundesregierung hat sich zu folgenden energiepolitischen Maßnahmen bekannt.
Erstens. Zur unmittelbaren Stabilisierung des Steinkohleabsatzes wird ein Gesetz zur steuerlichen Begünstigung der Verwendung von Steinkohle in der Elektrizitätswirtschaft eingebracht.
Zweitens. Um einen besseren Überblick über die künftige Entwicklung des Mineralölmarktes zu gewinnen, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Begründung einer Meldepflicht für Raffinerie- und Rohrleitungsbauten verabschiedet. Und in diesem Gesetz steht eine Voranmeldefrist, so daß damit praktisch auch ein Bauaufschub gegeben ist.
Drittens. Dem Bundestag werden unverzüglich Gesetzentwürfe für eine Regelung des Rohrleitungsproblems und für die Begründung einer Vorratshaltung im Mineralölbereich vorgelegt werden.
Viertens. Im Zusammenwirken mit der Mineralölwirtschaft wird die Bundesregierung für eine Entwicklung des Mineralölmarktes sorgen, die auf die
Absatzsituation der Steinkohle Rücksicht nimmt. Der Bundeswirtschaftsminister wird der Bundesregierung eine Verordnung vorschlagen, die vorsieht, § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes für Öleinfuhren in Anspruch zu nehmen, um die von der Mineralölwirtschaft beabsichtigte Selbstbeschränkung abzustützen.
({2}) Er tut dies auf Beschluß des Kabinetts.
Ich möchte, wie ich eingangs sagte, da es sich hier um ein faßbares, griffiges Problem handelt - zwar um ein Spezialproblem, das aber solche grundsätzlichen Auswirkungen hat -, auch mit einer politischen Erklärung schließen und sagen, ich habe Vertrauen in unsere Menschen, daß sie im Wettbewerb nicht nur aus der Mentalität der Tageskasse handeln, sondern daß sie die Vernunft der langfristigen Überlegung walten lassen und so das Richtige anstreben. Das gilt für die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften genauso wie für die Unternehmer und ihre Verbände. Ich weigere mich, beiden die Verantwortung und damit die Handlungsfreiheit abzunehmen.
({3})
Wer das will, der soll sich nicht Marktwirtschaftler nennen.
Der frei in der Verantwortung handelnde Mensch war immer noch demjenigen überlegen, der bei allem, was er tut, unter dirigistischem Zwang steht. Staatliche Eingriffe vorübergehend, zur Abwendung einer Gefahr: ja, und zwar ein klares Ja; aber nein, und ein entschiedenes Nein, zum Dirigismus als Wirtschaftsprinzip! Wir alle werden, auch bei unterschiedlichen Ansichten, dafür sorgen, daß dem Arbeiter an der Ruhr kein vermeidbarer Schaden zugefügt wird, daß die Kohle uns erhalten bleibt, daß durch eine moderne Energieversorgung der wirtschaftliche Fortschritt ermöglicht wird.
Die beste Garantie sind nicht Gesetze - auch nicht die Gesetze, die ich selber vorschlage -, sondern der klare, saubere Wille zur Verantwortung und die richtige Gestaltung der jeweiligen Interessenlage. Diese Politik hat sich in der gesamten Wirtschaft, und nicht nur dort, bewährt. Wir haben, europäisch gesehen, die geringsten Schwierigkeiten im Kohlebereich und auch im Energiebereich, wie die große Prüfung - ich erwähnte sie vorhin - bewiesen hat. Wir haben die 140 Millionen t gehalten, und wir werden alles tun, um sie weiterhin sicherzustellen. Ich bin auch davon überzeugt: Mit Ihrer Unterstützung, mit Unterstützung der Gewerkschaften, der Verbände und der Unternehmer können wir die Schwierigkeiten dieser Jahre meistern. Aber wir sollten es so frei, so freiwillig und so gemeinschaftlich wie nur eben möglich tun. Bei allem aber hat die Sache den Vorrang. Ich würde es bedauern, wenn wir zur letzten Möglichkeit greifen müßten, aber ich würde nicht zögern, es zu tun.
Ich bitte das Hohe Haus, die Bundesregierung bei ihren Bemühungen zu unterstützen und auch mitzuhelfen, den besorgten Menschen das Gefühl der Sicherheit zu geben; denn Angst ist ein schlechter Weggenosse. Nur wer zuversichtlich ist, zuversichtlich in die eigene Kraft und in die Kraft der Solidarität, kann eine so schwere Aufgabe wie diese meistern.
({4})
Wir unterbrechen hier die Energiedebatte. Um 15 Uhr wird eine Regierungserklärung zu der Frage des europäischen Getreidepreises abgegeben. Es ist vorgesehen, daß die Fraktionen dazu ihrerseits Erklärungen abgeben. Sodann wird die Beratung des Tagesordnungspunktes 3, die Energiedebatte, fortgesetzt. Dazu werden zunächst der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und der Herr Bayerische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, sodann die Herren Abgeordneten Arendt und Dr. Philipp sprechen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
({0})
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über die von der Bundesregierung beschlossene Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({1}) - Drucksachen IV/2732, IV/2785 -. Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen habe ich nach eingehender sachlicher Vorbereitung im Bundeskabinett eine Entscheidung getroffen, die nicht nur für unsere Agrarpolitik und damit für unsere Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Unsere Maßnahme hat die Festigung der europäischen Zusammenarbeit und damit die Straffung der Europapolitik überhaupt zum Ziele. Die Bundesregierung legt Wert darauf, das Hohe Haus zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.
Ich habe die deutsche Delegation angewiesen, in den Brüsseler Verhandlungen der Harmonisierung der Getreidepreise in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 1. Juli 1967 an grundsätzlich zuzustimmen. Dabei hat die Bundesregierung in enger Fühlungnahme mit dein Koalitionsfraktionen gehandelt. Überdies lag mir daran, diese Entscheidung nicht gegen, sondern mit der deutschen Landwirtschaft zu treffen.
Die Entscheidung ist nach sorgfältiger Abwägung aller damit zusammenhängenden Fragen und nach Prüfung der sich daraus ergebenden Folgen getroffen worden. Ich war und bin der Überzeugung, daß
Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard
der derzeitige deutsche Getreidepreis unter Berücksichtigung der Produktions- und Kostenbedingungen nicht überhöht ist. Auch hielt ich es im Frühjahr dieses Jahres für untunlich, bereits für spätere Jahre den Zeitpunkt für eine Preissenkung anzugeben und festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen die Bundesregeirung bereit sein könnte, in dieser Frage andere Vereinbarungen zu treffen.
Nachdem der Zeitpunkt einer Angleichung bislang bewußt offengehalten wurde, war nunmehr eine Entscheidung notwendig und möglich. Wie Sie wissen, hat sich im Verlauf der letzten acht Monate immer deutlicher gezeigt, daß die Getreidepreisfrage zum Schlüsselproblem für jeden weiteren Fortschritt der europäischen Integration geworden ist. Zwar hat die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in ,den letzten Jahren nicht nur im gewerblichen Sektor ,eine Beschleunigung erfahren. Auch im Agrarbereich ist bereits für etwa 85 % der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Form von Marktordnungen ein einheitliches Instrumentarium geschaffen worden. Diese Regelungen stellen jedoch nur den Rahmen dar, der seinen agrarpolitischen Inhalt erst durch eine gemeinsame Preispolitik erhält. Entscheidende Grundlage dieser Preispolitik ist aber ohne jeden Zweifel der Getreidepreis. Diese Frage mußte von uns im richtigen Augenblick aufgegriffen werden,
({0})
um den Fortschritt in allen übrigen Bereichen der wirtschaftlichen und politischen europäischen Zusammenarbeit zu ermöglichen. Dieser Schritt sollte außerdem auch die neue deutsche Europa-Initiative unterstützen.
Deshalb habe ich es für richtig gehalten, der vorzeitigen Verwirklichung eines gemeinsamen Getreidepreises unter gewissen Voraussetzungen und Erwartungen nunmehr zuzustimmen.
Ich weiß, daß dieser Schritt die deutsche Landwirtschaft vor sehr schwerwiegende Probleme stellt und daß es zunächst so scheinen mag, als ob diese Entscheidung dem deutschen Volk nur zusätzliche Lasten aufbürden würde. Diese einseitige Rechnung geht indessen nicht auf. Wir beschreiten diesen Weg in der Absicht, einen Durchbruch für Europa zu erzielen.
({1})
Diese Politik soll auch ein weiterer wesentlicher Beitrag zur Festigung und Vertiefung des deutschfranzösischen Verhältnisses sein.
({2})
Die deutsch-französische Freundschaft lebt. Auch der französische Staatspräsident hat das in seiner Straßburger Rede mit eindringlichen Worten neuerdings bekräftigt. Gewiß sind nirgendwo in der Welt die nationalen Interessen zweier Völker ohne weiteres kongruent. Demzufolge bleibt eine gemeinsame Politik auch immer wieder Belastungen ausgesetzt, an denen sich aber gerade die Freundschaft zu bewähren hat. Ich weiß, daß auch unsere französischen
Freunde den Blick auf das große gemeinsame Ziel gerichtet halten. Das alte Europa ist nicht untergegangen. Wenn es einig ist, wird es vielmehr eine Renaissance erleben. Dann wird vergessen sein, daß es nach dem Zusammenbruch so scheinen mochte, Europa, das der Welt so viel gegeben hat, sei verloren. Wir danken es unseren amerikanischen Freunden, daß sie uns damals in großer Not die Hand zur Rettung gereicht haben.
({3})
Ich wiederhole es: Europa lebt. Und das gerade heißt und bedeutet, daß wir die Vollendung als einen Auftrag erkennen, der den Nationen Größe und Entschlossenheit für das Werk abverlangt.
Zu den anstehenden Problemen ist es kaum erforderlich, die einschneidenden Wandlungen zu erörtern und zu begründen, denen sich die deutsche Landwirtschaft gegenübersieht. Die Dynamik der Technik stellte und stellt an unsere Bauern außergewöhnliche Anforderungen, die alle traditionellen Vorstellungen sprengen mußten. Die Vollbeschäftigung hat darüber hinaus die Arbeitsverhältnisse auf dem Lande von Grund auf verändert. Im Gemeinsamen Markt sieht sich die deutsche Landwirtschaft beim Absatz ihrer Erzeugnisse vor neue Aufgaben und noch unbekannte Probleme gestellt. Diese Situation verlangt nach einer Neuorientierung der Absatzpolitik und der Absatzorganisation.
Das alles bedingt tiefgreifende Umstrukturierungen, die auch die Lebensverhältnisse der bäuerlichen Bevölkerung berühren werden. Die großen Anstrengungen der Landwirtschaft, die sie bereits in den vergangenen Jahren unternehmen mußte, um mit dieser Entwicklung fertig zu werden, verdienen volle Anerkennung. Der Grüne Bericht der Bundesregierung hat darüber alljährlich Auskunft gegeben. Es ist auch nicht erforderlich, die Anstrengungen des Bundes und der Länder zu betonen, die unternommen wurden und werden, um der Landwirtschaft die schwierige Umstellung zu erleichtern. Die Bundesregierung hat diese Aufgabe zu jeder Zeit sehr ernst genommen.
Trotzdem kann die Anpassung der Landwirtschaft an die veränderten Verhältnisse noch keineswegs als abgeschlossen gelten. Um so schwerer wiegt der Umstand, daß nunmehr eine Angleichung der europäischen Getreidepreise zum 1. Juli 1967 eine Beschleunigung dieses Prozesses erzwingt. Die Landwirtschaft wird dadurch nicht nur von einer immer fühlbareren Erlösminderung betroffen werden, es stehen ihr zudem zweieinhalb Jahre weniger zur Verfügung, um die Umstrukturierung und Rationalisierung so weit voranzutreiben, daß sie für den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt voll gerüstet ist, d. h. also, daß die Halbierung der verbleibenden Übergangszeit die deutsche Landwirtschaft vor zusätzliche Schwierigkeiten stellt, die sie ohne staatliche Hilfe nicht bewältigen kann. Die Bundesregierung war sich von Anfang an dessen bewußt, daß bei einer Vorverlegung der Angleichung der EWGGetreidepreise die deutsche Landwirtschaft unseres Beistandes bedarf.
Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard
Die Bundesregierung vertritt ferner mit den Organisationen der Landwirtschaft die Auffassung, daß dieser Angleichung des deutschen Getreidepreises im Europäischen Markt die Beiseitigung von Wettbewerbsverzerrungen vorauszugehen hat.
Die Position unserer Landwirtschaft innerhalb der deutschen Volkswirtschaft und im Gemeinsamen Markt der sechs Länder muß folglich im wohlverstandenen Gemeininteresse gefestigt und gesichert werden. Ein Niedergang der Landwirtschaft und ein Verfall unserer Dörfer würden auch der gewerblichen Wirtschaft, und nicht nur der auf dem Land ansässigen, zum Schaden gereichen.
({4})
Diese Einsicht erfordert die Fortsetzung einer Agrarpolitik, die die bäuerliche Bevölkerung in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Existenzgrundlage festigt und ihr die Möglichkeit gibt, sich den Bedingungen des Gemeinsamen Marktes anzupassen.
Die Bundesregierung fühlt sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der deutschen Landwirtschaft ein Ausgleich für die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen in der EWG hinsichtlich der Kosten, Lasten und Sozialleistungen gewährt wird, solange deren Harmonisierung noch nicht auf andere Weise hergestellt ist.
Demzufolge wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag in Übereinstimmung mit den Koalitionsfraktionen bereits für 1965 ein Anpassungsprogramm in Höhe von 840 Millionen DM vorlegen, das insbesondere zur Verstärkung der Investitionen Mittel in Höhe von 380 Millionen DM und weitere Mittel zur Mehrung der sozialen Sicherheit gerade auch der kleineren und mittleren Betriebe im Ausmaß von 300 Millionen DM vorsieht. Dieses Programm wird fortgeführt und ab 1966 durch eine weitere Hilfe in Höhe von 260 Millionen DM vor allem für die Verbesserung der Marktstruktur und der Markttechnik auf 1,1 Milliarden DM aufgestockt werden.
Mit diesem Programm bringt die Bundesregierung ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, der Landwirtschaft in den noch verbleibenden Jahren des Übergangs so weit und so wirksam zu helfen, daß sie zum Beginn des gemeinsamen Agrarmarktes allen Aufgaben und Anforderungen vollgewachsen und in der Lage ist, auch für sich die Chancen eines umfassenderen Marktes wahrzunehmen.
Mit ihrer Entscheidung weiß sich die Bundesregierung einig mit der überwältigenden Mehrheit des Deutschen Bundestages, auch wenn damit Opfer verbunden 'sind, Opfer, die wir für den Fortschritt der europäischen Sache zu bringen bereit sein wollen.
({5})
Die Bundesregierung hofft und erwartet zugleich, daß ihre Maßnahmen den Prozeß der wirtschaftlichen Einigung Europas in seiner Gesamtheit beschleunigen und daß sie einen nachhaltigen Impuls auf die europäische Zusammenarbeit auch in den übrigen politischen Bereichen auslösen. Der Tag, an dem dieses Tor nun aufgestoßen wurde, soll und
kann nach unserer Vorstellung ein bedeutsames Datum in der Geschichte der europäischen Einigung werden.
Wenn es gelingt, die gemeinsame Agrarpolitik bis zum 1. Juli 1967 nahezu vollständig zu verwirklichen, wenn zum gleichen Zeitpunkt auf dem gewerblichen Sektor die Zollunion durch den Abbau der Zollgrenzen und die Anwendung des gemeinsamen Zolltarifs vollendet sein wird und die erforderlichen Beschlüsse über den Fortfall der Steuergrenzen gefaßt sind und dazu noch mit einem erfolgreichen Abschluß der Kennedy-Runde die Außenbeziehungen unserer Gemeinschaft eine feste Grundlage finden, dann kann niemand mehr die politische Bedeutung dieser Entwicklung verkennen.
Wenn aus so weiter Sicht in den kommenden Monaten jedes Mitgliedsland seinen eigenen Beitrag zu leisten gewillt ist und die zu treffenden Entscheidungen von hohem gegenseitigen Verständnis und gemeinsamer Verantwortung getragen sind, dann wird die drohende Stagnation in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft endgültig überwunden sein, dann wird sich auch für jedermann deutlich erkennbar zeigen, welche vorwärtsstrebende Kraft und Stärke dieser Gemeinschaft zum Nutzen aller innewohnt. Die Bundesregierung ist von der Richtigkeit und Wichtigkeit der Politik der europäischen Einigung zutiefst überzeugt. Nach ihrer Vorstellung sollte die bevorstehende Übereinkunft nicht nur die wirtschaftliche Integration vorantreiben, sondern unseren gemeinsamen Willen stärken, auch die übrigen Bereiche ides politischen Lebens in die Bemühungen um ein immer engeres Zusammenleben der europäischen Völker einzubeziehen.
Ein einiges Europa stärkt zugleich die atlantische Allianz und wird damit zu einem gleichwertigen Partner. Die Bundesregierung hat ihre Vorstellungen zur Neubelebung der europäischen Union in ihren Vorschlägen vom 4. November 1964 entwikkelt. Sie hofft und erwartet, daß ihre europäischen Freunde bei der Prüfung dieser Vorschläge den gleichen Geist der Kooperation bezeugen werden, wie er von deutscher Seite bei der Lösung der Getreidepreisfrage unter Beweis gestellt wurde. Wenn sich die Mitgliedstaaten in der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik und der Kulturpolitik zu enger Zusammenarbeit in einer europäischen politischen Union bereit finden, wird eine wichtige Etappe auf dem Wege zur Einigung und Stärkung Europas erreicht sein. Dieser Erfolg würde auch manchen Verzicht auf die Wahrnehmung nur nationaler Interessen und die für ,das Ganze und das Ziel gebrachten Opfer rechtfertigen.
Es kann hier festgestellt werden - ich hoffe, das Hohe Haus teilt diese Auffassung -, daß diese Entscheidung notwendig und nützlich war, daß 'sie gleichermaßen dem europäischen wie dem deutschen Interesse dient.
({6})
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, die der Herr Bundeskanzler soeben mitgeteilt hat. Wir stimmen ihr zu, und wir beglückwünschen die Bundesregierung zu diesem wesentlichen Schritt.
({0})
Der Fortgang der Einigung Europas auf der Grundlage der deutsch-französischen Freundschaft, der Ausbau der atlantischen Gemeinschaft, kurzum, die gesamte Stärkung der westlichen Welt drohten eine unerwünschte und gefährliche Entwicklung zu nehmen für den Fall, daß der Ausbau des gemeinsamen europäischen Marktes nicht zügig voranschreitet.
Die Politik der Bundesregierung bedeutet, daß die deutsche Seite - zu Opfern bereit und entschlossen - alles in ihren Kräften Stehende tut, damit Europa und seine Einigung weiter voranschreiten können. Die Haltung der Bundesregierung bedeutet ein Opfer. Wir sind dankbar, daß es gelang, in dieser schwierigen Frage durch konstruktive Gespräche Verständnis bei den Beteiligten und schließlich deren Zustimmung zu erzielen. Die deutschen Bauern haben damit ihre gute Gesinnung und ihren europäischen Geist erneut unter Beweis gestellt.
({1})
- Bezweifeln Sie das?
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung der Bundesregierung gewinnen die deutschen Vorschläge zur weiteren politischen und ökonomischen Vereinigung Europas einen besonderen Rang. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU erklärt erneut und in aller Form, daß sie diesen Vorschlägen zustimmt, und appelliert an die Partner der Gemeinschaft, diese Vorschläge mit allem Ernst zu prüfen und auf sie einzugehen. Wir brauchen einen „europäischen Frühling", wir brauchen die Stärkung Europas und der atlantischen Gemeinschaft.
({2})
Die Bundesnegierung hat aus diesem Geiste gehandelt und eine schwere Frage, allen Unkenrufen zum Trotz, zügig gelöst.
Meine Damen und meine Herren, ich glaube, es ist eine sehr, sehr ernste Frage, über die wir hier diskutieren. Daß Sie angefangen haben, meine Damen und meine Herren, ein bißchen Heiterkeit in den Saal zu bringen nach dem Satz, in dem ich den Dank an die deutschen Bauern aussprach, wird wohl das Protokoll festgehalten haben.
({3})
Die nun mögliche weitere Einigung Europas wird auch die Europäer im unfreien Teil unseres Kontinents erneut mit Hoffnung erfüllen. Sie wird zugleich - und auch das haben wir bei diesen Fragen zu prüfen - den Kommunisten zeigen, daß ihre Rechnung nicht aufgeht. Aus freiwilliger Einsicht finden sich hier Nationen in Fragen zusammen, die
bisher als absolute Reservate nationalstaatlicher Politik galten.
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU ist bereit, die finanziellen Zusagen der Bundesregierung, die in diesem Zusammenhang unerläßlich waren, zu realisieren. Das wird schon bei der Verabschiedung des Haushalts 1965 in einigen Wochen geschehen.
Die deutsche Landwirtschaft hat Anspruch auf zusätzliche Leistungen, einmal wegen ihrer Lage insgesamt, zum zweiten wegen ,der zu erwartenden Einnahmeminderung durch die Senkung des Getreidepreises und zum dritten im Hinblick auf unsere landwirtschaftliche Strukturpolitik.
Unsere Politik war so angelegt, daß bis 1970 die deutschen Bauern in den Stand gesetzt sein sollten, sich im Wettbewerb des Gemeinsamen Markts gut behaupten zu können. Nachdem der Zeitpunkt hierfür vorverlegt werden mußte, ist es ein zwingendes Gebot, Mittel schneller und im höheren Umfang bereitzustellen, weil unsere Bauern möglichst wettbewerbsgleiche Voraussetzungen bis zum 1. Juli 1967 haben müssen. Eine von 1970 um drei Jahre vorgezogene Preisangleichung kann von unserer Landwirtschaft nur verkraftet werden, wenn wir zusätzlich helfen.
Die Angleichung des deutschen Getreidepreises im europäischen Markt muß die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen zur Voraussetzung haben. Die deutsche Landwirtschaft muß in die Lage versetzt werden, auf dem gemeinsamen Agrarmarkt der sechs Länder ihre Position festigen zu können. Das erfordert die Fortsetzung einer Agrarpolitik, die die deutsche Landwirtschaft in ihren sozialen und wirtschaftlichen Existenzgrundlagen an die im Gemeinsamen Markt bestehenden Bedingungen anpaßt. Es kommt auf den Ausgleich der für 'die deutsche Landwirtschaft bestehenden Wettbewerbsnachteile bei den Kosten, bei den Lasten und bei den Sozialleistungen in der EWG an, solange deren Harmonisierung nicht auf andere Weise sichergestellt ist.
Wie bisher wird die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU ihre Agrarpolitik an dem Grundsatz der Erhaltung und Förderung des bäuerlichen Familienbetriebs orientieren und alles in ihren Kräften Stehende tun, um diesen wichtigen Zweig der deutschen Volkswirtschaft gesund, lebens- und wettbewerbsfähig zu erhalten. Die 'deutsche Landwirtschaft hat, gestützt auf die Politik der Bundesregierung und dieses Hauses, in einer sich wandelnden Gesellschaft Produktivitätsfortschritte zu verzeichnen, die beweisen, daß sie gewillt und imstande ist, sich auch ökonomisch zu behaupten. Wir werden ihr weiter helfen.
({4})
Zu den Erfahrungen unserer Generation gehört auch die des Hungers. Vor diesem Hintergrund behält auch im wachsenden Europa die heimische landwirtschaftliche Erzeugung ihren mehr als ökonomischen Rang. Wir ermuntern die Bundesregierung, ihre europäische Politik fortzusetzen; denn wir wissen, in dem Maße, in dem wir Europa und die atlantische Gemeinschaft stärken, wächst zugleich unsere Chance, die Einheit aller Deutschen auf der Grundlage der Selbstbestimmung zu erringen.
Es ist gut, daß die Bundesregierung zu gleicher Zeit auf beiden Hauptgebieten der deutschen Politik tätig geworden ist: Der Wiedervereinigung des Vaterlandes und der Einheit Europas. Wir werden Sie, Herr Bundeskanzler, auf diesem Wege gern unterstützen, und ich meine, wir sind gemeinsam auf dem richtigen Wege.
({5})
Besucher der Tribüne dürfen sich an Beifallskundgebungen nicht beteiligen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde darf ich folgende Erklärung abgeben.
Die SPD-Fraktion nimmt für heute die Erklärung des Bundeskanzlers zur Kenntnis. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung in der Frage der gemeinsamen Agrarpolitik unter dem Druck der Ereignisse endlich tätig geworden ist und dabei die Landwirtschaft mit in ihr Gespräch einbezogen hat. Es ist erfreulich, daß sie mit ihren Verhandlungsvorschlägen nunmehr einen Beitrag zur Beendigung der europäischen Krise leistet.
Die Bundesregierung hat die deutsche Landwirtschaft jahrelang über das Unvermeidbare getäuscht.
({0})
Sie hat den deutschen Bauern mit dem Versprechen hinzuhalten versucht, den deutschen Getreidepreis zu halten. Dieses ungute Spiel hat sie nunmehr beenden müssen.
({1})
Mit der Einsicht, daß es notwendig ist, die Landwirtschaft auf den Gemeinsamen Markt vorzubereiten,
kommt die Bundesregierung leider um Jahre zu spät.
({2})
Es wird schwer sein, die Versäumnisse der Vergangenheit wettzumachen.
Die SPD-Fraktion möchte die Erklärung des Bundeskanzlers mit ihren Zielsetzungen und Auswirkungen in allen Einzelheiten gewissenhaft prüfen und wird deshalb erst in der nächsten Woche ausführlich Stellung nehmen.
Die Ausgleichsvorschläge für die deutsche Landwirtschaft erwecken allerdings den Eindruck, daß es sich hier um unausgereifte Verlegenheitsentscheidungen handelt, die den Kern der Probleme nur wenig berühren.
({3})
Offensichtlich hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Zeit wenig Gedanken .auf notwendige
und zeitgerechte Lösungen verwandt. Sie scheint
ihre bisherige Politik der Versprechungen und Wahlgeschenke fortsetzen zu wollen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat in der Aussprache im Deutschen Bundestag vom 19. März 1964 mit Entschiedenheit Rücksichtnahme auf die deutsche Landwirtschaft bei der Harmonisierung der Getreidepreise in der EWG gefordert. Die Verhandlungen zwischen Bundeskanzler und Bauernverbänden haben einen Weg eröffnet, in Brüssel in die Gespräche über die Harmonisierung der Getreidepreise einzutreten. Es ist festzustellen, daß die Bundesrepublik und in ihr die deutsche Landwirtschaft damit Bereitschaft zeigen, im Falle einer Einigung in der EWG in der Frage der Getreidepreise ein echtes Opfer für die politische und wirtschaftliche Einigung Europas zu bringen. Dieses Opfer soll den kommenden Verhandlungen zur Einigung Europas auf Grund der Initiative der Bundesregierung einen neuen und entscheidenden Impuls geben und sollte von den Partnern in der EWG entsprechend gewürdigt werden.
Das Opfer der deutschen Landwirtschaft gebietet auch, gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und Wettbewerbsnachteile in Kosten, Lasten und Steuern sowie etwaige Erlösminderungen dauernd und in voller Höhe auszugleichen. Das muß unbeschadet des Art. 43 Ziffer 3 des EWGVertrages zusammen mit anderen Maßnahmen durch ein deutsches Anpassungsgesetz geschehen, das verhindert, daß die Landwirtschaft in Zukunft in die Rolle eines Bittstellers gedrängt wird.
({0})
Die Bundesrepublik muß in Brüssel mit gleicher Hartnäckigkeit für Fortschritte in der europäischen Entwicklung wie für die um derentwillen der deutschen Landwirtschaft gegebenen Zusagen eintreten. Der Zusammenhang darf nicht gelöst werden.
Die Harmonisierung der Getreidepreise wird keine erkennbare Entlastung für die deutschen Verbraucher bringen. Gerade deshalb muß die Bundesregierung mit aller ihrer Autorität und mit allen ihren Möglichkeiten die Bevölkerung darüber aufklären, daß die gewaltigen finanziellen Lasten, die wir jetzt im Innern auf uns nehmen, nicht ein Geschenk an die deutsche Landwirtschaft, sondern vielmehr die Voraussetzung dafür sind, daß wir trotz des Opfers einer Getreidepreisharmonisierung vor Ende der Übergangszeit in einem gesunden Europa auch eine gesunde deutsche Landwirtschaft erhalten.
({1})
Nicht die Landwirtschaft will öffentliche Hilfe statt eines Preises, der die auch bei ihr ständig ansteigenden Kosten deckt. Die Rücksicht auf die Verbraucher und vor allem der seit Jahren in der europäischen Agrarpolitik eingeschlagene Weg führt
zum jetzigen Vorgehen, das nicht nur in der Landwirtschaft selbst als nachteilig und abträglich empfunden wird. Hier dürfen wir nicht Vorwürfe erheben, sondern wir müssen alle helfen, diese Probleme materiell und geistig zu bewältigen.
Die Freien Demokraten werden den landwirtschaftlichen Familienbetrieben - die aus ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellung nicht wegzudenken sind - bei der Bewältigung ihrer Probleme ihre Unterstützung auch weiterhin ebensowenig versagen wie den lohnintensiven und Dienstleistungsbetrieben vom Kohlenbergbau bis zu Handel, Handwerk, Gewerbe und freien Berufen.
({2})
Wir sind im Begriff, den entscheidenden Schritt in die Richtung weiterer großer Staatssubventionen zu gehen. Die Freien Demokraten stellen mit allem Nachdruck fest, daß sie diesen Weg gesellschaftspolitisch für unglücklich und kaum noch mit unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung vereinbar halten.
({3})
Wir werden in Europa um die Durchsetzung der Grundsätze ringen müssen, denen wir Freiheit und Wohlstand in der Bundesrepublik zu verdanken haben.
Auch wenn wir von längerfristigen Auswirkungen absehen, stehen wir schon jetzt vor schwerwiegenden finanzpolitischen Entscheidungen. Die Freien Demokraten stellen dazu fest, daß die Finanzpolitik, die seit 1961 betrieben worden ist und die als Kernstück der Regierungspolitik anzusehen ist, ohne Einschränkung fortgesetzt werden muß. Der Herr Bundeskanzler hat feste Zusagen gegeben; ihm obliegt es nun auch, zu entscheiden, wie sie ohne Ausweitung des Bundeshaushalts finanziert werden. Er wie vor allem auch der Bundesfinanzminister können der vollen Unterstützung der Freien Demokraten dabei gewiß sein. Bei dem hier zu erwartenden Ringen darum, welche Ausgaben gestrichen werden, welche Aufgaben unerfüllt bleiben müssen, wird vielen erst die Größe des Opfers bewußt werden, das wir der europäischen Einigung zu bringen uns entschlossen haben.
Das alles zeigt, daß im gleichen Atemzug auch die Finanzierung des Gemeinschaft neu gestaltet werden muß. Die höheren inneren Lasten, die die Bundesregierung jetzt im Interesse der europäischen Einigung auf sich nimmt, werden unsere Möglichkeiten in europäischen Finanzfragen begrenzen. Eine Überprüfung der bestehenden Bestimmungen muß eine endgültige Lösung nach Art. 201 des EWG-Vertrages ergeben, die eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Partnern in der Gemeinschaft herbeiführt; der Zusammenhang darf auch hier nicht übersehen werden.
Unlösbar verknüpft damit und mit der Getreidepreisfrage sind andere Preisfragen und weitere Probleme der Agrarpolitik; sie müssen gemeinsam gelöst werden. Nur so wird endlich die Gesamtkonzeption einer europäischen Agrarpolitik sichtbar werden, auf die sich die Bundesregierung und die deutschen Landwirtschaft einstellen können. Gewiß
werden dabei insbesondere auch Staatspläne zu einer immer erhöhten Produktion der Partnerländer einer kritischen Würdigung unterzogen werden müssen, was der Vorsitzende der Liberalen Fraktion im Europäischen Parlament schon vor über Jahresfrist gefordert hat. Es geht hierbei um die lebenswichtige Frage, ob der EWG-Agrarmarkt nur über den Preis gesteuert werden soll oder ob nicht auch Mengenregelungen erforderlich sind, und im Zusammenhang damit um die Frage des Verhältnisses der EWG zu den dritten Ländern, also um die wahre Schicksalsfrage der Gemeinschaft.
Das muß um so deutlicher gesehen werden, als aller Wahrscheinlichkeit nach für die Durchführung der Kennedy-Runde, die von der Entwicklung der EWG-Agrarpolitik nicht getrennt werden darf, die Frage der Mengenregelungen weit wichtiger werden wird als die Preisfrage. Die Bundesregierung wird dabei auch nicht übersehen, daß zwei Drittel unseres Exportes, der nicht nur für uns, sondern auch für die EWG als Ganzes gleich wichtig ist, in die dritten Länder außerhalb der Gemeinschaft geht.
All dies zeigt, daß man nicht einzelne Probleme isoliert herausgreifen darf. Fragen des Wegfalls der Steuergrenzen sind nicht weniger wichtig als die Fragen der parlamentarischen Kontrolle, der gemeinsamen Konjunktur- und Wirtschaftspolitik und schließlich die Frage der politischen Einigung überhaupt. Die gemeinschaftliche Entwicklung Europas hängt gerade von einem Gleichgewicht in der Behandlung und Lösung dieser Fragen ab.
In diesem Rahmen muß für die Agrarpolitik folgendes gelten:
Der derzeitige deutsche Getreidepreis ist unter Berücksichtigung der Produktions- und Kostenverhältnisse nicht überhöht. Ziel müßte daher sein, ein europäisches Getreidepreisniveau herzustellen, das der deutschen Kostenlage entspricht. Gelingt das nicht, muß ein voller und dauernder Ausgleich gewährleistet werden. Auf die Dauer kann eine europäische Agrarpolitik nur dann erörtert und zielstrebig betrieben werden, wenn die Landwirtschaft kostenechte Preise erhält.
({4})
Gesellschaftspolitisch bedenklich wäre ein Einkommensausgleich durch Sozialsubventionen.
({5})
Die Harmonisierung des europäischen Getreidepreises verlangt folgendes:
1. Bei der Festsetzung des europäischen Getreidepreises muß eine Revisionsklausel die Kaufkraftentwicklung berücksichtigen.
2. Die Relation zwischen den Erzeugerpreisen für Brot- und Futtergetreide muß unverändert bei 100 : 85 verbleiben.
3. Der Getreidepreis muß in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden. Dabei muß ein besonderer Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitätsweizen sichergestellt werden.
4. Auch bei der Festlegung der Preise für die tierischen Veredelungsprodukte sowie Zuckerrüben und Ölsaaten sind die Kriterien, welche maßgeblich die Kosten des Getreidepreises bestimmen, zu berücksichtigen.
5. Bei der Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarktes dürfen marktferne landwirtschaftliche Erzeugungsgebiete nicht benachteiligt werden. Dabei ist insbesondere die schwierige Situation in den Zonenrandgebieten und in den benachteiligten Mittelgebirgs- und Bergbauerngebieten zu berücksichtigen.
6. Die Freien Demokraten fordern eine verpflichtendere Gestaltung des Landwirtschaftsgesetzes; dazu liegt ein FDP-Antrag vor.
7. Die Freien Demokraten fordern ferner ein EWG-Anpassungsgesetz für die deutsche Landwirtschaft mit folgenden Zielsetzungen: a) ein langfristiges Investitionsförderungsprogramm mit Zinssätzen, die entsprechend der Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft tragbar sind - hierzu gehört als vordringliche Maßnahme die Konsolidierung der Altschulden -, b) Verbesserung der landwirtschaftlichen Qualitätsproduktion und Absatzsicherung, c) ein langfristiges Strukturprogramm, welches sicherstellt, daß die landwirtschaftliche Produktion durch leistungsfähige Familienbetriebe auch für die Zukunft gesichert wird.
8. Die Freien Demokraten fordern außerdem eine gesetzliche Regelung zur Förderung der bäuerlichen I Veredelungswirtschaft und zur Vermeidung einer Überproduktion an Veredelungserzeugnissen als Folge eines harmonisierten Getreidepreises.
9. Die vorgenannten gesetzlichen Maßnahmen müssen, wie es für andere Länder bereits geschehen ist, als EWG-konform durch die EWG anerkannt werden.
({6})
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß wir hier abbrechen und die Aussprache in der nächsten Woche weiterführen. - Das Haus ist einverstanden.
Wir kehren zurück zu Tagungsordnungspunkt 3, Energiedebatte. Das Wort hat der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
({0})
- Darf ich um Ruhe bitten.
Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, hat sich der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen gestern in einer ganztägigen Sondersitzung mit den Problemen der Steinkohle, die zu über 90% im Lande- NordrheinWestfalen beheimatet ist, befaßt.
({1})
Darf ich meine Bitte wiederholen, unserem verehrten Gast volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Nach der heutigen Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers in diesem Hohen Hause ist es zunächst meine Pflicht, ihm und der gesamten Bundesregierung Dank zu sagen
({0})
für die Maßnahmen, welche die Bundesregierung nunmehr zugunsten des deutschen Steinkohlenbergbaues beschlossen hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu meiner besonderen Freude in seiner Erklärung auf die Entschließung hingewiesen, welche der Landtag von Nordrhein-Westfalen in der gestrigen Sondersitzung als Ergebnis seiner Energiedebatte auf Antrag aller Fraktionen einstimmig gefaßt hat. In dieser Entschließung forderte der Landtag von Nordrhein-Westfalen erstens eine Verordnung zur Lizenzierung der Mineralöleinfuhren gemäß § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes, zweitens den Erlaß eines Gesetzes zur Begründung einer Anmeldepflicht für den Bau von Raffinerien und Rohrleitungen, drittens die Änderung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes zugunsten der von Stillegungen betroffenen Bergleute und viertens eine Regelung des schwerwiegenden Bergschädenproblems.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der heute diese Entschließung des Landtags von Nordrhein-Westfalen ausdrücklich begrüßt hat, hat im Einvernehmen mit der Bundesregierung erklärt, daß die in seinen Geschäftsbereich fallenden Forderungen des Landtags Nordrhein-Westfalen - nämlich zu 1 und 2, also die Verordnung gemäß § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes und der Erlaß eines Gesetzes zur Begründung einer Anmeldepflicht für den Bau von Raffinerien und Rohrleitungen - erfüllt werden. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich danke Ihnen dafür.
Bei der weiterhin vom Landtag von Nordrhein-Westfalen erhobenen Forderung nach Änderung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes handelt es sich um eine bedeutsame Maßnahme zum Schutze der von Zechenstillegungen betroffenen Bergarbeiter und ihrer Familien. Das Bergarbeiterwohnungsbaugesetz ist einmal zum Schutze der Bergarbeiter und ihrer Familien erlassen worden. Unter den veränderten Verhältnissen der heutigen Zeit droht es sich nach dem bekannten Goethe-Wort „Gesetz wird Unsinn, Wohltat Plage" in sein Gegenteil zu verkehren. Aber es darf nicht sein, daß das, was einmal zum Schutze des Bergarbeiters von diesem Hohen Hause beschlossen worden ist, sich nunmehr gewissermaßen als eine Strafe gegen ihn wendet. Deswegen ist es nach Auffassung der Landesregierung und des Landtags von Nordrhein-Westfalen notwendig, sicherzustellen, daß dem Bergmann, der durch die Stillegung seiner Zeche den Arbeitsplatz aufgeben muß, nicht auch noch sein Wohnrecht auf Grund des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes genommen wird.
({1})
Ministerpräsident Dr. Meyers
Daß diese Bergarbeiter, wenn sie wollen, in ihren Wohnungen verbleiben können, ist eine grundlegende Voraussetzung für alle strukturellen, sozialen und kulturellen Maßnahmen, die wir im Ruhrgebiet durchführen und durchführen werden.
Wir haben hier bereits Verständnis beim Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung gefunden. Er hat der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zugesagt, alsbald eine entsprechende Novelle zum Bergarbeiterwohnungsbaugesetz dem Bundesrat und diesem Hohen Hause zur Beschlußfassung zuzuleiten.
Im übrigen - und das betrifft die vierte Forderung des Landtags - sind wir mit der Bundesregierung in Verhandlungen eingetreten, um das Bergschädenproblem gemeinsam zu lösen.
Die Bundesregierung hat damit den Wünschen entsprochen, die Landtag und Landesregierung von Nordrhein-Westfalen - einstimmig, wie ich nochmals betonen möchte, über alle Parteien hinweg - im Interesse der Gesunderhaltung unseres Steinkohlenbergbaus und damit einer gesicherten und billigen Energieversorgung der Bundesrepublik erhoben haben. Es liegt nunmehr an Ihnen, den Mitgliedern dieses Hohen Hauses, die zu erwartenden Vorlagen der Bundesregierung sobald als möglich. zu verabschieden.
Unsere Bitte geht dahin: Geben auch Sie uns Ihre Hilfe, meine Damen und Herren, damit es uns gemeinsam gelingt, eine ernste Gefahr für die gesamte Bundesrepublik abzuwenden. Nur so können wir im Interesse unseres ganzen Volkes sicherstellen, daß auch in Zukunft das Ruhrgebiet das große zusammenhängende, moderne, aber auch befriedete industrielle Herzstück Europas bleibt.
({2})
Das Wort hat der Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr des Freistaates Bayern.
Dr. Schedl, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Burgbacher hat mit Genugtuung und Dankbarkeit - wie er sich in seinem Vortrag heute vormittag ausgedrückt hat - zur Kenntnis genommen, daß auch ein Sprecher eines revierfernen Landes die Erklärung abgegeben hat, daß die Sorgen der Kohle unser aller Sorgen sind.
({0})
Ich darf diese Erklärung in aller Form wiederholen und darf hinzufügen, daß das nicht nur meine persönliche Auffassung ist, sondern die Auffassung der Regierung des Landes, die zu vertreten ich die Ehre habe.
Aber nicht, um das zusagen, stehe ich hier vor Ihnen, meine Damen und Herren. Ich glaube, ,es ist notwendig, zu den Vorschlägen, die heute der Herr Bundeswirtschaftsminister gemacht hat, noch ein paar Anmerkungen anzufügen.
Zunächst bin ich durchaus nicht sicher, daß restriktive Maßnahmen allein - oder zu einem wesentlichen Teil - auf die Dauer gesehen uns das Ziel der Erhaltung eines leistungsstarken marktfähigen deutschen Steinkohlenbergbaus an der Ruhr und an der Saar werden erreichen lassen. Ich habe Verständnis, wenn man zunächst davon ausgeht, .daß die Belastung eines ,der entscheidenden - gegenwärtig, zu dieser Stunde: des entscheidenden - Konkurrenten der deutschen Steinkohle, nämlich des Öls, der Steinkohle Luft schaffen könnte. Es ist nicht verwunderlich, diese Auffassung im Steinkohlenland zu hören, denn im Rhein-Ruhr-Gebiet lagen im vergangenen Jahr 45 % - sogar noch etwas mehr -der Raffineriekapazität in .der Bundesrepublik, liegen in diesem Jahr noch 41 %, und bei 40 % wind .es wohl längere Zeit bleiben.
Um aber zu einer endgültigen Lösung zu kommen, um auf die Dauer von Hunderttausenden von Menschen ,die Sorgen zu nehmen, die bis zur Sorge um das Dach über den Kopf gehen, wie wir eben von Herrn Ministerpräsident Meyers gehört haben, muß man den Menschen die Möglichkeit geben, aus eigener Kraft das, was sie schaffen, auch sinnvoll dem gesamten Volk anzubieten. Diese Möglichkeit kann - zumindest zum Teil - durch einige Maßnahmen geschaffen werden. Ich darf zu drei Punkten noch einmal Stellung nehmen, nicht zuletzt, um Mißverständnisse, die offenbar bereits aufgetreten sind, zu beseitigen.
Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, um der Steinkohle in allen revierfernen Gebieten ihren Absatz zu erhalten, die Frage einer Frachtbasis ernstlich zu diskutieren. Dabei muß man davon ausgehen, daß gepoolte Frachten absolut nichts Neues sind; sie wären auch für die Kohle nicht absolut neu. Es gibt sie auch in anderen Bereichen, und dort wird, wie mir scheint, dieses Verfahren mit Vorteil angewandt; ich denke an die Zementindustrie, um ein Beispiel zu nennen, ich denke an Stahl und Eisen, um ein zweites zu nennen. Wenn man das weiß, sollte man sich nicht von vornherein auf den Standpunkt stellen, daß das hier nicht möglich oder nicht sinnvoll wäre.
Weiter muß man davon ausgehen, daß in den Genuß eines Frachtenausgleichs nur .die über die Eisenbahn versandte Kohle kommen sollte; denn über große Entfernungen Massengüter auf der Straße zu verschicken, scheint mir nicht unbedingt im gesamtwirtschaftlichen Interesse zu liegen, und Transporte über kurze Strecken können unter keinen Umständen noch in den Genuß eines Frachtenausgleichs kommen. Die Tarife im Wasserstraßenverkehr sind eine andere Frage; sie stehen hier nicht zur Diskussion.
Wenn wir also die Anwendung einer Frachtenbasis auf jenen Anteil der Kohleförderung beschränken, der über die Schiene abgesetzt wird, dann wird nach den Zahlen des Jahres 1963 das Volumen auf nicht ganz 42 Millionen Tonnen eingeengt. Davon könnte nach einer überschlägigen Berechnung etwa die Hälfte - vielleicht etwas weniger, vielleicht etwas mehr - in den Genuß dieser Maßnahmen kommen, durch die der Markt für die Kohle im Nor7308
Staatsminister Dr. Schedl
den wie im Süden und im Südwesten gefestigt würde und durch die dort eine Stärkung der Stellung der Kohle auf dem Markt, insbesondere auch gegenüber den anderen Wettbewerbern im Energiebereich, zu erzielen wäre.
Die zweite Frage, die Verstromung der Kohle, hat, wie mir scheint, bereits einen wesentlichen Anstoß dadurch bekommen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister das Versprechen abgegeben hat, daß Kohlenstrom oder die Kohle, die verstromt wird, steuerlich begünstigt würde. Ich begrüße das sehr, möchte aber hinzufügen, daß diese Maßnahme allein nicht ausreicht, um Kohlenstrom zu annähernd gleichen Bedingungen in allen Teilen der Bundesrepublik auf den Markt und damit an den Verbraucher bringen zu können.
Ich halte gerade diese Maßnahme, Herr Bundeswirtschaftsminister, für außerordentlich wichtig, weil ja, wenn Restriktionen auf dem Markt wirksam werden, automatisch die Preise anziehen müssen, und darüber wird sicherlich nicht nur auf der einen Seite Freude herrschen. Ich bin sicher, daß das Öl sehr gern davon Kenntnis nimmt, daß der Markt eingeengt wird, denn das wird sich auf die beteiligten Gesellschaften, ganz gleich, ob sie reinblütige oder nicht mehr reinblütige Ölgesellschaften sind, vom Ertrag her gesehen kaum nachteilig auswirken. Um so notwendiger wird es sein, daß man durch diese Maßnahmen, und zwar die steuerliche Maßnahme verbunden mit einer besonderen Maßnahme zur Verbilligung der Frachten - denn darum geht es entscheidend -, die Bäume, die Preisbäume auf der anderen Seite nicht in den Himmel wachsen läßt.
Es wäre auch zu überlegen, ob nicht beim Neubau von Kraftwerken auf Steinkohlebasis die durch die besonderen, spezifischen Einrichtungen für die Verstromung der Steinkohle notwendigen zusätzlichen Investitionen etwa aus Mitteln des Heizölsteueraufkommens schmackhafter gemacht werden sollen, um insgesamt - und hier sehe ich eine reale Möglichkeit - dem Ölstrom durch den Kohlenstrom über den Preis eine ernste Konkurrenz zu machen. Ich bin sicher, daß es hier Wege gibt, die zu einem beachtlichen Erfolg führen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch noch einmal betonen, daß diese Maßnahmen wahrscheinlich auf die Dauer nicht ausreichen. Infolgedessen sollten zur Marktsicherung für die Kohle und damit in erster Linie zur Sicherung der Existenz und der Ruhe derer, die im Kohlenbergbau beschäftigt sind, auch solche Maßnahmen ergriffen werden, die eine dauerhafte Lösung versprechen.
Der beschleunigte Bau der Großschiffahrtsstraße würde den Markt der Kohle nicht nur im Süddeutschen Raum, sondern auch im europäischen Südostraum beeinflussen, und zwar entscheidend. Ich füge hinzu, daß diese meine Auffassung auch von den Ländern geteilt wird, die vom Kohlenproblem primär betroffen sind.
Es gäbe noch sehr viel zur Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes zu sagen. Es gäbe noch viel zu sagen zu dem angekündigten Gesetz über die Anmeldepflicht für den Bau von Pipelines
und Raffinerien und zu der damit verbundenen Möglichkeit des Verzögerns des Baubeginns. Ich darf nur daran erinnern - es ist Ihnen sicher bekannt, aber auch an Bekanntes sollte man sich gelegentlich bewußt und nicht nur zufällig erinnern-, daß im Jahr 1963 etwa 60 % des in der Bundesrepublik verbrauchten leichten Heizöls Importware Beweisen sind und nicht aus der Inlandsproduktion stammen und daß etwas über 20 %, rund 22 %, des schweren Heizöls, also des spezifischen Marktgegners der Kohle, auch aus Importen stammten.
Hieraus muß wohl der Schluß gezogen werden, daß das Hinauszögern des Baues von Raffinationsanlagen durchaus nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann. Das könnte nämlich nur bedeuten, daß in noch größerem Maße ein gewisser Unsicherheitsfaktor in die Versorgung mit Energie auf dieser Basis ins Land getragen wird, insbesondere im Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die die Bundesrepublik im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat. Das wollte ich noch anfügen, aber nicht, um nun auf Umwegen doch noch gegen die Kohle zu sprechen. Es ist meine tiefe Überzeugung, daß das Problem Kohle ein deutsches Problem ist und nur durch Opferbereitschaft und Kooperation gelöst werden kann.
({1})
Das Wort hat der Herr Ministerpräsident des Saarlandes.
Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um mir den Hinweis zu gestatten, daß es außer dem Land Nordrhein-Westfalen - dort zwar zu 90 % -noch in einem anderen Teil unseres deutschen Vaterlandes einen intensiven Steinkohlebergbau gibt, nämlich an der Saar. Dieses Land hat, wie Sie wissen, wegen seiner Kohlevorkommen im Laufe der Geschichte sehr oft seinen Besitzer wechseln müssen. Die Kohle ist in besonderem Maße auch sein Schicksal gewesen und bestimmt es auch heute noch. An der Saar bildet der Bergbau wie kaum irgendwo anders die Grundlage der Existenz der Menschen, die Generationen hindurch den Beruf des Bergmanns mit Stolz ausgeübt haben. Der saarländischen Regierung liegt daher außerordentlich viel daran, daß die Grundlage der Wirtschaft an der Saar erhalten bleibt und daß der Saar-Bergmann mit Vertrauen in die Zukunft schauen kann. In diesem Zusammenhang unterstreiche ich sehr die Ausführungen, die mein Kollege, der Ministerpräsident Dr. Meyers, für das Land Nordrhein-Westfalen von dieser Stelle aus gemacht hat. Auch die saarländische Regierung begrüßt die Maßnahmen, die heute von der Bundesregierung zum Schutz der Steinkohle angekündigt worden sind, und hofft, daß sie bald ausgeführt werden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Klein ({0}). Ich bitte um Entschuldigung, daß ich heute vormittag an Ihre Wortmeldung zunächst nicht gedacht habe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund des Antrages der Koalition hat sich in der Diskussion bis jetzt sehr viel Positives ergeben.
Gestatten Sie mir, daß ich mit einigen wenigen Sätzen doch noch etwas zu dem Problem an sich sage. Allein, daß wir schon mehrmals und heute wieder über diese Frage debattieren, beweist uns, wie schwierig dieses Problem geworden ist. Es ist an der Zeit, daß wir uns darüber klar werden, ob die Kohle für unser Land noch von Bedeutung, ob sie notwendig ist. Jeder vernünftige und klar denkende Mensch wird diese Frage bejahen. Wenn dem aber so ist, dann müssen auch klare Existenzgrundlagen für diesen Wirtschaftszweig geschaffen werden. Es hat keinen Sinn, einen Wirtschaftszweig so dahinvegetieren zu lassen. Zunächst erfolgen notwendige Investitionen, und dann wird man nach einiger Zeit vor die Tatsache gestellt, den Betrieb stillegen zu müssen. Für die Belegschaften ist das von Bedeutung. Wenn es richtig ist, was in den Zeitungen steht, daß die Hibernia 300 Millionen DM innerhalb von 2 bis 3 Jahren investiert hat, jetzt aber auf der Stillegungsliste steht, so muß man sagen: das ist ein Vorgang, der volkswirtschaftlich einfach nicht vertretbar ist, daß aber diese selben Gruben durch eine Zwangslage zu diesen Handlungen gebracht wurden. An diesem einen Beispiel erkennen wir, daß wir klare Verhältnisse schaffen müssen, wenn die gesamtwirtschaftliche Zusammenarbeit, das Ineinanderfügen der einzelnen wirtschaftlichen Leistungen und Werte, Frucht tragen soll.
Herr Professor Burgbacher hat heute morgen angeführt - und ich weiß das aus Zuschriften -, daß draußen sehr häufig gesagt wird, die Stützen, die man dem Bergbau gibt, würden sich zu Lasten des Ölverbrauchers auswirken. Meine Damen und Herren, das ist ein Irrtum. Man sollte froh sein, daß die Kohle als Preisregulator vorhanden ist. Sie ist das Gut, das im Verlauf von Jahren gegenüber allen anderen Wirtschaftsgütern größte Preisstabilität aufzuweisen hat. Wenn dieser Regulator einmal nicht mehr da sein würde, kämen die Ölkonzerne von den Kampfpreisen ab und würden dem Verbraucher sagen, was der wahre Wert des Öles ist. Somit liegt es im Interesse von uns allen, daß hier klare Verhältnisse geschaffen werden.
Eine andere Frage berührt die Belegschaften. Die Belegschaften müssen aus dieser Unsicherheit ebenfalls heraus. Wir müssen uns über kurz oder lang erneut einige Gedanken machen über die Knappschaftsausgleichsleistung, die ja irgendwie mit der Altersgrenze in Zusammenhang steht. Das müssen wir tun, um die Unsicherheiten aus den Belegschaften herauszubringen.
Ich halte es nicht für richtig, zu sagen - wie das geschieht -, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit nichts getan hat. Wer will, kann sich davon überzeugen, daß viele Maßnahmen getroffen wurden und daß sie fruchtbringend waren. Aber heute stehen wir vor einer neuen Lage und neuen Verhältnissen. Neue Lagen erfordern auch neue Maßnahmen. Ich freue mich daher, daß dieser Antrag
vorliegt, dessen Annahme sicherlich helfen wird, daß wir aus dieser Situation herauskommen.
Daß 30 Stillegungsanträge gestellt wurden, ist ein einmaliger Vorgang in der Bergbaugeschichte. Mit Recht sind die Belegschaften auf Grund dieser Vorgänge unruhig geworden und unzufrieden. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß durch diesen Antrag eine neue, bessere Grundlage geschaffen werden soll.
Bei all diesen Überlegungen dürfen Sie nicht vergessen: die Bundesrepublik ist ein ausgesprochenes Kohleland und fördert weit mehr als die Hälfte aller in der Montanunion anfallenden Kohle. Schon allein aus diesem Grunde müssen gerade wir dem Bergbau ein bedeutend größeres Interesse zuwenden als alle übrigen europäischen Länder. Herr Professor Burgbacher hat heute morgen auf die ProKopf-Leistung hingewiesen. Es ist einfach nicht zu verstehen, daß wir mit der höchsten Pro-Kopf-Leistung in ganz Europa nun die ersten sein sollen, die Stillegungen im größten Umfang vornehmen. Deswegen sage ich hier: Wenn Herr Bockelmann, der Chef der BP, in seiner Rede glaubte sagen zu müssen, diese Energiedebatte sei hochgespielt worden, so erwidere ich, meine Damen und Herren, 30 Zechenanlagen braucht man nicht mehr hochzuspielen. Die Zahl der Stillegungsanträge ist so hoch, daß es kaum noch vertretbar ist. Die Menschen haben recht, wenn sie sich hiergegen wehren, so auch der Bergmann.
In Anbetracht dieser neuen Lage müssen wir zu weiteren, neuen Überlegungen kommen. Die Frage muß immer wieder und sehr ernst gestellt werden: Was dient unserer Gesamtwirtschaft am sinnfälligsten? Dient es ihr, wenn die Bundesrepublik sich völlig abhängig macht von außereuropäischer Energieversorgung? - Dies kann nicht richtig sein. All das müssen wir überlegen und daher immer zu neuen Gedanken und neuen Hilfen für den Industriezweig kommen, der es in der Tat verdient hat. Fühlbaren Maßnahmen, so wie sie in diesem Antrag gefordert werden, stimme ich und stimmen wir sicherlich alle gern zu. Fühlbare Maßnahmen sind es meiner Meinung nach, und sie sind unumgänglich, um das anstehende Problem, das uns allen viel Sorge macht, zu lösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In früheren Debatten des Deutschen Bundestages wurde der sozialdemokratischen Fraktion der Vorwurf gemacht, sie brächte Große Anfragen aus purer Bosheit ein, es sei aber unser aller Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß Ruhe eintrete. Sowohl die heutige Debatte hier als auch die gestrige Debatte im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen zeigen, glaube ich, daß einige Probleme im Steinkohlenbergbau und darüber hinaus auf dem Energiemarkt nicht gelöst sind, und das seit sechs Jahren. Selbst wenn man uns glauben machen will, daß alles in Ordnung ist, bleiben doch einige Tatsachen bestehen, die ich
Arendt ({0})
dem Hohen Hause in die Erinnerung zurückrufen möchte.
Die Förderung insgesamt ist um 8 Millionen t reduziert worden, obwohl Zechenschließungen mit einem Förderausfall in der Größenordnung von 17 Millionen t vorgenommen wurden. Die Differenz zwischen den 8 Millionen und den 17 Millionen ist in einer Leistungssteigerung nie gekannten Ausmaßes aufgefangen worden. Die Leistung des einzelnen Mannes ist von 1500 kg auf 2700 kg gestiegen. Es gibt in der Bundesrepublik keinen Wirtschaftszweig, der in der letzten Zeit eine solche Produktivitätszunahme zu verzeichnen gehabt hätte wie der Steinkohlenbergbau. Trotz dieser Tatsache sind 36 Anlagen insgesamt erneut zur Stillegung am 31. Oktober angemeldet worden.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, hier möchte ich gleich ein erläuterndes Wort sagen. Die sozialdemokratische Fraktion hat der Bundesregierung mehr als einmal den Vorwurf gemacht, daß sie zu spät, zu wenig durchgreifend gehandelt, mit einem Wort, daß sie zu wenig wirksame Maßnahmen getroffen habe. Ich möchte meine Skepsis nicht unterdrücken und sage: Ich habe auch jetzt das Gefühl, daß diese Maßnahmen zu spät kommen. Darauf komme ich aber nachher noch zu sprechen.
Meine Damen und Herren, es geht um eine Grundsatzentscheidung. Das hat auch der Bundeswirtschaftsminister betont. Wenn wir bereit sind, in der Bundesrepublik eine bestimmte Fördermenge an Steinkohlen aufrechtzuerhalten, so ergeben sich daraus zwei Konsequenzen. Die eine Konsequenz ist: man muß dann auch dafür sorgen, daß Menschen bereit sind, in die Grube zu fahren und die Kohlen zu fördern. Die andere Konsequenz besteht darin, daß man einmal das näher unter die Lupe nimmt, was der Kollege Burgbacher gesagt hat. Er kam in seinen Ausführungen heute morgen zu dem Ergebnis, daß der deutsche Steinkohlenbergbau auf Grund der geologischen und technischen Bedingungen und Verhältnisse, die niemand verändern kann, im Vergleich zur amerikanischen Kohlenindustrie nicht wettbewerbsfähig ist, erst recht nicht im Vergleich zu anderen Energieerzeugern außerhalb Europas, in Europa und in Deutschland. Wenn die Feststellung richtig ist, daß der Kohlebergbau nicht wettbewerbsfähig ist, dann kann man nicht auf der einen Seite die Fiktion aufrechterhalten, der Bergbau würde sich im freien Wettbewerb gegenüber anderen Energieträgern behaupten können, auf der anderen Seite aber Maßnahmen ankündigen, die angeblich der Sicherheit dieses Wirtschaftszweiges dienen.
Ich möchte hier keine Ausführungen darüber machen - obwohl das sehr wichtig wäre -, was in der nächsten Zeit, was 'im nächsten Jahr, im übernächsten Jahr, im Jahr 1975 und im Jahr 1980 sein soll, sondern ich möchte die Aufmerksamkeit dieses Hohen Hauses auf die jetzige Situation lenken. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß die vielgepriesene Maßnahme der Bundesregierung, nämlich die Bildung eines Rationalisierungsverbandes, dazu geführt hat, daß 36 Schachtanlagen stillgelegt werden
sollen. Darunter befinden sich Schachtanlagen mit einer Leistung von über drei Tonnen pro Mann und Schicht. Ich kann das, was Herr Professor Burgbacher gesagt hat, nur unterstreichen.
Aber eines sollte uns auch zu denken geben. Von den ausländischen Zechengesellschaften hat nur eine einzige Gesellschaft eine Schachtanlage zur Stilllegung angemeldet. Alle anderen ausländischen Gesellschaften haben Abstand davon genommen, Schachtanlagen zur Stillegung anzumelden. Daraus könnte man auch den Schluß ziehen, daß andere europäische Länder, Mitgliedsländer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Situation des Kohlebergbaus und ,die Bedeutung des Bergbaus für die Zukunft anders einschätzen.
Nun ist zwar von § 16 die Rede, 'der einen Mißbrauch ,dieses Gesetzes verhindern 'soll, und der Herr Wirtschaftsminister 'hat ja heute morgen noch einmal bestätigt, daß es nicht zu einer Terminänderung kommt. Ich habe große Zweifel - diese Bemerkung werden Sie mir erlauben, Herr Minister -, ob es bei diesem Termin bleibt, nämlich Beginn der Stillegung am 1. September 1965. Wenn es nicht dabei bleibt, bedeutet das, ,daß wir - wahrscheinlich aus wahltaktischen Gründen - diesen Wust ungelöster Fragen vor uns herschieben. Wir werden uns wieder sprechen, Herr Kollege Burgbacher, werden sehen, ob es nicht dazu kommt.
Die 'Bundesregierung hat heute - und das haben in einem Antrag auch die Koalitionsfraktionen getan - die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes verlangt. Wenn Sie die alten Protokolle nachlesen, werden Sie feststellen, ,daß wir schon im vorigen Jahr sowohl eine Energieeinfuhrstelle als eine mögliche Maßnahme als auch die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes vorgeschlagen haben. Dieser Paragraph des Außenwirtschaftsgesetzes spricht so deutlich und so richtig wie keine andere Bestimmung den gegenwärtigen Zustand auf dem Energiemarkt an.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat nun aber gesagt: „Wir wollen keine Kontingentierung; allenfalls eine Anmeldung, eine Lizenzierung." Das würde doch bedeuten, daß sich am gegenwärtigen Zustand nichts ändert, wenn man nicht bereit ist, wenigstens vorübergehend Kontingentierungen vorzunehmen, um eine Entlastung des Absatzes für Steinkohle und feste Brennstoffe sicherzustellen.
Wenn man das eine will, muß man auch den Mut haben zu sagen, daß sich inzwischen durch diese Ereignisse die Verhältnisse so gestaltet haben, daß man einfach etwas drastischere Maßnahmen ergreifen muß. Wir halten das auch gar nicht für ein Unglück oder für eine Schande, sondern wir meinen, daß man bei einer elastischen und flexiblen Handhabung dieser Möglichkeiten durchaus in der Lage ist, den Bedürfnissen des Marktes Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite aber kann man auch die Verhältnisse im eigenen Land regeln.
In ,diesem Zusammenhang darf ich folgendes noch einmal unterstreichen. Daß der Heizölpreis heute so extrem niedrig ist, hängt auch damit zusammen, daß die Tochtergesellschaften der großen MineralölkonArendt ({1})
zerne zwar das Rohöl bei ihren Muttergesellschaften zu recht hohen Preisen einkaufen, hier in der Bundesrepublik also Verluste machen, die Muttergesellschaften aber Verluste in einer Region ihres Niederlassungsbereichs gegen Gewinne anderswo ausgleichen können.
({2})
Darüber sind sich wohl alle im klaren: wenn dieser Marktkampf beendet wäre - und er wäre spätestens beendet, wenn wir (die Produktionsanlagen für feste Brennstoffe, d. h. die Zechen, geschlossen hätten -, würden auch die deutschen Verbraucher erleben, daß die jetzt so extrem niedrigen Preise gewaltig steigen. Dann ist es aber zu spät, und dann werden wir nicht mehr soviel Möglichkeiten haben, die Probleme durch Anstrengungen im eigenen Land zu regeln.
Ein Aspekt ist bei diesen Auseinandersetzungen zu kurz gekommen. Ich habe ihn vorhin nur angedeutet. Es sei mir erlaubt, hierzu ein paar Bemerkungen zu machen. Wie hoch auch immer die Förderung in .der Bundesrepublik sein soll und was auch immer geschehen soll, um die Leistung noch weiter zu steigern, ob es sich um 280 000, um 300 000 oder um 320 000 Bergleute handelt, man wird bei einer bestimmten Fördermenge Bergleute brauchen, die bereit sind, ihre Arbeitskraft unter diesen erschwerten Bedingungen einzusetzen. Diese Belegschaften werden nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, wenn wir nicht durch Besserung der sozialen und der sonstigen Bedingungen in diesem Wirtschaftszweig dafür sorgen, daß die Bergleute sagen können, sie haben tatsächlich die Spitzenstellung, die ihnen vom Bundeskanzler und von anderen maßgeblichen Politikern zuerkannt wurde. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden wir hier bald eine Mangellage erklären müssen, und dann wird es großer Anstrengungen bedürfen, um die Verhältnisse einigermaßen in die Reihe zu bringen.
({3})
- Oder etwas Ähnliches, ja.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Paradestück der bei solchen Veränderungen auf sozialem Gebiet erforderlichen Maßnahmen sagen. Das hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Antwort auf unsere Anfrage getan, und davon war auch gestern im Landtag die Rede. Ich darf hier einmal diesen Katalog - das ist nämlich wirklich ein Katalog - darstellen, was angeblich alles gezahlt wird. Da wird die Vergütung von Fahr- und Anreisekosten aufgeführt, da ist von Umschulungsbeihilfen und anderen Zuschüssen die Rede, da ist bei Arbeitslosigkeit ein Wartegeld zusätzlich zum Arbeitslosengeld vorgesehen, da sind Übergangsbeihilfen bis zum Anschluß an die Knappschaftsausgleichsleistung vorgesehen, da ist die Möglichkeit der vorzeitigen Invalidisierung, da sind Abfindungsbeträge für den Verlust des Anspruchs auf Deputatkohle und die Aufrechterhaltung der Wohnberechtigung in bestimmten Fällen vorgesehen. - Ich will hier nicht diese Punkte im (einzelnen kritisieren und kommentieren. Ich möchte nur zwei herausgreifen.
Wenn man das so vorliest und erklärt: Hier ist ja alles getan, um die sozialen Bedingungen für jenen Kreis der Belegschaft zu regeln, der durch diese „Rationalisierung im besten Sinne" seinen Arbeitsplatz verliert, dann hört sich das gewaltig an. Man sollte sich aber die Mühe machen, einmal festzustellen, was sich denn an konkreten Zahlen dahinter verbirgt. Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, daß die Abfindung für den Verlust des Anspruchs auf Deputatkohle genau 180 DM beträgt. Die einmalige Zahlung von 180 DM bedeutet also, daß die Ansprüche auf den Bezug von Hausbrandkohle endgültig aufgegeben sind. Was das für den einzelnen bedeutet, der 40 Jahre alt ist und seinen Arbeitsplatz durch die Schließung der Zeche verliert, das kann man, glaube ich, leicht ausrechnen.
Herr Kollege Klein, Sie haben - mit Recht, meine ich - auf das Knappschaftsausgleichsgesetz hingewiesen. Nur wundere ich mich, warum nicht im vorigen Jahr in diesem Hohen Hause, als wir die Gelegenheit hatten, diese Fragen vernünftig und grundsätzlich zu regeln, eine Einigung herbeigeführt werden konnte, um diesen berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen.
({4})
Es ist nicht so, daß jemand, der vor Erreichung des 55. Lebensjahres ausscheidet, Wartegelder erhält. Denn das Knappschaftsausgleichsgesetz sieht ganz eindeutig vor, daß jemand 55 Jahre alt sein und die bekannten Voraussetzungen erfüllt haben muß, wenn er in den Genuß der Knappschaftsausgleichsleistung kommen will. Es gibt im Ruhrgebiet Tausende von Bergleuten, die bei der Stillegungswelle 1959 recht lange von sogenannten Sozialplanzahlungen leben mußten, bis sie das pensionsfähige Alter erreichten. Die Regelung erscheint also bei näherer Betrachtung nicht so generös und epochal, wie es hier teilweise zum Ausdruck kommt.
Dazu könnte man noch eine ganze Menge ausführen. Aber ich will es mit diesen beiden Punkten bewenden lassen. Ich wollte nur zeigen, daß es des Nachdenkens wert ist, ob dieser so große Katalog in der Wirkung und Substanz ausreicht für die Lösung der vielen Probleme, die sich hinter den Zechenschließungen verbergen.
Die Bergleute haben diese Auseinandersetzungen seit sechs Jahren hingenommen, und man hat ihnen mehr als einmal in diesen sechs Jahren gesagt: „Das ist eine vorübergehende Erscheinung. Wir werden alles tun, was nottut." Nötig aber ist, daß die Bergleute wieder Vertrauen zu diesem Arbeitsplatz und zu diesem Wirtschaftszweig bekommen. Wir mögen noch so viele Debatten führen; wenn keine Taten folgen, werden wir dieses verlorengegangene Vertrauen nicht wieder erwecken.
({5})
Schauen Sie sich bitte einmal die Zahlen an. Der Anteil der jüngeren Belegschaftsmitglieder - das werden in einigen Jahren die leistungsfähigen Hauer unter Tage sein - ist von 15 % auf 4 % der Gesamtbelegschaft im Jahre 1964 zurückgegangen.
Arendt ({6})
Ich hatte bei der Begründung unserer Großen Anfrage am 13. November Gelegenheit, auf die Entwicklung im Lehrlingswesen hinzuweisen. Ich möchte in dem Zusammenhang nur noch einmal in die Erinnerung zurückrufen, daß unter solchen Umständen im nächsten oder übernächsten Jahr wahrscheinlich kaum ein Lehrling bereit ist, einen so unsicheren Arbeitsplatz einzunehmen. Das sind aber nicht die einzigen Unsicherheitsfaktoren.
An der Ruhr und in allen anderen Steinkohlengebieten, auch an der Saar und in Süddeutschland, ist eine prekäre Situation entstanden. Der Anspruch der Bergleute auf die Spitzenstellung in der Lohnskala ist mehrfach öffentlich ausgesprochen und anerkannt worden. Diese Spitzenstellung ist aber nicht vorhanden. Die Folge ist, daß die Interessenvertretung der Bergleute, die Gewerkschaften, die Tarife gekündigt haben. Die Tarifverhandlungen sind gescheitert, weil ein Angebot gemacht wurde, welches für die gewerkschaftliche Organisation der Arbeitnehmer unannehmbar war. In allen Bereichen unserer Wirtschaft sind in (der letzten Zeit Lohn- und Gehaltsverhandlungen geführt und neue Tarife abgeschlossen worden. Es ist zu Verbesserungen der Einkommensverhältnisse gekommen. Aber den Bergleuten mutet man zu, auf solche Fortschritte zu verzichten.
Meine Damen und Herren, ich möchte sagen - auch wenn wir es früher des öfteren schon gehört haben, auch als es nicht so war -: Die Lage ist wirklich ernst! Wir sollten gemeinsam versuchen, diese Fragen so zu regeln, daß die Bergleute das Gefühl bekommen, hier geschieht wirklich etwas und hier versucht man nicht, durch langatmige Ausführungen, durch das Aufzählen vieler Maßnahmen, den Eindruck zu erwecken, daß alles in bester Ordnung sei.
Man sollte auch nicht den Fehler machen, wie ihn einige namhafte Politiker - ich möchte keine Namen nennen - gemacht haben, die sagen: Mit der Unruhe ist es gar nicht so schlimm, im Grunde genommen macht die gewerkschaftliche Organisation nur deshalb dieses Theater oder diesen „Theaterdonner", wie sie sagen -, weil sie ihren Mitgliederbestand aufrechterhalten will. Ich glaube nicht, daß die Gewerkschaften ein Parteienersatz sind und Anstrengungen unternehmen müssen, über die 5%Klausel zu kommen. Es kommt vielmehr darauf an, daß die Bergleute, vertreten durch ihre Organisationen, das Gefühl bekommen, daß hier wirklich alles geschieht, um jene Ansprüche zu realisieren, die sie sich durch ihre Arbeit und durch ihr Verhalten in den vergangenen Jahren, insbesondere nach 1945, erworben haben.
({7})
Eins sollte hier, glaube ich, nicht verschwiegen werden, weil es uns als politisches Gremium sehr interessieren muß: Wenn es zu tarifpolitischen Auseinandersetzungen in diesem wichtigen Wirtschaftszweig kommt, wird sich sehr schnell herausstellen, daß diese Auseinandersetzungen nachhaltige Auswirkungen auf die Belegschaftsentwicklung haben werden. Ich sehe schon den Tag kommen, an dem
wir uns in diesem Hause über Maßnahmen werden unterhalten müssen, wie wir ausreichende Belegschaften für den Steinkohlenbergbau zur Aufrechterhaltung einer gewissen Produktion erhalten können.
Ich glaube, wir sollten - nicht aus Überlegungen, wie sie sich durch die Zeitentwicklung ergeben, sondern in der klaren Erkenntnis, daß wir in der Bundesrepublik über Bodenschätze verfügen - die Nutzung unserer Bodenschätze in einem gewissen Umfange aufrechterhalten, um nicht in Importabhängigkeit zu geraten. Wir sollten auch bereit sein, dafür einen gewissen Betrag zur Verfügung zu stellen. Auf lange Sicht ist das billiger als das, was sich aus einer Importabhängigkeit ergeben würde.
({8})
Wenn das anerkannt wird, dann ergeben sich, glaube ich, daraus einige konkrete Maßnahmen. Wir würden meinen, daß dazu auch die Anwendung des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes gehört, aber nicht nur als Drohung oder als Damoklesschwert, sondern in der praktischen Handhabung. Weiter wäre da auch die Frage zu überlegen, ob man nicht eine zentrale Einfuhrstelle schafft. Das Beispiel Frankreichs, das über eine solche Zentralstelle verfügt, zeigt recht deutlich, daß hier die Möglichkeit besteht, gewisse Instrumente, die schon zur Verfügung stehen, so einzusetzen, daß die heimischen Energiequellen geschützt werden. Diese Einfuhrstelle müßte und dürfte - das haben wir auch schon mehrfach gesagt - nicht nur für Rohöl, für Heizöl und für flüssige Energieträger, sondern könnte auch für feste Brennstoffe, für die wir in dem Kohlenzollgesetz eine Regelung. getroffen haben, zuständig sein. Durch das Koordinieren und das Zusammenwirken dieser Kräfte könnten wir zu einer Energiepolitik kommen, die sowohl den Forderungen der Verbraucher nach preisgünstiger Energie Rechnung trägt als auch den Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit - daß wir nicht in eine Importabhängigkeit geraten - berücksichtigt.
Ich möchte die Bundesregierung, insbesondere den Herrn Bundeswirtschaftsminister, auffordern, alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen so einzusetzen, daß endlich die seit sechs Jahren andauernde Krise beendet wird und daß sie nicht in der nächsten Zeit durch weitere Schrumpfungsmaßnahmen zu einem neuen Höhepunkt geführt wird. Ich wäre sehr dankbar, wenn das Hohe Haus diesen Bemühungen den entsprechenden Nachdruck verleihen würde.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Philipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen zu den Ausführungen, die Herr Kurlbaum heute morgen gemacht hat.
Herr Kurlbaum, Sie sagten, die Maßnahmen, die die übrigen Regierungen in der Europäischen GeDr.-Ing. Philipp
meinschaft angewendet hätten, seien eigentlich maßgeblich, und wir sollten uns doch auch mit diesen Dingen befassen.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Erfindung dieser Dinge nicht erst heute erfolgt ist, sondern daß bereits im vergangenen Jahr mein Freund Burgbacher diese Maßnahmen in den einzelnen Ländern Europas einschließlich Englands hier dargelegt hat und daß es den Kollegen bereits damals jederzeit freistand, sie zu studieren.
Ich will damit sagen, Herr Kurlbaum: Sie haben uns da nichts Neues gesagt. Wir kennen selbstverständlich die Maßnahmen, die in den anderen Staaten getroffen worden sind, und sind auch der Meinung, daß es der Überlegung wert ist, inwieweit man sie auf unsere Verhältnisse transponieren kann.
Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, war der: Sie sagten, die Bundesregierung müsse ein Instrumentarium haben. Sie rufen gewissermaßen nach diesem Instrumentarium, sprechen aber keine konkreten Fragen dabei an. Ich kann mich deutlich entsinnen, Herr Kurlbaum, daß es, als wir in den vergangenen Jahren - zuletzt nicht mehr - über den Kohlenzoll und die Heizölsteuer sprachen, gerade Ihre Fraktion war, die da mit sehr viel Zurückhaltung dieses Instrumentarium der Bundesregierung an die Hand zu geben gewillt war.
Ich will weiter darauf hinweisen, daß auch heute, Herr Kurlbaum, die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes von Ihnen nicht ganz klar herausgestellt worden ist. Ich freue mich, daß Herr Arendt das sehr deutlich ansprach. Ich wollte schon darauf hinweisen, daß eigentlich eine gewisse Diskrepanz zwischen den Auffassungen der SPD hier in Bonn und in Düsseldorf sei, weil in Düsseldorf nach der gemeinsamen Erklärung der Fraktionen, die uns heute vorgelesen wurde, die ,SPD-Landtagsfraktion sehr eindeutig die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes gefordert hat.
Nach diesen Vorbemerkungen auch noch zwei Worte zu Herrn Arendt. Herr Arendt, Sie sagten, es sei möglich, daß wir die Frist, die für den Beginn der Stillegungen gesetzlich vorgeschrieben ist, vielleicht verlängern. Halten Sie wirklich die Bundesregierung und die Koalition für so töricht, diese Probleme noch weiter offenzulassen? Das wäre ja gerade das Gegenteil von Wahlgeschenk, wenn man diese Fristen verlängerte; denn man würde die Unruhe in den Revieren noch viel länger aufrechterhalten. - Bitte schön, Herr Arendt!
Herr Philipp, würden Sie mir dann einmal erklären, warum die Frist vom 31. August auf den 31. Oktober bei der Anmeldung verlegt worden ist?
({0})
Sicherlich nicht wegen der Wahlprobleme; denn diese drei Monate
haben sicher auf die Wahl im Oktober/November 1965 nicht d'en geringsten Einfluß.
({0})
- Auch auf 'die Kommunalwahlen hat es sicher keine Auswirkung gehabt. Sie wissen ganz genau, daß die drei Monate bei diesem Problem absolut keine Rolle spielen.
Aber zusammenfassend folgendes: Diese Energiedebatte war gekennzeichnet durch den besonderen Ernst, der der Situation an Rhein, Ruhr und Saar entspricht. Es geht nunmehr meines Erachtens allein darum, dem Bergbau und den im Bergbau tätigen Menschen sowie der Bevölkerung, die mit dem Bergbau wirtschaftspolitisch und sozial verbunden ist, durch sofort wirksame Maßnahmen das Vertrauen und die Zuversicht in die Zukunft wiederzugeben. Ich glaube, das ist das Problem. Ich bin sehr dankbar, daß alle Redner dies heute ganz klar und deutlich herausgestellt haben. Ich bin auch unserem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar, daß er gerade in Beziehung hierauf sehr eindeutig seine Maßnahmen angekündigt hat. Ich glaube, die Durchführung der angekündigten Maßnahmen ist geeignet, das Vertrauen, das die Bergleute und die Bergbauwirtschaft in die Erklärungen der Regierung haben, wiederherzustellen bzw. zu verfestigen. Es geht also heute meines Erachtens, mit einem Wort gesagt, allein darum, daß die allseitig als notwendig erkannte Jahresförderung, die wir gemeinsam immer wieder herausstellen, im Absatz ermöglicht wird. Wie gesagt, um dieses Problem allein geht es und damit gleichzeitig darum, den Bergbau von dem Alpdruck zu befreien, daß man trotz vieler Deklamationen die heimischen Energieträger doch abschreiben will.
Auch insoweit ist sowohl in Bonn als auch in Düsseldorf gestern und heute das eindeutige Bekenntnis evident geworden, und das sollte den Menschen an Rhein und Ruhr zeigen, das man in Bonn und überhaupt von seiten der Politik die Notwendigkeit der angekündigten Maßnahmen ganz klar erkannt hat. Das Gebot der Stunde ist eben, den Schlußstrich unter die Stillegungen zu ziehen. Diese Frage ist es, die die Bergbaureviere in besonderem Maße beschäftigt. Sie ist die schwerste Hypothek, die auf dem Revier lastet. Nur auf der Grundlage eines solchen Schlußstriches ist ein so rigoroser und schmerzlicher Rationalisierungsprozeß überhaupt in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung weitgehend zu vertreten.
Die gestrige Debatte in Düsseldorf hat gezeigt, daß alle dort vertretenen Parteien die Lage sehr ernst und richtig eingeschätzt haben. Sie haben also demzufolge, was meines Erachtens auch eine Besonderheit ist, die Sachlage einstimmig herausgestellt. Auch in unserem Hohen Hause ist heute in vielen Fragen Übereinstimmung erzielt worden. Deswegen sollte heute nicht mehr um, sagen wir, parteipolitische Grundsätze gerungen werden. Alle - alle, sage ich - sind wir uns einig, daß es allein darum geht, der gemeinsamen Erkenntnis der energiepolitischen Notwendigkeiten die Realisierung - um
das Wort von Herrn Arendt zu gebrauchen - die Tat unverzüglich folgen zu lassen.
Wie dringend erforderlich die von der Regierung genannten Maßnahmen sind, geht z. B. aus folgendem eindeutig hervor. Die Raffinerien erzeugten in den ersten neun Monaten des Jahres 1964 22 % mehr Fertigprodukte als in der vergleichbaren Zeit des Vorjahres. Ein besonders großer Sprung hierbei war beim Heizöl festzustellen. Es wurde nämlich gegenüber dem Vorjahr um 55% mehr leichtes Heizöl und um 27 % mehr schweres Heizöl abgesetzt. Die stürmische Aufwärtsentwicklung der Raffinerieproduktion ist also bei uns weiterhin ungebrochen. Gleichzeitig aber blieben die Heizöleinfuhren entgegen der Voraussage der Mineralölwirtschaft in alter Höhe bestehen. Kein Wirtschaftszweig hat sich seit Jahren derartige Zuwachsraten leisten können. Das ist überhaupt nur mit dem verlustreichen Verdrängungswettbewerb erklärbar. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, sprechen für sich.
Es bleibt meines Erachtens nur noch übrig, Sie zu bitten, die von den Fraktionen der FDP und der CDU/CSU vorgelegte Entschließung anzunehmen. Ich bitte gleichzeitig um die Überweisung der übrigen Anträge an die entsprechenden Ausschüsse.
Im übrigen darf ich mich ganz kurz fassen und Ihnen noch zurufen: Der Worte sind nunmehr in Düsseldorf und Bonn genug gewechselt! In den Bergbaurevieren wollen die Menschen endlich Taten sehen. Taten erwarten auch meine Freunde in Übereinstimmung mit den Zielen der Regierung. Die Taten bestehen in den von der Regierung angekündigten Maßnahmen. Die Regierung aber kann sicher sein, daß sie auf diesem Wege von Nord bis Süd begleitet wird und daß alle diese Maßnahmen unterstützen werden.
({1})
Herr Abgeordneter, Sie beantragen, die Entschließung an die Ausschüsse zu überweisen?
({0})
- Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Das entspricht wohl auch nicht dem Willen der Fraktionen. Die Fraktionen haben Überweisung an die Ausschüsse vereinbart. - Herr Abgeordneter Ollesch hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen war bei der Diskussion um die Rationalisierung im deutschen Steinkohlenbergbau sehr oft von vernünftiger Energiepolitik die Rede, und es wurde der Bundesregierung und den Parteien, die die Bundesregierung tragen, vorgeworfen, sie ließen es an einer vernünftigen Energiepolitik fehlen.
Wir haben in den vergangenen Wochen von denen, die uns die Vorwürfe machten, im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen nie gehört, wie denn diese vernünftige Energiepolitik eigentlich auszusehen habe, und ich glaube, daß die Befürworter dieser sogenannten vernünftigen Energiepolitik die letzte Vernunft auch nicht darin sehen, daß am Ende der Kontingentierung des Heizöls der Bezugsschein für das Heizöl steht. Herr Kollege Arendt, das steckt doch eigentlich in der Kontingentierung drin, daß das Heizöl zugeteilt wird; denn sonst hätte die Kontingentierung ja ihren Sinn verfehlt.
Wir glauben, daß wir in dem Rahmen, der durch unseren Antrag auf Umdruck 511 ausgewiesen wird, eine vernünftige Energiepolitik machen: die Sicherung einer Förderung von 140 Millionen Tonnen. Mir scheinen die Maßnahmen, die -der Abnahme dieser 140 Millionen Tonnen dienen, besser zu sein als eine Abwehr über die Kontingentierung gegenüber einem neuen Energieträger. Für das Revier darf ich einem Minister eines revierfernen Landes für die Ausführungen danken, die er 'hier machte und die uns bewiesen haben, daß der Gegensatz zwischen revierfern und reviernah weitgehend überwunden ist. Ich glaube, daß die Ideen des bayerischen Wirtschaftsministers Schedl über Verstromung der Kohle in revierfernen Gebieten von mir und von meinen Freunden aus dem Revier eine nähere Betrachtung verdient hätten. Zumindest herzlichen Dank, Herr Minister, für Ihre Anregung.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß mit der Anmeldepflicht für Raffinerien und Rohrleitungen, daß mit der Möglichkeit der Lizenzierung der Öleinfuhren von unserer Seite her das Notwendige getan wird, um einen Überblick über die Entwicklung auf dem Energiemarkt zu erhalten und um nicht mit restriktiven Maßnahmen, sondern mit Förderungsmaßnahmen den Absatz der Kohle zu sichern.
Eine Bitte an die Bundesregierung: Die Tatsache, daß 36 Anlagen in die Liste der unter Umständen zu schließenden Anlagen aufgenommen wurden, hat im Revier naturgemäß großes Aufsehen erregt. Zweifellos wird letzten Endes nur ein Teil dieser Anlagen stillgelegt. Aber wir bitten, darauf zu achten, daß die notwendigen Stillegungen behutsam vor sich gehen, daß bei der Prüfung der Notwendigkeit einer Stillegung in den Gemeinden, in denen die ganze Gemeinde bisher von dieser Anlage gelebt hat, in der also über den Kreis der betroffenen Bergleute Tausende von Einwohnern mit betroffen werden, ein ganz strenger Maßstab angelegt wird.
({0})
Sicherlich werden wir an der Stillegung einiger Anlagen nicht vorbeikommen. Meine Damen und Herren, das Verfahren ist nicht ganz neu. Vor einigen Jahren, Herr Arendt, haben wir sehr harte Diskussionen um die Stillegung einiger Zechen im Bochumer Raum gehabt, und all die Befürchtungen, die damals erhoben wurden - sie hatten allerdings einen geringeren Umfang -, erwiesen sich als gegenstandslos, weil es gelungen war, für Ausgleichsindustrien zu sorgen. Heute erklärt die Stadt Bochum, daß sie von der Aufregung um die Zechenstillegung nicht betroffen wird. Wenn es uns gelingt, die strukturelle Umänderung zumindest des nördlichen Ruhrgebietes in ähnlichem Maße zu erOllesch
reichen, hätten wir diese Dinge, die uns jetzt unter den Nägeln brennen, weitgehend entschärft.
Ich glaube, daß wir im Zuge der Modernisierung auf dem Energiesektor um die Frage der Stillegung auch bei einer Förderung von 140 Millionen Tonnen nicht herumkommen. Bei einer Leistungssteigerung, Herr Kollege Arendt, werden wir immer wieder gezwungen sein, Anlagen abzuwerfen. Wir müssen also dem Problem der Umstrukturierung die allergrößte Aufmerksamkeit schenken, und das muß auch von seiten der Bundesregierung geschehen.
Vielleicht noch ein Wort zu den bundeseigenen Gesellschaften. Bei ihnen scheint es mir bei der Anmeldung doch an der Koordinierung gefehlt zu haben; vielleicht ist auch keine Koordinierung beabsichtigt gewesen. Es geht den Menschen in unserem Revier nicht ein, daß eine bundeseigene Gesellschaft eine Anlage, die sie vor einigen Jahren mit erheblichen Investitionsbeträgen modernisiert hat, zur Stillegung anmeldet, während gleichzeitig die andere bundeseigene Gesellschaft in der unmittelbaren Nachbarschaft mit einem Aufwand von -zig Millionen eine neue Anlage auffährt. Diese Dinge stoßen bei uns auf und bringen dem einzelnen Zweifel daran, daß die strukturellen Veränderungen unbedingt notwendig sind.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kohleproblem hat nicht nur den Bund, sondern auch die Gemeinden von Zeit zu Zeit stark bewegt. Zu diesem Problem muß auch gesagt werden, daß in Notzeiten - erster Weltkrieg, Ruhrkampf, zweiter Weltkrieg, Wiederaufbau unserer Wirtschaft - der Bergmann aufgerufen wurde, das Letzte durch Sonderschichten herzugeben, um die deutsche Wirtschaft überhaupt wieder in Schwung zu bringen.
({0})
Wenn die deutsche Wirtschaft eine Chance der Wiedergesundung gehabt hat, dann dankt sie das in einem ganz wesentlichen Maße der Einsatzbereitschaft des deutschen Bergmannes, der in der ersten Zeit nach dem Kriege mit einer Scheibe trockenen Brotes in den Berg gefahren ist, um die erste Kohle für den Betrieb wieder zu fördern.
(Beifall ({1})
Wenn da sogenannte marktwirtschaftliche Bedingungen gegeben gewesen wären, hätte der Bergbau die Möglichkeit gehabt, erstens für seine Betriebe die Rationalisierungsmittel zu verdienen und zweitens auch den Arbeitern die Spitzenstellung zu geben. Wir alle wissen, daß der Kohlebergbau seit Jahrzehnten an der Marktwirtschaft über den Preis nicht teilgenommen hat. Wer anderes erzählt - und sei er Wirtschaftsminister -, zeigt nur, daß er die Dinge nicht in der ganzen Konsequenz dargestellt hat.
Herr Burgbacher hat gesagt - ich habe es wörtlich mitgeschrieben -: Der Heizölpreis hat mit dem Kostenpreis nichts mehr zu tun; er bestätigt es jetzt. Das besagt, daß auch da die Marktwirtschaft nicht funktioniert. Wenn irgendein Sektor in unserer Wirtschaft - ganz gleich, aus welchen Gründen - ruinöse Preise macht und damit nationalen Reich-turn, den unser Volk in den nächsten Jahrzehnten wieder dringend zum Leben braucht, gefährdet, hat die Regierung einzugreifen, weil da mehr kaputtgeht als ein paar Zechen.
({2})
Sie haben noch ein Wort gesagt, das ich nicht untergehen lassen möchte, Herr Kollege Burgbacher, und dieses Wort weist schon in die Zukunft. Sie haben gesagt: Es muß eine europäische Hilfe für die Kohle geben, und zwar schon wegen der geologischen Verhältnisse in Europa. Sie haben dabei an die Flözmächtigkeit in Amerika gedacht. Sie haben da absolut recht, und ich bin mit Ihnen einer Meinung.
Wenn die Marktautomatik auf einem solchen Gebiet nicht funktioniert, müssen staatliche Überlegungen angestellt werden, was getan werden muß, damit die Gesamtwirtschaft gesund bleibt. Es tut mir außerordentlich leid, Herr Minister, Sie haben es sich etwas zu leicht gemacht. Hier den Fetisch der Marktwirtschaft anbeten und langfristige Entwicklungen nicht sehen - daß nämlich die Kohle auch in diesem Land auf Jahrzehnte eine Grundlage unserer Existenz sein wird -, das ist etwas aus der hohlen Hand Politik gemacht.
({3})
Nun lassen Sie mich zu der Frage Stellung nehmen, zu der ich mich eigentlich zu Wort gemeldet habe! Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Gemeinden, die betroffen werden, ansehen, wenn wir wissen, daß diese Gemeinden, nämlich die Gemeinden in Deutschland, die sogenannte Grundstoffindustrie-Gemeinden sind, an dieser marktwirtschaftlichen Entwicklung, an der Prosperität unserer Wirtschaft nicht so haben teilhaben können wie andere Gemeinden, und wenn wir weiter wissen, daß das für die Infrastruktur - um dieses Wort hier zu übernehmen -, für die gesamte Bürgerschaft eine Rolle spielt, dann wird uns klar sein, daß wir da eine Ausgleichspolitik treiben müssen. Überlegen Sie sich einmal, was das für die Menschen dieses Raumes bedeutet! Ich nehme an, daß mein Kollege Willeke nach mir noch sprechen wird; er wird wissen, was zum Beispiel die 23er Jahre in unserer Gegend für alle diese Menschen bedeutet haben, daß die Unsicherheit nie aus der Bergbaugegend herausgekommen ist, wie die Leute immer unter diesem Druck gestanden haben und daß die Menschen ein Anrecht darauf haben, daß man ihre Lebensprobleme als Ganzes ernst nimmt.
Wenn ich heute meine Schulkollegen sehe, die 40 Jahre im Bergbau gewesen sind, habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen, daß ich körperlich relativ gut aussehe und sie dafür, daß sie für uns alle Kohle gemacht haben, mit kürzerem Leben und zerstörter Gesundheit bezahlen. Wenn diese Menschen
nun auch noch in die Existenznot hineinkommen, kann man das nicht einfach mit ein paar Worten von der „Automatik der Marktwirtschaft" vom Tisch wischen.
({4})
Die Gemeinden im Revier haben seit der Krise damit zu tun. Herr Dr. Burgbacher sprach heute davon, daß wir 1956 noch eine Kohlenmangellage hatten und man da im Revier nach Möglichkeit die Klinken geputzt hat, um einmal ein paar Waggons Kohle außer der Reihe zu bekommen. Wir kennen auch noch die „Heimkehrerkohle", die billig aus dem Revier heraus - und teuer aus Frankreich oder von woanders her wieder hereingekommen ist.
({5})
Sie müssen also bedenken, daß diese Menschen, die um ihre Existenz bangen, ein Anrecht darauf haben, zu wissen, was mit ihnen passiert.
Die Zechen haben einmal Gesundheitshäuser gebaut, sie haben Bildungseinrichtungen, Werksbüchereien und ähnliche Einrichtungen geschaffen. Wir haben alle in diesen Jahren erlebt, daß das alles klamm-heimlich eingeschlafen ist. Das ist alles der veränderten Lage zum Opfer gefallen. Die betreffenden Aufgaben fallen neu den Gemeinden zu. Wir haben eine stagnierende Bevölkerungsentwicklung, eine starke Abwanderung zu verzeichnen. Wie will man denn noch Bergbau machen? Es hat folgende kuriose Sache gegeben: Die Zeche Brassert in Marl ist zur Stillegung angemeldet. Der Werksdirektor erfährt das einen Tag, bevor es öffentlich bekanntgemacht wird. Am Montag steht das in der Zeitung. Am nächsten Samstag erscheint dann in der Zeitung eine Annonce: Eltern, schickt uns zu Ostern eure Kinder als Bergbaulehrlinge! Brassert ist ein sicherer Arbeitsplatz. - Wenn das nicht die Ironie auf die Spitze getrieben ist und wenn das nicht Schindludertreiben mit dem guten Glauben von Menschen und vertrauenzerstörend ist! Wo will denn der Bergbau noch die Arbeitskräfte herkriegen, um Kohle für uns alle, für unser Volk zu schaffen, wenn wir so mit dem Potential Arbeitskraft umgehen?
Und dann dürfen wir auch die älteren Bergleute nicht vergessen, die ihr Leben lang im Vertrauen ihr Bestes hergegeben haben. An dieser Stelle darf es einmal ausgesprochen werden: der Bergmann ist ein Allround-Handwerker erster Güte,
({6})
aber im vorgerückten Alter nicht ohne weiteres an jedem Arbeitsplatz einsatzfähig.
({7})
Deshalb hat er einen Anspruch darauf, daß man sich Gedanken um sein persönliches Schicksal macht. Es wird gesagt: Na ja, er kann sich ja verlegen lassen, und wir geben eventuell Fahrprämien. Meine Damen und Herren, ich höre so häufig das Wort von dem Recht auf Heimat. Gilt es nicht auch für diejenigen, die sich durch ihre Arbeit ein Leben lang an einem Arbeitsplatz ein Heimatrecht erworben haben?
Ich möchte noch eine andere Frage aufwerfen. Auch der Bergmann wird durch die Politik der Bundesregierung angereizt, Eigentum zu bilden, Eigenheimbau zu betreiben. Wenn er sich nun ein Eigenheim gebaut hat, aber sein Arbeitsplatz verlorengeht und wenn er sich dann irgendwo anders eine neue Existenzmöglichkeit suchen muß - wo bleibt dann dieses garantierte Eigentum, das heimisch machen soll?
({8})
Heute gibt es Städte im Revier, die schon Tausende von Auspendlern haben. Es gibt Städte, die in Gefahr geraten, Schlafstädte zu werden. Gladbeck ist in Gefahr, dazu zu werden. In diesem Zusammenhang dürften einige Zahlen nicht uninteressant sein; denn man muß einmal wissen, wie die Berufsstruktur dieser Städte aussieht. Im dritten Quartal 1958 waren in Recklinghausen 77 % der Beschäftigten Bergleute, in Herne 63 %, in Wanne-Eickel 72 %, in Castrop-Rauxel 75 %, in Herten 72 %, in Wattenscheid 58 % und in Oer-Erkenschwick sogar 83 %.
Sie alle wissen, daß die Gemeinde Selm, die im Jahre 1928/29 in dieselbe Krise kam, sich heute noch nicht erholt hat, weil die Frage der Strukturhilfe bis heute - ich habe mich zur Vorbereitung dieser Debatte eingehend danach erkundigt - noch nicht gelöst ist.
Wie sieht es denn mit der Strukturänderung aus? Die Zechengesellschaften haben das Industriegelände in Recklinghausen zu 70 % in der Hand, in Herne zu 60 %, in Wanne-Eickel zu 57 % und in Wattenscheid zu 53 %. Wir haben es doch erlebt: vor zwei Jahren, als ein Industriewerk sich in Herten niederlassen wollte, gab es dafür vom Bergbau nicht die Grundstücke, und zwar wegen eines brennenden Problems, wegen der Bergschädenfrage. Hier darf ich vielleicht auch einmal - ich weiß nicht, ob es ganz im Stil des Hauses ist - die Herren von Nordrhein-Westfalen ansprechen. Der Herr Ministerpräsident scheint gerade gegangen zu sein; aber der Herr Wirtschaftsminister ist noch da. Die Bergschädenregelung für die Ansiedlung neuer Industrien in diesen Gemeinden, die eine andere strukturelle Form erhalten, ist ein ganz ernstes Problem. Dem werden wir uns alle stellen müssen. Wir werden eine Lösung finden müssen. Wir werden auf keinen Fall die Gemeinden draufhängen lassen können. Es gehört mit in die Überlegung hinein, wie man mit dem Bergschädenproblem fertig wird. Höchstwahrscheinlich kann es der Bergbau in Form einer völlig veränderten Struktur. Früher war das ganz selbstverständlich. Im Kohlepreis liegt das vielleicht nicht mehr darin, aber dann gehört es eben in die Überlegung mit hinein.
Ich möchte noch hinzufügen, daß bei den Stillegungen nicht nur die Bergwerke betroffen werden, sondern auch eine große Zahl von Nebenbetrieben in der Nähe der Bergwerke. Die Zulieferbetriebe des Bergbaus werden ganz hart getroffen. Sie sitzen häufig in denselben Gemeinden, und wir bekommen eine zweite große Welle wirtschaftlicher Störungen.
Dabei interessiert vielleicht auch einmal, wie die Steuerentwicklungen in diesem Revier mittlerweile
aussehen. Bei den Kommunalsteuern haben wir in unserer Gegend Steigerungen von ungefähr 40 %, in der Rhein-Main-Gegend weit über 100 %, und wenn wir nach Ludwigshafen, also in den badischen Raum, kommen, ist es eine noch viel größere Steigerung. Dort haben wir die echte Produktivitätssteigerung, die in diesen Jahren über Deutschland gekommen ist und sich niederschlägt, während die Ruhrgebietsgemeinden schon infolge ihrer Struktur hängengeblieben sind. Die Fragen sind nicht zu lösen, wenn die Gemeinden nicht im Wege einer Strukturveränderung wenigstens neue Betriebe bekommen.
Jetzt kommt noch eine viel wichtigere Frage. Energiepolitik kann man nicht nur machen, wenn man in Druck ist. Vielleicht muß die Stillegung der einen oder anderen Zeche, weil sie nicht wirtschaftlich ist, in Erwägung gezogen werden. Aber dann muß man das langfristig planen und muß langfristig dafür sorgen, daß eine andere wirtschaftliche Betätigung in dieser Gegend möglich ist.
Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir viel Sorge bei den Nebenbetrieben haben, zumal wenn wir uns noch fragen, was es nach den eingehenden Untersuchungen mit den Zahlen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung auf sich hat: Zunahme des Gewerbesteueraufkommens von 1956 bis 1962 betrug im Ruhrgebiet 34,5 %, im Rhein-Main-Raum 121 %, im Rhein-Neckar-Raum 158 %. Wer das Revier verfolgt hat, der weiß, daß es auch in Nordrhein-Westfalen zwischen Rheinland und und Westfalen mittlerweise ein Gefälle gibt und daß man auch diese Milliarden, die im volkswirtschaftlichen Vermögen angelegt sind, in einer solchen Gegend nicht einfach wegschrumpfen lassen kann.
Ich hatte Ihnen schon gesagt, daß bei Selm die Dinge bis heute noch nicht in Ordnung sind. Dieselbe Gefahr besteht jetzt in zwei Städten, in Gladbeck und in Waltrop, wenn Waltrop stillgelegt würde, wie es angesichts der Anmeldung durch die in staatlichem Besitz befindliche Zeche Hibernia zu befürchten ist. Heute werden 40 % der Gemeindesteuern in Waltrop durch den Bergbau aufgebracht. Dort leben Tausende von Menschen. Bisher gibt es dort, weil eine Teilstillegung vor einigen Jahren stattgefunden hat, schon 2500 Auspendler. Nun ist noch ein Rest von 2000 da. Die Bergwerksgesellschaft hat z. B. in Waltrop durch Steigerung der Produktivität von ungefähr 1300 kg auf 2700 kg in diesen zweieinhalb Jahren Einmaliges an Rationalisierung herausgeholt. Der Dank dafür an die Bergleute ist, daß jetzt der Betrieb zur Stillegung angemeldet wird. Wie sieht es in Gladbeck aus? Dort waren im dritten Quartal 1958 84 % im Bergbau beschäftigt. Durch die bisherige Stillegung in mehreren Schächten sank von 1960 bis 1963 das Gewerbesteueraufkommen von 4,3 Millionen DM auf rund 2 Millionen DM. Trotz Lohn- und Gehaltserhöhung ging die Gewerbesteuer zurück. Die Auslieferungen bei den Zulieferungs-
und den übrigen Betrieben sind dabei nicht berücksichtigt. Die Hauptauswirkungen sind entstanden durch die Zusammenlegung der Schachtanlagen Möller nach Rheinbabe und Zweckel nach Scholven. Letztere wurde dann auch noch 1963 stillgelegt, so
daß Gladbeck jetzt wirklich in Gefahr gerät, eine Invalidenstadt zu werden, indem man die Leute, die noch produzierfähig sind, nach Westerholt und von Westerholt die Invaliden in diese Stadt verlegen will. Wie eine Stadt von nur alten Leuten funktionieren soll und wann auch auf die Stadt der Deckel gemacht wird, ist eine Frage, die bei dem Problem offenbleibt.
Ich glaube deswegen, daß man gleichzeitig mit vielleicht notwendigen Stillegungen eine vernünftige Strukturpolitik für die Ansiedlung neuer Industrie entwickeln muß. Anderenfalls hat man seine Pflichten nicht erfüllt.
({9})
Hier gilt nicht das freie Spiel der Kräfte. Das wird sich irgendwo in diesem Raum auf dem Markt schon von selber regeln. Ich will nicht noch über Bottrop und auch nicht über die Stadt reden, in der ich tätig bin.
Ich möchte nur einige konstruktive Vorschläge machen. Man sagt, daß man nichts mehr tun könne. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung, wenn sie jetzt schon fortschrittlich Fernwärme fördern will, nicht mit Blockheizwerken aufhören darf. Wenn das einen Sinn haben soll, muß man einen schnellen Ausbau des Leitungsnetzes wirtschaftlich ermöglichen. Dabei handelt man noch ein Zweites ein: Man wirkt mit an der Lösung des Problems der Reinhaltung der Luft.
Meine Damen und Herren, wenn ich bei der Reinhaltung der Luft bin, muß ich noch einmal zum 01 zurückkommen. Es ist einfach nicht wahr, daß das 01 für Heizzwecke schon seinen gerechten Preis gefunden hat. Die Sicherheitsmaßnahmen beim Heizöl gegen die Gefahr der Wasserverseuchung sind noch gar nicht angelaufen. Die Kosten schließen diesen Faktor noch gar nicht ein. Stellen Sie sich einmal vor: Die Leute, die sich in gutem Glauben eine Ölheizanlage haben bauen lassen, hören nun plötzlich, daß sie noch 2000, 3000, 4000 DM Kosten für die Sicherung aufbringen müssen. Und falls ein solcher Tank einmal ausläuft, sind die Kosten noch höher; denn keine Versicherung übernimmt noch das Risiko für eine Heizanlage, die länger als fünf Jahre in der Erde liegt. Außerdem ist die höchste Schadenssumme, über die Sie abschließen können, wenn Sie überhaupt noch eine Versicherung abschließen können, 50 000 DM. Wenn ein Heizöltank ausläuft, kann die Wasserverseuchung so groß sein, daß die Schäden von einem einzigen Tank die Millionengrenze überschreiten.
Wir brauchen auf lange Zeit gesundes Wasser. Deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Frage der in der Erde liegenden Heizöltanks in Ordnung bekommen. Wir wissen, daß am 1. Oktober ein Gesetz das erzwingen wird. Wir wissen, daß es länger dauern wird. Dabei kommen dann noch ganz andere Preise heraus, und man wird dann sehen, daß die Situation auch kostenmäßig ganz anders aussieht.
Ich bin also der Meinung, daß die Regierung sich bei der Fernwärme gerade im Revier auf keinen Fall nur auf die Heizwerke stützen kann; denn im
Revier bietet sich sogar die Möglichkeit an, daß man keine neuen Heizwerke baut, sondern versucht, die Fernwärme bei den Zechen sofort anzuzapfen, so daß die Gemeinden dann allein mit dem Leitungsbau der Kohle schon eine Entspannung geben können.
Eines der Probleme ist auch noch nicht gelöst. Ich weiß, die Bundesregierung kennt die Zahl, aber ich. würde ihr trotzdem empfehlen, noch einmal genau anzusehen, wie viele Bergschüler in den letzten Jahren die Bergschulen besuchen, und sich die Zahl geben zu lassen, wie viele neue Absolventen von den Bergakademien kommen. Wenn man das genau weiß, weiß man, daß man in eine ungeheure Gefahr kommt, in die Gefahr, daß wir nicht nur keine Bergleute mehr haben, die die Kohle aus der Erde holen, sondern daß wir auch keine leitenden Bergmänner mehr haben, die in der Lage sind, ein Bergwerk zu führen.
Ich glaube also, daß die Bundesregierung gut daran tut, sich den Ernst der Stunde, der sehr groß ist, vor Augen zu führen, und ganz klar und offen zu sagen, ob sie in dieser Frage mit der Sozialdemokratischen Partei der Meinung ist, daß die Kohle in unserem Land in dem Bereich, den wir zeitlich übersehen können, ein notwendiger und wichtiger Faktor, eine Grundlage unserer Wirtschaft ist. Wenn sie das ist, darf man sie nicht dem absolut freien Spiel der Kräfte überlassen; dann muß man etwas für die Erhaltung der Kohle tun; dann muß man etwas defür tun, daß die Bergleute im Vertrauen auf eine vernünftige, kluge Staatsführung ihre Arbeit an unserem Volk, an der Kohle weiter tun können.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Heiland macht es notwendig, sofort darauf zu antworten; denn er hat gerade das getan, vor dem zu warnen ich mich heute morgen - nicht aus der hohlen Hand, sondern aus tiefer Überzeugung - bemüht habe.
Zunächst möchte ich aber - da ich nun das Wort habe - kurz auf die vorangehenden Ausführungen eingehen. Dem Herrn Ministerpräsidenten Meyers möchte ich sagen, daß ich mit ihm der Meinung bin - und ich habe das auch in der ersten Aussprache schon gesagt -, daß man versuchen muß, das Wohnungsbaugesetz zu ändern. Ich könnte Ihnen jetzt die einzelnen Paragraphen vorlesen; aber ich glaube, es genügt, daß ich meine Zustimmung hier generell gebe. Es darf auf keinen Fall passieren, daß jemandem auf Grund der Strukturwandlungen, die ihn zu einer Änderung des Wohnsitzes oder des Beschäftigungsverhältnisses zwingen, wohnungsmäßig Nachteile entstehen.
Herr Schedl hat einige Bedenken geäußert. Ich verstehe sie, aber ich glaube nicht, daß er das Kunststück allein mit Frachtensubventionen oder Frachtenumberechnungen fertigbringt. Immerhin sind wir gern bereit, dieses Problem welter zu prüfen, und ich habe eben auch schon mit Herrn Kienbaum verabredet, daß wir uns in der Konferenz der Länderwirtschaftsminister in der kommenden Woche um einen Weg bemühen wollen.
Ich gehe nicht besonders darauf ein, daß Sie, Herr Kollege Arendt von „purer Bosheit" gesprochen haben und davon, daß jemand hier glauben machen wolle, alles sei in Ordnung. Meine Damen und Herren, ich weiß überhaupt nicht, wann alles in Ordnung ist. Muß man sich nicht jeden Tag bemühen, wir um uns selber und wir in der Politik um alles? Ich weiß gar nicht, woher dieser Kinderglaube kommt, jemandem unterstellen zu können, er meine, alles sei immer in Ordnung. Nein, wir müssen uns dauernd um die Kohle bemühen, und ich verbitte es mir, daß hier gesagt wird: „pure Bosheit".
({0})
- Jawohl! Ich verbitte es mir, daß gesagt wird: „pure Bosheit".
({1})
- Herr Präsident, ich muß das sagen dürfen. Wenn hier von „purer Bosheit" gesprochen wird, habe ich das Recht, mich dagegen zu wehren. Ich gehöre diesem Parlament genauso lange an wie Sie alle, meine Damen und Herren, und gehöre ihm auch heute noch an.
({2})
Ich habe heute morgen darauf hingewiesen, daß ich mich dagegen wehre, daß man den alten marxistischparadiesischen Wunderglauben hinüberrettet in ein Godesberger Programm. Marktwirtschaft hat von Anfang an bedeutet: Härte für den Unternehmer, der immer sein Unternehmen und sein Vermögen riskieren muß. Sie bedeutet auch für den Arbeitnehmer die Schwierigkeiten eines Fließbandes, des Akkords, des Bemühens um eine Berufsausbildung und des Unterkommens in einer Arbeitsstätte. Niemand hat das verschwiegen; und wenn wir draußen sind, legen wir Wert auf die Feststellung, daß dies nicht ein Wirtschaftswunder ist, sondern ein Erfolg der Arbeit. Wer uns fragt, warum wir so weit gekommen sind, dem antworten wir: weil wir uns Mühe geben. Meine Damen und Herren, Mühe ist dieses Leben und nichts anderes. Das wünsche ich hier festzustellen, und dieses Recht lasse ich mir von Ihnen nicht bestreiten.
({3})
Aber Sie, meine Damen und Herren, haben sich angewöhnt, diese Debatten in der Form einer Auktion zu führen. Jeder bietet mehr, im Preis und in der Zeit. Das ist zu ändern, nehmen Sie sich das zu Herzen!
({4})
Sie werden hier gestellt nach Ihrem echten Vermögen. Sie sollen Farbe bekennen und uns nicht
in sehr, sehr guten Formulierungen und Adjektiven übertreffen.
({5})
Ich stimme mit dem Kollegen Arendt darin überein, daß es notwendig ist, diesen Beruf attraktiv zu erhalten. Denn selbstverständlich müssen die Menschen bereit sein, diesen schweren Beruf zu ergreifen. Aberglauben Sie doch nicht, daß Sie einen Beruf reizvoll für die Menschen machen können, wenn Sie dauernd über diesen Beruf klagen! Sie können viel mehr erreichen, wenn Sie die Schwere und die Verantwortung - denn das wollen die Menschen - herausstellen und wenn Sie eine Anerkennung dafür geben, daß diese schwere Verantwortung und diese harte Arbeit für uns alle übernommen werden. Sie mögen sagen, Herr Heiland, das sei aus der hohlen Hand gesprochen. Das mag Ihr Jargon bleiben, meiner wird es nicht.
Sie haben sich zu den Stillegungen geäußert, Herr Kollege Arendt, und dabei einige Kritik ausgesprochen. Nun, ist es nicht immer so, wenn Anmeldungen notwendig sind, daß diese Anmeldungen über das tatsächliche Ergebnis erst einmal vorsorglich hinausgehen? Es gab mal eine Zeit, da mußte nicht aus politischer Ideologie, sondern aus der Zwangslage heraus alles angemeldet werden. Wir haben uns immer wieder darüber amüsiert, welcher Bedarf angemeldet wurde. Er betrug das Vielfache des tatsächlichen Bedarfs.
({6})
Es ist Ihr gutes Recht - und benutzen Sie dieses gute Recht -, so lange zu zweifeln, wie es geht. Aber die Rechnung wird erst aufgemacht, wenn die Zahlen vorliegen. Wenn Sie dann noch ein Recht haben zu kritisieren, tun Sie es. Ich bin davon überzeugt, daß diese Maßnahmen zum guten Ende gebracht werden.
Sie haben sodann eine Bemerkung über die Gewinnverlagerung gemacht, die möglicherweise bei Firmen erfolgt, die im wesentlichen außerhalb der Bundesrepublik ihre Zentrale haben. Das brauchen nicht unbedingt große Staaten zu sein. Es gibt auch kleine Länder, in die man sich hineinflüchten kann. Sie alle kennen dieses Praktiken. Niemand kann etwas beweisen. Man vermutet. Ich pflege zu sagen: Was möglich ist, wird auch getan. Die einzige Schlußfolgerung aus diesem auch von mir in keiner Weise gutzuheißenden Verhalten - dieses Verhalten muß getadelt werden - ist doch die, daß man erstens versucht, das durch Doppelbesteuerungsabkommen möglichst auszuschalten - das haben wir getan -, und zweitens, durch indirekte Besteuerung - Sie wissen, wie diese indirekte Besteuerung gerade beim Öl, beim Benzin aussieht - den anderen das Hauptgeschäft bei diesen Versuchen zu verderben.
Sie sprachen über die Frage der früheren Verrentung. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich für diesen Gedanken - Sie wissen das, ich habe mich mit Ihnen darüber unterhalten - sehr viel Sympathie habe. Aber ich kann auch nicht einfach das Argument vom Tisch wischen, das da sagt, es sei für den Menschen ebenso wichtig - und warum
gehen nach der Pensionierung noch so viele in andere Beschäftigungen? -, ihm das. Gefühl zu erhalten, daß er gebraucht wird. Ich bin aber gern bereit, über diese Frage in den Ausschüssen weiter zu diskutieren. Einstweilen kann ich Ihnen aber hierzu noch nicht eine Entscheidung der Bundesregierung mitteilen, weil sich nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern, wie ich weiß, auch in diesem Hohen Hause und auch in der Öffentlichkeit etwa gleichgewichtig zwei durchaus respektable Meinungen gegenüberstehen.
Nun zur Einfuhr- und Vorratsstelle. Ja, Herr Kurlbaum, es ist - anders, als Sie dargestellt hatten - so gekommen, wie ich es vermutet hatte. Ich pflege sonst nicht gern in alten Berichten herumzublättern. Das kann für jeden mal ein Nachteil sein, auch für mich. Ein Politiker mit Humor erträgt das einigermaßen. Aber immerhin habe ich mir die Debatte vom 29. März 1963 noch einmal durchgelesen. Da steht:
Bleibt das schwierige Problem der Lizenzierung. Ich möchte ganz deutlich sagen: Wir sind keine Freunde der Lizenzierung. Wir sind überhaupt keine Freunde von restriktiven Maßnahmen.
So geht das nun diesen Vortrag hindurch und landet dann wieder bei der Einfuhrstelle.
Meine Damen und Herren, ich bin nicht in der Lage - vielleicht reichen meine geistigen Investitionen da nicht -, das aufzuhellen. Aber das müssen Sie doch einmal dartun. Sie können nicht einfach von der Einfuhrstelle sprechen und auf der anderen Seite gegen die Lizenzierung oder sogar gegen die Registrierung sein. Was die Bundesregierung in der Hand hat, genügt, um die Warenbewegungen zu beobachten. Wir haben, um eine Eingriffsmöglichkeit zu bekommen, die Fristen verkürzt. Auch dagegen hatte sich Ihr Sprecher vor einem Jahr ausgesprochen.
Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Kollegen Heiland machen. Herr Kollege Heiland hat daran erinnert, daß der Bergmann in einer Zeit der Not von uns allen aufgerufen worden ist, das Letzte herzugeben. Nun, das ist insoweit richtig, als wir das - nicht von diesem Platz aus, sondern in unseren Funktionen, die wir damals hatten - vielleicht getan haben.
Er hat dann gesagt, wenn damals die Unternehmen die Möglichkeit gehabt hätten, über den Preis zu verdienen, hätte alles besser ausgesehen. Herr Kollege Heiland, damals war Inflation. Die damaligen Zuwendungen bestanden in Bergmannspunkten und ähnlichen Dingen. Ich glaube nicht, daß es irgendwie möglich gewesen ist, damals den Grundstock für die Entwicklung zu legen.
Trotzdem nehme ich die Anmerkung des Kollegen Heiland auf und verwende sie im Zusammenhang mit meinen Ausführungen von heute morgen. Meine Ausführungen haben doch in der Aufforderung bestanden, daß wir alle zusammenstehen, damit wir die freiheitliche Wirtschaftsordnung bewahren. Meine Forderung an die übrigen, denen es besser geht, war, Solidarität zu zeigen, wie es in schweren Zeiten - jetzt nehme ich Ihr Wort auf -, als wir
keine ausreichende Energieversorgung hatten, auch der Bergmann getan hat.
Aber, Herr Heiland, vom Fetisch der Marktwirtschaft zu sprechen ist, wenn Sie es mir anlasten wollen, zumindest eine ziemliche Übertreibung; oder Sie haben meine Ausführungen heute morgen nicht gehört. Möglicherweise sehen Sie die Marktwirtschaft auch so ähnlich an wie die Prinzipien, die in Ihrem neuen Programm festgelegt sind. Wir tun das nicht. Ich habe heute morgen schon einmal gesagt - es ist eine schwere Sache -: Zur Marktwirtschaft können sich nur Völker entschließen, die den Mut haben, dieses schwere, aber erfolgreiche, wie wir sehen, Wirtschaftssystem zu übernehmen.
Nun weiß ich sehr wohl, daß eine Existenznot - denn das war doch der Kern meiner Ausführungen heute morgen - vorhanden ist und daß wir alle verpflichtet sind, hier solidarisch zu helfen. Herr Heiland hat hier sehr wirkungsvoll dargestellt - er lebt ja in der Umgebung, in der die Erregung ist; darum ist es auch verständlich -, in welchen Sorgen und Nöten sich die Menschen befinden. Aber, Herr Heiland, darf ich Sie einmal fragen: Wer von uns ist in der Lage, am Beruf, an der Stellung die Sorgen und Nöte der anderen Menschen abzulesen? Wer weiß um die Lasten, die auch der Nachbar im Parlament zu tragen hat? Tun wir doch nicht so, als träfe das Schicksal nur den einzelnen. Das Schicksal fordert jeden von uns, und jeder von uns muß sich stellen!
Meine Damen und Herren, auch in anderen Berufsgruppen gibt es solche Last, und in anderen Situationen gibt es schwerere Last. Wir haben doch mit der Wirtschaftspolitik, die Sie bekämpft haben, meine Damen und Herren, dafür gesorgt, daß sich bei uns die Lebensverhältnisse gerade der arbeitenden Schichten gebessert haben. Und Sie säßen auch nicht in Ihrem Rathaus, Herr Heiland, wenn diese Wirtschaftspolitik nicht betrieben worden wäre,
({7})
in Ihrem Rathaus, das ich Ihnen gönne und das hoffentlich sehr viele Städte bekommen.
Herr Heiland hat dann hier ein Ereignis angeprangert. Er hat es mit Namen genannt. Und wenn er einige Bundesgesellschaften zu tadeln gehabt hätte, hätte ich nicht angestanden, ihn dabei zu unterstützen. Wenn das so ist - so habe ich voriges Mal schon erklärt -, wie mir berichtet worden ist, dann kann man das Verhalten dieser Unternehmung nur tadeln. Wir hatten Gelegenheit, Sie, Herr Heiland, und einige weitere Herren im Bundeswirtschaftsministerium zu hören. Ich selber war leider durch eine andere Sache verhindert. Aber Sie können nicht bestreiten, daß ich mich in vielen Besprechungen - nicht gerade in dieser - um die Fragen gesorgt und gekümmert habe. Wir haben Ihnen dargetan, wie das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung sieht und was wir zu tun gewillt sind, und es ist Ihnen dabei gesagt worden, niemand wird in diesem Staate einem Schicksal überlassen, das unverschuldet über ihn kommt. Ich
glaube, wenn Sie alles mit rechten Augen ansehen, werden Sie das auch nicht bestreiten können.
Mir kommt es darauf an, daß durch solche Reden, wie Sie sie soeben gehalten haben, nicht das Wesentliche zerstört wird, was wir brauchen: das Vertrauen in die eigene Kraft und das Vertrauen in die Gegenseitigkeit. Ich wiederhole: Jeden Tag werden neue Probleme gestellt, und jede Lösung bringt als solche schon neue Aufgaben mit sich. Wir haben die Arbeitslosigkeit überwunden und die Menschen aus den Löchern herausgeholt. Heute müssen wir uns darum sorgen, mit den Problemen der Vollbeschäftigung fertig zu werden, und es wäre doch nicht zu verstehen, wenn es uns bei dieser wirtschaftlichen Position, die wir haben, nicht gelingen sollte, den Strukturwandel sozial und wirtschaftlich so vernünftig, wie es geht, durchzuführen. Ich könnte Ihnen jetzt eine Reihe von Städten nennen - ich beschränke mich auf Bochum; sicherlich ist das der glücklichste Fall von allen -, wo das durch gemeinsame Anstrengungen gelungen ist, durch Anstrengungen, die auch ein wenig in Widerspruch zu dem stehen, was Sie bezüglich des Verhältnisses internationaler und deutscher Gesellschaften gesagt haben und was ich selber auch denke. Das weiß ich sehr wohl; aber an diesem Beispiel wird deutlich, daß wir uns auf keinen Fall aus der Einzelbeurteilung dieser Lage heraus in eine Stimmung bringen lassen dürfen, die ich für gefährlich halte, in eine Stimmung: hie nationale Wirtschaft und dort internationale Wirtschaften. Meine Damen und Herren, unser Wohlstand lebt zu einem ganz wesentlichen Teil von der Außenwirtschaft, und der Kapitalverkehr ist ein Teil der Außenwirtschaft. Wer diesen Teil einengt und einschränkt, der muß in Kauf nehmen, daß auch das gesamte Niveau gesenkt wird.
Nun noch kurz zu den Vorschlägen, die Sie, Herr Heiland, genannt haben!
Sie nannten die Blockheizwerke und haben dazu eine Variante gebracht. Ich will sie gern weiter überlegen. Sie ist nicht neu.
Was Sie zum Öl bezüglich der Gefährdung der Wasserverhältnisse usw. gesagt haben, ist ja in diesem Hause nichts Unbekanntes. Darf ich Sie daran erinnern - Herr Kollege Schmidt sitzt dort drüben -, wie wir einmal versucht haben, durch ein Gesetz die Reinhaltung des Wassers zu sichern, und wie uns dann der Bundesrat klargemacht hat, das sei nicht unsere Sache. Wenn Sie also eine solche Forderung stellen - ich weiß nicht, wie es in Nordrhein-Westfalen ist; ich nehme an, dort hat man ein Gesetz -, dann müssen Sie auch die Adresse richtig wählen.
({8})
- Ich bin der Meinung, daß alle Sicherungen gegeben werden müssen und daß man das mit einkalkulieren muß. Aber, Herr Heiland, der wesentliche Vorteil liegt ja gar nicht im Preis, sondern vor allem in der Bequemlichkeit - Bequemlichkeit ist
ein harter Ausdruck, sagen wir: darin, daß eine Arbeitserleichterung im Haushalt erzielt wird; und das können wir nicht zurückdrücken.
Sie haben dann darauf hingewiesen, daß zuwenig Bergschüler da seien. Das ist richtig. Aber dieses Phänomen haben wir doch in fast allen Berufen. Es gehört doch einfach zur Entwicklung, daß, wenn die Produktivität des einzelnen sich erhöht und wenn neue Tätigkeiten entstehen, die herkömmlichen mit geringeren Zahlen auskommen müssen. Das wirkt sich auch auf die Schulen aus, und man darf sich nicht darüber wundern, daß hier ein völlig gleichlaufender Vorgang entsteht.
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß ich die Debatte damit wieder unterbrochen habe. Ich hätte sonst gern zum Schluß gesprochen, glaubte aber, es sei notwendig, diese Bemerkungen jetzt zu machen, weil es nicht zutrifft, daß wir die Kohle etwa dem freien Spiel - geschweige dem „Dschungel" - überlassen. Wir haben ja Maßnahmen vorgesehen, die ganz ausdrücklich von der chemisch reinen Wettbewerbswirtschaft abweichen, und ich habe gesagt, daß es notwendig ist, diese Maßnahmen zu ergreifen. Sagen Sie also nicht, wir überließen die Kohle dem absolut freien Spiel.
Sie haben rhetorisch sehr geschickt geschlossen: „Wer mit der SPD der Meinung ist ...". Nun gut, es ist Ihr gutes Recht, sich selber vornean zu nennen. Aber wenn Sie uns schon die Verantwortung für all das geben, was bisher getan worden ist, und all das, was an neuen Aufgaben auf uns zukommt - das sind nämlich die Probleme, die Sie ansprechen , dann, bitte, seien Sie auch so konsequent und anerkennen Sie, was an Wirtschaftspolitik bisher in Deutschland und speziell auch im Ruhrgebiet und für die Kohle Gutes geleistet werden konnte. Daß man sich auf diesen Leistungen nicht ausruhen darf, ist selbstverständlich. Aber diese Leistungen geben die Rechtfertigung dafür, das, was jetzt notwendig ist, von dem tun zu lassen, der sich bisher bewährt hat; und ich meine, das sei die Bundesregierung.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Hörmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einiges auf das antworten, was der Herr Bundeswirtschaftsminister gesagt hat, weil mir seine Ausführungen etwas polemisch vorgekommen sind. Ich habe auch seine Aufregung gar nicht verstanden. Es war kein Grund zur Aufregung. Wir wollen uns hier ja über ganz normale, konkrete Vorschläge. und Probleme unterhalten, darüber, wie man dem Steinkohlenbergbau helfen kann. Mir kommt es vor, wie wenn man sich einen Luftpopanz aufbaut und dann hineinschlägt, und es ist nichts dahinter.
({0})
Es muß noch eines festgestellt werden: Die Rathäuser und die Politik in unseren Rathäusern waren lange Jahre, bevor die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik einsetzte, da.
({1})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auch gesagt, was die Bundesregierung in der Hand habe, genüge, um mit den Problemen fertig zu werden. Wir stellen aber fest - deshalb haben wir heute diese Debatte - , daß das, was sie in der Hand hat und wie sie es angewendet hat, bisher nicht genügt hat, um mit den Problemen fertig zu werden. Sonst brauchten wir uns ja heute nicht darüber zu unterhalten.
({2})
Nun aber zu den Problemen, über die ich sprechen wollte.
Es hat vorhin geheißen - auch wieder aus dem Munde des Herrn Bundeswirtschaftsministers -, man solle nicht über den Beruf klagen, sondern eine Anerkennung geben. Sehen Sie, mir geht es nun um diese Anerkennung für den Beruf des Bergmanns. Die Debatte über die Energiepolitik und auch die Großen Anfragen, die vorgelegt worden sind, haben sich richtigerweise auch mit einigen sozialpolitischen Auswirkungen und Aspekten beschäftigt. Sowohl die Große Anfrage der CDU/CSU und FDP als auch die Große Anfrage der SPD haben einige sozialpolitische Punkte angedeutet.
Ich möchte hier gleich auf den Unterschied in der Fragestellung hinweisen, weil ,er in dieser Frage sehr entscheidend ist. Die Koalitionsparteien geben zu - das tun sie übrigens auch in ihrem Entschließungsantrag -, daß eine soziale Unsicherheit bei den Bergleuten vorhanden ist und ein Unsicherheitsgefühl im Bergbau besteht. Sie bestätigen damit also ganz eindeutig unsere bisher immer vorgetragene Aussage, daß die Energiepolitik, so wie sie geführt worden ist, die soziale Unsicherheit im Bergbau nicht weggeschafft, sondern herbeigeführt hat und daß darüber hinaus sogar noch eine gewisse Gefahr für die Sozialversicherung der Bergleute heraufbeschworen wurde. Ich erinnere nur an das, was der Herr Bundesfinanzminister bei der Einbringung des Bundeshaushalts gesagt hat. In der Fragestellung beschränkt man sich aber dann in Absatz 6 für meine Begriffe ,etwas dürftig auf die Beseitigung von Härten für die von Zechenstillegungen betroffenen Bergleute. Man will also nur mit den bisher üblichen Methoden, mit einigen kleinen Pflästerchen versuchen, 'die entstehenden Wunden zu heilen. Nach unserer Meinung kann man aber damit die anstehenden Probleme sozialpolitischer Art im Bergbau - ich sage es ganz klar -, nämlich die Frage der Altersgrenze und auch das Problem der Knappschaftsausgleichsleistung, dieser neuen Strukturrente, wie ich sie bezeichnen möchte, nicht lösen und auch nicht genügend klären.
Wir fragen deshalb in unserer Großen Anfrage wesentlich konkreter und ganz eindeutig, ob man nicht diese beiden Fragen, die Frage der Altersgrenze und die Frage der Knappschaftsausgleichsleistung, neu überdenken und besser angehen sollte.
Wir hatten das ja schon früher angestrebt. Sicher sind Sie damit einverstanden. Ich kann jetzt zu dieser späten Stunde auf keinen Fall dazu noch Argumente und Begründungen vortragen. Wir werden dazu noch Gelegenheit bekommen.
Wenn ich mich aber frage, was die Bundesregierung in ihrer Antwort und in der Diskussion heute zu diesen Problemen sagt, muß ich eigentlich feststellen, daß diese Antwort der Bundesregierung für uns und für die Bergleute vollkommen unbefriedigend ist, weil man nach wie vor nicht bereit ist, das Problem der Senkung der Altersgrenze für das Altersruhegeld und auch das von uns angeschnittene Problem der Knappschaftsausgleichsleistung vom 50. Lebensjahr an hier entsprechend anzugehen und eine Lösung vorzubereiten.
In der Antwort der Bundesregierung und auch in einer Presseverlautbarung des Herrn Bundesarbeitsministers wird auf die finanzielle Lage der Knappschaft hingewiesen. Mir kommt das etwa so vor, als verfahre man nach der Methode, sich laufend im Kreise zu drehen: Durch die Stillegungen der Zechen haben die Knappschaften weniger Einnahmen, die Bundeszuschüsse werden größer, die Lasten werden gleichzeitig größer - das dreht sich dauernd im Kreise, und deswegen ist keine Möglichkeit gegeben, diese dringenden sozialpolitischen Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Wir erinnern uns bei dieser Frage ein bißchen an die Handhabung der Probleme aus dem Bereich der Landwirtschaft. Wir haben uns heute mittag ja bei der Erklärung der Regierung darüber schon unterhalten können. Sie müssen verstehen, daß die Bergleute angesichts der Gleichartigkeit dieser Fragen und angesichts der Unterschiedlichkeit der Behandlung in finanzieller Hinsicht kein Verständnis aufbringen können und auch kein Verständnis aufbringen werden.
Es ist unsere Aufgabe, für die Sicherheit im Bergbau zu sorgen und auch die sozialen Probleme zu lösen, die durch die Strukturveränderung, durch die notwendige Rationalisierung hervorgerufen werden. Diese Fragen dürfen eben nicht nur auf dem Rücken des Bergmannes ausgetragen werden. Wenn wir den Bergbau als Grundstoffindustrie erhalten, ihm einen sicheren Platz im Rahmen der Volkswirtschaft geben und die Bergleute im entsprechenden Ausmaß hierfür halten wollen, müssen wir eben den Menschen in den Mittelpunkt stellen, ihm die entsprechende Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihm das entsprechende Verständnis entgegenbringen.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute vormittag auf die Freiheit hingewiesen. Wir meinen eben, daß zur Freiheit für den einzelnen Menschen auch die entsprechende Sicherheit und dafür auch die entsprechende Unabhängigkeit gehören. Aus diesem Grunde werden wir uns erlauben, Sie wieder mit dem Problem der Altersgrenze zu beschäftigen; wir werden uns damit auseinandersetzen.
({3})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Gesetzentwurf über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1965, 1966 und 1967, Drucksachen IV/2471, bzw. IV/2752.
Ich rufe in zweiter Beratung auf den § 1 mit den vom Ausschuß beschlossenen Änderungen, die §§ 2 bis 16 einschließlich Einleitung und Überschrift. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Auf Grund der langen allgemeinen Aussprache, die wir über die gesamte Lage hatten, wird hier eine allgemeine Aussprache sicherlich nicht mehr gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über Punkt 3 b). Es liegen drei Anträge zu den Großen Anfragen vor, der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 510 *), der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 511 und der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 514. Es ist wohl am zweckmäßigsten, wenn ich über die Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs abstimmen lasse, zuerst also über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 510.
({0})
- Gut. Soll an den Ausschuß für Wirtschaft überwiesen werden?
({1})
- Alle drei von mir bereits aufgerufenen Anträge werden an den Ausschuß für Wirtschaft überwiesen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, mir ist eine interfraktionelle Vereinbarung mitgeteilt worden, nach der nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung vorgezogen und behandelt werden soll. - Widerspruch erfolgt nicht.
*) Siehe Anlage 4
Vizepräsident Dr. Jaeger
Dann rufe ich Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung und zu dem Notenwechsel vom 16. Mai 1963 ({2}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({3}) ({4}).
({5})
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Paul, hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt; ich danke ihm dafür.
In zweiter Beratung rufe ich Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Ausprache. Wer wünscht das Wort? - Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Im Jahre 1941 wurde in Spanien die Aufstellung einer Freiwilligendivision proklamiert, die auf deutscher Seite gegen die Sowjetunion kämpfen sollte. Dies geschah vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Forderung nach dem Kriegseintritt Spaniens an der Seite der sogenannten Achsenmächte einerseits und dem Bemühen, für den Einsatz der „Legion Condor" im spanischen Bürgerkrieg eine Gegengabe zu bieten, andererseits. Ein weiterer Grund für die Entsendung einer spanischen Division an die Ostfront ist militärisch-taktischer Natur: Die Armeeführung wollte einen möglichst großen Teil des Offizierskorps mit moderner Kriegführung bekanntmachen. Deshalb wurden die Offiziere nach entsprechender Fronterfahrung bald abgelöst und durch andere ersetzt. Insgesamt waren 5000 bis 6000 spanische Offiziere bei der Blauen Division, eine Anzahl, die in keinem Verhältnis zur Mannschaftsstärke 'stand. Der Fronteinsatz war also - will man von den außenpolitischen Überlegungen der spanischen Seite, welche nur die Spanier selbst zu vertreten haben, absehen - ein Manöver zwecks Erlernung moderner Kriegführung mit neuesten Waffen, ein sehr blutiges, risikoreiches und verlustreiches Manöver. Deshalb wurde die 250. Division im Jahre 1943 auch wieder zurückbeordert.
Die traurige Hinterlassenschaft dieses Manövers sind ca. 1000 Kriegsbeschädigte, 1200 Eltern gefallener Soldaten, 110 Witwen und 5 Waisen. Die Versorgung dieser Opfer ist nach unseren Begriffen
völlig unzureichend; sie richtet sich nach dem militärischen Rang und den entsprechenden Bezügen. Dafür müssen die Beschädigten, soweit sie nicht Schwerstbeschädigte sind, noch Dienst verrichten. Eine zusätzliche Versorgungsrente kennt man nicht. Ähnlich unzulänglich ist die Versorgung der Hinterbliebenen.
Die Angehörigen der spanischen Freiwilligendivision können nach Meinung der SPD-Fraktion nicht mit den ehemals Wehrdienstverpflichteten aus Luxemburg und Belgien, hier also aus dem Raume Eupen-Malmedy, gleichgestellt werden. Hier handelt es sich um ehemalige Soldaten, die, wie der Fachausdruckseinerzeit hieß, eingedeutscht worden sind. Die Soldaten der Blauen Division kamen auf Veranlassung ihrer Regierung aus Gründen, die nur diese Regierung zu vertreten hatte, wie eingangs schon dargelegt wurde.
Daraus folgt: Zuständig für die Abgeltung der durch den Einsatz dieser spanischen Division entstandenen Schäden ist allein der spanische Staat.
({0})
Die deutsche Staatskasse kann nicht die Aufgabe haben, unzureichende innerspanische Versorgungsleistungen aufzustocken.
({1})
Angesichts der Tatsache, daß man bereit ist, den spanischen Freiwilligen Versorgung zu gewähren, sich aber um die südtiroler Kriegsbeschädigten fast gar nicht gekümmert hat, ist die Frage nach dem Warum berechtigt. Die Südtiroler deutscher Sprache hatten fast alle für Deutschland optiert und wurden wehrdienstpflichtig. Sie müßten also ebenso behandelt werden wie die Luxemburger oder die ehemaligen Soldaten aus dem Raume Eupen-Malmedy. Tatsächlich ist aber für diesen Personenkreis noch nichts erreicht worden. Die SPD-Fraktion erwartet, daß die Bundesregierung energisch an dieses Problem herangeht. Es geht nicht an, daß man sich bemüht, Spanier zu versorgen, und die Südtiroler darüber vergißt.
({2})
Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat bei der Beratung des vorliegenden Vertrages vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates erklärt, dem Ministerpräsidenten und Vertreter des Staatschefs in Spanien Muños Grande liege diese Sache sehr am Herzen.
({3})
Spanien erhebe diese Forderung auf Einbeziehung in die deutsche Kriegsopferversorgung schon seit zehn Jahren.
({4})
Da drängt sich der Verdacht auf, daß Herr von Merkatz mit der Paraphierung dieses Vertrages die innerpolitischen Verhältnisse in Spanien stabilisieren helfen wollte,
({5})
Höhmann ({6})
eine rührende Geste zwischen Gleichgesinnten,
({7})
ein Liebesdienst zur Festigung der Macht des ehemaligen Capitan general Muños Grande - er war der Chef der Blauen Division - und des ehemaligen Gefreiten - das ist wohl die erste Stufe für höchste Staatsämter - dieser Einheit Castiella. Ich denke, daß man diese rührende Geste tatsächlich nur um der guten Freundschaft willen gemacht hat und um einen entsprechenden Liebesdienst zu erweisen.
Die SPD-Fraktion kann sich dieser Haltung nicht ausschließen. Sie lehnt es ab, dem spanischen Staat Versorgungsaufgaben abzunehmen.
({8})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu diesem Komplex folgendes erklären. Es ist richtig, daß im letzten Krieg mehrere tausend Spanier mit Zustimmung der spanischen Regierung auf deutscher Seite gekämpft haben und daß mehrere tausend von ihnen gefallen sind oder verwundet worden sind. Die spanische Regierung hat die Bundesregierung seit mehreren Jahren darum gebeten, diesen Spaniern und ihren Hinterbliebenen eine Versorgung zu gewähren. Die Bundesregierung hat geglaubt, sich dieser Bitte nicht entziehen zu sollen.
Sie hat sich dabei auch von der Haltung leiten lassen, die Spanien in den für Deutschland lebenswichtigen Fragen einnimmt. Die spanische Regierung hat den Standpunkt Deutschlands in der Frage der deutschen Wiedervereinigung, in der Berlinfrage, in der Frage der Nichtanerkennung der sowjetischen Besatzungszone stets rückhaltlos unterstützt. Spanien ist eines derjenigen Länder, das in den für uns lebenswichtigen Fragen auf unserer Seite steht.
({0})
- Ich glaube, das ist ein Argument, das in den außenpolitischen Beziehungen in Betracht zu ziehen ist.
({1})
Im Hinblick auf das, was soeben über die Südtiroler gesagt worden ist, darf ich mitteilen, daß nach einer Regelung, die vor wenigen Monaten getroffen wurde, auch die Südtiroler, die auf seiten der deutschen Wehrmacht gekämpft haben, in den Genuß von Versorgungsbezügen gelangen werden.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Gesetz zunächst aus sozialen und menschlichen Gesichtspunkten zu. Ich meine, daß wir Verantwortung tragen für die Erbmasse des Dritten Reiches im Guten und im Bösen und daß wir eine derartige Verantwortung auch in diesem Falle nicht einfach vom Tisch wischen können.
({0})
Aber ich gebe gern zu, daß mit diesem Gesetz und der Zustimmung der CDU/CSU zu diesem Gesetz auch bewußt eine freundliche Geste gegenüber dem spanischen Staat gemacht wird.
({1})
Uns verbindet mit Spanien eine langjährige gute Tradition ungeachtet der innenpolitischen Verhältnisse, die in diesem Staate herrschen mögen. Wir müssen auch zusammen mit dem Herrn Staatssekretär Dr. Carstens erkennen, daß die gegenwärtige spanische Regierung eine ausgezeichnete Haltung in der deutschen Frage und in der Berlin-Frage eingenommen hat. Gerade in diesen Tagen wird in Madrid ein Platz nach Berlin benannt. Ich meine, daß es eine ungute Angelegenheit ist, gegen einen Staat und gegen eine Regierung hier zu polemisieren, die uns gerade in der nationalen deutschen Frage in allen internationalen Organisationen unterstützt hat.
({2})
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Rede hinweisen, die der spanische Außenminister in der letzten Generalversammlung der Vereinten Nationen gehalten und in der er sich in einer ganz besonders intensiven Weise gerade für unsere Belange eingesetzt hat. Ich darf auch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß Spanien seit einiger Zeit eine bewußte Hinwendung zu Europa vorgenommen und eine bewußte innenpolitische Liberalisierung durchgeführt hat.
({3})
In diesem Zusammenhang möchte ich nur erwähnen, daß das Protestantenstatut in diesem Jahr die Zustimmung des spanischen Episkopats gefunden hat und damit auch auf diesem Gebiete Dinge abgebaut werden, die uns von unserem Standpunkt aus an der spanischen innenpolitischen Entwicklung nicht gefallen haben.
({4})
Meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, gerade aus Ihren Reihen kommt doch das Wort von dem „Wandel durch Annäherung". Soll das nur für kommunistische Staaten gelten oder gilt das auch für einen Staat wie Spanien?
({5})
Wir können doch einfach nicht übersehen, welche Rolle bei der Frage der westlichen Verteidigung der spanische Staat spielt.
Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen, daß es für mich eine sehr ungute Angelegenheit ist, daß hier die innenpolitischen Probleme eines anderen
Landes in einer derartigen Weise beleuchtet werden, wie das gerade geschehen ist. Es gibt viele Länder mit innenpolitischen Verhältnissen, die wir kritisieren würden. Wenn wir aber beginnen wollten, das im Deutschen Bundestag zu tun, würden wir bald einen Scherbenhaufen in der deutschen Außenpolitik und einen Scherbenhaufen in der deutschen Frage haben.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krümmer.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei sieht in dem vorliegenden Vertragswerk, das nun zum Gesetz werden soll, die Erfüllung eines Gebotes der Menschlichkeit, eines Gebotes, das aus einer Zeit stammt, die, rückwärts betrachtet, sehr unerfreulich gewesen ist. Aber die Menschen, die sich damals eingesetzt, die Gesundheit und Leben verloren haben, haben das gleiche getan, was unzählige andere auch getan haben, denen man nun einfach auf Grund einer menschlichen Verpflichtung einen gewissen materiellen Ausgleich gewähren möchte.
({0})
- Ich komme gleich darauf. Es gibt sehr viele derartige Fälle, die, rückschauend betrachtet, ganz anders aussehen als in dem Augenblick, in dem diese Menschen sich eingesetzt haben.
Ich darf einschalten, daß wir mit Befriedigung von der Mitteilung des Herrn Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Kenntnis genommen haben, daß für. die Südtiroler aus einem gleichen Grundsatz heraus eine Regelung gefunden werden soll.
Nun aber zurück zur 250. Division. Wenn man den Grundsatz der Menschlichkeit anerkennt und wenn man weiß, daß die Hilfe, die vom eigenen Staat geleistet wird, nicht dem entspricht, was wir für unsere Menschen für richtig halten, so muß man eine Regelung treffen, und diese Regelung kann doch nur mit der spanischen Regierung im Vertragswege getroffen werden. Mit dieser Regierung unterhält die freie Welt weitestgehend Beziehungen zum Teil sehr enger Art, und auch wir haben mit dieser Regierung politische und diplomatische Beziehungen aus wohlerwogenen Gründen. Gewiß, wir sind entschlossen, bei uns nicht wieder einen Rückfall in ein System zu riskieren, das wir mit all seinen Folgen erlebten und in grauenhafter Erinnerung haben. Aber es hängt nicht von uns ab, wer in Madrid regiert und wie in Spanien regiert wird. Das ist nicht unsere Angelegenheit. Verzeihen Sie, wenn ich die Frage stelle: Wie wäre es, wenn jenes Land
- statt jetzt unsere Politik, unser Anliegen zu unterstützen - von Moskau abhängig geworden wäre?
({1})
- Sie wissen, was vorangegangen ist und was sich in Spanien vollzogen hat. Man muß den geschichtlichen Ablauf in einem größeren Zusammenhang sehen.
({2})
- Ja, das ist eine Angelegenheit, die Sie nicht ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen können.
({3})
Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir aus all den Überlegungen menschlicher und durchaus politischer Art, die ich Ihnen vorgetragen habe, um Annahme des Gesetzentwurfs bitten.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zu dieser Debatte. Zunächst: wenn man jetzt hier so tut, als ob das Wort „Wandel durch Annäherung" ein Wort der Sozialdemokraten sei, so muß ich sagen, Herr Majonica: das stammt von Präsident Kennedy, soviel ich weiß, nicht aber von den Sozialdemokraten.
({0})
- Herr Majonica, an dem Wort ist etwas Gutes dran, und ich würde Ihnen darin recht geben, daß man sich das nach allen Seiten überlegen muß. Sie können sicher sein, daß wir uns das überlegen.
({1})
Wir überlegen uns das auch in bezug auf unsere Beziehungen zu Spanien. Wir legen Wert darauf, zu dem spanischen Staat, so wie er nun einmal ist, gute Beziehungen zu haben, und eine sozialdemokratische Regierung würde versuchen, gute Beziehungen zu Spanien aufrechtzuerhalten.
({2})
Aber was hat das mit dem Problem zu tun, mit dem wir uns hier bei diesem Vertrag beschäftigen? Hier geht es darum, wer eine bestimmte Last tragen muß, .die durch .den 2. Weltkrieg entstanden ist. Wir bekennen uns dazu, daß wir immer dann für Lasten aus dem 2. Weltkrieg einspringen, wenn kein anderer höherrangiger Lastenträger da ist. Wenn z. B. Staatenlose aus den baltischen Staaten Kriegsversehrte sind und in .diesem Land leben, bekommen sie Renten wie die deutschen Staatsangehörigen selber. Wo immer die Opfer des Krieges zu Hause gewesen sein mögen, welche Nationalität sie immer gehabt haben mögen, welche politische Gesinnung sie immer gehabt haben mögen, wir stehen gerade für sie. Wenn wir hier diesen Vertrag ablehnen, so nicht deswegen, weil hier unterstellt würde, daß die unfreiwillig Freiwilligen Faschisten gewesen seien, sondern deswegen, weil doch ein wenig Ordnung
auch in solchen Dingen herrschen muß. Nicht das Deutsche Reich war verantwortlich dafür, daß die Angehörigen der Blauen Division auf deutscher Seite gekämpft haben, sondern das waren Überlegungen im Interesse der spanischen Regierung, und die spanische Regierung soll die Konsequenzen ihres eigenen Handelns tragen.
({3})
Darauf kommt es uns an und auf gar nichts anderes. Unterstellen Sie nicht, daß bei unserer Ablehnung dieses Vertrages Motive innerpolitischer oder ideologischer Art eine Rolle spielten! Sie spielen keine Rolle. Wenn morgen eine andere Regierung käme und sagte: Wir haben mit unseren Truppen auf eurer Seite gekämpft, bei uns sind die Renten niedriger als bei euch; nun, liebe Deutsche, stockt unsere Renten einmal auf die deutsche Höhe auf!, dann würden wir auch bei einem sehr befreundeten und demokratischen Staat - es gibt einen solchen Fall, wo das theoretisch denkbar wäre - sagen: Nein, dieses Land muß selber für eine diesem Land und seinem Lebensstandard angemessene Versorgung aufkommen. Das ist der einzige Grund, der uns bei der Ablehnung dieses Antrags leitet.
({4})
Und nun gestatten Sie noch ein Wort zum Umgang mit Diktaturen unter ideologischen Gesichtspunkten.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Bitte, Herr Majonica.
Herr Kollege Dr. Mommer, soweit ich die Geschichte kenne, hat sich die spanische Regierung mit der Blauen Division freigekauft von dem Eintritt Spaniens an der Seite Hitlers in den 2. Weltkrieg. Wäre Ihnen der Gesamteintritt Spaniens in den 2. Weltkrieg sympathischer gewesen?
({0})
Herr Majonica, wenn das so gewesen ist, wie Sie es hier sagen - was ich nicht nachprüfen kann -, konnte Franco in diese Lage nur kommen durch seine eigene Politik, durch seine eigene Verfilzung mit dem nationalsozialistisch-faschistischen Regime in diesem Lande.
({0})
Zum Umgang mit Diktaturen: Es ist ganz gut, daß wir die Gelegenheit haben, einmal ein Wort dazu zu sagen. Wir müssen uns bemühen um gute Beziehungen zu allen Ländern, und wir dürfen nicht nach der demokratischen Legitimation der Regierungen so sehr fragen, wie wir das nach unseren eigenen Überzeugungen manchmal tun möchten. Aber es gibt da ja doch eine Frage, die sich uns im Umgang mit den Diktaturen von rechts und von links immer wieder praktisch stellt. Herr Majonica, ich würde mich
freuen, wenn Sie und Ihre Freunde im Umgang mit der spanischen Diktatur so viel Zurückhaltung üben würden, wie wir z. B. üben im Umgang mit der jugoslawischen Diktatur.
({1})
Wir bringen nämlich immer sehr deutlich zum Ausdruck: Da gibt es eine tiefe Kluft zwischen uns, die an Freiheit und Menschenrechte glauben und darin das höchste Gut in unserem Staate sehen, und denen, die das anders handhaben.
({2})
- Ich spreche jetzt zu den innerpolitischen Aspekten. Ich habe deutlich gemacht, daß ich die Gelegenheit ergreifen möchte, dazu einmal ein Wort zu sagen. Ich muß Ihnen sagen, der Reiseverkehr, der sich manchmal zwischen hier und Madrid entwickelt, gefällt mir so wenig, wie es mir gefällt
({3})
- ich weiß, Vorsicht -, wenn linksradikale Gruppen in der Bundesrepublik, die es einmal gab - praktisch sind sie heute inexistent -,
({4})
einen Reiseverkehr mit Jugoslawien entwickeln. Wenn man das sehr intim gestaltet,
({5})
muß ich mir gestatten, an der Festigkeit der demokratischen Überzeugung dieser Reisenden zu zweifeln.
({6})
- Ich habe gesagt: Wenn man 'diese Beziehung intim gestaltet, scheint mir Vorsicht geboten zu sein.
({7})
- Es ist gut, daß die Gelegenheit da ist, dieses harte Wort einmal zu sprechen.
({8})
Es liegt an Ihnen, im Umgang mit Diktaturen so zu verfahren, wie wir das tun. Wenn Sie uns beobachten, dann sehen Sie, wie sehr vorsichtig wir da sind, daß wir niemals Anlaß geben zu dem Verdacht, daß wir Sympathien für ein diktatorisches Regime in einem anderen Land haben könnten.
Um gute auswärtige Beziehungen wollen wir uns jederzeit bemühen, mit Spanien sowohl wie mit anderen diktatorisch regierten Ländern. Aber unsere demokratische Überzeugung leitet uns auch bei der Wahl unserer politischen Reiseziele.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kohut.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein kurzes Wort! Wenn es um Renten geht, werden wir von aller Welt in Anspruch genommen.
Ich möchte nur einen Vorschlag zur Güte machen. Vielleicht kann man dem Generalissimus Franco
ein Kompensationsgeschäft vorschlagen: gegen die Division, die er uns, vielmehr Hitler, gestellt hat, mit der Legion Condor aufzurechnen. Ich glaube, die Legion Condor hat ihm im Spanischen Bürgerkrieg doch außerordentlich geholfen. Vielleicht wäre das ein Vorschlag. Man läßt dieses Gesetz unter den Tisch fallen und unterbreitet der spanischen Regierung diesen Kompromißvorschlag.
({0})
Das Wort hat der Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mommer, Sie haben die „demokratische Zuverlässigkeit" einiger Mitglieder dieses Hauses mit einem Fragezeichen versehen. Ich möchte Sie herzlich bitten, diesen Vorwurf zurückzunehmen. Es hat von Ihrer Fraktion oft genug Appelle gegeben - Sie selbst gehören auch dazu -, so etwas nicht zu tun.
Sie erweisen dem Hause einen guten Dienst, wenn Sie hier heraufkommen und dieses Fragezeichen zurücknehmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeornete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es nützlich ist, wenn wir uns hier einmal so unterhalten. Ich will natürlich niemanden beleidigen, und ich möchte auch nicht behauptet haben - das habe ich auch nicht -, daß diejenigen, die da einen intensiven Reiseverkehr entwickeln, nun keine Demokraten seien. Aber fassen Sie das, was ich gesagt habe, bitte als Mahnung auf.
({0})
Wenn es auf zukünftige Entwicklungen Einfluß hat,
hat es sich gelohnt, daß ich das Wort ergriffen habe.
({1})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung und zu dem Notenwechsel vom 16. Mai 1963. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekannt. Mit Ja haben 168 Mitglieder des Hohen Hauses gestimmt, mit Nein 120, ein Abgeordneter hat sich enthalten. Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Die Tagesordnung ist heute ergänzt worden um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über die von der Bundesregierung beschlossene Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({1}) ({2}).
Ich schlage Ihnen vor, diesen Punkt jetzt zu behandeln. - Widerspruch erfolgt nicht.
Es liegt der Schriftliche Bericht des Abgeordneten Urban vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses, die Verordnung unverändert anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, daß wir das Rentenanpassungsgesetz jetzt vorziehen. Ich bin mir dabei der Zustimmung aller Fraktionen sicher.
Es wird also vorgeschlagen, Punkt 12 der Tagesordnung vorzuziehen. Der Bericht des Haushaltsausschusses liegt nunmehr vor. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ({0}) ({1})
in Verbindung mit dem Sozialbericht 1964 ({2})
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({4}),
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({5}) ({6}).
({7})
Der Bericht des Haushaltsausschusses, erstattet von Herrn Abgeordneten Dr. Götz, liegt vor. Ist eine mündliche Ergänzung notwendig? - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
Berichterstatter für den Ausschuß für Sozialpolitik ist der Abgeordnete Büttner. Auch er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich erteile ihm das Wort zu einer Berichtigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nur eine ganz kurze Berichtigung bekanntgeben. Im Schriftlichen Bericht
Drucksache IV/2753 muß auf Seite 2 der Absatz vor „Besonderer Teil" lauten:
Der mitberatende Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung am 2. Dezember 1964 beschlossen, dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuß für Sozialpolitik beschlossenen Fassung zuzustimmen.
Die Berichtigung wird zu Protokoll genommen.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe die §§ 1, 2, 3 und 4 auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu § 5. Dazu liegt der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 513 *) Ziffern 1 und 2 vor. Der Antrag wird begründet. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in diesem Jahr sprechen wir wieder den Sonderzuschuß der Rentengesetze des Jahres 1957 an. Er ist wohl eines der unerfreulichsten Dinge in der Rentengesetzgebung überhaupt.
Der Sonderzuschuß wurde seinerzeit rund 1,5 Millionen Rentnern bei der pauschalen Umstellung nach Tabellen, die 6,5 Millionen Rentner betrafen, gewährt. Durch die Eigenart - dieses Wort „Eigenart" möchte ich unterstreichen - des aufgebauten Tabellen-Zahlenmaterials, kam eine sehr starke Verzerrung unseres Rentengefüges heraus. Bei diesem Mechanismus der Umstellung wären 1,5 Millionen Rentner völlig leer ausgegangen, wenn man nicht auf den Einfall gekommen wäre, einen sogenannten Sonderzuschuß in Höhe von 21 DM 'bzw. 14 DM für die Witwe zu gewähren. Nicht einmal alle diese Menschen haben die vollen 21 DM oder 14 DM bekommen, sondern wenn bei der pauschalen Umstellung - um ein Beispiel zu bringen - 10 DM als Erhöhung herauskamen, also „errechnet" wurden, wurden im Falle meines Beispiels nur 11 DM Zuschlag gewährt. In allen sechs Rentenanpassungen ist dieser Sonderzuschuß nicht in die Anpassung einbezogen worden. Ein Teil dieser 1,5 Millionen Renten - ich habe es Ihnen soeben zu erklären versucht: 10 DM plus 11 DM - ist inzwischen ausgelaufen, da diese 11 DM durch die Anpassung aufgebraucht worden sind. Es sind jetzt noch ungefähr 1 Million Menschen übrig, die wirkliche Kleinstrentner sind, und es ist paradox, angesichts der allgemeinen Lage und der Finanzlage der Rentenversicherungen, die erfreulicherweise als gut zu bezeichnen ist, diese Menschen mit Kleinstrenten auszuschließen, soweit es den Sonderzuschuß betrifft. Diese Rentner könnten gerade eine bessere Aufbesserung gebrauchen.
Es wird hier immer angeführt, die Rente sei jetzt eine „lohnbezogene Rente". Wenn wir mehr Zeit
*) Siehe Anlage 5
hätten, könnten wir Ihnen klarmachen, daß von einer reinen Lohnbezogenheit bei der Eigenart dieses Anpassungsmechanismus überhaupt nicht gesprochen werden kann. Global könnte man davon reden; aber eine ganze Reihe von Renten sind ganz unterschiedlich herausgekommen, und wenn schon von Lohnbezogenheit gesprochen wird, muß man bei diesen kleinen Renten an die niedrigen Einkommen dieser Menschen um die Jahrhundertwende erinnern, die den Renten zugrunde lagen. Hier soll ja jetzt erfreulicherweise durch eine in der Beratung befindliche „Härtenovelle" ein Ausgleich erfolgen. Wenn das alles also Unsinn sein soll, dann wäre ja auch die Härtenovelle vollkommen unsinnig. Dieser Sonderzuschuß ist eine soziale Angelegenheit und als solche, glaube ich, auch 1957 vom ganzen Hause verstanden worden. Wenn es also 1957 eine soziale Angelegenheit und ein Härteausgleich gewesen ist, dann ist es doch heute, im Jahre 1964, vollkommen unverständlich, daß man nach den Preissteigerungen und nach den prozentualen sechsmaligen Anpassungen, die ja auch die Veränderung in unserem Sozialgefüge zum Ausdruck bringen, nicht endlich bei der siebenten Rentenanpassung diese Dinge für die Menschen, die damals schon einen solchen Härteausgleich von der sozialen Seite her bekommen mußten, korrigieren will.
Erfreulicherweise - ich weiß nicht, ob das alle Kolleginnen und Kollegen wissen - ist der Bundesrat diesmal zum erstenmal einstimmig der Auffassung gewesen, daß es aus einer ganzen Reihe von Gründen jetzt an der Zeit ist, auch den Sonderzuschuß in die Anpassung einzubeziehen. Der Bericht spricht an einer Stelle davon, daß auch bei höheren Renten der Sonderzuschuß gewährt werde. Das kann vorkommen; aber ich bitte, mir aus meiner Kenntnis der Dinge abzunehmen, daß es sich zu 95% um Klein- und Kleinstrentner handelt, die diesen kleinen Zuschuß bekommen haben, den wir nun sechsmal nicht einbezogen haben.
Die finanzielle Last, die der Bundeshaushalt seinerzeit übernommen hat, ist von Jahr zu Jahr rückläufig gewesen. Die Finanzlage bei der Rentenversicherung ist so gut, daß nach unserer Auffassung die Kosten, die von Fachleuten des Bundesrates auf 35, 38, vielleicht auch 40 Millionen DM geschätzt sind, bei einer Kassenlage von 24 Milliarden DM von den Rentenversicherungen verkraftet werden können, ohne daß also der Bundeshaushalt, der Steuerzahler in irgendeiner Form in Anspruch genommen wird.
Deshalb legen wir Ihnen auch in diesem Jahr wieder unseren Änderungsantrag vor, in § 5 Abs. 1 die Worte „den Sonderzuschuß und" zu streichen und in Konsequenz dessen den § 5 a einzufügen, also eine grundsätzliche Änderung des Rentengesetzes in bezug auf die Einbeziehung des Sonderzuschusses vorzunehmen. Dieser Sonderzuschuß ist eine soziale Leistung zum Ausgleich von Härten, eine Leistung, die für den Menschen mit einem sehr kleinen Einkommen gegeben wurde. Ich ersuche deshalb, die kleine Aufstockung dieser Kleinrenten - die für diese Empfänger aber sehr fühlbar ist - bei der siebten Rentenanpassung zu beschließen und damit
Meyer ({0})
der einstimmigen Auffassung des Bundesrates zu folgen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Meyer hat schon darauf hingewiesen, daß wir diesen Vers nun alle Jahre hier wiederhören. Wir können uns der Auffassung, die Herr Kollege Meyer für seine Fraktion vorgetragen hat, nicht anschließen.
Herr Kollege Meyer, es ist nicht so - wie Sie hier vorgetragen haben -, daß diese Minimalrenten, die hier angepaßt werden, nicht lohnbezogen sind. Es ist auch nicht richtig, daß damit das Rentengefüge insgesamt in Frage gestellt wird und es deshalb sehr wohl möglich ist, auch den Sonderzuschuß einzubeziehen. Wir sind der Meinung, daß es viel zweckmäßiger ist, so, wie die Bundesregierung das getan hat, Regelungen in einer Härtenovelle vorzuschlagen, über die wir uns ja in Kürze im Ausschuß zu unterhalten haben werden. Wenn wir jetzt Ihrem Antrag folgten, würden wir in einem sehr entscheidenden Punkte unsere Rentenneuregelungsgesetze von 1957 in Frage stellen.
Wir bitten daher, den Antrag der SPD in allen Punkten abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 513 Ziffer 1, in § 5 Abs. 1 die drei Worte „den Sonderzuschuß und" zu streichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu Ziffer 2 des Umdrucks, dem Antrag, in § 5 den Abs. 4 zu streichen.
({0}) - Ist erledigt.
Wir stimmen ab über § 5 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
({1})
- Wer wünscht sich der Stimme zu enthalten? Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme nun zu Umdruck 513 Ziffer 3, dem Antrag, einen neuen § 5 a einzufügen.
({2})
- Dann komme ich zu den §§ 6 bis 12. Wird hierzu
das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer
den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich komme zu § 13 und damit zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 512 *). Wird das Wort zur Begründung des Antrages gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kohlberger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag auf Umdruck 512 für meine Fraktion zu begründen. Er behandelt ein für die Betroffenen schwerwiegendes Problem. Es betrifft Menschen, die neben ihrer oft bescheidenen Rente auf andere Sozialleistungen angewiesen sind. Deshalb fordert meine Fraktion mit diesem Antrag eine echte Anpassung von Geldleistungen innerhalb dieses Siebenten Rentenanpassungsgesetzes. Es ist keine echte Anpassung, so meinen wir, wenn Hunderttausende von Rentnern nur fünf Monate im Jahr finanzielle Leistungen erhalten, um dann am 1. Juni 1965 real schlechter gestellt zu sein als in den ersten fünf Monaten des Jahres.
Das Parlament muß sich seit Jahren immer wieder mit dieser leidigen Angelegenheit befassen. Das ist meiner Meinung nach keine gute Politik für diesen Kreis von Menschen, sondern eine Politik gegen diesen Kreis, und wir möchten das ändern.
In § 13 Abs. 1 des Siebenten Rentenanpassungsgesetzes wird festgestellt, daß die Erhöhungsbeträge, die zu leisten sind, bis Ende Mai 1965 unberücksichtigt bleiben. Seit einigen Jahren bemüht sich meine Fraktion, die Mehrheit des Parlaments davon zu überzeugen, daß bei der Beratung und Verabschiedung der Rentenanpassungsgesetze die Anrechnung auf die Sozialleistungen bei den Renten ausgesetzt wird. Wir sind davon überzeugt - und das ist in diesem Hause mehr als einmal gesagt worden -, daß es sozial ungerecht und widersprüchlich ist, fünf Monate lang innerhalb eines Jahres finanzielle Mittel zu geben, um sie dann in den weiteren sieben Monaten wieder zu nehmen.
Mehr als eine Million Rentner, so schätzen wir, erhalten nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz. dem Bundessozialhilfegesetz, dem Jugendwohlfahrtsgesetz und einer Reihe anderer Gesetze Beihilfen. Ein großer Teil dieser Rentner wird, wenn es nach Ihrem Vorschlag geht, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, nach fünf Monaten von der Rentenanpassung ausgestoßen. Ich bin der Auffassung, daß das eine Politik der gläsernen Taschen ist, aus denen der Staat wieder nimmt, was er bereits gegeben hat, ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen.
Jedes Mitglied dieses Hauses hat, seitdem es Rentenanpassungsgesetze gibt, Zuschriften von Rentnern erhalten, die auch andere sozialgesetzliche Leistungen empfangen und die berechtigt darüber Klage führen, daß der durch die Rentenanpassung bedingte Erhöhungsbetrag der Renten auf diese anderen sozialgesetzlichen Leistungen angerechnet wird. Die SPD-Fraktion hat bei den Beratungen und Verabschiedungen sämtlicher bisher ergangener
*) Siehe Anlage 6
Rentenanpassungsgesetze aus gesetzgeberischer und sozialpolitischer Verantwortung jeweils mit aller Deutlichkeit auf diese für die Rentner nicht zumutbare und widersinnige Auswirkung der Anpassungsgesetze hingewiesen. Niemand ist hier in diesem Saal, der erklären kann, daß ihm diese Sachlage nicht bekannt sei. Wir fordern auch heute wieder Gerechtigkeit für die Rentner, die - ganz gleich aus welchen Gründen - auch nach anderen sozialgesetzlichen Regelungen leistungsberechtigt sind. Wir sollten uns heute 'bereit erklären, seit Jahren bestehendes Unrecht aufzuheben. Oder soll in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, daß dieser Antrag nur deshalb nicht angenommen werden kann und auch in den letzten Jahren nicht angenommen wurde, weil er von der SPD-Fraktion eingereicht wurde? Daß unser Antrag realisierbar ist und ohne Schwierigkeiten viel Ärger und viel Ungerechtigkeiten beseitigt, wird sicher von niemandem in diesem Hause bestritten.
Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß die Erhöhung aus der Rentenanpassung den Rentnern in jedem Falle und in vollem Umfang zugute kommen und dadurch ihr Einkommen echt und dauernd erhöht werden soll. Den 31. Dezember schlagen wir Ihnen als Kompromiß vor, und zwar deshalb, weil Sie unseren Anträgen auf Anrechnungsfreiheit seit Jahren nicht zugestimmt haben. Wir möchten Ihnen mit diesem Antrag die Möglichkeit geben, einer bis zum 31. Dezember 1965 begrenzten Regelung zuzustimmen. Wir bitten Sie, unserem Antrag auf Umdruck 512, das Wort „Mai" durch das Wort „Dezember" zu ersetzen, zuzustimmen. Damit würden wir erreichen, daß alle Rentner zumindest im Jahre 1965 gerechter behandelt werden und daß die einmal gegebenen Erhöhungsbeträge für rund eine Million Rentner diesen nach einigen Monaten wieder entzogen werden.
({0})
Viezpräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch hier kann man feststellen, daß dieses Problem jedes Jahr bei der Diskussion der Anpassung der Renten zur Sprache kommt.
({0})
- Leider. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist aber nicht so, wie soeben der Sprecher der SPD gesagt hat: Weil der Antrag von der SPD kommt, deshalb wird er abgelehnt. Sie alle wissen, daß wir uns im Kriegsopferausschuß und Sie sich auch im Sozialpolitischen Ausschuß mit diesen Problemen auf Grund eines entsprechenden Antrags eingehend befaßt haben.
Sie haben ohne Zweifel recht, wenn Sie sagen, daß die Anrechnungen eine unliebsame Enttäuschung auslösen. Sie sprechen davon, die geltende Regelung sei ungerecht. Ich möchte Ihnen dazu gleich sagen: Das wäre dann richtig, wenn alle beteiligten Empfänger von Rentenleistungen auf anderen Gebieten
gleichzeitig Rentner aus der Sozialversicherung wären. Das trifft aber nicht zu. In dem Augenblick nämlich, wo Sie hier erhöhen und damit nur diejenigen begünstigen, die Renten aus der Sozialversicherung. bekommen, lassen Sie die anderen stehen, schaffen praktisch also auf anderen Gebieten wiederum Ungerechtigkeiten.
({1})
Weil wir uns ernsthaft mit diesem Problem befaßt haben, haben wir in der Kriegsopferversorgung begonnen, diese Härte ganz entscheidend zu mildern. Sie müssen einmal die Dinge ganz klar und nüchtern sehen. Wir haben nämlich bei den Witwen 25 % und bei den Beschädigten 30 % außer Ansatz gelassen, abgesehen von den fünf Monaten. Und nun muß ich einmal im Zusammenhang sagen, wie sich das in der Praxis auswirkt.
Ich habe gerade vor zwei Tagen einen Bescheid in die Hand bekommen, wo die Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz umgerechnet wurde, und zwar nachträglich nach dem Vierten, Fünften und Sechsten Anpassungsgesetz, also für Zeiten, die zum Teil über zweieinhalb Jahre zurückliegen. Die Überzahlung wurde zunächst festgestellt mit 127 DM. Nach § 60 a bleiben aber 5 DM außer Ansatz; Rückforderung im Ergebnis also 11 DM. Das ist an sich etwas absolut anderes als das, was von Ihnen dargestellt wird.
({2})
- Das ist ein Beispiel, das für alle Renten zutrifft und das zeigt, daß bei nachträglicher Feststellung nur der Betrag angerechnet wird, der über 5 DM liegt.
Wenn Sie jetzt einmal das Bundesversorgungsgesetz in seiner Gesamtheit betrachten, stellen Sie drei Gruppen fest. Die eine Witwe, die nur die Versorgungsrente hat, die lassen Sie auf dem gleichen Stand. Die zweite Witwe, die mit Rente aus der Sozialversicherung jetzt im Durchschnitt bei 300 DM liegt, die also schon mehr hat, soll nach Ihrem Vorschlag zusätzlich etwas bekommen. Die dritte Gruppe bezieht Berufsschadensausgleich. Wenn Sie den Berufsschadensausgleich mit in Betracht ziehen, so ergibt sich: Erhöhen Sie hier die Rente, so wird sich auf der anderen Seite der Berufsschadensausgleich wieder entsprechend verringern. Das müssen Sie in dem Zusammenhang ebenfalls sehen. Wenn Mitte des Jahres neue Rentenfälle kommen, findet in diesen Fällen, weil es neue Anträge sind, eine volle Anrechnung statt.
Sie schaffen auch hier wieder Ungleichheiten. In der Tat müssen all diese Dinge in den zuständigen Gesetzen geregelt werden. In der Kriegsopferversorgung haben wir den Anfang gemacht. In der Sozialhilfe sind die Hilfesätze für den Lebensunterhalt in der Zwischenzeit geändert worden. Bei anderen Gesetzen, die noch in Betracht kommen - Lastenausgleichsgesetz usw. -, kann man diese Dinge nicht generell regeln. Wir würden auch hier wieder neue Ungerechtigkeiten schaffen. Wir können also das
Problem der gegenseitigen Anrechnung nicht mit diesem Gesetz lösen.
Wenn Sie jetzt ein Jahr nicht anrechnen, dann geben Sie der Person, wenn ich annehme, sie hat 100 DM, damit 10 DM für das Jahr 1965. Nun kommt der 1. Januar 1966. Dann müssen sie ab 1. Januar 1966 die Erhöhung vom 1. Januar 1965 anrechnen. Es kann sein, daß das 7 % sind. Dann kann ab diesem Zeitpunkt die Anrechnung unter Umständen höher sein, als sie im Vorjahr war. Sie erhöhen einmal die Rente im Plafond, um ein Beispiel nach dem Bundesversorgungsgesetz anzuführen: bei der Witwe von 300 auf 310 DM. Dabei bleibt es. Sie haben ohne Zweifel damit im Augenblick für ein Jahr eine Nichtanrechnung; dann aber für das volle Jahr.
({3})
- Ich habe Ihnen gesagt, Herr Kollege Schellenberg: a) haben wir praktisch die ersten fünf Monate frei, b) haben wir neu eingeführt, daß über den eigentlichen Freibetrag von 40 DM bei der Witwe 25 und beim Beschädigten 50 DM außer Ansatz bleiben, und c) wäre die Durchführung gar nicht möglich; Sie schaffen verwaltungsmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Wir haben hier einen entscheidenden Ansatz zur Verbesserung gemacht.
Wenn wir aber beim Bundesversorgungsgesetz bleiben und denen, die schon mehr haben, mehr geben und die anderen stehenlassen, was ist dann im Grunde das Ergebnis? Wir müssen doch das System in seiner Gesamtheit sehen und überlegen, was hier getan werden kann. Meine persönliche Meinung geht dahin, daß wir eine entsprechende Gesamtregelung - Anpassung allgemein - finden müssen. Das ist eine ganz natürliche und objektive Überlegung, die vom Grundsatz der Gerechtigkeit bestimmt ist. Diese Haltung nehmen wir nicht deshalb ein, weil die SPD den Antrag gestellt hat, sondern weil die in dem Antrag zum Ausdruck gebrachte Absicht im gesamten gesehen nicht zu dem auch von uns gewünschten Ziel führt.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche die Kollegen von der SPDFraktion an. Sie werden sicherlich nicht ernsthaft den Vorwurf aufrechterhalten, daß wir Anträge nur deshalb ablehnen, weil sie von der SPD kommen.
({0})
Ich glaube, gnädige Frau, die Praxis im Sozialausschuß beweist die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs.
({1})
- Sie konzedieren schon: zum Teil; das ist immerhin eine Berichtigung, zwar keine vollendete, aber eine Teilberichtigung.
Wir empfinden genauso wie Sie die Unerträglichkeit des Systems der Anrechnung von Leistungen. Sie werden sich erinnern, daß wir selber in der Vergangenheit schon einmal einen ähnlichen Antrag gestellt haben, den wir angesichts der Schwierigkeiten bei der technischen Durchführung der Anpassung nicht aufrechterhalten konnten. Der Kollege Maucher hat in etwa schon dargelegt, wie schwierig die Anrechnung wird, wenn wir so verfahren, wie Sie wollen. Wir sind der Meinung, daß das Problem der Anrechnung von Leistungen nicht speziell hier, sondern generell einmal geregelt werden sollte, um Unerträglichkeiten auszuschalten. Wir bitten Sie, diesen Antrag abzulehnen und es bei dem Termin Mai zu belassen.
({2})
Meine Damen und Herren! Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 512, in § 13 Absatz 1 das Wort „Mai" durch das Wort „Dezember" zu ersetzen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zum § 13 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf §§ 14, - 15, - 16, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind zum letztenmal in diesem 4. Deutschen Bundestag dabei, ein Rentenanpassungsgesetz zu verabschieden. Nach dem Wortlaut der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze sind wir gehalten, uns jedes Jahr im Herbst mit der Frage zu beschäftigen, ob denn die Renten, die schon gezahlt werden, der Entwicklung der Löhne und Gehälter angepaßt werden sollen oder nicht. Wir tun dies heute zum siebenten Male.
Es könnte, weil hier keine lebhafte Debatte - wie sonst in sozialpolitischen Dingen - geführt wird, den Anschein erwecken, diese Sache sei nicht von so hoher Bedeutung. Gerade deshalb geziemt es dem Hohen Hause, auch in der Dritten Lesung noch ein paar Worte über dieses Siebente Rentenanpassungsgesetz zu sagen.
Das Siebente Rentenanpassungsgesetz paßt, wie es schon im Namen sagt, zum siebenten Male die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, also aus der Arbeiterrentenversicherung, aus der Angestelltenversicherung und aus der knappschaftlichen Rentenversicherung, an. Es paßt aber auch,
die Renten aus der Unfallversicherung an, und zwar zum zweitenmal, nachdem dieses Hohe Haus das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz verabschiedet hat. Dieses Siebente Rentenanpassungsgesetz hat für die gesetzlichen Rentenversicherungen zur Folge, daß sich die Renten von dem Niveau, das sie nach der Rentenreform 1957 hatten, um 57 % erhöhen. Es hat zur Folge, daß sich die Unfallrenten nach der Verabschiedung des UnfallversicherungsNeuregelungsgesetzes um 15,6 % erhöhen.
Wenn wir einmal die Arbeit nur dieses Bundestags betrachten, können wir alle miteinander mit Genugtuung darauf verweisen, daß sich die Lebenshaltungskosten des Zwei-Personen-Rentnerhaushalts in den Jahren, in denen dieser Bundestag tätig ist, von 105,3 Punkten auf 116,6 Punkte, also um 11,3 Punkte, die Renten dagegen um 32,2 % erhöht haben. Damit wird für den Zwei-Personen-Rentnerhaushalt durch unser Siebentes Rentenanpassungsgesetz eine in Ihrem Wert, in Ihrer Kaufkraft um ca. 20 % höhere Rente erreicht.
Wir haben also die Tatsache zu verzeichnen, daß dieser Bundestag, und zwar jedes Jahr wieder, in ernster und gemeinsamer Arbeit auch an die Rentner gedacht hat. Dies kommt auch in den Durchschnittsrenten zum Ausdruck. Ich will Sie nicht mit Zahlen langweilen, zumal die Aussagekraft bezüglich der Durchschnittsrenten nicht allzu hoch ist. Ich will also durchaus diese Einschränkung machen. Aber ich möchte Sie doch darauf hinweisen, daß die Versichertenrenten in der Arbeiterrentenversicherung im Durchschnitt. 143,2 DM betrugen und 1964, 184,8 DM betragen, daß die Durchschnittsrenten in der Angestelltenversicherung von 222 auf 307 DM und die Durchschnittsrenten in der knappschaftlichen Rentenversicherung von 186 auf 405 DM gestiegen sind.
Sie sehen also, daß sich dieser Bundestag auch den Rentnern gegenüber sehen lassen kann, ,daß er sich seiner Verantwortung bewußt war, indem er dafür gesorgt hat, daß auch die Rentner am wirtschaftlichen Aufstieg teilnehmen können. Wir haben jetzt immerhin eine Ausgabe der Rentenversicherungsträger von jährlich 27 Milliarden DM. Man sollte in der Öffentlichkeit auch einmal sagen, daß so viel vom Sozialprodukt auch denen zur Verfügung gestellt wird, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen. Wir werden durch das Siebente Rentenanpassungsgesetz in den gesetzlichen Rentenversicherungen wieder eine Erhöhung der Zahlungen um 1,7 Milliarden DM erreichen. Dazu kommen noch die entsprechenden Beträge in der Unfallversicherung. Wir wollen damit sagen: Die Rentenversicherungsneuregelungsgesetze von 1957 haben sich bewährt; die lohnbezogene Rente hat sich durchgesetzt und ist - das können wir auch feststellen - in der Welt ein Vorbild geworden. Sicher wird von manchen bezweifelt, daß die Rente Lohnersatz ist, der sie sein soll. Aber wenn an verschiedenen Stellen noch Unzuträglichkeiten festgestellt werden, so müssen wir darauf verweisen, daß in solchen Fällen das Arbeitsleben eben entsprechend kurz oder daß die Löhne damals entsprechend niedrig waren. Wir wissen sehr wohl, daß es auch dabei
noch Möglichkeiten der Bereinigung gibt. Die sogenannte Härte-Novelle ist hier ja nicht umsonst eingebracht worden.
immerhin möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, sagen, daß unser Argument, das wir Ihnen immer entgegengehalten haben, man sollte den Rentenversicherungsträgern auch eine Weile Ruhe gönnen, seinen Sinn hatte. Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat es im Jahre 1958 z. B. noch 111 000 nicht erledigte Anträge gegeben. Jetzt sind es nur noch 70 000. Wir können feststellen, daß die Bearbeitungsdauer inzwischen auf etwa 3 Wochen im Normalfall zusammengeschrumpft ist. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß wir recht beraten waren, als wir beabsichtigten, den Beamten dort in den Anstalten Ruhe zu gewähren, damit sie sich einarbeiten konnten. Außerdem brauchten wir die Erfahrungen dieser Jahre, und wir sind überzeugt, daß wir jetzt bei einer Bereinigung von Härten Besseres leisten können als vorher.
Wir stellen fest, daß die 1957 begründete Solidarität der Generationen sich bewährt hat, daß sie Grundlage unseres Rentenversicherungssystems bleiben soll. Nur so können wir sicherstellen, daß am Wirtschaftsleben der arbeitenden Menschen auch diejenigen teilhaben, die die Voraussetzung für diese Arbeit geschaffen haben.
({0})
Seinerzeit ist gesagt worden, wir könnten das nicht durchhalten. Dieses Argument hat nicht gezogen. Wir haben es durchgehalten. Das Beitragsaufkommen ist keineswegs so klein gegenüber den Ausgaben geworden, daß wir jetzt im Prozentsatz bei den Abzügen hätten höher gehen müssen. Wir können feststellen, daß das Rentenversicherungssystem in diesem Deckungsabschnitt ohne Sorge betrachtet werden kann. Selbstverständlich müssen wir uns für die späteren Deckungsabschnitte jeweils Rechenschaft geben. Wir müssen die notwendige Besonnenheit aufbringen und uns in den Gesetzen danach richten, daß das, was wir heute versprechen, auch morgen gehalten werden kann. Was wir 1957 versprochen haben, hat die Tüchtigkeit unserer Arbeiter und Angestellten in der Solidarität zu den Rentnern uns halten lassen.
Wir bitten Sie, dem Gesetz auch in der dritten Lesung zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich heute nicht einen Streit über einige sozialpolitische Probleme mit dem Kollegen Stingl anfangen muß. Wir haben eine verhältnismäßig starke Übereinstimmung zu verzeichnen. Aber diese Übereinstimmung kommt nicht von ungefähr; denn das, was der Herr Kollege Stingl vorgetragen hat und was Inhalt der Rentengesetze des Jahres 1957 ist, ist -ich möchte das ganz deutGeiger
itch sagen - im wesentlichen der Arbeit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion und der Sozialdemokratischen Partei zu verdanken.
({0})
Wir mußten, lieber Herr Kollege Stingl, einige der wesentlichen Gedanken der Rentenneuordnungsgesetze gegen den Widerstand vieler Teile in der Koalition und sogar in Ihrer CDU-Fraktion durchsetzen - ganz zu schweigen von der Regierung. Wir freuen uns deshalb ganz besonders, daß uns dies gelungen ist, und wir freuen uns darüber hinaus, daß sich das Prinzip, den Rentner, den auf ein Renteneinkommen angewiesenen Menschen an der Einkommensentwicklung teilhaben zu lassen, bewährt hat, so wie wir das schon in unserem Gesetzentwurf vom Jahre 1956 vorgeschlagen haben, also zu einem Zeitpunkt, wo Sie solche Vorlagen noch gar nicht gemacht hatten, zu einem Zeitpunkt, bei dem der damalige Wirtschaftsminister und heutige Bundeskanzler, Professor Erhard, von dem „Gift der Rentendynamik" und davon sprach, daß dieser Rentendynamik „die Giftzähne ausgebrochen werden müßten". Nun, bei der Art, wie der damalige Wirtschaftsminister und der heutige Kanzler Sozialpolitik gemacht hat und noch heute macht, wundert es nicht, daß aus Versehen ganz gesunde und gute Zähne ausgebrochen worden sind. Das ist bei dieser Art von Sozialpolitik auch gar nicht verwunderlich.
Schon bei der Schaffung der Rentengesetze und der Prägung des Begriffs der dynamischen Rente ist von vielen die Gefahr einer Inflation beschworen worden. Es hat viele Unberufene gegeben, die behaupteten, daß die Rentendynamik eine Inflation hervorrufen würde. Ich will mich im einzelnen damit nicht weiter auseinandersetzen, sondern nur bemerken, daß die meisten von uns zwei Inflationen wachen Geistes und Verstandes mitgemacht haben und daraus doch die Erfahrung gewonnen haben, daß weder Lohnerhöhungen, am allerwenigsten aber Rentenerhöhungen die Ursachen von Geldentwertung rund Inflationen sind. Diese Inflationen hatten ganz andere Ursachen, nämlich zwei verlorene Weltkriege, wobei im letzten Kriege die Vermögenswerte von drei oder vier Generationen im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleichgemacht worden sind.
Wir sollten bei der Betrachtung dieser Dinge auch nicht vergessen, bei allem Wohlwollen unserer Arbelt gegenüber, daß wir das eigentliche Ziel der Rentenreform bis heute noch nicht erreicht haben, nämlich das Ziel, daß die auf ein Renteneinkommen angewiesenen Menschen, die Arbeiter ebenso wie die Angestellten, am Ende eines erfüllten Arbeitslebens etwa 75 % ihres Durchschnittsverdienstes als Rente ausgezahlt bekommen.
Herr Kollege Stingl, Sie haben gerade das Problem der Durchschnittsrente angesprochen, und ich muß Ihnen recht geben: An der Entwicklung der Durchschnittsrenten kann man nicht allzuviel ablesen; sie hat wenig Aussagekraft. Aber wie das Ergebnis dieser Entwicklung ist, wird einem deutlicher, wenn man auf die Rentenhäufung hinweist. Dabei ist
immer wieder auf die Tatsache hinzuweisen, daß in der Invalidenversicherung von den männlichen Rentenempfängern aus eigener Versicherung etwa 75 % eine Rente unter 300 DM erhalten. In der Angestelltenversicherung sind es 41 %, die eine Rente unter 300 DM erhalten. Wenn wir bis zu 400 DM gehen, sind es in der Invalidenversicherung 96 % der Empfänger von Invalidenrente aus eigener Versicherung, die eine Rente unter dieser Grenze erhalten, und in der Angestelltenversicherung immerhin 62 %. Ich meine, diese Zahlen sind aussagekräftiger als etwa die Durchschnittsrentenzahlen, bei denen es höhere und niedrigere gibt, die dann den Durchschnitt entsprechend formen.
Wenn wir aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Frauenrenten vergleichen, dann ergibt sich bei der Arbeiterrentenversicherung, daß allein 96 % der Frauenrenten aus eigener Versicherung weniger als 200 DM betragen. In der Angestelltenversicherung sind es 83 % der Rentnerinnen, die eine Rente unter 300 DM erhalten, und wenn wir bis zu 400 DM gehen, liegen sogar 92 % der Frauenrenten aus der Angestelltenversicherung unter diesem Wert.
Ich meine, mit dieser Rentenhöhe wird ganz deutlich aufgezeigt, daß erstens das Ziel der Rentenreform noch nicht erreicht ist und daß darüber hinaus trotz aller Steigerungen auch in der künftigen Zeit noch viel zu tun bleibt, um den Menschen am Ende ihres Arbeitslebens ein angemessenes Einkommen zu geben, den Menschen, die während ihres Arbeitslebens die Voraussetzungen - Herr Kollege Stingl, hier kann ich Sie unterstützen - für das Ergebnis unserer Volkswirtschaft geschaffen haben.
({1})
Wir sollten bei der Betrachtung der Dinge auch daran denken, daß die genannten Rentenerhöhungen nicht ein Geschenk der Koalition, der Regierung oder gar der CDU sind, sondern diese Rentenentwicklungen sind das Ergebnis einer sehr starken Beitragserhöhung, die zum Teil unter großen Opfern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht werden mußte. Denken Sie daran, daß die Rentenleistungen durch diese Beitragsleistungen ermöglicht worden sind! Wir hatten im Jahr 1956 noch einen Beitrag zur Rentenversicherung von 5,9 % des Bruttoverdienstes, während wir seit 1957 einen Beitrag von 14 % des Bruttoverdienstes mit erhöhter Beitragsbemessungsgrenze haben. Diese Erhöhung muß von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebracht werden. Das sollten wir bedenken, damit wir die richtige Relation bei der Betrachtung dieser Entwicklung haben. Ich kann noch einmal unterstreichen, daß durch eine solche Beitragsentwicklung stärker ins Bewußtsein gekommen ist, daß es sich hier eben um die Solidarität der Generationen handelt. Diese Solidarität der Jungen und Arbeitsfähigen für die Älteren und die nicht mehr Arbeitsfähigen ist in der Rentenversicherung schon immer gern erbracht worden.
Ich brauche nicht zu betonen, daß in diesen Renten natürlich Zuschüsse des Staates enthalten sind, die Bundesregierung und Bundestag bewilligen und
festlegen. Aber auch diese Leistungen werden nicht als Geschenke gegeben, sondern zur Abgeltung der Kriegsfolgelasten, ganz abgesehen davon, daß der Anteil der Staatsmittel an der einzelnen Rente keine steigende, sondern eine sinkende Tendenz hat, und ganz abgesehen davon, daß durch die Verbesserung der Rentenleistung auch auf vielen anderen Gebieten nicht unerhebliche Einsparungen gemacht werden können. Es würde einmal lohnen, solche Gegenüberstellungen aufzuzeigen, damit man auch hier richtige Relationen und Größenverhältnisse hat.
Diese Leistungen der Rentenversicherung waren nicht zuletzt aber auch möglich durch die Leistungssteigerung der heutigen Rentner, solange sie noch im Arbeitsleben standen, und die Leistungssteigerung derjenigen, die heute im Arbeitsleben stehen. Ich brauche dafür gar nicht meine eigenen Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Ich hoffe, ich befinde mich hier in guter Gesellschaft, wenn ich den Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herrn Theodor Blank, anführe, der aus Anlaß der Haushaltsberatung darauf hingewiesen hat, daß wir 1960 ein Bruttosozialprodukt von 286 Milliarden DM hatten, daß es 1963 376 Milliarden DM betrug und daß es in diesem Jahre, 1964, nach seiner Schätzung mindestens 410 Milliarden DM betragen wird, und das ohne nennenswerten Zuwachs der erwerbstätigen Bevölkerung, ebenfalls nach einer Feststellung des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Darauf wollten wir noch einmal bei der Betrachtung dieser Dinge hinweisen.
Nun, lieber Herr Kollege Stingl, muß ich ein bißchen Wasser in den Wein gießen - was einem Schwaben sehr schwer fällt -, den Sie und wir im allgemeinen wegen dieser ermöglichten Leistung heute hier kredenzen können, einmal weil Sie nicht einmal unseren bescheidenen Anträgen auf Einbezug des Sonderzuschusses von 14 und 21 DM zugestimmt haben, zum anderen weil Sie dem noch bescheideneren Antrag, wenigstens bis zum 31. Dezember 1965 eine Anrechnung auszusetzen, ebenfalls Ihre Zustimmung versagt haben. Alle Ihre Begründungen, auch Ihre, Herr Kollege Ollesch, treffen den Kern der Dinge nicht. Ich habe mich mehr als gewundert, daß gerade der Kollege Maucher hier darzustellen versucht hat, daß es sich hierbei gar nicht um ein Problem handelt, sondern daß alles das längst bei der Kriegsopferversorgung oder bei einer Reihe anderer Gesetze geregelt sei. Herr Kollege Maucher, ich will jetzt nicht sagen, Sie behaupten das wider besseres Wissen. Ich würde Ihnen aber empfehlen, dieses Problem einmal mit Ihren Freunden bei Kriegsopferverbänden, etwa beim VdK, zu behandeln. Sie werden dann sehen, daß es nicht geregelt ist, auch nicht mit der teilweisen Nicht-Anrechnung. Sie haben hier ein Beispiel gebracht, das sehr schlecht ist: trotz Ihres Rechenexempels ist bei Ihrem Beispiel noch eine Überzahlung von 5 DM vorhanden, die die Rentenempfängerin zurückzahlen muß. So kann man die Frage nicht lösen.
Man kann sie auch nicht damit lösen, daß man sagt, es bestehe eine unterschiedliche Behandlung
derjenigen, die beispielsweise eine Kriegsopferrente erhalten, und denjenigen, die eine Invalidenrente erhalten. Nach der sozialdemokratischen Vorstellung ist dann keine Gleichheit gegeben, wenn man alles gleich schlecht regelt. Man muß vielmehr versuchen, die Frage vernünftig und richtig zu lösen.
({2})
Eine vernünftige und richtige Lösung kann aber nicht darin bestehen, daß man dem, der einen Rechtsanspruch oder einen moralischen Anspruch hat, etwas nicht bewilligt, weil es auch der andere nicht bekommt. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen. Bei einer Behandlung dieser Fragen, so wie Sie sie auch jetzt wieder bei der Abstimmung geübt haben, bleibt, wie Herr Kollege Kohlberger schon ausführte, bei den Empfängern dieser Leistungen das Gefühl zurück, daß die eine Hand etwas gibt, was die andere mehr oder weniger verschämt oder unverschämt wieder zurücknimmt. Die Leistung wird bei einer solchen Handhabung in Frage gestellt. So sollten wir keine Sozialgesetze machen.
Dabei ist noch ganz abgesehen von der ungeheuren Verwaltungsaufblähung, Herr Kollege Maucher. Wenn jetzt die Renten erhöht werden, müssen alle Kriegsopferrenten dagegengerechnet werden und umgekehrt.
({3})
-Natürlich! Und wenn dann nach Jahren verspätet und gegen härtesten Widerstand des Bundeskanzlers die Kriegsopferrenten erhöht werden, dann wird wieder umgekehrt gerechnet. Jedesmal hat der Verwaltungsapparat das Ganze durchzuexerzieren.
({4})
- Nein, man hat es nicht in diesem Maße. Man könnte übrigens noch bessere Regelungen finden, bei denen das ganz ausgeschlossen wäre, Herr Kollege Stingl, aber nicht auf Grund der Vorschläge, die Sie machen. Man braucht nur die Kriegsopferrenten zu dynamisieren; dann wird schon ein Teil geregelt. Aber das nur nebenbei.
Ich muß noch etwas Wasser in den Wein gießen. Bei allem Respekt vor der Erhöhung der Renten dürfen wir auch nicht vergessen, daß die nominale Kaufkraft der Renten eben nicht so zum Ausdruck kommt - der Kollege Stingl hat einige Zahlen genannt - wie die Höhe der Nominalrenten. Ich komme auf etwas andere Zahlen, nehme aber an, daß meine stichhaltiger sind, weil sie nicht von einem optimistischen Koalitionsstandpunkt aus gewonnen sind. Die Renten haben sich seit 1957 etwa um 44 v. H. erhöht, während die reale - ({5})
- Nein, es stimmt nicht ganz, wenn man nur die jeweilige Anpassung nimmt. Die Gesamterhöhung beträgt etwa 44 % - streiten wir nicht um die Höhe; die Relationen bleiben trotzdem -, während real durch die Preiserhöhungen, die rasante PreisGeiger
entwicklung den Rentnern etwa 24 vom Hundert geblieben sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Geiger, ist Ihnen entgangen, daß sich die Erhöhung der Rente jeweils nicht auf 100, also auf die ursprüngliche Rente bezieht, sondern schon auf die erhöhte, und daß dadurch die Gesamterhöhung 57 % - 56,9 %, um es genau zu sagen - und nicht 44 % ausmacht? Wenn sie also 1957 100 war, dann war sie im nächsten Jahr 106,4, und die nächste Erhöhung wurde nicht auf der Basis 100, sondern auf der Basis 106,4 berechnet.
Herr Kollege Stingl, Sie sollten fragen!
Ich bin für mathematische Beispiele dankbar, Herr Präsident, auch dann, wenn sie nicht in eine Frage gekleidet sind. Herr Kollege Stingl, das ist mir natürlich auch bekannt, und ich mache keinen Rechenfehler, wenn ich die Dinge feststelle. Aber es kommt auf den Ausgangspunkt an, und meine Zahlen sind insoweit exakt. Real bleibt den Rentnern etwa eine 24%ige Erhöhung ihres Einkommens. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, was in den letzten Monaten etwa durch erneute Mietsteigerungen für diesen Personenkreis hinzugekommen ist.
Aber ich will diese Dinge hier nicht vertiefen, sondern vielmehr der Freude der Sozialdemokratischen Partei Ausdruck geben, daß es gelungen ist, den von uns aufgestellten Grundsatz zu erhalten, und daß die Anpassung der Renten bisher durchführbar war. Alle Voraussagen, die wir in dieser Sache gemacht haben, waren besser und hatten gültigere Aussagekraft als die Voraussage, die Sie bisher bei jeder einzelnen Rentenanpassung gemacht haben. Ich will jetzt darauf verzichten, Sie daran zu erinnern, wie oft nach Ihren Voraussagen die Rentenversicherungen schon zusammengebrochen sein müßten; ich will es Ihnen im einzelnen nicht vorlesen. Jedenfalls war unsere Meinung, daß diese Leistungen möglich sind, exakter und gültiger als Ihre falschen Prophezeiungen vorher.
({0})
Das schließt nicht aus, daß sich jeder Verantwortliche laufend ernste Sorgen um die künftige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherungen machen muß. Da lassen wir Sozialdemokraten uns von niemandem übertreffen.
({1})
Aber der Sozialbericht und all die anderen Feststellungen haben uns recht gegeben und haben Ihre falschen Prophezeiungen als das erwiesen was sie sind, eben als Unkenrufe, die nicht zutreffen. Ich freue mich, daß das so ist. Aber es bleibt uns auch in
der künftigen Zeit immer noch eine Anerkennung
- Verzeihung: eine Aufgabe.
({2})
- Entschuldigen Sie: es bleibt uns immer noch eine Aufgabe. Die Anerkennung von Ihrer Seite fehlt uns natürlich. - Es bleibt uns eine Aufgabe, eine, wie ich hoffe, gemeinsame Aufgabe, nämlich zu dem Ziel der Rentenreform zu kommen, daß ein Versicherter nach einem erfüllten Arbeitsleben wenigstens eine Rente von etwa 75 % des Durchschnittseinkommens hat. Es bleibt die Aufgabe, entsprechend dem wachsenden Volkseinkommen auch den Anteil der auf ein Renteneinkommen angewiesenen Menschen zu erhöhen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Urheberschaft scheint hinreichend geklärt zu sein. Nun, wir sind keinesfalls die Urheber der dynamischen Rente. Das betonen wir, und das bekennen wir. Ob es eine Belastung für uns ist, daß wir nicht die Urheber sind, das werden die Abgeordneten des nächsten Bundestages erfahren, die sich mit den Fragen der Deckung für den nächsten Deckungsabschnitt beschäftigen, nicht mehr wir.
Wir führen die siebente Rentenanpassung durch, und wir stimmen für diese Rentenanpassung. Aber wir müssen etwas Wasser in den Wein gießen, Herr Kollege Geiger.
({0})
- Ja, wir haben Wasser, Herr Kollege Stingl. Es wird sich herausstellen, wer mit seinen Prophezeiungen recht gehabt hat. Denn auch in diesem Jahre, Herr Kollege, hat der Sozialbeirat eine Beitragserhöhung empfohlen, auch in voller Kenntnis der finanziellen Lage.
Wir nehmen in diesem Bundestag die letzte Anpassung vor. Herr Kollege Stingl hat erklärt, in welcher Höhe die Renten seit 1957 gesteigert werden konnten. Auch wir sind erfreut darüber. Aber wir machen uns natürlich Gedanken für die Zukunft. Denn überall im ganzen Land ist 'bei den jetzt Zahlenden das Gefühl vorhanden, daß sie, wenn sie selber einmal rentenbezugsberechtigt sein werden, schwerlich so hohe Renten erhalten werden, wie sie heute gezahlt werden. Nun, das wird sich herausstellen, wenn wir über die nächste versicherungstechnische Bilanz diskutieren werden. Die Überlegungen, die hier und da schon angestellt werden, die Deckungszeiträume zu verkürzen, sollten uns warnen im Hinblick auf die Sicherung der Finanzierung unserer Rentenversicherung. Wir werden uns hier und heute nicht damit zu beschäftigen haben. Aber auf den nächsten Bundestag kommen diese Fragen sicherlich zu.
Wir stimmen der Rentenanpassung, obwohl wir für das System der Dynamisierung nicht verantwortlich sind, auf der Grundlage der bestehenden Gesetze zu.
({1})
Das Wort. hat Herr Bundesminister Blank.
Zum siebten Male seit der Rentenreform im Jahre 1957 verabschieden Sie ein Rentenanpassungsgesetz. Ich möchte Ihnen allen danken dafür, daß es auch in diesem Jahr gelungen ist, dieses für die Rentner so wichtige Gesetz so rechtzeitig zu verabschieden, daß es noch vor Jahresschluß in Kraft treten kann und die Rentner Ende Februar mit der Rentenzahlung für den Monat März in den Genuß der Rentenerhöhung kommen. Ich weiß, daß es besonderer Anstrengungen und Mühe bedurfte, um diese nicht einfache Materie in der zur Verfügung stehenden Zeit zu beraten und den Entwurf zu verabschieden.
Gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen zur Rentenanpassung: Die Rentenreform des Jahres 1957, die eine entscheidende Änderung in der Auffassung von der Sicherung des arbeitenden Menschen gegen die Wechselfälle des Lebens brachte, hat sich bewährt. Die Rente soll gewährleisten, daß der aus dem Erwerbseben ausscheidende Versicherte nach einem erfüllten Arbeitsleben den im Durchschnitt seiner versicherten Tätigkeit erarbeiteten Lebensstandard aufrechterhalten kann. Aber nicht nur bei der erstmaligen Festsetzung der Rente soll dies gelten; die Rentner sollen auch während der Laufzeit ihrer Rente an der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben.
Der Verwirklichung dieser sozial-ethischen Grundsatzentscheidung des Jahres 1957 dienen die Rentenanpassungsgesetze. Durch die bisherigen sieben Rentenanpassungen - ich rechne die jetzige schon ein - erhöhen sich die Renten seit der Rentenreform tatsächlich um 57 v. H. Im gleichen Zeitraum ist das durchschnittliche beitragspflichtige Entgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung um rund 67 v. H. gestiegen. Die Renten treiben also nicht die Löhne, sondern sie folgen ihnen vielmehr in zeitlichem Abstand. Durch die organische Verbindung der Entwicklung der Renten mit der Entwicklung der Löhne wird gewährleistet, daß die Rentner an dem Wirtschaftsfortschritt in angemessenem Ausmaß teilnehmen, und daran wollen wir festhalten.
Es hat sich gezeigt, daß der mit der Rentenreform im Jahre 1957 beschrittene Weg richtig ist. Er muß nach meiner Auffassung auch konsequent weitergegangen werden. Eine Änderung der Grundgedanken der Rentenreform mit ihrer Anpassung der Renten an den Einkommensfortschritt ist durch nichts begründet.
Diese Auffassung wird auch durch die Daten des Sozialberichts gestützt. Während in den vergangenen Jahren immer noch Bedenken bestanden, ob die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherungen eine Anpassung erlaube, lassen die Angaben über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen im diesjährigen Sozialbericht eindeutig erkennen, daß auch bei weiterer Anpassung in dem laufenden Deckungsabschnitt das gesetzlich vorgeschriebene Rücklagesoll in der Angestelltenversicherung in vollem Umfange und in der Arbeiterrentenversicherung fast voll erreicht wird. Ich bin glücklich, daß allen kritischen Voraussagen zum Trotz die Finanzlage der Rentenversicherungen ian ersten Deckungsabschnitt sich so günstig entwickelt hat, daß bei laufenden Anpassungen am Ende des Deckungsabschnitts am 31. Dezember 1966 das Rücklagesoll praktisch erfüllt sein wird.
Ich bin sicher, daß wir die Finanzierungsprobleme des zweiten Deckungsabschnitts lösen werden, die mit der voraussichtlichen Änderung des Bevölkerungsaufbaus infolge der Zunahme der Zahl der alten Menschen zusammenhängen. Wir werden gemeinsam Mittel und Wege finden, die Finanzlage der Rentenversicherungen so zu gestalten, daß auch .in Zukunft den aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen eine Rente gewährleistet ist, die ihrer Arbeitsleistung entspricht und die sie an dem wirtschaftlichen Fortschritt teilhaben läßt.
Von dieser Stelle aus auch meinen besonderen Dank an den Sozialbeirat. Er ist uns allen auch in diesem Jahr mit seinen in dem Gutachten zusammengefaßten Überlegungen eine wertvolle Hilfe bei der Entscheidung über die Rentenanpassung gewesen. Dank schon im voraus auch wieder an alle Bediensteten der Deutschen Bundespost, die, wie wir wissen, genauso wie in den vergangenen Jahren rechtzeitig die schwierigen Umstellungsberechnungen für unsere Rentner durchführen werden!
({0})
Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Zu einer Erklärung zur Abstimmung 'hat der Abgeordnete Professor Schellenberg das Wort erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich zur Abstimmung folgende Erklärung ab:
Erstens. Die sozialdemokratische Fraktion wird auch dem Siebten Rentenanpassungsgesetz zustimmen.
Die jährliche Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung ist für uns Sozialdemokraten eine selbstverständliche Verpflichtung. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kann es für sich in Anspruch nehmen, diesen Grundsatz zuerst in ihrem Gesetzentwurf vom 18. April 1956 niedergelegt zu haben, dem dann erst mehrere Monate später eine Regierungsvorlage folgte.
Das Prinzip der jährlichen Rentenanpassung war damals noch hart umstritten. Erst nach heftigen politischen Auseinandersetzungen wurde diese Rentendynamik - zum Teil gegen Stimmen von AbgeordDr. Schellenberg
neten der Regierungskoalition, auch derjenigen, die jetzt der CDU angehören -.beschlossen.
({0})
Zweitens. Die Bundesregierung hat - auch das muß festgestellt werden - die jährlichen Rentenanpassungen oft sehr skeptisch beurteilt.
({1})
Wiederholt that die Bundesregierung in ihren früheren Sozialberichten erklärt, es sei gerade noch die nächste Rentenanpassung möglich, dann aber müßten entweder Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen vorgenommen werden.
Beispielsweise hat die Bundesregierung im ersten Sozialbericht behauptet, es würde sich im Jahre 1964, sofern die Renten jährlich angepaßt werden, ein Defizit von 1,2 Milliarden DM ergeben. Tatsache ist aber, daß sich in diesem Jahre - trotz der Anpassungen - ein Überschuß von 2 Milliarden DM ergibt und daß das Vermögen der Rentenversicherungen jetzt rund 24 Milliarden DM beträgt.
({2})
- Es hat sich erwiesen, Herr Kollege Ruf, daß die Sozialdemokraten die Finanzentwicklung der Rentenversicherungen wesentlich zutreffender beurteilt haben als die Bundesregierung und auch die Regierungsparteien.
({3})
Entgegen der Skepsis, die von der Bundesregierung in den verschiedenen Sozialberichten geäußert wurde, hat sich - das können wir mit Freude feststellen - der Grundsatz der jährlichen Rentenanpassung sozialpolitisch und finanziell voll bewährt.
Drittens. In der Rentenanpassung kommen die wirtschaftlichen Leistungen unseres ganzen Volkes zum Ausdruck. Gewiß gewährt der Bund seit jeher Zuschüsse zu den Renten. Der Anteil der Bundeszuschüsse ist jedoch, gemessen an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung, abgesehen von dem Sonderproblem der Knappschaftlichen Versicherung von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die Bundeszuschüsse haben 1957 noch 32 % der Rentenausgaben betragen und sind jetzt auf 22 % der Rentenausgaben gesunken.
({4})
Dementsprechend stieg der Anteil, den die Versicherten und ihre Arbeitgeber aufbringen.
Viertens. Mit Bedauern stellen wir fest, daß die Mehrheit heute zwei wichtige Anträge abgelehnt hat, die größere Gerechtigkeit bei der Rentenanpassung bringen sollten, nämlich Anpassung der Sonderzuschußrenten und Nichtanrechnung der Anpassung für das ganze Jahr 1965.
Meine Damen und Herren, es muß an dieser Stelle festgestellt werden; daß bereits vor drei Jahren bei Verabschiedung des Vierten Rentenanpassungsgesetzes die Bundesregierung auf Grund eines sozialdemokratischen Antrages um Überprüfung der Anrechnungsvorschriften im gesamten Sozialrecht ersucht wurde.
({5})
Diese Angelegenheit ist immer noch nicht erledigt. Das ist eine bedauerliche Tatsache.
Fünftens. Die Rentengesetze enthalten trotz der jährlichen Anpassungen noch zahlreiche Härten und Ungerechtigkeiten. Herr Kollege Stingl hat von der Härtenovelle gesprochen. Bei der Ausschußberatung haben uns aber die Sachverständigen erklärt, daß die Härtenovelle in der Fassung der Regierungsvorlage zwar eine Reihe von Härten beseitigt, aber neue schafft.
({6})
- Darüber werden wir morgen sprechen; denn wir kommen morgen im Ausschuß für Sozialpolitik zur Einzelberatung der Härtenovelle. Ich will an dieser Stelle erklären, daß wir Sozialdemokraten alles tun werden, damit möglichst bald die wesentlichsten Härten und Ungerechtigkeiten des geltenden Rentenrechts beseitigt werden.
Sechstens. Die volle Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung ist für uns Sozialdemokraten ebenso wie die Beseitigung der Härten und Ungerechtigkeiten eine Forderung der Gerechtigkeit.
Es wurde heute davon gesprochen, daß die Renten sich seit 1957 um 57 % bezogen auf 1965 erhöhten. Dennoch bleiben die Renten hinter der Lohn- und Gehaltsentwicklung um 17 % zurück.
Unsere älteren Mitbürger haben durch ihre frühere Arbeitsleistung die Voraussetzung für den Wohlstand von heute und morgen geschaffen. Sie haben sich dadurch ein Recht erworben, ständig, und zwar voll, an der Entwicklung des Wohlstandes teilzunehmen.
({7})
Meine. Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung über das Siebente Rentenanpassungsgesetz. Wer dem Gesetz in der Fassung, die ihm in der zweiten Beratung gegeben worden ist, zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten ({0}) ({1}),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}).
({4})
Vizepräsident Schoettle
Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abgeordneten Kühn vor. In einem Brief des Abgeordneten Kühn wird darauf aufmerksam gemacht, daß in Art. 3 in der Überschrift ein Druckfehler enthalten ist; es muß dort nicht „31. Dezember 1963", sondern „31. Dezember 1964" heißen. - Bitte, Herr Berichterstatter.
Darf ich außerdem darauf hinweisen, daß in Nr. 3 des Art. 3 die Zahl „311,6" in „311,5" berichtigt werden muß. Diese Berichtigung ist gleichfalls in dem Brief enthalten.
Das Haus nimmt diese Berichtigungen zur Kenntnis. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Vier Gegenstimmen. Enthaltungen?
- Keine Enthaltungen. Die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Deneke.
Meine sehr verehrten Damen, Herr Präsident, meine Herren! Wir haben in der zweiten Lesung bereits gegen den Gesetzentwurf gestimmt und wir werden auch in der dritten Lesung dagegen stimmen. Meiner Meinung nach würde sich dieser Gesetzentwurf ganz ausgezeichnet für eine namentliche Abstimmung eignen, und zwar aus drei Gründen. Erstens glaube ich, daß es um eine sehr weittragende Sachentscheidung geht.
({0})
- Ich habe ja noch gar nichts gesagt; Herr Ruf, warten Sie doch erst einmal ab!
({1}) - Sie werden sehen, Sie werden hören.
Meiner Meinung nach geht es in diesem Gesetzentwurf um eine weittragende Sachentscheidung und nicht um eine Entscheidung, die schon 1957 getroffen worden ist; es ist also nicht so, daß nun nur noch berichtigt wird, was 1957 falsch gemacht worden ist.
Zweitens glaube ich, daß eine solche namentliche Abstimmung auch zur Aufklärung der Öffentlichkeit sehr zweckdienlich wäre.
({2})
Ich habe den Eindruck gewonnen, daß allzu viele
ein Interesse daran haben, die Beteiligten und
Betroffenen nicht allzu schnell und allzu voll über
das aufzuklären, was durch diesen Gesetzentwurf auf die Dauer geregelt wird und was dann nachher praktisch noch reparabel wäre.
Drittens glaube ich, daß es eine gute Gelegenheit wäre für ein persönliches Bekenntnis zu dem Für oder Wider einer gegliederten Sozialversicherung, zu dem Für oder Wider echter Selbstverwaltungsaufgaben in den Sozialversicherungsträgern.
({3})
Nun, Sie haben über das Thema „Ausschuß" gesprochen. Im Schriftlichen Bericht steht, daß der Gesetzentwurf und die Änderungen vom Ausschuß ohne Gegenstimmen beschlossen worden sind. Ich bedaure, hier folgendes feststellen zu müssen. Ganz sicher war das Verfahren hinsichtlich der Gestaltung der Tagesordnung im Ausschuß korrekt. Wir haben es dennoch als ungewöhnlich empfunden. Die Tagesordnung der Ausschußsitzung, in der dieser Gesetzentwurf abschließend beraten worden ist, lag schon lange Zeit vor. Auf dieser Tagesordnung stand aber die Beratung dieses Gesetzentwurfs nicht. Wir sind erst am frühen Morgen dieses Ausschußsitzungstages darüber orientiert worden, daß die Herren von der CDU und von der SPD die Entscheidungen über dieses Gesetz noch am Nachmittag ganz schnell treffen wollten.
({4})
- Was heißt „ganz schnell"? Sie haben es eben außerordentlich schnell gemacht. Finden Sie es so ungewöhnlich, daß auch wir uns unter Umständen einmal von einer Ausschußsitzung fernhalten, ohne einen dramatischen Auszug zu veranstalten? Das muß man ja vielleicht auch nicht immer. Sie verhalten sich gelegentlich ja auch so.
({5})
- Sie sind vorher eingezogen? Wir hätten ja auch einziehen müssen, um erst dramatisch auszuziehen. Aber es sind auch noch einige aus dem Ausschuß ausgezogen, ohne das dramatisch zu machen; die haben an der Abstimmung im Ausschuß auch nicht teilgenommen.
({6})
- Nein? Aber ich habe es gerade getan, gnädige Frau. Ich glaube doch, daß ich es vergleichen kann. Ich will Sie natürlich nicht noch viel länger hier in Anspruch nehmen, aber einen Teil der Länge dieser Ausführungen provozieren Sie durch Ihre Zwischenrufe.
Ich möchte jetzt versuchen, zum Sachlichen zu kommen und Ihnen die Gründe unserer Ablehnung zu sagen. Wir lehnen ,dieses Gesetz ebenso ab, wie wir bereits - mein Kollege Ollesch hat schon darauf Bezug genommen - die Grundsatzentscheidung zu diesen Gesetzen im Jahre 1957 abgelehnt haben, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen.
Wir glauben, daß hier ein weiterer Schritt zur Aufgabe des Versicherungsprinzips in der SozialverDeneke
sicherung getan wird. Im Jahre 1957 ging man vom Anwartschaftsdeckungsverfahren zum Abschnittsdeckungsverfahren über, das tatsächlich ein Umlageverfahren ist, ein Umlageverfahren mit längeren Fristen und insofern modifiziert. Wenn Sie jetzt den Wanderversicherungsausgleich abschaffen, befürchten wir, daß Sie sich damit praktisch den Weg ebnen wollen zu noch kürzeren Abschnitten der Deckung, d. h. zum reinen Umlageverfahren. Sie sehen genauso wie wir den Rentenberg des nächsten Deckungsabschnitts auf sich zukommen, und Sie werden auch Ihre Überlegungen angestellt haben, wie Sie das noch etwas aufhalten können. Natürlich ist das eine Methode, mit der man das aufhalten könnte. Unseres Erachtens wird also hierdurch der Übergang zum reinen Umlageverfahren vorbereitet.
Aber mehr noch: Die Bundeszuschüsse hatten einmal eine sachliche Funktion. Interessanterweise stand nämlich in der Begründung zur Regierungsvorlage von 1956: „In Zukunft soll die Alterssicherung allein aus Beiträgen finanziert werden, während der Staatszuschuß für die Invaliditätssicherung Verwendung finden soll." Das steht in der Begründung zu § 1389 RVO.
Die Praxis ist ganz offensichtlich längst von dieser damaligen Begründung abgerückt. Es ist offensichtlich, daß die Bundeszuschüsse heute mit verwendet werden, um auch die Alterssicherung zu finanzieren. Das bedeutet aber praktisch, daß Sie von zweckgebundenen Bundeszuschüssen übergegangen sind zu einer allgemeinen Subventionierung aus Bundesmitteln. Das ist praktisch ein weiterer Schritt, um eine staatliche Versorgungskasse für Arbeitnehmer einzurichten.
Damit bin ich auch bereits bei dem zweiten Hauptgrund, weswegen wir gegen diesen Gesetzentwurf stimmen. Wir sind der Auffassung, daß bereits in dem Gesetz von 1957 und nun fortgesetzt durch das neue Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, eklatant gegen die soziale Gerechtigkeit verstoßen wird. Die Bundeszuschüsse wirken sich nämlich praktisch so aus, daß auf dem Wege über die Steuern auch solche Bundesbürger die Altersversorgung durch die Rentenversicherungen mitfinanzieren, die sozial oder wirtschaftlich keineswegs etwa glänzender dastehen als .viele Angestellte und Arbeiter. Ich erinnere Sie nur an die Debatten, die wir hier im Hause über die Lage des sogenannten kleinen Mittelstandes, über Einzelhandel, Handwerk, aber auch über die freien Berufe hatten. Ich bin der Auffassung, daß durch Abschaffung des Wanderversicherungsausgleichs der Weg frei gemacht wird, um die soziale Ungerechtigkeit diesen Gruppen gegenüber zu verstärken. Ich bedauere das außerordentlich.
Durch die Abschaffung ides Wanderversicherungsausgleichs findet aber meines Erachtens auch noch eine weitere Benachteiligung statt, nämlich eine eklatante Benachteiligung der Angestellten. Praktisch bedeutet der Beschluß, den Sie heute hier fassen wollen, daß Sie damit die Chance, später einmal doch auch in den Beiträgen und in den Leistungen zu differenzieren, endgültig begraben wollen. Ich
meine, Sie sollten den Angestellten offen erklären, daß die Angestellten künftig die Arbeiterrentenversicherung mitfinanzieren sollen; dann wäre das ein ehrliches Verfahren.
Im wesentlichen habe ich hier nur noch einmal an die Gründe erinnern wollen, die uns zur Ablehnung dieses Gesetzentwurfs führen. Die meisten dieser Gründe sind Ihnen - jedenfalls den Fachleuten - aus der Literatur bekannt, wo sie sehr ausführlich behandelt worden sind.
Ich bedauere auch, daß dieser Gesetzentwurf mit einigen Inkonsequenzen, mit einiger Unlogik und in der Begründung mit einigen dialektischen Späßen gespickt ist, die nicht zur vollen Aufklärung der Betroffenen und der Beteiligten beitragen können. Unlogisch ist beispielsweise bei Ihrem Vorhaben die Abwicklung des bisherigen Wanderversicherungsausgleichs. Sie haben gute rechtliche Begründungen gegeben; aber in diese Systematik, die Sie hier verfechten, paßt diese Abwicklung weiß Gott nicht mehr hinein. Genauso unlogisch ist, daß Sie den Wanderversicherungsausgleich mit der Knappschaft aufrechterhalten. Es ist sehr interessant, daß Sie ihn dort aufrechterhalten, während Sie ihn für die Angestellten nicht aufrechterhalten wollen. Ich möchte auch wissen, wie Sie mit der Logik die weiterbestehenden Erstattungsansprüche vereinbar halten können. Wenn beispielsweise ein Arbeiter jahrelang in der Arbeiterrentenversicherung war, dann zwei Monate lang oder auch nur einen Monat lang - das würde schon genügen - in die Angestelltenversicherung geht und dann wieder herauswächst, so bekommt er Erstattung aus der Angestelltenversicherung. Das ist nicht logisch, das ist nicht konsequent.
Zum Schluß noch zwei kleine Bemerkungen über die dialektischen Späße. Da steht in der Begründung - oder es ist mündlich vorgetragen worden -, der Wanderversicherungsausgleich werde nicht wegfallen, sondern in den Finanzausgleich aufgehen. Nun muß ich Ihnen allerdings sagen: wenn etwas „aufgeht", dann ist es nachher wohl weg. Nach meiner Meinung heißt „in etwas anderes aufgehen", daß es wegfällt. Natürlich fällt es weg. Das sind doch dialektische Scherzchen.
Etwas anderes will ich Ihnen auch nicht vorenthalten. In der Begründung heißt es, es könnte auch ein Wanderversicherungsausgleich in umgekehrter Richtung, zugunsten des abgebenden Versicherungszweiges, in Betracht kommen. Das heißt doch, in der Dialektik die Dinge auf den Kopf stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden -nicht bloß wegen der knappen Besetzung - keinen Antrag auf namentliche Abstimmung stellen. Wir haben das gar nicht nötig; denn unsere Ablehnung ist ganz klar und bekannt. Wir werden uns aber selbstverständlich, wenn irgend jemand aus Ihren Fraktionen das Bedürfnis hat, sich hier namentlich zu bekennen, dem Antrag, den Sie dann vielleicht stellen werden, gern anschließen.
({7})
Ich halte den Ausdruck „dialektische Späße" gegenüber einem Bericht, der an dieses Haus erstattet ist, nicht für zulässig.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der fortgeschrittenen Zeit gestatten Sie mir, verehrter Herr Kollege Deneke, daß ich nicht die Diskussion, die 1956 und 1957 über das System der Rentenneuregelungsgesetze hier geführt worden ist, neu eröffne. Ich glaube, diese Diskussion ist damals in großer Breite und mit großer Intensität geführt worden. Die überwiegende Mehrheit dieses Hauses hat sich zu dem System der Rentenneuregelungsgesetze, so, wie sie vorliegen, bekannt. Wir müssen daher bei allen unseren jetzigen Beratungen über die Konsequenzen von diesem System ausgehen. Es erscheint mir unzweckmäßig, wenn wir 'hier bei einer Konsequenz aus den Gesetzen jetzt so tun, als ob wir die ganze Diskussion erneut aufgreifen wollen. Es war dazu die Möglichkeit gegeben, und, Herr Kollege Deneke, hier muß ich Sie leider berichtigen: es wäre sicher auch ,die Möglichkeit gegeben gewesen, über das, was Sie hier noch einmal im einzelnen vorgetragen haben, im Ausschuß weiterzudiskutieren. Denn wir haben im Ausschuß nicht nur einmal über diese Frage gesprochen, sondern wir haben uns außerhalb der Anhörung der Sachverständigen in vier Sitzungen mit diesem Gegenstand beschäftigt.
Ich muß zum Steuer der Wahrheit auch noch sagen, daß in der von Ihnen gerügten Ausschuß-Sitzung vom 12. November dieses Jahres das Verfahren so war, daß Sie, allerdings korrekterweise, bemängelt haben, daß die Frage nicht auf der Tagesordnung stand, daß aber dann der Herr Vorsitzende in Zusammenarbeit mit dem Obmann des Ausschusses, Herrn Kollegen Horn, darauf hingewiesen hat, daß wir selbstverständlich, obwohl an sich die Beratung nur fortging - den wir hatten sie in Berlin abgebrochen und setzten sie hier fort -, trotzdem der Fraktion der FDP Gelegenheit geben wollten, sich mit der Frage noch einmal zu beschäftigen. Wir haben also die Beratung ausgesetzt und haben mit Rücksicht auf diesen Ihren Wunsch die Nachmittagssitzung erst für 16 Uhr angesetzt.
({0})
Wir haben dann im Ausschuß eine halbe Stunde auf Ihr Erscheinen gewartet und erst, als wir durch Telefonanruf feststellen mußten, daß die Abgeordneten der FDP-Fraktion nicht mehr im Hause waren, unter uns mit der Beratung begonnen. Ich glaube, es ist absolut korrekt, wenn wir feststellen, man ist wirklich im weistesten Sinne Ihrem Wunsch entgegengekommen. Sie haben die Möglichkeiten gehabt, aber Sie haben sich der Entscheidung entzogen.
Wenn wir hier sagen, die Entscheidung ist einmütig gefaßt, kann dem also niemand widersprechen. Ich glaube, wir sollten aus diesem Grunde keine
Änderungen mehr vornehmen, sondern das Gesetz so beraten, wie es der Ausschuß beschlossen hat.
({1})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Rentenversicherungs-Finanzausgleichsgesetz in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen 10 Stimmen der FDP in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1964 ({0}) ({1}) .
Die Bundesregierung wünscht den Entwurf nicht zu begründen.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Der Entwurf ist dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Ich rufe auf Punkt 6:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, Dr. Hauser, Dr. Böhm ({2}), Dr. Weber ({3}), Dr. Dichgans und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kürzung von juristischen Ausbildungszeiten für Beamte und Richter ({4});
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Busse, Frau Dr. Diemer-Nicolaus und Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kürzung von juristischen Ausbildungszeiten für Beamte und Richter ({5}).
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde mich an die Absprache halten, daß die Gesetzentwürfe heute nicht mehr von uns begründet werden. Ich möchte aber von mir aus beantragen, daß die beiden Gesetzentwürfe an den Rechtsausschuß verwiesen werden, denn wenn es sich auch um eine Änderung in einem Beamtengesetz handelt, die sonst zum Innenministerium und Innenausschuß ressortiert, so werden Sie aufgrund eigner Berufsausbildung, in welchem Beruf es auch gewesen sei, doch wohl bestätigen: Die Frage, wie lange gegebenenfalls und in welcher Weise eine bestimmte Berufsausbildung wie die bei den Juristen nach der ersten Prüfung
während der Referendarzeit erfolgen kann, können doch am besten die Juristen im Rechtsausschuß beurteilen. Ich wäre deshalb dankbar, wenn das Hohe Haus dem Antrag auf Verweisung in den Rechtsausschuß zustimmen wollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure sehr, der verehrten Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus widersprechen zu müssen. Es handelt sich eindeutig um eine Vorlage beamtenrechtlicher Natur, die im übrigen drei Gesetze ändern soll und die ihrer ganzen Natur nach zum Innenausschuß - federführend - gehört.
Ich schlage deshalb vor, die Gesetzentwürfe an den Innenausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Der Rechtsausschuß ist in der Lage, hier alle Argumente sachgerecht vorzutragen. Selbstverständlich werden wir gerade Ihre Argumente, hochverehrte Frau Kollegin, zumal sie immer mit solchem Nachdruck vorgetragen werden, sorgfältig prüfen und gegebenenfalls berücksichtigen.
Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, ich kann Sie nicht hindern, die Aussprache zu verlängern. Sie haben das Wort.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich bedaure, Ihrem Antrag widersprechen zu müssen. Ich hätte nichts dagegen, wenn der Innenausschuß mitberatend tätig ist. Aber die Federführung muß auf Grund ganz nüchterner Überlegungen beim Rechtsausschuß liegen. Schon bei der Behandlung der Rechtsanwaltsordnung haben wir uns im Rechtsausschuß eingehend über die Frage unterhalten, in welcher Form Referendare ausgebildet werden sollen. Sie spielte ferner bei der Bundesnotarordnung eine Rolle. Das sind Beratungsvorgänge, die in dieser Form beim Innenausschuß nicht zu verzeichnen sind. Ich darf noch eins sagen: Referendare sind eine besondere Art der Beamten. Da wird damit gerechnet, daß der größte Teil nachher nicht Beamter auf Lebenszeit wird. Das hängt eben mit der speziellen Form der Berufsausbildung als solcher zusammen. Insofern handelt es sich um atypische Beamte. Haben Sie bitte im Sinne einer sachgerechten Arbeit Verständnis dafür, daß die Federführung beim Rechtsausschuß liegen muß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir entscheiden jetzt über die Überweisung der beiden Gesetzentwürfe. Es war strittig, ob der Innenausschuß oder der Rechtsausschuß federführend sein soll. Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus hat für den Rechtsausschuß plädiert. Ich lasse über den Vorschlag, die Vorlagen an den Rechtsausschuß - federführend - zu überweisen, abstimmen. Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Das
letztere ist die Mehrheit. Darf ich daraus schließen, daß dieselbe Mehrheit die Vorlagen an den Ausschuß für Inneres - federführend - sowie an den Rechtsausschuß - mitberatend - überwiesen haben will? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen ({0}) ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gewährung von Weihnachtszuwendungen ({1}).
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gscheidle.
Ich habe die Ehre, namens der SPD-Bundestagsfraktion die Anträge betreffend Gewährung von Weihnachtszuwendungen und den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Gewährung von Weihnachtszuwendungen - Drucksachen IV/2754 und IV/2770 - zu begründen.
Um etwa aufkommende Arger gleich zu dämpfen: ich habe im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit die Absicht, für die Begründung der beiden Drucksachen nur 6 Minuten zu verwenden.
Die Gewährung eines Weihnachtsgeldes an Beamte, Soldaten, Richter und Versorgungsempfänger des Bundes ist eine lange Leidensgeschichte. Als wir im November 1960 an die Bundesregierung appelllierten, dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes, für ein Weihnachtsgeld vorzulegen, hatte die Bundesregierung ausweichend geantwortet, indem sie darauf hinwies, sie wolle die Frage im Zusammenhang mit den Vorarbeiten für eine Novelle zum Bundesbesoldungsgesetz erneut prüfen. Die Prüfung verlief negativ, weil die Bundesregierung auf dem Standpunkt verharrte, daß das Weihnachtsgeld dem Besoldungsgesetz nicht adäquat sei.
Der von meiner Fraktion daraufhin am 29. Juni 1961 eingebrachte Änderungsantrag zum Bundesbesoldungsgesetz wurde infolgedessen abgelehnt, und zwar diesmal von den Regierungsparteien. Allerdings erzielten wir den Erfolg, daß die CDU/CSU gezwungenermaßen einen Entschließungsantrag einbrachte, nach dem die Bundesregierung erneut gebeten wurde, die Frage der Gewährung von Weihnachtszuwendungen an Beamte zu prüfen. 1961 beschloß das Bundeskabinett dann, den Bundesbeamten einen Vorschuß zu Weihnachten auf eine für das Frühjahr 1962 beabsichtigte Beamtenbesoldungsnovelle zu gewähren. Erst nachdem im Jahre 1962 alle Länder mit Ausnahme des Saarlandes unbefristete Regelungen für die Gewährung eines Weihnachtsgeldes an Beamte eingeführt hatten, folgte der Bund zu Weihnachten 1963 mit einer Regelung, die sich an den in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst vereinbarten Weihnachtszuwendungen orientierte. Diese Weihnachtszuwendungen entsprechen heute in ihrer Höhe nicht mehr den allgemeinen Regelungen. Die Beamtenorganisationen haben
deshalb im Laufe dieses Jahres wiederholt an die Bundesregierung appelliert, die bisherigen Sätze der allgemeinen Entwicklung anzupassen, und in diesem Zusammenhang ein 13. Monatsgehalt gefordert.
Bei den Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst haben der Bund, die Länder und die Kommunen auf die Forderung nach einem 13. Monatsgehalt zuletzt ein Angebot von 331/3% der Monatsvergütungen bzw. der Monatslöhne und 20 DM pro Kind als Ablösung des bisherigen Weihnachtsgeldes gemacht. Entsprechende Tarifverträge für diese Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes stehen vor dem Abschluß.
Aus dieser skizzierten Entwicklung ergibt sich unseres Erachtens folgendes:
Erstens. Im Hinblick auf die allgemeine Entwicklung in der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft müssen die bisherigen Sätze der Weihnachtszuwendungen an Beamte, Richter des Bundes, Versorgungsempfänger und Soldaten angehoben werden. Eine gleiche Behandlung aller Beschäftigtengruppen im öffentlichen Dienst erscheint angebracht. Die Bundesregierung konnte im Hinblick auf diese Entwicklung ihr bisheriges Verhalten in dieser Frage nicht fortsetzen, wie ich dargestellt habe, ohne das Vertrauen der Beamten in die Fürsorge ihres Dienstherrn schwer zu schädigen. Auch nach Kenntnis der Pressemitteilung über den Beschluß des Bundeskabinetts am heutigen Tag bleibt für mich die Frage offen, ob die Ruhestandsbeamten einbezogen sind. Das ist aus der Pressemitteilung nicht ersichtlich, ebenso der Zeitpunkt der Auszahlung.
Zweitens. Bei der Auszahlung des Weihnachtsgeldes auf der Grundlage des Gesetzes über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen vom 16. April 1964 haben sich Befürchtungen bestätigt, die seitens der SPD-Bundestagsfraktion schon bei der Beratung dieses Gesetzes vorgetragen wurden. Im Zusammenhang mit der Änderung dieses Gesetzes sollten diese Härten beseitigt werden. Dazu gehört:
a) die Klärung der Rechtsnatur der Zuwendung. Die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die Weihnachtszuwendungen als Besoldungsbestandteil zu erklären, wurde von der Bundesregierung abgelehnt. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei diesen Zahlungen um einen Vermögensanspruch besonderer Art, dessen Weiterentwicklung nach dem gegenwärtigen Sach- und Rechtsstand noch nicht abschließend überblickt werden könne. Eine grundsätzliche Normierung könne deshalb nicht erfolgen, weil hierzu mindestens ein unmittelbarer Bezug auf die allmonatlich zustehenden Dienstbezüge vorhanden sein müsse. Mit der Erfüllung unserer ersten Forderung wäre diese Voraussetzung geschaffen, und die Zuwendungen in Höhe von einem Drittel der Dienstbezüge müßten nunmehr ausdrücklich als Besoldungsbestandteil erklärt werden.
b) Die Streichung der Konkurrenzklausel. Die in § 4 Abs. 2 der Verordnung zum Gesetz über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen vom
16. April 1964 enthaltene Konkurrenzklausel widerspricht einer Entscheidung, die dieses Parlament in
§ 16 des Bundesbesoldungsgesetzes getroffen hat.
({0})
Entsprechende Vorstellungen beim Bundesminister des Innern haben im Verlauf dieses Jahres zu einer grundsätzlichen Zusage - die jedoch bislang nicht eingelöst wurde - für eine entsprechende Änderung geführt. Die Konkurrenzklausel bei Gewährung der von uns geforderten Zulage, wenn nämlich beide Ehegatten im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, wäre deshalb zu streichen.
c) Die Behandlung der Vollweisen. Bei der Gewährung von Zuwendungen der dargestellten Art ist ferner sicherzustellen, daß für ein Kind, für das nach beamtenrechtlichen Vorschriften neben Vollwaisengeld auch Kinderzuschlag gezahlt wird, Weihnachtszuwendungen nicht gegenseitig aufgerechnet werden.
Wir bitten Sie um Überweisung und rasche Behandlung in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestags.
({1})
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bestätige dem Kollegen Gscheidle sehr gerne, daß er wegen der zeitlichen Inanspruchnahme sehr schonend mit uns verfahren ist. Sachlich sind seine Ausführungen nicht in allen Punkten richtig. Ich darf sie ergänzen und verbessern.
({0})
- Nein! Ergänzen ist doch gut, und Verbessern kommt uns allen zugute.
({1})
Wir sind alle darauf angewiesen, richtig informiert zu werden, aber Ihre Darlegung war dafür nicht ausreichend.
Herr Kollege Gscheidle, es ist richtig, daß, wie Sie bemerkt haben, die Bundesregierung heute das große Vertragswerk, das im Rahmen der Tarifverhandlungen zustande gekommen war, die insgesamt 37 Stunden in Anspruch genommen haben, im wesentlichen gebilligt hat. Das Vertragswerk bezieht sich auf der einen Seite auf den Komplex der Weihnachtszuwendungen und auf der anderen Seite auf die Löhne und Vergütungen. Es hat insgesamt ein erfreuliches Ergebnis erbracht.
Ich darf seine entscheidenden Sätze hier einmal informationshalber bekanntgeben. Einmal wurden die Löhne und Vergütungen für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst um 6 % angehoben, wobei die Definition bei den Arbeitern des öffentlichen Dienstes in Pfennigbeträgen zum Ausdruck kommt.
Zweitens wurde in der Frage des Weihnachtsgeldes ein ganz neuer Weg beschritten. Es gibt von nun an kein Weihnachtsgeld mehr in diesem Bereich der Tarifordnung, sondern wir haben mit einer ersten Stufe eines 13. Monatsgehalts begonnen, und zwar mit 331/3%. Über die Bemessungsgrundlage wird in diesen Tagen noch verhandelt. Ich bin überzeugt, daß man sehr bald zu einer Einigung kommt, einer Einigung, die vor allem im Bereich der großstädtischen Gemeinden und bei Verkehrsbetrieben gewisse Schwierigkeiten gebracht hat.
Drittens darf ich bemerken, daß zum erstenmal auch dem Arbeiter im öffentlichen. Dienst eine zusätzliche Leistung gewährt werden kann, indem - auch auf Vorschlag der Arbeitgeber - ein Sozialzuschlag gegeben wird zum Ausgleich. der Kindergeldleistungen, die bei Beamten und bei Angestellten im Ortszuschlag enthalten sind. Das sind 15 DM und ab sechs Kindern 20 DM.
Beachtenswert und bemerkenswert sind vor allem noch die Umstände, daß die Vereinbarung dieser ersten Stufe für ein 13. Monatsgehalt auf drei Jahre abgeschlossen ist, daß die lineare Anhebung der Vergütungen auf 15 Monate lautet und daß eine Vereinbarung in der Frage der Kündbarkeit der Arbeitszeit dahin erzielt werden konnte, sie bis zum 31. März 1966 zu sistieren. Dazu kommen eine ganze Reihe von Nebenleistungen, die man insgesamt als Rankenwerk angesprochen hat und in denen auch noch wesentliche Verbesserungen für diesen Bereich enthalten sind.
Dieser Abschluß ist im wesentlichen heute bestätigt worden. Die Bundesregierung hat in Ergänzung dessen aus eigenem Recht heute beschlossen, daß allen Beamten und Versorgungsempfängern des Bundes eine angemessene Regelung ebenfalls in der Form einer ersten Stufe eines 13. Monatsgehalts gewährt werden soll. Die Versorgungsempfänger sind also einbegriffen.
Wir werden uns auch bemühen, im Einklang mit dem Parlament, in diesem Fall mit dem Haushaltsausschuß, Maßnahmen zu treffen, um im Wege der Vorschußleistung und der Anrechnung des bereits gezahlten Weihnachtsgeldes noch einen wesentlichen Teil dieser Beträge vor Weihnachten zur Auszahlung zu bringen, obwohl es nicht ganz uninteressant wäre, im Hinblick auf die Steuergesetzgebung auf den 1. Januar 1965 abzuheben; es wäre etwas mehr. Wenn also die technische Ausführung nicht mehr möglich ist, sollte niemand sich grämen; er bekommt mehr, als er vorher bekommen kann. Damit ist auch die Frage wegen der Versorgungsempfänger beantwortet.
Was nun den „Leidensweg" betrifft, Herr Kollege Gscheidle, nun, der Leidensweg hatte seine Gründe vor allem darin, daß nach der Meinung der Regierung die Frage der 'bisherigen Zuwendungen eines Weihnachtsgeldes doch im Besoldungsbereich ein Fremdkörper war. Ich bin froh, daß es heute möglich ist, diesen Fremdkörper abzulösen und ihn durch eine Regelung zu ersetzen, die angemessen ist und die in das Besoldungsrecht paßt.
Zu Ihrer weiteren Frage, Herr Kollege Gscheidle, was mit der Konkurrenzklausel sei, darf ich Ihnen mitteilen, daß die Konkurrenzklausel im Tarifvertrag aufgelöst ist und daß sie sich mit der Neuordnung, mit dem Übergang auf ein dreizehntes Monatsgehalt in einer ersten Stufe in der bisherigen Form erledigt. Anders liegen die Dinge bei der Frage der Erklärung zu einem Besoldungsbestandteil. Damit wird ein ganz großer Komplex und eine im wesentlichen prinzipielle Frage angesprochen. Ich glaube, daß diese Frage im Ausschuß erledigt werden muß.
Nun noch ein weiteres. Sie haben natürlich mit Ihrer Vorlage hier einen Einzelgang, einen Vorlauf vorgelegt, genauso wie schon bei dem rechtlichen Status, indem Sie nämlich die Annahme dieses Vertragswerks nicht abgewartet haben. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß man in einer solchen Frage, die weitgehend auch die Länder und Gemeinden berührt, doch den ordentlichen Gesetzgebungsweg einhalten sollte. Die Vorlage ist ja in Auftrag gegeben, und die Anhörungen finden statt. Man sollte aber dem Bundesrat die Möglichkeit geben, sich vorher zu äußern, weil er in weiten Bereichen und in bedeutenden, auch in wirtschaftlichen Interessen davon betroffen ist. Es ist richtig, Herr Kollege Schmitt, Sie wollen wohl sagen - ({2})
-Ja, das verstehe ich schon. Aber die Leute wollen ja nicht ein Gesetz, sondern sie wollen ihr Geld, und das sollen sie kriegen.
({3})
Wie aus der Historie des Herrn Kollegen Gscheidle zu entnehmen ist, mußte dem Innenminister ja auch bestätigt werden, daß er einen Vorschuß und dann eine Vorauszahlung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gewähren konnte und daß er das gegeben hat, was der Personenkreis, der Anspruch auf unsere Fürsorge hat, von uns erwarten kann.
Es würde aber immerhin gut sein, und ich würde Ihnen sehr dankbar sein, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, der Sie als Vorsitzender des Ausschusses darüber zu befinden haben, wenn beide Vorlagen gemeinsam behandelt würden. Ich glaube nicht, daß der Personenkreis die Differenz von drei oder vier Tagen so honorieren wird. Es ist doch so, daß wir von .der Koalition - und ich bestätige gern, auch die Vertragspartner bei den Tarifverhandlungen, die der äußere Anlaß waren - uns in der gleichen Richtung bewegt haben. Es hat keine Verhandlungen gegeben, bei denen nicht schon von der ersten Sekunde an auf 'diese Entwicklung hin verhandelt worden wäre.
Insgesamt gesehen muß ich sagen, es ist ein Akt der Fürsorge, ein Akt auch einer großzügigen Fürsorge, die so oft bestritten worden ist; und wir sind Ihnen außerordentlich dankbar dafür, daß Sie endlich dazu beitragen, die Dinge zu einem guten
und weihnachtlich befriedigenden Abschluß zu bringen.
({4})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Die beiden Vorlagen sollen überwiesen werden an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Wird diesen Überweisungsvorschlägen widersprochen? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Satzung der Europäischen Schule ({0}).
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik - federführend -, an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen.
Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Siemer, Burgemeister, Riedel ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gebühren der Schlachtviehmärkte, Schlachthäuser und Fleischgroßmärkte sowie der hierzu ergangenen Verordnungen ({2}).
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht; die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soil an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe überwiesen werden. Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen.
Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 10 der Tagesordnunng:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Varelmann, Meis, Drachsler, Dr. Aschoff, Dr. Imle, Arendt ({3}), Hörmann ({4}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({5}).
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an
den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung. - Diesen Vorschlägen wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses ({6}) über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1962
hier: Einzelplan 09 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft ({7}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Mertes. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt und außerdem seinen Bericht noch ergänzt und die Ergänzung zu Protokoll gegeben *).
Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({8}) über die von der Bundesregierung beschlossene Einundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({9}) ({10}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Bading; er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
der Verordnung - Drucksache IV/2579 - unverändert zuzustimmen.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 16, 17 und 18 zusammen auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({11}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Straßenpersonenverkehr ({12});
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({13}) über den von der Bun*) Siehe Anlage 7
Vizepräsident Schoettle
desregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs ({14}) ;
Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({15}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG an den Rat für Richtlinien, Entscheidungen und Verordnungen betreffend Verkehrswesen ({16}).
Es handelt sich hierbei um Berichte des Ausschusses für Verkehr-, Post- und Fernmeldewesen über Vorschläge der Kommission der EWG an den Rat. Der Ausschuß empfiehlt, in allen drei Fällen von den Vorschlägen der Kommission Kenntnis zu nehmen.
Berichterstatter zu allen drei Vorlagen ist der Abgeordnete Faller. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen IV/2738, IV/2739 und IV/2740. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Ebenfalls nicht. Damit sind die Anträge des Ausschusses einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen ({17}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen ({18}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann; er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Das Haus wünscht keine Ergänzung des Berichts. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen ({19}), wird zur Kenntnis genommen.
2. Der Bundesregierung wird empfohlen, darauf hinzuwirken, daß die von ihr erkannten Mängel bei den weiteren Beratungen beseitigt werden.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 21 auf.
({20})
- Nein, Punkt 19 wird am Freitag aufgerufen. Sie müssen am Freitag auch etwas zu tun haben, Herr Kollege.
Ich rufe also Punkt 21 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen ({21}) über die von der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für
- ich bitte um Entschuldigung, ich kann nichts dafür, es geht nicht auf meine Kappe eine Richtlinie des Rats zur Änderung der Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen,
eine Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Antioxydantien,
({22})
- ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen ({23}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Jungmann. Ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abgeordneten liegt vor. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2769 zustimmen will, .den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Wächter, Logemann, Sander, Walter, Ertl und Genossen
betr. Qualitätssteigerung und Rationalisierung in der Molkereiwirtschaft ({24}).
Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Wird diesen Überweisungsanträgen widersprochen? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 auf:
Beratung der Übersicht 25 des Rechtsausschusses ({25}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({26}).
Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe bitte! - Keine Gegenstimmen. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Vizepräsident Schoettle
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Donnerstag, den 3. Dezember, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.