Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Entwurf der Kommission der EWG/EAG über eine Verordnung der Räte zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft ({0}).
Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit hat am 22. Oktober 1964 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Arbeit und der mitberatende Ausschuß für Sozialpolitik von einer Berichterstattung an das Plenum absehen, da die Verordnung des Rats zur Aufhebung der in der Verordnung Nr. 3 festgelegten Sechsjahresfrist für den Anspruch auf Sachleistungen im Falle der Krankheit und der Mutterschaft und auf Familienbeihilfen für die Familienangehörigen, die nicht in demselben Land wie der Arbeitnehmer wohnen - Drucksache IV/2455 -, inzwischen vom Rat erlassen ist.
Damit komme ich zum 1. Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde ({1}) .
Zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage VII/20 - des Herrn Abgeordneten Rommerskirchen -:
Welche Wege sieht die Bundesregierung, um bei voller Wahrung der Rede- und Pressefreiheit in Fernsehen und Rundfunk Tatsachen in wirksamer Darstellung zur Geltung zu bringen, die für die Unverletzlichkeit Deutschlands in seinen völkerrechtlich anerkannten Grenzen sprechen, und dem entgegenstehende einseitige Darstellungen wie beispielsweise die Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks „Deutschlands Osten - Polens Westen" möglichst gleichzeitig und mindestens mit gleicher Intensität und Sendezeit zu korrigieren?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Ich bitte mir zu gestatten, daß ich die Fragen des Herrn Kollegen Rommerskirchen und des Herrn Kollegen
Müller zusammen sehe, weil sie denselben Sachverhalt betreffen.
Bitte sehr. Ich rufe dann noch die Fragen VII/2l und VII/22 - des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) - auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, mit den Regierungen der Länder dahin gehend Fühlung zu nehmen, daß die in den Verwaltungsräten des Rundfunks und Fernsehens die Staatsgewalt vertretenden, auf das Grundgesetz vereidigten Parlamentarier und Beamten mit Nachdruck für die Sendungen der Anstalten öffentlichen Rechts die wirksame Darstellung von Tatsachen fordern, die für die Integrität Deutschlands in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen und gemäß der Präambel des Grundgesetzes für die Vollendung der Einheit und Freiheit ganz Deutschlands in freier Selbstbestimmung sprechen?
Beabsichtigt die Bundesregierung, mit den Regierungen der Länder auch dahin gehend Fühlung zu nehmen, daß die in Frage VII/21 genannten Vertreter der Staatsgewalt dagegen auftreten, daß von diesem völkerrechtlich anerkannten Standpunkt abweichende einseitige Darstellungen uns entgegenstehender ausländischer Meinungen über Gebühr umfangreich und ohne sachliche und wirksame Gegendarstellungen gesendet werden?
Die Fernsehsendung „Deutschlands Osten und Polens Westen", auf die Herr Kollege Rommerskirchen hinweist, habe ich selbst nicht gesehen. Wie aber schon mehrfach vor dem Hohen Hause dargelegt wurde, vertreten die Bundesregierung und alle politischen Kräfte des Hauses einschließlich des Bundesrates den Standpunkt, daß insbesondere bei den Sendungen, die Grenzfragen Deutschlands berühren, ein objektives Bild der Wirklichkeit gegeben werden muß. Hierzu gehört auch, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands einer frei zu vereinbarenden friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland vorbehalten ist. Die Bundesregierung mißbilligt alles, was in irgendeiner Weise die sich hieraus ergebende Rechtsposition in Frage stellen könnte. Die abweichende Haltung der Ostblockstaaten ist bekannt.
Der Bundesregierung stehen nun bekanntlich Weisungsrechte gegenüber den Rundfunkanstalten nicht zu. Sie hat keine Möglichkeit, auf die Gestaltung des Rundfunk- oder Fernsehprogramms Einfluß zu nehmen. Die einzige Möglichkeit ist die der Abgabe von Erklärungen, die allerdings nicht nach allen Rundfunkgesetzen der Länder möglich ist, sicher aber wohl bei den beiden Anstalten des Bundes.
Es ist selbstverständliche Aufgabe der Organe der öffentlich-rechtlichen Anstalten wie Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Intendant, dafür zu sorgen, daß wichtige nationale Interessen nicht außer acht gelassen werden. Unabhängig hiervon ist die Bundes7048
regierung aber auch bereit, gegebenenfalls, soweit die Länder nicht von sich aus selbst Anlaß nehmen sollten, hier ihren Einfluß geltend zu machen, mit den Regierungen der Länder dahin Fühlung aufzunehmen, daß den genannten Gesichtspunkten stets in vollem Umfang Rechnung getragen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rommerskirchen.
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß sowohl die Kritiken, welche die den deutschen Interessen abträgliche Tendenz der fraglichen Sendung beklagen, als auch die lobenden Pressestimmen übereinstimmend feststellen, daß die Sendung des Hessischen Rundfunks das Problem der deutschen Ostgebiete zugunsten Polens geschildert habe? Wie beurteilt die Bundesregierung die innen- und außenpolitische Auswirkung einer Sendung, die z. B. die NRZ als eine - ich zitiere - „ausgezeichnete Dokumentation, die sachlich und objektiv die Angliederung der deutschen Ostgebiete an Polen schildert", wertet?
Das waren bereits zwei Zusatzfragen.
Ich habe schon gesagt, Herr Kollege Rommerskirchen, daß ich die Sendung nicht selbst gesehen habe und zu dem Inhalt deswegen nicht persönlich Stellung nehmen kann. Pressestimmen der Art, wie sie von Ihnen vorgetragen werden, sind der Bundesregierung bekannt. Was die Beurteilung dieser Pressestimmen betrifft, so habe ich mich dazu bereits in der Hauptantwort erklärt.
Herr Abgeordneter Müller ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich annehmen, daß die Bundesregierung die im letzten Satz Ihrer Hauptantwort enthaltene Bereitschaft, auf die Länder Einfluß zu nehmen, in die Tat umsetzt und in dem hier gewünschten Sinne mit den Ländern ein Gespräch führen wird?
Ich gehe zunächst davon aus, daß die Länder von sich aus diese Verantwortung wahrnehmen. Ich habe keinen Anlaß, daran zu zweifeln. Aber ein freundschaftliches Gespräch wird zweifellos möglich sein.
Herr Abgeordneter Kuntscher zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, meinen Sie, daß bei Beamten und Parlamentariern, die in den Aufsichtsorganen des Rundfunks sitzen, die Duldung von Sendungen, die für die Angliederung eines Teiles des deutschen Territoriums an andere Länder Propaganda machen, mit ihrer Verpflichtung auf das Grundgesetz in Einklang zu bringen ist?
Nein.
Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß in der Zeit vor dem Abschluß eines Friedensvertrags in der öffentlichen Meinungsbildung möglichst nichts getan werden sollte, was den völkerrechtlich anerkannten Rechtsstandpunkt bezüglich der Integrität des Territoriums Deutschlands angreift oder aushöhlt, nicht unterstützt, sondern daß im Gegenteil dieser Rechtsstandpunkt vor Friedensverhandlungen stark in der öffentlichen Meinung verankert werden sollte?
Die Bundesregierung wäre dankbar, wenn dieser Rechtsstandpunkt, den ich eingangs der Hauptantwort vorgetragen habe, von allen Kräften vor allem in diesen Bereichen unterstützt würde.
Herr Abgeordneter Jaksch.
Herr Bundesminister, hat die Bundesregierung auch kürzere Wege zur Wahrnehmung ihrer Obhutspflicht gegenüber dem deutschen Rechtsstandpunkt in Erwägung gezogen, etwa die Möglichkeit zur Herausgabe eines Weißbuches über die wahren Sachverhalte in den deutschen Ostgebieten?
Der Rechtsstandpunkt der Bundesregierung, den ich vorgetragen habe, ist schon wiederholt mehrfach klar und eindeutig formuliert worden. Es bestehen keine Bedenken, auch Ihre Anregungen in Erwägung zu ziehen.
Herr Abgeordneter Rehs!
Herr Bundesminister, wenn auch nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Deutschland in den Grenzen von 1937 fortbesteht, umfaßt dann nach Ihrer Auffassung die in der Präambel des Grundgesetzes statuierte Verpflichtung jedes Staatsbürgers, an der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands mitzuwirken, nicht auch die deutschen Ostgrenzen?
Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß alle Grenzfragen Fragen einer frei zu vereinbarenden friedensvertraglichen Regelung sind. Diese Definition enthält alles, was zu diesem Thema zu sagen ist.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Sollte nicht die Bundesregierung bei tendenziösen unvollständigen und infolgedessen wahrheitswidrigen Darstellungen unmittelbar danach ihre Meinung darüber sagen, damit nicht der Eindruck entsteht, daß das nur eine Sache der Heimatvertriebenen ist und daß diese mit ihrem Urteil darüber alleinstehen?
Die Bundesregierung hat offiziell und inoffiziell in Regierungserklärungen und bei vielen sonstigen Anlässen ihren Rechtsstandpunkt immer einwandfrei und klar dargelegt und wird das auch in Zukunft tun, und zwar wird sie das von Fall zu Fall entscheiden.
Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
Herr Bundesminister, liegt nicht der Kern der Frage des Kollegen Rommerskirchen darin, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, sei es in Ihrem Hause, sei es in der Hand der Bundesregierung, sei es in der Hand des Programmbeirates, bei einseitigen und verzerrten Darstellungen über irgendein Thema - ich nenne z. B. nur die Bundeswehr und den Wehrgedanken nebenbei - die Gelegenheit zur Gegendarstellung im selben Umfang und in derselben Intensität zu geben?
Die Bundesregierung hat einmal in ihren beiden Anstalten, den Bundesanstalten, wie auch in den meisten Landesrundfunkanstalten die Möglichkeit, wenn sie Wert darauf legt, selbst zu Wort zu kommen.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer.
Und wie ist es mit den Möglichkeiten der anderen, die nicht der Bundesregierung angehören, zu Wort zu kommen?
Dann wird es Möglichkeiten geben, über die Länder durch ein freundschaftliches Gespräch ebenfalls den Standpunkt der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen.
Herr Abgeordneter Stingl!
Wird die Bundesregierung die Möglichkeit, selbst das Wort zu nehmen, ausnützen, wenn solche verzerrenden Darstellungen gegeben worden sind?
Wie ich schon sagte, habe ich selbst die Darstellung nicht gesehen und kann deshalb zum Inhalt selbstverständlich keine Stellung beziehen. Wenn ein dringender Anlaß hierzu besteht, hat das die Bundesregierung immer getan und wird es auch in diesem Fall tun.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stingl.
Dürfen wir damit rechnen, daß von der Bundesregierung nach dem, was jetzt hier angesprochen worden ist, die Möglichkeit noch ergriffen wird?
Ich habe keinen Zweifel darüber, daß der Minister für gesamtdeutsche Fragen das tun wird.
Wir sind also am Ende. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
({0})
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
({1})
- Kein Abgeordneter erhält für eine Frage zum zweitenmal das Wort. Solche Zwischenrufe verbitte ich mir.
({2})
- Die Sache ist erledigt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe auf die Fragen VIII/1 und VIII/2 - des Abgeordneten Gewandt -:
Wann wird die Bundesregierung die Mitglieder der Kommission zur Prüfung der Wettbewerbssituation bei Presse, Funk und Fernsehen berufen?
Trifft es zu, daß Länderregierungen die Auffassung vertreten, sie sollten den Mitgliedern der Kommission zur Prüfung der Wettbewerbssituation bei Presse, Funk und Fernsehen keinen Einblick in die Arbeit der Länderrundfunk- und Fernsehanstalten gewähren?
({3})
- Ich habe entschieden. - Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Langer vom 19. Oktober 1964 lautet:
Zu Frage 1
Die Kabinettvorlage, die sich mit der Berufung der Kommission zur Überprüfung der Wettbewerbssituation bei den Massenmedien befaßt, ist dem Chef des Bundeskanzleramtes zugeleitet worden. Es ist damit zu rechnen, daß sie in der nächsten Sitzung des Kabinetts behandelt wird. Damit wäre bei Zustimmung die Grundlage für die Berufung der Kommission geschaffen. Diese wird im Falle einer positiven Entscheidung des Kabinetts unmittelbar darauf erfolgen.
Zu Frage 2
Die Länderregierungen haben keine Erklärung des Inhalts abgegeben, daß sie der zu bestellenden Kommission keinen Einblick in die Arbeit der Länderrundfunk- und Fernsehanstalten gewähren werden. Mehrere Länder haben lediglich erklärt, daß sie sich eine Stellungnahme zu dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Auftrag an die Bundesregierung vorbehalten.
Dann rufe ich auf die Fragen VIII/3 und VIII/4 - des Herrn Abgeordneten Mischnick -:
Billigt die Bundesregierung die Zustimmung der Treuhandstelle für Interzonenhandel zur Einfuhr und zum Verkauf in der Sowjetzone rechtswidrig enteigneter Druckereimaschinen in der Bundesrepublik?
Wie will die Bundesregierung in Zukunft verhindern, daß sich die Treuhandstelle für Interzonenhandel mit der Erteilung der in Frage VIII/3 genannten Genehmigungen in Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung setzt, die die rechtswidrigen Enteignungen in der Sowjetzone unter Berücksichtigung der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes als Willkürmaßnahmen ablehnt?
Der Herr Abgeordnete Mischnick wird vertreten durch den Herrn Abgeordneten Dürr. - Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst darauf aufmerksam machen, daß die Treuhandstelle für den Interzonenhandel keine Bezugsgenehmigungen für den Bezug von Waren aus der Sowjetzone erteilt. Sie stimmt deshalb der Erteilung von Bezugsgenehmigungen auch nicht zu. Bezugsgenehmigungen für gewerbliche Güter werden von den Landesbehörden für Wirtschaft unter Mitwirkung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft erteilt.
Die Erteilung einer Bezugsgenehmigung ist eine Verwaltungsentscheidung, durch die für den Einzelfall eine Ausnahme von dem bestehenden gesetzlichen Verbringungsverbot zugelassen wird, das das Verbringen von Waren über die Demarkationslinie .grundsätzlich untersagt. Insoweit, Herr Abgeordneter, gelten noch die alten Bestimmungen des Militärregierungsgesetzes Nr. 53 vom 19. September 1949.
Auf Grund der bestehenden Rechtslage dürfen bei der Erteilung von Bezugsgenehmigungen nur wirtschaftspolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Die Prüfung der privatrechtlichen Eigentumsverhältnisse der über die Demarkationslinie zu verbringenden Waren ist nicht Angelegenheit der Genehmigungsbehörden. In die Eigentumsverhältnisse wird durch die Erteilung von Bezugsgenehmigungen nicht eingegriffen. Strittige Eigentumsverhältnisse können nur auf dem Rechtsweg durch die ordentlichen Gerichte geklärt werden.
Mit Nachdruck, Herr Abgeordneter, möchte ich aber erklären: die Bundesregierung würde es sehr bedauern, wenn Personen in der Bundesrepublik in Kenntnis der rechtswidrigen Enteignung Druckereimaschinen im Interzonenhandel kaufen wollten.
Keine Zusatzfrage.
Ich komme dann zu den Fragen VIII/5 und VIII/6
- der Frau Abgeordneten Dr. Elsner -:
Hat die Bundesregierung Einfluß darauf genommen, daß die EWG-Kommission sich an einer Untersuchung über die Entwicklung des Eifel-Hunsrück-Gebietes beteiligt?
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß eine Untersuchung des Zonenrandgebietes Vorrang verdient hätte vor jedem anderen Projekt, zumal sich damit eine ausgezeichnete Gelegenheit geboten hätte, die Aufmerksamkeit der Gemeinschaft auf die schlimmen Auswirkungen der deutschen Teilung zu richten?
Ist die Frau Abgeordnete im Saal?
({0})
- Dann wird die Frage schriftlich beantwortet werden. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Fragen III/1 und III/2 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Zu welchem Ergebnis haben die in der Fragestunde vom 23. Oktober 1963 vom Bundesfinanzminister zugesagten Bemühungen geführt, die Zahl der geöffneten Privatbriefe auf Grund des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote zu verringern?
Wie hoch ist die Zahl der irrtümlich geöffneten privaten Sendungen in der Zeit vom 1. Januar 1964 bis 30. September 1964?
Ist der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen im Saal?
({1})
- Dann wird die Frage schriftlich beantwortet werden.
Ich komme jetzt zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe auf die Frage IX/1
- des Herrn Abgeordneten Bauer ({2}) -:
Ist es richtig, daß - im Gegensatz zu rund 30 anderen Ländern - alljährlich etwa 800 000 Flaschen unreifen, d. h. unter 3 Jahren gelagerten schottischen Whiskys ohne Schutzvorschriften in das Gebiet der Bundesrepublik importiert werden?
Sie wird übernommen vom Herrn Abgeordneten Felder. - Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Der Import von Whisky in die Bundesrepublik Deutschland ist vom Jahre 1961 bis zum Jahre 1963 um fast das 2 1/2fache gestiegen. Der Anteil Großbritanniens an der Einfuhr lag bei etwa 95 % der Gesamteinfuhr und betrug im Jahre 1963 6 083 303 Liter. Es kann davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei überwiegend um schottischen Whisky handelt. Da eine Prüfung des Alters des eingeführten Whiskys bei der Zollabfertigung nicht stattfindet und das Statistische Warenverzeichnis auch keine Unterteilung der für Whisky geltenden Waren-Nummer enthält, ist es nicht möglich, Angaben darüber zu machen, wie hoch der Anteil des sogenannten unreifen, d. h. unter 3 Jahren alten Whiskys an der Gesamteinfuhr ist. Die in der Frage genannte Menge von etwa 800 000 Flaschen entspricht knapp 10% der Whisky-Einfuhr aus Großbritannien.
Es trifft zu, daß von anderen Ländern Alters- bzw. Ursprungszeugnisse für die Einfuhr von Whisky aus Großbritannien verlangt werden. Zu diesen Ländern gehören u. a. Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Italien und die USA.
Die Bundesregierung sieht zur Zeit keine Veranlassung, von sich aus Schritte gegen die Einfuhr von nicht 3 Jahre gelagertem Whisky zu unternehmen, da durch den Genuß dieses Whiskys weder die Gesundheit gefährdet noch der Verbraucher getäuscht wird.
Eine Zusatzfrage?
- Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich auf die Frage IX/2 - des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Konservenindustrie der Bundesrepublik und insbesondere die des Zonengrenzraumes sich in einer bedenklichen Krise befindet?
Es ist bekannt, daß die deutsche Gemüsekonservenindustrie, insbesondere die des Zonengrenzraumes, sich in einer schwierigen Lage befindet. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß auch dieser Wirtschaftszweig einem harten Wettbewerb ausgesetzt ist.
Der in den letzten fünf Jahren eingetretene Mehrverbrauch ist zwar auch der einheimischen Industrie zugute gekommen, doch ist ihr Anteil an der Gesamtversorgung ({0}) zurückBundesminister Schwarz
gegangen. Die Eigenerzeugung an Gemüsekonserven betrug 1959 185 700 t mit einem Wert von 218,1 Millionen DM, 1963 344 100 t mit einem Wert von 379,6 Millionen DM. Die Einfuhr von Gemüsekonserven belief sich im Jahre 1959 auf 37 300 t im Werte von 42,7 Millionen DM und im Jahre 1963 auf 121 000 t im Werte von 154,5 Millionen DM.
Die Schwierigkeiten erreichten ihren bisherigen Höhepunkt mit dem Absatz der Produktion der Kampagne des Jahres 1963. Die deutschen Verarbeitungsbetriebe hatten angesichts der überdurchschnittlichen Gemüseernte besonders große Mengen verarbeitet, während die Fertigerzeugnisse bis etwa Mai 1964 kaum abzusetzen waren. Unmittelbar vor dem Beginn der Kampagne dieses Jahres waren noch erhebliche Mengen unverkauft. Infolgedessen konnte auch ein Teil der Betriebsmittelkredite des Vorjahres nicht abgedeckt werden.
Die Situation hat sich zwar inzwischen etwas gebessert, doch kann der Absatz auch zur Zeit noch nicht als normal angesehen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Bundesminister, werden Sie auch weiterhin bemüht bleiben, der Konservenindustrie zu helfen?
Wir werden selbstverständlich bemüht sein, Herr Kollege, der Konservenindustrie die bestmögliche Unterstützung zuteil werden zu lassen, weil wir das im Interesse des deutschen Gemüseanbaus für notwendig halten. Vielleicht aber deckt sich das mit Ihrer zweiten Frage. - Darf ich verlesen, Herr Präsident?
Ich rufe auf die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) -:
In welcher Form gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zur Behebung der in Frage IX/2 aufgezeigten Krise einzuleiten?
Das Hauptanliegen der Industrie ist die Beschränkung der Importe. Es ist bisher gelungen, die wichtigsten Zubereitungen wie Erbsen- und Bohnenkonserven von der Liberalisierung ,der Einfuhr auszunehmen. Weiter sind in den Handelsvertragsverhandlungen Forderungen der Exportländer auf Vereinbarung neuer oder Aufstokkung bestehender Kontingente im allgemeinen mit dem Hinweis auf Globalausschreibungen, an denen sich alle Länder beteiligen können, zurückgewiesen worden.
Zur Zeit wird geprüft, wie hoch die Globalausschreibungen sein müssen, um den Interessen der Industrie, des Handels und der Verbraucher gerecht zu werden. Es ist aber äußerst schwierig, den Verbrauch und damit den Einfuhrbedarf vorauszusehen. Außerdem müssen gewisse Reserven vorhanden sein, damit eine ausreichende Versorgung auch dann gesichert ist, wenn während einer längeren Frostperiode, wie z. B. im Frühjahr 1963, die Frischgemüseanlieferung vorübergehend zu wünschen übrigläßt.
Keine Zusatzfrage.
Dann komme ich zur Frage IX/4 - des Abgeordneten Wächter -:
Wie hoch ist der Wassergehalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten der EWG hergestellten Margarine?
Nach den in meinem Ministerium vorliegenden, aus den Jahren 1956 bis 1960 stammenden Angaben liegt der Wassergehalt der Margarine in den Mitgliedstaaten der EWG um 16 %, der Fettgehalt zwischen 80 und 84 %. Ich bin im Rahmen der Vorarbeiten für die kommenden Verhandlungen über die EWG-Fettmarktordnung und für die endgültige Entscheidung über die Frage des Fett- und Wassergehaltes der Margarine in der Bundesrepublik zur Zeit ohnehin bemüht, neueste Unterlagen über den Fett- und Wassergehalt der Margarine in anderen Ländern zu beschaffen. Sobald diese Unterlagen vorliegen, werde ich mir erlauben, die Frage des Herrn Abgeordneten abschließend schriftlich zu beantworten.
In der Bundesrepublik besteht auf Grund der Runderlasse des ehemaligen Reichsministers des Innern vom 22. Januar und 23. März 1942 bis jetzt die Übung, Margarine mit einem Fettgehalt von 78 % und einem Wassergehalt von 20 % herzustellen und in den Verkehr zu bringen. § 2 der Bekanntmachung über fetthaltige Zubereitungen vom 26. Juni 1916 schreibt dagegen vor, daß Margarine einen Mindestfettgehalt von 80 % haben muß. Ungesalzene Margarine darf nach dieser Bestimmung nicht mehr als 18 % Wasser enthalten; bei gesalzener Margarine darf der Höchstgehalt an Wasser und Salz zusammen nicht mehr als 18 % betragen.
Die gegen die Weitergeltung des § 2 der Bekanntmachung über fetthaltige Zubereitungen vorgebrachten Einwendungen hat die Bundesregierung kürzlich mit dem Ergebnis geprüft, daß diese Bestimmung geltendes Recht ist. Die Bundesregierung hat sich inzwischen mit dem Margarine-Verband in Verbindung gesetzt, um sicherzustellen, daß die Margarine zukünftig einen Mindestfettgehalt von 80 % haben wird. Herr Kollege, nach der neuesten Rechtsauffassung gilt also die Bestimmung vorn Juni 1916 mit dem Fettgehalt von 80 %.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.
Darf ich, Herr Minister, aus Ihrer Antwort schließen, daß der Wassergehalt der Margarine in der Bundesrepublik zur Zeit bei 20 % liegt? Wenn das zutreffen sollte, ergibt sich nicht daraus eine sehr starke Wettbewerbsverzerrung zwischen der deutschen Butter und der deutschen Margarine, weil der Wassergehalt der deutschen Butter mittlerweile auf 16 % festgesetzt worden ist?
Herr Kollege, es trifft zu, daß derzeit Margarine im deutschen Raum mit 20 % Wasser verkauft wird. Ob das eine Diskriminierung der Butter darstellt, lasse ich dahingestellt sein. Die Hausfrau wird ja auch erkennen, ob es in der Bratpfanne mehr oder weniger zischt.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.
Befürchtet etwa die Bundesregierung - und sicher auch die Margarineindustrie -, daß es bei einer Senkung des Wassergehalts auf 16 %, wie das in den anderen EWG-Ländern teilweise der Fall ist, zwangsläufig zu einer Anhebung des deutschen Margarinepreises kommt?
Ich nehme an, daß die Margarineindustrie genau dieselbe Begründung auf den Tisch legen wird wie auch die deutschen Milcherzeuger, die zu Recht einen erhöhten Butterpreis für den geringeren Wassergehalt fordern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Minister, darf ich fragen: Besteht die Absicht, auch bei Margarine einen ähnlichen Europastandard herzustellen, wie er jetzt zum 1. November bei der Butter einheitlich vorgesehen ist?
Herr Kollege Bauer, diese Frage wird im Zuge der neuen, noch zu besprechenden Fettmarktordnung im EWG-Raum zu lösen sein.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich annehmen, daß sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird, daß ein solcher internationaler Standard bei der Margarine angestrebt und auch erreicht wird?
Wir werden selbstverständlich in dieser Richtung arbeiten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage IX/5 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -:
Ist es richtig, daß die Pariser Konvention zum Schutz der Pflanzenzüchtung vom Dezember 1961 eine Novellierung des deutschen Saatgutgesetzes notwendig macht?
Diese Frage ist zu bejahen. In unserem Saatgutgesetz von 1953 sind bekanntlich das Sortenschutzrecht und das Saatgutverkehrsrecht miteinander verzahnt. Nach der Konvention zum Schutz der Pflanzenzüchtung darf im Gegensatz zur geltenden Regelung der Sortenschutz nicht mehr von dem landeskulturellen Wert einer Neuzüchtung abhängig gemacht werden; vielmehr muß diese Frage ausschließlich der Saatgutverkehrsregelung vorbehalten bleiben. Schon deshalb ist eine Novellierung des Saatgutgesetzes nötig. Dabei müssen das Sortenschutzrecht und das Saatgutverkehrsrecht klar getrennt und in zwei Gesetzen geregelt werden. Beide Gesetze können wegen der bisherigen Verzahnung im Saatgutgesetz nur gleichzeitig eingebracht werden. Die einzelnen Regelungen, die in dem neuen Saatgutverkehrsgesetz getroffen werden müssen, sind letztlich abhängig von den vier EWG-Richtlinien über landwirtschaftliches Saatgut, die zur Zeit dem Rat der EWG zur Beschlußfassung vorliegen.
An den Entwürfen der beiden Gesetze - Sortenschutzgesetz und Saatgutverkehrsgesetz - wird in meinem Hause schon seit längerem gearbeitet. Ich halte die beiden Gesetze für vordringlich. Sie sollen 'deshalb zusammen mit dem Zustimmungsgesetz zu der Pariser Konvention noch in dieser Legislaturperiode dem Bundestag zugeleitet werden.
Keine Zusatzfrage! Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zunächst zu der Frage X/1 - des Abgeordneten Schmidt ({0}) -:
Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung für den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung zu ziehen, nachdem die Arbeitslosenversicherung auch im Jahre 1964 mit einem Überschuß abschließen wird und somit eine Senkung des Beitragssatzes für 1965 auf 1 % möglich erscheint?
Herr Bundesminister, darf ich bitten!
Herr Abgeordneter Schmidt, die Arbeitslosenversicherung hat in den Jahren 1962 und 1963 mit einem wenn auch unbedeutenden Verlust abgeschlossen, der aus der Rücklage gedeckt wurde. Für das Jahr 1964 wird sie voraussichtlich mit einem Überschuß abschließen. Seine Höhe wird vom Witterungsverlauf der Monate November und Dezember abhängen. Ich halte es für möglich, daß er etwa 300 Millionen DM betragen wird. Das wäre dann ein Ausgleich für die ungünstigere Entwicklung in den beiden letzten Jahren.
Die Rücklage der Bundesanstalt ist von Ende 1960, also der Zeit, zu welcher das Hohe Haus die Ermächtigung zur Beitragsfestsetzung an die Bundesregierung vorbereitete, bis Ende 1963 zwar nominal um etwa 9 v. H. angestiegen; der durchschnittliche Jahreskopfsatz des Arbeitslosengeldes stieg dagegen in der gleichen Zeit um etwa 23 v. H. Der Leistungswert der Rücklage ist also zurückgegangen. Wenn dieser Rückgang des Leistungswertes durch ein entsprechendes Ansteigen der Rücklage ausgeglichen wird, so entspricht das durchaus dem, was nach dem Willen des Hohen Hauses mit der Beitragsfestsetzung erreicht werden soll.
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren den Beitragssatz jeweils für zwei Jahre festgesetzt, zuletzt mit Verordnung vom 22. August 1963 für die Jahre 1964 und 1965 auf 1,3 v. H. Sie hält es bei dem hohen Schwankungsgrad in der Belastung der Bundesanstalt für zweckmäßig, die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Änderung des Beitragssatzes nur alle zwei Jahre zu prüfen. Dadurch ergibt sich ein Ausgleich unter den Auswirkungen von zwei Winterperioden, und es wird im Interesse der Wirtschaft und der Versicherten ein zu häufiges Schwanken des Beitragssatzes vermieden. Die Bundesregierung gedenkt daher, erst wieder im Laufe des nächsten Jahres die Folgerungen aus dem Ablauf des Jahres 1964 und des Winters 1964/65 für die Beitragsfestsetzung zu ziehen. Erst dann wird erkennbar sein, ob und in welchem Umfange der Beitrag gesenkt werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) !
Herr Minister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Schätzungen der Bundesanstalt aus dem Jahre 1963 ein wesentlich höheres Defizit hatten erwarten lassen, daß sich diese Erwartungen aber 1964 nicht bewahrheitet haben und daß daher doch noch früher als im Zweijahresrhythmus Überlegungen angestellt werden könnten?
Ich sagte ja eben, Herr Kollege Schmidt, daß im Jahre 1963 ein Defizit entstanden ist. Ob es geringer war, als vorher geschätzt war, weiß ich im Augenblick nicht. Aber die Tatsache, daß wir eins hatten, steht fest. Daß wir in diesem Jahr einen noch nicht genau zu übersehenden Überschuß haben werden, habe ich Ihnen eben auch gesagt. Das wäre dann ein wünschenswerter Ausgleich.
Ich sehe keine Möglichkeit, vor Ende dieses Winters, also vor dem nächsten Jahr, eine erneute Überlegung anzustellen, ob der Beitrag gesenkt werden kann; erst dann habe ich einen Überblick, der es erlaubt, eine solche Entscheidung zu treffen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist es richtig, daß nach dem Finanzbericht der Bundesregierung die Rücklage zur Zeit immerhin knapp 5,9 Milliarden DM beträgt, also einen Betrag ausmacht, der nicht erwartet worden war und der für meine Begriffe eine entsprechende Überlegung - vor allen Dingen, wenn die Monate November und Dezember abgerechnet sind - ermöglichen würde?
Das Hohe Haus hat, als es damals darüber beriet, die Lösung, der Bundesregierung das Recht zu übertragen, durch Rechtsverordnungen den Beitragssatz festzusetzen, gewünscht - und daran halte ich mich -, daß die Rücklage zwar nicht wesentlich wachsen, aber auch nicht wesentlich abnehmen, also auf einer gewissen Höhe gehalten werden sollte. Ich habe eben dargestellt, daß die Rücklage nicht in dem Ausmaß gewachsen ist - ich habe 9 % gesagt -, wie andererseits das pro Kopf zu zahlende Arbeitslosengeld gestiegen ist.
Ich glaube, ich habe mich strikt an den Auftrag des Hohen Hauses gehalten, wenn ich die Rücklage auf der bisherigen Höhe festgehalten habe. Ein wesentliches Anwachsen wird durch die Überschüsse von 1964 - wie eben dargetan - nicht eintreten.
Ich komme zur Frage X/2 - des Abgeordneten Höhmann ({0})
Welche Maßnahmen hat der Herr Bundesarbeitsminister getroffen, um bestimmte Gebrauchsgegenstände für Armamputierte, besonders für Rechts-Armamputierte, entwickeln zu lassen, und welche Gebrauchsgegenstände und Hilfen sind schon jetzt für diesen Personenkreis bei den Versorgungsämtern erhältlich?
Herr Kollege, „Gebrauchsgegenstände für das tägliche Leben in Sonderfertigung" werden armamputierten Kriegsbeschädigten im Rahmen .der orthopädischen Versorgung als Sachleistung gewährt. Die meisten dieser Gegenstände werden fabrikmäßig hergestellt. Teilweise fertigen sie aber auch Spezialwerkstätten einzeln auf Grund orthopädisch-fachärztlicher Verordnung nach den besonderen Bedürfnissen des betreffenden Beschädigten an. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung unterstützt die Entwicklung dieser Gebrauchsgegenstände, soweit sie fabrikmäßig hergestellt werden, im Wege der Beratung von Erfindern und Begutachtung ihrer Konstruktionen durch seinen Beirat für Orthopädie-Technik sowie durch finanzielle Zuwendungen an Forschungswerkstätten und andere Einrichtungen. Insgesamt wurden vom Beirat bisher 46 derartige Neukonstruktionen begutachtet und davon 36 auf Grund seiner Empfehlungen im Versorgungswesen eingeführt. Sie werden von den Orthopädischen Versorgungsstellen gewährt.
Die meisten davon sind von verschiedenen Herstellern sowie in unterschiedlicher Form und Ausführung erhältlich, so daß insgesamt ungefähr 100 Gegenstände zur Verfügung stehen. Unter diesen befindet sich aber nur ein Gegenstand, der ausschließlich für rechtsseitig Armamputierte bestimmt ist. Es ist eine Füllhalter-Schreibfeder zum linkshändigen Schreiben. Die überwiegende Zahl der sonstigen Behelfe ist für Einhänder schlechthin, also sowohl für rechtsseitig als auch für linksseitig Armamputierte bestimmt. Das sind vor allem bei der Körperreinigung, beim Essen und beim Schreiben sowie in Garten und Haus benötigte Sonderfertigungen von Geräten.
Ein Bedürfnis nach anderen, nur von rechtsseitig Armamputierten zu verwendenden Gegenständen hat sich bisher nicht gezeigt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, wie kann man sicherstellen, daß das, was Sie eben vorgetragen haben, auch allen, die zu dem betroffenen Personenkreis gehören, bekanntgemacht wird?
Man müßte einmal überlegen, ob es so etwas gibt; ich bin da im Augenblick überfragt. Man müßte überlegen, ob man nicht durch die Versorgungsämter Merkblätter an die Betroffenen, d. h. an die Armamputierten, ausgeben sollte. Ich will das einmal prüfen. Ihre Frage scheint mir insoweit eine wichtige Anregung zu sein.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich habe des öfteren Klagen von Leuten gehört, die rechts armamputiert sind. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß man bei allen Förderungsvorhaben für diesen Personenkreis den Kreis der rechts Armamputierten besonders berücksichtigen müßte, weil bisher die meisten Gebrauchsgegenstände von Rechtshändern für Rechtshänder konstruiert worden sind?
Hier handelt es sich natürlich einmal darum, was Erfindern oder Fachleuten auf diesem Gebiet einfällt. Das läßt sich immer nur anregen, indem man auf Notwendigkeiten hinweist, und unterstützen. Was man darüber hinaus noch tun könnte, ist sehr schwer zu sagen. Wir haben einen Beirat, der - das wird man wohl wirklich sagen können - aus ersten Fachleuten sowohl auf medizinischem als auch auf orthopädietechnischem Gebiet besteht, die sich alle Mühe geben. Aber über menschliches Können hinaus kann ich durch Verwaltungsmaßnahmen nichts erreichen.
Herr Minister, ist das beim Konstrukteur nicht immer eine Frage des Geldes, und müßte das nicht, da der Kreis der Betroffenen recht gering ist, über eine Maßnahme der Regierung ausgeglichen werden?
Herr Abgeordneter, das war bereits die dritte Frage.
Nein, das ist keine Frage des Geldes. Uns stehen genug Mittel zur Verfügung. Nur ist das, was bisher auf diesem Gebiete geschehen ist, das Maximum dessen, was Erfindergeist und Forschung - natürlich mit unserer Unterstützung - zu Wege gebracht haben. Ob und wie sich das steigern läßt, ist eine Frage, die ich so wenig beantworten kann wie Sie.
Herr Abgeordneter Fritsch, Sie wünschen noch eine Zusatzfrage?
Herr Minister, wären Sie bereit, alsbald der Anregung des Bundestagsausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen des Inhalts zu folgen, daß eine Zusammenstellung aller orthopädischen Hilfsmittel über die orthopädischen Versorgungsstellen den Geschädigten an den Sprechtagen zur Kenntnis gebracht wird, um ihnen einen Überblick über die überhaupt möglichen orthopädischen Hilfsmittel zu gewähren?
Ich sagte eben schon auf Grund einer Zusatzfrage, ich sei überfragt. Ich kann im Augenblick nicht sagen, ob es so etwas in hinreichendem Maße gibt; anzunehmen wäre es. Wenn es das nicht gibt, werden wir das einführen müssen, damit jeder Beschädigte von seinem zuständigen Versorgungsamt genügend Hinweise bekommt, was an Mitteln und Gegenständen zur Verfügung steht, um ihm sein Leben zu erleichtern. Ich glaube, das ist eine bare Selbstverständlichkeit.
Wir kommen damit zur Frage X/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -:
Billigt es die Bundesregierung, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sich dagegen sperrt, Sondererlaubnisse für die Anwerbung von Pflegepersonal in Ostasien zu erteilen?
Die Bundesregierung vertritt den Standpunkt, daß ungelernten Arbeitnehmern aus außereuropäischen Ländern wegen der vielfältigen Schwierigkeiten, die ihr Aufenthalt und ihre Beschäftigung erfahrungsgemäß mit sich bringen, grundsätzlich keine Aufenthalts- und keine Arbeitserlaubnis erteilt werden soll. Das gilt auch für die Beschäftigung von pflegerischen Hilfskräften aus außereuropäischen Ländern.
Von pflegerischen Fachkräften aus außereuropäischen Ländern sind bisher nur in wenigen Fällen Anträge auf Erteilung einer Aufenthalts- und einer Arbeitserlaubnis gestellt worden. In wiederholten Fällen sind indes von Trägern von Krankenanstalten sowie einzelner Krankenhäuser junge Mädchen aus außereuropäischen Ländern für eine Ausbildung als Krankenpflegerin in Krankenanstalten aufgenommen worden, unter anderem aus Südkorea und den Philippinen. Die Bewerberinnen wurden hauptsächlich durch Missionsgesellschaften oder einzelne dort tätige Geistliche ausgesucht und in der Regel für eine Ausbildung in deutschen Anstalten der entsprechenden Organisationen, Kongregationen, Orden und Gemeinschaften vorgesehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kohut?
Herr Minister, liegt nicht ein Widerspruch darin, daß junge Frauen aus Hongkong zur Ausbildung als Krankenschwestern hierher geholt worden sind, aber solche aus Formosa abgelehnt worden sind, obwohl sie angefordert wurden?
Es ist mir nicht bekannt, ob man aus dem einen oder aus dem anderen Land welche geholt hat. Insonderheit ist mir nicht bekannt, daß das irgendeinen Widerspruch in sich bedeutet. Grundsätzlich möchten wir, wie ich eben ausführte, keine ungelernten Kräfte aus den außereuropäischen Ländern. In einzelnen Fällen ist das durch das Wirken von Missionsgesellschaften geschehen. Worin da ein Widerspruch liegen soll, vermag ich nicht zu sehen.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kohut!
Kann man wirklich sagen, Herr Minister, daß es sich hier um ungelernte Arbeitskräfte handelt? Denn es geht doch um junge Frauen und Mädchen, die erst ausgebildet werden sollen, und auch hierzulande werden doch auch solche Mädchen zu Schwestern ausgebildet, die keine besonderen Kenntnisse haben. Ist nicht auch das ein Widerspruch?
Ich habe ja dargetan, daß wir bei ungelernten Kräften aus außereuropäischen Staaten, die hier erst ausgebildet werden müssen, grundsätzlich zurückhaltend sind, und zwar wegen der großen Schwierigkeiten, die das im einzelnen mit sich bringt, und wegen der sehr geringen Effizienz. Denn diese Kräfte versuchen natürlich, recht bald in andere Bereiche der Wirtschaft abzuwandern. Ich möchte noch einmal wiederholen: Wo solche ungelernten Kräfte aus außereuropäischen Ländern, insbesondere aus dem Fernen Osten, hierhergekommen sind, um hier in Krankenanstalten ausgebildet zu werden, handelt es sich in fast aller Regel um junge Menschen, die durch das Wirken von Missionsgesellschaften usw. hierhergekommen sind. Das ist aber eine verschwindend kleine Zahl.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich komme nun zu den Fragen aus der Drucksache 2635 ({0}), soweit sie sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beziehen. Ich rufe die von dem Abgeordneten Stingl gestellte Frage IV/1 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Sender Freies Berlin es ablehnt, dem Sprecher der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus Sendezeiten einzuräumen, obwohl der Regierende Bürgermeister nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig alle 14 Tage im Fernsehen und im Hörfunk seinen Standpunkt darlegt?
Ich möchte die beiden Fragen IV/1 und IV/2 zusammen beantworten.
Bitte sehr! Ich rufe also auch die ebenfalls von dem Abgeordneten Stingl gestellte Frage IV/2 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vom Sender Freies Berlin seit kurzem eingeführten vierwöchentlichen viertelstündigen Parteiengespräche wegen der anderen Thematik und der größeren zeitlichen Zwischenräume nicht als Ausgleich für die Sendezeit des Regierenden Bürgermeisters angesehen werden können?
Ich darf vorweg bemerken, daß der Sender Freies Berlin eine Rundfunkanstalt des Landesrechts ist, die weder in den Bereich der Gesetzgebungsbefugnis noch in ,die Verwaltungsbefugnis des Bundes fällt.
Zur Sache selber wäre zu sagen: Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Herr Regierende Bürgermeister von Berlin alle vierzehn Tage eine fünfzehn Minuten dauernde Ansprache hält, die zu unterschiedlichen Zeiten in beiden Programmen des Senders Freies Berlin und des Senders RIAS ausgestrahlt wird. Außerdem spricht der Regierende Bürgermeister von Berlin ebenfalls regelmäßig alle vierzehn Tage fünf Minuten über das Regionalfernsehen des Senders Freies Berlin.
Soweit der Bundesregierung bekanntgeworden ist, hat der Sender Freies Berlin es bisher abgelehnt, dem Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus entsprechende Sendezeiten einzuräumen.
({0})
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß es bei einem Vergleich nicht immer auf die Zeit ankommt, sondern auch auf die Funktion. Soweit jemand, abgesehen von seiner sonstigen Funktion, das Wort als Parteivorsitzender ergreift, ist die Bundesregierung der Meinung, daß gleiches Recht für alle zu gelten hätte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stingl!
Zunächst eine Frage an den Herrn Präsidenten: Habe ich jetzt vier Zusatzfragen, weil es zwei ursprüngliche Fragen waren?
Jawohl.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß diese Verhandlungen sich sehr lange hinzogen und dann mit einem sehr ungenügenden Kompromiß endeten?
Die Einzelheiten der Verhandlungen kenne ich nicht.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, und wie beurteilen Sie es, daß eine Sendung wie die „Schuhdrück-Sendung", wie sie genannt wurde, dem Regierenden Bürgermeister Schreiber nicht zugebilligt wurde?
({0})
Das ist mir nicht bekannt. Ich möchte wiederholen: es ist zu unterscheiden, ob jemand das Wort als Parteimann ergreift oder ob es sich um eine Verlautbarung der Landesregierung handelt. Das ist die Grundunterscheidung, die zu machen ist. Soweit der Parteivorsitzende das Wort ergreift, muß nach den Grundsätzen und nach dem Sinn der ganzen Rundfunkgesetzgebung, die sich von den Gesetzen der Länder
bis zu den Satzungen der Rundfunkanstalten erstreckt und die auch den Geist der Verfassung wiedergibt, absolute Gleichberechtigung herrschen.
Herr Bundesminister, wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin nicht als Parteivorsitzender, sondern als Regierender Bürgermeister spricht, ist es dann nicht angemessen, auch der Opposition eine Sendezeit einzuräumen?
Ich würde das für angemessen halten.
Herr Bundesminister, würden Sie die den drei Parteien des Abgeordnetenhauses zugemessenen Sendezeiten für eine redaktionelle Sendung halten oder für ein Äquivalent für die Sendung des Regierenden Bürgermeisters.
Ich möchte das von dem Inhalt der Sendung abhängig machen.
Nunmehr kommt eine Reihe weiterer Zusatzfragen. Zuerst Herr Abgeordneter Wellmann! Auch Sie haben vier Zusatzfragen.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die hier zitierte Sendung seit der Blokkade 1948 besteht und daß sie allen Regierenden Bürgermeistern zur Verfügung stand, auch Herrn Dr. Schreiber?
({0})
Ich höre das zum erstenmal.
({0})
Ich habe mich auf den Gegenstand dieser Frage vorbereitet, nicht auf die geschichtliche Entwicklung der Verlautbarungen an dem Berliner Sender.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich diese Sendung vor allem an die Gesamtberliner Bevölkerung und an die Bevölkerung der Ostzone richtet und nie zu polemischen Äußerungen eines Regierenden Bürgermeisters geführt hat?
({0})
Einen Augenblick! Die Frage ist an den Bundesminister des Innern gerichtet.
Herr Kollege, ich habe ja schon in meiner Hauptantwort unterschieden zwischen einer Verlautbarung aus der Funktion heraus als Regierender Bürgermeister und einer Verlautbarung z. B. als Parteivorsitzender. Solche Unterscheidungen sind nach dem Inhalt der
Aussage zu treffen. Alle Verlautbarungen von seiten des Regierenden Bürgermeisters haben einen Sonderstatus im Rundfunkrecht.
Darf ich ferner fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß die CDU, solange sie in der Regierung gewesen ist, von 1949 bis 1962 nie Veranlassung gesehen hat, diese Sendung in irgendeiner Form zu beanstanden?
({0})
Das kann sein, es kann auch nicht sein. Ich weiß es nicht.
({0})
Dann darf ich die vierte und letzte Frage stellen.
({0})
Ich bitte um Ruhe für den Fragesteller.
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Antwort dahin auslegen, daß Sie Ihren gestern bezogenen Standpunkt, sich nicht zum Zensor der Länder machen zu wollen, heute schon wieder aufgeben wollen?
Ich habe keinen Standpunkt aufgegeben.
({0})
Herr Abgeordneter Müller ({0}) !
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Intendant des Senders Freies Berlin das Begehren des Oppositionsführers - ausdrücklich: Oppositionsführers - im Berliner Abgeordnetenhaus mit der entgegengesetzten Begründung ablehnt wie beispielsweise sein Kollege, der Intendant Schröder vom Nordwestdeutschen Rundfunk?
({0})
Ich kenne diese beiden Begründungen nicht, bin aber gern bereit, sie zu untersuchen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann komme ich zu Frage IV/3 - des Abgeordneten Stingl -:
Wie beurteilt die Bundesregierung die von der SPD ausgesprochene Kündigung der von allen Bundestagsfraktionen und der ARD getroffenen Vereinbarung über Sendezeiten nach Erklärungen der Bundesregierung in Rundfunk und Fernsehen?
Herr Bundesminister, bitte.
Nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland hat die SPD das Abkommen bisher nicht gekündigt, obwohl damit in mehreren Presseveröffentlichungen gedroht wurde. Die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten betrachtet das Abkommen nach wie vor als gültig.
({0})
Herr Bundesminister, wenn Sie dieses Abkommen noch als gültig erachten, sehen Sie dann nicht einen Verstoß dagegen in dem Verhalten des Intendanten des Norddeutschen Rundfunks, der - ich darf ergänzen - in völliger Abweichung von der Begründung des Intendanten Steigner anders verfahren ist?
Ich habe mich erkundigt, ob das Abkommen noch gültig ist. Ich habe mich bei einer Seite erkundigt; dort ist man der Auffassung, das Abkommen bestehe noch. Ich habe zunächst keinen Anlaß, in eine Kritik einzutreten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Intendant des Norddeutschen Rundfunks meint, redaktionelle Sendungen seien kein Äquivalent für die Sendungen der Regierung und redaktionelle Sendungen könnten nicht unter dem parteipolitischen Proporz gesehen werden? Widerspricht das nicht der Auffassung des Intendanten Steigner? Läßt sich nicht vermuten, daß hier jeweils parteipolitische Opportunitätsgesichtspunkte maßgebend sind?
Ich bin der Auffassung, daß auch bei den eigengestalteten redaktionellen Sendungen der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und der Fairneß Gültigkeit hat.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß sich das hier zitierte Abkommen zwischen den Fraktionen dieses Hauses und der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten auf das Verfahren bei Erklärungen bezieht, die von Mitgliedern der Bundesregierung auf deren Wunsch abgegeben werden, nicht aber auf Programmpunkte, die von den Sendegesellschaften gestaltet werden?
Herr Kollege Mommer, es gibt eine Reihe von Vereinbarungen zwischen den Rundfunkanstalten und den Parteien. Es gibt darüber hinaus Rechtsgrundsätze, die das ganze Rundfunktrecht und alle Sendungen beherrschen, und zwar Rechtsgrundsätze, die auf Fairneß und Gleichbehandlung ausgerichtet sein müssen und die auch durch eine Vereinbarung nicht außer Kraft gesetzt werden können.
Keine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer? - Dann Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es nicht für durchaus normal und sinnvoll, daß man ein Abkommen, während dessen Lauf man Erfahrungen gesammelt hat, kündigt, um es auf Grund der Erfahrungen weiter auszugestalten?
({0})
Das ist durchaus möglich.
Damit kommen wir zur Frage IV/4 - des Herrn Abgeordneten Rasner -:
Hält die Bundesregierung den Bundestag für ihr korrespondierendes Verfassungsorgan oder glaubt sie, wie die SPD, die Opposition sei das Pendant der Regierung?
Ich kann die Frage des Herrn Abgeordneten Rasner mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beantworten, das am 14. Juli 1959 erging. In diesem Urteil ist folgendes ausgeführt:
Die Regierung ist mehr als Exponent der Parlamentsmehrheit. Die Reden ihrer Mitglieder können nicht nur als eine Vertretung des Mehrheitsstandpunktes betrachtet werden. Sicher trifft der Hinweis der Antragsteller zu, daß die Opposition nicht nur der Parlamentsmehrheit, sondern der Parlamentsmehrheit und der Regierung gegenübersteht. Aber damit ist die Stellung der Regierung nicht erschöpfend umschrieben. Sie steht als Spitze der Exekutive zugleich dem Parlament, also .der Opposition und der Mehrheit, gegenüber.
Also das Pendant ist das Parlament.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasner.
Ist die Bundesregierung nach dieser erfreulich klaren Antwort der Meinung, daß der Norddeutsche Rundfunk, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, seine Monopolstellung mißbraucht und entgegen Buchstaben und Sinn des Grundgesetzes handelt,
({0})
wenn er in von ihm redaktionell gestalteten und zu verantwortenden Sendungen
({1})
nur einer Fraktion des Deutschen Bundestages, der SPD-Fraktion, die Möglichkeit gibt, die Politik des letzten Jahres zu untersuchen und zu interpretieren, den Fraktionen der CDU/CSU und FDP die gleiche Chance jedoch verweigert?
Ich darf die Frage in das Positive richten und folgende Antwort geben. Ich habe schon zu den bisherigen Fragen erklärt, daß auch eigengestaltete und redaktionelle Beiträge von dem Grundsatz der Fairneß und der Gleichbehandlung beherrscht sein müssen. Wenn hier dieser Grundsatz verletzt sein sollte, möchte ich meinen, daß der Anstalt noch Zeit gegeben wäre, das auszugleichen.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Minister, sieht die Bundesregierung in dem in der vorigen Frage geschilderten Verhalten des Norddeutschen Rundfunks unmittelbar vor der Kommunalwahl in drei Bundesländern den Versuch einseitiger Wahlbeeinflussung zugunsten der Sozialdemokratischen Partei?
({0})
Höcherl,. Bundesminister des Innern: Ich darf zunächst darauf erwidern, daß für eine Wahlbeeinflussung in allererster Linie der Hörbereich in Frage kommt. Inwieweit der Hörbereich und der Sehbereich mit dem Wahlgebiet übereinstimmen, müßte untersucht werden.
({1})
- Ja, über alle Sender. Soweit eine einseitige Darstellung gegeben worden ist, bin ich der Meinung, daß die Verpflichtung zum Ausgleich besteht.
Herr Abgeordneter Dr. Heinemann zu einer Zusatzfrage.
Zurückkommend auf das zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts möchte ich die Bundesregierung fragen, ob sie anerkennt, daß dieses Urteil nur mit einem sehr speziellen Vorgang in diesem Hause zu tun hatte, daß es aber nichts mit den von den Sendern frei gestalteten Sendungen zu tun hatte?
Die Frage des Herrn Abgeordneten Rasner bezieht sich darauf, welche Relation zwischen Regierung und Parlament herrscht.
({0})
Es ist richtig, Herr Kollege Heinemann, daß dieses Urteil über eine Frage der Redezeit erging. Es sind aber, wie so oft, doch recht vorteilhaft für uns, in diesem Urteil allgemeine Ausführungen gemacht worden, die sich in diesem Zusammenhang durchaus verwerten lassen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heinemann.
Sind wir uns also einig, Herr Minister, daß sich das Urteil nur auf die Redezeit hier in diesem Hause bezogen hat?
Das war der Anlaß zum Urteil. Aber die Ausführungen im Urteil betreffen auch den Gegenstand, der heute hier angesprochen worden ist.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, nachdem Sie dem Herrn Abgeordneten Rasner die erbetene Selbstbestätigung nicht geben konnten,
({0})
frage ich Sie, handelte es sich hier nicht darum, daß der Norddeutsche Rundfunk einem Jahr Regierungspolitik die Meinung der Opposition zu diesem Jahr gegenüberstellen wollte?
Herr Schmitt-Vockenhausen, darf ich Sie bitten, die Frage zu wiederholen.
({0})
Nachdem Sie, Herr Minister, dem Abgeordneten Rasner die erbetene Selbstbestätigung seiner bisherigen politischen Meinung nicht in dem erhofften Umfang geben konnten,
({0})
frage ich Sie: Ist es nicht so, daß der Norddeutsche Rundfunk der Regierungstätigkeit der Bundesregierung Erhard nach einem Jahr nunmehr auch die Meinung der Opposition zu dieser Arbeit der Regierung gegenüberstellen wollte?
({1})
Einmal, so glaube ich, ging es dem Abgeordneten Rasner nicht um eine Selbstbestätigung, zum zweiten glaube ich, daß ich seine Frage mit einem verfassungsgerichtlichen Ja beantworten konnte. Zum dritten: selbst wenn der Norddeutsche Rundfunk die Absicht gehabt haben sollte, die einjährige Regierungstätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Opposition darzustellen, dann würde gar nichts entgegenstehen, wenn diese Darstellung einseitig war, für Gleichheit zu sorgen, damit auch noch andere Gesichtspunkte zum Tragen kommen und eine objektive Unterrichtung der Öffentlichkeit möglich ist.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie haben gesagt: „Wenn die Darstellung einseitig war". Haben Sie denn bisher überhaupt die Darstellung der Opposition gesehen?
Ich habe sie nicht gesehen, und ich habe erklärt, daß ich sie nicht gesehen habe.
Herr Abgeordneter Blachstein zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihre soeben gegebene Darstellung der Auffassung der Bundesregierung über das Verhältnis von Regierung und Parlament eine ausreichende Grundlage, um - wie es in den letzten Tagen geschehen ist -, z. B. durch die Fernschreiben von Herrn von Hase, massiv auf die redaktionelle Programmgestaltung der Landesrundfunkanstalten einzuwirken?
({0})
Es kann keinen Zweifel über das Verlautbarungsrecht der Regierung geben. Das Verlautbarungsrecht der Regierung auf der Bundes- und Landesebene ist rechtlich völlig geklärt. Ich bin auch nicht der Meinung, daß der Staatssekretär von Hase einen massiven Einfluß im Sinne der Regierung auf die Rundfunkanstalten und ihre Programmgestaltung genommen hat,
({0})
sondern daß er sich bis zur Gegenwart bemüht hat, für einen fairen Ausgleich, eine Gleichbehandlung und objektive Berichterstattung zu sorgen.
({1})
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blachstein.
Herr Minister, auf Grund welcher Rechtsposition versucht die Bundesregierung auf die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzuwirken?
Eine solche Rechtsposition, eine Position,
({0})
auf jemanden einzuwirken, hat jeder Bundesbürger und jede Einrichtung bei uns. Es handelt sich dabei nicht um ein Vorrecht der Bundesregierung, sondern das ist ein Vorrecht jedes einzelnen Bürgers.
({1})
Die Frage ist nicht beantwortet.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Benda.
({0})
Meine Herren! Ich bitte um Ruhe. Die Zusatzfragen sollen der Reihe nach gestellt werden.
Herr Bundesinnenminister, ich darf auf Ihre Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Heinemann zurückkommen. Täuscht mich meine Erinnerung darin, daß das Bundesverfassungsgericht außer in dem bereits von Ihnen, Herr Minister, erwähnten Urteil in einem anderen Urteil - nämlich dem dem Kollegen Dr. Heinemann selbst bestens bekannten sogenannten Sendezeitenurteil - den Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien bei der Zuweisung von Sendezeiten im Rundfunk ausdrücklich hervorgehoben hat?
Das trifft zu.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Benda.
Herr Bundesinnenminister, würden Sie meine Auffassung teilen, daß dieser Grundsatz der Chancengleichheit erst recht und um so mehr dann zu wahren ist, wenn die Bundesregierung nicht die Möglichkeit hat, in dieser Sendung ihre eigene Meinung uneingeschränkt, sondern nur gefiltert durch eine redaktionelle Bearbeitung der betreffenden Rundfunkanstalt zum Ausdruck zu bringen?
({0})
Ja.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sänger.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sendung, die jetzt mit Herrn Bundeskanzler Erhard gegeben wurde, einer Eigeninitiative des Norddeutschen Rundfunks entsprang und nicht einer Bitte des Bundeskanzlers oder seiner Partei?
Die Chancengleichheit richtet sich nicht nach diesem Gesichtspunkt, sondern nach dem Inhalt.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Ist Ihnen, Herr Bundesminister, nunmehr bewußt geworden, daß diese Antwort die Bestätigung einer unmittelbaren Einmischung in die ausschließliche Autorität einer Redaktion war,
({0}) also sozusagen ein Ausdruck des Willens zur Zensur?
({1})
Herr Kollege Sänger, das ist eine Schlußfolgerung, die Sie ziehen, die ich nicht teile.
({0})
Ich bitte um Ruhe. Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Jahn.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung der Unterschied zwischen Sendungen bekannt, die von der Regierung zur Abgabe einer eigenen Erklärung oder von den Parteien angefordert werden, und solchen Sendungen, die die Rundfunkanstalten in eigener Zuständigkeit gestalten?
({0})
Auch bei Sendungen, die die Rundfunkanstalten in eigener Zuständigkeit veranstalten, gelten die Gesichtspunkte der Chancengleichheit und der Objektivität.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Anstoß zu der Sendung mit Herrn Erler vom Fernsehen und nicht von der SPD oder gar von Herrn Erler selbst ausgegangen ist?
Das würde an dem Sachverhalt meines Erachtens nichts ändern.
({0})
Herr Abgeordneter Stingl zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, teilen Sie mit mir die Meinung, daß eine schizophrene Haltung der SPD darin zum Ausdruck kommt,
({0})
daß sie eine Sendung Über den früheren Oberbürgermeister von Köln wegen angeblicher Wahlbeeinflussung verhinderte, obwohl sie redaktionell
gestaltet war, und jetzt eine völlig andere Haltung einnimmt?
({1})
Ich möchte nicht von Schizophrenie reden, sondern von unterschiedlichen Auffassungen.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, hat sich die Zwischenfrage erledigt? - Dann Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Minister, ist Ihnen die Erklärung des ARD-Vorsitzenden, Intendanten Klaus von Bismarck, die er vorgestern abgegeben hat, bekannt? Er führt dort in Ziffer 2 folgendes aus:
Die ARD besteht darauf, daß klar unterschieden wird zwischen redaktionell gestalteten Sendungen und der Einräumung von Sendezeiten anläßlich von Regierungserklärungen, in denen kontroverse Standpunkte vorgetragen werden. Ebenso gibt es für Parteisendungen vor Wahlen eine Sonderregelung. Es wäre aber völlig abwegig, das Verfahren dieser Sonderregelung für Sendungen anzuwenden, die redaktionell von einer Anstalt gestaltet werden.
Ist Ihnen bekannt, daß Herr Klaus von Bismarck in Ziffer 1 dazu gesagt hat:
Die Verantwortung für diese redaktionell vom Norddeutschen Rundfunk gestaltete Sendung liegt auf Grund des Fernsehvertrages beim Norddeutschen Rundfunk.
Herr Kollege Schäfer, mir ist die Vierpunkte-Erklärung bekannt. Aus den bisherigen Antworten hätten Sie eigentlich entnehmen müssen, daß ich sie genau kenne.
({0})
Ich bin der Auffassung, ganz gleich, aus welchem Rechtsgrund oder welchem Anlaß eine Sendung stattfindet: nach Sinn und Geist des Rundfunkrechts steht über allem der Grundsatz der Chancengleichheit und der Fairneß.
({1})
Meine Damen und Herren! Die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen, ich schließe die Fragestunde.
({0})
Gemäß dem gestrigen Beschluß des Hauses rufe ich als nächsten Punkt den Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1959 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes ({2}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter einige zusätzliche Ausführungen zum Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1959 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes.
Der Mündliche Bericht des Ausschusses liegt Ihnen vor. Ich empfehle ihn Ihrer Aufmerksamkeit. Ich möchte hier nichts wiederholen, sondern lediglich Ihre Aufmerksamkeit zusätzlich auf einige Schwerpunkte dieses Berichtes lenken und dabei auch, einem Auftrag des Haushaltsausschusses folgend, das Plenum und die Öffentlichkeit über die Arbeit der Haushaltskontrolle und der Rechnungsprüfung unterrichten. Gestatten Sie mir, darüber hinaus einige Gedanken zu entwickeln, wie die Rechnungsprüfung und die Haushaltskontrolle noch wirksamer gemacht werden könnten.
Zuvor einige allgemeine Bemerkungen. Die Arbeit des Rechnungshofes und des Rechnungsprüfungsausschusses vollzieht sich im allgemeinen nicht in der Öffentlichkeit, sondern in der Stille. Ich glaube, daß sie dennoch sehr wirksam ist. Es wäre allerdings einseitig, wenn man diese Wirksamkeit nur an dem rein zahlenmäßigen Ergebnis messen würde, obwohl sich auch dieses durchaus sehen lassen kann. Das Ergebnis der Prüfung des Haushaltsjahres 1959 ist ein Betrag von etwa 75 Millionen DM an nachträglichen Einnahmen, an rückgängig gemachten Ausgaben oder an Nachforderung von Abgaben. Das mag zwar bei einem Haushaltsvolumen von 50 oder 60 Milliarden DM geringfügig erscheinen. Ich meine, daß dieser Betrag dennoch beachtlich ist, besonders dann, wenn wir uns einige Relationen einmal vor Augen halten.
Dem Bundesrechnungshof steht für seine Arbeit ein Stab von etwa 500 Beamten, Angestellten und Arbeitern zur Verfügung. Der Haushaltsaufwand für die Arbeit des Rechnungshofs beträgt etwa 11,5 Millionen DM. In diesen Aufwand ist aber auch der des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit der Verwaltung eingeschlossen. Diesen etwa 500 Bediensteten mit einem Aufwand von etwa 11,5 Millionen DM stehen etwa 200 000 Beamte, Angestellte und Arbeiter der gesamten Bundesverwaltung gegenüber. Darin sind nicht die Soldaten einbegriffen, die selbstverständlich auch der Prüfung des Bundesrechnungshofs unterstehen. Darin sind nicht die Auftragsverwaltungen einbegriffen, die natürlich ebenfalls vom Bundesrechnungshof zu prüfen sind; nicht einbegriffen sind ferner die Unternehmungen des Bundes, die gleichfalls vom Rechnungshof geprüft werden; nicht eingeschlossen sind die Körperschaften außerhalb der Bundesverwaltung, soweit sie mit
Bundesmitteln gefördert werden und sich deswegen auch der Rechnungskontrolle unterwerfen müssen. Dennoch glaube ich, daß die weit größeren Wirkungen nicht unmittelbar finanziell zu messen sind.
Wenn auch eine Größenordnung von 75 Millionen DM sicherlich nicht gering zu achten ist, scheint es mir, daß die größeren Wirkungen mehr mittelbarer Natur sind. Durch die bloße Existenz des Rechnungshofs als Prüfungs- und Kontrollorgan erzielen wir wesentliche Wirkungen in der Prophylaxe, in der Vermeidung von Fehlentwicklungen, in der Vermeidung von Fehlausgaben. Wir sollten deswegen die Wirkungen der Rechnungsprüfung nicht in erster Linie nur rückblickend betrachten, wir sollten sie nicht in erster Linie oder sogar ausschließlich danach bemessen, wie viele Millionen sie dem Bund eingespart oder zurückgebracht haben, sondern wir sollten fragen: Wie können wir Fehlausgaben, wie können wir negative Entwicklungen in der Zukunft vermeiden?
Das Ergebnis dieser Arbeit ist weit schwerer abzuwägen, weil es eben nicht in Zahlen zu fassen ist. Dennoch sind die Wirkungen gerade auch dieser Arbeit deutlich zu erkennen, und zwar einfach an dem Umfang und dem Gewicht der Prüfungsbemerkungen. Wir können mit Befriedigung und Genugtuung feststellen, daß die Beanstandungen des Bundesrechnungshofs, sowohl was den Umfang als auch was das Gewicht anbelangt, ständig zurückgegangen sind.
({0})
Wir sollten das mit Genugtuung verzeichnen.
Trotz dieser unbestrittenen Erfolge der Rechnungsprüfung verstummt die öffentliche Kritik an der Arbeit der Rechnungsprüfung und an ihrer Wirksamkeit nicht. Diese Kritik richtet sich in erster Linie auf drei Punkte. Einmal sagt man in der Öffentlichkeit, die Rechnungsprüfung sei zuwenig aktuell, sie hinke viel zu sehr nach, um noch wirksam zu sein. Zweitens sagt man immer wieder, die Rechnungsprüfung sei viel zu kleinlich, sie sei formalistisch, sie erschöpfe sich in Pfennigfuchserei und Pfennigspalterei und übersehe die wirklich großen Probleme. Schließlich sagt man, daß Rechnungsprüfung und Haushaltskontrolle zuwenig den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung trügen.
Ich glaube, wir haben uns mit diesen Vorwürfen auseinanderzusetzen, wir haben sie auf ihren Gehalt zu prüfen, wir haben zu fragen, ob sie nicht wenigstens teilweise berechtigt sind und was wir dagegen zu tun haben.
Zum ersten Vorwurf, die Rechnungsprüfung hinke zu sehr nach und sie sei nicht aktuell, möchte ich sagen: Sicherlich, wir alle leiden ein wenig darunter, daß wir uns erst jetzt abschließend mit der Jahresrechnung 1959 zu beschäftigen haben; es wird einiges dazu zu sagen sein. Die Rechnungsprüfung ist nicht nur eine stichprobenweise Prüfung der Bundesrechnung, sondern sie geht gründlich die gesamte Haushaltsrechnung Punkt für Punkt durch. Das heißt also: Einfach von ihrem Arbeitsumfang her erfordert diese Materie ein gewisse Zeit. Wenn der Rechnungshof fertig ist, kommt der Rechnungsprüfungsausschuß an die Reihe. Er hat diese Materie in zehn
Sitzungen durchgearbeitet. Allerdings war er schon im Dezember 1963 fertig; im Februar 1963 hatte er damit angefangen. Erst heute, nach weiteren zehn Monaten, kommt die Sache zur abschließenden Behandlung vor den Bundestag. Wenn schon Versäumnisse und Verzögerungen eingetreten sind, so liegt das also nicht in erster Linie, jedenfalls nicht allein, am Rechnungshof, sondern das ist auch eine Folge der Arbeitsüberlastung des Bundestages und des Rechnungsprüfungsausschusses, der ja ein Unterausschuß des Haushaltsausschusses ist und diese Arbeit zusätzlich neben der Haushaltsberatung zu leisten hat.
Der zweite Vorwurf lautete, die Rechnungsprüfung sei kleinlich, sie sei vorwiegend formalistisch, sie sei unfruchtbare Pfennigspalterei. Ich glaube, auch hier kann man dem Rechnungshof keine Vorwürfe machen. Der Rechnungshof ist an das Gesetz gebunden, an die Reichshaushaltsordnung, an die Bewirtschaftungsbestimmungen. Sicherlich ist es richtig, daß diese Bestimmungen heute vielfach nicht mehr angemessen sind, daß sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr voll Rechnung tragen. Ich glaube aber, es wäre Sache des Gesetzgebers, diese Dinge zu ändern. Man kann sie wohl nicht dem Bundesrechnungshof anlasten, wenn er seine Prüfung nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführt.
Zum dritten Vorwurf, die Rechnungsprüfung gehe an den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vorbei, ist zu sagen: Klar ist, daß der Bundesrechnungshof die Aufgabe der Prüfung und der Kontrolle, nicht aber die Aufgabe der politischen Wertung hat. Dagegen ist es Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses, Aufgabe des Haushaltsausschusses und schließlich Aufgabe des Parlaments, die politische Wertung vorzunehmen. Nun, wir haben uns stets die Freiheit genommen, bei all unseren Entscheidungen auch den wirtschaftlichen und politischen Realitäten Rechnung zu tragen.
Lassen Sie mich zum Ergebnis der Rechnungsprüfung selbst wenige Worte sagen. Angesichts der Fülle der Prüfungsbemerkungen muß ich mich auf Schwerpunkte beschränken. Aber gestatten Sie mir vorab eine sehr pauschale Bemerkung. Nach allem, was der Bericht aussagt, können wir ohne Einschränkung sagen: wir haben eine saubere Bundesverwaltung.
Der Prüfungsbericht hat kaum irgendwo schwerwiegende Beanstandungen festgestellt. Mag auch die Fülle der Verstöße, die gerügt werden, etwas anderes ausweisen, die weitaus meisten dieser Verstöße sind rein formaler Natur, vielfach Meinungsverschiedenheiten über Ermessensfragen, teilweise
- auch das sei hier gesagt - als Folge der immer umfangreicheren und komplizierteren Gesetzgebung dieses Hauses.
Was gravierend ist, was disziplinarisch oder gar strafrechtlich relevant sein könnte, beschränkt sich allenfalls auf ein oder zwei Fälle bei einer Verwaltung mit über 200 000 Bediensteten. Nun, diese Fälle
- keine sehr große Zahl - hat der Rechnungsprüfungsausschuß sehr nachdrücklich auf die Hörner genommen. Er hat sie verfolgt. Ein offenes Wort:
ich bedaure sagen zu müssen, daß diese Verstöße noch nicht endgültig bereinigt sind, daß wir sie noch weiter werden verfolgen müssen, bis sie voll befriedigend ausgeräumt sind.
Der Haushaltsauschuß hat mir aufgegeben, das Plenum besonders auf zwei Punkte hinzuweisen. Der eine Punkt, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken soll, ist die Personal- und Haushaltswirtschaft bei Körperschaften außerhalb der Bundesverwaltung, die vorwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Der zweite Punkt ist das Bauwesen des Bundes.
Zum ersten Punkt: Die Personal- und Haushaltswirtschaft bei Zuschußempfängern weist eine gewisse Tendenz zur Großzügigkeit auf. Wir haben feststellen müssen, daß dort die Neigung besteht, auf der einen Seite Spitzengehälter der freien Wirtschaft, auf der anderen Seite aber auch die Sicherheit eines Beamtenstatus zu bieten und beides miteinander zu koppeln. Wir halten eine derartige Tendenz für bedenklich. Der Haushaltsausschuß hat sehr energisch sein Veto eingelegt. Ich habe allerdings mit Befriedigung zu verzeichnen, daß die Wirkung der Intervention in dem speziellen Fall, der hier Anlaß zur Kritik gab, durchaus positiv war. Aufgeschlossenheit und Bereitschaft haben bei der angesprochenen Körperschaft zu schnellen Reaktionen geführt. Ich stehe nicht an zu erklären, daß diese Reaktion sehr viel rascher und sehr viel gründlicher war als vielfach im Bereich von Bundesverwaltungen selbst, die manchmal zu Verschleppungs- und Verzögerungsmanövern neigen.
Zur Frage des Bauwesens im Bund wäre sehr viel zu sagen. Auch hier muß ich mich angesichts der Fülle der Probleme auf ein Teilgebiet beschränken. Wir haben vielfach festgestellt, daß das Bestreben nach sogenannter moderner Baugestaltung oft zu einer Mißachtung anerkannter Regeln der Baukunst geführt hat. Sie alle kennen das Problem. Das Bestreben nach einer modernen, möglichst kubischen Bauform führt dazu, daß keine Traufen angebracht werden und dann Nässe- und Feuchtigkeitsschäden auftreten. Das Bestreben, Kristallburgen zu errichten, führt zur übermäßigen Verwendung von Glas mit all den Folgen für die Bewohnbarkeit wie für die Wirtschaftlichkeit dieser Bauten. Die Bevorzugung von „aparten Bauformen", wo Häuser unbedingt auf Stelzen stehen müssen, wo Pavillons, lange Gänge und Wandelhallen errichtet werden müssen ohne Rücksicht auf Zweckbestimmung, ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit, führt vielfach zur Verschwendung von Steuermitteln. Nun, auch die Bundesbauverwaltung gab auf Anfrage zu erkennen, daß sie ebenfalls der Meinung ist, daß Bundesbauten dem Zeitgeist zu entsprechen hätten und daß dieser Zeitgeist nun eben einmal eine gewisse Transparenz verlange. Ich habe nichts gegen Zeitgeist, auch nichts gegen Transparenz, aber ich weigere mich, mit Steuermitteln Aquarien zu finanzieren, in denen die Menschen im Sommer vor Hitze und im Winter vor Kälte nicht arbeiten können. Ich meine, daß Verwaltungsbauten zunächst dem Menschen zu dienen haben, der dort arbeiten muß, und dem Verwaltungszweck, für den sie errichtet sind,
und dann erst der höheren Ehre des Architekten und des Bauherrn. Wir sollten nicht länger zulassen, daß in unserem Bereich Architektur immer mehr zur reinen Darstellung ihrer selbst wird und dabei immer weniger ihren sozialen Zweck erfüllt, daß sie den Menschen opfert, dem sie zu dienen hat.
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Neben diesen sich aus der Rechnungsprüfung ergebenden Problemen erhob sich auch die ständige Frage: Wie können wir die Rechnungsprüfung durch Rechnungshof und Parlament noch wirksamer machen? Ich habe bereits ausgeführt, daß die bisherige Arbeit dazu geführt hat, daß die Zahl und das Gewicht der Beanstandungen zurückgegangen sind und daß sich die Arbeit der Rechnungs- und Haushaltskontrolle immer mehr auf die Prophylaxe und auf die Zukunft verlagert. Damit aber ergibt sich auch eine Gewichtsverlagerung, ich würde sagen: in Richtung auf die Aufgaben des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung. Damit erhebt sich gleichzeitig die Frage, ob die erwogene oder beabsichtigte Trennung der Funktionen des Rechnungshofpräsidenten und des Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit sinnvoll und richtig ist. Ich meine, man sollte überlegen, ob nicht vielmehr eine noch engere Zusammenarbeit dieser beiden unlösbaren Funktionen sinnvoller und richtiger wäre.
Notwendig wird allerdings auch eine Änderung der Arbeitsmethoden sein. Ich meine, daß man mehr als bisher die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung auch der Kameralistik nutzbar machen sollte.
Hier erhebt sich auch die Frage nach der Haushaltsreform, die eine große Rolle spielt. Die Haushaltspolitik ist ja längst nicht mehr das, was sie früher war: Fiskalpolitik, sondern bei dem großen und ständig wachsenden Anteil der öffentlichen Haushalte am Sozialprodukt mehr Währungs-, Wirtschafts-, Konjunktur- und Finanzpolitik geworden. Diesem Gesichtspunkt trägt zweifelsfrei die Reichshaushaltsordnung nicht mehr genügend Rechnung. Sie ist nun einmal schwerfällig, sie ist vorwiegend fiskalisch, sie ist eben, mit einem Wort, antiquiert. Das Ergebnis ist die dauernde und, ich würde sagen: berechtigte Kritik sowohl der Opposition als auch der Presse und das Unbehagen bei uns selbst gegenüber der Durchlöcherung des Haushaltsrechts durch jährliche Haushaltsgesetze und durch die Bewirtschaftungspraxis.
Darüber hinaus wird auch in die öffentliche Verwaltung mehr als bisher das Kostendenken Einzug halten müssen. Die Frage der Kostenrechnung in der öffentlichen Verwaltung sollte endlich einmal näher geprüft werden. Natürlich werden wir mit Widerständen rechnen müssen. Man wird uns sagen, Verwaltungsarbeit sei vorwiegend geistige Leistung und entziehe sich einer Kostenrechnung. Ich glaube, die Beispiele, die wir aus dem Bereich der Banken und Versicherungen haben, zeigen uns, daß man sehr wohl auch Verwaltungsleistungen messen und berechnen kann, daß also eine Kostenrechnung auch in der Verwaltung zu realisieren ist und auch zu Ergebnissen führt.
Notwendig wird in diesem Zusammenhang auch die stärkere Heranziehung von Volks- und Betriebswirten in den Verwaltungen sein. Man sollte sich auch nicht scheuen, von Fall zu Fall Wirtschaftsprüfer, Prüfungsgesellschaften, Rationalisierungsfachleute, Lochkarten- und Elektronik-Spezialisten heranzuziehen. In dieses Gebiet gehört auch die Frage von Arbeitsplatzstudien und von Arbeitsplatzanalysen.
Ich habe den Versuch gemacht, an Hand der vorliegenden Jahresrechnung Fragen der Rechnungsprüfung und der Haushaltskontrolle in ihrer Bedeutung, aber auch in ihrer Problematik sichtbar zu machen, aber auch Wege zu weisen, wie wir diese noch wirksamer machen können. Wir alle haben die Pflicht, unserem Steuerzahler die Gewähr zu geben, daß mit seinen Steuergroschen sorgsam und sparsam verfahren wird.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bei diesem Punkt der Tagesordnung ein paar kritische Bemerkungen an dieses Haus, und zwar an das ganze Haus.
Das Kontrollrecht des Parlaments ist seine höchste Verpflichtung, und das Recht des Parlaments zur Kontrolle der Regierung sollte auf jeden Fall von diesem Hause so ernst genommen werden wie nur irgend möglich.
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Ich bedauere, hier feststellen zu müssen, daß das Haus sich nicht bewußt ist, welches Recht es ausübt, wenn es für die Durchführung eines Etats von weit über 50 Milliarden DM für das Jahr 1959 der Regierung Entlastung erteilt. Wenn ich sehe, welches geringe Interesse das Haus heute morgen zeigt, dann muß ich mit Bedauern feststellen, daß das Haus sein Kontrollrecht nicht ernst nimmt.
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- Natürlich haben Sie völlig recht, es geht nicht an die, die hier sitzen; aber es ist eben immer dasselbe: diejenigen die hier sind, müssen sich das eben anhören. Vielleicht spricht es sich aber doch irgendwie auf die verschiedenen Bänken herum.
Ich glaubte, diesen Satz vorausschicken zu müssen, weil der Herr Bundesfinanzminister bei der ersten Beratung des Haushalts als Antwort an meinen Freund Schoettle die Bemerkung gemacht hat, der Haushalt sei in gewissem Sinne doch ein Ermächtigungsgesetz. Ich meine, daß das eine sehr gefährliche Formulierung ist. Wir sollten hier doch deutlich feststellen, daß das nichts mit Ermächtigung zu tun hat, sondern daß es sich um ein aus7064
schließliches Recht dieses Hauses und um eine Anweisung an die Regierung handelt, sich im Rahmen dieses Rechts und dieser Anweisung zu verhalten und es nicht als Ermächtigungsgesetz zu betrachten.
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Wenn ich schon eine Kritik an dieses Haus richte, dann muß ich diese Kritik ebenso an die Regierung richten. Zwar ist das verantwortliche Ressort hier vertreten; aber die Regierung hätte sich überlegen müssen, daß in dem Bericht des Bundesrechnungshofes eine ganze Reihe von Anmerkungen und Mißbilligungen stehen, die noch nicht ganz ausgeräumt sind, und daß daher wenigstens die betroffenen Ressorts hätten erwarten müssen, daß diese Punkte hier angesprochen werden und deshalb auch hier vertreten sein müßten.
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Wir wollen hier nicht die einzelnen Punkte noch einmal aufgreifen. Ich möchte nur einen Punkt am Rande erwähnen, ohne in die Details zu gehen: Die Sache mit dem PKW im Ernährungsministerium ist meiner Ansicht nach nicht so gelöst, wie wir es hätten erwarten können, und ich hätte erwartet, daß zum mindesten das Bundesernährungsministerium hier vertreten wäre.
Lassen Sie mich jetzt ein paar allgemeine Bemerkungen machen und dabei auf die Ausführungen des Kollegen Windelen eingehen, mit dessen Grundtendenz ich hinsichtlich dessen, was wir zukünftig anders machen sollten, in der Mehrzahl der Punkte einig bin. Ich möchte aber auch noch sagen: Natürlich haben Sie recht, Herr Kollege Windelen, wenn Sie darauf hingewiesen haben, daß dieser Punkt nach Abschluß unserer Arbeit im Rechnungsprüfungsund im Haushaltsausschuß zehn Monate lang beim Ältestenrat gelegen hat. Aber ohne den Ältestenrat anzugreifen, beugen wir uns doch immer seinen weisen Beschlüssen, auch wenn wir manchmal meinen, sie müßten ein wenig anders aussehen.
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- Das ist richtig, es sind nur Empfehlungen; aber ich würde doch sagen, Herr Kollege Schäfer - wenn ich Sie als Mitglied des Ältestenrates ansprechen darf -, bei der durch die Materie schon an und für sich notwendigen Verzögerung ist es natürlich schlecht, wenn man die Entlastung eines Haushalts dann noch zehn Monate schmoren läßt, obwohl man weiß, daß er eine Reihe von Jahren zurückliegt.
Lassen Sie mich dann noch einige Ausführungen über das Verhältnis des Bundesrechnungshofs zum Parlament machen. Ich habe diese Frage schon einmal angesprochen. Ich bin erstaunt, daß der neugewählte Präsident des Bundesrechnungshofes heute bei der Behandlung dieses Punktes auch nicht anwesend ist.
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Ich hätte es auf jeden Fall begrüßt.
Mein Freund Schoettle hat in der Haushaltsberatung vorgeschlagen, doch einmal zu überlegen, ob nicht der Präsident des Bundesrechnungshofes von diesem Hause vorgeschlagen werden könnte, damit er ein unabhängiges und ein direktes Verhältnis zu diesem Hause hat. Der Bundesfinanzminister hat darauf mit verfassungsrechtlichen Bedenken geantwortet. Man kann sich darüber unterhalten. Wenn der gute Wille vorhanden ist, kommt man sicher zu einem Ziel.
Eines möchte ich aber der Regierung doch sagen. Wenn sie schon den Präsidenten des Bundesrechnungshofes einsetzt, dann sollte sie bei dem Kontrollrecht, daß dieser Bundesrechnungshof und sein Präsident hat, zumindest den Versuch machen, sich wegen eines Vorschlages personeller Art mit der Opposition vorher in Verbindung zu setzen, damit der betreffende Mann das Vertrauen des ganzen Hauses hat.
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Ich beziehe mich hier nicht auf die Person des augenblicklichen Präsidenten, sondern ich beziehe mich nur auf die Übung und den Stil. Ich meine, wenn schon der Bundesrechnungshof und sein Präsident Funktionen für das ganze Haus übernimmt, dann sollte die Regierung mindestens auch wissen, daß es in diesem Haus eine Opposition gibt, die genauso zu diesem Haus gehört wie die anderen.
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- Es ist keine neue Perspektive. Es wird aber leider bei Ihnen nicht möglich sein, im Stil wenigstens so weit zu kommen, daß man gewisse Übungen, die anderswo gang und gäbe sind, auch in diesem Hause einführt.
Der nächste Punkt, den ich ansprechen wollte, betrifft eine notwendige Änderung in der Kontrolle sowie die Frage, welche Möglichkeiten wir haben, den Haushalt zu durchleuchten. Die Änderungen sind einfach durch die Zeit bedingt. Herr Kollege Windelen, Sie haben von den Spitzengehältern gesprochen und haben gesagt, daß Sie diese nicht mehr in .das Beamtenrecht hineinbringen können. Sie müssen zugeben, daß wir heute sowohl im Forschungsministerium als auch in einer Reihe von anderen Instituten nicht mehr mit den Beamtengehältern bzw. mit den Tarifordnungen auskommen, sondern daß hierzu Spitzengehälter nötig sind. Dabei ergibt sich natürlich für den Rechnungshof eine Schwierigkeit, von welcher Sicht aus er die Prüfung ansetzen soll. Ich meine, hierzu sind gewisse Reformen notwendig, um zu einer anderen Auffassung und auch zu anderen Methoden der Prüfung als bisher zu gelangen.
Wir müssen weiter unbedingt eine möglichst baldige Änderung der Reichshaushaltsordnung verlangen. Auf einer der letzten Sitzungen des Rechnungsprüfungsausschusses ist erklärt worden, daß hier einiges im Gange sei. Dieses Haus sollte immer wieder darauf dringen, daß diese Reform kommt, und wir sollten uns ab und zu auch einmal erkundigen, wie weit die Herren in der Frage der Reform sind.
Ich darf z. B. noch eine Unmöglichkeit erwähnen, die teilweise an diesem Haus, teilweise an der ReHermsdorf
gierung liegt; ich meine den Umfang des Haushaltsgesetzes. Das Haushaltsgesetz umfaßte im Jahre 1922 zwei Druckseiten, im Jahre 1950 auch noch zwei Druckseiten, und heute umfaßt es acht Druckseiten! Für den Staatsbürger ist es völlig unmöglich, sich überhaupt durch dieses Gesetz durchzufinden, weil in vielen Punkten außerdem noch die Reichshaushaltsordnung außer Kraft gesetzt ist. Es ist notwendig, daß dieses Haus Gesetze macht, die der Staatsbürger verstehen kann, so daß die Möglichkeit zur Kontrolle von diesem Haus nach unten weitergeschoben wird und damit jeder weiß, was mit seinem Geld gemacht wird.
Ein letztes Wort noch zur Frage der Baugestaltung, die von dem Herrn Kollegen Windelen angesprochen worden ist. Herr Kollege Windelen, ich bin mit Ihnen darin einig, daß man die von Ihnen vertretenen Grundsätze beachten sollte, und Sie wissen, daß wir sowohl im Rechnungsprüfungsausschuß als auch im Haushaltsausschuß gemeinsam - Regierung, Parteien und Opposition - diese Grundsätze vertreten haben.
Lassen Sie mich aber noch einen aktuellen Punkt, der zwar nicht bei der Entlastung für 1959 auf 'der Tagesordnung steht, aber in jüngster Zeit passiert ist, als eine Warnung für das ganze Haus anführen, sehr achtzugeben, daß das Kontrollrecht nicht mißbraucht wird. Kein Ministerium, welches auch immer, hat das Recht, mit Bauten anzufangen, ohne vorher die Genehmigung dieses Hauses zu haben.
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Wir haben in einem Fall - Sie wissen genau, was ich meine; ich will die Sache nicht noch einmal hochspielen - erlebt, daß angefangen wurde, ohne daß das Haus oder der Ausschuß eine Genehmigung gegeben hat. Auch in diesem Punkt sollten wir in Zukunft, gleich um welches Ministerium es sich handelt, von unserem Recht Gebrauch machen, dafür zu sorgen, daß nichts geschieht, von keinem Hause, solange nicht dieses Haus. die Genehmigung dazu gegeben hat.
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Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ihnen liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2475 vor. Ich kann über den Antrag als ganzen abstimmen lassen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen rechts und vielen Gegenstimmen links angenommen.
Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Ich rufe mit Ihrem Einverständnis auf den Zusatzpunkt der heutigen Tagesordnung, nämlich:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Entwurf der Kommission der EWG/EAG über eine Verordnung der Räte zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft ({0}) .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch Europa noch nicht in den Gemeinschaften zusammenwächst, so wächst es doch wenigstens im Beamtenrecht zusammen. Hier wird eine Anpassung des Beamtenrechts in zwei Punkten vorgeschlagen. Der eine Punkt betrifft das Versorgungsrecht und der andere die Dolmetscherlaufbahn. Wir haben im Ausschuß sehr ausführlich darüber gesprochen und wir haben Wert darauf gelegt, daß, wenn schon eine Angleichung erfolgt, sie abschließend erfolgt. Der Ausschuß empfiehlt einmütig die Annahme im Sinne des Berichts.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen auf Drucksache IV/2645 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 2a der gedruckten Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen ({0}) über eine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Rieger ({1}) als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 17 des Grundgesetzes gibt jedem das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Über die Ausübung dieses als Petitionsrecht bezeichneten Bitt- und Beschwerderechts gegenüber dem Deutschen Bundestag und über seine Erfüllung durch den Petitionsausschuß in der Zeit von Anfang Januar bis Ende August dieses Jahres sei hier gemäß § 113 der Geschäftsordnung des Bundestages berichtet.
Petitionen hat es zu allen Zeiten gegeben, in denen eine staatlich organisierte, hoheitliche Gewalt ausübende Macht aufgetreten ist. Daß sie eine wichtige Rolle im parlamentarischen Leben der Bundesrepublik spielen und daß das Petitionsrecht eines der wichtigsten Rechte des Staatsbürgers ist, zeigen die Zahlen in der systematischen Übersicht am Ende der Ihnen vorliegenden Drucksache IV/2569. Von Oktober 1961 bis 31. August dieses Jahres wurden 20 671 Einzelpetitionen und 508 165 Masseneingaben - also Zuschriften mit gleichem Anliegen, Inhalt und meist gleichem Text - an den 4. Bundestag gesandt.
Dr. Rieger ({0})
Seit dem Bestehen der Bundesrepublik - von 1949 bis Ende August dieses Jahres - wandten sich damit über 125 000 Einsender mit Einzelanliegen und rund 800 000 mit Massenzuschriften an den Bundestag bzw. den Ausschuß für Petitionen. Hinzu kommt eine nicht näher festgestellte größere Zahl von Sammelpetitionen, d. h. Einzeleingaben mit mehreren Unterschriften.
Es schrieben und schreiben Menschen aller Berufe, Bildungsgrade und Altersschichten, Männer, Frauen und manchmal sogar Kinder, jeder Konfession und Nationalität, auch Straf- und Untersuchungsgefangene, Organisationen und Verbände. Denn „jedermann", der imstande ist, seine Gedanken vernünftig und in verständlicher Form zu äußern, darf sich bittend oder beschwerdeführend an den Deutschen Bundestag wenden. Es gibt Eingaben in geschliffenstem Stil und mit messerscharfer Argumentation sowie stammelnde, schwerfällige Hilferufe von unbeholfener Hand. Jeder hat das Recht, zu schreiben, wie es ihm ums Herz ist, und mancher macht hiervon Gebrauch. Grundsätzlich bleibt keiner dieser Briefe unbeachtet. Nicht behandelt und nicht beantwortet wurden lediglich 5,62 % der Eingaben, weil sie beleidigend, nötigend, herausfordernd, völlig verworren, anonym, ohne Anschrift usw. waren.
31,32 % der Einsender waren in der 4. Wahlperiode Männer und 24,45 % Frauen; 2,16 % der Eingaben stammten von juristischen Personen, während es sich in 2,07 % der Fälle um anonyme Zuschriften handelte.
Nach der Herkunft aus den Bundesländern aufgegliedert verzeichneten den höchsten Anteil der Eingaben Nordrhein-Westfalen mit 28,35 %, Bayern mit 14,46 % und Niedersachsen mit 13,27%. Setzt man allerdings die Zahl der Petitionen ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl der Bundesländer, dann erwiesen sich die Berliner mit 531, die Schleswig-Holsteiner mit 488 und die Hamburger mit 486 - auf eine Million der Bevölkerung bezogen - als am petitionsfreudigsten. Selbst aus der sowjetischen Besatzungszone kamen in dieser Wahlperiode 58 Zuschriften und aus dem Ausland 503.
Die genannten Zahlen sind ein löblicher Beweis staatsbürgerlicher Mitverantwortung. Es ist zwar eines der ersten Prinzipien unseres Rechtsstaates, daß alle Verwaltungsmaßnahmen auf Gesetzen beruhen müssen. Dennoch kommt es immer wieder vor, daß sich ein Staatsbürger durch ein Verwaltungshandeln oder -unterlassen benachteiligt fühlt. Jeder Staatsbürger kann jedoch dazu beitragen, daß wirkliche Fehler und Mißstände in der Verwaltung, im Staate, bekanntgemacht und damit abgestellt werden. Das ist eines der großen Vorrechte der Freiheit, der Vorzug unseres demokratischen Staates. Kein Mißstand, der vor aller Augen liegt, kann auf die Dauer unbeseitigt bleiben. Dafür sorgt der Mechanismus der Demokratie, die im Interesse des Wohles aller Bürger allerdings der aktiven Mitarbeit und der verantwortungsvollen Mitsorge aller Staatsbürger bedarf.
Die Ausübung des Petitionsrechts bietet hierzu eine ausgezeichnete Möglichkeit, und zwar die einzige nach dem Grundgesetz, außerhalb der Wahlen auf das Parlament, auf das Gebaren der staatlichen Organe Einfluß zu nehmen. Hierin äußert sich der demokratische Charakter dieses Grundrechts.
Die Fülle der an den Bundestag gerichteten Zuschriften zeigt unseres Erachtens, daß sich das Petitionsrecht im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert und daß sich die Institution des Petitionsausschusses in der Verfassungswirklichkeit bewährt hat.
Sie bedeutet allerdings für den Ausschuß, seine Mitglieder und Mitarbeiter eine erhebliche Arbeitslast. Denn jeder Einsender, der eine zulässige Petition einreicht, hat einen Anspruch darauf, daß die Eingabe nicht nur entgegengenommen, sondern auch sachlich geprüft und dem Einsender die Art der Erledigung schriftlich mitgeteilt wird. Zur Erfüllung dieses Anspruchs und zur Bewältigung der außerordentlich hohen Zahl von Petitionen hat der Ausschuß daher - entsprechend den Verfahrensvorschriften in der Bundestagsgeschäftsordnung - besondere Bearbeitungsrichtlinien entwickelt, nach denen jede einzelne Petition gründlich behandelt wird. Die Mitglieder des Petitionsausschusses sind jedoch der Auffassung, daß das Verfahren bei der Petitionsbearbeitung einer weiteren Beschleunigung, Verbesserung und Vertiefung bedarf. Der Ausschuß hat hierzu vor längerer Zeit dem Herrn Bundestagspräsidenten und dem Herrn Bundestagsdirektor Anregungen gegeben und konkrete Vorschläge unterbreitet. Es ist darüber hinaus aus eigener Kraft um eine Fortentwicklung des Petitionsverfahrens bemüht.
Wiederholt wurde die Frage erörtert, in welcher Form Petitionen mehr für Gesetzesvorlagen genützt, für Gesetzesänderungen und -ergänzungen ausgewertet und als Erkenntnisquelle zur Anregung der Gesetzesinitiative des Parlaments genutzt werden können. In diesem Zusammenhang darf an die letzten Mündlichen Tätigkeitsberichte des Ausschusses in der 97. und 115. Bundestagssitzung vom 15. November 1963 und 19. Februar dieses Jahres erinnert werden. Der Ausschuß hat zu diesem Fragenkomplex den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung um Stellungnahme gebeten.
Im Berichtszeitraum wurde ferner damit begonnen, an Stelle der Bezugnahmen auf die zu den Beschwerden eingeholten Regierungsstellungnahmen eigene Begründungen zu den Endbescheiden an die Einsender zu geben. Voraussetzung hierfür war eine etwas andere Gestaltung der Sitzungsprotokolle und der Sammelübersichten des Ausschusses. Es muß abgewartet werden, ob diese im Interesse des Ansehens des Hohen Hauses vorgenommene Verbesserung, die eine erhebliche Mehrbelastung des Petitionsbüros mit sich bringt, unter Berücksichtigung der Personallage beibehalten werden kann.
Der Ausschuß führte im April dieses Jahres in München eine gemeinsame Sitzung und einen Erfahrungsaustausch über die Behandlung von Petitionen mit dem Ausschuß für Eingaben und Beschwerden des Bayerischen Landtages durch. Interessant war für die Ausschußmitglieder der wesentDr. Rieger ({1})
liche Verfahrensunterschied, wonach die Ausschüsse des Bayerischen Landtages über Eingaben und Beschwerden grundsätzlich selbständig, d. h. ohne Beteiligung der Vollversammlung, entscheiden. Im Interesse einer Beschleunigung des Petitionsverfahrens und vor allem zwecks schnellerer, zur Zeit erst nach dem Plenarbeschluß zulässiger Bescheidung prüft der Ausschuß seit längerem die Möglichkeiten einer Erweiterung seiner Befugnisse. Die bayerische Verfahrensweise kann unseres Erachtens aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht übernommen werden, weil der Petitionsausschuß wie jeder andere Bundestagsausschuß lediglich vorbereitendes Beschlußorgan des Bundestages ist und weil die endgültige Entscheidung über Petitionen nach § 17 des Grundgesetzes zur Kompetenz des Bundestages, d. h. seiner Vollversammlung, gehört.
Es ist unseres Erachtens jedoch kein rechtlicher Grund dafür ersichtlich, warum der Petitionsausschuß, unserer früheren Anregung entsprechend, nicht grundsätzlich ermächtigt werden sollte, sogenannte Vorentscheidungen zu treffen, und zwar vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung in der Plenarsitzung oder in einem vereinfachten, stillschweigenden Verfahren etwa dergestalt, daß die Beschlüsse, Sammelübersichten, des Ausschusses dem Bundestag, ohne auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, schriftlich mitgeteilt werden und als Entscheidung des Bundestages gelten, wenn beispielsweise innerhalb von drei Tagen nach der Mitteilung kein Widerspruch erfolgt.
Eine derartige Verfahrensweise würde das Plenum entlasten, sie würde von Terminschwierigkeiten, vor allem an den letzten Sitzungstagen vor den Parlamentsferien, frei sein und zu einer nicht unerheblichen Abkürzung des Petitionsverfahrens mit einer schnelleren Bescheidung der Einsender führen. Der Ausschuß wird daher seinen früheren Vorschlag dem Herrn Bundestagspräsidenten und dem Geschäftsordnungsausschuß gegenüber erneuern.
Im Januar dieses Jahres wurde auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Rheinland-Westfalen in Iserlohn von Parlamentariern, Professoren, Juristen und Beamten im Beisein des dänischen Ombudsmans, Professor Hurwitz, vor größerem Kreise die Frage „Brauchen wir einen Ombudsman?" erörtert. Die Einrichtung des in den skandinavischen Ländern bestehenden und bei uns wachsendem Interesse begegnenden Parlamentsbeauftragten für die zivile Verwaltung, eines Ombudsmans - ähnlich der Institution des Wehrbeauftragten für den militärischen Bereich -, wurde von mehreren namhaften Tagungsteilnehmern als notwendig und zweckmäßig angesehen. Sie wird auch zunehmend in der Literatur, in Leserzuschriften und auch in Petitionen gefordert, und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf die Praxis der Petitionsausschüsse in Bund und Ländern mit ihren begrenzten rechtlichen Befugnissen, insbesondere zur Aufklärung der Sachverhalte.
Ausschußvorsitzende und Ausschußreferent, die an dieser Tagung teilnahmen, wiesen demgegenüber darauf hin, daß sich der sehr begrenzte Aufgabenbereich, der einem zivilen Ombudsman angesichts der vorhandenen Rechtsschutzeinrichtungen und Bürgerschutzmöglichkeiten verbleibe, im wesentlichen mit dem Tätigkeitsgebiet des Petitionsausschusses decke. Sie hielten es daher für zweckmäßig, solange nicht die Notwendigkeit der Schaffung eines derartigen zusätzlichen, im übrigen delegierten und damit doch wieder bürokratisch arbeitenden Organs überzeugend dargetan sei, den bestehenden Schutz des Bürgers zu verbessern und vor allem die Möglichkeiten und Befugnisse des Petitionsausschusses auszugestalten.
Dieser Anregung folgend meine ich, die Einrichtung des Ombudsmans sollte bei den Verbesserungen in der Arbeit der Petitionsstelle und bei ihrer Ausgestaltung als Vorbild beachtet werden. Es sei mir an dieser Stelle der Hinweis gestattet, daß jedoch eine nachhaltige Verbesserung nur möglich ist, wenn den Personalwünschen des Petitionsbüros Rechnung getragen wird. Notwendig sind insbesondere Planstellen für ein einzurichtendes drittes Eingabenreferat, das die vorhandenen beiden Referate entlasten und gleichzeitig dazu beitragen soll, die Arbeit zu beschleunigen und zu vertiefen. Ich bitte, diese Wünsche bei den kommenden Haushaltsberatungen zu berücksichtigen.
Im zweiten Teil meines Berichts, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen etwas zu den in den Petitionen angesprochenen Sachgebieten sagen und einige praktische Fälle aus der Arbeit des Petitionsausschusses aufzeigen. Die Anliegen der Einsender betreffen praktisch alle Gebiete des täglichen Lebens und der staatlichen Betätigung.
Der Anteil der Petitionen, die durch die Zeit von 1933 bis 1945 und durch den verlorenen Krieg ausgelöst wurden, ist - wenn man ihn mit der sachgebietlichen Aufgliederung der Petitionen am Anfang dieser Wahlperiode vergleicht - von rund 6 % auf nahezu 28 % aller Eingaben angestiegen. Sie verteilen sich in der Hauptsache auf die Sachgebiete Lastenausgleich, Kriegsopferversorgung, Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts und Kriegsfolgelasten. In diesen Zahlen sind die Eingaben der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen nicht enthalten. Das Ansteigen dieser Eingaben steht vermutlich mit den zahlreichen verabschiedeten oder dem Bundestag noch zur Beratung vorliegenden Gesetzentwürfen und ihrem lebhaften Echo in der breiten Öffentlichkeit in Zusammenhang.
Vor allem ist hier das Zweite Neuordnungsgesetz zum Bundesversorgungsgesetz zu nennen, das - abgesehen von den Rentenanhebungen - manche in zahlreichen Eingaben geforderte Verbesserungen gebracht hat.
Zum Lastenausgleichsgesetz verlangen viele Einsender, soweit nicht Beschwerde über einen ablehnenden Feststellungs- oder Entschädigungsantrag geführt wird, eine Korrektur der Einheitswerte, eine Außerachtlassung von bereits vor dem Zusammenbruch auf Grund der Kriegssachschädenverordnung gewährten Reichsmarkentschädigungen oder aber eine Erhöhung der Unterhaltshilfe. Dem letztgenannten Verlangen konnte mit der Verabschiedung der 17. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz
Dr. Rieger ({2})
teilweise entsprochen werden; die anderen Begehren müssen jedoch als unerfüllbar angesehen werden.
Zum Problem der Kriegsfolgelasten im engeren Sinne erscheinen immer wieder Klagen wegen des im Ausland beschlagnahmten Privatvermögens. Vor allem von betagten Petenten wird auf eine beschleunigte Verabschiedung des Reparationsschädengesetzes gedrängt. Nicht wenige Sterilisationsgeschädigte verlangen Wiedergutmachung für Schäden, die sie auf Grund von Entscheidungen nach dem Erbgesundheitsgesetz erlitten.
Eine Reihe von Petenten beklagt sich über eine unzureichende Entschädigung von durch alliierte Kraftfahrzeuge verursachten Besatzungsschäden. In diesem Zusammenhang ist der in der Fragestunde der 60. Bundestagssitzung vom 13. Februar 1963 und in einer Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion bereits behandelte Brandaris-Komplex zu erwähnen. Die Brandaris war bekanntlich eine der für Zwecke der Kraftverkehrsversicherung den Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Art. 36 Abs. 2 Buchstabe b des Truppenvertrages gleich- und von den Vorschriften des Rechts über Gewerbeaufsicht und ausländische Gesellschaften freigestellten Versicherungsgesellschaften. Durch ihren Konkurs konnten zahlreiche von ihren Versicherungsnehmern geschädigte deutsche Staatsangehörige zunächst keine Entschädigung erhalten. Während die amerikanische Regierung nach Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt eine Entschädigungsregelung zugestand, ist es bisher nicht gelungen, eine Vereinbarung mit der Königlich-Britischen Regierung zu erzielen. In einigen Petitionen wird daher ein Ausgleich für die durch den Konkurs der Brandaris geschädigten deutschen Staatsangehörigen in Form einer gesetzlichen Regelung begehrt.
Der in sich geschlossenste und prozentual größte Anteil der Petitionen - fast 17 % - betrifft nach wie vor Fragen des Sozialversicherungsrechts. Die gegenüber der dritten Wahlperiode eingetretene Erhöhung um fast 6% ist vermutlich zum überwiegenden Teil auf die seit Einführung der Reformgesetze am 1. Januar 1957 nicht zur Ruhe gekommene öffentliche Diskussion zurückzuführen.
Durch die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes, nach der das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nur dem Versicherten zusteht, der innerhalb von zehn Jahren mindestens 60 Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hat, werden insbesondere diejenigen benachteiligt, die durch Einberufung zum Wehr- oder Kriegsdienst daran gehindert waren, die Voraussetzung für die freiwillige Weiterversicherung zu erfüllen. Nach geltendem Recht zählen Ersatzzeiten nämlich nicht als Vorversicherungszeiten für die Weiterversicherung, wohl aber zählen sie zu den anrechenbaren Versicherungszeiten. Hiernach kann ein Versicherter zwar Anspruch auf Berufs- oder Erwerbsfähigkeitsrente haben, nicht aber das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung. Dieses Problem wird häufig von jungen Akademikern angesprochen. Bei dem heutigen Stand der Gehälter erreichen oder überschreiten sie vielfach schon nach kurzer versicherungspflichtiger Beschäftigung die Jahresarbeitsverdienstgrenze, so daß sie versicherungsfrei werden und sich dann nicht freiwillig weiterversichern dürfen, weil der hierfür gesetzlich vorgeschriebene Zeitraum von fünf versicherungspflichtigen Jahren nicht erfüllt ist.
Nachteilig für Versicherte mit Wehr- oder Kriegsdienstzeiten kann auch die Vorschrift des § 36 Abs. 3 sein, nach der Ausfallzeiten nur dann angerechnet werden, wenn die Zeit vom Beginn der Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten mit Pflichtbeiträgen bzw. freiwilligen Beiträgen wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze belegt ist. Das hat zur Folge, daß bei der Berechnung der sogenannten Halbdeckung die Ersatzzeiten nicht abgesetzt und Ausfallzeiten nicht berücksichtigt werden können, wenn der Versicherte Wehr- oder Kriegsdienst leisten mußte. Diese ausgesprochene Härte für Kriegsdienstteilnehmer könnte dadurch beseitigt werden, daß bei der Berechnung der Halbdeckung die Ersatzzeiten abgesetzt oder den Beiträgen gleichgestellt werden.
Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes können Zeiten einer nach Vollendung des 15. Lebensjahres liegenden weiteren Schulausbildung sowie einer abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung bis zur Höhe von vier bzw. fünf Jahren als Ausfallzeiten angerechnet werden, wenn im Anschluß daran oder innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer an die Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung anschließenden Ersatzzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist.
Es erscheint dem betreffenden Petenten unbillig, nur die Schulzeiten und nicht die Lehrzeiten 'als Ausfallzeiten anerkannt zu bekommen. Eine nach Abschluß einer Schul- oder Hochschulausbildung liegende Berufsausbildung sollte ebenfalls bewirken, daß die Zweijahresfrist erst mit der Beendigung der Berufsausbildung beginnt. Es müßte deshalb erwogen werden, an die Stelle der Worte „Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung" das Wort „Ausbildung" zu setzen. Dann würden auch Lehrzeiten, in denen wegen Nichtzahlung von Lehrlingsvergütung oder Nichtbestehens einer Versicherungspflicht keine Beiträge entrichtet wurden, als Ausfallzeiten rentensteigernd angerechnet werden können.
Der Petitionsausschuß wird Eingaben mit sozialversicherungsrechtlichen Anliegen, wie sie in meinen Beispielen angesprochen wurden, wie bisher an den zuständigen federführenden Fachausschuß als Material abgeben. Es wird dessen Aufgabe sein, sich bei der Beratung der von der Bundesregierung angekündigten Novelle darüber Klarheit zu verschaffen, welche immer wieder als Härten und deshalb als Unrecht empfundenen Regelungen oder Auswirkungen der einschlägigen Gesetze im Sinne der Petenten geändert werden können.
Beachtenswerte Anregungen zur Neuordnung des Depotstimmrechts der Banken im Rahmen der anstehenden Aktienrechtsreform, wie ´ie übrigens
Dr. Rieger ({3})
auch in dem inzwischen erstatteten Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft - Bundestagsdrucksache IV/2320 - anklingen, enthielt die umfangreichere Eingabe eines sachkundigen Petenten. Dem Einsender, der sich mit dem Problem „Depotstimmrecht und Gewinnthesaurierung" auseinandersetzt, geht es um die Besserstellung der Kleinaktionäre. Die Eingabe wurde dem Rechtsausschuß als Material für die Beratung der Entwürfe eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz überwiesen.
Ebenfalls dem Rechtsausschuß überwiesen worden war die Petition einer Kölner Firma, in der das Verfahren bei der Zulassung von Rechtsanwälten beim Bundesgerichtshof kritisiert wurde. Der Ausschuß war der Auffassung, daß das Prinzip des geltenden Zulassungsverfahrens nicht angetastet werden, jedoch eine wesentlich großzügigere Handhabung der Zulassungen im Rahmen des ohne Grundsatzverletzung verbleibenden Spielraums empfohlen werden solle, damit eine Monopolbildung mit all ihren nachteiligen Folgen für Rechtsuchende und für Rechtsfindung bei der Anwaltschaft beim Bundesgerichtshof vermieden bzw. beseitigt werde. Das Ergebnis der Beratungen des Rechtsausschusses bleibt abzuwarten.
Wegen der Kollision von Beamten- und Wehrrecht wird von vielen Beamtenanwärtern, die ihren Grundwehrdienst ableisten, die jetzige Fassung des § 9 Abs. 6 Satz 1 des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst beanstandet. Diese Vorschrift bestimmt, daß Vorbereitungsdienst und Probezeiten um die Zeit des Grundwehrdienstes verlängert werden. Die laufbahnmäßige Benachteiligung liegt hier darin, daß diejenigen jungen Beamtenanwärter, die ihrer Wehrpflicht genügt haben, in folgenden Punkten schlechter gestellt sind als ihre Kollegen, die nicht eingezogen worden waren: 1. Für die Zeitdauer des verlängerten Vorbereitungsdienstes werden nur Unterhaltszuschüsse an Stelle der Dienstbezüge gezahlt. 2. Der Zeitpunkt der Anstellung verschiebt sich um die Dauer der verlängerten Probezeit. 3. Soweit für Beförderungen und für den Aufstieg Dienstzeiten durch die Laufbahnordnung vorgeschrieben sind, verschieben sich die Zeitpunkte zur Erfüllung dieser Voraussetzungen um die Zeitdauer der verspäteten Anstellung. Die Bundesregierung hat in Fragestunden des Bundestages und auch dem Petitionsausschuß wiederholt erklärt, sie prüfe, wie sich diese Härten mildern ließen; als Lösung schwebe ihr eine Regelung dergestalt vor, daß die um den Wehrdienst verlängerte Probezeit im planmäßigen Beamtenverhältnis abgegolten werden könne. Diese endgültige Regelung steht jedoch noch aus und sollte nun beschleunigt angestrebt werden.
Beschwerdeursache für einige letztlich durch die Spaltung Deutschlands bedingte Petitionen war die Rechtsprechung des Obersten Gerichts der Sowjetisch besetzen Zone, nach der Unterhaltszahlungen sowjetzonaler Schuldner an Unterhaltsgläubiger, die in der Bundesrepublik leben, insbesondere dann verhindert werden, wenn letztere früher in der Zone gewohnt haben und deshalb als republikflüchtig gelten. Diese Rechtsprechung ist sogar auf Unterhaltsforderungen unmündiger Kinder ausgedehnt worden, die von einem Elternteil oder im Falle der Unehelichkeit von der Kindesmutter in die Bundesrepublik mitgenommen worden sind. Der Bundesminister der Justiz erklärte dem Ausschuß in einer Stellungnahme, er werde im Benehmen mit den beteiligten Ressorts prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen getroffen werden können, um den sich daraus ergebenden Unzuträglichkeiten zu begegnen. Der Ausschuß begrüßt die zugesagte Prüfung vor allen Dingen deshalb, weil sich die Maßnahme der Zonenbehörde, Unterhaltsleistungen an sogenannte Republikflüchtige zu verhindern, jedesmal dann besonders kraß und ungerecht auswirkt, wenn in ein und derselben in der Bundesrepublik wohnenden Familie die grundsätzlich durchsetzbaren Unterhaltsansprüche sowjetzonaler Gläubiger und eigene, nicht realisierbare Unterhaltsansprüche gegen sowjetzonale Schuldner zusammentreffen. Unbillige Härten konnten in solchen Fällen bisher nur dadurch vermieden werden, daß die Gerichte der Bundesrepublik die Zwangsvollstreckung des sowjetzonalen Schuldners nach § 765 a der Zivilprozeßordnung einstellten, wenn sie im Einzelfall die Möglichkeit hatten, die Nichtdurchsetzbarkeit des eigenen Unterhaltsanspruches als eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte zu werten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer?
Bitte sehr.
Herr Kollege, bei aller Würdigung der Arbeit des Petitionsausschusses - wir alle sind diesem Ausschuß für seine Tätigkeit zu Dank verpflichtet - möchte ich Sie doch fragen, ob Sie es für zweckdienlich halten, hier in solche Details zu gehen, ob Sie es nicht so machen könnten, daß Sie Ihre Ausführungen mindestens zum Teil zu Protokoll geben?
Ich bin sofort am Schluß angelangt. Ich habe schon einen großen Teil der sehr eingehenden Ausführungen gestrichen. Ich habe mich bemüht, sie kürzer zu fassen, als ursprünglich vorgesehen war. Ich bin aber sofort zu Ende.
Zu dem Entwurf eines Schlußgesetzes zum Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen und zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften liegen zur Zeit mehrere hundert Eingaben vor, die dem Innenausschuß als Material für die nunmehr beginnenden Gesetzesberatungen überwiesen werden. In den das Gesetz 131 betreffenden Eingaben bittet die Mehrzahl der Petenten um eine Überprüfung der Vorschriften über die Gewährung des Entlassungsgeldes. Das häufigste Anliegen im Hinblick auf die beabsichtigte Neuregelung der beam7O70
Dr. Rieger ({0})
tenrechtlichen Doppelversorgung ist die Bitte um Erhaltung des Besitzstandes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu dem von Ihnen ersehnten Schluß und darf hoffen, Ihnen mit den Beispielen doch einen kleinen Überblick über die Tätigkeit des Petitionsausschusses gegeben und damit deutlich gemacht zuhaben, welche Chancen und Aufgaben unsere Gesellschaftsordnung für 'den Bürger einschließt, wo im einzelnen Reibungen, Verlegenheiten und Versagen sichtbar werden, wo sich aber auch Beispiele der Meisterung zeigen. Unter diesen Gesichtspunkten halte ich es doch nicht für ganz wertlos, einzelne Beispiele gebracht zu haben, weil Sie ja nur an Hand dieser Beispiele die umfangreiche Tätigkeit des Petitionsausschusses, die oft in ihrer Wirkung unterschätzt wird, erkennen können. Durch eine aktive Mitarbeit und verantwortungsvolle Mitsorge jedes einzelnen kann sich das Petitionsrecht zu einem wahren Bürgerrecht entwickeln, mittels dessen sich der Bürger einen zunehmenden Einfluß auf die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten erwerben kann. In dieser Mitarbeit und Mitsorge liegen Verpflichtung und Verantwortung des Staatsbürgers in der Demokratie begründet; sie sind eine Last, aber vor allem wohl auch d i e Chance unserer Freiheit!
Abschließend bitte ich Sie, meine Damen und Herren, den Anträgen des Ausschusses für Petitionen in den Ihnen vorliegenden Drucksachen IV/2567, IV/2568 und IV/2569 Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
Wir haben nun zu entscheiden über die Punkte 2 b, 2 c und 2 d, die noch nicht aufgerufen sind. Ich rufe sie jetzt auf:
b) Beratung der Sammelübersicht 33 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages au Petitionen ({1}) ;
c) Beratung der Sammelübersicht 34 des Ausschusses für Petitionen ({2}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({3}) ;
d) Beratung der Sammelübersicht 35 des Ausschusses für Petitionen ({4}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. August 1964 eingegangenen Petitionen ({5}).
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Anträgen des Petitionsausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe? - Enthaltungen? - Die Anträge sind einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zu Punkt 7 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Beyer ({6}), Junghans, Kurlbaum, Porzner, Dr. Seume und Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Warentestinstituts ({7}).
Das Wort zur Begründung hat die Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als sich die sozialdemokratische Fraktion im Frühjahr dieses Jahres entschloß, den Weg der Gesetzesinitiative zu gehen, so weil sie endlich dem Tauziehen um ein Warentestinstitut ein Ende bereiten wollte. Schon 1953 oder 1952 hat Herr Professor Müller-Armack die Einführung eines allgemeinen Konsumentenzeichens verlangt. Damals fand er die Unterstützung in Verbraucherkreisen und vor allen Dingen der Konsumgenossenschaften. Man konnte zu der damaligen Zeit schon übersehen - die Technik steckte noch in den Kinderschuhen, jedenfalls im Vergleich zu dem, was wir heute haben, Herr Dr. Elbrächter -, daß es eine Entwicklung geben würde, die es der Hausfrau kaum möglich macht, sich objektiv am Warenmarkt zu orientieren. Schon allein wegen dieser Tatsache war es sicher notwendig, Überlegungen anzustellen, wie man dem Verbraucher auf die Dauer helfen könnte. Trotzdem passierte jahrelang nichts. In den letzten Jahren haben wir dann einige Teste erlebt. Ich denke an Teste in den Gewerkschaften, ich denke aber vor allen Dingen an die Teste, die die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände durchgeführt hat. Ich möchte meinen, daß man sie als einen Wegbereiter bezeichnen kann.
({0})
- Darauf komme ich noch. Ich möchte die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände deshalb herausstellen, weil ihre Teste - das haben ja vor allen Dingen die von ihr geführten Prozesse gezeigt - objektiv gewesen sind; sie haben zu keinerlei Beanstandungen Anlaß gegeben. Aus diesem Grunde meine ich, Herr Dr. Elbrächter, können wir die Teste der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände besonders herausstellen und die AVG als Wegbereiter bezeichnen.
Es liegt nun ein öffentliches Interesse vor, und das, was wir an Zuschriften erhalten, ist der beste Beweis für dieses Erfordernis. Die Ursache ist vor allen Dingen darin zu sehen, daß die Technik immer komplizierter wird und daß auch der Haushalt von der Technik erfaßt worden ist, daß zweitens ein immer größeres und vielfältigeres Angebot vorliegt und daß drittens ein immer schnellerer Wechsel von Stoffen und Geräten vorhanden ist. Dazu kommt viertens die moderne Werbung, die zwar einen sehr großen Aufwand betreibt, die aber im großen und ganzen nur wenig Aussagen über den Gebrauchswert macht. Die Folge davon ist eine immer größere Unsicherheit der Verbraucher. Wenn man aber überhaupt noch einen Zweifel hat - und damit komme
Frau Beyer ({1})
ich auf das, Herr Dr. Elbrächter, was Sie eben angesprochen haben -, dann glaube ich, ist die hohe Auflage der Zeitschrift „D-Mark" der beste Beweis dafür, daß bei den Verbrauchern tatsächlich ein Verlangen nach einem Warentest vorhanden ist; denn diese hohe Auflage ist vorhanden trotz oder gerade wegen der Aufmachung und trotz einiger Fehlschläge, die sie ja nun zu verzeichnen hatte.
Nun zu unserem Gesetzentwurf! Als Rechtsform bot sich praktisch nur die Anstalt des öffentlichen Rechts an. Es gibt aber auch einige andere Gründe, die uns zur Wahl dieser Rechtsform veranlaßten. Nur eine öffentlich-rechtliche Anstalt kann z. B. anderen Warenprüfstellen, die öffentlich-rechtliche Behörden oder juristische Personen sind, bindend einen Prüfungsauftrag erteilen. Einer Stiftung nur privatrechtlicher Art könnte man den Auftrag unter Umständen ablehnen. Das ist ein Punkt, der im Zusammenhang mit der uns nun bekanntgewordenen Satzung wichtig ist. Allerdings werden in der Satzung der Bundesregierung die Warenprüfstellen nicht unmittelbar als diejenigen festgelegt, die Teste durchführen sollen, sondern es wird zumindest offengelassen, ob nicht das Institut eigene Teste durchführen und damit eigene Einrichtungen schaffen will. Im übrigen hat eine Anstalt des öffentlichen Rechts aber auch mehr Freiheit bei der Ausgestaltung des Warentestinstituts. Bei einer privatrechtlichen Rechtsform dagegen wäre eine Bindung an schon bestehende Rechtsvorschriften - ich meine hier besonders die Stiftungsaufsicht - gegeben.
Wir haben also festzustellen, daß man in der Öffentlichkeit von ganz falschen Voraussetzungen ausgeht, wenn man glaubt, daß unsere Rechtsform, die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, einen größeren Staatseinfluß zuläßt. Das Gegenteil ist richtig. Ich möchte hier die Satzung der Bundesregierung, die wir ja nun kennen, anführen. Wenn man einen Vergleich zwischen der Satzung der Bundesregierung und unserem Entwurf zieht, so muß man feststellen, daß der Einfluß des Staates bei unserer Rechtsform geringer ist. Lassen Sie mich das beweisen. Die finanziellen Mittel werden bei beiden Institutionen durch den Bund aufgebracht. Damit hat der Bund bzw. das Ministerium die Rechtsaufsicht, und die Rechnungsprüfung obliegt dem Bundesrechnungshof. Das ist bei beiden gleich.
Nun zur Organisationsform! Der Satzungsentwurf der Bundesregierung sieht vier Gremien und eine Geschäftsführung vor. Lassen Sie mich dazu nun erläuternd folgendes sagen. Der Vorstand, der vorgesehen ist, wird vom Stifter, der Bundesregierung, wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit dem Land, in dem die Stiftung erstellt wird, berufen. Bei uns wäre das das Land Berlin. Der Verwaltungsrat wird ebenfalls vom Stifter berufen, wiederum: Ministeriums plus Land. Die Programmierungsbeiräte werden als einzige vom Vorstand berufen; sie haben auch nur eine ganz eng begrenzte Aufgabe.
Die vierte Institution ist wohl infolge eines Kompromisses mit hereingenommen worden: der sogenannte Wirtschafts- und Verbraucherausschuß, der auch wieder von der Stifterin eingesetzt wird.
Meine Damen und Herren, das sind drei Institutionen, die von der Stifterin eingesetzt werden, wobei die Verbände nur in einem Fall ein Vorschlagsrecht haben; die Auswahl erfolgt durch die Stiftung.
In unserem Entwurf sind nur zwei Gremien und die Geschäftsführung vorgesehen. Da ist einmal der Verwaltungsrat. Er wird auf Vorschlag der Verbände gebildet. In Art. 4 ist festgelegt, daß darin vertreten sind: zwei Mitglieder als Vertreter von Verbänden, deren ausschließlicher und unmittelbarer satzungsmäßiger Zweck die Verbrauchervertretung und die Verbraucherberatung sind; zwei Mitglieder als Vertreter von Verbänden der Arbeitnehmer; zwei Mitglieder als Vertreter von Verbänden der Hersteller von Waren; zwei Mitglieder als Vertreter von Verbänden des Groß- und Einzelhandels. Zwei Mitglieder sollen aus der Wissenschaft kommen; es sollen anerkannte Wissenschaftler mit Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der vergleichenden Warenprüfung und des Preisvergleichs sein. Dann ist noch ein Vertreter der Bundesregierung vorgesehen.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß wir hier eine sehr enge und klare Fassung vorschlagen. Die benannten Personen sollen von der Bundesregierung berufen werden. Der Vorstand aber soll vom Verwaltungsrat berufen werden. Die Geschäftsführung wiederum wird vom Vorstand gewählt. Wir können hier also feststellen, daß wir in bezug auf die Aufsicht des Staates einen ganz engen Rahmen gesetzt haben. In der Öffentlichkeit wird nun bereits eine herbe Kritik an der Satzung der Bundesregierung geübt. Dankenswerterweise haben wir inzwischen ebenfalls ein solches Exemplar erhalten. Wir konnten beim Studium der Satzung feststellen, daß die Kritik, die von den Verbänden geübt wird, durchaus berechtigt ist. Wenn z. B. eine Zeitung schreibt, daß die Grenzen der zulässigen Staatstätigkeit auf diesem Gebiet überschritten seien, so muß man dafür Verständnis aufbringen.
Bei der von der Regierung vorgesehenen Satzung werden die Verbraucher und die am Markt beteiligten Gruppen der Wirtschaft kaum berücksichtigt. Hier handelt es sich um einen ganz wesentlichen Punkt. Wenn wir verhindern wollen, daß es nachher immer wieder Streit um die Durchführung der Teste, um deren Objektivität gibt, müssen wir uns bemühen, die am Markt beteiligten Gruppen auch zu berücksichtigen. In der Satzung der Bundesregierung finden Sie diese Gruppen praktisch nur in der vierten Institution, nämlich in dem sogenannten Wirtschafts- und Verbraucherausschuß, der aber nur eine ganz unbedeutende Aufgabe hat.
Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände - ich habe sie vorhin als Wegbereiterin dargestellt - hat uns in einem Brief alle persönlich angeschrieben und gesagt: „Die Arbeitsgemeinschaft stellt fest, daß die sonst immer wieder zur staatsbürgerlichen Aktivität aufgerufenen Kräfte der Selbsthilfe von einer konstruktiven Mitarbeit ausgeschlossen sind." Meine Damen und Herren, das wird erkennbar, wenn man sich ansieht, wie wenig die Arbeitsgemeinschaft, wie wenig die Verbraucher in den Institutionen vertreten sind. Wenn die von
Frau Beyer ({2})
der Bundesregierung vorgesehene Satzung zum Tragen käme, würden wir aber auch einen viel zu großen Apparat haben, und es kann ein Riesenleerlauf entstehen. Der sozialdemokratische Entwurf sieht nur einen Verwaltungsrat und einen Vorstand vor. Der Verwaltungsrat besteht aus 11 Mitgliedern. Ich habe vorhin dargelegt, wie er zusammengesetzt ist. Die Vorschläge werden - das möchte ich wiederholen - von den Organisationen selbst gemacht.
Nach unserem Gesetzentwurf gehört dem Verwaltungsrat ein Vertreter der Bundesregierung an. Seine Funktion ist in § 4 Abs. 3 festgelegt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren, welche Aufgabe er haben soll. Dort heißt es:
Hat der Vertreter der Bundesregierung ... (gegen eine solche Entscheidung gestimmt, so kommt die Entscheidung nur zustande, wenn die Abstimmung innerhalb einer Frist von acht Wochen, frühestens jedoch nach einer Woche wiederholt und für die Entscheidung eine Mehrheit von acht Stimmen erzielt wird. Bei jeder Entscheidung des Verwaltungsrates muß mindestens ein Vertreter (eines jeden Verbandes .. . anwesend sein.
Damit ist die Aufgabe des Vertreters des Staates genau abgegrenzt. Er hat natürlich einen gewissen Einfluß; aber wenn sich die Verbände nachher einigen, wenn sie bei der zweiten Abstimmung, die allerdings mindestens innerhalb von acht Wochen erfolgen muß, eine konstruktive Mehrheit haben, kann auch trotz des Einwandes des Vertreters des Staates entschieden werden. Wir wollen, daß die Initiative bei den Verbraucherverbänden liegt.
Der Vorstand wiederum wird vom Verwaltungsrat berufen. Er besteht aus fünf Mitgliedern. Die Bestimmungen, wonach die Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder gewährleistet ist, sind in beiden Entwürfen fast gleich. Wir haben darüber im vergangenen Jahr schon eine sehr ausgiebige Diskussion im Wirtschaftsausschuß geführt und, wie ich glaube, uns in der Richtung geeinigt.
In diesem Zusammenhang möchte ich nur noch eins erwähnen. In unserem Entwurf ist in § 6 Abs. 3 festgelegt, daß die Mitglieder des Vorstandes natürliche Personen sein müssen und nicht dem Verwaltungsrat angehören dürfen. Sie dürfen ferner kein Gewerbe betreiben und auch nicht für 'ein gewerbliches Unternehmen tätig sein. Sie dürfen keinen beherrschenden Einfluß auf ein gewerbliches Unternehmen haben. Schließlich dürfen sie auch nicht dem Aufsichtsorgan eines solchen Unternehmens angehören. Die Mitglieder des Vorstandes müssen Gewähr für Unabhängigkeit bieten. Praktisch geht es dann in dem Text ungefähr so weiter wie in der von der Bundesregierung vorgesehenen Satzung. Mit anderen Worten, all die Überlegungen, die wir bereits im Wirtschaftsausschuß angestellt hatten, sind bei unserem Entwurf berücksichtigt worden.
Wesentlich ist noch, daß nach dem sozialdemokratischen Vorschlag jedes Organ selbst seinen Vorsitzer wählt, während nach der Satzung der Bundesregierung bei der Berufung ein Vorsitzer ernannt wird. Meine Damen und Herren, das ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Unsere Organe haben die Verpflichtung, einen Vorsitzer selbst zu wählen. Ich möchte meinen, daß eine Bestimmung, Wie sie in der Satzung der Bundesregierung enthalten ist, mit der Unabhängigkeit nicht vereinbar ist. Die Reaktion in der Öffentlichkeit ist, glaube ich, sehr verständlich.
Nun noch ein Wort zu den Aufgaben der einzelnen Organe. Der Verwaltungsrat hat bei uns nach § 5 erstens die Satzung aufzustellen, zu ändern und zu ergänzen. Er hat zweitens allgemeine Richtlinien über die Auswahl der Prüfungsobjekte und die anzuwendenden Prüfungsmethoden, die Auswertung der Prüfungsergebnisse und die Art und Weise der Veröffentlichung aufzustellen, drittens die Mitglieder des Vorstandes zu berufen und abzuberufen, viertens die Rechtsaufsicht gegenüber dem Vorstand auszuüben usw. und sich fünftens eine Geschäftsordnung zu geben. Damit ist genau umrissen, was die Aufgaben des Verwaltungsrates sind, des Gremiums, in dem die Gruppen der Wirtschaft vertreten sind.
Die Aufgaben des Vorstandes sind in § 7 festgelegt. Er soll erstens entsprechend den Richtlinien die Auswahl der Prüfungsobjekte vornehmen, zweitens Aufträge an anerkannte Warenprüfstellen erteilen und drittens die Auswertung der Prüfungsergebnisse und deren Veröffentlichung vornehmen. Wir haben damit eine ganz klare Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen Organe und haben sichergestellt, daß die Interessentengruppen nicht einen unmittelbaren Einfluß auf die entscheidenden Aufgaben des Instituts besitzen. So ist eine Gewähr für die Unabhängigkeit gegeben.
Ein anderer wesentlicher Unterschied ist auch in der Definition des Zwecks festzustellen. Wir vermissen in der Satzung der Bundesregierung, daß auch die Verbraucheraufklärung und die Preiswürdigkeit der Waren als Zwecke festgelegt sind. Wir haben in § 2 Abs. 1 die Aufgaben umrissen. Hier heißt es:
Zweck der Anstalt ist die objektive und unparliche Aufklärung der Verbraucher über die Beschaffenheit, Wirksamkeit, Tauglichkeit, Sicherheit und die Preiswürdigkeit von Waren und gewerblichen Leistungen mit dem Ziel, die Marktübersicht der Verbraucher zu verbessern.
Wir wollten mit diesem Kriterium sicherstellen, daß die Verbraucher wirklich eine objektive Unterrichtung erhalten.
Wir halten daher unseren Entwurf für wesentlich besser.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Wir waren bemüht, erstens einmal dem Tauziehen ein Ende zu bereiten, zweitens die bisherige Diskussion und Abklärung innerhalb des Ausschusses und in unseren Gesprächen zu berücksichtigen, drittens die Prüfung der vom Staat gegebenen Mittel entsprechend der Haushaltsordnung zu gewährleisten und viertens den staatlichen Einfluß auf ein Minimum zu beschränken. Das habe ich hier an Hand von Beispielen deutlich gemacht. Ich würde sagen, was wir in der Satzung der Bundesregierung haben, ist ein Maximum an Staat; es ist ein Maximum an Staat, obwohl
Frau Beyer ({3})
man von einer privatrechtlichen Stiftung spricht. Fünftens kam es uns darauf an, den beteiligten Gruppen ein Mitspracherecht zu geben, sechstens darauf, durch Abgrenzung der Aufgaben von Verwaltungsrat und Vorstand die Unabhängigkeit zu gewährleisten. Siebtens kam es uns darauf an, den Apparat so klein wie möglich zu halten. Ich habe das in anderem Zusammenhang schon einmal ausgeführt. Man sollte nicht einen großen Verwaltungsapparat mit vier Institutionen erstellen, die die Arbeit nur erschweren, sondern wir sollten wirklich ganz klein anfangen und dann versuchen, allmählich aufzubauen, uns damit von vornherein eine Gewähr für die Objektivität und Sicherheit zu haben, wobei auch die Übersicht erhalten bleibt.
Wir hoffen auf Ihre Unterstützung und bitten um Überweisung unseres Antrags Drucksache IV/2236 an den Wirtschaftsausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung.
({4})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Langer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Anfang meiner Ausführungen habe ich das Bedürfnis, hier auszusprechen, daß es Herrn Bundeswirtschaftsminister Schmücker außerordentlich leid tut, gerade bei der Beratung dieser Vorlage nicht anwesend sein zu können. Er hätte sehr gern hier geantwortet. Ich übernehme in seiner Vertretung diese Aufgabe.
Ich darf zunächst einige wenige Bemerkungen zu dem in den Ausführungen von Frau Abgeordneten Beyer anklingenden Vorwurf machen, hier sei von der Regierung nicht schnell genug gehandelt worden. Ich will Ihre Zeit hiermit nicht lange beanspruchen, muß aber doch auf zwei grundsätzliche Gegebenheiten aufmerksam machen.
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung sah sich, als sie sich mit dieser Materie des Warentestinstituts auseinandersetzte, in Einklang mit ihrer allgemeinen Auffassung des Subsidiaritätsprinzips und in Übereinstimmung mit ihrer Überzeugung, daß sie nur Aufgaben übernehmen sollte, die von anderen nicht befriedigend gelöst werden konnten. Wir hatten nun lange Zeit hindurch die hohe Erwartung, daß gerade diese Aufgabe, ein Warentestinstitut zu schaffen, in erster Linie von denjenigen übernommen werden könnte, die es unmittelbar angeht, nämlich von den Verbrauchern. Die Bundesregierung hat sich viel Mühe gegeben, die hier erwachsenen Initiativen zu verfolgen, immer in der Hoffnung, daß hier eine brauchbare und vernünftige Lösung zustande käme. Leider sind diese Erwartungen enttäuscht worden. Aber die Bundesregierung wollte sich auf gar keinen Fall dem Vorwurf aussetzen, daß sie hier beginnende Initiativen durch eigene Aktivität, ich will nicht das Wort gebrauchen: niedergewalzt, aber doch gebremst oder gehindert habe. - Das ist die erste Feststellung, die ich treffen möchte.
Die zweite Feststellung, Frau Abgeordnete, ist folgende: Wenn die Bundesregierung auf diesem Felde tätig wird, dann muß sie sich natürlich im vollen Einklang mit den rechtlichen Gegebenheiten befinden. Sie alle wissen, daß gerade die Zulässigkeit von vergleichenden Warentests viele Jahre außerordentlich umstritten gewesen ist. Ich möchte sogar sagen, daß die Zulässigkeit solcher Warentests in den ersten Jahren des Bestehens der Bundesrepublik ziemlich unisono von den Gerichten verneint wurde. Wir hatten erst in den Jahren 1960/61 und dann vor allen Dingen im Jahre 1962 ein - wenn mir das Wort gestattet ist - Umschlagen der Rechtsprechung, und das Bundesjustizministerium hat sich nach der ihm notwendigerweise obliegenden Prüfungspflicht erst im Jahre 1963 entschließen können, die Zulässigkeit von vergleichenden Warentests zu bestätigen. Erst damit war für die Bundesregierung die Möglichkeit gegeben, hier tätig zu werden.
Die Bundesregierung hat nach dieser Klarstellung dann, glaube ich, nicht mehr gezögert, hier aktiv zu werden. Herr Bundeskanzler Adenauer hat in seiner Regierungserklärung vom 9. Oktober 1962 angekündigt, daß die Bundesregierung nun zu der Schaffung eines Warentestinstituts übergehen wolle. Ich möchte nicht die ganze Liste der Daten, die hier relevant sind, nennen. Ich will nur erwähnen, daß Herr Bundesminister Schmücker ganz kurze Zeit, nachdem er Bundeswirtschaftsminister geworden war, in Beantwortung Ihrer Großen Anfrage ({0}) vom 4. Dezember 1963, also vor nunmehr knapp einem Jahr, die Versicherung abgegeben hat, daß er als Bundeswirtschaftsminister alles tun wolle, um hier voranzukommen.
Am 10. Juni 1964 kam es dann zur ersten Kabinettsberatung. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz offen erklären: Natürlich konnte man vielleicht sagen, daß das Bundeskabinett am 10. Juni 1964 sofort positiv hätte entscheiden können. Aber hier ist ein echtes Dilemma in der Auseinandersetzung mit dieser Materie. Auch in dieser Kabinettssitzung ergab sich noch einmal die Chance einer anderen Finanzierungsmöglichkeit, die die Bundesregierung sofort aufgegriffen hat. Die Klärung der damit zusammenhängenden Fragen hat einige Zeit beansprucht. Am 16. September kam es dann zur zweiten und abschließenden Kabinettsberatung. Die zuständigen Ministerien, das Bundeswirtschaftsministerium und das Finanzministerium, haben dem Haushaltsausschuß und dem Wirtschaftsausschuß am 6. Oktober ihren Vorschlag unterbreitet, den Sie auch in der Beratung erwähnt haben.
Frau Abg. Beyer hat in ihren Ausführungen mehrfach darauf hingewiesen, daß die vorliegenden Texte in einzelnen Formulierungen sogar übereinstimmen. Ich möchte hieran anknüpfen und möchte meinen, daß trotz der großen Unterschiede doch wohl die berechtigte Hoffnung besteht, daß bei den Beratungen im Haushaltsausschuß und im Wirtschaftsausschuß seine einstimmige Meinung zustande kommen könnte. Es ist die ganz große Hoffnung der Bundesregierung, auch unter dem Gesichtspunkt der uns gemeinsamen Zielsetzung, bald zu einer praktischen
und positiven Arbeit zu kommen. Darum stelle ich an den Anfang meiner nur kurzen Ausführungen die Bemerkung, daß es in der Tat - bei allen Unterschieden, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde - eine ganze Reihe von Übereinstimmungen gibt.
Meine Damen und Herren, das Wichtigste überhaupt scheint mir zu sein, daß nach den Äußerungen, die wir von ihnen kennen, alle Fraktionen den Weg eines Testinstituts gehen wollen. Ich glaube, das ist doch eine sehr wesentliche Übereinstimmung.
Zweitens möchte ich feststellen - und ich bitte Sie, mir diese Bemerkung zu gestatten -, daß wir nach sehr, sehr gründlicher Prüfung wohl alle gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen sind, daß man an die Bundeskasse herantreten müsse, daß der Bundeshaushalt irgendwie herhalten müsse, nachdem leider alle anderen Versuche gescheitert sind. Aber auch die anderen Versuche, die von der Wirtschaft unternommen wurden, waren dadurch gekennzeichnet, daß man sich sehr gern an „Vater Staat" erinnerte und den Bundeshaushalt beanspruchen zu können glaubte.
Drittens proklamiert die SPD in ihrem Gesetzentwurf ebenso wie wir ausdrücklich die Unabhängigkeit der Gremien. Ich glaube, daß es also genügend Übereinstimmungen gibt, so daß wir hoffen können, vielleicht ohne weitere Plenardebatte in den verschiedenen Ausschüssen, die mit der Materie befaßt sind, zu einer vollen Übereinstimmung zu gelangen.
Ich muß aber einige wenige Bemerkungen zur Kritik des SPD-Entwurfs machen. Frau Abgeordnete Beyer, Sie haben insbesondere die Unabhängigkeit, aber auch den Abstand vom Staat herausgearbeitet. Ich glaube, daß diese Frage eine sehr eingehende Beratung im Ausschuß wert ist. Ich muß Ihnen sagen, daß wir - nachdem wir uns intensiv mit Ihrer Vorlage beschäftigt haben - allerdings der Meinung sind, daß der Einfluß des Staates bei Ihrem Entwurf erheblich größer ist und daß hier insbesondere Ansätze gegeben sind, die zu einer ganz erheblichen Ausweitung des staatlichen Einflusses führen könnten. Ich weiß, daß wir in dieser Beziehung unterschiedlicher Auffassung sind. Diese Frage muß eben darum besonders gründlich geprüft werden.
({1})
- Ja; darf ich das gleich tun? Sie gehen zunächst
einmal den Weg der Anstalt des öffentlichen Rechts,
und Sie gehen den Weg des Gesetzentwurfs. Sie
geben dann weiter dem Vertreter der Bundesregierung im Verwaltungsrat ausdrücklich eine sehr hervorgehobene Stellung. Ferner sehen Sie in § 4 Abs. 3
Satz 2 vor, daß dann, wenn der Vertreter der Bundesregierung anderer Meinung ist, ein Beschluß nur
zustande kommt, wenn acht Mitglieder des Verwaltungsrats in einem zweiten Durchlauf dafür stimmen,
({2})
- Jawohl; in der ersten Abstimmung nicht; aber im
zweiten Durchlauf wird der Vertreter der Bundesregierung ganz besonders hervorgehoben: seine
Meinung kann nur mit einer ganz besonders qualifizierten Mehrheit überstimmt werden.
Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD
Herr Staatssekretär, würden Sie eine Frage gestatten?
Bitte!
Herr Staatssekretär, Sie sagten: „im zweiten Durchgang". Erkennen Sie aber an, daß ein zweiter Durchgang nur in Frage kommt, wenn Schwierigkeiten vorliegen?
Ja, Frau Abgeordnete, das weiß ich sehr genau. Aber ich glaube, gerade die schwierigen Fälle sind die interessanten Fälle.
Nun ein Weiteres. Sie gehen auch in der Aufgabenstellung sehr weit. Sie haben es ausdrücklich erwähnt. Ich verweise noch einmal auf den § 2 Abs. 1, wo Sie diesem so konstruierten Institut ausdrücklich die Pflicht zusprechen, die Preiswürdigkeit von Waren und gewerblichen Leistungen zu prüfen. Das ist ein Punkt, der ganz besonderer Erwägung bedarf.
Nun zu dem, was unserer Meinung nach das Merkwürdige an Ihrem Entwurf ist. Trotz dieses Heranrückens an den Staat, das ich soeben gekennzeichnet habe, haben Sie, wie wir glauben, eine ziemlich erhebliche Interessengebundenheit in Ihrem Entwurf festgelegt. Ich möchte diese Behauptung begründen. Sie sehen in § 4 einen Verwaltungsrat aus elf Mitgliedern vor und kommen zu der Konstruktion, daß eine Entscheidung in diesem wichtigen Gremium nur möglich ist, wenn alle Verbände vertreten sind. Mit anderen Worten, jeder einzelne im Verwaltungsrat vertretene Verband hat die Möglichkeit, die Arbeit des Verwaltungsrates und damit die Arbeit des Instituts zu blockieren. Ich glaube, daß gerade diese Vorschrift des § 4 außerordentlich bemerkenswert ist.
({0})
Gestatten Sie eine Frage der Frau Abgeordneten Beyer?
Bitte!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß man, wenn wir von elf Mitgliedern vier reine Verbrauchervertreter, außerdem zwei Wissenschaftler und einen Vertreter der Bundesegierung und nur vier Vertreter der Wirtschaft und des Handels haben, noch von Interessentenvertretern sprechen können? Sie sprachen davon, daß wir den Interessentengruppen eine so große Bedeutung beimessen.
Frau Abgeordnete, ich möchte das Wort „Interessentenvertreter" wirklich frei von jeder Wertung gebraucht haben. Das ist hier gerade angesichts der Tatsache, daß Sie die großen Verbände genannt haben, in diesem Sinne nicht angebracht. Es bleibt aber bei der Feststellung, daß Sie in § 4 Abs. 3 doch jedem das volle Blockierungsrecht geben. Das erscheint mir besonders bedeutsam, da auch der Vorstand von diesem Gremium ernannt werden muß. Damit muß meines Erachtens das Problem der Unabhängigkeit der Vorstandsmitglieder sehr genau erwogen werden.
Eine letzte kritische Anmerkung zu Ihrem Entwurf. Ich frage mich, ob Ihr Entwurf, so wie er vorliegt, dem Bedürfnis nach Praktikabilität entspricht. Ich habe soeben auf die Möglichkeit der Blockierung im Verwaltungsrat aufmerksam gemacht. Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß der Aufgabenkreis des Vorstandes in § 7 von Ihnen umrissen, aber auch sehr weit gespannt ist. Der Vorstand hat natürlich die allgemeine Leitung. Ihm obliegt aber auch die Bestimmung der einzelnen Objekte, die Auftragserteilung und die Auswertung der Prüfungsergebnisse, und der Vorstand hat auch die Veröffentlichung vorzunehmen. Das alles soll ein ehrenamtlicher Vorstand tun, wie Sie in § 6 ausdrücklich sagen. Meine Damen und Herren, ich frage mich, ob ein ehrenamtlicher Vorstand diese vielfältigen Aufgaben wahrnehmen kann, wenn man § 10 berücksichtigt. In § 10 Abs. 3 wird dem Vorstand ausdrücklich untersagt, die wichtigsten Aufgaben an die Geschäftsführung zu delegieren. Mit anderen Worten gesagt, dieser ehrenamtlich tätige Vorstand muß im Grunde genommen die gesamte Arbeit bis in die Details hinein leisten. Ich glaube nicht, daß das funktionieren kann und daß hier eine glatte Arbeit gewährleistet wird.
Ein letzter Hinweis zu dem Gesetzentwurf, kaum eine kritische Anmerkung, nur ein Hinweis. Der Entwurf enthält nichts über den Kosten- und Personalaufwand. Frau Abgeordnete, hier begann eigentlich der ganze Kummer und die ganze Not in den Verhandlungen im Bereich der Bundesregierung, auch im Bereich der Wirtschaft und mit den an dieser Frage Interessierten. Es ging im Grunde genommen um die Kosten. Wenn wir uns die Auseinandersetzung über diese Frage hätten ersparen können, dann hätten wir viel, viel rascher handeln können und hätten wir sicherlich nicht Ihren Vorwurf der zögernden Behandlung hinzunehmen brauchen.
Einige ganz wenige Bemerkungen zu dem Regierungsvorschlag. Ich möchte das nicht vertiefen, weil er ja den beiden beteiligten Ausschüssen, dem Haushaltsausschuß und dem Wirtschaftsausschuß, vorliegt und wir die große Hoffnung haben, daß es dort bald zu einer eingehenden Beratung kommt.
Bevor wir den Weg der Gründung des Warentestinstituts durch die Stifterin, die Bundesregierung, beschreiten wollten, haben wir uns natürlich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob in der sozialen Marktwirtschaft ein solches Instrument durch den Staat zur Verfügung gestellt werden kann. Wir waren bei unseren Überlegungen besonders darauf bedacht - das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber ich will sie aussprechen -, daß wir mit dem Testinstitut auf gar keinen Fall irgendein Instrument geben, das irgendwie für eine dirigistische Wirtschaftspolitik benutzt werden könnte.
Die zweite Feststellung: Gerade aus unserer absoluten Ablehnung dirigistischer Eingriffe, irgendwelcher Investitionsbeeinflussungen usw. heraus glaubten wir verpflichtet zu sein, dem Verbraucher eine möglichst optimale Marktübersicht zur Verfügung zu stellen. Wir sind der Meinung, daß gerade bei unserer Konstruktion der Wirtschaft eine möglichst vollständige Markttransparenz für den Verbraucher notwendig ist. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß diese Markttransparenz nicht mehr gegeben ist. Sie haben mit Recht auf die technische Entwicklung verwiesen. Wir glauben aber auch, daß die Markttransparenz mit den alten Mitteln einfacher Marktübersichten und Preisübersichten nicht mehr zu gewährleisten ist. Dazu gehören eben auch die Warenkunde und die Warenkenntnis, die wir dem Verbraucher mit dem Testinstitut vermitteln wollen.
Eine wichtige Aufgabe für uns war es, die Unabhängigkeit und Objektivität des Instituts sicherzustellen. Wir haben uns mit diesem Problem ganz besonders herumgeschlagen und haben gerade unter diesem Gesichtspunkt die in dem Entwurf vorgesehene Konstruktion gewählt: private Stiftung Warentest, vom Staat so unabhängig wie möglich, vor allem in der laufenden Durchführung der Aufgaben. Der Staat soll sich darauf beschränken, die Stiftung zu errichten, die Mitglieder der Organe zu berufen und die finanzielle Ausstattung zu gewähren. Aber auch bei der Berufung der Mitglieder der Organe, insbesondere bei der Auswahl der Persönlichkeiten wird - das geht aus der Stiftungssatzung hervor - sehr auf Unabhängigkeit Wert gelegt.
Im übrigen, Frau Abgeordnete Beyer, wollen wir in keiner Weise in dem Geschäft bleiben. So wird ja nur der erste Vorstand von der Stifterin berufen, und dann greift das Zuwahlverfahren Platz, wobei sich der Staat bemüht, sich auch insoweit zurückzuziehen. Der fünfköpfige Vorstand muß unabhängig sein. Vor allem dürfen seine Mitglieder in keiner Weise etwa mit einem Gewerbebetrieb verbunden sein. Zur Beratung des Vorstandes besteht ein fünfzehn- bis einundzwanzigköpfiger Ständiger Beirat. Vorgesehen sind auch hier unabhängige Persönlichkeiten, die über besondere Fachkenntnisse verfügen müssen; wir gehen so weit, von wissenschaftlicher Qualifikation zu sprechen.
Die Einschaltung der Wirtschaft soll durch einen fünfzehnköpfigen Wirtschafts- und Verbraucherausschuß erfolgen. In diesem Gremium soll die Wirtschaft zu Gehör kommen. Es soll die Stiftungsorgane bei allen wichtigen Fragen in allen Phasen beraten. Frau Abgeordnete Beyer, Sie haben die mangelnde Einschaltung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände kritisiert. Darf ich darauf aufmerksam machen, daß wir in dem 15köpfigen Wirtschafts- und Verbraucherausschuß die AGV gebührend mit drei Mitgliedern berücksichtigen. Ich zitiere eine Mittei7076
lung der AGV jüngsten Datums, vom 15. Oktober; dort sagt die AGV:
Vermutlich ist die prompte, wie bestellt wirkende Akklamation des DIHT nicht nur darauf zurückzuführen, daß seit längerem ein enger Kontakt zwischen beiden Behörden in dieser Sache besteht, sondern auf personelle Überlegungen, da u. a. ein Vertreter des DIHT eine maßgebliche Funktion im geplanten Testinstitut übernehmen soll.
Die Mitteilung scheint mir außerordentlich interessant. Wir haben den Deutschen Industrie- und Handelstag mit einem Vertreter in dem 15köpfigen Gremium vorgesehen. Die AGV ist der Meinung, daß es sich hierbei um eine sehr maßgebliche Funktion handelt. Wir haben die AGV mit genau dreimal so viel Vertretern in demselben Gremium vorgesehen. Ich glaube, es ergibt sich aus den eigenen Worten der AGV, daß damit die AGV einen dreimal so maßgeblichen Einfluß, eine dreimal so maßgebliche Funktion wahrzunehmen hat.
Meine abschließende Bitte an das Hohe Haus: daß die beiden Ausschüsse, denen unser Satzungsentwurf vorliegen wird und denen wohl Ihr Entwurf überwiesen werden wird, sich mit der Materie bald befassen. Wir haben im Bundeshaushalt 1964 noch 400 000 DM zur Verfügung. Die Finanzierung bis zum Jahre 1969 ist gesichert, wenn der Haushaltsausschuß dem Vorschlag der Bundesregierung folgt. Es könnte also sehr schnell an die Arbeit gegangen werden. Wir haben alle notwendigen Vorbereitungen vorsorglich getroffen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt sehr die Aktivität und Initiative der Bundesregierung, die einen Satzungsentwurf dem Haushaltsausschuß und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß in der jüngsten Vergangenheit zugeleitet hat, der die Errichtung eines Warentestinstituts als Stiftung des bürgerlichen Rechts vorsieht. Schon allein mit Rücksicht auf die heute doch sehr strapazierte Geduld der Kolleginnen und Kollegen will ich versuchen, nur ganz wenige grundsätzliche Bemerkungen zu machen, die mir wichtig erscheinen, und ich muß es mir leider versagen, Frau Kollegin Beyer, auf Einzelheiten Ihres Entwurfs einzugehen. Ich glaube auch nicht, daß das erforderlich ist, nachdem Herr Staatssekretär Langer schon in etwa darauf eingegangen ist.
Wenn ich hier am Anfang feststelle, daß wir diesen Entwurf der Bundesregierung begrüßen, der nun endlich gekommen ist, so liegt in dieser Feststellung „endlich" keine negative Kritik, sondern im Gegenteil ein Gefühl der Zustimmung. Jeder, der nämlich die schwierigen Verhandlungen der letzten eineinhalb bis zwei Jahre kennt, weiß, daß diese Verhandlungen notwendig und sinnvoll waren, einmal um die doch einander sehr widersprechenden Wünsche der beteiligten Kreise, sei es der Wirtschaft, sei es der Verbraucherverbände, auszugleichen und zu berücksichtigen; vor allen Dingen aber, weil immer wieder bis zum letzten Augenblick seitens der Bundesregierung bzw. des Wirtschaftsministeriums der Versuch gemacht worden ist, die nach unserer Meinung optimale Lösung, die beste Lösung, herbeizuführen, nämlich ein Warentestinstitut, das ausschließlich in Verantwortung und aus eigener Finanzierung der Verbraucherverbände gegründet und geführt wird. Leider hat sich gezeigt, daß in Deutschland im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern unsere Verbraucher nicht hinreichend organisiert sind und daß die finanzielle Leistungskraft dieser Verbände nicht ausreicht, um die Finanzierung eines solchen Instituts über einen längeren Zeitraum sicherzustellen. Es muß doch einmal festgestellt werden, warum solange verhandelt worden ist.
Wenn ich gesagt habe, daß das nach unserer Meinung die beste Lösung sei, so ist damit zugleich auch eine gewisse Kritik an dem vorliegenden Entwurf der SPD geübt. Wir können uns nicht Ihrer Meinung anschließen, meine Damen und Herren von der SPD, daß Ihre Lösung den Staatseinfluß weitgehend ausschließe. Ich bin vielmehr der Ansicht, daß hier doch eine recht massive Einwirkungsmöglichkeit, zumindest die Gefahr eines Einwirkens, auf den Markt gegeben ist.
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- Ich komme nachher darauf zurück.
Nun darf ich mich mit einigen Einwänden befassen, die draußen und - ich verrate kein Geheimnis
- auch hier innerhalb des Hauses von einigen Kollegen immer noch gegen die Institution des Warentestes vorgebracht werden. Frau Kollegin Beyer, in der Motivierung und Zielsetzung sind wir uns einig. In der Tat gestattet es die sehr große Produktenvielfalt auf dem Markt dem einzelnen Konsumenten nicht mehr, bei seinen Kaufentscheidungen rationale Kriterien anzulegen. Heute ist es leider so, daß der Durchschnittskäufer glaubt, das teuerste Produkt sei auch das beste. Er verschwendet somit seine Kaufkraft; das muß man einmal sagen. Es ist keineswegs so, daß das teuerste Produkt das beste ist. Dem Konsumenten fehlt weiterhin häufig die notwendige Zeit, um einen Vergleich durchführen zu können. Natürlich fehlt ihm auch die Finanzkraft - denken Sie nur an teure technische Haushaltsartikel -, um Erfahrungen zu sammeln; das würde für ihn sehr kostspielig sein.
Aus diesem Grunde ist es eine legitime Aufgabe des Staates bzw. des Parlaments, hier die Initiative zu ergreifen, damit - wie das Schlagwort heißt - eine bessere Markttransparenz hergestellt wird. Wir sind der Überzeugung - entgegen den Einwänden, die namentlich von draußen kommen -, daß hier nicht eine Intervention des Staates in den Wettbewerbsmarkt vorliegt; im Gegenteil. Erst durch die Markttransparenz erhält der Preis wieder seine echte Steuerungsfunktion. Dadurch, daß der Konsument in die Lage versetzt ist, wirklich rationale Kaufentscheidungen zu treffen, wird der Wettbewerb erst ermöglicht.
Wenn es legitim ist, daß der Staat auf den Wettbewerb einwirkt, indem er Wettbewerbsbeschränkungen verhindert - siehe Kartellgesetz -, dann ist es auch legitim, daß er alles tut, um den Wettbewerb zu verstärken. Ich bekenne gern, daß das natürlich manchmal unbequem ist. Wettbewerb ist immer unbequem. Aber den Nutzen davon haben ganz sicherlich die Verbraucher. Die Wirtschaft ist ja nicht Selbstzweck, sondern sie soll lediglich dazu dienen, die Konsumentenwünsche zu befriedigen. Es ist also völlig legitim, wenn der Staat alles tut, um den Wettbewerb so stark wie möglich zu machen.
Wir wollen aber unter keinen Umständen - das muß mit der gleichen Schärfe ausgesprochen werden - einen Dirigismus. Herr Staatssekretär Langer hat das auch schon gesagt. Wir wollen unter keinen Umständen, daß die Veranstaltung des Warentestinstituts etwa Möglichkeiten gibt, zu Entscheidungen darüber zu kommen, was „richtige" Bedürfnisse oder „unrichtige" Bedürfnisse - ich setze beides in Anführungsstriche - des Konsumenten sind. Unsere Überzeugung ist es - wie es schon Pareto ausgesprochen hat -, daß in einer freien Wettbewerbswirtschaft jeder entscheiden muß, was ihm nutzt und frommt; das kann er am besten selber wissen. Ich betone das deshalb so stark, weil dieser Grundsatz gleich zu einigen kritischen Bemerkungen zum SPD-Entwurf Anlaß gibt.
Ich meine auch - da bin ich mit Ihnen einer Meinung, Frau Kollegin Beyer -, daß das Warentestinstitut außerdem einen guten Einfluß auf die Werbung ausüben wird. Die Werbung wird nämlich gezwungen sein, wieder mehr Aufklärung und sachliche Angaben zu liefern; sie wird einfach durch den Vergleich dazu gezwungen werden.
Einen weiteren Einwand nehme ich persönlich nicht so sehr schwer. Es wird gesagt daß der vergleichende Warentest zu einer Verschlechterung unserer Exportsituation führen könne. Es mag sein, daß ein negativ beurteiltes Erzeugnis vielleicht vorübergehend Schwierigkeiten hat. Aber im großen und ganzen sind doch - das müssen Sie doch zugeben - die Produzenten durch den Vergleich dazu gezwungen, das ihnen qualitativ mögliche und optimal erreichbare Erzeugnis zu liefern. Damit kann die Exportsituation - insgesamt von der Volkswirtschaft her gesehen - nur verbessert werden. Ich erwähne das nur.
Herr Staatssekretär Langer hat schon genügend deutlich ausgeführt, worauf wir zu achten haben. Wir sind uns einig. Es muß ein objektives und neutrales Testinstitut geschaffen werden, weil wir sonst ganz einfach nicht nur mit der rechtlichen Lage in Schwierigkeiten geraten - das Prozeßrisiko entsteht dann -, sondern weil ein solches Institut dann auch nicht das Vertrauen der Verbraucher hat. Deswegen ist dieses das oberste Gebot, und alles andere muß dem untergeordnet werden. Ich glaube vielmehr mit Herrn Staatssekretär Langer, daß der von der Regierung vorgelegte Entwurf diesen Bedürfnissen besser gerecht wird.
Ich darf Ihnen sagen, daß ich mich sehr eingehend auch mit Juristen, mit anerkannten Hochschullehrern auf diesem Gebiet, unterhalten habe. Die Konstruktion, die der SPD-Entwurf in § 11 vorsieht - ich muß jetzt doch auf Einzelheiten eingehen -, habe ich vor gut einem Jahr mit dem Verwaltungsrat eingehend durchdiskutiert, auch im Ministerium. Dabei wird immer wieder der Einwand gemacht, daß es sehr fraglich sei, ob diese Konstruktion wegen der Beteiligung der verschiedenen, wenn auch entgegengesetzten Interessenverbände, noch den Bedürfnissen der Neutralität bei der Entscheidungsfreiheit, die vorhanden ist, entspricht.
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- Jedenfalls möchte ich Ihnen nur das Ergebnis meiner Diskussion mitteilen. Wir werden im Ausschuß darüber sprechen, daß die von der Regierung vorgesehene Lösung als die den Bedürfnissen der Neutralität gerechter werdende Lösung angesehen worden ist. Das möchte ich jedenfalls sagen.
Ein zweiter Einwand - es ist auch schon darauf hingewiesen worden - ist die Aufgabe, die Sie dem Institut hinsichtlich der Preiswürdigkeit stellen. Ich glaube, daß es absolut unmöglich ist, so etwas mit dieser Förderung zu proklamieren. Vor allen Dingen meinen wir, daß die Ermittlung der Preiswürdigkeit, die dieses Warentestinstitut vornehmen soll, dazu führen kann, daß dieses Warentestinstitut eine Art oberster Preiskommissar wird, daß dann also in die Bedürfnisstruktur der Konsumenten hineingeredet wird. Das wollen wir vermeiden.
Ich betone nochmals: wir wollen den Konsumenten rationale Kaufkriterien anheimgeben, aber die Entscheidung - auch die Entscheidung zu unvernünftigen Käufen - muß den Konsumenten überlassen werden. Das ist unser oberstes Gebot. Wir meinen, daß der Entwurf der Regierung auch insofern besser ist, als er den Sachverstand der beteiligten Wirtschafts- und Verbraucherkreise besser gewährleistet. Ich bin nicht Ihrer Meinung, daß die Organisation, die ja sehr wohlausgewogen ist, etwas schwerfällig arbeiten wird. Ich muß es mir versagen, diese Behauptung hier zu begründen. Darüber werden wir im Ausschuß eingehend reden.
Zum Schluß: Ich glaube, daß mit der Schaffung eines Warentestinstituts ein wesentlicher - ja, ich möchte sagen, der wesentliche - Schritt für eine aktive Verbraucherpolitik getan worden ist. Denn viel mehr kann man in einer Wettbewerbswirtschaft, in einer sozialen Marktwirtschaft, gar nicht tun, weil die soziale Marktwirtschaft doch darauf angelegt ist, daß die Wirtschaft nur den Interessen der Konsumenten dient. Die Wirtschaft - ich betonte das schon einmal - hat nicht einen Selbstzweck, sondern sie ist dazu da, die Wünsche der Konsumenten zu befriedigen. Das ist nun einmal das Gesetz, nach dem die Marktwirtschaft, die Wettbewerbswirtschaft angetreten ist. Insofern ist jede Warengesetzgebung, die Kartellgesetzgebung, die Rahmengesetzgebung zur EWG oder was auch immer, letzten Endes Verbraucherpolitik. Wir müssen hier die Grenzen der Verbraucherpolitik ganz deutlich sehen.
Wir sind uns einig, daß einige Verbesserungen in das bestehende Gesetz eingebaut werden müssen. Wir werden uns Anfang November im Ausschuß damit beschäftigen, und zwar hinsichtlich des Abzahlungsgesetzes und des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Dann wird den Verbraucherverbänden ein wesentliches Recht konzediert werden, indem sie selbst Klage erheben können, soweit ihre Interessen beteiligt sind. Das gehört doch alles zu dem Rahmenprogramm der Verbraucherpolitik.
Meine Damen und Herren, bislang habe ich die Meinung der CDU/CSU-Fraktion vertreten. Jetzt darf ich noch eine persönliche Meinung vortragen. Zur Aktivierung der Verbraucherpolitik gehört ein Problem, das in diesem Bundestag nicht mehr angefaßt werden wird, weil alle Fraktionen das als ein zu heißes Eisen ansehen. Ich will dieses Problem auch nur ganz vornehm mit einem Ausdruck von Herrn Groß umschreiben. Herr Groß ist Ihnen bekannt. Er sagt, daß es charakteristisch für unsere Zeit sei, daß immer mehr Kaufkraft in die Taschen der Konsumenten fließe, aber er immer weniger Zeit habe, diese Kaufkraft sinnvoll einzusetzen. Jeder weiß, was ich damit anspreche. Ich hoffe, daß der nächste Bundestag mehr Mut haben wird, dieses Problem so zu lösen, wie es notwendig ist; denn man löst ein Problem nicht dadurch, daß man es nicht löst.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Verlauf der bisherigen Debatte ist wiederholt auf die Bedeutung des Wettbewerbs als eines ständigen Ansporns für die Wirtschaft im Interesse einer vielseitigen und preiswerten Versorgung aller Gruppen der Volkswirtschaft hingewiesen worden. Ich möchte das ausdrücklich unterstreichen. Das entscheidende Element in diesem Wettbewerb ist der Käufer; denn er wählt aus dem Angebot eine bestimmte Ware aus und beeinflußt damit den Absatz der Betriebe und ganzer Wirtschaftszweige. Dieser Marktfunktion kann der Käufer aber nur gerecht werden, wenn er über eine .ausreichende Marktübersicht verfügt. Hier liegen, wie wir hörten, die Schwierigkeiten, weil neue Werkstoffe und komplizierte technische Konstruktionen die Markttransparenz stören.
Ein gut funktionierender Markt bietet aber nicht nur idem Käufer Vorteile, sondern auch der Wirtschaft, auch den Unternehmern. Der Unternehmer ist bei allen seinen Dispositionen darauf angewiesen, durch Marktbeobachtungen und Marktanalysen Strukturwandlungen rechtzeitig zu erkennen, die sich aus neuen Verbrauchsgewohnheiten ergeben. Damit werden betriebswirtschaftliche Fehlkalkulationen leichter vermieden und unter Umständen sogar volkswirtschaftliche Verluste verhindert.
Dass Testen von Waren zur Verbesserung derhaben kann, daß die angewandten Methoden dem I komplizierten Vorgang des Testens von Waren gerecht werden. Es besteht sogar die Gefahr, daß wir ein Gegeneinander von Testergebnissen bekommen und damit nicht die Markttransparenz verbessern, sondern verschlechtern.
Marktübersicht ist heute eine popdläre Realität. Trotzdem löst die gegenwärtige Praxis Unbehagen aus, weil man nicht in jedem Falle die Gewißheit
Uns Freien Demokraten wäre es ebenfalls am liebsten gewesen, wenn es den Verbrauchern in voller Unabhängigkeit gelungen wäre, ein eigenes Warentestinstitut zu bilden. Alle derartigen Versuche sind jedoch, wie wir hörten, praktisch fehlgeschlagen. Die Finanzierung konnte in keinem Falle längerfristig gesichert werden, auch nicht in den Fällen, in denen die Verbraucherorganisationen Hilfe von einigen Wirtschaftsverbänden bekommen sollten. Alle Vorschläge sahen daher in einem überwiegenden Ausmaß Staatszuschüsse vor. Wer jedoch Steuergelder haben will, der muß auch eine Kontrolle über die Verwendung dieser Mittel zulassen. Es ist daher meines Erachtens falsch, in dem einen Fall von einem Staatsinstitut zu sprechen und im anderen nicht; denn öffentliche Gelder wurden in jedem Fall beansprucht. Hier gab es keinen Unterschied, und das scheint mir das Wesentliche und das Entscheidende zu sein. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Konstruktion, die die Bundesregierung gewählt hat, läßt meines Erachtens an keiner Stelle der Satzung die Tendenz erkennen, ein Staatsinstitut für das Testen von Waren errichten zu wollen. An einer solchen Gründung würde die Fraktion der Freien Demokratischen Partei nie mitwirken.
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Wir begrüßen es, daß Verbraucherzentralen und auch der Deutsche Industrie- und Handelstag das Wort „Staatsinstitut" in diesem Zusammenhang nie gebraucht haben. Die „Stiftung Warentest" muß vom Staat unabhängig sein; deshalb ist nach dem Plan der Bundesregierung eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts vorgesehen. Nur so kann das Warentestinstitut neutral, unabhängig und unbeeinflußt den Interessen der Verbraucher und auch der Wirtschaft dienen. Dirigistische Einflußmöglichkeiten sind ausgeschaltet.
Der Vorschlag der Bundesregierung scheint uns einen strengeren Maßstab an Neutralität und Objektivität zu legen als die Vorlage der Opposition, die eine stärkere Einschaltung von Interessengruppen wünscht und meines Erachtens auch die Tätigkeit des Warentestinstitutes stärker mit der Aktivität des Staates identifiziert.
Ich freue mich, daß Sie, Frau Kollegin Beyer, 'das anders interpretieren, und wir werden im Ausschuß ja noch Gelegenheit haben, diese Seiten der beiden Vorlagen ausreichend zu prüfen.
Meine Fraktion wünscht, daß beide Vorlagen mit der notwendigen Gründlichkeit, aber auch mit tunlicher Eile beraten werden. Zwei Jahre der Verzögerung, für die nicht die Bundesregierung verantwortlich ist und auch nicht diejenigen verantwortlich sind, die ihre Grundvorstellung in dieser Frage immer geteilt haben, zwei Jahre der Verzögerung sind genug. Wir bitten um Überweisung an den WirtMertes
schaftsausschuß federführend und an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer, die mir versprochen hat, nur vier Sätze zu sagen. Wir werden die Punkte genau zählen, Frau Beyer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mir den Unwillen des Parlaments nicht zuziehen. Ich möchte tatsächlich nur vier Sätze sagen.
Sowohl der Vertreter der Regierung als auch die beiden Herren der Koalition geben unseren Bestimmungen eine andere Auslegung, als die einzelnen Paragraphen verdienen. Umgekehrt sehen wir in der Satzung - das ist der zweite Satz - zuviel staatlichen Einfluß; ich verweise vor allem auf den gewaltigen Einfluß, den der Staat bei der Berufung der Mitglieder der ersten Instanz hat.
Wir hoffen - damit komme ich schon zum Schluß - auf eine sachliche Beratung in den zuständigen Ausschüssen, und ich bitte Sie noch einmal, unseren Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuß und - mitberatend - an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Ich danke Ihnen.
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Frau Kollegin, Sie scheinen also hingekommen zu sein mit den vier Sätzen.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Überweisung. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlagen zu überweisen - federführend. - an den Wirtschaftsausschuß, ferner
- mitberatend - an ,den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß, an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
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- Herr Dr. Elbrächter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte doch sehr, die Anträge nicht an den Rechtsausschuß zu überweisen.
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Ich glaube, daß auch die Mitglieder des Rechtsausschusses keinen besonderen Wert darauf legen. Die Gespräche laufen so. Das würde eine unnötige Verzögerung bedeuten.
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Das Haus scheint überwiegend der Meinung zu sein, daß nicht an den Rechtsausschuß überwiesen werden soll. Es bleibt also bei dem Vorschlag, an den Wirtschaftsausschuß
- federführend - und an den Haushaltsausschuß
- mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung - zu überweisen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so 'beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt. Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 4. November, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.