Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren,
({0})
am Mittwoch, dem 7. Februar, ereignete sich auf der Grube Luisenthal bei Völklingen eine Schlagwetterexplosion. Ihr fielen 290 Bergleute zum Opfer. 59 Verletzte liegen noch in den Krankenhäusern. 5 Bergleute konnten noch nicht geborgen werden.
Diese Bergwerkskatastrophe, eine der größten in der Geschichte des deutschen Bergbaus, hat unser Volk zutiefst erschüttert. Vom 8. Februar bis zum 11. Februar wehten zum Zeichen der Anteilnahme im ganzen Bundesgebiet die Fahnen halbmast.
Der amtierende Präsident hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Unglücks den Betroffenen und der Saarbergwerke Aktiengesellschaft die Anteilnahme des Deutschen Bundestages übermittelt. Auch von dieser Stelle aus gedenken wir in tiefer Trauer der Opfer. Wir wenden den Angehörigen der toten Bergleute unsere warme Anteilnahme zu und wünschen den verletzten Knappen von Herzen baldige Genesung. Dem aufopferungsvollen Einsatz der Rettungsmannschaften gilt unser aller Dank.
Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 2. Februar 1962 dein
Fünften Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes
zugestimmt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 3.1. Januar 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Opfer der Grenze der Gewalt vom 13. August 1961 - Drucksache IV/124 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/159 verteilt.
Die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 31. Januar 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pockenschutzimpfungen - Drucksache IV/132 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/169 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 6. Februar 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Besold, Brück, Dr. Bucher und Genossen betr. Verhütung von Verkehrsunfällen, die ihren Grund in mangelnder Sehschärfe von Verkehrsteilnehmern haben - Drucksache IV/147 -, beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/176 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat unter dem 6. Februar 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Finanzielle Leistungen der Bundesrepublik für
Entwicklungshilfe - Drucksache IV/143 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/181 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 2. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 16. März 1901 über weiter veranlaßte Fahrbahnmarkierungen
berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/172 verteilt.
Der Herr Präsident der Versammlung der Westeuropäischen Union hat den Text der Empfehlung Nr 71 betr. den Fortschritt der Verhandlungen über den Beitritt des Vereinigten Königreichs zu den europäischen Gemeinschaften, die von der Versammlung der Westeuropäischen Union während des 2. Teils ihrer 7. Ordentlichen Sitzungsperiode vom 11. bis 15. Dezember in Paris angenommen worden ist, zur Kenntnisnahme übersandt. Er ist als Drucksache IV/135 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 2. Februar 1962 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 14. Dezember 1956 über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/173 verteilt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Vorsitzender des Bundesschuldenausschusses hat unter dem 2. Februar 1962 den Bericht des Bundesschuldenausschusses nach § 35 der Reichsschuldenordnung erstattet, der diesem Sitzungsprotokoll als Anlage 2 beigefügt ist.
Der Herr Abgeordnete Huthmacher hat mit Wirkung vom 13. Februar 1962 sein Mandat niedergelegt. Die Niederlegung ist vom Vorstand des Bundestages beschlußmäßig anerkannt worden.
Zu der in der Fragestunde der 13. Sitzung des Deutschen Bundestages am 31. Januar 1962 gestellten Zusatzfrage *) des Abgeordneten Jahn zur Frage III/6 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick vom 3. Februar 1962 eingegangen. Sie lautet:
Bei seinem kurzen Aufenthalt in Washington hat Herr Minister Erhard die Frage der Freigabe des beschlagnahmten deutschen Vermögens in einem Gespräch mit dem Unterstaatssekretär George Ball angeschnitten und erklärt, daß eine zufriedenstellende Lösung dieser Frage von der Bundesregierung angestrebt werde. Es wurde deutlich gemacht, daß die Verhandlungen über diese Angelegenheit seitens der Bundesregierung nicht als beendigt betrachtet werden und daß weitere Verhandlungen darüber geführt werden müssen. Der Unterstaatssekretär Ball hat die Hinweise von Professor Erhard entgegengenommen, ohne seinerseits in konkreter Weise dazu Stellung zu nehmen. Es ist aber durch diesen Hinweis der amerikanischen Regierung kundgetan, daß die Bundesregierung den Wunsch hat, die Verhandlungen fortzuführen.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
({1})
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz und die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr aufgerufen.
Ich rufe auf die Frage III/1 - des Abgeordneten Dr. Arndt ({2}) -:
Welche Fortschritte hat der Plan gemacht, strafgerichtliche Fehlsprüche amtlich zu sammeln?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesjustizminister.
*) Siehe 13. Sitzung S. 342 C
Mein Herr Amtsvorgänger hat am 4. Mai 1960 in der 111. Sitzung des Deutschen Bundestages erklärt, er werde mit den Landesjustizverwaltungen die Frage erörtern, ob und in welchem Umfange eine amtliche Sammlung strafgerichtlicher Fehlurteile geschaffen werden kann. Die Landesjustizverwaltungen haben dazu folgendermaßen Stellung genommen: Eine Sammlung von strafgerichtlichen Fehlurteilen setze voraus, daß von den im Wiederaufnahmeverfahren aufgehobenen Urteilen durch exakte wissenschaftliche Analyse diejenigen ausgesondert würden, die wirkliche Fehlsprüche seien. Diese Auswahl zu treffen sei eine Aufgabe, der sich die Landesjustizbehörden nicht unterziehen könnten und sollten. Auch ich bin der Meinung, Herr Kollege Arndt, daß man jeglichen Eindruck einer amtlichen Urteilsschelte im Interesse der Unabhängigkeit der Gerichte vermeiden sollte.
Die Landesjustizverwaltungen erklärten aber zugleich, sie seien bereit, die in Betracht kommenden Akten zur Verfügung zu stellen, falls sich ein Universitätsinstitut oder eine andere wissenschaftliche Einrichtung dieser Aufgabe unterziehe.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt zu einer Zusatzfrage!
Herr Bundesjustizminister, glauben Sie nicht, daß es sachdienlich wäre, wenn die Landesjustizminister zusammen mit Ihnen als dem Bundesjustizminister eine Art unabhängige wissenschaftliche Kommission beriefen, die dann diese Dokumentation erarbeiten könnte, wenn etwa im Falle Rohrbach eine Kommission aus Juristen, Technikern und Kriminologen eingesetzt würde, um das Material auszuwerten?
Herr Kollege, ich habe bereits angeregt, daß das Thema „Sammlung und Auswertung strafgerichtlicher Fehlurteile durch ein wissenschaftliches Institut einer Universität" in der nächsten Tagung der Strafrechtslehrer erörtert wird. Inzwischen hat Herr Universitätsprofessor Dr. Karl Peters, der Leiter des Instituts für Strafprozeß und Strafvollzug der Westfälischen Wilhelmsuniversität in Münster, der sich, wie Ihnen sicher bekannt ist, schon mehrfach mit diesem Thema literarisch befaßt hat, mir mitgeteilt, daß er ein etwa zwei Jahre in Anspruch nehmendes Forschungsvorhaben zur Ermittlung von Fehlerquellen in der strafgerichtlichen Rechtsprechung plane. Wir prüfen zur Zeit, wie wir dieses Vorhaben, notfalls auch finanziell, unterstützen können. Ich könnte mir durchaus denken, daß bei der bevorstehenden Reform des Strafprozeßrechts die Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, uns manchen Nutzen bieten.
Frage III/2 - des Herrn Abgeordneten Drachsler -:
Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß in Zukunft Verkehrssünder, die zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, ihre Strafe getrennt von anderen Häftlingen, vor allem getrennt von Kriminellen, verbüßen können?
Herr Bundesminister der Justiz!
Der Strafvollzug ist eine Angelegenheit der Länder. Der Bund hat jedoch auf dem Gebiete des Strafvollzugs ebenso wie auf dem Gebiete des Strafrechts die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Bundesregierung bereitet den Entwurf eines Strafgesetzbuchs vor, der für Taten geringeren Unrechtsgehalts eine neue Strafart bis zur Höchstdauer von sechs Monaten, die sogenannte Strafhaft, vorsieht. Diese Strafe wird, da sie für bestimmte Tätergruppen gedacht ist, für den Vollzug erhebliche Bedeutung haben. Sie wird gegenüber Gestrauchelten, die nicht als Neigungstäter anzusehen sind und nicht gewissenlos oder sonst mit schwerer Schuld gehandelt haben, gerade auch bei leichten Verkehrsstraftaten angewendet werden. Dem wird das Strafvollstreckungsgesetz, dessen Vorbereitung im Rahmen der Großen Strafrechtsreform ebenfalls geplant ist, Rechnung zu tragen haben; insbesondere werden für den Vollzug der Strafhaft besondere Anstalten oder doch besondere Abteilungen einzurichten sein. Das Gesetz wird gleichzeitig auch den Erstvollzug regeln, wonach Personen, die erstmals wegen Verkehrsstraftaten zu Gefängnis verurteilt wurden, nicht mit eigentlichen Kriminellen zusammengebracht werden dürfen.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu Frage III/3 - Fragesteller Herr Abgeordneter Jahn -:
Welchen Erfolg haben die von dein Herrn Bundesjustizminister in der 124. Sitzung der 3. Wahlperiode angekündigten weiteren Bemühungen gehabt, die Untersuchungshaft durch doppelte Aktenführung zu beschleunigen?
In der Justizministerkonferenz im Oktober 1961 ist die Frage der doppelten Aktenführung in Haftsachen besprochen worden. Es bestand Einigkeit darüber, daß die Führung vollständiger Doppelakten in vielen Fällen nützlich sei. Die Herren Justizminister und -senatoren der Länder haben aber aus verschiedenen Gründen davon abgesehen, die doppelte Aktenführung in Haftsachen generell anzuordnen. Wo vollständige Doppelakten nicht geführt werden, sollen Hilfsakten - d. h. eine Art Teildoppelakten - angelegt werden, mit denen im Ergebnis dieselbe Beschleunigung des Verfahrens erzielt werden kann. Die Richtlinien für das Strafverfahren sind entsprechend geändert worden.
Eine Zusatzfrage'? - Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Minister, können Sie die verschiedenen Gründe nennen, die dazu geführt haben, daß eine generelle Anweisung dieser Art nicht erfolgt ist?
Ja, die kann ich Ihnen nennen, Herr Kollege Jahn. Diese Richtlinien für das Strafverfahren, die ich soeben erwähnte, sehen vor, daß die Ermittlungen nicht nacheinander, sondern zur Beschleunigung des
Bundesjustizminister Dr. Stammberger
Verfahrens möglichst gleichzeitig durchgeführt werden. Den einzelnen Ermittlungsersuchen sollen jeweils - anstatt der vollständigen Akten - nur die Unterlagen beigefügt werden, die zur Ausführung des betreffenden Ersuchens notwendig sind. Die Staatsanwälte sind angewiesen, dafür zu sorgen, daß in umfangreichen Sachen, vor allem wenn Haft in Frage kommt, regelmäßig von allen Niederschriften von vornherein mehrere Durchschläge gefertigt werden. Diese Abschriften können, soweit nötig, mit Ermittlungsersuchen versandt werden; im übrigen werden sie in Hilfsakten gesammelt. Wenn der Staatsanwaltschaft die Hauptakten nicht zur Verfügung stehen, kann die Sache anhand der Hilfsakten dennoch weiter betrieben oder die abschließende Verfügung vorbereitet werden. Mit Hilfe dieses Systems läßt sich, wenn es richtig angewandt wird, nach Meinung der Länderjustizminister und, wie ich Ihnen ganz offen sage, auch nach meiner Meinung eine Beschleunigung der Strafverfahren, namentlich in Haftsachen, erreichen.
Noch leine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.
Damit ist - obwohl ich Ihnen sehr dankbar bin, daß Sie schon jetzt gesagt haben, was ich eigentlich durch die zweite Frage von Ihnen erfahren wollte, - meine Frage noch nicht beantwortet: Welches sind die Gründe, die die Herren Landesjustizminister dafür angegeben haben, daß sie nicht generell eine doppelte Aktenführung anordnen?
Herr Kollege, das ist von Verfahren zu Verfahren ganz verschieden. Es gibt Haftsachen, in denen so wenig Ermittlungen notwendig sind, daß ein Bedürfnis für eine doppelte Aktenführung praktisch nicht besteht. Auch in anderen Fällen läßt sich nicht von vornherein sagen, ob Untersuchungshaft in Betracht kommt, wie lange sie dauern wird und welchen Umfang die ganze Sache haben wird. Wäre die Führung vollständiger Doppelakten in Haftsachen stets vorgeschrieben, so müßten in vielen Fällen, sobald der Haftbefehl ergeht, umfangreiche Aktenteile abgelichtet oder abgeschrieben werden, was nach Lage der Sache durchaus nicht immer erforderlich und sachdienlich wäre. Das ist der Grund, weshalb es die Landesjustizverwaltungen abgelehnt haben, die doppelte Aktenführung generell anzuordnen, vielmehr die Entscheidung darüber den Staatsanwaltschaften von Fall zu Fall überlassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Dittrich!
Herr Minister, sind Sie nicht der Ansicht, daß es auf den Umfang der Strafsache und auf die Stärke der Akten gar nicht ankommt? Glauben Sie nicht, daß .es im Hinblick auf das Beschwerderecht des Angeklagten und im Hinblick auf den Umstand, daß dann die Akten unterwegs sind und die Ermittlungen nicht fortgesetzt
werden können, in jedem Fall zweckmäßig wäre, doppelte Akten zu führen?
Herr Kollege, ich glaube, man kann den Umfang eines Strafverfahrens nicht an der Dicke des jeweiligen Akts messen, sondern an dem, was jeweils von Fall 'zu Fall an Ermittlungen anzuordnen ist; nur danach richtet es sich.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz erledigt. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zunächst zur Frage VIII/1 - des Herrn Abgeordneten Drachsler -:
Ist es richtig, daß die im Bundesverkehrsministerium zustande gekommenen Richtlinien für die Anwendung des sogenannten Punktsystems für Mehrfachtäter auf schwere juristische Bedenken stoßen, ja, daß sie sogar gegen das Grundgesetz verstoßen?
Bitte, Herr Staatssekretär Dr. Seiermann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Richtlinien für die Behandlung von Mehrfachtätern sind nicht im Bundesverkehrsministerium erarbeitet worden. Sie wurden vielmehr vom Straßenverkehrssicherheitsausschuß beschlossen, nachdem sich ähnliche Bestimmungen bereits in den Ländern Baden-Württemberg und Niedersachsen bewährt hatten. Es handelt sich um Verwaltungsrichtlinien, die nach der Empfehlung des Ausschusses nunmehr von allen Ländern erlassen werden sollen. Der Straßenverkehrssicherheitsausschuß ist ein koordinierender Arbeitsausschuß des Bundes und der Länder, der Fragen gemeinsamer Maßnahmen zur Hebung der Straßenverkehrssicherheit berät. Eine solche Koordinierungspraxis findet seit Jahren auch auf vielen anderen Gebieten statt, auf denen nach dem Grundgesetz die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen.
Diese Art der Zusammenarbeit der Länder untereinander unter Mitwirkung des Bundes verstößt nicht gegen die verfassungsmäßige Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern.
Die Richtlinien haben den Zweck, in den Fällen, in denen die Verwaltungsbehörden nach § 4 des Straßenverkehrsgesetzes die Fahrerlaubnis entziehen müssen, eine wirksamere und einheitlichere Verwaltungspraxis herbeizuführen. Sie sollen bewirken, daß die 3 Gruppen von Maßnahmen, nämlich der Verwarnung, des Verkehrsunterrichts und der Entziehung der Fahrerlaubnis, möglichst gleichmäßig gegen diejenigen Verkehrsteilnehmer, die in kurzen Zeitabständen wiederholt wegen nicht unerheblicher Verkehrszuwiderhandlungen durch Gerichtsurteil bestraft werden mußten, angewandt werden. Jeder Betroffene hat das Recht, eine auf Grund des § 4 des Straßenverkehrsgesetzes in Verbindung mit den Richtlinien getroffene Maßnahme vor den Verwaltungsgerichten anzufechten.
Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, daß gegen diese Richtlinien rechtliche Bedenken nicht geltend gemacht werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Drachsler!
Kann der Herr Staatssekretär sagen, in welchen anderen Ländern außer Baden-Württemberg diese Richtlinien in der Praxis schon angewandt werden?
Sie werden auch in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz angewandt, und es ist, wie ich Ihnen vorhin schon sagte, nach einer vor einigen Tagen gemachten Mitteilung beabsichtigt, sie auch in Bayern anzuwenden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Drachsler!
Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, bekannt, daß der Deutsche Automobilclub einen Verfassungsrechtler mit der Prüfung der Frage beauftragt hat, ob die Richtlinien in Einklang mit dem Grundgesetz stehen?
Das ist mir bekannt; aber ich glaube, die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in dem zweiten Absatz meiner Ausführungen beantwortet zu haben. Nach unserer Auffassung bestehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht.
Noch eine Zusatzfrage!
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß diese Richtlinien wegen einer allzu schematischen und automatischen Anwendung in der Öffentlichkeit große Unruhe ausgelöst haben?
Sie haben in der Öffentlichkeit teilweise Beunruhigung hervorgerufen. Ich kann mir denken, daß die Richtlinien für manchen Verkehrsteilnehmer unbequem sind. Ich bitte aber, diese Richtlinien als eine Maßnahme zu sehen in dem großen, weltweiten Kampf, den die für die Verkehrssicherheit verantwortlichen Stellen gegen den Verkehrstod auf der Straße führen.
Die nächsten Fragen - VIII/2 und VIII/3 - sind von Herrn Abgeordneten Felder:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß das Autobahnamt Nürnberg beabsichtigt, die „Anschlußstelle Frauenaurach" bei der im Bau befindlichen Autobahn Würzburg-Nürnberg - entgegen einer früheren ausdrücklichen Zusage - jetzt plötzlich in „Anschlußstelle Herzogenaurach" umzubenennen?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, den dringenden Wunsch der Gemeinde Frauenaurach und des Landratsamtes Erlangen zu unterstützen, der besagt, daß die Bezeichnung „Frauenaurach" angesichts der in der Gemeinde sich anbahnenden Industrieentwicklung ({0}) nunmehr endgültig festgelegt werden soll?
Wer beantwortet sie? - Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir bekannt, daß bereits von verschiedenen Seiten der Wunsch an die Straßenbauverwaltung des Landes herangetragen wurde, die im Zuge der Bundesautobahn Würzburg-Nürnberg an der Staatsstraße Erlangen-Herzogenaurach vorgesehene Anschlußstelle nach der Stadt Herzogenaurach zu benennen. Die diesbezüglichen Eingaben werden damit begründet, daß in Herzogenaurach eine namhafte Industrie ansässig ist. Diese Frage wird zur Zeit bei der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern geprüft. Sie wird berichten und ihre Vorschläge machen, über die dann zu entscheiden sein wird.
Herr Felder?
Meine zweite Frage ist noch nicht beantwortet.
Die zweite Frage ist praktisch mit der vorhergehenden Frage beantwortet. Die Benennung der Anschlußstelle kann erst dann endgültig festgestellt werden, wenn die laufende Überprüfung abgeschlossen ist und ein endgültiger Bericht der Auftragsverwaltung, also des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, vorliegt.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wäre es im Hinblick auf die ziemlich gleichgearteten Interessen der beiden Gemeinden, im Hinblick auf ihre Industrie und die weitere industrielle Entwicklung, nicht eine salomonische Entscheidung, wenn Sie prüfen würden, ob man beim Abzweigungsschild beide Gemeindenamen anbringen könnte?
Herr Abgeordneter, es ist ja in der Regel so, daß bei den Abweichungsschildern nicht nur ein Name genannt wird. Der Hauptname erscheint in der Regel in einer größeren Schrift, die übrigen Namen aber in kleinerer Schrift, und ich nehme an, daß in jedem Fall auch eine solche Regelung von Bayern vorgeschlagen werden wird.
Frage VIII/4 - des Herrn Abgeordneten Junghans -:
Warum werden an den Bundesfernstraßen zum großen Teil auch Leitplanken aus Beton aufgestellt, obwohl das Aufstellen von Stahlleitplanken nur etwa 1/3 der Aufstellungskosten von Betonleitplanken verursachen soll und nach Auffassung von Fachleuten die Stahlleitplanke der Betonleitplanke sicherheitstechnisch überlegen ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An den Bundesfernstraßen sind vom Bundesminister für Verkehr zwei Stahlprofile und ein Betonprofil als Leitplanken zugelassen, die auf Grund ausländischer Erfahrungen ausgewählt wurStaatssekretär Dr. Seiermann
den. Die Stahlprofile entsprechen den in den Vereinigten Staaten gebräuchlichsten Mustern, das Betonprofil ist dem sogenannten „Dänischen Zaun" nachgebildet, der vor allem in Nordeuropa weite Verbreitung gefunden hat. Bei den Leitplanken im Mittelstreifen der Autobahn sind meist zwei Profile derselben Art zu einer Doppelleitplanke verbunden. Bei den einfachen Leitplanken verhalten sich die Preise von Stahlleitplanken zu denen von Betonleitplanken etwa wie 1 : 1,2, bei den Doppelleitplanken etwa wie 1 : 1. Diese Kosten beziehen sich auf Lieferung, Aufstellung und Anstrich. Die Preise für die Aufstellung allein sind nur bei Doppelleitplanken bekannt. Diese Preise verhalten sich bei Stahlleitplanken zu denen bei Betonleitplanken etwa wie 1 : 1,6. Sie betragen also bei Stahlleitplanken etwa 2/3 der Aufstellungspreise bei Betonleitplanken. Es ist jedoch zu beachten, daß die Preise für den Anstrich bei Stahlleitplanken wegen des notwendigen Korrosionsschutzes höher sind. Die Preise für Aufstellung und Anstrich sind bei Stahlleitplanken und Betonleitplanken etwa gleich hoch. So besteht also zumindest bei den zur Sicherung des Mittelstreifens auf Autobahnen meist verwendeten Doppelleitplanken kein typischer Preisvorsprung zugunsten der einen oder der anderen Leitplankenart.
Ob im Hinblick auf die Verkehrssicherheit Leitplanken aus Stahl oder aus Beton als gleichwertig angesehen werden können oder ob einer dieser Bauweisen der Vorzug zu geben ist, hat sich durch die Straßenbauverwaltungen der Länder noch nicht zuverlässig ermitteln lassen. Der Bundesminister für Verkehr hat deshalb gemeinsam mit dem Kuratorium „Wir und die Straße" einen Forschungsauftrag vergeben, um an Modellversuchen in natürlicher Größe die Wirkungsweise der verschiedenen Leitplankenarten festzustellen. Die Versuche sind zur Zeit im Raume Stuttgart im Gang. Außerdem sind die Straßenbauverwaltungen der Länder aufgefordert worden, im Jahre 1962 jeden Unfall, bei dem ein Fahrzeug mit der Doppelleitplanke im Mittelstreifen der Autobahn in Berührung gekommen ist, eine Meldung über den sicherheitstechnischen Befund zu machen. Diese Meldungen werden laufend ausgewertet.
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu der einzigen Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Sie wird von Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann gestellt:
Wie hoch ist der Anteil der für die Öffentlichkeitsarbeit tätigen und verantwortlichen Beamten und Angestellten des auswärtigen Dienstes, die außerhalb des englischen, französischen und spanischen Sprachraums ({0}) die jeweilige Landessprache beherrschen?
Die Öffentlichkeitsarbeit im Ausland wird bei größeren Auslandsvertretungen von besonderen Pressereferenten und besonderen Kulturreferenten geleistet. Bei anderen Auslandsvertretungen gibt es zum Teil Referenten, die sowohl für die Presse- als
auch die Kulturarbeit zuständig sind, und bei kleineren Vertretungen werden diese Aufgaben neben anderen Aufgaben von einem Angehörigen des allgemeinen Dienstes wahrgenommen.
Von den 34 Bediensteten, die - außerhalb des englisch-französisch-spanischen Sprachraums und der afrikanischen und asiatischen Commonwealth-Länder - als Pressereferenten oder Kulturreferenten tätig sind, sprechen 23 die jeweilige Landessprache. Von den in Betracht kommenden 17 Sachbearbeitern, also den Mitarbeitern dieser Referenten, beherrschen 12 die jeweilige Landessprache.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es in Ihrem Hause eine Anweisung, die die betreffenden Beamten und Angestellten veranlaßt, in einer bestimmten Frist die entsprechenden Landessprachen zu lernen?
Selbstverständlich wird das als wünschenswert angesehen und betrieben.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte!
Spielt die Kenntnis der entsprechenden Sprachen auch bei der Versetzung dieser Beamten eine bestimmende Rolle?
Ja, sicherlich wird die Kenntnis spezieller Landessprachen bei der Verwendung der betreffenden Bediensteten berücksichtigt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Frage II/2 - des Abgeordneten Lohmar -:
Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung im Hinblick auf die Verwendung der Mittel aus der VW-Stiftung?
Wer beantwortet die Frage? - Herr Bundesminister Lenz.
Lenz, Bundesschatzminister: Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern darf ich die Frage beantworten.
Die Einnahmen aus dem Privatisierungserlös des Volkswagenwerks betragen nach dem heutigen Stand 1,045 Millarden DM. Dieser Betrag fließt der Stiftung Volkswagenwerk mit der Auflage zu, dem Bund in gleicher Höhe ein Darlehen zu gewähren. Die Verwendung dieses Darlehns ist in folgender Weise vorgesehen.
500 Millionen DM werden für die Entwicklungshilfe eingesetzt und sollen nach den Grundsätzen verwendet werden, die die Bundesregierung für die bilaterale Kapitalhilfe aufgestellt hat. Die Aufnahme dieses Darlehns erfolgt zu Lasten des ERP412
Bundesschatzminister Lenz
l Sondervermögens. Hierzu ist der Bundesschatzminister durch das ERP-Entwicklungshilfegesetz vom 9. Juni 1961 ermächtigt. Der Betrag ist im ERP-Wirtschaftsplan 1961 veranschlagt.
Der zweite Betrag von rund 500 Millionen DM soll für die Verstärkung der Bemühungen der Bundesregierung um die Leistungsförderung und Ausbildung Verwendung finden. Die Bundesregierung geht hierbei davon aus, daß 'die wirtschaftliche und technische Entwicklung eine großzügige Förderung der Bildung und Ausbildung der Jugend und, wie bereits in der Regierungserklärung vermerkt, insbesondere auch der Arbeiterjugend notwendig macht. Die Bundesregierung erwägt deshalb, die genannten 500 Millionen DM im Rahmen eines großzügigen Bundesplanes für die Ausbildungs- und Leistungsförderung einzusetzen. Die hierzu notwendigen gesetzlichen Maßnahmen befinden sich in Vorbereitung.
Unabhängig von diesen Mitteln, die die Stiftung Volkswagenwerk dem Bund als Darlehen zu geben hat, verfügt sie über Einnahmen aus Zinserträgen, Dividenden usw. Nach der Satzung der Stiftung sind diese Mittel für die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Hierüber entscheidet das Kuratorium der Stiftung in eigener Zuständigkeit.
Ich darf hinzufügen, daß die Beantwortungdieser Frage durch den Schatzminister deshalb erfolgt, weil der Privatisierungserlös in die Zuständigkeit des Bundesschatzministeriums fällt, während die Stiftung Volkswagenwerk als solche in die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern fällt.
Eine Zusatzfrage? -Bitte!
Herr Bundesminister, bis zu welchem Zeitpunkt ungefähr wird die Bundesregierung ihre Vorstellungen zu dem Punkt 2 der von Ihnen skizzierten Verwendungsmöglichkeiten Ihrer Meinung nach darlegen können?
Lenz, Bundesschatzminister: Ich hoffte, daß die Verhandlungen zwischen den Ressorts einerseits und mit den Ländern andererseits bis Ostern abgeschlossen sind.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den Kreisen der Wissenschaft eine gewisse Beunruhigung über die Langsamkeit herrscht, die bei der Gewährung von Hilfen aus dem genannten Fonds bisher obgewaltet hat? Wieviel von den Einnahmen ist denn bisher überhaupt ausgegeben worden?
Lenz, Bundesschatzminister: Ausgegeben worden ist bis jetzt noch nichts.
Ich hatte eine zweite Frage gestellt: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Wissenschaftskreisen eine gewisse Beunruhigung darüber herrscht, daß der Weg allzu langsam beschritten wird?
Lenz, Bundesschatzminister: Das isst der Bundesregierung bekannt. Im Etat des Herrn Bundesinnenministers sind an sich Forschungsmittel veranschlagt, so daß die Beunruhigung der Wissenschaft nur zum Teil gerechtfertigt erscheint.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Mittel völlig unzureichend sind angesichts der gewaltigen Anforderungen der modernen wissenschaftlichen Forschung?
Lenz, Bundesschatzminister: Das ist der Bundesregierung bekannt und ihre große Sorge.
Keine weiteren Fragen.
Ich rufe auf die Frage Nr. II/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -:
Wie hoch waren die Kosten einschließlich Versandkasten der an alle Haushaltungen für die beiden vorn Amt für zivilen Bevölkerungsschutz im Auftrag des Herrn Bundesinnenministers herausgegebenen Denkschriften „Jeder hat eine Chance" und „Verhalten bei radioaktiven Niederschlägen"?
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Die Herstellungskosten haben bei der Broschüre „Jeder hat eine Chance" 868 000 DM und beim Faltblatt „Schutz gegen radioaktive Niederschläge in Haus und Betrieb" 649 000 DM betragen. Für die Verteilung durch Postwurfsendungen sind für beide Schriften Kosten in Höhe von je 514 000 DM entstanden. Die Gesamtkosten können demnach mit 2 545 000 DM beziffert werden.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Kohut zu einer Zusatzfrage!
Glauben Sie, Herr Minister, daß diese in der Atomfrage aufgewendeten Haushaltsmittel irgendwelchen Nutzen haben?
Ich habe die Frage nicht verstanden.
Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß es sich hier um hinausgeworfenes Geld handelt?
Nein, Herr Kollege, und zwar deswegen nicht, weil wir diese Schriften nach einigen ausländischen - amerikanischen, schwedischen und schweizerischen - Vorbildern angefertigt haben. Dort finden Sie genau denselben Aufklärungsinhalt. Wir müssen das Äußerste tun und jede Art von Aufklärung betreiben.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, müssen wir immer alles plagiieren, was in der Welt vorgeht? Haben wir nicht eigene und bessere Ideen?
({0})
Nein, Herr Kollege Kohut, es handelt sich nicht bloß um eine Plagiierung, sondern wir haben mit das Beste herausgesucht. Wir sind aber bemüht, uns noch etwas Besseres einfallen zu lassen.
({0})
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie einmal die psychologische Reaktion der Bevölkerung auf diese Schrift testen lassen, und können Sie die Ergebnisse dem Hause bekanntgeben?
Höcherl, Bundesmnister des Innern: Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich habe festgestellt, daß eine ganze Reihe von Leuten aus den verschiedensten Bereichen sich aus dieser umfangreichen Schrift einige Positionen herausgesucht haben, die allenfalls Möglichkeiten zur Kritik geben, und damit die ganze Schrift verurteilt haben. Ein solches Verfahren halte ich nicht für angemessen und gerecht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Schrift: Ihr Haus oder das Bundesamt für den zivilen Bevölkerungsschutz?
Wenn Sie das Impressum ganz genau gelesen hätten, würden Sie festgestellt haben, daß das Bundesamt für den zivilen Bevölkerungsschutz im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Schrift herausgegeben hat. Wir drücken uns nicht vor einer solchen Verantwortung.
({0})
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, Ihre Frage betraf eigentlich schon die nächste von Herrn Abgeordneten Dr. Kohut gestellte Frage I1/4:
Welcher Bundesinnenminister übernimmt die Verantwortung für den Inhalt dieser beiden Denkschriften, die frühere, unter dessen Amtsführung die Denkschriften angefertigt wurden, oder der derzeitige, unter dessen Amtsführung die Denkschriften ,,an alle Haushaltungen" per Post zugestellt wurden?
Die Herausgabe der beiden Aufklärungsschriften ist von meinem Amtsvorgänger, Herrn Bundesminister Dr. Schröder, nach entsprechender Beschlußfassung des Bundesverteidigungsrats angeordnet worden.
({0})
Verschickt wurden die beiden Aufklärungsschriften zum größten Teil in der Amtszeit meines Herrn Amtsvorgängers und zu einem geringeren Teil in meiner eigenen Amtszeit. Soweit ich den Herrn Kollegen Schröder kenne, wird er durchaus bereit sein, seinen Teil an Verantwortung zu übernehmen. Ich bin ebenfalls bereit, für den in meine Amtszeit fallenden Teil die Verantwortung zu übernehmen, auch wenn eine mündliche Anfrage gestellt wird.
Herr Dr. Kohut!
Herr Minister, haben Sie die Absicht, eine solche Aktion zu wiederholen, oder können Sie sich denken, daß man das deutsche Volk besser schützt, wenn man dafür sorgt, daß 60 Millionen DM für Schutzbauten ausgegeben werden, als wenn man solche primitiven, ich möchte beinahe sagen: trügerischen Hoffnungen in der Bevölkerung erweckt, als nütze das, was Sie da erzählt haben, etwas?
Herr Kollege Kohut, ich bin natürlich der Meinung, daß ein Schutzraum besser ist als eine Aufklärungsschrift. Aber ich bin der Ansicht, beides muß nebeneinander geschehen. Ich habe die Absicht, auch weiterhin Aufklärung zu betreiben. Was, Herr Kohut, ist nicht verbesserungsfähig?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Minister, wissen Sie, daß die Bundesländer schon vor Jahren die Herausgabe einer Aufklärungsschrift verlangt haben, und kennen Sie die Gründe, aus denen der Herr Bundeskanzler viele Jahre die Herausgabe einer solchen Schrift verhindert hat?
Ich weiß nur, daß im Zusammenhang mit diesen beiden Schriften eingehende Verhandlungen mit den Ländern gepflogen wurden, daß die Länder über den Inhalt ins Bild gesetzt wurden und daß sie dagegen keinen Einspruch erhoben haben. Die weitere Frage, die Sie stellen, welche Überlegungen der Herr Bundeskanzler allenfalls angestellt haben könnte, muß ich erst durch Befragen des Herrn Bundeskanzlers klären.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen!
Herr Minister, können Sie dem Hause eine ungefähre Aufklärung über die Gesamthöhe der Haushaltsreste geben, die durch Nichtverausgabung der Mittel für den zivilen Bevölkerungsschutz in den Jahren der Amtszeit Ihres Herrn Vorgängers entstanden sind?
Ich werde Ihnen eine solche Zusammenstellung geben. Ich bin aber überzeugt, daß meinen Herrn Amtsvorgänger an den Haushaltsresten keine Schuld trifft.
({0})
Zu dieser Frage keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage II/5 - des Abgeordneten Dr. Kohut -:
Was gedenkt der derzeitige Bundesinnenminister zu tun, um in Zukunft die Verteilung derartiger Denkschriften - soweit sie nicht geeignet sind, einer sachkundigen Aufklärung der deutschen Öffentlichkeit zu dienen - zu verhindern?
Das Bundesinnenministerium plant natürlich nicht, Schriften herauszugeben, die für die Aufklärung nicht geeignet sind. Deshalb besteht auch. keine Gefahr, daß solche Schriften versandt werden.
Bine Zusatzfrage, Herr Dr. Kohut!
Sollte nicht von Ihrem. Hause, Herr 'Minister, einmal die Frage an den sehr verehrten Herrn Bundeskanzler herangebracht werden, ob man das deutsche Volk nicht sogar auf dem Verhandlungswege besser vor einer Katastrophe schützt als durch Papier?
Diese Frage fällt in das Ressort des Herrn Bundesministers für das Auswärtige. Aber ich habe Ihnen schon gesagt - hier gilt das gleiche wie in der Schutzraumfrage -: das eine tun und das andere nicht unterlassen!
Herr Schmitt-Vokkenhausen!
Herr Minister, kann ich davon ausgehen, daß bei den zukünftigen Broschüren die Zusage Ihres Amtsvorgängers - die nicht eingehalten wurde -, den Ausschuß für Inneres zu beteiligen, von Ihnen eingehalten wird?
Mein Herr Amtsvorgänger hätte seine Zusage eingehalten, wenn der Ausschuß für Inneres damals getagt hätte. Auch bei mir können Sie absolut die Überzeugung haben, daß Sie jede Schrift vorher bekommen. Ich wüßte nicht, was ich zur Entlastung meiner Verantwortung lieber täte.
({0})
Ich rufe auf die l Frage 1I/6 - des Herrn Abgeordneten Vogt -:
Zu welchem Ergebnis haben die Bemühungen der Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern um eine befriedigende Lösung des dringlichen Problems der zusätzlichen Altersversorgung der älteren Angestellten des öffentlichen Dienstes - insbesondere derjenigen, die keinen oder nur einen geringen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben - geführt?
Herr Staatssekretär Hölzl hat in der Fragestunde vom 14. Juni 1961 bei Beantwortung einer Frage des Herrn Abgeordneten Eplée bereits darauf hingewiesen, daß die befriedigende Lösung der zusätzlichen Altersversorgung der älteren Angestellten ein Teilproblem der Gesamtreform der Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes darstellt und daß die für die Reform erforderlichen umfangreichen Vorarbeiten bereits vor längerer Zeit in Angriff genommen worden sind. Da sich das Problem auf den gesamten öffentlichen Dienst erstreckt, mußte der Bund über die beabsichtigte Neuregelung zunächst ein Einvernehmen mit den Ländern und Gemeinden herbeiführen. Nachdem dieses Einvernehmen nunmehr im Grundsatz hergestellt ist, werden die Verhandlungen mit den Gewerkschaften am 23. Februar 1962 aufgenommen werden.
Das Bundesministerium des Innern sieht die befriedigende Lösung der Versorgung der älteren Angestellten des öffentlichen Dienstes - insbesondere aber derjenigen, die keinen oder nur einen geringen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben - als eines der Hauptziele der Reform an. Bei der Lösung wird jedoch zu berücksichtigen sein, daß für die Bemessung der Versorgungsleistungen im wesentlichen nur die Zeiten zugrunde gelegt werden können, während derer die Angestellten dem öffentlichen Dienst angehört haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Bundesminister, unbeschadet Ihrer Zuständigkeit möchte ich doch die Frage stellen, ob der Bundesregierung bekannt und ob sie zu beachten bereit ist, daß seit der Währungsreform nur ein einziges Mal eine Anhebung der Zusatzversorgungsleistungen erfolgt ist, daß aber als Beitrag zu den Zusatzversorgungskassen ein Prozentsatz der ausgezahlten Gehälter zugrunde gelegt wird.
Es ist mir bekannt, daß nur einmal eine Anhebung stattgefunden hat. Die Frage, was wegen der Differenzen - die in der Zwischenzeit eigentlich hätten ausgeglichen werden müssen - zu geschehen hat, wird bei der Lösung ebenfalls berücksichtigt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Vizepräsident Schoettle
Die Frage IV/1 - des Herrn Abgeordneten Riedel ({0}) - ist zurückgezogen.
Ich rufe auf die Frage IV/2 - des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann -:
Ist die Bundseregierung bereit, durch steuerliche Maßnahmen einen Anreiz für den Bau von Hoch- und Tiefgaragen zur Behebung der Parkraumnot in den Städten zu geben?
Bitte, Herr Staatssekretär Hettlage.
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann nach der steuerlichen Förderung des Baues von Hoch- und Tiefgaragen. Herr Abgeordneter, wir brauchen nicht darüber zu sprechen, daß der Bau von Hoch- und Tiefgaragen notwendig ist. Es ist eine andere Frage, ob dafür steuerliche Anreize durch Steuervergünstigungen gewährt werden sollen. Nach der bisherigen Praxis der Bundesregierung liegt uns daran, solche Gesetzesänderungen auf ein Minimum zu beschränken und nach Möglichkeit von gezielten steuerlichen Hilfen für bestimmte volkswirtschaftliche oder Verkehrszwecke abzusehen, um das Steuerrecht nicht übermäßig zu komplizieren.
Ihrem Wunsch nach einer verstärkten steuerlichen Förderung des Baues von Hoch- und Tiefgaragen wird voraussichtlich dadurch ausreichend entsprochen werden können, daß die Länderfinanzverwaltungen die Abschreibungszeit für derartige Bauwerke verkürzen. Es wird also nicht bloß auf die technische Lebensdauer, sondern auf die wirtschaftliche Verwendbarkeit abgestellt, so daß im
Unterschied zu anderen Gebäuden für solche Garagen-Hochhäuser oder Tiefgaragen eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von vielleicht dreißig Jahren oder weniger angenommen werden kann. Auf diesem Wege würde Ihr Ziel gefördert werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, besteht die Absicht, mit den Länderfinanzministern eventuell ein Arrangement zu treffen, daß von dieser Seite aus eine Förderung solcher Projekte initiiert wird? Die Lösung des Parkraumproblems ist doch wohl vor allem in den Großstädten eine Hauptaufgabe für die nächsten Jahre.
Die Frage soll bei der nächsten Konferenz der Einkommensteuerreferenten der Länder erörtert werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, wäre Ihr Haus bereit, im Benehmen mit dem Bundesinnenministerium bei Prüfung dieser Fragen auch die Möglichkeiten mit einzubeziehen, daß solche Projekte sinnvoll für den zivilen Bevölkerungsschutz verwendet werden können?
Herr Abgeordneter, darüber gibt es bereits besondere Richtlinien.
Frage IV/3 - Herr Abgeordneter Dr. Dollinger -:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur gewerbesteuerlichen Behandlung der Arbeitsverträge zwischen Ehegatten und des sogenannten Unternehmerlohns bei den personenbezogenen Kapitalgesellschaften zu ziehen?
Herr Abgeordneter Dr. Dollinger, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts über die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Gewerbesteuerrechts zwingen zur Überprüfung mehrerer Bestimmungen des Einkommensteuerrechts und des Gewerbesteuerrechts. Das gilt sowohl für die Feststellung des Verfassungsgerichts, daß die Arbeitsvergütungen für mitarbeitende Ehefrauen nicht mehr dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden dürfen, wie für die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, daß in Zukunft auch die besonderen Arbeitsvergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer bei Kapitalgesellschaften nicht mehr dem Ertrag hinzugerechnet werden dürfen.
Die Frage hat eine grundsätzliche Bedeutung, insbesondere für die mitarbeitende Ehefrau. Es gibt im Einkommensteuerrecht mehrere Bestimmungen, die nunmehr auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden müssen. Auch für das Gewerbesteuerrecht wird das Urteil hinsichtlich einer Bestimmung, des Steueränderungsgesetzes 1961 noch Folgerungen haben. 1961 ist der Freibetrag und die bekannte Degression des Steuersatzes auch für personenbezogene Kapitalgesellschaften eingeführt worden. Nunmehr darf eine personenbezogene Kapitalgesellschaft nicht mehr mit dem Einzelunternehmen oder mit der Personengesellschaft gleichgestellt werden.
Frage IV/4 - Herr Abgeordneter Dr. Dollinger -:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung den aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Gewerbesteuer resultierenden Ausfall an Gewerbesteuer bei den Gemeinden?
Die Frage wird ebenfalls vom Herrn Staatssekretär Hettlage beantwortet.
Der Ausfall, Herr Abgeordneter Dollinger, der durch diese Urteile des Bundesverfassungsgerichts an Gewerbesteuer bei den Gemeinden entsteht, wird von uns vorläufig auf etwa 70 bis 80 Millionen DM im Jahr geschätzt. Wie hoch der Ausfall in der Zukunft sein wird, hängt davon ab, ob und in welchem etwa größerem Umfang Arbeitsverträge zwischen Ehegatten abgeschlossen werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung in Besprechung mit
den Länderfinanzministern die Ausgleichsmöglichkeiten für die Gemeinden erörtern?
Bei der sprunghaften Steigerung des Aufkommens an Gewerbesteuern, Herr Abgeordneter, möchte ich annehmen, .daß ein besonderes Ausgleichsbedürfnis im allgemeinen nicht besteht, es sei denn in einer kleinen Gemeinde mit besonders gelagerten Verhältnissen; und da können die Länder ohne weiteres helfen.
Frage IV/5 - Frau Dr. Diemer-Nicolaus -:
Ist es richtig, daß entgegen der gesetzlichen Regelung, nach der bei der Zusammenveranlagung die Steuererklärung von beiden Ehegatten unterzeichnet sein muß, Steuererklärungen auch dann als ausreichend angesehen werden, wenn sie nur von dem Ehemann unterzeichnet sind?
Frau Abgeordnete, nach § 57 a der Durchführungsbestimmungen zum Einkommensteuergesetz haben Ehegatten für den Fall ihrer Zusammenveranlagung eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben. Die Steuererklärung muß von beiden Ehegatten unterschrieben werden. Dem Finanzministerium ist nicht bekannt, daß die Finanzämter gemeinsame Steuererklärungen von Ehegatten auch dann als ausreichend ansehen, wenn sie nur von einem Ehegatten, insbesondere dem Ehemann, unterzeichnet sind.
Nun haben aber .die obersten Finanzbehörden der Länder angeordnet, daß die Finanzämter in Fällen, in denen nur einer der Ehegatten seine Unterschrift geleistet hat, auf der vollständigen Ausfüllung der gemeinsamen Steuererklärung durch ,den anderen Ehegatten nicht zu bestehen brauchen. Die Finanzämter können in diesen Fällen die Abgabe einer eigenen Steuererklärung des anderen Ehegatten über seine Einkünfte fordern und als ausreichend ansehen.
Das von den Ländern angeordnete Verfahren erscheint zweckmäßig, weil dadurch unter Umständen Unzuträglichkeiten vermieden werden können. Etwas plastischer gesagt: mit der Praxis der Finanzämter, dem anderen Ehegatten ein besonderes Erklärungsformular zuzusenden, wird der Diskretion in Geldsachen in der Ehe Rechnung getragen. Es soll nach den Erfahrungen des Lebens vorkommen, daß ein Ehegatte seinem Ehepartner nicht ohne weiteres mit der Unterschrift unter der Steuererklärung eine Information über seine ganzen Einkünfte geben möchte.
({0})
In diesen Fällen ist es nicht unzweckmäßig, eine zweite, besondere Erklärung des anderen Ehepartners einzuholen. Die Grundsätze über die gemeinsame Veranlagung der Ehegatten werden 'dadurch nicht berührt. Eine getrennte Veranlagung der Ehegatten erfolgt nur, wenn sie ausdrücklich beantragt wird.
Hem Staatssekretär, ich glaube, das Haus hat Verständnis für Ihre Formulierung.
Ein Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß damals bei der Beratung im Finanzausschuß gerade auch diese Frage - häuslicher Frieden bei gemeinschaftlicher Unterschrift - eingehend behandelt wurde und daß trotzdem der Finanzausschuß diese Regelung ausdrücklich als Muß-Vorschrift ausgestaltet hat?
Gnädige Frau, der Finanzausschuß war in seiner Entscheidung konsequent. Die Praxis der Finanzämter, die, wie gesagt, nur in ganz seltenen Fällen von jenem Grundsatz abweicht, scheint uns den Erfordernissen des Lebens Rechnung zu tragen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus!
Aber, Herr Staatssekretär, steht jene Anweisung an die Finanzämter nicht im Gegensatz zu der Muß-Vorschrift des Gesetzes?
Ein rechtlicher Widerspruch i besteht nach meiner Meinung nicht.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe auf die Frage V/1 - Abgeordneter Müller-Hermann -:
Wird die Bundesregierung, entsprechend einer Erklärung über eine zusammenfassende Initiative zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe, den Aufbaueines Betriebsberatungsdienstes für die mittelständischen Unternehmen des Straßenverkehrsgewerbes als wirksames Mittel für die Verbesserung der Ertragslage durch Rationalisierungsmaßnahmen durch die Bereitstellung ,der zugesagten Mittel fördern?
Bitte, Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß ein Betriebsberatungsdienst für die mittelständischen Unternehmen des Straßenverkehrsgewerbes ein wirksames Mittel zur Verbesserung ihrer Ertragslage sein könnte. Der Bundesminister für Verkehr prüft, welche Maßnahmen für den Aufbau des Beratungsdienstes geeignet sind. Bundesmittel sind für diesen Zweck nicht vorgesehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller-Hermann!
Herr Bundesminister, ist Ihnen klar, daß ein gewisser Widerspruch darin besteht, daß die Bundesregierung die Bereitstellung dieser Mittel in einer offiziellen Erklärung vor dem Parlament bereits zugesagt hatte und bisher in der Sache nichts geschehen ist?
Der Bundesminister für Verkehr hat die erforderlichen Vorarbeiten für die Errichtung eines Beratungsdienstes für das mittelständische Straßenverkehrsgewerbe noch nicht abgeschlossen. Im übrigen hat die Bundesregierung in ihrer Erklärung vom 23. Mai 1961 die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für den genannten Zweck noch nicht in Aussicht gestellt.
Eine weitere Frage?
({0})
Ich rufe auf die Frage V/2 - Abgeordneter Dr. Mommer -:
Kann die Bundesregierung durch Abschaffung oder Senkung des zwölfprozentigen Zolls auf „Schwedenhäuser" auf die Baupreise einwirken?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Die Bundesregierung begrüßt die Einfuhr von Fertighäusern, weil diese Einfuhr eine Verringerung der Spannungen am deutschen Wohnungsmarkt bewirken kann. Aus diesem Grunde hat auf meinen Vorschlag der Bundesminister der Finanzen die sogenannten Binnenzollsätze, also die Zollsätze innerhalb des EWG-Raumes, für Holzfertigteile und Holzfertighäuser sowie für Betonwaren ab 1. Januar 1962 gestrichen.
Eine Senkung oder Streichung der Zollsätze gegenüber dem Nicht-EWG-Raum, also der sogenannten Außenzölle, bedarf jedoch eines einstimmigen Ratsbeschlusses der EWG. Ich halte es angesichts einer unterschiedlichen Interessenlage in einzelnen EWG-Ländern für zweifelhaft, ob es möglich ist, einen solchen Ratsbeschluß herbeizuführen. Ich werde allerdings noch die Frage prüfen, ob gegebenenfalls der Bundesrepublik ein zollfreies Kontingent eingeräumt werden kann. Eine Senkung oder Streichung der Außenzölle wäre objektiv durchaus geeignet, die Einfuhr von Fertighäusern insbesondere aus dem skandinavischen Raum zu fördern und damit auf eine Minderung der Wohnungsbaupreise hinzuwirken.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, werden Sie trotzdem den Versuch unternehmen, beim Rat der EWG einen Beschluß auf Senkung oder besser Streichung der Außenzölle durchzusetzen?
Ich werde mich nach dieser Richtung hin bemühen. Aber wenn keine einheitliche Meinung aller EWG-Staaten hinsichtlich der Zollbehandlung zustande kommt, werde ich mich bemühen, für die Bundesrepublik gesondert ein zollfreies Kontingent zu erhalten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, können Sie dem Hause ein Bild davon geben, welche Senkung der Baupreise bei gleichem Bauvolumen sich durch die Abschaffung des Zolls ergeben könnte?
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminitser für Wirtschaft: Das ist schwer zu sagen. Der Zoll für Fertighäuser beträgt 12 %. Im übrigen sind natürlich die deutschen Bauleistungen mit der Errichtung eingeführter Fertighäuser kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Keine weitere Frage.
Ich rufe hier auf die Frage II/1 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der immer stärker hervortretenden Monopolausweitung der Rundfunk- und Fernsehanstalten durch das Wirtschaftsgebaren der von ihnen gegründeten Werbefunk- und Werbefernsehgesellschaften und ihrer Beteiligung an Film- und Atelierunternehmen entgegenzuwirken?
Diese Frage des Herrn Abgeordneten Riedel ({0}) wird ebenfalls von dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft beantwortet.
Die Angelegenheiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören in die Zuständigkeit der Länder. Alle mit Rundfunk und Fernsehen zusammenhängenden nichttechnischen Fragen, auch die der Werbesendungen, sind landesrechtlich geregelt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf das bekannte Karlsruher Fernsehurteil. Die Bundesregierung hat mithin auf das Wirtschaftsgebaren dieser Anstalten keinen Einfluß. Ebenso besteht für sie keine Möglichkeit, einer Beteiligung dieser Anstalten an Film- und an Werbeunternehmungen entgegenzuwirken.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Riedel!
Herr Minister, Ihnen ist doch bekannt, daß der Bund zumindest die konkurrierende 'Gesetzgebung auf dem Gebiete des Rundfunks und Fernsehens hat. Ich frage deshalb: halten Sie es mit den Satzungen der Rundfunkanstalten für vereinbar, daß sie das rein kommerzielle Werbegeschäft betreiben?
Die Bundesregierung und der Bundeswirtschaftsminister hätten erst eine Möglichkeit des Einschreitens, wenn damit ein Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht gegeben wäre. Aber im übrigen bleibt es bei dem Standpunkt, daß die Prüfung der Frage, die hier aufgeworfen ist, nur der Zuständigkeit der Länder unterliegt.
Herr Minister, darf ich Ihnen ein Beispiel dafür geben, daß offenbar doch ein Mißbrauch vorliegt? Zum Beispiel meldete „Die Zeit" am 12. Januar unter der Überschrift „Flimmerehe" die Gründung einer Fernseh-Allianz in Hamburg, an der sich Radio Bremen, Radio Ham418
Riedel ({0})
burg und vor allen Dingen auch die UFA und die - aller Welt offenkundig - in Schwierigkeiten geratene Hansa-Film AG beteiligen. Halten Sie solche Fusionen für gerechtfertigt und haben Sie nicht auch selber die Auffassung, daß solche Wirtschaftsgebaren nicht in den Aufgabenbereich öffentlich-rechtlicher Anstalten fallen?
Die Bundesregierung sieht keinen Grund und keine Veranlassung und erkennt auch keine Zuständigkeit, in diesen Prozeß einzugreifen. Die Frage, wann eine wirtschaftliche Macht oder gar ein Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht vorliegt, muß auch nach internationalen Maßstäben und Vergleichen betrachtet werden. Unter diesem Blickwinkel kann man in Deutschland nicht von einer Machtposition sprechen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Gewandt!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung beabsichtigt, durch ein Verbot von Fernseh- und Rundfunksendungen auf dem Sektor der Arzneimittel in die Kompetenzen der Rundfunk- und Fernsehanstalten einzugreifen? Sehen Sie da nicht eine Diskrepanz zwischen der von Ihnen vorgetragenen Auffassung und der Meinung des Gesundheitsministeriums?
Von einem solchen Vorhaben ist mir persönlich nichts bekannt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die erste Frage - des Herrn Abgeordneten Ertl - ist vom Fragesteller zurückgestellt worden.
Frage VI/2 - Abgeordneter Jahn -:
Welche Vorschläge beabsichtigt der Herr Bundesarbeitsminister dem Bundestag zu unterbreiten, um der wachsenden Überlastung des Bundessozialgerichts zu begegnen?
Die Antwort auf die Frage, Herr Abgeordneter, kann kurz sein: keine, weil von einer wachsenden Belastung des Bundessozialgerichts nicht gesprochen werden kann. Denn sowohl die Zahl der anhängigen Sachen wie die Zahl der Eingänge sind in den letzten drei Jahren nahezu gleichgeblieben. Außerdem geht die Zahl der Entscheidungen der Landessozialgerichte, die inzwischen ihre Rückstände aufgearbeitet haben, zurück, so daß in nächster Zeit mit einem Rückgang der Eingänge gerechnet werden kann.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Staatssekretär, sind Ihnen nicht Pressemeldungen bekannt, nach denen der
Präsident des Bundessozialgerichts, Herr Chefpräsident Schneider, erklärt haben soll, daß die Senate des Bundessozialgerichts nicht in der Lage seien, die Zahl der Revisionen, die im Laufe des letzten Jahres eingegangen seien, ordnungsgemäß, d. h. in angemessener Frist, zu erledigen, und daß im Jahre 1962 eine weitere Steigerung der Eingänge an Revisionen erwartet werde?
Diese Pressemitteilungen sind uns nicht nur bekannt, sondern wir haben auch mit dem Chefpräsidenten des Bundessozialgerichts zahlreiche Besprechungen gehabt. Die Meinungen gehen eben auseinander.
Bitte, Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie geantwortet, daß die Zahl der zur Behandlung anstehenden Fälle in den letzten drei Jahren gleichgeblieben sei. Können Sie die Zahl der Rückstände oder der laufenden Fälle hier einmal bekanntgeben?
Das kann ich gern, Herr Abgeordneter. Es waren anhängig: Ende 1959 2346 Sachen, Ende 1960 2368 Sachen und Ende 1961 2379 Sachen. Die Eingänge haben sich in den gleichen Jahren wie folgt entwickelt: 1959 2733, 1960 2749 und 1961 2817. Inzwischen ist auch - wenn ich das noch ergänzend sagen darf - die Zahl der Senate und der Richter erheblich höher geworden. Noch 1961 sind drei Bundesrichter und ein Senatspräsident hinzugekommen.
Herr Abgeordneter Büttner zu einer zweiten Frage!
Wenn ich die Zahlen richtig verstanden habe, dann ist doch ein Anstieg bei den rückständigen Fällen zu verzeichnen; im letzten Jahr ist er zwar nur gering. Können Sie einen Grund dafür nennen, daß die Zahl sich langsam erhöht hat? Liegt es vielleicht an der Kompliziertheit der Gesetzgebung, daß man nicht zu grundsätzlichen Entscheidungen kommt?
Herr Abgeordneter, die Erhöhung macht nur einen Bruchteil von Prozenten aus; man kann daraus keine Tendenz ablesen. Meine Behauptung, die Zahl sei annähernd gleichgeblieben, ist deshalb wohl richtig. Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß die Gesetzgebung so kompliziert geworden ist, daß auch die Richter des Bundessozialgerichts mehr Zeit für ihre Urteile brauchen, als das bei einer anders gelagerten Gesetzgebung nötig wäre.
Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Staatssekretär, hat der Chefpräsident des Bundessozialgerichts gegenüber dem Bundesarbeitsministerium die Auffassung oder gar die Forderung vertreten, daß eine Erhöhung der Zahl der Richter seines Gerichts notwendig sei?
Herr Abgeordneter, die Frage ist natürlich schwierig zu beantworten. Aber es gibt keine Behörde, die nicht behauptet, daß sie mit der Zahl ihrer Beamten nicht auskomme.
({0})
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
Die Frage VII/1 - des Abgeordneten Jahn - ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Frage VII/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) -:
Ist es wahr, daß Herr Bundesminister Strauß in dem Verfahren gegen Hackel es unternahm, der Ausführung eines richterlichen Befehls zur Durchsuchung der CSU-Geschäftsstelle Nürnberg entgegenzutreten und hierbei, wie eine Zeitung berichtet, Oberstaatsanwalt Sauter telefonisch fragte, welcher politischen Partei die durchsuchenden Staatsanwälte angehörten?
Ich bitte um Verständnis dafür, daß aus grundsätzlichen Erwägungen diese Frage hier nicht beantwortet werden kann, weil es sich nicht um eine dienstliche Maßnahme eines Mitglieds der Bundesregierung handelt, die der Kontrolle des Parlaments unterliegt, sondern um den Verantwortungsbereich des Landesvorsitzenden einer Partei, wie ausdrücklich von mir festgestellt worden ist.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Arndt!
Ist es richtig, daß der Herr Bayerische Justizminister Haas vor dem Bayerischen Landtag gesagt hat, er sei von einem „Bundesminister" angerufen worden, und haben Sie nicht auch in Ihrem Telefongespräch mit Herrn Oberstaatsanwalt Sauter als „Bundesminister" telefoniert?
Meine Reaktion in diesem Falle hängt ausschließlich mit meiner Tätigkeit als Landesvorsitzender der CSU zusammen. Welcher Titel oder welche Anrede vom Gesprächspartner mir gegenüber gebraucht wird, hat damit nichts zu tun.
({0})
Glauben Sie nicht, daß auch ein Parteivorsitzender bei seinen Aktionen - etwa bei Einmischungen in gerichtliche Verfahren - darauf Rücksicht zu nehmen hat, daß er Bundesminister ist und seine Pflicht als Bundesminister wahren muß?
({0})
Sie sind insofern in einem Irrtum befangen, als es sich in keiner Weise um ein Einmischen in ein gerichtliches Verfahren handelt, sondern um eine Rückfrage nach Durchführung dieser Aktion.
Glauben Sie nicht, daß es eine Einmischung in ein gerichtliches Verfahren ist, wenn Sie einen Oberstaatsanwalt in seiner Privatwohnung anrufen und ihm am Telefon sagen, Sie hätten Zweifel an der Zuverlässigkeit der beteiligten Staatsanwälte, und auf die Antwort des Oberstaatsanwalts, daß er sich verbürge, Ihrerseits sagen - und zwar immer in einem Gespräch, bei dem Sie als Bundesminister angeredet werden und sich anreden lassen -, daß Sie ja auch nicht wüßten, welche „Einstellung" der Oberstaatsanwalt Sauter habe?
({0})
Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen. Ich darf nur feststellen, daß der bayerische Staatsminister der Justiz mir mitgeteilt hat, daß das Verhalten eines Staatsanwalts dienstaufsichtlich gewürdigt worden sei, weil er eine unangebrachte Bemerkung gemacht habe, und daß ferner .auf dem Wege .der Dienstaufsicht noch andere Vorgänge mißbilligt worden seien.
({0})
Sie haben keine Frage mehr. - Es tut mir leid, ich muß mich an die Richtlinien halten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Minister, Sie haben sich ja soeben hier über die Tätigkeit der Staatsanwälte in dem Verfahren geäußert. Ich frage Sie: was verstehen Sie unter „Einstellung" eines Staatsanwalts bei Vornahme einer dienstlichen Amtshandlung und welcher Raum sollte nach Ihrer Meinung für eine sogenannte „Einstellung" bleiben, wenn eine richterlich angeordnete Maßnahme nach dem Gesetz ohne Ansehen der Person durchzuführen ist?
Die hier zur Debatte stehenden Fragen werden in den zuständigen Gremien des bayerischen Landtags, weil es sich um Grundsatzfragen der Immunität handelt, erörtert.
({0})
Eine weitere Frage!
Meine Frage ist damit zunächst nicht beantwortet. Ich möchte nur feststellen: Der Herr Minister hat meine Frage über seine Einstellung zu der Frage der Einstellung von Staatsanwälten nicht beantwortet. Er ist mir ausgewichen.
({0})
- Ich habe eine weitere Frage: Wie könnten und sollten, Herr Minister, Ihre Zweifel an ,der Zuverlässigkeit von Staatsanwälten und Ihre Bemerkungen über eine sogenannte Einstellung anders als ein Hinweis auf parteipolitische Auffassungen verstanden werden?
Ich darf noch einmal erwähnen, was ich vorher bereits zitiert habe: daß die Antwort des bayerischen Justizministers, wonach gewisse Vorgänge dienstaufsichtlich gewürdigt oder mißbilligt worden seien, mir Anlaß zu der Frage gegeben hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß eben diese Mißbilligung sich auf einen ganz anderen Tatbestand bezieht, als Sie ihn hier darstellen?
Nein!
({0})
Nein, hier haben Sie unrecht, Herr Kollege. Die dienstaufsichtliche Würdigung hängt genau mit diesem Tatbestand zusammen. Die dienstaufsichtliche Mißbilligung hängt mit mangelnder Erfüllung der Berichtspflicht zusammen.
({1})
Eine weitere Frage Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
Herr Bundesminister, wollen Sie damit in aller Öffentlichkeit die beteiligten Staatsanwälte der Unwahrhaftigkeit zeihen?
Ich habe diese Angelegenheit nicht in die Öffentlichkeit gebracht, sondern sie ist durch ein dienstliche Zusammenhänge behandelndes Schreiben des Vorsitzenden eines Richtervereins, das per Indiskretion an eine Organisation der SPD gegangen ist, in die Öffentlichkeit getragen worden.
({0})
Herr Präsident, meine Frage wurde nicht beantwortet!
Das tut mir leid; eine weitere Frage haben Sie nicht mehr.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Bundesminister, darf ich die Frage meines Freundes wiederholen: Wollen Sie die Staatsanwälte der Unaufrichtigkeit zeihen?
Ich darf hier noch einmal sagen, daß jedes von mir in diesem Zusammenhang geführte Gespräch ausschließlich mit meiner Tätigkeit als Landesvorsitzender einer Partei zusammenhängt und nicht mit einer Maßnahme eines Mitglieds der Bundesregierung, die der Kontrollpflicht dieses Parlaments unterliegt. Die Antwort, die ich vom bayerischen Staatsminister der Justiz bekommen habe, beweist, daß meine Rückfrage berechtigt war.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Büttner!
Darf ich in aller Öffentlichkeit feststellen,
({0})
daß Sie nicht willens sind, -
Nein, nein!
- - die Frage zu beantworten?
({0})
Herr Abgeordneter Büttner, Sie dürfen hier keine Feststellungen treffen, sondern nur Fragen stellen.
({0})
- Ich habe rechtzeitig eingegriffen; das möchte ich hiermit festgestellt haben.
({1})
Ich rufe auf die Frage VII/3, gestellt von Herrn Abgeordneten Dröscher:
Ist die Bundesregierung bereit, sich für die Beschleunigung von Sicherungsmaßnahmen am Flugplatz Pferdsfeld einzusetzen, nachdem der Flugzeugabsturz in der Anflugschneise des NATO-Flugplatzes Nörvenich am 25. Januar 1962 die Gefahren für die dauernd unter solchen Umständen lebenden Mitbürgern noch einmal deutlich gemacht hat?
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Die Verhältnisse zwischen dem Dorf Oberbolheim in der Nähe des Flugplatzes Nörvenich und dem Dorf Rehbach in der Nähe des Flugplatzes Pferdsfeld lassen sich insofern nicht vergleichen, als Rehbach sowohl weiter entfernt von der Startbahn als auch tiefer als Oberbolheim liegt. Außerdem liegt Rehbach nicht in der Hauptstartrichtung.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Verhältnisse des Flugplatzes Pferdsfeld verweise ich im übrigen auf meine Antwort in der Fragestunde vom 3. Mai 1961.
Unbeschadet der Tatsache, daß Rehbach nicht mehr gefährdet ist, als üblicherweise Orte in unmittelbarer Nähe von Flugplätzen gefährdet sein können, sollen meines Wissens von den Behörden des Landes Rheinland-Pfalz Erwägungen darüber angestellt werden, ob es notwendig ist, die Bewohner von Rehbach umzusiedeln.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich, nachdem Sie gerade festgestellt haben, daß Erwägungen der Landesregierung angestellt werden, Rehbach umzusiedeln, fragen, ob das Bundesverteidigungsministerium gewillt ist, diese Bestrebungen des Landes zu unterstützen?
Die Bundesregierung ist bereit, auch diese Frage zu prüfen, sobald sich die zuständige Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit konkreten Vorschlägen hinsichtlich einer Umsiedlung an das Verteidigungsministeriums wenden sollte.
Eine wteitere Zusatzfrage.
Wird dann die Bundesregierung die für die Unterstützung dieser Maßnahme benötigten Mittel bereitstellen?
Das Bundesministerium wird im Rahmen der rechtlichen Vorschriften und seiner Zuständigkeiten handeln.
Keine weiteren Fragen? Meine Damen und Herren, die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Die noch nicht erledigten Fragen werden in der nächsten Fragestunde aufgerufen.
Noch eine Mitteilung. Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Meyer ({0}) ist der Abgeordnete Dr. Winter mit Wirkung vom 2. Februar 1962 in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit in diesem Hause.
({1})
Zu Geburtstagen darf ich Glückwünsche übermitteln. Der Herr Abgeordnete Dr. Toussaint ist am 2. Februar 60 Jahre alt geworden,
({2})
der Herr Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard hat am 4. Februar seinen 65. Geburtstag gefeiert,
({3})
und am 13. Februar ist der Herr Abgeordnete Weinkamm 60 Jahre alt geworden.
({4})
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 9. März 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Anwendung der niederländischen Rechtsvorschriften über die allgemeine Altersversicherung ({5});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({6}) ({7})
({8}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ollesch. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Ich eröffne die Aussprache. - Es erfolgen keine Wortmeldungen. Ich rufe auf die Artikel 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen und verabschiedet.
Wir haben noch abzustimmen über den Entschließungsantrag des Ausschusses; Sie finden ihn auf der Rückseite der Drucksache IV/149 unter Nr. 2. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? -Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Libanesischen Republik über den Luftverkehr ({9}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({10}) ({11})
({12}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Falke. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in der zweiten Beratung ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltun422
Vizepräsident Schoettle
gen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen und verabschiedet.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Januar 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan über den Fluglinienverkehr ({13});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({14}) ({15})
({16}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Neumann ({17}). Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in der zweiten Beratung ohne Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem
Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen und verabschiedet.
Ich rufe den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Juli 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Luftverkehr ({18}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß ({19})
({20}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Holkenbrink. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen und verabschiedet.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({21}) ({22}) ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Situation der deutschen Filmwirtschaft ({23}).
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage der SPD-Fraktion ist durch alarmierende Nachrichten über die ,Situation in der deutschen Filmwirtschaft und einer Reihe von Zusammenbrüchen großer und bekannter Firmen ausgelöst. Zusammenbrüche in der Filmwirtschaft sind nichts Neues. Sie waren aus mancherlei Gründen Begleiterscheinungen dieser Industrie, und wir haben uns in diesem Hause oft darüber unterhalten. Infolgedessen stehen diese Mißlichkeiten nicht zum erstenmal hier zur Debatte, und es ist müßig, Altbekanntes hier zu wiederholen.
Die gegenwärtige Situation ist in erster Linie durch den vom Fernsehen verursachten Besucherschwund ausgelöst worden. Seit 1956 sind die Besucherzahlen in den deutschen Filmtheatern rapide zurückgegangen und mit ihnen im gleichen Umfang der Verleihumsatz und die Anzahl der in der Bundesrepublik hergestellten Filme.
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren mit Recht vergleichsweise bescheidene finanzielle Maßnahmen zur Hebung der Qualität unserer Filme durchgeführt. Allerdings muß man heute fragen, warum in einem kritischen Augenblick - die Krise ist schon seit ungefähr zwei Jahren sichtbar - diesen Qualitätshebungsmaßnahmen nichts folgte, was sie auf wirtschaftlichem Gebiet so ergänzte, daß es nicht zu der gegenwärtigen Situation zu kommen brauchte. Ich möchte das feststellen, weil es eine altbekannte Tatsache ist, daß eine Filmindustrie, die langsam ihre materielle Basis verliert, automatisch nicht mehr in der Lage ist, jene künstlerischen Experimente durchzuführen und jenes Niveau an künstlerischer Qualität einzuhalten, wie sie als wünschenswert erscheinen und wie sie auch in diesem Hause immer wieder befürwortet wurden. Aber wie dem auch sei, solche Maßnahmen sind nicht getroffen worden.
Dieser Tage hat uns .die Nachricht erreicht, daß der Zusammenbruch auch eine Firma betroffen hat, deren Existenz und Wohlergehen viele Jahre hier ein ständig wiederkehrendes Beratungsthema gewesen ist: der Ufa.
Der Bundesregierung ist die drohende Entwicklung zumindest seit längerer Zeit nicht unbekannt gewesen. Der Vorstand der Deutschen Bank und
) auch der Herr Kollege Pferdmenges haben in Briefen an den Bundeswirtschaftsminister auf die Situation aufmerksam gemacht und ihm mitgeteilt, daß die deutschen Banken nicht mehr in der Lage sind, die sich gegenwärtig jährlich etwa in einer Größe von 35 Millionen DM bewegenden Verluste der deutschen Filmindustrie aufzufangen, und daß, wenn keine staatlichen Maßnahmen ergriffen werden, die deutschen Banken in Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, die Filmproduktion zu finanzieren.
Die in diesen Schreiben an den Herrn Bundeswirtschaftsminister meines Wissens für eine Sanierung der deutschen Filmwirtschaft genannten Zahlen bewegen sich in einer Größenordnung von etwa 25 Millionen im Jahr. Kommt eine Hilfe in dieser Größenordnung nicht zustande - über Form und Inhalt dieser Hilfe muß man sich unterhalten -, wird es sehr wahrscheinlich in Deutschland vom nächsten Jahr an keine funktionierende und geordnete Filmindustrie und damit auch keine geregelte Filmproduktion mehr geben.
Angesichts dieser Situation wäre es auch nicht ganz uninteressant, zu erfahren, warum die Bundesregierung bei den Haushaltsberatungen im Kabinett die ursprünglich vorgesehene Summe von 15 Millionen DM, die in diesem Jahre an Filmprämien gerade wegen der besorgniserregenden Lage vergeben werden sollten, auf 8 Millionen DM vermindert hat. Das bedeutet praktisch - wenn man die Beträge für gewisse ständige Pflichtaufgaben und die Abzüge, die der Herr Finanzminister noch
I) machen wird, absetzt -, daß ungefähr noch ganze 5 Millionen DM übrigbleiben, die direkt in die Produktion fließen können. Die Bundesrepublik ist das einzige Land unter den filmproduzierenden europäischen Ländern, dessen Regierung an der Wende der durch das Fernsehen eingetretenen Schwierigkeiten für die nationale Filmproduktion dieser Industrie nicht - entweder durch die völlige Streichung der Vergnügungssteuer oder durch Subventionsmaßnahmen - unter die Arme gegriffen hat.
({0})
Daß die Filmindustrie in diesem Lande das einzige Unterhaltungsmedium gewesen ist, das in den vergangenen Jahren eine nach Hunderten von Millionen zählende Sondersteuer gezahlt hat, darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, um so mehr als beispielsweise im deutschen Fernsehen im letzten Jahre allein 110 Filme gelaufen sind, ohne daß hier in irgendeiner Form eine vergleichbare Abgabe erhoben worden ist. Ich will dieses Thema hier nur streifen, weil es wahrscheinlich bei den Beratungen über die Sanierung der deutschen Filmindustrie behandelt werden muß.
Meine Damen und Herren, es geht uns hier nicht darum, für die Rettung einer Industrie einzutreten, deren, ich möchte einmal sagen, Dolce-vita-Aspekte ungerechtfertigterweise viel mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen als der wirkliche Gehalt und die Bedeutung dieser Industrie für unser Land. Der Film - darüber haben wir uns unterhalten kann ein bedeutsames Bildungselement sein. Aber wir müssen uns darüber im klaren sein, daß er in erster Linie ein wichtiges Unterhaltungsmedium ist. Der Film kann gelegentlich auch große Kunst sein, und wenn er es ist, hat diese Form künstlerischer Aussage unerreichte Breite und Wirkung.
Uns allen kann wohl nicht ganz gleichgültig sein, ob infolge der sich jetzt abzeichnenden Situation in den kommenden Jahren in den deutschen Lichtspielhäusern nur noch ein Anteil von vielleicht 5 oder 10 °/o an deutschen Filmen gezeigt wird. Dies zu verhindern ist eine Aufgabe von hervorragend kulturpolitischer Bedeutung. Es würde bei uns niemandem einfallen, etwa andere wichtige Vermittler künstlerischer Unterhaltung so völlig im Stich zu lassen, daß sie praktisch für unsere Unterhaltung und für das Kunstleben in unserem Lande überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Außerdem bitte ich Sie, eines nicht zu vergessen: Der Film ist ein bedeutsames Mittel der Sympathiewerbung im Ausland. Wie immer Sie zu diesen Dingen stehen mögen. Brigitte Bardot, Sophia Loren oder Gérard Philipe und alle diese bekannten Namen des internationalen Filmhimmels sind für Frankreich oder Italien - nur beispielsweise - als Agens der Sympathiewerbung über zahlreiche Regierungen hinweg ein unschätzbares Hilfsmittel gewesen. Gleiches gilt auch für unser Land. Deutsche Filmwochen im Ausland und auch in den Entwicklungsländern sind - der frühere Außenminister hat das einmal in einem Brief an seinen Kollegen Erhard ausgedrückt - ein sehr bedeutsames und sehr fruchtbares Mittel zur Sympathiewerbung für die Bundesrepublik gewesen.
Die Mittel, die die Bundesregierung bisher für eine verstärkte Exportförderung des deutschen Films zur Verfügung gestellt hat, sind vergleichsweise bescheiden gewesen, obwohl der deutsche Film gerade auf dem Gebiet des Exports in den letzten Jahren erfreuliche Erfolge erzielt hat. Wenn dem deutschen Film geholfen werden soll, müssen unbedingt wesentlich höhere Summen für diesen Zweck frei gemacht werden. Andere Staaten tun das aus den bereits erwähnten Gründen. Ich will nur ein Beispiel nennen. Was unsere Nachbarstaaten Italien und Frankreich für die Exportförderung ihrer Filme ausgeben, bewegt sich in Größenordnungen, die das, was wir tun, um ein Zehnfaches übersteigen.
Wenn allerdings die inländische Filmproduktion weiter so sinkt wie in den vergangenen Jahren, ist es selbstverständlich nicht mehr möglich, das Ausland in dem Umfang mit geeigneten Filmen zu versorgen, wie es für eine kontinuierliche, wirksame Sympathiewerbung notwendig ist. In der gegenwärtigen Situation werden Filme nur noch bei Spekulation auf ganz sicheren Publikumserfolg hergestellt werden können, und darunter wird sich begreiflicherweise nur ein verhältnismäßig schmaler Anteil finden, der geeignet ist, für die Bundesrepublik in aller Welt zu werben.
Ein weiteres Problem! Berlin ist viele Jahrzehnte hindurch der Mittelpunkt der deutschen Filmindustrie gewesen. Durch die Ereignisse des vergan424
genen Jahres ist in der Berliner Filmindustrie, die schon in der Vergangenheit auf Grund ihrer besonderen Situation gelegentlich mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, erneut eine große Bedrängnis eingetreten. Ich glaube, es liegt in unser aller Interesse, daß geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die gegenwärtigen Nachteile zu bekämpfen, damit die Filmindustrie in Berlin zumindest in dem bisherigen Umfang aufrechterhalten werden kann. Was wir hier in der Drucksache IV/146 vorgeschlagen haben, bringt der Filmindustrie in Berlin nur das, was für andere Industriezweige schon längst gesichert ist, und gleicht damit den großen Standortnachteil aus, dessen Folgen die Berliner Filmindustrie zu tragen hat.
Bei den Beratungen sollte auch durch die Formulierung sichergestellt werden, daß die hier vorgeschlagene Gleichstellung der Filmindustrie mit anderen Industriezweigen auch für die filmtechnischen Betriebe Berlins erfolgt. Wir sollten darauf achten, daß Kopieranstalten und Synchronfirmen, die an der Herstellung eines Films Anteil haben, die gleiche Vergünstigung bekommen bzw. daß dem Produzenten, der seine Filme in Berliner Synchronanstalten oder Kopierwerken herstellen läßt, ein entsprechender Betrag rückvergütet wird.
Der Film ist eines der für den Staat billigsten und wirksamsten Mittel der Sympathiewerbung im Ausland. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, darauf aufmerksam machen, daß in dem Maße, in dem westdeutsche Filme aus den Theatern in aller Welt verschwinden, die Filmindustrie der Zone in diese Bresche springen wird. Sie ist seit Jahren bemüht - teilweise mit nicht unbeträchtlichem Erfolg -, sich in den Entwicklungsländern der Öffentlichkeit als „deutscher Film" zu präsentieren, und ich glaube, das kann doch wohl kaum in unserem Interesse sein. Hier liegt eine besondere Notwendigkeit vor, dafür zu sorgen, daß die Filmindustrie in der Bundesrepublik in den Stand versetzt wird, auch in Zukunft eine Anzahl von Filmen zu produzieren, die alle Anforderungen erfüllen, welche wir an den deutschen Film stellen hinsichtlich seiner Qualität und der Möglichkeit, ihn in der ganzen Welt zu zeigen.
Der Betrag, der von fast allen Experten für die Sanierung und Rettung der deutschen Filmwirtschaft im gegenwärtigen Zeitpunkt als ausreichend angesehen wird, ist, gemessen an unserem Haushalt, doch wirklich sehr, sehr bescheiden. Die Wirkung, die damit erzielt werden kann, ist jedoch ungeheuer groß, gemessen an den Nachteilen, die wir erleiden müßten, wenn es wirklich zu einem völligen Zusammenbruch der deutschen Filmindustrie käme.
Sicher gibt es mancherlei Wege, auf denen die Filmindustrie selbst einiges dazu tun kann, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Sie hat in den vergangenen Jahren etwas unternommen. Sie hat Maßnahmen ergriffen, die in anderen Staaten nicht üblich sind, beispielsweise den Gagenstopp. Wir können nicht unerwähnt lassen, daß das natürlich dazu geführt hat, daß unsere bekanntesten Stars ihre Arbeit weitgehend in andere Länder verlegt haben. Man muß das erkennen und muß auch darüber sprechen, weil der Star, ob man das wünscht oder nicht, nun einmal ein wichtiger Bestandteil der Filmproduktion ist und weil er - das hängt auch mit der Sympathiewerbung zusammen - nach außen hin in der Welt ein gewisses Symbol für die Filme der betreffenden Nation ist. Es muß auch in gewissem Umfang sichergestellt werden, daß wir unsere besten Kräfte wieder in größerem Umfang in unserer eigenen Filmproduktion beschäftigen können.
Ich wiederhole: wenn über das hinaus, was bis jetzt im Haushalt vorgesehen ist, nichts geschieht, ist es ganz sicher, daß es in den kommenden Jahren keine geregelte deutsche Filmproduktion mehr geben wird. Damit verbunden sind all die Nachteile, die daraus erwachsen müssen. Das sollte unter allen Umständen verhindert werden. Wie ich schon sagte, gibt es eine ganze Reihe von Wegen, auf denen man der deutschen Filmindustrie unter die Arme greifen kann. Die Beträge, die dafür notwendig sind, sind nicht so groß, daß sie nicht zu beschaffen wären.
Der Antrag der Fraktion der SPD ist begründet. Wir kommen zur Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Rommerskirchen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß die Begründung des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann heute in der begonnenen Form nicht weiter diskutiert werden sollte, weil sonst der Bericht, den die SPD eingefordert hat, sinnlos werden könnte. Gerade diese Ausführungen haben gezeigt, daß wir die Debatte nach Vorliegen des einverlangten Berichtes mit höchstmöglicher Sachkunde führen sollten. Ich glaube, daß keineswegs alle Gesichtspunkte im Hinblick auf die Krise der Filmwirtschaft bereits berücksichtigt worden sind.
Wir begrüßen die baldige Vorlage des Berichts, der nach unserer Auffassung sowohl die wirtschaftliche als auch die kulturelle Seite der Problematik, die ja kaum angesprochen worden ist, berücksichtigen sollte. Zweifellos wird doch von niemandem in der Bundesrepublik Deutschland verkannt, daß sich die deutsche Filmindustrie tatsächlich in einer tiefgreifenden Krise befindet. Wir halten über das zur Zeit Geleistete hinaus weitere Maßnahmen zur Behebung des außerordentlichen Notstandes für dringend erforderlich. Aber wir sind eben - ich darf das bewußt wiederholend sagen - der Auffassung, daß der Bericht, den die Fraktion der SPD eingefordert hat, abgewartet werden sollte, um an Hand dessen eine Debatte zu führen, die den verschiedenen Ursachen für die Krise sowie den Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu ihrer Behebung gerecht wird.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Mertes!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Krise in der deutschen Filmwirtschaft hat ganz ohne Zweifel ein bedrohliches AusMertes
maß angenommen. Ich will auf die Einzelheiten, die hier bereits genannt worden sind, nicht noch einmal eingehen. Aber es gibt, wie ich meine, in der Vergangenheit doch viele Beispiele, die zeigen, daß das, was sich heute in der Filmwirtschaft tut, in der Wirtschaftsgeschichte durchaus kein Einzelfall ist. Entwicklungen dieser Art liegen nun einmal in der Dynamik unserer Wirtschaft. Die Wirtschaftswissenschaftler sprechen in diesen Fällen von Substitutionskrisen. Die Behebung dieser Krisen verlangt Aktivität. Sie verlangt auch, daß Hilfen - Hilfen des Staates der verschiedensten Art - gegeben werden. Diese Hilfen dürfen aber nicht zur Erhaltung einer .überlebten Struktur, sondern müssen zur Anpassung an die neue Struktur verwandt werden.
Für die Filmwirtschaft - wir haben es gehört - gehen die Verdrängungstendenzen in erster Linie vom Fernsehen aus. Man könnte vielleicht sagen: Das Bessere ist des Guten Feind. Wenn ich das sage, meine ich damit natürlich Faktoren wie die Bequemlichkeit, die das Fernsehen im eigenen Heim nun einmal bietet. Es liegt mir also wirklich fern, irgendeinen Qualitätsvergleich ziehen zu wollen.
Hinsichtlich des Niveaus beim Fernsehen und auch beim Film scheint es noch manche ungelösten Aufgaben zu geben. Was sich aber beim Fernsehen als Kinderkrankheiten zeigt, das scheinen mir beim Film Gebrechen des Alters zu sein, die das Aufkommen neuer Ideen erschweren.
Dem deutschen Film fehlen heute nicht nur Geldmittel, ihm fehlen auch künstlerische Geltung und unternehmerische Initiative. Zwischen diesen drei Faktoren besteht allerdings ein unlösbarer Zusammenhang; das soll keineswegs übersehen werden. Wenn der Besuch der Filmtheater in der Bundesrepublik seit 1956 um etwa ein Drittel nachgelassen hat und der Verleihumsatz bei den deutschen Filmen von 1958 bis 1960 von 171 auf 130 Millionen DM gesunken ist, dann ergeben sich aus den dadurch bedingten finanziellen Rückschlägen eben auch Wirkungen auf das künstlerische Niveau. Die fananziellen Anspannungen haben dazu geführt - es wurde hier bereits gesagt -, daß von neun deutschen Großverleihern, die deutschsprachige Filme vermieten, im Laufe eines guten Jahres fünf in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.
Die Zahl der hergestellten deutschen Spielfilme sank 1961 auf 73. 1956 waren es noch 123. 'Dieser Produktionsrückgang kann meines Erachtens aber noch verkraftet werden, wenn es gelingt, die Leistung der deutschen Filmindustrie mehr und mehr von der Quantität auf die Qualität zu verlagern. Mit dem gegenwärtigen Produktionsstand - das müssen wir ebenfalls ganz klar sehen - ist aber die unterste Grenze dessen erreicht, was zur kontinuierlichen Versorgung des deutschen Marktes mit deutschen Filmen unbedingt nötig ist.
Wenn es gelingt, den Schrumpfungsprozeß in der Filmwirtschaft einzudämmen, sind allerdings noch keine kostendeckenden Einspielergebnisse gesichert. Durch die Konkurrenz des Fernsehens ist der Binnenmarkt enger geworden.
Unter dieser Entwicklung leidet trotz hoher Beihilfen der verschiedensten Art im EWG-Raum aber
auch die französische und italienische Filmproduktion. Daher, so meine ich, sollte ein gemeinsamer Weg gefunden werden, der es der Filmwirtschaft Frankreichs, Italiens und der Bundesrepublik ermöglicht, sich durch eventuell weniger Filme, dafür aber gute und bessere Leistungen den europäischen Markt zu erobern. Hierbei kommt ganz ohne Zweifel der Koproduktion eine erhöhte Bedeutung zu.
Ein solches Programm setzt natürlich auch eine Harmonisierung der Lasten und nationalen Unterstützungen voraus. Tendenzen dieser Art sind bereits in der Sitzung des Gesamtausschusses der europäischen Filmproduktion vom 25. Oktober 1960 deutlich geworden. Die deutsche Filmwirtschaft wäre deshalb sicher gut beraten, wenn sie in der geeigneten Weiterverfolgung dieser Ziele auch einen Akt der Selbsthilfe sähe. Die Bundesregierung muß diese Bestrebungen selbstverständlich unterstützen und an der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen mitwirken; denn auch das liegt im europäischen Interesse.
Der Staat wäre aber ganz ohne Zweifel schlecht beraten, würde er seine Hilfe verzetteln. Deshalb wünscht die EWG-Kommission völlig zu Recht, daß durch die Filmhilfeaktionen nicht Firmen mit zweifelhafter Bonität unterstützt werden, wie man vielleicht auch noch etwas stärker auf diejenigen achten sollte, die heute noch im Film so etwas wie ein Spekulationsobjekt sehen.
Selbsthilfe der Filmwirtschaft als Voraussetzung fremder Hilfe verlangt aber auch, daß alle Möglichkeiten der Senkung von Produktionskosten ausgeschöpft werden. Hier hinein spielt auch die bereits angesprochene Frage der Gagen. Ich weiß, daß das Gagenabkommen bereits eine fühlbare Entlastung gebracht hat, hoffentlich auch bei den Nebenleistungen. Dennoch kann man bei einem Vergleich mit unseren Theatern hin und wieder den Eindruck gewinnen, als stünden die Höhen der Gagen nicht immer in einem gesunden Verhältnis zur künstlerischen Leistung hier und dort.
({0})
Bei diesen Personalfragen geht es nicht zuletzt um die systematische Heranziehung geeigneten Nachwuchses, und hier sind nun meines Erachtens die Länder angesprochen; sie haben die Kulturhoheit. Sie schaffen das Zweite Fernsehprogramm, und die Schwierigkeiten, die sich auch hier bei diesem Zweiten Fernsehprogramm abzeichnen, könnten vielleicht die Errichtung einer Film- und Fernsehakademie als interessante und auch lohnende Aufgabe erscheinen lassen.
Das Zweite Programm wird ohne Zweifel die ohnehin schwierige Situation des Films noch verschärfen. Für die Träger dieses Programms sollte sich daraus die Verpflichtung ergeben, sich in möglichst großem Umfange der Filmindustrie als Zulieferer zu bedienen.
Nun noch einige Worte zum Thema Vergnügungssteuer, deren Aufkommen im Jahre 1960 über 105 Millionen DM betragen hat. Gibt es hier wirklich keine Entlastungsmöglichkeit für die deutsche Filmwirtschaft, die Möglichkeit einer Entlastung, verbun426
den mit einem entsprechenden Ausgleich für unsere Gemeinden, einer Entlastung, die es gestattet, wieder durch einen Akt der Selbsthilfe - vielleicht durch eine Umlage an den Kinokassen - Mittel für einen Fonds zu gewinnen, aus dem so wichtige Aufgaben wie Marktforschung, Exporthilfe und vielleicht sogar Produktionshilfen finanziert werden könnten? Man würde der Filmproduktion die Möglichkeit bieten, sich nicht nur nach dem breiten Publikumsgeschmack richten zu müssen, was nicht immer unbedingt der beste Weg ist; sie könnte vielleicht auf bestimmten Gebieten auch ihre Bildungsfunktion besser wahrnehmen als bisher.
Was die Bundesregierung betrifft, so glaube ich, daß sie schon wiederholt ihre Bereitschaft gezeigt hat, Hilfe zu gewähren. Die beiden Bürgschaftsaktionen aus den Jahren 1950 und 1953 hatten ein Volumen von rund 100 Millionen DM. Im Bundeshaushalt 1961 finden wir zum erstenmal einen Ansatz von 4 Millionen DM für die Prämiierung überdurchschnittlicher Spielfilme. Diese Maßnahme soll im Haushaltsjahr 1962 verstärkt werden. Der Regierungsentwurf sieht zu diesem Zweck 6,1 Millionen DM vor, für Filmförderungsmaßnahmen insgesamt 8 Millionen DM.
Auch die besondere Lage der Berliner Filmwirtschaft wurde bereits in den vergangenen Jahren berücksichtigt. So besteht seit 1955 eine Kredithilfe aus dem ERP-Sondervermögen in Höhe von insgesamt 16 Millionen DM. Und zur Zeit wird vom Herrn Bundesminister des Innern geprüft, in welchem Umfang die Berliner Filmproduktion bei der Prämiierung von Spielfilmen aus den Mitteln der Filmförderung noch besonders berücksichtigt werden kann. Dieser Weg ist unter Umständen der bessere, zumal die beantragten Umsatzsteuerpräferenzen nicht ganz unbedenklich erscheinen. Sie können ein Präjudiz für die künftige Einbeziehung aller Dienstleistungen in die Berlin-Hilfe schaffen. Außerdem ist zu befürchten, daß eine solche Maßnahme unter Umständen mehr den Verleihern als den Berliner Produzenten zugute kommt.
Auch steuerrechtliche Gründe mahnen zur Vorsicht. Es dürfte z. B. bei der Systematik unseres Umsatzsteuerrechts nur schwer möglich sein, den Begriff „Herstellung in Berlin" so abzugrenzen, daß nicht auch im Bundesgebiet hergestellte Filme von der Präferenz erfaßt werden. Alles das wird sehr genau in den zuständigen Ausschüssen geprüft werden müssen.
({1})
Meine Freunde und ich wollen, daß der Filmwirtschaft im Rahmen des Notwendigen und im Rahmen des Möglichen geholfen wird, besonders selbstverständlich der Berliner Filmindustrie. Es gilt jedoch, die zweckmäßigste Art der Hilfe zu finden. Jede staatliche Hilfe - das möchte ich deutlich sagen - wird uns um so leichter fallen, je mehr die Filmwirtschaft selber bereit ist, aktiv zu werden. Es wird nicht leicht sein, in den Ausschüssen ein Optimum für die Filmwirtschaft, aber auch ein Optimum für den Steuerzahler zu finden.
({2})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Die Vorlagen unter 6 a und 6 b sind zu überweisen. Für Punkt 6 a lautet der Vorschlag: federführend der Finanzausschuß, mitberatend der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und der Haushaltsausschuß. Einverstanden? - Ich stelle das fest.
Für den Antrag unter 6 b ist der Wirtschaftsausschuß als einziger Ausschuß vorgeschlagen worden.
({0})
- Nein, das hat mit Kulturpolitik nichts zu tun, es ist eine rein wirtschaftliche Frage. Sind Sie einverstanden, oder wird ein förmlicher Antrag gestellt?
({1})
- Ich meine: wird der förmliche Antrag gestellt, diese Vorlage auch an den Kulturpolitischen Ausschuß zu überweisen? Ich halte es für nicht tunlich, weil es sich um eine rein wirtschaftliche Frage handelt. - Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann!
Dieser Antrag braucht doch nur einfach angenommen zu werden. Die Bundesregierung soll einen Bericht erstatten. Da ist es doch vorläufig gar nicht notwendig, daß er in den Ausschüssen weiter beraten wird.
({0}) wird angenommen!) p
Dann stimmen wir ab. Es ist der Antrag gestellt worden, die Vorlage an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Dieser Antrag geht allen anderen vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, um 11 Uhr werde ich die Sitzung kurz unterbrechen. Der Herr Präsident der Beratenden Versammlung des Europarates wird uns die Ehre erweisen, einige Worte an die Mitglieder des Hauses zu richten. Das wird nicht in einer regulären Sitzung geschehen; denn nach der Geschäftsordnung haben nur Abgeordnete und die Regierung das Recht, das Wort zu ergreifen. Wir befinden uns dann eben in einer Versammlung von Abgeordneten dieses Hauses. Wenn Herr Präsident Federspiel gesprochen hat, werde ich mich kurz bei ihm bedanken. Dann fahren wir in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich bitte den Redner, der zum nächsten Punkt der Tagesordnung um 11 Uhr spricht, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich vielleicht während seiner Rede die Unterbrechung vornehmen muß.
Dann rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vorwegbewilligung von Planstellen für das Rechnungsjahr 1962 ({0}).
Vizepräsident Dr. Schmid
Wird die Vorlage seitens der Bundesregierung begründet?
({1})
- Sie wird nicht begründet. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das erste Mal, daß die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf dieser Art an den Bundestag herantritt und außerhalb des Haushaltsplanes 77 neue Beamtenstellen beantragt, die einen jährlichen Aufwand von ungefähr 1,5 Millionen DM erfordern. Wir haben ernste rechtliche Bedenken, ob dieser Weg überhaupt beschritten werden kann; denn in Art. 110 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es, daß alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt werden müssen. Das heißt, daß diese Mittel nur im Haushaltsplan ausgewiesen werden dürfen und - im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen - daß Beamtenstellen überhaupt nur in einem Haushaltsplan bewilligt werden dürfen.
Der mögliche Weg für die Bundesregierung wäre gewesen, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, der den Haushaltsplan 1961 abgeändert hätte. Einen solchen Nachtragshaushalt zu beantragen, wäre auch heute noch möglich. Vialon führt ausdrücklich aus, daß ein Nachtragshaushalt auch dann noch eingebracht werden kann, wenn das betreffende Haushaltsjahr bereits abgelaufen ist.
Die Vorlage enthält nur den Antrag auf Bewilligung von Planstellen, sie enthält keinerlei Geldansätze. Das ist eine sehr sonderbare Methode. Offensichtlich geht das Finanzministerium nur davon aus, daß die notwendigen Geldmittel entsprechend der Regelung des Art. 112 des Grundgesetzes zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein erstaunlich schlechter Weg, der hier beschritten werden soll, Herr Staatssekretär. In Art. 112 heißt es ausdrücklich, daß nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses die Mittel zur Verfügung gestellt werden dürfen, aber nicht eines Bedürfnisses, das ausdrücklich und gezielt herbeigeführt wurde; etwas anderes ist hier gar nicht der Fall. Das geht über das seitherige Strapazieren des Art. 112 noch weit hinaus und ist eine flagrante Verletzung dieses Art. 112. Ohne Haushaltsansätze selbst können Sie auf diese Weise nicht in den Genuß der entsprechenden Beamtenstellen kommen. Wir halten deshalb das ganze Verfahren einfach für falsch.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte, die private Unterhaltung zu unterlassen. Der Redner ist nicht einmal von hier aus zu verstehen.
Meine Damen und Herren, aber abgesehen von diesen rechtlichen Bedenken wären wir sicherlich auch nicht in der Lage, an Hand der uns vorliegenden Vorlage eine sachliche
Prüfung anzustellen. Das Verlangen nach Planstellen setzt voraus, daß die Aufgaben der einzelnen Ministerien erkennbar abgegrenzt sind. Das ist bislang nicht der Fall. In einem Erlaß vom 29. Januar hat der Herr Bundeskanzler so ungefähr grob abgegrenzt, was er glaubt den einzelnen Ministerien zuweisen zu müssen, eine sehr globale Abgrenzung, die im einzelnen noch recht auslegungsbedürftig ist, so daß an Hand dieser Kompetenzverteilung eine Nachprüfung nicht möglich ist.
Die Ministerien, die Aufgaben von den anderen Ministerien übernehmen, übernehmen ja mit der Aufgabe gleichzeitig die Planstellen und mit der Planstelle auch gleichzeitig die Beamten. Deshalb ist es nicht möglich, nur die neuen Ministerien zu prüfen, sondern mit der Prüfung der neuen Ministerien muß eine Prüfung der abgebenden Ministerien verbunden sein. Denn nicht nur die Aufgabe dort wird abgegeben, sondern auch das ganze Ressort wird verkleinert. Also muß man den gesamten Fragenkomplex prüfen.
Wenn man nun die einzelnen Ministerien ganz kurz betrachtet, fällt zunächst als Ganzes auf - es ist ein Kuriosum, Herr Staatssekretär -, daß Sie für die neuen Minister kein Gehalt, nicht einmal das Amtsgehalt eingesetzt haben. Ich weiß nicht, wie Sie sie bezahlen wollen. Offensichtlich finden Sie dann noch einmal einen besonderen Weg, der wiederum neben der Verfassung liegt, da Sie den Ministern hier nicht einmal ein Amtsgehalt aussetzen.
Das erste Ministerium, das neue Ministerium für Gesundheitswesen, soll aus vier anderen Ministerien Aufgaben übernehmen. Welche Aufgaben? Sie sind nicht abgegrenzt. Ihm soll ein Verwaltungsstab hinzugegeben werden. Es ist völlig unmöglich, das im einzelnen zu prüfen.
Das zweite Ministerium, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, soll im ganzen 34 Stellen vorwegbewilligt erhalten. Der Herr Bundeskanzler sagt, es solle bis auf weiteres bei der Vereinbarung bleiben, die zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen, dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit getroffen wurde. Wie die Vereinbarung aussieht, weiß niemand in diesem Hause; sie liegt nicht vor.
Wir haben dieses Entwicklungsministerium früher ebenfalls gefordert. Aber wir sind der Auffassung, daß es dann auch Zuständigkeiten haben soll. Zuständigkeiten bekommt man nicht, indem man 34 Beamtenstellen mehr bekommt, sondern Zuständigkeiten bekommt man, indem man Aufgaben übernimmt und indem man finanzielle Möglichkeiten mit übernimmt. Wenn es nur so ist, wie es jetzt offensichtlich aussieht, daß. dieses Ministerium zwischen die anderen hineingeschoben wird und nicht darübergeschoben wird, ist dieses Ministerium selber so bedeutungslos, daß man dem Minister empfehlen muß, sich nicht mit einer solchen Vorwegbewilligung zufrieden zu geben, sondern auf wirkliche Übertragung von Kompetenzen bedacht zu sein.
Das nächste Ministerium, das Bundesministerium für Wohnungswesen, soll eine neue Aufgabe bekommen, die Raumordnung. Es ist noch sehr umstritten, ob diese Aufgabe ihm überhaupt zusteht. Es genügt nicht, daß Staatssekretär Ernst dazu einen Artikel im Bulletin schreibt. Wir meinen, da liegt nun wirklich kein Grund vor, diese Stellen vorweg zu bewilligen. Dabei wissen wir doch, daß die entsprechenden Leute noch nicht einmal zur Verfügung stehen.
Das gleiche gilt für das Atomministerium, das als neue Aufgabe die Weltraumforschung erhalten soll und sich jetzt zwei Monate früher oder später nach den entsprechenden Leuten umsehen will; mehr ist ja gar nicht möglich. Da kommt es auf diese zwei Monate wirklich nicht an.
Als einziges bleibt das Sonderministerium Krone. Wegen dieser sieben oder acht Leute sollte man kein eigenes Gesetz machen. Man findet sie in der anderen Verwaltung und kann sie für diese Zeit abordnen.
Wenn man die Dinge so betrachtet, ist sachlich kein Grund für dieses Gesetz. Es ist aber auch im zeitlichen Ablauf keine Veranlassung, dieses Gesetz hier zu beraten oder gar zu verabschieden; denn in zwei Monaten wollen wir ja den Haushaltsplan verabschiedet haben, und in diesen zwei Monaten werden wir die Fragen, die mit diesem Gesetz zusammenhängen, ohnedies im Haushaltsausschuß intensiv prüfen müssen, zusammen mit den Vorlagen für die anderen Ministerien, so daß es ohnedies diese Zeit dauern wird.
Wir meinen, daß dieses Gesetz bestenfalls als ( Material an den Haushaltsausschuß überwiesen werden kann, um im Rahmen der Gesamtberatungen des Haushaltsausschusses Berücksichtigung zu finden.
An das Finanzministerium geht aber die dringende Mahnung: Es ist keine gute Sache, Herr Staatssekretär, wenn die Arbeit des neuen Bundesfinanzministers damit anfängt, daß er sich mit seiner ersten Vorlage mindestens hart an der Grenze der Verfassungswidrigkeit bewegt, daß er einen Gesetzentwurf macht, wie er von keiner Seite irgendwie begrüßt werden kann. Vielleicht sind es andere Kräfte, die dahinter standen; vielleicht wurde der Herr Bundesfinanzminister gedrängt, diese Dinge zu machen. Aber man möchte dann wünschen, daß der Herr Finanzminister seinem Namen etwas Ehre macht, daß der Herr Starke stark kein möge in diesen Dingen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich unterbreche für eine kurze Weile die Sitzung, um dem Herrn Präsidenten der Beratenden Versammlung des Europarates Gelegenheit zu geben, einige Worte an die Mitglieder dieses Hauses zu richten.
Ich bitte, den Herrn Präsidenten hereinzuführen. Er wird zunächst auf dem Sitz des abwesenden Präsidenten Gerstenmaier Platz nehmen.
Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})
Deutscher Bundestag - Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1962 429
Begrüßung
des Präsidenten der Beratenden Versammlung
des Europarates Federspiel
({1})
Herr Präsident! Ich begrüße Sie herzlich namens der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Sie tun diesem Hause mit Ihrem Besuch eine hohe Ehre an. Sie sind der Präsident der Beratenden Versammlung des Europarates, jenes europäischen Gremiums, das die Delegierten der meisten Parlamente des .freien Europa zu seinen Mitgliedern zählt. Zwar ist die Beratende Versammlung noch nicht das Parlament der Parlamente der europäischen Staaten; aber alle nationalen Parlamente halten diesen Vorläufer einer echten parlamentarischen Vertretung der Völker Europas hoch in Ehren.
Herr Präsident, Sie haben mir mitgeteilt, daß Sie bereit sind, einige Worte an die Mitglieder des Hauses zu richten. Ich bitte Sie, es von der Tribüne aus zu tun.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Meine ersten Worte sind Worte des Dankes: Dank an Sie, Herr Präsident, und an alle Mitglieder dieses Hohen Hauses, daß Sie mir die seltene und damit auch so ehrenvolle Gelegenheit geben, von dieser Stelle aus einige Sätze an Sie zu richten. Ich möchte diese Auszeichnung nicht für mach beanspruchen, sondern sie als das deuten, was sie offensichtlich ist: als eine erneute Bekundung dies außerordentlichen Interesses, das der Deutsche Bundestag von jeher dem Europarat entgegengebracht hat.
Die Bande zwischen Ihrem Hohen Hause und der Straßburger Versammlung haben sich von Anbeginn der Mitarbeit der Bundesrepublik Deutschland im Europarat ganz besonders eng gestaltet. Es ist eine der ersten, wenn nicht überhaupt die vornehmste Aufgabe der Straßburger Versammlung gewesen, die Voraussetzungen zu dem zu schaffen, was wir heute dm geschichtlichen Prozeß der europäischen Einigung erreicht haben, nämlich die Aussöhnung zwischen den europäischen Völkern und damit die Wiederaufnahme des neuen, demokratischen Deutschlands in die Familie der freien Völker.
Die entscheidende Rolle, die die Bundesrepublik in unserer Gemeinschaft heute wahrnimmt, und das große Gewicht ihrer Stimme sind der beste Beweis
für die erfolgreiche Lösung dieser im Anfang gewiß nicht leicht zu bewältigenden Aufgabe. Wenn sie so gelöst werden konnte, wie sie gelöst worden ist, dann nicht zuletzt dank der verständnisvollen, sachverständigen und aktiven Mitarbeit der Abgeordneten, die der Deutsche Bundestag nach Straßburg entsandt hat. So ist die deutsche Delegation inzwischen zu einer der stärksten Stützen der Straßburger Versammlung geworden.
Ich würde meiner Pflicht als Sprecher der Beratenden Versammlung nicht nachkommen, wenn ich in diesem Zusammenhang nicht auch ganz besonders Ihnen, Herr Präsident, für das großzügige Entgegenkommen danken würde, das Sie und das Präsidium des Deutschen Bundestages uns stets und in jeder Hinsicht erwiesen haben.
Meine Damen und Herren, der Europarat legt allein schon durch seine bloße Existenz davon Zeugnis ab, daß es zwischen Island und Zypern, zwischen Frankreich und Schweden eine Einheit gibt, die nicht nur auf einer mehr oder weniger zufälligen Identität von wirtschaftlichen und politischen Interessen beruht, sondern deren Grundlage eine allen unseren Völkern gemeinsame Zivilisationsform ist, eine Lebensform, die sich gegenüber allen anderen Zivilisationen unseres Erdballs vor allem dadurch auszeichnet, daß sie dem Menschen 'eine würdevolle und damit freie Entfaltung seiner Persönlichkeit erlaubt.
({0})
Diese Zivilisation in einer in völligem Umbruch befindlichen Welt zu wahren sind alle freien Völker des demokratischen Europa aufgerufen. Sie bedürfen dazu zunächst eines Höchstmaßes an innerem Zusammenhang und moralischer Bereitschaft. Dazu gehört aber auch ein Mindestmaß an institutioneller Gemeinsamkeit.
Der Europarat ist die Institution, die zur Verwirklichung dieser Gemeinschaft geschaffen wurde. Gewiß sind wir noch weit vom Ziel. Wir können auch nicht verhehlen, daß die 1949 in den Europarat gesetzten Hoffnungen nicht alle erfüllt werden konnten, nicht nur, weil die Struktur des Europarates, die zu verbessern wir uns alle als Aufgabe gestellt haben, nicht ausreichte, sondern auch weil es am Willen der Regierungen, im Rahmen des Europarates zu entscheidenden Beschlüssen zu gelangen, fehlte. Ein Teil der Mitgliedstaaten des Europarates
430 Deutscher Bundestag - Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1962
hat diesen Willen aufgebracht. Nach der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl haben sich diese 6 Staaten in der Europäischen Atomgemeinschaft und in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer dynamischen Form wirtschaftlicher Zusammenarbeit gefunden.
Diese Gemeinschaft, basierend auf einem festen Vertrauensverhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, zu dem wir im Europarat - und das stelle ich nicht ohne Stolz fest - in nicht geringem Maße beigetragen haben, hat inzwischen so überzeugende Beweise ihrer Stabilität gegeben, daß die zukünftige Organisation Europas ohne sie nicht mehr denkbar ist. Es ist daher nur eine logische Folge dieser Entwicklung, wenn 'Großbritannien, Dänemark und Irland Verhandlungen über den Beitritt zur EWG aufgenommen haben und andere Staaten wie Griechenland ein Assoziierungsabkommen mit der EWG 'bereits beschlossen oder wie die Türkei, Schweden, Österreich und die Schweiz um ein ihrer besonderen Lage entsprechendes Arrangement mit der EWG nachgesucht haben. Die Beratende Versammlung des Europarates hat sich daher wiederholt für einen erfolgreichen und baldigen Abschluß dieser Verhandlungen ausgesprochen. Ich weiß, daß Sie hier in der Bundesrepublik im gleichen Sinne handeln. Gewiß, der britische Beitritt zur EWG wäre nur ein erster Schritt zur Erweiterung der EWG als eines der Hauptpfeiler einer größeren atlantischen, wenn nicht sogar atlantisch-pazifischen Wirtschaftszone, deren Konturen sich auf Grund der jüngsten amerikanischen Initiativen allmählich abzuzeichnen beginnen.
Was uns in Europa angeht, verlangt diese neue Entwicklung mutige und großzügige Beschlüsse, um auch solchen Mitgliedstaaten des Europarats, die wie Schweden und Osterreich oder auch die Schweiz eine auch im Interesse Gesamteuropas liegende Politik militärischer Neutralität verfolgen, eine Anlehnung an die Wirtschaftsgemeinschaft zu ermöglichen. Was wir brauchen, sind nicht uniforme Lösungen, die sich im Augenblick vielleicht aufdrängen, sondern ein, ich möchte fast sagen, pragmatischer Pluralismus, der allein imstande ist, Spannungen zu mildern, Gegensätze auszugleichen, und jedem Glied der Gemeinschaft erlaubt, die ihm gestellten Aufgaben wahrzunehmen.
Denn vergessen wir nicht: Die Schaffung einer Union der westeuropäischen Völker kann kein Selbstzweck sein. Das freie Europa in seiner Gesamtheit hat eine Verantwortung für die Verwirklichung einer dauerhaften Friedensordnung in der ganzen Welt. Wenn wir nur an die Hilfe für die sich entwickelnden Länder Südamerikas, Afrikas oder Asiens denken, so können wir doch nicht neue Grenzen zwischen uns errichten,
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sondern wir müssen mehr denn je die Einheit in der Vielfalt anstreben. Aber wir können den Pfeiler Europa nur dann standfest gestalten, wenn wir vor dem Problem der Teilung Europas und damit Deutschlands nicht die Augen verschließen.
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Wir dürfen bei allen unseren Bestrebungen nicht vergessen, daß sich die Hoffnungen der jenseits von Elbe und Neusiedlersee lebenden Menschen mit unseren begegnen.
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Nichts konnte uns tragischer die Wirklichkeit der Teilung Europas ins Gewissen rufen als die Ereignisse, die seit dem 13. August in Berlin ablaufen.
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Sie wissen, wie sehr die Beratende Versammlung bestrebt ist, nicht die Augen vor dieser ungeheuerlichen und unmenschlichen Herausforderung der Geschichte zu verschließen. Gerade in der BerlinFrage bemüht sich die Beratende Versammlung um eine Koordinierung unserer Ansichten. Sie tut es in der Überzeugung, daß nichts in der Welt ewig besteht, auch nicht die Unterdrückung und der Raub der Freiheit.
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Meine Damen und Herren, ich stehe hier als Sprecher des Europarates vor Ihnen. Sie kennen genau wie ich die Unzulänglichkeiten dieser Institution. Sie wissen aber auch, daß sie immer noch das einzige und für das freie Europa repräsentativste Organ politischer Zusammenarbeit ist. Seine Stärkung und Belebung ist ein Erfordernis der Stunde. Die Straßburger Versammlung weiß, daß sie bei diesen Bemühungen auf die tatkräftige Unterstützung des Bundestages und der Bundesregierung rechnen kann. Die Besprechungen, die wir in diesen Tagen in Bonn führen dürfen, bestärken uns in dieser 'Gewißheit, und dafür danke ich Ihnen.
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Herr Präsident, Sie haben hier Worte an uns gerichtet, die die Mitglieder dieses Hauses ehren und ermutigen. Ich danke Ihnen insbesondere für die Worte, die Sie für unser Land, für Deutschland gefunden haben, für das Wort, daß, solange dieses Deutschland nicht wieder zu dem Deutschland geworden ist, das zu werden es ein Recht hat, die Dinge in Europa nicht in Ordnung sein werden. Mit einer Mauer quer durch Deutschland müßte auch das perfekteste Resteuropa an einer Wunde bluten, an der es vielleicht verbluten könnte.
Dieses Haus ist durchdrungen von dem Gedanken, daß Europa aus einer Forderung, aus einer Planung zu einer Wirklichkeit werden muß. Wir haben eine Reihe europäischer Gremien und Einrichtungen, die provisorischen Charakters sind und sein sollten. Wir alle sind davon überzeugt, daß aus diesen Teileinrichtungen eines Tages in nicht allzu ferner Zeit umfassende und endgültige Einrichtungen werden müssen.
Man hat über den Europarat gelegentlich die Ansicht vertreten, daß er sich nicht als sehr effektiv erwiesen habe. Wir, die wir die Ehre haben, seit Jahren dieser Versammlung anzugehören, wissen es anders. Es ist z. B. kein 'Geheimnis, daß der Streit zwischen Griechenland, Großbritannien und der
Türkei über Zypern letztlich in den Wandelgängen des Europarats zu Straßburg beigelegt worden ist.
Es gibt verschiedene Auffassungen darüber, wie Europa eines Tages aussehen soll. Die einen denken an ein Europa der Vaterländer. Sicher, Vaterländer wird es immer geben. Andere denken an eine Integration; aber auch sie denken nicht daran, die Vaterländer auszuradieren. Andere meinen ein Großeuropa; wieder andere glauben, auch ein kleines Europa sei wünschenswert. Wir werden uns mit allen diesen Problemen auseinanderzusetzen haben. Es wird nicht ganz leicht sein. Aber eines ist sicher: wir dürfen keinen Weg nach Europa zu gehen versuchen, der zu einer Absonderung mancher Staaten von diesem Europa führen könnte.
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Niemand will das. Aber wir müssen der Gefahr ins Auge sehen, daß es dazu kommen könnte, wenn die Staatsmänner und die Parlamente auf diesem Wege nicht weise genug verfahren.
Wir freuen uns, daß es die EWG gibt. Wir freuen uns, daß es die Montanunion gibt. Wir freuen uns, daß es die Westeuropäische Union, daß es Euratom gibt. Noch sind die parlamentarischen Gremien dieser europäischen Einrichtungen beratende Versammlungen. Ihre Mitglieder sind nicht Abgeordnete im strengen Sinne des Wortes, sondern Delegierte nationaler Parlamente. Wir hoffen, daß es
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Wird zu Punkt 7 der Tagesordnung noch das Wort gewünscht? - Herr Niederalt!
Hem Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Beispiel meines Herrn Vorredners folgen und zu dem Gesetzentwurf in der ersten Lesung nur einige grundsätzliche Ausführungen machen. Um es klar zu sagen: über die Berechtigung der in dem Vorwegbewilligungsgesetz von der Bundesregierung verlangten Stellen, über die sehr viel zu sagen wäre, will ich keine Untersuchungen im einzelnen anstellen. Das werden wir im Haushaltsausschuß gründlich tun.
Herr Kollege Schäfer hat Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Vorlage erhoben. Er ist damit dem Sprecher des Landes Hessen im Bundesrat gefolgt, der auch glaubte bezweifeln zu müssen, ob nach Artikel 110 unserer Verfassung ein derartiges Vorwegbewilligungsgesetz überhaupt möglich sei. Ich meine, daß wir die rechtlichen Bedenken nicht zu teilen brauchen, und zwar einfach deshalb, weil das Vorwegbewilligungsgesetz, wie sein § 3 deutlich zum Ausdruck bringt, wiederum in den Haushaltsplan mündet und damit die Voraussetzung des Artikels 110 gegeben ist. Insoweit müssen wir dieses
eines Tages ein europäisches Parlament geben wird, und wir hoffen auch, daß dessen Mitglieder echte, direkt gewählte Abgeordnete sein werden.
Freilich - das möchte ich mit allem Nachdruck betonen - halte ich einen solchen Wandel erst dann für sinnvoll, wenn dieses Parlament echte parlamentarische Befugnisse bekommen hat
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und wenn es der Exekutive so gegenübersteht, wie dieses Haus der Regierung der Bundesrepublik gegenübersteht.
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Ehe das geschehen ist, müssen wir uns wohl leider Gottes mit Delegierten der nationalen Parlamente begnügen und hat es nicht viel Sinn, an allgemeine Wahlen zu denken.
Herr Präsident, es bleibt mir nur übrig, Ihnen noch einmal zu danken und hier die Hoffnung auszusprechen - die wohl von allen Mitgliedern dieses Hauses geteilt wird -, daß wir eines Tages in diesem Hause den Präsidenten des Parlaments der Vereinigten Staaten von Europa werden begrüßen dürfen.
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Gesetz als eine Art Lex specialis ansehen. So wie es ein Nachtragsgesetz gibt, kann es auch ein Vorwegbewilligungsgesetz geben. Rechtliche Bedenken brauchen wir also wohl nicht zu haben.
Zu einem anderen Ergebnis komme ich aber, wenn ich die sachliche Notwendigkeit dieser Vorlage untersuche. Da nähern sich unsere Standpunkte, Herr Kollege Schäfer. Auch wir von der CDU/CSU-Fraktion sehen zumindest heute nach dem voraussichtlichen Zeitplan der Haushaltsberatungen keine Notwendigkeit mehr für die Vorwegbewilligung, weil wir gar nichts anderes tun können, als dieses Vorwegbewilligungsgesetz gleichzeitig und im Zusammenhang mit dem Haushalt des Jahres 1962 zu beraten. -Wir gewinnen keinerlei Zeitvorsprung, wenn wir etwa das besonders behandeln; denn das Vorwegbewilligungsgesetz ist sachlicher Bestandteil des Haushaltsplans.
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Wir müssen es in Zusammenhang mit dem Haushaltsplan sehen. Zur Ehrenrettung der Bundesregierung darf ich aber sagen, daß damals, als der Gesetzentwurf eingebracht wurde, diese Situation noch nicht gegeben war. Damals mußte man damit rechnen, daß sich die Beratungen des Haushaltsausschusses über den Haushalt 1962 weit über Ostern hinaus erstrecken würden, und da wäre in der Tat ein sol432
ches Vorwegbewilligungsgesetz notwendig geworden. Ich will gar keinen Zweifel darüber aufkommen lassen: Wenn es uns im Haushaltsausschuß nicht gelingt, mit dem Mittel der Überrollung bei den Personalien vor Ostern mit den Haushaltsberatungen fertig zu werden, wird die Bundesregierung vermutlich mit Recht wieder auf dieses Vorwegbewilligungsgesetz zurückkommen müssen. Denn auch wir könnten es nicht verantworten - das ist wohl auch im Sinne der Opposition -, daß wir neue Ministerien einfach weitgehend untätig sein lassen müssen, weil Teile der Verwaltungen dieser Ministerien nicht gesichert sind. Also insofern sind wir, glaube ich, einer Meinung.
Im Augenblick aber ist unserer Meinung nach dieses Gesetz angesichts des gegenwärtigen Zeitplanes für die Beratung des Haushalts nicht mehr notwendig. Wir werden daher diesen Entwurf im Zusammenhang mit den verschiedenen Einzelplänen im Haushaltsausschuß mitberaten.
Bei diesen Beratungen im Haushaltsausschuß werden wir uns von gewissen Grundsätzen leiten lassen, die wir immer angesprochen haben und die ich auch heute hier, damit kein Zweifel aufkommen kann, wieder in Erinnerung rufen möchte.
Da ist vor allem an dem Grundsatz festzuhalten, daß die Herauslösung einer Aufgabe aus einem Ministerium umfassend sein muß. Das heißt, wenn man sich schon entschließt, für eine Aufgabe ein besonderes Ministerium zu gründen, muß die Aufgabe, die bisher vielleicht in verschiedenen Ressorts wahrgenommen worden ist, wirklich als Ganzes in das neue Ministerium übernommen werden.
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Das setzt wiederum - auch darauf hat Herr Kollege Schäfer nach meiner Auffassung mit Recht hingewiesen - einen klaren, eindeutigen Organisationsplan der Bundesregierung voraus.
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Um diese Forderung kommen wir nicht herum, aus dieser Verpflichtung können wir die Bundesregierung nicht entlassen.
Ein weiterer Grundsatz ist folgender: die Herauslösung einer Aufgabe aus einem Ministerium und ihre Verselbständigung in einem eigenen Ressort bedeutet noch lange nicht Personalvermehrung und Stellenhebung. Meine Damen und Herren, das ist sehr wichtig, und ich bedauere, wenn ich etwa da und dort in den Reihen der Bürokratie gewisse Blütenträume zerstören müßte.
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Ich will hier keine Zweifel aufkommen lassen. Die Bedeutung einer Aufgabe zeigt sich nicht an der Anzahl der Kräfte, die für die Erfüllung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen, und ob eine Aufgabe gut oder schlecht gelöst wird, hängt auch nicht von der Anzahl der Kräfte ab. Es ist eine uralte Verwaltungserfahrung, daß man eine Aufgabe mit gerade noch ausreichenden Kräften unter Umständen besser lösen kann als mit zuviel Kräften.
Denken Sie, meine Damen und Herren, bitte nur an die Aufgaben des 1. Deutschen Bundestages! Lesen Sie bitte - wenigstens an Hand von Stichworten - die Berichte über die Verhandlungen des 1. Deutschen Bundestages nach! Es wird keinen Deutschen Bundestag geben - nicht der zweite und nicht der dritte -, der so viele Aufgaben - und zum Teil sehr gut - gelöst hat wie der 1. Deutsche Bundestag. Und sehen Sie sich dann an, welches Personal damals zur Verfügung gestanden hat! Vergleichen Sie das Verwaltungspersonal des Bundes in jener Zeit mit dem heutigen Personal! Sie werden feststellen, es ist damals beinahe nur die Hälfte gewesen.
Ich wiederhole: die Herauslösung einer Aufgabe und ihre Verselbständigung in einem eigenen Ressort bedeutet noch keinerlei Anspruch auf Personalvermehrung und noch keinerlei Anspruch auf Stellenhebung. Die Herauslösung bedeutet nur, daß diese Aufgabe eben politisch herausgestellt und unterstrichen werden soll.
In diesem Zusammenhang muß ich mich auch gegen die ewige Forderung nach den. beamteten Spezialisten wehren. Meine Damen und Herren, unser heutiges Leben ist so kompliziert, daß wir natürlich ohne Sachverständige und ausgesprochene Spezialisten nicht mehr auskommen. Das weiß jedermann. Aber die Aufgaben wechseln auch so schnell, daß wir es uns nicht leisten können, für jede einzelne Aufgabe vorübergehender oder einmaliger I Art sofort einen beamteten Spezialisten anzustellen. Wir müssen uns da mehr als bisher mit den Sachverständigen-Titeln behelfen. Im übrigen haben wir auch Forschungsinstitute, auf deren Ergebnisse wir zurückgreifen müssen. Ein tüchtiger Verwaltungsfachmann muß die Aufgaben in einem Ministerium nach meiner Auffassung lösen können. Denn das Ministerium hat ja im wesentlichen gesetzgeberische Arbeit zu leisten und keinerlei Verwaltungstätigkeit auszuüben.
Ich erwähne diese Grundsätze nur deshalb - das darf ich zum Schluß sagen -, weil wir, meine Kollegen vom Haushaltsausschuß und ich, nicht möchten - denn wir sind es allmählich leid -, daß etwa in dieser Legislaturperiode wieder der ewige, ewige Kampf um die Personalvermehrung einsetzt, wie er sich über all die Jahre in der Vergangenheit zugetragen hat. Ich habe mir gestern ausgerechnet, eine wie hohe Zahl von Bundesbediensteten wir denn jetzt schon haben. Ich habe eine Gesamtzahl von 254 269 errechnet. Nach dem Stand des Jahres 1961 haben wir 254 269 Angehörige der Bundesverwaltungen, Beamte, Angestellte und Arbeiter, ohne Post und Bundesbahn. Wenn wir diese Zahl recht beherzigen, ist sie wohl für uns eine ernste Mahnung zur Erfüllung unserer Aufgabe, unseres Rechts und unserer Pflicht, die parlamentarische Kontrolle ernst zu nehmen.
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Herr Abgeordneter Briese!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege, Herr Niederalt, hat schon auf die Gefahr der weiteren Aufblähung unserer Verwaltung hingewiesen. Ich könnte mir daraufhin die Worte sparen. Ich möchte aber für meine Person hier folgende Erklärung abgeben. Ich lehne die Vorlage ab, und zwar aus den Gründen, die Herr Niederalt hier angeführt haßt, besonders deshalb, weil ich nicht gewillt bin, einer Stellenvermehrung zuzustimmen, die durch die Neubildung von Ministerien entstanden ist. Ich stehe auf dem Standpunkt, der Personalbedarf dieser Ministerien muß unter allen Umständen aus dem jetzigen Bestand in den anderen Ministerien gedeckt werden.
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- Das ist durchaus möglich, Herr Schäfer. Aber wie oft haben wir für neue Aufgaben neue Stellen bewilligt! Ich bin Mitglied des Haushaltsausschusses schon im Frankfurter Wirtschaftsrat und in allen drei Bundestagen gewesen. Noch nicht ein einziges Mal habe ich erlebt, daß durch irgendeine auslaufende Tätigkeit irgendwelche Stellen frei geworden sind. Deshalb meine entschiedene Stellungnahme hiergegen. Ich sehe auch nicht die Notwendigkeit ein, in den anderen Ministerien weitere Aufstockungen vorzunehmen. Der zusätzliche Bedarf muß aus dem jetzt vorhandenen Beistand gedeckt werden.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es ist beantragt, die Vorlage dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Besteht allgemeines Einverständnis? - Keine Gegenstimmen außer der Gegenstimme des Kollegen Brese - er stimmt gegen die Überweisung -. Dann ist bei dieser einen Gegenstimme aus Niedersachsen so beschlossen.
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Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes ({1}) ({2}).
Hier, meine Damen und Herren, soll lediglich eine Erklärung des Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses abgegeben werden. Herr Abgeordneter Hoogen, ich bitte Sie, dazu das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Punkt der Tagesordnung soll keine Begründung der Vorlage durch die Bundesregierung erfolgen. Es soll auch keine Aussprache stattfinden. Die Mitglieder des Rechtsausschusses haben mich jedoch gebeten, zu den aus Anlaß der Beratung der inhaltgleichen Vorlage im Bundesrat am 2. dieses Monats gemachten Äußerungen des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundesrates, die sich mit der Arbeit des Rechtsausschusses des Bundestages befassen, folgendes zu erklären.
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Ich bitte, Privatgespräche nicht hier im Saal zu führen.
Der Bundestag hatte sich bereits am 13. Dezember des vergangenen Jahres dieses Gesetzentwurfs angenommen, der - inhaltsgleich - im Bundesrat am Freitag vor acht Tagen im ersten Durchgang behandelt wurde. Er hatte dabei nicht zuletzt auch die Erwägungen angestellt, von denen Herr Kollege Niederalt vorhin sprach, als er auf die Arbeit und den Fleiß des 1. Deutschen Bundestages verwies, der damals nicht vier oder fünf Monate wartete, sondern alsbald mit seiner Gesetzgebungsarbeit begann.
Das hat der Rechtsausschuß getan. Das ist vom Bundesrat auch anerkannt worden. Aber im Bundesrat ist diese Arbeit des Rechtsausschusses des Bundestages einer Kritik unterzogen worden, die wir nicht unwidersprochen hinnehmen können. Es heißt im Protokoll hierüber im Hinblick auf die Arbeit des Rechtsausschusses des Bundestages:
. . . daß der Rechtsausschuß des Bundesrats nicht ohne Besorgnis von Tendenzen Kenntnis genommen habe, die zwar einen weiteren Schutz für den Beschuldigten bedeuten, aber zugleich auch die Gefahr mit sich bringen, daß die Strafrechtspflege in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden könnte.
Meine Damen und Herren, namens aller Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages darf ich erklären, daß uns nichts ferner liegt, als die Wirksamkeit der Strafrechtspflege zu beeinträchtigen. Aber darüber hinaus liegt uns sehr am Herzen, daß das Ansehen und die Würde der Gerichtsbarkeit ebenso hoch gehalten werden wie die Wirksamkeit der Strafrechtspflege. Und wir alle wissen, meine Damen und Herren, daß sich in den letzten Monaten und Jahren einiges ereignet hat, das uns auf den Plan rufen mußte.
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Hinsichtlich der Methode darf ich nur das eine sagen: das Verfahren im Bundesrat ist nicht verfassungsgemäß. Denn im ersten Durchgang ist es im Plenum des Bundesrats nach der Verfassung nicht zulässig, sich mit den Beratungen des Bundestages zu befassen. Unsere Verfassung sieht in Art. 43 Abs. 2 vor, daß die Mitglieder des Bundesrats und ihre Beauftragten an der Gesetzgebungsarbeit in diesem Hohen Hause und seinen Ausschüssen teilnehmen können. Diesen Weg sollten sie einschlagen; in den Ausschüssen dieses Hauses können sie sich mit uns auseinandersetzen. Aber dieses Verfahren, das der Bundesrat einschlägt, sollte keine Schule machen, weil es mit den Vorschriften unserer Verfassung nicht im Einklang steht.
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Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Rechtsausschuß beantragt. Das Haus ist wohl damit einverstanden. - Keine Gegenstimme; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. Juni 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt ({0}).
Keine Begründung. Keine Aussprache. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Inneres sowie an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen zur Mitberatung zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 10:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen ({1}) ({2}).
Auch hier soll offensichtlich keine Begründung gegeben werden. Die Fraktionen verzichten auf Aussprache. Oder täusche ich mich? - Sie verzichten auf Aussprache.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe zur Mitberatung.
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- Und an den Haushaltsausschuß. - Das Haus ist einverstanden.
Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. Dezember 1957 über Straßenmarkierungen ({4}).
Auch hier keine Begründung und keine Aussprache. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen. - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland ({5}).
Auch hier keine Begründung und keine Aussprache. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den
Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. - Keine Einwendungen; dann ist so beschlossen.
Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1958 über den . Austausch therapeutischer Substanzen menschlichen Ursprungs ({6}).
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- Ich weiß nicht genau, was ich mir darunter vorstellen soll; aber es wird schon so etwas geben.
Auch hier keine Begründung und keine Aussprache. Die Vorlage soll an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen werden. -- Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 14 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handwerkerversicherungsgesetzes ({8}).
Die einbringenden Fraktionen haben mitgeteilt, daß sie auf Begründung verzichten. Wird auf Aussprache verzichtet? - Das ist offenbar der Fall.
Es ist beantragt, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen zu überweisen. - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({9}) über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Richtlinie des Rates zur Bekämpfung des Blauschimmelpilzes des Tabaks ({10}).
Der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Abgeordneter Seither, verzichtet auf Erstattung eines mündlichen Berichtes. Die Fraktionen verzichten auf Aussprache. Wir können also Beschluß fassen.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/151 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Punkt 16 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Inneres ({11}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes ({12}).
Berichterstatter: Abgeordneter Hübner.
Vizepräsident Dr. Schmid
Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichtes? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/27 auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes steht heute zur abschließenden Beratung und Beschlußfassung an. Leider ist es aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes zu Weihnachten 1961 festzulegen. Die Schuld hieran trifft die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hohen Hauses.
Dennoch hat der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion grundsätzliche Bedeutung, indem darin die Bundesregierung ersucht wird, umgehend eine entsprechende Gesetzesvorlage zu unterbreiten, damit für die Bundesbeamten endlich, nach jahrelangen Diskussionen und unklaren Stellungnahmen, klare Verhältnisse geschaffen werden. Wir bedauern, daß die Mehrheit des Ausschusses für Inneres unserem berechtigten Antrag nicht gefolgt ist und im Antrag Drucksache IV/150 dessen Ablehnung empfiehlt.
Das Hohe Haus hat heute Gelegenheit, in dieser Frage eindeutig Farbe zu bekennen. Die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hohen Hauses sollten das unwürdige Spiel, ein klare Stellungnahme mit dem Hinweis zu verschleiern, daß die Vereinbarkeit eines Weihnachtsgeldes mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums geprüft werden müsse, endlich beenden. Ich bin der Auffassung, daß diese Grundsatzfrage längst vorentschieden ist. Ich darf daran erinnern, daß alle Berufsorganisationen der Beamten und auch die Länder nach sachkundiger und gewissenhafter Prüfung dieser sogenannten Grundsatzfrage die Vereinbarkeit der Zahlung eines Weihnachtsgeldes mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums längst bejaht haben. Ich möchte ferner daran erinnern, daß fast alle Länder zu Weihnachten 1961 den Landesbeamten und den Versorgungsempfängern ein Weihnachtsgeld ausgezahlt haben. Darüber hinaus möchte ich daran erinnern, daß in Nordrhein-Westfalen zur Zeit das Landesbeamtengesetz beraten wird und die zweite Lesung passiert hat; in seinem § 91 c wurde die Zahlung eines Weihnachtsgeldes an die Landes- und Kommunalbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen grundsätzlich festgelegt.
Die Bundesregierung hat bereits seit 1960 das materielle Bedürfnis, den Bundesbeamten vor Weihnachten eine Zuwendung zukommen zu lassen, dadurch bejaht, daß erstens im Dezember 1960 das Januargehalt schon vor Weihnachten ausgezahlt wurde und daß zweitens vor Weihnachten 1961 ein Vorschuß auf eine spätere Besoldungserhöhung gegeben wurde. Durch diese zwei Fakten ist das materielle Bedürfnis bejaht worden. Aber es wurde - in diesen beiden Jahren - ein falscher optischer Eindruck geschaffen, nämlich der eines Weihnachtsgeldes, obwohl es tatsächlich keines war. Denn in dem
einen Falle wurde das Januargehalt vorgezogen, und in dem anderen Falle wurde ein Vorschuß gegeben, der demnächst bei einer weiteren Besoldungsnovelle irgendwie zur Anrechnung kommt. Gerade im Hinblick auf diesen Anrechnungsmodus besteht völlige Unklarheit, auch nach .den Darlegungen des Herrn Bundesministers Höcherl in der Debatte am 29. November, in der er von einer pauschalen Verrechnung sprach. Ich muß Ihnen offen gestehen: ich kann mir unter einer pauschalen Anrechnung kaum etwas Vernünftiges vorstellen. Im Hinblick auf diese Verrechnung besteht völlige Unklarheit bei der Bundesregierung.
Herr Bundesminister Höcherl hat in der Debatte am 29. November ferner auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung des Besoldungsrechts zwischen Bund und Ländern hingewiesen.
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Nun, diese Harmonisierung hat gewiß einiges für sich. Aber da die Länder bereits einheitlich ein Weihnachtsgeld zahlen - was auch von allen Berufsorganisationen der Beamten bejaht wird -, sollte man seitens des Bundes den ersten Schritt zur Harmonisierung in positivem Sinne tun.
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Man sollte hier durch das Bekenntnis - indem dem Antrag der SPD auf ein Ersuchen an die Bundesregierung zugestimmt wird, endlich eine entsprechende Gesetzesvorlage dem Hohen Hause vorzulegen - im Hinblick auf eine Harmonisierung der gesamten Besoldungspolitik in Bund und Ländern einen ersten positiven und klaren Schritt tun. Diese Harmonisierung sollte bei Gott im Interesse der Beamtenschaft - nicht In negativem Sinne, nämlich nach unten - in der nahen Zukunft vorgenommen werden.
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Der Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in Drucksache IV/27, so wie er im Ausschuß für Inneres beraten wurde, bietet Ihnen heute die klare und eindeutige Gelegenheit zu diesem Bekenntnis. Wir sind auch der Meinung, daß die Zahlung eines Weihnachtsgeldes letztlich zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn gehört. Diese Fürsorgepflicht muß auch den zeitgemäßen und fortschrittlichen Entwicklungen angepaßt sein.
Grotesk ist, daß auf Grund tariflicher Vereinbarungen den Angestellten des öffentlichen Dienstes in den Gruppen 4, 3, 2 und 1 seit Jahren ein Weihnachtsgeld gezahlt wird, daß aber die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes des Bundes davon weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen. Ich brauche nicht besonders auf die Unterschiede zwischen der Besoldung dieser höheren Angestellten und der niedrig besoldeten Beamten im Bund hinzuweisen; sie sind allseits bekannt.
Ich darf noch ein Beispiel erwähnen, das zeigt, wie der Bund fortgesetzt hinter positiven Lösungen nachhinkt: die Fünf-Tage-Woche. Darüber haben wir auch schon des öfteren diskutiert. Länder, Kreise und Gemeinden haben die Fünf-Tage-Woche längst durchgeführt, obwohl sie wesentlich mehr Publi436
kumsverkehr haben als der Bund. Der Bund, die Bundesregierung, verschanzt sich dahinter zu sagen: Wir müssen weiterhin prüfen, ob das bei den Bundesbehörden überhaupt möglich ist. Auch das ist eine recht seltsame Haltung unserer Bundesregierung.
Die Bundesregierung hatte seit über zwei Jahren genügend Zeit zur Prüfung der Grundsatzfrage.
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Dabei ist zu berücksichtigen, daß, wie ich ausgeführt habe, von sachkundigen Kreisen - in den Beamtenorganisationen, den Ländern und sonstwo - bereits in positiver Hinsicht vorentschieden ist. Die empörte Beamtenschaft erwartet endlich eine unzweideutige Entscheidung und keine weitere Verbrämung und Verschleierung.
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Sie, meine Damen und Herren, haben jetzt Gelegenheit zu einer klaren Entscheidung. Lehnen Sie den Antrag des Ausschusses für Inneres - Drucksache IV/150 - ab und ersuchen Sie damit die Bundesregierung, dem Hohen Hause umgehend eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, die die Gewährung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes vorsieht.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte zunächst, zu entschuldigen, daß ich bei den ersten Ausführungen des Herrn Kollegen Wilhelm nicht anwesend sein konnte. Ich habe mich bemüht, so schnell wie möglich von der Kabinettssitzung hierherzukommen. Es kann also sein, daß ich auf einige Bemerkungen, weil ich deren Inhalt nicht kenne, nicht antworte.
Wir haben heute bereits die zweite oder dritte Auflage der Debatte über das Weihnachtsgeld. Was sachlich zu diesen Dingen zu sagen ist, ist von allen Fraktionen und auch' von mir bereits ausgeführt worden. Ich verstehe nicht, warum man nun in einer atomisierten Art und Weise aus dem großen Paket, das wir bei der Harmonisierungsnovelle zu verabschieden haben werden, das eine oder andere Stück - in einer Art Pfennigparade - herausnehmen will; man debattiert hier darüber und macht Deklamation darum herum, begreift aber nicht, daß man solche Fragen nicht einzeln und isoliert lösen kann. Es gibt nur eine einzige korrekte Art und Weise, sie zu lösen: nämlich insgesamt.
An der so bezeichneten Harmonisierungsnovelle wird sehr intensiv gearbeitet. Sie wissen, daß es dabei um eine ganze Reihe von Fragen - nicht nur solche Fragen - geht. In einer Kommission, die Bund und Länder gemeinsam gebildet haben, sind die Fragen vorberaten worden. Die Kommission hat ihr Arbeit abgeschlossen, und der Bericht ist erstattet worden. Jetzt beginnt das offizielle Verfahren der Anhörung der Verbände. Nach § 94 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien muß dieses Anhörungsverfahren abgewartet werden. Wenn das geschehen ist, soll ein Gesamttableau gemacht werden. Das wird von der Regierung sehr nachdrücklich betrieben. Sie werden also immer noch Zeit und Gelegenheit haben, über diese Dinge ausführlich zu sprechen.
Man muß auch berücksichtigen, daß wir bei einem solchen Gesetzgebungsakt nicht nur über Fragen der Bundesbesoldung, sondern vor allem auch über Fragen entscheiden, die im Bereich der Länder und Gemeinden auftreten. Es ist deshalb eine Selbstverständlichkeit, daß die Probleme bei solchen Regelungen auch mit den Beteiligten abgesprochen werden, deren finanzielle Interessen - in den laufenden Haushalten - außerordentlich nachdrücklich und tief davon berührt werden. Der Innenausschuß hat es deshalb mit Recht abgelehnt, jetzt darüber eine Entscheidung zu treffen. Alle Beteiligten wissen, daß diese Arbeiten im Gange sind; sie selbst werden gehört. Ich würde schon aus legislativökonomischen Prinzipien darauf verzichten, immer einzelne Rosinen herauszupicken und daraus weiß Gott welche Öffentlichkeitsgeschäfte zu machen.
Der Herr Kollege Wilhelm kann sich nicht vorstellen, wie eine pauschale Berechnung aussehen soll. Ich bin gern bereit, ihm ein Privatissimum darüber zu geben, wie das im einzelnen gemacht werden könnte, vorausgesetzt daß ein solcher Beschluß gefaßt wird. Unter dieser Voraussetzung habe ich etwas Derartiges angekündigt.
Nun wird der Verdacht ausgesprochen, daß wir bei der Harmonisierung nach unten harmonisieren. Kein Mensch hat gesagt, daß wir nach unten harmonisieren wollen. Harmonisieren heißt einen gewogenen Durchschnitt finden, d. h. nichts nach unten und nichts nach oben, sondern die Verhältnisse, wie sie bestehen, auf einen gemeinsamen Nenner bringen, soweit das möglich ist. Das ist ein ganz unbegründeter Verdacht. Ich verstehe nicht, daß Sie einen unbegründeten Verdacht ohne reale Anhaltspunkte einfach in den Raum setzen können. Ich halte das nicht für korrekt.
Was die berühmte Fünf-Tage-Woche betrifft, möchte ich folgendes sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Soweit die Bundesregierung, was die Arbeitszeit betrifft, sehr strikt den Standpunkt der Sparsamkeit einnimmt, sollte man ihr das nicht zum Vorwurf machen, sondern man sollte es eher anerkennen.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang noch etwas ganz anderes sagen. Es gibt einen Bereich, der von allen diesen Arbeitszeitverkürzungen und den anderen Dingen nicht erfaßt wird. Das kleine Schulkind hat die Sechs-Tage-Woche. Der sechsjährige Junge hat 24 Stunden Unterricht, er hat einen weiten Schulweg und muß seine Hausaufgaben machen. Er hat seine Sechs-Tage-Woche. Alles, was älter ist, entzieht sich dem.
Wir sind der Meinung, daß die Arbeitszeitfrage aus dringendsten volkswirtschaftlichen Gründen die
Bundesinnenminister Höcherl
entscheidendste Frage von allen ist. Der Standpunkt der Bundesregierung, die in solchen Dingen sehr zurückhaltend ist, verdient im Gesamtinteresse eher Anerkennung.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja!
Herr Minister, wissen Sie nicht, daß in der Beamtenschaft ein sehr tiefes Mißtrauen gegen die Besoldungspolitik und Beamtenrechtspolitik des Bundes begründet ist, die sich auf die jahrelange Praxis Ihres früheren Fraktionskollegen, des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer stützt? Das ist Ihnen ja auch schon gelegentlich dargelegt worden.
Heim Kollege, Sie greifen jetzt auf eine sehr weit zurückliegende Zeit zurück. Ich habe immer den Eindruck gehabt, daß der Herr Finanzminister Schäffer auf allen Seiten des Hauses, auch bei denen, die sich der Beamteninteressen besonders annehmen, einmütige Anerkennung für seine Arbeitsleistung gefunden hat.
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- Ich komme auch noch auf die spezifische Seite Ihrer Frage.
Herr Kollege, ich habe naturgemäß sehr viel Konnex mit Beamtenverbänden. Ich muß sagen, das Vertrauensverhältnis, das sich in diesen wenigen Wochen und Monaten herausgebildet hat, ist außerordentlich zufriedenstellend. Die oft beschworene Unruhe scheint mir mehr für die Zwecke dieses Hauses und der Debatte hervorgerufen zu sein.
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Ich bin der Meinung, daß der Beschluß des Innenausschusses, der unter dem Vorsitz von Herrn Schmitt-Vockenhausen gefaßt worden ist, zutreffend ist, und -ich bitte das Hohe Haus, ihn zu bestätigen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat zunächst davon gesprochen, daß wir heute in zweiter oder in dritter Auflage über das Weihnachtsgeld sprechen müssen. Meine Damen und Herren, wir müssen leider oft über unerfüllte soziale Anliegen unseres Volkes hier sprechen, weil Sie sich immer erst nach langem Drängen dazu verstehen, sie zu erfüllen.
({0})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Vogel!
Ist Ihnen bekannt, daß seinerzeit - bei der Generalanhebung der Gehälter auf 165 bzw. 219 0/0 - die damals im Haushaltsausschuß anwesenden Vertreter der Beamtenverbände und sonstigen Gruppen feierlich erklärt haben, daß mit dieser Anhebung die Ansprüche und die Wünsche nach einem Weihnachtsgeld definitiv erledigt seien?
Herr Kollege Vogel, seit 1957 hat sich einiges ereignet, insbesondere auch hinsichtlich der Lebenshaltungskosten. Sie haben ja inzwischen selbst zwei Besoldungsnovellen machen müssen, weil die Beamtenschaft einfach nachziehen muß.
({0})
Inzwischen ist auf dem Gebiet des Tarifrechts eine Entwicklung eingetreten, in der das Weihnachtsgeld für die Angestellten und Arbeiter und in den Ländern für die Beamten der Länder und der Gemeinden eingeführt worden ist.
({1})
Nun begreift der Herr Minister nicht, warum wir einzeln mit diesen Fragen kommen. Herr Minister, wir kommen grundsätzlich, das werden Sie ja feststellen, überhaupt nicht mit Einzelanträgen zum Besoldungsrecht; aber diese Frage war dringlich, weil man sich in den Bundesländern verständigt hatte, überall das Weihnachtsgeld zu zahlen, und nur in der Bundesregierung der letzte Anstoß fehlte, der notwendig war, damit diesem sozialen Anliegen Rechnung getragen würde. Den wollten wir mit unserem Antrag geben. Die heutige Debatte und Ihre Äußerungen haben gezeigt, daß der Antrag notwendig ist, daß Sie im Kreise der Regierung und der Koalition noch Widerstände gegen das Weihnachtsgeld zu überwinden haben. Seien Sie dankbar, daß die große sozialdemokratische Fraktion hier hilft, den sozialen Fortschritt auch für die Beamten zu erkämpfen.
({2})
Ich darf Ihnen sagen: wir wollen natürlich keine Öffentlichkeitsgeschäfte machen.
({3})
Öffentlichkeitsgeschäfte wollen Sie machen, indem Sie hier in sehr polemischer Form die Fünf-TageWoche behandelt haben.
({4})
Das war der Versuch, die Ressentiments mancher Kreise, die leider noch sehr, sehr viel mehr arbeiten müssen und das freie Wochenende noch nicht haben, gegen die Bundesbeamten hochzubringen; und das, muß ich sagen, bedauere ich allerdings. Es geht hier um eine klare Sachentscheidung. Und, meine Damen
und Herren, lassen Sie sich eines gesagt sein: Sie werden um diese klare Entscheidung nicht herumkommen, auch wenn die Sache in vierter und fünfter Auflage hier gebracht werden muß. Sie müssen sich dazu bekennen. Die Beamtenschaft ist ja schließlich nicht eine Lobbyistengruppe, sondern sie ist verankert an unserem Staat, und von ihrer Arbeit, von ihrer Zuverlässigkeit, von dem Nachwuchs, den wir für die Beamtenschaft bekommen, hängt sehr viel für das Funktionieren des demokratischen Staates ab.
({5})
Wenn der Herr Minister meint, die ganze Unruhe sei nur hier gewesen, so ist dem entgegenzuhalten: Herr Minister, Sie haben doch die Beamtenverbände empfangen; Sie wissen doch selbst, was Ihnen der Deutsche Beamtenbund - dessen stellvertretender Bundesvorsitzender als Abgeordneter hier unter uns sitzt - zu dieser Frage gesagt hat. Nun versuchen Sie doch nicht, die sozialdemokratische Fraktion und ihr Anliegen hier in dieser Form abzuwerten. Das ist doch nicht gut. Ich könnte Ihnen hier viele Belege darüber bringen, wie die Beamtenschaft reagiert hat, angefangen von den Äußerungen der Spitzenorganisationen bis hinunter zu denjenigen der Ortsverwaltungen. Räumen Sie diese berechtigte Unruhe darüber, daß auch jetzt im neuen Jahr immer noch keine Klarheit bezüglich dieses Damoklesschwertes „Vorschuß" besteht, schnellstens aus. Das zu tun sind .Sie den Beamten gegenüber verpflichtet.
({6})
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Normalerweise stimmt man über den Antrag des Ausschusses ab; aber dessen Fassung ist negativ, und es gibt keine negativen Abstimmungen. Wir stimmen also ab über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/27. Wer den Empfehlungen des Ausschusses folgen will, müßte dann mit Nein stimmen. Man kann nicht mit Ja stimmen, es solle etwas nicht geschehen; das ist nicht ganz logisch.
Wir stimmen also ab über den Antrag Drucksache IV/27. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({0})
- Ja; es ist völlig klar: Sie haben den Antrag der SPD abgelehnt und damit der Empfehlung des Ausschusses stattgegeben.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kommunalpolitik und Sozialhilfe ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. h. c. Weber ({2}), Frau Dr. Hubert und Genossen betreffend Unterzeichnung der Europäischen Sozialcharta ({3}).
Der Schriftliche Bericht soll durch den Berichterstatter, den Herrn Abgeordneten Lautenschlager, ergänzt werden. Sie haben das Wort als Berichterstatter, Herr Abgeordneter.
Herr Präsidenit Meine Damen und Herren! Auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention wurde von den Verhandlungskommissionen der Mitgliedsstaaten des Europarates die Europäische Sozialcharta erarbeitet und am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichnet. Die Beratungen zogen sich über mehrere Jahre hin.
Die Sozialcharta legt in ihrem Teil I - gegliedert in 19 Thesen - die Mindestforderungen fest, die sie an die Sozialgesetzgebung der Unterzeichnerstaaten stellt. In Teil II werden sodann diese Thesen wiederum in 19 Artikeln näher erläutert, während in Teil III die Verpflichtungen der Signatarstaaten festgelegt sind, wobei zu bemerken ist, daß hier gleichfalls wieder Mindestforderungen erfüllt werden müssen. So wird z. B. erwartet, daß von 7 der 19 Grundforderungen - gemeint sind das Recht auf Arbeit, das Vereinigungsrecht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf soziale und ärztliche Hilfe, das Recht der Familie auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz und schließlich das Recht der Wanderarbeiter und ihrer Familien auf Schutz und Beistand - mindestens 5 als bindend angesehen werden. Außerdem sind von den übrigen Artikeln oder numerierten Absätzen des Teiles II so viele Artikel oder Absätze auszuwählen, daß zusammen mit den 5 vorerwähnten mindestens 10 Artikel oder 45 numerierte Absätze als bindend angesehen und in den Ratifikationsurkunden erwähnt werden.
Es ist heute meines Erachtens nicht der Anlaß und auch nicht der Zeitpunkt, näher auf den Inhalt der Europäischen Sozialcharta einzugehen. Das soll den Beratungen über das Ratifizierungsgesetz vorbehalten bleiben,
Die Charta soll innerhalb eines Jahres nach Unterzeichnung ratifiziert sein. Außerdem wurden die Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates verpflichtet, in ihren nationalen Parlamenten auf eine baldige Ratifizierung zu drängen. Dieser Verpflichtung kommt der Antrag einer Reihe von Mitgliedern dieses Hauses - an der Spitze Frau Dr. Weber und Frau Dr. Hubert - nach.
Der Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe hat in seiner zweiten Sitzung am 25. Januar 1962 den Antrag abschließend beraten. Dabei führte der Vertreter der Regierung aus, daß man in den federführenden Ministerien des Innern und für Arbeit und Sozialordnung sowie in verschiedenen anderen 'Ministerien und vor allem auch zusammen mit den Ländervertretungen gegenwärtig prüfe, inwieweit die Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik und ihrer Länder mit den Grundforderungen der Europäischen Sozialcharta übereinstimme; diese umfangreichen Prüfungen beanspruchten noch längere Zeit; die Bundesregierung sei jedoch bemüht, den
Entwurf des Ratifizierungsgesetzes so bald wie möglich vorzulegen.
Der Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe hat einstimmig beschlossen, dem Bundestag die Annahme des Antrages in der Fassung der Drucksache IV/60 zu empfehlen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Moltkekaserne in Heilbronn an die Stadt Heilbronn ({1}).
Das Haus verzichtet wohl auf den mündlichen Bericht und auf Aussprache.
({2})
Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 19 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Flakkaserne Bremen-Lesum an den Verein für Innere Mission in Bremen ({4}).
Auch hier wird wohl auf den mündlichen Bericht und auch auf Aussprache verzichtet.
({5})
Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Nun Punkt 20:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Anpassung der Versorgungsbezüge an die strukturellen Änderungen des Besoldungsgesetzes ({6}).
Ich hoffe, daß nunmehr jedermann weiß, worum es sich handelt.
({7})
Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Gscheidle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist in der Tat eine schwierige Frage, und ich will versuchen, in wenigen Minuten zu erklären, was es mit diesem Antrag auf sich hat.
Das Bundesbesoldungsgesetz, das am 1. April 1957 in Kraft getreten ist, hatte einige Verbesserungen eingeführt, die jedoch, wie wir wissen, leider nicht allen Ruhestandsbeamten zugute gekommen sind. Es war deshalb schon damals vorauszusehen, daß die betroffenen Ruhestandsbeamten, die sich nach unserer Ansicht mit Recht benachteiligt fühlen müssen, jede Möglichkeit wahrnehmen würden, den Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung zu überzeugen. In der Tat ist die Unzufriedenheit unter den Betroffenen ständig gewachsen.
Bei den Beratungen über eine Änderung des Bundesbeamtengesetzes im Jahre 1961 hatte die SPD-Fraktion mit einem Entschließungsantrag - Umdruck 959 - die Bundesregierung um das gleiche ersucht, um was wir heute bitten. Dieser Antrag wurde damals mit Mehrheit abgelehnt. In der Debatte wurde dies damit begründet, daß durch die Anhebung der Mindestversorgung und die Höherziehung des Ortszuschlags für Versorgungsempfänger zwei wesentliche Verbesserungen eingeführt worden seien und daß die Bundesregierung ohne vorherige sorgfältige Prüfung nicht in der Lage sei, bei einer Novellierung allen Ruhestandsbeamten die gleichen strukturellen Verbesserungen wie den aktiven Beamten zu gewähren.
Der Abgeordnete Kühlthau hatte damals ferner darauf hingewiesen, daß durch eine entsprechende Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes das Problem der Überleitung der Lehrer, Richter, Staatsanwälte und der Polizeibeamten nicht von dem Bundesgesetzgeber gelöst werden könne. Kein Zweifel bestand jedoch darüber, daß der betroffene Personenkreis der Ruhestandsbeamten klein und insbesondere nur bei Bahn und Post und in noch kleinerem Umfang bei der Bundeswehr vorhanden ist. Sowohl die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Inneres als auch die sachkundigen Abgeordneten aller Fraktionen waren sich darüber im klaren, daß diese Wünsche im Rahmen einer Besoldungsnovellierung wieder auf den Bundestag zukommen würden.
Die Ansicht, daß alle Sonderüberleitungen im Bundesbesoldunggesetz 1957 nur auf Grund veränderter Aufgabenstellungen erfolgt seien, trifft nicht zu. Bei den Beratungen dieses Gesetzes wurde anerkannt, daß z. B. die Beamten des einfachen Postdienstes mit der jetzigen Amtsbezeichnung „Postschaffner", „Postoberschaffner" und „Posthauptschaffner" im Hinblick auf ihre verantwortliche Tätigkeit in ,die Besoldungsgruppen A 2, A 3 und A 4 übergeleitet werden müssen.
Die nach § 48 des Bundesbesoldungsgesetzes vorgenommene Anpassung der Bezüge der bis zum 1. April 1957 in den Ruhestand getretenen Beamten des einfachen Postdienstes entspricht dagegen im Ergebnis der Regelüberleitung in die Besoldungsgruppen A 1, A 2 und A 3. Damit sind diese Ruhestandsbeamten im Vergleich zu den am 1. April 1957 noch im Dienst befindlichen Beamten und den nach dem 1. April 1957 in den Ruhestand versetzten Beamten benachteiligt worden. Mit der für die aktiven Beamten des einfachen Postdienstes anerkannten
Sonderüberleitung war keine höhere Bewertung verbunden. Inhalt und Aufgabe des Amtes veränderten sich nicht.
Wenngleich die negativen Auswirkungen dieses Verfahrens durch die Mindestruhegehaltssätze gemildert wurden, ergeben sich trotzdem im Durchschnitt nicht nur beim Ruhegehalt, sondern auch beim Witwengeld monatliche Minderbeträge von 5 bis 18 DM. Vor der Besoldungsneuregelung am 1. Oktober 1961 waren die Beträge höher, nämlich 11 bis 23 DM; vor der Besoldungsneuregelung am 1. Juni 1960 waren es 11 bis 21 DM. Bei den Beamten, die vor dem 1. April 1957 in den Ruhestand getreten waren, sind die von mir genannten Minderbeträge bis zum 1. Oktober 1961 monatlich doppelt so hoch gewesen. Die Fehlbeträge, die sich dadurch für einen Ruhestandsbeamten des einfachen Dienstes ergeben, sind, wenn wir sie addieren, inzwischen zu einer erheblichen Summe angewachsen.
Neben dieser Schlechterstellung, die aus der Nichtanpassung an die sogenannten strukturellen Änderungen resultiert, gibt es, weil die Neuberechnung des Besoldungsdienstalters nicht auf alle im Ruhestand befindlichen Beamten ausgedehnt wird, noch andere Benachteiligungen. Beamte, die vor dem Inkrafttreten des Besoldungsgesetzes von 1927 in den Ruhestand getreten sind, werden von den Sachbearbeitern bei den obersten Dienstbehörden liebevoll als „Römer" bezeichnet. Ein solcher Uraltpensionär, ein Beamter also, der vor dem 1. Oktober 1927 in den Ruhestand getreten ist, erhält beispielsweise als Postassistent a. D. monatlich rund 50 DM weniger an Ruhegehalt als ein nach 1957 pensionierter Postassistent mit gleicher Dienstzeit.
Durch die Bestimmungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes waren die Länder an die Regelungen des Bundes nicht gebunden. Was beim Bund insbesondere die Beamten des einfachen Dienstes bei der Bahn, der Post und der Bundeswehr betraf, wirkte sich in den Ländern bei den Lehrern, Richtern, Staatsanwälten und Polizeibeamten aus.
Nach dem augenblicklichen Stand ergibt sich bei den Ländern folgende Situation:
Der Landtag von Baden-Württemberg hat mit Wirkung vom 1. Juli 1961 die Neufestsetzung der Versorgungsbezüge beschlossen. Als Stichtag für die individuelle Überleitung wurde der 9. Mai 1945 vorgesehen.
Die Überleitungsvorschriften des bayerischen Besoldungsgesetzes entsprechen dem § 48 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung dieses Gesetzes vom 27. Juli 1957. Die bayerische Staatsregierung will in einem Gesetzentwurf die Frage der Überleitung der Ruhestandsbeamten neu aufgreifen.
In Hessen gilt zur Zeit noch die pauschale Überleitung der Altpensionäre. Die Regelung, die der Bund vom 1. Oktober 1961 an eingeführt hat, ist von Hessen bisher noch nicht übernommen worden. Vor einigen Tagen hat jedoch die CDU-Fraktion im Landtag den Antrag auf strukturelle Überleitung der Altpensionäre eingebracht. Dieser Antrag findet auch die Unterstützung der SPD, die einige Wochen vorher bereits beschlossen hatte, eine entsprechende
Regelung, allerdings mit dem Stichtag 8. Mai 1945, in das hessische Besoldungsgesetz aufzunehmen.
In Hamburg werden bis zur Stunde die Versorgungsempfänger lediglich pauschal übergeleitet. Auf einen entsprechenden Antrag des DGB-Landesbezirks Nordmark hat die SPD-Fraktion jedoch bereits am 1. November 1961 dem Deutschen Gewerkschaftsbund schriftlich erklärt, daß sie ihre bisherigen rechtlichen Bedenken bezüglich der Überleitung der Altversorgungsempfänger in die jetzige Besoldungsordnung nicht mehr aufrechterhalte.
Das Land Schleswig-Holstein hat für die Altversorgungsempfänger am 1. Oktober 1961 die sogenannte spitze Überleitung durchgeführt. Mit Beschluß vom 18. Dezember 1961 hat der Schleswig-Holsteinische Landtag das Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsrechts verabschiedet. Dieses Gesetz sieht vom 1. Januar 1962 an die strukturelle Überleitung für alle Versorgungsempfänger vor.
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am 13. November 1961 einen CDU-Antrag, der die strukturelle Überleitung der Altpensionäre betrifft, in erster Lesung an den Besoldungsausschuß des Landtags überwiesen.
In Niedersachsen beabsichtigen die Parteien der Regierungskoalition, im Frühjahr dieses Jahres eine entsprechende Neuregelung zu beschließen.
In Bremen ist schon seit Jahren die strukturelle Überleitung in Kraft, das heißt: die Altpensionäre sind den aktiven Beamten besoldungsrechtlich gleichgestellt.
Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat dem Landtag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die strukturelle Überleitung der Versorgungsempfänger vorsieht. Besonders bemerkenswert ist dabei die Tatsache, daß die sogenannte strukturelle Überleitung als beamtenrechtlicher Grundsatz eingeführt wird und damit auch auf zukünftige Änderungen des Landesbesoldungsgesetzes anzuwenden ist.
Die saarländische Landesregierung will mit einem Gesetzentwurf ebenfalls die strukturelle Überleitung aller Versorgungsempfänger, und zwar ohne Stichtagregelung, einführen.
Aus dieser Übersicht können Sie entnehmen, daß bei der Mehrzahl der Länder keine beamtenrechtlichen Bedenken gegen strukturelle Überleitungen bestehen. Im Hinblick auf die durch die Bundesregierung bereits mehrfach angekündigte Besoldungsnovelle erscheint es uns notwendig, die beim Bundesministerium des Innern nach wie vor bestehenden Bedenken gegen eine strukturelle Überleitung durch die Annahme eines entsprechenden Antrages auszuräumen. Es handelt sich also nicht darum, Herr Bundesminister, wieder eine Rosine herauszupicken, sondern es geht darum, die Bedenken, die in Ihrem Hause gegen eine strukturelle Oberleitung bestehen, durch einen angenommenen Antrag dieses Hauses zu beseitigen.
Es wäre mir nicht schwergefallen, den von der SPD-Fraktion eingebrachten Antrag auf Anpassung der Versorgungsbezüge an die strukturellen Änderungen des Bundesbesoldungsgesetzes, Drucksache
IV/145, mit den Ausführungen von Sprechern der CDU/CSU- oder FDP-Fraktionen in den einzelnen Ländern zu begründen. Ich will jedoch niemanden in Verlegenheit bringen und vertraue auf Ihren Gerechtigkeitssinn und Ihre Sachkunde in dieser Frage.
Ich bitte Sie deshalb, diesen Antrag anzunehmen.
({0})
Herr Abgeordneter Brück!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Gscheidle hat am Schluß seiner Ausführungen um Annahme des Antrages gebeten. Ich halte es aber für sinnvoll, Herr Kollege Gscheidle, daß wir diesen Antrag zunächst nach gutem altem Brauch an die zuständigen Ausschüsse 'überweisen, und zwar an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend -.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Wer für die Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - ist, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie gemäß 1§ 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes ({0}).
In dieser Frage ist zunächst einmal der Geschäftsordnungsausschuß zu hören. Der Antrag betrifft die geschäftliche Behandlung bestimmter Vorlagen. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir den Antrag Drucksache IV/189 an den Geschäftsordnungsausschuß überweisen? - Es ist so beschlossen.
Punkt 22 der Tagesordnung, der Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes, soll am 16. Februar aufgerufen werden. Damit ist die heutige Tagesordnung erledigt. - Frau Dr. Weber zu einer allgemeinen Bemerkung!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich war heute morgen sehr erstaunt, wollte aber keine Debatte über diese Frage hervorrufen: Die Sozialcharta gehört nicht in den Bereich des Bundesministeriums des Innern, sondern in den Bereich des Bundesarbeitsministeriums, das hier gar nicht vertreten war. Ich weiß nicht, ob es überhaupt eingeladen worden ist.
Ich habe sieben bis zehn Jahre an der Sozialcharta mitgearbeitet und dabei in erster Linie mit dem Arbeitsministerium zusammengearbeitet. Wie es gekommen ist, daß man die Sozialcharta als Fürsorgegesetz angesehen hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall möchte ich diese Bemerkung machen, aber keine Debatte anregen. Die Sozialcharta ist ein sozialpolitisches Gesetz, und ich möchte, daß sich der ganze Bundestag dessen bewußt ist.
({0})
Wir sind der Frau Abgeordneten Weber alle für diesen Hinweis dankbar. Ich muß gestehen, ich selber habe es gar nicht bemerkt.
({0})
- Es ist immer gut, wenn außer dem Präsidenten auch die Mitglieder des Hauses aufpassen, was hier geschieht. Jedenfalls, Frau Kollegin Dr. Weber, herzlichen Dank für Ihren Hinweis!
Ich berufe den Bundestag ein auf Freitag, den 16. Februar 1962, 9 Uhr. Die übernächste Sitzung wird am Donnerstag, dem 22. Februar, stattfinden.
Ich schließe die heutige Sitzung.