Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 5. Juni 1964 gemäß § 6 des Gesetzes über eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft vom 31. 'Dezember 1960 ({0}) den vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft am 29. Februar 1964 erstatteten Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft sowie die Stellungnahme der Bundesregierung hierzu übersandt. Der Bericht ist als Drucksache IV/2320 verteilt. Er wurde vom Präsidenten des Bundestages gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Wirtschaftsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Mittelstandsfragen - mitberatend - überwiesen.
Wir beginnen mit der
Fragestunde ({1}).
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage V/1 - des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert -:
Welche Erfahrungen wurden seit dem 1. Juli 1963 mit dem NATO-Truppenstatut und den Zusatzvereinbarungen gemacht, soweit es sich um die Regelung der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über die ausländischen NATO-Truppen in der Bundesrepublik handelt?
Ermittlungs- oder Strafverfahren, die in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallen, sind bisher nicht anhängig geworden. Ich kann daher nur die Erfahrungen wiedergeben, welche die Landesjustizverwaltungen gemacht haben. Diese Erfahrungen sind - nach Anfangsschwierigkeiten - bis jetzt positiv. Es läßt sich heute aber vor allem feststellen, daß die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Gerichten und Behörden und den Alliierten gut ist.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in letzter Zeit amerikanische Militärgerichte in einer größeren Anzahl von Fällen Urteile ausgesprochen haben, die nach unserem Rechtsempfinden nicht richtig sind und die darüber hinaus die berechtigten Interessen vieler deutscher Staatsbürger erheblich gefährden?
Mir ist nur ein Fall bekannt, nämlich der der beiden Soldaten - ich glaube, es sind sogar amerikanische Offiziere -, die in mehreren Fällen Kraftwagen geplündert haben. In diesem Fall wurden diese Offiziere aus der Armee entlassen, also der Gerichtsbarkeit entzogen. Nur dieser eine Fall ist mirbekannt. Hier lag sicher ein Mißgriff vor.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Verfolgung von Verkehrsdelikten, die amerikanische Soldaten begangen haben, oftmals deshalb nicht möglich ist, weil die Vorgänge den deutschen Dienststellen zu spät vorgelegt werden - wodurch dann in den meisten Fällen Verjährung eingetreten ist -, obwohl die deutschen Dienststellen die ausschließliche Gerichtsbarkeit für sich zu beanspruchen hallen?
Ich darf davon ausgehen, daß bekannt ist, daß bei Verkehrsdelikten - soweit es sich um 'amerikanische und englische Soldaten handelt - die deutschen Gerichte zuständig sind. Sie rügen ja in Ihrer Zusatzfrage, daß die Fälle nicht schnell genug an die deutschen Gerichte weitergegeben werden. Es ist nun aber so, daß die deutschen Gerichte mit der Verjährung etwas vorsichtig umgehen und nicht in allen Fällen die Verjährung anerkennen.
Ich will aber gern diesen Fällen nachgehen und überprüfen, wie gewährleistet werden kann, daß Verkehrsdelikte von den Alliierten schneller an die deutschen Gerichte herangetragen werden.
Frage V/2 - des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert -:
Hat sich der in Artikel 19 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut durch die Bundesrepublik ausgesprochene allgemeine Verzicht auf ihr Vorrecht der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit in der Praxis dahin gehend ausgewirkt, daß die deutsche Strafgerichtsbarkeit eingeschränkt wurde?
Im Vergleich zu der Rechtslage, die nach idem Truppenvertrag bestand, ist die Ausübung der deutschen Strafgerichtsbarkeit durch das NATO-Truppenstatut grundsätzlich erweitert worden. Allerdings ist sie
dann wieder sehr stark eingeschränkt worden durch den allgemeinen Verzicht der Bundesrepublik auf das Vorrecht zur Ausübung der Strafgerichtsbarkeit. Dieser Verzicht kann seinerseits aber wieder in Einzelfällen zurückgenommen werden, und er wird in besonders schwerwiegenden Fällen zurückgenommen, wie Sie 2. B. der heutigen Presse entnehmen können: Vor dem Schwurgericht Bonn ist gestern der belgische Soldat Smet wegen Mordes an einer deutschen Serviererin zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Das ist also ein Fall, wo dieser Verzicht zurückgenommen worden ist.
Es gibt weitere Ausnahmen; ich habe eben schon einige erwähnt. Die gesamten Verkehrsdelikte amerikanischer und britischer Soldaten liegen ebenfalls in der Hand der deutschen Gerichte.
Zusammenfassend kann man sagen, daß - jedenfalls gegenüber dem früheren Zustand unter dem Truppenvertrag - der heutige Zustand einschließlich des .generellen Verzichts keine Einschränkung, sondern eine Ausdehnung der deutschen Strafgerichtsbarkeit bedeutet.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen vertretene Auffassung von sehr vielen Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht geteilt wird, daß diese Staatsanwaltschaften und Gerichte vielmehr der Auffassung sind, daß durch die neue Regelung die deutsche Zuständigkeit beim besten Willen nicht erweitert worden ist?
Es mag sein, daß diese Auffassung vertreten wird. Mir sind aber auch andere Gerichte bekannt, die die gegenteilige Auffassung vertreten und die der Ansicht sind - man kann darüber natürlich streiten -, daß es eine wesentliche Entlastung der deutschen Gerichtsbarkeit bedeutet, wenn sie sich nicht mit sehr vielen Fällen dieser Art zu befassen hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es nicht so, daß nach der bisherigen Praxis der allgemeine Verzicht nach Art. 19 Abs. 1 entschieden zu weitgehend ist, daß darüber hinaus der im Zusatzprotokoll zu Art. 19 - wie Sie schon erwähnten - festgelegte Vorbehalt betreffend den Widerruf der alliierten Zuständigkeit, wie die Praxis erwiesen hat, auch entschieden zu eng ist, so daß oftmals deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte in irgendwelchen Fällen, wo echte deutsche Interessen berührt sind, den Fall nicht an sich ziehen können?
Man kann das nach der kurzen Zeit, die diese Regelung gilt, noch nicht abschließend sagen. Ich darf noch feststellen, daß auch in anderen NATO-Staaten in 60 bis 90 % der Fälle der sogenannte Aufnahmestaat zugunsten des Entsendestaates auf seine Zuständigkeit verzichtet. Wir haben ja in Art. 82 des Vertrags eine Überprüfungsklausel, die die Möglichkeit gibt, diese Regelung zu überprüfen. Nachdem sie erst ein Jahr in Kraft ist, wäre es, glaube ich, zu früh, das zu tun. Aber wir werden die Möglichkeit haben.
Danke schön.
Frage V/3 - des Herrn Abgeordneten Josten -:
Wie steht die Bundesregierung zur Forderung des Deutschen Kinderschutzbundes, die von unmündigen Jugendlichen geschlossenen Ehen in Gretna-Green für ungültig zu erklären?
Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß die von unmündigen Jugendlichen in Schottland geschlossenen Ehen unerwünscht sind. Es besteht nach geltendem deutschen Rechtszustand die Möglichkeit, daß der gesetzliche Vertreter, ohne dessen Einwilligung eine solche Ehe geschlossen worden ist, die Aufhebung der Ehe verlangt. Das hat dann dieselbe Folge wie die Scheidung der Ehe.
Unsere heutige Auffassung von Ehe und Familie, wie sie auch in einem Bericht des Rechtsausschusses dieses Hohen Hauses zum Familienrechtsänderungsgesetz zum Ausdruck gekommen ist, geht dahin, daß sich der Staat bei Eingriffen in die Familiensphäre größtmögliche Zurückhaltung auferlegen soll. Diesem Grundsatz würde es zunächst einmal widersprechen, wenn nicht die Eltern in Form der Aufhebungsklage, sondern der Staat, indem er solche Ehen von vornherein für nichtig erklärt, die Folgerungen aus einer solchen Situation ziehen würde. Ich gebe aber gerne zu, daß man sich überlegen muß, ob es nicht doch notwendig wird, solche Folgerungen zu ziehen, wenn nämlich erstens diese Eheschließungen einen noch größeren Umfang annehmen würden, und zweitens vor allem, wenn sich herausstellt, wie sich diese bisher in Schottland geschlossenen Ehe entwickelt haben. Darüber fehlt uns bis jetzt das Material. Wir werden uns bemühen, es zu bekommen. Nur dann können wir beurteilen, ob es tatsächlich notwendig ist, einen so weitgehenden Eingriff vorzunehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, nach Ihren Darlegungen darf ich Sie fragen, ob Sie also bereit sind, in Ihrem Hause weitere Überlegungen .anzustellen, wie im Interesse der unmündigen Jugendlichen und auch im Interesse ?der Eltern dem Anliegen des deutschen Kinderschutzbundes entsprochen werden kann. Würden Sie mirgegebenenfalls über das Ergebnis eine schriftliche Mitteilung zukommen lassen?
Jawohl, das werde ich gerne tun.
Danke sehr.
Frage V/4 - des Herrn Abgeordneten Burgemeister -:
Ist der Bundesregierung die Behauptung bekannt, daß manche Strafverfolgungsbehörden in der letzten Zeit eine gewisse Zurückhaltung und damit verbunden eine Bereitschaft zur Einstellung von Ermittlungsverfahren bei Warendiebstählen, insbesondere in Selbstbedienungsläden und abteilungen des Einzelhandels, üben?
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, zitierte Behauptung ist der Bundesregierung nicht bekannt. Wohl aber ist der Bundesregierung bekannt, daß im Vergleich zur Zahl der Selbstbedienungsläden, nämlich 23 000, die Zahl der bekanntgewordenen und auch verfolgten Diebstähle aus solchen Läden mit 43 000 pro Jahr verhältnismäßig gering Ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, .ist der Bundesregierung bekannt, daß es ständige Praxis der großen Gesellschaften in Amerika ist, die Selbstbedienungsläden betreiben, derartige Diebstähle nicht strafrechtlich verfolgen zu lassen?
Diese amerikanische Praxis ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich V sind erledigt.
VI. Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Fragen VI/1, VI/2 und VI/3 - der Frau Abgeordneten Schanzenbach -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bund Deutscher Zollbeamten, Landesbezirk Südbaden, sich auf der Jahrestagung in Offenburg gegen die geplante Zusammenlegung der mittelbadischen Hauptzollämter Kehl, Lahr und Baden-Baden zu einem „Mammut-Zollamt Offenburg gewandt hat?
Teilt die Bundesregierung die Bedenken des Bundes Deutscher Zollbeamten gegen ein „Mammut-Zollamt" Offenburg?
Welche Vorteile verspricht sich die Bundesregierung von der in Frage VI/1 erwähnten, geplanten Zusammenlegung?
Die Ausführungen des Bundes der Deutschen Zollbeamten auf der Hauptversammlung des Bezirksverbandes Südbaden Anfang Juni 1964 sind der Bundesregierung bekannt. Sie decken sich in dieser Form nicht mit den Absichten des Bundesfinanzministeriums. Die erhobenen Bedenken sind daher gegenstandslos. Es trifft zwar zu, daß im Zuge der weiteren Entwicklung der EWG und im Verlauf von Rationalisierungsmaßnahmen der Bundeszollverwaltung auch in den nächsten Jahren mit der Aufhebung weiterer Zolldienststellen im gesamten Bundesgebiet zu rechnen ist. Auch die sieben Hauptzollämter im Bezirk der Oberfinanzdirektion Freiburg werden verringert werden müssen. An die Errichtung eines sogenannten „Mammut-Zollamts" in Offenburg, das die jetzigen Hauptzollbezirke Lahr, Kehl und Baden-Baden umfassen soll, ist aber entgegen den Befürchtun,gen des Zollbeamtenbundes nicht gedacht.
Ich darf noch folgendes hinzufügen. Die Aufhebung eines Hauptzollamtes berührt die Wirtschaft im allgemeinen nur wenig, weil die Zollbeteiligten meistens nur mit den Zollämtern zu tun haben und in der Riegel ein Zollamt dort bestehenbleibt, wo ein Hauptzollamt aufgelöst wird. Im Gegensatz zu anderen Zollverwaltungen sind in der deutschen Zollverwaltung Hauptzollämter zwischen den Oberfinanzdirektionen und den örtlichen Zollämtern eingeschaltet. Sie haben vorwiegend Verwaltungsaufgaben. Wenn in Zukunft infolge des Wegfalls von Hauptzollämtern größere Verwaltungsbezirke gebildet werden, so ergeben sich personelle und sächliche Einsparungen, die letzten Endes am Steuerzahler zugute kommen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Rinderspacher!
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß das Hauptzollamt in Lahr oder zumindest eine Nebenstelle in Lahr erhalten bleibt?
Herr Abgeordneter, die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen, welches der Hauptzollämter aufgelöst werden soll. In erster Linie gehen allerdings die Überlegungen in die Richtung, daß das Hauptzollamt Lahr aufgehoben und auf die benachbarten Hauptzollämter aufgeteilt wird. Wie aber schon erwähnt, wird dann in Lahr ein Zollamt bestehenbleiben.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Hauptzollamt in Lahr wesentlich größere Bedeutung hat als die bisherigen Zollämter in Offenburg und Baden-Baden, und zwar auf Grund des größeren industriellen Potentials und vor allen Dingen der besonderen industriellen Verhältnisse in der Stadt Lahr in bezug auf Tabak, Alkohol und Export?
Herr Abgeordneter, ich sagte bereits, daß unsere Überlegungen noch nicht abgeschlossen sind. Es ist auch erst ein noch in weiter Zukunft liegender Termin, ungefähr der 1. Januar 1967, für die Aufhebung in Aussicht genommen. Bis dahin ist also noch sehr viel Zeit für Überlegungen und Entschlüsse, die dann auch Ihre Bedenken ausräumen könnten.
Ich rufe auf die Frage VI/4 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -:
Wann wird die Bundesregierung zu dem ihr vom Bundesrat am 12. Juli 1963 zugeleiteten Entwurf eines Gesetzes über Ausgleichsbeträge für Betriebe des Bundes und der Länder sowie für gleichgestellte Betriebe Stellung nehmen und die Vorlage gemäß Artikel 76 Abs. 3 GG dem Deutschen Bundestag zuleiten?
Der vom Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf und der Entwurf einer Stellungnahme der Bundesregierung liegen jetzt dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung vor. Mit dem Beschluß des Bundeskabinetts ist in allernächsten Zeit zu rechnen. Der Gesetzentwurf und die Stellungnahme der Bundesregierung werden dem Deutschen Bundestag sodann unverzüglich zugeleitet werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es an der Zeit ist, daß sich die Bundesregierung einmal mit der Frage beschäftigt, in welchen Fristen sie Initiativanträge des Bundesrates behandeln will, zumal Ihr Haus bei einem anderen Antrag ebenfalls viele Monate gebraucht hat, bis dem Bundestag eine Entscheidung zugeleitet worden war?
Herr Abgeordneter, im Grundgesetz ist für die Weiterleitung eines im Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfs eine Frist nicht vorgesehen. Das ist Ihnen sicherlich bekannt. Trotzdem teile ich Ihre Auffassung, daß man vom Bundesrat eingebrachte Gesetzentwürfe beschleunigt auch dem Bundestag zuleiten sollte. Ich bitte aber zu berücksichtigen, daß der Gesetzentwurf des Bundesrates eine Reihe von Grundsatzfragen des Finanzausgleichs aufgeworfen hat, die von besonderer Kompliziertheit und Schwierigkeit gewesen sind; infolgedessen waren nicht nur mein Ressort, sondern auch die beteiligten Ressorts, insbesondere das Bundesinnenministerium, zu schwierigen Verhandlungen genötigt, die erst jetzt abgeschlossen werden konnten. Das ist Anfang Juni geschehen. Fünf Tage oder eine Woche darauf ist die Stellungnahme der Bundesregierung zugeleitet worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß natürlich finanzielle Nachteile für die Länder entstünden, wenn der Bundestag die Vorlage positiv bescheiden sollte?
Unter der Voraussetzung, daß der Bundestag einem solchen Gesetz zustimmt, wie es der Bundesrat will, würde dann in der Tat infolge späteren Zeitpunkts des Inkrafttretens ein Nachteil eintreten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, sind bei diesem Entwurf oder bei den Betrachtungen, die darüber angestellt werden, auch die Garnisonen der Bundeswehr und der Alliierten berücksichtigt?
Die deutschen Garnisonen sind es sicherlich. Ich kann Ihnen aber noch nicht sagen, wie die endgültige Stellungnahme der Bundesregierung ausfallen wird. Bisher liegt nur die Stellungnahme der beteiligten Ressorts vor, und es bedarf noch einer Beschlußfassung des Bundeskabinetts.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, in Anbetracht dessen, daß die Gemeinden vor allen Dingen wegen ihres notwendigen Finanzbedarfs gespannt auf die Verabschiedung des Gesetzes warten, - wären Sie auch bereit, im Zusammenhang damit die Fragen der alliierten Garnisonen in die Überlegungen einzubeziehen?
Herr Abgeordneter, ich bin gern bereit, diese Überlegungen noch anzustellen, wenn das nicht ohnehin schon für die Betriebe der Stationierungskräfte der Alliierten vorgesehen ist. Ich kann aber auch hier nicht sagen, wie die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetz überhaupt ausfällt. Sollte sie negativ sein, so würden sich aus dieser Sicht wohl von vornherein weitere Überlegungen erübrigen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen! Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, Frage IX/1 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Wann ist damit zu rechnen, daß der vorgesehene verkürzte Grundwehrdienst zum Anlaufen kommt?
Ein verkürzter Grundwehrdienst von 12 Monaten ist seit dem 1. April 1963 für solche Abiturienten eingeführt worden, die Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie studieren wollen. Zu einem verkürzten Grundwehrdienst von sechs Monaten werden nach Maßgabe der Verfügbarkeit diejenigen Angehörigen der grundwehrpflichtigen Jahrgänge herangezogen, die noch nicht gedient, inzwischen aber ihre Approbation als Arzt, Zahnarzt oder Apotheker erhalten haben. Im übrigen wird es vor allen Dingen wegen der Knappheit an Ausbildern vorläufig noch nicht möglich sein, Wehrpflichtige in großer Zahl zu einem verkürzten Grundwehrdienst einzuberufen.
Die Frage ist beantwortet. Frage IX/2 - des Herrn Abgeordneten Spies -:
Sieht die Bundesregierung vor, zu bestimmen, daß in Härtefällen der volle Grundwehrdienst in Raten, jeweils etwa von Oktober bis zur Frühjahrsbestellung, abgeleistet werden kann, damit unabweisbare Härtefälle - besonders auch für die Landwirtschaft - bereinigt werden können?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Es ist nicht vorgesehen, für bestimmte Personengruppen eine Ableistung des Grundwehrdienstes in Raten einzuführen. Bei dem heutigen Stand der technischen Ausrüstung und mit Rücksicht auf die befohlene hohe Alarmbereitschaft der Bundeswehr ist ein hoher Ausbildungsstand der Verbände erforderlich, der nur durch eine kontinuierliche Ausbildung sichergestellt werden kann. Deshalb muß im Grundsatz an dem vollen und ununterbrochenen Grundwehrdienst der Wehrpflichtigen festgehalten werden.
Es besteht aber die Möglichkeit, in unabweisbaren Härtefällen zu helfen. Nach § 12 Abs. 4 des Wehrpflichtgesetzes soll ein Wehrpflichtiger vom Grundwehrdienst beispielsweise dann zurückgestellt werden, wenn er für die Erhaltung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unentbehrlich ist. Ist der Wehrpflichtige bereits Soldat, so kann er nach § 8 Abs. 3 der Soldatenurlaubsverordnung „aus wichtigem Grunde Urlaub unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge" erhalten, „wenn die Nichtgewährung des Urlaubs für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde". Aus den gleichen Gründen kann er unter Umständen auch entlassen werden. So § 29 Abs. 4 Nr. 1 des Wehrpflichtgesetzes.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Auslegung der Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit, dann wenigstens den verkürzten Grundwehrdienst zuzugestehen, sehr unterschiedlich ist?
Das ist mir durchaus bekannt. Ich muß aber darauf hinweisen, daß die Bundeswehr auf Grund ihres Auftrages in erster Linie gehalten ist, ihre Einsatzbereitschaft sicherzustellen, und dazu gehört es, daß man die Verbände ,auf bestimmte Zeit wenigstens zusammen hat. Der ständige Wechsel in den Verbänden und Einheiten ist dem Stand der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr außerordentlich abträglich. Ich habe aber, Herr Abgeordneter, darauf hingewiesen, daß es in Einzelfällen durchaus möglich ist, begründeten Anträgen auf Beurlaubung oder Entlassung wegen dieser häuslichen oder familiären Verhältnisse zu entsprechen.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen auch bekannt, daß gerade auf Grund der vielen und häufig leichtfertig durchgeführten Zurückstellungen doch viele damit rechnen, daß sie eben vor dem 25. Lebensjahr nicht mehr eingezogen werden? Auch da sündigen nämlich viele.
Dieser Umstand ist mir bekannt.
Darauf ist die Einbringung einer Dritten Novelle zum Wehrpflichtgesetz zurückzuführen, die das Auswahlverfahren ändern, das Losverfahren abschaffen und die Auswahl nach Eignung und Tüchtigkeit gewährleisten soll.
Ich rufe die Frage IX/3 - des Herrn Abgeordneten Fritsch - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Hilfsleistungen der Bundeswehr beim Bau von Sportplätzen mehr als bisher zu fördern?
Die Bundeswehr wird wie bisher so auch weiterhin beim Bau von Sportplätzen helfen. Ein verstärkter Einsatz findet jedoch seine Grenze darin, daß nur Plätze in Frage kommen können, die in angemessener Entfernung von den Standorten entsprechend ausgerüsteter Einheiten liegen, ferner darin, daß der Ausbildungsgang der Einheiten und ihre Alarmbereitschaft nicht beeinträchtigt werden. Im übrigen muß die Bundeswehr auch darauf achten, daß sie nicht in Konkurrenz zu Unternehmen der Wirtschaft tritt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß 7. B. die alliierten Streitkräfte in der Hilfestellung für Gemeinden und Sportvereine, die Turn- und Sportplätze errichten, wesentlich großzügiger sind und daß zum anderen viele Anträge von Baulastträgern dieser Art bisher abgelehnt worden sind, weil zum einen entweder das Ausbildungsinteresse der Truppe verneint wurde oder die nach Ziffer 11 der Richtlinien in Rechnung zu stellenden Kosten so hoch sind, daß es für die jeweiligen Gemeinden oder Sportvereine völlig unrealistisch ist, die Hilfe in Anspruch zu nehmen?
Es war mir bei der Kürze meiner Amtszeit noch nicht möglich, mich eingehend mit diesen Fragen zu beschäftigen. Ich bin aber für Ihren Hinweis dankbar und werde die Sache aufgreifen und ihr nachgehen.
Darf ich das dann so verstehen, Herr Staatssekretär, daß Sie bereit sind, die Richtlinien zur Förderung der Ausbildung der Truppen der Bundeswehr durch Übernahme von Aufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet dahin gehend zu überprüfen und zu berücksichtigen, daß z. B. im Jahre 1963 mit einer mir zugegangenen Mitteilung Ihres Hauses die Bundeswehr in nur acht Fällen beim Bau von Sportplätzen tätig geworden ist, darunter wiederum nur in drei Fällen, in denen nach Ziffer 14 der Richtlinien auf Erstattung der dabei anfallenden Kosten, wie sie nach Ziffer 11 vorzunehmen ist, ganz verzichtet worden ist?
Ich sage eine Überprüfung der Richtlinien zu und werde Ihnen das Ergebnis mitteilen.
Ich rufe die Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Weigl - auf:
Ist ,dem Herrn Bundesverteidigungsminister bekannt, daß die ursprünglich nur als Übergangslösung gedachte Stationierung eines Teils der Panzergrenadierbrigade 10 in Ebern bei Bamberg wegen der großen Entfernung zum Kommando der Brigade in Weiden ({0}) fast zwangsläufig zu Unzulänglichkeiten führen muß?
Ich bitte um die Erlaubnis, die Fragen 4 und 5 des Herrn Abgeordneten Weigl wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Ich rufe also noch die Frage IX/5 - des Herrn Abgeordneten Weigl - auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt gedenkt der Herr Bundesverteidigungsminister das in Frage IX/4 angesprochene Problem durch Verlegung des Bataillons von Ebern nach Garnisonsorten im nordoberpfälzischen Raum zu lösen?
Es ist bekannt, daß sich Schwierigkeiten verschiedener Art daraus ergeben, daß das Panzergrenadierbataillon in Ebern verhältnismäßig weit vom Standort des Brigadekommandos disloziert ist. Es ist dennoch nicht daran gedacht, das Bataillon in den nordoberpfälzischen Raum zu verlegen. Im Interesse der Konsolidierung, vor allem aber im Interesse der betroffenen Familien sollen Verlegungen geschlossener Verbände vermieden werden.
Es wird deshalb in erster Linie geprüft, ob die Unterstellung des Bataillons unter eine nähergelegene Kommandobehörde möglich ist. Die Errichtung neuer Garnisonen im nordoberpfälzischen Raum hängt von einer Entscheidung der französischen Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik ab, die ich in Kürze erwarte. Nach Eingang dieser Entscheidung bin ich gern bereit, Sie, Herr Abgeordneter, im einzelnen zu informieren.
Frage IX/6 - Herr Abgordneter Cramer -:
Was gedenkt die Bundesregierung angesichts der zahlreichen und begründeten Beschwerden der Bevölkerung der Gemeinde Schortens-Heidmühle über den störenden Lärm der Düsenjäger F 104 zu tun, um die Störung der Zivilbevölkerung und des Schulbetriebes auf ein erträgliches Mindestmaß herabzumindern?
Ist der Herr Abgeordnete Cramer anwesend? - Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Ich kann nicht bestreiten, Herr Abgeordneter, daß die Gemeinde Schortens-Heidmühle durch den Lärm der in Jever stationierten Überschallflugzeuge belästigt wird. Vor der Belegung des Flugplatzes Jever mit der Waffenschule F 104 ist nach allen Richtungen geprüft worden, ob ein anderer Platz in Frage kommen könnte. Es ergab sich jedoch keine Alternativlösung.
Wie hier schon oft vorgetragen worden ist, fordert die NATO zur Herstellung und Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft eine bestimmte Zahl von Schulflügen und Flugübungen. Sie sind unvermeidlich. Durch die Lärmeinwirkung wird leider nicht nur die Gemeinde Schortens-Heidmühle betroffen. Die Bundeswehr versucht alles, um die Bevölkerung vor der Belästigung durch den Flugbetrieb zu bewahren. So verlegen wir die Ausbildung der Piloten von Strahlflugzeugen weitgehend, die Grundausbildung sogar vollständig in die Vereinigten Staaten. Wir können aber nicht die Waffenschule Jever ins Ausland verlegen.
Dem Schutz der Bevölkerung gegen Lärmbelästigungen dienen Anordnungen, die den Flugbetrieb auf das unbedingt nötige Maß begrenzen. Dazu gehört unter anderem das Verbot des Flugbetriebes an Sonn- und Feiertagen. Zur Einschränkung des auf den Prüfständen entstehenden Lärms sind technische Vorkehrungen in Vorbereitung, mit deren Einrichtung etwa im Laufe des nächsten Monats gerechnet werden kann.
Ich bitte Sie also, überzeugt zu sein, daß alles Menschenmögliche getan wird, um die Belästigungen auf ein erträgliches Mindestmaß herabzumindern. Ich muß aber andererseits auch darauf hinweisen, daß unser Verteidigungsbeitrag von allen Opfer erfordert. Dazu gehört die Hinnahme nicht vermeidbarer Störungen durch den Flugbetrieb.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Gemeinde - sowohl der Rat der Gemeinde als auch die Verwaltung - mit aller Entschiedenheit die Verlegung der Luftwaffenschule aus diesem Ort verlangt, und zwar deshalb, weil die Belästigung - im Gegensatz zu den Beruhigungsversuchen, die Sie und Ihre Truppenvertreter machen - so stark ist, daß der Schulbetrieb nicht mehr gewährleistet ist, daß die Lehrer sich weigern, in Zukunft die Kinder noch zu unterrichten, wenn der Lärm nicht aufhört, daß die Eltern sich weigern wollen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, weil die Kinder zu Hause bis in die Nacht hinein keine Ruhe bekommen, um sich für den nächsten Tag vorzubereiten? Der Lärm ist so schlimm, daß ältere Leute sich zu Boden werfen, wenn das Geräusch der Düsenjäger ertönt, weil sie einfach nicht wissen, wie sie sich retten sollen. Es ist also eine ganz große Belästigung. Im Augenblick sind es 26 Maschinen, demnächst sollen es 140 Maschinen sein. Das wird unerträglich. Sie werden Überlegungen anstellen müssen, was Sie unternehmen wollen, um diesen Lärm zu beseitigen.
Herr Abgeordneter, ich habe bereits mein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht,
daß diese Lärmbelästigungen eintreten. Auf der anderen Seite stehen der Bundeswehr keine anderen Plätze zur Verfügung. Es wird noch einmal geprüft werden, ob eine Verlegung der Start- und Landebahn möglich ist. Der Ort Schortens-Heidmühle liegt, wie ich mich überzeugt habe, genau in der Anflugrichtung der Flugzeuge. Ich muß aber darauf hinweisen, daß die Verlegung der Start- und Landebahn einen erheblichen Landerwerb zur Voraussetzung hätte und allein diese Verlegung einen Kostenaufwand von 40 bis 60 Millionen erfordern würde.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, billigen Sie die Auskünfte der Truppenoffiziere, die der Meinung sind, die Einrichtung der Luftwaffenschule in Schortens-Heidmühle sei auf Veranlassung politischer Instanzen erfolgt, und wenn sich das ändern solle, müßten sich die Leute an den zuständigen Bundestagsabgeordneten halten?
Mir ist nicht bekannt, daß es sich dabei um eine Entscheidung politischer Instanzen gehandelt hätte, es sei denn, man würde sagen, die Entscheidung des Ministeriums, die Entscheidung der Bundeswehrführung sei eine politische Entscheidung.
Ihre Fragen sind erschöpft. - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in unmittelbarer Nähe der Einflugschneise einerseits das Olympia-Werk mit etwa 12 000 Beschäftigten und auf der anderen Seite das Krankenhaus Sanderbusch mit 1000 Belegungen liegen, und ist garantiert, daß die Piloten über die Sicherheitsvorschriften informiert werden und daß bei den Ein- und Ausflügen hier kein Schaden passiert?
Die Piloten der Flugzeuge, Herr Abgeordneter, sind selbstverständlich über die Flugvorschriften orientiert, über deren Einhaltung streng gewacht wird.
Zweite Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß diejenigen Einwohner von SchortensHeidmühle, Wilhelmshaven und Umgebung, die sich über die Lärmbelästigungen beschwert haben, von Beamten des Verfassungsschutzes vernommen wurden, und halten Sie das für richtig?
Mir ist davon nichts bekannt. Ich wüßte auch nicht, welche Veranlassung dazu bestehen sollte.
Würden Sie das nachprüfen können?
Das würde ich nachprüfen. Sie sagen, daß es sich um Beamte des Verfassungsschutzamts - des Bundesamts für Verfassungsschutz? ({0})
gehandelt hat?
({1})
- Dann werde ich der Sache selbstverständlich nachgehen, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, worin die sorgfältige Prüfung bei Verlegung der Schule von Nörvenich nach Jever bestanden hat, durch die eine Belästigung von 300 Einwohnern aufgehört hat und jetzt eine Belästigung einer Vielzahl von Einwohnern, vor allen Dingen von Krankenhauspatienten, erfolgt, und welche Maßnahmen sind getroffen worden, um der Unfallgefahr zu begegnen?
Die Waffenschule F 104 ist ursprünglich in Nörvenich im Zusammenhang mit der Umrüstung des Nörvenicher Geschwaders eingerichtet worden. Das Nörvenicher Geschwader war das erste Geschwader der Bundesluftwaffe, das auf F-104-Maschinen umgerüstet worden ist. Nachdem die Umrüstung dieses Geschwaders durchgeführt worden war, stand es wieder vollständig für den Einsatz zur Verfügung. In diesem Augenblick war es wegen der Massierung in Nörvenich nicht mehr vertretbar, auch noch die Waffenschule F 104 dort zu belassen, weil sich die Aufgaben des Einsatzgeschwaders Nörvenich und die Aufgaben der Waffenschule F 104 überschnitten hätten.
Es kommt hinzu, daß nach den NATO-Vorschriften wegen der hohen Empfindlichkeit dieser Ziele eine Dislozierung der Geschwader durchgeführt werden muß. Das war also der Grund, weswegen die Waffenschule F 104 nicht länger in Nörvenich bleiben konnte.
Es sind dann Überlegungen angestellt worden, auf welchen Platz man sie verlegen könnte. Da es sich um Einrichtungen mit Überschallflugzeugen handelt, ist es notwendig, entsprechend vorbereitete Plätze auswählen. So kam es, daß der Platz Jever für die Unterbringung der Waffenschule in Betracht gekommen ist und ausgewählt worden ist. Sie wissen, daß wir in der Bundesrepublik ohnehin knapp an Raum und an Plätzen sind und daß wir aus diesen Gründen bereits versuchen, soviel Ausbildung wie möglich in das Ausland zu verlegen, einmal aus Raumgründen, zum anderen aber auch zum Schutz und mit Rücksicht auf unsere eigene Bevölkerung.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, durch Verhandlungen mit den beteiligten Behörden nach Wegen zu suchen, diese Belästigungen herabzumindern, und scheint Ihnen eine Ausgabe von 40 bis 60 Millionen DM im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung, die betroffen ist, dann nicht auch wirklich angebracht?
Ich bin gerne bereit, die Frage noch einmal zu überprüfen. Vor allen Dingen bin ich selbstverständlich bereit, mit den Vertretern der kommunalen Behörden und Instanzen Verhandlungen aufzunehmen.
Die Frage ist beantwortet. Ich rufe die Frage IX/7 - des Abgeordneten Felder - auf:
Auf welche Veranlassung haben Bundeswehrangehörige Ende Mai 1964 - unter Verwendung eines Spezialfahrzeugs der Bundeswehr - in Bayerisch Gmain, Kirchholzstraße 2, beim Einbau eines großen Stahlschwimmbassins mitgewirkt, das dem Schwager des Herrn Bundeskanzlers gehört?
Die Veranlassung zur Hilfeleistung durch die Bundeswehr ist von der mit dem Einbau des Stahlschwimmbeckens beauftragten Baufirma ausgegangen. Der Bauherr war davon nicht unterrichtet. Die Bundeswehr ist um Hilfe gebeten worden, weil das Schwimmbassin vorzeitig geliefert wurde und ein privater Kranwagen kurzfristig nicht zur Verfügung stand.
Die Übernahme solcher Arbeiten ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Grundbedingung ist die Förderung der Ausbildung. Die näheren Einzelheiten sind in sehr ausführlichen und veröffentlichten Richtlinien über die Förderung der Ausbildung der Truppen der Bundeswehr durch Übernahme von Arbeiten auf wirtschaftlichem Gebiet geregelt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind der beteiligten Baufirma die Kasten der Hilfeleistung durch die Bundeswehr in Rechnung gestellt worden?
Jawohl, diese Kostenstellung ist erfolgt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Bundeswehr den Bundesbürgern zwar in bestimmten Fällen für öffentliche Aufgaben oder bei Unglücksfällen helfend beispringen soll, wie sie das bisher oft in hervorragender Weise getan hat, daß es sich hier aber um einen Vorgang handelt, der wegen der Bevorzugung eines bestimmten Bundesbürgers als nicht korrekt bezeichnet werden muß?
Ich würde dieser Auffassung nicht beipflichten; denn in diesem Falle ist, wie ich mich überzeugt habe, sorgfältig geprüft worden, ob die Voraussetzung zu einer Hilfeleistung vorliegt. Die in Betracht kommende Einheit der Bundeswehr hat diese Gelegenheit, den Kranwagen einzusetzen, deshalb gern benutzt, weil der Kranführer erst vor kurzer Zeit seine Prüfung abgelegt hat und es sich um die Versenkung eines Stahlschwimmbassins in eine vorher bereitete Grube gehandelt hat, die im Ausbildungsinteresse nützlich erschien.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Staatssekretär, deckt sich die Antwort, die Sie eben gegeben haben, mit Ihrer Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Fritsch?
Ich würde sagen, ja.
Keine Frage mehr! Damit sind die Fragen zu IX erledigt.
Ich rufe die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf, zunächst die Frage XI/1 - des Abgeordneten Dr. Rinderspacher -:
Sind dem Herrn Bundespostminister die Klagen der Industrie- und Handelskammer Villingen über zunehmende Wartezeiten im handvermittelten Fernsprechdienst in den Landkreisen Villingen und Donaueschingen bekannt?
Die erste Frage beantworte ich mit Ja.
Frage XI/2 - des Abgeordneten Dr. Rinderspacher -:
Welche Maßnahmen können getroffen werden, damit beispielsweise verhindert wird, daß Verbindungen vom Kurort Königsfeld im Schwarzwald nach Kehl am Rhein erst nach mehreren Stunden hergestellt werden oder ein Gespräch von dem gleichen Kurort zum Flugplatz Zürich-Kloten in zwei Tagen nicht hergestellt werden kann?
Die zweite Frage beantworte ich dahin gehend, daß nur ein Ausbau des Kabelnetzes den bisherigen Engpaß zu überbrücken hilft.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundespostminister, wann kann der Raum Villingen und Donaueschingen in etwa damit rechnen, daß durch einen Ausbau des Kabelnetzes die Misere behoben wird?
Wir haben bis vor wenigen Wochen die Planungen so vorgesehen, daß das Kabelnetz Zug um Zug verstärkt wird. Einen genauen Termin kann ich nicht nennen, weil ich nicht weiß, wie der Haushaltsplan 1965 aussieht, wie hoch die InvestiBundesminister Stücklen
tionsansätze sind und wie der Haushalt 1966 sein wind.
Eine Zusatzfrage!
Dann ist also im Jahre 1965 mit Sicherheit nicht damit zu rechnen, daß eine wesentliche Verbesserung der Telefonverhältnisse in dem Raum erfolgen kann?
So möchte ich es nicht sagen. Ich bin überzeugt, daß wir auch 1965 Maßnahmen durchführen können, die eine Verbesserung bringen. Aber ob wir das in dem Umfange tun können, wie wir es gerne möchten, hängt noch von dem Haushaltsvolumen ab.
Ich rufe die Frage XI/3 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) - sauf:
Können Telefongespräche, die über den öffentlich beweglichen Landfunkdienst ({1}) geführt werden, von jedem beliebigen Dritten - unbeschadet des rechtlichen Verbotes - ohne technische Schwierigkeiten über den UKW-Teil des Autoradios mitgehört werden?
Der öffentliche bewegliche Landfunkdienst und der Rundfunkdienst werden in verschiedenen Frequenzbereichen betrieben, so daß die Gespräche ides öffentlichen beweglichen Landfunkdienstes mit Rundfunkgeräten nicht ohne weiteres empfangen werden können. Es ist aber Tatsache, daß man mit dem UKW-Teil von Autoradios älterer Bauart unter bestimmten Voraussetzungen Sendungen des öffentlichen beweglichen Landfunkdienstes empfangen kann.
Die Deutsche Bundespost hat durch Verhandlungen mit der deutschen Industrie erreicht, daß ein Empfang von Gesprächen des öffentlichen beweglichen Landfunkdienstes mit neueren 'Geräten nicht mehr möglich ist. In welchem Umfang diese von der deutschen Industrie im allgemeinen beachtete Empfehlung auch von ausländischen Herstellern berücksichtigt wird, ist derzeit nicht zu übersehen.
Zusatzfrage!
Gibt es nicht andere technische Mittel, um sicherzustellen, daß beim Dienst „Telefon im Auto" das Fernsprechgeheimnis gewährleistet ist?
Technische Möglichkeiten gibt es, aber diese technischen Möglichkeiten wären für den Empfänger im Auto und auch für die Sendeeinrichtungen sehr aufwendig.
Kostenmäßig?
Kostenmäßig.
Sollten denn nicht mindestens alle Benutzer des Dienstes „Telefon im Auto" darauf aufmerksam gemacht werden, daß beim Telefon im Auto, jedenfalls soweit die älteren Geräte in Frage kommen, das Fernsprechgeheimnis nicht gewährleistet ist?
Wir wissen ja nicht, welche älteren Geräte in welchen Autos stecken.
Verzeihung, mir geht es jetzt darum, daß derjenige, der an dem Telefondienst teilnimmt, wissen muß, daß das Fernsprechgeheimnis nicht gewährleistet ist, und meine Frage zielt dahin, ob die Benutzer in der Öffentlichkeit nicht darauf aufmerksam gemacht werden sollten.
Ich habe diese Frage bisher so aufgefaßt, daß die Fernsprechteilnehmer die Fernsprechordnung und die Fernsprechbestimmungen kennen, und das heißt, daß derjenige, der ein Ferngespräch mithört, nicht davon Gebrauch machen kann und Gebrauch machen darf.
Was nicht sein darf, auch nicht sein kann! Mir geht es darum, daß die Leute wissen, daß das Fernsprechgeheimnis technisch nicht gewährleistet ist.
Ich weiß nicht -
Ihre Fragen sind erschöpft; das würde sonst zu einer größeren Anfrage ausarten. - Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß auch der Polizeifunk über UKW abgehört werden kann, so daß Verbrecher, die im Auto entwischen wollen, genau über die Bewegungen der Polizei unterrichtet sind?
Der Funkverkehr bei den Streifenwagen der Polizei läuft außerhalb des postalischen Netzes; es ist ein eigener Funkbetrieb.
({0})
Die Fragen sind erledigt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, zunächst zur Frage XII/1 - des Herrn Abgeordneten Hammersen -:
Welche Folgerungen beabsichtigt die Bundesregierung ,aus der im Auftrage des Bundeswohnungsbauministeriums durchgeführten Repräsentativ-Umfrage über den „angemessenen Wohnaufwand" zu ziehen, nach deren Ergebnis die Befragten im Durchschnitt 15,5 % ihres monatlichen Netto-Einkommens für Mietwohnungen und durchschnittlich 21,2 % ihres Netto-Einkommens bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen als „angemessene Wohnkostenbelastung" ansehen?
Wenn man die Ergebnisse der Umfrage als repräsentativ für das ganze Bundesgebiet unterstellt, ergibt sich folgendes:
1. Die Mietzahlungsbereitschaft der Haushalte liegt höher als die effektive durchschnittliche Mietbelastung. Diese betrug im Jahre 1960 nach den Ergebnissen der 1%igen Wohnungserhebung 9,6 %. Auch 1963 gaben nach den neuesten Angaben des Statistischen Bundesamtes z. B. 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen nicht mehr als 9 % ihres Nettoeinkommens für das Wohnen aus.
2. Das Ergebnis bestätigt die Ansicht der Bundesregierung, daß die Angleichung der Altbaumieten nach der Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft für den Durchschnitt der Bevölkerung zumutbar ist.
3. Das Ergebnis bestätigt ferner die im Wohnbeihilfengesetz getroffene Regelung, nach der im Mittel ungefähr 16 % des Einkommens vom Haushalt selbst für die Miete aufgewendet werden müssen, bevor die Beihilfe einsetzt.
4. Die Bereitschaft, für Eigenheime und Eigentumswohnungen eine höhere Belastung des Einkommens als bei Mietwohnungen auf sich zu nehmen, entspricht der Erfahrung, daß viele Familien bereit sind, für den Erwerb von Eigentum an Haus und Boden bis an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten zu gehen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wenn dem so ist, wäre es dann nicht zweckmäßig gewesen, in der Presseverlautbarung Ihres Hauses auch diese Gesichtspunkte der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Wir wollen das gern noch einmal prüfen und nachholen, wenn dazu Anlaß besteht.
Danke.
Frage XII/2 - des Herrn Abgeordneten Hammersen -:
Wird die Bundesregierung entsprechend einer im Auftrage des Bundeswohnungsbauministeriums von einem deutschen Meinungsforschungsinstitut in München und Bremen veranstalteten Befragung über die Wohnwünsche der deutschen Bevölkerung eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, aus der sich gegebenenfalls auch ergeben sollte, in welchem Umfange der Mietwohnungsbau in mehrgeschossigen Wohnblöcken oder sogar in Hochhäusern bevorzugt wird?
Die Wohnwünsche der Bevölkerung sind von der amtlichen Statistik zuletzt im Rahmen der einprozentigen Wohnungserhebung von 1960 erfaßt worden. Die Ergebnisse liegen, nach einer Vielzahl von Merkmalen untergegliedert, vor. Zur Zeit wird ein Gesetzentwurf vorbereitet, der für das Jahr 1965 eine ähnliche Erhebung vorsieht. Auch hierbei soll wieder nach den Wohnwünschen gefragt werden. Wir erwarten von einer Frage nach der Bevorzugung von Mietwohnungen in mehrgeschossigen Gebäuden und Hochhäusern kein verwertbares Ergebnis, denn bei der letzten Interviewerhebung 1960 hat sich gezeigt, daß fast die Hälfte der Befragten, die eine Mietwohnung anstrebten, sich nicht auf eine bestimmte Gebäudeart festlegen wollten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Staatssekretär, billigt die Bundesregierung die Stellungnahme, die sich in Nr. 5 des Bundesbaublattes unter der Überschrift „Umfrage" findet und in der die soeben erwähnte Befragung zum Anlaß genommen wird, in nicht immer sachlicher Form die Wohnwünsche der Bevölkerung darzustellen?
Meiner Ansicht nach ist die Darstellung durchaus sachlich gewesen. Es kam nur darauf an, klarzustellen, daß ein höherer Prozentsatz von Bürgern jetzt ein Eigenheim zu haben wünscht, als es von vielen Seiten dargestellt wird.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß das befragende Institut erhebliche Zweifel an der Fragestellung dieser Befragung geübt und unter anderem zum Ausdruck gebracht hat, die Formulierung der Fragestellung weiche von der Wirklichkeit und von der Verwirklichungsmöglichkeit des Wohnwunsches ab und es sei vor allen Dingen zu kritisieren, daß die Frage gefehlt habe, wieweit entfernt vom Stadtkern die Betreffenden wohnen möchten, schließlich daß auch die exakte Frage nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten gefehlt habe?
Herr Abgeordneter, das ist mir im einzelnen nicht bekannt. Mir ist wohl bekannt, daß vor Festlegung der Fragen natürlich das Für und Wider erwogen worden ist. Wenn das fragende Institut letzlich so erhebliche Bedenken gehabt haben sollte, wie Sie annehmen, möchte ich glauben, daß das Institut die Durchführung dieser Befragung abgelehnt haben müßte.
Frage XII/3 - des Herrn Abgeordneten Hammersen -:
Beabsichtigt der Herr Bundeswohnungsbauminister, eine Änderung des § 21 des Reichsheimstättengesetzes mit dem Ziele vorzuschlagen, daß bei Wegfall der staatlichen Förderung die Heimstätteneigenschaft auf Antrag des Begünstigten gelöscht werden kann?
Diese Frage beantworte ich mit Nein. Die Löschung der Heimstätteneigenschaft kann bereits nach geltendem Recht mit Zustimmung der zuständigen Verwaltungsbehörde erfolgen. Zuständig sind die obersten Landesbehörden. Sie haben die Befugnis häufig den Regierungspräsidenten übertragen.
Ob diese Behörden einem Antrag auf Löschung zustimmen, ist eine Ermessensfrage. Wir haben Iden zuständigen Länderministern und Senatoren bereits im Mai 1958 empfohlen, die Ermessensentscheidung großzügig zu handhaben. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Heimstätte keine staatliche Förderung mehr erhält. Die meisten Länder verfahren auch in dieser Weise. Einzelne Länder - so z. B. Hessen - erteilen allerdings nur ausnahmsweise die Zustimmung zur Löschung beim Vorliegen besonderer Umstände. Trotzdem sind uns bisher Beschwerden in nennenswertem Umfange nicht bekanntgeworden. Einzwingender Anlaß zu einer Gesetzesänderung besteht unseres Erachtens nicht, zumal aridere dringlichere Gesetzesvorlagen der Verabschiedung bedürfen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, aus welchem Grunde das Bundesland Hessen nur in Ausnahmefällen von dieser Möglichkeit der Ermessenentscheidung Gebrauch macht?
Nein, darüber bin ich nicht unterrichtet.
Ich rufe nun aus der Drucksache IV/2399 die Frage des Herrn Abgeordneten Lang ({0}) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele Wohnungen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues für Familien mit Kindern erstellt wurden, durch Ehepaare ohne Kinder und mit überdurchschnittlichen Einkommen fehlbelegt sind?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß größere Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus von kinderlosen Ehepaaren mit höherem Einkommen bewohnt werden. Demgegenüber haben kinderreiche Familien, für die diese Wohnungen eigentlich gebaut sind, keinen Zugang zu ihnen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Dieses Problem beschränkt sich nicht auf die kinderreichen Familien. Allgemein werden heute zahlreiche öffentlich geförderte Wohnungen von Mietern bewohnt, deren Einkommen inzwischen über die gesetzlichen Einkommensgrenzen gestiegen ist. Die Schätzungen, die darüber vorliegen, gehen auseinander. Aber es sind Schätzungen vorhanden, nach denen bis zu 10 % aller öffentlich geförderten Mietwohnungen hierunter fallen.
Eine Zusatzfrage!
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dieser Zweckentfremdung zu begegnen und um diese Wohnungen diesem Personenkreis, vor allem den kinderreichen Familien, zuzuführen?
Herr Abgeordneter Lang, es handelt sich um ein Problem, das nur durch eine gesetzliche Neuregelung gelöst werden kann. In unserem Ministerium wird an einem Gesetzentwurf gearbeitet - den wir in Kürze dem Bundeskabinett vorzulegen hoffen -, der die Bindung der Sozialwohnungen für den Zweck sicherstellt. Wir werden uns dabei allerdings zunächst auf diejenigen Mietverhältnisse beschränken müssen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes neu begründet werden, und werden dort die Zweckbestimmung einwandfrei sicherstellen können. Ein Eingriff in die bestehenden Mietverhältnisse wirft eine Reihe rechtlich sehr schwieriger Fragen auf, so daß wir da noch nicht zu einer Entscheidung kommen.
Die Frage ist beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministeriums. Ich rufe die Frage XIII/1 - der Frau Abgeordneten Dr. KiepAltenloh - auf:
Wer verwaltet die Siedlung Tannenbusch ({0}) ?
Darf ich die drei Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammengefaßt beantworten?
Bitte schön. Dann rufe ich die Fragen XIII/2 und XIII/3 ebenfalls auf:
Trifft es zu, daß die bei amerikanischen Dienststellen Tätigen in der Siedlung Tannenbusch erheblich weniger Miete zahlen als die anderswo Beschäftigten?
Genießen die bei amerikanischen Dienststellen Beschäftigten außer den in Frage XIII/2 erwähnten noch sonstige Vorteile aus öffentlichen Mitteln?
Die Wohnsiedlung Bonn-Tannenbusch ist im Jahre 1951 von den amerikanischen Behörden auf einem dem Bunde zustehenden Gelände gebaut worden. Sie ist nicht mit Bundesmitteln, sondern mit eigenen Mitteln der amerikanischen Behörden finanziert worden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Gebäude entsprechend einem zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland am 13. April 1951 geschlossenen Vertrage dem Bund übertragen. Die Wohnungen werden von der Bundesvermögensstelle Bonn verwaltet.
Die Übertragung der Gebäude auf den Bund geschah unentgeltlich. Dieses Geschenk war mit der Auflage verbunden, daß der Bund sich verpflichtet, die Wohnungen an Bedienstete der amerikanischen Behörden zu Mietsätzen zu überlassen, welche für diesen Personenkreis von den amerikanischen Behörden selbst festgesetzt werden. So erklärt es sich,
daß Ihre Vermutung über die Gestaltung der Mietzinsverpflichtungen zutrifft.
Weitere Vorteile genießen die in der Stellung wohnenden und bei amerikanischen Dienststellen beschäftigten Personen nicht.
Frau Dr. Kiep-Altenloh zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, daß diese Ungleichheit, die zur Beunruhigung führt, doch in irgendeiner Form ausgeglichen wird?
Die Bundesbediensteten, die in den Wohnungen wohnen, zahlen dieselbe Miete, welche die übrigen Bundesbediensteten im Bonner Raum zahlen. Wenn wir einen Ausgleich zugunsten der Bundesbediensteten in dieser Wohnsiedlung schüfen, würde das somit bedeuten, daß wir Ungleichheiten gegenüber den anderen Bundesbediensteten im Bonner Raum herbeiführten. Es ist auch nicht möglich, mit den amerikanischen Behörden über eine Erhöhung der Mieten der Botschaftsangehörigen zu verhandeln, weil uns gesagt wird, es bestehe ein zivilrechtlicher Vertrag aus dem Jahr 1951.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe auf die Frage XIV/1 - der Abgeordneten Frau Meermann -:
Hat die Bundesregierung Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, daß Brot und Brotwaren, die in Selbstbedienungsläden zum Verkauf ausliegen und dadurch von jedermann angefaßt werden können, nur noch in verpacktem Zustand angeboten werden dürfen?
Ist Frau Abgeordnete Meermann im Saal?
({0})
- Die Frage wird übernommen.
Im Lebensmittelgesetz ist das Verbot enthalten, Lebensmittel so zu behandeln, daß sie geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Mit dieser Bestimmung kann den Mißständen, die von der Frau Abgeordneten Meermann in ihrer Frage erwähnt sind, begegnet werden. Das Betasten unverpackter Lebensmittel durch einen nicht kontrollierbaren Kreis und eine nicht kontrollierbare Anzahl von Personen ist ein Verstoß gegen das Gebot der Hygiene im Verkehr mit Lebensmitteln. Sofern dies vom Lebensmittelhändler geduldet wird, kann auch er auf Grund einer Verletzung des genannten Verbots herangezogen werden. Mir ist bekannt, daß die amtliche Lebensmittelüberwachung gegen derartige Mißstände einschreitet.
Ich rufe die Fragen XIV/2 und XIV/3 - des Herrn Abgeordneten Josten - auf:
Wieweit ist der Plan der Bundesregierung verwirklicht worden, mit den Ländern ein gemeinsames Forschungsinstitut zu
errichten, um Vorschläge zur Müllbeseitigung zu erhalten?
Ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit den Ländern für eine beschleunigte Regelung das Problems der Müllbeseitigung zu sorgen, wobei besonders die Reinhaltung des Trinkwassers beachtet wird?
Die Bemühungen der Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern die aktuellen Probleme der Behandlung und Beseitigung von Abfallstoffen, also von Müll, besser zu lösen, haben zu folgendem Ergebnis geführt:
Nach den letzten Verhandlungen mit den Ländern in der von diesen gebildeten Länderarbeitsgemeinschaft „Abfallbeseitigung" am 5. und 6. Mai 1964 in Würzburg sollen diese Aufgaben vom Bundesgesundheitsamt - von dem dort vorhandenen Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene - ausgeführt werden. Es ist nicht beabsichtigt, ein gemeinsames Forschungsinstitut zu errichten.
Frühere Erwägungen, nach denen die Gründung einer von einem eingetragenen Verein getragenen „Zentralstelle für Fragen der Abfallbeseitigung" angestrebt wurde, mußten aufgegeben werden, nachdem sich die Mehrheit der Länder dagegen ausgesprochen hatte und auch eine Beteiligung der Gemeinden nicht zu erreichen war.
Die Kosten des erforderlichen Personal- und Sachbedarfs des Bundesgesundheitsamts für die Erfüllung dieser Aufgaben sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden. Ein entsprechender Vertrag soll mit den Ländern abgeschlossen werden. Bis zum 1. Juli 1964 wollen Bund und Länder diesen Vertragsentwurf prüfen und mitteilen, ob sie dieser Fassung zustimmen. Ich hoffe, daß das Bundesgesundheitsamt noch im Herbst dieses Jahres die besonders vordringlichen Aufgaben bei der Beseitigung von Müll in Angriff nehmen kann.
Eine Zusatzfrage!
Frau Ministerin, es ist Ihnen also sicher bekannt, daß die meisten Städte und Gemeinden schon heute große Sorge haben, wie und wo der anfallende Müll untergebracht werden soll?
Dieses Problem ist uns bekannt, und gerade der Lösung dieses Problems und einer guten Beratung sollen ja die Pläne, über die ich eben berichtet habe, dienen. Wir hoffen, daß wir damit etwas -weiterkommen und den Gemeinden ein wenig helfen können.
Frau Ministerin, können die Städte und Gemeinden mit finanzieller Unterstützung beim. Bau von Müllbeseitigungsanlagen rechnen, da die bisherigen Angebote für solche Anlagen sehr teuer sind?
Ich hoffe, Herr Kollege, daß sie mit finanzieller Hilfe der Länder rechnen können. Nach den bisherigen Verhandlungen war es außerordentBundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
lich schwierig, hier den Bund stärker mit einzuschalten. Deshalb fürchte ich, daß wir aus dem Bundeshaushalt keine Mittel für die Unterstützung der Gemeinden - die allerdings auf diesem Gebiet sehr nötig und wichtig wäre - erhalten werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jacobi!
Frau Ministerin, trotz Ihrer pessimistischen Darlegungen über die Möglichkeiten des Bundes möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, noch einmal verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um bei Bund und Ländern hinsichtlich der Gründung eines zentralen Müllforschungsinstituts weiterzukommen, eines Instituts, das vor allen Dingen auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen kann? An diesen fehlt es überall.
Daß wir nicht zu einem Ergebnis gekommen sind, verehrter Herr Kollege, lag wohl nicht daran, daß unsere Anstrengungen nicht stark oder verstärkt genug waren. Deshalb kann ich mir im Augenblick verstärkte Anstrengungen mit Aussicht auf Erfolg nicht vorstellen. Ich versichere Ihnen aber, daß wir auf Grund des Vertrages, der, wie ich Ihnen gesagt habe, Anfang Juli geschlossen werden soll, nicht ruhen werden, dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Wenn sich zeigt, daß auf Grund der vorgesehenen Regelung nicht das Notwendige zu erreichen ist, werden wir selbstverständlich Vorschläge machen, die in der Richtung der Pläne liegen, die Sie - ganz im Einvernehmen mit mir - gefordert haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten!
Frau Ministerin, darf ich Sie aber dazu ergänzend fragen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, die wahllose Müllablagerung im Interesse der Reinhaltung von Wasser und Luft zu verhindern?
Die Länder und Gemeinden haben bereits heute die Möglichkeit, hier einzugreifen. Wenn wir den Gemeinden durch unseren Rat zugunsten einer richtigen Abfallbeseitigung helfen, werden sie, hoffe ich, dann auch stärker durchgreifen können, wenn Müll ungeregelt und unzulässig abgelagert wird. Das können sie aber nur, wenn eine gute Möglichkeit für die Müllbeseitigung zur Verfügung steht.
Das ist der Weg, auf dem wir helfen können; im Einzelfall Verbote aussprechen können wir nicht.
Die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Bading, Margulies und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes ({1}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ({2}) ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Rauhaus. Herr Berichterstatter, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft hat sich mit dem hier anstehenden Problem in einer Reihe von Sitzungen intensiv beschäftigt. Sie wissen, daß eine Anzahl von Abgeordneten aller Parteien des Deutschen Bundestages den Gesetzentwurf, der Ihnen auf Drucksache IV/1769 vorliegt, eingebracht haben. Es geht um den Gewässerschutz; ein Novum: es geht um die wasserrechtliche Genehmigung für Ölleitungen, für Pipelines.
Das hat es bisher nicht gegeben. Dieser Gesetzentwurf hat in den Beratungen des federführenden Ausschusses eine ganze Reihe von Änderungen erfahren; ich darf hierzu auf die Ihnen vorliegende Drucksache IV/2369 verweisen. Die Änderungen gehen auf Anregungen der beteiligten Ausschüsse für Verkehr und Wirtschaft zurück. Sie sind aber auch aus der intensiven Behandlung des Entwurfs durch die verschiedenen Bundesministerien sowie durch die Berücksichtigung von Wünschen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, der sogenannten LAWA, des BDI, der Mineralölwirtschaft usw. entstanden.
Es soll einer Gefährdung der Wasserversorgung, z. B. des Grundwassers, aber auch des Oberflächenwassers, durch wassergefährdende Stoffe, z. B. Öle und Benzine, vorgebeugt werden. Das sind zunächst die Stoffe, die hier genannt worden sind. Selbstverständlich werden auch - das ist vorgesehen - durch eine Rechtsverordnung noch andere Stoffe genauer bezeichnet werden müssen, die etwa die gleiche Wirkung haben.
Man kann fragen: Ist das Gesetz überhaupt notwendig? Ich glaube, man muß feststellen, daß eine Gefährdung des Wassers heute schon besteht. Es ist bekannt, daß ein Liter Öl eine Million Liter Wasser ungnießbar machen kann. Das ist eine Zahl, die bestritten wird; einigen ist ,sie zu hoch, anderen ist sie zu niedrig. Ganz sicher aber würde auch mit einem Verhältnis von 1 : 500 000 schon die Gefährlichkeit eines Öleinbruchs in Wasser, Trinkwasser usw. bedeutend sein.
Die im Boden gelagerten undichten Öltanks, die umgestürzten Tankwagen und gebrochenen Pipelines machen dem Wasserwirtschaftler das Leben schwer. Es sind eine ganze Reihe .auch neuer Leitungen - z. B. im Emsland, die Leitung Marseille-Karlsruhe oder auch andere - zu Bruch gegangen. Es gibt auch keine Maßnahme technischer Art, die
solche Pannen völlig verhindern kann. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, durch technische Maßnahmen absolute Sicherheit zu schaffen, dann hätte es einen Fall Lengede oder Longarone oder Fréjus oder was Sie wollen, nicht gegeben.
Im Schweizer Kanton Graubünden wurden, wie ich einer Pressemeldung entnehme, von 500 Rohrmuffen an einer Leitung 80 durch die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt beanstandet. Was wäre, wenn an der geplanten Ölleitung Genua-Ingolstadt, die in 1,8 km Länge am Bodensee vorbeiführen soll und die unter einem enorm hohen Druck steht - 50, 60 Atü -, eine Undichtigkeit auftreten würde! Dann wäre sofort eine größere Menge Öl im Wasser des Bodensees, im selben Bodensee, aus dem etwa 2 Millionen Einwohner der Bundesrepublik ihr Wasser beziehen. Hier muß eine hohe Sicherheit verlangt und angestrebt werden. An einer solch exponierten Steile darf nichts geschehen. Das liegt im Interesse der Öffentlichkeit und selbstverständlich auch im Interesse der Wirtschaft, auch der Mineralölwirtschaft.
Ich sagte zu Beginn, daß der Entwurf des Gesetzes, Drucksache IV/1769, in den Beratungen wesentliche Änderungen erfahren hat. Das ist sachlich so zu verstehen, daß der neue Text in etwa mit dem alten identisch ist, daß er aber rechtssystematische Verbesserungen erfahren hat, die im Ausschuß, glaube ich, alle einstimmig beschlossen wurden.
Einige Auseinandersetzungen hat es um den letzten Halbsatz des § 19 b) Abs. 1 gegeben. Der hier vorgeschlagene Text hat in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 3 der Gewerbeordnung gelautet:
Die Auflagen
- der Ausschuß hat sich nur mit nachträglichen Auflagen befaßt -müsen nach dem jeweiligen Stand der Technik
erfüllbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sein.
Eine Minderheit im Ausschuß hat sich für die Beibehaltung dieses Grundsatzes in § 19 b eingesetzt. Sie hat aus einer Anzahl von Gründen den Standpunkt vertreten, man müsse von einer einmal gegebenen Genehmigung verlangen, daß sie alle Bedingungen für den Betrieb enthalte; man könne nicht uferlos ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten später neue Bedingungen nachschieben: Das sei eine Frage von Treu und Glauben, sicherlich aber des investierten Kapitals. Es gehe dabei um große Summen. Die Minderheit hat weiter angeführt, die rechtliche Situation der Mineralölfirmen sei sehr schlecht, wenn die Streichung erfolgte, weil dann später bei Auseinandersetzungen gesagt werden könnte: Der Bundestag hat das nicht gewollt; es war im Entwurf enthalten und ist ausdrücklich gestrichen worden. Es soll keine Rücksicht auf wirtschaftliche Gegegebenheiten genommen werden. Es war also die Meinung, man würde dann sehr viel schlechter dastehen,
({0})
als wenn der Satz von vornherein gefehlt haben
würde. Das wird eine Frage sein, die die Juristen
entscheiden müssen. Die Mehrheit ides Ausschusses
hat sich der Ansicht der Länderarbeitsgemeinschaft Wasserangeschlossen, die der Meinung war - sie hat das auch schriftlich zum Ausdruck gebracht -, die wirtschaftliche Rechtfertigung der Auflage müsse hinter den vorrangigen Interessen des Gewässerschutzes zurücktreten. Das war ursprünglich auch die Ansicht des Ausschusses für Verkehr, der gemeint hat, man möge prüfen, ob bei der Größe eines möglichen Schadens die Worte „wirtschaftlich gerechtfertigt" ganz zu streichen seien.
Ich habe das nur deshalb so ausführlich erwähnt, weil es im Grunde der einzige Streitpunkt war. Alle anderen Bestimmungen sind glatt über die Bühne gegangen. Ein Ländervertreter hat noch einmal darauf aufmerksam gemacht, daß man sich, wenn dieser Satz erhalten bleibe, bei den Ländern überlegen müsse, ob man dem zustimmen könne.
Der Antrag hat schon vor Verabschiedung einige Kritik in der Presse gefunden, zum Teil etwas unsachliche Kritik. Manche meinen, er werde der Rechtsunsicherheit Tür und Tor öffnen. Man hat geglaubt, er werde die Willkür der unteren Verwaltungsbehörden stabilisieren. Das ist sicher nicht der Sinn des Antrags gewesen. Seine Beratung im Ausschuß ist auch nicht mit leichter Hand erfolgt. Wir haben in einer ganzen Reihe von Sitzungen darüber beraten und haben alles Mögliche bedacht.
Insbesondere stimmt es auch nicht - wie eine Zeitung geschrieben hat -, daß der Widerruf einer Genehmigung ohne Entschädigung erfolgt. Das trifft nur für solche Fälle zu, in welchen nach § 19 c ein Verschulden des Inhabers vorliegt. Sonst kann das nicht sein. Dies hat von Anfang an den Vorstellungen und Wünschen der Mineralölwirtschaft völlig entsprochen. Sie hat das fast in gleicher Weise gesagt und geschrieben.
Ich darf Sie bitten, dem Gesetzentwurf in der Fassung, wie ihn der Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft gebilligt hat, beizutreten.
({1})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur zweiten Beratung Art. 1 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 495 ({0}) vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Weinzierl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich soll im Auftrag der Fraktion der CDU/CSU den Antrag Umdruck 495 *) begründen und erklären, daß der Antrag Umdruck 495 ({0}) **) zurückgezogen ist. Es bleibt also bei dem ursprünglichen Antrag Umdruck 495, der besagt, daß der ursprüngliche Text wiederhergestellt werden soll, der lautete:
Die Auflagen müssen nach dem jeweiligen Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sein.
Ich darf darauf hinweisen, daß der ursprüngliche Antrag von einer großen Zahl von Mitgliedern
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
sämtlicher Fraktionen eingereicht war - es waren insgesamt 43-und daß die Antragsteller die Formulierung der Bestimmungen wohl überlegt haben. Die ursprüngliche Fassung wurde im Wirtschaftsausschuß ohne Einreden gutgeheißen, und der mitberatende Verkehrsausschuß hat das gleiche getan, wie es aus dem ersten Absatz des Berichts von Herrn Kollegen Rauhaus hervorgeht.
Ich habe inzwischen das hier anstehende Problem mit gemäßigten Vertretern der - wie man landläufig sagt - „Naturschutzapostel" besprochen. Dabei haben mir einzelne gesagt, daß man die Beibehaltung dieses Satzes für notwendig und für zweckmäßig halte. Auch ich bin der Auffassung, daß es notwendig ist, diesen Satz als Regulativ besonders für den Einzelfall zwischen Genehmigung und eventueller Ablehnung vorzusehen. Damit soll erreicht werden, daß die Antragsteller und Planer solcher Anlagen sich veranlaßt sehen, gründliche Überlegungen und Prüfungen vorzuschalten. Auf der anderen Seite soll durch diese Textfestlegung den Behörden, die damit befaßt werden, der Hinweis und die Möglichkeit gegeben werden, wohl überlegte und praktikable Auflagen im Sinne dieser Textfestlegung zu finden und festzulegen.
Ich darf noch auf die Worte „nach dem jeweiligen Stand der Technik erfüllbar" hinwiesen. Ich halte das für notwendig, weil auch gerade dadurch die künftige Entwicklung und künftige Möglichkeiten berücksichtigt werden, die sich in der Technik und auf Grund der wissenschaftlichen Forschung ergeben. Auch bei der Anlage von großen Raffinerien ist das, wie mir bekannt ist, z. B. auch mit Rücksicht auf die Einrichtungen für die Luftreinhaltung geschehen. Da werden von vornherein Auflagen gemacht, daß im Gelände Flächen frei und bereitgehalten werden müssen, um solche nachträglichen Auflagen noch möglich zu machen, um Entwicklungen der Technik, Entwicklungen der Wissenschaft berücksichtigen zu können.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, dem Änderungsantrag auf Umdruck 495 der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen, weil ich der Auffassung bin, daß damit eine praktikable Lösung für einen Teil dieses Gesetzes gewährleistet ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bechert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob sich die Antragsteller darüber im klaren sind, daß sie mit ihrem Antrag das Inkrafttreten dieses Gesetzes verzögern oder verhindern werden, falls das Hohe Haus ihrem Antrag zustimmen sollte. Ich will das erläutern.
Worum es bei diesem Gesetz geht, hat der Herr Berichterstatter, Kollege Rauhaus, bereits gesagt. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, Gefahren für die Trinkwasserversorgung, allgemein für den Wasserhaushalt abzuwehren, die von Treibstoffleitungen kommen können. Der unmittelbare Anlaß ist bekannt. Er hat in der Öffentlichkeit große Aufregung verursacht. Es besteht die Absicht, die Ölleitung von Genua, die bei Ingolstadt enden soll, im Ufer - ich sage: im Ufer! - des Bodensees zu verlegen. Daß der Bodensee der größte Trinkwasserspeicher in Westeuropa ist, ist vielfach nicht allgemein bekannt. Etwa 50 Gemeinden beziehen ihr Trinkwasser aus dem Bodensee, darunter die Großstadt Stuttgart und die Städte Konstanz und Lindau.
Da das Öl unter einem sehr hohen Druck steht - der Herr Berichterstatter hat die Zahlen bereits genannt: in der Größenordnung von 60 Atmosphären -, bedeutet dies, daß bei einem Bruch einer solchen Leitung sehr viel Öl ausgeströmt sein wird, bevor man dem Ausströmen Halt gebieten kann. Fachleute schätzen, daß etwa soviel ausgeströmt sein kann, bevor abgesperrt ist, wie in einem Güterzug mit Öltankwagen enthalten ist.
Diese Gefahr zusammen mit der Tatsache, die der Herr Berichterstatter schon genannt hat, daß ein Liter Öl auf etwa eine Million Liter Wasser das Wasser für den Trinkwasserverbrauch unbenutzbar macht, hat die bayerische und die baden-württembergische Landesregierung veranlaßt, öffentlich gegen die Absicht zu protestieren, diese Ölleitung in das Ufer des Bodensees zu verlegen. Die Frau Ministerin für das Gesundheitswesen und ich als Vorsitzender des zuständigen ;Bundestagsausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft haben eine ganze Reihe von Protestschreiben bekommen: von einem Ärztekongreß der Ärzteschaft BodenseeHochrhein, vom Deutschen Gewerkschaftsbund, von den Vorsitzenden aller Bundesverbände der Wassernutzung und Wasserforschung und von Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Hygiene, vom Kreistag des Landkreises Lindau, vom Prasidium des Deutschen Städtetages und vom Wasserbeirat des Bundesgesundheitsministeriums.
Die Ölleitung kommt von Genua. In Italien und in der Schweiz haben .die Behörden dem Wunsch der Bevölkerung entsprechend verhindert, daß die Leitung an den Ufern des Luganer Sees und des Corner Sees verlegt wenden konnte.
({0})
Sie verläuft in angemessener Entfernung davon. In der Bundesrepublik - das hat der Herr Berichterstatter schon gesagt, ich möchte aber nochmals darauf hinweisen - sind in den letzten Jahren große Ölleitungen zu Bruch gegangen, und es ist viel Öl bei dieser Gelegenheit ausgeflossen. Im Jahre 1961 wurde die Leitung Wilhelmshaven-Köln undicht und im Jahre 1962 die Leitung Marseille-Karlsruhe in der Gegend von Wörth, wobei der Boden weithin mit Öl verschmutzt wurde und auch Wasserläufe Öl abbekommen haben.
Der Kern Ihres Antrages, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sind die Worte „wirtschaftlich gerechtfertigt". Gemeint ist, daß dann, wenn nach der behördlichen Genehmigung für eine Treibstoffleitung noch Auflagen gemacht werden, diese nach dem jeweiligen Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sein müssen.
Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß sich 'die erste Bedingung von selbst ver6634
steht; denn sie steht in der Gewerbeordnung. Selbstverständlich müssen solche Auflagen nach dem jeweiligen Stand ,der Technik erfüllbar sein. Was aber die zweite Bedingung bedeutet, das will ich Ihnen an Hand von Ergebnissen der Ausschußberatungen erläutern, die der Herr Berichterstatter noch nicht genannt hat. Im Ausschuß wurde zugunsten der Wirtschaft gesagt, auch einer großen Ölfirma könne nicht zugemutet werden, daß sie eine solche Ölleitung für längere Zeit stillegt.
({1})
Nun, wenn das so ist, wie es von Sachverständigen gesagt wurde, dann kann es einer kleineren Firma erst :recht nicht zugemutet werden.
Hinzu kommt folgendes, was ebenfalls im Ausschuß klargestellt wurde. Die großen Ölgesellschaften betreiben die Ölleitungen gar nicht selber, sondern sie gründen und haben Tochtergesellschaften mit verhältnismäßig geringem Kapitalgegründet. Die können dann natürlich bei einer Auflage schnell mit dem Argument bei der Hand sein, die Auflage sei wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und nicht zumutbar.
({2})
Wenn eine solche Wendung, wie sie im Antrag Umdruck 495 vorgesehen ist - Auflagen müßten wirtschaftlich gerechtfertigt sein -, in das Gesetz aufgenommen wird, so wird das Ergebnis in der Praxis dies sein: Je ärmer ein Betrieb ist, desto leichter kann er sich einer Auflage mit der Begründung entziehen, daß sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sei.
({3})
Der Ausschuß hat über eine ähnliche Formulierung, wie sie in dem Antrag auf Umdruck 495 steht, ausgiebig beraten; das sagte der Herr Berichterstatter schon. Er hat gegen eine Stimme bei einer Enthaltung mit deutlicher Mehrheit diese Formulierung, Auflagen müßten wirtschaftlich gerechtfertigt sein, abgelehnt. Auch CDU-Mitglieder haben 'für die Ablehnung gestimmt. Es war nämlich die Meinung des Ausschusses, daß die Reinhaltung ides Wassers, die Abwehr von Gefahren von dem immer knapper werdenden Wasserhaushalt den Vorrang vor allen wirtschaftlichen Interessen haben muß.
({4})
Einem entsprechenden Grundsatz ist das Hohe Haus beim Atomgesetz und beim Lebensmittelgesetz gefolgt. Die Versorgung mit dem nötigen Wasser wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt schwieriger. Das ist wohl allgemein bekannt. Der jetzige trockene Sommer und der voraufgegangene niederschlagsarme Winter sollten uns mahnen.
Der Ausschuß hat durch die Streichung der Formulierung „wirtschaftlich gerechtfertigt" klargelegt, daß die Reinhaltung des Wassers ein übergeordneter Grundsatz ist, dem ,gegenüber wirtschaftliche Interessen nur geringeres Gewicht haben dürfen. Es versteht sich von selbst, daß das Gesetz nicht etwa 'dazu dasein soll, den Brau von Treibstoffleitungen zu verhindern. Natürlich enthält das Gesetz Entschädigungsbestimmungen für den Fall von Auflagen. Es geht aber darum, zu verhindern, daß unser notwendiger Trinkwasservorrat gefährdet wird. Ohne Zweifel werden durch die Einfügung des auf Umdruck 495 beantragten Satzes die Möglichkeiten einer Gefährdung der Trinkwasserversorgung erhöht werden.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie jetzt für den Antrag auf Umdruck 495 stimmen, dann stimmen Sie gegen die von Ihren Parteien getragenen Landesregierungen von Bayern und Baden-Württemberg, die wiederholt und öffentlich erklärt haben, daß sie den vollen Schutz der Wasserversorgung aus dem Bodensee wollen. In den Ausschußberatungen wurde folgendes ganz klar; weil ich als Vorsitzender die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser zu diesen Beratungen eingeladen hatte, wissen wir es genau: allgemein sind die Länder gegen eine solche Beschränkung der zum Schutz des Wassers notwendigen Auflagen, wie sie in den Worten des Antrags „wirtschaftlich gerechtfertigt" zum Ausdruck kommt.
Die Länder sind an der Regelung dieser Rechtsmaterie erheblich interessiert. Wenn das Hohe Haus dem Antrag auf Umdruck 495 zustimmen sollte, was ich nicht hoffe und nicht wünsche, dann wird der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anrufen. Das Gesetz kann dann frühestens im Herbst in Kraft treten. Die Länder warten auf das Gesetz, das wurde uns ganz deutlich gesagt. Sie warten darauf, daß der Bund eine Regelung erläßt. Sonst sind die Länder gezwungen, Einzelregelungen zu treffen, und eine unsinnige Gesetzeszersplitterung wird Platz greifen, wo einheitliches Recht notwendig ist. Denn die Ölleitungen überqueren in aller Regel die Grenzen mehrerer Bundesländer, in dem Falle der Leitung Genua-Ingolstadt sogar die Bundesgrenze.
Das Gesetz ist eilbedürftig. Mit der Annahme des Antrags Umdruck 495 würden Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, bewirken, daß das Inkrafttreten eines Gesetzes verzögert wird, das von allen, auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie, für nötig und eilbedürftig gehalten wird.
Noch eine Bemerkung zu Ihrem Antrag. Ich glaube, Ihnen ist nicht deutlich genug geworden, daß Ihr Antrag sich nicht mit dem übrigen Gesetzestext verträgt, der hier vorliegt. Er würde eine Ungleichheit vor dem Gesetz schaffen. Er würde nämlich für Anlagen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits in Betrieb sind, strengere, schärfere Auflagen ermöglichen als für Anlagen, die erst nach Inkrafttreten des Gesetzes in Betrieb genommen werden. Das widerspricht der Gleichheit vor dem Gesetz.
Ganz gleich, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, unternehmen werden, um Ihren Antrag durchzubringen: jedenfalls wird eine Verzögerung bis mindestens zum Herbst das Ergebnis sein. Damit aber geben Sie die Möglichkeit, daß die Ölleitung im Bodenseeufer gebaut wird. Wenn sie erst einmal dort liegt, wird es viel schwerer sein, zum Schutz des Trinkwassers einzugreifen. Seien
wir uns alle klar darüber, daß die Bevölkerung von uns allen in diesem Hause erwartet, daß wir die Reinhaltung des Wassers, die Vorsorge für den nötigen Wasservorrat höher stellen als wirtschaftliche Erwägungen.
Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag auf Umdruck 495 abzulehnen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der außergewöhnlichen und etwas peinlichen Lage, mich gegen den Antrag meiner Fraktion aussprechen zu müssen.
({0})
Ich bitte das Hohe Haus, die Bedeutung dieser Vorlage nicht zu unterschätzen.
({1})
Zu den lebensnotwendigen Gütern, die man nicht produzieren kann, sondern nur vom lieben Gott in begrenzter Menge bekommen kann, gehört das Wasser.
({2})
Beim Wasser hört das Rechnen auf.
({3})
Deshalb bin ich der Meinung, daß wir den Antrag, die Auflagen müßten generell nach dem jeweiligen Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sein, unmöglich annehmen können. Das würde bedeuten, daß in all den Fällen, in denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist - nun will ich mich etwas vereinfacht ausdrücken -, das Trinkwasser schutzlos der Gefahr der Verschmutzung durch Öl ausgesetzt wäre. Das ist unmöglich.
Ich bitte deshalb, entweder die Vorlage in der Ausschußfassung anzunehmen oder den Antrag der CDU/CSU-Fraktion dadurch zu ergänzen, daß es statt „Die Auflagen" heißt „Nachträgliche Auflagen". Das würde bedeuten, daß die Interessen der Ölgesellschaften insofern im Rahmen des Berechtigten berücksichtigt werden, als man einmal genehmigte Leitungen nicht ohne weiteres mehr beseitigen kann. Das würde für die Genehmigungsbehörden allerdings bedeuten, daß sie bei der Genehmigung äußerst strenge Maßstäbe anlegen müssen. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei dieser Vorlage um einen Initiativantrag aus dem Hause, der aus der Zusammenarbeit aller Fraktionen in der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft entstanden ist, der vorzusitzen ich die Ehre habe. In dem ursprünglichen Initiativantrag stand dieser Satz drin. Aber dieser Satz konnte sich, wenn man ihn im Zusammenhang las, nur auf die nachträglichen Genehmigungen beziehen. Insofern ist der Versuch, jetzt durch den Antrag Umdruck 495 die Auflagen schlechthin an die wirtschaftliche Rechtfertigung zu binden, ein ganz genereller Verstoß gegen den Geist dieser Vorlage.
({0})
Wenn der ursprüngliche Sinn wiederhergestellt werden soll, dann kann es nur so gehen, wie es Herr Professor Burgbacher eben dargestellt hat, d. h. so, daß nur die nachträglichen Auflagen nach dem jeweiligen Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sein müssen. Es käme sonst verständlicherweise zu sehr üblen Enteignungsprozessen. Bei nachträglichen Auflagen müssen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Aber soweit das Erstgenehmigungsverfahren in Frage kommt, muß der Schutz des Grundwassers in jedem Fall den Vorrang vor allen wirtschaftlichen Gesichtspunkten haben.
({1})
Herr Abdeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen Professor Dr. Burgbacher gebührt Dank für seine Feststellungen und ebenfalls dem Kollegen Dr. Schmidt. Aber ich möchte doch bitten, beide Anträge nicht zu akzeptieren, weil in den Ausschußberatungen völlige Klarheit darüber bestand, daß es einer solchen Änderung nicht bedarf. Das war auch, soweit ich das feststellen kann, die Auffassung des Ministeriums. Auch wenn es sich hier um einen Initiativgesetzentwurf von Mitgliedern dieses Hauses handelt, wäre es dankenswert, wenn von seiten des Ministeriums nach dieser Debatte ein klärendes Wort gesagt würde.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß sich, wenn 'der Antrag Umdruck 495 angenommen würde, in Zukunft etwas äußerst Bedenkliches entwickeln könnte. Es würde sich ein Ringen und Raufen bei jedem Genehmigungsantrag ergeben. Ich möchte einmal die Wasserbehörde kennen, die stark genug ist, 'sich - nicht etwa gegen arme Petenten - gegen sehr potente Beschwerdeführer zu wenden, gegen Leute, die leugnen, daß es sich um wirtschaftlich gerechtfertigte Auflagen handelt.
({0})
Die Wasserbehörde möchte ich einmal sehen!
Ich bitte also in jedem Falle, den Antrag auf Umdruck 495 abzulehnen; im übrigen auch, Herr Kollege Schmidt, Ihren Zusatzantrag. Er isst nicht notwendig; denn nachträgliche Auflagen werden in keinem Fall willkürlich angeordnet, sondern da erfolgt gerade wegen der von Ihnen angedeuteten
Jacobi ({1})
Entschädigungspflichten immer eine sehr sorgfältige Prüfung. Wir können uns darauf verlassen, daß es hier ja auch den Gesichtspunkt gibt, den wir ganz allgemein kennen, wenn wir davon ausgehen, daß es dm Zweifel keine willkürlichen Handlungen der Verwaltungen gibt und daß der Ermessensmißbrauch nicht die Regel ist.
Wir haben also genug Sicherungen, die ausreichen, um den Gesetzentwurf in der Form akzeptieren zu können, die der Ausschuß uns vorgelegt hat.
({2})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Bargatzky.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin in der etwas peinlichen Lage, keine Ansicht der Bundesregierung mitteilen zu können, da es sich um ein Initiativgesetz handelt und das Kabinett keine Gelegenheit hatte, sich mit dieser Frage zu befassen. Ich darf aber als Vertreter eines auf die Gesundheit bedachten Ressorts in einer solchen Situation wohl nicht die Flucht in eine größere Vorsicht, sondern den Schritt in eine größere Freiheit tun.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, gern!
Herr Staatssekretär, würden Sie es der Bedeutung dieses Gesetzes und der Übung des Hauses entsprechend für angemessen halten, daß Sie hier als Vertreter Ihres Ressorts sprechen, während die Frau Ministerin, die ihren Abgeordnetenplatz eingenommen hat, doch sicher berufener wäre, sich hier zu äußern?
({0})
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß es sich hier um eine fachliche Frage handelt und nicht um eine politische und daß ich durchaus in der Lage bin, diese Frage zu beantworten.
({0})
Ich sehe aber, daß die Frau Ministerin die Antwort selbst zu übernehmen bereit ist.
Dazu möchte ich mir eine Bemerkung erlauben. Es ist nicht Sache des Staatssekretärs, ein Urteil abzugeben über das Verhalten seines Ministers.
({0})
Darf ich in meiner Äußerung fortfahren? Ich habe gesagt, daß ich als Vertreter eines auf die Gesundheit bedachten Ressorts - dazu gehört nicht allzu viel Phantasie, und darum brauche ich es nicht zu verschweigen - selbstverständlich der mit Mehrheit beschlossenen Fassung dieses Gesetzes den Vorzug geben würde und, wenn es sich um die Verankerung einer Klausel wirtschaftlicher Vertretbarkeit handelte, daß ich dann einer Beschränkung auf nachträgliche Auflagen den Vorzug geben würde. In dieser Richtung haben sich auch meines Wissens die Ressorts nicht im Sinne einer formellen Kabinettsentscheidung, sondern mit einzelnen Erklärungen im Ausschuß geäußert.
Ich teile allerdings die Sorge, die schon hier zum Ausdruck gekommen ist, daß dann, wenn man an dem Text, den die Mehrheit des Ausschusses beschlossen hat, etwas ändert, die Verabschiedung des Gesetzes durch die Schwierigkeiten, die dann voraussichtlich bei der Beratung im Bundesrat auftreten werden, eine Verzögerung erleiden könnte.
({0})
Dieses allerdings würde ich - bei allen sachlichen Meinungsverschiedenheiten - für das größte Unglück halten, weil das Gesetz ja auf ganz konkrete Tatbestände, die sich in der nächsten Zukunft vollziehen werden, bereits Anwendung finden sollte.
({1})
Das Wort hat die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Frage des Herrn Kollegen von der SPD richtig verstehe, hat er das Bedürfnis, auch meine Meinung zu dieser Frage zu hören.
({0})
Ich habe durchaus nicht die Absicht gehabt, diese Meinung irgendwie zu verschweigen. Ich bin gern bereit, Ihnen zu erklären, daß ich sowohl als Mitglied dieses Hauses als auch von der Verantwortung meines Ressorts her hundertprozentig zu der Auffassung stehe, daß die Reinhaltung des Grundwassers den Vorrang haben muß vor wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
({1})
Es ist eine ganz grundsätzliche Frage unserer Kultur, unserer heutigen Umweltgestaltung, daß wir die Probleme der Gesundheit der Menschen, der Erhaltung der Natur, der Erhaltung einer reinen Luft und eines reinen Wassers in den Vordergrund rücken müssen gegenüber den Argumenten rein wirtschaftlicher Berechnungen, die heute in unserer Gesellschaft in manchen Punkten zu starken Vorrang bekommen haben.
Deshalb billige ich die Ausschußfassung, und ich bitte Sie, zu der Ausschußfassung zu stehen.
({2})
Dais Wort hat Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dieses Gesetz ist, wie Sie schon aus den Ausführungen der verschiedenen Vorredner gehört haben, nicht am „grünen Tisch" entstanden, sondern die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes ist notwendig geworden, weil sich gerade bei den Ölleitungen und auch bei den Tanks und verschiedenen anderen Ölbehältern Schäden ergeben haben, die die Wasserversorgung gefährden.
Lassen Sie mich nur einen Blick auf unseren heutigen Stand der Wasserversorgung werfen. In vielen Städten, insbesondere in den Großstädten Nordrhein-Westfalens, gibt es heute schon kein Wasser mehr, das man nur irgendwie als trinkbar bezeichnen kann. Der Grundwasserspiegel sinkt durch die Wasserentnahmen jährlich. Dadurch wird die Vegetation beeinflußt und der Kreislauf des Wassers weiter geschädigt.
Wenn wir dieses Gesetz geschaffen haben, so finden wir uns nicht in Übereinstimmung mit einigen Naturaposteln, sondern wir finden uns in Übereinstimmung mit allen Fachleuten der Wasserwirtschaft, die genau wie wir das Äußerste daransetzen, daß der Wasserhaushalt unter gar keinen Umständen angetastet wird.
Von den Befürwortern der beiden Eingaben ist gesagt worden: Die Auflagen müssen technisch tragbar sein. Wir haben nach sorgfältigen Erwägungen in § 19 d Rechtsverordnungen vorgesehen, durch die die technischen Voraussetzungen geregelt werden sollen, unter denen die Rohrleitungen gelegt werden müssen.
Die zweite Frage betrifft die Wirtschaftlichkeit. Gestern haben wir eine lange Debatte über die Wirtschaft der Bundesrepublik geführt. Sicherlich ist die Wirtschaft der Ausgangspunkt unseres heutigen Wohlstandes. Langsam dämmert uns jedoch, was die Wirtschaft in ihrer rasanten Entwicklung an Abraum hinter sich gelassen hat. Die Kehrseite der Medaille wird sichtbar. Das zeigt sich an der Gefährdung des Wassers, bei der Frage der Abwässer, der Verpestung der Luft und des vielerorts für einen normalen Menschen nicht mehr erträglichen Lärms. Heute stehen wir in einem Stadium, wo man diesen Fragen erhöhte Aufmerksamkeit widmen muß, und zwar - das möchte ich hier ruhig einmal aussprechen - auf Kosten der Wirtschaft, die ja letztlich diese Schwierigkeiten für die gesamte Bevölkerung verursacht hat. Es ist gar nicht so, daß die Wirtschaft sich diesen Einsichten verschließen würde.
Ich komme jetzt zu dem Argument der technischen Möglichkeiten. Sie sind geprüft. Wir reden hier von der Wirtschaft. Für wen ist die Sache wirtschaftlich? Für die Rohrleitungsfirma kann sich ein wirtschaftlicher Nachteil ergeben. Wie steht es aber mit der Wirtschaftlichkeit bei einem Auslaufen von Öl? Wir müssen hier an die wirtschaftlichen Folgen denken, die sich für die Kommunen, für die Wasserversorgungseinrichtungen ergeben. Sie haben diesen unendlichen Schaden zu beseitigen. Kann man da noch von „wirtschaftlich" sprechen, wenn durch eine einzelne Firma ein Schaden entsteht, dessen Beseitigung ein Vielfaches dessen kostet, was die Änderung einer solchen Anlage erfordern würde?
Nun zu den nachträglichen Auflagen! Es werden niemals Auflagen gemacht, die technisch nicht durchführbar sind. So weltfremde Menschen sind die Beamten nicht. Es ist nichts Neues, daß bei bestehenden Einrichtungen nachträglich Auflagen gemacht werden. Denken Sie einmal an die chemischen Fabriken und ähnliche Werke. Sie konnten nach der Genehmigung, die sie seinerzeit auf Grund der Gewerbeordnung bekommen hatten, ihre Abwässer in die Flüsse leiten. Jetzt müssen sie nach und nach - wie es angemessen ist - die Abwässer auf ihre Kosten klären. Hier handelt es sich auch um nachträgliche Auflagen. Sie können dann gemacht werden, wenn der Stand der Technik oder auftretende bzw. drohende Gefahren für das Wasser solche technischen Neuerungen notwendig machen. Das ist nicht neu und für die Wirtschaft nicht ungewohnt. In vielen Fällen wird das heute schon gemacht. Das Wasser ist heute eine Mangelware geworden.
Meine Fraktion sieht sich nicht in der Lage, den beiden Anträgen, die unter Umständen eine Gefährdung des Wassers verursachen würden, ihre Zustimmung zu geben. Technisch sind die Änderungen durchführbar. Sie können zwar unter Umständen für die Firmen wirtschaftlich hart sein. Für die Allgemeinheit aber wären Schäden noch viel kostspieliger. Wir müssen allen diesen Dingen unsere Aufmerksamkeit in verstärktem Umfange widmen. Es geht hier nicht um einige Naturapostel, sondern um die gesamte kommunale Wasserwirtschaft, die hinter uns steht.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause über zwei Grundsätze einig. Darf ich nach all dem Gegeneinander auch einmal das Einigende zu Anfang herausstellen. Das erste ist, daß wir in einer modernen Energiewirtschaft auf Pipelines nicht verzichten können. Darüber ist gar nicht zu diskutieren. Der zweite Grundsatz ist - das möchte ich ausdrücklich betonen -, ,daß selbstverständlich der Schutz des Wassers vorrangig ist. Das hat die Frau Ministerin und das haben die verschiedenen Sprecher - ganz gleich welcher Fraktion - betont. Darüber herrscht gar kein Streit.
Wenn wir dennoch auf Umdruck 495 den Antrag gestellt haben, die ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfs wiederherzustellen, wonach Auflagen wirtschaftlich gerechtfertigt sein müssen, so eben aus einer gewissen Erfahrung heraus. Herr Jacobi, Sie haben darauf hingewiesen, daß die zuständige Behörde - die Wasserschutzbehörde - gegenüber potenten Wirtschaftsvertretern unter Umständen
schwach sein könnte. Darf ich Ihnen sagen, daß es sich in der Praxis anders verhält,
({0})
daß gerade von solchen Behörden - wohlgemerkt in Unkenntnis der technischen Möglichkeiten und Vorgänge - jetzt schon zum Teil Auflagen gemacht werden, die gar nicht sinnvoll sind und deren Ziel mit sehr viel billigeren und zweckmäßigeren technischen Mitteln erreicht werden könnte.
Wenn wir diesen Zusatz fordern, so ausschließlich zu dem Zweck, damit überhaupt eine Diskussion, eine Auseinandersetzung über das technisch Sinnvollste möglich ist. Das ist der eigentliche Sinn des Antrags, und darüber sollten wir uns doch einig sein.
({1})
- Das trifft genau den Kern. Ich bin durchaus mit dem einverstanden, was die Kollegen Schmidt und Burgbacher gesagt haben, nämlich daß das Wort „nachträglich" noch eingefügt werden soll, um alle Unklarheiten zu beseitigen. Ich habe die Kollegen nicht so verstanden, daß sie ausdrücklich einen Antrag zu dem Umdruck gestellt haben. Daher stelle ich jetzt den Antrag, daß in dem Umdruck das Wort „nachträglich" eingefügt wird, damit ganz sicher ist, daß nur Auflagen, die erst nach der Genehmigung erfolgen, diesem Erfordernis entsprechen müssen. Herr Kollege Schmidt hat zu Recht darauf hingewiesen, daß das auch der Klarheit wegen bei Entschädigungsprozessen notwendig sei. Solche Auflagen sind unzumutbar, die technisch vielleicht möglich sind - denn in der Technik ist viel möglich -, die aber einfach sinnlos werden und dazu führen, daß ganze Pipelines stillgelegt werden.
({2})
- Herr Jacobi, wir sind uns ja einig: Das kann und darf nur geschehen, wenn der Schutz des Wassers durch keine technischen Maßnahmen sichergestellt wird. Wenn es aber so ist, durfte nach Abs. 1 des § 19 b überhaupt keine Genehmigung erteilt werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Könen ({0}) ?
Herr Kollege Dr. Elbrächter, würden Sie uns einmal kurz erklären, was Sie in Ihren Ausführungen soeben mit „Sinnlosigkeit" in diesem Zusammenhang meinten?
Entschuldigung, es ist mir jetzt nicht gegenwärtig, in welchem Zusammenhang ich den Ausdruck gebraucht habe.
Sie haben zweimal davon gesprochen, daß Sinnloses verhindert werden solle; das sei der eigentliche Grund. Was nennen Sie sinnlos? Wenn Pipelines stillgelegt werden?
Dr. Elbrächter CDU/CSU) : Ich kann mich nicht erinnern, ob ich von sinnvoll oder sinnlos gesprochen habe. Es geht darum, daß nicht sinnlose Auflagen gemacht werden, d. h. solche deren Zweck auch mit technisch besseren und billigeren Mitteln erreicht werden kann. Ich hoffe, daß Ihnen diese Interpretation genügen wird.
({0})
- Nein. Ich habe von technischen Mitteln gesprochen, die unter Umständen billiger sind. Geld kosten Auflagen immer; darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Aber es geht doch darum - und wir sind uns einig, das möchte ich nochmals betonen, daß der Schutz deis Wassers vorrangig ist -: wenn schon einmal eine Pipeline genehmigt ist, müssen hinterher gemachte Auflagen selbstverständlich auch dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen.
Ich bitte daher das Hohe Haus, den Umdruck 495 mit dem Zusatz „nachträglich" anzunehmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamm ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur drei Sätze! Ich komme keinesfalls in den Verdacht, etwa Industrieunternehmen oder Pipelineunternehmen schädigen zu wollen. Aber hier geht es ja nicht darum, wirtschaftliche Interessen zu schützen, sondern hier geht es ganz eindeutig darum, unser Wasser zu schützen.
(Beifall bei der FDP und bei ({0})
Wenn das der Fall ist und wir in dieser Meinung einig sind, dann können wir weder den Umdruck 495 noch die Änderung annehmen.
({1})
Seien Sie sicher, daß bei Auflagen - auch bei bestehenden Anlagen - das Spiel zwischen Verwaltung und Antragstellern jedenfalls nicht so abläuft, daß die Antragsteller Nachteile erleiden! Wenn schon einmal das Öl in der Erde transoprtiert werden darf und auch soll, dann haben wir die Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, daß der Grundstoff Wasser keine Beeinträchtigung erfährt.
({2})
Keine Wortmeldungen mehr.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den weitergehenden Antrag abstimmen; das ist der Antrag Umdruck 495. Im Falle seiner Annahme erledigt sich der Antrag Umdruck 495 ({0}). Wenn er abgelehnt werden sollte, lasse ich über den
Vizepräsident Dr. Schmid
„ermäßigten" Antrag auf Umdruck 495 ({1}) abstimmen. Besteht Klarheit?
({2})
- Ja, ich labe es schon korrigiert.
Wir stimmen also ab über den weitergehenden Antrag auf Umdruck 495. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir über den Antrag auf Umdruck 495 ({3}) ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag isst abgelehnt.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Anträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Als dritten Punkt rufe ich den Punkt 17 der gedruckten Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({4}) und des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin ({5}) ({6}) ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({8}),
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({9}) ({10}).
({11})
Berichterstatterinnen sind für den Haushaltsausschuß Frau Abgeordnete Krappe und für den Finanzausschuß Frau Abgeordnete Funcke. Ich bitte zunächst Frau Abgeordnete Krappe, als Berichterstatterin für den Haushaltsausschuß das Wort zu nehmen.
({12})
- Es wird verzichtet. Frau Abgeordnete Funcke? - Verzichtet auch. Dann hat sich das Haus mit dem Schriftlichen Bericht zu begnügen.
Ich rufe in der zweiten Beratung Art. 1 auf. Hier liegen zunächst zu der Nr. 6 a zwei Änderungsanträge vor, und zwar die Anträge auf Umdruck 483*) Ziffer 1 und auf Umdruck 504*) Ziffer 1. Beide Anträge sind gleichlautend. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Seume.
*) Siehe Anlagen 4 und 5
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Änderungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 483. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die von der Bundesregierung mit dem Entwurf auf Drucksache IV/2267 vorgeschlagene Verlängerung des Berlinhilfegesetzes um weitere fünf Jahre und die in sorgfältiger Abstimmung mit dem Senat von Berlin vorgeschlagenen Verbesserungen und Feineinstellungen des Gesetzes. Leider schlägt Ihnen der Finanzausschuß in der Drucksache IV/2350 mit der Änderung der §§ 11 und 22 des Berlinhilfe-Gesetzes vor, die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuerpräferenzen für in Berlin hergestellte Spirituosen um den Betrag der Branntweinsteuer zu kürzen, weil behauptet wird, daß der Konkurrenzvorsprung der Westberliner Hersteller ruinöse Folgen für die westdeutschen Hersteller habe. In dem Ihnen vorliegenden Bericht des Finanzausschusses auf Drucksache IV/2350 heißt es hierzu allerdings, daß die Bedeutung der umsatzsteuerlichen Berlin-Präferenzen für die Strukturkrise innerhalb der Konsumbranntwein herstellenden Industrie nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Mit anderen Worten: die vom Finanzausschuß vorgeschlagene Kürzung erfolgt lediglich auf Grund von Behauptungen, ohne daß diese Behauptungen durch amtliche Untersuchungen bestätigt worden sind. Diese vom Finanzausschuß vorgeschlagene Kürzung ist außerdem so unangemessen hoch, daß der vom Gesetzgeber gewollte Wettbewerbsvorsprung damit wieder weitgehend aufgehoben wird.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge gibt es eine Reihe wichtiger Gründe gegen den Vorschlag des Finanzausschusses, den § 11 des Berlinhilfegesetzes zu ändern.
Bitte erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, an folgendes. Der Bundestag hat sich bei der Verabschiedung des Berlinhilfegesetzes davon leiten lassen, daß der politische Druck und das politische Investitionsrisiko in Berlin Ausnahmebedingungen sind, die es - als politische Gründe - rechtfertigen, die Wettbewerbslage Berlins durch steuerliche Präferenzen verschiedener Art zu stärken. Es liegt in der Natur der Sache, daß jede solche nachhaltige Wettbewerbsförderung an anderer Stelle in der Wirtschaft einen mehr oder weniger starken Druck auslösen muß. Der Gesetzgeber hat den Betroffenen diesen Druck aus der gegebenen nationalpolitischen Situation bewußt zugemutet. Er hat lediglich im Falle von Existenzgefährdungen, die durch diese Berliner Umsatzsteuerpräferenzen ausgelöst werden könnten, die Bundesregierung in § 14 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß Umsatzsteuervergünstigungen in solchen Fällen nicht anzuwenden sind.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß auch die im vorliegenden Fall behauptete Existenzgefährdung westdeutscher Spirituosenhersteller hierunter fiele, wenn sie - wie das behauptet wird - durch die Berliner Umsatzsteuerpräferenzen ausgelöst worden wäre. Deshalb ist die vom Finanzausschuß
vorgeschlagene Änderung des Berlinhilfegesetzes in § 11 völlig unnötig.
Ebensowenig kann aber ein Zweifel daran bestehen, daß diese Behauptungen dann von Amts wegen von der Bundesregierung geprüft werden müssen, bevor die vom Finanzausschuß vorgeschlagene, unangemessen hohe Kürzung der Umsatzsteuerpräferenzen beschlossen werden kann. Diese Untersuchung und Prüfung hat bisher nicht stattgefunden. Es liegt nicht einmal amtliches, zuverlässiges Zahlenmaterial vor, auf das sich allein eine so schwerwiegende Maßnahme stützen könnte.
Aus diesem Grunde hat meine Fraktion im übrigen zur dritten Lesung den Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag auf Umdruck 484 gestellt, der bis zum 31. Oktober dieses Jahres eine Untersuchung der Wettbewerbssituation in der Spirituosenindustrie mit Bericht und Vorschlägen an das Hohe Haus und die Prüfung der Anwendung des § 14 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes fordert. Dieser Antrag ist vor allem aber auch deswegen gestellt, weil vorhandene Sorgen und Bedenken untersucht werden müssen und weil wir ein Interesse an einer ordnungsgemäßen Prüfung haben; denn wir sind sicher, daß eine solche Prüfung ergeben wird, daß die Ursache für die Bedrängnis der mittleren und kleineren Spirituosenhersteller nicht die Berliner Umsatzsteuerpräferenzen sind, sondern allein die wachsende Konzentration in der Spirituosenherstellung und die Konzentration bei den großen Einkaufsorganisationen. Eine solche Strukturwandlung kann jedoch durch eine Kürzung der Umsatzsteuerpräferenzen, wie sie der Finanzausschuß vorschlägt, weder wirksam verlangsamt noch überhaupt beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, wenn eine Reihe von Betrieben sich der gegebenen Entwicklung nicht gewachsen zeigt, dann kann ein sachlich so fragwürdiger Ausgleich nicht damit herbeigeführt werden, daß neue, politisch bedenkliche Wettbewerbsnachteile für Berlin ausgelöst werden. Mit Nachdruck möchten wir Ihre Aufmerksamkeit vor allem auch darauf lenken, daß es uns nicht praktikabel erscheint, bei politisch unveränderter Sachlage in Berlin nach knapp zweijähriger Wirksamkeit die Absatzpräferenzen abzubauen, nachdem man in diesen zwei Jahren die Unternehmen auf Grund investitionspolitischer Maßnahmen veranlaßt hat, Produktionsstätten, die andernfalls in Westdeutschland errichtet worden wären, nunmehr in Berlin aufzubauen. Nachdem diese Unternehmen dem Wunsch des Gesetzgebers gefolgt sind, kann und darf ohne ordentliche Prüfung nach so kurzer Frist ein Gesetz von solcher politischen Bedeutung wie das Berlinhilfegesetz nicht einfach wieder geändert werden, nur weil diesbezügliche Interessentenwünsche vorliegen. Das Vertrauen der Wirtschaft, wenn sie auf Grund von Maßnahmen des Gesetzgebers nach Berlin geht, darf nicht auf solche Weise erschüttert werden. Wenn Sie heute hier ein solches Präjudiz schaffen, wird man sich morgen darauf berufen.
Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß das im Jahre 1962 novellierte Berlinhilfegesetz große Erfolge hatte und daß es der Berliner Wirtschaft wieder den Weg zur notwendigen wirtschaftlichen
Expansion eröffnete. Aber bitte, vergessen Sie bei Ihrer Entscheidung auch nicht, daß seit etwa 1958 gerade die Ausrüstungs- und Anlageinvestitionen nicht mehr im Gleichklang mit denen in Westdeutschland gestiegen sind. Aber gerade dies ist ein entscheidender Faktor in der Wettbewerbsfähigkeit Westberlins. Es ist daher eine zwingende Notwendigkeit, daß alle Förderungsmaßnahmen für Westberlin aufrechterhalten bleiben und daß keine neuen Wettbewerbsnachteile entstehen, wie das durch den Vorschlag des Finanzausschusses der Fall sein würde.
Aus diesen Gründen bitten wir Sie, die §§ 11 und 22 BHG in der zur Zeit geltenden Fassung zu belassen und dem Vorschlag des Finanzausschusses nicht zu folgen, weil weder ein Zusammenhang der Bedrängnis westdeutscher Spirituosenhersteller mit den Berliner Umsatzsteuerpräferenzen festgestellt ist noch das Ausmaß dieser Bedrängnis überhaupt untersucht ist, weil dem Kürzungsvorschlag des Finanzausschusses keinerlei angemessener Maßstab zugrunde liegt und, weil es politisch gefährlich ist, derartige Präjudizien zu schaffen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag Umdruck 504 stimmt inhaltlich mit dem Umdruck 483 überein und hat im Grunde genommen dasselbe Ziel wie der eben von Herrn Abgeordneten Seume begründete Antrag der SPD, nämlich die Wiederherstellung der Regierungsvorlage Drucksache IV/2267. Ich kann mich infolgedessen sehr kurz fassen, wenn ich mich nicht unnötigerweise wiederholen will.
Zunächst möchte ich aber als Berliner Abgeordneter und namens meiner Berliner Freunde die Gelegnheit nehmen, sowohl der Bundesregierung als auch diesem Hohen Hause aufrichtig zu danken für die stets große Aufgeschlossenheit gegenüber den Berliner Belangen und die grundsätzliche Bereitschaft, die Lebensfähigkeit der deutschen Hauptstadt unter allen Umständen und mit allen geeigneten Maßnahmen zu fördern.
({0})
Gemessen an den bisher und weiterhin vorgesehenen Leistungen im Rahmen des Berlinhilfegesetzes - rund .280 Millionen DM kommen allein jährlich den Berliner Arbeitnehmern auf Grund der Arbeitnehmervergünstigungen zugute - sind die nach dem Beschluß des Finanzausschusses ab 1. Januar 1965 vorgesehenen Kürzungen der Umsatzsteuerpräferenzen für Trinkbranntwein von nicht so großer Bedeutung, als daß man daraus schon eine Gefährdung der Berliner Wirtschaft herleiten könnte. Wir bedauern aber dennoch insofern den Beschluß des Finanzausschusses, als er Zweifel an der Beständigkeit der einmal beschlossenen Berlinhilfen aufkommen lassen könnte.
({1})
Müller ({2})
Durch diese Änderung in § 11 kann bei den an sich investitionsbereiten Unternehmen immerhin leicht der Eindruck entstehen, als ob das Gesetz in seinen wesentlichen Bestandteilen immer wieder Änderungen unterworfen würde. Diese Wirkung ist sicher nicht gewollt; davon bin ich überzeugt. Daß eine solche Wirkung nicht eintreten darf, schon um die vom Gesetzgeber an sich gewünschte Auswirkung des Gesetzes und die Erwartungen, die daran geknüpft sind, nicht zu enttäuschen, dem gilt unser Bemühen. Aber gerade deshalb sollte das Gesetz mit Rücksicht auf die Investionen grundsätzlich nicht ohne zwingende Notwendigkeit geändert werden.
Die Antragsteller des Änderungsantrags zum Berlinhilfegesetz gemäß Drucksache IV/1854, der zu dem Beschluß des Finanzausschusses nach Drucksache IV/2350 führte, begründeten ihr Anliegen im wesentlichen mit der Behauptung, daß das Berliner Angebot an Spirituosen am westdeutschen Markt auf Grund der Umsatzsteuerpräferenzen angeblich eine Existenzgefährdung für westdeutsche Spirituosenhersteller sei. Genauer gesagt, beziehen sich die Beschwerden, die zu diesem Antrag führten, nur auf einen begrenzten Ausschnitt der Spirituosenerzeugung, nämlich die billige Konsumware.
Wir sind der Meinung, wenn eine gründliche Prüfung amtlicherseits - das ist hier schon einmal gesagt worden - ergibt, daß die Präferenzen im bisherigen Umfang tatsächlich ruinöse Folgen für die westdeutschen Konsumbranntweinhersteller haben, bietet sich die Anwendung des § 14 Abs. 1 geradezu an. Darf ich Ihnen diesen § 14 Abs. 1 zitieren:
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung bestimmen, daß die umsatzsteuerlichen Vergünstigungen nach § 3 Abs. i oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 auf die Lieferung von Gegenständen bestimmter Art nicht anzuwenden sind, wenn die Vergünstigungen der Lieferung von Gegenständen dieser Art die Existenz derjenigen Wirtschaftszweige im Bundesgebiet gefährden würden, die Gegenstände gleicher Art liefern.
Entgegen der im Finanzausschuß vertretenen Meinung sind wir der Auffassung, daß die „Gegenstände gleicher Art" sich nicht nur auf den ganzen Wirtschaftszweig beziehen müssen. „Gegenstände gleicher Art" können unseres Erachtens auch ganz bestimmte Waren oder Warengruppen sein, so in diesem Falle der Konsumbranntwein. Wenn aber der § 14 nicht anwendbar ist, wie behauptet wird, sollte man ihn praktikabler gestalten, um die unerwünschten Wirkungen zu beseitigen.
Schon mein Herr Vorredner hat ,darauf hingewiesen, daß, wie der Schriftliche Bericht Drucksache IV/2350 feststellt, die Bedeutung der umsatzsteuerlichen Berlinpräferenzen für die Strukturkrise innerhalb der konsumbranntweinherstellenden Industrie nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Die umsatzsteuerlichen Berlinpräferenzen verschaffen lediglich den Berliner Herstellern - so heißt es dort - einen unangemessen großen Konkurrenzvorsprung, der ruinöse Folgen für die westdeutschen Konsumbranntweinhersteller habe. An sich haben
wir noch ein halbes Jahr Zeit, an Hand amtlicher Unterlagen - ich betone noch einmal: an Hand amtlicher Unterlagen - und Vergleichszahlen diese Frage erneut ernsthaft zu prüfen; denn die nach ,dem Beschluß des Finanzausschusses vorgesehene Kürzung soll erst ab 1. Januar 1965 eintreten.
Deshalb schlagen wir Ihnen vor, zunächst die Regierungsvorlage wiederherzustellen und in der dritten Lesung gemäß Umdruck 503 .die Bundesregierung zu beauftragen,
bis zum 31. Oktober 1964 zu untersuchen, ob und in welchem Maße durch die Präferenzen des Berlinhilfegesetzes ruinöse Folgen für die westdeutschen Konsumbranntweinhersteller eingetreten sind.
Sollte sich herausstellen, daß die Präferenzen des Berlinhilfegesetzes unvertretbare Störungen für die Branntweinhersteller und eine nicht beabsichtigte Verzerrung ides Wettbewerbs bewirkt haben, so wird die Bundesregierung gebeten, zu prüfen, ob in Anwendung Ides § 14 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes eine Rechtsverordnung erlassen worden muß oder ob sie ,dem Bundestag Vorschläge zur Änderung ides Berlinhilfegesetzes unterbreiten will.
Ich bitte daher das Hohe Haus um seine Unterstützung und um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag Umdruck 504 bzw. in der dritten Lesung zu unserem Entschließungsantrag Umdruck 503.
({3})
Das Won hat der Abgeordnete Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die beiden Anträge abzulehnen. Ich darf das wie folgt begründen.
Einmal möchte ich das Thema, über das wir diskutieren, in die richtige Größenordnung einstufen. Wir haben mit dem vorliegenden Gesetz im wesentlichen folgende Vorteile für Berlin vorgeschlagen: einmal eine Lahn- und Einkommensteuer, die 30 % niedriger ist als in Westdeutschland.
({0})
- Ich sage ja, was wir beschlossen haben. Ich sage das gerade deswegen, weil ich das Beschlossene will und weil wir das alle gemeinsam wollen.
({1})
- Nein, das ist kein neuer Beschluß.
({2})
Wir schlagen Ihnen vor, den Gewerbetreibenden in Berlin Steuerersparnisse bei Investitionen einzuräumen, indem man bereits im ersten Jahr 75 % abschreiben kann. Wir schlagen Ihnen weiter vor, daß bei den Investitionen durch Darlehen bis zu 20 % der Darlehen abgesetzt werden können. Wir schlagen Ihnen weiter vor, daß wir bei der Beförde6642
rungsteuer im Werkfernverkehr nur die Hälfte erheben
({3})
und daß wir eine 8%ige Umsatzsteuerpräferenz für Lieferungen von Berlin nach Westdeutschland geben. Außerdem haben wir in weiteren fünf Punkten Verbesserungen des Berlinhilfegesetzes beschlossen, um gewisse Unebenheiten auszugleichen.
Nur in einem Punkt, nämlich bei der Spirituosenherstellung, sind wir der Meinung, daß die bisherige Form nicht fortgesetzt werden kann, daß also bei diesem ganz schmalen Sektor der Spirituosenherstellung, einer relativ primitiven Fertigung, wie Sie mir zugeben werden, indem man nämlich Weingeist mit Wasser verdünnt, - ({4})
- Aber diese Fertigung, Herr Kollege Möller, wird dreimal so hoch subventioniert wie jede andere Fertigung!
({5})
Da bin ich der Meinung, daß die bisherige Umsatzsteuerpräferenz nicht gerechtfertigt ist. Deshalb haben wir die Spirituosen hier besonders herausgenommen.
Drei Gründe sind für uns ausschlaggebend, die auch verhindern werden, Herr Kollege Möller, daß
irgendeine Berufung auf diesen besonderen Fall möglich ist. Wir wollen genau das, was der Kollege Seume gesagt hat, daß die Berlinpräferenzen in vollem Umfange den Berlinern und damit uns, den Deutschen allgemein, zugute kommen.
Wir sind uns auch bewußt, daß bei den konkurrierenden Branchen in Westdeutschland unangenehme Situationen, Konkurrenzlagen schaffen kann; das ist ganz klar. Wir wollen nur die Spirituosenherstellung deshalb ausnehmen, weil hier eine besondere Situation besteht, eine völlige Ausnahmesituation gegenüber allen anderen Fertigungen - ebenso wile bei Zigaretten, worüber wir bereits gesprochen haben -, weil die Spirituose einen so exorbitant hohen Satz von Branntweinsteuer, von indirekter Steuer enthält. Nur das ist der Grund, Herr Kollege Wehner, daß wir hier meinen, man müsse einen gesonderten Weg gehen.
Aus folgenden drei Gründen müssen wir uns veranlaßt sehen, hier einen eigenen Weg zu gehen. Einmal handelt es sich um eine Fertigung, die im Verhältnis zum Wert der Ware außerordentlich geringwertig ist. Wir haben bereits mehrere andere Fertigungen im Gesetz, die in einer ähnlichen Relation sind, auch ausgenommen. Zweitens handelt es sich hier um eine Monopolware; es ist so, daß die Monopolverwaltung Weingeist nach Berlin fahren und dort zu demselben Preis wie in Westdeutschland anliefern muß. Auch das ist eine besondere Situation. Drittens ist die Verbrauchsteuer exorbitant hoch. Deswegen machen wir nichts weiter, als daß wir diese Fertigung der Branntweinherstellung genauso behandeln wie jede andere Fertigung: Bezogen auf den Wert der Ware, erhält nämlich der Berliner Hersteller seine 8 %, genauso, wie wenn er Maschinen, Kleidung oder Hemden herstellt. Das ist der Sinn des Beschlusses, den wir im Finanzausschuß gefaßt haben und der, meine ich, in vollem Umfange gerechtfertigt ist.
Nun wenden Sie ein, Herr Kollege Seume, wir müßten das Vertrauen der Unternehmer schützen, die auf Grund unserer Gesetzgebung nach Berlin gegangen sind.
({6})
Ich glaube, das ist in dieser Form ein äußerst gefährliches Argument.
({7})
Denn wir, die Antragsteller, haben uns bewußt darauf beschränkt, unseren Antrag mit dem Auslaufen des Berlinhilfe-Gesetzes wirksam werden zu lassen. Das ist Ende dieses Jahres.
({8})
Und nun verlängern wir das Gesetz, und zwar um fünf Jahre. Das tun wir bewußt, weil wir eine Stabilität hineinbringen wollen. Aber nun frage ich Sie: Werden wir denn in gar keinem Fall in der Lage sein, irgend etwas daran zu ändern, weil man sich dann auf einen Vertrauensschutz beruft? Ich glaube, der Zeitpunkt, zu dem ein Gesetz ausläuft und verlängert werden muß, ist gerade der geeignete, an idem wir uns überlegen müssen, ob es in diesem oder jenem Punkt verbessert oder sonst verändert werden muß.
Nun sagen Sie, diese Zahlen seien noch nicht überprüft. Meine Damen und Herren, die Kalkulation hat vorgelegen. Die Differenzen zwischen dem Ministerium und dem Berliner Senat waren geringfügig. Die Unterschiede in den Produktionskosten zwischen Berlin und den Westen lagen etwa pro Flasche dieses einfachen Branntweins bei 35 bzw. 50 Pf. Bezogen auf den Warenwert, liegt hier also eine Präferenz in Höhe von 20 % vor, während wir sie bei den übrigen Waren in Höhe von 8 % haben. Nun will ich Ihnen noch die Auswirkungen nennen. Wir haben das einmal durchgerechnet. Wenn wir den Steuerausfall rechnen, den wir durch diese zusätzliche Branntweinpräferenz haben, so können wir daraus sämtliche Investitionen, die für diesen Zweck von den Westdeutschen in Berlin vorgenommen worden sind, bezahlen und außerdem für jeden zusätzlichen Arbeiter 12 000 DM im Jahr aufbringen, weil nämlich diese Fertigung in Berlin in Wirklichkeit nichts bringt. Ich will Ihnen vielmehr eines sagen: Wir subventionieren hiermit den westdeutschen Schnapstrinker, aber ich bin nicht der Meinung, daß wir damit Berlin helfen.
Gestatten Sei eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Stecker, ist das eine amtliche Zahl, oder wer hat diese Berechnung angestellt?
Die Berechnung haben wir auf Grund der Unterlagen des Berliner Senats angestellt. Der Kollege Dichgans hat das in einem Brief schriftlich niedergelegt, der Ihnen auch vorliegt, Herr Kollege Seume. Dort sind die Zahlen ausgewertet, die uns Senator Schiller gegeben hat.- Das ist also das Ergebnis, meine Damen und Herren.
Und nun noch eines. Sie sagen, die Bundesregierung solle doch auf Grund des § 14 des Gesetzes vorgehen. Nein, meine Damen und Herren, dieses Haus ist der Herr des Berlinhilfe-Gesetzes, im Guten und im Bösen. Wir stehen dafür ein, und wir wollen dieses Gesetz. Ich bin nicht der Meinung, daß wir uns die Augen verbinden und sagen können: Wir beschließen, und die Bundesregierung wird dann schon mit dem Berliner Senat das Richtige daraus machen. Hier ist vielmehr der Ort und der Zeitpunkt, wo wir beschließen müssen.
({0})
Deshalb 'bin ich der Meinung, daß wir hier mit der Ausschußvorlage eine gute Sache machen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dichgans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir sollten uns hier im Plenum, meine ich, nicht mit den Einzelheften der Spritkalkulation und mit dem Wettbewerb von Spritfabriken untereinander befassen. Wir sind eine politische Körperschaft und kein Gremium von Wirtschaftsprüfern.
({0})
- Ja, das ist völlig richtig. Wir sollten das Politische immer in den Vordergrund stellen; da sind wir uns völlig einig. Wir sollten uns auf die politische Frage, auf die Verfahrensfrage beschränken: welche Folgerung wollen wir hier und heute aus der Tatsache ziehen, daß eine sachliche Unklarheit vorliegt? Daß eine sachliche Unklarheit vorliegt, scheint unbestritten zu sein. Auch die Kollegen, die die Ausschußfassung ablehnen, haben sich ausdrücklich für eine Prüfung ausgesprochen.
Ich will die Zahlen hier nicht wiederholen. Der Umsatzsteuerausfall durch die Präferenzen für die Berliner Spirituosenindustrie beträgt im letzten Jahr nach dem, was der Senat mir mitgeteilt hat, allein 25 Millionen DM, während nur 750 neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Da drängt sich doch die Frage auf: steht hier der Aufwand, nämlich der Steuerausfall, in einem angemessenen Verhältnis zu, dem erzielten Ergebnis? Und die politische Frage lautet nun, Herr Kollege Seume: sollen wir jetzt höhere Präferenzen beschließen und diese dann möglicherweise nach dem Ergebnis der Prüfung ermäßigen, oder wollen wir heute zunächst nur niedrigere Präferenzen beschließen und diese möglicherweise später wieder erhöhen?
({1})
- Nein, nicht um dieselben. Das geltende Gesetz, das ausläuft, soll nicht geändert werden. Wir wollen aber jetzt ein neues Gesetz beschließen, das fünf Jahre Geltung hat. Ich halte es für schlecht, wenn wir das Gesetz sofort mit dem Vorbehalt beschließen, es möglicherweise noch in diesem Jahr - das hat ja eben Herr Kollege Müller gesagt - zu ändern.
Ich bin sehr für den Vertrauensschutz. Wer investiert, muß sicher sein, daß sich während der Laufzeit des Gesetzes an diesem Gesetz nichts zu seinem Nachteil ändert. Aber wenn wir eine Befristung beschließen und keine unbefristete Regelung, so bedeutet das doch, daß wir sie von Zeit zu Zeit, nämlich jeweils bei Ablauf der Befristung, überprüfen wollen, und das sollten wir tun. Deshalb bin ich dafür, dem Gesetz, das wir heute beschließen, eine Fassung zu geben, die wir unter keinen Umständen zum Nachteil der Investoren zu verschlechtern brauchen.
Demgemäß schlage ich Ihnen folgendes vor. Erstens: Wir beschließen heute hier den Ausschußtext. Zweitens: Wir leiten sofort mit dem Berliner Senat eine Prüfung ein. Drittens: Wenn sich dann ergibt, daß aus wirtschaftspolitischen und aus berlinpolitischen Gründen eine Wiedererhöhung der Präferenzen auf den bisher geltenden Stand notwendig ist, werde ich der erste sein, der einen solchen Initiativantrag mit unterschreibt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gewiß.
Ließe sich, wenn wir also einig sind im Hinblick auf die Notwendigkeit der Präferenzen zur Erfüllung der nationalpolitischen Aufgabe Berlins, das nicht umgekehrt machen? Sie sagten eben: Prüfen, damit - falls nicht gerechtfertigt - die ursprüngliche Fassung wiederhergestellt werden kann. Sollte man nicht jetzt die Regierungsfassung wiederherstellen, für die die Regierung leider hier nicht eintritt? Ließe es sich nicht machen, daß man bei allgemeiner Loyalität gegenüber der nationalpolitischen Aufgabe Berlins und auch bei der Bereitschaft zur sachgerechten Prüfung der Einwände, die hier von bestimmten Produzenten gemacht worden sind, den Weg geht, der vorgeschlagen wird: mit Hilfe des Berlinhilfegesetzes -§ 14 Abs. 1 - dann die Verhältnisse zu prüfen? Prüfen wollen Sie auch. Es wäre nur umgekehrt.
Ich darf dazu folgendes sagen. Wir sind uns über die nationalpolitischen Aspekte völlig einig. Ich halte es auch nicht für richtig, hier die Interessen der Sprit-Industrie in den
Vordergrund zu stellen. Es handelt sich um ein rein politisches Problem, um das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis. Aber, Herr Kollege Wehner, ich sehe es jetzt rein vom Standpunkt der Gesetzgebung aus: hielten Sie es nicht für schlecht, wenn wir ein Gesetz mit dem Vorbehalt machten, daß wir es zum Nachteil der Investoren möglicherweise schon sehr bald verschlechtern müßten? Wer im Bundesgesetzblatt liest, daß wir ein neues Berlinhilfegesetz bis zum Jahre 1969 beschlossen haben, sollte sich darauf verlassen können, daß es nicht zu seinem Nachteil Bändert, sondern nur vielleicht - zu seinem Vorteil - verbessert wird. Das scheint mir die bessere Lösung zu sein.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich frage, ob man nicht über beide Anträge, die ja wörtlich gleich sind, in einem Gang abstimmen kann.
({0})
- Das scheint mir möglich zu sein. - Dann stelle ich zur Abstimmung die Änderungsanträge auf den Umdrucken 483 und 504, und zwar die Anträge in beiden Ziffern; ich denke, die Dinge hängen zusammen.
({1})
- Einverstanden. Wir stimmen also über beide Anträge ab. Wer stimmt ihnen zu? Ich bitte um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die beiden Anträge sind angenommen.
({2})
- Meine Damen und Herren, es tut mir leid, das Präsidium ist in dieser Frage einer Meinung.
Wir stimmen nun über den Art. 1 des Gesetzentwurfs ab. Wer dem Art. 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5,
- Einleitung .und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Die Gegenprobe! - Mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Senator Schütz, Berlin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Landes Berlin ,darf ich folgendes erklären.
Das Berlinhilfegesetz, das Ihnen heute zur Schlußabstimmung vorliegt, führt das Programm des Bundes zur Stärkung der Wirtschaftskraft der deutschen Hauptstadt geradlinig weiter. Die Bundesregierung steht mit ihrer Vorlage in voller Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Senats von Berlin. Von diesem Augenblick und von dieser Steile aus möchte ich für Ihre verständnisvolle Haltung bei den vielen vorbereitenden Besprechungen danken.
Bei der Beratung des Gesetzes in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses hat es in einer Einzelfrage unterschiedliche Auffassungen gegeben. Ich will und kann die wirtschaftlichen Tatbestände dieser Kontroverse nicht bagatellisieren. Die Entscheidung ist gefallen, und ich danke für diese Entscheidung. Denen, die sich in dieser Frage für Berlin besonders eingesetzt haben, gilt auch der besondere Dank.
Aber nach der Entscheidung selbst müssen wir den Blick wieder auf das Gesetz als Ganzes richten. Hier müssen die politischen und die gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten gesehen werden. Deshalb ist die Feststellung wichtig, daß es über diese Notwendigkeiten nie Meinungsverschiedenheiten und nie Auseinandersetzungen gegeben hat.
Das Berlinhilfegesetz ist der äußeren Form nach ein Steuer- und Wirtschaftsförderungsgesetz. Tatsächlich aber ist es ein Instrument unserer gesamtdeutschen Politik. Es richtet sich gegen die Versuche der Kommunisten, den freien Teil Berlins auszutrocknen. Es kräftigt die Leistungs- und Lebensfähigkeit der Stadt. Es stärkt den Selbstbehauptungswillen der Berliner. Das Berlinhilfegesetz macht das Leben in Berlin nicht nur erträglich, es macht es wieder attraktiv. Aus Berlin wandert man heute nicht mehr ab, im Gegenteil, mehr Menschen aus Westdeutschland gehen heute nach Berlin als in die umgekehrte Richtung. Zum erstenmal seit dem Jahre 1958, dem Jahr des sowjetischen Berlin-Ultimatums, hat die Berliner Bevölkerung absolut wieder zugenommen.
({0})
Die Altersstruktur der Bevölkerung bessert sich. Das Berliner Investitionsklima, im Jahre 1962 noch frostiger als das westdeutsche, hat sich 1963 wesentlich erwärmt. Dazu haben innen- und außenpolitische Ereignisse beigetragen. Der entscheidende Anteil jedoch gebührt ohne Zweifel diesem Gesetzeswerk.
Aber vieles bleibt noch zu tun. Das Wirtschaftsgeschehen Berlin ist jetzt den im gesamten Bundesgebiet erzielten Durchschnittswerten vergleichbar. Aber übersehen wir nicht: die Berliner Zahlen hinken erheblich hinter denen vergleichbarer Angaben westdeutscher Großstädte her. Berlin wird auch in Zukunft auf die Hilfe des Bundes angewiesen sein.
Wie auf keinem anderen Gebiet des freien Deutschlands ruht auf dieser Stadt weiterhin die Last der Spaltung unseres Vaterlandes. Stacheldrahtzäune, Minengürtel und Mauern zerreißen den deutschen Wirtschaftsraum. Sie trennen Deutsche von Deutschen. Laufzettel und Warenbegleitscheine sind weiterhin die äußeren Kennzeichen des Verkehrs zwischen Westdeutschland und Berlin.
Die Sowjetunion hat in ihrem Memorandum vom Dezember 1961 an die Bundesrepublik Deutschland behauptet, daß Berlin als Teil des freien Deutschlands nicht lebensfähig sein werde, daß die Stadt also unvermeidlich verkümmern und dahinsiechen werde; denn - so das sowjetische Memorandum Senator Schütz
die Hauptbedingung für die Lebensfähigkeit Westberlins, nämlich die Sicherung des Kapitalzuschusses, die Erneuerung der Ausrüstung seiner Industrie und das Wachstum der Arbeitsproduktivität seien auf die Dauer nicht zu gewährleisten. Das freie Deutschland, wir alle also, meine Damen und Herren, haben unsere Antwort auf diese Herausforderung gegeben. Wir alle müssen auch heute wieder unsere Antwort geben. Demgegenüber - das glaube ich sagen zu können - werden wir alle einig sein. Der sogenannte Freundschaftspakt zwischen der Sowjetunion und ihrer Besatzungszone hat an dieser Lage nichts geändert; im Gegenteil, wir müssen sogar wachsam sein, daß wir im freien Teil Deutschlands nicht die Entspannungssirenen aus Ost und West falsch deuten. Die Berliner Krise in ihrer speziellen Form des Memorandums vom Jahre 1958 ist überwunden. Ulbricht hat seinen separaten Friedensvertrag nicht bekommen, und die westlichen Schutzmächte bleiben in der deutschen Hauptstadt. Das ist wichtig, und das ist richtig, aber das Ringen um die Freiheit und die Lebensfähigkeit Berlins ist damit nicht zu Ende.
Die Entspannungsbemühungen der Welt haben Berlin noch lange nicht erreicht. Es bedarf weiterhin höchster Wachsamkeit, es bedarf weiterhin größter Einsatzbereitschaft. Heute und aus Anlaß der Verabschiedung dieses Gesetzes muß klar erkannt werden: solange die deutsche Hauptstadt geteilt ist, solange Deutschland auseinandergerissen bleibt, muß Berlin in seinem Kampf um die Freiheit weiterhin an die Solidarität der Freien appellieren.
({1})
Wir Berliner tun es in dem Bewußt, daß wir denen, die uns diese Hilfe freimütig geben, nicht zur Last fallen. Wir glauben, daß wir uns allen etwas geben. Dies ist unsere Erkenntnis. Die Deutschen im freien Teil ihres Vaterlandes vertreten eine gemeinsame Überzeugung, wenn sie in Berlin eine blühende Industriestadt und eine Stätte der Kunst und der Wissenschaft errichten. Sie leisten sich selbst einen Dienst, wenn sie gerade am umkämpftesten Punkt die Überlegenheit unserer freiheitlichen und wirtschaftlichen Gesellschaftsordnung gegenüber den kommunistischen Zwangsvorstellungen beweisen.
Dir Hilfe, die der deutschen Hauptstadt gewahrt wird, erfüllt uns mit Dankbarkeit. Und so darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, für dieses Gesetz den Dank des Landes Berlin aussprechen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
({0})
- Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege.
({1})
Herr Kollege Memmel, .die Abstimmung war nicht
zweifelhaft. Das Präsidium war einer Meinung in
dieser Frage. Wir nehmen die Schlußabstimmung in der üblichen Weise vor.
Wer dem Gesetz in der vorgeschlagenen Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. ({2})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist mit großer Mehrheit angenommen.
({3})
Ich bitte um Ruhe!
({4})
Enthaltungen? - Ich stelle nochmals fest: das Gesetz ist mit großer Mehrheit - gegen einige NeinStimmen, bei einigen Enthaltungen - angenommen.
({5})
Wir haben noch über die Entschließungsanträge abzustimmen, die zu diesem Gesetz eingebracht worden sind, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 484 *) und den Entschließungsantrag der Abg. Stingl, Dr. Gradl, Müller ({6}), Benda und Genossen auf Umdruck 503 **Wir stimmen in dieser Reihenfolge ab. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 503 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Beide Anträge sind angenommen.
Dann müssen wir noch über einen Antrag des Ausschusses abstimmen. Den finden Sie in der Drucksache IV/2350 Seite 3 als Ziffer 2 des Ausschußantrags.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Wäre es angesichts der Annahme der Entschließungsanträge nicht zweckmäßig, diesen Teil des Ausschußantrages an den Ausschuß zurückzuverweisen?
Der Abgeordnete Stingl schlägt vor, diesen Teil des Ausschußantrages an den Ausschuß zurückzuverweisen. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 33 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung ides Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964 ({0}) ({1});
*ÜSiehe Anlage 6 **Siehe Anlage 7
Vizepräsident Schoettle
Schriftlicher Bericht ides Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ({2}) ({3}).
({4}).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. Berichterstatter ist der Abgeordnete Lange. - Das Haus verzichtet auf die Ergänzung der Berichterstattung.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Es scheint keine große Neigung zu beistehen. Meine Damen und Herren, es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens, immerhin eine nicht unwichtige Angelegenheit. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Ich eigne mich zwar nicht zum Pädagogen, muß aber in diesem Fall doch pädagogische Mittel anwenden.
({5})
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist in der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht begehrt. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Ich nehme an, auch die Herren, die stehen, wollen dem Gesetzentwurf zustimmen. - Das scheint der Fall zu sein. Der Gesetzentwurf ist in der dritten Beratung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 34 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes ({6}).
Die Schriftliche Begründung des Gesetzentwurfs wird zu Protokoll genommen *). Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Der Gesetzentwurf soll an den Wirtschaftsausschuß - 'federführend - und an den Rechtsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein; es ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 8 Ich rufe auf Punkt 37 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG ({7}) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({8}) ({9}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .({10}) ({11}).
({12})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Wächter. Will der Herr Berichterstatter seinen Bericht ergänzen? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in der zweiten Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! Dem Anschein nach sind weder Gegenstimmen noch Enthaltungen zu erwarten; alle Anwesenden haben sich von den Plätzen erhoben. - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Beratung einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe auf Punkt 37 b:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG ({13}) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({14}) ({15}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({16}) ({17}).
({18})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Sühler. - Das Haus verzichtet auf eine Ergänzung des Schriftlichen Berichts.
Ich bin gebeten worden, eine Berichtigung bekanntzugeben. In § 5 Abs. 1 ist in der fünften Zeile das Wort „oder" zu streichen und dafür ein Komma zu setzen. Das Haus nimmt von dieser Berichtigung Kenntnis. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsident Schoettle
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 37 c auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 16/64/EWG ({19}) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({20}) ({21}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({22}) ({23}).
({24})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Roesch. Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. Der Bericht wird mündlich nicht ergänzt.
Ich eröffne die Aussprache. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt ein Antrag des Ausschusses vor, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf - Drucksache IV/2261 - mit der Maßgabe, daß
1. die Eingangsworte folgende Fassung erhalten:
„Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:",
2. § 15 folgende Fassung erhält:
„§ 15
Das Unterwerfungsverfahren nach § 67 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist zulässig. Die §§ 42 und 43 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 bis 6 des Außenwirtschaftsgesetzes gelten entsprechend."
3. § 18 folgende Fassung erhält: „§ 18
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.",
im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Wir müssen zunächst über diesen Antrag des Ausschusses abstimmen, weil er eine Änderung des Gesetzentwurfes bringt. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen.
Wir kommen in der zweiten Beratung zur Abstimmung über den Gesetzentwurf im ganzen. Wer dem Gesetzentwurf in der durch den Antrag des Ausschusses geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der in der zweiten Beratung herbeigeführten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 39 a auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({25}) über den Antrag der Abgeordneten Sander, Peters ({26}), Dr. Effertz, Logemann, Walter, Ertl, Dr. Frey ({27}), Struve und Genossen betr. Zuckerrübenpreis 1963/64 ({28}) .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Marquardt. Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. - Zur Ergänzung wird das Wort nicht gewünscht.
Ich eröffne die Ausprache. Das Wort hat der Abgeordnete Sander.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme an, daß Sie den Bericht des Herrn Abgeordneten Marquardt zur Drucksache IV/1416, betreffend Erhöhung des Zuckerrübenpreises 1963/64, gelesen haben. Dieser Antrag von Abgeordneten hat leider ein Jahr lang die verschiedensten Ausschüsse in diesem Hohen Hause beschäftigt. Die Arbeit und das Mühen sind nicht umsonst gewesen, und ich kann deshalb wohl sagen: Ende gut, alles gut!
({0})
Lassen Sie mich nun aber, Herr Dr. Barzel, dazu bitte sachlich Stellung nehmen. Der von der FDP im vorigen Jahr mit Unterstützung einiger Koalitionskollegen eingebrachte Antrag, die Bundesregierung um eine Anpassung des Erzeugermindestpreises für Zuckerrüben an die erheblich gestiegenen Produktionskosten durch Anhebung von 6,75 DM auf 7,25 DM je Doppelzentner zu ersuchen, hat im vorigen Jahr nicht nur die Unterstützung des Bundesernährungsministeriums gefunden, wo6648
rüber wir sehr erfreut sind, Herr Minister, sondern auch die Zustimmung des Ernährungsausschusses. Auch der Wirtschaftsausschuß hat im Grundsatz die Forderung für berechtigt erklärt, den Zuckerrübenanbauern einen Ausgleich für die Verteuerung der Produktionsmittel und der Arbeitskräfte zuzugestehen. Zweifellos ließen sich die Mitglieder beider Ausschüsse dabei von den Besorgnissen leiten, daß der - das Wort darf man hier gebrauchen - sensationelle Wandel auf dem Weltzuckermarkt von einem preisdrückenden Überschuß zur preistreibenden Knappheit die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Eigenversorgung im Interesse nicht zuletzt der Verbraucher heute dringender denn je notwendig macht. In der Bundesrepublik werden im langjährigen Durchschnitt rund 1,5 Millionen t Zucker erzeugt. Die „süße Welle" - ich bitte, das jetzt nicht zu verwechseln -, das heißt, der Drang zu immer süßerem Essen, hat jedoch inzwischen den Zuckerbedarf in unserer Bundesrepublik auf rund 1,8 Millionen t erhöht. Interessant ist, daß der Verbrauch nach wie vor nach oben tendiert. Dementsprechend steigt selbstverständlich auch der Einfuhrbedarf.
Von Interesse wird nun für Sie sein, daß auf Grund der niedrigeren Produktion in der Welt die Erzeugung Kubas von 6,8 Millionen t im Jahr 1960 auf rund 3 Millionen t im Jahr 1963 fiel. Diese Begleiterscheinung der politischen Veränderungen in diesem früher ausschlaggebenden Zuckerexportland wird erfahrungsgemäß noch auf längere Zeit die Situation am Weltzuckermarkt bestimmen. Ich glaube, es ist noch nicht vorgekommen, daß sich, wie im vorigen Jahr oder in den letzten beiden Jahren, der Zuckerpreis am Weltmarkt versechsfacht und, wie im letzten Jahr allein, vervierfacht hat.
Bei dem hohen Weltmarktpreis für Zucker mußte die Bundesregierung, um diese radikale Verteuerung des Zuckers am Weltmarkt vom Verbraucher abzuwehren, jedes eingeführte Kilo Zucker mit durchschnittlich 0,40 DM subventionieren. Das macht je nach Ernteertrag hier in Deutschland - zumindest war das im letzten Jahr der Fall - einen Subventionsbetrag in Höhe von 70 bis 80 Millionen DM aus. Daher müßte es, meine ich, auch im Interesse des Herrn Bundesfinanzministers liegen, alles zu tun, um bei uns in Deutschland einen guten, leistungsfähigen Zuckerrübenbau zu erhalten. Denn es dürfte, glaube ich, nicht unsere Aufgabe sein, auch auf diesem Sektor noch Subventionen zu zahlen.
Am Beispiel des Zuckers wird klar, wie schnell, wie sehr schnell durch politische Ereignisse in der Welt die Versorgungsverhältnisse grundlegend geändert werden können. Sollte man deshalb nicht alles tun, um eine möglichst ausreichende Eigenversorgung leistungsfähig zu erhalten? Dazu ist aber die von uns geforderte Erhöhung des Erzeugerpreises für Zuckerrüben notwendig. Dieser Erzeugerpreis ist - das ist, glaube ich, nicht uninteressant - seit 1957 auf dem gleichen Stand. Dagegen sind in der gleichen Zeit die Tarifsätze für Akkordarbeiten bei der Aufwuchspflege um rund 200 DM je Hektar gestiegen. Auch der Ecklohn für landwirtschaftliche Arbeiter - wir sind durchaus dafür - ist in dieser Zeit um mehr als 60 %gestiegen. Auch die Kosten
der Maschinenunterhaltung, für Lohn, Dünger usw. sind wesentlich erhöht, so daß nach den Unterlagen der Fachleute hier eine Erhöhung der Gestehungskosten um 1 DM je Doppelzentner Zuckerrüben entstanden ist.
Meine Damen und Herren, die verlangte Aufbesserung des Zuckerrübenpreises um 0,50 DM je Doppelzentner bleibt also noch hinter der Kostensteigerung zurück. Die Richtigkeit dieser Kostenansätze wurde niemals, von keiner Stelle angezweifelt.
Ich bedauere, daß unser Herr Bundeskanzler in diesem Fall den Grundsatz der Kostendeckung, der sonst, z. B. bei der Kohle oder beim deutschen Erdöl, immer angewandt worden ist, nicht anerkannt hat. Ich bedauere das deshalb ganz besonders, weil wir ja auch bei diesen Urprodukten mit Milliardensubventionen arbeiten. Die Anhebung des Zuckerrübenpreises im letzten Jahr, deren Berechtigung - ich betone das noch einmal - von keiner Stelle angezweifelt wurde und die vom Ernährungsministerium und den beiden entscheidenden Ausschüssen anerkannt worden ist, hätte eine Verteuerung um ganze 3 Pf je Pfund Zucker gebracht. Dazu muß hier einmal gesagt werden, daß der Zuckerpreis heute um 61/2 Pf niedriger ist als vor zehn Jahren.
({1})
- Ich habe nichts dagegen.
({2})
- Herr Schmidt, Sie haben ja nachher genug Gelegenheit, dazu zu sprechen. Eine Anhebung um 3 Pf würde die Ernährungsausgaben pro Kopf und Monat um 8 Pf anheben.
({3})
Vielleicht darf ich hier einmal ein Beispiel anführen. Wir haben im letzten Jahr 16 Milliarden DM für Genußmittel ausgegeben - die ich persönlich jedem gern gönne -; wir bitten dann allerdings auch jeden um Verständnis für die echten Schwierigkeiten, die heute in der Landwirtschaft vorhanden sind. Fast hätte ,ich vergessen, Ihnen zu sagen, daß die ganze Erhöhung eine Zigarette pro Monat ausgemacht hätte.
({4})
Meine Damen und Herren, für die deutsche Landwirtschaft war es sehr bedrückend, daß das Bundeskabinett am 23. Oktober vorigen Jahres einen Antrag des Bauernverbandes auf Erhöhung des Zukkerrübenpreises nun nicht etwa aus sachlichen, sondern aus allgemein politischen Gründen ablehnte. Es ist Ihnen bekannt, daß der Ernährungsausschuß und der Wirtschaftsausschuß des Bundestages bei der Beratung des Antrags auf Drucksache IV/1614, wie ich bereits anführte, nach sorgfältiger Prüfung eine höhere, d. h. kostengerechtere Bezahlung der Zuckerrüben als vordringlich und berechtigt anerSander
kannt hat. Brüskierend für das ganze Parlament - hier meine ich nicht die Koalition, sondern hier meine ich das gesamte Parlament - war jedoch im Vorjahr die Aussage des Bundespressechefs. Herr von Hase erklärte auf einer Pressekonferenz, daß auch bei einer positiven Entscheidung über den Antrag der Abgeordneten sogar ein einstimmiger Beschluß des Bundestages die Regierung nicht von ihrem Vorsatz würde abbringen können, eine Preiserhöhung für Zuckerrüben zu verhindern. Hierzu muß ich allerdings sagen, daß man in jeder echten Demokratie die Meinung des Parlaments doch ein kleines bißchen ernster nehmen sollte.
({5})
Wir wissen sehr genau, daß wir mit diesem Antrag nur eine Empfehlung an die Bundesregierung aussprechen konnten. Wir wollten es im vorigen Jahr bewußt der Bundesregierung ersparen, eine Diskussion über die Zuckersteuer führen zu müssen. Bei dieser Gelegenheit frage ich aber mich und Sie, ob es einer Kulturnation würdig ist, ein als lebenswichtig anerkanntes und hochwertiges Nahrungsmittel überhaupt mit einer Steuer zu belegen. Bei der Senkung der Zuckersteuer kann das Parlament selbstverständlich das Gesetz ändern. Sie werden verstehen, daß wir es damals - wie ich bereits anführte - gern gesehen hätten, wenn der Herr Bundeskanzler, der sonst ein Verfechter der sozialen Marktwirtschaft ist, angesichts unserer auf Grund der nachgewiesenen Kostensteigerung berechtigten Belange auch für die Erhöhung der Zukkerrübenpreise eingetreten wäre. Warum will man immer und immer wieder auf den schwächsten Teil unserer Volkswirtschaft - ich glaube, niemand kann hier bezweifeln, daß dies die Landwirtschaft ist
- ausweichen und ihr den kostengerechten Preis versagen?
Meine Damen und Herren, es sieht heute draußen wirklich schon so aus, als wenn man hier mit zweierlei Maß mißt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gebe ich dem Beruf auf Grund der nachgewiesenen Berechnungen den gerechten Preis oder ich muß ihm auf einem anderen Weg helfen. Eines möchte ich jedenfalls einmal sagen: Die Landwirtschaft ist es satt, im Volk immer nur als Almosenempfänger angesprochen zu werden. Wir verlangen
- genau wie jeder andere Beruf - dort, wo es noch möglich ist, unseren gerechten Preis.
Ich sage dies ganz bewußt; denn es ist Ihnen bekannt, daß man bei Kohle, bei Heizöl, bei Kali-Stickstoff und vielen anderen Dingen nach dem Grundsatz der Kostenerhebung verfährt und notwendige Preisverbesserungen entschlossen und schnell genehmigt. Ich erinnere mich noch sehr genau an ein entscheidendes Wort aus der Regierungserklärung, wo unser Herr Bundeskanzler mit Recht
- und ich habe mich sehr darüber gefreut - sagte, daß er auch in Zukunft ein fairer Sachwalter der deutschen Landwirtschaft sein möchte.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber weiter gehen. Das Problem der Zuckerrübenpreise ist ja auch ein Problem der Versorgung unseres Volkes. Bei der Behandlung dieses Antrags dürfte für uns alle die Frage nicht ganz ohne Bedeutung sein, daß die Zuckerversorgung in der Welt und im EWG-Raum nicht mehr im Zeichen einer Überproduktion steht. Das ist auch der Grund dafür, daß Italien und Holland im letzten Jahr die Zuckerrübenpreise wesentlich erhöht haben. Trotz wesentlicher Festkosten bei uns in der Bundesrepublik liegt der deutsche Zuckerrübenpreis im Rahmen der EWG heute nur noch in der Mitte. Der Zuckerrübenanbau zeigt deshalb auch bei uns seit 1957 keine steigende Tendenz; er hält sich etwa auf einer Höhe von rund 300 000 ha. Die Zuckererzeugung in der Welt ist stark rückläufig, auch in anderen Ländern. Ich denke hier nicht zuletzt an das zweitwichtigste Zucker-exportland, nämlich an Indonesien. Gerade auch dieses Land steht heute wieder im Blickpunkt von Auseinandersetzungen. Auch in Marokko und vielen anderen Ländern ist ein Rückgang der Zuckererzeugung festzustellen.
Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite steigt aber der Lebensstandard nicht nur bei uns, sondern auch in den Ländern Osteuropas, und es wird auch in den noch unterentwickelten Ländern so sein. Es wird unsere Aufgabe sein, zunächst von uns aus Hilfe zu geben. Meine Damen und Herren! Wir müßten aus alle dem doch wohl erkennen, daß politische Ereignisse in der Welt den Handelsaustausch und damit die Versorgung schnell und grundlegend ändern können. Ich meine, daß wir deshalb auch von uns aus alles tun müßten, um eine möglichst ausreichende eigene Erzeugung zu entwickeln.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich einmal feststellen, daß die so oft von den Verbrauchern geschmähte landwirtschaftliche Marktordnung, im besonderen hier die Zuckermarktordnung, nicht nur dem Erzeuger zu dienen bestimmt ist, sondern auch dem Verbraucher. Sie schützt ihn vor dem eigenwilligen Preisdiktat vom Weltmarkt her, vor Preisseigerungen also, wie wir sie im letzten Jahr erleben mußten. Wir sehen gerade jetzt, daß die Marktordnung für alle ein sehr entscheidender Preisstabilisator ist, wenn sie sich auf eine leistungsfähige Erzeugung stützen kann.
Meine Damen und Herren! Der Umschwung auf dem Weltzuckermarkt muß dem deutschen Verbraucher von seiten der Regierung durch Veröffentlichung im Film, in der Presse und im Funk
({6})
- von mir aus auch im „Bild" - vor Augen geführt werden. Mir ist jedes Mittel recht, das dazu dient, eine besseres Verständnis zwischen der Landwirtschaft und dem Verbraucher herzustellen. Ich bin der Meinung, daß die Regierung den Mut haben sollte, hier der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen und aufklärend zu wirken.
({7})
- Herr Kollege Struve, ich wünsche Ihnen noch ein langes gesundes Lächeln.
({8})
Vielleicht ist das für Ihre Gesundheit sehr gut.
Gestatten Sire eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
61650 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 134. Sitzung. bonn, Freitag, den 26. Juni 1964
Bitte!
Herr Kollege Sander, gehen Sie davon aus, daß .die Regierung der Öffentlichkeit nicht .die Wahrheit gesagt hat? Das war das, was mich zum Lachen veranlaßt hat.
Herr Kollege Struve, da wir selber mit in der Regierung sind
({0})
- ich habe als Abgeordneter meine Meinung klar ausgesprochen, so, wie ich glaube, es tun zu müssen -, bin ich der Meinung, daß wir zur Aufklärung der Bevölkerung über die berechtigten Forderungen und Nöte der Landwirtschaft noch einiges tun müssen, um hier ein besseres Klima zu schaffen.
({1})
Bei normalen Ernten hat die Bundesrepublik einen Einfuhrbedarf von rund 4 Millionen Zentner Zucker. Das bedeutet bei der von mir geschilderten Sachlage, die sich meines Erachtens nicht mehr ändern, sondern eher noch verschärfen wird, daß wir eine jährliche Subvention zugunsten der Verbraucher aus dem Staatssäckel je nach Höhe der deutschen Eigenerzeugung und auch der Preise auf dem Weltmarkt von rund 40 bis 80 Millionen DM oder 10 bis 20 Pfennig je Pfund Zucker aufzubringen haben. Im Jahr 1961 entsprach die Verbrauchersubvention etwa dem Betrag, der notwendig gewesen wäre, den Rübenpreis der Ernte 1963 um 50 Pfennig je Doppelzentner Zuckerrüben anzuheben.
Ich meine, es sollte deshalb für uns alle eine zwingende Verpflichtung sein, alles zu tun, um eine ausreichende Eigenerzeugung zu gewährleisten. In fast allen Ländern der Erde wird heute die Entwicklung einer hohen Eigenerzeugung gefördert. Ich sagte bereits, daß aus dein Zuckerüberfluß von 1961 nichts mehr vorhanden ist, daß der Zuckerberg restlos abgebaut ist, und ich glaube, es ist interessant, daß man im letzten Jahr sogar in Amerika vorübergehend zu einer Kontingentierung schreiten mußte.
Die Weltmarktpreise für Zucker erreichten im Jahre 1963 eine in diesem Jahrhundert noch nicht bekannte Höhe und lagen zeitweise beachtlich über den deutschen Zuckerfabrikabgabepreisen. Ob und wann die angespannte Weltzuckerversorgungslage überwunden wird. können wir alle heute noch nicht übersehen. Fest steht aber, daß der Weltzuckerverbrauch jährlich um 2 Millionen t, das sind rund 5 %, zunimmt. Diese jährliche Zunahme ist größer als die gesamte jährliche Zuckererzeugung, .die wir augenblicklich in der Bundesrepublik haben.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Produktionsreserven der Welt sowohl in den Rohr- als auch in den Rübenzuckererzeugungsgebieten wesentlich stärker mobilisiert werden. Das wird aber auch bei uns letzten Endes nur mit gerechten, attraktiven Preisen möglich .sein. Die derzeitige Zuckerrübenanbaufläche der Bundesrepublik reicht, im Schnitt der Jahre gesehen, nicht aus, den Zuckerbedarf der Bevölkerung zu decken. Um in etwa den Bedarf an Zucker in der Bundesrepublik zu decken, müssen wir den Anbau von 300 000 auf rund 360 000 ha steigern.
Ich frage nun: Was tun wir oder was wollen wir tun, um einen Rückgang des deutschen Zuckerrübenanbaus zu verhindern? Ich bin der Meinung, daß wir recht schnell die Erhöhung der Zuckerrübenpreise hier durchziehen müssen. Ich sagte bereits: Die Ablehnung für 1963 war für die Landwirtschaft ein sehr schwerer Schock.
In diesem Hause müßten wir einmal sagen, daß man das Wort „Maßhalten" nicht immer nur an die Adresse der Landwirtschaft richten darf.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Man darf das Wort „Maßhalten" nicht einseitig immer nur für die Landwirtschaft bereithalten, sondern man sollte es vor allen Dingen an die richten, die letzten Endes von dem sogenannten Wirtschaftswunder profitieren. Hier möchte ich beide Seiten ansprechen. Ich sage ganz bewußt das Wort „Großkapital" und das Wort „Gewerkschaften". Wenn ich jetzt von seiten der Gewerkschaften lese, daß die Getreidepreise bei uns in Deutschland immer noch zu hoch seien und daß man geringere Lebensmittelpreise haben wolle, so weiß ich nicht, wie man das moralisch verantworten will.
Meine Damen und Herren, die Maßnahmen, die jetzt seitens der Bundesregierung Gott sei Dank getroffen werden, sind natürlich für die zuckerrübenbautreibende Landwirtschaft im besonderen und im allgemeinen ein Testfall. Die Landwirtschaft wird hieran messen, ob es der Bundesregierung mit ihren Zusagen über die Notwendigkeit der Erhaltung und Förderung unserer bäuerlichen Familienbetriebe ernst ist. In diesen bäuerlichen Familienbetrieben liegt das Schwergewicht des Zuckerrübenanbaus, da von den 200 000 zuckerrübenbautreibenden Betrieben rund 86% auf Betriebe bis zu 80 Morgen entfallen. Auf diese entfallen und 70% der bei uns angebauten Zuckerrüben.
Ich möchte deshalb noch einmal sagen: Ich bedaure, daß die so dringend notwendige und vom Wirtschaftsausschuß und vom Bundesernährungsministerium befürwortete Erhöhung der Zuckerrübenpreise für 1963 unterblieben ist.
Abschließend darf ich meiner ehrlichen Freude darüber Ausdruck geben, daß es nun doch noch, wenn auch rund ein Jahr nach unserem Antrag auf Korrektur des Zuckerrübenpreises, gelungen ist, nicht nur in Kreisen der Koalitionsparteien, sondern darüber hinaus auch seitens der SPD einen interfraktionellen Antrag auf Senkung der Zuckersteuer herbeiführen.
({3})
- Herr Schmidt, vielleicht verstehen Sie etwas mehr davon, und Sie werden ja wahrscheinlich noch dazu Stellung nehmen.
({4})
Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft wird dankbar sein, daß dieser Antrag jetzt eingebracht ist. Sie wissen ganz genau, was die Bauwirtschaft in der großen Volkswirtschaft ist, ist für den größten Teil unserer landwirtschaftlichen Betriebe der Zuckerrübenanbau. Der Anbau ist außerordentlich intensiv. Er ist sehr stark vom Wetter abhängig und hat sich heute zu dem kostspieligsten Zweig in der Landwirtschaft entwickelt.
Ich möchte damit schließen, daß ich allen Beteiligten, ganz besonders aber Herrn Kollegen Knobloch, der im letzten Jahr von Anfang an immer bereit war, für diesen Antrag einzustehen, aber auch all denen, die gerade in der letzten Zeit mitgeholfen haben, meinen herzlichsten Dank ausspreche. Ich will hoffen, daß es uns recht bald gelingt, bis zum Beginn der Zuckerrübenernte den jetzt einzubringenden Antrag durchzusetzen.
({5})
Wird zu Punkt 39 a weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Ehnes!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Fraktion der CDU/CSU will heute keine Agrardebatte führen. Meine Kollegen und ich haben es auch nicht nötig, den Antrag, den wir damals gemeinsam eingebracht haben, zu würdigen. Selbstverständlich darf ich hier erklären, daß wir lange - leider ohne Erfolg - bemüht waren, den Weg zur Erhöhung des Zuckerrüben preises zu gehen. Ein solcher Weg hat sich verschiedentlich gezeigt. Wir standen auf dem Standpunkt, daß der Zuckerrübenpreis über den Zuckerpreis erhöht werden soll. Ein Teil unserer Kollegen vertritt diese Auffassung heute noch, weil das aus wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus eher zu realisieren ist, als den umgekehrten Weg zu gehen, dann, wenn der Rohstoff teurer geworden ist, diesen Rohstoff nun über den Preis zu honorieren. Ein Teil meiner Kollegen steht aber heute wie früher auf dem Standpunkt, daß man die Zuckerrübenpreise nicht über die Anhebung des Zuckerpreises sichern soll, sondern über den Weg, den die Fraktionen jetzt gemeinsam gehen.
Wir gehen selbstverständlich diesen Weg mit und freuen uns darüber, daß es nun zu einem gemeinsamen Antrag gekommen ist, weil drei Tatsachen für eine Erhöhung der Zuckerrübenpreise sprechen. Erstens sind unsere Produktionskosten sehr wesentlich gestiegen. Zweitens ist das Angebot auf dem Weltzuckermarkt in einem Ausmaß zusammengeschmolzen, daß die Zuckervorräte in der Welt nur noch für einen knappen halben Monat reichen. Der dritte Grund für die Anhebung der Zuckerrübenpreise ist, daß man die Rübenanbauer anreizen sollte, einen echten Bestandteil der Erzeugung auch in die EWG hinein als festen Bestandteil einzubauen.
Ich gehe einmal von meiner Warte aus. In Süddeutschland sind beispielsweise 80% der Zuckerrüben anbauenden Betriebe Klein- und Mittelbetriebe. In manchen Gebieten gehören über 95 % der Zuckerrüben anbauenden Betriebe allein den Größenklassen der Klein- und Mittelbetriebe an. Im Regierungsbezirk Unterfranken geht das bis zu
99 %.
In diesem Zuckerrübenpreis sehen wir gleichzeitig eine echte Chance unserer mittleren Familienbetriebe zur Milchgewinnung. Die Milchgewinnung soll auch über die Abfallprodukte in der Zuckerwirtschaft möglichst günstig gestaltet werden.
Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern heute nur insgesamt feststellen: Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt es dankbar, daß die drei Fraktionen sich einigen konnten und daß die Wünsche unserer Rübenanbauer ihre Würdigung gefunden haben.
Zum Schluß möchte ich noch zusammenfassend sagen: Die Fraktion der CDU/CSU dankt ihrem Minister Schwarz dafür, daß er von Anfang an unsere Bestrebungen unterstützt hat. Wir erkennen es dankbar an, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Finanzminister in den letzten Tagen zwar wohl nicht ihre volle Bereitschaft erklärt haben, aber doch uns zumindestens angehört haben, so daß wir auf Berücksichtigung unserer Wünsche hoffen können. Mit dem Dank an unser Kabinett und in der Erwartung, daß der nächste Beschluß leichter fallen wird, nämlich die Zuckersteuer zu senken, damit die Rübenpreise angehoben werden können, darf ich schließen.
({0})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Sie auf Drucksache IV/2270, zweite Seite, finden. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Ich rufe nun Punkt 39 b) auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes ({0}).
Wird der Antrag begründet? - Er wird nicht begründet. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({1}).
Meine Damen und Herren! Zur Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs gebe ich für meine Fraktion folgende Erklärung ab. Die Daten um die Zuckerrübenpreiserhöhung haben ihre besonderen Akzente. Der vor einem Jahr gestellte Antrag hat zu lebhaften, ja teilweise dramatischen Debatten im Ernährungsausschuß dieses Hauses geführt. Wir haben in all den Sitzungen immer wieder hervorgehoben, daß man sich zwar dem Verlangen der Landwirtschaft
nach einer angemessenen Zuckerrübenpreiserhöhung im Hinblick auf die Kostensteigerungen im Zuckerrübenanbau seit der letzten Preisfestsetzung im Jahre 1956/57 und im Hinblick auf die Entwicklung bei unseren EWG-Partnern nicht verschließen könne, daß aber jeder Versuch, die Zuckerrübenpreiserhöhung dem Verbraucher über den Zuckerpreis aufzulasten, auf den entschiedenen Widerstand meiner Fraktion stoßen werde. Meine Freunde und ich haben von Anfang an den Vorschlag unterbreitet, daß nur der Weg über die Senkung der Zuckersteuern um 4 DM je Doppelzentner realistisch und gangbar sei.
Die SPD-Fraktion hat ebenso entschieden Widerstand dagegen geleistet, die Rübenpreiserhöhung dazu zu benutzen, die Verarbeitungs- und Handelsspannen auszuweiten, weil das der dringend notwendigen Bereinigung in der Struktur der Zuckerfabriken zuwiderlaufen würde.
Die Mehrheit des Ausschusses war noch bis vor wenigen Wochen nicht geneigt, der SPD in dieser ihrer Politik zu folgen. Ich will es mir versagen, im Rahmen dieser Erklärung den Verlauf des Auseinandersetzungen im einzelnen darzustellen und aufzuzeigen, was es vom Herbst letzten Jahres bis zur vergangenen Woche an Drum und Dran dabei gegeben hat. Ich erinnere zum Beispiel an die untauglichen Versuche, zu rückwirkenden Preiserhöhungen zu kommen, an die Auskunftsverweigerung zweier Ministerien und zweier Minister, an die in ganz anderer Richtung tendierenden Kabinettsbeschlösse und nicht zuletzt an das mehrmalige Absetzen von der Tagesordnung des Bundestages. Das beleuchtet die Situation innerhalb der Koalitionsparteien und innerhalb der Bundesregierung in bezug auf die Agrarpoltik recht genau.
Dieses Hin und Her hätte vermieden werden können, wenn die Koalitionsparteien gleich die Einsicht und den Mut aufgebracht hätten, dem von meiner Fraktion entwickelten Vorschlag im Interesse der Erzeuger wie der Verbraucher zu folgen, wie es jetzt geschieht.
Angesichts des gemeinsamen Antrages auf Drucksache IV/2413, die Zuckersteuer um 4 DM je Doppelzentner zugunsten einer Zuckerrübenpreiserhöhung von 6,75 auf 7,25 DM zu senken, stelle ich für meine Fraktion fest:
1. Der hier beschrittene Weg bringt den Erzeugern einen angemessenen Ausgleich für die gestiegenen Kasten im Zuckerrübenanbau.
2. Die Preissteigerungen für Zucker und für alle zuckerhaltigen Waren werden damit ausgeschlossen. Sie wären konjunkturpolitisch nicht zu verantworten gewesen.
3. Es sei daran erinnert, daß die Fraktion der SPD zu Beginn der Legislaturperiode einen Antrag auf Streichung der gesamten Zuckersteuer vorgelegt hat. Wir erwarten, daß im Zuge der Beratungen dieses Gesetzentwurfs gleichzeitig auch dieser Antrag positiv behandelt wird.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Dr. Pflaumbaum!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf auf eines aufmerksam machen. Bei der Drucklegung ist der Art. 5 verändert worden. Ich bitte zu berichtigen, daß Art. 5 nunmehr heißt:
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Ich hatte die Absicht, diese Änderung - man kann sie auch die Korrektur eines Druckfehlers nennen - dem Hause bekanntzugeben. Aber das ist hiermit geschehen. Die Änderung ist also Bestandteil des Gesetzentwurfs, der jetzt dem Hause zur ersten Beratung vorliegt.
Weitere Wortmeldungen erfolgen nicht. Ich schließe die Aussprache. Der Gesetzentwurf soll überwiesen werden an den Finanzausschuß - federführend -, ferner zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Nun rufe ich Punkt 49 der Tagesordnung auf. Zu a) ist zu sagen, daß nach einer Verständigung der Fraktionen der Mündliche Bericht des Ausschusses für Petitionen auf die erste Sitzungswoche im Oktober verschoben werden soll.
Dagegen können wir Punkt 49 b) erledigen:
Beratung der Sammelübersicht 32 des Ausschusses für Petitionen ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Mai 1964 eingegangenen Petitionen ({1}).
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Petitionsausschusses. Wer diesem Antrag auf der Sammelübersicht zustimmen will, den bitte ich um ,ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Dem Antrag ist einstimmig zugestimmt worden.
Ich rufe Punkt 54 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) über die versicherungstechnischen Bilanzen der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten für den 1. Januar 1959, das Gutachten des Sozialbeirates und den Bericht der Bundesregierung hierzu ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
({4})
- Der Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht.
Vizepräsident Schoettle
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses; Sie finden ihn in Drucksache IV/2396, Seite 11, Ziff. 1:
Von dem Inhalt der versicherungstechnischen Bilanzen ... ist Kenntnis genommen.
Der Feststellung, daß das Haus Kenntnis genommen hat, wird nicht widersprochen. - Es ist so beschlossen.
Nr. 2 des Ausschußantrages lautet:
2. Der Bundesregierung wird ersucht, die nächsten versicherungstechnischen Bilanzen unverzüglich vorzulegen.
Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 482*) vor, der besagt:
Nummer 2 des Ausschußantrages erhält folgende Fassung:
2. Die Bundesregierung wird ersucht, die für den 1. Januar 1961 zu erstellenden versicherungstechnischen Bilanzen bis zum 30. September 1964 vorzulegen.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir über den Bericht über die versicherungstechnischen Bilanzen vereinbarungsgemäß keine Aussprache geführt haben, ist es, glaube ich, notwendig, einige Bemerkungen zu unserem Antrag auf Vorlage der zweiten versicherungstechnischen Bilanzen zum 30. September dieses Jahres zu machen.
Die deutsche Rentenversicherung ist für über 80 % unserer erwerbstätigen Bevölkerung die Sicherungsgrundlage im Alter bei vorzeitiger Erwerbs- und Berufsunfähigkeit und im Todesfall für die Hinterbliebenen. Bei einem Jahresaufkommen von über 26 Milliarden DM und einer Vermögensrücklage von über 22 Milliarden DM, die sich nach dem ersten Deckungsabschnitt 1976 verdoppeln und mit geschätzten 80 Milliarden DM bis Mitte der 80er Jahre vervierfachen soll, haben wir es mit einer Einrichtung zu tun, die auch finanz- und volkswirtschaftlich sehr bedeutungsvoll ist.
Der Gesetzgeber hat deshalb mit den Reformgesetzen von 1957 die Bundesregierung verpflichtet, alle zwei Jahre die versicherungstechnischen Bilanzen der Rentenversicherungen mit einer gutachtlichen Stellungnahme des Sozialbeirats dem Bundestag und auch der Öffentlichkeit vorzulegen.
Da die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung von zahlreichen Faktoren abhängig ist wie z. B. der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung im Hinblick auf die Problematik der Geburtenzugänge, Eheschließungen und Todesfälle wie auch dem Verhältnis der Erwerbs-
*) Siehe Anlage 9
tätigen zu den Rentnern, ihrer Lebenserwartung, dem allgemeinen Beschäftigungsstand und auch der Höhe ihres Arbeitsentgelts, und allgemein von der volkswirtschaftlichen Entwicklung her gesehen, ist eine präzise und laufende Berichterstattung notwendig, damit heute und auch in Zukunft durch entsprechende Maßnahmen die Stabilität der Rentenversicherung und auch die sozial gerechte Beteiligung der Versicherten am allgemeinen Wirtschaftswachstum garantiert wird.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen sollen für einen zehnjährigen Deckungsabschnitt in der Rentenversicherung die Durchschnittsbeiträge erhoben, werden, die sicherstellen, daß in diesen zehn Jahren alle Leistungen abgedeckt werden können und zusätzlich nach diesem Deckungsabschnitt noch eine Rücklage in Höhe einer gesamten Jahresausgabe für alle Aufwendungen vorhanden ist.
Die versicherungstechnischen Bilanzen sollen auch die Grundlage für die Beratungen und die Entscheidungen des Bundestages bei auftretenden finanzund wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten bilden, wenn dadurch die Stabilität der Rentenversicherung oder ihrer Leistungen gefährdet wird.
Wenn die zum Stichtag vom 1. Januar 1959 aufzustellenden Bilanzen erst im September 1962 vorgelegt werden konnten, so hatten wir dafür Verständnis, weil mit den Reformgesetzen von 1957 unser Sozialrecht und auch die Finanzierung auf eine völlig neue Grundlage gestellt wurden und für die Bilanzierung dazu noch eine Reihe neuer wirtschafts- und finanzpolitischer Faktoren vorgeschrieben worden sind. Mit der erstmaligen Aufstellung dieser versicherungstechnischen Bilanzen zum Stichtag vom 1. Januar 1959 ist aber die Grundlage und auch ein Rahmen geschaffen worden, der es der Bundesregierung und den zuständigen Arbeitsministerien bei gutem Willen nunmehr gestatten müßte, die nächsten Bilanzen wesentlich schneller vorzulegen. Dazu noch eine Feststellung: Der Aussagewert jeder Bilanz wächst mit den weiteren Bilanzierungen, aber auch mit der Verkürzung des Zeitraumes zwischen dem Stichtag und der Vorlage dieser Bilanz. Bedenken Sie bitte: Stichtag 1. Januar 1959, Vorlage der Bilanz im September 1962 - beinahe 4 Jahre später -, und heute führen wir das abschließende Gespräch bzw. haben wir den abschließenden Bericht zur Kenntnis genommen.
Bei dieser Sachlage sind wir doch sehr verwundert, daß der Vertreter der Bundesregierung vor einige Zeit im Ausschuß erklärte, daß er die Bilanzen per 1. Januar 1961 wohl erst mit Ablauf des Jahres 1964 abschließen kann. Das heißt praktisch doch nichts anderes, daß sie erst im Verlaufe oder zu Beginn des nächsten Jahres, also 1965, vorgelegt werden.
Im übrigen haben dazu noch die CDU/CSU-Mitglieder des Ausschusses beantragt, die Bundesregierung solle überprüfen, ob man die Zeiträume für die Vorlage der Bilanzen nicht von zwei auf vier Jahre verlängern könne. Auf unseren Widerstand hin hat man sich dann bereitgefunden, auf eine
solche unsinnige Maßnahme - so möchte ich sagen
- zu verzichten.
({0})
- Sie können ja hier dazu Stellung nehmen, Herr Kollege. Man hat aber unseren Antrag, die Bilanzen zum 30. 9. 1964 vorzulegen, von seiten der CDU/CSU mit 12 zu 11 Stimmen abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Während der Herr Bundeskanzler in seiner letzten Regierungserklärung zur Lösung wichtiger sozialpolitischer Aufgaben eine gründliche Durchleuchtung aller sozialpolitischen Vorgänge forderte und entsprechende Maßnahmen ankündigte, ist der Arbeitsminister nicht in der Lage oder vielleicht auch nicht bereit, die seit 1957 vorgeschriebene gründliche Durchleuchtung des Finanz- und Leistungsrechts in der Rentenversicherung in Form der zweiten versicherungstechnischen Bilanz vorzulegen.
({1})
- Herr Kollege Ruf, wir halten ein solches Verfahren für unverantwortlich und auch für eine Mißachtung des Gesetzes, das entsprechende Regelungen getroffen hat. Wir glauben, daß das Hohe Haus verlangen kann, daß die 1957 beschlossenen Gesetze eingehalten werden.
Wenn das Arbeitsministerium seit 1957 nicht die notwendigen statistischen, technischen und auch personellen Voraussetzungen geschaffen hat, um eine zeitgerechtere Vorlage der zweiten Bilanz zu- garantieren, so ist das - ich darf das vielleicht auch im Zuge der österreichischen Woche einmal so ausdrücken - einfach eine Schlamperei; denn hier versagt man nicht auf Grund irgendwelcher gesetzgeberischer Maßnahmen, sondern hier mangelt es einfach an dem entsprechenden Ernst und an der Vorbereitung solcher Bilanzaufgaben.
Meine Damen und Herren! Nach den Ferien werden wir uns hier gemeinsam mit dem Sozialbericht 1964 zu beschäftigen haben. Wir werden über das Siebente Rentenanpassungsgesetz zu beraten und zu entscheiden haben. Außerdem soll ja auch eine sogenannte Härtenovelle beraten und beschlossen werden, die ebenfalls Mehraufwendungen der Versicherungsträger in Höhe von einer halben Milliarde vorsieht. Die Beratungen und Entscheidungen dieses Hauses würden wesentlich vereinfacht und auch, Herr Kollege Stingl, beschleunigt werden,
({2})
wenn durch eine zeitgerechte Vorlage der gesetzlich vorgeschriebenen zweiten Bilanz die Ergebnisse der ersten Bilanz entweder bestätigt oder in ihrem Aussagewert vertieft werden würden.
Aus Verantwortung gegenüber den Versicherten und den Rentnern, aber auch gegenüber der Wirtschaft und ihren tragenden Kräften bitte ich das Haus, unserem Antrag auf Änderung der Nr. 2 des Ausschußantrages zuzustimmen, damit die nächsten
versicherungstechnischen Bilanzen zum 30. September 1964 dem Bundestag vorgelegt werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie im Namen der CDU/CSU-Fraktion, den vom Herrn Kollegen Killat begründeten Antrag der SPD abzulehnen und es bei der Ausschußfassung zu belassen, wonach die Bundesregierung ersucht wird, die nächsten versicherungstechnischen Bilanzen unverzüglich vorzulegen.
Der Vertreter der Bundesregierung hat unseres Erachtens im Ausschuß überzeugend dargelegt, daß die Regierung beim besten Willen nicht in der Lage ist, die Bilanzen zum 30. September 1964 vorzulegen. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir nach den Gesetzen des Jahres 1957 von der Bundesregierung die Vorlage des Sozialberichts und des 7. Rentenanpassungsgesetzes erwarten. Zu diesem Sozialbericht muß der Sozialbeirat gehört werden. Der Sozialbeirat müßte aber, wenn Sie die Vorlage der versicherungstechnischen Bilanzen zum 30. September verlangen, ebenfalls sein Gutachten zur versicherungstechnischen Bilanz abgeben. Auch der Sozialbeirat wäre also nicht in der Lage, diesen Termin einzuhalten, zumal - das ist Ihnen nicht unbekannt, Herr Kollege Killat - in diesem Jahr von der Bundesregierung die erste versicherungstechnische Bilanz der knappschaftlichen Rentenversicherung vorgelegt werden wird. Auch mit dieser Knappschaftsbilanz muß sich der Sozialbeirat beschäftigen.
Ich könnte noch eine ganze Reihe von Gründen anführen, die dafür sprechen, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist, zum 30. September die Bilanzen vorzulegen, will aber mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit darauf verzichten.
Ich darf nur ganz allgemein sagen: wir sind genauso wie die Opposition darin interessiert, daß die versicherungstechnischen Bilanzen möglichst rasch vorgelegt werden, aber wir legen genauso sehr Wert darauf, daß diese versicherungstechnischen Bilanzen auf möglichst zuverlässigen und möglichst aktuellen Zahlen basieren. Diese Zahlen sind bisher, z. B. was die Rentenzugangsstatistik angeht, noch nicht vorhanden. Der Verband der Rentenversicherungsträger wird die Zahlen für das Jahr 1962, die sehr wichtig sind und die mehr besagen als die früheren Zahlen für die Jahre 1960 und 1961, erst im Juli dieses Jahres vorlegen können.
Ich möchte Sie deshalb bitten, sich etwas zu gedulden. Wir haben das Vertrauen, daß die Bundesregierung sich an das Ersuchen des Ausschuses halten und die Bilanzen unverzüglich, d. h. ohne schuldhafte Verzögerung, vorlegen wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind genauso wie die Kollagen von
der SPD-Fraktion daran interessiert, daß die versicherungstechnische Bilanz 1961 möglichst bald vorgelegt wird, zumal die Beratung der versicherungstechnischen Bilanz 1959 unsere Bedeaken, die wir anläßlich der Rentenversicherungsgesetze von 1957 geäußert hatten, wenn auch nicht direkt, so doch in Umrissen bestätigt hat.
Herr Kollege Killat, wir haben uns im Ausschuß gegen Ihren Antrag ausgesprochen, weil wir der Meinung sind, daß der Termin 30. September 1964 einfach nicht mehr eingehalten werden kann. Es hat keinen Sinn, vom Bundesarbeitsministerium einen Termin zu fordern, von dem wir von vornherein wissen, daß er illusorisch ist. Wir wollen uns auch nicht von Ihnen dann so leichtfertig den Vorwurf machen lassen, daß die Regierung Beschlüsse des Parlaments mißachte. Dahin wollen wir es erst gar nicht kommen lassen. Wir haben dafür gesorgt, daß in den Ausschußbericht und in den Antrag des Ausschusses das Wort „unverzüglich" hineinkam. Was Sie wollen, Herr Killat, das kann unter Umständen durchaus schon im August - noch vor Ihrem Termin - sein.
({0})
- Ich habe ganz gern, wenn Sie etwas lachen. ({1})
Das Wort „unverzüglich" bedeutet: ohne schuldhafte Verzögerung.
Herr Killat, Sie sagen, daß das Ministerium das I unter Umständen nicht wolle. Ich kann Ihnen versichern: wenn wir die ersten Anzeichen bemerken sollten, daß irgend jemand nicht will, dann werden wir bereit sein, mit Ihnen über eine Terminierung zu sprechen, die praktikabel ist. Ich glaube aber, daß wir vorerst mit dem Wort „unverzüglich" auskommen. Darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren, mit uns den Antrag der SPD abzulehnen. Herr Killat, wir haben in etwa eine mittlere Linie gehalten, wir haben Wünschen nach Ausdehnung der Fristen entgegengewirkt und dafür gesorgt, daß es bei der Zweijahresfrist geblieben ist. Alles kann man nicht in einem Zuge erreichen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Situation wird hier falsch gesehen oder falsch dargestellt. Die versicherungstechnische Bilanz zum 1. Januar 1959 enthält nicht mehr die Jahre 1959, 1960, 1961 und 1962. Diese vier Jahre können wir also bei unseren Beratungen schon nicht behandeln. Das ist bei unserer schnellebigen Zeit immerhin ein Zeitraum, der bedenklich ist. Wenn die Wirtschaft ihre Marktforschungsanalysen erst nach einem solchen Zeitraum durchführte, käme sie nie zurecht.
Die erste zum Stichtag des 1. Januar 1959 vorgelegte Bilanz beruhte auf einer Gesetzesvorschrift vom Februar 1957. Wenn die Arbeiten damals in
dieser Zeit erledigt werden konnten, warum ist das dann jetzt nicht möglich? Damals handelte es sich um die erste Bilanz mit völlig neuen Grundlagen. Jeder Fachmann kennt die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet. Nun hat man aber eine gewisse Erfahrung gesammelt und einen Rahmen abgesteckt. Da will man uns heute weismachen, daß man nicht in der Lage sei, zumindest in der gleichen Zeit wie damals die Bilanz zu erstellen.
Auch die anderen Einwendungen, die hier vorgebracht worden sind, können nicht überzeugen. Auf Grund der Beratung der ersten Bilanz ist nämlich eine wesentliche Vereinfachung der Bilanzierung vorgenommen worden. Beispielsweise haben wir uns verständigt, daß nicht mehr mit drei Zinsfaktoren, sondern nur noch mit einem gearbeitet wird. Wahrscheinlich wird auch bei dem Wanderversicherungsausgleich nur noch mit einem Faktor gearbeitet, wie das in einer neuen Gesetzesvorlage vorgesehen ist.
Herr Kollege Ruf, der Einwand, daß in diesem Jahr auch noch der Sozialbericht erstellt werden müsse, ist völlig abwegig. Denn auch 1962, als die 59er Bilanz mit dem Stichtag des 28. September 1962 vorgelegt wurde, wurde der Sozialbericht 1962 erstattet. Dieses Spiel wird sich alle zwei Jahre wiederholen. Diese Einwände können also hier nicht vorgebracht werden.
Herr Kollege Ollesch, Sie sprachen von der mittleren Linie. Dazu kann ich nur folgendes sagen: Einen Antrag abwehren, nach dem die Bilanzierung von zwei auf vier Jahre hinausgeschoben werden soll - dadurch hätten wir unter Umständen nur alle sechs oder acht Jahre einen Einblick -, bedeutet doch noch nicht, daß man ein Zugeständnis macht. Uns kommt es darauf an, heute und für die Zukunft die Arbeitsgrundlagen zu erhalten, auf Grund deren vernünftige Beratungen durchgeführt und Entscheidungen getroffen werden können. Wir sind ja nicht grundsätzlich auseinander. Wir wollen nur, daß das zuständige Ministerium seine Arbeit wahrnehmen und zur Pflicht angehalten werden soll. Darum bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, einen Änderungsantrag zum Ausschußantrag. Wer ihm zustimmt, der gebe ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe!
- Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Ziffer. 2. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe den Punkt 55 der Tagesordnung ,auf:
Erste Beratung ides von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Neuregelung des Finanzausgleichs zwi6656
Vizepräsident Schoettle
schen der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten ({0}) ({1}).
Soll der Gesetzentwurf von der Bundesregierung begründet werden? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Entwurf soll an den Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen werden. - Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden.
Ich rufe den Punkt 62 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({2}) - Immunitätsangelegenheiten betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Krüger gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 5. Juni 1964 ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ritzel. Herr Abgeordneter Ritzel hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bonn hat auf dem vorgeschriebenen Weg eine Vorlage an den Bundestag gerichtet, aus der ich folgendes zitiere:
Am 29. 1. 1964 wurden der Staatsanwaltschaft Bonn von zwei sowjetzonalen Staatsanwälten Aktenvorgänge des Generalstaatsanwalts der SBZ überbracht, die sich mit der früheren Tätigkeit ,des Bundestagsabgeordneten Hans Krüger als Oberamtsrichter bei dem Amtsgericht und dem Sondergericht bei dem Landgericht in Konitz/Westpr. ... in der Zeit vom 17. 10. 1939 bis 25. 6. 1943 befassen. In den übergebenen Akten befinden sich u. a. Niederschriften von Zeugenvernehmungen polnischer Staatsangehöriger, die von der polnischen Wojewodschaftsstaatsanwaltschaft in Bromberg ... auf Ersuchen des Generalstaatsanwalts der SBZ im Januar 1964 durchgeführt worden sind.
- Es handelt sich 'hierbei um 'die Anschuldigung von Mord. -
... In den vom Generalstaatsanwalt der SBZ übergebenen Akten befinden sich Ablichtungen aus Bd. II der Personalakten des Oberlandesgerichts zu Stettin, fortgesetzt vom Oberlandesgericht in Danzig, betr. den damaligen Oberamtsrichter Hans Krüger. Die Überbringer dieser Aktenvorgänge hatten die vollständige Original-Personalakte nur zur Einsichtnahme vorgelegt. Die Ablichtung von Bl. 221 dieser Personalakte enthält eine Abschrift einer Verfügung des Oberlandesgerichtspräsidenten in Danzig vom 26. 1. 1942, durch die bei dem Landgericht in Konitz für den Bezirk dieses Landgerichts ein Sondergericht aufgrund des § 10 der „Verordnung über die Zuständigkeit der
Strafgerichte vom 21. 2. 1940" errichtet und der damalige Oberamtsrichter Hans Krüger in Konitz zum stellvertretenden Mitglied dieses Sondergerichts „in erster Linie" bestellt worden ist. ...
Nach den erhobenen Vorwürfen kommt als strafbare Handlung in den Fällen 1 a) bis c) gemeinschaftlicher, mit Überlegung und auch aus niedrigen Beweggründen 'begangener Mord nach § 211 StGB in der Fassung vom 15. 5. 1871 und in der jetzt geltenden Fassung in Verbindung mit § 2 Abs. 2 StGB oder .Beihilfe zum Mord in Betracht.
Durch die Mitwirkung an 'möglicherweise rechtswidrigen Todesurteilen in den Fällen zu Ziffer 2) könnte der Tatbestand der in mittelbarer Täterschaft begangenen gemeinschaftlichen vorsätzlichen Tötung gemäß § 212 StGB erfüllt worden sein.
Dem Bundestagsabgeordneten Hans Krüger ist mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 24. April 1964 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in der 256. Sitzung vom 20. März 1953 von diesem Sachverhalt Kenntnis und Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben worden.
Mit Schreiben vom 9. Mai 1964 hat der Bundestagsabgeordnete Krüger erklärt, er lege Wert darauf, daß seine Immunität aufgehoben werde, und gebeten, schnellstmöglich das Entsprechende zu veranlassen.
Der Ausschuß hat sich vor kurzem in eingehender Beratung mit dem Fall befaßt. Er ist einmütig zu dem Vorschlag gekommen, dem Hohen Hause die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Krüger zu empfehlen.
Ich darf Sie bitten, in diesem Sinn zu beschließen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 63 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. h. c. Strauß gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Graepel und von Geyso, Hamburg-Harburg, vom 19. Februar 1964 ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ritzel. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden genannten Rechtsanwälte in Hamburg haben im Auftrag des Spiegel-Verlags Rudolf Augstein GmbH in Hamburg eine Privatklage eingereicht. Dem Hohen Hause ist ein Abschrift der Privatklage mit dem Ersuchen um Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Franz Josef Strauß vorgelegt worden. Die Vorschrift der Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten ist formell damit erfüllt.
Der Tatbestand wird in den Akten folgendermaßen geschildert. Es wird gesagt, der Abgeordnete Strauß habe in einem Interview in Israel, das in deutscher Sprache abgegeben wurde, erklärt, „Der Spiegel" sei „die Gestapo von heute". Das ist sinngemäß - in verschiedenen Formulierungen - so zu lesen gewesen.
Der Immunitätsausschuß hat sich mit dieser Beschuldigung ebenfalls eingehend befaßt. Er hat sich auf die Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsfragen bezogen und festgestellt, daß Beleidigungen, die außerhalb des Bundestages vorgekommen sind, zur Aufhebung der Immunität dann nicht führen, wenn die Beleidigung politischen Charakters ist und keine Verleumdung darstellt. Der Ausschuß kam einmütig zu dem Ergebnis, daß es sich nicht um eine Verleumdung, wohl aber vermutlich um eine üble Nachrede handelt, daß also der Tatbestand der Beleidigung an sich erfüllt ist und daß die Beleidigung auch politischen Charakters ist.
Er kam einmütig zu der Auffassung, dem Hohen Hause empfehlen zu sollen, die Immunität des Bundestagsabgeordneten Franz Josef Strauß nicht aufzuheben.
Ich darf Sie bitten, diesem Beschluß beizutreten.
Der Antrag des Ausschusses steht zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Es war die letzte Sitzung vor den Ferien. Wir werden uns ja noch bei der Bundesversammlung in Berlin wiedersehen. Aber dann wird der Bundestag für drei Monate in Ferien gehen.
Ich darf allen Damen und Herren eine recht gute Erholung wünschen
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und hoffen, daß wir uns dann gesund und erholt im Oktober bei der Arbeit wiederfinden.
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Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 13. Oktober 1964, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.