Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/12/1964

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich dem Hause mitteilen, daß unser Kollege Dr. Kanka heute seinen 60. Geburtsstag feiert. ({0}) Das Haus wünscht ihm Glück und weiter eine so freundliche Zusammenarbeit mit ihm, wie sie bisher gewesen ist. Weiter noch einige Bekanntmachungen: Die Fraktionen haben vereinbart, die heutige Tagesordnung zu erweitern um die a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes ({1}) ; b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel ({2}). Ist das Haus einverstanden? ({3}) - Dann ist so beschlossen. Die Sachen eilen. Deswegen schlage ich Ihnen vor, den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes zu überweisen an den Ausschuß für Arbeit - federführend - und an den Ausschuß für Inneres - mitberatend -. Einverstanden? ({4}) - Es ist so beschlossen. Weiter schlage ich vor, den Entwurf des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Inneres als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Ich weiß, daß die Absicht besteht, den Entwurf noch an andere Ausschüsse zu überweisen. Ich möchte davor warnen. ({5}) Sie wissen, welche Interessen auf dem Spiele stehen. Es ist notwendig, das Gesetz sehr, sehr bald in Kraft treten zu lassen, möglichst am 1. Juli. Deswegen bitte nicht mehr als zwei Ausschüsse! Sie möchten, daß der Ausschuß für Inneres federführend ist und daß der Wirtschaftsausschuß zum mitberatenden Ausschuß bestimmt wird. Einverstanden? ({6}) - Gut; dann ist so beschlossen. ({7}) - Keine Frage! Nur hat der Rechtsausschuß verzichtet. Sicher geht es auch um Rechtsfragen. Aber hier ist wirklich Eile geboten, und wenn wir das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten lassen wollen, müssen wir uns auf zwei Ausschüsse beschränken. Was dabei wirklich ernsthaft an Rechtsfragen zu erörtern ist, kann doch auch in den beiden anderen Ausschüssen besprochen werden. Wir haben dann noch eine Wahl vorzunehmen. Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 10. Juni 1964 gebeten, für den bei der Beratenden Versammlung des Europarates als ordentliches Mitglied ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Stammberger das bisherige stellvertretende Mitglied Frau Abgeordnete Dr. Flitz ({8}) zu wählen. - Das Haus ist einverstanden. Damit ist Frau Dr. Flitz als ordentliches Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt. Wir treten ein in die Fragestunde ({9}). Was die Abwicklung der Fragestunde betrifft, so möchte ich folgenden Vorschlag machen. Wir wollen heute alles, was den Verkehr betrifft, hintereinander behandeln, also zunächst die gestern übriggebliebenen Fragen auf Drucksache IV/ 2319 und dann die den Verkehr betreffenden Fragen auf der Drucksache IV/ 2322. Anschließend folgt dann der Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Einverstanden? ({10}) Ich rufe auf die Frage XII/ 4 - des Abgeordneten Riegel ({11}) -: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Vertreter der Straßenbauverwaltung des Regierungspräsidiums Nord-Württemberg, wonach mit dem Bau der 2. Filstalstraße zwischen Eislingen ({12}) und Geislingen ({13}) in den nächsten 10 Jahren nicht zu rechnen ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich beantworte die Frage mit Nein. Allerdings ist die Bundesstraße 10 im Filstal zwischen Göppingen und Geislingen in den vergangenen Jahren grundhaft ausgebaut worden und hat auf einigen Teilstrecken schon einen vierspurigen Querschnitt erhalten. Damit ist ihr Ausbau aber noch nicht abgeschlossen. Jedoch ist der Ausbau auf dem Abschnitt zwischen Plochingen und Göppingen wegen der zahlreichen hinderlichen Ortsdurchfahrten vordringlich. Erst nach Neubau einer zweiten Filstalstraße auf diesem Abschnitt kann in der Reihenfolge der Dringlichkeit der Weiterbau des neuen Straßenzuges über Göppingen hinaus in Richtung Geislingen erfolgen. Der zeitliche Ablauf der Maßnahmen hängt nur von der rechtzeitigen und ausreichenden Zuweisung der Mittel ab.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Karl Riegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001845, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Durchgangsverkehr durch das Filstal - bedingt durch die Lage der Autobahn und ausgelöst durch den Drackensteiner und Aichelberger Hang - besonders groß ist und der Bau einer zweiten Filstalstraße besonders dringend ist? Ist die Bundesregierung bereit, die Landesstraßenbauverwaltung anzuweisen, daß das Planfeststellungsverfahren und der Grunderwerb vorläufig vorgenommen werden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, diese Anweisung braucht nicht mehr erteilt zu werden; sie besteht schon seit längerer Zeit.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Frage?

Karl Riegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001845, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie bereit, von der Landesstraßenbauverwaltung zu verlangen, daß diese Verhandlungen intensiv geführt werden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Zweifellos, Herr Kollege. Ich habe gerade vor einigen Wochen mit den Herren selbst das Filstal abgefahren. Wir haben uns da sehr eingehend über dieses Problem und die Notwendigkeit seiner Lösung unterhalten. Allerdings spielen in diesem Raum infolge seiner dichten Bebauung die Planfeststellungsarbeiten eine sehr große Rolle, und es treten dort auch daneben noch zahlreiche Schwierigkeiten auf, die nur durch intensive Verhandlungen nach und nach überwunden werden können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage XII/ 5 - des Abgeordneten Riegel ({0}) -: Ist die Bundesregierung bereit, auf das Innenministerium Baden-Württemberg einzuwirken, damit alsbald mit dem Bau der Umgehungsstraße Göppingen begonnen wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Für den Neubau der Ortsumgehung Göppingen, Teilstrecke der „Linksufrigen Filstalstraße", zwischen Plochingen und Göppingen wird in Kürze das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Ich hoffe deshalb, daß wir im kommenden Jahr mit den Bauarbeiten beginnen können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Karl Riegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001845, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Ihnen die chaotischen Verhältnisse in der Stadt und die Dringlichkeit des Baues dieser Umgehungsstraße bekannt? Ist Ihnen außerdem bekannt, daß es Schwierigkeiten bezüglich der Kostenübernahme gibt? Und sind Sie bereit, auf die Landesstraßenbauverwaltung einzuwirken, daß unbeschadet dieses Verhandlungsstandes möglichst bald mit dem Bau der Umgehungsstraße begonnen wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, die Verhältnisse in Göppingen sind mir bestens bekannt. Ich darf aber dazu bemerken, daß wir mit dem Bau der Umgehungsstraße sehr gern schon begonnen hätten, wenn sich nicht die von Ihnen hier aufgezeigten Schwierigkeiten ergeben hätten. Bezüglich der Entschädigungen sind wir an das Grundgesetz und an die grundsätzlichen Richtlinien dazu gebunden und müssen eben versuchen, so gut es geht, mit der Bevölkerung auszukommen, wenn nicht anders, dann eben über die Enteignung. Auf der anderen Seite verbietet uns der Rechnungshof, Grunderwerb zu tätigen, bevor die Planfeststellung abgeschlossen ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Karl Riegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001845, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie, da ja ein großer Teil des Grunderwerbs bereits getätigt ist, die Zusicherung geben, daß mit dem Bau baldmöglichst begonnen wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, das Planfeststellungsverfahren ist Voraussetzung dafür, daß wir mit dem Bau beginnen können, damit wir den restlichen, noch fehlenden Grunderwerb tätigen können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage XII/ 6 - des Herrn Abgeordneten Peiter -: Ist die Bundesregierung bereit, auf die Straßenlastträger einzuwirken, daß die Zebrastreifen an Fußgängerüberwegen laufend instand gehalten und besser sichtbar gensacht wenden? Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich beantworte diese Frage mit Ja. Träger der Straßenbaulast für Fußgängerüberwege sind nach den geltenden Vorschriften die Gemeinden. Sie sind durch die obersten Verkehrsbehörden der Länder auf ihre Pflichten und auf die erlassenen Richtlinien über die sichere Führung des Fußgängerverkehrs hingewiesen worden. Diese Richtlinien behandeln vor allem die Anlage von Fußgängerüberwegen und regeln drei Fragen: 1. die Erkennbarkeit der Fußgängerüberwege, 2. die Fußgängerüberwege innerhalb geschlossener Ortschaften und 3. die Fußgängerüberwege auf Straßen mit höheren GeschwindigBundesminister Dr.-Ing. Seebohm keiten des Fahrzeugverkehrs. Diese Richtlinien sind im Verkehrsblatt amtlich bekanntgegeben. Ich bin gern bereit, die obersten Landesbehörden zu bitten, ihre Hinweise an die Gemeinden zu wiederholen.

Willi Peiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage. Dann die Frage XII/ 7 - des Herrn Abgeordneten Peiter Ist die Bundesregierung bereit, die Bevölkerung über die am 1. Juni 1964 in Kraft getretenen neuen Verkehrsregeln an Fußgängerüberwegen über das Fernsehen aufzuklären?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, das ist bereits geschehen. Der Norddeutsche Rundfunk und der Westdeutsche Rundfunk haben zwei Sendungen gebracht, in denen in Form von Interviews mit den zuständigen Herren der Abteilung Straßenverkehr die neuen Verkehrsregeln an Zebrastreifen erläutert wurden. Das Zweite Fernsehen Mainz brachte auf meine Veranlassung in der „Drehscheibe" am 1. Juni 1964 eine halbstündige Life-Sendung über das gleiche Thema. Für den 16. Juni 1964 ist ein zweites Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk vorgesehen. Hier werden die inzwischen festgestellten Verhaltensfehler besprochen werden. Durch ein an die Herren Intendanten der Rundfunkanstalten persönlich von mir gerichtetes Schreiben vom 22. Mai 1964 habe ich darüber hinaus darum gebeten, in Rundfunk- und Fernsehsendungen die Aufklärung der Offentlichkeit über die Neuregelung an den Zebrastreifen zu unterstützen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Willi Peiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich darf daraus entnehmen, daß Sie auch die anderen Fernsehanstalten auffordern oder bitten werden, entsprechende Sendungen zu machen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich habe an die Intendanten aller Sender geschrieben.

Willi Peiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke Ihnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir fahren fort mit den Fragen aus Drucksache IV/ 2322, zunächst die Frage III/ 1 - des Herrn Abgeordneten Ertl -: Beabsichtigt die Bundesregierung, den Bau der Brenner-Autobahn finanziell zu unterstützen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Ertl, die Bundesregierung kann nach der bestehenden Gesetzeslage keine finanzielle Unterstützung für den Bau der Brenner-Autobahn in Aussicht stellen. Das hindert natürlich nicht, daß etwa der deutsche Kapitalmarkt für diesen Zweck seitens des Baulastträgers in Österreich in Anspruch genommen werden kann. Der Beitrag der Bundesrepublik zu einer leistungsfähigen Nord-Süd-Verbindung ist durch die im Ausbau befindliche Inntal-Autobahn und durch den Ausbau der Bundes- und Landesstraßen, die aus Bayern nach Tirol führen, gegeben. Außerdem kann in der Gestaltung des Grenzübergangs bei Kufstein einschließlich der Umgehung von Kufstein eine Gemeinschaftsaufgabe gesehen werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, laufen zwischen der österreichischen Regierung und der Bundesregierung Verhandlungen wegen der Gewährung einer privaten Kapitalhilfe für die Brenner-Autobahn?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Mir ist von solchen Verhandlungen nichts bekannt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zweite Zusatzfrage!

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ist die Bundesregierung bestrebt, dazu beizutragen, gerade die sehr verkehrsgefährdenden Stauungen auf der BrennerAutobahn durch deutsche Touristen während der Ferienzeit in irgendeiner Form durch ein FließendMachen des Verkehrs zum Brenner und auch am Übergang zu ermöglichen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Ertl, wir können doch nur in unserem Hoheitsgebiet Maßnahmen treffen, nicht außerhalb. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage III/ 2 - des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) -: Können trotz der diesjährigen Kürzung der Mittel um 20 % die Baggerungen auf der unteren Ems so fortgeführt werden, daß dabei die vertraglich vorgesehene Vertiefung des Fahrwassers nach Emden erreicht wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Kollegen Peters wegen ihres ,Sachzusammenhanges gemeinsam beantworten ,zu dürfen, wenn der Herr Fragesteller damit einverstanden ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sind Sie einverstanden? ({0}) - Gut. Dann rufe ich weiter auf die Fragen 111/3 und III/ 4 - des Herrn Abgeordneten Peters ({1}) -: Glaubt der Herr Bundesverkehrsminister, daß trotz der ersatzlosen Stillegung von drei Dampfschleppern die Baggerarbeiten auf der Ems im erforderlichen Umfang aufrechterhalten werden können? Trifft es zu, daß für die bei den Baggerarbeiten auf der Eins Beschäftigten die Dienstverträge bereits am 30. Oktober 1964, statt wie bisher üblich zum Jahresende, beendet werden sollen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Nach § 8 Ziffer 1 Satz 2 des Haushaltsgesetzes 1964 sind von der Kürzung um 10% und von der Sperre um weitere 10 % unter anderem die Tietfblaiumaß6378 nahmen des Wasserstraßenbaus im Einzelplan 2 ausgenommen. Hierzu gehören auch die Baggerarbeiten zur Vertiefung deis Emder Fahrwassers. Diese 'Arbeiten zur Herstellung ieiner Wassertiefe von 8 m unter mittlerem. Tideniedrigwasser werden daher planmäßig fortgeführt und bei Bereitstellung gleicher Haushaltsraten technisch an den kommenden Jahrein bis 1967 fertiggestellt werden. Dann erst kann technisch der Ausbau auf 9 m sich anschließen. Die drei überalterten und abgängigen eigenen Dampfschlepper, die für Baggerarbeiten beim Wasser- und Schiffahrtsamt Emden ,eingesetzt waren, sind nicht ersatzlos stillgelegt, sondern durch drei angemietete Firmenschlepper ersetzt worden. Die Baggerarbeiten .auf der Eins werden daher in dem erforderlichen Umfang weitergeführt. Es trifft zu, daß die Dienstverträge mit den bei den Baggerarbeiten auf der Ems zusätzlich beschäftigten sogenannten Saisonbediensteten vorerst bis zum 30. Oktober 1964 befristet sind. Diese Maßnahme war bei Abschluß notwendig, weil damals noch nicht zu übersehen war, welche Haushaltsmittel 1964 für die Baggerung endgültlig zur Verfügung stehen werden. Nach Verabschiedung des Haushaltsplans 1964 hoffen wir, daß die Mittel ausreichen, um die ,Arbeiten wie bisher bis in den Dezember hinein fortsetzen zu können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Georg Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß auch die in Einsatz befindlichen Bagger nicht mehr den Anforderungen entsprechen, und sind neue 'Bagger in Auftrag gegeben, oder sollen diese Arbeiten an Privatfirmen vergeben werden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Wir sind nicht der Meinung, Herr Kollege, daß !die eingesetzten Bagger im Rahmen. der Planungen und der Durchführung der Arbeiten, wie sie erforderlich sind, den Anforderungen nicht entsprechen. Bei der Ems geht ,es ja nicht entscheidend rum Baggerungen, sondern um den Einbau der Unterwasserdeckwerke, weil nur !dann, wenn diese Deckwerke gebaut sind, der Ebbstrom so geschlossen geführt werden kann, daß die Erfolge der Baggerungen nicht immer wieder durch neue Sandeintreibungen sozusagen obsolet werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Georg Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesverkehrsminister, besteht die Absicht, daß die Bundesregierung auch für die Ems einen eigenen Bagger beschafft, nachdem Weser, Elbe und Jade je einen haben?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Diese Bagger, wie sie dort an der Elbe, an der Weiser und an der Jade eingesetzt sind und in den letzten Jahren neu beischafft wurden, eignen sich für das Emsfahrwasser nicht. Wir müssen an der Ems mit anderen Geräten arbeiten, und wir werden uns selbstverständlich immer bemühen, die bestgeeigneten Geräte, die uns !zur Verfügung stehen oder die wir anmieten können, dort einzusetzen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine weitere Frage mehr. Dann ist dieser Geschäftsbereich erledigt. Wir kehren zurück zu den Fragen in Drucksache IV/ 2319, und zwar zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe Frage XIII/ 1 - des Abgeordneten Hörmann ({0}) - auf: Trifft es zu, daß das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung die Mittel für einen russischen Sprachkursus an der Universität Freiburg gestrichen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Wegen des Sachzusammenhangs, Herr Präsident, bitte ich, die Fragen 1 und 2 zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sind Sie einverstanden? - Ich rufe also noch die Frage XIII/ 2 - des Abgeordneten Hörmann ({0}) - auf: Welche Gründe hat das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung zu der Streichung der Mittel für einen russischen Sprachkursus veranlaßt, von der angeblich etwa 40 Studierende betroffen wurden?

Not found (Staatssekretär:in)

Das Physikalische Institut der Universität Freiburg hat seit dem Sommersemester 1961 auf Anregung des damaligen Bundesministeriums für Atomkernenergie russische Sprachkurse für Physiker veranstaltet. Die für diese Kurse erforderlichen Mittel hat das Bundesministerium für Atomkernenergie, später das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, sechs Semester lang, bis einschließlich Wintersemester 1963/64, zur Verfügung gestellt. Im Rechnungsjahr 1964 konnten für diese Sprachkurse keine Mittel mehr bewilligt werden, weil der Haushaltstitel „Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung im Bereich der Kernforschung" - Kap. 3101 Tit. 600 -- auf Wunsch des Haushaltsausschusses gekürzt worden ist. Der Haushaltsausschuß vertritt die Ansicht, daß die aus dem Tit. 600 geförderten Maßnahmen allgemeiner Art auf dem Gebiet der Ausbildung nach der vom Bund gegebenen Initialzündung nunmehr in zunehmendem Maße von den Ländern übernommen werden sollen. Die bei 'diesem Titel noch zur Verfügung stehenden Mittel sollen vor allem in den Schwerpunkten der Kernforschung eingesetzt werden. Im Wintersemester 1963/64 haben an dem Anfängerkurs acht und an den beiden Fortgeschrittenenkursen zusammen 22 Personen teilgenommen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Hans Hörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000929, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für zweckmäßig, zum Studium von Fachzeitschriften technischer Art die russische Sprache zu erlernen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich komme gleich bei der Frage 3 darauf. Wir halten das für sehr zweckmäßig.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Frage.

Hans Hörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000929, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, der Bundesregierung ist sicher bekannt, nehme ich an, daß es sich um einen Betrag von 1200 DM als Pauschale pro Semester handelt?

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist richtig. Es war aber nicht nur die eine Hochschule. Wir hatten noch an mehreren Hochschulen derartige Förderungsmaßnahmen eingeleitet.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage XIII/ 3 - Herr Abgeordneter Hörmann ({0}) -: Welche Sprachen hält die Bundesregierung für besonders förderungswürdig?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich verstehe die Frage 3 so, daß nach den lebenden Sprachen gefragt wird, deren Erlernung nach Ansicht der Bundesregierung besonders gefördert werden soll. Ich möchte vorausschicken, daß für alle Unterrichtsfragen die Kultusminister der Länder zuständig sind. Vom Standpunkt der wissenschaftlichen Forschung aus halte ich die Förderung der beiden Weltsprachen Englisch und Französisch für besonders wichtig. Diese beiden Sprachen sind ja auch Unterrichtsfächer unserer höheren Schulen. Daneben halte ich die Erlernung von Russisch und Spanisch für besonders förderungswürdig, weil diese beiden Sprachen ebenfalls in weiten Teilen der Welt gesprochen werden und daher z. B. zusammen mit Englisch und Französisch die vier offiziellen Sprachen der Internationalen Atomenergieorganisation in Wien sind, die bekanntlich 87 Staaten aus West und Ost umfaßt. Dementsprechend hat das Bundesministerium für Atomkernenergie auch die russischen Sprachkurse für Physiker in Freiburg angeregt und drei Jahre lang gefördert. Ich darf noch hinzusetzen, daß nach dem mir vorliegenden Vorlesungsverzeichnis der Universität Freiburg vom Sommersemester 1964 zur Zeit dort 5 Kurse, darunter einer für Anfänger ohne Vorkenntnisse, einer für Anfänger mit Vorkenntnissen und zwei Oberstufenkurse und noch ein weiterer Kurs abgehalten werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Hans Hörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000929, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht sich die Bundesregierung in der Lage - mit Rücksicht auf das eben Gesagte -, den Fragenkomplex, der angeschnitten worden ist, nochmals zu prüfen und eine Möglichkeit zu suchen, die Zuschüsse haushaltsmäßig wieder einzuplanen, um diese Sprachkurse weiter zu finanzieren?

Not found (Staatssekretär:in)

Daß wir das haushaltsmäßig wieder einplanen können, glaube ich nicht, weil der Haushaltsausschuß hinsichtlich gewisser Maßnahmen, die wir in dieser Hinsicht ergriffen hatten - wir hatten u. a. auch für die Ausstattung der physikalischen Anschauungskabinette der Schulen Geld gegeben -, auf dem Standpunkt steht, daß das Ländersache sei. Es muß einmal eine klare Zuständigkeitsabgrenzung kommen. Wir werden aber alles tun, die Länder zu bitten, ihrerseits solche Kurse zu fördern.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage.

Hans Hörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000929, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie dem Physikalischen Institut, also den Betroffenen, in dieser Hinsicht eine Empfehlung geben, wie sie weitermachen können? Dr. Cartellieri, Staatssekretar im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung: Ja, eine Empfehlung können wir sicher geben. Wir können die Empfehlung geben, sie möchten sich selber an die Länder wenden, und hinzufügen, daß wir das wohlwollend unterstützen werden. Aber mehr können wir leider nicht tun.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Fragen der Drucksache IV/ 2319 sind beantwortet. Nunmehr die Fragen Drucksache IV/ 2322, zunächst aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Frage I/1 - Herr Abgeordneter Vogt -: Ist die Bundesregierung in der Lage, die Äußerung des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, Herrn Brandt, die dieser in seiner Eigenschaft als Regierender Bürgermeister von Berlin laut Main-Echo vom 1. Juni 1964 am vorausgehenden Samstag auf dem Bezirksparteitag der SPD Franken in Lohr ({0}) gemacht hat, „ich habe in Washington bei meinen Bemühungen um schrittweise Erleichterungen für Berlin mehr Verständnis ,gefunden als bei manchen Stellen in Bonn zu deuten?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Herr Kollege Vogt, soweit in der Kürze der Zeit festgestellt werden konnte - Ihre Frage ist mir am 10. Juni zugegangen -, hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, Brandt, zumindest dem Sinne nach die Äußerung getan, die im MainEcho zitiert wurde. Ich muß mich auf diese Feststellung beschränken. Denn es kann nicht Sache der Bundesregierung sein, in der Fragestunde derartige politische Äußerungen einer Zensur zu unterwerfen, zumal der Betreffende nach der Geschäftsordnung des Hauses in der Fragestunde keine Gelegenheit hat, sich dazu zu äußern.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Karl Heinz Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es notwendig gewesen wäre, daß die Bundesregierung anläßlich solcher Äußerungen einen energischen Schritt unternommen hätte, um die Offentlichkeit in der richtigen Form aufzuklären? ({0})

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Die Bundesregierung ist - beispielsweise bezüglich der Passierscheinregelung - in ständigem Kontakt und in vollem Einvernehmen mit dem Senat von Berlin und dem Regierenden Bürgermeister. Es wäre angesichts dieser Sachlage nicht zweckmäßig, eine öffentliche Auseinandersetzung um mögliche politische Wertungen zu beginnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie es nicht gerade aus diesem Grunde für geradezu erforderlich, Herr Bundesminister, daß die Bundesregierung im Gegensatz zu den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin auf dem Parteitag vor der Offentlichkeit erklärt hätte, daß sie sich eben in voller Übereinstimmung mit dem Berliner Senat und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, z. B. in der Passierscheinfrage, befindet?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Das ist des öfteren geschehen, auch vor wenigen Tagen nach der Kabinettssitzung unter Vorsitz des Bundeskanzlers, die sich mit der Passierscheinfrage befaßt hat.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, würden Sie es nicht für angängig halten, dem CSU-Politiker, der hier in seiner Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Bundestages an Sie diese Fragen gerichtet hat, den authentischen Text mitzuteilen, unabhängig davon, daß die Bundesregierung mit Recht ablehnt, eine Art Zensurfunktion auszuüben? Der authentische Text, der Ihnen wohl bekannt ist, lautet auf dem Tonband - ({0}) - Ich frage Sie, Herr! Seien Sie geduldig! Wer so angreift, der muß wohl auch eine Frage aushalten! ({1}) Ich frage auch den Herrn Bundesminister, ob ihm diese Antwort bekannt ist; denn er hat hier gesagt, ihm sei dem Sinne nach die Wiedergabe der Ausführungen des Herrn Brandt richtig erschienen. Ich frage den Herrn Bundesminister, ob er bereit ist, dem CSU-Politiker, der hier in seiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter solche Fragen stellt, die Antwort zu geben, ({2}) falls der Herr Bundesminister - ich frage ihn - im Bilde ist, über den wirklichen Text, der nämlich lautet: Und aus dieser Sicht der Dinge ist es, auf unsere deutschen Verhältnisse übertragen, dann auch nicht überraschend, daß ich in Washington für das Bemühen um schrittweise menschliche Erleichterungen im gespaltenen Berlin und im gespaltenen Deutschland hier und da noch mehr Verständnis gefunden habe als bei einigen, die in Bonn Politik machen. ({3})

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Auf Anfrage ist uns dieser Auszug aus dem Tonband seitens des Berliner Senats mitgeteilt worden. Dennoch hält es die Bundesregierung nicht für richtig, bei einer solchen Frage in eine materielle Würdigung einzutreten, um auch nicht den Anschein zu erwecken, sie spiele sich zum Zensor über Äußerungen der Ministerpräsidenten der Länder, der Bürgermeister von Berlin, Hamburg und Bremen auf. Das kann nicht Sache der Bundesregierung in der Fragestunde sein. Was die politische Wertung anbetrifft, so ist hier nicht der Ort, über parteipolitische Auseinandersetzungen Urteile von der Bundesregierung zu verlangen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe auf die Frage I/2 - des Herrn Abgeordneten Vogt -: Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um zu verhindern, daß durch die sich oft widersprechenden und verwirrenden Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin der Bundesrepublik und der deutschen Hauptstadt Schaden zugefügt wird?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Die Bundesregierung wird sich wie in der Vergangenheit um ein enges Einvernehmen und um eine gute Zusammenarbeit mit dem Regierenden Bürgermeister und dem Senat vor Berlin bemühen in allen Fragen, die Berlin und Deutschland als Ganzes betreffen und in denen Bundesregierung und Berliner Senat schon aus der Sache heraus auf engste Zusammenarbeit angewiesen sind.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Karl Heinz Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wird die Bundesregierung gerade diesen Vorgang zum Anlaß nehmen, noch einmal mit dem Herrn Regierenden Bürgermeister von Berlin in dem Sinne, wie Sie das soeben ausgeführt haben, zu sprechen? ({0})

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Ich glaube, daß der Bundeskanzler sicher großen Wert darauf legen wird, nach seiner Rückkehr aus Kanada und den Vereinigten Staaten mit dem Regierenden Bürgermeister eibenso ein politisches Gespräch zu führen, wie es der Regierende Bürgermeister auch für richtig hielt, nach seiner Rückkehr aus Amerika den Bundeskanzler als ersten zu informieren.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Mattick, eine Zusatzfrage

Kurt Mattick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß der fragestellende Kollege der CDU/ CSU-Fraktion hier einer Verwechselung unterliegt und ;den ;Minister Seebohm gemeint hat? ({0})

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Herr Kollege, auf Grund der Reaktion auf Ihre Frage darf ich annehmen, daß es sich um eine Scherzfrage gehandelt hat. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Frage!

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, können wir annehmen, daß die Bundesregierung den größten Wert darauf legt, daß die politisch verantwortlichen Stellen und Persönlichkeiten in Deutschland in diesen so schwierigen und uns solche Sorgen machenden Fragen möglichst einhellig auftreten? ({0})

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Ichglaube, daß eine politische oder gar parteipolitische Gleichschaltung in einer rechtsstaatlichen demokratischen Ordnung nicht Aufgabe der Bundesregierung sein kann. Der parteipolitische Kampf der Argumente und Gegenargumente kann nicht Gegenstand der Beurteilung der Bundesregierung in einer Fragestunde dieses Hauses sein. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wären Sie bereit, uns mitzuteilen, ob es den Richtlinien der Politik der Bundesregierung entspricht, was der Herr Vorsitzende der CSU in den Vereinigten Staaten jetzt über die Europa-Politik gesagt hat, wo er sich die de Gaulleschen Plane für eine politische Union ohne jede Abweichung 211 eigen gemacht hat? ({0}) - Doch.

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt nach dem Grundgesetz der Bundeskanzler. Ein Mitglied dieseis Hawses jedoch, das nicht der Bundesregierung angehört, ist tseibstverständl'ich freier als ,ein Bundesminister, der sich, wie man so sagt, in der Zucht des Kabinetts zu hallten hat. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfragen mehr? - Dann die Frage - des Abgeordneten Josten - aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen: Wann ist die Bundesregierung bereit, das vorgesehene neue Postamtsgebäude in Mayen in Angriff zu nehmen, nachdem die Stadt Mayen bereits am 15. Juni 1960 der Deutschen Bundespost ein sehr geeignetes Grundstück übereignet hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist vorgesehen, den Neubau eines Postamtsgebäudes in Mayen in den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1965 aufzunehmen und mit den Bauarbeiten im kommenden Jahr zu beginnen. Die Baukosten sind auf 2,3 Millionen DM veranschlagt. Es ist mit einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren zu rechnen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage? Josten ({0}) : Danke, das genügt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Damit sind alle Fragen gestellt und beantwortet. Die Fragestunde ist geschlossen. Wir kommen nunmehr zur Fortsetzung der Verkehrsdebatte, die vorgestern abend unterbrochen worden ist. Zur Orientierung der vorgesehenen Redner will ich kurz bekanntgeben, wie ich mir die Abwicklung vorstelle. Zunächst werden wir Punkt 17 weiterbehandeln. Die Aussprache ist bereits eröffnet worden. Sie soll vereinbarungsgemäß heute fortgesetzt werden. Nach Punkt 17 werden die Punkte 18 und 19 zu Ende behandelt werden. Dann werden wir noch die zweite und die dritte Beratung von Punkt 7 durchführen und Punkt 20 - Krankenpflege - anschließen. Am Ende werden wir die Punkte 21 und 22 behandeln. Nun rufe ich auf Punkt 17 der Tagesordnung: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt ({0}). Das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute früh die Aussprache über die Große Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zum Thema Seeschiffahrt aufnehmen, stehen wir, so möchte ich beinahe glauben, unter dem Eindruck, daß wir uns hier im Hause in dieser Aussprache in großer Einmütigkeit vereinigt haben. Herr Kollege Seifriz hat bei der Begründung der Großen Anfrage von dein glücklichen Zufall gesprochen, den er darin erblickte, daß die sozialdemokratische Fraktion mit Nasenlänge in einer Großen Anfrage vor der CDU/CSU- Fraktion sozusagen das Zielband, das Blaue Band, erreichte. Ich möchte dazu feststellen, Herr Kollege Seifriz, daß wir uns hier zwar in einem edlen Wettbewerb um der Sache willen befinden, daß es aber natürlich leichter ist, Fragen zu stellen, als sogleich gültige Antworten zu finden. Ich möchte sagen, daß sich meine Fraktion seit langer Zeit - ich nehme an, auch Sie haben sich seit längerer Zeit mit der Frage. beschäftigt -, seit über einem Jahr in einem intensiven Gespräch mit der Regierung befindet, um wirklich eine grundsätzliche Lösung dieses Problems nicht nur der Seeschiffahrt, sondern auch des Schiffbaues in Deutschland zu finden. Nun, wir haben die Antwort der Bundesregierung vorgestern abend gehört. Lassen Sie mich an einem Beispiel noch einmal aufzeigen, worum es geht. Im Jahre 1963 hat ein großes deutsches Automobilwerk eine Reihe von deutschen Reedereien - es waren ganz gewiß nicht die kleinsten und die schwächsten - aufgefordert, an das Automobilwerk mit Vorschlägen hinsichtlich des Baues von großen Spezialschiffen für den Transport von Kraftfahrzeugen in einen anderen Kontinent heranzutreten. Nach den Vorstellungen des Automobilwerks sollten diese Schiffe ab 1965 für zunächst fünf Jahre für laufende Autotransportreisen eingesetzt werden. Die Rückbeschäftigung wurde nicht garantiert; insoweit lag also ein echtes Risiko beim Reeder. Dieses Risiko, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde von den deutschen Reedern angesichts ihrer überaus engen und gefährdeten Kapitalstruktur als zu groß angesehen, und sie mußten es ablehnen, diese Autotransportschiffe zu bauen. Erfolg: diese Autotransporter - eine ganze Anzahl! - werden nunmehr auf ausländischen Werften für ausländische Reeder zum Transport deutscher Autos in einen anderen Kontinent gebaut. Ich meine, daß mehr als alles andere - es gibt viele Beispiele - dieses Beispiel zeigt, welche Folgen eine ungünstige Kapitalstruktur und die Nichtkonsolidierung in unserer Seeschiffahrt für die Beweglichkeit der deutschen Reedereien hat. Mit Recht hat daher auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD dieses Problem der ungünstigen Kapitalstruktur der deutschen Seeschiffahrt !in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung gerückt. Ich freue mich, daß wir insofern eine volle Übereinstimmung hier in diesem Hause hinsichtlich des Grundproblems feststellen können. Nun wird eines niemand bestreiten können und bestreiten wollen; und insofern muß ich auch Herrn Kollegen Seifriz etwas entgegentreten, der am Schluß der Begründung der Anfrage mit etwas markigen Worten sagte: Schluß mit den halben Maßnahmen! Laßt uns endlich Nägel mit Köpfen machen! Meine Damen und Herren, ich darf die Fragestellen: Sind denn nichtetwa seit 1950 wirklich gute und gültige Maßnahmen getroffen worden, die ,den Wiederaufbau der deutschen Handelsschifffahrt zu der heutigen Größe bewirkt haben? Und wer ist denn das gewesen? Von wem sind denn diese Grundgedanken entwickelt worden, wenn nicht von der Bundesregierung und von dem Bundesverkehrsminister und seinen Mitarbeitern? Ich möchte untersteichen, daß diese große Wiederaufbauleistung nun heute nicht etwa in Zweifel gezogen wenden darf. Bund und Länder haben sich gemeinsam nachhaltig bemüht, der deutschen Seeschiffahrt bei ihrem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg zu helfen. Wir stellen nur eines fest: daß sich dm Laufe der Entwicklung, :insbesondere der letzten vier, fünf Jahre, die Problematik.verändert hat und daß wir uns nunmehr gemeinsam bemühen müssen, dieser Problematik Herr zu wenden und vor allen Dingen neue Methoden der Konsolidierung zu entwickeln. Ich erinnere bei den großen Leistungen, die die Bundesregierung in der Vergangenheit 'für die deutsche Seeschiffahrt bewirkt hat, an die Wiederaufbaudarlehen, an den § 7 d, an die ERP-Mittel, an die Zins- verbilligungen rund an die Abwrackprämie. Es waren in den letzten Jahren vornehmlich Kollegen meiner Fraktion gewesen, die 'im Haushaltsausschuß immer wieder darauf gedrängt haben, daß in dieser Frage der Kostenverbesserung und der Hilfen für die Seeschiffahrt nicht nachgelassen wird. Ich möchte mich nun mit einigen wenigen Gedanken mit der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD etwas beschäftigen. Herr Minister, gestatten Sie, daß ich !zunächst auf das hinweise, was in der Antwort der Bundesregierung nicht enthalten ist. Ich meine, es wäre gut gewesen, wenn in der Antwort der Bundesregierung ,ein Wort im Hinblick auf den Zusammenhang von Seeschifffahrt und Außenhandel gefallen wäre. Eine so große Industrienation wie die Bundesrepublik, die unter den Außenhandelsnationen der Welt heute mit anderen eine führende Stellung einnimmt, muß auf diesen Zusammenhang hinweisen, und 'das sollte auch in dieser Debatte geschehen. Die deutsche Seeschiffahrt und der deutsche Außenhandel haben sich nämlich im letzten Jahrzehnt unterschiedlich entwickelt. Es wäre ganz interessant, wenn die Bundesregierung uns die Relation zu dem Jahr 1938 oder 1939 mitteilen könnte. Sie sollte uns sagen, wie sich seit dem letzten Vorkriegsdatum der seewärtige Außenhandel Deutschlands und die deutsche Handelsflotte entwickelt haben. Wenn die Zahlen, die mir zugänglich sind, richtig sind, dann 'hat sich der seewärtige Außenhandel zwischen 1938 und heute um das Doppelte gesteigert; die deutsche Handelsflotte weist dagegen seit 1938/39 nur einen Zuwachs von 20 % auf. Es wäre sicherlich auch begrüßenswert gewesen, wenn die Antwort der Bundesregierung etwas näher auf die Stellung der deutschen Seeschiffahrt als Wirtschaftszweig im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftszweigen in der Bundesrepublik eingegangen wäre. Wenn über die Seeschiffahrt gesprochen wird, erhebt sich immer wieder die Frage, warum sie eigentlich eine Sonderstellung hat. Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesregierung diese Sonderstellung in Zukunft noch etwas deutlicher herausarbeiten würde. Ich kann das nur ganz schlagwortartig tun. Die Seeschiffahrt - um das noch einmal klarzumachen - bietet ihre Transportleistungen ausschließlich auf einem internationalen Seeverkehrsmarkt an. Binnenländische Befrachtungsmärkte gibt es nicht. Die Reedereien der deutschen Handelsflotte stehen in einem vollkommenen Wettbewerb mit einer Vielzahl ausländischer Schiffahrtsunternehmungen. Sie haben keine Standortvorteile. Die Preisgestaltung in der Schiffahrt ist ausschließlich international bestimmt. Im echten Sinne des Wortes ist ein weltweiter Marktmechanismus im Spiel, und er bestimmt die Höhe der Frachtraten. Die Kostenseite allerdings ist beinahe ausschließlich oder jedenfalls weitgehend binnenländisch beeinflußt; sie unterliegt den nationalen Bestimmungsfaktoren. Das führt natürlich zu einem erheblichen Auseinander-klaffen der Kosten- und Preisentwicklung, genauso wie in anderen Dienstleistungsgewerben, aber hier insbesondere durch diese von mir eben aufgezeigten Faktoren. Daß Überkapazitäten vorhanden sind, haben wir schon aus der Begründung des Kollegen Seifriz und auch aus der Antwort der Regierung geBlumenfeld hört. Hier entsteht natürlich ein zusätzliches Problem. Ich möchte nur noch anmerkend sagen, daß die deutschen Reedereien auch keinen handelspolitischen Schutz in Form von Zöllen oder Kontingenten genießen. Es besteht nicht einmal - wenn ich richtig unterrichtet bin - die Möglichkeit, einen solchen Schutz einzuführen. Bei alledem sollte man sich darüber im klaren sein, daß die deutsche Seeschiffahrt nicht nur in engster Beziehung zum deutschen Außenhandel steht, sondern der gesamten deutschen Wirtschaft starke Beschäftigungsimpulse vermittelt. Man hat einmal errechnet - das ist, glaube ich, in diesem Hohen Hause noch nie so deutlich angesprochen worden -, daß zur Erstellung eines Arbeitsplatzes auf einem Seeschiff zehn Arbeitsplätze in der Binnenwirtschaft der Bundesrepublik erforderlich sind. Denken Sie dabei bitte an den deutschen Schiffbau und an die Vielzahl der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die sich ständig mit den Zulieferungen für die Ausrüstung der Seeschiffe beschäftigen. Die Antwort der Bundesregierung schildert die Entwicklung der deutschen Seeschiffahrt nach dem zweiten Weltkrieg mit einigen wichtigen Worten. Zu meinem Bedauern muß ich aber feststellen, daß die Antwort keine näheren Darlegungen darüber enthält, wie uns unmittelbar benachbarte Seeschifffahrtsländer ihre eigenen Seeschiffahrtsunternehmungen gefördert haben. Es wäre gut gewesen, darüber etwas Näheres zu hören. Dann hätte man nämlich auch eine Erklärung dafür gehabt, weshalb britische Reeder - nur als Beispiel - über Eigenmittel in Höhe von 100 % ja 120 % ihres Flottenanlagevermögens verfügen, die deutschen Reeder hingegen mit Fremdmitteln in einer durchschnittlichen Höhe von 80 bis 85 % belastet sind. Die Antwort der Bundesregierung weist mit deutlichen Worten wieder auf die schädlichen Auswirkungen des berüchtigten Flaggenprotektionismus hin. Ich möchte doch sagen, daß auch dieser Hinweis vielleicht etwas zu allgemein gehalten ist. Zumindest sollte man betonen, daß sich die Flaggendiskriminierung, Herr Bundesverkehrsminister, gerade im Seeverkehr zu den nordwesteuropäischen Häfen am allerstärksten auswirkt und damit die deutsche Handelsflotte von allen Seeschiffahrtsnationen am nachhaltigsten trifft. Ich vermisse schließlich eine Stellungnahme der Bundesregierung zu den Problemen, .die sich aus der Verbindung der Seeschiffahrt in der EWG ergeben. Die Schweigsamkeit der Bundesregierung maggute Gründe haben - das will ich nicht bestreiten -, aber ,es fragt sich doch, ob es bei dieser vielleicht schon in naher Zukunft brennenden Frage angebracht ist, diese Schweigsamkeit zu weit zu führen. Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesregierung dazu noch etwas sagen würde. Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen zu der Antwort, die die Bundesregierung vorgetragen hat, anfügen. Die Bundesregierung gelangt in ihrer Antwort zu der Folgerung, daß weitere Finanzhilfen für die deutsche Seeschiffahrt gezielt nach wirtschafts- und schiffahrtspolitischen Gesichtspunkten eingesetzt werden müßten, um einen möglichst großen Nutzeffekt für die deutsche Volkswirtschaft zu erzielen. Auch sonst spricht ihre Antwort immer wieder davon, daß die schiffahrtspolitische Bedeutung oder die schiffahrtspolitische Förderungswürdigkeit dm Vordergrund stehen muß. Lassen ,Sie mich ein offenes Wort sagen! Das klingt alles sehr schön. Aber es sind doch dabei wohl einige Wertungen im Spiel, die man noch einmal ganz genau auf ihren Gehalt untersuchen sollte. Die Bundesregierung will mit ihren Äußerungen sicherlich nicht sagen, daß eis etwa neben der deutschen Linienschiffahrt keinen landeren schiffahrtspolitisch bedeutsamen Zweig gibt. Sie will auch gewiß nicht bestreiten, daß etwa die deutsche Trampschiffahrt, die Tankschiffahrt oder die Nord- und Ostseeschifffahrt und die Küstenschiffahrt schifffahrtspolitisch und volkswirtschaftlich bedeutend sind. Muß man aber nicht, wenn man Finanzhilfen wirksam ansetzen will, andere Maßstäbe heranziehen? Ich meine, daß ,die Betriebswirtschaft solche Maßstäbe bietet, Maßstäbe, 'die es gestatten, darauf hinzuwirken, daß leistungsfähige Tonnage in den Händen leistungsfähiger Seeschiffahrtsunternehmen ruht. Das ist meiner Meinung nach das Kriterium: leistungsfähige Tonnage in leistungsfähigen Unternehmungen. Ich weiß auch nicht, warum sich die Bundesregierung mit allgemeinen Formulierungen so weit 'in der Antwort vorgewagt hat. Sie teilt in ihrer Antwort mit, 'daß über .die Maßnahmen unid deren Inhalt letztlich - und damit gebe ich ihr völlig recht - gegenwärtig noch mit den verschiedensten Bundesressorts, den Küstenländern und den Schiffahrtsverbänden verhandelt wird. Die wichtigste Bitte, die dieses Hohe Haus an die Bundesregierung zu richten hat - und das ist auch die Auffassung meiner Fraktion -, ist, daß wir weder hier heute noch durch Aussagen gegenüber der interessierten Öffentlichkeit die Verhandlungen präjudizieren sollten; man sollte sie vielmehr so schnell wie möglich zu Ende führen. Also Unterstreichung der Beschleunigung der Verhandlungen. Aber über den Inhalt der Maßnahmen sollten wir uns heute nicht unterhalten. Dazu sind die Dinge zu komplex. Es gibt eben keine Wunderwaffe, mit der man diesen ganzen Fragen begegnen kann, sondern es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, daß sich ein Bündel von Maßnahmen über eine längere Zeit erstrecken muß. Über die Fremdmittelbelastung ist, glaube ich, schon genügend gesagt worden. Mein Fraktionskollege Gewandt wird dazu noch etwas zu sagen haben. Ich brauche hier nur noch einmal den wichtigsten Punkt herauszuheben, nämlich daß wir in keiner Phase der Beratungen der nächsten Wochen und Monate an der Tatsache vorbeigehen können, daß es um die Kapitalstruktur der deutschen Reedereien im Vergleich zu ihren ausländischen Wettbewerbern wirklich miserabel bestellt ist. Ich finde es wenig nützlich, daß wir nun in statistische Vergleiche eintreten und sagen, die und die Reedereien in Deutschland haben aber 20 bis 25 % Eigenmittel zur Verfügung. Ich möchte den Vergleich, Herr Minister, gezogen sehen zwischen der deutschen Handelsschiffahrt als solcher und ihren großen Wettbewerbern auf den internationalen Frachten- und Seeschiffahrtsmärkten. Die Bundesregierung hat dann eigene Zahlen bekanntgegeben, die ich jetzt nicht näher untersuchen will. Ich glaube, daß das alles seine Richtigkeit hat. Die Analyse hat nur einen kleinen Fehler, nämlich daß sie eine zu kleine Anzahl von Schiffahrtsunternehmungen erfaßt und sich im übrigen aus dem Jahre 1962 rekrutiert. Die Bundesregierung meint, daß etwa 60 bis 70 % der deutschen Seeschiffahrtstonnage in den Händen von Reedereien liegen, deren Kapitalstruktur bisher noch nicht als besorgniserregend angesehen werden kann. In demselben Atemzuge aber weist die Bundesregierung darauf hin, daß die meisten auch dieser Reedereien nicht mehr aus eigener Kraft in der Lage sind, die Regeneration und die Konsolidierung ihrer Flotten auf modern und rationell ausgestattete Schiffe zu betreiben. Meine Fraktion ist der Bundesregierung für diese Sätze besonders dankbar. Sie enthalten nämlich genau die Feststellungen, die wir heute hier treffen müssen. Die ungünstige Kapitalstruktur hat eben für deutsche Reedereien zur Folge, daß sie ihren Schiffspark nicht so leistungsfähig halten können, wie das im internationalen Wettbewerb erforderlich wäre. Nochmals möchte ich sagen, es fehlt einfach das Kapital dazu. Hier muß man ansetzen. Wenn das bei 60 bis 70 % der deutschen Seeschiffstonnage so ist, dann fragt man sich übrigens auch - ich komme darauf noch einmal zurück -, ob es wirklich so unabweislich ist, die finanziellen Hilfen gezielt zum Einsatz zu bringen. Ein solcher gezielter Einsatz bedeutet doch, daß man innerhalb der deutschen Seeschiffahrt Wettbewerbsverschiebungen fördert und sich unter Umständen in dirigistischer Weise die Verantwortung für die Zukunft einzelner Unternehmungen auflädt, die man besser dem einzelnen und jeweiligen Reeder überlassen sollte. Ich möchte nicht mißverstanden werden. Natürlich wissen auch wir alle, daß die Lage von Reederei zu Reederei nicht gleich ist. Dennoch meine ich, aus der Antwort der Bundesregierung entnehmen zu müssen, daß sich diese Streuung über alle Betriebsgrößen hin erstreckt. Es ist einfach nicht wahr, daß es nur den kleinen und kleinsten Reedereien besonders schlecht ginge. Mittlere und große Unternehmen stehen vor derselben allgemeinen Misere ihrer Kapitalstruktur wie jene. Ich würde es daher begrüßen, wenn die Bundesregierung zur Stützung ihrer Angaben einige Zahlen mitteilte. Vielleicht sieht sie sich heute noch dazu in der Lage. Ich habe mit Interesse vermerkt und bedanke mich auch dafür, daß die Bundesregierung mehrfach die Frage der Unternehmensstruktur in der Seeschiffahrt angesprochen hat. Ich glaube, auch in diesem Hohen Hause denkt niemand daran, eine Bereinigung der Kapitalstruktur in der deutschen Seeschiffahrt durchzuführen, ohne sich auch mit diesem Problem zu beschäftigen. Wir können einfach das Geld des Steuerzahlers nicht zu Förderungsmaßnahmen für Unternehmen verwenden, an deren Leistungsfähigkeit schon auf Grund ihrer strukturellen Gegebenheiten gezweifelt werden muß. Ein solcher Grundsatz ist natürlich leichter ausgesprochen als angewendet. Ich möchte davor warnen, hier mit unzulässiger Verallgemeinerung zu arbeiten. Lassen Sie mich nur darauf hinweisen, daß etwa im europäischen Seeverkehr die mittelständische Reederei durchaus noch heute wirtschaftliche Funktionen mit gutem, ja mit sehr gutem Erfolg erfüllen kann. Beispiele dafür gibt es in großer Zahl in der deutschen Küstenschiffahrt und Handelsschiffahrt. Man sollte daher auch nicht immer nur auf die schnellen Linienschiffe und die großen Massentransporter abheben. Ich meine - und damit spreche ich einen Grundsatz unserer Fraktion aus -, daß die wirtschaftliche Stärke der deutschen Seeschiffahrt in der breiten Heterogenität steckt, die wir erhalten sollten, schon und nicht zuletzt deshalb, weil sie auch der Heterogenität des deutschen Außenhandels entspricht. Die Bundesregierung veranschlagt den jährlichen Erneuerungsbedarf der deutschen Handelsflotte in ihrer Antwort mit etwa 300 000 Bruttoregistertonnen. Sie will diese aus Gründen der Modernisierung und Rationalisierung des Schiffsparks unbedingt erforderlichen Neubauten auch fördern. Als Mittel dazu möchte sie relativ kurzfristige Programme aufstellen. Die Aufstellung eines festen Plans für mehrere Jahre lehnt sie ab. Ich bin mir darüber im klaren, daß die Bundesregierung bei ihrer Antwort, verkündet durch den Bundesverkehrsminister, natürlich das Gesamte sehen muß und deswegen vielleicht diese Stellung bezogen hat. Ich möchte annehmen, daß der Herr Bundesverkehrsminister als Ressortminister vielleicht eine etwas andere Stellung beziehen würde. Hier scheint also der Schatten des Finanzministers deutlich sichtbar zu werden. Ich möchte hier jedenfalls im Namen meiner politischen Freunde erklären, daß wir künftig nicht mehr jedes Jahr diese kurzfristigen Hilfen und kurzfristigen Pläne haben wollen. Vielmehr wünschen wir auch einen längerfristigen, größeren Plan, 'innerhalb dessen natürlich jedes Jahr gewisse Verschiebungen und gewisse Akzentuierungen vorgenommen werden können; das ist selbstverständlich. Wir beschäftigen uns ja nicht erst seit gestern mit dem Problem eines Planes, und da die sozialdemokratische Bundestagsfraktion das Wort „Plan" entideologisiert hat, können wir hier, meine ich, auch durchaus eine gemeinsame Sprachregelung finden. Wenn wir von Plan sprechen, meinen wir damit, daß das Grundproblem innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit einer bestimmten Zielrichtung angepackt wird. Die Zeit, während der innerhalb der EWG noch nationale Maßnahmen zulässig sind - also bis zum Jahre 1970; danach wird es außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein -, sollten wir nutzen. Wir wissen, daß wir zu bestimmten Maßnahmen die Zustimmung der Kornmission benötigen; aber ich glaube, die Kommission wird solchen Maßnahmen auch ihre Zustimmung nicht versagen. Wir brauchen also, Herr Minister, Ihre Initiative und die Initiative der Bundesregierung hinsichtlich der Vorlage eines größeren Gesamtplanes, der auf die hier in der Debatte aufgezeigten Grundprobleme abheben muß. Wir brauchen einen solchen Plan baldigst, wir erwarten ihn so bald, daß er noch für das Haushaltsjahr 1965 wirksam werden kann. Über die einzelnen Maßnahmen wird sicherlich der eine oder andere noch etwas zu sagen haben. Ich meine also, daß wir endlich einmal aufhören müssen mit dem jährlichen Ringen um die Haushaltsansätze bei Neubauförderungen, in der Abwrackprämienfrage oder bei den Zinssubventionen und daß wir nunmehr zu einem umfassenden grundsätzlichen Programm kommen sollten. In diesem Zusammenhang muß eine sehr grundsätzliche Bemerkung zu den Problemen des deutschen Schiffbaus gemacht werden. Diese Probleme sind in der Anfrage der SPD nicht angesprochen, sie gehören aber selbstverständlich mit hier hinein, und zwar nicht nur wegen der großen Anzahl von Menschen, von Arbeitern und Angestellten, Technikern und Wissenschaftlern, die im deutschen Schiffbau in allen Küstenländern arbeiten und die, wie wir ja alle wissen, in den vergangenen zwölf Monaten um ihre Zukunft oft haben bangen müssen oder geglaubt haben bangen zu müssen. Ich möchte auch von dieser Stelle aus für meine Freunde, für meine Fraktion - aber ich nehme an, ich kann es auch für die übrigen Fraktionen dieses Hohen Hauses tun - sagen, daß wir alles daransetzen werden, um die Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schiffbaus zu erhalten und dafür zu sorgen, daß die arbeitenden Menschen in diesen wichtigen industriellen Unternehmen nicht besorgt zu sein brauchen. Wir werden - hoffentlich gemeinsam mit der Bundesregierung; und ich glaube, dafür sind schon alle Voraussetzungen gegeben - die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit diese Problematik und der Begriff „Gesundschrumpfung" - dieses Wort ist gefallen - aus der Diskussion verschwinden. Die Problematik des deutschen Schiffbaus ist nicht identisch mit der der deutschen Seeschiffahrt. Aber diese beiden Gewerbezweige treffen sich in ganz bestimmten Punkten. Wir meinen, die Bundesregierung sollte in ihrem Programm auch diese Nahtstellen etwas deutlicher herausarbeiten, an denen die Identität der Interessen gegeben ist. Rationalisierung und vor allen Dingen Wettbewerbsgleichheit mit den großen internationalen Schiffbauländern müssen auch beim Schiffbau im Vordergrund stehen. Die Bundesregierung hat natürlich jetzt schon eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die beim Schiffbau eingesetzt werden können und durch die unter Umständen Geld gespart würde, und zwar im Hinblick auf den Haushaltsansatz. Ich möchte das Stichwort der Bundesregierung wiederholen: Warum prüfen wir nicht, ob bei Exportaufträgen für den deutschen Schiffbau, die interessant und wichtig sind, die Hermes-Konditionen verbessert bzw. neu gefaßt werden könnten? Damit würden wir, glaube ich, dem deutschen Schiffbau schon in ganz erheblichem Umfang helfen können. Im übrigen verweise ich auf das, was in dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum Schiffbau gesagt ist. Wir meinen, daß wir diese Fragen ebenso wie den Antrag der SPD-Fraktion zur Seeschifffahrt im Ausschuß behandeln sollten. Wir glauben, daß es richtig ist, diese Fragen im zuständigen Ausschuß ides Bundestages ständig vor Augen zu haben und auf diese Weise in einem dauernden Gespräch mit der Regierung zu bleiben, bis uns die Gesetzentwürfe der Regierung vorliegen. Die schädlichen Auswirkungen, die die Wettbewerbsverzerrungen des Auslands, nicht nur des Auslandes außerhalb des EWG-Bereichs, sondern auch innerhalb des EWG-Bereichs, auf unsere Handelsflotte und auf den deutschen Schiffbau gehabt haben und noch immer haben, sowie der Preisverfall, der nunmehr seit Jahren symptomatisch für die Lage in diesem ganzen Bereich ist, fordert gebieterisch noch für dieses Jahr die Vorlage eines Gesetzentwurfs und eine Lösung der Probleme. Diese Lösung wird nicht leicht sein. Sie wird deswegen sogar besonders schwierig sein, weil 'wir alle, die wir in der Verantwortung stehen, uns bewußt sind und bewußt bleiben müssen, wie eng die Grenzen sind, die das Haushaltsvolumen setzt. Ich hin mir völlig darüber im klaren, daß wir nicht alle Wünsche erfüllen können. Trotzdem meine ich, daß ein breitgestreutes Bündel von Maßnahmen, die in der Grundrichtung dessen liegen, was hier angesprochen worden ist - Kapitalstruktur, Konsolidierung. Modernisierung und Rationalisierung -, dazu führen wird, neben den übrigen laufenden Maßnahmen nun endlich vom Grundsatz her die deutsche Handelsschiffahrt und den deutschen Schiffbau für Idie Jahre ab 1970 aus eigener Kraft wettbewerbsfähig zu halten. Wegen dieser Maßnahmen bitten wir die Bundesregierung um Gesetzentwürfe und Vorlagen. Wir werden diese in intensiver Arbeit mit unterstützen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache gibt uns die Möglichkeit, die Situation im deutschen Schiffbau und die Situation der deutschen Seeschiffahrt zu analysieren, die bisher ,getroffenen Maßnahmen kritisch zu werten und der Regierung Anregungen für ihre künftige Planung zu geben. Zuvor möchte ich mir allerdings, Herr Kollege Seifriz, eine Bemerkung an Ihre Adresse erlauben. Im Interesse 'der Gemeinsamkeit unserer Zielsetzung wollen wir hier lieber nicht so genau untersuchen, wer die Fundamente für den Wiederaufbau der deutschen Schiffahrt gelegt hat und von welcher politischen Seite diese Anregungen gekommen und die Beschlüsse gefaßt worden sind. Es wird immer wieder so sein, daß bei den Diskussionen über die Förderung der deutschen Schifffahrt bestritten wird, daß sich die deutsche Schifffahrt in einer Sonderlage befindet. Es wird darauf hingewiesen, daß es möglicherweise eine Vielzahl von Berufungsfällen gebe. Wir haben beispielsweise in nächster Zeit hier im Hause Beschlüsse zu decken, die im Haushaltsausschuß zu fassen sind, bei denen es um Förderungsmaßnahmen zur Verbesserung der Struktur im Kohlebergbau geht. Ich denke dabei an die Blockwalzwerke und an die Verstromung der Pechkohle. Nach dem Ergebnis der Vorberatungen wird man deshalb zu verlorenen Zuschüssen kommen, weil man der Auffassung ist, daß Darlehen allein nicht ausreichen. Ich glaube also nicht, daß man sagen kann, die Maßnahmen für die Seeschiffahrt seien ein schlechtes Beispiel, auf das sich andere berufen könnten. Wir kennen aus anderen Bereichen Förderungsmaßnahmen, die sehr viel weiter gehen als das, was hier ins Auge gefaßt werden kann. Wir haben weiter in diesen Tagen erlebt, daß im Hinblick auf einen in Aussicht gestellten Beschluß der Bundesregierung, gewerbliche Zölle zu halbieren, aus verschiedenen Wirtschaftszweigen sofort der Ruf nach Subventionen kam. Ich möchte mich hier nicht gegen diese Wünsche aussprechen. Ich will sie nicht werten. Ich möchte vielmehr sagen, die Schiffahrt stellt einen Sonderfall dar; und das möchte ich in aller Kürze begrün den. Die Handelsschiffahrt hat weder heute noch in Zukunft die Möglichkeit, und sie hatte auch in der Vergangenheit nicht die Möglichkeit, einen handelspolitischen Schutz für sich zu beanspruchen. Die Schiffahrt bietet ihre Leistungen ausschließlich auf dem internationalen Markt an. Sie hat keine Möglichkeit, auf interne Märkte auszuweichen. Auch die Preisgestaltung in der Schiffahrt wird durch einen weltweiten Mechanismus, d. h. nicht durch Einflüsse auf den nationalen Märkten bestimmt. Bei diesem weltweiten Mechanismus tritt nun negativ für die deutsche Schiffahrt in Erscheinung, daß Diskriminierungen und Verzerrungen an der Tagesordnung sind. Im übrigen sind die Festkosten in der Schiffahrt ungewöhnlich hoch und der Kapitalumschlag außergewöhnlich langsam. Das wiegt besonders schwer, weil dieser Wirtschaftszweig besonders risiko- und koniunkturempfindlich und die Kapitalsubstanz in der deutschen Schiffahrt gering ist. Warum ist sie gering? Weil die deutschen Reeder nach dem Kriege praktisch mit nichts beginnen mußten, während es in den- anderen Schiffahrtsnationen möglich war, den Reedern für die Kriegsschaden eine volle Entschädigung zu gewähren. Aber auch Länder, die nicht zu den Siegermächten gehören, haben in der letzten Zeit große Summen aufgewandt, - um die Struktur ihrer Schiffahrt zu verbessern und sie konkurrenzfähig zu machen. In Japan ist man heute beispielsweise so weit, daß pro. Reederei eine Million Bruttoregistertonnen zu verzeichnen sind. Ich möchte nicht einer Konzentration das Wort reden. Ich glaube aber, wir kommen um strukturelle Maßnahmen nicht herum. Betrachten wir einmal die Struktur der deutschen Reedereien. Nur acht Reedereien in der Bundesrepublik haben jeweils mehr als 100 000 BRT, 16 mittlere Reedereien jeweils nicht mehr als 50 000 bis 100 000 BRT, 94 Betriebe haben weniger als 50 000 BRT und 120 Betriebe weniger als 5000 BRT. In diese Zahlen sind die Küstenmotorschiffe nicht eingeschlossen. Der Herr Bundesverkehrsminister ist in seiner Antwort auf die Kapitalstruktur eingegangen. Er hat - nach meiner Auffassung mit Recht - festgestellt, daß man nicht generell davon sprechen könne, 85 % der Betriebsmittel seien Fremdmittel. Sicherlich ist das Problem sehr differenziert, aber bei einer Durchschnittsbetrachtung trifft diese Feststellung durchaus zu. Dem Schiffspark in der Bundesrepublik mit einem Gesamtflottenwert von 2,9 Milliarden DM standen am Anfang des Jahres Investitionskredite in Höhe von 2,5 Milliarden DM gegenüber. Eine solche Kapitalstruktur ist in einem krisenempfindlichen Wirtschaftszweig untragbar. Wir haben die Frage zu stellen: was ist getan worden, und was sollte in der Zukunft geschehen? Es kann nicht die Rede davon sein, es sei in der Vergangenheit nichts getan worden. Wir haben immerhin ein Aufbauprogramm verwirklicht, das uns heute wieder eine geachtete Position unter den Schiffahrtsnationen einräumt. An Wiederaufbaudarlehen - ich möchte die Zahlen einmal nennen, damit keine falschen Eindrücke entstehen - nach dem Gesetz von 1950 sind 475 Millionen DM gegeben worden. Es muß allerdings gesagt werden, daß sich damals der Aufbau unter einschränkenden Bestimmungen vollzog. Es sind Darlehen aus dem ERP- Sondervermögen von über 400 Milionen DM gewährt worden. Im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms sind im Jahre 1950 24 Millionen DM vergeben worden. An Zinsverbiligungen nach den Richtlinien von 1955 wurden 38 Millionen DM, an Bundesbürgschaften nach den Richtlinien von 1955 50 Millionen DM, an Bürgschaften ERP-Sondervermögen 32 Millionen DM, über steuerbegünstigte Schiffspfandbriefe 121 Millionen DM und an zinslosen Darlehen nach § 7 d des Einkommensteuergesetzes 1,4 Miliarden DM gegeben. Hierzu muß gesagt werden, daß es sich natürlich teilweise um kaufmännische Kredite handelt und daß der Gesetzgeber eigentlich nur eine Kapitalsteuerung vorgenommen hat. An verlorenen Zuschüssen nach § 7 d haben wir 73 Millionen DM vergeben, und wir haben - und das ist besonders wertvoll - in den letzten Jahren an Zinsbeihilfen, Abwrackprämien und Neubaudarlehen nach den Richtlinien der Jahre 1962/63 234 Millionen DM gewährt und Kredite aus ERP-Aktionen für deutsche Werften, die speziell der deutschen Schiffahrt zugute kommen, 80 Millionen DM. Darüber hinaus hat dieses Haus wiederholt Beschlüsse gegen die Flaggendiskriminierung gefaßt, hat der Bundesregierung Auflagen erteilt, und in einer Reihe ganz konkreter Fälle - ich möchte hier die Namen der Länder nicht nennen - ist es uns gelungen, die Diskriminierung der deutschen Flagge zu verhindern, wiewohl wir zugeben müssen, daß hier noch manches im Argen liegt. Ich möchte nicht auf die steuerlichen Begünstigungen eingehen, die allerdings auch zu berücksichtigen sind, wenn man einmal die Gesamtförderung der Schiffahrt betrachtet. Ich will jedoch mit großer Genugtuung feststellen, daß im neuen Steueränderungsgesetz eine Reihe von berechtigten Wünschen berücksichtigt sind. I Alle diese Maßnahmen haben aber leider nicht dazu geführt, daß sich die Kapitalstruktur der deutschen Seeschiffahrt wesentlich verbessert hat. Wir müssen also etwas unternehmen, um diese Kapitalstruktur zu verbessern, und wir müssen die Eigenkapitalbildung stärken, damit auch die deutschen Reeder endlich auf eigenen Beinen stehen können. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten steuerfreier Finanzhilfen. Bisher kennen wir die Zinsbeihilfen. Es ist zu sagen, daß man die beiden Programme vereinheitlichen sollte und daß man die Konditionen verbessern muß. Allerdings sind Zinsbeihilfen keine Lösung. Sie schieben das Problem nur weiter vor uns her. Es müßte also ein Schwerpunkt gesetzt werden bei der Abwrackprämie und bei der Förderung durch Neubaudarlehen. Entscheidend aber ist - und hier decken sich meine Auffassungen mit denen des Kollegen Seifriz -: wir brauchen ein langfristiges Programm. Natürlich wird dieses langfristige Programm in seiner Durchführung in jedem Jahr mit Rücksicht auf die Haushaltslage überprüft werden müssen. Aber wir sollten nicht nur die Möglichkeiten des Bundeshaushalts in Betracht ziehen. Es gibt auch noch das ERP-Sondervermögen. Der Haushaltsausschuß hat gerade am aestriaen Taue, auf diese Situation Rücksicht nehmend, eine Bindungsermächtigung im Rahmen des FRP-Sondervermögens zugunsten der Schifffahrt in Höhe von 40 Millionen beschlossen. Wenn wir aber das Problem wirklich lösen wollen, müssen wir neue, unkonventionelle Formen wählen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat die Zahl 150 Millionen erwähnt. Ich glaube, diese Zahl ist richtig getroffen und realistisch, vorbehaltlich sicherlich der jeweiligen haushaltsmäßigen Möglichkeiten. Aber wenn wir wirklich konsolidieren wollen, dann reichen nach meiner Auffassung die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Ich bin mir darüber im klaren, daß es nicht möglich sein dürfte, Betriebskostenzuschüsse zu gewähren. Aber ich möchte zu erwägen geben, ob man nicht eine neue Möglichkeit der Förderung vorsehen kann, eine Möglichkeit, von der wir in anderen Bereichen Gebrauch gemacht haben: die Gewährung von Prämien, Prämien für Rationalisierungsmaßnahmen, Prämien für Strukturmaßnahmen. Die Einführung eines Prämiensystems wäre vielleicht ein Weg, um zu einer besseren Eigenkapitalbildung zu kommen. Sie dienen der Leistungssteigerung. Nun hat hier der Herr Senator von Bremen Borttscheller uns ermutigt, einiges für die deutsche Seeschiffahrt zu tun. Wir sind alle dazu bereit. Aber ich glaube, die Küstenländer wären gut beraten, wenn sie ihrerseits ihren Beitrag verstärkten. Sicherlich ist der Bund zuständig. Aber die Küstenländer haben ein großes Interesse, diese bei ihnen domizilierten Wirtschaftszweige zu fördern. Man müßte ihnen hier größere Leistungen zumuten. Auch von den Reedern müssen wir eine größere Bereitschaft zur Selbsthilfe erwarten, eine größere Anpassungsfähigkeit. Jedermann, auch der Reeder, der zur Bundeskasse tritt, muß es sich gefallen lassen, daß er überprüft wird. Das ist nun einmal unumgänglich. Auf der anderen Seite kann nur die Würdigkeit des Empfängers überprüft werden. Ein Verwaltungsdirigismus darf damit nicht verbunden sein; es darf damit von der Verwaltung nicht in die Unternehmenspolitik hineindirigiert werden. Neben den finanziellen Maßnahmen aber, meine ich, sollten wir eine verstärkte Aufmerksamkeit den handelspolitischen Maßnahmen widmen. Dabei müssen wir uns gegen jeden Dirigismus wenden und nicht so tun, als wären es nur die Entwicklungsländer. Ich möchte die Schiffahrtsnolitik unseres großen Verbündeten, der Vereinigten Staaten von Nordamerika, sehr beklagen. Diese Art der Schifffahrtspolitik verträgt sich nicht mit den Grundsätzen der Freiheit auf den Meeren. Im übrigen sollten wir eine weiter im Anwachsen begriffene Gefahr nicht verkennen: die ungeheure Ausdehnung der Flotten der Ostblockländer, insbesondere der Sowjetunion. In Kürze werden wir Millionen von Bruttoregistertonnen neu auf den Weltmeeren in Erscheinung treten sehen von Staatsreedereien, die politisch gelenkt und ohne Rücksicht auf Rentabilität eingesetzt werden. Wir haben uns wiederholt zum Aufbau der Flotte bekannt. Wir haben den Aufbau der Flotte gefördert. Jetzt gilt es, Geschaffenes zu erhalten und zu modernisieren, damit die Reeder, die im Augenblick noch auf die Unterstützung des Bundes und der Länder angewiesen sind, aus eigener Kraft konkurrieren können. Die Anträge, die nun den Ausschüssen überwiesen werden, sollten so rechtzeitig wieder ins Plenum kommen, daß wir möglichst schnell zu einer langfristigen Planung gelangen, deren Ziel eine gesunde Struktur der deutschen Flotte ist. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Löbe.

Dr. Karl Löbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001357, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! -Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte und am Mittwoch ist so viel Gutes über die Seeschiffahrt und über den Notwendigkeit der Hilfe gesagt worden, daß mir nur noch übrigbleibt, zu praktischen Fragen Stellung zu nehmen. Ich glaube, die Übereinstimmung ist nicht zuletzt auf das übereinstimmende Quellenmaterial zurückzuführen. Ich habe die Überzeugung, daß dieses Hohe Haus der Seeschiffahrt wohlwollend gegenübersteht, nicht erst in der Debatte gewonnen, sondern ich kannte die Auffassung aller Kolleginnen und Kollegen aus den Arbeiten der Ausschüsse, insbesondere des Verkehrs-, des Haushalts- und des Außenhandelsausschusses, wo man mit erfreulicher Aufgeschlossenheit der Sache der Seeschiffahrt sein Ohr geliehen hat. Es ist keine Frage, daß man helfen muß, aber nicht nur, damit ein durch den Krieg ganz besonders schwer betroffenes Gewerbe wieder leistungsfähig wird, sondern auch, weil ein deutsches Wirtschaftsinteresse dahintersteht. Insofern genügt mir die Feststellung in der Antwort der Bundesregierung nicht ganz, daß die Beschäftigung der deutschen See6388 schiffahrt in Zukunft gesichert sei, weil ein hochindustrialisiertes Land wie die Bundesrepublik immer ein genügend großer Auftraggeber sein werde. Man könnte auf die Idee kommen, daß diese Aufträge auch von fremden Flaggen übernommen werden könnten. Vielmehr kommt es darauf an, daß die deutsche Seeschiffahrt ein Wirtschaftsfaktor der deutschen Gesamtwirtschaft ist. Auf die Zusammenhänge mit dem Außenhandel ist schon genügend hingewiesen worden. Daß die Seeschiffahrt darüber hinaus ein handelspolitisches Instrument der Bundesrepublik von eminenter Bedeutung ist, ist vielleicht noch nicht so deutlich gesagt worden. Aber auch in der täglichen Praxis ist es notwendig, daß deutsche Schiffe fahren. Wir hätten keine Möglichkeit, auf die Ratenhöhe im deutschen Interesse Einfluß zu nehmen, wenn nicht deutsche Reeder in den vielen Schiffahrtskonferenzen - es gibt etwa 200 - mit am Tisch säßen und den Ausländern nahebringen könnten, welche deutschen Interessen bei der Ratenhöhe und bei der Bemessung der Beförderungsbedingungen eine Rolle spielen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, ein wile großer Wirtschaftsfaktor die Seeschiffahrt an der deutschen Küste ist Aber Bau, Ausrüstung unid Betrieb der Schiffe ist nicht nur eine Angelegenheit der Küste, sondern des ganzen Landes. Ich denke auch an die vielen Möglichkeiten der Information über den internationalen Markt. Die Schiffe bringen diese Informationen mit nach Hause, und die Agenturen der Seeschiffahrt im Ausland können sie viel besser besorgen als etwa die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen. Wenn das so ist, dann ist zu prüfen, wie man helfen will. Zweifellos kann angesichts der großen Verschiedenartigkeit der Unternehmungen und der Betätigungsrichtungen wie .auch der Situation des einzelnen Unternehmens nicht jeder jede Hilfe bekommen. Insofern ist das bisherige Programm, so gut es auch gewesen und so dankenswert es angewendet worden ist, etwas zu eng. Ich ,glaube, daß man die Hilfe mehr nach den Erschwernissen ausrichten muß, denen die Seeschiffahrt gegenübersteht, und möchte hier einige davon nennen. Der späte Anfang der Seeschiffahrt nach dem Kriege war der Grund dafür, daß man mit viel größerer Energie als jemals vor dem Kriege in die alten Fahrtgebiete wieder eindringen mußte. Da Wirtschaftsleben und Konkurrenz nun einmal kein Vakuum dulden, waren diese Gebiete längst in fremder Hand, nicht nur in der Hand- der alten Schiffahrtsländer, sondern nicht zuletzt, in manchen Relationen sogar beinahe ausschließlich in der Hand der neuen Länder, die sich der Seeschiffahrt zugewendet haben unid heute noch glauben, daß es ohne eine eigene Flotte nicht gehe. Der Aufbau nach dem Kriege mußte deshalb gerade bei diesen Unternehmungen schnell vor sich gehen und leider Vu einer Zeit, als das Geld teuer war. Anfang der 50er Jahre, als man 8 und 9 % Zinsen zahlen mußte, war es ein eminentes Wagnis, eine neue Flotte aufzubauen. Wir müssen die Reeder bewundern, daß sie, nachdem die Flotte in einer Generation zweimal zerschlagen wurde, überhaupt noch einmal den Mut zu diesem Wagnis gefunden haben. Diese beiden Umstände, der späte Beginn nach dem Kriege und der schnelle Aufbau, sind besonders hervorzuheben, weil es unberechtigt ist, daß man einem hilfesuchenden Reeder entgegenhält: Du bist unterkapitalisiert. Das ist geschehen. Wenn man eine Relation wiedergewinnen will, vor allem wenn die Reiseentfernung groß ist, kann man nicht mit einem oder zwei Schiffen beginnen. Sonst kann 'man keine Ladung gewinnen, wenn die Schiffe nicht in kürzeren Abständen im Heimathafen unid Abgangshafen zur Verfügung stehen. Die !deutsche Flotte ist die ,einzige, die nach idem Kriege keine Kriegsentschädigung, keine Entschädigung ,der großen Nachkriegsverluste, die sehr bedeutend waren und meistens nicht beachtet werden, erhalten hat und .auch keine Versicherungsentschädigung. Der Wettbewerb auf den Weltmeeren ist unecht geworden, weil viele ausländische Unternehmungen durch Staaten und durch andere Stellen gestützt werden und weil deshalb der deutsche Reeder, wenn er kein Anlagekapitall und erst recht kein Betriebskapital hat, diesen Dingen jetzt nicht entgegentreten kann. Er kann einfach nicht schnell genug und nicht wirksam genug parieren. Die D-Mark-Aufwertungwird leider immer schüchtern am Rande erwähnt. Viele Binnenländer, mit deren Vertretern ich gesprochen habe, haben nicht vor Augen, daß sie nicht nur einen Schaden in dem Jahr der Aufwertung bedeutete, sondern eine dauernde Beeinträchtigung Ist, weil der Reeder, der seine Rate in ausländischer Währung bekommt, bei der Umwechslung in deutsches Geld nicht mehr so viel bekommt wie früher. Die Verengung des Marktes ist ein Haupthinderungsgrund für eine gesunde Entwicklung der deutschen Schiffahrt und derjenigen Flotten, die sich noch an den alten Grundsatz ,der Freiheit der Meere halten. Der Flaggenprotektionismus, der bedeutet, daß die Nationen für ihre Flotten einen oft beträchtlichen Anteil von 40 und mehr % des eigenen Außenhandels reservieren, ist ein Hemmnis 'für den Wettbewerb. Er trifft die deutschen Reeder deshalb besonders empfindlich, weil er oft gerade an den Stellen eingesetzt hat, wo die deutsche Flotte früher besonders stark und heimisch war. Es gibt aber noch zahllose andere Verfälschungen des Wettbewerbs, auf die man Rücksicht nehmen muß, wenn man nach Hilfsmaßnahmen sucht. Ich nenne die Doppelbesteuerung, die billigen Flaggen, die einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen, die steuerliche Begünstigung des Baues und des Betriebs in vielen Ländern und die direkten Subventionen durch Geld. Nicht nur der Ostblock ist es, der sich hier viel leistet, sondern vor allen Dingen junge Schiffahrtsnationen, leider auch alte seefahrende Länder in Europa und in Übersee. Gerade jetzt erreicht mich die Nachricht, daß in den Vereinigten Staaten das Modernisierungsprogramm für eine einzige Reederei zu 50% vom Staat bezahlt wird. Eine Bemerkung, die mir notwendig erscheint, um anderen Wirtschaftszweigen keinen falschen Eindruck zu geben. Die Ratendepression, die seit 1957 zu beobachten ist und die mal stärker, mal schwächer auftritt, ist kein Grund für eine Hilfe der öffentlichen Hand; das ist das Risiko des Geschäfts immer gewesen, und das muß es auch bleiben. Die Ratendepression muß aber deshalb erwähnt werden, weil sie nun erst recht deutlich macht, wie schlecht es der Seeschiffahrt geht und wie sehr die deutsche Flagge kämpfen muß. Es ist von mehreren Kollegen gesagt worden, wie der Bund hilft und wie die Länder bisher geholfen haben. Es ist gar kein Zweifel, daß diese Hilfen der Idee nach sich bewährt haben. Die Zinsbeihilfe des Bundes, die Neubaudarlehen und die bedeutsame Abwrackhilfe, mit der man eine junge und spezialisierte Flotte herbeischaffen will, sind ohne Frage unentbehrlich. Die Länder haben ebenfalls Zinsbeihilfen geleistet, ferner. Bürgschaften und eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen. Nun sind aber in der Praxis bei der Gewährung dieser Hilfen gewisse Mängel aufgetreten, die man in Zukunft beseitigen sollte. Aus vielen Verhandlungen ist mir bekannt, wie schwierig oft die Beurteilung eines Antrages einer Reederei ist, und ich habe auch nicht immer das Gefühl gehabt, daß man bei der Entscheidung ins Schwarze getroffen hätte. Was wir mit dem, was alle Sprecher befürwortet haben, mit einer Konzeption für die nächsten vier oder fünf Jahre, erreichen wollen, ist, die Reeder wirklich in den Stand zu setzen, daß sie sich dann allein helfen können. Denn das bisherige Verfahren, dieses Betteln um die 80 Millionen, ist für beide Teile, für den Antragsteller und auch für die öffentliche Hand, unwürdig. Es ist auch in der Praxis unbrauchbar, weil die Hilfen nicht kalkulierbar sind. Kein Reeder weiß ja, wie sein Antrag ausgeht, und wenn der Antrag länger läuft, weiß er nicht, wie er sonst disponieren soll und wie er sich seinen Banken gegenüber verhalten soll. Auch der Bund kann Umfang und Dauer nach dem bisherigen Verfahren kaum abschätzen und kann deshalb keine langfristige Planung seines Haushalts auf diesem Gebiet vornehmen, was er ja nach unser aller Wunsch tun sollte. Die Hilfen haben kein Eigenkapital bilden lassen. Das ist bedauerlich. Aber es konnte auch gar nicht erwartet werden; dazu sind die bisherigen Maßnahmen nicht wirksam genug. Ich glaube auch, daß die Richtlinien zu eng gewesen sind. Vor allen Dingen der Bund, aber auch die Länder müssen sich vorsehen, daß sie sich bei der Abfassung von Richtlinien nicht selber verpflichten, in Fällen zu helfen, in denen sie es für unberechtigt halten. Auch das ist bisher manchmal nicht vermeidbar gewesen. Ein anderer Punkt, der in Zukunft vermieden werden sollte, ist die mangelnde Abstimmung der Unterstützung des Einzelunternehmens zwischen dem Bund und dem betreffenden Heimatland. Die Länder, die weiterhin helfen müssen - und die Küstenländer wollen ja auch helfen, weil sie die Not aus erster Hand kennen -, müssen in Zukunft einheitlich helfen. Das ist nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit notwendig, es ist auch notwendig für das Schiffsbankgeschäft. Eine Schiffsbank muß sich den Kreditsuchenden gegenüber gleichmäßig verhalten können, und sie darf nicht damit rechnen müssen, daß der eine in diesem Land so und der andere in dem anderen Land anders behandelt wird. Schließlich scheint das bisherige Verfahren zu schwerfällig zu sein, zu formal, oft auch zu langwierig gewesen zu sein. Ich meine, daß die Verwaltung überfordert ist, wenn sie die Anträge ganz allein beurteilen soll. Das ist deshalb nicht möglich, weil es sich um große Summen handelt; es geht ja um große Projekte. Das bedeutet jedesmal einen Eingriff in den Wirtschaftsorganismus des einzelnen Unternehmens und damit auch des Konkurrenten. Ich glaube nicht, daß eine Verwaltung sich anheischig machen kann, das alles zu übersehen. Man fragt nun, wie geholfen werden kann. Das Ziel bei jeder Maßnahme muß sein, den Reeder möglichst bald kapitalmäßig selbständig werden zu lassen. Das wird einige Jahre dauern. Das oberste Gebot und die dringendste Forderung ist deshalb, Möglichkeiten zur Kapitalbildung zu schaffen. Dazu gäbe es an sich eine auf der Hand liegende Möglichkeit, nämlich den Ersatz des Kriegsschadens. Diese Möglichkeit ist für meine Fraktion 'die nächstliegende, weil wir aus Rechtsgründen immer für die Erstattung der Kriegsschäden eingetreten sind. Wir wissen aber, daß 'das nicht geht, weil soviel Geld nicht da ist. Deshalb sollte man aus diesem Rechtsgrunde wenigstens versuchen, einen Teil des verlorenen Kapitals zu erstatten. Das kann man durch einen Schuldnachlaß in einem bestimmten Prozentsatz je nach der Tonnage zu einem bestimmten Stichtag tun. Darüber wären genauere Untersuchungen notwendig. Wer keine Verbindlichkeiten hat - es gibt einige -, müßte gerechterweise einen entsprechenden Zuschuß bekommen. Die einheitliche Hilfe auf steuerlichem Gebiet, die von den Ländern herbeigeführt 'werden müßte, bezieht sich in erster Linie auf die Gewerbesteuer unid auch - ich habe diese Bitte der Bundesregierung wiederholt vorgetragen - auf die langfristige Verschuldung bei der Seeschiffahrt. Die Seeschifffahrt muß in völlig anderen Verhältnissen leben. Deshalb sollte sie hinsichtlich der langfristigen Verschuldung besser behandelt werden, als es nach den Gesetzen im Augenblick möglich ist. Es müßten mehr als bisher Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden. Ferner sollten Möglichkeiten zur Bildung von Rücklagen in den Zeiten eröffnet werden, in denen das Unternehmen infolge einer etwas günstigeren Ratenhöhe aufatmen kann. Wenn man an einer jungen Flotte interessiert ist, muß man die Buchgewinne beim Verkauf alter Schiffe besser behandeln, als es bisher geschieht. Eine andere Gruppe von Maßnahmen betrifft Erleichterungen für das Herangehen an den Kapitalmarkt, ohne den es natürlich nicht geht. Dazu gehören Zinsbeihilfen und Bürgschaften von Bund und Ländern. Auch hier ist wieder eine bessere Koordinierung als bisher erforderlich. Über die Abwrackprämie ist schon genügend gesagt worden. Ich habe vorhin gesagt, daß nicht jeder Unternehmer jede Hilfe gleichmäßig bekommen kann. Diese Meinung gründet sich darauf, daß die Erschwernisse und die Lage des einzelnen Unternehmens unterschiedlich sind. Die Möglichkeiten für die Erreichung eines Gewinnes in den Fahrtgebieten sind kaum miteinander vergleichbar. Deshalb muß man sich davor hüten, überall global vorzugehen. Andernfalls fordert man ungesunde Entwicklungen. Das würde bedeuten, daß man dem Tüchtigen einen falschen Wettbewerb aufzwingt. Dagegen darf man nach meiner Ansicht keinen Unterschied machen zwischen Firmen, die sich in der Gewinnzone befinden, und solchen, die in der Verlustzone sind. Ich habe eingangs gesagt, daß ein Unternehmen, das sein altes Fahrtgebiet fernab von der Bundesrepublik wieder erlangen will, den Mut haben muß, mit großem Einsatz vorzugehen. Die Folge ist dann, daß diese Unternehmen unterkapitalisiert sind. Das darf ihnen nun nicht noch weiter anhängen. Die Bestimmungen - nicht nur einige gesetzliche Maßnahmen, an die man bereits gedacht hat, sondern auch die Richtlininen, die erforderlich sind - müssen so .gefaßt werden, daß jede Hilfe wirklich individuell geprüft werden kann. Man darf keine generellen Ansprüche schaffen, um keine Ungerechtigkeiten entstehen zu lassen, wie sie in der Vergangenheit öfter vorgekommen sind. Ich erlaube mir deshalb schon heute eine Anregung. Man sollte nach § 62 der Geschäftsordnung des Bundestages einen besonderen Ausschuß einsetzen, der durch die Experten der einzelnen Fraktionen aus dem Verkehrsausschuß, dem Außenhandelsausschuß, dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß Finanzen und Steuern besetzt werden sollte. Man kann über diese Dinge wohl nicht getrennt beraten - das geht besonders die Richtlinien an -, sondern die Ausschüsse müssen gemeinsam am Tisch sein, die betreffenden Damen und Herren müssen .gemeinsam miteinander sprechen können. Das folgt, glaube ich, aus den bisherigen Erfahrungen. Ich möchte ferner die Bundesregierung bitten, schon jetzt Überlegungen anzustellen, ob man nicht zwischen den Antragsteller und die letztlich entscheidende Stelle der Bundesregierung einen Gutachterausschuß schalten sollte, damit das wirtschaftliche Element mehr als bisher zum Zuge kommt. Ich könnte mir denken, daß in diesem Ausschuß die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft und die Schiffahrtsbanken vertreten sein müßten. Ich habe zuviel Kämpfe erlebt, wo ein Kreditsuchender, ein Hilfesuchender, verzweifelt seine Lage darzustellen versucht hat, wo aber vielleicht nicht alles richtig gewürdigt werden konnte, weil - wie ich schon sagte - eine Verwaltung damit überfordert ist. Andere finanzielle Hilfen sind dadurch erreichbar, daß man Entlastungen schafft. Die Doppelbesteuerung muß endlich beseitigt werden; das ist oft und oft erbeten worden. Ich glaube, daß man das Außenwirtsschaftsgesetz härter als bisher anwenden muß. Vor allen Dingen darf man dabei doch wohl einen Unterschied erwarten, je nachdem, ob das betreffende Land die Freiheit der Meere respektiert oder ob es die deutsche Flagge auch noch diskriminiert. Deshalb gehört auch das Gebiet der Entwicklungshilfe in diesen Bereich hinein. Schließlich darf ich noch erwähnen, daß man auf dem Gebiet der Außenhandelspolitik Gewaltakte, wie sie ein Mittelmeerstaat neulich den deutschen Reedern gegenüber vorgenommen hat, irgendwie in Rechnung stellen sollte. Ich habe schon am Mittwoch in der Verkehrsdebatte darauf hingewiesen, daß ein Zusammenhang zwischen Seeschiffahrt, deutschen Seehäfen und deutscher Verkehrspolitik im Binnenland besteht. Für die Seehäfen, die Heimathäfen der deutschen Flotte sind, ist die Ungleichheit des Tarifs im Raum unerträglich. Es geht nicht an, daß an der Rheingrenze für Binnenschiffahrt und Straßenverkehr andere Grundsätze der Tarifbildung herrschen als im Zu- und Ablauf zu den deutschen Häfen. Deshalb muß die Mannheimer Akte im Verhandlungswege angefaßt werden. Das ist eine Forderung der deutschen Küste. Die EWG-Kommission hat bekanntlich neulich ein Rechtsgutachten erstellt, das zu dem Ergebnis kommt, die Mannheimer Akte widerspreche dem Vertrag von Rom eigentlich nicht. Ich halte dieses Gutachten für falsch. Wir hätten uns sonst in den letzten 40 Jahren in der Auslegung der Mannheimer Akte alle geirrt. Aber ich begrüße die Absicht der Kommission, den anderen Ländern, vor allen Dingen der Schweiz, eine Brücke zu bauen, um überhaupt über die Mannheimer Akte ins Gespräch zu kommen, und es ist gut, daß man in der Schweiz dafür doch ein offenes Ohr hat. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß es kein EWG-Ziel sein kann, eine Erschöpfung der deutschen Verkehrsträger herbeizuführen. Wenn die deutschen Häfen damit rechnen müssen, daß sie nicht mehr vollständig, nicht mehr technisch vollkommen bedient werden können, weil der Verkehr 'einfach diese Leistungen unid die Investitionen dafür nicht mehr erbringen kann, dann wenden die deutschen Häfen eben hinter den :ausländischen Kontinentalhäfen zurückstehen; die werden weiterhin gut bedient. Aber wahrscheinlich wind 'es der ausländische Verkehrsapparat nicht übernehmen, die :deutschen Seehäfen dann an Stelle des deutschen Verkehrs zu bedienen. Die holländische Binnenschriffahrt wird das ganz sicher nicht tun. Vielleicht kann man ihr auch gar nicht zumuten, über den Mittellandkanal und den Küstenkanal zu fahren, wo die Ufer abbrechen. Das Interesse Deutschlands an diesen Binnenverkehrsunebenheiten ist nach meiner Ansicht so groß, daß man sich nicht auf die EWG allein verlassen und auf sie warten sollte, sondern daß man doch direkte Gespräche mit den Niederlanden und vielleicht auch mit der Schweiz anknüpfen sollte. Ich glaube auch, daß man auf der EWG-Ebene von seiten der Bundesrepublik etwas mehr Einfluß gewinnen muß. Wenn da aus dem Hause der Generaldirektion für Verkehr in Brüssel Worte kommen wie Hafeninvestitionen steuern, Häfen und Seeschifffahrt in den Griff bekommen, dann 'sind das Worte, die jedem Kundigen an der Küste eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Meine Damen und Herren, solche Worte sagt man Leuten, die seit Jahrhunderten gewohnt sind, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen! Die wissen ganz genau, was sie investieren müssen und wo sie investieren müssen. Dafür brauchen wir keine Führung und keine Belehnung, und ich glaube, daß man in ,Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam solche Worte auch nicht gern hört. Wir müssen ums darüber klar sein, daß idas Interesse der Küstenländer und das Interesse des Bundes ja dann aufhören müßte, der deutschen Seeschifffahrt zu helfen. Wenn durch alle diese Erschwernisse, durch alle diese Unebenheiten und Ungerechtigkeiten der Binnenverkehrspolitik die !deutsche Flotte eines Tages 'in eine Lage gezwungen wird, zwischen fremden Häfen fremde Ladung zu fahren, dann ist kein deutsches Interesse mehr da. Bei allen politischen Maßnahmen der Außenwirtschaft sollte man - das hat Herr Kollege Gewandt mit Recht gesagt - mehr, noch mehr als bisher an die deutsche Seeschiffahrt denken. Diese Bitte richte ich nicht nur an das Bundesverkehrs- und ,das Bundeswirtschaftsministerium, sondern ebenso an dais Auswärtige Amt und an das .Ministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit. Es gibt sehr viele Wege, wo man allgemein oder im Einzelfall helfen kann. Es muß nicht immer ein Staastvertrag sein. Meine Damen und Herren, der Wettbewerb auf den Meeren wird täglich schwerer. Wir sind nicht gerüstet. Das ist sattsam bekannt. Aber wenn soviel Ungleichheit besteht, wenn soviel Wettbewerbsvierzerrungen da sind, dann müssen wir unseren Reedern beistehen. Es werden nicht alle Flotten, die heute fahren und ihre Flagge zeigen, durchhalten können. Aber unsere Flotte wollen wir doch nicht opfern. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Heinrich Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001552, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Blumenfeld bemerkte eingangs mit einem Blick auf uns, daß es leichter sei, Fragen zu stellen, als gültige Antworten zu finden. Ich frage mich nur, warum Sie mit den Möglichkeiten der Regierungsparteien erst heute zu einer gültigen Antwort kommen. Da hier von einem Rennen um das Blaue Band gesprochen wird, möchte ich Ihnen sagen, daß die Bremer aus Tradition hier immer schon eine Schiffslänge voraus waren. ({0}) - Ich selber bin kein Bremer. ({1}) - Doch, lesen Sie nach! Zu Beginn der allgemeinen Aussrache über die Große Anfrage der Fraktion der SPD über das Förderungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt am späten Mittwochabend sagte Herr Senator Dr. Borttscheller von der Landesregierung Bremen- u. a., daß die Annahme der dem Hohen Hause vorliegenden Anträge die Rettung der deutschen Seeschiffahrt bedeuten könne. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich heute ebenfalls dazu bekennen, hat die Große Anfrage meiner Fraktion ihren Zweck erfüllt, und wir können von einem guten Tag für die deutsche Seeverkehrspolitik sprechen. Für die Bundesregierung und den Herrn Bundesverkehrsminister sind diese beiden Tage keine guten Tage gewesen. Ob dieser gute Tag auch ein glückhafter Tag für unsere Handelsflotte werden wird, hängt davon ab, wie die Bundesregierung den Beschlüssen des Bundestages nachkommt und ob wir alle bei der Beratung und Verabschiedung des Haushalts 1965 zu dem Inhalt unserer Anträge und zu dem Ergebnis dieser Aussprache stehen. Erst dann wird der Blaue Plan nicht ein Traum der deutschen Reeder bleiben, wie eine große Wochenzeitung schrieb, sondern Wirklichkeit werden. Die Aussprache hat bisher ergeben, daß alle Fraktionen und, wenn ich den Herrn Bundesverkehrsminister bei der Beantwortung der Großen Anfrage richtig verstanden habe, auch die Bundesregierung der Auffassung sind, daß erstens, bedingt durch den Strukturwandel in der Weltschiffahrt eine Rationalisierung und Modernisierung der deutschen Handelsflotte dringend notwendig sind, daß zweitens die deutsche Seeschiffahrt vor ihrer Integration in die EWG steht. Bevor dies erfolgt, muß sie von allen Wettbewerbsnachteilen, mit denen sie im Vergleich mit den Handelsflotten unserer EWG-Partner heute noch belastet ist, befreit werden. Diese Bereinigung muß jetzt erfolgen, solange Parlament und Regierung in ihren Entscheidungen noch frei sind. Drittens. Hilfsmaßnahmen des Bundes und der Länder sind unumgänglich und zu vertreten. Die Länder sind dazu auf Grund ihres dritten Memorandums über die Lage der Seeschiffahrt in der Bundesrepublik vom 28. Mai 1964 bereit. Wir stimmen mit Herrn Blumenfeld und mit ihnen völlig überein, daß mit den Ländern und mit den beteiligten Wirtschaftskreisen beschleunigt verhandelt werden muß, damit wir zu einem Ergebnis kommen. Viertens. Das Schiffsneubauprogramm soll jährlich 300 000 Bruttoregistertonnen umfassen und auch die deutschen Werften in die Lage versetzen, längst fällige Maßnahmen zur Rationalisierung und Modernisierung im Schiffsbau durchzuführen. Diese dienen der Erhaltung bzw. der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähgikeit im Weltschiffbau und damit auch der Erhaltung der Vollbeschäftigung. Das böse Wort von der Gesundschrumpfung, das die Luftfahrtindustrie jüngst beschäftigt hat, geistert auch hierbei durch den Raum. Wir sollten alle einig darin sein, daß die Hilfsmaßnahmen für die Handelsflotte Blechzeitig eine entscheidende Gesundung unserer Werftindustrie bedeuten. Im Gegensatz zur Bundesregierung besteht nach dem Wortlaut der Anträge der Fraktionen Einigkeit über ein mehrjähriges Strukturprogramm. Wir Müller ({2}) Sozialdemokraten sprechen von fünf Jahren. Hoffentlich setzt sich das Parlament in dieser entscheidenden Frage durch und zwingt die Bundesregierung dazu, endlich stärker als bisher die Verantwortung für die Wettbewerbsfähigkeit, den Bestand und das Wachstum der deutschen Handelsflotte mitzutragen, so wie es in den Partnerstaaten der EWG der Fall ist. Dazu, Herr Bundesverkehrsminister, haben Sie uns bisher wenig oder gar nichts gesagt. Die umfangreichen Daten Ihrer Rede sind bekannt. Wir möchten von Ihnen heute und hier wissen, was seitens der Bundesregierung konkret passieren soll. Bekommen Sie endlich die 150 Millionen DM jährlich, die Sie im Kabinett bisher immer vergeblich gefordert haben? Wollen Sie die Kapitalstruktur der Seeschifffahrt nachhaltig verbessern? Will die Bundesregierung weiter auf ihrem verderblichen Zick-Zack-Kurs bleiben oder gemeinsam mit dem Hohen Hause und mit dem Fünf-Jahres-Programm auf klaren Kurs gehen? Ich möchte nicht unterstellen, daß Sie, Herr Minister, und die Bundesregierung es mit der an der Küste gängigen Redensart halten - ich sage es plattdeutsch -: „Kumm mi nich an ne Farw!" Die Bundesregierung muß endlich Farbe bekennen. Wir Sozialdemokraten bekennen uns zu den Grundsätzen der Freiheit der Meere und zum freien Handel. Wir wissen, daß der Wohlstand der Völker unauflöslich mit dem Handel zusammenhängt. Auch wir wollen keine Staatsreedereien und keinen Flaggenprotektionismus. Das alte Wort Der Handel folgt der Flagge hat auch heute noch seine Bedeutung. ({3}) Dort, wo die deutsche Flagge sich in Übersee zeigt, repräsentiert sie die Bundesrepublik, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, erstmals nach dem vollständigen Zusammenbruch von 1945 fährt eine deutsche Handelsflotte unter der Bundesflagge Schwarz-Rot-Gold. Auch das wollen Sie bitte bedenken. Ich bitte darum, daß die Anträge auf den Umdrucken 473 und 476 * an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen überwiesen werden. ({4})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundsminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müller ({0}), ich habe `nicht den Eindruck, als beeinträchtigten die Verkehrsdebatten von vorgestern und heute die Arbeit des Bundesministers für Verkehr oder als seien sie besonders nachteilig für ihn. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß ich auch am Ende unserer heutigen Debatte wieder mit Genugtuung feststellen kann, daß das Hohe Haus in den angeschnittenen Fragen *) Siehe Anlagen 2 und 3 weitgehend mit dem Bundesminister für Verkehr übereinstimmt. ({1}) Sie haben gesagt, Herr Kollege, ich hätte einen oder zwei unglückliche Tage gehabt. Ich persönlich empfinde es als durchaus glückhaft, daß wir alle in weitem Maße hinsichtlich der Möglichkeiten übereinstimmen, für die ich mich immer wieder eingesezt habe und !die ich mit Ihrer Hilfe weiter zu ,fördern hoffe. Ich bedanke mich !für die Anregungen und die ergänzenden Ausführungen zu der Antwort der .Bundesregierung. Ich möchte noch zu einigen Punkten kurz Stellung nehmen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind nicht der Auffassung, daß Seeschiffahrt und Luftfahrt in absehbarer Zeit in die gemeinsame europäische Verkehrspolitik, also in die Verkehrspolitik .der .Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, einbezogen werden sollten, obwohl .es dadurch schwierige Abgrenzungsfragen im einzelnen gibt. Ich habe mich ferner immer dafür eingesetzt, daß wir die Übergangszeit, also die Zeit, bis einmal eine Entscheidung in diesen Fragen in Brüssel - die ja nur einstimmig erfolgen kann - zur Debatte stehen wird, daß wir [die Übergangszeit bis zum vollen Einsetzen der gemeinsamen Verkehrspolitik , für unsere ganze Verkehrs-Infrastruktrur und dies insbesondere auch im Hinblick auf Seeschiffahrt und Luftfahrt ausnützen müssen. Ich freue mich darüber, daß wir alle der Überzeugung sind, daß unsere Wirtschaft eine leistungsfähige, dem Wettbewerb igewachsene Handelsflotte braucht, und daß Wir auch darin einig sind, daß dieses Ziel innerhalb einer begrenzten Zeit, d. h. spätestens bis 1970, nämlich Ibis zum Inkrafttreten des Gemeinsamen Marktes, erreicht werden muß. Auch über die Mittel, mit denen wir unsere Handelsflotte wettbewerbsfähig machen wollen, besteht zweifellos weitgehendes Einvernehmen. Wir müssen uns nur erst einmal darüber vierständigen, welche allgemeinen Maßnahmen ergriffen wenden und wie die gezielten Maßnahmen aussehen sollen, mit denen wir unsere Handelsflotte fördern wollen. Darüber werden wir noch eingehend in den Ausschüssen zu beraten haben. Wie Sie alle wissen, bin ich kein Freund einer kurzfristigen Lösung langlebiger Probleme, sondern trete auf allen Gebieten des Verkehrs für langfristig festgelegte Maßnahmen ein. Was ich in anderen Bereichen des Verkehrs 'als richtig angesehen und auch durchgesetzt habe, gilt für mich auch bei der Seeschiffahrt. Ich darf sagen, daß wir auf diesem Gebiet doch auch jahrelang in ähnlicher Weise gearbeitet haben; denn schon zu Beginn des Wiederaufbaus unserer Handelsflotte haben wir uns darum 'bemüht, solche langfristigen Maßnahmen durchzuführen. Ich erinnere Sie an unser Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen, das das Hohe Haus am 26. Juli 1950 einstimmig verabschiedet hat. Bedingt durch die damals noch zu berücksichtigende Einspruchsfrist der Besatzungsmächte konnte es erst am 27. SepttemBundesminister Dr. -Ing. Seebohm ber 1950 verkündet werden. Ich weise (deswegen noch einmal (darauf hin, damit wir uns alle gemeinsam daran erinnern, unter welch außerordentlichen schwierigen Voraussetzungen wir damals, fünf Jahre nach dem Zusammenbruch, überhaupt erst mit dem Aufbau einer Handelsflotte beginnen konnten, und daß wir ja erst zwei Jahre später die Fesseln vollkommen zu lösen vermochten, die unserer Seeschifffahrt angelegt worden waren. Wir haben uns damals bemüht, ein langfristiges Programm aufzustellen, das 100 Millionen DM jährlich vorsah. Leider ist es uns aber nicht geglückt, dieses Programm im Gesetz zu verankern, und wir haben diese 100 Millionen DM deshalb auch nur zwei Jahre lang erhalten. Dann mußten wir berets ,auf 70 Millionen DM zurückgehen, im sechsten Jahr bekamen wir nur noch 50 Millionen DM Rund 1956 nur noch eine Restzuweisung von 15 Millionen DM. Als wir dann im Jahre 1962 ein neues Programm aufzogen, wünschten wir wiederum ein langfristiges Programm, konnten aber damals auch nur Richtlinien für zwei Jahre festlegen. Für die Folgezeit sollte später entschieden werden, ob und welche Hilfen festgesetzt werden sollten. Das ist uns gelungen, und wir haben, wenn wir über den nächsten Haushalt beraten, derartige Beträge für bestimmte Maßnahmen ja bereits zum vierten Male im Haushalt eingeworben. Wenn wir in Zukunft aber für eine Reihe von Jahren mit festen Beträgen rechnen könnten, dann wäre ich dafür außerordentlich dankbar. Ich bitte Sie deswegen, die Fragen, die auf Grund Ihrer Anträge zu behandeln sind, nicht nur im Verkehrsausschuß zu behandeln, ({2}) sondern dabei auch den Wirtschaftsausschuß und den Haushaltsausschuß mit zu beteiligen, denn ohne diese Mitbeteiligung kommen wir natürlich nicht zu einem Erfolg. Das jährliche Ringen um die notwendigen Gelder für unsere Schiffahrt ist für alle Beteiligten und auch für das ganze Hohe Haus nicht erfreulich, und deswegen wäre es natürlich wunderbar, wenn wir den von uns als notwendig erachteten Betrag von 150 Millionen DM jährlich für eine Reihe von Jahren sichern könnten; denn das würde uns alle miteinander in die Lage versetzen, die wirtschaftlichen Verhältnisse unserer Reedereien wirksam zu verbessern, unsere Handelsflotte zu erneuern, zu modernisieren und der Rationalisierung den Weg zu öffnen. Den Wiederaufbau unserer Handelsflotte haben wir bisher mit gezielten Maßnahmen durchgeführt. Ich glaube auch sagen zu können, daß das Ergebnis - wenn man alle Umstände berücksichtigt - im großen und ganzen 'als befriedigend angesehen werden kann oder uns doch mit einer gewissen Befriedigung erfüllen darf. Berücksichtigen Sie bitte den Ausgangspunkt. Wir haben inzwischen auch Gelegenheit gehabt, Erfahrungen mit einer allgemeinen, breitgestreuten Hilfe zu sammeln. Wir waren im Zweifel, ob dieser Weg richtig ist, sind ihn aber gegangen, bereit, auch damit der Schiffahrt zu helfen. Die bisherigen Erfahrungen ermutigen uns nicht, hierauf besonderen Wert zu legen. Wir sind der Auffassung, daß wir mit gezielten Maßnahmen mehr erreichen können. Sie, verehrter Herr Kollege Seifriz, haben auf die Memoranden der Küstenländer zur Lage der Seeschiffahrt hingewiesen. Ich habe Ihnen gesagt, daß es uns nicht möglich war, 'das dritte Memorandum schon als Grundlage für die Beantwortung der Bundesregierung mit zu berücksichtigen. Aber in unseren weiteren Beratungen wird es natürlich auch eine Rolle spielen. Das erste Memorandum „über die Verschärfung der internationalen Wettbewerbsunterlegenheit der See- und Küstenschiffahrt sowie der Werftindustrie in der Bundesrepublik" vom 16. Mai 1961 hat uns damals enttäuscht; denn neben dem Wegfall der sogenannten Konjunkturklausel für die Zinsbeihilfe für 1955, der Entkommerzialisierung von Wiederaufbaudarlehen und neben Stundungen wurden nur 40 Millionen DM jährlich für eine allgemeine Zinsverbilligung auf 4 % auf die Dauer von drei Jahren gefordert. Weiter hieß es, daß inländische Neubauten und Umbauten in die Refinanzierungsmöglichkeiten für deutsche Werften einbezogen werden sollten. Wir hielten sowohl den von den Ländern damals geforderten Betrag als auch die darin enthaltene Beschränkung auf Zinsbeihilfen nicht für geeignet, die Lage der Seeschiffahrt auf die Dauer zu verbessern. Uns schien ein Betrag von mindestens 120 Millionen DM erforderlich, aus dem sowohl Neubaudarlehen als auch Abwrackprämien und Mittel zur Konsolidierung, für Umschuldungen, Liquiditätshilfen und Zinszuschüsse gegeben werden sollten. Wir mußten uns damals sagen lassen - wir vom Bundesverkehrsministerium -, daß die Länder mit ihren Forderungen sehr viel maßvoller gewesen seien als der Bundesminister für Verkehr. Endgültig bewilligt wurden uns im Haushalt 1962, wie Sie wissen, 80 Millionen DM, aus denen die von den Ländern vorgeschlagenen und von den Reedern unterstützten allgemeinen Zinsbeihilfen, ferner Abwrackprämien und Neubaudarlehen gewährt werden. Die Zinsbeihilfen 1961 konnten ohne Prüfung der Konjunkturlage ausgezahlt .werden. Wenn wir mit der Entkommerzialisierung nicht so vorangekommen sind, wie wir das selbst seit Jahren wünschen, so lag dies an den haushaltsrechtlichen Bestimmungen und an der dazu notwendigen und nicht erreichbaren Zustimmung des Finanzministeriums. Auch die von den Ländern angeregte allgemeine Stundung von Darlehensannuitäten hat sich leider in dieser Form wegen der haushaltsrechtlichen Bestimmungen nicht durchsetzen lassen. In ihrem zweiten Memorandum über die Lage der Seeschiffahrt in der Bundesrepublik vom 17. Mai 1963 haben die Länder die Fortsetznug der mit den Richtlinien vom 12. April 1962 eingeleiteten Maßnahmen auf dem Gebiet der deutschen Seeschiffahrt und dazu einige Verbesserungen vorgeschlagen, über die die beteiligten Ressorts jedoch bereits vorher Einvernehmen erzielt hatten. In der wichtigen Frage der Gewerbesteuer haben wir in den beiden Memoranden leider nicht jene Bundesminister Dr: Ing. Seebohm Unterstützung gefunden, die wir gewünscht hätten. Sie wissen ja, welchen Erfolg unsere Bemühungen, die Gewerbesteuer für die Seeschiffahrt möglichst ganz auszuschalten, gehabt haben. Wir sind darauf beschränkt worden, daß die Länder aus ihrem eigenen guten Willen heraus Stundungen und Erlasse gewährt haben, aber nicht insoweit, daß hierfür gesetzliche Festlegungen getroffen wurden, wie wir es wünschen und wie wir es nach wie vor von unserem Standpunkt aus fordern möchten. Dank der verständnisvollen Haltung des Herrn Bundesministers der Finanzen gelang es damals, den Verbilligungssatz zu erhöhen und die Höchstbeträge für Zinsbeihifen und Neubaudarlehen heraufzusetzen. Wir haben darüber hinaus eine Erhöhung der Abwrackprämien erreicht, weil sich gezeigt hatte, daß mit den dafür vorgesehenen Sätzen je Bruttoregistertonne nicht mehr viele Reeder oder Küstenschiffer bewogen werden konnten, ein altes, unwirtschaftliches Schiff abzuwracken. Nicht durchzuholen war dagegen leider die weitere Forderung des zweiten Memorandums, die wir auch zu der unseren gemacht haben, einen Konsolidierungsfonds in Höhe von 100 Millionen DM, je zur Hälfte in Form von Haushaltsmitteln und als Bürgschaften, bereitzustellen, da über die 80 Millionen DM hinaus Finanzhilfen für die Seeschiffahrt im Haushalt 1963 und auch 1964 nicht mehr unterzubringen waren. Wir waren den Küstenländern natürlich selbst dann für ihre Vorschläge dankbar, wenn sie hinter unseren Vorstellungen zurückblieben oder wenn sie Wege vorschlugen, auf denen die Bundesregierung nicht zu folgen vermochte. Ich unterstreiche mit Nachdruck die Anregung des verehrten Herrn Kollegen Gewandt, daß gerade die Küstenländer selbst alles ihnen Mögliche tun möchten, um die für sie besonders wichtige Seeschiffahrt mit uns gemeinsam zu fördern. Kurz noch ein Wort zur Schiffahrtspolitik: Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schiffahrtspolitik der Bundesrepublik beruht trotz allen Widerständen, auf die auch Herr Kollege Gewandt mit Nachdruck und treffend hingewiesen hat, nach wie vor auf den liberalen Grundsätzen eines freien Seeverkehrs. Wir bemühen uns auch in der Gemeinschaft der zehn europäischen Nationen, die Seeschifffahrt treiben und mit denen wir in einem ständigen Kontakt stehen, immer wieder, diese liberalen Grundsätze eines freien Seeverkehrs durchzusetzen. Diese Schiffahrtspolitik richtet sich insbesondere nach den Bestimmungen des Liberalisierungskodex der OECD, der für alle OECD-Mitglieder verbindlich ist, aber leider nicht von allen in gleichem Maße befolgt wird. Auch in anderen internationalen Gremien - wie in der genannten Konferenz der Verkehrsminister der zehn europäischen Staaten - setzen wir uns dafür ein, daß die liberalen Seeverkehrsprinzipien und mit ihnen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte erhalten bleiben. In den Fällen, in denen die ungehinderte Tätigkeit deutscher Schifffahrtsunternehmen nicht gewährleistet ist, bemüht sich die Bundesregierung durch Regierungsvereinbarungen, den liberalen Grundsätzen Geltung zu verschaffen. Die Anzahl der bereits abgeschlossenen Schiffahrtsvereinbarungen zeigt den Erfolg dieser Bemühungen. Ich darf Ihnen sagen, daß zur Zeit bereits wieder 17 weitere Regierungsabsprachen vorbereitet werden. Ich meine, daß die von 63,8 Millionen t im Jahre 1962 auf 66,8 Millionen t im Jahre 1963 gestiegene Verkehrsleistung der deutschen Handelsflotte doch auch mit als Beweis dafür angesehen werden darf, daß die Bundesregierung mit dem Konzept ihrer Schiffahrtspolitik auf dem richtigen Wege ist. Ich muß aber deutlich sagen, daß eine liberale Schiffahrtspolitik natürlich nicht von einem Land allein gemacht werden kann, sondern daß wir auf eine gleiche Haltung aller oder doch mindestens der Mehrheit der Schiffahrtsnationen angewiesen sind. Wir können von uns sagen, daß kein anderes Land über ein so anpassungsfähiges Instrument zur Bekämpfung von Flaggendiskriminierung verfügt wie die Bundesrepublik in Gestalt des von dem Hohen Haus geschaffenen Außenwirtschaftsgesetzes mit seinen Schiffahrtsbestimmungen. Das ist von den anderen Ländern schon mehrfach ausdrücklich anerkannt worden. Auch diese Bestimmungen, die zunächst gegen erheblichen Widerstand, dann aber doch in guter Fassung durchgesetzt werden konnten, haben sich bereits recht positiv ausgewirkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße die vorgelegten Entschließungsentwürfe, weil sie uns die Möglichkeit geben, die Probleme unserer Seeschiffahrt, über die wir uns in diesen beiden Tagen unterhalten haben, auf Grund der darin enthaltenen Forderungen weiter zu erörtern und hoffentlich bald zu guten Ergebnissen zu kommen. Ich darf vor allen Dingen darauf hinweisen, daß wir in den Ausschußberatungen dann auch den Herrn Bundesminister der Finanzen am Tisch haben werden, der uns heute leider nicht mit seiner Gegenwart beehrt hat. Ich habe den Eindruck, daß die wichtigen Fragen, die wir hier behandeln, von dem Ressortminister allein nicht zu einem guten Ende geführt werden können, .({3}) - sondern daß er dabei der Unterstützung des Hohen Hauses und aller Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere des Herrn Bundesministers der Finanzen, bedarf. An meinem guten Willen, gerade unserer Seeschiffahrt weiter zu helfen und ihr eine gesunde und leistungsfähige Grundlage zu geben, dürfen Sie bitte nicht zweifeln. Sie müssen aber auf der anderen Seite, glaube ich, mit mir der Meinung sein, daß das, was aus den COMECON-Flotten und aus bestimmten Diskriminierungsmaßnahmen in anderen Ländern auf uns zukommt, uns veranlassen wird, dieses Problem nicht als eine Angelegenheit anzusehen, die wir mit einmaligen Maßnahmen erledigen können. Die deutsche Seeschiffahrt wird genauso wie die Deutsche Bundesbahn auf der Tagesordnung dieses Hauses verbleiben. ({4}) h)

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Schlußwort hat der Abgeordnete Seifriz.

Hans Stefan Seifriz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002154, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde den vielen Versuchungen, jetzt noch einmal ein Referat darzubieten, nicht erliegen, und ich bitte den einen oder anderen Herrn Kollegen, mir nicht böse zu sein, wenn ich nicht auf alle Argumente, ,die in dieser Debatte gebracht worden sind, eingehe, zumal ich vorweg vielleicht eine Feststellung im Anschluß an die Begründung der Großen Anfrage meiner Fraktion treffen darf, die ich am vergangenen Mittwoch zu geben die Ehre hatte, die Feststellung nämlich, daß wir uns - wie man so schön sagt - im Grundsatz einig sind. Insoweit gebe ich meinem Kollegen Müller recht, wenn er feststellt, daß wir hier von einem glücklichen Tag für die deutsche Seeschiffahrt reden können, weil wir in wesentlichen Fragen der deutschen Schiffahrtspolitik eine übereinstimmende Haltung des deutschen Parlaments festgestellt haben. Das bedeutet etwas, Herr Bundesverkehrsminister, für Ihren Kampf im Kabinett um die Durchsetzung einer Haltung auch des Kabinetts zur Schiffahrtspolitik, die den Notwendigkeiten des Tages und den Notwendigkeiten des Jahres 1970 gerecht wird. Wenn ich die Kollegen von der CDU/CSU und auch Herrn Dr. Löbe richtig verstanden habe, haben auch sie auf das Bezug genommen, was ich am Mittwoch schon betonte: daß - ob es uns recht ist oder nicht, Herr Minister - wir damit rechnen müssen, daß bis 1970 die Seeschiffahrt ein Bestandteil der EWG sein wird, mit Ausnahme der Sonderbestimmungen, die wir in den Verhandlungen hoffen durchsetzen zu können. Keinesfalls darf ein unzulässiger Vergleich zwischen binnenländischen Verkehrsträgern und einem Verkehrsträger, wie ihn die deutsche Seeschiffahrt darstellt, gezogen werden. Damit akzeptieren Sie und wir .alle doch wohl auch die Auffassung, daß es sich nicht nur um ein Mehrjahresprogramm handelt, das wir brauchen. Auch der Herr Bundesverkehrsminister hat sich in seinem Schlußwort erfreulicherweise zu einem solchen langfristigen Programm bekannt. Ich meine, darin ist auch der Wunsch des ganzen Hohen Hauses erkennbar, daß wir ein Fünfjahresprogramm brauchen. Dieser Blaue Plan muß bis 1970 einen bestimmten Effekt erreicht haben. Ich möchte deshalb ausdrücklich auf das Hauptziel unseres Entschließungsantrages hinweisen, daß bis 1970 zirka 1,5 Millionen BRT neu gebaut sein müssen als Folge der Förderung durch den Blauen Plan der Bundesregierung und des Bundestages. Das ist ein konkretes Ziel, das am Anfang der Verhandlungen zu stehen hat, die jetzt folgen müssen. Wir alle sind uns wohl darüber im klaren, daß diese Verhandlungen nach all dem, was an Unterlagen bisher schon erarbeitet wurde, und nach dieser Debatte nicht mehr allzu lange dauern können, wenn dem Willen dieses Hohen Hauses entsprochen werden soll, daß dieser Blaue Plan im Haushaltsjahr 1965 - und ich gebrauche jetzt die Worte der Koalitionsparteien in ihrem Antrag - bereits voll wirksam wird. Damit haben Sie, Herr Minister, auch Ihren Hinweis auf die 150 Millionen, die nun eben doch im Kabinett durchzusetzen sein müssen, selbst wenn Sie möglicherweise in den letzten Kabinettsitzungen beim Bundesfinanzminister mit dieser Frage, sofern sie schon angeschnitten worden sein sollte, noch auf taube Ohren gestoßen sind. Ich gebe Ihnen recht, ,daß es sich nicht um eine Frage handelt, die nur der Ressortminister zu entscheiden hat. Ich möchte aber hinzufügen: es ist auch nicht nur eine Frage des Bundesfinanzministers, sondern eine Frage des gesamten Kabinetts und damit auch des Bundeskanzlers, der ,die Richtlinien in der Politik bestimmt. Ich möchte deshalb wiederholen, was ich am Mittwoch schon feststellen konnte: es kann sich bei der Hilfe für die Seeschiffahrt nicht darum handeln - das ist eine Frage, die noch vor uns steht -, wieder einmal einem deutschen Wirtschaftszweig notwendige Hilfe zu geben, sondern wir müssen und dürfen davon ausgehen, daß die deutsche Seeschiffahrt zu den Basiszweigen der Wirtschaft überhaupt zählt, ohne die wir einen gesunden deutschen und - ich möchte hinzufügen - europäischen Außenhandel nicht haben können. Am Schluß unserer Debatte sollten wir diese Übereinstimmung hervorheben. Wir brauchen nicht auf die Kontroversen zurückzukommen, die wir nicht in allen Fragen ausräumen konnten; wir werden sicherlich auch noch auf anderen Gebieten des öfteren in diesem Hause zusammenstoßen. Aber wir haben im Verlaufe der Debatte doch das eine erreicht: Gestern konnte noch eine große Tageszeitung schreiben: „Seebohm gegen Blauen Plan" mit etwa der Unterzeile: Bundesregierung gegen langfristiges Programm. Heute haben wir gehört, daß der Bundesverkehrsminister mit dem gesamten Parlament für ein langfristiges Programm ist. Ich meine, es ist ein Auftrag des Parlaments an die deutsche Bundesregierung, diesen Plan dem Parlament möglichst bald vorzulegen, und zwar so, wie es alle Fraktionen des Hauses fordern, nämlich in der Form eines Gesetzes über den Blauen Plan zur langfristigen Förderung der deutschen Seeschiffahrt bis zum Jahre 1970. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung der Großen Anfrage der SPD. Es liegt vor der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 473 sowie der Antrag von Kollegen und den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Umdruck 476. Mir erscheint die Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zweckmäßig. Besteht Einverständnis? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, Gäste aus Kanada, einen Herrn des Senats und fünf Mitglieder des Parlaments, willkommen zu heißen. Ich freue mich über Ihre Anwesenheit. ({0}) Vizepräsident Dr. Dehler Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag der Fraktionen der .CDU/CSU, SPD, FDP betr. finanzielle Verluste der Binnenschifffahrt durch die Eisperiode im Winter 1962/ 1963, den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und der Abgeordneten Müller-Hermann und Genossen betr. finanzielle Verluste der Küstenschiffahrt und der Nord-Ostsee-Schifffahrt durch die Eisperiode im Winter 1962/ 1963 ({2}); Es liegt ein Bericht des Herrn Kollegen Ritzel vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ferner liegt vor der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 4781. Zur Begründung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Müller ({3}) .

Heinrich Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001552, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Fraktion der SPD kann sich mit dem Bericht und dem Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache IV/ 2237 nicht einverstanden erklären. Wir haben einen Änderungsantrag Umdruck 478 eingebracht. Der Tit. 530 bei Kap. A 1202 ist Bestandteil des Haushaltsgesetzes, so daß die Änderung nur durch Gesetz erfolgen kann. Deshalb bitten wir darum, daß unser Antrag dem Haushaltsausschuß zur Beratung bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts 1964 überwiesen wird. Lassen Sie mich kurz begründen, warum wir mit dem Antrag des Haushaltsausschusses nicht einverstanden sein können. Der Deutsche Bundestag hat mit den interfraktionellen Anträgen vom März vorigen Jahres etwas anderes bezweckt als das, was hier jetzt auf den Tisch des Hauses gekommen ist. Ich darf noch einmal die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Löbe zur Lage der Binnenschiffahrt in Erinnerung rufen. Wir meinen, daß die 3 Millionen DM nicht ausreichen, um dem so wichtigen Verkehrsträger Binnenschiffahrt, vor allem den Partikulieren, gerecht zu werden. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich habe trotzdem noch Bedenken gegen den Antrag, Herr Kollege Müller. Er lautet nach wie vor, daß die im außerordentlichen Haushalt des Rechnungsjahres 1964 ausgebrachten 3 Millionen DM auf 12 Millionen DM erhöht werden sollen. Sie wollen aber lediglich eine Berücksichtigung Ihres Antrags für das Rechnungsjahr 1965? ({0}) - In dieser Form kann ich natürlich den Antrag schwer behandeln. Wären Sie damit einverstanden, daß wir ihn als Material dem Haushaltsausschuß überweisen? ({1}) ') Siehe Anlage 4 - Sie sind also damit einverstanden, daß der Antrag nur als Material dem Haushaltsausschuß überwiesen wird. Im übrigen nehme ich an, daß das Haus dem Antrag des Ausschusses - Drucksache IV/ 2237 -, die Anträge für erledigt zu erklären, zustimmt. - Bitte, Herr Kollege Gewandt.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, die Überweisung dieses Antrags als Material hindert aber doch nicht an der Beschlußfassung aber den Bericht. Das ist davon unabhänglig.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Natürlich nicht. Der Umdruck 478 ist nur eine Anregung; es erfolgt keine förmliche Beschlußfassung über einen materiellen Antrag. -- Im übrigen stelle ich also fest: das Haus ist damit einverstanden, daß die Anträge für erledigt erklärt werden. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung .eingebrachten Entwurfs eines Zweiten .Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs ({0}); Schriftlicher - Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2}). ({3}). Es liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Bauer ({4}) vor. Will der Herr Albgeordnete Bauer seinen Bericht ergänzen? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1 Nr. 1, - Nr. 2, - Nr. 3, - Nr. 4. - Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. -Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Zu Nr. 4 a liegt ein Antrag der Fraktion der FDP auf Streichung vor. Wollen Sie den Antrag begründen? - Bitte, Herr Abgeordneter DÜrr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Änderungsantrag auf Umdruck 475 S) ist nicht anzusehen, daß er sämtliche Verkehrsteilnehmer in der Bunedesrepublik Deutschland in hohem Maße betrifft. Um was geht es denn? Bisher stand im Strafgesetzbuch, daß die Strafverfolgung von Übertretungen in drei Monaten verjährt. Auf Anregung des Rechtsausschusses des Bundesrates, der der Rechtsausschuß dieses Hohen Hauses mit Mehrheit gefolgt ist, soll es jetzt in § 67 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs heißen: Die Strafverfolgung von Übertretungen verjährt in sechs Monaten. Für diese Änderung wurde geltend gemacht, daß man eine Gleichstellung mit den Ordnungswidrigkeiten erreichen wolle, da bei der Strafrechtsreform Ordnungswidrigkeiten und Übertretungen sowieso zusammengeworfen worden sollten. Bei Ordnrungswidrigkeiten haben wir bereits jetzt eine Verjährungsfrist von sechs Monaten, die auch gerechtfertigt ist, weil es sich zum Teil um komplizierte *) Siehe Anlange 5 technische Fragen handelt. Um ein Beispiel zu nehmen: Wenn jemand als Fabrikant von Eierteigwaren seine Teigwaren in gelbes Papier und nicht in weißes Papier ,einpackt und dadurch vortäuscht, es seden noch mehr Eier drin, als in Wirklichkeit drin sind, dann ist das eine Ordnungswidrigkeit, während es sich bei den Übertretungen heutzutage um die große Menge von Straßenverkehrsübertretungen unid nur selten rum ruhestörenden Lärm oder graben Unfug handelt. Ferner wurde geltend gemacht, man brauche eine Verlängerung der Verjährungsfrist, weil die Übertretungen, insbesondere die Straßenverkehrsübertretungen, einen so goßen Umfang angenommen hätten. Schließlich wurde auf 'die Schwierigkeit der Ermittlungen hingewiesen. Zugegeben, die Abwicklung eines Straßenverkehrsunfalls mit erheblichem Blechscheiden ist schwieriger, wenn, sagen wir mal, ein Bayer einen Unfall in Hamburg ,verursacht, als wenn zwei Personen in ihrer 'Heimatstadt einen Autounfall haben. Aber das scheint uns nicht so wesentlich ,zu sein. Weiter wurde gesagt, man brauche die Verlängerung auf sechs Monate, damit man die Verjährung nicht unterbrechen müsse, denn das sei eine unschöne Angelegenheit. Zugegeben: die Manipulationen, die gelegentlich gemacht werden, um eine Verjährung zu unterbrechen - zum Beispiel, daß die Staatsanwaltschaft beantragt, einen Zeugen richterlich zu vernehmen, der von der Kripo auch vernommen werden könnte, oder daß man von einem auswärtigen -Angeklagten ein Strafregister durch das Gericht einholen läßt, obwohl die Staatsanwaltschaft das Strafregister auch gekriegt hätte -, sind keine schönen Sachen. Das letzte Argument, das dafür angeführt wurde, ist: Wir haben viele Fälle, wo eine Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 a möglicherweise in Frage kommt. Da klagt man dann eben wegen eines Vergehens nach § 315 a an, und schließlich stellt sich heraus, daß fahrlässige Verkehrsgefährdung nicht gegeben ist, aber eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung, und diese ist dann möglicherweise verjährt. Meine Damen und Herren, das sind die Gründe für die Einfügung. Nach Meinung meiner politischen Freunde scheinen die Gründe dagegen ganz erheblich zu überwiegen. Erstens. Wenn es bei der Verjährungsfrist von drei Monaten bleibt, ist eine zügigere Behandlung der Strafverfolgung von Übertretungen gewährleistet. Man wird sagen: Die Staatsanwälte sind selbstverständlich fleißige Leute und die Kriminalpolizisten auch, die werden gleich schnell arbeiten. Dazu kann ich nur sagen: ich bin froh, daß ich nicht Staatsanwalt bin; bei mir wäre es nicht der Fall, vielleicht beim einen oder anderen von Ihnen auch nicht; jedenfalls war es bei mir schon in der Schule so, daß ich den Hausaufsatz am letzten Abend gemacht habe, und zwar völlig gleichgültig, ob ich acht oder vierzehn Tage Zeit dazu gehabt habe. Ähnliche Verhaltensweisen sind nun einmal menschlich und kommen vor. Eine möglichst zügige Behandlung ist auch aus weiteren Gründen nötig, auf die ich kurz noch eingehen muß. Wenn wir zwischen dem Unfall und der Verhandlung erster Instanz eine Höchstzeit von sechs Monaten haben, dann wird etwa durch die Unterschrift unter den Strafbefehl die Verjährung unterbrochen. Wenn jemand in die zweite Instanz geht, weil er nicht wegen Übertretung verurteilt werden will, hat es wieder sechs Monate Zeit. Das heißt, die Verlängerung der Verjährung kumuliert sich in jeder Instanz noch einmal. Es kommt hinzu: Je weiter bei einer Straßenverkehrsübertretung der Zeitpunkt der Beweisaufnahme vor Gericht vom Zeitpunkt der Übertretung weg liegt, desto mehr ist man lediglich auf die Aussagen des Polizeibeamten angewiesen, der am ersten Tag bereits sein Protokoll gemacht hat und das in der Hauptverhandlung wiedergibt. Je später der einer Übertretung Beschuldigte davon erfährt, daß er, sagen wir, bei Dunkelgelb über eine Ampel gefahren sein soll, desto weniger hat er die Möglichkeit, seinerseits nach Zeugen zu suchen, die diesen Unfall außer dem Polizisten auch noch gesehen haben. Hinzu kommt ein Weiteres. Wenn einer eine Übertretung begeht, es einen Zusammenstoß zwischen zwei Kraftfahrzeugen gibt und der Unschuldige sich an die Haftpflichtversicherung des Schädigers wendet, dann kriegt er mit Sicherheit die Antwort: Wir wollen zuerst das Ergebnis der Strafverfahrens abwarten und werden uns dann überlegen, ob wir den Schaden bezahlen oder nicht. Verlängern wir die Verjährung, dann werden hier die unschuldigen Teilnehmer von Straßenverkehrsunfällen, die Schadensersatzansprüche haben, eigentlich am schwersten betroffen. Und was das Argument betrifft: wenn eine Anklage wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung nicht zum Erfolg führe, der Betreffende aber wegen einer Übertretung verurteilt werden könnte, sei diese inzwischen verjährt, so ist zu sagen: Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sind nicht gefährdet, wenn eine Straßenverkehrsübertretung verjährt und es nicht gelingt, den Schuldigen an dieser Übertretung rechtzeitig zu einer Geldstrafe zu verurteilen. Ich würde das nicht für sehr gefährlich halten. Das sind die Gründe, die nach unserer Ansicht dafür sprechen, die Regelung des geltenden Rechts, wonach die Strafverfolgung von Übertretungen in drei Monaten verjährt, beizubehalten. Die Gründe für das geltende Recht scheinen uns stärker zu sein als die Gründe für die vom Rechtsausschuß vorgeschlagene Änderung. Meine Damen und Herren, Sie sind alle Verkehrsteilnehmer. Ihnen und mir kann es passieren, daß wir uns einmal im Jahr im Verkehr nicht so verhalten, wie es sein sollte. Aber in dieser Frage können Sie unbeschwert abstimmen; denn mit Ausnahme der Landtagsabgeordneten sind Sie und ich die einzigen deutschen Verkehrsteilnehmer, die von dieser Maßnahme nicht betroffen werden, weil die Strafverfolgung von Übertretungen für Inhaber der Im6398 munität sowieso während der Dauer ihrer Parlamentszugehörigkeit völlig gehemmt ist. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Bauer ({0}).

Hannsheinz Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt in der Tat auf, daß die in Art. 1 Nr. 4 a der Beschlüsse des Rechtsausschusses in Drucksache IV/ 2161 vorgeschlagene Verlängerung der Verjährungsfrist von drei auf sechs Monate für die Verfolgung von Übertretungen ursprünglich in der Regierungsvorlage nicht enthalten gewesen ist; der Vorschlag ist vielmehr aus der Praxis gekommen. Er ist vom Bundesrat aufgegriffen worden, nachdem die Landesjustizverwaltungen dies gefordert hatten. Die Bundesregierung hat sich positiv zu diesem Vorschlag gestellt und ihm ihre Zustimmung erteilt. Die Änderung ist auch im Ausschuß einhellig bei einer Stimmenthaltung akzeptiert worden. Es ist vielleicht interessant, daß der Akzent in der Begründung für diese Stimmenthaltung weniger in der Sache selber gelegen hat; er war formeller Natur. Es ist die Befürchtung zum Ausdruck gebracht worden, daß durch das Straßenverkehrsrecht das Übertretungsrecht allgemein präjudiziert und insofern der großen Strafrechtsreform vorgegriffen werden könne. Zur Sache selber ist folgendes zu sagen. Es kann mit einiger Sicherheit unterstellt werden, daß die ) bisherigen Übertretungen im Zuge der Strafrechtsreform in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt werden. Wie Herr Kollege Dürr schon erwähnte, sieht der § 14 des Ordnungswidrigkeitengesetzes bereits eine Verjährungsfrist von sechs Monaten vor. Insofern bietet sich eine gewisse Vorausumstellung von vornherein an. Die Bundesregierung hat diese Frage zunächst nicht als vordringlich betrachtet. Sie hat sich aber an Hand des Beispielmaterials im Bundesrat - da scheint allerhand geboten worden zu sein - davon überzeugen lassen, daß des öfteren bei drohender Verjährung irgendwelche richterlichen Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung die Verfahren belastet und verzögert haben. Diese Handlungen hätten nicht stets die gewünschte Wirkung gehabt und seien überdies die Quelle einer umfänglichen, aber im wesentlichen unfruchtbaren Rechtsprechung gewesen. Da in der Tat die derzeit geltende Verjährungsfrist von drei Monaten für viele Fälle zu kurz ist, um die Strafverfolgung abschließen zu können, scheint die Verlängerung geboten. Dabei spielt nicht die entscheidende Rolle, daß die Verjährung durch Handlungen unterbrochen wird, die wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet sind. Sehr oft kann eine durch das Verfahren gebotene Handlung wie Zustellung der Anklage oder Erlaß des Strafbefehls nicht innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden. Insofern entspricht - es herrscht hier Übereinstimmung von Bundesregierung, Bundesrat und Ausschuß - die vorgeschlagene Regelung dem Bedürfnis einer funktionierenden Strafverfolgung. Es wird infolgedessen empfohlen, den Antrag auf Umdruck 475 abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Kanka.

Dr. Karl Kanka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Herrn Kollegen Dürr die Enttäuschung bereiten, daß ich gegen seinen Antrag spreche, und zwar aus ganz einfachen Gründen. Es ist an sich nicht schön, daß wir am Strafgesetz „herumschnippeln" und daß wir in allen möglichen Spezialgesetzen Änderungen des Strafgesetzes vorsehen, wie kürzlich beim Vereinsgesetz und jetzt beim Zweiten Straßenverkehrssicherungsgesetz. Das kann man vom Methodischen her einwenden. Aber von der Sache her ist der Antrag, die Verjährungsfrist von drei Monaten auf sechs Monate zu verlängern, absolut angebracht. Wir leben - gestatten Sie mir diese Banalität - in einer schnellebigen und überbeschäftigten Zeit, in der drei Monate viel zu schnell herum sind, und man muß Verständnis dafür haben, daß diejenigen, die sich gegen solche Übertretungen und Ordnungswidrigkeiten in unserem Namen zur Wehr zu setzen haben, in sehr vielen Fällen innerhalb von drei Monaten nicht damit fertig werden. Außerdem ist es ein Vorgriff auf die auf uns zukommende Strafrechtsreform. Wir haben die entsprechende Bestimmung bereits in dem von Herrn Kollegen Bauer zitierten § 14 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Ich bin also der Meinung, wir sollten es bei dem wohlbegründeten Beschluß belassen und dem Streichungsantrag nicht entsprechen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Dürr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte zur Replik! Natürlich ist das „Herumschnippeln" am Strafgesetzbuch nicht schön. Aber wir präjudizieren nichts, wenn wir es für die Verjährung von Übertretungen bei den bisher geltenden drei Monaten lassen. Vielmehr präjudizieren wir etwas, wenn wir beides auf sechs Monate gleichsetzen, weil wir dann nämlich annehmen können, daß in der künftigen Strafrechtsreform für Ordnungswidrigkeiten und Übertretungen, die dann künftig in die gleiche Schublade gehören sollen, bereits der Zeitraum von sechs Monaten vorgesehen ist. Da scheint mir die Lösung, die wir vorschlagen, im Augenblick noch besser zu sein. Die Strafrechtsreform kommt, und wir werden über die neue Fassung des Strafgesetzbuchs abzustimmen haben. Ich würde sagen: Kommt Zeit, kommt Rat. Wenn hier gesagt wird, wir hätten eine solche Menge von Übertretungen, daß die damit beauftragten Organe nicht damit fertig würden, dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die vom Ausschuß vorgeschlagene Möglichkeit, die Verjährungsfrist zu verlängern, oder es bei der geltenden Verjährungslist zu belassen und gegebenenfalls mehr StaatsDürr und Amtsanwälte einzustellen. Ich halte die zweite Möglichkeit für die zweckmäßigere. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir stimmen also jetzt ab über Art. 1 Nr. 4 a, nicht 'über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Streichung dieser Ziffer, sondern positiv über die Nr. 4 a, wonach die Strafverfolgung von Übertretungen in sechs Monaten verjährt. ({0}) - Nein, positiv. Wir stimmen positiv über die Vorlage des Ausschusses 'ab, wonach die Strafverfolgung von Übertretungen in sechs Monaten verjährt. Besteht Klarheit? ({1}) Wer diesem Antrag in der Fassung des Ausschusses zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Die Gegenprobe? - Das zweite ist die Mehrheit. Nr. 4 .a ist abgelehnt. Ich rufe nun die Nr. 5 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 474 *) unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag vor. Wird dieser Änderungsantrag begründet? - Nein. Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Bauer ({2}), Frau Dr. Diemer-Nicolaus und Genossen auf Umdruck 474 unter Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks 474 ist angenommen. Ich rufe 'auf, fortfahrend in Art. 1, die Nr. 6, - dann Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5. - Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Ich rufe auf Art. 6. Hier liegt vor auf dem Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Bauer ({3}), Frau Dr. Diemer-Nicolaus und Genossen Umdruck 474 die Ziffer 2. Wer dieser Ziffer 2 zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Die Eingangsworte ides Art. 6 sind jetzt in dieser Form gefaßt. Wer dem Art. 6 mit dieser Änderung zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. - Einstimmige Annahme. Art. 7, - Art. 8, - Art. 9, - Art. 10, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Bauer ({4}).

Hannsheinz Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, zu diesem Gesetzentwurf, der so lange im Schoß des Bundestages geruht hat und der nun endlich in das Stadium der Wirksamkeit hineinkommt, ein Wort zu sagen, *) Siehe Anlage 6 und zwar insbesondere deshalb, weil er Auswirkungen für uns alle haben wird. Ich möchte erinnern an die Situation des Jahres 1960, als der erste Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vorgelegt worden ist. Damals ist ein kleiner Entrüstungssturm losgegangen. Ein Verkehrspsychologe hat sich in dem Sinne geäußert, es werde hier ein Bombenteppich gelegt. Ein anderer hat von einem Stück Terror gesprochen, das sich in den beabsichtigten Maßnahmen dokumentiere, und ein Verkehrssoziologe, sogar Lehrstuhlinhaber, hat gemeint, Maßnahmen dieser Art erzeugten allenfalls eine vorübergehende Abschreckung, und hier zeige sich der letzte Verzweiflungsakt eines Bankrotteurs, der nach dem sprichwörtlichen Strohhalm greife. Nun, ich möchte meinen, solch schrille Töne sind ebenso fehl am Platz wie der in jüngster Zeit erhobene Unkenruf, daß man sich mit diesem Entwurf in Richtung auf ein Volk von Vorbestraften bewege. Zunächst ist zu sagen, daß dieser dem Bundestag vorgelegte Entwurf gegenüber dem ersten von 1960 in einigen Punkten gemildert worden ist und daß darüber hinaus in den Beratungen des Ausschusses weitere Giftzähne gezogen werden konnten. Man sollte auch nicht unterschätzen, daß die Verabschiedung im Ausschuß einhellig gewesen ist 'und in der Substanz ja auch bis jetzt keine Änderungsanträge gestellt worden sind. Sicherlich bringt die Vorlage einige entscheidende Änderungen; sie sind jedoch keineswegs so revolutionär, daß unser Volk von Verkehrsteilnehmern auch nur in etwa in Unruhe geraten müßte. Ich möchte in Anbetracht der knappen Zeit einige wenige Punkte stichwortartig herausgreifen. Da ist zunächst das eingeführte Fahrverbot, eine kurzfristige Ausschaltung eines Delinquenten aus dem Verkehr, wenn er zu Gefängnis oder Geldstrafe verurteilt worden ist. Es hat die Bedeutung einer Nebenstrafe etwa im Sinne einer Mahnung, eines Denkzettels für die Zukunft und hat nur eine Dauer zwischen einem und drei Monaten. Demgegenüber ist die Entziehung der Fahrerlaubnis durch eine Schere, eine Lücke von drei Monaten abgegrenzt. Dadurch ist schon einmal dem Richter ein Ausweichen auf die leichtere Nebenstrafe des Fahrverbots genommen. Es handelt sich hier um eine Maßregel der Sicherung und Besserung und um eine längerfristige Ausschaltung von einem halben Jahr bis zu fünf Jahren Dauer aus dem Verkehr. Diese Entziehung der Fahrerlaubnis ist an recht strenge Voraussetzungen geknüpft. Es muß schon ein gravierenderer Verstoß vorliegen, wenn es soweit kommt, im einzelnen entweder eine Straßenverkehrsgefährdung - im großen und ganzen identisch mit dem, was man gerne als die sieben Todsünden im Verkehr bezeichnet hat, im einzelnen nachzulesen 'im § 315 c unserer Vorlage - oder die Verkehrsflucht oder die Volltrunkenheit in Beziehung auf eine Straßenverkehrsgefährdung oder Unfallflucht. Aber dies alles bedeutet nur dann Führerscheinentzug, wenn sich aus der Tat ergibt, daß der Täter zur Führung von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die erwähnten sieben Todsünden im Verkehr, also Bauer ({0}) praktisch die gängigsten und unfallhäufigsten Tatbestände, führen wiederum nur dann in die Gefahrenzone einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit, wenn der Täter grob verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt hat und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hat. Sie sehen also: ein ganzes Bündel von Voraussetzungen. Dabei ist sehr wesentlich, daß der Ausschuß noch eine Entschärfung beschlossen hat. Es soll nicht ein sozusagen automatischer Entzug erfolgen, wenn sich diese genannten Umstände aus dem Tathergang objektiv nachweisen lassen, wie es der Entwurf ursprünglich vorgesehen hatte, sondern es soll eine Berücksichtigung auch nach der subjektiven Seite des Täters möglich sein, wenn dieser z. B. jahrelang unfallfrei und ohne Verstöße gefahren ist. Nun erweist es sich als notwendig, ein Wort auch zu den schwierigsten .oder umstrittensten Fragen zu sagen, zu den Alkoholdelikten. Es muß erwähnt werden, daß alle Wünsche der Kollegen des Verkehrsausschusses, der ja mitberatend war, berücksichtigt worden sind. Nur in einem Punkt hat der Rechtsausschuß nicht folgen können, und zwar in der Frage der Alkoholtatbestände. BE muß zunächst einmal zugegeben werden, daß diese Alkoholtatbestände noch schwerwiegender sind als die erwähnten sieben Todsünden im Straßenverkehr, diese typischen Verstöße an sich, weil unter dem Vorzeichen Alkohol ja alles andere in der Regel :subsumiert wird. Auf das Konto „Alkohol kommen schließlich für das Jahr 1963, bezogen auf Fahrzeuginsassen und Fußgänger, über 3000 Tote. Im ersten Halbjaher 1963 mußte in .32 464 Fällen, im Bristen Halbjahr 1962 in 27 392 Fällen der Führerschein auf Grund des Alkoholtatbestandes entzogen werden. Man kann also davon ausgehen, daß die Unfälle aus Trunkenheit am Steuer nicht zurückgehen, sondern weiter ,ansteigen. Außerdem sei angemerkt, daß der Ausschuß schließlich an der Tatsache nicht vorbeigehen konnte, daß die gefählichsten Verkehrsdelinquenten, insbesondere die mit Dauerneigung zu Unfällen, sich noch am ehesten durch 'eine kürzere oder längere Wegnahme des .Führerscheins und eine individuell abgestufte Geldstrafe einigermaßen beeindrucken lassen. Die Abstufung des Verkehrsdelikts unter Alkoholeinwirkung von der Übertretung zum. Vergehen hat sich aus weiteren zwei Gründen angeboten. Einmal steht die Umwandlung der Übertretungen in Ordnungswidrigkeiten im Zuge der Strafrechtsreform so gut wie bevor, und man kann das Alkoholverkehrsdelikt schlechthin zukünftig wohl kaum mehr als Übertretung oder Ordnungswidrigkeit passieren lassen. Zum anderen muß auch die Tendenz der Rechtsprechung gesehen werden, die in den letzten Jahren ganz überwiegend in die Richtung einer Verschärfung gegangen ist. Gewisse regionale Unterschiedlichkeiten, wie z. B. eine in manchen Gebieten zu beobachtende raschere Wiederaushändigung ides Führerscheins, sollen und müssen im Sinne der überwiegenden Zahl der Urteile einreguliert werden. Wir kommen auch nicht daran vorbei, daß das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von diesem Bundestag so gut wie sicher nicht mehrverabschiedet wird und daß man auf diesem Sektor kaum ibis weit in die nächste Legislaturperiode hinein warten kann. Außerdem hat die Sache noch eine bedauerliche Kehrseite insofern, als die Entkriminalisierung der Unzahl kleinerer Verstöße dadurch aufgehalten wird. Deshalb ist die Forderung zu 'erheben, daß der Entwurf Ides Ordnungswidrigkeitengesetzes so bald wie möglich vorgelegt unid seine Beratung in Angriff genommen wird. Eine Vorwegnahme der Alkoholtatbestände im Verkehr im Sinne einer Klassifizierung als Vergehen erweist sich also in der Tat als notwendig, und zwar nicht etwa nur für Straßenverkehrsfahrzeuge im rein technischen Sinn, sondern ebenso für .Schienenfahrzeuge, Schwebebahnen, Wasser und Luftfahrzeuge. Dabei möchte ich ausdrücklich sagen, daß die berüchtigte Pro-Mille-Grenze ausgeklammert worden ist, daß also die bisherige Praxis hinsichtlich der Feststellung der Fahruntüchtigkeit erhalten bleibt. Nun zwei kleinere Neuerungen. Eine hat sich aus der Situation ergeben: Neben Gefängnis- bzw. Geldstrafe kann der Täter mit der Einziehung des ihm gehörenden Fahrzeugs bestraft werden, der selbst ohne Fahrerlaubnis oder Führerschein gefahren ist oder als Halter eines Fahrzeugs dies angeordnet oderzugelassen hat. Ebenso ist die Einziehrung dann statthaft, wenn der Täter sein Fahrzeug vorsätzlich ohne .gültigen Haftpflichtversicherungsvertrag gebraucht oder den Gebrauch zugelassen hat. Schließlich kann man es letztlich als 1Fortschritt bezeichnen, daß man eine neue Bestimmung eingefügt hat, nach der unter bestimmten Voraussetzungen Beschränkungen z. B. im Tanklastverkehr zum Schutze von Wassereinzugsgebieten und Heilquellen erlassen werden können. In zwei wichtigen Punkten - und damit spreche ich die Verfahrensprobleme an - ist der Ausschuß dem Regierungsentwurf nicht gefolgt. Einmal ist der Fortfall der Revisionsmöglichkeit im Sinne letztinstanzlicher Überprüfung im Verkehrsprozeß fallengelassen worden, und zum zweiten hat man die vorgeschlagene Einschränkung in der Beweiserhebung abgelehnt. Sie sehen also, daß die Linie des Ausschusses klar in die Richtung gegangen ist, das Rechtsschutzbedürfnis des Angeschuldigten über den Gedanken einer Straffung und Beschleunigung der Verfahren in Verkehrsstrafsachen zu stellen. Damit ist allerdings ein wunder Punkt angesprochen. Es ist nämlich im Gesetz so gut wie nichts mehr enthalten, was zu einer schnelleren Abwicklung der Verfahren bei den in der StraßenverkehrsGerichtsbarkeit ertrinkenden Gerichten beitragen könnte. ({1}) Wir meinen, daß mit der Bereinigung dieser Mißlichkeit nicht gewartet werden sollte, sondern daß schon früher etwas getan werden müßte, da ja eine Strafprozeßreform in ziemlich weiter Ferne zu liegen scheint. Ich darf dabei die Vorstellung und den Wunsch äußern, daß Bundesjustizministerium und Länderjustizverwaltungen im Zusammenwirken geBauer ({2}) wisse Impulse geben und verstärkte Bemühungen an den Tag legen, um eine Konzentration von Verkehrsstrafsachen bei bestimmten Abteilungen der Amtsgerichte oder aber die Schaffung von Bezirksgerichten auf dem Verkehrssektor voranzutreiben. Jedenfalls ist eine Besserung im Hinblick auf Schnelligkeit und Straffung der Verfahren dringend geboten. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal ausdrücklich festhalten, daß dieses Gesetz keine Veranlassung bietet, zum Kraftfahrerschreck oder gar zum Alptraum der Verkehrsteilnehmer zu werden. In ihm sind weder umstürzende Neuerungen noch revolutionierende Strafdrohungen oder -verschärfungen eingebaut. Es handelt sich im großen und ganzen um maßvolle Änderungen, und zwar mit der Zielsetzung, auf dem Justizsektor einen Beitrag in einer Situation zu leisten, die nun einmal gekennzeichnet ist durch über 14 000 Verkehrstote, 409 000 Verletzte und beinahe 5 Milliarden DM volkswirtschaftlicher Einbuße pro anno. Vielleicht ist am Ende einer so ausgedehnten Debatte über Verkehrsfragen und -gesetze auch noch eine Anregung erlaubt. Niemand gibt sich der Illusion hin, daß die Jurisprudenz einen entscheidenden Einfluß auf die Verkehrsmisere auf den bundesrepublikanischen Straßen haben kann. ({3}) Der Entwurf ist nicht mehr und nicht weniger als ein Baustein in einer Kette von Maßnahmen, einer Serie von Notwendigkeiten auf dem Verkehrssektor. Der Hebei zur Sieuerung der Schwierigkeiten im Straßenverkehr dürfte nun einmal anzusetzen sein zunächst im verstärkten und schnelleren Bau von noch mehr und noch besseren Straßen, in zweiter Linie in einer Entlastung der innerstädtischen Verkehrsnetze, vornehmlich aber - und jetzt kommt ein Punkt, der mir sehr wichtig ist - durch eine wirksame Verkehrserziehung und -aufklärung auf allen Ebenen als bestem Mittel zur Eindämmung von Verkehrsdelikten, mit dem großen Endziel einer Anhebung der Fahrmoral und der Verkehrsdisziplin unter dem Leitwort: Mehr Ritterlichkeit, Anstand und Gesittung im Straßenverkehr. ({4}) Gefährlich sind fast ausschließlich die grob verkehrswidrig und rücksichtslos Handelnden. Ihnen soll dieser längst überfällige und aus der Not geborene Entwurf begegnen. Die Masse der sorgfältig und korrekt handelnden Verkehrsteilnehmer braucht das Gesetz in der Tat nicht zu fürchten. Schließlich eine letzte Anmerkung. Das beste Straßenverkehrssicherungsgesetz muß in der heutigen Situation so ,gut wie ohne Wirkung bleiben, wenn man nicht gewisse Prinzipien in Richtung auf ein Mindestmaß an Gemeinsinn zum Tragen kommen läßt. Ich meine, auf deutschen Straßen täte etwas mehr an praktiziertem Gemeinschaftsgeist als Ausfluß wirklich staatsbürgerlicher Gesinnung dringend not. Das schließt zunächst das Erkennen, aber auch die Anerkennung des Grundsatzes in sich, daß die Teilnahme am Verkehr ein Stück Partnerschaft, ein Aufeinanderangewiesensein in einer Gemeinschaft bedeutet mit der Maßgabe, daß der brutale Ellbogenverkehrsteilnehmer mit dem Leitwort vom Recht des Stärkeren im Straßenverkehr außer sich selbst auch andere gefährdet und daß sein Verstoß sich ebenso auf seine Nachbarn, auf seinen Vordermann oder Hintermann im Verkehr auswirken wird. ({5}) Zum zweiten sollte man doch die in der deutschen Offentlichkeit gestellte Frage unterstreichen dürfen, ob es angesichts der ohnehin überlasteten Straßen, angesichts der ohnehin unaufhaltsam wachsenden Verkehrsdichte nützlich ist, Tausende neuer Lastzüge auf diese Verkehrswege zu schicken, und ob damit nicht die Gefahr einer gewissen Schmälerung der Sicherheit auftaucht oder die Sicherheit weiter eingeschränkt, vielleicht sogar illusorisch gemacht wird. Ich glaube, daß wir auch mit den besten Gesetzen Schiffbruch erleiden, wenn hier nicht eine gewisse weise Beschränkung erreicht werden kann. Insofern sind von dem zu verabschiedenden Entwurf keine Wunder zu erwarten. Man kann in ihm einen Baustein mehr im Gesamtgebäude Verkehr sehen, und in diesem Sinne stimmt ihm die SPD-Fraktion zu. ({6})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Vittinghoff-Schell.

Dr. Felix Vittinghoff-Schell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002375, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU wird dem Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs in der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung ihre Zustimmung geben. Es könnte Bedenken hervorrufen, daß mit diesem Gesetz einige Bestimmungen der großen Strafrechtsreform vorweggenommen werden. Wir sind aber der Meinung - die übrigens auch im Rechtsausschuß einhellig vertreten wurde -, daß diese Vorwegnahme einfach eine Notwendigkeit ist, zumal ein sehr ähnlicher Gesetzentwurf bereits in der vorigen Legislaturperiode eingebracht und nur aus Zeitgründen nicht mehr verabschiedet worden war. Die schon damals gültigen Gesichtspunkte für eine wenigstens teilweise Novellierung im Verkehrsstrafrecht müssen heute verstärkt gelten, da das Tempo der Motorisierung sich weiterhin beschleunigt hat und die Ziffern der Unfallstatistik sich nach wie vor in erschreckender Höhe bewegen. Die am Mittwoch 'in diesem Hohen Hause geführte Debatte über die Verkehrspolitik hat diese Tatbestände denn auch - vielleicht mit einer etwas anderen Blickrichtung - noch einmal in das volle Licht der allgemeinen Diskussion gerückt. Ich brauche darauf nicht näher einzugehen. Ebenso beabsichtige ich nicht, näher auf die Einzelbestimmungen des Gesetzes einzugehen. Das hat, glaube ich, vorhin Herr Kollege Bauer in erschöpfender Weise getan. Mit zwei wichtigen Problemen befaßt sich dieser Gesetzentwurf, der ja auch nur als Teillösung gedacht ist, noch nicht. Da ist einmal die Frage der gesetzlichen Fixierung eines als Gefahrengrenzwert verstandenen Blutalkoholwertes. Es ist unbestritten, daß der Tatbestand der Trunkenheit am Steuer einer grundsätzlichen Neuordnung bedarf. Doch glaubt sich die Bundesregierung noch nicht im Besitz aller für einen Gesetzentwurf notwendigen Fakten. Sie hat einen Gesetzentwurf angekündigt, sobald die wissenschaftliche Durchleuchtung dieses Problems abgeschlossen ist, was, wie wir hoffen, in Kürze der Fall sein wird. Der zweite sehr bedeutende Problemkreis, den der vorliegende Entwurf noch nicht behandelt, ist die Umgestaltung der Übertretungen in - je nachdem - Ordnungswidrigkeiten oder Vergehen, wie das im Entwurf zum Strafgesetzbuch vorgesehen ist. Um hier weiterzukommen, muß zunächst das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten umgestaltet werden, da es in seiner gegenwärtigen Form nicht geeignet ist, die schlagkräftige und schnelle Ahndung der massenweise vorkommenden leichteren Verkehrsverstöße zu gewährleisten. Auch hier hat die Bundesregierung die baldige Vorlage eines Gesetzentwurfes angekündigt. Sehr allgemein ausgedrückt läßt sich überhaupt sagen, daß auf dem Gebiete des Verkehrsstrafrechtes die Aufgabe des Gesetzgebers - es ist gewiß eine sehr schwierige Aufgabe - die ist, das Massenproblem mit rechtsstaatlich vertretbaren Mitteln B) zu lösen. Zur Veranschaulichung der Größenordnungen, um die es hier geht und mit denen sich unsere Justiz konfrontiert sieht, hier einige Zahlen aus dem Jahre 1962, wobei ich vorausschicken muß, daß es sich um Schätzungen und Berechnungen handelt. Exakte Zahlen weist die Justizstatistik auf diesem Gebiet nicht aus. 1. Gerichtliche Strafverfügungen oder jugendgerichtliche Verfügungen wegen einer Verkehrsübertretung: rund 1 150 000; 2. Strafbefehle in Verkehrssachen: rund 350 000; 3. Verurteilungen wegen Verkehrsübertretungen: rund 50 000; 4. Verurteilungen auf Grund einer Hauptverhandlung wegen Verkehrsvergehen: rund 231000. Die letzte Berechnung ist für das Jahr 1960 erstellt worden. Doch kann man davon ausgehen, daß sich die Zahl in der Zwischenzeit nicht allzu erheblich verändert hat. Es ergibt sich also, daß die Gerichte der Bundesrepublik im Jahre 1962 ungefähr 1,8 Millionen Verurteilungen in Verkehrssachen ausgesprochen haben. Für jeden dieser 1,8 Millionen Fälle, meine Damen und Herren, muß der ganze Apparat unserer Strafrechtspflege in Aktion treten, ein Apparat, der primär für ganz andere Dinge zur Verfügung stehen sollte, nämlich für die Bekämpfung der echten Kriminalität, wobei natürlich keineswegs verkannt werden soll, daß auch unter den Verkehrsverstößen Straftaten sind, die durchaus kriminellen Charakter tragen. Aus diesen Zahlen geht meines Erachtens eindeutig hervor, ein wie vordringliches Anliegen es ist, alle Rechtsverstöße, die nach sozialethischer Bewertung keinen kriminellen Vorwurf begründen, in Ordnungswidrigkeiten umzuwandeln und damit aus der herkömmlichen kriminalrechtlichen Behandlung auszuscheiden. Die Belastung der Justiz mit Verkehrsdelikten hat ein Maß erreicht, das nicht mehr als erträglich bezeichnet werden kann. Natürlich besteht dieses Problem auch in anderen Ländern, und man ist hier wie dort um optimale Lösungen bemüht. Manche dieser Länder sind uns weit voraus, ganz einfach deshalb, weil sie schon viele Jahrzehnte länger als wir mit starkem Straßenverkehr, vor allem Autoverkehr, zu tun haben, wie wir es eigentlich erst seit wenigen Jahren erleben. So haben die Vereinigten Staaten von Nordamerika mit ihrem Ticket-Verfahren bei Verkehrsverstößen, dem ich im übrigen in dieser Form in keiner Weise das Wort reden will, zumindest das Massenproblem, das die Justiz in solchem Ausmaße belastet, gelöst. Wir sollten uns bei unseren Überlegungen die Erfahrung anderer Länder - mutatis mutandis, versteht sich - zunutze machen. Übrigens konnten wir bei den Ausschußberatungen feststellen, daß entsprechende rechtsvergleichende Studien im Bundesjustizministerium erfreulicherweise ständige Übung sind. Ein Wort noch zur künftigen Entwicklung des Verkehrsstrafrechts. Ich könnte mir vorstellen, daß eines Tages dieses Gebiet des Strafrechts - ganz einfach durch den Zwang der Verhältnisse - das erste sein wird, auf dem wir eine gesamteuropäische Regelung finden werden. Das mag reichlich optimistisch, ja heute vielleicht geradezu utopisch klingen, denn eine Vereinheitlichung der Verkehrsregeln in Europa wäre dafür natürlich die erste Voraussetzung. Aber wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die europäischen Regierungen über diesen Punkt verhandeln, und wir möchten hoffen und wünschen, daß es da in absehbarer Zeit zu einer Übereinkunft kommt. Ich bitte das Hohe Haus, dem vorliegenden Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben und mit uns dafür zu wirken, daß nun auch die dringenden von mir erwähnten Probleme, die in diesem Gesetzentwurf noch nicht gelöst werden konnten, baldigst in Angriff genommen und einer guten Lösung zugeführt werden. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren Kollegen! Heute wird in der dritten Lesung ein Gesetz verabschiedet werden, bei dem streitige Probleme nicht mehr vorhanden sind. Da Herr Kollege Bauer zunächst in 'seinem - es ist vielleicht erlaubt, das zu sagen - geradezu vorzüglichen Bericht, den er dem Bundestag schriftlich vorgelegt hat, dann aber auch in den Ausführungen, 'die er zur dritten Lesung gemacht hat, alle wesentlichen Probleme angesprochen hat, die von Ihnen, Herr von Vittinghoff, in mancher Hinsicht wirkungsvoll ergänzt wurden, kann ich mich zu dieser Stunde glücklicherweise sehr kurz fassen. Aber einige Gesichtspunkte möchte ich doch noch einmal ganz kurz unterstreichen. Dabei muß man nun eben doch wieder mit einigen Zahlen anfangen. Vor mir liegt eine kurze Zeitungsnotiz vom 8. Juni 1964, in der die Unfallzahlen des letzten Vierteljahres wiedergegeben werden. Nach dieser Notiz hat das erste Vierteljahr 1964 die Zahl von 3349 Verkehrstoten und 82 520 Verletzten bei insgesamt 63 253 Unfällen ergeben. Diese Zahlen sind bezogen auf ein Vierteljahr. Sie erscheinen beiläufig in der Zeitung in einer kleinen Notiz und werden zum Teil überhaupt nicht gelesen und beachtet. Ich brauche in diesem Hause nicht zu betonen, um welche geradezu erschütternden Zahlen es sich hier handelt. Von diesen Unfällen werden ja nicht nur die unmittelbar Betroffenen berührt, sondern es hängen an diesen Menschen, die getötet, die verletzt sind, doch eine Reihe weiterer Menschen, in deren Schicksal durch diese Ereignisse tief eingegriffen wird. Man sollte überlegen, ob diese Zahlen nicht periodisch groß herausgestellt werden sollten, damit die ganze Offentlichkeit laufend gewahr wird, welche ungeheuren Gefahren der heutige Verkehr mit sich bringt. Das sollte nicht nur in kleinen Glossen am Rande mitgeteilt werden. Ich möchte auch unterstreichen, was Herr Bauer und mein Herr Vorredner, Herr von Vittinghoff, so klar herausgestellt haben, daß wir nämlich mit den Maßnahmen, die der zur Verabschiedung anstehende Gesetzentwurf vorsieht, allein nur einen relativ geringen Erfolg erzielen werden, daß die anderenDinge daneben unabweisbar notwendig bleiben, ja täglich notwendiger werden; insbesondere die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auf den Straßen und die Erziehung. Man sollte gerade im Zusammenhang mit einem Strafgesetz betonen: die Bestrafung der Verkehrsteilnehmer kann immer nur die Ultima ratio sein. Alle diejenigen, die, wo auch immer, mit den Problemen befaßt sind, sollten ihr Augenmerk in erster Linie auf eine Erziehung richten. Sie muß klarmachen, daß die Verhältnisse, wie sie nun mal eben sind, erhöhte Anforderungen an den Menschen stellen, an seine Aufmerksamkeit wie auch an sein moralisches Verhalten; Intellekt und Moral sind im gleichen Maße angesprochen und müssen, solange nicht die tatsächlichen Verhältnisse verbessert sind, mehr beachtet werden, als es in der Vergangenheit geschehen ist. Gerade die Trunkenheitsdelikte, deren Zahlen heute genannt worden sind, zeigen meines Erachtens mit erschreckender Deutlichkeit, wie wenig die Einsicht bisher auf diesem Gebiet vorgeschritten ist. Steigt doch die Zahl der notwendigen Verurteilungen laufend. Trotz immer schwerer werdender Strafen wird in diesem Punkte mehr und mehr gesündigt, ein Zeichen, wie wenig auf diese Weise letztlich gebessert werden kann. Immerhin ist es gerechtfertigt, daß der Trunkenheitstatbestand nunmehr zu einem Vergehen gemacht worden ist, womit die Möglichkeit harter Bestrafung gegeben ist. Inwieweit sie zum Erfolg führt, müssen wir der Zukunft überlassen. Ich will mir ersparen, noch einmal auf die Bestimmungen im einzelnen einzugehen. Es ist schon so, wie gesagt worden ist: gewiß sind einige Verschärfungen vorgenommen worden, auf der anderen Seite sind aber auch eine Fülle von Dingen im Interesse der Verkehrsteilnehmer klarer gemacht worden. Damit ist künftig auch die Rechtsprechung in der Lage, das effektive Schuldmaß, so wie es notwendig ist, zur Festsetzung der Strafe, der Maßnahmen und all der Dinge heranzuziehen. Ich möchte zum Schluß nur zwei Anregungen geben. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn wir mit der von Ihnen, Herr von Vittinghoff, angesprochenen Harmonisierung im europäischen Raum weiterkommen könnten. Denn die Divergenzen zwischen den verschiedenen Strafrechtsbestimmungen, Verkehrsbestimmungen usw. in den einzelnen Ländern sind kein Tatbestand, der die Verkehrssicherheit fördert. Aber das wird ein schwerer und langer Weg sein. In diesem Zusammenhang darf ich auch noch die Anregung geben, die in anderen Ländern, wie ich gehört habe, bereits praktiziert wird: daß man dem vom Ausland kommenden Fahrer an unserer Grenze ein Merkblatt aushändigt, in dem ihm die wichtigsten Bestimmungen unseres Verkehrsrechts noch einmal vorgehalten und verständlich gemacht werden, damit er sich danach richten kann. Gerade die Debatte vom Mittwoch und auch die des heutigen Vormittags zum Teil haben sich um ein großes einheitliches Problem bewegt. Das, was wir jetzt beschließen, ist ein Baustein, wie Herr Bauer mit Recht gesagt hat, - vielleicht nur ein kleiner Baustein, aber ein notwendiger Baustein und ein guter Baustein. Darum werden wir dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung geben. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, daß das Hohe Haus sich dieser Verkehrsstrafrechtsnovelle mit Vorzug angenommen hat. Da die umfangreicheren Reformwerke, die aus meinem Hause kommen, hier nicht mit allzu großer Begeisterung aufgenommen werden, bin ich schon sehr dankbar, daß diese Novelle heute verabschiedet wird. Es ist nur eine kleine Novelle, aber sie ist von sehr großer praktischer Bedeutung. Das ist in den Ausführungen der drei Herren Fraktionssprecher übereinstimmend zum Ausdruck gekommen. Ich kann mit Rücksicht auf diese Ausführungen und auf die vorgeschrittene Zeit darauf verzichten, zu der Novelle noch ausführlich Stellung zu nehmen. .Ich möchte nur zu zwei Punkten etwas sagen. Einmal, glaube ich, ist hier ein Anlaß, diesem Hause und der Offentlichkeit Aufschluß zu geben über den Stand unserer Überlegungen in der Frage des Blutalkohols. Zum zweiten möchte ich noch besonders auf die Punkte in der Novelle hinweisen, die eine Verbesserung vom Standpunkt des Verkehrsteilnehmers und eventuellen Beschuldigten aus bedeuten. Es ist kein Zufall, daß man öfters darauf angesprochen wurde, wann denn nun diese Novelle komme, und zwar hauptsächlich von Rechtsanwälten, was ja zeigt, daß gerade auf seiten des Verteidigers ein Interesse an dieser Novelle besteht. Zunächst zur Frage des Blutalkohols. Ich begrüße es, daß der Rechtsausschuß sich entschlossen hat, den Übertretungstatbestand zu einem Vergehenstatbestand anzuheben - was ja in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten war -; denn tatsächlich liegt in diesem Komplex der bedenklichste Anteil dessen, was man als die menschliche Komponente im Straßenverkehr bezeichnet, eine Komponente, der wir nicht durch vermehrten und verbesserten Ausbau unseres Straßennetzes abhelfen können. Ich möchte dazu noch zwei Zahlen nennen. Der Anteil der alkoholbeeinflußten Unfälle mit Personenschaden an der Gesamtzahl der Unfälle mit Personenschaden ist erheblich gestiegen, und zwar bei Unfällen mit Verletzten von 7,8 % im Jahre 1953 auf 14,1 % im Jahre 1962, bei Unfällen mit Getöteten sogar von 15,1% im Jahre 1953 auf 28,3 %. im Jahre 1962. Ich glaube, diese Zahlen haben sich im Bewußtsein der Öffentlichkeit niedergeschlagen. Jedenfalls ist heute die Opposition gegen die Auffassung, daß man gegen diese Zunahme der Unfälle infolge Alkoholeinflusses etwas tun müsse, nicht mehr so stark, wie sie noch vor einiger Zeit war. Weithin macht sich doch die Einsicht bemerkbar, daß man auch an die Opfer dieser Unfälle denken muß und der Gesetzgeber dem Rechnung zu tragen hat. Bekanntlich hat mein Vorgänger im Amt, Herr Bundesminister Schäffer, gegen Ende des Jahres 1960 ein umfassendes medizinisches Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zur Frage der Alkoholdelikte im Straßenverkehr angefordert. Von diesem Gesamtgutachten sind zwei Teilgutachten erstattet worden, das erste im Frühjahr 1962 und das zweite im Herbst 1963; das dritte kann wohl noch für dieses Jahr erwartet werden. Die beiden bisherigen Gutachten kommen im wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: 1. Die derzeitige Behandlung des Alkoholdelikts im Verkehrsstrafrecht wird den verwickelten Zusammenhängen zwischen Alkoholwirkung und Verkehrssicherheit nicht mehr gerecht. 2. Für eine Neuregelung des Alkoholdelikts wird - so das Gutachten - empfohlen, das Führen eines Kraftfahrzeuges bei dem Gefahrengrenzwert von 0,8 pro mille und darüber unter Strafe zu stellen, ohne daß im Einzelfall Fahrunsicherheit nachgewiesen zu werden braucht. Das steht also im Gegensatz zum jetzigen Zustand, wo nach der Rechtsprechung ein absoluter Fahruntüchtigkeitswert von 1,5 pro mille besteht, unterhalb dessen der einzelne nachweisen muß, daß er nicht fahruntüchtig war. Bei diesem vorgeschlagenen Gefahrengrenzwert von 0,8 pro mille handelt es sich sozusagen um einen schematischen Wert. 3. Im Gutachten wird empfohlen, die Rechtsprechung möge bis zu einer gesetzlichen Neuregelung den Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,5 pro mille auf 1,2 pro mille herabsetzen. Damit ist aber der Auftrag, ein Gutachten zu erstatten, noch nicht vollständig erfüllt. Es steht noch, wie gesagt, das dritte Teilgutachten aus, das sich vor allem mit der Zuverlässigkeit der bisher gebräuchlichen Alkoholbestimmungsmethoden und den Möglichkeiten ihrer Verbesserung zu befassen hat. Dieses Gutachten ist selbstverständlich Voraussetzung für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob man den bisher in den beiden Teilgutachten gemachten Vorschläge folgen soll. Die beiden Teilgutachten sind den Landesjustizverwaltungen und auch den Gerichten zugeleitet worden. Einige Gerichte sind unter Berufung auf das zweite Teilgutachten dazu übergegangen, die absolute Fahruntüchtigkeit tatsächlich schon bei 1,2 Promille anzunehmen. Der Bundesgerichtshof ist jedoch diesem Vorschlag des Gutachtens nicht gefolgt. Er hat entschieden, daß zur Zeit kein hinreichender Grund bestehe, von dem allgemeinen Grenzwert von 1,5 Promille abzugehen, und unter anderem auch darauf hingewiesen, daß das dritte Teilgutachten noch ausstehe und eine klare Aussage über die Fehlerbreite der Blutalkoholbestimmung noch nicht vorgelegt worden sei. Das ist also die Situation. Die Bundesregierung wird nach Fertigstellung des gesamten Gutachtens des Bundesgesundheitsamts prüfen, ob sie, wie bis jetzt vorgeschlagen, die Schaffung eines Alkoholtatbestandes, der das Fahren von einem bestimmten Gefahrengrenzwert an unter Strafe stellt, vorschlagen soll. - Das zum ersten Punkt. Zum zweiten liegt mir noch daran, darauf hinzuweisen, daß dieser Entwurf auch eine Reihe von Verbesserungen der Situation eines Beschuldigten bringt. Schon die Einführung eines Fahrverbots wird sich in vielen Fällen als eine solche Verbesserung auswirken. Denn der Richter ist in Zukunft nicht mehr wie bis jetzt vor die Entscheidung gestellt, ob er eine Entziehung der Fahrerlaubnis auf mindestens sechs Monate aussprechen oder ob er gar nichts tun soll. Er wird dann auf dieses Fahrverbot ausweichen können. Vor allem aber ermöglicht es der Entwurf, die Zeit einer vorläufigen Entziehung auf die festgesetzte Sperrfrist in bestimmter Weise anzurechnen. Diese Regelung, die immer wieder erhobenen Wünschen der Praxis entspricht, vermeidet es, daß Verzögerungen des Verfahrens, auch etwa durch Einlegung von Rechtsmitteln, einseitig zu Lasten des Beschuldigten gehen. Ferner wird es ermöglicht, daß bei der Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmte Arten von Fahzeugen wie etwa der Traktor eines Landwirts von der Sperre ausgenommen werden. Auch wird sich als Erleichterung auswirken - was ebenfalls auf eine Bestimmung zurückzuführen ist, die der Rechtsausschuß eingefügt hat -, daß das Gericht künftig gehalten ist, im Urteil anzugeben, weshalb die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht angeordnet worden ist, obwohl sie nach Art der Tat möglich war. Dadurch wird die Verwaltungsbehörde an den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidung gebunden und kann nicht die Tat zum Anlaß nehmen, nun ihrerseits dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es ist auch noch darauf hinzuweisen, daß nach dem geltenden § 315 die Regelstrafe Zuchthaus ist, während jetzt als Regelstrafe Gefängnis vorgesehen wird, - eine Tendenz, die auch der Tendenz des Strafgesetzentwurfs entspricht. Diese Beispiele ließen sich noch vermehren. Ich möchte es aber damit bewenden lassen. Er soll damit auch nur gezeigt werden, daß der Entwurf keineswegs die Tendenz hat, uns zu einem Volk von Vorbestraften zu machen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es sehr wesentlich wäre, wenn auch folgendes bald Gesetz würde, was in der Strafrechtsreform vorgesehen ist: daß für den ganzen Bereich der Fahrlässigkeitstaten, insbesondere also der Fahrlässigkeit im Verkehr, überhaupt nicht mehr die Gefängnisstrafe in Betracht kommt, sondern eine neue Strafart, die Strafhaft. Das ist ein sehr guter Vorschlag, der es vermeiden soll, daß in Zukunft derjenige, der sich eines fahrlässigen Verkehrsdelikts schuldig gemacht hat, schon äußerlich dadurch, daß er im Gefängnis sitzt, einem Kriminellen gleichgestellt wird. Ich darf diese Gelegenheit benutzen, dem Hohen Hause und der Offentlichkeit die Bedeutung der Strafrechtsreform auch auf diesem Gebiet klarzumachen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer .dem Gesetz mit der in ,der zweiten Beratung angenommenen Änderung ,zustimmt, erhebe sich. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von ,den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, 'FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anordnung allgemeiner Zwischenfestsetzungen durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienste in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ({0}). Die erste Beratung ist am Mittwoch durchgeführt worden. Es liegt der Bericht ides Herrn Abgeordneten Berberich vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ergänzung deis Berichts wird nicht gewünscht. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, -Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen will, erhebe sich. -- Das Gesetz ist einstinmig angenommen. Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen ({1}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Krankenpflege ({2}) . Es liegt oder Bericht der Frau Abgeordneten Engländer vor. Wird Ergänzung gewünscht? - Das ist nicht )der Fall. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt.

Dr. Horst Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002009, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den vorliegenden Antrag einbrachte, drückte meine Fraktionskollegin Frau Dr. Hubert die Hoffnung aus, daß er sehr zügig behandelt werden könne, damit die Bundesregierung auch möglichst bald den Entwurf eines neuen Krankenpflegegesetzes vorlegen könne. Nun, der Ablauf war l'eid'er nicht so, wie wir es im Interesse der Sache gewünscht hätten. Nachdem die erste Lesung bereits im November letzten Jahres stattfand, wurde der Antrag erst im März im Ausschuß behandelt, und nun endlich kommt er in die Beschlußfassung des Plenums. Trotzdem dürfen wir sagen, daß wir es uns als Vorauserfolg anrechnen, wenn die Bundesregierung sich unter dem Druck unseres Antrages beeilt und am letzten Freitag im Kabinett den Entwurf eines neuen Krankenpflegegesetzes verabschiedet hat. Dieser Entwurf ist aber noch nicht im Bundesrat behandelt worden und liegt dem Bundestag noch nicht vor, so daß kein Grund besteht, unseren Antrag für gegenstandslos zu erklären, zumal hier eine ganze Reihe von übereinstimmenden Punkten festgehalten werden, die sich 'auch 'auf die Beratungen ides Bundesrates auswirken können. Natürlich gibt es eine Reihe von Fragen, die noch offen sind und einer gründlichen späteren Beratung beim Gesetz bedürfen. Es bestreitet ,aber heute niemand mehr, daß das 1957 verabschiedete Krankenpflegegesetz nicht mehr modern genug ist und nicht mehr ausreicht, umgenügend junge 'Menschen in den ,Krankenpflegeberuf zu vermitteln. Der Mangel an Pflegepersonal, besonders an Krankenschwestern, wird immer spürbarer und kann verhängnisvolle Folgen für unsere kranken Menschen haben. Die Ursachen für diesen Zustand sind an dieser Steile schon angesprochen worden; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Bessere Ausbildung, einheitliche Ausbildung und Anpassung der Ausbildung an den wissenschaftlichen Fortschritt sind heute Forderungen, die baldmöglichst erfüllt werden müssen. Dabei muß die volle Eröffnung des Weges zur Krankenschwester Dr. Schmidt ({0}) auch für die Begabungen aus dem großen Kreise der Volksschülerinnen möglich gemacht werden. Ein weiteres Kernproblem liegt in der Frage, wie die Zeit zwischen dem Ende der Schulzeit und dem Beginn der Ausbildung überbrückt werden kann. Sicher werden Vorschulen und Fachschulen eine größere Zahl junger Menschen in die Pflegeberufe überleiten. Trotzdem gehen auch heute noch eine große Anzahl fähiger und auch bereiter junger Menschen den Pflegeberufen verloren, weil sie bessere Verdienstmöglichkeiten in anderen Berufssparten vorziehen. Man wird deshalb auf jeden Fall auch noch alle anderen Möglichkeiten prüfen müssen. So sollte beispielsweise die bestehende Altersgrenze von 18 Jahren auf keinen Fall starr, sie muß etwas elastisch gehandhabt werden. Über die Einführung des neuen Berufsbildes der Krankenpflegehelferin mit einjähriger Ausbildung und abschließenden Examen bestehen heute kaum noch Zweifel. Eine für uns besonders wesentliche Forderung ist die Bereitstellung ausreichender Mittel für die Ausbildung, die sich nicht auf Sachleistungen und geringes Taschengeld beschränken dürfen. Hier muß vielmehr eine echte und spürbare Ausbildungsbeihilfe einsetzen, gerade, um ein Äquivalent zu anderen Berufszweigen zu schaffen. Das ist eine öffentliche Aufgabe, die zwar nicht von der Bundesregierung oder vom Bundestag geregelt werden kann, deren Bestehen aber festgestellt werden muß, um die in Frage kommenden Verantwortlichen auf I die Verwirklichung dieser Forderung hinzuweisen. In den letzten Jahren ist sehr viel über den Schwesternmangel und darüber gesprochen worden, wie man ihn beheben könnte. Es hat sich nun eine Auffassung durchgesetzt, die in dem vorliegenden Antrag ihren Niederschlag findet und auch großenteils in dem Entwurf der Bundesregierung wiederkehrt. Der heute vorliegende Antrag, der die Bundesregierung auffordert, unsere Vorschläge im neuen Krankenpflegegesetz zu berücksichtigen, sollte aber mehr sein. Er ist schon eine vorausgehende Aussage dieses Parlaments, eine Art Willenskundgebung, am neuen Krankenpflegegesetz bewußt mitzuarbeiten, um möglichst bald dem immer bedrohlicher werdenden Pflegepersonalmangel zu begegnen. Wir glauben, daß die Zeit drängt. Noch so große Anstrengungen der Länder und Gemeinden auf dem Krankenhaussektor nutzen aber letztlich nichts, wenn die neu erbauten Stationen leer stehen. Modernste Kliniken mit moderner Technik müssen aber leer stehenbleiben, wenn nicht genügend Pflegepersonal vorhanden ist. Es bedarf also einer besonderen Anstrengung, so schnell wie möglich ein modernes Krankenpflegegesetz zu schaffen, das den jungen Menschen den Weg in diesen schönen Beruf mehr als bisher ebnet und auch leichter beschreiten läßt. Dazu soll dieser Antrag beitragen. Wir bitten Sie, ihm ihre Zustimmung zu geben. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Frau Abgeordnete Blohm.

Irma Blohm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. Auch wir empfehlen Ihnen die Annahme dieses Antrages. Wir haben den Antrag der SPD im Gesundheitsausschuß beraten, obwohl wir damals schon von der Bundesregierung wußten, daß .der Gesetzentwurf dem Justizministerium vorlag. Nunmehr ist dieser Gesetzentwurf erstellt und wird dem Bundesrat zugeleitet. Wir halten es deshalb für verfrüht, jetzt in eine Sachdebatte einzusteigen. Bei der ersten Beratung des zu erwartenden Gesetzentwurfs werden wir noch genügend Gelegenheit haben, uns darüber zu unterhalten. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.

Dr. Hedda Heuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000892, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist mehrfach gefragt worden, ob die Behandlung dieses Antrags zu diesem Zeitpunkt noch sinnvoll gewesen sei. Ungeachtet dessen, welche zeitlichen Überschneidungen sich hier glücklicher- oder unglücklicherweise ergeben haben, bin ich der Meinung, daß diese Vorabdiskussion im Ausschuß außerordentlich sinnvoll gewesen ist. Sie hat nämlich sehr deutlich die Gemeinsamkeiten gezeigt, die innerhalb dieses Hauses bezüglich dieser Frage existieren. Es hat sich ferner ergeben, daß wir alle der Meinung sind, daß ungeachtet von Gleichheitsprinzipien hier ein Beruf ist, dem man mehr auf die Sprünge helfen muß als manchem anderen. Ich meine hiermit die Fragen der Ausbildungsbeihilfen, die soeben vom Kollegen Dr. Schmidt angeschnitten worden sind. Der prekärste Punkt bei der Behandlung dieses Krankenpflegegesetzes wird, wie sich das in der damaligen ersten Lesung schon gezeigt hat, die Frage sein, ob wir die Berufsausübung schützen wollen oder nicht. Sie wissen, daß ich damals bei der ersten Beratung dazu neigte, zu .sagen, daß die Möglichkeit doch dann gegeben wäre, wenn man garantieren könnte, daß Übergangsbestimmungen dafür sorgten, daß es bei einem solchen Schutz der Berufsausübung nicht zu neuen Kalamitäten bei den Krankenhäusern käme. Ich möchte aber nicht versäumen, heute und hier zu sagen, daß wir uns so gesehen jetzt in einer anderen Situation befinden als damals, als wir zum erstenmal darüber sprachen. Wenn ich mich an die Haltung der Länder in ,den Fragen des Jugendzahnpflegegesetzes erinnere, muß ich nämlich bezweifeln, daß wir - was nötig wäre - einheitliche Übergangsvorschriften der Länder zu erwarten haben. Ich glaube in der Tat, daß diese notwendig wären, um hier zu einem guten Funktionieren zu kommen. Wir empfehlen ebenfalls, den Antrag des Gesundheitsausschusses anzunehmen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Darf ich feststellen, daß das Haus dem Antrag des Ausschusses einstimmig zustimmt? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung: Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Sechsundsechzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({0}) ({1}). Vorgesehen ist die Überweisung an den Außenhandelsausschuß. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt 22, dem letzten Punkt unserer Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Mittelstandsfragen ({2}) über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP betr. stärkere Berücksichtigung freier Berufe bei staatlichen Aufträgen ({3}). Der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Lange ({4}) liegt vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Eine Aussprache wird auch nicht begehrt. Es liegt vor der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/ 2302. Darf ich feststellen, daß das Haus einstimmig zustimmt? - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, 24. Juni 1964, 9.00 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.