Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/10/1964

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen ,und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird Idle Tagesordnung erweitert um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Bading, Frau Dr. Hubert, Junghans, Junker, Kurlbaum, Lange ({0}) und Fraktion der SPD betr. Kreditprogramm zur Reinhaltung der Luft - Drucksache IV/2328 und Beratung des Antrags .der Abgeordneten Bading, Frau Dr. Hubert, Junghans, Junker, Kurlbaum, Lange ({1}) und Fraktion der SPD betr. Richtlinien zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - Drucksache IV/2329 -. - Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen. Ich schlage Ihnen vor, die Beratung dieser Anträge im Anschluß an den Tagesordnungspunkt 12 vorzunehmen. Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Juni 1964 dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres zugestimmt. Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 3. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verwaltungsabkommen über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder - Drucksache IV/1951 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2315 verteilt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 4. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verfolgung von Straftaten unter dem NS-Regime - Drucksache IV/2213 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2323 verteilt. Der Herr Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat unter dem 4. Juni 1964 seinen Jahresbericht 1963 gemäß § 2 Abs. 3 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache IV/2305 verteilt. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung des Rats zur Verlängerung und Änderung der Verordnung Nr. 31/63/EWG des Rats vom 2. April 1963 betreffend die vorherige Festsetzung der Abschöpfung für bestimmte Erzeugnisse ({2}) an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn tim Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vorn 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({3}) - Drucksache IV/2307 -Dreiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({4}) - Drucksache IV/2308 Vierundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({5}) - Drucksache IV/2309 Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({6}) - Drucksache IV/2310 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage der Berichte rechtzeitig vor dem Plenum am 24. Juni 1964 Neunundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({7}) - Drucksache IV/2313 -Zweiundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({8}) - Drucksache N2314 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Behandlung Vierzehnte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksache IV/2306 an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 24. Juni 1964. Wir kommen damit zur Fragestunde ({9}). Ich rufe auf die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen -: Trifft die nach Pressemeldungen vom Nationalkomitee der kroatischen Ustaschi aufgestellte Behauptung zu, daß Bundeskanzler Erhard und Vizekanzler Mende Glückwunschtelegramme an das Nationalkomitee aus Anlaß des Jahrestages der Losreißung Kroatiens von Jugoslawien geschickt haben? Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen hat sich mit schriftlicher Beantwortung der Frage einverstanden erklärt. ({10}) - Ist Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen im Saal? - Er hat es nicht erwartet. - Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Schwabe übernommen. Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Weder der Herr Bundeskanzler noch sein Stellvertreter haben dem Nationalkomitee Glückwunschtelegramme oder Glückwunschschreiben oder andersgeartete Glückwunschadressen zugeleitet. Die Pressemeldungen entbehren daher jeder Grundlage.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Wolfgang Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002119, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich fragen, Herr Vizekanzler, ob die Bundesregierung auf diese Pressemeldungen in irgendeiner Form reagiert hat. Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich glaube, die beste Reaktion ist die Antwort auf die Frage des Kollegen Schmitt-Vockenhausen. Mir sind die Pressemeldungen zu dieser Frage bis zur Stunde nicht bekanntgeworden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, und komme zu der Frage aus Ihrem eigenen Geschäftsbereich - des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert -: Wird der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen dafür Sorge tragen, daß im Rechnungsjahr 1965 dem Pfalztheater in Kaiserslautern in gleicher Höhe wie bisher und dem Pfalzorchester in Ludwigshafen erstmalig 'für die von diesen Institutionen geleistete kulturelle Grenzlandarbeit Bundeszuschüsse aus Grenzlandmitteln gewährt werden?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Herr Kollege Müller-Emmert, das Pfalztheater Kaiserslautern wird wegen seiner allgemeinen kulturellen und grenzpolitischen Bedeutung für die westlichen Grenzgebiete seit dem Rechnungsjahr 1950 aus Bundesmitteln gefördert, und zwar belief sich der Betrag seit dem Rechnungsjahr 1958 auf jährlich 40 000 DM. Es ist auch vorgesehen, diese Förderung fortzusetzen. Die Höhe des Förderungsbetrages richtet sich nach den Bewilligungen im Haushaltsausschuß. Auch das Pfalzorchester Ludwigshafen wird seit dem Jahre 1951 laufend unterstützt. Hier unterliegen Sie, Herr Kollege Müller-Emmert, einem Irrtum, wenn Sie glauben, daß eine Förderung bisher nicht erfolgt ist. Auch hier wird es von der Höhe der im Haushaltsausschuß und im Bundestag dafür vorgesehenen Mittel abhängen, in welcher Höhe die Förderung fortgesetzt werden kann.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würden Sie sich also in Zukunft bei den Beratungen im Haushaltsausschuß dafür einsetzen, daß im nächsten Jahr das Pfalztheater und das Pfalzorchester weiterhin wie bisher unterstützt werden?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Ich glaube diese Zusage uneingeschränkt hier geben zu können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es nicht so, daß Sie bei einer Pressekonferenz in Landau in der Pfalz Ende April dieses Jahres, zumindest was die Unterstützung des Pfalzorchesters betrifft, nicht klar das zum Ausdruck gebracht haben, was Sie heute gesagt haben?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Aus Gründen allgemeiner Einsparungen wurde durch meinen Herrn Vorgänger eine Einschränkung der Unterstützung vorgesehen. Auf Grund gewisser Interventionen des Kultusministers des Landes Rheinland-Pfalz und der Abgeordneten Müller-Emmert und Hamm ist die Frage neu überprüft worden, und wir haben uns trotz der angespannten Haushaltslage zu einer weiteren Unterstützung entschlossen. Genau das habe ich in Landau in der Pfalz bekanntgegeben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, bitte.

Hermann Biechele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, nach welchen Kriterien werden Bundeszuschüsse aus Grenzlandmitteln für kulturelle Grenzlandarbeit vergeben?

Dr. Erich Mende (Minister:in)

Politiker ID: 11001467

Hierfür, Herr Kollege, gibt es Richtlinien im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Darüber hinaus gibt es den Fünferausschuß dieses Hauses, in dem alle drei Fraktionen vertreten sind. Einzelheiten solcher Fragen werden aus guten Gründen in diesem Fünferausschuß beraten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Hermann Biechele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stehen für andere Orchester, etwa für das Bodensee-Symphonieorchester in Konstanz, das sicher in gleicher Weise -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege, diese Frage gehört nicht mehr als Zusatzfrage zu der gestellten Frage. Dann müssen Sie eine eigene Frage in der nächsten Fragestunde einbringen. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen dann zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen, der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé: Wann ist damit zu rechnen, daß österreichische Postsparer in der Bundesrepublik den gleichen Betrag abheben können, wie das jetzt für deutsche Postsparer in Osterreich möglich ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Im Hinblick auf den ständig zunehmenden Reiseverkehr zwischen der Bundesrepublik und Osterreich hat der Bundespostminister bereits am 7. Dezember 1961 dem Generaldirektor der österreichischen Post die Einführung eines internationalen Postsparkassendienstes zwischen den beiden Ländern vorgeschlagen. Nach eingehender Prüfung erklärten der österreichische Bundesfinanzminister und der Generaldirektor, daß aus Gründen des Betriebs und des Devisenrechtes die Benutzung österreichischer Postsparbücher nicht in Frage komme, daß man jedoch einer Vereinbarung über Rückzahlungen aus PostsparbüStaatssekretär Bornemann ehern der Deutschen Bundespost in Osterreich positiv gegenüberstehe. Zur Begründung wurde auf den nur geringen Reiseverkehr von Österreichern in die Bundesrepublik hingewiesen. Die Benutzung österreichischer Postsparbücher in der Bundesrepublik ist also auf ausdrücklichen Wunsch des österreichischen Verhandlungspartners in der Vereinbarung nicht vorgesehen worden. Es wird auch in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen sein.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage!

Wolfgang Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002119, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, glauben Sie - oder Ihr Haus - nicht, .daß es jetzt ganz allgemein notwendig sei, diesen wechselseitigen internationalen Postsparverkehr auszubauen, nachdem wir bei den Banken allgemein die Fünftagewoche haben und wir für den internationalen Fremdenverkehr die gute Gelegenheit hätten, unter Ausnutzung der Möglichkeiten der Post immer am Samstag und oft auch noch am Sonntag eine Versorgung der Reisenden mit Geld und damit eine wirkliche Sicherheit für den Reisenden, der dann nicht soviel Geld mitzunehmen braucht, zu gewährleisten?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir halten den Ausbau eines solchen internationalen Dienstes für durchaus wünschenswert. Ich muß aber auf die Schwierigkeiten hinweisen, die sich in jedem einzelnen Falle vielleicht ergeben können. Abgesehen von dem Einverständnis des anderen Partners ist ja auch auf Sprachschwierigkeiten und dergleichen hinzuweisen, wenn derartige Dokumente, Sparbücher usw. ausgefüllt werden müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, einer Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert: Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, damit die kleinen und mittleren Gemeinden mit den erheblichen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Bundesbaugesetzes, insbesondere bei der Durchführung von Bebauungs- und Umlegungsverfahren, fertig werden, die darin begründet sind, daß die Anwendung dieses Gesetzes Fachkräfte mit speziellen Kenntnissen erforderlich macht, über die die Gemeinden weit überwiegend nicht verfügen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung ist seit langem bemüht, den kleinen und mittleren Gemeinden bei der Behebung dieser Schwierigkeiten zu helfen. Die Bundesregierung hat - zusammen mit den zuständigen Landesregierungen - die Gründung zweier Städtebauinstitute veranlaßt und fördert diese Institute weiter. Diese Institute bestehen in Berlin und München, werden organisatorisch von der Deutschen Akademie für Städtebau getragen und arbeiten mit den Technischen Hochschulen zusammen. Sie widmen sich bevorzugt der Fortbildung der in der Praxis stehenden Städtebauer und Architekten gerade für die Aufgaben der kleinen und mittleren Gemeinden. Die Bundesregierung hat ferner beim Technischen Oberprüfungsamt in Frankfurt angeregt, daß im Ausbildungsgang der Regierungsbaureferendare stärker als bisher der Städtebau eingebaut wird. Die Ministerpräsidenten der Länder haben diese Anregung dankenswerterweise aufgegriffen und verwirklicht. Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat ferner die Landesregierungen gebeten, die Möglichkeiten der Planerausbildung an Technischen Hochschulen, Universitäten und Staatsbauschulen zu verbessern. In diesem Punkt der Ausbildung an Hochschulen und Fachschulen steht der Bundesregierung ein weitergehender, unmittelbarer Einfluß nicht zu. Um den freischaffenden Architekten einen größeren Anreiz zur Übernahme von Aufträgen zur Anfertigung von Bauleitplänen zu geben, wird zur Zeit an einer Verbesserung der in Betracht kommenden Gebührenordnung für Architekten gearbeitet. In diesem Zusammenhang darf ich noch darauf hinweisen, daß auch das Bundesbaugesetz selbst den kleineren und mittleren Gemeinden bereits gewisse Hilfen zur Verfügung gestellt hat. So hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausarbeitung der Bauleitpläne nicht mit gemeindeeigenen Kräften durchgeführt werden muß, sondern daß andere fachlich geeignete Personen beauftragt werden können. Ferner können die Landesregierungen Stellen bestimmen, die verpflichtet sind, auf Antrag der Gemeinden Bauleitpläne auszuarbeiten. Von dieser Möglichkeit haben eine Reihe von Ländern, unter ihnen auch Rheinland-Pfalz, Gebrauch gemacht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, daß der Bundeswohnungsbauminister zusammen mit den zuständigen Landesministern Richtlinien erarbeitet, die zum Ziele haben, daß auf Landkreisebene vermehrt Dienstbesprechungen stattfinden, auf denen die Bürgermeister und die Gemeindesekretäre in die Geheimnisse des Baudesbaugesetzes entsprechend eingeweiht werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, wir sind alle daran interessiert, daß das Bundesbaugesetz kein Geheimnis ist und kein Geheimnis bleibt. Wir haben daher auch schon Aufklärungsschriften herausgegeben, wie das Bundesbaugesetz angewandt werden soll. Ich bin aber gern bereit, Ihre Anregung aufzugreifen und mit den Landesregierungen in dieser Richtung noch einmal zu sprechen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wäre es nicht möglich, daß der Bund und die Länder sich auch dahingehend einigen, daß Verwaltungsrichtlinien auf Länderebene herausgegeben werden, die zum Inhalt haben, daß die Landratsämter, die ja nach dem Bundesbaugesetz praktisch ausgeschaltet sind, gewissermaßen als Vorprüfstellen tätig werden und die Pläne der einzelnen Gemeinden vorprüfen, bevor sie an die obere Baubehörde weitergegeben werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das ist eine Frage des kommunalen Verfassungsrechts, das in den einzelnen Ländern verschieden ist. Ich glaube nicht, daß der Bund so weitgehend 'den Gang der Dinge beeinflussen kann, nachdem er sich nun einmal im Bundesbaugesetz bewußt zur kommunalen Planungshoheit bekannt hat.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.

Alois Strohmayr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002275, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im allgemeinen die Bezirksregierungen die größten Schwierigkeiten machen, wenn Bauleitpläne eingereicht werden? Es erweckt den Anschein, daß die zuständigen Referenten bei den Bezirksregierungen oft selber nicht in der Lage sind, zu beurteilen, ob die Bauleitpläne in Ordnung sind oder nicht. Es kommt ides öfteren vor, daß Bauleitpläne von Architekten zwei- bis dreimal zurückgewiesen werden, die von der fachlichen Seite her bestimmt in der Lage sind, die Bauleitpläne bestens auszuarbeiten. Auch die Verfahrensweise wird oft von der Regierung zwei- bis dreimal umgestoßen. Die ganze Textierung usw., die Novellierung und all die Dinge -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Sie müssen eine Frage stellen, Herr Abgeordneter, und nicht Ausführungen machen. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das läuft in den Ländern sehr verschieden. Für den größten Teil der Bundesrepublik hat das Bundesbaugesetz in dieser Beziehung nichts Neues gebracht. Anders ist es nur in Bayern und in Hessen gewesen, wo bis dahin die Gemeinden eine so weitgehende Planungshoheit nicht gehabt haben. Das ganze Problem liegt in dem Fehlen fachlich geeigneter Persönlichkeiten auf Gemeindeebene und wohl auch auf Regierungsebene. Wir müssen uns bemühen, diesem Mangel zu begegnen. Ich glaube, nur von der personellen Seite her verspricht dies auf die Dauer Erfolg. Im übrigen wollen wir für die Anfertigung von Bauleitplänen Richtlinien herausgeben. Wir versprechen uns auch davon eine Vereinfachung des Verfahrens.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002275, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein großer Teil der Architekten wegen des Durcheinanders, das bei den Bezirksregierungen herrscht, nicht mehr gewillt ist, Bauleitpläne anzufertigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist mir nicht bekannt. Ich glaube auch nicht, daß man das generell für die Bundesrepublik sagen kann. Uns ist wohl bekannt, daß Schwierigkeiten in der mangelnden Honorierung dieser Arbeiten für die Architekten liegen. Aber ich sagte schon, daß wir uns bemühen, eine Verbesserung der Gebührensätze zu erreichen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie die Anregung des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert aufgreifen, die Landratsämter als Vorprüfstellen einzuschalten und darüber Besprechungen mit den zuständigen Länderministern zu führen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich will gern mit den Ländern in dieser Richtung einmal Fühlung nehmen, aber ich sagte schon: Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Landesregierungen bereit sein werden, das zu tun; denn das ist eine Frage der Kommunalverfassung, die in den Ländern sehr verschieden ist, und das Bundesbaugesetz hat den Gemeinden die Planungshoheit gegeben. Es ist nun Sache der Länder, allein der Länder, zu regeln, wie die Prüfung dieser Bauleitpläne erfolgen soll, ob die Kreise eingeschaltet werden sollen oder ob das unmittelbar durch die Bezirksregierungen geschehen soll.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage!

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben vor etwa einem Jahr hier an der gleichen Stelle auf meine entsprechende Frage geantwortet, daß Sie bereit seien, mit den Ländern darüber zu verhandeln, daß Erleichterungen bei der Durchführung des Bundesbaugesetzes innerhalb der Länder empfohlen werden. Hat diese Besprechung bereits stattgefunden, mindestens mit dem Ziele, in den Zonenrandgebieten, im Grenzgebiet, die Durchführbarkeit des Bundesbaugesetzes zu ermöglichen und insoweit die große Zahl von Härtefällen, 'die sich bei der bisherigen Anwendung ergeben, zu vermindern, wenn nicht zu beseitigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich weiß im Augenblick nicht, auf welche Gruppen von Tatbeständen sich diese Härtefälle beziehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Es ist darum gebeten worden, die Fragen ,aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministers vorzuziehen, weil Herr Bundesminister Höcherl zur Kabinettssitzung muß. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Wir kommen also zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ,des Bundesministers des Innern, zunächst zur Frage IX/1 - des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) -.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich bitte, beide Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Dann rufe ich auf die Fragen IX/1 und IX/2 - des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) -: Ist dem Herrn Bundesinnenminister bekannt, daß die Oberpostdirektion Koblenz in der Nachversicherungsangelegenheit des Jakob Koch, Worms, diesem am 19. November 1963 und 4. Februar 1964 mitgeteilt hat, der Bundespostminister habe den Bundesinnenminister um seine Stellungnahme zu der Frage gebeten, wer in vorliegendem Fall die Nachversicherung durchzuführen habe? Was hat der Herr Bundesinnenminister in der in Frage IX/1 geschilderten Angelegenheit bisher veranlaßt?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich antworte auf die erste Frage mit Ja und auf die zweite Frage, daß wir bereits eine Stellungnahme abgegeben haben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage IX/3 - ides Herrn Abgeordneten Dr. Martin -: Ist die Bundesregierung bereit, zur Ehrung und Förderung deutscher Künstler und Wissenschaftler für besonders hervorragende Leistungen auf ihren Gebieten einen deutschen Kulturpreis zu stiften?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja, ich bin der Meinung, daß ,dieser Gedanke untersucht und geprüft werden soll. Die praktische Verwirklichung begegnet aber, wie so oft, einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten. Es hat sich schon eine Vielfalt von solchen Einrichtungen entwickelt. Von den Kommunen herauf bis zu den Ländern und auch beim Bund gibt es gewisse Einrichtungen, zwar nicht eines Nationalpreises, wohl aber von Auszeichnungen für besondere Leistungen. Ihnen ist zweifellos nicht unbekannt, daß die Länder hier Vorrang haben, und dieser Vorrang ist natürlich von uns allen peinlichst zu beachten. Trotzdem bin ich der Meinung, man sollte das gründlich untersuchen, und ich bin für konkrete Vorschläge sehr dankbar. Vor allem sollte ,ein sorgsam ausgewähltes Auswahlgremium gefunden werden, um allen möglichen Überlegungen begegnen zu können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Martin!

Dr. Berthold Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001426, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, halten Sie es für möglich oder notwendig, eine solche Frage durch ein Verwaltungsabkommen zu lösen? Bei einer Beteiligung ,aller Länder und des Bundes wäre die Repräsentanz dieses Preises sehr .viel größer.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja. Ich möchte Ihrer Anregungentsprechen, und zwar deswegen, weil in dem kürzlich abgeschlossenen Verwaltungsabkommen schon eine Kommission vorgesehen ist, die den Auftrag hat, neue Überlegungen im gesamten kulturellen Bereich anzustellen. Das wäre vielleicht ein sehr passendes Thema, das ich dieser Kommission sehr gern vortragen werde.

Dr. Berthold Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001426, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf also feststellen, Herr Minister, daß Sie -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Sie dürfen gar nichts feststellen. Sie dürfen höchstens Fragen stellen. Es wird Ihnen sicherlich nicht schwerfallen, Ihre Feststellung die Form einer Frage zu kleiden. Das aber haben Sie nicht getan. Wir kommen zur Frage IX/4 - des Herrn Abgeordneten Kubitza Würde nach der Verordnung über die Jubiläumszuwendung vom 24. Mai 1962 die alleinige Aushändigung einer Dankurkunde einen Rechtsanspruch auf die geldliche Jubiläumszuwendung zur Folge haben?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Die Frage möchte ich wie folgt beantworten. Die Jubiläumsverordnung sieht ein Junktim zwischen dem Jubiläumsgeld und der Dankurkunde vor. Andere Urkunden, die aus einem ähnlichen Anlaß ausgestellt werden, und zwar von den Ländern und vom Bund, haben nicht diese finanziellen Wirkungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage!

Werner Kubitza (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001236, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, wären Sie bereit, die Verordnung so zu ändern, daß den Beamten, deren Jubiläum vor dem Stichtag lag, wenigstens eine Dankurkunde ausgehändigt werden könnte?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja, ich bin sehr gern bereit und will das morgen oder übermorgen auch mit den Länderinnenministern besprechen. Aber Sie wissen: wir brauchen überall die Zustimmung des Finanzministers und vor allem ides Haushaltsausschusses für die nicht ganz unbeträchtlichen zusätzlichen Ausgaben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Frage!

Werner Kubitza (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001236, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, glauben Sie nicht, das nach dem Motto „Kleine Anerkennungen erhalten die Freundschaft" diese sehr geringfügige finanzielle Belastung der alleinigen Aushändigung einer Dankurkunde bei den Betroffenen auch Freude auslösen könnte?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Kollege, wir sind einer Meinung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gscheidle!

Kurt Gscheidle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das Interesse der Beamten sich eindeutig auf eine geldliche Anerkennung richtet und nicht nur auf eine Urkunde?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich bin der Meinung, daß die ganze Beamtenschaft keineswegs, wie Sie das darzustellen belieben, nur materiell denkt, sondern daß weitgehend ethische Überlegungen maßgeblich sind. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Herr Bundesminister Schmücker hat ebenfalls gebeten, da er natürlich auch zur Kabinettssitzung muß, seine Fragen vorzuziehen. Ich nehme an, daß Sie einverstanden sind. Ich komme damit zur Frage X/1 - des Abgeordneten Dr. Mommer -: Welche Weisungen hat die Bundesregierung der deutschen Delegation bei der Genfer UNO-Welthandelskonferenz zu der Abstimmung über die sogenannte Ein-Prozent-Klausel bei der Entwicklungshilfe gegeben?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Die Bundesregierung hat die deutsche Delegation angewiesen, bei der Abstimmung in der Vollversammlung der Welthandelskonferenz dem Entschließungsentwurf „Wachstum und Hilfe" zuzustimmen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie kamen dann, Herr Minister, die Zeitungsmeldungen zustande, in denen berichtet wurde, daß die deutsche Delegation ohne Anweisungen war und sich der Stimme enthalten mußte?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Herr Kollege Mommer, die Frage, wie die Zeitungsmeldung zustande gekommen ist, kann ich natürlich nicht beantworten. Ich kann Ihnen lediglich sagen, um welchen Vorgang es sich handelt. Ich fühlte mich nicht befugt, von mir aus in dieser schwerwiegenden Frage eine Weisung zu geben, und ich legte Wert darauf, daß das Kabinett einen Beschluß faßte. Ich habe darum die Delegation gebeten, sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten, bis eine Weisung vorliegt. Diese Weisung ist dann binnen sehr kurzer Zeit gegeben worden. Ich bitte Sie zu bedenken, daß eine Regelung von 1 % für uns eine andere Auswirkung hat als etwa für die Länder, die früher Kolonialbesitz gehabt haben. Insofern liegt also für uns eine recht beträchtliche Frage vor.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist diese nachträgliche Zustimmung auch publik gemacht worden?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Sie ist auch publiziert worden, jawohl.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. - Dann komme ich zur Frage X/2 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -: Ist es zutreffend, daß die Lebensversicherungen Vertragsabschlüsse für die nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG zulässige Mindestdauer von 5 Jahren von einer Bescheinigung des Finanzamts abhängig machen, daß der Versicherungsnehmer den ihm zustehenden Sonderausgabenabzug nicht in Anspruch nimmt?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Herr Präsident, Herr Kollege Schmidt, ich bitte einverstanden zu sein, daß ich die drei Fragen, die zusammengehören, zusammen beantworte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe also auf die Fragen X/3 und X/4 - des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) -: Hält die Bundesregierung es für vereinbar mit rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß eine derartige, in Frage X/2 geschilderte Einschränkung des Angebots durch sogenannte geschäftsplanmäßige Erklärungen nach einem in mehreren Erlassen veröffentlichten „Muster" herbeigeführt wird? Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundeskartellamts, das diese in Frage X/3 geschilderten „geschäftsplanmäßigen Erklärungen" nicht als einen Verstoß gegen das Kartellgesetz betrachtet, weil das Bundesfinanzministerium und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen dieses Verfahren ({1}) gebilligt hätten und überwachten?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Zunächst die erste Frage. Es trifft zu, daß die Lebensversicherungsunternehmen Versicherungsabschlüsse mit einer nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Mindestdauer von fünf Jahren von einer Bescheinigung des Finanzamtes abhängig machen, daß der Versicherungsnehmer einen Sonderausgabenabzug nicht in Anspruch nimmt. Dies ist jedoch nicht der Fall beim Abschluß von RisikoVersicherungen sowie bei Versicherungsnehmern, die das 55. Lebensjahr erreicht haben. Die Beschränkung gilt nur für Versicherungsnehmer unter 55 Jahren, welche Lebensversicherungsverträge unter sieben Jahren abschließen, die neben dem Risikoschutz eine Kapitalansammlung zum Gegenstand haben. Nach dem durch das Steueränderungsgesetz 1958 erfolgten Ausschluß der Kapitalansammlungsverträge aus dem Sonderausgabesystem des § 10 des Einkommensteuergesetzes war zu beobachten, daß in steigendem Maße fünfjährige Lebensversicherungsverträge mit Kapitalansammlung an Stelle der für den Sonderausgabenabzug nicht mehr zulässigen Kapitalansammlungsverträge abgeschlossen wurden. Bei dieser Sachlage mußte die Lebensversicherungswirtschaft damit rechnen, daß der Gesetzgeber baldigst die nunmehr klar erkennbare Gesetzeslücke schließen würde, die über den Abschluß von Lebensversicherungsverträgen noch formal eine steuerliche Begünstigung von Kapitalansammlungen ermöglichte, die gerade für die eigentlichen Kapitalansammlungsverträge beseitigt worden war. Die Lebensversicherungswirtschaft entschloß sich daher, den Stein des Anstoßes für den Gesetzgeber im Wege freiwilliger Selbstdisziplin durch geschäftsplanmäßige Erklärungen zu beseitigen, die abgesehen von den eingangs erwähnten Ausnahmen für steuerbegünstigte Lebensversicherungen eine Mindestlaufzeit von sieben Jahren vorsehen. Herr Kollege Schmidt, das ist nur eine Darstellung und keine Wertung des Falles. Ich habe Ihnen lediglich die Darstellung gegeben. Ich möchte zur dritten Frage sagen, daß ich sie bejahe. Das ist die kartellrechtliche Seite. Ihre zweite Frage, die wohl den Kern darstellt, möchte ich so beantworten, daß vielleicht juristisch keine Einwendungen zu erheben sind, daß ich mit dem Verfahren aber durchaus nicht einverstanden bin. Ich bin der Auffassung, daß hier klare gesetzliche Verhältnisse geschaffen werden müssen und man nicht durch besondere Abmachungen, Selbstbeschränkungen oder wie man sie nennt, diesen klaren gesetzlichen Bestimmungen ausweichen darf. Ich möchte das ausdrücklich sagen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß sich die Herren des Bundesfinanzministeriums schon beim Steueränderungsgesetz 1960 um diese Regelung bemüht haben, das Haus aber :diese Regelung abgelehnt und eine Laufzeit von zehn Jahren vorgesehen hat und daß hier von der Verwaltung nur der Versuch gemacht wird, auf einem Umweg, nämlich über eine geschäftsplanmäßige Erklärung der Versicherer zu erreichen, 'daß der Anspruch des Staatsbürgers .auf das, was der Gesetzgeber gewollt hat, vereitelt wird? Allein darum geht es.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Herr Kollege Schmidt, das ist mir weder bekannt, noch kann ich beurteilen, ob das zutrifft, was Sie sagen. Aber ich werde natürlich die Angelegenheit sofort prüfen. Andererseits ist für diese Frage natürlich der Finanzminister zuständig. Die Frage ist mir wegen der kartellrechtlichen Bedeutung überwiesen worden. ({0}) Ich bin der Auffassung, daß man hier klare Verhältnisse schaffen sollte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage mehr. Wir kommen zur Frage X/5 - des Abgeordneten Dr. Gleissner -: Ist es richtig, daß die Volkswagenwerke nach USA nur noch mit Entgiftern ausgestattete Wagen liefern dürfen?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Es trifft nicht zu, daß das Volkswagenwerk nach den USA nur noch mit Entgiftern ausgestattete Wagen liefern darf. Die vom Volkswagenwerk nach den USA exportierten Kraftfahrzeuge sind nicht mit einer Auspuffentgiftungsanlage ausgerüstet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage X/6 - des Abgeordneten Dr. Kohut -: In welcher Höhe haben die Röhrenlieferanten, denen seinerzeit die Lieferung von Pipelines an die Sowjetunion untersagt worden ist, Regreßansprüche angemeldet?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Die Konzernspitzen der drei deutschen Röhrenwalzwerke, deren Lohnveredelungsverträge mit der UdSSR wegen des Großröhrenembargos vom Herbst 1962 storniert werden mußten, bevor noch das russische Roheisen angeliefert worden war, haben die Bundesregierung im Dezember 1963 um Prüfung der Frage gebeten, ob es möglich sei, sie von den finanziellen Folgen dieses Vorgangs zu entlasten. Die Firmen haben dabei die Meinung geäußert, daß eine solche Entschädigung nicht nur der Billigkeit entspräche, sondern auch „auf einem berechtigten Anspruch beruhen dürfte". Zur Zeit sind in Verfolg dieses Petitums noch Erörterungen über die Rechtslage zwischen Vertretern der Konzerne und dem Justitiar meines Ministeriums im Gange, in denen auch die Schadenspositionen eine Rolle spielen. Bei diesem Stande der Angelegenheit halte ich mich nicht für befugt, die in den Verhandlungen genannten Zahlen bekanntzugeben, zumal da auch in den Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaften von der Verwaltung hierüber - und zwar absichtlich - bisher keine Auskunft erteilt wurde.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, liegen Regreßansprüche der Sowjetunion, z. B. wegen der Bereitstellung der Schiffe, vor?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Ich kann Ihnen darüber in diesem Augenblick keine Auskunft geben. Herr Kollege Kohut, ich darf vielleicht an Ihre kaufmännische Erfahrung appellieren und Sie bitten, jetzt nicht die Bekanntgabe von Zahlen oder Zwischenergebnissen zu verlangen, weil das die Verhandlungen natürlich beeinträchtigen würde.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann stelle ich hierzu auch keine weitere Frage.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Ich rufe auf die Frage VI/1 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -: Ist dem Herrn Bundesfamilienminister bekannt, daß es in der Bundesrepublik zahlreiche städtische und private Kindergärten gibt, die keinen Telefonanschluß haben?

Dr. Bruno Heck (Minister:in)

Politiker ID: 11000837

Herr Präsident, wenn der Kollege Kohut damit einverstanden ist, beantworte ich die beiden Fragen zusammen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Dann rufe ich auch auf die Frage VI/2 - des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -: Kann der Herr Bundesfamilienminister in geeigneter Form darauf hinwirken, daß sämtliche Kindergärten mit Telefonanschlüssen versorgt werden?

Dr. Bruno Heck (Minister:in)

Politiker ID: 11000837

Herr Kollege Kohut, wir haben im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin insgesamt rund 13 000 Kindergärten. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob diese Kindergärten mit Telefonanschlüssen ausgerüstet sind, ob sie Anträge bei der Post gestellt haben, die nicht befriedigt werden konnten, oder ob die zuständigen Jugendämter die Mittel dafür nicht zur Verfügung gestellt haben. Wenn meinem Hause bekannt würde, daß in einem Einzelfall ein dringendes Bedürfnis vorliegt, würde ich mich selbstverständlich - das eine Mal über meinen Kollegen Stücklen, das andere Mal über das zuständige Landesjugendamt - bemühen, Abhilfe zu schaffen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, halten Sie es nicht für richtig, daß grundsätzlich jeder Kindergarten mit Telefon versehen ist, und können Sie nicht in dieser Hinsicht auf die Länder und die Gemeinden einwirken?

Dr. Bruno Heck (Minister:in)

Politiker ID: 11000837

Ich halte das grundsätzlich für richtig. Aber mir ist, wie Sie ganz richtig sagen, nur eines möglich: entsprechend auf die zuständigen Landesbehörden einzuwirken. Ich will Ihre Anregung gern aufgreifen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerade Sie als Familienminister würden mir doch zustimmen, daß in der heutigen Zeit ein Kindergarten ohne Telefonanschluß ein Zeichen von Rückständigkeit ist?

Dr. Bruno Heck (Minister:in)

Politiker ID: 11000837

Ich halte den Anschluß von Kindergärten an das Telefonnetz ebenso wie Sie für zweckmäßig und notwendig.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Rehs auf: Hat die Bundesregierung eine Übersicht darüber, wie groß der volkswirtschaftliche Wert ist, den die Heimatvertriebenen sowie die Sowjetzonenflüchtlinge bis zum 31. Dezember 1963 durch ihre Arbeitsleistung und ihren sonstigen Anteil am Sozialprodukt der Bundesrepublik geschaffen haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Rehs, die von Ihnen gewünschte Übersicht gibt es nicht. Sie wird sich auch kaum vollständig gewinnen lassen. Das Bundesministerium für Vertriebene hat wiederholt versucht, wenigstens Teilerkenntnisse von dem Beitrag der Vertriebenen und Flüchtlinge zum Sozialprodukt der Bundesrepublik zu gewinnen. Leider reicht das vorhandene statistische Material bei weitem nicht aus. So sind z. B. für einzelne Berufssparten nie gesonderte Erhebungen gemacht worden. Es wird - das kann ich heute schon sagen - nicht möglich sein, für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge getrennte Angaben zu machen. Das Ministerium bleibt indes bemüht, das sporadische Material zu sichten und auszuwerten, um zu Teilergebnissen zu gelangen. Die Arbeit wird längere Zeit in Anspruch nehmen; sie ist umfangreich und methodisch schwierig, da die erreichbaren Zahlen nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten erhoben worden sind. Das Ministerium ist bereit, den Ausschuß für Heimatvertriebene über die Problematik seiner Bemühungen zu unterrichten.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die bisherigen Teilergebnisse alsbald zugänglich zu machen, damit wir über diese Methoden sprechen können?

Not found (Staatssekretär:in)

Auch das.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie ferner bereit, sich erneut mit dem Statistischen Bundesamt in Verbindung zu setzen, um geeignete Methoden für eine möglichst weitgehende Klärung dieser Frage zu finden?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir stehen nicht nur mit dem Statistischen Bundesamt in Verbindung, sondern haben auch den Statistiker des Bundesausgleichsamtes herangezogen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaksch.

Dr. h. c. Wenzel Jaksch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001015, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnte man ;die offenbar vorhandenen Lücken in den Nachweisen - aus Ihren Ausführungen war zu entnehmen, daß es solche gibt - nicht durch Repräsentativerhebungen auffüllen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das wäre - aus dem Stegreif gesprochen - vielleicht möglich; es wäre aber mit erheblichen Kosten verbunden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe die Fragen VII/1 und VII/2 - Ides Herrn Abgeordneten Biegler - auf: Hält es die Bundesregierung für möglich und vertretbar, der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Tetanus-Schutzimpfung auf freiwilliger Basis zu empfehlen? Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Prof. Dr. Frey, Ordinarius der Med. Fakultät an der Universität Mainz, daß durch eine derartige Impfung die Zahl der Tetanuserkrankungen mid die Zahl der jährlich tödlich verlaufenden Tetanusfälle ({0}) wesentlich verringert würde? Bitte, Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre erste Frage wie folgt: Auf Anregung des damals für das Gesundheitswese zuständigen Bundesministers des Innern hat sich der Bundesgesundheitsrat bereits 1956 mit der Frage der aktiven Tetanus-Schutzimpfung beschäftigt. Der Bundesgesundheitsrat hat die Schutzimpfung empfohlen. Die Bundesregierung hat diese Empfehlung öffentlich bekanntgemacht. Wir sind gern bereit, die Empfehlung von neuem in Erinnerung zu bringen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage.

Not found (Staatssekretär:in)

Die zweite Frage darf ich folgendermaßen beantworten: Wir bejahen die Ansicht des Herrn Professor Frey uneingeschränkt. Durch eine Tetanus-Schutzimpfung könnten Erkrankungen und Sterbefälle an Tetanus weitgehend vermieden werden. Nach der amtlichen Todesursachenstatistik sind 1960 167, 1961 176 und 1962 159 Personen in der Bundesrepublik an Wundstarrkrampf gestorben. Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, angegebene Zahl von jährlich rund 400 Todesfällen ist zuletzt 1949 beobachtet worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe.

Wolfgang Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002119, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Läßt sich, Herr Staatssekretär, nicht die Zahl dieser soeben genannten Todesfälle - wenngleich sie erfreulicherweise geringer geworden ist - durch eine optimale Streuung von Tetanus-Antitoxin noch verrringern, und könnte man nicht auf diesem Wege, der viel rascher zu erreichen ist, helfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin im Augenblick nicht in der Lage, an Hand meiner Unterlagen diese wissenschaftliche Frage zu beantworten, und wäre dankbar, wenn ich sie Ihnen schriftlich beantworten dürfte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Fragen VIII/1 bis VIII/3 - der Frau Abgeordneten Albertz - auf: Warum ist es dem Auswärtigen Amt bisher noch nicht gelungen, ein befriedigendes Ergebnis in der Auseinandersetzung zu erzielen, die bereits seit 1956 zwischen Frau Lore Kollbach, Remagen, und der Botschaft der Republik Korea über Ansprüche aus einem Mietvertrag schwebt, obwohl diese Angelegenheit bereits im Petitionsausschuß und im Ausschuß für Entwicklungshilfe behandelt worden ist, mehrere Bundestagsabgeordnete beim Bundeskanzler, beim Bundesaußenminister und bei der Botschaft der Republik Korea interveniert haben und mehrfach kritische Stellungnahmen in der Presse erschienen sind? Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um in der in Frage VIII/1 geschilderten Auseinandersetzung zwischen Frau Lore Kollbach, Remagen, und der Botschaft der Republik Korea der betroffenen deutschen Staatsbürgerin den erforderlichen Rechtsschutz zu gewähren und die Angelegenheit endlich zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen? Wird die Bundesregierung sich in der in Frage VIII/1 geschilderten Auseinandersetzung zwischen Frau Lore Kollbach, Remagen, und der Botschaft der Republik Korea insbesondere mit dem erforderlichen Nachdruck dafür einsetzen, daß die Republik Korea an Frau Kollbach unverzüglich die rückständige Miete nebst Zinsen zahlt und die Vergleichsverhandlungen über darüber hinausgehende Schadenersatzansprüche beschleunigt und wohlwollend führt, damit Frau Kollbach ein weiterer Rechtsstreit nach der bereits 8 Jahre dauernden Auseinandersetzung erspart bleibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Darf ich die drei Fragen im Zusammenhang beantworten?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr!

Not found (Staatssekretär:in)

Zu Frage 1. Ein befriedigendes Ergebnis in der Auseinandersetzung zwischen Frau Kollbach und der Botschaft der Republik Korea zu erreichen, war nicht möglich, da die Auffassungen beider Parteien über die Höhe der zu leistenden Zahlungen zu weit auseinandergehen. Herr Dr. Kollbach hat in einer Aufstellung nach dem Stande vom 1. November 1963 eine Forderung in Höhe von rund 200 000 DM geltend gemacht, in der unter anderem auch ein Teilbetrag für Kreditschädigung in Höhe von 58 000 DM enthalten ist. Auf Grund eines neuen Gutachtens setzt Herr Dr. Kollbach seine Kreditschädigung nicht mehr, wie bisher, mit 58 000 DM, sondern mit 200 000 DM ein, sodaß sich eine Gesamtforderung von 340 000 DM ergeben würde. Die koreanische Regierung hat eine Erfüllung der Ansprüche Dr. Kollbachs in der von ihm geltend gemachten Höhe abgelehnt, sich aber mit der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen durch beiderseits zu benennende Anwälte bereiterklärt. Die Vergleichsverhandlungen müssen nunmehr zwischen den Anwälten geführt werden. Zu Frage 2. Der erforderliche Rechtsschutz für Frau Kollbach ist dadurch gegeben, daß Frau Kollbach die koreanische Republik - nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - vor den deutschen Gerichten verklagen kann. Zu Frage 3. Die Bundesregierung hat sich mit Nachdruck der Angelegenheit Kollbach angenommen. Die wiederholten Bemühungen des Auswärtigen Amts und auch des Bundeskanzleramts haben zu dem Ergebnis geführt, daß die koreanische Botschaft sich, wie erwähnt, zur Aufnahme von Vergleichsverhandlungen bereiterklärt hat. Scheitern die Verhandlungen, wird der Rechtsweg beschritten werden müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Albertz.

Luise Albertz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000021, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen von Wirtschaftsverhandlungen mit Korea diese Angelegenheit, die ja nun acht Jahre ansteht, zu bereinigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, das wird erst dann möglich sein, wenn eine eindeutige Feststellung über die Höhe der Ansprüche von Frau Kollbach getroffen ist. Darum geht ja zur Zeit der Streit.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Heinemann.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte von Ihnen gern einmal folgendes wissen. Nachdem in dieser Sache zwei Bundesminister höchstpersönlich und Dutzende von hohen Beamten, angefangen vom Staatssekretär bis zum Ministerialrat, jahrelang mit Mitgliedern des Hauses, mit der Familie Kollbach und den Koreanern korrespondiert haben, möchte ich von Ihnen wissen: Warum ist es nicht möglich, daß Sie sich den unstreitigen Teil der Forderungen abtreten lassen und auf Entwicklungshilfe verrechnen?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt, soweit ich weiß, keinen unstreitigen Teil der Forderung, Herr Abgeordneter.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000848, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da ich ja nicht antworten darf, muß ich weiter fragen. Ist ihnen bekannt, daß die Zwangsversteigerung des Hauses, um dessen Miete seit acht Jahren gestritten wird, unmittelbar bevorsteht und es damit der Familie verlorenzugehen droht?

Not found (Staatssekretär:in)

Mir ist bekannt, daß Verhandlungen geführt werden, um die Zwangsversteigerung zu verhindern. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Bühler 2u einer Zusatzfrage.

Karl August Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000296, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es dem Auswärtigen Amt nicht bekannt, Herr Staatssekretär, daß der zuständige Botschafter gegenüber dem Abgeordneten Güde und mir gegenüber die Ansprüche dem .Grunde nach anerkannt hat und uns nach langen schriftlichen und mündlichen Verhandlungen erklärt hat, man wolle jetzt direkte Vergleichsverhandlungen mit dem beauftragten Ehemann der Vermieterin föhnen, daß aber der Herr Botschafter sich dann jeweils verleugnen ließ, wenn Herr Dr. Kollbach ihn sprechen wollte? Ist das dem Auswärtigen Amt bekannt?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, das ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Wohl aber ist dem Auswärtigen Amt bekannt, daß auch die koreanische Seite sich zu Vergleichsverhandlungen bereiterklärt hat, die auf beiden Seiten durch Anwälte geführt werden sollen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bühler.

Karl August Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000296, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wäre es nicht Aufgabe des Auswärtigen Amts gegenüber einem deutschen Staatsbürger gewesen, die Parteien zunächst einmal an einen Tisch zu Verhandlungen zu bringen, wobei die zuständigen Herren des Auswärtigen Amtes mit beteiligt gewesen wären?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es handelt sich um einen Sachverhalt, der sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht .außerordentlich kompliziert ist, und das Auswärtige Amt kann hier nicht die Entscheidung abnehmen, die in einem solchen Streitfall durch die ordentlichen Gerichte zu treffen ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Albgeordneten Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben Sie den Botschafter der koreanischen Republik, mit der wir doch freundschaftliche Beziehungen unterhalten, darauf hingewiesen, wie sehr es diem Ansehen der koreanischen Republik ;schaden muß, wenn wegen solcher Lappalien hier Prozesse geführt werden müssen und hier im Bundestag mehrmals in der Fragestunde die Sprache auf solche Dinge gebracht werden muß?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Auswärtige Amt hat mehrfach Gelegenheit genommen, der koreanischen Seite nahezulegen, diese Angelegenheit in gütlicher Weise zu regeln.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ides Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und rufe auf die Frage XI/1 - des Abgeordneten Dröscher -: Warum beabsichtigt die Bundesregierung nicht, die am 30. Juni 1964 auslaufenden Bestimmungen über die Senkung von Abschöpfungsbeträgen bei der Einfuhr von Eiprodukten für die Teigwarenindustrie - wenigstens noch für einen Übergangszeitraum - zu verlängern?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Dei Bundesregierung hat über diese Frage noch nicht abschließend entschieden. Gegen eine weitere Senkung der Abschöpfungen für Eiprodukte, die zur Herstellung von Teigwaren Verwendung finden, über den 30. Juni hinaus sprechen jedoch verschiedene Gründe. Erstens. Mit dem zunehmenden Angebot von Schaleneiern aus deutscher Produktion ist auch der Anfall von Knick-, Bruch- und Kleineiern ständig gestiegen. Eine wirtschaftliche und auch der Salmonellen-Verordnung entsprechende Verwertung dieser Ware kann nur in Eiprodukten-Fabriken erfolgen. Gleichzeitig wirken die Eiprodukten-Fabriken durch die Aufnahme von Angebotsspitzen marktentlastend. Das hat sich insbesondere während der Eierkrise zu Beginn dieses Jahres gezeigt und wird durch Erfahrungen aus England und den Niederlanden bestätigt. Aus diesen Gründen wird auch die Errichtung von Eiprodukten-Fabriken aus Mitteln des Grünen Plans gefördert. Die Errichtung einer derartigen für die deutsche Eiererzeugung wichtigen Industrie ist mit einem hohen wirtschaftlichen Risiko und hohen Investionskosten verbunden und daher nur sinnvoll und für die deutsche Landwirtschaft nützlich, wenn Wettbewerbsverzerrungen so weit wie irgend möglich beseitigt werden. Die Verringerung der Abschöpfungen für eingeführte Eiprodukte ist z. B. eine solche Wettbewerbsverzerrung. Zum zweiten! Das Preisniveau für Eiprodukte hat sich seit 1961 allgemein gesenkt. Auch die zur Zeit geltenden Einschleusungspreise liegen unter den Frei-Grenz-Preisen von 1961. Zum dritten! Die Kommission der EWG ist bestrebt, Sonderregelungen nach und nach abzubauen. Sie hat deshalb auch bereits die zur Zeit gültige Verringerung auf 65 % des nach Art. 5 Abs. 1 der EWG-Verordnung Nr. 21 zulässigen Satzes begrenzt. Nach der bisherigen Praxis würde die Kommission höchstens einer Abschöpfungsverringerung von 45 % des möglichen Satzes zustimmen. Da ab 1. Juli 1964 durch die Neufestsetzung des Veredelungskoeffizienten für Schaleneier auch eine Verringerung der normalen Abschöpfungen für Eiprodukte wirksam wird, würde eine Abschöpfungsverringerung umgerechnet auf 1 kg Eierteigwaren schätzungsweise nur noch 2 Pf betragen. Das wäre nicht einmal 1 % des vom Statistischen Bundesamt festgestellten Verbraucherpreises.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die Teigwaren-Industrie selbst natürlich mit wesentlich größeren Preissteigerungen rechnet, wenn ab 1. Juli die Abschöpfungsbeträge wegfallen? Es werden da beispielsweise 12 Pf pro Kilogramm genannt, also wesentlich mehr, als Sie gesagt haben.

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Herr Kollege, ich komme auf diese Frage noch bei der Beantwortung Ihrer dritten Frage zurück. Zunächst einmal darf ich aber auf diese Zusatzfrage antworten, daß uns die von Ihnen genannte Zahl völlig unmöglich erscheint und daß ich der Auffassung bin, daß diese Frage noch einmal sehr gründlich überprüft werden muß.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich zuerst fragen: Das war also nur die Beantwortung meiner ersten Frage?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ja, das war die Beantwortung Ihrer Frage 1.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann bin ich damit einverstanden, daß zunächst die drei Fragen hintereinander beantwortet werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Dann rufe ich zusätzlich die Fragen XI/2 und XI/3 - des Abgeordneten Dröscher -auf: Wie groß sind z. Z. die Inlandserzeugung an Eiprodukten für die Teigwarenindustrie und der derzeitige Einfuhrbedarf für die gleiche Industrie? Um wieviel werden Teigwaren für den Endverbraucher teurer, wenn ab 1. Juli 1964 keine begünstigten Einfuhren von Eiprodukten mehr möglich sind?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Zur Frage 2: Die deutsche Eiprodukten-Industrie ist zur Zeit kapazitätsmäßig in der Lage, den Bedarf der Teigwarenindustrie an Trockenvollei und Gefriereigelb voll und den Bedarf an Trockeneigelb zu etwa 1/6 zu decken. Die Kapazität an Trockeneigelb kann kurzfristig - etwa bis Anfang 1965 - auf das Zwei- bis Dreifache erweitert werden. Zur Zeit stellt die deutsche EiproduktenIndustrie jedoch kaum Gefriereigelb her und sieht sich auch nicht in der Lage, ihre Kapazität für Trokkeneigelb zu erweitern, weil von seiten des Hauptverbrauchers, nämlich der Teigwaren-Industrie, keine Nachfrage nach solchen Erzeugnissen besteht. Wenn die erwähnten Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden, ist die 'deutsche Eiprodukten-Industrie jederzeit in der Lage, .die Produktion von Gefriereigelb aufzunehmen und ihre Kapazität bei Trockeneigelb zu erweitern. Erst dann kann sie ihre Aufgaben, die wirtschaftliche Verwertung der abfallenden Qualitäten und die Dämpfung von Marktstörungen, voll erfüllen. Zur Frage 3: Die Kosten für den Rohstoff Eiprodukt dürften sich, wenn die Abschöpfungsverringerung nicht verlängert wird, schätzungsweise durchschnittlich um etwa 0,03 DM je Kilo Eierteigwaren erhöhen. Ob und wieviel sich dadurch die Endverbraucherpreise für Eierteigwaren erhöhen werden, kann ich nicht sagen, Ida ich weder einen Einfluß auf die Preisgestaltung der TeigwarenIndustrie selbst noch auf die der übrigen Handelsstufen habe. Damit, glaube ich, ist Ihre Frage, Herr Kollege, die Sie zunächst zusätzlich an mich gerichtet haben, auch beantwortet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dröscher, eine Zusatzfrage. Dröscher ({0}) Herr Bundesminister, die Zahlen, die Sie zur Eigenerzeugung nannten, und Ihre Andeutungen über die Möglichkeit, die Produktion sehr schnell zu erhöhen, stehen im Widerspruch zu den Angaben, die mir gemacht worden sind. Trifft es zu, daß tatsächlich rund 3000 t Eiprodukte benötigt werden, um die Produktion von Teigwaren zu ermöglichen, daß davon aber nur etwa 500 t im Bundesgebiet erzeugt werden können?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Es trifft zu. Die Kapazität der Eiproduktenindustrie hat zur Zeit folgende Größenordnung: Trockeneigelb 500 t; dem gegenüber steht ein Bedarf von 2800 t; an Gefriereigelb können wir derzeit 1500 t herstellen, der Bedarf liegt ebenfalls bei 1500 t. Die Differenz liegt also beim Trockeneigelb. In dem Augenblick, in dem die Wettbewerbsverzerrung verschwindet, würde es keine große Schwierigkeit bereiten, die Möglichkeit einer Ausweitung unserer Industrie so auszunutzen, daß der Bedarf gedeckt werden kann.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wäre es nicht zweckmäßig, angesichts der großen Spanne, die jetzt herausgearbeitet worden ist, angesichts einer Mengendifferenz von fast 2500 t die Abschöpfungsverringerung bzw. Abschöpfungssenkung wenigstens noch für eine Übergangszeit zu praktizieren?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ich habe eingangs gesagt, daß die Bundesregierung noch nicht darüber entschieden hat. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß in dem Maße, wie wir diese Wettbewerbsverzerrung verschwinden lassen, die Möglichkeit schneller gegeben ist, die eigenen Werke auszubauen und die Kapazität auszunutzen. Ich darf daran erinnern, Herr Kollege, daß wir noch vor einigen Jahren 50 bis 60 % unseres deutschen Eierverbrauches deckten und daß wir heute bei über 70 % angelangt sind. Damit fallen auch so viele Bruch- und Knickeier an, daß wir uns unter allen Umständen nach einer eigenen Industrie umsehen müssen, da sonst diese ganze Verwertung nicht möglich wäre.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ich möchte vorausschicken, daß ich grundsätzlich die Tendenz unterstütze, aus den anfallenden Eiern eine Eigenerzeugung zu schaffen. Wie stehen Sie aber zu der Frage, ob es richtig ist, das jetzt so stark anzuheizen, wie es durch den schroffen Wegfall der Abschöpfungsbeträge geschieht, und daß die ganze Geschichte über den Verbraucherpreis, dessen Erhöhung ja nicht bei 0,03 DM je Kilo stehenbleiben wird - eventuell in einem übereilten Tempo -, finanziert werden soll?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Herr Kollege, die Bundesregierung wird sehr sorgsam prüfen, ob die Verbraucherpreiserhöhung bei den Teigwaren unter Umständen ein solches Gewicht erhält, daß man entsprechende Maßnahmen in Ihrem Sinne erwägen könnte. Es scheint mir im Augenblick, wenn die Zahlen, die ich vor mir liegen habe, sich bestätigen sollten - nämlich schätzungsweise 0,03 DM je Kilo Eierteigwaren -, nicht vertretbar, die Entwicklung unserer deutschen Eiprodukten-Industrie zu hemmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Teigwarenproduktion wenigstens für Süddeutschland die Produktion eines Grundnahrungsmittels darstellt und daß deshalb alle Tendenzen zu einer spürbaren Erhöhung der Preise abgewehrt werden sollten?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ich bin jedenfalls mit Ihnen völlig der Meinung, daß ohne triftige Gründe jede Art Preiserhöhung verhindert werden sollte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage!

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, welche Möglichkeiten sehen Sie, darauf hinzuwirken, daß der Endverbraucherpreis für Teigwaren sich tatsächlich nur um die von Ihnen erwähnten 3 Pf je Kilo erhöht?

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Frau Kollegin, leider bestehen für mein Haus, aber auch für das Haus meines Kollegen Schmücker keine Möglichkeiten, hier einzugreifen. Die Handelsstufe können wir nicht beeinflussen, es sei denn, daß ganz grobe Verstöße vorliegen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Meermann.

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie sich zumindest die Feindschaft der schwäbischen Spätzleesser zuziehen werden? ({0})

Werner Schwarz (Minister:in)

Politiker ID: 11002127

Ich bedaure das um so mehr, als meine beiden Elternteile aus Württemberg stammen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine weitere Zusatzfrage? - Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die von dem Abgeordneten Müller-Emmert gestellte Frage XII/1 auf: Ist dem Bundesverkehrsministerium bekannt, daß sowohl die Landesregierung von Rheinland-Pfalz als auch die Bundesbahndirektion Mainz im Gegensatz zu der Stellungnahme des Bundesverkehrsministers in der Fragestunde vom 16. April 1964 -Drucksache IV/2139, Frage IX/13 - die Auffassung vertreten, daß die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Mainz ({0})-Bad Kreuznach-Kaiserslautern erforderlich sei? Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, zu Ihrer heutigen Frage wurde mir von der Deutschen Bundesbahn mitgeteilt, daß sich an ihrer früheren Entscheidung, über die ich Sie am 16. April unterrichtet habe, nichts geändert hat. Eine Elektrifizierung der Alsenzstrecke ist danach vorerst wirtschaftlich nicht vertretbar. Diese Einstellung ist seitens der Bundesbahn der Regierung des Landes Rheinland-Pfalz mit Schreiben vom 11. April 1964 mitgeteilt worden. Es wird aber von der Deutschen Bundesbahn geprüft, ob bei den auf dieser Strecke verkehrenden internationalen Schnellzugspaaren die Dampflokomotiven zweckmäßigerweise ab Sommer 1965 durch Diesellokomotiven der Baureihe V 200 ersetzt werden können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß nach Ihrer Auffassung kein Bedürfnis zum Ausbau dieser - wie schon ein Blick auf die Landkarte erweist - kürzesten Strecke zwischen Bonn-Frankfurt-Mainz und Paris, der Hauptstadt des Landes, mit dem wir einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen haben, besteht?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Müller-Emmert, die Bundesbahn elektrifiziert, wie Sie wissen, in großem Umfang und hat ein Programm, auf Grund dessen nach und nach 10 000 km Strecke elektrifiziert werden, wobei jeder Kilometer eine Million DM kostet. Es sind darüber Verträge mit den Ländern abgeschlossen. Das Land Rheinland-Pfalz hat bisher keinen Vertrag über diese Strecke abgeschlossen oder vorgeschlagen. Die Finanzierung der Elektrifizierung erfolgt immer durch entsprechende Zusatzleistungen der Länder. Es liegt also hier an der Regierung in Mainz, sich mit der Bundesbahn in Verbindung zu setzen, wenn die Elektrifizierung dieser Strecke vorgeschlagen werden soll. Im Rahmen des Gesamtprogramms werden zunächst die Strecken vorgezogen, bei denen die Umstellung der Traktion für die Bundesbahn den wirtschaftlich größten Effekt bringt, und dazu gehört diese Strecke nicht. Ich habe deshalb geantwortet, daß eine Elektrifizierung dieser Strecke vorerst wirtschaftlich nicht vertretbar ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, kann man tatsächlich von der derzeitigen, wie ich zugebe, nicht besonders großen Streckenbelastung der Alsenzbahn ausgehen, oder muß man nicht bedenken, daß sich die hohen Kosten eines Ausbaus dieser Strecke dadurch sehr schnell rentieren, daß ein erheblicher Zeitgewinn eintritt und damit ganz automatisch auch eine erhöhte Streckenbelastung die Folge sein wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die Verbesserung auf solchen Strecken, die für die Elektrifizierung zunächst nicht in Frage kommen, erfolgt dadurch, daß Diesellokomotiven eingesetzt werden. Das gilt z. B. für ganz Schleswig-Holstein. Aber die Entscheidung darüber hat der Vorstand der Bundesbahn.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wie ist es zu erklären, daß uns auf eine Frage in derselben Angelegenheit die Auskunft gegeben wurde, daß der Ausbau aus technischen Gründen schlecht möglich sei, daß aber die örtlich zuständige Bundesbahndirektion im Gegenteil erklärt hat, die Kosten würden die normale Höhe von etwa 1 Million DM pro Kilometer betragen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

In Bundesbahnangelegenheiten kann ich nur die Auskunft geben, die mir der verantwortliche Vorstand der Deutschen Bundesbahn auf Anfrage übermittelt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, Sie haben vorhin gesagt, „vorerst" sei die Elektrifizierung nicht vertretbar. Das ist ja immerhin schon eine gewisse Abschwächung. Gibt es eine zeitliche Vorstellung, welcher Zeitraum mit dem Wort „vorerst" gemeint ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich habe vorhin schon gesagt: Die Bundesbahn hat ein Programm. Es ist Ihnen, wenn Sie es in der Presse verfolgt haben, wahrscheinlich bekannt. Dieses Programm ist bis 1970/72 voll ausgelastet. Eine Ausweitung ist also voraussichtlich erst im nächsten Jahrzehnt möglich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe die Frage XII/2 - des Abgeordneten Dr. Gleissner - auf: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um mit Rücksicht auf die Volksgesundheit die von den Kraftfahrzeugen durch Lärm verursachten wachsenden Gefahren und Belästigungen so bald wie möglich drastisch herabzusetzen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Dr. Gleissner, die Bundesregierung trifft laufend geeignete Maßnahmen zur Lärmminderung durch Erlaß von Bau- und Ausrüstungsvorschriften für Kraftfahrzeuge und Anhänger. Sie stützt sich dabei auf § 49 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Diese Bestimmung verlangt, daß die Geräuschentwicklung das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt. Dieses Maß regeln Richtlinien, die Grenzwerte zwischen 75 und 87 DIN-Phon je nach Fahrzeugart zulassen. In den letzten zehn Jahren sind diese Grenzwerte viermal herabgesetzt worden. Sie stellen gegenwärtig in Europa die schärfsten Anforderungen hinsichtlich der technischen Ausrüstung der Fahrzeuge dar. Als weitere Maßnahme bieten sich Verkehrsbeschränkungen nach § 4 der Straßenverkehrs-Ordnung an, wie sie in Kurorten und Erholungsgebieten notwendig und auch üblich sind. Die für die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr zuständigen obersten Landesbehörden sind von mir wiederholt eindringlich darauf hingewiesen worden, daß sie vermeidbare Lärmbelästigungen auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen mit Nachdruck zu unterbinden haben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage!

Walter Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002020, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, gibt es bereits ausreichende technische Möglichkeiten, um den besonders bei Mopeds und sonstigen Kleinfahrzeugen leider sehr häufig festzustellenden starken Motorenlärm im Rahmen von Verkehrskontrollen zu prüfen und ihm damit wirksam zu begegnen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ja, es gibt solche Möglichkeiten. Aber die Länder müssen ihre Polizisten, Herr Kollege Schmidt, mit diesen Einrichtungen ausrüsten, damit die Überprüfung beim einzelnen Fahrzeug erfolgen kann. Das bereitet den Ländern, denen die Durchführung dieser Vorschriften obliegt, Schwierigkeiten. Die Einrichtungen sind deshalb nicht allgemein eingeführt worden, weil die Polizisten mit diesen schwierigen Geräten oftmals nicht so recht umgehen können, daß nachher mit den Unterlagen für die Anzeigen gerichtlich etwas angefangen werden kann. Andererseits darf ich bemerken, daß die belasteten Menschen für das hohe Motorengeräusch von Mopeds empfindlicher sind, obwohl es sich in den Phon-Grenzen hält, die vorgeschrieben sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001852, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wäre es denn nicht möglich, den Herstellern von Mopeds Auflagen zu machen, die es erzwingen würden, daß ein Maximum eines erträglichen Phon-Werts von Motoren der Mopeds nicht überschritten wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, diese Auflagen bestehen. Aber es ist natürlich so, wie es in dem Vers heißt: Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden. Viele Leute empfinden „Musik" jedoch sehr angenehm.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage!

Dr. Fritz Rinderspacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001852, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß wir nicht auf diejenigen, die diese „Musik" nicht als störend empfinden, Rücksicht nehmen sollten, sondern auf die anderen, die diese „Musik" als sehr .störend empfinden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Durchaus, Herr Kollege. Aber das ist leider eine Aufgabe der zuständigen Landespolizei. Wir können nur die Vorschriften festlegen, und die Polizeidienststellen der Länder müssen für die Einhaltung dieser Vorschriften sorgen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist Ihnen, Herr Bundesminister, bekannt, ,daß die lärmdämpfenden Einrichtungen von den Besitzern der Fahrzeuge häufig abgebaut werden, um wieder Krach zu machen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Bedauerlicherweise, gnädige Frau, ist das der Fall. Aber auch hier ist es nicht die Aufgabe des Bundesministers für Verkehr, sondern der Polizei, einzugreifen.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Werden Sie, Herr Minister, die Polizei nochmals auf die Notwendigkeit der Lärmbekämpfung hinweisen? Denn die Fragen und die Äußerungen, die sich darauf beziehen, häufen sich mehr und mehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Jawohl, gnädige Frau. Wir weisen die Länder darauf hin. Ich habe als Gesprächspartner die Länderverkehrsminister. Aber die Polizei untersteht nicht ihnen, sondern den Länderinnenministern. Die Länderverkehrsminister sind infolgedessen ,genötigt, sich mit ihren Kollegen darüber in Verbindung zu setzen. Die Durchführung der Straßenverkehrsgesetze obliegt nach dem Grundgesetz den Ländern. Sie tragen dafür die Verantwortung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf die Frage XII/3 - des Abgeordneten Dr. Gleissner -: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um mit Rücksicht auf die Volksgesundheit die von den Kraftfahrzeugen durch Abgase verursachten wachsenden Gefahren so bald wie möglich drastisch zu vermindern?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Gleissner, mit der Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 7. Juli 1960 ist u. a. auch die gesetzliche Grundlage für kraftfahrzeugtechnische Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft erweitert worden. Nach § 47 müssen Kraftfahrzeuge so beschaffen sein, daß die Verunreinigung der Luft durch Abgase das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt. Die im interparlamentarischen Auftrag gebildete Kommission „Reinhaltung der Luft" beim Verein Deutscher Ingenieure, von der ich hier wiederholt gesprochen habe, hat es übernommen, gemeinsam mit den Behörden und der Wissenschaft alle Anregungen und Vorschläge zu prüfen, die sich als geeignete und vertretbare Mittel gegen die Luftverunreinigung erweisen könnten. Die Bemühungen der Kommission finden ihren Niederschlag in technischen Richtlinien, die bei der Anwendung der gesetzlichen Forderungen die notwendige Beurteilungsgrundlage bilden. Im Jahre 1962 ist die Richtlinie 2281 veröffentlicht worden, die Maßnahmen gegen das vermeidbare Qualmen von Dieselmotoren enthält. Eine Begrenzung der CO-Bestandteile im Abgas von Vergasermotoren regelt die neu erlassene Richtlinie 2282, die von der Kommission in Kürze endgültig verabschiedet werden wird. An der Vorbereitung von weiteren Richtlinien wird mit allem Nachdruck von der Kommission gearbeitet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner!

Dr. Franz Gleissner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000689, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, sind Sie auch hier der Auffassung, daß die Zustände bei uns besser sind als im Ausland?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich bin der Auffassung, daß sie bei uns etwa gleich sind wie im Ausland. Ich habe bisher noch nicht festgestellt, daß im Ausland wirklich eine Besserung dieser Zustände zu verzeichnen ist, und die Kommission ist auch nicht dieser Meinung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gleissner!

Dr. Franz Gleissner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000689, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie sagen oder schriftlich mitteilen, welche Mittel von seiten der Forschung und Wissenschaft über Ihr Haus oder über andere Bundesressorts oder über die Länder eingesetzt werden, um auf diesem Gebiet wirksame Fortschritte zu erreichen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, wir haben ,die Forschungsmittel, die uns bewilligt sind, dafür eingesetzt. Sie sind im Haushalt verzeichnet. Sie werden durch die entsprechenden Institute verwendet. Mehr kann ich in der Angelegenheit nicht tun.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, ob im Ausland, z. B. in den Vereinigten Staaten, speziell in Kalifornien, die Wissenschaft so weit ist, serienreife Instrumente zur Verfügung zu stellen, die sich für den Einbau in Fahrzeuge lohnen, um eine bessere Verbrennung des Treibstoffs zu gewährleisten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, die Frage betreffend Kalifornien ist hier schon wiederholt behandelt worden. Die Maßnahmen dort sind genauso streng wie bei uns und stehen durchaus im Einklang mit den Vorstellungen der Interparlamentarischen Kommission. Wir hoffen, daß wir dank dieser Arbeit der Kommission in Auswertung aller in- und ausländischen Vorschläge im Laufe der Zeit zu fühlbaren Verbesserungen in dieser sehr wesentlichen Frage kommen werden. Zur Zeit haben sich die in Kalifornien eingeführten Maßnahmen nach den mir vorliegenden Unterlagen nicht bewährt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß von seiten der öffentlichen Hand, aber auch von seiten der Produktion, vor allem der Automobilindustrie, auch mit der Bereitstellung finanzieller Mittel genügend geschieht, damit bei 'den Technischen Hochschulen und Universitäten dieses Problem wirklich mit dem nötigen Nachdruck angepackt werden kann.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich bin der Meinung, Herr Kollege Müller-Hermann, daß wir vom Bund aus und auch die Länder mit Hilfe der Interparlamentarischen Kommission, des Vereins Deutscher Ingenieure und des Instituts von Prof. Luther, Clausthal, und anderen Professoren das tun, was man füglich vorn Staat verlangen kann. Daß die Industrie das Notwendige tut, kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die technische Lösung des Problems leichter wäre, wenn die jetzigen Schwierigkeiten beim Hubraum durch eine Abschaffung der Hubraumsteuer und eine Änderung der Kraftfahrzeugbesteuerung behoben werden könnten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, ich teile diese Auffassung. Wir arbeiten deswegen auf europäischem Gebiet dahin, eine neue Grundlage für die Kraftwagenbesteuerung zu erreichen. Dabei wind die Hubraumbesteuerung als eine spezifisch deutsche Angelegenheit wegfallen. Sie ist Anfang der 30er Jahre eingeführt ,worden und hat die technische Entwicklung der Kraftfahrzeuge in Deutschland entscheidend auch in dieser Richtung beeinflußt. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich die Hubraumbesteuerung schon immer für ein sehr ungünstiges Einwirken des Staates auf die technische Entwicklung der {Kraftfahrzeuge ungesehen habe.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie etwas über den Zeitraum sagen, der für den Abschluß dieser Bemühungen noch gebraucht wird, und haben Sie schon Alternativvorstellungen für die Habraumsteuer?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Börner, die Kommission in Brüssel hat ja schon entsprechende Vorschläge .ausgearbeitet. Sie werden jetzt in den zuständigen Gremien behan6292 fielt. Wir hoffen, daß wir mit dieser Frage im Interesse der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen vorankommen, weil gerade die Frage einer Vereinheitlichung nicht nur der Grundlagen, sondern auch der Sätze für eine Kraftfahnzeugsteuer für eine Bereinigung der Wettbewerbsverzerrungen im EWGRaum von entscheidender Bedeutung ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Frau +Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben Sie den Eindruck, daß nach Erlaß der von Ihnen erwähnten Richtlinien die Verunreinigung der Luft durch Abgase geringer geworden ist, d. h. daß diese Richtlinien wirksam sind und daß sie beobachtet werden?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich bin der Meinung, gnädige Frau, daß die Richtlinien wirksam sind. Die Beobachtung obliegt der Polizei der Länder.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, wird bei der Genehmigung zur Stillegung von Eisenbahnlinien mit Ersatz durch Omnibusse auch mit erwogen, daß hierdurch eine zusätzliche Verunreinigung der Luft und eine Vermehrung der Verkehrsdichte gerade im Industriegebiet entsteht?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Gnädige Frau, ,selbstverständlich sind solche Fragen dabei nicht entscheidend, sondern entscheidend ist die Frage der Wirtschaftlichkeit bei der Bundesbahn und bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Im übrigen ist natürlich das Problem, ob ich einen Personenverkehr verkrafte, wie das häßliche Wort heißt, oder ob ich ihn auf der Schiene belasse, nicht unbedingt mit dieser ,Frage verbunden. Auf der Schiene werden ja fast alle dafür geeigneten Fahrzeuge mit Dieselmotoren oder mit anderen Motoren, die Auspuffgase haben, betrieben, nur treten diese Fahrzeuge und ihre Auspuffgase dank der Führung der Schienenstrecke vielleicht nicht so auffällig in Erscheinung. Im Grunde genommen sind auch diese Auspuffgase für die Reinheit der Luft nicht gut. Andererseits ist bemeerkenswert, daß eben sowohl der Omnibus als auch der Schienenbus mit Dieselmotoren versehen sind und die Dieselmotoren die schädlichen CO-Gase, die die Pkws haben, in ihren Auspuffgasen nacht enthalten. Die Auspuffgase der Dieselmotoren sind geruchsempfindlich unangenehmer, aber gesundheitlich nicht so schädlich wie die der anderen Motonen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, ist die Kraft und damit der Energieverbrauch für die Bewegung einer Tonne auf der Schiene nicht doch geringer als auf den Straßen mit ihren vielfachen unvorhergesehen Windungen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Selbstverständlich, gnädige Frau. Die Bewegung auf dem Wasser beansprucht einen noch geringeren Energieverbrauch als die auf der Schiene, die Bewegung auf der Schiene einen geringeren als die auf der Straße. Es hängt von der Reibung und dem Gewicht ab. Auf der anderen Seite dreht es sich hier aber vordringlich um Fragen der Verkehrsbedienung. In sehr vielen Fällen ist die Verkehrsbedienung durch einen Omnibus für die Bevölkerung angenehmer, weil der Omnibus an verschiedenen Stellen halten und so die Ortschaften besser bedienen kann, als die Verkehrsbedienung durch ein Schienenfahrzeug über einen Bahnhof. Daher wandern die Leute von sich aus zum Omnibus ab.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir stehen am Ende der Fragestunde. Die weiteren Fragen werden am Freitagvormittag behandelt werden. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank ({0}) . Wird zur Begründung oder Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich in der Sache selbst abstimmen lassen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Ich komme zu Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen ({1}) ({2}). Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Innern.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf der Vorlage, die Ihnen bereits dem Inhalt nach aus der Drucksache wie auch aus der lebhaften öffentlichen Diskussion bekannt ist, einige Worte vorausschicken. Ich habe es außerordentlich bedauert, daß bei der Regierungsvorlage ein Punkt in der öffentlichen Diskussion untergegangen ist, und zwar die Frage der Vereinheitlichung des Kindergeldes. Die Bundesregierung hat diesen Punkt zum 1. Oktober dieses Jahres vorgezogen, um auch dem Arbeiter im öffentlichen Dienst Gelegenheit zu geben, gerade in diesem sozialen Bereich an einem Fortschritt beteiligt zu sein. Ich bin Ihnen wohl einige Bemerkungen schuldig, warum die Bundesregierung ihre Vorlage in zwei Teile teilt, und zwar in eine Anhebung von 3 % der Grundgehälter zum 1. Oktober, von weiteren 5 % am 1. Januar 1965, mit den sozialen Verbesserungen hinsichtlich der Ortsklasse B, der Tarifklasse IV und des Ortszuschlages. Bei allen diesen Fragen - wie bei jeder Frage, bei der Leistungen und Arbeitsentgelte zur Debatte stehen - handelt es sich um eine Frage der Gerechtigkeit. Das ist der ausschlaggebende und entscheidende Gesichtspunkt. Das war ausschlaggebend für die Regierung, von sich aus - ohne daß die parlamentarischen Vorgänge irgendwie dazu einen Anlaß gegeben hätten - in Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht eine Vorlage zu machen. Bereits im Februar dieses Jahres wurde mit den Ländern Verbindung aufgenommen. Wir waren übereingekommen, gemeinsam mit den Ländern Mitte des Jahres, also im Mai, dem Bundestag eine Vorlage zu machen, damit synchronisiert mit den Haushaltsberatungen für 1965 eine ordnungsgemäße, eingehende und sachgemäße Beratung möglich ist. Dieser Termin wurde auch eingehalten. Die Vorlage ist am 13. Mai vom Bundeskabinett verabschiedet und auf dem schnellsten Wege dem Hohen Hause zugeleitet worden, so daß bereits heute eine Beratung möglich ist. Wenn ich sage, Gehaltsfragen, Lohnfragen seien Fragen der Gerechtigkeit, dann heißt das: Fragen der Gerechtigkeit nicht nur in einer Richtung, sondern in mehreren Richtungen, auch gegenüber allen Ansprüchen, die sich hier sammeln und in einem Haushalt vereinigt werden müssen. Es war immer ein Anliegen der Bundesregierung - und ihm Rechnung zu tragen, bestand bei dieser Vorlage zum erstenmal Aussicht -, eine zeitliche Übereinstimmung, eine Synchronisierung zwischen den Haushaltsberatungen und den Beratungen über eine solche Vorlage zu erreichen. Der Art. 110 des Grundgesetzes enthält die entscheidende Bestimmung, daß wir einen jährlichen Haushalt mit jährlichem Ausgleich haben und daß dieses Prinzip nur in Ausnahmefällen unter ganz besonderen Umständen - mit besonderen Einschränkungen, mit besonderen Rechten des Bundesfinanzministers - verlassen werden darf. Niemand von uns, weder das Hohe Haus noch die Bundesregierung, kann sich dieser Bestimmung entziehen. Daß es bisher nicht möglich war, eine solche Synchronisierung zu erreichen, beruht auf einer ganzen Reihe von Umständen. Wir sollten nicht in die Vergangenheit zurückblicken, sondern wir sollten uns mit der Gegenwart und mit dem beschäftigen, was vor uns liegt. Wenn es zum erstenmal möglich ist, bis zum 1. Januar, bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahres, den neuen Haushalt, der in sehr kurzer Frist vorgelegt werden wird, abschließend zu beraten und in Kraft zu setzen, dann sollten wir wegen .dieses Ordnungsgesichtspunktes und wegen des materiellen Teiles des Budgetrechts, der in dieser Bestimmung enthalten ist, den Vorschlag der Regierung akzeptieren. Das waren unsere Überlegungen, und ich glaube, daß jeder von Ihnen, der die Haushaltslage, die Verfassungssituation bezüglich des Haushalts und alle übrigen Umstände in seine Betrachtungen einbezieht, bestätigen muß, daß die Überlegung und das Begehren der Bundesregierung, entscheidende Verbesserungen mit dem Haushalt am 1. Januar 1965 in Kraft zu setzen, absolut berechtigt, sinnvoll, wünschenswert sind und im Interesse eines Gleichklanges zwischen Haushalt und solchen Vorgängen, die ja in die Milliarden gehen, liegen. Zweitens haben wir Rücksicht zu nehmen auf einen anderen Bereich. Auch wenn gesetzliche Zusammenhänge nicht bestünden, würden pragmatische und politische Beziehungen bestehen zwischen der Entlohnung ,des Angestellten und Arbeiters im öffentlichen Dienst und der Besoldung des Beamten. Über diese wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge zwischen diesen beiden Bereichen hinaus bestehen aber seit 1957 sehr entscheidende rechtliche Zusammenhänge, weil eine ganze Reihe von Leistungen, die der Bundesbeamte bekommt, dem Angestellten gesetzlich zufallen. Ich glaube, es ist nicht gut, mit Gesetzesrecht in Vertragsrecht hineinzuregieren. Wir haben Verträge geschlossen, wir haben sie unterschrieben, sie laufen noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres, und bis dahin sollten wir nicht mit gesetzlichen Bestimmungen in diese Tarifverträge hineinregieren. Im übrigen ist niemand von uns davon befreit, den Blick hinzuwenden auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, auf die allgemeine Wirtschaftslage, vor allem auf die monetäre Seite unserer Wirtschaftslage. Wir haben es besser als unsere Freunde im europäischen Bereich vermocht, monetäre Disziplin zu halten. Sie wissen ganz genau, welche Komponenten und Elemente monetäre Disziplin bedingen und wie monetäre Disziplin in der praktischen Verwirklichung entsteht. Wir haben eine unerhörte Chance, diesen Vorrang und diesen Vorsprung, den wir durch größere monetäre Disziplin erzielt haben, im Interesse unserer Vollbeschäftigung, im Interesse der breiten Masse unseres Volkes zu bewahren. Auch in diesem Zusammenhang muß das Besoldungserhöhungsgesetz gesehen werden. Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Vorlage der Regierung, für die Besoldungserhöhung in zwei Stufen, maßgeblich gewesen ist: Wir greifen mit einer solchen Vorlage und einer solchen Entscheidung weit hinein in den Bereich der Länder und Gemeinden. Jedes gesetzliche Hineingreifen von hier aus, vor allem mit erheblichen finanziellen Auswirkungen, in den Bereich der Länder und der Gemeinden verpflichtet uns zu einer ganz besonderen Verantwortung. Es gibt Länder, die sich außerordentlich schwer tun, auch eine bescheidene Verbesserung noch in diesem Jahre zu finanzieren. Ich will diese Länder nicht namentlich nennen. Sie alle sind orientiert genug, um zu wissen, welche Länder davon betroffen sind. Wir haben schwere und ernste Klagen von den Ländern gehört, die sich darüber beschweren, daß wir ihnen einfach Verpflichtungen auferlegen, für die sie keine ordnungsgemäße Dekkung haben. Bei den Gemeinden wird die Situation angesichts der noch viel größeren Unterschiede in der Steuerkraft nicht anders sein. Das alles sind die Überlegungen und Gesichtspunkte, die für uns maßgeblich gewesen sind, Ihnen die Vorlage in dieser Form zu unterbreiten. Schließlich wird man der Sache auch nicht gerecht, wenn man eine solche Vorlage isoliert als Einzelvorgang betrachtet. Sie muß im Zusammenhang mit all den Schritten gesehen werden, die die Bundesregierung seit 1961 zur wohlüberlegten, stufenweisen Anpassung und Verbesserung des Rechts des öffentlichen Dienstes unternommen hat. Dazu gehören nicht nur die lineare Verbesserung im Jahre 1963, sondern auch die Harmonisierungsnovelle, durch die für den größten Teil der Bundesbeamten, vor allem im unteren Bereich, wesentliche Verbesserungen erreicht werden konnten, die Frage des Weihnachtsgeldes und die Tatsache, daß wir allein in der letzten Woche vier Vorlagen behandelt haben, darunter Vorlagen für den Personenkreis des Art. 131 des Grundgesetzes mit sehr bedeutsamen finanziellen Auswirkungen. Ich darf darauf hinweisen, daß Ihnen die Bundesregierung ein Reisekostengesetz mit wesentlichen Verbesserungen des Tage- und Übernachtungsgeldes vorgelegt hat, daß die Situation bei den Umzugskosten rechtlich und finanziell wesentlich verbessert worden ist und daß sich darüber hinaus eine ganze Reihe von verwaltungsmäßigen Verbesserungen in der Frage der Stellenpläne, im Bereich der strukturellen Überleitung usw. ergeben. Das wissen Sie alle, und im Rahmen dieses Gesamtbildes muß eine solche Vorlage gesehen werden, die insgesamt eine jährliche Mehrbelastung von 1,3 Milliarden DM bringen wird, ein Vorgang, der nach Umfang und Gewicht außerordentlich bedeutsam erscheint. Es sind zu dieser Vorlage bereits erhebliche und bedeutsame politische Äußerungen getan worden. Sie, meine Damen und Herren, haben das Haushaltsrecht. Sie werden entscheiden, in welcher Form diese Vorlage das Parlament verläßt und Wirklichkeit wird. Die Bundesregierung wird mit Wohlwollen jede Überlegung von Ihnen verfolgen, die eine Verbesserung vorsieht und möglicht macht, wenn sie sich im Rahmen unserer Haushaltsordnung und unserer Haushaltswirtschaft bewegt. Von diesem Rahmen und von diesen Bestimmungen ist niemand befreit, ganz gleich, an welchem Platz er hier im Hohen Hause sitzt; auch die Regierung ist nicht davon befreit. Die ordentliche Bewirtschaftung des Haushalts ist das oberste Gesetz. Ich würde Sie darum bitten, meine Damen und Herren, daß Sie die Vorlage noch vor den Parlamentsferien verabschieden, um auf diesem sehr bedeutsamen Gebiet eine Beruhigung für die Öffentlichkeit zu schaffen. Die Bundesregierung hat nichts dagegen, wenn Sie die letzten Möglichkeiten ausschöpfen, die die finanzielle Entwicklung bietet. Aber ich darf noch einmal bitten: Nehmen Sie Rücksicht auf die finanzschwachen Länder und auf die finanzschwachen Gemeinden, und sehen Sie nicht alles nur von der Seite dieses Berufsstandes, dessen Arbeit in der Öffentlichkeit nicht die Würdigung und die Anerkennung erfährt, die er in Wirklichkeit verdient. Es gibt oft sehr primitive Witzeleien über die Leistungen der Verwaltung. In Wirklichkeit ist das ganze Volk Nutznießer dieser Verwaltung und dieser Verwaltungsleistungen. Was hier geboten worden ist in einem Staat, der praktisch neu aufgebaut worden ist, das ist auch geschichtlich gesehen einmalig. Wenn Sie alle diese Gesichtspunkte zusammenziehen und in diesem Geiste Ihre Entscheidungen treffen, werden Sie für den großen Bereich, für diesen Personenkreis, für unsere öffentliche Ordnung und für die Beruhigung der Diskussion etwas Bedeutsames leisten. Ich darf noch einmal bitten, diese Vorlage so rasch zu beraten, daß sie noch vor den Sommerferien Gesetz werden kann. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.

Dr. h. c. Leo Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Wirtschaftsbericht der Bundesregierung hat sich das Volkseinkommen von 1962 auf 1963 von 273 Milliarden DM auf 288 Milliarden DM erhöht. Es ist in der Zwischenzeit auf 306 Milliarden DM angewachsen. Das entspricht einer Zuwachsrate von 8,4 % im Jahre 1962, von 5,7 % im Jahre 1963 und von 6,1 % im Jahre 1964. Ich meine, es ist selbstverständlich und wird sicherlich von niemandem in diesem Hause bestritten, daß wir alle eine gleichmäßige Beteiligung unseres Volkes an dieser wirtschaftlichen Entwicklung wollen. Mit dem Vierten Besoldungserhöhungsgesetz wird daraus für die Beamten des Bundes die Konsequenz gezogen. Wir erfüllen damit auch ein Verfassungsgebot. In Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes ist uns aufgegeben, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu beachten. Dazu gehört, daß die Beamtenbesoldung an die Entwicklung allgemeiner finanzieller Verhältnisse und an den allgemeinen Lebensstandard anzupassen ist. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung mit dem Vierten Besoldungserhöhungsgesetz diesem Auftrage Rechnung trägt, und wir begrüßen es vor allem, daß dies rechtzeitig vor den Entscheidungen in den Länderparlamenten und vor Beginn der Tarifverhandlungen erfolgt. Mit dem Dritten Besoldungserhöhungsgesetz und dem Zweiten Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften ist der Bundesgesetzgeber in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht im vorigen Jahr tätig geworden. Die genannten Gesetze brachten Besoldungsverbesserungen zum 1. März 1963 und zum 1. April und 1. Oktober 1963. Mit diesen Maßnahmen hat der Bundestag den verbesserten allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen seit Anfang 1961 Rechnung getragen. In erster Linie war es das Verdienst des Bundesinnenministers Höcherl, daß es damals nicht nur gelungen ist, der Beamtenschaft ihren gebührenden Anteil am Wachstum des Volkseinkommens zu sichern, sondern auch, das Besoldungsgefälle innerhalb der Beamtenschaft sozialer und familiengerechter als bisher zu gestalten. In Verfolg dieser Zielsetzung ist die Beamtenbesoldung seinerzeit im einfachen Dienst zum Teil um 16 %, im höheren Dienst bis zu 7 % angehoben worden. Mit dem heute vorliegenden Vierten Besoldungserhöhungsgesetz ist uns nun die Aufgabe gestellt, die Beamtenbesoldung an die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung und an das Wachstum des Volkseinkommens seitdem anzugleichen. Die Kernfragen, die dabei zu lösen sind, lauten: Welche Besoldungserhöhung ist gerecht und entspricht dieser Entwicklung? und: Ist eine Besoldungserhöhung in diesem Umfang mit Rücksicht auf die konjunkturelle Lage und die Haushaltssituation durchsetzbar? Bei der zweiten Frage muß ich auf einen nach meiner Meinung entscheidenden Gesichtspunkt hinweisen. Beamtenbesoldungspolitik ist keine aktive Besoldungspolitik im üblichen Sinn. Ihr wohnt nicht so sehr der Drang nach vorn im Sinne einer Vorausentwicklung inne, sondern sie berücksichtigt die von anderer Seite gesetzten Fakten, sei es den gewachsenen Wohlstand, sei es die Steigerung der Lebenshaltungskosten. Was ist nun der materielle Inhalt des Viertes Besoldungserhöhungsgesetzes? Der Regierungsentwurf sieht eine Anhebung der Grundgehälter um 3% zum 1. Oktober 1964 und um weitere 5 % zum 1. Januar 1965 sowie eine Anhebung des Ortszuschlags vor. Nicht zu übersehen sind die sozialen und familienfreundlichen Elemente, mit denen die Politik der jüngsten Beamtengesetzgebung weitergeführt wird. In Verfolg dieser Politik wird der Kinderzuschlag ab 1. Oktober 1964 einheitlich auf 50 DM festgesetzt und nicht mehr wie bisher nach dem Alter des Kindes gestaffelt gewährt. Damit wird der Erkenntnis Rechnung getragen, daß vor allem die Lebenshaltungskosten für Kleinkinder in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen haben. Im übrigen wird durch diese Gestaltung eine wesentliche Arbeits- und Verwaltungsvereinfachung herbeigeführt. Ab Januar 1965 soll nach dem Entwurf eine neue Ortszuschlagstabelle mit Wegfall der Ortsklasse B und der Tarifklasse IV des Ortszuschlags in Kraft treten. Die Ortsklasse B wird danach in der Ortsklasse A aufgehen. Der bisher in vier Tarifklassen aufgeteilte Ortszuschlag wird künftig auf drei Tarifklassen zugeschnitten, was erneut zu einer gewissen Begünstigung gerade der niedrigeren Einkommen führt. Durch den Wegfall der Ortsklasse B wird den Beamten draußen in den kleinen Gemeinden die Sicherung ihres Lebensunterhaltes erleichtert. Das Preisgefüge zwischen Stadt und Land ist nicht mehr so geartet wie noch vor wenigen Jahren. Die Preise in Stadt und Land haben sich weitgehend aneinander angeglichen. Mit dieser Vorlage hat uns die Bundesregierung eine gute Grundlage für unsere Beratungen gegeben und gleichzeitig den Weg gewiesen, wie auch in der Zukunft die Beamtenbesoldung sozial und familienfreundlich geregelt werden kann. Wir wollen hierbei auch erwähnen, daß der Bundesminister des Innern in seinem Hause eine Arbeitsgruppe gebildet hat, die untersuchen soll, ob durch eine Änderung des Ortszuschlags die familienfreundlichen Elemente der Besoldung noch besser und noch klarer als bisher herausgestellt werden können; ein Vorhaben, das wir begrüßen. Nicht einig geht die Fraktion der ,CDU/CSU mit dem Vorschlag betreffend die Erhöhung der Grundgehälter. Wir sind der Meinung, daß die Verbesserung der Grundgehälter nicht aufgesplittert zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in Kraft treten sollte. Wir treten dafür ein, die Grundgehälter mit Wirkung ab 1. Oktober 1964 um insgesamt 8 % zu erhöhen. Wir halten dies für ein Gebot der Billigkeit besonders im Hinblick auf die Schätzungen über den Zuwachs des Volkseinkommens für 1964. Der Bund ist der Träger der höchsten Besoldungs- und Versorgungslast in der Bundesrepublik. Er sollte deshalb auch in der Besoldungspolitik maßgebend vorangehen und den Ländern eine Richtschnur für ihr eigenes Verhalten geben. In der Zwischenzeit ist erkennbar geworden, daß verschiedene Länder ides Bundes - beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Saarland - eine beachtliche Anhebung der ,Grundgehälter noch für das Haushaltsjahr 1964 planen. Ihnen ist bekannt, meine Damen und Herren, daß die 'Bemühungen des Bundesinnenministers um eine rechtliche Fixierung der Besoldungseinheit in Bund und Ländern gescheitert sind. Das Gesetz zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes hat nicht die Zustimmung der notwendigen Mehrheit in diesem Hause gefunden. Um so mehr drängt es sich jetzt .auf - da der Bund keine rechtliche Handhabe hat -, durch beispielgebendes Handeln alle Dienstherren der Bundesrepublik zu veranlassen, die Besoldungseinheit nicht zu sprengen. Wir glauben, daß dies nur möglich sein wird, wenn wir den Beschluß fassen, schon zum 1. Oktober (die Grundgehälter insgesamt um 8 % zu erhöhen. Auch aus Gründen der rationellen Verwaltungsarbeit schlagen wir dieses Verfahren vor; denn sonst müßten alle Kassen zweimal in drei Monaten sämtliche Beamtengehälter umrechnen. Die Bundesregierung hat die Haushaltsmehraufwendungen für 1964, resultierend aus der Verbesserung des Kinderzuschlags und der Grundgehälter um 3 %, mit insgesamt 93 Millionen DM - einschließlich Bundesbahn und Bundespost - berechnet. Wenn der Bundestag dagegen unseren Vorschlägen folgt und die Gehälter bereits .ab 1. Oktober 1964 um volle 8 % erhöht, so bedeutet das gegenüber dem Regierungsentwurf eine weitere Mehrbelastung um wenigstens 121 Millionen DM. Konjunktur- und haushaltspolitische Bedenken werden dabei nicht ausbleiben. Eine Reihe von Zuschriften hat ;dies in der Zwischenzeit bereits ausgedrückt. Wir hoffen aber, daß wir die haushaltsmäßige Mehrbelastung im Rahmen der 60,3 Milliarden-Grenze ausgleichen können; dies wird allerdings nicht leicht sein. Im übrigen muß ich nochmals betonen, daß wir mit der vorgeschlagenen Besoldungserhöhung für die Beamten keinen Zuwachs über ihren bisher innegehabten Anteil am Volkseinkommen erstreben, sondern Idle Beamten nur so stellen wollen, wie der Durchschnitt unseres Volkes in diesem Jahr gestellt ist. Es wäre deshalb auch abwegig, zu behaupten, daß der Bund mit der Besoldungserhöhung einen Berufungsfall schaffe, der anderen Gruppen das Recht gebe, ähnliche Forderungen durchzusetzen. Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die Grundzüge des Regierungsentwurfs voll und ganz. Diese Vorlage, die rechtzeitig eingebracht und inhaltlich materiell ausreichend ausgestattet ist, ist nicht nur eine Erfüllung des Verfassungsauftrages; sie enthält auch ein Stück Dank an die Beamten in allen Bereichen der Bundesverwaltung für ihre ausgezeichnete Arbeit. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Gscheidle.

Kurt Gscheidle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit der Drucksache IV/2317 ihre Vorstellungen über eine notwendige Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Auch diese Besoldungsdebatte steht wie die vorangegangenen unseres Erachtens unter einigen unglücklichen Vorzeichen. Die gesamte Auseinandersetzung in den letzten Jahren läßt doch die Notwendigkeit erkennen, die Beamtenbesoldung zu objektivieren und zu versachlichen. ({0}) Gleichzeitig wird deutlich, daß das Besoldungsrecht im Rahmen des gesamten Beamtenrechts weiterentwickelt und vereinheitlicht werden muß. Die SPD-Bundestagsfraktion hat anläßlich der Beratung der sogenannten Harmonisierungsnovelle beantragt, gerade im Interesse dieser Grundsatzforderungen eine Kommission von unabhängigen Sachverständigen einzusetzen, die, losgelöst von der täglichen Arbeit, Unterlagen erarbeiten sollte. Die Bundesregierung hielt es für richtig, durch den zuständigen Minister erklären zu lassen, daß sie gegen ein solche Einrichtung Bedenken habe. Meine Fraktion hat mehrfach versucht, die Bundesregierung zu veranlassen, das statistische Material - von dem der Herr Abgeordnete Wagner gesprochen hat -, auf dessen Grundlage sie ihre Maßnahmen zur Anpassung der Beamtenbesoldung stützt, offen auf den Tisch zu legen. Das sollte den Fraktionen ermöglichen, auf Grund dieser Zahlen zu einer sachgerechten Entscheidung in der Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge zu kommen. Die konkrete Frage der SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Kleinen Anfrage vom 29. April 1964 in der Drucksache Nr. IV/2215 wurde nicht beantwortet. ({1}) Unsere erneute Frage vom 27. Mai 1964: Ist der Bundesminister des Innern nicht in der Lage oder nicht gewillt, die für die Entscheidung über die Höhe der Besoldung der Beamten des Bundes wichtige Frage zu beantworten, wie groß der Abstand zwischen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und ides allgemeinen Lebensstandards einerseits und den Bezügen im öffentlichen Dienst andererseits ist? ist ebenfalls noch nicht beantwortet. Der notwendige Respekt vor der Bundesregierung verbietet es uns, anzunehmen, daß die in .der Vorlage vorgesehenen Erhöhungen ohne Rücksicht auf die vorhandenen statistischen Zahlen über die Erhöhung der Beamtengehälter ab 1. Oktober 1963 und über die seitherige durchschnittliche Erhöhung der Bruttomonatslöhne eines angelernten Industriearbeiters erfolgt sind. Um so unverständlicher ist es für meine Parteifreunde, daß diese Begründungsunterlagen der Drucksache nicht beigefügt sind. ({2}) Bei einem solchen Verfahren verdichtet sich der Verdacht bei den Betroffenen, die Personalausgaben des öffentlichen Dienstes würden allein aus konjunkturpolitischen Gesichtspunkten und nach der jeweiligen Haushaltslage getroffen. Eine Objektivierung des Besoldungsstreits ist so nicht möglich. Demgegenüber darf ich für meine Parteifreunde sagen, daß es uns angenehm berührt hat, mit welcher Sachlichkeit auch der Abgeordnete Wagner gerade diesen Punkt in seinen Ausführungen aufgegriffen hat. Zu einer Versachlichung gehört unseres Erachtens ferner, daß die nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu führenden Gespräche mit der notwendigen Aufrichtigkeit und unter 'Beachtung der geltend gemachten Gesichtspunkte geführt werden. ({3}) Der Herr Bundesinnenminister Höcherl hat bei der Pressekonferenz .am 13. Mai 1964 im Bundeshaus bei der Begründung der hier zu behandelnden Vorlage auf die wiederholte Frage eines Journalisten, ob der Beamtenbund oder die Gewerkschaften der Vorlage schon zugestimmt hätten, geantwortet, die Spitzenverbände seien vorschriftsmäßig angehört worden und hätten sich dazu geäußert. Die aus dieser Formulierung deutlichgewordene Geringschätzung der Beteiligung der Spitzenorganisationen bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst beschäftigten Beamten läßt die Bedeutung erkennen, welche die Bundesregierung dieser Beteiligung beimißt. ({4}) Auch dies trägt unseres Erachtens nicht zu einer Versachlichung dieser jährlichen Auseinandersetzung über die verfassungsrechtlich festgelegte, durch oberste Rechtsprechung bestätigte notwendige Anpassung der Beamtenbesoldung an die allgemeinen Wirtschaftsverhältnisse bei. Wir sind der Auffassung, daß bei der Begründung einer Gesetzesvorlage dem Parlament mitgeteilt werden sollte, in welchen Punkten Übereinstimmung und in welchen Punkten - unter Angabe der jeweiligen Gründe -eine solche Übereinstimmung nach § 94 BBG nicht erzielt werden konnte. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt im Gesetzentwurf die Streichung der Tarifklasse IV im Ortszuschlag und den Wegfall der Ortsklasse B sowie die Verbesserung des Kindergeldes. Damit werden alte und ständig wiederholte Forderungen meiner Fraktion endlich erfüllt. ({5}) Es erscheint uns jedoch notwendig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß bei der Weiterentwicklung des Besoldungsrechts die derzeitige Aufteilung der Beamtenbezüge in Grundgehalt und Ortszuschlag generell überprüft, der Entwicklung der Lebenshaltungskosten in den Wirtschaftsgebieten angepaßt, personalwirtschaftliche Notwendigkeiten beachtet werden sollten und dem Gedanken der Verwaltungsvereinfachung Rechnung getragen werden muß. Jede objektive Diskussion über die Nachwuchssorgen des öffentlichen Dienstes sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht zeigt, daß eine Überarbeitung der Besoldungstabellen im Hinblick auf die Bezüge gerade der jüngeren Laufbahnbeamten dringend erforderlich ist. Bei der Beratung ähnlicher Gesetzesvorlagen im Ausschuß für Inneres hatte die SPD-Bundestagsfraktion auch wiederholt darum gebeten, die Besteuerung der Beamtenversorgung und der Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst einer Überprüfung mit dem Ziele einer gleichen steuerrechtlichen Behandlung von Sozialrenten und Beamtenpensionen sowie des Kindergeldes zu unterziehen. Nach den Auskünften des Herrn Bundesinnenministers in einer der letzten Fragestunden dieses Hauses gegenüber meinem Kollegen Schmitt-Vockenhausen hält die erbetene Überprüfung immer noch an. Wir möchten diese Gelegenheit dazu benutzen, die Bundesregierung und das Parlament noch einmal auf diese unseres Erachtens wichtige Frage hinzuweisen und daran die Bitte zu knüpfen, die Überprüfung zu einem baldigen Abschluß zu bringen und dem Bundestag konkrete Vorschläge zuzuleiten. Die SPD-Bundestagsfraktion wird die Dringlichkeit der Sache in den nächsten Tagen noch durch eine Kleine Anfrage unterstreichen. Die Forderung nach einer gerechten Besoldung der technisch vorgebildeten Beamten fand bei der letzten Beamtenbesoldungsregelung im Innenausschuß keine Unterstützung durch die anderen Fraktionen. Die Tatsache, daß den Beamtenanwärtern für die Laufbahn des technischen Dienstes höhere Vergütungen geleistet werden, zeigt, daß die Notwendigkeit einer differenzierten Behandlung anerkannt wird. Im Zusammenhang mit der Beratung dieser oder weiterer beamtenrechtlicher Gesetzesvorlagen werden wir im Ausschuß für Inneres erneut beantragen, auch diese Frage zu diskutieren. Aus Zeitungsberichten haben wir entnommen, daß die Bundesregierung auch diese Vorlage wiederum zum Anlaß nehmen will, einen Vorstoß zur Vereinheitlichung der Beamtenbesoldung in Bund und Ländern zu unternehmen. An unserer Auffassung, daß die dafür ins Auge gefaßte Grundgesetzänderung ein unzureichendes Mittel sei, hat sich nichts geändert. Auch die SPD-Bundestagsfraktion verkennt nicht die Wichtigkeit einer Vereinheitlichung und ist ihrerseits nach wie vor bereit, dazu sachkundige Vorschläge zu machen. Die unseres Erachtens dazu notwendige Vereinheitlichung personalwirtschaftlicher Vorstellungen konnte leider nicht vorangetrieben werden. Die zwischen Bund und Ländern dazu gebildete Kommission, auf die seinerzeit sowohl der Minister als auch die Sprecher der Regierungsparteien hingewiesen haben, hat sich dieser Aufgabe zwar angenommen, über die Wirksamkeit ihrer Arbeit gibt jedoch am ehesten die Tatsache Aufschluß -die ich Ihnen heute mitteilen darf -, daß inzwischen sieben neue unterschiedliche Bewertungsverfahren im öffentlichen Dienst in Erprobung sind. Bei der Gestaltung und Aufstellung der Organisations- und Haushaltspläne sind die gesetzgebenden Körperschaften nach wie vor nicht auf einheitliche Gesichtspunkte ausgerichtet, sondern entscheiden nach eigenem Ermessen. Die Auswirkungen auf Grund solcher Unterschiede in personalwirtschaftlichen Grundsatzfragen sind jedoch für die Vereinheitlichung der Beamtenbezüge von entscheidender Bedeutung. Erreicht hat der Bundestag durch die Ablehnung unseres damaligen Antrages auf Einsetzung einer Sachverständigenkommission nur die Ausschaltung der gesetzgebenden Körperschaften in der Vorbereitung dieser für die Beamtenbesoldung notwendigen Regelungen. Das Politikum der hier zu behandelnden Vorlage liegt schwergewichtig in dem Zeitpunkt und dem Umfang der vorgesehenen Besoldungserhöhung. Dazu gibt es eine Reihe von Stellungnahmen. Ohne Sie mit dem Verlesen der entsprechenden Zeitungsmeldungen zu langweilen, darf festgestellt werden, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses darin einig sind, eine Erhöhung zum 1. Oktober 1964 um 3 % und eine zweite Erhöhung zum 1. Januar 1965 um weitere 5 % - aus den verschiedensten Gründen -abzulehnen. Die bisherige Praxis der Öffentlichkeitsarbeit der Regierungsparteien auf diesem Gebiet rät uns allerdings zu einer gewissen Vorsicht. ({6}) Auch in der Frage der strukturellen Überleitung und der Doppelversorgung gab es vor der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfs in der Öffentlichkeit keinen Zweifel darüber, daß die CDU/ CSU-Fraktion eine Rechtsminderung ablehnen und die strukturelle Überleitung ohne Einschränkung durchführen wolle. Diese beamtenfreundlichen Meldungen wurden jedoch durch die anschließenden Erklärungen bei der ersten Lesung nicht voll abgedeckt. Demgegenüber haben wir heute mit großer Freude festgestellt, daß die CDU/CSU-Fraktion zu den Ankündigungen bezüglich ihres Verhaltens gegenüber dieser Gesetzesvorlage mit der Erklärung ihres Sprechers gestanden ist. Für die SPD-Bundestagsfraktion darf ich zu der vorliegenden Gesetzesvorlage in Übereinstimmung mit unseren bisherigen Erklärungen gegenüber der Öffentlichkeit feststellen: Erstens. Die SPD-Bundestagsfraktion wendet sich entschieden gegen die Absicht der Bundesregierung, die Besoldung der Bundesbeamten in zwei Stufen vorzunehmen. Zweitens. Unter Berücksichtigung aller Faktoren erscheint uns eine 8%ige Erhöhung zum 1. Oktober 1964 notwendig. Drittens. Zu dem notwendigen Ausmaß einer Besoldungsanhebung für das Jahr 1965 kann heute wegen des Fehlens der dazu erforderlichen Unterlagen keine Stellungnahme erfolgen. Viertens. Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihre Bemühungen fortsetzen, die Besoldungsbestandteile an die allgemeine Entwicklung anzupassen, d. h. eine weitere Vereinheitlichung des sogenannten Ortszuschlages anzustreben, die Höhe des Kindergeldes entsprechend einer wirksamen Familienpolitik weiter auszubauen, die Fragen der steuerlichen Behandlung der Ruhestandsbezüge und des Kinderzuschlags schnellstens zu einem Abschluß zu bringen sowie die Gewährung einer Technikerzulage erneut zur Entscheidung zu stellen. Fünftens. Wir werden uns für eine schnelle Behandlung der Vorlage im Ausschuß für Inneres einsetzen und stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001506, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion habe ich zu erklären, daß wir mit der von der Regierung vorgesehenen stufenweisen Anhebung der Beamtengehälter nicht einverstanden sind. Wir wünschen vielmehr eine Anhebung von 8 % der vollen Bezüge zum 1. Oktober dieses Jahres. Die Vertreter der FDP im Innenausschuß werden daher bei den Ausschußberatungen einen entsprechenden Änderungsantrag zu der Regierungsvorlage stellen. Wir legen ferner Wert auf die Feststellung, daß es sich bei dieser Aufbesserung der Beamtenbezüge zum Herbst dieses Jahres lediglich um ein Nachziehen gegenüber der allgemeinen Einkommensentwicklung handelt, das eigentlich schon zum 1. Januar 1964 hätte erfolgen müssen; denn nach den eigenen Unterlagen des Bundesinnenministeriums hinkten die Bezüge der Beamten bereits zum Ende des Jahres 1963 erheblich nach. Es ist daher nicht ganz verständlich, daß man eine Verbesserung von nur 3 % vorgesehen hat, obwohl man weiß, daß dieser Prozentsatz selbst zu Beginn dieses Jahres mindestens doppelt so hoch hätte sein müssen, um die Bezüge der Beamten mit der davongelaufenen Einkommensentwicklung der übrigen Bevölkerung wieder in Einklang zu bringen. Die Feststellung, meine Damen und Herren, daß es sich nur um ein Nachholen handelt, ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil bekanntlich eine Reihe von Tarifverträgen seitens der Gewerkschaften zum 1. Oktober dieses Jahres gekündigt worden ist. Es ist zweifellos ein sehr unglückliches zeitliches Zusammentreffen, daß nun zu eben demselben Zeitpunkt die verspätete Aufbesserung der Beamtengehälter nachgeholt wird. Obwohl jeder Sachverständige weiß, daß das nur ein rein zufälliges Zusammentreffen ist, wird es dann sicher wieder Leute geben, die meinen, die zum Herbst dieses Jahres kommenden Lohnerhöhungen in der freien Wirtschaft seien durch die Erhöhung der Beamtengehälter ausgelöst. Leider kommt hierdurch die Bundesregierung infolge ihrer eigenen Verzögerungstaktik bei den Beamtengehältern selbst in eine falsche Optik. Man wird es sich daher sehr ernstlich überlegen müssen, ob es nicht zur Vermeidung einer solchen Situation, die ja nicht zum erstenmal besteht, richtiger und auch lohnpolitisch zweckmäßiger wäre, die Beamtengehälter jeweils so rechtzeitig anzuheben, daß dieser falsche Eindruck in der Öffentlichkeit gar nicht erst entstehen kann. Dazu gehört dann allerdings auch, daß notwendige Verbesserungen der Beamtengehälter rechtzeitig in den künftigen Haushalt eingeplant werden. Denn es ist sowohl für die Beamtenschaft als auch für den Bundesfinanzminister sehr unerfreulich, wenn die Erhöhung infolge Versäumnis einer vorsorglichen Berücksichtigung im Haushaltsplan dann mit vielen Schwierigkeiten aus dem laufenden, also bereits verabschiedeten Haushalt herausgeschnitten werden muß. In dieser Hinsicht schleppen wir immer noch aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik Methoden mit uns, die absolut falsch sind und die bei einigermaßen vorausschauender Planung auch zu vermeiden sind. Die Freien Demokraten betonen, gerade weil sie aus ihren eigenen Reihen den Bundesfinanzminister stellen, daß sie es für keinen guten Stil halten, immer wieder mitten im Haushaltsjahr die Haushaltsansätze ändern zu müssen. Der Haushalt sollte grundsätzlich jeweils für das laufende Jahr stabil bleiben. Dazu gehört dann aber auch, daß die vorhersehbar notwendigen Mittel für die eigene Beamtenschaft von allen Regierungsstellen bereits bei der Aufstellung der Haushaltspläne eingeplant werden. Lassen Sie mich zum Schluß darauf hinweisen, daß die FDP-Fraktion die Verabschiedung dieses Gesetzes noch vor der Sommerpause wünscht. Wir wissen, daß das zeitlich gerade noch eben möglich ist. Nachdem um diese Dinge in der Öffentlichkeit schon wieder soviel Unruhe entstanden ist, sollten wir alles tun, um diese Angelegenheit, die ohnehin verspätet kommt, zu einem schnellen Abschluß zu bringen. Ich bin dem Herrn Bundesinnenminister dankbar, daß er soeben seinerseits dieselbe Meinung vorgetragen hat. Aber auch aus Gründen der Verwaltungstechnik ist eine Verabschiedung durch den Bundestag noch im Juni, also vor der Sommerpause, unbedingt erforderlich. Denn nur dann ist. sichergestellt, daß die Beamten ihre erhöhten Bezüge auch wirklich zum 1. Oktober erhalten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Brück.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 78 der Geschäftsordnung heißt es über die erste Beratung: „Es werden nur die Grundsätze der Vorlagen besprochen." Nachdem Herr Kollege Gscheidle seine Ausführungen jedoch über ein recht weites Feld ausgedehnt und sich auch mit Dingen befaßt hat, die nicht in den vorliegenden Gesetzentwurf hineingehören, muß ich einiges darauf erwidern. Er hat davon gesprochen, daß seine Fraktion bei der morgigen Beratung einen Antrag hinsichtlich der Techniker stellen werde. ({0}) - Das haben Sie gesagt! ({1}) - Herr Kollege Gscheidle, ich habe Sie so verstanden, daß Sie bei dieser und bei anderen Vorlagen entsprechende Anträge stellen wollen. Stimmt das nicht? ({2}) - Ah, diskutieren, keine Anträge stellen. Dann können wir uns sicherlich verständigen. Das gestehe ich Ihnen zu. Wir haben uns mit dieser Frage letztmalig am 28. Juni 1963 beschäftigt. Ich bin ehrlich genug, zu sagen: Meine damaligen Ausführungen haben nicht überall Beifall gefunden; das ist ganz klar. Aber ich habe mich ehrlich bemüht, in dieser Zeit den ganzen Fragenkomplex immer wieder zu diskutieren. Ich habe noch vor wenigen Tagen eine gutachtliche Stellungnahme zu dieser Frage im Umfang von nur 29 Blättern bekommen. Ausbildung, Vorbildung und Leistung sind die Merkmale für die Besoldung. Wenn dies aber die Merkmale sind und bleiben müssen, dann müssen in diese Betrachtung natürlich auch andere Beamtengruppen einbezogen werden. Ich bin weiter der Auffassung, daß diese Frage nicht nur vom Bundesdienst her gesehen werden kann, sondern in Übereinstimmung mit den Ländern behandelt werden muß; denn sie ist sehr vielschichtig. Diese Frage muß nach unserer Auffassung im Zusammenhang mit der großen Besoldungsneuregelung, von der der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesprochen hat, sicher erneut überprüft werden. Herr Kollege Gscheidle, wenn ich Sie in dem Sinne nicht verstanden haben darf, möchte ich mich auf diese Ausführungen beschränken. Ich möchte vor allen Dingen, meine Damen und Herren, sichergestellt wissen, daß nicht zusätzliche Anträge gestellt werden, damit wir in der Ausschußberatung mit der Verabschiedung zum Zuge kommen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Noch eine Wortmeldung? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Brück sagen, die er zum Problem der Techniker-Zulage vorgetragen hat. Herr Kollege Brück, wir werden uns mit dieser Materie, mit der Frage der Techniker-Zulage, mit Sicherheit auch in der Ausschußberatung befassen müssen. Ich bin fest davon überzeugt, daß dieser Bundestag auch hinsichtlich der Techniker-Zulage eine positive Entscheidung treffen muß. Im vergangenen Jahr sind wir mit dem Beschluß über die Techniker-Zulage in diesem Hause praktisch, ich würde sagen, an formaljuristischen Dingen gescheitert. Wir haben bereits in vier Bundesländern ganz eindeutige Bestimmungen über l die Techniker-Zulage und ihre Durchstufung. Wir können heute also nicht so tun, als ob wir dieses Problem in dem Fragenkomplex nicht mit behandeln müßten. Wir müssen ganz nüchtern davon ausgehen - ({0}) - Herr Kollege Brück, wenn Sie der Meinung sind, daß das ebenfalls für andere Gruppen geschehen muß, können Sie als Abgeordneter von Ihrem Recht Gebrauch machen, hier entsprechende Anträge zu stellen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich mit einem Kreis von Kollegen in diesem Haus entsprechende Anträge zu dieser Frage vorbereitet habe und sie stellen werde. Wir werden gar nicht daran vorbeikommen, das Problem in dieser Legislaturperiode endgültig zu lösen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, den 'Gesetzentwurf an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen, an den Haushaltsausschuß außerdem gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Erste Beratung 'des von der Bundesregierung ,eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Mai 1964 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit ({0}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und an die Ausschüsse für Arbeit und Sozialpolitik zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung ides von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung der Rechtsanwälte ({1}) ({2}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den ,Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Rechtsausschuß zur Mittberatung zu überweisen. - Widersprucherfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Erste Beratung ;des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ({3}). Vizepräsident Dr. Jaeger Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anordnung allgemeiner Zwischenfestsetzungen durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienste in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ({4}) . Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ratsbeschluß der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({5}) vom 18. Dezember 1962 über die Annahme von Grundnormen für den Strahlenschutz ({6}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ({7}) ({8}). ({9}) Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Geisendörfer, für ihren Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich komme zur dritten Beratung. - Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 21. Mai 1962 über die Auslieferung und über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco ({10}); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({11}) ({12}). Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Reischl, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Ich komme zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 ({13}) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({14}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15}) ({16}). ({17}) Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Ehnes, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? - Herr Abgeordneter Müller ({18}) !

Willy Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001567, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion habe ich die folgende Erklärung abzugeben. Den Entwurf eines Dritten Gesetzeis zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat die Bundesregierung gemäß Drucksache IV/2231 bereits am 5. Mai dem Bundestag vorgelegt. Sie hat die Entscheidung des Ministerrats in Brüssel in der vergangenen Woche gar nicht erst albgewartet, zumal sie sicher sein konnte, es werde kein Beschluß über die Angleichung der Getreidepreise zustande kommen. Somit bleibt für das kommende Wirtschaftsjahr alles beim alten. Die Zukunft wird zeigen, ob damit für die deutsche Landwirstchaft wirklich ein Vorteil verbunden ist, wie das heute vielfach angenommen wird. Obgleich die Bundesregierung bei Einführung der EWG-Getreidemarktordnung vor zwei Jahren ausdrücklich erklärt hatte, das bisherige Getreidepreisniveau solle beibehalten wenden, hat sie dennoch beim Brotgetreide die bis dahin geltenden Höchstpreise um 21/2 % erhöht, ohne dem Landwirt dadurch unmittelbar einen Vorteil zu verschaffen. Beim WeiMüller ({0}) zen bedeutet das eine ,Erhöhung um 13 DM je Tonne und beim Roggen eine solche von 11 DM je Tonne, wobei zugegebenermaßen die marktfernen Gebiete schlechter gestellt worden sind. In § 5 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der EWG vom 26. Juli 1962 wurde der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ermächtigt, tim Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und mit Zustimmung dies Bundesrates durch Rechtsverordnung die Schwellenpreise festzusetzen. Die Bundesrepublik ist das ,einzige Land der EWG, das die Schwellenpreise höher festgesetzt hat als die Grundrichtpreise. Hierbei soll nicht verkannt werden, daß das mit den niedrigeren Qualitätsstandards in der Bundesrepublik zusammenhängt. Es Ist anzuerkennen, daß die Bundesregierung in Brüssel wenigstens .erwogen hat, in der Frage der Angleichung der deutschen Qualitätsstandards an das europäische Niveau .ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen. Lediglich die Niederlande bewegen sich mit den Grundrichtpreisen und den Schwellenpreisen auf der gleichen Ebene. Alle anderen haben die Schwellenpreise niedriger festgesetzt als die Grundrichtpreise. Die Schwellenpreise sollen einen zusätzlichen Schutz des innerdeutschen Preisniveaus bedeuten. Dieser Aufgabe aber werden die Schwellenpreise seit geraumer Zeit nicht mehr gerecht. Seit Monaten werden sie um 20, 30, 40 DM je Tonne unterlaufen. In den Ausschußberatungen hat sich die Regierung auf den Standpunkt gestellt, die Schwellenpreise seien keine Festpreise und stellten lediglich eine Orientierungsmarke dar. Die Regierung hat infolgedessen auch nichts unternommen, um idem Schwellenpreis Geltung zu verschaffen. Die Ursache für die Unterschreitung des Schwellenpreises ist allerdings in der Methode begründet, wie bei uns der Mehlexport praktiziert wird. Für den zum Mehlexport vermahlenen Weizen darf nach einem von der EWG festgesetzten Schlüssel eine entsprechende Menge Auslandsweizen abschöpfungsfrei eingeführt werden. Die Einfuhr ist an Fristen gebunden und nimmt keine Rücksicht auf die Marktlage. Der Angebotsdruck wird somit zum Preisdruck. Von der ebenfalls EWG-konformen Barsubsidie beim Mehlexport hat die Regierung bisher keinen Gebrauch gemacht. Schließlich berührt die Unterschreitung der Schwellenpreise die Getreidesubvention. Der Haushaltsausschuß hat beschlossen, die Antragsberechtigten sollten eine Erklärung abgeben, den Schwellenpreis einschließlich Ausgleichskoeffizienten bezahlt zu haben. Die Bundesregierung hat sich in ihrer „Bekanntmachung über die Gewährung von Zuwendungen des Bundes auf dem .Getreidesektor vom 13. April 1964" - Bundesanzeiger vom 15. April 1964 - über diesen Beschluß hinweggesetzt, weil er nach ihrer Auffassung nicht praktikabel ist. Somit wird die vom Schwellenpreis errechnete Subvention gewährt ohne Rücksicht darauf, ob der vorgeschriebene Schwellenpreis einschließlich Qualitätszuschlag überhaupt bezahlt worden ist. Dieser Tatbestand sollte Anlaß genug sein, eine sinnvolle und gerechte Lösung anzustreben. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß die Unterschreitung der Schwellenpreise den Anstrengungen der deutschen Landwirtschaft entgegenwirkt, den deutschen Qualitätsweizenanbau zu fördern. Man kann über das Preisniveau lebhaft streiten. Die festgesetzten Preise verlieren aber ihren Sinn, wenn sie im Marktgeschehen unberücksichtigt bleiben. Hier liegen die Unterlassungen der Bundesregierung. Meine Fraktion sieht ,sich daher nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen in dritter Lesung angenommen. Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung, Punkt 11, auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes ({0}). Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird? - Bitte sehr!

Fritz Logemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001367, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion legt mit Drucksache IV/2011 einen Entwurf zur Änderung des Deutschen Landwirtschaftsgesetzes vom 5. September 1955 vor. Dieses Gesetz, dem damals in diesem Hohen Hause in den Schlußberatungen sozusagen vorschußweise das schmückende Beiwort „Magna Charta .der deutschen Landwirtschaft" gegeben wurde, ist jetzt fast 9 Jahre in Kraft. Wir hatten damals schon gewisse Zweifel, ob die von einigen Seiten in diese von unseren Vorschlägen in einigen wesentlichen Punkten abweichende Fassung gesetzten Erwartungen sich vollauf erfüllen würden. Unsere Änderungsvorschläge erfolgen auf Grund der Erfahrungen, die in der Zwischenzeit mit der Anwendung dieses Gesetzes gesammelt wurden. Es ist erwiesen, daß das Ziel des Gesetzes nicht erreicht werden konnte. Die Ergänzungen, die wir vorlegen, sind aber auch bedingt durch die vorgeschrittene agrarpolitische Entwicklung, besonders durch die Auswirkungen des EWG-Vertrages. Die Tatsache, daß heute schon in den europäischen Gremien ein Grüner Bericht der EWG vorbereitet wird, gibt uns besonderen Anlaß, die gesetzlichen Möglichkeiten für die Förderung unserer Landwirtschaft zu überprüfen und so zu gestalten, daß eine gesunde Entwicklung insbesondere der bäuerlichen Familienbetriebe in der EWG gesichert ist. Von entscheidender Bedeutung ist für uns die Änderung in § 1. Die FDP hat sich schon 1955 bemüht, eine für die Bundesregierung verbindlichere Fassung dieses Paragraphen zu erreichen. Es hat sich in den letzten Jahren immer wieder als nachteilig erwiesen, daß z. B. die Bundesregierung von sich aus kaum Vorschläge zur Erfüllung dieses Gesetzes machte, sondern meist erst nach ständigem Drängen dazu gebracht werden mußte. Zur Klarstellung bleibt zu bemerken, daß wir mit unserem Änderungsvorschlag zu § 1 nicht etwa eine automatische Anpassung des bäuerlichen Einkommens an die allgemeine Einkommensentwicklung festlegen wollen. Uns geht es lediglich darum, daß ordnungsgemäß geführte Betriebe in der allgemeinen Konjunkturentwicklung gleiche Einkommenschancen erhalten. Diese Forderung wird im Hohen Hause wohl niemand ablehnen. Es soll darauf verzichtet werden, auf weitere Änderungen einzugehen. Wir möchten dies einer speziellen Beratung in den Ausschüssen überlassen. Indes möchte ich schon jetzt betonen, daß wir unsere Vorschläge für die Ergänzung der Aufgaben und Befugnisse des Beirats mit besonderem Nachdruck vertreten werden. Mit den von uns vorgelegten Änderungen des Landwirtschaftsgesetzes soll dieses Gesetz in der Zukunft auch Grundlage für eine Agrarpolitik in der EWG sein, wie die Freien Demokraten sie bisher für die Bundesrepublik vertreten haben. Ein in unserem Sinne abgeändertes Gesetz würde so die Bemühungen der Bundesregierung stärken, auch in der EWG einen agrarpolitischen Kurs durchzusetzen, der ,dem bäuerlichen Familienbetrieb im Gemeinsamen Markt die Chance gibt, auf die er einen begründeten Anspruch hat. Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfs an die zuständigen Ausschüsse. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie haben die Begründung zur Einbringung der Vorlage gehört. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird, - allgemeine Aussprache in erster Lesung? - Keine Wortmeldung. Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß und an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. - Das Haus ist einverstanden, kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 12 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Dr. Dittrich, Frau Funcke ({1}), Frau Dr. Heuser und Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung ({2}). Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({3}).

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Gesetzentwurf über Vorsorgemaßnahmen zur Luftreinhaltung, Drucksache IV/2097, zu begründen. Ich darf vorausschicken, daß ich für die Antragsteller in den nächsten Tagen eine ausführliche schriftliche Begründung nachreichen werde, die dem Ausschuß bei seinen Beratungen dienlich sein mag. Im einzelnen ist zu diesem Entwurf kurz folgendes zu sagen. Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft können nur dann wirksam und umfassend sein, wenn man ausreichende Kenntnis von Art und Umfang der Luftverunreinigung hat. Bisher wird meist nur Großstaub mit Staubniederschlagsgeräten und an einzelnen Stellen auch Schwefeldioxyd gemessen. Die bisherigen Anstrengungen zur Verminderung der Luftverunreinigung richten sich daher zur Zeit vor allem auf den sichtbaren Staub und die Abgase der Feuerungsanlagen mit ihrem Schwefeldioxydgehalt. Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre haben aber gezeigt, daß solche begrenzten Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Durch den verstärkten Verkehr, neuartige Brenn- und Arbeitsstoffe sind luftverunreinigende Stoffe von bisher noch kaum erforschter Art aufgetreten, die Mensch, Tier und Pflanze erheblich gefährden können. Es ist durchaus möglich, daß wir von diesen Gefahren eines Tages überrascht werden, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und wenn nicht rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Dieser Vorsorge soll das vorliegende Gesetz dienen. Es soll eine Grundlage schaffen für umfassende bundeseinheitliche Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft. Dieses Ziel wird insbesondere erreicht durch fortlaufende und umfassende Feststellung der staub- und gasförmigen Luftverunreinigungen, vor allem in den Ballungszentren der Bundesrepublik, ferner durch Empfehlungen, die von einer zentralen Landesbehörde ausgearbeitet werden und Maßnahmen gegen festgestellte starke Luftverunreinigungen zum Inhalt haben. Fortlaufende und umfassende Messungen sollen die §§ 1 und 3 des Entwurfs technisch ermöglichen. Derartige Messungen werden seit mehr als drei Jahren in den Vereinigten Staaten mit Erfolg durchgeführt. Die erforderlichen automatischen Geräte werden jetzt auch in Deutschland angeboten. Die Messungen geben nicht nur Kenntnis über die Luft, die von der Bevölkerung eingeatmet wird, sondern lassen auch Rückschlüsse auf die Art der Immissionen und die Richtung, aus der sie kommen, zu. Die Auswertung der Meßaufzeichnungen kann bei Überschreitung des nach dem Gesetz bestimmten Belastungswertes die Notwendigkeit und Berechtigung von Maßnahmen zur Verminderung eines luftverunreinigenden Stoffes dartun. Darüber hinaus kann sie zur Ermittlung der Entfernung der Immissionsquelle und damit zur Ermittlung des Standortes führen. Mit diesem neuartigen System wird eine Kontrolle der Immissionen erreicht, wie sie noch bis vor kurzem nicht vorstellbar war. Dr. Schmidt ({0}) Die Wirksamkeit der Empfehlungen für Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung der festgestellten Luftverunreinigungen wird von der ausreichenden Besetzung der zuständigen Stelle mit qualifizierten Fachkräften abhängen. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß die neuen Aufgaben von den Ländern in die Hand einer zentralen Stelle gelegt werden, in der Ingenieure und Chemiker mit ausreichenden Spezialkenntnissen über die luftverunreinigenden Anlagen zusammengefaßt sind und miteinander eng zusammenarbeiten können. Damit die Empfehlungen sich über den örtlichen Bereich hinaus auswirken und auch bei den Maßnahmen der anderen Länder oder der Bundesregierung, z. B. bei der Änderung oder Ergänzung der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, berücksichtigt werden können, ist vorgesehen, daß die zuständigen Behörden jährlich Berichte zu erstellen haben. Ich bitte den Gesetzentwurf dem Gesundheitsausschuß - federführend - und dem Wirtschaftsausschuß - mitberatend - zu überweisen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Junghans!

Hans Jürgen Junghans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt fast fünf Jahre her, seitdem in diesem Hause über die Reinhaltung der Luft zum letztenmal debattiert wurde. Ich darf daran erinnern - und daran möchte ich dann eine Frage knüpfen -, daß die Bundesregierung schon im 2. Bundestag Maßnahmen angekündigt hatte. Im November 1959 hat der 3. Bundestag die Novelle zur Gewerbeordnung - §§ 16 und 25 - beschlossen und dabei die Erwartung ausgesprochen, daß die technischen Anleitungen möglichst bald erlassen werden. Ich darf mich einmal selbst zitieren. Ich habe damals gesagt: Mit diesem Gesetz gibt das Parlament der Bundesregierung die Möglichkeit, durch den baldigen Erlaß der technischen Anleitungen den zweiten entscheidenden Schritt auf dem Gebiet der Reinhaltung der Luft zu tun. Bis heute, meine Damen und Herren, hat die Bundesregierung diese technischen Anleitungen nicht erlassen. Offenbar auch wegen dieses Mangels haben Abgeordnete der Koalitionsparteien den vorliegenden Antrag eingereicht. Dazu möchte ich noch eine Frage stellen. Mir ist bekannt, daß die Meßstellen sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Hessen und in Niedersachsen bereits weitgehend vorbereitet worden sind. Ich frage deshalb, aus welchen taktischen Gründen die Bundesregierung auf diesem sehr wichtigen Gebiet nicht selbst tätig geworden ist. Wir betrachten den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen als einen kleinen Schritt auf diesem Gebiet, und wir bedauern außerordentlich, daß hierzu nicht mehr - vor allem von der Bundesregierung - vorgeschlagen wird. Wenn Sie einmal in den Zeitungen nachlesen, erhalten Sie doch den Eindruck, daß es offenbar das vorläufige Ziel einiger Herren ist, das Autofahren zu verbieten, wenn die Luft schlecht ist. Wir wissen, daß in 15 Städten des Ruhrgebiets sogenannte Vorsorgemaßnahmen - die hier auch gefordert werden - getroffen worden sind, um dort das Autofahren bei Inversionswetterlagen zu verbieten. Außerdem sollen dann eventuell auch die Elektrizitätswerke stillgelegt werden. Welche Auswirkung das auf Verkehr und Wirtschaft hat, mögen Sie sich selbst ausrechnen. Ich darf noch eine kritische Anmerkung an die Adresse der Bundesregierung, nicht an die Adresse der Antragsteller, richten. Es ist völlig richtig - wie Herr Dr. Schmidt gesagt hat -, daß die wesentlichsten Zusammenhänge der Stäube und der Abgase mit der Gesundheitsschädigung noch nicht bekannt sind. Wir wissen im allgemeinen nur, daß die Summierung gesundheitsschädlich ist. Wir kennen aber nicht die Parameter vieler Abgase bzw. auch Stäube. Wir befinden uns auf diesem Gebiet der Wissenschaft im Zustand der reinen Empirie, wie man sich wissenschaftlich ausdrückt. Von einer deduktiven Entwicklung kann bis heute keine Rede sein. Es fehlen Forschungen auf dem Gebiet der Physik der Stäube, es fehlen Forschungen auf dem Gebiet des Strömungsverhaltens der Stäube, es fehlen Forschungen auf dem Gebiet des Verhaltens der Filterstoffe. Es fehlen auch noch Forschungen über die mechanische Wirkung der Stäube. Außerdem - das möchte ich zu diesem Gesetzentwurf anmerken - ist die Meßtechnik in der Bundesrepublik auf diesem Gebiet auch noch sehr weit zurück. Es fehlt an Eichung und geeigneten Meßverfahren. Außerdem ist die Schwierigkeit der Messung feinster Stäube bis heute noch nicht überwunden, und gerade diese Stäube sind besonders gesundheitsschädlich. Bei alledem frage ich mich, warum das Ressort Reinhaltung der Luft im Bundesgesundheitsministerium personell hoffnungslos unterbesetzt ist. Wir haben einen einzigen Referenten in diesem Hause, der zeitweise noch damit beschäftigt ist, seiner Ministerin einige fixe Ideen, z. B. den Einbau von Nachverbrennern in ihren Dienstwagen, auszureden. Wenn wir demgegenüber bei einem Vergleich feststellen, daß allein in Los Angeles 310 Angestellte ausschließlich mit dem Problem der Reinhaltung der Luft beschäftigt sind, fällt dieser Vergleich doch sehr zuungunsten des Bundesgesundheitsministeriums aus. Wir fordern deshalb, daß die Bundesregierung es nicht bei diesen Maßnahmen beläßt, sondern nun endlich - ich möchte beinahe sagen: nach zehn Jahren - die Initiative ergreift, um die Schritte, die das Parlament immer wieder hat einleiten müssen, nun auch zu vollziehen. Deshalb gibt Ihnen die sozialdemokratische Fraktion Gelegenheit, auch zwei ihrer Anträge mit zu beraten. Wir fordern die Bundesregierung in dem Antrag Drucksache IV/2328 auf, baldmöglichst ein Kredit- und Bürgschaftsprogramm für technische Anlagen, die die Luftverschmutzung durch industrielle Emissionen mindern oder ausschließen, und für lufthygie6304 nische Heizformen, vor allem Fernheizungen, vorzulegen, um der Wirtschaft bei diesen gewaltigen Investitionen zu helfen. Das ist keine Utopie. Wir haben ein solches Kredit- und Bürgschaftsprogramm auf dem Gebiet der Wasserreinhaltung gehabt. Bevor man den Autoverkehr stillegt, wenn die Luft schlecht ist, sollte man zunächst einmal diese Möglichkeiten ausschöpfen. Wir wollen auch noch eine Kleine Anfrage einbringen. Wir stellen uns vor, daß sich die Bundesregierung auch einmal mit den englischen Maßnahmen beschäftigt, z. B. dem Clean Air Act - Sie kennen es alle -, durch das bestimmte Brennstoffe wegen ihres Schwefelgehalts für bestimmte Gebiete ausgeschlossen werden. Auch das ist eine Möglichkeit, in deren ernsthafte Prüfung die Bundesregierung meines Wissens bis heute noch nicht eingetreten ist. Um der Bundesgesundheitsministerin etwas auf die Sprünge zu helfen - sie wollte ja unbedingt die Nachverbrenner bei den Kraftwagen in der Bundesrepublik einführen und hat sich auch selber ausgiebig damit beschäftigt -, schlagen wir in einem weiteren Antrag auf Drucksache IV/2329 vor, daß die Bundesregierung zur Klarstellung des Begriffs „jeweiliger Stand der Technik" in § 47 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung unverzüglich Richtlinien über die Höchstwerte an Kohlenmonoxyd in Abgasen von Kraftfahrzeugen aufstellt. Ich darf Ihnen zur Begründung folgendes sagen. Es ist in der Wissenschaft unbestritten - sogar die Vereinigten Staaten gehen heute diesen Weg -, daß durch richtige Einstellung der Motoren - des Gemischs usw. - 50 bis 60 % des Ausstoßes an Kohlenmonoxyd vermieden werden können. Sie wissen alle, welche schrecklichen Folgen die langen Schlangen, die im Leerlauf vor den Kreuzungen stehen, hinsichtlich der Verunreinigung der Luft auf der Straße haben. Es sind Bestrebungen im Gange, die Abgase durch Nachverbrennung von Kohlenmonoxyd zu befreien. Wir haben aber bis heute noch kein einziges Katalysatorverfahren, das wirtschaftlich und technisch einwandfrei arbeitet. Wir wissen selbstverständlich, daß das nicht die einzige Maßnahme sein könnte. Wir sind auch der Auffassung, daß alles getan werden muß, um den Verkehr in den Großstädten flüssiger zu halten. Denn gerade der ruhende Verkehr im Leerlauf vor den Kreuzungen ist der gefährliche Abgaseemittent. Wir wollen deshalb, daß in Richtlinien zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Höchstwerte festgesetzt werden, die es den Technischen Überwachungsvereinen und unter Umständen auch den Verkehrsstreifen mit bestimmten Meßwagen ermöglichen, festzustellen, ob ein Motor richtig eingestellt ist oder nicht. Auch für den Kraftfahrer ist es ganz erfreulich, zu wissen, ob sein Motor richtig eingestellt ist oder nicht; denn er verbraucht bei richtiger Einstellung weniger Kraftstoff. Die Möglichkeiten, die Motoren durch Geräte richtig einzustellen, sind längst bekannt. Solche Geräte sind auch schon in der Industrie in Fertigung und zum Teil in Gebrauch. Auf diese Weise wäre es möglich, mindestens einen Teil der Abgase der Kraftfahrzeuge abzustellen. Wir beantragen, den Gesetzentwurf Drucksache IV/2097 zur Mitberatung dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Weiter beantragen wir, den Antrag Drucksache IV/2329 an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Verkehrsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Der Antrag auf Drucksache IV/2328 soll an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Wir hoffen, daß bei der Beratung der drei Vorlagen nach fünf Jahren endlich wieder die Debatte um die Reinhaltung der Luft in den entsprechenden Gremien dieses Hauses - wie ich sagen möchte - sachverständig in Gang kommt. Wir bedauern außerordentlich, daß immer wieder die Abgeordneten dieses Hauses die Bundesregierung auf ihre Pflicht auf diesem wichtigen Gebiet hinweisen müssen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, ich habe bisher die beiden Vorlagen noch nicht aufgerufen. Aber sie stehen auf der Tagesordnung. Es handelt sich um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Bading, Frau Dr. Hubert, Junghans, Junker, Kurlbaum, Lange ({0}) und Fraktion der SPD betreffend Kreditprogramm zur Reinhaltung der Luft ({1}) und Beratung des Antrags der Abgeordneten Bading, Frau Dr. Hubert, Junghans, Junker, Kurlbaum, Lange ({2}) und Fraktion der SPD betreffend Richtlinien zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ({3}) . Diese beiden Vorlagen sind somit begründet. Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es besteht wohl an keiner Stelle ein Zweifel darüber, daß Parlament und Regierung auf allen Ebenen - d. h. auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene - eine wachsende Verantwortung für die Fragen der Luftreinigung und der Luftreinhaltung haben. Darum haben wir hier einen Antrag eingebracht, nach dem vom Bund her verstärkt diese Probleme aufgegriffen werden sollen. Alles das, was Sie, Herr Kollege Junghans, gefordert haben, ,soll eben durch ,den vorliegenden Antrag nicht erst in die Wege geleitet, aber in besonderer Weise unterstrichen und unterstützt werden. Wir verkennen nicht, daß in den Ländern und Gemeinden schon an verschiedenen Stellen sehr fortschrittliche und sehr intensive Bemühungen um die Reinhaltung der Luft im Gange sind. Es werden intensive Messungen vorgenommen; es wurden schon besonders Nordrhein-Westfalen und Hessen genannt. Unser Ziel ist, daß alle diese Messungen und Maßnahmen auf einer gemeinsamen Basis koordiniert und intensiviert werden und daß die Erfahrungen überregional ausgewertet werden. Frau Funcke ({0}) Was in der Begründung von Herrn Kollegen Schmidt gesagt worden ist, möchte ich voll unterstreichen. Namens der mitantragstellenden Fraktion der FDP möchte ich nur noch die Anregung geben, daß sich diese Messungen nicht nur auf den industriellen Sektor, sondern gerade auch auf den innerstädtischen Verkehr beziehen sollen, und zwar zu verschiedenen Tageszeiten, insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten. Zu dem vorliegenden Problem wurde bereits heute morgen in der Fragestunde einiges gesagt. Wir sollten dabei nicht vergessen, daß die Schädigungen durch die Auswirkungen des innerstädtischen Verkehrs eine große Zahl von Menschen in ihren Arbeits- und Wohnstätten treffen und daß gerade unsere Kinder dadurch in besonderer Weise Beeinträchtigungen erfahren, weil sie dem Boden und somit den Auspuffgasen viel näher sind als wir Erwachsene. Hier können sich schon in einem frühen Stadium möglicherweise Schädigungen ergeben, die wir in besonderem Maße ernst nehmen müssen. Ich bitte deswegen, die Überweisung, wie beantragt, vorzunehmen. Wir erhoffen uns von den verstärkten Messungen und ihrer Auswertung, daß das weitere Bekanntwerden der Ergebnisse in der Öffentlichkeit nicht nur zu verstärkten Bemühungen der Verwaltungen führt, sondern auch verstärkte Bemühungen der Industrie und Forschung zur Folge hat, technische Vorkehrungen zu entwickeln und rationell zu fertigen, damit wir nicht den Verkehr stillegen oder begrenzen müssen, sondern damit der Verkehr uns allen ohne solche Schäden für die Allgemeinheit weiterhin zur Verfügung steht. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Gesundheitsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Junghans mache, soweit er dem Bundesgesundheitsministerium und der Bundesregierung eine Säumigkeit in der Legislative der letzten Jahre vorgeworfen hat. Ich muß leider etwas zurückgehen, zu der letzten Novelle der Gewerbeordnung aus dem Jahre 1959, die dieses Haus verabschiedet hat und die, wie wir durchaus zugeben, nur den Schutz vor industriellen Immissionsquellen betrifft. Warum diese Beschränkung? Damals hat der Bundestag bewußt davon abgesehen, eine umfassende Regelung zu treffen, also auch die Luftverunreinigungen in dem nichtindustriellen Sektor einzubeziehen. Er hat dies getan, weil er der Meinung war, daß durch jede weitergehende Regelung die Verwaltungsbehörden der Länder, also die Gewerbeaufsichtsämter, weit überfordert wären. Rückschauend können wir wohl alle nur bestätigen, daß diese Auffassung, diese Zurückhaltung des Bundestages richtig war. Jede weitergehende Vorschrift hätte auf dem Papier gestanden, die Verwaltungsbehörden wären nicht in der Lage gewesen - wir haben dafür einige praktische Erfahrungen -, all den Vorschriften im praktischen Vollzug Rechnung zu tragen. Sie haben, Herr Abgeordneter, kritisiert, daß die Technische Anleitung zu § 16 der Gewerbeordnung verzögert worden sei. Nun, Sie sind, glaube ich, so sehr Experte auf diesem Gebiet, als daß Sie nicht wüßten, daß es sich hier um äußerst schwierige Fragen handelt, die zwischen sachverständigen Gremien und den politischen Stellen, auch den Ländern, hin und her verhandelt werden müssen. Immerhin aber, glaube ich, hätten Sie erwähnen sollen, daß die Technische Anleitung nunmehr dem Bundesrat zur Zustimmung vorliegt und daß wir uns alle von ihrer Inkraftsetzung wesentliche Fortschritte versprechen können. Natürlich wird die Technische Anleitung zu § 16 niemals das überflüssig machen, was der vorliegende Initiativgesetzentwurf anstrebt. Lassen Sie mich hier sagen, daß die Bundesregierung diesen Entwurf auf das lebhafteste begrüßt. Die Gründe hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt bereits dargelegt. Es ist verschiedentlich geäußert worden - nicht heute hier -, daß dieser Entwurf sich lediglich mit mehr oder weniger abstrakten Messungen begnüge und es nicht ermögliche, dem einzelnen Störer nachzugehen. Nun, ich glaube, wir können uns von dem Entwurf in der Praxis weit mehr erhoffen, als der bloße Wortlaut erkennen läßt. Es wird so sein, daß die Messungen, vor allen Dingen die neuen Meßgeräte, die im Vollzug dieses Entwurfs vorgeschrieben werden können, nicht nur ein Bild über die Luftverunreinigung als solche in diesem oder jenem Gebiet ergeben, sondern daß sie auch Schlüsse auf die einzelnen Störquellen zulassen. Wir können hoffen, daß wir dabei auch die konkreten Luftverunreinigungen, also die Verunreinigungen im einzelnen, besser erfassen, als das bisher möglich war. Sie haben, Herr Abgeordneter Junghans, dem Ministerium auch eine Säumigkeit auf dem Gebiete der Forschung vorgeworfen. Ich möchte hierzu nicht im einzelnen Stellung nehmen. Bitte schön, haben Sie eine Frage?

Hans Jürgen Junghans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ;daß der Ausschuß für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes mehrfach die Erhöhung der ERPMittel für Forschungen auf diesem Gebiet angeboten hatte und daß diese Angebote ausgeschlagen wurden, weil keine Bearbeitung stattfinden konnte?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen diese Frage, weil mir die Unterlagen im einzelnen nicht bekannt sind, hier nicht beantworten. Ich werde sie Ihnen gern außerhalb dieser Debatte beantworten. Ich kann mir aber - soweit ich die Vorgänge in Erinnerung habe - nicht denken, daß das, was Sie hier dargelegt haben, in dieser Weise zutrifft. Ich darf in dem fortfahren, was ich vorhin sagte. Wir haben etwa 7,5 Millionen DM auf dem Gebiete der Forschung für die Luftverunreinigung und der Meßtechnik ausgegeben. Ich muß Ihnen aber leider sagen - das ist eine Erfahrung, die ich in den anderthalb Jahren, die ich im Gesundheitsministerium tätig bin, selbst schmerzlicherweise habe machen müssen -: es liegen weder hinsichtlich der Geräte zur Abwendung der Luftverunreinigung noch hinsichtlich der Messungen die Ergebnisse vor, die schon jetzt eine Praktikabilität versprechen würden. Wir glauben allerdings, daß beim Vollzug der meßtechnischen Vorschriften, die in dem Initiativgesetzentwurf vorgesehen sind, auf Geräte zurückgegriffen werden kann, die in der Zwischenzeit entwickelt worden sind und die uns eine umfassende Messung und, wie ich schon erwähnte, auch eine Ermittlung der Störquellen ermöglichen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Überweisung der Vorlagen. Der Entwurf auf Drucksache IV/2097 soll an den Gesundheitsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen als mitberatenden Ausschuß überwiesen werden. Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch! Es ist so beschlossen. Der Antrag auf Drucksache IV/2328 soll an den Gesundheitsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß als mitberatenden Ausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch! Es ist so beschlossen. Der Antrag auf Drucksache IV/2329 soll an den Gesundheitsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen als mitberatenden Ausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch! Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundes-Tierärzteordnung ({0}). Frage an die Bundesregierung, ob der Entwurf begründet wird. - Das ist nicht der Fall. - Herr Abgeordneter Dichgans, Sie möchten das Wort? - Herr Abgeordneter Dichgans hat das Wort.

Dr. Hans Dichgans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Erlauben Sie mir eine Bemerkung zu einem Punkt dieser Vorlage, nämlich zur Verlängerung der Studiendauer auf zehn Semester. Die Überdehnung aller Ausbildungszeiten, die Tatsache, daß unsere jungen Akademiker immer älter werden, bevor sie zum erstenmal eine berufliche Stellung antreten, ist ein schwerer Mißstand. Das wird anscheinend von niemandem bestritten, auch von den Vertretern der Fächer nicht; von den Vertretern der Fächer allerdings immer nur nicht für die anderen. Für sich selbst fordert jedes Fach eine Ausnahme, und zwar jeweils mit sehr plausiblen Gründen. Das geschieht auch hier wieder bei den Tierärzten. Wir werden darauf hingewiesen, daß von den Tierärzten sehr viel mehr verlangt wird als früher. Die Vorlage der Bundesregierung weist mit Recht darauf hin, daß die Tierärzte heute Aufgaben auf dem Gebiete der Lebensmittelchemie haben, die sie früher nicht zu bewältigen brauchten. Ich kann dazu sachlich nichts sagen. Wir müssen jedoch diesen Fall als einen Einzelfall einer langen Kette betrachten. Die Gewerbelehrer haben vor kurzem die Verlängerung ihrer Ausbildungszeit erreicht. Für die Ärzte, die Pharmazeuten und die Juristen liegen amtliche Entwürfe in verschiedenen Stadien der Verabschiedung vor. Wenn wir etwa bei den Ärzten die gleichen Gesichtspunkte zugrunde legten, wie sie uns hier für die Tierärzte vorgelegt werden, so müßten wir das Studium der Ärzte von 11 auf mindestens 14 Semester verlängern. Wir müssen uns also die Frage vorlegen: Führt die Tatsache, daß neue Anforderungen gestellt werden, zu der Notwendigkeit, die Semesterzahl zu erhöhen? Ich glaube es nicht, und zwar aus mehreren Erwägungen. Zunächst einmal, meine ich, müßten wir von Zeit zu Zeit immer wieder überprüfen, welcher Teil des Prüfungsstoffes wirklich für die spätere Berufsarbeit erforderlich ist und welcher Teil nur dem Prestige des Faches dient. Für die Beantwortung der Frage, welcher Teil für die spätere Berufstätigkeit erforderlich ist, gibt es ein einfaches Kriterium, nämlich das, was die praktizierenden Tierärzte 10 Jahre nach dem Examen tatsächlich noch wissen. Die zweite Frage: Macht eine Verlängerung der Ausbildungszeit wirklich eine Vermehrung der Semesterzahl erforderlich? Auch das glaube ich nicht. Das Semester dauert an den deutschen Universitäten bekanntlich nur 11 Wochen. Damit halten wir einen Weltrekord. ({0}) Nun wird hier beantragt, die Zahl der Semester auf 10 zu erhöhen. Eine Kopfrechnung zeigt, daß wir dann 110 Ausbildungswochen brauchen. Ich werde für die zweite Lesung einen Änderungsantrag stellen, die Worte „10 Semester", die im Regierungsentwurf stehen, durch die Worte „110 Ausbildungswochen" zu ersetzen. Gleichzeitig werde ich vorschlagen, die Semesterzeit von 11 auf 17 Wochen zu verlängern. Dann kämen wir auf 34 Studienwochen im Jahr und hätten also immer noch mehr als ein volles Drittel des Jahres vorlesungsfreie Zeit. Ich habe den Eindruck, daß wir auch dann immer noch den Weltrekord in der Kürze der jährlichen Ausbildungszeit halten. ({1}) Folgen Sie mir bitte weiter bei dieser kleinen Kopfrechnung: wenn wir 110 Ausbildungswochen - das wären beim gegenwärtigen Zustand 11 mal 10 Semester - durch die 34 Studienwochen im Jahr teilen, die wir anstreben sollten, dann brauchen wir nur 3,3 Jahre für das Studium der Tierärzte. So weit will ich nicht einmal gehen, sondern ich will Ihnen nur vorschlagen, die Kalenderzeit des Studiums auf 4 Jahre zu begrenzen. Dann müßten doch eigentlich alle zufrieden sein; die Tierärzte hätten mehr StuDr. Dichgans dium und Ausbildung als bisher, zugleich würde sich die Studienzeit verkürzen. Ich hoffe, daß sich der Ausschuß und später das Hohe Haus dieser Zauberformel anschließen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000393, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein verehrter Kollege Dichgans ist inzwischen in der Bundesrepublik dafür bekannt, daß er die Ausbildungszeiten abkürzen will. Herr Kollege Dichgans, Sie sind aber einem Irrtum insoweit verfallen, als Sie zwar den Gesetzentwurf der Bundesregierung gelesen haben, nicht aber berücksichtigt haben, daß der Bundesrat eine Anmerkung zu § 4 gemacht hat, in der es unter a) heißt: In Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 sind die Worte „mindestens 10 Semester" durch „mindestens 9 Semester" zu ersetzen. Die Bundesregierung erklärt in ihrer Stellungnahme zu der Auffassung des Bundesrates ihre Zustimmung zu diesem Vorschlag. Meine Damen und Herren, darf ich aber zur Ausbildung einiges sagen. Es wird allenthalben darüber geklagt, daß die Studienzeiten auf den verschiedenen Sektoren länger werden. Das steht in Zusammenhang mit den Thematiken, die neu hinzugekommen sind. Ich darf Sie wiederum auf die Begründung der Bundesregierung verweisen, in der es zu § 4 ausdrücklich heißt: Um der in der Veterinärmedizin zu beobachtenden sprunghaften Entwicklung ({0}) sowie den ständig steigenden Berufsanforderungen auch in der Ausbildung genügend Rechnung tragen zu können, wird von Fachkreisen aus Wissenschaft und Praxis seit langem eine Verlängerung sowohl der Studienzeit als auch der für die praktische Tätigkeit vor der Niederlassung abzuleistenden Zeit gefordert. Ich bin der Ansicht, ,daß man ,dieses Studium der Tiermedizin nicht unterbewerten sollte. Bei dem gewachsenen Aufgabengebiet des Tiermediziners in der modernen Zeit sollte man mindestens ein neunsemestriges Studium vorsehen, vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, daß wir, Herr Kollege Dichgans, das Studium generale auf den Universitäten nicht in den Hintergrund .schieben, daß wir die allgemeinwissenschaftliche Ausbildung vielmehr in den Vordergrund rücken sollten. Wir halten also unter diesem Gesichtspunkt und angesichts der Erweiterung der Fachgebiete sowie der Vermehrung der Ausbildungszweige ein neunsemestriges Studium - nicht ein zehnsemestriges, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Dichgans - für unbedingt erforderlich. Aber darüber können wir uns in allen Einzelheiten im Ausschuß für Gesundheitswesen, idem die Bundes-Tierärzteordnung sicherlich überwiesen werden wird, unterhalten. Dort können wir auch die Überlegungen des Kollegen Dichgans, die auf eine Verkürzung des Studiums hinauslaufen, ({1}) eingehend besprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Staatssekretär des Gesundheitsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die Ausführungen der Herren Abgeordneten Dr. Dichgans und Dr. Dittrich noch um einen, wie ich glaube, nicht unwichtigen Punkt ergänzen. Das Bundesgesundheitsministerium ist, was mitunter vergessen wird, das einzige Ressort, das nach der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern in der Lage ist, auf die Studiendauer - in diesem Falle der Heilberufe - ,gesetzlich Einfluß zu nehmen. Nach Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes ist der Bund für die Gesetzgebung über die Zulassung zu den Heilberufen zuständig. Wenn Sie diese Gesetzgebung und insbesondere auch die Gesetzgebungsvorhaben, die die Bundesregierung für diese Legislaturperiode erwägt, überblicken, so werden Sie die erstaunliche Feststellung treffen, daß in fast allen akademischen Heilberufen die Studiendauer gesetzlich oder, wie in der Bestallungsordnung für die Humanmediziner, durch Verordnung festgelegt werden kann. Wir sind entschlossen - in enger Anlehnung an das, was Herr Abgeordneter Dr. Dichgans gesagt hat -, hier neue Wege zu gehen. Ich glaube, daß bereits in der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats, die Herr Abgeordneter Dr. Dittrich eben genannt hat, ein solcher neuer Weg beschritten worden ist. Ich meine aber, daß das aus Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Dr. Dittrich, noch nicht ganz deutlich geworden ist. Nicht nur hat sich die Bundesregierung entschlossen, der Empfehlung des Bundesrats auf Beibehaltung der Zahl von neun Semestern zu folgen; sie hat sich vielmehr weiterhin dazu bereit gefunden, sich von dem Semesterbegriff überhaupt zu lösen und eine Maximaldauer nach kalendarischer Zeitbemessung dem Hohen Haus zu empfehlen. Die einzige Abweichung von dem, was Herr Dr. Dichgans hier vorgetragen hat, besteht darin, daß wir sagen, es sollte eine Mindestdauer von 41/2 Jahren - in Anlehnung an die geltende Zahl von neun Semestern - vorgesehen werden, während Herr Dr. Dichgans vier Jahre ,empfohlen hat. Darüber läßt sich sicher im Ausschuß reden. Ich glaube, dem Grundgedanken, ,dessen Bedeutung von der Öffentlichkeit weithin unterschätzt wird, sollte gefolgt werden. Der Bund sollte dort, wo er eine Kompetenz hat - und er hat sie auf dem Gebiet der Zulassung zu den Heilberufen möchte sagen, reformatorisch die Studiendauer so festlegen, daß die zuständigen Länderbehörden beweglich genug sein können - sei es durch Verkürzung der Semesterferien, sei es durch Einführung von Trimestern oder welche Möglichkeiten sich auch immer ,anbieten -, zu einer vertretbaren Maximaldauer, möglicherweise auch außerhalb der Heilberufe, zu gelangen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Dr. Dichgans bei seinen dankenswerten Ausführungen, die mehr kulturpolitischer als gesundheitspolitischer Natur waren, ganz konsequent gewesen wäre, dann hätte er den Antrag gestellt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zur Mitberatung zu überweisen. Ich habe ihm das gesagt, und er erwiderte, das erscheine ihm zweckmäßig. Ich möchte deshalb den Antrag stellen, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zur Mitberatung zu überweisen. Ich gebe zu, daß die Bundes-Tierärzteordnung ein etwas kleiner Aufhänger für dieses wichtige Problem der Ausbildungszeiten bzw. der Straffung der Studienzeiten ist. Aber einen Ansatzpunkt muß man ja schließlich haben, um eine Sache im zuständigen Ausschußbesprechen zu können. Hier hat der Kulturpolitische Ausschuß Gelegenheit, zu dieser wichtigen Frage einmal allgemein Stellung zu nehmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß die Ausführungen des Staatssekretärs des Gesundheitsministeriums dem Hause eine Chance geben, seinen Kulturpolitischen Ausschuß rechtmäßig -d. h. im Rahmen der sehr beschränkten Kulturkompetenzen des Bundes - mit einer Sache zu befassen, die von allgemeinem Interesse ist. Darf ich unterstellen, daß das Haus mit der Überweisung der Vorlage an den Kulturpolitischen Ausschuß - mitberatend - und an den Gesundheitsausschuß - federführend - einverstanden ist? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Nun wenden wir uns dem großen Thema des Tages zu, der Verkehrsdebatte. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 bis 19 auf: 14. Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verkehrspolitik der Bundesregierung ({0}) ; 15. a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich und Genossen und Fraktion der CDU/CSU betr. Anpassung des Transportvolumens des Güterfernverkehrs an die Verkehrsnachfrage ({2}) ; b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Hilbert, Leicht, Dr. Hauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes ({3}) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({4}) ({5}) ({6}); c) Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({7}) aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({9}) bb) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({10}) ({11}) ({12}) ; 16. Zweite Beratung des von den Abgeordneten Lemmrich; Krug, Wagner, Porzner, Dr. Reischl, Dr. Supf, Schmidt ({13}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen ({14}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({15}) ({16}) ({17}) ; 17. Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt ({18}); 18. Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({19}) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. finanzielle Verluste der Binnenschiffahrt durch die Eisperiode im Winter 1962/1963, den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und der Abgeordneten Müller-Hermann und Genossen betr. finanzielle Verluste der Küstenschiffahrt und der Nord-Ostsee-Schiffahrt durch die Eisperiode im Winter 1962/63 ({20}); 19. Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs ({21}); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({22}) ({23}). ({24}). Wir haben uns im Ältestenrat darauf geeinigt, daß die Punkte 14 bis 19 wie folgt behandelt werden. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Zunächst wird der Punkt 14 aufgerufen. Die Große Anfrage der SPD betreffend Verkehrspolitik der Bundesregierung wird begründet. Daraufhin erfolgt die Beantwortung durch die Bundesregierung. Dann kommen die Punkte 15 a bis c mit den Berichterstattungen, dann Punkt 16 - eventuell mit Berichterstattung - und dann die allgemeine Aussprache zu den vorgenannten fünf Punkten. Das ist sozusagen das erste Kapitel. Dann kommt das zweite Kapitel: die Beratungsgegenstände unter den Punkten 15 b, 16, 17, 18. Die gemeinsame Aussprache zu diesen vier Punkten ist das zweite Kapitel. Es folgt das dritte Kapitel: Beschlußfassung zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung. Ich unterstelle, daß das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden ist. ({25}) - Punkt 17 ist drin: Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Förderungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt und Antwort der Bundesregierung. Dann wird zur Berichterstattung zu Punkt 18 aufgerufen. Wir kommen zunächst zur Begründung der Großen Anfrage der SPD unter Punkt 14. Wer wünscht das Wort? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Bleiß hat das Wort.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1966 läuft die erste Phase der Verträge von Rom ab. An die Stelle der Einstimmigkeit tritt dann die Mehrheitsentscheidung im Ministerrat. Die bisherige Entwicklung in der ersten Phase hat die Tendenz einer Ersetzung des Leistungswettbewerbs durch den Preiswettbewerb deutlich erkennen lassen. Die Frage der Zulassung zum Markt ist zunächst ausgeklammert worden. Der Leistungswettbewerb, d. h. der Wettbewerb einer besseren Verkehrsbedienung bei gleichem Entgelt, war für die Entwicklung der deutschen Verkehrswirtschaft in den letzten Jahrzehnten entscheidend, besonders soweit es sich um den Güterversand der Lang- und der Mittelstrecke gehandelt hat. Nahezu 30 Jahre waren der Deutsche Eisenbahngütertarif und der Reichskraftwagentarif fest aneinander gekoppelt. Auf dieser Basis haben sich die Verkehrsrelationen zwischen den binnenländischen Verkehrsträgern, besonders zwischen Schiene und Straße, entwickelt und fest eingespielt. Mit dem Wirksamwerden der Verträge von Rom ist ein Wandel in der Verkehrspolitik, soweit es sich um den Güterverkehr handelt, unvermeidbar geworden. Vor wenigen Wochen hat der Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments den Vorschlag der Kommission auf Einführung von Margentarifen im Güterverkehr einstimmig gebilligt. Das bedeutet den ersten und sehr konkreten Versuch, an die Stelle des Leistungswettbewerbs den Preiswettbewerb zu setzen. Entscheidend ist der Preis, der sich innerhalb der Bandbreite im Markt bildet. Verkehrspolitisch bedeutet das in der Bundesrepublik den Bruch mit der bisherigen Tradition. Der Bundestag hat dieser Entwicklung Rechnung getragen und mit der Verabschiedung der Verkehrsnovellen im Juni 1961 das Tor zu der neuen, marktwirtschaftlich orientierten Entwicklung aufgestoßen. Die Marktorientierung ist von den deutschen Verladern begrüßt worden, von der deutschen Verkehrswirtschaft wurde sie mit großer Skepsis aufgenommen; denn obwohl die Verkehrsnovellen seit nahezu drei Jahren geltendes Recht sind, haben weder die Deutsche Bundesbahn noch der Güterfernverkehr von der Alternative einer Einführung von Margentarifen Gebrauch gemacht. Worauf ist diese Skepsis zurückzuführen, wenn alle Verkehrsträger in ihren offiziellen Verlautbarungen erklären, daß sie einen fairen Wettbewerb nicht fürchten? Im Verhalten der Verkehrsträger kommt deutlich zum Ausdruck, daß eine wichtige Voraussetzung für den Wandel in der Verkehrspolitik bisher nicht erfüllt worden ist: die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, d. h. die Schaffung annähernd gleicher Wettbewerbschancen, oder auf eine kurze Formel gebracht: Unsere Verkehrswirtschaft wünscht erst die Harmonisierung, um dann vernünftig zu liberalisieren. Das ist eine These, die die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei der Verabschiedung der Novellen vertreten hat. Sie, meine Herren Kollegen von der CDU, waren damals der Meinung, daß man so lange nicht warten könne und beides gleichzeitig tun sollte. ({0}) - Ja, natürlich. Nun möchte ich Sie fragen: Wais ist bisher in der Harmonisierung überhaupt geschehen? Die Antwort ist sehr einfach: überhaupt nichts, gar nichts. Nahezu drei Jahre sind nutzlos verstrichen. Die Frage der Steuergleichheit ist völlig offen. Die Frage der Wegekosten ist ungeklärt. Die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn bemißt sich nicht nach dem Grundsatz ausgeglichener oder angeglichener Wettbewerbsbeziehungen, sondern nach dem Loch im Haushaltsplan des größten deutschen Bundesvermögens. Wir müssen damit rechnen, daß eine konsequente Umstellung von dem Leistungs- auf den Preiswettbewerb zu erheblichen :Gewichtsverlagerungen im europäischen Markt führen wird. Entscheidend für die künftige Tarifbildung in Europa wird nicht mehr der bisher übliche Grundsatz der Gemeinwirtschaftlichkeit, sondern ides Kostendenken sein. Wenn wir das nicht begreifen dann wenden uns unsere Vertragspartner sehr bald zu der Erkenntnis zwingen. Die Ordnung des Agrarmarktes in Europa sollte für unsere Vekehrswirtschaft ein warnendes Beispiel sein. In den Fällen, in denen auch künftig eine gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung, d. h. die Verkehrsleistung nach Sozialtarifen oder die Bedienung wirtschaftlich schwacher Gebiete notwendig ist, kön6310 nen in Zukunft die ungedeckten Kasten nicht mehr aus den Überschüssen anderer Verkehrsbereiche bezahlt werden, sondern diese Kostendeckung muß vom Bund getragen werden. Jede andere Verkehrspolitik würde unseren Verkehrsträgern Nachteile gegenüber den Wettbewerbern in den Partnerstaaten bringen. Meine Damen und Herren, eine so gravierende Umkehr in der Verkehrspolitik macht eine Bestandsaufnahme der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen notwendig. Der Bundestag hat seinen Teil dazu beigetragen. Er hat das Startzeichen für eine solche Bestandsaufnahme frühzeitig genug gegeben. Er hat 1958 das Selbstkostenvergleichsgesetz verabschiedet. Dieses Instrument, das eine Erfassung und Gegenüberstellung der Selbstkosten der binnenländischen Verkehrsträger bringen sollte, ist von der Bundesregierung nicht genutzt worden. Der vorgelegte Bericht, der uns im August des vergangenen Jahres zuging, ist kein Ruhmesblatt für die Bundesregierung. Der Bundestag hat Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, zusätzlich den Auftrag erteilt, Vorschläge zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen vorzuliegen. Auf diese Vorschläge warten wir bis zum heutigen Tage vergebens. Es kommt nicht darauf an, Herr Bundesverkehrsminister, die Zurechnung z. B. der Wegekosten auf zwei Stellen hinter dem Komma genau zu fixieren, wichtig ist, dem Bundestag Unterlagen für politische Entscheidungen zu liefern, die möglicherweise zu einer Umverteilung des Frachtgutes führen können. Seit der Verabschiedung der Verkehrsnovellen durch den Bundestag sind wir in diesen Überlegungen nicht einen einzigen Schrittweitergekommen. Wir fragen deswegen die Bundesregierung in unserer Großen Anfrage: Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um für den deutschen Güter- und Personenverkehr gleiche Wettbewerbschancen im EWG-Raum zu schaffen? Wir fragen weiter: Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung im Hinblick auf die zu erwartende Einführung eines gemeinschaftlichen europäischen Systems der Margentarife treffen? Nach welchen wirtschaftlichen Grundsätzen würden sich derartige Maßnahmen richten? Meine Damen und Herren, ich möchte zusätzlich fragen: Was halten Sie, Herr Bundesverkehrsminister, von der Margentarifierung, wenn die Rheinschiffahrt nicht in sie einbezogen werden sollte? Im Zusammenhang mit der Regelung der Wettbewerbsverhältnisse ein Wort zur Frage der Maße und Gewichte. Am 22. Juni stehen die Abmessungen zur Entscheidung an. Wir sind international - verglichen mit den Partnerstaaten - durch die bei uns geltenden Abmessungen benachteiligt. In dieser Frage, die in den letzten 10 Jahren so viel Unruhe und Unsicherheit gestiftet hat, müssen wir endlich zum Abschluß kommen. Ich möchte nochmals mit aller Deutlichkeit sagen: Herr Bundesverkehrsminister, wir sollten fern von jeder Rechthaberei unseren positiven Beitrag zur Einigung in der Frage der europäischen Abmessungen und Gewichte leisten, damit die deutsche Automobilindustrie endlich in die Fertigung gehen und den angestauten Nachholbedarf ausliefern kann. ({1}) Kommt es wieder nicht zur Einigung, dann müssen wir uns dazu entschließen, eine brauchbare Übergangsregelung zu verabschieden. Die Verkehrsnovellen von 1961 bieten die Alternative zwischen Fest- und Margentarifen als ersten Schritt einer Liberalisierung auf preislichem Gebiet. Es sollte - wie insbesondere von dem Sprecher der CDU damals gesagt wurde - ein behutsamer Anfang sein. Zu keinem Zeitpunkt aber war von einer Liberalisierung des Zugangs zum Markt die Rede. Beides zur gleichen Zeit exerziert, muß große Verwirrung bringen, besonders dann, wenn ein erheblicher Überhang im Laderaum zu erwarten ist. Mit dieser Situation haben wir uns heute zu beschäftigen. Bei einem sorgfältigen Studium der Berichte und der Unterlagen ergibt sich, daß ein deutlich erkennbarer Mangel an Laderaum einfach nicht vorhanden ist. Eine echte Mangellage - abgesehen von einigen Spezialfahrzeugen - war nicht einmal vorhanden, als im Winter 1962/63 die Binnenschiffahrt einige Monate ausfiel und als der extrem kalte Winter erhöhte Transportleistungen erforderlich machte. Ein Weiteres kommt hinzu. Seit einiger Zeit zeichnet sich doch die Einführung des Lastzuges mit 38 t Gesamtgewicht und mit einer Erhöhung der Nettolast um mindestens 20 % ab. Es ist absurd, in diesem Zusammenhang von einem Laderaummangel zu sprechen. Gewiß, Kontingente sollen nicht starr sein. Sie sollen sich den Erfordernissen anpassen. Wohl niemand von uns hätte Bedenken gehabt, wenn zur Behebung eines Notstandes in einem bestimmten Gebiet das Kontingent des betreffenden Gebietes angemessen erhöht worden wäre. Es lag aber keine Veranlassung zur globalen Erhöhung der Fernverkehrskonzessionen um 8 % und zu einer zusätzlichen Erhöhung der Konzessionen im grenzüberschreitenden Verkehr um weitere 1000 Lastzüge vor. Daß die verladende Wirtschaft sich ein Überangebot an Verladeraum, also einen Käufermarkt wünscht, um Preiskonzessionen zu erzwingen, ist verständlich. Wichtig für uns aber - und das sollte auch für die Bundesregierung maßgebend sein - ist die gesamte Verkehrssituation mit den möglichen Konsequenzen. Ich bin der Meinung, die Überprüfung der Konsequenzen ist seitens der Bundesregierung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgt. ({2}) - Vielleicht hat die Bundesanstalt auf höhere Weisung gehandelt. Ich glaube, daß die Bundesanstalt, wenn sie noch einmal befragt werden sollte, wahrscheinlich zu bestimmten Korrekturen bereit wäre. Damals hat sich auch für die Bundesanstalt noch nicht der 38-t-Zug abgezeichnet. ({3}) Das sind doch Überlegungen, die vor Erlaß der Verordnung bekannt waren. Es geht also nicht um die fehlende Laderaumkapazität. Wir haben in der Verkehrswirtschaft seit jeher, besonders aber in den letzten Jahren, einen typischen Käufermarkt gehabt. Gerade in den letzten Jahren hat sich doch immer wieder herausgestellt, wie hart der Kampf um die Tonne Frachtgut geführt wird. Der vorhandene Käufermarkt, also das vorhandene Überangebot an Laderaum, hat uns doch 1952 veranlaßt, zum Schutz der Bundesbahn die Zulassung zum Markt zu beschränken. Deswegen scheint mir die Begründung, die zur Aufstockung der Laderaumkapazitäten gegeben wurde, völlig absurd zu sein. Sollten wir nicht ehrlich sein? Steckt nicht etwas ganz anderes dahinter als der Mangel an Laderaum? Ist der Ausgangspunkt für die Verschärfung der Situation nicht die Initiative einer kleinen, aber mächtigen Gruppe von Interessenten, die die Bundesregierung massiv gezwungen hat, aus ihrer verkehrspolitischen Lethargie zu erwachen? Diese Gruppe hat bei ihrem Vorgehen zweifellos nur an ihre eigene Wirtschaftlichkeit gedacht, sich aber nicht die Konsequenzen, z. B. für den Bundeshaushalt, überlegt; denn wie immer man auch rechnen mag, die Defizite der Bundesbahn werden steigen, und der Bund wird die Verluste aus Haushaltsmitteln decken müssen. Daran geht kein Weg vorbei. Um die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage klarzulegen, fragen wir die Bundesregierung, ob sie sich der Tatsache bewußt war, daß die Aufstockung der Kontingente im Güterfernverkehr die Deutsche Bundesbahn zu tariflichen Maßnahmen zwingen würde. Nun, diese rund 3000 Lastzüge suchen Beschäftigung. Bei gleichen Tarifen entscheidet zweifellos der Vorzug des Haus-Haus-Verkehrs. Der Lastzug hat hier Vorrang. Wenn die Bundesbahn versucht, ihren Besitzstand zu wahren, und erhebliche Tarifsenkungen vorschlägt, so ist das verständlich. Ob es ihr aber gelingen wird, einen zusätzlichen Frachtraum zu erwerben, ist zweifelhaft. Ich teile nicht den Optimismus der Bundesbahn, daß sie Abgänge verhindern, daß sie zusätzliches Frachtgut an sich ziehen kann. Wenn - was ich ebenfalls bezweifle - die Behauptung des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Oeftering, richtig sein sollte, daß der Güterfernverkehr eine Differenzialrente von 30 % vereinnahmt, dann wird doch dieser Güterfernverkehr mit Leichtigkeit der Tarifpolitik der Bundebahn folgen und die Tarife ebenfalls senken können. In den Relationen würde sich also nichts ändern. Der Vorteil des Haus-Haus-Verkehrs bleibt beim Lastzug. Der Verlust der Bundesbahn würde unter dieser Voraussetzung kumulativ sein. Präsident Oeftering hat sich kürzlich in Augsburg und vor einigen Tagen auch in Köln dagegen verwahrt, daß man die Bundesbahn beschimpfe, weil sie die Tarife ermäßige. Wir Sozialdemokraten sind nicht gegen eine Tarifsenkung, wenn eine ordnungsgemäße Selbstkostenrechnung eine solche Tarifsenkung rechtfertigt. Wenn noch soviel Luft in den Tarifen ist, dann möchten wir von der Bundesregierung die Frage beantwortet haben, warum die überhöhten Tarife der Bundesbahn im Interesse einer stabilen Preisgestaltung nicht schon längst gesenkt wurden. Wie kann man von der Wirtschaft eine klare und vernünftige Preispolitik verlangen, wenn der Bund mit seinem eigenen Vermögen ein so schlechtes Beispiel bietet? ({4}) Hätte es nicht schon längst im Interesse einer guten Verkehrspolitik gelegen, Güter- und Personenverkehr in der Kostenlage und in der Tarifbildung voneinander zu trennen? Meine Damen und Herren, im Schatten dieser, wie ich meine, falschen Verkehrspolitik haben sich Verkehrsbeziehungen eingespielt, die vielleicht eine ganz andere Entwicklung genommen hätten. Hier zeigen sich die Sünden der Vergangenheit, hier zeigen sich die Folgen der jahrelangen Verschleppung der Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn. Hier zeigen sich die Folgen einer engstirnigen fiskalischen Betrachtungsweise und die Folgen eines ständigen Mißtrauens gegen das große deutsche Sondervermögen. Deswegen bitte ich Sie, Herr Bundesverkehrsminister, zur Klarstellung, die Frage konkret zu beantworten, ob die Deutsche Bundesbahn effektiv in der Lage ist, die Tarifsenkungen durchzuführen, oder ob die Bundesregierung nur dem Verlangen der Interessenten, Tarifsenkungen um jeden Preis zu erzwingen, gefolgt ist. Eine solche Tarifpolitik wäre unlauter und mit den Grundsätzen kaufmännischer Betriebsführung kaum vereinbar. Deswegen fragen wir die Bundesregierung: Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß ein rücksichtsloser Wettbewerb zwischen den binnenländischen Verkehrsträgern die Ertragslage der Deutschen Bundesbahn verschlechtern und zur Existenzgefährdung vieler kleiner und mittlerer Betriebe führen muß? Meine Damen und Herren, die Vielgestaltigkeit der Verkehrsaufgaben und der Verkehrsbedürfnisse erfordern eine gemischte Betriebsstruktur im Personen- und Güterverkehr. Die kleinen und mittleren Betriebe haben in allen Sparten der Verkehrswirtschaft ihre Leistungsfähigkeit seit eh und je unter Beweis gestellt. Sollte daher bei den Maßnahmen der Bundesregierung der Gedanke eines Verdrängungswettbewerbs eine Rolle spielen, um auf diese Weise zu einer schnellen und rücksichtslosen Konzentration im Verkehrsgewerbe zu kommen, dann werden wir uns einer solchen Zielsetzung im Interesse von Zehntausenden von mittleren und Kleinbetrieben mit aller Energie zur Wehr setzen. Wie immer sich diese Verhältnisse entwickeln werden, fest steht heute schon, daß sich die Verluste der Bundesbahn weiter erhöhen werden. Das gibt uns Veranlassung zu der Frage, wie das mit der Bundesbahn weitergehen soll. Nach § 28 des Bundesbahngesetzes soll die Bundesbahn nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt werden. Es steht auch im Bundesbahngesetz, daß eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals anzustreben ist. Ein Unternehmen, das dauernd mit Verlusten arbeitet, büßt sein Vertrauen ein. Solange Sie, Herr Bundesverkehrsminister, im Amt sind, ist die Bundesbahn aus dem Defizit nicht herausgekommen. Es ist sicher nicht unbillig, wenn wir Sie deshalb heute darum bitten, uns endlich ganz konkret zu sagen, ob die Bundesregierung überhaupt die Absicht hat, der Bundesbahn zur Eigenwirtschaftlichkeit zu verhelfen, und mit welchen Mitteln und Maßnahmen sie das Ziel erreichen will. Ich möchte noch etwas spezieller werden, um Klarheit zu schaffen: Herr Bundesverkehrsminister, sind Sie der Meinung, daß die im Haushalt 1964 verankerten erfolgswirksamen Leistungen des Bundes ausreichen, um alle Sonderbelastungen der Bundesbahn unter Saldierung der steuerlichen Vorteile abzugelten? Wenn nicht, dann sollten Sie heute und hier erklären, welche Abgeltungsbeträge noch in Betracht kommen, damit dieses Kapitel endlich einmal abgeschlossen werden kann. Ist es nicht in Anbetracht der veränderten Verhältnisse und im Interesse eines fairen Wettbewerbs dringend notwendig, die Kosten des Güter- und des Personenverkehrs deutlicher als bisher voneinander zu trennen? Wir fragen deshalb die Bundesregierung, ob sie die Gesamtrechnung des Güter- und Personenverkehrs der Deutschen Bundesbahn und der übrigen Eisenbahnen oder eine betriebswirtschaftliche Trennung beider Verkehrsarten bevorzugt. Würde die Bundesregierung im Falle der Trennung ,das Defizit des Personenverkehrs unter Aufrechterhaltung der Sozialtarife voll ausgleichen? Wir fragen die Bundesregierung weiter: Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn herzustellen? Im Güterverkehr der Bundesbahn müssen kostendeckende Tarife gerechnet werden. Wir legen Wert auf die Einhaltung dieses Richtsatzes des Bundesbahngesetzes, weil bei einem so großen Unternehmen die Gefahr einer Ausnutzung der Marktmacht viel größer ist als bei den mittelständischen Betrieben. Wir wünschen keine Verdrängungstarife und keinen unlauteren Wettbewerb. Im Personenverkehr sind wir für die Aufrechterhaltung und den Ausbau der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung, d. h. für die Beibehaltung der Sozialtarife. Jede Änderung dieser Politik muß zu einer verstärkten Abwanderung zum Individualverkehr und damit zur weiteren Verstopfung unserer Straßen führen. Die Bundesbahn hat kürzlich erklärt, daß sie sich gegen jede weitere durch die Bundesregierung veranlaßte Ausweitung des Straßengüterverkehrs mit allen Mitteln wehren wird. Wir möchten nur hoffen, daß damit nicht der Abbau der Sozialtarife gemeint war. Gegen eine .solche Absicht werden wir uns mit aller Energie zur Wehr setzen. Einige Sätze zu einem anderen Kapitel, zur Beförderungsteuer im Werkfernverkehr. Wir haben die Erhöhung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr nicht erfunden. Der Gesetzentwurf wurde von dem damals amtierenden Bundesfinanzminister eingebracht. Die überhöhte Beförderungsteuer war und ist ein Steuerungsinstrument. Wir haben der Steuererhöhung damals zugestimmt, um der Bundesbahn in ihrer verzweifelten Lage zu helfen. Wir waren uns damals schon darüber im klaren, daß eine solche Steuererhöhung für viele Unternehmungen eine wirtschaftliche Härte bedeuten würde. Meine Herren Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, Sie haben Anträge auf eine Ermäßigung der Steuersätze gestellt. Sie wollen damit sicher den betroffenen Unternehmungen helfen. Nun, das wollen wir auch. ({5}) - Ja, darüber wäre viel zu sagen. Nicht nur die Steuersätze, sondern auch eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen müssen harmonisiert werden. Aber, Herr Kollege Müller-Hermann, so wie die Dinge heute liegen, bei den völlig ungeklärten Wettbewerbsverhältnissen, ist doch in der Bundesrepublik damit zu rechnen, daß sich der Werkfernverkehr erheblich ausdehnen wird. Über das Ausmaß einer solchen Ausdehnung kann man streiten. Aber d a 13 sich der Werkfernverkehrausdehnen wird, scheint mir absolut sicher zu sein. Zu den über 3000 Lastzügen aus der Kontingentsaufstockung werden einige weitere tausend Lastzüge des Werkfernverkehrs kommen. Das schafft eine neue Verzerrung zwischen den Verkehrsträgern. Wir haben gerade schon genug zu tun, um die bestehenden Verzerrungen auszuräumen. Herr Bundesverkehrsminister, haben Sie bei den Beratungen im Kabinett über die Vermehrung der Lastzüge ,auch an die Straßensicherheit und an die heute schon überfüllten Straßen gedacht? Die neuen Lastzüge fahren nicht in verkehrsschwachen Gebieten, sondern drängen zu den Hauptadern des Verkehrs, die heute schon völlig überlastet und verstopft sind. Die neuen Lastzüge werden sicherlich erheblich dazu beitragen, daß die Stauungen an den Baustellen und die Verkehrsschlangen noch länger werden. Wir fragen deshalb die Bundesregierung: Welche zusätzlichen Belastungen des Straßenbauhaushalts entstehen durch die große Zahl neu hinzukommender Lastzüge? Hat die Bundesregierung berücksichtigt, daß durch ihre bereits durchgeführten und geplanten verkehrswirtschaftlichen Maßnahmen die Straßenverkehrssicherheit weiter gefährdet wird? Wir Sozialdemokraten haben uns darum bemüht, auch 'hinsichtlich der Werkfernverkehrsteuer zu einer vernünftigen Regelung zu kommen. Wir wollen der Wirtschaft helfen, ohne die Verkehrssicherheit weiter zu gefährden. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, die Senkung der Beförderungsteuer mit einer Beschränkung der Zulassung zum Markt auch für den Werkfernverkehr - unter Wahrung des Besitzstandes - zu verbinden. Mit unserem Vorschlag helfen wir der Wirtschaft - das wollen wir -; wir nehmen damit niemand etwas weg, und wir verhüten eine weitere Gefährdung der Verkehrssicherheit. In einem Entschließungsantrag, den mein Freund Holger Börner noch ausführlich begründen wird, bitten wir die Bundesregierung um Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs. Wir wollen damit in der Zulassung zum Markt für den Werkfernverkehr unter Wahrung des Besitzstandes die gleichen Verhältnisse schaffen, wie sie für .den gewerblichen Güterfernverkehr durch das Güterkraftverkehrsgesetz seit 1952 zwingend vorgeschrieben sind, also Gleichheit in der Zulassung zum Fernverkehr. Es wäre logisch, wenn wir über die Senkung der Beförderungsteuer und über die Konzessionierung und die Kontingentierung des Werkfernverkehrs gemeinsam in einer Plenarsitzung des Bundestages abstimmen würden; denn Ihre Haltung zu unserem Vorschlag wird unsere Haltung zu der Senkung der Beförderungsteuer bestimmen. Wir stimmen einer Senkung der Beförderungsteuer zu, wenn sichergestellt ist, daß sich die Zahl der Lastzüge nicht oder nur ganz unwesentlich erhöht. Deswegen scheint es uns zweckmäßig zu sein, die Abstimmung über die Beförderungsteuer bis zur Vorlage des Gesetzentwurfs auszusetzen. Der Haushaltsausschuß hat ja ohnehin empfohlen, mit dem Inkrafttreten einer solchen Senkung bis zum 1. Oktober 1964 zu warten. Wir haben also keinen Zeitverlust. ({6}) - Entschuldigen Sie, wir wünschen gleiche Verhältnisse für den gewerblichen und für den Werkfernverkehr, also Gleichheit in der Zulassung zum Fernverkehr. Wir wehren uns aber gegen eine weitere Verstopfung der Straßen. ({7}) Wir müssen an die Verkehrssicherheit denken. Leider Gottes lassen Sie diese Überlegung völlig aus dem Spiel. Das ist bedauerlich. Ich komme zum Schluß. Die Verkehrswirtschaft ist nach dem einheitlichen Willen aller Partnerstaaten Bestandteil der Verträge von Rom. Sie wird sich innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an den Prinzipien der Marktwirtschaft orientieren müssen. Das bedeutet für die Bundesrepublik eine Abkehr von der bisher nach gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Verkehrspolitik. Die Verkehrsnovellen von 1961 sollten der erste Schritt in der Heranführung des Verkehrssektors an die Marktwirtschaft sein. Aufgabe dieser ersten Phase ist die Herstellung gleicher Wettbewerbschancen für alle Verkehrsträger und die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen. Aufgabe dieser ersten Phase ist die Einführung von Wettbewerbstarifen auf Selbstkostenbasis. Nach der Verkündung der Novellen hätte die Bundesregierung unverzüglich Maßnahmen zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen und zur Harmonisierung der Arbeitsbedingungen treffen müssen. Das hat sie nicht getan. Die Tarifautonomie, die den Verkehrsträgern in den Novellen ausdrücklich zugebilligt wurde, ist durch eine zu enge Auslegung des Gesetzestextes in den Anfängen stecken geblieben. Wir erheben gegen die Bundesregierung den Vorwurf, daß sie die Zeit zur Vorbereitung des Gemeinsamen Marktes für die Verkehrswirtschaft nicht genutzt hat. Die Aufstockung der Kontingente im Güterfernverkehr war eine voreilige und falsche Maßnahme. Sie gefährdet nicht nur die Sicherheit auf unseren Straßen, sondern hat innerhalb der Verkehrsträger eine Verwirrung gestiftet; das Durcheinander in der Verkehrswirtschaft ist größer geworden. Und wenn heute wieder die Verkehrsträger in Anzeigen und Großkundgebungen gegeneinander zu Felde ziehen, dann ist das ein Zeichen für die Unfähigkeit der Bundesregierung, den deutschen Verkehrsmarkt in Ordnung zu bringen. Wenn das am grünen Holze geschieht, was soll dann erst in Europa werden? Die Bundesbahn befindet sich in Abwehr- und Kampfstellung zur Bundesregierung. Auf die von der Bundesregierung durchgeführte Kontingentsaufstockung hat sie mit Gegenmaßnahmen geantwortet. Damit ist der Streit nicht beendet, sondern jeder weiteren Verschärfung Tür und Tor geöffnet. Wir bedauern das zugespitzte Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesbahn. Während unsere Partnerstaaten in Europa ihre Verkehrswirtschaft stärken und sich auf den schärfer werdenden Wettbewerb in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorbereiten, werden unsere Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt und in ihren Positionen geschwächt. Seit 1949 arbeitet die Bundesbahn - nicht durch ihre Schuld - mit erheblichen Verlusten. Das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit ist von der Bundesregierung in gröblicher Weise vernachlässigt worden. Wir Sozialdemokraten wünschen gesunde Verkehrsträger, die nach dem Prinzip der Kostendeckung arbeiten. Wir sind auch in der Verkehrswirtschaft gegen Naturschutzparks; aber wir befürworten eine gesunde Kapitalstruktur und eine Wirtschaftlichkeit der Verkehrsträger in ihrer Gesamtheit, die die Modernisierung der Betriebe ermöglicht. Das gilt auch für die Bundesbahn. Wir Sozialdemokraten sind für die Beibehaltung und den Ausbau der Sozialtarife. Wir sind für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, um die Verkehrssicherheit zu stärken. Die ungedeckten Kosten einer solchen gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung muß der Bund übernehmen. Die Maßnahmen der Bundesregierung haben eine wesentliche Verschärfung des Wettbewerbs zur Folge gehabt. Wir Sozialdemokraten sind für einen fairen Wettbewerb. Wir wenden uns mit Schärfe gegen einen manipulierten, gegen einen unlauteren, gegen einen Verdrängungswettbewerb, der zur Existenzgefährdung vieler kleiner und mittlerer Betriebe führen wird. Meine Damen und Herren, das sind einige Grundsätze unserer Verkehrspolitik. Über die Verkehrskonzeption der Bundesregierung herrscht völlige Unklarheit. Die Aussage des Bundeskanzlers in sei6314 ner Regierungserklärung, daß sich auch die Verkehrswirtschaft auf einen verschärften Wettbewerb einstellen muß, genügt uns nicht. Wir wünschen die Positionen genauer zu klären. Deshalb haben wir diese Große Anfrage eingebracht. Wir wollen die Bundesregierung zwingen, uns hier und heute klar und deutlich zu sagen, welche Verkehrspolitik sie in der Bundesrepublik und im europäischen Raum zu treiben gedenkt. Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Beantwortung der Großen Anfrage der SPD hat das Wort der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich zunächst eine Bemerkung machen. Verehrter Herr Kollege Dr. Bleiß, Sie wissen, daß bei der Beantwortung von Großen Anfragen, die an die Bundesregierung gestellt sind, der beantwortende Minister genötigt ist, sich an den Text der Großen Anfrage zu halten. Ich bin leider nicht in der Lage, auf zusätzliche und erweiternde Ausführungen einzugehen. ({0}) - Ich hoffe, daß wir das im Laufe der Debatte nachholen können. Ich bitte nur zu verstehen, daß ich mich bei der Beantwortung der Großen Anfrage zunächst natürlich auf die von Ihnen gestellten Fragen beschränken muß. Namens der Bundesregierung, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, habe ich die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf Drucksache IV/2274 betreffend Verkehrspolitik der Bundesregierung wie folgt zu beantworten. Zu Frage 1: Die Bundesregierung sieht die Herstellung gleicher Wettbewerbschancen für den Güter- und Personenverkehr im EWG-Raum als eine ihrer wichtigsten verkehrspolitischen Aufgaben im Bereiche der gemeinsamen Verkehrspolitik in der EWG an. Die Möglichkeiten, Maßnahmen allein für den Bereich der Bundesrepublik einzuleiten, sind in Anbetracht der von der Bundesregierung übernommenen Verpflichtungen zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik begrenzt. Sie hat dabei insbesondere auf die Einhaltung des Art. 76 des Römischen Vertrages, die sogenannte Stillhalteverpflichtung, zu achten. Auch ist sie gehalten, Maßnahmen, die geeignet sind, die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik wesentlich zu berühren, zum Gegenstand einer vorherigen Prüfung und Beratung im Rahmen des Ministerrates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu machen, wie es die Entscheidung des Ministerrates vom 21. März 1962 von ihr verlangt. Die Bemühungen der Bundesregierung sind daher in erster Linie darauf gerichtet, auf den beschleunigten Erlaß von Vorschriften im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hinzuwirken. Zur Förderung der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen wurde vor allem auf deutsche Anregung bereits auf der 40. Tagung des Ministerrates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 6. und 7. Dezember 1960 die Einsetzung eines Sachverständigen-Ausschusses bei der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beschlossen, um die Probleme der Wegekosten und der von den Verkehrsträgern zu tragenden Lasten zu untersuchen und damit die Voraussetzungen für eine Angleichung der Wettbewerbslage der einzelnen Verkehrsträger zu schaffen. Ferner hat der Bundesminister für Verkehr auf fast sämtlichen bisherigen Ratstagungen über Verkehrsfragen nachdrücklich die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen gefordert. Vor allem ist dies im Zusammenhang mit der Denkschrift der Kommission über die Grundausrichtung der gemeinsamen Verkehrspolitik vom Jahre 1961, mit dem Aktionsprogramm für die Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik vom Jahre 1962 und mit der Vorlage der fünf Vorschläge der Kommission zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik vom Jahre 1963 geschehen. Weiter hat die Bundesregierung in dem Bericht über die Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen im binnenländischen Güterverkehr nach Art und Ausmaß und über Vorschläge zu ihrer Beseitigung, den sie dem Deutschen Bundestag am 2. August 1963 mit der Drucksache IV/1449 vorgelegt hat, zu dem Problem der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Stellung genommen. Darin ist auf Seite 25 zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung alle Schritte unternehmen werde, die geeignet seien, diese Arbeiten zu beschleunigen, daß aber - wie auf Seite 26 vermerkt - eine von der internationalen Betrachtung losgelöste Regelung dieses vielschichtigen Problems allein für den nationalen Bereich, also nur für den nationalen Bereich, bei der engen europäischen Verkehrsverflechtung zu ernsten Schwierigkeiten führen werde und müsse. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß ihre nachdrücklichen Bemühungen ganz wesentlich dazu beigetragen halben, das Verständnis für die Notwendigkeit der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen bei unseren Partnerländern im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu fördern, wo dieses Verständnis keineswegs vorhanden war. Sie hat deshalb den Vorschlag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 20. Mai 1962 betreffend die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussen, lebhaft begrüßt und sieht ihn als wichtige Grundlage für das weitere Vorgehen zur Schaffung gleicher Wettbewerbschancen an. Der Schwerpunkt liegt hier - wie auch im nationalen Bereich - in der Beseitigung von Ungleichheiten bei der Besteuerung. Der Bundesminister der Finanzen ist hier zuständig. Er wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr darum bemüht sein, geeignete Lösungsmöglichkeiten für diese schwierigen Maßnahmen im Bereich der Euro- päischen Wirtschaftsgemeinschaft und - soweit möglich - auch im nationalen Bereich zu entwickeln. Die Bundesregierung sieht vor allem folgende Schritte für die Verwirklichung des Harmonisierungsvorschlages der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als vordringlich an. 1. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Kraftfahrzeugsteuer im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße. Die Kommission hat hierzu dem Rat am 20. März 1964 einen Vorschlag zugeleitet, der von der Bundesregierung im Grundsatz voll gebilligt wird. Der Rat hat ihn am 8. Mai 1964 dem Wirtschafts- und Sozialausschuß und dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme zugeleitet. 2. Die Vereinheitlichung der abgabefreien Einfuhr des in den Treibstoffbehältern der Nutzkraftfahrzeuge enthaltenen Treibstoffes. Durch eine Änderung der allgemeinen Zollverordnung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1963 bereits eine Gleichstellung der ,deutschen und ausländischen Güterkraftverkehrsunternehmer hinsichtlich der Treibstoff-Freimengen angeordnet und damit die bis dahin auf diesem Gebiet bestehende Diskriminierung der deutschen Güterkraftverkehrsunternehmer beseitigt worden. 3. Die Angleichung der Berechnungsunterlagen der Kraftfahrzeugsteuer. Die Bundesregierung billigt dieses Bestreben, hält jedoch eine Angleichung der Berechnungsgrundlagen allein nicht für ausreichend, sondern wirkt darauf hin, daß sobald wie möglich auch die Sätze der Kraftfahrzeugsteuer in den Mitgliedstaaten angeglichen werden. Im gleichen Sinne haben sich auch der Wirtschafts- und Sozialausschuß und das Europäische Parlament ausgesprochen. Übrigens wird durch diesen Schritt die unterschiedliche Behandlung beseitigt, welche durch die FreimengenRegelung zugunsten der ausländischen Häfen und zum Nachteil der deutschen Häfen bewirkt wird. 4. Hinsichtlich des für den nationalen und internationalen Verkehrswettbewerb gleichermaßen wichtigen Problems der Tragung der Wegekosten sieht der Vorschlag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor, die spezifische Steuer- und Abgabenregelung für die Verkehrsträger so zu gestalten, daß die Benutzer der Verkehrswege die ihnen anzulastenden Wegekosten selbst tragen. Auch die Bundesregierung betrachtet die Anlastung der Wegekosten als ein wichtiges Mittel der gemeinsamen Verkehrspolitik. 5. Mit der in dem Harmonisierungsvorschlag in Aussicht genommenen sogenannten Normalisierung der Konten wird das Ziel verfolgt, die Rechnungsführung der Eisenbahnen in den Ländern der Gemeinschaft vergleichbar und damit die betriebsfremden Belastungen und die gewährten Subventionen jeder Art sichtbar zu machen. Nach Auffassung der Bundesregierung soll durch diese Maßnahme in erster Linie angestrebt werden, die Ursachen zu beseitigen, die eine Normalisierung notwendig machen, um damit einen Abbau von betriebsfremden Lasten und von Subventionen zu erreichen. Auch wird die Verwirklichung der Normalisierung der Konten dazu beitragen, gleichartige Grundlagen für die zur Zeit noch sehr unterschiedliche Tarifbildung der Eisenbahnen in den Ländern der Gemeinschaft, z. B. auf dem Sektor der landwirtschaftlichen Güter, zu schaffen. 6. Die Bundesregierung strebt eine Angleichung auf dem Gebiete der Arbeits- und Ruhezeiten und bei der Zusammensetzung des Fahrpersonals, vor allem beim Straßenverkehr, an. Sie vertritt die Auffassung, daß nach dem Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft keine gemeinsame Sozialpolitik, und zwar auch nicht für den Verkehr, geführt werden kann. Ihre Bemühungen auf diesem Sektor gelten daher neben der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in erster Linie der Förderung der Sicherheit des Verkehrs. 7. Hinsichtlich des internationalen gewerblichen Straßenpersonenverkehrs hat die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dem Rat am 13. April 1964 einen Vorschlag über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Straßenpersonenverkehr zugeleitet. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß die Zulassungsvoraussetzungen innerhalb der Mitgliedstaaten mindestens zu dem Zeitpunkt angeglichen werden, an dem der internationale Personengelegenheitsverkehr von den dann noch bestehenden Beschränkungen freigestellt wird. Zu Frage 2: Nicht zuletzt im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung der gemeinsamen Verkehrs- und Tarifpolitik im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben die vom Hohen Haus am 29. Juni 1961 einstimmig verabschiedeten Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Binnenschifffahrt das absolute Recht der Tarifinitiative übertragen. Sie haben ihnen die Wahl gegeben, Festtarife oder Mindest-Höchst-Tarife, Margentarife genannt, zu beantragen. Hierin sah der Gesetzgeber ein weiteres Mittel zur Förderung des Preiswettbewerbs und zum Übergang von dem bisher bestehenden reinen Leistungswettbewerb zum Preiswettbewerb. Die deutschen Binnenverkehrsträger haben danach schon heute die Möglichkeit, von sich aus Margentarife zu beantragen. Der Straßengüterfernverkehr macht hiervon bereits Gebrauch, Herr Kollege Dr. Bleiß; ich glaube, Sie hatten das übersehen. Wenn die gemeinsame Verkehrspolitik für den Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft künftig nur noch das Margentarifsystem gelten lassen wollte, stände den deutschen Verkehrsträgern das Recht, Festtarife zu beantragen, nicht mehr zu. Auf jeden Fall wind sich deshalb die Bundesregierung bei der Gestaltung der Tarifpolitik im Gemeinsamen Markt für eine formelle und materielle Gleichbehandlung aller Verkehrsträger nachdrücklich einsetzen. Sie würde vor allem darauf bestehen, daß ein künftiges europäisches Margentarifsystem nicht zu einem ruinösen Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander führen darf. Eine Handhabe hierfür bietet u. a. der seinerzeit auf deutsche Initiative in den Römischen Vertrag aufgenommene Art. 78; dieser bestimmt, daß alle Maßnahmen auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und -bedingungen der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen haben. Auch würde die Bundesregierung sich dafür einsetzen, daß die Bandbreite der Margentarife sein angemessenes Maß nicht übersteigt. Gewisse wirtschaftliche Probleme bleiben bei der Einführung eines europäischen Margentarifsystems - wie bekannt - bei der Rheinschifffahrt noch zu klären. Zu Frage 3: Die in den Entwürfen der Bundesregierung zu den Verkehrsänderungsgesetzen vom 1. August 1961 enthaltenen Vorschläge, die Verkehrswirtschaft stärker als bisher an die soziale Marktwirtschaft heranzuführen und dem Preis in größerem Maße seine marktregelnde Funktion zu geben, wurde durch Annahme von Änderungsanträgen des Hohen Hauses noch verstärkt. Sowohl das Parlament als auch die Bundesregierung waren sich einig darüber, daß das den Verkehrsträgern gegebene Tarifantragsrecht und die gewünschte größere Beweglichkeit in der Tarifgestaltung keinesfalls zu einem rücksichtslosen Preiswettbewerb führen dürfen. Dem trägt auch die Bestimmung der Gesetzesnovellen Rechnung, nach der der Bundesminister für Verkehr die Leistungen und Entgelte der verschiedenen Verkehrsträger noch insoweit aufeinander abzustimmen hat, als es die Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs erfordert; alle Tarifmaßnahmen sollen den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verkehrsträger Rechnung tragen. Die Bundesregierung hat bei ihrer bisherigen tarifpolitischen Praxis diesen Gesetzesbefehl jeweils genau berücksichtigt. Der Bundesminister für Verkehr ist ferner in Verwirklichung der ihm durch die Gesetzesnovellen gegebenen Möglichkeiten bemüht, in Zusammenarbeit mit den beteiligten Stellen Richtlinien über die Genehmigung der Güterverkehrstarife auszuarbeiten. Diese Richtlinien werden durch eine Präzisierung der verschiedenen Tarifbildungskriterien, insbesondere der Begriffe der Unbilligkeit und Unlauterkeit, dazu beitragen, daß auch in Zukunft ein rücksichtsloser Wettbewerb vermieden wird. Die Bundesregierung ist daher nach den bisherigen Erfahrungen der Auffasssung, daß das geltende Tarifgenehmigungsverfahren einen hinreichenden Schutz für die berechtigten Belange der Verkehrsträger im ganzen und auch der kleineren und mittleren Verkehrsunternehmen bietet. Sie ist sich jedoch darüber im klaren, daß es nicht das Ziel des Tarifgenehmigungsverfahrens sein kann, jedes einzelne Unternehmen zu erhalten. Unwirtschaftlich arbeitende Unternehmen werden dem Preiswettbewerb stets zum Opfer fallen. Eine anders Auffassung widerspräche der vom Gesetzgeber in den Verkehrsnovellen vertretenen Zielsetzung. Die Bundesregierung ist sich dessen bewußt, daß der verstärkte Wettbewerb im Verkehr, insbesondere der Preiswettbewerb, nicht immer ohne Schwierigkeiten für die einzelnen Verkehrsunternehmen bleiben wird. Der Bundesminister für Verkehr hat daher mit der Deutschen Bundesbahn und mit den Verbänden der anderen Verkehrsträger wiederholt Gespräche mit dem Ziel geführt, die Eigeninitiative der Verkehrsträger anzuregen, damit sie sich durch geeignete Selbsthilfemaßnahmen auf den verschärften Wettbewerb einstellen. Er hat ihnen zugesichert, ihnen im Rahmen seiner Möglichkeit zu solchen Selbsthilfemaßnahmen seine volle Unterstützung zu gewähren. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich den zweiten Teil der Frage 3 im Zusammenhang mit der Frage 4 beantworte, und zwar wegen des inneren Sachzusammenhangs. Zu Frage 4: Der Deutsche Bundestag hatte in seiner Sitzung vom 29. Juni 1961 im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 die Bundesregierung aufgefordert, „die Frage zu prüfen, ob eine Aufstokkung der Kontingente im Güterkraftverkehr notwendig ist, um den erhöhten Verkehrsbedürfnissen im Straßenverkehr Rechnung zu tragen". Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, insbesondere der Bundesverband der deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelstag, hatten vorher und nachher in wiederholten Denkschriften Aufstokkungen der Kontingente um etwa 20 % gefordert und sich dabei auf den Gesetzesbefehl des § 9 Abs. 1 des Güterfernverkehrsgesetzes bezogen, der die Bundesregierung anweist, die Zahl der Kontingente unter Berücksichtigung des öffentlichen Verkehrsbedürfnisses und der Verkehrssicherheit auf den Straßen festzusetzen. Diese Festsetzung muß naturgemäß von Zeit zu Zeit überprüft werden. Die letzte Festsetzung erfolgte 1957. Seitdem sind natürlich Änderungen der Verkehrsbedürfnisse sowohl regional wie mengenmäßig eingetreten, die zu berücksichtigen sind, selbstverständlich unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Entwicklung der Verkehrssicherheit auf den Straßen. Der Antrag der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann und Genossen vom 5. Dezember 1962 - Bundestagsdrucksache IV/804 - konkretisierte die am 29. Juni 1961 vom Bundestag gegebene Aufforderung noch mehr. Auch die Verkehrsminister der Länder hatten sich für eine Überprüfung der Kontingentszahlen ausgesprochen. Selbst der beteiligte Verkehrsträger war einer mäßigen Kontingentserhöhung aus vielen, auch internen Gründen nicht abgeneigt. Unter Würdigung der vorhandenen insbesondere statistischen Unterlagen und eines von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr erstatteten Gutachtens ist eine Erhöhung der Zahl der Genehmigungen in Aussicht genommen worden. Ich darf bemerken, daß ich die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr für eine objektive Anstalt halte, die ihr Gutachten nicht nach Weisungen irgendeiner Stelle verfaßt. Ich darf die Herren insofern in Schutz nehmen, sowohl Herrn Präsident Geiger wie auch die ausführenden Herren der Geschäftsführung. Diese Bundesanstalt für Güterfernverkehr hat also auf Grund eines Gutachtens .dem Bundesminister für Verkehr Unterlagen geliefert, die ihn veranlaßten, mit Zustimmung der Bundesregierung eine Erhöhung der Zahl der Genehmigungen um rund 8 % in Aussicht zu nehmen. Er hat hierüber im Ausschuß für Verkehr, Post und Fernmeldewesen berichtet. Der Ausschuß hat mit Bericht vom 23. Januar 1964 - das ist übrigens die heute vorliegende Bundestagsdrucksache IV/2041 - dem Hause folgenden Beschluß vorgeschlagen: zustimmend von dem Beschluß der Bundesregierung Kenntnis zu nehmen, das Kontingent für den gewerblichen Güterfernverkehr um eine dem Verkehrsbedürfnis angemessene Zahl von rund 2000 Konzessionen auf rund 24 000 Konzessionen zu erhöhen, sowie davon, daß das Bundesministerium für Verkehr bemüht ist, in Durchführung dieses Beschlusses gemeinsam mit den Ländern eine dementsprechende Rechtsverordnung so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Dabei sollen die Interessen der verkehrsungünstig gelegenen Gebiete berücksichtigt werden. Der Bundesminister für Verkehr hat inzwischen mit Zustimmung des Bundesrates durch die 5. Höchstzahlenverordnung vom 10. März 1964 auf der Grundlage und in Durchführung von § 9 Abs. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes ,die Zahl der Genehmigungen wettbewerbswirksam um rund 2000 erhöht. Der Bundesminister für Verkehr hat ferner - nach vorheriger Unterrichtung des Ausschusses für Verkehr, Post und Fernmeldewesen mit Zustimmung des Bundesrates - ein zusätzliches Kontingent von 1000 Genehmigungen geschaffen, die grundsätzlich nur zum grenzüberschreitenden Güterverkehr berechtigen, also insoweit nicht wettbewerbswirksam sein werden. Diese 1000 Genehmigungen sind zu dem Zweck eingeführt worden, die außerordentlich starke und wiederholt .auch hier im Hohen Hause beklagte Minderung des Anteils der deutschen Unternehmer am grenzüberschreitenden Verkehr aufzuhalten und sie möglichst rückgängig zu machen. Das ist gerade mit Bezug auf das Hineinwachsen in den Straßenverkehr 'des EWG-Raums von großer Bedeutung. Soweit und sobald die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die die Anhebung der Kontingente im nationalen Güterfernverkehr ,dem Kraftverkehr bieten, werden bis zu rund 2000 meist schwerere Lastkraftwagen und Lastzüge zusätzlich das Straßennetz der Bundesrepublik belasten. Bei den übrigen 1000 Genehmigungen für .den internationalen Verkehr ist zu berücksichtigen, daß diese Kraftfahrzeuge zu einem erheblichen Teil des Jahres im Ausland fahren werden. Die Zahl der deutschen schweren Lastfahrzeuge mit einer Nutzlast von mehr als 7,5 t erhöht sich um rund 6 %. Eine Bezifferung der sich aus der Kontingentsanhebung ergebenden Mehrkosten für den Straßenbau ist zur Zeit noch nicht möglich. Die Ergebnisse .des in Amerika durchgeführten AASHO-Road-Tests werden in unserer Arbeit gegenwärtig ausgewertet. Ein vom Bundesminister für Verkehr veranlaßtes Gutachten, das .seit kurzem vorliegt, hat uns nachgewiesen, daß die Ergebnisse dieses amerikanischen Tests auf deutsche Straßen unbedenklich angewendet weren können. Erst nach Abschluß der erforderlichen umfangreichen Arbeiten an einer vergleichenden Wegekostenrechnung in Abstimmung mit den anderen Gemeinschaftsländern ,der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft werden die erforderlichen Auskünfte im einzelnen zuverlässig gegeben werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Minister! Ich möchte es Ihnen überlassen, ob Sie jetzt abbrechen wollen. Es war vorgesehen, von 13 bis 15 Uhr eine Pause zu machen. Das Haus ist nicht gut besetzt. Ich möchte es aber völlig Ihnen überlassen, ob Sie jetzt weiter vortragen oder ob Sie an dieser Stelle heute nachmittag um 15 Uhr gleich das Wort nehmen.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich würde vorschlagen Herr Präsident, da diese Sache ja im Zusammenhang steht, daß ich zu Ende vortrage, damit die interessierten Herren das auch im Zusammenhang hören können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich spreche nur im Blick auf die Besetzung des Hauses und weil heute nachmittag die Debatte startet. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich bitte darum, daß ich fortfahren darf.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte, fahren Sie fort!

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die Bundesregierung hat am 11. Dezember folgenden Beschluß gefaßt: Die Bundesregierung lehnt die beantragte Herabsetzung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr von 5 Dpf auf 1 Dpf je Tonnenkilometer ab, stellt aber ihre Bedenken gegen eine Herabsetzung von 5 Dpf auf 3 Dpf je Tonnenkilometer entsprechend dem Grundsatzbeschluß des Bundestagsverkehrsausschusses vom 20. Juni 1963 zu den ihm vorliegenden Initiativanträgen der Koalitionsparteien zurück. Entsprechendes gilt für die Anhebung des Kontingentes für den gewerblichen Güterfernverkehr um eine dem Verkehrsbedürfnis angemessene Erhöhung von rund 22 000 Konzessionen auf rund 24 000 Konzessionen. Voraussetzung hierfür ist aber vor allem, daß a) den verschiedenen Bestrebungen auf Erweiterung bzw. Änderung der Nahverkehrszone nicht entsprochen wird. Der Entscheidung über die Frage, ob in einem späteren Zeitpunkt gewisse Änderungen etwa aus regionalpolitischen Erwägungen vorzunehmen sein werden, soll hierdurch nicht vorgegriffen werden; b) bei der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr keine weiteren Begünstigungen und Ausnahmen zugunsten bestimmter Waren oder Wirtschaftskreise vorgenommen werden. Soweit der Beschluß der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat dabei die Erfordernisse der Straßenverkehrssicherheit abgewogen. Im Hinblick darauf, daß sich die Auswirkungen der von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen auf die Straßenverkehrssicherheit in einem noch vertretbaren Rahmen halten, hat sie geglaubt, den gegebenen verkehrswirtschaftlichen Belangen in diesem Rahmen noch Rechnung tragen zu können. Dem Hohen Hause ist bekannt, welche Bedeutung die Bundesregierung der Hebung der Straßenverkehrssicherheit zumißt. Ich verweise auf die Regierungserklärung vom Herbst vorigen Jahres. Gerade mit Beginn dieses Monates sind neue gesetzgeberische Maßnahmen in Kraft getreten, von denen sich die Bundesregierung weitere Erfolge auf diesem Gebiet erhofft. Sie wird auch in Zukunft in ihren Bemühungen nicht nachlassen und ist sich dabei der Unterstützung des Hohen Hauses sicher. Die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages haben der Senkung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, eingebracht auf Initiativantrag der Herren Abgeordneten Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich und Genossen - Bundestagsdrucksache IV/838 ({0}) -, zugestimmt, und zwar der Ausschuß für Verkehr-, Post und Fernmeldewesen am 20. Juni 1963, der Finanzausschuß am 23. Januar 1964, der Wirtschaftsausschuß am 6. Februar 1964, der Haushaltsausschuß am 23. April 1964, letzter mit der Maßgabe, daß der Termin für das Inkrafttreten des Entwurfs auf den 1. Oktober 1964 gelegt wird. ({1}) - Zugestimmt! Über die inneren Zusammenhänge kann ich hier nichts sagen. ({2}) - Verzeihung, Herr Kollege Börner! Ich meine, das steht wohl hoffentlich im Protokoll. Die Aufstockung der Kontingente im gewerblichen Güterfernverkehr durch eine Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr ist, wie bereits dargestellt, nach sorgfältiger Bedürfnisprüfung vorgenommen worden. Eines der Ziele dieser Maßnahme ist eine Verstärkung des Wettbewerbs. Solcher vermehrter Wettbewerb kann bei der größeren Beweglichkeit in der Tarifgestaltung nicht ohne Einfluß auf die Tarife aller Verkehrsträger bleiben. Diese Wirkung hat der Gesetzgeber bei Erlaß der Verkehrsnovellen im August 1961 gewollt. Die Bundesregierung war sich der Möglichkeit einer solchen Wirkung bei Erlaß der 5. Höchstzahlenverordnung bewußt. Das gleiche gilt auch für die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages, zumal ja der Vorstand der Deutschen Bundesbahn wiederholt darauf hingewiesen hat, daß er zu entsprechenden Tarifmaßnahmen greifen würde. Erlauben Sie mir eine Bemerkung in Parenthese: Ohne eine solche Entwicklung ist ja die von uns gewünschte Auseinanderentwicklung von Reichskraftwagentarif und Eisenbahngütertarif gar nicht denkbar. Ausmaß und Art der zu ergreifenden und vorzuschlagenden Tarifmaßnahmen liegen nach den geltenden Gesetzen in der Zuständigkeit der Verkehrsträger, hier der Deutschen Bundesbahn. Sie hat am 11. Mai 1964 einen Antrag betreffend Änderung der Tarifelemente des Deutschen Eisenbahngütertarifs eingereicht, der die Zustimmung der ständigen Tarifkommission, des Ausschusses der Verkehrsinteressenten und des Verwaltungsrats der Deutschen Bundesbahn gefunden hat. Der Antrag wird zur Zeit bei uns geprüft. Die gesetzlich festgelegte Frist, innerhalb derer der Bundesminister für Verkehr eine Entscheidung zu treffen hat, läuft am 13. Juli 1964 ab. Die Deutsche Bundesbahn hat Ihre Vorschläge auch unter Berücksichtigung der Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik im Gemeinsamen Markt gemacht. Dies gilt vor allem für das weitere Zusammendrängen der Wertstaffel. Zu Frage 5: Die Frage zielt offensichtlich dahin, ob die Eisenbahnen nach dem Willen der Bundesregierung bei der Tarifkalkulation zwischen Güterund Personenverkehr trennen dürfen und sollen. Das ist aus folgenden Gründen zu bejahen. Nach den Verkehrsänderungsgesetzen vom 1. August 1961 soll dem Wettbewerb im Verkehr nicht zuletzt durch eine beweglichere Tarifgestaltung als bisher verstärkt Raum gegeben werden. Ein von kaufmännischen Gesichtspunkten getragener Wettbewerb spielt jedoch fast ausschließlich im Güterverkehr, während der Personenverkehr vor allem im Hinblick auf den ständig steigenden Individualverkehr in starkem Maße auch Einflüssen unterworfen ist, die nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen. Das Hohe Haus hat in seiner Entschließung vom 29. Juni 1961 den von der Bundesregierung erbetenen Bericht über die Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen im binnenländischen Verkehr deshalb ausdrücklich auf den Güterverkehr beschränkt. Sollen aber die Eisenbahnen ihrer Aufgabenstellung im Wettbewerb der Güterverkehrsträger gerecht werden, so muß insoweit ihre Stellung als Verbundbetriebe berücksichtigt werden, die sie grundsätzlich von ihren Konkurrenten Binnenschiffahrt und Güterkraftverkehr unterscheidet, die ja fast ausschließlich Güterverkehr betreiben. Schon aus eigenwirtschaftlichen Gründen der Betriebsüberwachung zwingt eine Verbundproduktion stets zu einer anteiligen Kostenzurechnung für jede einzelne Verkehrs- oder Produktionsart. Sie wird bei der Deutschen Bundesbahn nach dein Benutzungsprinzip ausgeführt, d. h. es werden jeder einzelnen Verkehrsart nach der auch bei der übrigen Wirtschaft üblichen Methode so viel an Kosten zugeschieden, wie ihrem Anteil an der Inanspruchnahme des Betriebsapparates einschließlich der Gemeinkosten entspricht. Darüber hinaus ist eine solche Kostenaufteilung bei der Bildung der Gütertarife gerade unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs unerläßlich. Dem widerspricht nicht das auch für die Eisenbahnen geltende Prinzip der Gesamtkostendeckung. Der darauf beruhende innerbetriebliche Finanzausgleich defizitärer Betriebszweige durch Überschüsse anderer Betriebszweige steht mit der in die Zukunft gerichteten Preiskalkulation eines Unternehmens nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Hier kommt es vielmehr darauf an, Kasten eines nicht kostendeckenden Betriebszweiges nicht etwa mit den Kosten eines gewinnbringenden Betriebszweiges zu vermischen. Dies gilt um so mehr, als es sich bei einem defizitären Betriebszweig wie dem Personennahverkehr der Eisenbahnen um einen Bereich handelt, der vorwiegend nicht in einem kaufmännischen Wettbewerb steht. Eine so verstandene kalkulatorische Trennung zwischen Güter- und Personenverkehr ist deshalb nicht nur zulässig, sondern im Hinblick auf den Wettbewerbsgedanken der Verkehrsänderungsgesetze 1961 für die Deutsche Bundesbahn geradezu geboten. Die Trennung gestattet einmal der Unternehmensführung der Eisenbahnen den im Wettbewerb erforderlichen kaufmännischen Spielraum. Zum anderen wird erwartet, daß sie nach dem Prinzip der Gesamtkostendeckung zu einer Verlustminderung der Eisenbahnen führen wird. Die deutschen Eisenbahnen verfahren insoweit nicht anders als die meisten europäischen und 'auch die amerikanischen Eisenbahnen. Obwohl die Bundesregierung eine betriebswirtschaftliche Trennung zwischen Güter- und Personenverkehr bejaht, muß sie es ablehnen, grundsätzlich zu erklären, daß sie das Defizit des Personenverkehrs unter Aufrechterhaltung der Sozialtarife voll auszugleichen bereit und in der Lage sei. Sie erwartet vielmehr, daß die Deutsche Bundesbahn nach wie vor im Güter- und Personenverkehr alle Anstrengungen unternimmt, um ihren Gesamtverlust unter Anwendung des Prinzips des inneren Finanzausgleichs zu senken und auf lange Sicht gesehen Überschüsse zu erwirtschaften. Die Bundesregierung verkennt andererseits nicht, daß gerade im Bereich des Personenverkehrs der Eisenbahnen eine optimale Verkehrsbedienung der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt. Es erscheint deswegen gerechtfertigt, daß der Bund in einem gewissen Umfang Finanzhilfen zum Teilausgleich des Defizits im Personenverkehr wie bisher auch weiterhin zur Verfügung stellt, wie es nach dem Sofortprogramm der Bundesregierung vom Jahre 1960 bereits seit 1961 unter Bereitstellung von Anpassungshilfen zur Rationalisierung in diesem Verkehrsbereich alljährlich geschehen ist. Dies gilt um so mehr, als z. B. bei der Deutschen Bundesbahn weder die anteiligen Fixkosten noch die variablen Kosten aus den Einnahmen im Verkehr mit Personenzügen, vor allem im Nahverkehr, gedeckt werden. Zur Frage 6: Die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn ist kein isoliert zu behandelndes Problem. Die Bundesregierung hat vielmehr, seit sie ihre die Binnenverkehrsträger umfassende allgemeine verkehrspolitische Konzeption zu Beginn der 50er Jahre entwickelte, die Frage der Gesundung der Deutschen Bundesbahn und die Herstellung ihrer Wettbewerbsfähigikeit immer in einem gesamtverkehrspolitischen Zusammenhang gesehen. So waren die stärkere Heranziehung des die Deutsche Bundesbahn besonders konkurrierenden Schwerlastverkehrs zu den von ihm verursachten Wegekosten durch erhöhte Steuern und die im Verkehrsfinanzgesetz 1955 festgelegten Finanzhilfen für die Bundesbahn Schritte auf diesem Wege. Zahlreiche weitere im Rahmen der allgemeinen Verkehrspolitik aufeinander abgestimmte Maßnahmen wurden in den späteren Jahren getroffen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn wurde vor allem dadurch gestärkt, daß sie durch die Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 das Recht der tarifpolitischen Initiative und die Möglichkeit einer beweglicheren Tarifgestaltung erhielt. Ferner wurden der Deutschen Bundesbahn politische und betriebsfremde Lasten abgenommen. Erst in jüngster Zeit hat die Bundesregierung dem Hohen Hause in ihrem Bericht rüber die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Bundesbahn -Bundestagsdrucksache IV/2220 - u. a. einen Vorschlag über die Behandlung der Versorgungslasten unterbreitet. Sie hält es nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungen für angemessen, daß der Deutschen Bundesbahn ein Anteil der Versorgungslasten in Höhe von 30 % der Aufwendungen für die aktiven Beamten angelastet wird, aber nicht mehr. Die Lösung dieses Problems kann allerdings nur nach Maßgabe der Haushaltslage erreicht wenden. Durch die damit in Aussicht genommene Abnahme weiterer strukturell bedingter überhöhter Versorgungslasten und durch die im Bericht der Bundesregierung, den ich ,soeben zitiert halbe, behandelten weiteren Maßnahmen des Bundes zur Verbesserung der Kapitalstruktur der Deutschen Bundesbahn sowie zur Förderung ihrer Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen hat die Bundesregierung weitere wirksame Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Bundesbahn eingeleitet. Damit habe ich, Herr Präsident, die Große Anfrage beantwortet. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Nach der Mittagspause werden wir zunächst die Punkte 15 a ibis 15 c und 16 behandeln. Die Herren Berichterstatter werden dann Gelegenheit haben, das Wort zu nehmen. Danach beginnt erst die allgemeine Aussprache über die ibis dahin behandelten fünf Punkte. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Tagesordnung fort, und zwar rufe ich nunmehr Punkt 15 a bis c auf: Anpassung des Transportvolumens des Güterfernverkehrs an die Verkehrsnachfrage, Änderung des Güterkraft6320 Vizepräsident Dr. Jaeger verkehrsgesetzes und Änderung des Beförderungsteuergesetzes. Das Wort haben zunächst die Berichterstatter, als erster zu Punkt a der Abgeordnete Schmidt ({0}). ({1}) - Sie haben einen Schriftlichen Bericht erstattet. Dann ist allerdings ein mündlicher Bericht nicht mehr notwendig. Ich danke Ihnen. Das gleiche gilt für Punkt b. Zu Punkt c hat der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Schwörer, ebenfalls einen Schriftlichen Bericht erstattet. Er wünscht ihn noch zu ergänzen. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Schwörer.

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anträge in den Drucksachen IV/683 und IV/838 ({0}) betreffen die Besteuerung des Werkfernverkehrs, wie sie in der Bundesrepublik durch das Beförderungsteuergesetz von 1955 eingeführt worden ist, wo der § 11 beinhaltet, daß ab 1. April 1958 die Beförderungsteuer im Werkverkehr 5 Pf je Tonnenkilometer beträgt. Diese Regelung der Beförderungsteuer für den Werkfernverkehr wurde geschaffen, um ordnungspolitische Ziele zu verwirklichen. Die Steuer war eine in das Gewand eines Steuergesetzes gekleidete wirtschaftliche Lenkungsmaßnahme mit dem Ziele, den Werkfernverkehr einzudämmen. Sie trat damals an die Stelle von nicht durchsetzbaren Transportverboten, und die Erzielung von Einnahmen stand bei den Überlegungen nicht im Vordergrund. Vielmehr sollte die Beschränkung des nicht konzessionierten und nicht kontingentierten Werkverkehrs ein Mittel zur Sanierung der Bundesbahn und ein Mittel zur Entlastung des Straßennetzes sein. Gegen diese einseitige Belastung des Werkfernverkehrs wandte sich ein Teil der verladenden Wirtschaft im Februar 1956 in einer Verfassungsklage, die sich gegen die Verletzung der Art. 3, 12 und 14 des Grundgesetzes richtete. Diese Beschwerde wurde durch das Urteil vom 22. Mai 1963 als unbegründet verworfen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts räumt ein, daß es ganze Gruppen von Unternehmen gibt, die die erhöhte Beförderungsteuer weder selbst tragen noch abwälzen können, so daß auf Grund dieses Gesetzes Betriebseinstellungen nötig wurden, z. B. bei Sägewerken in Bayern. Außerdem räumt das Bundesverfassungsgericht ein, daß es Fälle gibt, in denen der Werkverkehr nicht oder nur sehr schwer zu ersetzen ist, so z. B. in den verkehrsschwachen Gebieten, wo die Beauftragung des Güterfernverkehrs erfolglos, die Benutzung der Bundesbahn zu umständlich und im Ergebnis zu kostspielig sein kann. Die Besonderheit der zu befördernden Güter kann Spezialfahrzeuge erfordern, über die weder Güterfernverkehr noch Bundesbahn verfügen. Daneben gibt es zweifellos Wirtschaftszweige mit wertvollen, nicht sehr schweren Gütern, die in der Lage sind, die erhöhte Beförderungsteuer entweder selbst aufzubringen oder auf den Abnehmer zu übertragen. Das Bundesverfassungsgericht bringt damit zum Ausdruck, daß von den Auswirkungen der Werkfernverkehrsteuer die einzelnen Wirtschaftszweige sehr unterschiedlich betroffen werden. Zu der Frage, ob der Zweck dieser Maßnahme, eine Sanierung der Bundesbahn zu erreichen, geglückt ist, sagt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Zwar ist die Eindämmung des Werkfernverkehrs in gewissem Umfange erreicht, sein Anteil an der Gesamtgüterbeförderung zurückgegangen; die von ihm unterlassenen Beförderungen sind aber, soweit sie nicht überhaupt unterblieben sind, im wesentlichen nicht auf die Bundesbahn, sondern auf den Güterfernverkehr übergegangen. Das gleiche kommt auch im Brand-Bericht und in dem Vortrag der Bundesregierung in Karlsruhe zum Ausdruck. Trotz ,der Steuerbelastung des Werkfernverkehrs ist der relative Anteil der Bundesbahn am Verkehrsaufkommen von 1954 bis 1960 von 57 % auf 52 % zurückgegangen, während der Güterfernverkehr von 10 % auf 16 % stieg. Im Jahre 1963 betrug der Anteil der Verkehrsträger am Güterfernverkehr: Bundesbahn ca. 52 %, Binnenschiffahrt 29 %, Straßenverkehr 19 %, davon Werkverkehr ca. 3 %. Der Anteil des Werkfernverkehrs am Gesamtverkehr ist von 1954 bis 1960 von 4,3 % auf 3 % zurückgegangen. Das Ergebnis der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts lautete so: Sollte die Eindämmung des Werkfernverkehrs auf die Dauer im wesentlichen nur dem Güterfernverkehr zugute kommen oder sogar seine Ausdehnung ermöglichen, so wäre erneut zu prüfen, ob die steuerliche Sonderbelastung des Werkfernverkehrs zum mindesten in der jetzigen Höhe noch weiter aufrechterhalten werden kann oder ob der Gesetzgeber seine Ziele mit anderen Mitteln verfolgen muß, bei denen die Ausgewogenheit des Eingriffs nach allen Seiten hin einwandfrei sichergestellt ist. In .der Diskussion im Finanzausschuß wurde zum Vergleich die Situation in den übrigen Staaten der EWG herangezogen. In keinem Lande der EWG besteht eine Sondersteuer nach der Art der deutschen Beförderungsteuer. In Belgien, Holland, Luxemburg und Italien ist die Beförderung im Werkfernverkehr lediglich mit der Umsatzsteuer belegt. Frankreich hat ein besonderes System, das aber im Ergebnis keine höhere Belastung des Werkfernverkehrs mit sich bringt. Der Richtlinienvorschlag .der EWG-Kommission - Drucksache IV/1313 - sieht u. a. vor, daß ab 1. Januar 1966 im gesamten EWG-Raum keine Sonderbelastung des Werkfernverkehrs mehr erfolgen darf. Der Einbau der Beförderungsteuer in die Umsatzsteuer ist folgerichtig auch im deutschen Mehrwertsteuersystem vorgesehen. In gleicher Weise lautet ein Beschluß des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EWG. Gegen den Antrag wurden die Argumente der Bundesbahn und Ides Güterfernverkehrs ins Feld geführt. Die Bundesbahn spricht sich zwar nicht grundsätzlich gegen ,die Liberalisierung aus, wohl aber gegen den Zeitpunkt. Sie fordert die Harmonisierung aller Verkehrsbedingungen, vor allen Dingen die Lösung des Wegekostenproblems, weiterhin den Ausgleich der gemeinwirtschaftlichen Lasten und die nachhaltige Regelung ihrer finanziellen Beziehungen zum Bund im Sinne einer stärkeren Entlastung von betriebsungewöhnlichem Aufwand und einer besseren Kapitalausstattung. Von seiten ides Güterkraftverkehrs wurde geltend gemacht, daß ein Grund zu Liberalisierungsmaßnahmen nicht bestehe, da eine Knappheit von Transportraum nicht gegeben sei. Für den Antrag wurden folgende Argumente angeführt. Erstens: Die Verkehrsnovellen vom August 1961 schreiben eine schrittweise Überführung des Verkehrs in die soziale Marktwirtschaft zwingend vor. Der Verkehr ist eine Erscheinungsform des wirtschaftlichen Tätigwerdens, die neben vielen anderen Möglichkeiten besteht. Eine Sonderbehandlung ist auf die Dauer durch nichts gerechtfertigt. Der Verbraucher, d. h. der Verkehrsnutzer, soll bestimmen, wie das Verkehrsaufkommen auf die einzelnen Verkehrsträger verteilt wird, wobei den Beteiligten im Wettbewerb die gleichen Chancen eingeräumt werden sollen. Die Sonderbelastungen des Werkverkehrs stellen ungerechtfertigte Verzerrungen dar, die angesichts dieser neuen Konzeption nicht mehr aufrechterhalten werden können. Zweitens: Kein Land in Europa kennt die Sonderbelastungen für den Werkfernverkehr, und auch die EWG-Regelung wird solche Sonderbelastungen nicht enthalten. Drittens: Durch die jetzt vorgesehene Steuersenkung werden die für die Bundesbahn notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Situation nicht behindert. Die Bundesbahn wird den befürchteten Einnahmeverlust kaum erleiden, weil sie durch die Erhöhung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr in den letzten Jahren auch keine Transportzunahmen zu Lasten des Werkfernverkehrs erzielen konnte. Der Rückgang des Werkfernverkehrs ist fast ausschließlich den anderen Verkehrsträgern, Straße und Binnenschiffahrt, zugute gekommen. Viertens: Die Notwendigkeit, die Kontingente im gewerblichen Güterfernverkehr zu erhöhen, zeigt, daß der Zweck des Verkehrsfinanzgesetzes - Hilfe für die Bundesbahn und Entlastung der Straßen - mit der steuerlichen Mehrbelastung des Werkfernverkehrs nicht zu erreichen war. Eine Kapazitätsausweitung des gewerblichen Güterfernverkehrs wurde nötig, um Engpässe in der Beförderung zu beseitigen. Nun zur Wirkung der Steuersenkung auf den Bundeshaushalt. Bei einer Absenkung des Satzes von 5 auf 3 Pf entsteht ein rechnerisches Minus an Beförderungsteuer von 50 Millionen DM pro Jahr. Wird durch diese Maßnahme der Werkfernverkehr zu Lasten eines anderen Verkehrsträgers, z. B. des gewerblichen Verkehrs, zunehmen, dann wird der Haushaltsverlust weitgehend durch die immer noch wesentlich höhere Belastung des Werkfernverkehrs ausgeglichen. Die Belastung des Werkfernverkehrs beträgt nach der Absenkung immer noch ca. 300 % der Belastung von Bundesbahn und Güterfernverkehr. Der Haushaltsverlust wird unter 50 Millionen DM liegen, wenn Verkehrsverlagerungen, wie behauptet, erfolgen. Die vorgeschlagene Regelung trägt die Züge eines Kompromisses. Verkehrsausschuß und Finanzausschuß haben sich mit ihrer Entscheidung in der Mitte gehalten zwischen der Ablehnung durch die bis jetzt begünstigten Verkehrsträger - Bundesbahn und gewerblicher Verkehr - und den wesentlich weitergehenden Wünschen der Wirtschaft und eines großen Teils der Abgeordneten des Bundestages, die in der Drucksache IV/683 enthalten sind. In der Diskussion wurden auch noch offengebliebene Probleme angesprochen, wie z. B. das Problem der Verkehrsbedienung des flachen Landes, wo bis jetzt meist nur mit dem Werkfernverkehr eine reibungslose Verkehrsbedienung möglich war. Dies ergibt sich aus den Zahlen der im Werkfernverkehr beförderten Güter, die im Jahre 1959 in Schleswig-Holstein 43 %, in Oldenburg 36,7 % der gesamten beförderten Gütermenge ausmachten. Nach den neuesten Zahlen dürfte der Anteil des Werkfernverkehrs in wirtschaftlich schwachen Gebieten noch größer sein. Die Diskussion zeigte, daß es keine rechtliche Möglichkeit gibt, die gewerblichen Transportunternehmen zu verpflichten, diese wirtschaftlich schwachen Gebiete bevorzugt zu bedienen. Da auch die Bundesbahn die Verkehrsbedürfnisse dieser Gebiete nicht befriedigen kann, bleibt das flache Land weiterhin auf die Fahrzeuge des Werkfernverkehrs angewiesen. Aus diesem Grunde wurde in der Diskussion mehrfach gefordert, zusätzlich zu der Absenkung der Beförderungsteuer noch eine Ausdehnung der Nahverkehrszone vorzunehmen. In diesem Zusammenhang wurde auch das Problem der Spezialfahrzeuge angesprochen. Nach Meinung der Ausschüsse sollten diese Probleme zu einem späteren Zeitpunkt neu erörtert werden. Mit großer Mehrheit billigte der Ausschuß den von den Abgeordneten Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich und Genossen und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes - Drucksache IV/838 ({1}) ; damit war der Antrag - Drucksache IV/683 - konsumiert. Am 23. April 1964 hat der Haushaltsausschuß den Gesetzentwurf als Finanzvorlage gemäß § 96 der Geschäftsordnung behandelt und empfohlen, den Termin des Inkrafttretens des Gesetzes auf den 1. Oktober 1964 festzulegen; dann könne eine Deckung des Steuerausfalls im Rahmen des Gesamthaushalts gefunden werden. Der Finanzausschuß hatte sich daraufhin noch einmal mit der Vorlage zu befassen; er beschloß am 26. Mai 1964, dem Vorschlag des Haushaltsausschusses zu folgen. Namens des Finanzausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf in der nunmehr vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Nunmehr kommen wir zu Punkt 16 der Tagesordnung, dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen. Hierzu liegt der Schriftliche Bericht des Abgeordneten Seifriz vor. Ich nehme an, der Bericht braucht nicht ergänzt zu werden. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen nun zur allgemeinen Aussprache über die Punkte 14, 15 und 16 der Tagesordnung. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann das Wort.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde begrüßen es, daß wir heute hier eine wahrscheinlich recht ausführliche Debatte über die Fragen der Verkehrspolitik führen. Es ist sicherlich gut, wenn wir in diesem Kreise zu einer Klärung des Weges beitragen, den die Verkehrspolitik in Zukunft gehen soll. Aus diesem Grunde haben wir auch in einem Entschließungsantrag eine Reihe von Punkten zusammengestellt, die uns für die Fortführung der Verkehrspolitik wichtig zu sein scheinen. Wenn man sich in den Kreisen der Verkehrswirtschaft, aber auch der verladenden Wirtschaft und in der Öffentlichkeit umhört, so läßt sich nicht leugnen, daß sich in der letzten Zeit eine gewisse Unruhe über die Verkehrspolitik breitgemacht hat. Wir hören und lesen auch von Protestkundgebungen, Protestveranstaltungen und Protestschriften. Jeder, der mit der Verkehrspolitik zu tun hat, sei es als aktiv daran Teilnehmender sei es als „Betroffener", hat, meine ich, das Recht, seine Argumente vorzubringen und seine Interessen zu vertreten, und wir werden sicherlich auch hier im Hohen Hause gut daran tun, uns alle Argumente anzuhören. Ich meine aber, wir sollten uns andererseits auch nicht durch Kundgebungen unter Druck setzen lassen, bei denen naturgemäß - das ergibt sich aus der Sache - nicht immer gerade die sachlichsten Argumente in den Vordergrund gestellt werden. ({0}) Es gehört zur Sache, daß ich dann, wenn ich als Interessenverband eine Meinung vertrete, die Argumente heranhole, die mir am zweckmäßigsten zu sein scheinen. Das würde ich wahrscheinlich auch tun. Aber ich meine, meine Damen und Herren, wir in diesem Hohen Hause, die wir für die Verkehrspolitik verantwortlich sind, haben uns ausschließlich nach dem auszurichten, was nach unserer Auffassung dem allgemeinen Wohl am ehesten dient. In diesem Punkt gibt es sicher in diesem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit. ({1}) Wir müssen uns daher - auch wenn es schwerfällt - in einer Frage wie der Verkehrspolitik, bei der es eben sehr große Interessenunterschiede gibt, um äußerste Objektivität bemühen. Wir werden uns, soweit es jedenfalls meine politischen Freunde angeht, unter keinen Umständen etwa in eine Alternative zwischen der Befürwortung und Unterstützung des Staatsunternehmens und der Unterstützung und Befürwortung der mittelständischen Unternehmen hineindrängen lassen. Beide, das Bundesunternehmen Eisenbahn und die mittelständischen Unternehmen der Verkehrswirtschaft, haben große Aufgaben für die Allgemeinheit zu erfüllen. Wir werden uns in unserem Standpunkt ihnen gegenüber der äußersten Objektivität befleißigen. Es wird in Zusammenhang mit den Verkehrsgesetznovellen des Jahres 1961, die meines Wissens seinerzeit von diesem Hohen Hause einstimmig verabschiedet worden sind, oft von einer „kleinen" Verkehrsreform gesprochen. Wir sehen heute, daß diese Bezeichnung nicht ganz den Tatsachen entspricht. Im Grunde handelt es sich bei den Gesetzen des Jahres 1961 um eine ganz entscheidende Weichenstellung mit erheblichen wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen und auch allgemein-politischen Auswirkungen. Die Umstellungen, die sich aus diesen Gesetzen für die verladende Wirtschaft, insbesondere aber für die Verkehrswirtschaft ergeben, sind von erheblicher Bedeutung und bergen eine Reihe von Sachproblemen, mit denen wir - das muß zugegeben werden - noch nicht fertig geworden sind. Wir haben ja seinerzeit diese Verkehrsgesetze nicht beschlossen, um wieder einmal eine Neuerung in unserer Verkehrspolitik einzuführen, sondern wir waren durch zwei ganz entscheidende sachliche Argumente dazu genötigt. Einmal wollten wir eine größere Ökonomisierung unserer Verkehrswirtschaft, eine volkswirtschaftlich sinnvollere Aufgabenteilung, die sich als Folge weitreichender Strukturveränderungen im Bereich der Verkehrswirtschaft, wiederum als Folge der technischen Entwicklung, als notwendig erweist. Zweitens waren wir mit Rücksicht auf die europäische Entwicklung gezwungen, Schritte einzuleiten, die uns, wenn wir sie nicht 1961 eingeleitet hätten, heute und in sehr naher Zukunft noch mehr durch die EWG aufgezungen worden wären. ({2}) Aus diesem Grunde haben wir es - sicherlich mit gutem Recht - für zweckmäßig gehalten, diese Umstellungen, die durch die europäische Entwicklung zwingend auf uns zukommen und die ohnehin sachlich gerechtfertigt sind, von uns aus vorzunehmen. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen - ich muß das [in Erinnerung rufen - stand der Gedanke, daß man eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung im Bereich des Verkehrs besser, als das über eine staatliche Reglementierung, die den einzelnen Verkehrsträgern ihre Ausgaben zuweist, möglich ist, durch einen verstärkten Preiswettbewerb erreichen kann. Die gleiche Überlegung, die uns hier bewegt und die uns zu diesen .gesetzgeberischen Schritten veranlaßt hat, wird in fast allen Industrienationen angestellt. Sie können die gleichen Überlegungen in allen Mitgliedstaaten der BWG feststellen, aber auch in 'Großbritannien oder in einem rein :sozialistisch regierten Land wie Schweden, wo man in der Konsequenz praktisch auf dasselbe hinaus will wie das, was wir anstreben. Wir ,erleben etwas Ähnliches - in bezug auf das Streben, mehr marktwirtschaftliche Prinzipien wirksam werden zu lassen -in der Wohnungswirtschaft. Ich will das Thema hier nicht im Detail behandeln. Auch beim Wohnungsbau gibt .es im Hohen Hause Meinungsverschiedenheiten. Ebenso gibt ,es im Bereich der Wohnungswirtschaft Besonderheiten, wie es auch im Bereich der Verkehrswirtschaft Besonderheiten gibt, die berücksichtigt werden müssen. Trotzdean können wir weder in dean einen wie in dem anderen Bereich daran vorbei, daß wir die ökonomischen Grundgedanken stärker als in der Vergangenheit zur Geltung bringen. Aber was für die Wohnungswirtschaft gilt, gilt auch für den Bereich der Verkehrswirtschaft: Wir wollen nicht eine Marktwirtschaft bis zur letzten Konsequenz, sondern wir wollen in beiden Bereichen eine ,soziale Marktwirtschaft. Wir wollen daher auch im Bereich der Verkehrswirtschaft Verpflichtungen für die Allgemeinheit berücksichtigt wissen, vor allem dann, wenn sie möglicherweise - wie ich ausdrücklich sage - durch rein marktwirtschaftliche Lösungen nicht erreicht werden sollten. Ich denke bier an die Frage der Verkehrssicherheit, an soziale Rücksichten, auch an die Volksgesundheit - wir haben heute schon eine Debatte gehabt, welche Gefahren sich durch die Abgase von Lastkraftwagen ergeben können -, die Raumordnung und Strukturfragen. Wir müssen auch die Probleme der revierfernen und der wirtschaftlich schwachen Gebiete ,berücksichtigen. Wir müssen ferner darauf achten, daß gegenüber dem sehr starken Gewicht, das das Bundesunternehmen Eisenbahn hat, nicht die Vielzahl der mittelständischen Betriebe in der Binnenschiffahrt und im Kraftverkehr unter die Räder kommt - beim Kraftverkehr im wahrsten Sinne Ides Wortes. Wir müssen also durchaus den Wettbewerb in ,einen Ordnungsrahmen stellen, der diese sozialen oder, wie man auch sagen kann, gemeinwirtschaftlichen Belange sicherstellt. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Probleme, die uns in der Bundesrepublik zu Überlegungen veranlassen, in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gleich gelagert sind. Von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kommt ein vermehrter Druck auf uns zu, den Wettbewerb im Verkehr aufzunehmen. Ich kann nur sagen: Ich nehme an, daß alle Kollegen, die im Europäischen Parlament an diesen Aufgaben mitwirken, zugeben, daß wir uns auch auf der europäischen Ebene sehr sachlich und nüchtern darum bemühen und hier wohl auch gemeinsam an einem Strang ziehen, ganz gleich, aus welcher Fraktion wir kommen, die Probleme in einer vernünftigen Weise zu lösen und vor allem auch die deutschen Interessen wahrzunehmen, dis zu vertreten wir für durchaus legitim halten und die nicht :untergehen dürfen. Die Überlegung im europäischen Rahmen geht dahin, daß man einer Bewegung in den Preisen, die sicherlich zu der volkswirtschaftlich sinnvollsten Aufgabenteilung führt, am ehesten dann Raum geben kann, wenn man die Kapazitäten, die im Verkehr eingesetzt werden, im Griff behält. Schäumen die Kapazitäten über, ergibt sich zwangsläufig eine ruinöse Preisentwicklung, an der niemand interessiert ist. Auf der anderen Seite - Herr Kollege Börner, Sie nicken mit dem Kopf - müssen wir auch sicherstellen, daß die Kapazitäten ausreichend zur Verfügung stehen. Haben wir zu knappe Kapazitäten, ergeben sich wiederum unerwünschte Preisentwicklungen, die die Wirtschaft unnötig belasten. ({3}) Also müssen wir den Zusammenhang zwischen einer Kapazitätsregelung und einer möglichst freien Preisgestaltung sehen. Wir haben auf der europäischen Ebene den Vorschlag, den wir und auch die Kollegen, die im Europäischen Parlament tätig sind, ebenso wie die Bundesregierung im Prinzip unterstützen: die Einführung von sogenannten Margentarifen, MindestHöchst-Tarifen, innerhalb deren sich die Unternehmen nach ihrer Kosten- und Marktsituation in den Preisen bewegen können. Ich weiß, daß dieses Margentarifsystem in der Bundesrepublik umstritten ist und nicht gern gesehen wird. Ich nehme das den Verkehrsunternehmern und den Verkehrsträgern nicht einmal so sehr übel. Selbstverständlich lebt es sich mit staatlich garantierten Festpreisen besser, als wenn ich mich mit meinen Preisen der Marktsituation anpassen muß. Aber, meine Damen und Herren - wir müssen es wohl auch aussprechen, weil wir nicht den Menschen zum Munde reden wollen, sondern uns auf die Notwendigkeiten und Zwangsläufigkeiten einstellen müssen -, die Alternative zu den Margentarifen auf der europäischen Ebene heißt nicht etwa „deutsches Festpreissystem", sondern es heißt - darüber müssen sich alle Beteiligten im klaren sein - der „frei gebildete Unternehmenstarif". Wenn man diese Dinge gegeneinander abwägt, dann liegen wir, wie ich glaube, mit den Margentarifen immer noch besser, als wenn wir unsere deutsche Verkehrswirtschaft, die darauf gar nicht vorbereitet ist, von heute auf morgen in den freien Preiswettbewerb hineindrängten. Naturgemäß kann sich ein volkswirtschaftlich sinnvoller Wettbewerb nur dann zu volkswirtschaftlich sinnvollen Ergebnissen hinbewegen, wenn man von ungefähr gleichen Startbedingungen ausgehen kann. Deshalb hat der Herr Bundesverkehrsminister - sicherlich mit Unterstützung dieses Hohen Hauses - hier erklärt, daß wir uns gerade auf der europäischen Ebene entscheidend darum bemühen müssen, die ganz erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, die zur Zeit auf steuerlichem Gebiet, bezüglich der Soziallasten, aber auch durch die Subventionierung der Eisenbahn bestehen, abzubauen, und daß wir der Liberalisierung nur so weit das Wort reden können, wie damit gleichzeitig auch Schritte in. Richtung auf die Harmonisierung gemacht werden. In diesem Punkt, Herr Bundesverkehrsminister, haben Sie zweifellos die Unterstützung des ganzen Hohen Hauses auch dahin gehend, daß wir den Ordnungsrahmen der EWG gleichgesetzt wissen wollen für den grenzüberschreitenden und den nationalen Verkehr und für alle Verkehrsträger einschließlich der Rheinschiffahrt. Aus diesem Grunde wird die Mannheimer Akte eine ganz entscheidende Rolle spielen. Ich bitte die Regierung, ebenso wie wir im Europäischen Parlament hart geblieben sind, hart darin zu bleiben, daß die Rheinschiffahrt in das Ordnungsschema der gemeinsamen Verkehrspolitik von vornherein eingeordnet wird und neue Überlegungen angestellt werden, falls aus internationalen Vertragsverhältnissen, die von heute auf morgen nicht zu beheben sind, etwa eine Sonderregelung für die Rheinschiffahrt Platz greifen müßte. Aber, sehr verehrter Herr Bundesverkehrsminister, ich muß jetzt an Ihre eigenen Worte anknüpfen. Sie haben, wie ich eben andeutete, darauf hingewiesen, wie wichtig die Entzerrung der Wettbewerbsvoraussetzungen im Rahmen der EWG ist. Wir müssen aber das gleiche auch von der Wettbewerbspolitik innerhalb der Bundesrepublik sagen. Als wir 1961 die Verkehrsgesetze verabschiedeten, haben wir in den Gesetzen selbst eine ganz klare Verpflichtung übernommen. Der Bundesregierung ist die Verpflichtung auferlegt worden, für eine rasche Beseitigung etwa vorhandener Wettbewerbsverzerrungen Sorge zu tragen. Wir kommen leider an der Tatsache nicht vorbei, daß wir auf dem Gebiete der Wettbewerbsverzerrungen nicht das an Fortschritten erreicht haben, was wir uns 1961 gewünscht haben. Heute behauptet jeder Verkehrsträger von seiner Konkurrenz, sie sei im Wettbewerb bevorzugt, er selbst benachteiligt. Wir können die Dinge nicht prüfen. Wir sind dazu angesichts des Fehlens von Unterlagen in diesem Hohen Hause zur Zeit nicht in der Lage. Wir müssen daher nachdrücklich die Bitte an die Regierung richten, uns die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die wir angefordert haben und die uns erst in die Lage versetzen können, das Problem der Wettbewerbsverzerrungen wirklich tatkräftig und mit Aussicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen. Selbstverständlich - auch darüber muß Klarheit sein, meine Damen und Herren -, man wird nicht bis zur letzten Perfektion die Wettbewerbsbedingungen angleichen, etwa die Wegekosten auf sound-soviel Stellen hinter dem Komma errechnen können. Aber ich meine, daß es bei einigermaßen gutem Willen möglich sein müßte, die gröbsten Wettbewerbsverzerrungen unter Berücksichtigung der steuerlichen Belastungen zu beseitigen. Hier müssen wir dafür eintreten, die nötigen Unterlagen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Ein weiterer Punkt, der uns seit Jahren auch in diesem Hohen Hause im Zusammenhang mit den Wettbewerbsverzerrungen immer wieder beschäftigt, ist das Verhältnis Bund - Bundesbahn. Ich weiß, daß Sie, Herr Bundesverkehrsminister, sehr rührig sind, um diese Klarstellung zu erreichen, und daß vielleicht andere Häuser im Schoße der Bundesregierung an der Lösung dieses Fragenkomplexes nicht so interessiert zu sein scheinen. ({4}) - Ich bin schon dabei, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß. Ich könnte mir vorstellen, daß der Herr Bundesfinanzminister Angst hat, dieses Problem anzupacken. Aber ich verstehe diese Besorgnis eigentlich nicht recht. Meine Damen und Herren, wir müssen von der Bundesbahn erwarten, daß sie entsprechend den im Bundesbahngesetz festgelegten Verpflichtungen ihren Betrieb wie ein kaufmännisches Unternehmen führt. Das heißt dann naturgemäß, daß man ihr Belastungen abnehmen muß, für die ein Wirtschaftsunternehmen, ein kaufmännisch geführtes Unternehmen nicht verantwortlich gemacht werden kann. Geschieht das aber, dann haben wir von seiten der Verkehrspolitik und auch die Bundesregierung ihrerseits eine ganz andere Einwirkungsmöglichkeit auf die Bundesbahn und die Möglichkeit, zu sagen: Jetzt bist du deine Verpflichtungen los, die du nicht als kaufmännisches Unternehmen zu vertreten hast; jetzt hast du aber dafür Sorge zu tragen, daß deine Einnahmen und Ausgaben in Einklang gebracht werden, und komme jetzt nicht an die Bundeskasse mit der Bitte um erhöhte Bereitstellungen. ({5}) - In der großen Zielsetzung sind wir sicher einig. Ich kann mir vorstellen, meine Damen und Herren, daß auf die Dauer gesehen die Eisenbahner, die bei Wind und Wetter ihren Verpflichtungen nachgehen - ich will hier die Eisenbahner durchaus neben die Arbeitnehmer und Unternehmer stellen, die in anderen Verkehrsträgern ebenso ihrer Pflicht nachgehen -, die Eisenbahner, die ständig nur von dem Defizit ihres Unternehmens hören, so etwas wie Mutlosigkeit ankommt. Es ist deprimierend, wenn man bei aller Kraftanstrengung hören muß, daß das Unternehmen nicht floriert und nicht aus den roten Zahlen herauskommt. Diese Gesichtspunkte können natürlich nicht allein den letzten Ausschlag geben. Wir haben auch rein ökonomische Gründe, die dafür sprechen, die Bundesbahn von politischen Lasten und betriebsfremden Lasten zu befreien, sie aber dann zu verpflichten, auch wie ein kaufmännisches Unternehmen zu arbeiten. Ich weiß, daß bei der Bahn im Laufe der letzten Jahre erhebliche Anstrengungen gemacht worden sind, den Personalbestand abzubauen, einen Rationalisierungseffekt zu erzielen. Immerhin muß man feststellen: Die Bahn hat ihren Personalbestand von 1958 bis 1963 ungefähr um 60 000 Kräfte, d. h. um 12 %, vermindert, und die produzierte Leistung ist im gleichen Zeitraum um 12,9 % bzw., wenn man Achskilometer je Dienstkraft setzt, um 27,5 % geDr. Müller-Hermann steigert worden. Wir wollen das dankbar anerkennen und meinen, daß die Mittel, die der Bund für Rationalisierungszwecke der Bahn zur Verfügung gestellt hat, sicherlich sinnvoll und nutzbringend angewandt worden sind. Wir werden uns im Laufe der Debatte noch näher mit den Maßnahmen beschäftigen müssen, die die Bundesbahn in der letzten Zeit mit ihren Tarifänderungsplänen eingeleitet hat. Ich kann hier zunächst einmal nur feststellen: Wir begrüßen es durchaus, wenn sich die Bundesbahn einem verstärkten Wettbewerb stellt. Dazu gehört es aber dann meines Erachtens nicht nur, daß man dort die Möglichkeiten ausschöpft, wo man Gewinnmargen hat, und sie im Preiswettbewerb einsetzt, sondern dann gehört dazu auch, daß man bereit ist, zurückzustecken und Verkehre abzustoßen, wo sie nicht gewinnbringend sind, wo sie Verluste bringen, so daß sich nur schlußfolgern läßt, daß die Konkurrenz, besonders der Lastkraftwagen leistungsfähiger ist als das Schienenunternehmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, würden Sie unter dem Abstoßen von Leistungen, die nicht rentabel sind, auch den Sozialverkehr verstehen?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das würde ich durchaus nicht darunter verstehen, obwohl ich - darauf komme ich noch zu sprechen - meine, daß die Bundesbahn gemeinsam mit dem Kraftverkehr, der Bundespost, dem öffentlichen Personenverkehr durch eine stärkere Zusammenarbeit, durch kombinierten Verkehr Möglichkeiten hat, noch rationeller zu arbeiten, als das zur Zeit der Fall ist. Aber ich denke z. B., Herr Kollege Dr. Bleiß, da Sie mich darauf ansprechen, daran, daß sich die Bundesbahn ernsthafte Gedanken machen muß, ob es für sie sinnvoll bleibt, etwa das Stückgutgeschäft, das eine reine Quelle des Defizits ist, in der jetzigen Form weiter zu betreiben. Ich glaube, daß wir hier die Bundesbahnleitung zwingen müssen, den Mut zur Konsequenz auch dort zu haben, wo der Wettbewerb für sie Nachteile oder unbequeme Folgerungen haben müßte. Man kann den Wettbewerb nicht nur dafür in Anspruch nehmen, wo man meint, daraus Vorteile ziehen zu können, sondern man muß sich dem Wettbewerb in allen Bereichen stellen. Wir haben, wie mir scheint, mit § 28 a des Bundesbahngesetzes, den wir 1961 verabschiedet haben, eine Handhabe dafür geboten, daß der Bahn auf dem Wege von Auflagen auch Leistungen abverlangt werden können, die im Widerspruch zu dem Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit stehen, wo politische, sozialpolitische, raumordnungspolitische Gründe das eben zwingend notwendig machen. Dort muß dann mit der finanziellen Abgeltung von Auflagen gearbeitet werden. Im Prinzip aber wollen wir den Gedanken des Wettbewerbs und den Gedanken der ' Eigenwirtschaftlichkeit bis zur letzten Konsequenz auch bei der Bundesbahn durchgesetzt wissen. Mir ist völlig klar, daß gegenüber dem Gedanken eines verstärkten Wettbewerbs im Verkehr eine Reihe von Überlegungen zur Geltung gebracht werden, die man nicht ohne weiteres beiseite schieben kann. Dabei denke ich zunächst einmal an die Sorgen unserer wirtschaftlich schwachen und revierfernen Gebiete. Diesen Gebieten im besonderen eine Hilfestellung zu geben, dazu haben wir verschiedene Möglichkeiten, nicht nur die der Eisenbahn. Wir müssen z. B. - ich glaube, das ist immer wieder auch ein erklärtes Ziel der Bundesregierung gewesen - unsere Straßenbauinvestionen mit Schwerpunkt in Richtung auf die Randgebiete ausrichten, um diese über den Straßenverkehr möglichst „nahe" - nicht über die Entfernung, aber in der Verkehrsbedienung - an die Ballungszentren heranzuführen. Wir müssen auch - das ist ein Sinn gerade unserer Verkehrsgesetznovellen - die Eisenbahn in die Lage versetzen, für die Beförderung über weite Entfernungen eine echte Preisdegression in viel stärkerem Umfang, als das bisher der Fall gewesen ist, zur Geltung zu bringen. Auch die Frage des Tarifniveaus spielt eine Rolle. Ich meine, wir alle müssen insofern etwas umdenken, als wir zweifellos zur Bedienung der wirtschaftlich schwachen und verkehrsfernen Gebiete mit dem Lastwagen, auch wenn er uns nicht recht bequem erscheint, ein neues Instrument der Verkehrsbedienung haben, das hier seine ganz besonderen Leistungsvorteile anbieten kann. Wir haben aus diesem Grunde in unserem Entschließungsentwurf die Bundesregierung aufgefordert, sich Gedanken darüber zu machen, ob man nicht den gewerblichen Güterfernverkehr durch die Ausgabe von bestimmten Konzessionen stärker in den Gebieten halten kann, in denen diese Kraftwagenbedienung dringend notwendig ist. Wir kennen die Gefahr, daß bei Konzessionsverteilungen die Konzessionsinhaber in die Ballungsgebiete abwandern, wo sich die Ladung naturgemäß sehr viel leichter anbietet und vielleicht auch günstigere Preise zu erzielen sind. Wir müssen nach neuen Wegen suchen, um solche Abwanderungen auf ein erträgliches Maß zu beschränken. Wir kommen an einem Faktum aber nicht vorbei. Wir müssen in der deutschen Öffentlichkeit, selbst in den Reihen dieses Hohen Hauses, gegenüber dem Lastkraftwagen, insbesondere aber gegenüber dem Schwerlastwagen - obwohl mir das immer wieder nicht ganz in den Kopf will - eine emotionale Voreingenommenheit, vielleicht sogar eine Animosität feststellen. Etwas liegt die Schuld auch daran, daß diejenigen, die mit den Schwerlastwagen ihre Geschäfte betreiben, die Automobilindustrie und die Schwerlastfahrer bzw. die Unternehmer, nicht immer genügend getan haben und nicht genügend tun, um den Staatsbürger und die breite Öffentlichkeit hinreichend über die Vorteile aufzuklären, die der Lastwagen zu bieten hat. Ich persönlich glaube, ohne damit die Leistungsvorteile und .die Leistungsfähigkeit der Bahn oder der Binnenschiffahrt irgendwie unterschätzen oder unterbewerten zu wollen, daß wir den gewaltigen Wirtschaftsaufschwung, den wir nach dem Kriege erreicht haben, ohne den Lastkraftwagen zweifellos nicht geschafft hätten. Wir dürften, wenn wir die Frage der Konzessionsaufstockung behandeln, die Dinge nicht nur aus der Sicht des Personenkraftwagenfahrers betrachten. Ich habe manchmal diesen Eindruck. Seit 1957 ist im gewerblichen Güterfernverkehr die Nachfrage offensichtlich gewachsen. Wir sehen das daran, zu welchen Schwarzmarktpreisen Konzessionen gehandelt werden. Wenn also jetzt nach 7 Jahren eine Aufstockung um 2000 Konzessionen erfolgt, während wir im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von etwa 5 Millionen Personenkraftwagen - jährlich 1 Million Personenkraftwagen - zu verzeichnen haben, sollte man das Argument, die 2000 zusätzlichen Lastkraftwagen, die jetzt in den Verkehr gelassen werden, brächten unsere Verkehrssicherheit auf den Straßen durcheinander, nicht überbewerten. Aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie manches andere, was mit dem schweren Lastverkehr an Unannehmlichkeiten verbunden ist, beseitigt werden kann, z. B. das Zulangsamfahren an den Steigungen - die Folgen einer nicht ganz glücklichen Gesetzgebungspraxis, weil wir die PS-Leistung je Tonne nicht gebührend festsetzen -, und die Tatsache, daß die Fahrzeuge zu dicht auffahren, die Abgase, auch die Unfallhäufigkeit. Aber, ich möchte das jetzt nicht vertiefen. Ich möchte bloß bitten, sich bei der Beurteilung dieser Dinge nicht von Emotionen leiten zu lassen. Damit, Herr Dr. Bleiß, komme ich auf einen Punkt zurück, den Sie vorhin schon durch einen Zwischenruf angesprochen haben. Wir wollen eine Kapazitätsregelung im Güterverkehr. Wir wollen sie nicht nur im Straßenverkehr, wir wollen sie z. B. auf der EWG-Ebene möglichst auch bei der Binnenschiffahrt. Aber ich verwahre mich gegen das, was Sie vorhin sagten, Herr Dr. Bleiß, daß wir eine Kapazitätsregelung im Straßenverkehr im Interesse der Konkurrenz, im Interesse der Bundesbahn vornehmen. Bei der Bundesbahn haben wir sie nicht; sie ist dort auch nicht nötig. Ich will gleich noch einige Zahlen darüber bringen. - Sie kommen sofort dran, Herr Dr. Bleiß! - Wir müssen davon ausgehen, daß ein Wirtschaftsunternehmen wie die Bundesbahn einen genügenden Marktüberblick hat, um selbst zu wissen, welche Kapazitäten sie sich zulegen muß. Bei der Binnenschiffahrt, z. B. auf dem Rhein, haben wir eine nicht sehr erfreuliche Entwicklung, weil dort zweifellos ein Kapazitätsüberhang besteht, der sich in einem Druck auf die Preise auswirkt. Da wir gerade im Straßenverkehr einen schwer überschaubaren Markt, auf der anderen Seite eine Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen haben, scheint mir eine Kapazitätsregelung als Hilfsinstrument der öffentlichen Hand, um einen ruinösen Preiswettbewerb innerhalb eines Verkehrsträgers zu vermeiden, richtig zu sein. Aber wir können unter keinen Umständen sagen: Wir wollen zwar den Wettbewerb im Bereich des Verkehrs, wir schalten aber einen echten Wettbewerb aus, indem wir mit Rücksicht auf einen konkurrierenden Verkehrsträger die Kapazität eines anderen Verkehrsträgers künstlich verknappen. Mit aus diesem Grunde, Herr Dr. Bleiß, haben wir in unserem Antrag aus der Koalition an die Bundesregierung das Ersuchen gestellt, die Kapazität im Straßenverkehr der gewachsenen Nachfrage anzupassen unter Berücksichtigung der Frage der Abmessungen und Gewichte und auch einer uns notwendig erscheinenden Absenkung der Beförderungsteuer im Kraftverkehr.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, haben Sie mich nicht völlig mißverstanden?! Ich habe gesagt, daß die Kapazitätsaufstockung nicht etwa aus Gründen einer Minderbeschäftigung der Bundesbahn erfolgt. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, daß wir bisher schon einen Käufermarkt hatten, daß also genügend Laderaumkapazität vorhanden war und daß es völlig unverständlich ist, warum man jetzt diese Kapazitäten zusätzlich ausweiten will, obwohl die vorhandenen Kapazitäten nicht voll ausgelastet sind.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben. Ich komme gleich zu den Zahlen, die ich Ihnen vorlesen wollte. Die Deutsche Bundesbahn hat im Jahre 1955 eine Ladekapazität von 5,9 Millionen t gehabt, sie in den Jahren von 1955 bis 1962 um 1,7 Millionen t und im Jahre 1963 um 285 000 t, insgesamt also um rund 2 Millionen t erhöht, so daß heute die Bundesbahn eine Ladekapazität von 8 Millionen t im Vergleich zu 5,9 Millionen t im Jahre 1955 hat. ({0}) Dazu kommt natürlich die Kapazitätsausweitung als Folge der Elektrifizierung und der Verdieselung, die eine viel größere Umschlagshäufigkeit der Ladegefäße ermöglicht. Man rechnet damit, daß die Ladekapazität durch die Elektrifizierung um ein Viertel bis ein Drittel erhöht wird. Im gleichen Zeitraum hat der Güterfernverkehr seine Ladekapazität, die im Jahre 1955 331 000 t betragen hat, um 131 000 t auf 462 000 t erhöht. Der Anteil der Bundesbahn am Gesamtverkehrsaufkommen ist in dem gleichen Zeitraum zwar nicht efektiv, aber prozentual zurückgegangen, während der des Lastkraftwagens erheblich angestiegen ist. ({1}) - Entschuldigen Sie, daß ich das jetzt noch ausführe. Die Folge ist, daß wir heute bei der Bundesbahn wahrscheinlich eine nicht voll ausgelastete Kapazität haben - das ist möglich -, aber im Kraftverkehr zweifellos Kapazitätsmangel. Das drückt sich einmal in den Schwarzmarktpreisen aus, die für Konzessionen gezahlt werden, und zum anderen in der Nachfrage, die nach den 2000 neuen zusätzlichen Konzessionen besteht. 20 000 Konzessionen werden nachgefragt. Darin drückt sich eben aus, daß wir auf der Seite des Straßenverkehrs zweifellos eine zu geringe Kapazität zur Verfügung haben. Das war der Sinn unserer Bemühungen, denen die Bundesregierung auch entsprochen hat.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen zwei Anfragen vor, eine von Herrn Abgeordneten Ramms und eine von Herrn Dr. Bleiß. Ich überlasse es Ihnen, welche Sie 'beantworten wollen.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich beantworte natürlich beide.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte, Herr Abgeordneter Ramms.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Müller-Hermann, Sie 'sprachen vorhin vom Überhang der deutschen Rheinflotte. Ist Ihnen bekannt, daß der Anteil der deutschen Rheinflotte an der ,Gesamttonnage nur knapp 30 % beträgt?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das ist sicherlich richtig, Herr Kollege Ramms. Aber Sie wissen auch, daß die Rheinschiffahrt sich Sorgen macht über die Auslastung ihrer Kapazität und wegen des übermäßigen Drucks auf die Preise als Folge einer zu großen Kapazität. Naturgemäß ist das nicht nur eine Frage der deutschen, sondern eben auch der internationalen Kapazität. Ich habe es schon im Zusammenhang mit der EWG-Verkehrspolitik erwähnt. Die Kollegen Rademacher und Seifriz werden es mir bestätigen können. Es sind sehr starke Bemühungen im Gange, auch für die Binnenschiffahrtsflotte - natürlich dann ,im Rahmen der EWG gesehen - eine Kapazitätsregeilung in Erwägung zu ziehen, die vielleicht nicht von den Organen der EWG ausgehen, sondern von den Selbstverwaltungsorganen der Binnenschiffahrt verwaltet werden sollte. - Bitte, Herr Dr. Bleiß.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Bleiß zu einer Frage.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben soeben die Kapazitäten in den verschiedenen Jahren miteinander verglichen. Ist es nicht notwendig, auch die Tonnenkilometer miteinander zu vergleichen? Da werden Sie feststellen, daß sich hier eine andere Entwicklung vollzogen hat. Diese Vergleichszahlen sprechen nicht für die Notwendigkeit einer Aufstockung. Ich bin der Meinung, daß das zwei verschiedene Paar Stiefel sind.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, dann verstehe ich Sie offen gestanden nicht ganz. Wenn die Bundesanstalt für Güterfernverkehr, das Kraftverkehrgewerbe selbst und die Preissituation, die ich Ihnen geschildert habe, sowie die neffektive Nachfrage, die ja ,festzustellen ist, deutlich nachweisen, daß wir auf der Seite des Straßenverkehrs eine zu geringe Kapazität haben, dann können Sie Ihre Argumentation zwar gebrauchen, aber siewird dadurch nicht überzeugender. - Herr Kollege Haage, bitte.

Hermann Haage (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000759, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr eine Entschließung gefaßt hat, in der festgestellt wird, daß unter Berücksichtigung der augenblicklichen Lage eine Kontingentserhöhung nicht notwendig ist, wenn man den Sachverhalt richtig betrachtet?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt würde ich den Vorwurf, den Herr Kollege Dr. Bleiß vorhin gegen die Bundesanstalt 'als Instrument erhoben hat, eher gelten lassen, nämlich daß bei dieser zweiten Stellungnahme gewisse Interessenwünsche eine Rolle gespielt haben könnten. Aber ,es hat, glaube ich, gar keinen Zweck, die Diskussion an diesem Punkt weiterzuführen. Wir können 'gar nicht übersehen, welche Kapazitätsaufstockung zweckmäßig ist. Wir von seiten des Bundestages haben aus diesem Grunde eine Aufforderung an die Bundesregierung gerichtet, unter Berücksichtigung sowohl der Abmessungs- und Gewichtsfrage als auch der Senkung der Beförderung-. steuer das Angebot im Straßenverkehr der Nachfrage anzupassen. Wir müssen davon ausgehen, daß das, was die Bundesregierung auf diesem Gebiet getan hat mit der Begründung, die der Herr Bundesverkehrsminister heute gegeben hat, tatsächlich den Notwendigkeiten entspricht. Jedenfalls stelle ich mich bis zum Beweis Ides Gegenteils auf diesen Standpunkt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Müller-Hermann, der Abgeordnete Seibert hat sich jetzt zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Philipp Seibert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben vorhin treffend gesagt, daß wir uns bei unseren Argumenten nicht der Vorstellungen der einzelnen Interessentenverbände 'bedienen sollten. Glauben Sie nicht, daß Sie Gefahr laufen, das zu tun, was Sie vorhin nicht für richtig hielten?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das glaube ich durchaus nicht, Herr Kollege Seibert. Es ist eben ein Unterschied, ob eine Nachfrage nach Eisenbahnverkehrsleistungen oder eine Nachfrage nach Straßenverkehrsleistungen besteht. Die Bundesregierung kann meines Erachtens nicht sagen: Wir haben hier bei einem anderen Verkehrsträger noch unausgenutzte Kapazitäten; also, liebe Verlader, seht jetzt zu, wie ihr unter Ausnutzung dieser Kapazitäten fertig werdet. So kommen wir auch nie 'zu der Regeneration im Verkehrswesen, die wir schon im Interesse der technischen Entwicklung nicht künstlich hemmen dürfen. Aber ich glaube, wir brauchen dieses Thema jetzt nicht zu vertiefen, obwohl das sicherlich sehr interessant wäre. Einen Punkt muß ich in diesem Zusammenhang noch einmal zur Sprache bringen. Wir gehen davon aus, daß ebenso, wie die Eisenbahnen ihren Fahr6328 weg unterhalten, auch der Lastkraftwagenverkehr seine anteiligen Wegekosten aufbringt. Dieses Wegekostenproblem ist zur Zeit noch nicht gelöst. Gerade deshalb habe ich aber Bedenken, Herr Bundesverkehrsminister, wenn in der Öffentlichkeit in der letzten Zeit wiederholt 'der Eindruck erweckt wird, als stehe fest, daß der Schwerlastverkehr seine anteiligen Wegekosten nicht aufbringt. Das ist eine ebenso unbewiesene Behauptung wie dais Gegenteil. Wir können zu dieser Frage keine Stellung beziehen, weil die dafür notwendigen Unterlagen uns bisher nicht zur Verfügung stehen. Ich muß auch eine andere Bemerkung richtigstellen, die neulich in der Fragestunde von Herrn Staatssekretär Grund gemacht worden ist. Er sagte, daß der Kraftverkehr insgesamt seine Wegekosten durch die Kraftfahrzeugsteuer und die Mineralölsteuer nicht aufbringt. Wenn man berücksichtigt - was man ehrlicherweise tun muß -, daß der Kraftverkehr berechtigterweise nur etwa zu 70 % zu den Straßenbaukosten herangezogen werden kann, dann bringt der Straßenverkehr insgesamt heute sogar mehr ,auf, als effektiv für 'den Straßenbau ausgegeben wird. Herr Kollege Dr. Bleiß hat mit Recht noch einmal das Thema der Abmessungen und Gewichte der Lastkraftwagen und Omnibusse angesprochen. Auch wir wissen, daß dieses Problem dringendst einer Lösung auf der europäischen Ebene bedarf. Ich weiß nicht, Herr Bundesverkehrsminister, ob man heute schon so weit gehen kann, zu sagen, daß der in Amerika durchgeführte AASHO-ROAD-Test berechtigte Schlußfolgerungen über die Straßenabnutzung und den Straßenverschleiß durch Lastkraftwagen und Omnibusse zuläßt. Soweit mir Informationen aus den Vereinigten Staaten zugekommen sind, ist man dort nach Vorlage des Berichts des AASHOROAD-Tests zu dem Ergebnis gekommen, daß Schlußfolgerungen aus diesem Bericht vorläufig nicht gezogen werden können. Um so weniger scheint das für die Verhältnisse in der Bundesrepublik möglich zu sein. Sicherlich aber muß das uns seit langem beschäftigende Problem der Abmessungen und Gewichte von Lastkraftwagen und Omnibussen jetzt einmal vom Tisch gebracht werden. Wir diskutieren auf der nationalen und auf der europäischen Ebene jetzt seit über zehn Jahren über dieses Thema und bewegen uns praktisch im Kreise. Wir sind von einer Lastzuglänge von 18 m ausgegangen, sind mit allen möglichen Variationen auf 14 m gekommen und bewegen uns wieder auf die 18 m zu. Ich weiß, daß es sachliche, technische Meinungsverschiedenheiten über diesen Fragenkomplex geben kann. Aber weder die Produktionsseite noch die Abnehmerseite kann weiter so warten, wie das jetzt über Jahre der Fall gewesen ist. Wir können uns diesen volkswirtschaftlichen Verschleiß auf die Dauer einfach nicht leisten. Aus diesem Grunde möchte ich die dringende Bitte an die Bundesregierung, insbesondere an den Herrn Bundesverkehrsminister, richten, den besten Willen zu zeigen, damit auf der Konferenz der EWG am 22. Juni ein Ergebnis erzielt wird. Bei einigermaßen gutem Willen müßte das möglich sein. Diese Angelegenheit ist ein solcher Unsicherheitsfaktor, daß wir sie schnellstens aus dem Wege räumen müssen. Sollte ein Ergebnis auf europäischer Ebene nicht erzielt werden, dann werden wir uns genötigt sehen, Herr Bundesverkehrsminister, mindestens die Daten national an die europäische Entwicklung anzupassen, über die auf europäischer Ebene nicht mehr diskutiert wird. Denn andernfalls würden wir unsere eigenen Kraftverkehrsunternehmen in dem scharf gewordenen Wettbewerb im internationalen Verkehr zweifellos benachteiligen. ({0}) - Davon bin ich überzeugt, Herr Kollege Dr. Bleiß. ({1}) Wir haben dann in unserem Entschließungsentwurf ein Thema angepackt, das ich hier nur ganz kurz beleuchten will, weil wir uns nach der Sommerpause mit diesem Fragenkomplex zweifellos sehr viel eingehender werden befassen müssen, das Problem des öffentlichen Personennahverkehrs. Seine Attraktivität muß nach unserer Auffassung durch Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden erheblich gesteigert werden, damit wir endlich zu einer Entlastung der Straßen in den Städten kommen. Wir müssen die Neigung zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel erhöhen. Wir werden - das ist schon heute abzusehen - das Raumproblem in den Städten, das durch die Motorisierung entstanden ist, nur dadurch lösen können, daß wir in Zukunft statt der einen Ebene eben drei Ebenen in Anspruch nehmen. Wir hoffen, Herr Bundesverkehrsminister, daß die Enquete-Kommission, die auf unsere Initiative an der Arbeit ist, ihre Arbeit so rechtzeitig abschließen wird, daß wir möglichst rasch nach der Sommerpause die Ergebnisse vorliegen haben und daß dieser Bundestag in die Lage versetzt wird, wenigstens erste Schritte zur Lösung dieses komplexen Problems einzuleiten. Ein weiterer Punkt, den Herr Kollege Dr. Schwörer als Berichterstatter schon vorgetragen hat, ist die Frage der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr. Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, wir wollen die Debatten hierüber nicht wiederholen, die wir schon wiederholt geführt haben. Ich möchte nur zwei Bemerkungen machen. Ich bitte Sie aber, ihnen auch die nötige Beachtung zu schenken. Wenn wir uns zielstrebig auf die europäischen Verkehrsverhältnisse einstellen wollen, dann müssen wir auch unsere Einstellung gegenüber dem Werkfernverkehr revidieren. Sie wissen, daß es innerhalb der EWG in keinem anderen Mitgliedstaat eine besondere Besteuerung des Werkfernverkehrs gibt. Ich rechne auch nicht damit, daß eine solche Sonderbesteuerung in der EWG jemals durchsetzbar sein wird. Wir werden auch im Zuge der Umsatzsteuerreform, wenn die Beförderungsteuer in die Umsatzsteuer eingebaut wird, unsere Einstellung zum Werkfernverkehr nochmals überprüfen müssen, weil die Mehrwertsteuer eine Sonderbelastung des Werkfernverkehrs gar nicht mehr gestatten wird, sollte sie nicht völlig systemwidrig sein. Zum zweiten sollten wir aber auch sehen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, welche Bedeutung der Werkfernverkehr für die wirtschaftsschwachen und revierfernen Gebiete hat und auch für bestimmte Industrie- und Wirtschaftsbereiche, die weder durch die Eisenbahn noch durch den gewerblichen Güterfernverkehr angemessen bedient werden können. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich sehe noch ein drittes Argument: Der Werkfernverkehr wird, wenn sich die Kostengestaltung und Preisgestaltung im gewerblichen Verkehr sowohl der Bahn wie der Binnenschiffahrt wie auch des Güterfernverkehrs nach echten Wettbewerbsüberlegungen einspielt und abspielt, gar nicht mehr die Ausweitungschancen haben, die er gehabt hat, weil wir eben fahre- und jahrzehntelang eine falsche Preispolitik im Verkehr betrieben haben. Das war die Ursache dafür. ({2}) - Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, wer war denn wohl der Vorkämpfer für diese „Gemeinwirtschaftlichkeit im Verkehr" ? Ich würde Ihnen da - gestatten Sie, daß ich das sage - Ihr Licht nicht ganz unter den Scheffel zu stellen empfehlen. Aber lassen Sie ruhig dem Werkfernverkehr auch seine Bewegung! Es kann gar nichts schaden, wenn wir in der Preispolitik so etwas wie einen Hecht im Karpfenteich haben, der für die nötige Beweglichkeit sorgt. Wenn Sie jetzt sagen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, wir wollen den Werkfernverkehr auf dem alten Besitzstand belassen, aber wir wollen ein Konzessionierungssystem für den Werkfernverkehr einführen, - ich bin ein Gegner jeder Besitzstandtheorie für jeden Verkehrsträger, auch für den Werkfernverkehr. Wenn er durch sinnvolle Maßnahmen der Verkehrswirtschaft eingedämmt werden könnte, Sie haben mich bestimmt als Vorkämpfer dabei. Ein Besitzstand für den Werkfernverkehr kommt also überhaupt nicht in Betracht. Aber was eine Reglementierung, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, durch Konzessionierung angeht, so meine ich, was wollen Sie denn eigentlich dem einzelnen Unternehmer vorschreiben, der nach seiner eigenen Kostenkalkulation doch wissen muß, ob er preiswerter mit der Bahn oder dem gewerblichen Kraftverkehr seine Güter befördert oder ob er mehr zahlt, um damit doch billiger zu arbeiten, indem er sich einen eigenen Werkfernverkehr zulegt? Aber die Frage, ob jetzt hier ein Konzessionierungssystem betrieben werden sollte, empfehle ich Ihnen dringend doch noch einmal mit Ihrem Wirtschaftsexperten Professor Schiller abzustimmen. Er wird bestimmt sagen: Hände davon, das ist ja ein verkehrspolitischer Rückschritt! Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, ich sage Ihnen das in aller Freundschaft: Ich habe den Eindruck, Sie haben nach einem Angelhaken gesucht, wie Sie dieses leidige Thema der Beförderungssteuer im Werkfernverkehr noch etwas vor sich herschieben können. Selbstverständlich, eine Senkung der Beförderungssteuer ist für die Verkehrswirtschaft nicht gerade ein Osterei, das wir ihr schenken, das leuchtet mir auch ein, und wenn ich bei der Bahn oder beim gewerblichen Güterfernverkehr wäre, würde ich auch sagen: möglichst hohe Steuern auf den Werkfernverkehr, desto bequemer ist das für uns. Aber ich sagte Ihnen ja eingangs, wir können uns nicht nach Einzelinteressen ausrichten, wir müssen sehen, was dem Allgemeinwohl dient. Da bin ich allerdings der Meinung, daß wir den Werkfernverkehr von dieser prohibitiv gedachten Beförderungssteuer durch eine maßvolle Senkung befreien müßten, vor allem nachdem wir doch festgestellt haben, Herr Dr. Bleiß, daß der Effekt, der erzielt werden sollte, gar nicht eingetreten ist. Die Bahn ist durch die Beförderungssteuer im Werkfernverkehr nicht gefördert worden. Eventuell ist der Güterferverkehr etwas abgeschirmt worden. Sicherlich, wir wissen, wenn Wettbewerb gemacht wird, ist das bequeme Leben vorbei. Das gilt auch für die Verkehrswirtschaft. ({3}) Ich komme jetzt zum letzten Punkt. Ich glaube, es wäre einfach unfair, wenn wir an ihm vorbeigingen. Das ist die Kampfsituation - möchte ich sagen -, die jetzt im Bereich der Verkehrswirtschaft durch die Tarifsenkungsanträge der Deutschen Bundesbahn eingetreten ist. Ich weiß, daß in diesem Hohen Hause Bemühungen im Gange waren, hier einen Antrag zu verabschieden, der der Bundesregierung bereits eine klare Marschroute gibt, wie sie sich gegenüber diesen Tarifsenkungsanträgen der Bundesbahn zu verhalten hat. Hier wurde gemeint, wir sollten der Regierung sagen: ablehnen! Meine Damen und Herren, das liegt gar nicht in unserer Zuständigkeit, und wir können gar nicht übersehen, inwieweit diese Tarifanträge den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen oder nicht. Ich warne daher davor, daß wir uns hier Kompetenzen anmaßen, die wir aus wohlweislich überlegten Gründen der Exekutive übertragen haben. Ich muß auch sagen, daß ich es durchaus begrüße, wenn die Deutsche Bundesbahn sich nicht nur dem Wettbewerb stellt, sondern auch - was wir doch 1961 angestrebt haben - in einem Umbau ihres Tarifsystems hineingeht. Sie wissen, daß das Tarifsystem der Bundesbahn bisher auf der Belastbarkeit der Güter nach der sogenannten Wertstaffel aufgebaut war, während die echten Kosten, die volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Kosten, in den Preisen keine angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Wenn die Bundesbahn jetzt darangeht, ihre Wertstaffeln zusammenzudrängen und einen Umbau ihres Tarifsystems in einer Annäherung an die echte Kostenstruktur vorzunehmen, soll man das unterstützen. Denn, meine Damen und Herren, auch hier haben wir etwas nachzuholen, was die Eisenbahn der anderen EWG-Staaten seit langem tut. Wir müssen es auch begrüßen, wenn der Eisenbahngütertarif und der Kraftwagengütertarif auseinandergerückt werden. Das war doch eben ein volkswirtschaftlicher Unsinn, daß wir jahrzehntelang für völlig unterschiedliche Leistungen bei Bahn und Kraftwagen die gleichen Preise festgelegt haben. Das hat dann dazu geführt, daß die Bahn Leistungen durchführen mußte, die viel besser von ihrer Konkurrenz bewältigt werden konnten, und der Lastkraftwagen sich in Verkehre einschaltete, die wahrscheinlich sehr viel wirtschaftlicher von der Eisenbahn bewältigt werden. Ich bedauere etwas, daß der gewerbliche Güterfernverkehr die Chancen, die wir ihm 1961 mit einem eigenen Tarifantragsrecht eingeräumt haben, in den letzten Jahren nicht genutzt hat. Wir hätten schon längst diesen Weg der Auseinanderentwicklung des Eisenbahngütertarifs und des Kraftwagengütertarifs durch eine Initiative des Güterfernverkehrs haben müssen. Aber eine andere Frage, die natürlich auch im Raum steht, ist die, ob wir auch die Wünsche der Bundesbahn unterstützen können, jetzt zu einer allgemeinen Senkung des Tarifniveaus überzugehen. Ich weiß, es ist eine sehr, sehr schwierige Frage, wieweit hier eine Berechtigung vorliegt und wieweit nicht, vor allem, wenn man das sehr diffizile Thema eines Auseinanderhaltens des Güterbereichs und des Personenbereichs der Bundesbahn analysiert. Es ist leichter gesagt als getan. Es müssen hier unterschiedliche Kontenrahmen geführt werden, und jeder Bereich muß seine eigenen Kosten erwirtschaften. Die Belastbarkeit des einen oder des anderen mit den Fixkosten ist eben nicht nur eine Frage des Auseinanderdividierens von Kosten, sondern auch eine Frage, die im Rahmen der Marktsituation gesehen werden muß. An die Adresse der Bundesbahn aber, meine ich, müssen wir folgende Bemerkung richten. Es ist sicherlich ganz geschickt eingefädelt, trifft aber nicht den Kern der Dinge, wenn argumentiert wird, daß die Ausweitung der Kapazitäten im Straßenverkehr durch die Aufstockung der Kontingente oder die Senkung der Beförderungsteuer die eigentliche Ursache für die Anträge der Bundesbahn sei. Diese Anträge, meine Damen und Herren, sind seit langem vorbereitet, und die Bundesbahn hat hier nur einen günstiqen Anlaß genommen, um diese Tarifsenkungsanträge zu begründen. Wir wissen auch, daß die Zahlenangaben, die uns die Bundesbahn über die Auswirkungen sowohl der Aufstockung der Kontingente als auch der Senkung der Beförderungsteuer 'geliefert hat, nicht 'unbesehen übernommen werden können. Die Tarifsenkungsanträge der Bundesbahn sind ganz zweifellos ein sehr harter Stoß gegen die Existenz der mittelständischen Betriebe in der Binnenschiffahrt und im Kraftverkehr. Ich würde sagen, gegen diese Anträge der Bundesbahn ist überhaupt nichts einzuwenden, wenn die Bahn meint, aus eigener Kraft diese Tarifsenkung auch verkraften zu können, und wenn wir zum zweiten davon .ausgehen könnten, daß das Thema der Wettbewerbsverzerrung nicht mehr existiert. Wogegen allerdings auch aus diesem Hohen Hause Bedenken angemeldet werden müssen, ist, daß jetzt Tarifsenkungsmaßnahmen ergriffen werden und, ohne daß das Problem der Startgleichheit geklärt ist, die Bundesbahn dann mit erhöhten Forderungen an den Bundeshaushalt herantritt. Wenn wir einem solchen Ersuchen stattgäben, würde uns zweifellos in der gegenwärtigen Situation die Konkurrenz der Bahn den Vorwurf machen, daß wir einen unlauteren oder unbilligen Wettbewerb unterstützten. ({4}) - Nein, ein; soweit gehe ich durchaus nicht, Herr Kollege Ramms; wir haben ja auch die Verpflichtung der Bahn nach dem Bundesbahngesetz, ihren Betrieb wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen, und dazu gehört, daß man Einnahmen und Ausgaben in Übereinstimmung zu bringen hat. Ich darf auch darauf hinweisen, daß auf die Bahn erhebliche weitere Kostenerhöhungen im Zuge der Lohn- und Gehaltserhöhungen zukommen werden. Auch diese müssen von der Bundesbahnleitung heute vorausschauend bei ihrer Betriebs- und Tarifpolitik einkalkuliert werden. Sie, Herr Kollege Seibert, nicken mit dem Kopf, so daß ich annehmen kann, daß das auch geschehen wird. Weiter will ich zu dieser Frage der Tarifsenkungsmaßnahmen der Bundesbahn nichts sagen. Ich möchte nicht in der Haut der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministers stecken, der mit dem Bundeswirtschaftsminister diese Tarifanträge zu überprüfen und zu genehmigen hat. Ich hoffe nur, daß es durch Bemühungen auf höchster Ebene möglich sein wird, verkehrspolitische und tarifpolitische Lösungen zu finden, die der Allgemeinheit dienen, aber auch der Gesamtheit der Verkehrswirtschaft nicht zum Schaden gereichen. Wir haben mit unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung ersucht, die Anträge auf Tarifänderung, ganz gleich, von welcher Seite sie gestellt werden, besonders sorgfältig auf die Kriterien Allgemeinwohl, Billigkeit - man müßte besser sagen: Unbilligkeit - und Lauterkeit zu prüfen. Ich möchte ausdrücklich hinzufügen, Herr Bundesverkehrsminister, damit keine Mißverständnisse aufkommen: Für den Fall, daß das Justizministerium das auch bejaht, sollten sie auch auf das Kriterium „Marktgerechtigkeit" geprüft werden. Ich möchte das aber dahingestellt sein lassen, weil ich der Auslegung des Gesetzes nicht vorgreifen will. Aber bei allem, was wir auf dem Gebiete der Verkehrspolitik tun, bei allen Bemühungen, es jedem recht zu machen, sollten wir doch nicht außer acht lassen, daß auch der Verkehrspolitik ein Zwang zu einer inneren Logik innewohnen muß. Wenn wir den Wettbewerb auf der Basis möglichst angenäherter Startbedingungen bejahen, dann können wir eben nicht davon ausgehen, daß jeder das behält, was er bisher gehabt hat. Der Wettbewerb wird sich zu einer neuen Aufgabenteilung einspielen. Das wird dann, wie wir hoffen, eine volkswirtschaftlich wirklich sinnvolle Aufgabenteilung, auf die die Allgemeinheit ein Anrecht hat. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Faller.

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht ohne Grund hat die sozialdemokraFaller tische Bundestagsfraktion an die Spitze ihrer Großen Anfrage die Fragen gestellt, die im Zusammenhang mit der europäischen Verkehrspolitik stehen. Wir sind der Überzeugung, daß in immer stärkerem Ausmaße .auch die Entscheidungen über den Verkehr auf europäischer Ebene fallen, ja fallen müssen, wenn die Integration der europäischen Wirtschaft verwirklicht werden soll. Wie könnten die Warenströme in diesem europäischen Bereich nach allen Seiten fließen, wenn ihnen nicht ein vernünftig .geordneter Weg bereitet würde? Ganz abgesehen von den zwingenden Vorschriften der Verträge, hätten wir schon längst aus Gründen der Vernunft auf der nationalen Ebene diesen europäischen Weg besser vorbereiten müssen. Hier darf ich gleich .eine Bemerkung an die Adresse von Herrn Müller-Hermann richten. Herr Müller-Hermann, Sie haben vorhin einen Satz gesagt, der mir gar nicht gut gefallen hat. Sie haben davon gesprochen, daß uns sonst Maßnahmen von der EWG aufgezwungen würden. ({0}) - Ich glaube, Herr Müller-Hermann, wir haben die Verträge von Rom freiwillig unterschrieben. Wir sind nicht gezwungen worden, sie zu unterschreiben. Der Bundestag hat sie neinstimmig gebilligt. Wir sollten deshalb bei Maßnahmen, die wir im Zuge des Wendens der europäischen Gemeinschaft durchführen, nicht von „Saufzwingen" reden, sondern wir sollten freiwillig bereit sein, uns dieser neuen europäischen Politik zu fügen. - Bitte schön, Herr Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Faller, Sie werden mir recht geben, wenn ich Sie frage: Wissen Sie nicht, daß ab 1966 nicht mehr einstimmige Beschlüsse notwendig sind, auch nicht im Bereich der Verkehrspolitik, und daß daher Beschlüsse auch gegen den Willen der 'Bundesrepublik gefaßt werden können?

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich weiß ich das! Aber trotzdem ist es unsere Aufgabe, durch die entsprechende Vorarbeit dafür zu sorgen, daß wir nicht gezwungen werden müssen, europäisch zu denken und zu handeln, sondern das sollten wir von uns selbst aus tun. ({0}) - Herr ‘Kollege Schwörer, ich glaube, wir beide haben ,grundverschiedene Auffassungen von dem, was „liberal" heißt. ({1}) Ihre Auffassung wird sicher - wenn Sie Ihre Kollegen kennen - nicht einmal von allen Kollegen Ihrer Partei geteilt; denn unter „liberal" verstehen - soweit ich Ihre Kollegen von der CDU verstanden habe - nicht so viele „,laisser-faire, laisser-aller", wie Sie es gerne sähen. Was nützt bei uns der ständige Ruf nach der Harmonisierung der Wettbewerbsbestimmungen im europäischen Raum, wenn wir nicht daselbst etwas zu tun bereit sind, wo wir die Möglichkeit dazu haben?! Wir kennen den Trend der Entwicklung in der EWG und verhalten uns hier zu einem großen Teil so, als ob die anderen nur darauf warteten, unser System auch für sich anzuwenden. Denken wir nur an das Steuerproblem. Unser System der Kfz-Besteuerung ist eine echte Behinderung unserer Verkehrsträger im grenzüberschreitenden Verkehr. Was sollen denn die tausend zusätzlichen Konzessionen im grenzüberschreitenden Verkehr, wenn nicht gleichzeitig die Chancen verbessert werden, in diesem Verkehr überhaupt konkurrieren zu können? Sie alle wissen, wie schwer es heute schon den deutschen Unternehmern z. B. gegenüber den holländischen Unternehmern fällt, im grenzüberschreitenden Verkehr überhaupt in Funktion zu treten. Nun sagten Sie, Herr Minister, Sie seien durch Art. 76 des EWG-Vertrages gebunden und könnten auch im nationalen Bereich nicht so, wie Sie wollten. Ich bin kein Jurist; aber wenn ich den Art. 76 richtig lese, so sind damit lediglich Maßnahmen untersagt, die den ausländischen Unternehmer im Vergleich zum inländischen Unternehmer schlechter stellen. Es ist also nicht untersagt, irgendwelche Maßnahmen zu treffen, die zu einem weiteren, echten europäischen Verkehr beitragen können. Der Herr Minister meinte weiter, für die Änderung der Steuerbelastung in der Bundesrepublik sei der Finanzminister zuständig. Das mag vom Ressort her stimmen. Politisch verantwortlich ist aber die Bundesregierung und damit natürlich auch der ihr ja angehörende Bundesverkehrsminister. Es handelt sich dann nur darum, inwieweit der Bundesverkehrsminister es versteht, seine Meinung innerhalb des Kabinetts zur Geltung zu bringen und durchzusetzen. Aber es sind ja nicht nur die Steuern, die die Ausgangsbasis unserer Verkehrsträger beeinträchtigen. Der Herr Minister selbst hat die Arbeits- und Ruhevorschriften genannt. Dazu kommt z. B. die Vorschrift über die Zwei-Mann-Besetzung der Fahrzeuge, die leider noch nicht in allen Staaten vorhanden ist; dazu kommen die Lohnkosten usw., wo es 'diesmal also nicht darum geht, bei uns etwas zu ändern, sondern wo es darum geht, auch die anderen zu veranlassen und damit zu echten europäischen Lösungen zu kommen. Bei der Harmonisierung der Steuern im europäischen Bereich ergibt sich natürlich ein kritisches Problem. Die Bundesregierung - und damit auch der Bundestag - muß sich schon jetzt 'darüber im klaren sein, daß sie nicht damit rechnen kann, daß das Steueraufkommen auch weiterhin eine ständig steigende Tendenz aufweist, ja, daß vielleicht vorübergehend sogar mit einer Minderung gerechnet werden muß, wenn die Bestimmungen im europäischen Raum vereinheitlicht werden. Das bedeutet natürlich, daß der jetzige Prozentsatz der Zweckbindung der Mineralölsteuer bei uns nicht zu halten ist, wenn der Straßenbau nicht sträflich vernachlässigt werden soll. In diese Rubrik der Behinderungen gehört auch das Thema, das Herr Müller-Hermann bereits angeschnitten hat: die leidige Frage der Maße und Gewichte. Welchen Irrweg wir in der Bundesrepublik in dieser Frage schon hinter uns haben, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Die meisten von Ihnen haben schon an den Beschlüssen mitgewirkt, angefangen vom damaligen Antrag des Freiherrn von Rechenberg in einer Überraschungsstunde im Deutschen Bundestag. Wird nun diese Frage am 22. des Monats europäisch gelöst werden? Wird der Herr Bundesverkehrsminister den Appell gehört haben, den auch Herr Müller-Hermann an ihn gerichtet hat, sich dort entsprechend zu verhalten? Das Europäische Parlament hat in dieser Frage entschieden. Der Deutsche Bundestag hat Ihnen, Herr Minister, in dieser Frage einen weiten Verhandlungsspielraum gelassen. Wir müssen allerdings erwarten, daß das Feilschen um Zentimeter endlich beendet und ein eindeutiger Beschluß herbeigeführt wird. Auch ein Kompromiß, der uns nicht voll befriedigt, ist besser als weitere Unsicherheit in dieser Frage. Für mich gibt es eigentlich nur drei Voraussetzungen für eine Lösung: Erstens muß das Fahrzeug verkehrssicher sein. Gestatten Sie, daß ich hier gleich eine Bemerkung mache: Ich habe große Bedenken im Hinblick auf eine Zahl, die im neuen Vorschlag der Kommission an den Ministerrat genannt ist, daß nämlich der Anhänger das 1,37fache des Gewichts des Motorfahrzeuges haben kann. Ich sehe in dieser Zahl eine wirkliche Gefährdung der Verkehrssicherheit, ({2}) vor allem im Winter an Bergen und auf vereisten Straßen. Der zweite Grundsatz: das Fahrzeug muß wirtschaftlich vertretbar sein. Und der dritte Grundsatz: es muß dem Zustand der Straßen im Durchschnitt der europäischen Länder entsprechen. Ich sage ausdrücklich nicht, daß es allein dem Zustand der deutschen Straßen, sondern dem Zustand der Straßen im Durchschnitt der europäischen Länder entsprechen muß. Die Kommission hat einen Kompromiß zu finden versucht, indem sie vorschlägt, vorläufig die Zehntonnenachse einzuführen und erst ab 1974 die Dreizehntonnenachse, um einen Übergang für die Länder zu schaffen, deren Infrastruktur noch nicht diesem Gewicht entspricht. Eine andere Frage, in der wir bisher eine klare Stellungnahme der Bundesregierung vermissen, eine Frage, die auch bei uns im europäischen Rahmen angeschnitten wird und die so etwas wie ein heißes Eisen darstellt - auch Herr Müller-Hermann hat sie berührt -: die Frage der Revision - Sie hören das Wort „Revision" allerdings nicht gern, aber ich sage es trotzdem - der Mannheimer Akte. Der Herr Minister hat vorhin in der Beantwortung der Großen Anfrage von der Anlastung der Wegekosten gesprochen. Ich darf Sie fragen, Herr Minister: Gilt das vollinhaltlich auch für den Verkehr, der unter die Mannheimer Akte fällt? Denn das allein ist entscheidend für die Frage, ob wir im europäischen Rahmen wirklich zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik kommen können. Zwar ist die Kommission der EWG auf Grund des Gutachtens, das sie hat erstellen lassen, der Meinung, daß die Mannheimer Akte der Einführung von Margentarifen auch auf dem Rhein nicht entgegenstehe. Da diese Meinung aber umstritten ist und von allen möglichen Seiten bekämpft wird, wäre eine Anpassung an die Erfordernisse der heutigen Zeit dringend erforderlich. Man muß ja immerhin bedenken, daß diese Akte aus dem Jahre 1868 stammt, und in der Zwischenzeit hat sich im Verkehr ja einiges verändert. Ist die Bundesregierung bereit, notfalls entsprechende Verhandlungen nach Art. 234 des EWG-Vertrags einzuleiten, d. h. nach dem Artikel, der vorsieht, daß da, wo schon bestehende Verträge der Verwirklichung des EWG-Vertrags entgegenstehen, entsprechende Verhandlungen eingeleitet werden sollen? Nach den neusten Meldungen aus der Schweiz, die ja immer als einer der schärfsten Gegner einer Änderung bezeichnet wird, scheint ein Erfolg solcher Verhandlungen gar nicht so ausgeschlossen zu sein, wie man bisher immer gesagt und gedacht hat. Der Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments hat nun vor kurzem die Margentarife nach langer und harter Diskussion genehmigt und auch dem Parlament vorgelegt. Voraussichtlich werden sie dort noch in diesem Monat verabschiedet werden. Aber im Verkehrsausschuß war man sich darüber einig, daß diese Margentarife nur für eine Übergangszeit Gültigkeit haben könnten und danach - man spricht von drei bis vier Jahren - neue Lösungen gesucht werden müßten. ({3}) Das Europäische Parlament konnte keine dieser Lösungen, die nach den Margentarifen oder zur Weiterentwicklung der Margentarife eventuell nötig sind, nennen. Auch die Kommission konnte keine konkreten Vorschläge machen. Es ist deshalb fast vermessen, wenn ich den Herrn Bundesverkehrsminister frage, ob er sich Vorstellungen darüber machen kann, wie die Weiterentwicklung der Margentarife nach dieser Übergangszeit aussehen soll. Denn es wäre für die Wirtschaft selbst wichtig, zu wissen, ob sie sich nun auf das, was man als Margentarife beschlossen hat, einstellen und entsprechend handeln kann oder ob sie damit rechnen muß, daß das nach wenigen Jahren schon wieder über Bord geworfen wird. ({4}) - Es werden sicher keine Festtarife sein. Bitte, Herr Kollege.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Faller, da wir im Transportausschuß schon freundschaftlich zusammenarbeiten, darf ich Sie fragen: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß niemand in der Lage ist, schon heute zu sagen, welche anderen Möglichkeiten sich nach der Übergangszeit bieten, wenn die MargenRademacher tarife also nicht mehr gelten? Sind Sie nicht mit mir der Meinung - das war übrigens auch die Meinung in dem Ausschuß -, daß man erst gründliche Erfahrungen mit dieser Margentarifierung sammeln muß, ehe man überlegt, was überhaupt geschehen kann?

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung. Ich habe deshalb auch gesagt: Es ist fast vermessen, in diesem Zusammenhang den Bundesminister zu fragen, ob er solche Lösungen weiß. Sicher müssen nach dem Ablauf der Übergangszeit genaueste Überlegungen angestellt und es muß dann geprüft werden: Wie haben sich diese Margen-tarife bewährt? Haben sie sich überhaupt bewährt? Was ist daran zu ändern, und wie sind sie weiterzuentwickeln? Nun kommen einige Vorschläge der Kommission, die zur Zeit im Europäischen Parlament behandelt werden und zur Diskussion anstehen, auf uns zu. Der Herr Minister hat einige davon genannt. Er hat sich in seiner Ausdrucksform so gegeben, als ob er mit diesen Vorschlägen, die die Kommission hier vorgelegt hat, weitgehend einverstanden sei. Ich darf hier eine Frage stellen, Herr Minister: Sind Sie auch mit diesen Vorschlägen einverstanden, z. B. dem Vorschlag, für den dankenswerterweise unser Kollege Rademacher den Bericht im Europäische Parlament im Zusammenhang mit der Harmonisierung bestimmter Vorschriften erstattet hat? Sind Sie auch bereit, die Änderungen zu akzeptieren, die der Verkehrsausschuß und das Parlament angenommen haben, z. B. die Änderungen in Art. 4? Hier hatten der Verkehrsausschuß und das Parlament nämlich folgendes beschlossen: Der Ertrag der die verschiedenen Verkehrsträger belastenden spezifischen Steuern und Abgaben ist für den Bau und die Unterhaltung der Verkehrswege für die jeweils betroffenen Verkehrsträger bestimmt. Die Steuern und Abgaben dürfen diese Kosten nicht übersteigen. Weiter heißt es: Die damit verbundene Vereinheitlichung der Sätze der Treibstoffsteuern muß bis zum 1. 1. 1966 abgeschlossen sein. Es wäre für uns interessant, zu wissen, ob Ihre Zustimmung zu diesen Vorschlägen auch die Änderungen des Verkehrsausschusses und des Parlaments betrifft. Das würde also, wenn ich es nicht völlig falsch auslege, die volle Zweckbindung der spezifischen Kraftfahrzeugabgaben für den Verkehr beinhalten. So steht es :in Art. 4 dieses Vorschlags. ({0}) Es kommt das Problem der Gemeinschaftskontingente auf uns zu. Bei diesen Gemeinschaftskontingenten spielt der Verteilungsschlüssel eine erhebliche Rolle. Das hat bereits im Ausschuß zu einigen Diskussionen geführt, weil umstritten ist, ob man den Verteilungsschlüssel nach Nationalitäten gestalten soll. Herr Müller-Hermann, Sie sind ja ein entschiedener Verfechter dieser Theorie, daß die Aufteilung auf die verschiedenen Staaten nach nationalen Grundsätzen erfolgen soll. ({1}) - Sie haben schlechte Zuversicht in unsere eigene Leistung und die Leistung unseres eigenen Kraftverkehrs, wenn Sie glauben, daß damit ein Ausverkauf an die Niederländer vorgenommen sei. Da hilft dann nur, unsere eigenen Verkehrsvorschriften so weit an das niederländische Maß anzugleichen, daß unsere Verkehrsunternehmer wirklich konkurrenzfähig sind. Ich glaube, dann ist dieser Ausverkauf an die niederländischen Unternehmer nicht zu befürchten. ({2}) - Sicher, es gibt aber nicht nur handfeste niederländische, belgische oder luxemburgische, sondern es gibt auch handfeste deutsche Interessen, die dort vertreten werden. ({3}) - Das will ich nicht sagen, Herr Kollege Eisenmann; denn unter handfesten deutschen Interessen versteht man etwas mehr als nur normale deutsche Interessen. So weit möchte ich also nicht gehen. Es kommen einige weitere Vorschläge auf uns zu, und ich möchte noch einmal etwas zitieren, was der Verkehrsausschuß beschlossen hat, und auch hier den Herrn Minister fragen, ob er bereit ist, das zu akzeptieren. Er hat es praktisch schon angedeutet. Er sprach von den Berechnungsgrundlagen der Besteuerung und sprach den Wunsch aus, daß nicht nur die Berechnungsgrundlagen, sondern auch die Steuern selbst angeglichen werden sollten. Herr Minister, ich kann Ihnen hier sagen, daß der Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments in dem gleichen Entwurf, den Herr Rademacher dort zu vertreten hatte, einen Zusatz verabschiedet hat, in dem es heißt: Mit Wirkung vom 1. 1. 1967 werden die Sätze der Kraftfahrzeugsteuer und der Besteuerung der Binnenschiffe in den Mitgliedstaaten vereinheitlicht. Ich hoffe, daß wir auch da auf Ihr Einverständnis und auf Ihre Unterstützung rechnen können. Nun will ich nicht sagen, daß alle Vorschläge, die die Kommission uns über den Ministerrat vorlegt, der Weisheit letzter Schluß sind. Sehr oft ist es notwendig, harte Diskussionen zu führen, um diese Vorschläge auch in der Praxis einigermaßen praktikabel und akzeptabel zu machen. Die Vorschläge müssen deshalb diskutiert und zum Teil selbstverständlich auch verändert werden. Auch wenn bis zum 1. Januar 1966 noch einstimmige Beschlüsse nötig sind, wir also eine Vetomöglichkeit haben, dürfen wir diese Möglichkeit nicht zur Blockierung einer europäischen Lösung benützen. Wir könnten es politisch und von der Sache her nicht verantwor6334 ten, gerade im Verkehr als die Bremser in Europa zu gelten. Deshalb müssen wir auch in den noch der nationalen Entscheidung vorbehaltenen Fragen stärker als bisher die voraussichtliche europäische Entwicklung berücksichtigen. Wenn ich von europäischer Entwicklung spreche, meine ich natürlich zuerst die sechs Länder der EWG. Wir sollten jedoch bei allen Maßnahmen nicht außer acht lassen, daß dieses Europa hoffentlich bald mehr umfaßt als die Sechs. Wir sollten nichts tun, was diese Entwicklung zum größeren Europa behindert. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist für die Fraktion der Freien Demokraten die Aufgabe zugefallen, allgemeine Ausführungen über die verkehrspolitische Situation, wenn ich hier gleich eine persönliche Bemerkung hinzufügen darf, über die nach meiner Ansicht reichlich verworrene verkehrspolitische Situation zu machen, in der wir uns im Augenblick durch die verschiedensten Tariffragen befinden. Auch ich werde, wie meine beiden Herren Vorredner, die Dinge mit dem beabsichtigten Verkehrsmarkt der EWG in Verbindung bringen. Ich finde es sehr gut, daß alle drei Fraktionen in die Generaldebatte gerade Mitglieder des Transportausschusses des Europäischen Parlaments vorgeschickt haben. Vorher möchte ich aber noch eine Bemerkung machen. Da das Schwergewicht der heutigen Debatte in den tarifpolitischen Fragen liegt, bedauert es meine Fraktion außerordentlich, daß auf der Regierungsbank nicht gleichzeitig der Herr Bundeswirtschaftsminister oder sein Staatssekretär sitzt. ({0}) Wir alle sind ja genaue Kenner der Gesetze und wissen, daß diese tarifpolitischen Maßnahmen, sei es auf Grund des Preisgesetzes, sei es auf Grund der Novellen von 1961, nur im Einvernehmen mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister durchgeführt werden können. Man hat heute leider sogar manchmal den Eindruck, daß es - nicht zur großen Freude des zuständigen Ressortministers - dahin gekommen ist, daß diese Fragen mit Schwergewicht stärker im Hause des Wirtschaftsministeriums als im Hause des Verkehrsministeriums behandelt werden. Man kann über die Novellen von 1961 sehr unterschiedlicher Meinung sein. Ich halte nicht mit meiner Auffassung zurück, daß diese Novellen nicht genügend durchdacht gewesen sind und daß sie von vornherein die Gefahr in sich bargen, daß mit ihnen ein Zug - wenn ich in der Begriffswelt des Verkehrs bleiben darf - abgefahren ist, von dem niemand so richtig weiß, wie und wo er ankommt. Typisch dafür ist die Tatsache - das ist heute wohl auch schon in der Debatte erwähnt worden -, daß man sich drei Jahre nach Verabschiedung dieser Novellen um die Festsetzung von Richtlinien bemüht, wie die Begriffe „unbillig", „lauter", „unlauter", „Allgemeinwohl" usw. auszulegen sind. Bitte, meine Damen und Herren, drei Jahre, nachdem diese Novellen in Kraft getreten sind! Wie und ob man sich in dem Gespräch mit den Verkehrsträgern und der verladenden Wirtschaft einig wird, scheint mir nach den Vorlagen, wie ich sie kenne, noch sehr offen zu sein. Ich sprach schon über die starke Stellung des Bundeswirtschaftsministers bei der Durchführung dieser Novellen. Wir haben mit diesen Novellen mit Recht das Marktgespräch dadurch eingeführt, daß jeder Verkehrsträger verpflichtet ist, mit dem Verladerausschuß zu einer Einigung zu kommen und dann, wenn dieses Marktgespräch erfolgreich durchgeführt wunde, nunmehr an die beiden Ministerien mit dem Ersuchen um Genehmigung heranzutreten. Leider haben wir in der Vergangenheit z. B. bei der Binnenschiffahrt erlebt, daß,. obgleich eine solche Einigung zustande gekommen war, das Bundeswirtschaftsministerium die Genehmigung der Tarife verweigert hat, und zwar auch mit der Forderung, daß nicht ein Festtarif zustande kommt oder bestehenbleibt und erhöht wird, sondern daß ein Margentarif eingeführt wird. Wo steht das in den Novellen? In den Novellen steht ausdrücklich, daß es vorläufig - bis zur EWG-Regelung zweifelsohne - eigene Angelegenheit der Verkehrsträger ist, ob sie einen Festtarif machen oder einen Margentarif einführen wollen. Diese Auseinandersetzung geht soweit, daß der Vorsitzende des Zentralausschusses der deutschen Binnenschiffahrt in einem Schreiben an den Bundeswirtlschaftsminister den schweren Vorwurf der Rechtsbeugung erhoben hat. Es ist eine schlimme Sache in einer Demokratie, (Abg. Dr. ({1}) wenn der Exekutive Rechtsbeugung vorgeworfen wird, ob berechtigt oder unberechtigt. ({2}) Was soil dann der Staatsbürger machen? - Meine Herren, ich habe Ihre Zwischenbemerkung leider nicht genau verstanden, aber wir haben tatsächlich Beweise dafür. Lassen Sie nachher einmal meinen Kollegen Ramms, der ,Spezialist in der Binnenschifffahrt ist, antreten und Ihnen die Sache ganz exakt darlegen. Dann werden Sie zumindest zugeben, daß der Vorwurf - vielleicht etwas zu scharf -, den der Vorsitzende des Zentralausschusses der deutschen Binnenschiffahrt erhoben hat, nicht ganz unberechtigt war - um mich vorsichtig auszudrücken. Wegen dieses Durcheinanders und wegen dieser völlig ungeklärten Situation - wie die Novellen eigentlich ausgelegt werden müssen - hat meine Fraktion schon bei der Debatte zum Einzelplan 12 einen 'Entschließungsantrag eingebracht - der im Augenblick im Verkehrsausschuß liegt; der Wirtschaftsausschuß ist auch daran beteiligt -, nach dem endlich einmaleinwandfrei festgestellt werden soll, wie die Novellen eigentlich auszulegen sind. Daran können nicht nur der Bundesverkehrsminister und der Bundeswirstchaftsminister beteiligt sein, sonRademacher dein daran wird auch der Bundesjustizminister teilnehmen müssen, um eine objektive Klärung herbeizuführen, damit ähnliche Dinge wie in der Vergangenheit nicht wieder passieren. Oder - und ,das ist keine Schande - man muß die Novellen andern und so klare Voraussetzungen schaffen, daß jeder lesen kann, was mit ,einer solchen Novelle gewollt wird.Dann komme ich zur Erhöhung der Kontingente um rund 8 %. Ich habe mich eigentlich sehr gewundert, daß man den komplizierten Weg der Kontingenterhöhung - bekanntlich auf Drängen der verladenden Wirtschaft - überhaupt gegangen ist. Hätte man nämlich das leidige Thema „Maße und Gewichte" erledigt gehabt, dann brauchten Sie überhaupt keine Kontingenterhöhung zumachen. ({3}) Allerdings mache ich, um ganz objektiv zu sein, darauf aufmerksam: das hätte von vornherein eine Ausweitung der Kapazität um rund 20 % bedeutet. Wir sind auch im Verkehrsausschuß, Herr Bundesverkehrsminister, wirklich etwas überrascht gewesen über das zusätzliche Kontingent von 1000 Stück im grenzüberschreitenden Verkehr. Es ist schon richtig: wir sind darüber sozusagen in letzter Minute informiert worden. Aber worüber wir wohl kaum informiert waren, das war die Tatsache, daß Sie dieses zusätzliche Kontingent von 1000 Stück verbinden mit der Erlaubnis eines innerdeutschen Verkehrs auf dem Wege zur Grenze oder auf dem Wege von der Grenze zurück. ({4}) Ich erwähne diese Dinge so ausführlich, weil sie alle die Grundlage der Maßnahmen 'der Deutschen Bundesbahn sind. Deswegen muß man über diese Dinge sehr ausführlich reden. Dann kommt man natürlich auch zu der Frage der Ermäßigung der Werkfernverkehrsteuer von 5 auf 3 Pf pro Tonnenkilometer. Hier waren sich Schiene und Straße vollkommen einig: 'sie waren dagegen aus Gründen der Gleichberechtigung und, ich sage es ausdrücklich, auch aus Interessentengründen. Wenn die Bundesbahn heute sagt: „Die Ermäßigung von 5 auf 3 Pf wird einen großen Verkehrsverlust für uns bedeuten", so möchte ich das bestreiten. Es ist statistisch einwandfrei bewiesen, daß damals, als wir das Gesetz verabschiedeten, der Nutznießer dieser Erhöhung auf 5 Pf der Straßenverkehr gewesen ist. Nach allen Gesetzen der Logik müßte es jetzt in erster Linie der Straßenverkehr sein, der an Tonnage, an zur Verfügung 'gestellter Fracht verlieren wind. Die Auswirkung ist nicht so unbedeutend, wie sie hier hingestellt worden ist. Da ,gebe ich der Bundesbahn recht, und da gebe ich auch dem Straßenverkehr recht. Damals, als die 5 Pfennige eingeführt wurden, haben eine ganze Reihe von Werken, auch Handelsunternehmen, ihren Werkverkehr abgebaut. Darüber besteht gar kein Zweifel. Ich könnte Ihnen solche Werke nennen, will das hier aber nicht tun. Heute ist mir von den Leitungen einer ganzen Reihe solcher bedeutenden Unternehmen versichert worden: In dem Augenblick, wo die 3 Pfennige in Kraft sind - die Vorbereitungen sind schon getroffen -, werden wir unseren eigenen Werkverkehr wieder aufbauen. Meine Damen und Herren, das werden Sie erleben! Dann droht noch von der EWG her - das ist auch eine schlechte Sache für den klassischen Verkehrsträger - im Straßenverkehr das 'bereits in Frankreich vorhandene System der Anmietung im Werkverkehr, indem man ohne Kontingentsregelung - die es ja in Frankreich sowieso nicht gibt, in anderen Ländern und bei uns ja auch nicht - sagt: bei einer Mindestverpflichtung von einem Jahr können wir noch soviel Fahrzeuge anmieten, wie 'wir es für erforderlich halten. ({5}) - Beantragt nicht; lesen Sie es nach! ({6}) - Nein, nein; Sie irren sich, Herr Müller-Hermannn. ({7}) - Herr Müller-Hermann, bemühen Sie sich doch nicht weiter! Ich habe zwar im Verkehrsausschuß zugestimmt, aber unter idem Antrag steht mein Name nicht. ({8}) - Sie wissen doch, wie das mit den Genossen ist, Herr Müller-Hermann. ({9}) Herr Müller-Hermann, wenn die Genossen etwas erfunden haben, ({10}) mögen sie gern vor der Fraktion vornean stehen. Meinen Namen finden Sie nicht darauf. Aber wenn wir schon bei dem Thema sind: ich habe damals im Verkehrsausschuß aus Überzeugung den 3 Pfennigen zugestimmt. ({11}) - Nein, nicht „Bravo!"; warten Sie erst einmal ab! So einfach ist das nicht mit mir. Ich habe den Dingen also zugestimmt, weil nämlich die verladende Wirtschaft vor Jahr und Tag bereit war, freiwillig 3 Pfennig zu bezahlen. Aber heute ist natürlich durch die Reaktion seitens der Deutschen Bundesbahn eine völlig andere Situation entstanden. Ich kann Ihnen namens einiger Freunde meiner Fraktion erklären: sie werden nunmehr der Senkung von 5 auf 3 Pfennig nicht mehr zustimmen, ({12}) weil eben eine völlig neue Situation eingetreten ist. ({13}) - Ach, Herr Müller-Hermann, machen Sie doch nicht so abfällige allgemeine Bemerkungen, die mit den Tatsachen überhaupt nichts zu tun haben! So etwas zu machen, ist doch nicht fair. ({14}) Durch die Maßnahmen, die die Regierung mehr oder weniger unter dem Druck der verladenden Wirtschaft vorgenommen hat, ist nach meiner Ansicht die gesamte Verkehrspolitik, wie sie die Bundesregierung ausdrücklich erklärt hat, auf den Kopf gestellt worden. Ich kann ruhig sagen: Was ist das für eine Verkehrskonzeption, wenn nunmehr eine stärkere Belastung der Straße aus den vielen Gründen, die ich soeben aufgezählt habe, eintreten wird, statt daß genau das Umgekehrte stattfindet, nämlich daß die Massengüter im wesentlichen auf der Schiene verbleiben und daß das höhertarifierte Stückgut sich auf der Straße bewegt. Ich habe einmal - ich glaube, es war im Jahre 1954 - zur gesamten Verkehrspolitik eine kleine Broschüre verfaßt unter dem Titel: „Von der Konfusion zur Konzeption?" Ich habe heute leider nur das Gefühl, daß wir nach der Zeit eines verhältnismäßigen Friedens, den ich und den alle Verkehrsträger begrüßt haben, jetzt im Begriff sind, in eine noch größere Konfusion hineinzukommen, als wir sie bisher gehabt haben. ({15}) - Meine Damen und Herren, geben Sie nicht zuviel Beifall; Sie wissen doch, wie schwierig das für mich ist. Sonst steht morgen wieder etwas in der Zeitung. ({16}) Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt etwas in meiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats der Deutschen Bundesbahn sagen. Glauben Sie mir, daß ich die Sorgen der Deutschen Bundesbahn wirklich absolut verstehe. Es ist ja auch meine Pflicht, im Verwaltungsrat zum Besten der Deutschen Bundesbahn zu wirken. Ich bin aber nun einmal von zwanzig Mitgliedern des Verwaltungsrats der einzige Mann gewesen, der es nicht verantworten konnte, dieser Tarifmaßnahme seine Unterstützung zu geben. Ich habe darauf hingewiesen, daß alle Organe, die sich auf diesen nach meiner Ansicht für die gesamte Verkehrspolitik sehr 'gefährlichen Weg begeben, genau wissen müssen, ,daß sie amEnde für eine solche Maßnahme die Verantwortung tragen. Eis ist natürlich außerordentlich schwierig zu sagen, ob der Weg, den die Deutsche Bundesbahn gehen will, von Erfolg oder von Mißerfolg begleitet ist. Eines steht zunächst einmal fest: 149 Millionen DM müssen zu dem vorhandenen Defizit von 380 Millionen DM geopfert werden in der Erwartung, daß man dadurch weitere Verluste vermeidet. Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen hier Passagen aus dem Bundesbahngesetz vorlesen, das damals im 1. Bundestag unter meinem Vorsitz im Verkehrsausschuß zustande gekommen ist. Ich behaupte nicht, daß es ein ideales Gesetz ist. Im Verkehrssektor müssen die Gesetze laufend geändert werden, weil der Verkehr sich in einer ständigen Entwicklung befindet. Ich könnte Ihnen aber aus diesen Passagen und aus diesen Paragraphen beweisen, daß der Vorstand, der Verwaltungsrat und der Minister neben ihren Aufgaben auf dem Gebiet der reinen Betriebswirtschaftspolitik für die Bundesbahn auch ganz bestimmte Auflagen haben, daß sie zu berücksichtigen haben - wie es im Bundesbahngesetz heißt - „die Interessen der deutschen Volkswirtschaft", daß sie ferner zu berücksichtigen haben, daß alles nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohl und Nutzen des deutschen Volkes, der deutschen Wirtschaft und der Deutschen Bundesbahn zu erfolgen hat. Auch der Herr Bundesminister für Verkehr darf nur solche Anordnungen erlassen, die den Grundsätzen der Politik, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik Geltung verschaffen. Das ist immer meine verkehrspolitische Konzeption gewesen. - Herr Brück?

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rademacher, darf ich denn, nachdem Sie uns das aus dem Gesetz vorgelesen haben, einmal fragen: Sind Sie der Meinung, daß die Organe der Deutschen Bundesbahn - a) der Vorstand, b) der Verwaltungsrat und in dem Zusammenhang auch der Minister - nicht bisher aus dieser Verantwortung heraus Ihre Entscheidungen getroffen haben?

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Doch, das will ich Ihnen gern bestätigen, Herr Brück. Ich glaube aber, jetzt sind wir an der Schwelle angekommen, wo nach meiner Ansicht diese Vorschriften unter Umständen verletzt werden. Ich glaube, diese Antwort genügt. Das kann nur die Erfahrung zeigen. Mehr kann man zu diesem Thema nicht sagen. ({0}) Ja, von d e r Seite, und von der Bundesbahn, von beiden Seiten reine Vermutungen, reine Hypothesen: was wird sich aus dieser Maßnahme ergeben? Aber der Weg, der gegangen wird, ist meines Erachtens gefährlich. Vor allen Dingen scheint er mir nicht mehr mit dem Begriff einer sozialen Marktwirtschaft übereinzustimmen, die wir auf allen Gebieten zu vertreten haben. Dazu gehören auch die übrigen Verkehrsträger, Binnenschiffahrt und Straße. Meine Damen und Herren, die FDP - ich möchte das noch einmal ausdrücklich wiederholen - ist seit 1949 ununterbrochen für die Gleichberechtigung staatlicher und privater Verkehrsträger eingetreten. Ich selbst habe namens meiner Fraktion ununterbrochen eine Kooperation der Verkehrsträger und nicht einen Kampf, einen Catch-as-catch-can, gefordert. Eine solche Kooperation hat einige Jahre lang erfreulicherweise stattgefunden. Aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich dieser gegenseitige Vernichtungskampf - denn das kommt dabei heraus - offenbar wieder in voller Breite entwickelt. Die Bundesbahn hat z. B. behauptet - ich kann das nicht genau nachprüfen -, die Straße habe eine sogenannte Differentialrente. Wenn diese BehaupRademacher tung stimmt, dann wird der Straßenverkehr wie schon bei einigen einzelnen Tarifen in der jüngsten Vergangenheit den Tarifermäßigungen der Deutschen Bundesbahn folgen. Wem nützt das dann? Die kleinen Existenzen im Straßenverkehr werden vor die Hunde gehen - das sollen sie vielleicht nach einigen Äußerungen, die ich aus der Wirtschaft gehört habe -, und die Bundesbahn wird nichts gewinnen. Sie wird sich - das sagt der § 28 des Bundesbahngesetzes - hilfesuchend an den Staat wenden müssen, der dann das noch größere Defizit ausgleicht. Man behauptet auch, daß die Tarifermäßigung im Hinblick auf die Tarife anderer europäischer Eisenbahnen, die im Niveau niedriger liegen, berechtigt sei. Dazu müssen Sie aber auch wissen, daß z. B. die SNCF, die französische Staatsbahn, von ihrem Staat jährlich 2 Milliarden Unterstützung, teils berechtigte wie bei uns auch, teils aber auch reine Subventionen, bekommt. Auch das ist also leider kein Argument. Auch die 500 Millionen DM neuer Gehälter müssen noch verdaut werden. Es ist nicht unbekannt - ich glaube, es hat in der Presse gestanden, es ist kein Geheimnis -, daß der Herr Bundesfinanzminister oder sein Beauftragter die Bundesbahn im Zusammenhang mit dieser Tarifermäßigung darauf aufmerksam gemacht hat, daß sie daran denken müsse, daß diese 500 Millionen DM auch noch zu erwirtschaften seien. Ich habe mir erlaubt, den Herren des Vorstands und des Verwaltungsrates zu sagen: Sehen Sie doch einmal die schwierige Position des Parlaments! Ich bin in dieser Doppelfunktion. Ich bin Mitglied des Verwaltungsrates, und ich bin gleichzeitig Mitglied des Bundestages. Am Ende - das läßt sich übrigens erst in ein bis anderthalb Jahren oder noch später feststellen - soll ich dann in meiner Verantwortung für die Deutsche Bundesbahn im Bundestag auftreten und sagen: Obwohl ihr nach einer nach meiner Ansicht unbesonnenen Tarifmaßnahme verlangt hattet, muß das höhere Defizit nunmehr vom Staat, mit anderen Worten: vom Steuerzahler, abgenommen werden. - Meine Damen und Herren, ich habe es mir wirklich nicht leicht gemacht mit dieser Entscheidung. Das dürfen Sie mir glauben. Zu der vorhin angeschnittenen Frage, wie es mit der Kapazitätserweiterung aussieht, möchte ich sagen, daß auch die Bundesbahn, wie zahlenmäßig schon bewiesen wurde, eine Kapazitätsausweitung vorgenommen hat. Aber gerechterweise muß ich jetzt für die Bundesbahn folgendes sagen. In der Fünf-Tage-Woche ist der Umlauf der Waggons natürlich länger geworden, als er in der Sechs-Tage-es vielleicht weiter tun; aber Tatsache ist, daß am Ende die Bundesbahn doch wieder darauf angewiesen ist, durch Rationalisierung auf den verschiedensten Gebieten aus eigenem ihre Unkosten zu dekken. Dazu ist ja hier im Laufe der Debatte schon vieles gesagt worden. Woche war. Infolgedessen ist eine bestimmte Kapazitätsausweitung zu verantworten. Trotzdem glaube ich, daß man sich im Hause der Deutschen Bundesbahn ein bißchen zu sehr auf die Ergebnisse des Brand-Gutachten verlassen hat, daß man meint, dort sei alles wunderschön aufgedeckt worden, und nun müsse ja die Bundesregierung die Konsequenzen aus diesem Brand-Gutachten ziehen. Sie hat es teilweise getan - aus welchen Gründen, wollen wir hier im Augenblick nicht erörtern -, sie wird Meine Damen und Herren! Ich will nicht gerade Tariferhöhungen das Wort reden - in einer Zeit, wo es immer so schön heißt: maßhalten. Aber das darf man bei dieser Gelegenheit doch wohl einmal sagen: Ausgehend von einem Index von 100 im Jahre 1938 ist heute in einem gewogenen Durchschnitt der Index der produzierenden Industrie 240 und der der Verkehrsträger 200. Glauben Sie nicht auch, wenn Sie sich diesen Tarifspiegel vor Augen halten, daß es schon eher berechtigt gewesen wäre, der Wirtschaft eine entsprechende Erhöhung der Tarife - individuell durchdacht, nicht global - zuzumuten, statt 250 Millionen, also eine Viertelmilliarde, zu verschenken? Darum geht es nämlich. Zu den 149 Millionen kommen noch die Dinge der nicht bundeseigenen Eisenbahnen, es kommen die Ermäßigungen der Straße hinzu usw., und dann schenkt man der verladenden Wirtschaft, die das gar nicht verlangt hat, eine Viertelmilliarde. Das ist doch ein unhaltbarer Zustand. Ich möchte sehen, daß ich zum Schluß komme, obwohl das Thema natürlich verlockend ist, wenn wir endlich einmal in diesem Hause eine umfangreiche Verkehrsdebatte haben, die ja auch an die Öffentlichkeit dringen soll, damit man sich draußen klar darüber wird, daß auch die Verkehrswirtschaft eine Angelegenheit ist, die diesem Hohen Hause am Herzen liegt. Allerdings werden wir wahrscheinlich nie erreichen, was in den Vereinigten Staaten erreicht ist, wo sich der ermordete Präsident Kennedy vor den Kongreß gestellt und zwei Stunden über die Verkehrspolitik und die Notwendigkeiten einer vernünftigen Verkehrspolitik für die Nation, für die Vereinigten Staaten gesprochen hat. Dabei hat er übrigens auch das Wort geprägt: Überkapazitäten in einer Verkehrswirtschaft können genauso gefährlich sein wie Unterkapazitäten. Meine Damen und Herren, die FDP hatte ursprünglich die Absicht, einen Antrag einzubringen, in dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, den Tarifanträgen aus den Gründen, die ich soeben hier entwickelt habe, nicht stattzugeben. Dieser Antrag hatte aber noch einen Zusatz: wir hätten es sehr gern gesehen, daß sich die Bundesregierung eingehende Gedanken darüber gemacht hätte, wie sich alle diese Maßnahmen - Kontingentserhöhungen, Herabsetzung der Werkfernverkehrsteuer und die Anträge der Deutschen Bundesbahn - auswirken, um dann am Ende eine objektive Entscheidung zu treffen, die allen gerecht geworden wäre. Ich bedaure, daß unser Koalitionspartner das nicht mitgemacht hat. Immerhin aber war es möglich, einen Punkt 10 in die Entschließung einzubauen, der verlangt, daß vor Genehmigung von Tarifanträgen eine strenge Prüfung nach den Begriffen: allgemeines Wohl, Billigkeit, Lauterkeit vorgenommen wird. Ich glaube, es ist keine Überforderung, wenn wir nicht allein von den zuständigen Ressorts, sondern in einer so schwierigen Situation von dem gesamten Kabinett verlangen, diese Fragen im Zusammenhang mit dem Antrag eingehend und genau zu prüfen. Es ist hier in der Debatte auch schon angeklungen, daß man sich demnächst im Gesamtrahmen der Verkehrspolitik etwas eingehender mit den Fragen des Nahverkehrs befassen muß. Ich glaube, wir haben uns das bisher immer sehr einfach und billig gemacht - auch die Gemeinden -; wir haben gesagt: „Mehr Geld für die Gemeinden! Mehr Geld für den Straßenbau in den Gemeinden!" Es gehört aber, glaube ich, noch eine andere Komponente dazu, die bisher nicht genügend beachtet wurde. Ich glaube, über die Länder bis zum Bund hin sind die Verantwortlichen verpflichtet zu bedenken: Wie soll es in den Ballungsbezirken bei uns mit dem Nahverkehr überhaupt weitergehen? Ist es nicht erforderlich, neben dem notwendigen Straßenbau ebensosehr dafür zu sorgen, daß die Nahverkehrsmittel als solche, die kommunalen, die privaten und diejenigen der Bundesbahn, so ausgebaut werden, daß wir des Verkehrs überhaupt Herr werden können? Viele Leute reden über den Verkehr, viele Leute machen es sich verhältnismäßig einfach, stellen große Forderungen auf, die viel Geld kosten. Es gilt aber, glaube ich, immer noch der alte Satz, den ich auch verschiedene Male bei Verkehrsdebatten verkündet habe: Unterlassene Verkehrsinvestitionen sind meistens sehr schwer und häufig überhaupt nicht wieder aufzuholen. Wenn wir die Verkehrsträger heute in eine Situation bringen, daß sie nicht mehr in der Lage sind, allein zu existieren, bekommt diese Frage noch mehr Gewicht. Denn der Gesamtverkehr, das Konzert des Verkehrs ist eine Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abwicklung unserer volkswirtschaftlichen Aufgaben. Sie werden maßgebend durch die EWG-Gesetzgebung beeinflußt werden. Allerdings glaube ich nicht, daß dass so schnell gehen wird, wie das zum Teil - das klang hier an - angenommen wird. Es wird noch viel Wasser den Rhein, die Elbe usw. hinunterlaufen, bis es überhaupt zu dieser klaren Konzeption kommt. Denn dort sind die Dinge noch schwieriger als hier, da es dort gilt, die unterschiedlichen Verkehrsverhältnisse in sechs EWG-Ländern auf einen Nenner zu bringen. Eines habe ich in der Rede des Herrn Bundesverkehrsministers als ein bißchen mager empfunden. Er sagte, gewisse wirtschaftliche Probleme blieben bei der Einführung eines europäischen Margentarifsystem noch zu klären. Diese Aussage finde ich wirklich ein bißchen mager, denn gerade das ist ja das Entscheidende. Ich hoffe aber, daß sich die deutsche Bundesregierung im Ministerrat nicht dazu hergeben wird, eine Margentarifierung für Eisenbahn und Straße einzuführen, wenn wir nicht die Garantie 'haben, daß sie auch für die Binnenschiffahrt eingeführt wird; dann kommt es niemals zu einer vernünftigen Harmonisierung. Wie schwierig die Verhandlungen sein werden oder sind mit der Mannheimer Akte und auch mit der Schweiz - die ja am Rande dazugehört -, können nur diejenigen beurteilen, die alle diese Dokumente, die jetzt auf dem Tisch liegen, studieren. A propos: Dokumente. Ich glaube, das ist hier auch schon gesagt worden: wir werden überfallen, überfüttert - anders kann ich es nicht bezeichnen - mit endlosen Denkschriften. Jeden Tag kommen neue hinzu. Es ist einfach physisch unmöglich, diese Dokumente so zu studieren, daß man sich daraus ein klares Bild machen kann. Auch ich stehe nicht an zu erklären - wie einer meiner Vorredner -, daß sich selbstverständlich jeder Interessent das Beste in 'diesen Denkschriften heraussucht und den anderen, den Konkurrenten, mit dem Schlechtesten in solchen Denkschriften belastet. Es sind sicherlich viele Wahrheiten in diesen Denkschriften; es ist aber nicht die Aufgabe dieses Hauses, eine einseitige Verkehrspolitik zugunsten eines Verkehrsträgers zu machen. Man stelle sich nur einmal vor, ein Verkehrsträger würde wieder ein Monopol bekommen, weil die anderen zugrunde gehen. Dann ist man nachher wieder in 'derselben Situation wie bei der Deutschen Bundespost, die noch ein Monopol mit all den Konsequenzen hat, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Meine Damen und Herren, verehrter Herr Bundesverkehrsminister, meine Herren von der Regierung, überlegen Sie sich die Dinge sehr genau, und überlegen Sie sich sehr genau, wohin der Zug fahren könnte, der jetzt durch die Tarifanträge der Deutschen Bundesbahn ins Rollen kommen soll, vielleicht in ein Rollen, das nicht mehr aufzuhalten ist. Ich betone noch einmal: der ideale Zustand - auch nach Auffassung der Freien Demokratischen Partei - ist die Kooperation der Verkehrsträger. Das hat mit dem Kartellgesetz überhaupt nichts zu tun; es hat einige Jahre funktioniert, und es war ausgezeichnet. Die Männer der drei Verkehrsträger haben sich verstanden. Jetzt sitzen wir in einer Situation mit all den Gefahren, die ich Ihnen glaube geschildert zu haben. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich eine Bemerkung an die Experten richten, die sich an dieser Debatte 'weiter zu beteiligen wünschen. Ich meine, meine Damen und Herren, daß dieses Haus nicht nur Verkehrsfragen zu erledigen hat und daß eine gewisse Konzentration der Aussprache nichts schaden könnte. Ich will das mit aller Vorsicht ausgesprochen haben. ({0}) Dias Wort hat der Abgeordnete Drachsler.

Hans Drachsler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000414, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Rademacher hat zu Beginn seiner Ausführungen bedauert, daß hei dieser verkehrspolitischen Debatte, wo .es gerade auch um tarifpolitische Fragen geht, der Herr Wirtschaftsminister nicht anwesend und auch nicht durch seinen Staatssekretär vertreten ist, zumal - so wind er sicherlich gedacht haben - im Wirtschaftsministerium in diesen Fragen sehr viel Verkehrspolitik gemacht worden ist. Aber das gleiche, Herr Kollege Rademacher, gilt sicherlich auch Für das Finanzministerium. Ich sage das nicht nur des Ausgleichs wegen. Wir sprechen heute auch über ,sehr viele ,finanzpolitische und haushaltspolitische Fragen; denken wir nur an das Finanzverhältnis Bund-Bundesbahn und an viele andere Fragen, die :in das Ressort des Finanzministers fallen. Aber vielleicht haben die beiden Herren erfahren, daß das Haus nicht gerade glänzend besetzt ist, und :sind deswegen abwesend. Im übrigen habe ich den Eindruck gewonnen, daß gerade die Liberalen die meiste Angst vor der Liberalisierung haben, Herr Kollege Rademacher. ({0}) Aber wenn man etwas beginnt, dann muß man es durchsetzen, auch wenn es Schmerzen bereitet. Große Dinge gehen eben nicht so einfach, sondern man braucht bei ihnen Konsequenz und Ausdauer. Der Herr Kollege Bleiß hat heute zu Beginn der Begründung der Großen Anfrage der SPD mit Rechtgesagt, daß während der Beratungen der Verkehrsnovellen Jahre 1961 sehr viele Stimmen auch aus der CDU/CSU - und gerade aus der CSU-Landesgruppe - laut wurden, die sagten, daß die notwendige Überführung der Verkehrswirtschaft in die freie Marktwirtschaft behutsam und vorsichtig, aber nicht minder zielstrebig zu erfolgen habe. Herr Kollege Bleiß, ,dieser Ansicht sind wir auch heute noch. Man sollte Zug um Zug und Maßnahme um Maßnahme - mit einem gewissen Erfahrungszeitraum dazwischen - die Überführung der Verkehrswirtschaft :in die freie Marktwirtschaft vornehmen. Die CSU-Landesgruppe hat vor einigen Wochen in einer eingehenden Beratung der Verkehrssituation angeregt, daß zur Vermeidung eines Tarifkampfes vor Inkrafttreten dieser Tarife ein Spitzengespräch der binnenländischen Verkehrsträger mit dem Ziel stattfinden soll, zu versuchen, eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung im Verkehr zu erreichen. Wir sind glücklich darüber, zu hören, daß unsere Anregung Erfolg hatte und daß ein solches Gespräch am 2. Juli beim Herrn Bundesverkehrsminister stattfindet. Ich glaube, das ganze Haus wünscht diesem Gespräch viel Erfolg, viel guten Willen, es wünscht eine sachliche Diskussion, frei von der sonstigen Atmosphäre zur Zeit üblicher Protestkundgebungen in dieser Frage. Herr Kollege Bleiß hat in seiner Begründung auch erklärt, daß innerhalb seiner Fraktion, also innerhalb der Opposition, an 'sich ,eigentlich keine großen Meinungsverschiedenheiten über das Ob des Wettbewerbs bestehen, mehr über das Wie und Wann. Auch Sie wünschen Wettbewerb, auch Sie stehen dafür ein, 'daß die Bundesbahn das Recht hat, Tarifanträge zu stellen - aus welchen Gründen auch immer, sei es aus Notwehr, sei es aus dem Selbsterhaltungstrieb -, auch Sie bejahen den Existenzwillen des gewerblichen Straßengüterverkehrs. Da sind wir uns also alle einig. Einig sind wir uns nicht - wie gesagt - über das Wann und Wie, und einig, Herr Kollege Bleiß, sind wir uns auch nicht, wenn ,Sie sagen: wenn es einmal Schwierigkeiten gibt, dann ist die Regierung und dann ist die Koalition, vor allem die CDU/CSU, schuld daran. Was, so frage ich, kann die Bundesregierung dafür, daß im Augenblick, bevor noch die Tarifanträge begutachtet, genehmigt oder abgelehnt wurden, schon ein unsachlicher und dramatisierter Tarifkampf zwischen den Verkehrsträgern geführt wird? Das kann man der Bundesregierung nicht zum Vorwurf machen, denn ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Die bisherige Debatte hat gezeigt, daß die Verkehrspolitik in ihrer vielfachen Bedeutung und in ihrer engen Verflechtung mit der Volkswirtschaft einer der wichtigsten Teile der gesamten Wirtschaftspolitik ist. Es wird daher von niemandem bestritten, daß es notwendig ist, die Verkehrspolitik aus ihrer langjährigen und zum Teil isolierten Betrachtung herauszuführen und sie durch geeignete Maßnahmen, wie sie heute zur Diskussion stehen, mit den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft so bald wie möglich in Übereinstimmung zu 'bringen. Die Verkehrsneuordnungsgesetze haben dazu den Weg frei gemacht. Auch die jetzigen Maßnahmen und ihre wettbewerbsöffnenden Ziele sind nicht umstritten; umstritten sind nur ihre befürchteten oder gefürchteten Wirkungen innerhalb der binnenländischen Verkehrsträger. Kein Wirtschaftszweig, das zeigte die Debatte, ist so kompliziert und steckt so voller Probleme wie die Verkehrswirtschaft auf ihrem Wege zu dem angestrebten Preiswettbewerb. Die Herausführung aus dem bisherigen Schutzpark hinein in den Wettbewerb auf nationaler und europäischer Ebene bereitet natürlich Schmerzen, ja sogar Unruhe, und droht eine Neuauflage 'des alten Kampfes zwischen Schiene und Straße heraufzubeschwören. Ich glaube, wir haben alle Verständnis für diese Unruhe innerhalb der Verkehrsträger. Wir haben aber kein Verständnis dafür, daß in unsachlichen Protestkundgebungen mit 'unlauteren Mitteln in Wort und Bild dieser Tarifkampf schon jetzt geführt wind. ({1}) Das Parlament kann sich daher auch durch solche Methoden nicht unter Druck setzen lassen. Es darf auf diese Art der Kampfführung im Vorfeld der Entscheidungen keinerlei Rücksicht nehmen. Die derzeitige Unruhe innerhalb der Verkehrswirtschaft 'herrscht nicht wegen 'des einsetzenden Wettbewerbs - denn den will ja jeder Verkehrsträger -, sondern deswegen, weil die Liberalisierung zu schnell und die versprochene Harmonisierung zu langsam in Angriff ,genommen wird. In der Tat ist die Zeit für eine weitere Liberalisierung der Verkehrswirtschaft ohne gleichzeitige gründliche Harmonisierung - das ist die Ansicht der CSU-Landesgruppe - nicht reif. Man muß also die Startbedingungen angleichen, wenn man weitere Maßnahmen zur Liberalisierung durchführen will. Bevor ich jedoch auf diese einzelnen Fragen der gegenwärtigen tarifpolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Verkehrsträgern eingehe, soll festgestellt werden, daß es ein großer Fehler wäre, wenn man bei dieser heutigen Debatte über die Verkehrspolitik nur den Wettbewerb und nur das Ge6340 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 130. Sitzung. 'Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1964 schäft sähe, ohne daran zu denken, wie sich diese Politik auf die Allgemeinheit, auf den Menschen im Gesamtverkehr auswirken wird. Auch hier sollte man nicht vergessen, daß der Mensch im Mittelpunkt der Politik steht, gerade auch im Mittelpunkt der Verkehrspolitik. Man denke nur an die Fragen der Verkehrssicherheit, der Lärmbekämpfung, an die heute schon in diesem Hause behandelte Frage der Luftverunreinigung und an all die Probleme der Massenerscheinungen unserer Zeit. Man denke auch an die gegenseitigen Vorwürfe, wer mehr Schuld an den Verkehrstoten trage. Es ist genau so die Behauptung abzulehnen, der Lastwagen trage hier ein gerüttelt Maß Schuld, wie auch die Behauptung, die Fernfahrer seien besonders ritterliche Teilnehmer am heutigen Straßenverkehr. All diese Dinge sind von zwei Seiten zu betrachten. Die Verkehrspolitik betrifft ja nicht nur die Verkehrsträger und .die verladende Wirtschaft, also nicht nur diejenigen, die gewerblich und geschäftlich mit ihr verflochten sind, sondern alle Verkehrsteilnehmer. Von der Verkehrspolitik betroffen ist heute in erster Linie der Straßenverkehr, die große Zahl der Personenkraftfahrer genau so wie die der Fußgänger, der Radfahrer und der Reisenden in der Eisenbahn. Sie alle sind an einer umfassenden Verkehrsordnung im Interesse des Ganzen interessiert. Das öffentliche Wohl hat in der Verkehrspolitik mehr als anderswo an erster Stelle zu stehen. Das private Interesse, so leidenschaftlich es verfochten wird, hat dort hintanzustehen, wo das allgemeine Wohl es erfordert. In der Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Bundesbahn und den privaten Unternehmen spielen nicht nur das private Interesse und die Berufung auf den Mittelstand eine Rolle. Hier kann übrigens Mittelstand gegen Mittelstand stehen, je nachdem, ob der Betreffende Verkehrsträger oder Verlader ist, ganz abgesehen von den vielen mittelständischen Unternehmern, die als Zulieferer für das große Unternehmen Bundesbahn tätig sind. Zu berücksichtigen sind auch die vielen Hunderttausende von Angestellten und Arbeitern der Bundesbahn mit ihren Familien, die ihren Arbeitsplatz genauso behalten wollen wie die Fernfahrer und Transporteure. Es wäre einfach kurzsichtig, unter Verkehrspolitik nur den gegenwärtigen Tarifkampf zwischen Schiene und Straße zu sehen, der unvorstellbar dramatisiert und übertrieben wird. Man muß vielmehr im Rahmen der Verkehrspolitik auch das allgemeine Wohl und das große Ganze im wirtschaftlichen und im politischen Zusammenhang sehen. Wenn man in die Großkundgebungen, die mit viel Aufwand und Propaganda aufgezogen werden, hineinhört, dann könnte man glauben, daß der gewerbliche Straßengüterverkehr kurz vor dem Ruin stehe. Das klingt dann unglaublich, wenn man gleichzeitig hört, daß sich für etwa 3000 Lizenzen, die ausgegeben werden sollen, mehr als 10 000 Bewerber anbieten, ganz abgesehen davon, daß, wie schon angeführt wurde - der Kollege Müller-Hermann hat das bezweifelt -, heute Lizenzen gehandelt werden und zu welchen Preisen das geschieht. Auch das muß hier der Objektivität halber, die so oft betont wurde, gesagt werden. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß dieses Raufen um die Lizenzen just zu einer Zeit stattfindet, da die Bundesbahn wegen der Aufstockung der Kontingente und der Senkung der Beförderungsteuer gezwungen ist, unter kaufmännischen Gesichtspunkten, wie das Gesetz es befiehlt, zu verhindern, daß sich der Straßenverkehr noch mehr in die Positionen der gewinnbringenden Gütermengen hineinfrißt, so daß das Defizit der Bundesbahn immer nur noch größer wird. Es bleibt für die Bundesbahn doch keine andere Wahl, als zu reagieren! Entweder sie verharrt in Lethargie und tut nichts; dann verliert sie 400 Millionen DM. Oder sie tritt in den Tarifkampf ein, wird initiativ; dann hat sie unter Umständen einen vorübergehenden Einnahmeausfall, der auf 100, 130 oder 150 Millionen DM geschätzt wird, in Kauf zu nehmen. Die Angriffe gegen die Bundesbahn sind, so gesehen, eigentlich unsachlich und unverständlich. Ich würde es verstehen, wenn die Öffentlichkeit die Bundesbahn dann tadelte, wenn sie nichts getan hätte. In einer Zeit, in der Kritik an den ständig steigenden Preisen geübt wird, sollte jedoch allgemein begrüßt werden, daß die Regierung entschlossen ist, in der Verkehrswirtschaft Maßnahmen zur Senkung der Preise zu treffen. Es ist nur zu hoffen, daß dann auch der Endverbraucher in den Genuß dieser Preissenkungen kommt und daß nicht nur ein Preiskampf und ein Wettbewerb entstehen, von denen der Verbraucher nichts hat. Der Straßengüterverkehr als binnenländischer Verkehrsträger ist auf Grund seiner besonderen Situation, seiner viel gerühmten Vorteile, die er immer wieder selber behauptet - nämlich der Vorteile Haus-Haus-Verkehr, Bequemlichkeit, Individualität, Schnelligkeit -, nicht gezwungen, diesen Tarifkampf mitzumachen, sondern vielmehr in der Lage, sich seine besonderen Leistungen auf Grund seiner Qualität eben entsprechend bezahlen zu lassen. Im übrigen sollte in der heutigen expansiven Wirtschaft, wenn es richtig angefaßt wird, jeder Gewinnchancen und Tätigkeitschancen haben. Dies gilt vor allem dann, wenn es gelingt, endlich dahin zu kommen, daß jeder Verkehrsträger nach seinen technischen und kostenwirtschaftlichen Möglichkeiten das fährt, was ihm am besten liegt. Die Kernfrage ist also: Wer soll was fahren? Sie sollte gerade bei dem kommenden Spitzengespräch im Bundesverkehrsministerium beachtet werden. Auch die Deutsche Bundesbahn muß Verkehre abgeben und auf solche verzichten, die andere Verkehrsträger eben schneller, besser und billiger ausführen können. Ebenso dürfte aber auch klar sein, daß es eine volkswirtschaftliche Forderung erster Ordnung ist, so viel Verkehr wie nur möglich auf die Schiene zu geben, um unser überlastetes Straßennetz endlich einmal zugunsten des Autofahrers, des Personenkraftfahrers zu entlasten. ({2}) Wir können es uns einfach nicht leisten, die kostspieligen, seit mehr als hundert Jahren eingerichteten Schienenwege verrosten und damit die großen Investitionen der Bundsbahn und ihre ständige Modernisierung ungenutzt zu lassen. Hier haben auch die Verlader eine große Verantwortung. Sie mögen doch die Frage prüfen, welche Güter sie auf der Schiene und welche sie auf der Straße befördern. Im Zweifelsfall mögen sie sich für die Schiene entscheiden. ({3}) - Herr Kollege Bleiß, warum sollen wir uns in der Verkehrspolitik vorher abstimmen? Ich glaube, hier gehen die Meinungen quer durch die Fraktionen. Wer sachlich denkt und das große Ganze im Auge hat, dem ist es unmöglich, eine einseitige Entscheidung zu treffen. Wenn Sie mich fragen, dann muß ich sagen - Sie wollten ja die Verkehrsdebatte -: ich glaube, der Zeitpunkt dafür war nicht sehr geeignet. Wenn wir untersuchen, was wir heute zu sagen haben -({4}) - Vielleicht. Aber ob dieser Zeitpunkt der richtige gewesen ist, das stelle ich in Frage.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Drachsler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000414, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, wissen Sie, daß in Deutschland von 24 000 Gemeinden rund 16 000 keinen Schienenanschluß haben? Welche Verkehrsbedienung würden Sie dort entsprechend Ihren Vorstellungen vorschlagen?

Hans Drachsler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000414, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Eisenmann, das ist mir ebenso bekannt wie Ihnen. Ich bin ja ebenso Mitglied des Verkehrsausschusses. Ich sage ja nicht, daß der Straßengüterverkehr diese Gemeinden ohne Schienenanschluß nicht bedienen soll. Im Gegenteil, dort hat er ein Betätigungsfeld. Aber wir kämpfen doch darum, daß nicht parallel zum Schienenwege und den Binnenwasserstraßen sich der Verkehr ballen und daß in diesen fetten Verkehrsgebieten der Kampf gerade auf Kosten der verkehrsfernen und wirtschaftsschwachen Gebiete ausgefochten wird. Da Sie mich darauf gebracht haben, Herr Kollege Eisenmann, möchte ich noch einiges dazu sagen. In weiterer Verfolgung der Grundregeln der Verkehrsneuordnungsgesetze des Jahres 1961 muß weiter daran gearbeitet werden, daß das Ziel der besten Verkehrsbedienung - ein stehender Begriff - erreicht wird. Unter bester Verkehrsbedienung ist alles zu verstehen, was das allgemeine Wohl auf dein Gebiete des Verkehrs erfordert. Dazu gehören vor allem auch Maßnahmen, die zur Förderung der wirtschaftlich schwachen und verkehrsungünstig gelegenen Gebiete notwendig sind. Im Interesse der Rand- und Grenzgebiete ist daher die Forderung berechtigt, daß die laufenden und zukünftigen Tarifmaßnahmen auf keinen Fall zu neuen Einschränkungen in der Verkehrsbedienung dieser Gebiete führen dürfen. Selbstverständlich muß dabei auch die Frage der Aufrechterhaltung von gemeinnützigen Verkehrsleistungen einer von der Tarifpolitik unabhängigen Lösung zugeführt werden. Vom Grundsatz der Marktgerechtigkeit der Beförderungsentgelte kann durch Eingriff der Tarifgenehmigungsbehörden abgewichen werden, wenn dies, wie es in den Verkehrsnovellen vorgesehen ist, aus Gründen des allgemeinen Wohls zur Förderung bestimmter Wirtschaftskreise oder wirtschaftlich schwacher und verkehrsungünstig gelegener Gebiete politisch notwendig erscheint. Die wirtschaftliche Situation der Rand-und Grenzgebiete wird im Zuge der europäischen Integration und zur Zeit auch aus manchen anderen Anlässen - man denke nur an viele andere Tarife, die in der Tarifpolitik liegen - ein solches Eingreifen bald erforderlich machen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Am Vorabend des stärkeren Wettbewerbs in der Verkehrswirtschaft sollte unter den Verkehrsträgern nicht ein unsachlicher Tarifkrieg geführt werden, sondern in einem gründlichen Gespräch das Ziel angestrebt werden, zu einer sinnvollen Aufgabenteilung im Interesse des allgemeinen Wohls zu kommen. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Börner.

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will keinen Vergleich zwischen der Einsamkeit 'des Herrn Bundesverkehrsministers auf der Regierungsbank des Hohen Hauses und seiner Stellung in Koalition und Bundesregierung ziehen. Aber ich möchte doch betonen, daß es nach Meinung meiner politischen Freunde notwendig gewesen wäre, bei einer so entscheidenden Weichenstellung, wie sie heute bei einigen Vorlagen beabsichtigt ist, auch den Vertreter des Finanz- und den Vertreter ides Wirtschaftsressorts in dieser Debatte zu hören, und zwar deshalb, weil hier nicht nur Fragen der Tarifgestaltung, wie es einmal angeklungen ist, berührt werden, sondern weil es hier um Probleme geht, die letztlich tief in die Haushaltswirtschaft des Bundes in den nächsten Jahren einzugreifen drohen, und weil vor allen Dingen auch die Frage der Wettbewerbspolitik hier eine entscheidende Rolle spielt. Ich möchte in Kenntnis der Mahnung des Herrn Präsidenten meine Ausführungen auf zwei Punkte konzentrieren, die für die weiteren Beratungen und für die Abstimmung ,am heutigen Abend noch von Bedeutung ,sein können. Zum ersten einmal die Frage, ob es sinnvoll ist, jetzt gleichzeitig die Kontingentsaufstockung und den Wegfall bzw. die Senkung der Werkfernverkehrsteuer ins Auge zu fassen. Die Beispiele, die heute von seiten der Koalition im Blick auf gewisse Stellungnahmen, z. B. der Bundesanstalt für Güterfernverkehr, gebracht worden sind, sind doch unter Voraussetzungen entstanden, die sich heute völlig gewandelt haben. Ich möchte an das erinnern, was Herr Kollege Rademacher über die Wirkung des grenzüberschreitenden Verkehrs und der Aufstokkung um 1000 Konzessionen hier gesagt hat. Es ist einfach nicht richtig, Herr Bundesverkehrsminister, wenn hier so getan wird, als hätte diese Aufstokkung keinen Einfluß auf die innerdeutschen Verkehrsverhältnisse. Damit sind wir bei einem Problem, das meinen politischen Freunden ganz besonders in diesem Zusammenhang am Herzen liegt. Wir sind sehr für den Wettbewerb der Verkehrsträger und wir sind gegen Diskriminierungen. Aber wir sind auch der Meinung, daß bei einer solchen Debatte das Argument der Verkehrssicherheit aller Teilnehmer am Straßenverkehr im Vordergrund zu stehen hat. ({0}) Meine Damen und Herren, die Kontingentsaufstokkung, die Senkung der Werkfernverkehrssteuer können einfach nicht ohne den Blick auch auf den Zustand des deutschen Straßennetzes gesehen werden. Es hat gar nichts damit zu tun, .daß man eventuell eine Verkehrspolitik gegen den Lastwagen machen wollte, wie es hier einmal von einem Koalitionssprecher zitiert worden ist. Nein, Herr Kollege Müller-Hermann, jeder, der da meint, diese Frage könnte mit .der linken Hand vom Tisch gewischt werden, ,der muß einmal an einem normalen Werktag von Köln nach Frankfurt auf der Autobahn gefahren sein, um zu sehen, wie viel noch im Straßenbau getan wenden muß, ehe man eine Ausuferung des Lastwagenverkehrs ohne jede Beschränkung zulassen kann. ({1}) Wir sind der Meinung, daß hier sorgsam das Interesse der verladenden Wirtschaft und insbesondere der Gebiete, die verkehrsarm sind und bisher schlecht bedient waren, abgewogen werden muß. Man kann aber nicht diese 3000 Konzessionen ausgeben, um befürchten zu müssen - das ist bis heute von niemandem hier dementiert worden -, daß sich das Volumen Ides Werkverkehrs ,auf Grund der Steuersenkung wesentlich ausweitet. Meine Damen und Herren von der Koalition, ich möchte Sie fragen, ob es Ihnen gleichgültig ist, daß durch Ihre Entscheidung nicht 3000 neue Lastzüge, sondern eventuell sogar 6000 oder 8000 neue Lastzüge infolge der Senkung der Werkfernverkehrsteuer auf den Straßenverkehr zukommen. ({2}) - Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Sie mit dem Argument der Milchmädchenrechnung kommen, dann möchte ich Ihnen nur eines ,sagen: Ihre Ausführungen von heute waren durch die Formulierung „das wissen wir nicht" gekennzeichnet. Wenn Sie aber etwas nicht wissen - Sie haben sich in drei Punkten Ihrer Rede auf diese Formulierung zurückgezogen -, dann sollten Sie sich hüten, dem Hohen Hause den Vorschlag zu machen, daß in der Sache trotz des Nichtwissens sehr schnell Entschlüsse .gefaßt werden müssen. ({3}) Meine Damen und Herren, nachdem die Auswirkungen der Kontingentserhöhung wirklich sichtbar geworden sind und auch das Bundesverkehrsministerium Zahlen geliefert hat, die heute noch nicht vorliegen, ist es durchaus noch an der Zeit, sich über das Problem der Werkfernverkehrsteuer und ihre Senkung oder ihren völligen Abbau zu unterhalten. Aber Sie können von uns nicht verlangen, daß hier praktisch in Kenntnis dieses ungeklärten Tatbestandes sozusagen ,ein verkehrspolitischer Blankoscheck unterschrieben wird. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sie müssen sich mit dem Kollegen Faller zusammensetzen! Er hat vorhin im Zusammenhang mit ({4}) - Dais ist nicht richtig, Herr Kollege Müller-Hermann. Es ist doch so, daß vor dem 1. Oktober auch nach dem Willen des Haushaltsausschusses - hier im Hinblick auf andere Dinge - nichts passieren sollte. Warum stimmen Sie also nicht von vornherein unserem Wege zu, der nach unserer Meinung die größte Sicherheit bietet, der da heißt: Rückverweisung dieser Anträge an den Verkehrsausschuß und Wiedervorlage am 1. oder 15. Oktober, wenn der Bundestag seine Arbeit wieder aufgenommen hat und die Auswirkungen (der Kontingentserhöhungen besser abzusehen sind, als das heute der Fall ist. Ich möchte Sie jedenfalls herzlich bitten, sich darüber im klaren zu sein, daß die ,sozialdemokratische Fraktion ihre Zustimmung, ihre Ablehnung oder ihre Stimmenthaltung zu diesem Problem vom Willen Ihrer Fraktion abhängig machen wird, sich in dieser Frage konziliant und, wie wir meinen, der Sache gemäß zu verhalten. ({5}) - Entschuldigung, Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Sie meinen, mit dem Hinweis auf gewisse Stellungnahmen von Herrn Senator Schiller Zwischenrufe machen zu 'müssen, dann kann ich Ihnen nur eines 'sagen: Ich hätte von Ihnen eigentlich erwartet - wenn Sie sozusagen mit der Liberalisierung ganz ernst machen wollen -, daß Sie dann auch heute noch den Antrag stellten, die Kontingentfestsetzung überhaupt wegfallen zu lassen. Das wäre doch das logische Ende des in Ihrem Zwischenruf enthaltenen Gedankens. ({6}) Sie haben sich aber in der Debatte darauf zurückgezogen, zu sagen: Natürlich kann man nicht zügellos die Dinge laufen lassen, unsere Infrastruktur - unser Verkehrsnetz - hält das nicht aus. Das ist eine Feststellung, die wir durchaus unterstreichen können und 'die die SPD-Fraktion gerade beim Straßenbauhaushalt in diesem Hause immer wieder betont hat. Wenn es aber so ist, wenn wir mit Rücksicht auf das Straßenbauvolumen noch abwarten müssen, ob diese Schritte richtig sind, dann ist der Weg, den die sozialdemokratische Fraktion vorschlägt, der richtige. In diesem Zusammenhang noch etwas anderes. Es freut uns immer sehr, wenn die Verkehrspolitiker der CDU/CSU-Fraktion sich im Laufe der Jahre zu Grundsätzen bekennen, die die sozialdemokratische Fraktion schon mehrfach im Verkehrsausschuß zur Diskussion gestellt hatte. Wir haben nur die Hoffnung, daß es nicht wieder so wie damals geht, als Sie zwar im Verkehrsausschuß mit uns einer Meinung waren, nachher aber in .der Fraktion nicht in der gleichen Weise stimmen durften, weil die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß nun wiederum anderer Meinung waren. Bei dieser Frage möchte ich auf das zu sprechen kommen, was in Ihrem Antrag Umdruck 477 *) zur Frage des Nahverkehrs gesagt wird. Sie haben sich darin für ein Programm der Länder und Gemeinden und des Bundes zur Stärkung der öffentlichen Verkehrsmittel ausgesprochen. Wir freuen uns darüber. Wir hätten es nur lieber gesehen, wenn Sie vor einigen Monaten oder schon im Vorjahr, als wir diese Fragen im Verkehrsausschuß diskutiert haben, unseren Anregungen gefolgt wären. Es ist nicht so, daß die Dinge erst in allen Einzelheiten zusammengetragen werden müßten. Vielmehr liegen zum Problem des öffentlichen Nahverkehrs ganz konkrete Ausarbeitungen, z. B. des Deutschen Städtetages, vor, auf die hier Bezug genommen werden kann. Wir meinen also, daß es nicht darauf ankommt, heute sozusagen als Seelenberuhigungsresolution einen Antrag zu dieser Frage anzunehmen, sondern daß es entscheidend darauf ankommt, daß bei den 1 Positionen des Haushalts, die für die Ausweitung, Stärkung und Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs notwendig sind, ernst gemacht wird. In erster Linie geht es um die Unterstützung der Gemeinden beim Straßenbau und beim Bau der sogenannten zweiten Ebene im innerstädtischen Verkehr. In diesem Zusammenhang darf ich mir den Hinweis erlauben, daß gerade auch Ihre Argumente in der Frage der Ausweitung des Lastzugverkehrs nicht nur für die Autobahnquerschnitte oder für die Trassen der Bundesstraßen von Interesse sind, sondern auch für das großstädtische Verkehrsnetz in der Bundesrepublik Deuschland. Ich möchte noch einmal darum bitten, daß Sie unseren Weg der Zurückstellung dieser einschneidenden Vorlagen gehen und sich für unseren Antrag aussprechen, der die Senkung der Werkfernverkehrsteuer erst für einen späteren Zeitraum vorsieht. Wenn hier auch von Ihnen für den Nahverkehr gesprochen wird, dann wollen wir doch auch einmal feststellen, daß alle die Herren, die diesen Antrag unterschrieben haben, es in ihrer Koalitionsfraktion zugelassen haben, daß eine Mehrwertsteuervorlage erarbeitet wurde, die - von der Bundesregierung vorgelegt und vom Bundesverkehrsminister mit gebilligt - eine wesentliche Auswirkung auf die Kosten des Nahverkehrs hat. Wenn es richtig ist, was uns im Verkehrsausschuß die Sach- *) Siehe Anlage 2 verständigen gesagt haben, dann muß damit gerechnet werden, daß die Kosten der Nahverkehrsunternehmen durch die Einführung der Mehrwertsteuer erheblich steigen werden. Ich meine: hier ist ein Ansatzpunkt, an dem Sie einmal nicht nur mit Deklamationen ernst machen müßten. ({7}) - Wir werden Sie beim Verkehrshaushalt und insbesondere beim Straßenhaushalt daran erinnern, und ich kann Ihnen sagen, meine Herren von der Koalition, dann wird nicht nur der Mund gespitzt, sondern dann muß von Ihnen auch gepfiffen werden!

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Löbe.

Dr. Karl Löbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001357, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem der vorige Bundestag 'die Verkehrsnovellen verabschiedet hat, führen wir heute die erste ausführliche Debatte. Es ist viel über die Auswirkungen gesagt worden. Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, muß aber einiges zur Klarstellung sagen. Die Verkehrsgesetze haben einen Weg eingeschlagen, dessen Auswirkungen man damals nicht kannte und nicht kennen konnte. Heute weiß man, was daraus werden kann; man braucht nur die Praxis zu beobachten. Zur Begründung wird immer wieder angeführt - nicht nur in diesem Hause, sondern auch draußen -, daß die Verkehrsnovellen von 1961 den Weg für die EWG-Verkehrspolitik gewiesen und eingeschlagen hätten. Ich wage das zu bestreiten. Der Inhalt der Gesetze entspricht nicht dem Inhalt des Vertrags von Rom. In dem Vertrag von Rom ist keine Möglichkeit für die Zustände vorgesehen, die heute Anlaß zu dieser Debatte gegeben haben. In dem Vertrag von Rom ist der Verkehr als eigener Wirtschaftsfaktor genannt und behandelt. Dort wird auf seine wirtschaftliche Gesundheit Rücksicht genommen. Die Verkehrsgesetze von 1961 haben aber einen Wettbewerb herbeigeführt, der an diesen Zielen weit vorbeigeht. Nun ist es nach meiner Ansicht nicht ganz richtig, wenn die Herren der SPD allein dem Verkehrsminister die Verantwortung für diese Entwicklung auferlegen. Heute, wo eine Art Bestandsaufnahme, eine Selbstprüfung dieses Hohen Hauses stattfindet, müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, ob dieser Weg der Liberalisierung des Verkehrs wirklich richtig ist. Es kommt nicht darauf an, was der Gesetzgeber ,sich denkt und was er meint, sondern es kommt darauf an, was draußen daraus wird. Ich stehe mitten im Verkehrsleben. Ich kenne die Abrechnungen der Partikulierschiffer, und ich kenne zahlreiche Abrechnungen der Güterfernverkehrsunternehmer. Es ist nicht möglich, auf diesem Wege weiterzugehen. Herr Kollege Drachsler, Sie haben auf die Unruhe hingewiesen, die im Augenblick herrscht, und gesagt, wodurch sie hervorgerufen worden ist. Ich muß Ihnen entgegentreten. Ich glaube die Verhältnisse draußen zu kennen, und ich muß Ihnen RUA Dr. Löbe sagen: es ist nicht nur Unruhe, es ist tiefe Verzweiflung und Verbitterung. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit hat ,sich breitgemacht, ein Gefühl, daß die Sorgen, die man draußen hat, in diesem Hause nicht verstanden werden. Das ist etwas, was das Parlament unter keinen Umständen geschehen lassen kann. Ich glaube, es wird nicht genügend unterschieden zwischen den Begriffen Marktwirtschaft und Liberalisierung. Ich halte das Wort „Liberalisierung" für unglücklich, aber es ist nun einmal in der Verkehrssprache üblich ,geworden. Marktwirtschaft hat es bis zu einem gewissen Grade im Verkehr immer gegeben. Ich bin seit 28 Jahren im Verkehr tätig, und ich habe keinen Eisenbahntarif erlebt, der nicht irgendwann mit den Interssenten verhandelt worden wäre, ich habe keinen Binnenschiffahrtstarif erlebt, bei dem nicht die Verlader mit am Tisch gesessen hätten. Ebenso ist es beim Straßenverkehr. Es ist also nicht richtig, zu sagen, daß man erst auf gesetzlichem Wege die Marktwirtschaft hätte einführen müssen. Liberalisierung ist etwas anderes, ist viel mehr. Die Novellen, die damals hier in diesem Hause diskutiert wurden, sollten einen Übergang zu freierer Preisgestaltung bringen. Heute ist daraus eine Erschütterung des Tarifs überhaupt geworden. Kaum eine Schiffsfracht der Binnenschiffahrt kann noch gehalten werden. 74 wesentliche Anträge allein im Wagenladungsverkehr der Bundesbahn sind seit 1961 gestellt worden und mußten genehmigt werden. Dabei sind die zahlreichen vertraglichen Absprachen, wo die Bahn dem Druck der Verladerschaft nachgeben mußte, nicht erfaßt. Ich stelle das fest. Ich bitte darum, diese Feststellungen zu prüfen und dann wirklich zu überlegen, ob wir auf diesem Wege weitergehen können. Ich sehe nämlich nicht, daß auf EWG-Ebene die anderen Länder zu ähnlichen Änderungen ihres bisherigen Systems bereit sind oder das sie sogar etwas dazu getan haben. Wer heute das Verhalten der Bundesbahn kritisiert - das ist ja heute sehr viel geschehen -, der muß sich vor Augen halten, daß dieses Verhalten aus der Liberalisierung entspringt. Ich kann der Bahn insoweit keinen Vorwurf machen. Ich mache ihr nur daraus einen Vorwurf, daß ich bisher keinen Beweis gesehen habe, daß die Bahn sich dieses Verhalten leisten kann. Die Bahn hat Zahlen vorgelegt. Niemand weiß, wie sie errechnet sind. Niemand weiß, ob sie richtig sind. Niemand weiß, ob sie ebenso kalkuliert sind wie die Kosten der anderen Verkehrsträger. Solange aber dieser Zweifel bei dem Preisführer des deutschen Verkehrs besteht, drehen wir uns mit allen Diskussionen im Kreise. Deshalb ist es kein Vorwurf, kein Angriff gegen die Bahn, wenn ich darum bitte, die Bundesbahn durch eine neutrale Stelle überprüfen zu lassen. Dazu bietet sich die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft an, die dem Bund gehört und die in ihrer Arbeit über jeden Zweifel erhaben ist. Diese Gesellschaft soll auch die beiden anderen Verkehrsträger in Standardverkehren und Standardfirmen überprüfen. Dann erst haben wir eine Unterlage, ob wir es wagen können, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dann erst hat der Herr Bundesfinanzminister eine Rechtfertigung, weiterhin diese Opfer für die Bundesbahn auszubringen. Man hätte nach den Novellen noch gewisse Hoffnungen haben können, diesen Übergang in eine andere Zeit - die man nicht kannte und deshalb nicht von vornherein verurteilen durfte - dadurch zu ermöglichen, daß die Bahn als Preisführer sich auch zum Sprecher des Verkehrs gemacht hätte. Das hat sie nicht getan. Wahrscheinlich unter dem übermächtigen Druck eines konzentrischen Angriffs der Verlader, vielleicht auch - wenn man den Äußerungen führender Persönlichkeiten der Bahn folgt - in der Erwatung, durch eine Mengenkonjunktur die Einnahmen zu erhöhen, ist die Bahn auf einen Weg gekommen, der, was hier wohl nicht zweifelhaft ist, auf die Dauer nicht zu ertragen ist. Die Prüfung des gesamten Verkehrs ist meines Erachtens unerläßlich. Sie ist auch deshalb unerläßlich, weil man vor der Entscheidung steht, ob man bei der erklärten Absicht dieses gesamten Hauses, Mittelstandspolitik zu betreiben, im Verkehr den Mittelstand zugrunde gehen lassen will. Die Binnenschiffahrt ist auf diesem Wege. Der Straßenverkehr ist, soviel ich weiß, nahe daran. Das man sich vor Augen halten. Es nützt nichts, daß man mit gefälligen Reden um diese Dinge herumgeht. Wir müssen uns hier entscheiden - dieses Hauses, nicht die Bundesregierung allein. Ich habe der Bundesregierung 1962 den Vorschlag gemacht, dem ewigen Streit im Verkehr dadurch ein Ende zu machen, daß eine Überprüfung der Bahn stattfindet. Ich wiederhole heute diesen Vorschlag. Ich habe der Bundesregierung auch den Vorschlag gemacht, auf die Dauer eine neutrale Stelle zu schaffen, die Unterlagen für die Verkehrspolitik bringt und die Tarife rechnet. Diese Stelle kann nicht eine solche wie die Interstate Commerce Commission in Amerika sein, die auf unsere Verhältnisse nicht paßt. Aber es kann eine Stelle sein - und dafür habe ich nähere Vorschläge gemacht -, die mindestens eine Unterlage bietet, um immer wieder prüfen zu können, ob es so geht und ob es weiter so gemacht werden kann wie bisher oder ob man umkehren muß. Daß die Wirtschaft einen Anspruch auf möglichst billige Verkehrsbedienung hat, ist eine Weisheit, die Jahrzehnte alt ist; sie ist nicht in den letzten Jahren erfunden worden. Das ist selbstverständlich. Aber was nützt der Wirtschaft ein zugrunde gerichteter Verkehrsapparat? Wenn Sie mir erlauben, als Mann der deutschen Küste dazu etwas zu sagen, dann möchte ich darauf hinweisen, daß die deutschen Seehäfen auf Gedeih und Verderb mit der wirtschaftlichen Gesundheit des gesamten Binnenverkehrs verbunden sind. Wenn die Verkehrsträger finanziell nicht mehr in der Lage sind, den technischen Entwicklungen zu folgen, sind die deutschen Seehäfen erledigt, weil die deutsche Seeschiffahrt und auch die ausländischen Flaggen den sehr hohen Kostenaufwand des Zu- und Ablaufs nicht überDr. Löbe brücken können. Die Schiffe werden dann gezwungen, in fremde Häfen zu gehen. Auch muß berücksichtigt werden, daß die Liberalisierung naturnotwendig zu einer Ungleichheit des Tarifs im Raum führt. Das kann man wollen. Aber man kann nicht im selben Atemzug beruhigende Erklärungen abgeben, daß für Schleswig-Holstein, das Elbe- und das Weser-Gebiet und für Bayern keine Gefahr bestehe. Die Gefahr ist bereits eingetreten. Ich bitte darum, daß alle diese Dinge wirklich durchdacht werden. Dann hat diese Debatte heute einen Zweck. Dann wird auch draußen wieder eine Hoffnung einkehren, daß sich der Bundestag verantwortlich fühlt. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 472 *) sprechen. Die Verkehrspolitik ist ein wesentliches Instrument der Raumordnung. Der Werkfernverkehr hat unter diesem Aspekt eine besondere Bedeutung für die wirtschaftlich schwachen und für die marktfernen Gebiete. Das rührt vor allen Dingen aus dem Sachverhalt her, daß der Werkfernverkehr in hohem Maße ein nicht permanenter Verkehr ist. Bei einer Zunahme von Fahrzeugen im Werkfernverkehr um 95 % von 1955 bis 1963 sind die Beförderungsleistungen im Werkfernverkehr nur um 24 % gestiegen. Das macht deutlich, daß diese Fahrzeuge auch für den Nahverkehr verwendet werden und wie in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft nur bei besonderen Spitzenbelastungen für den Fernverkehr herangezogen werden. Das liegt natürlich auch daran, daß das Verkehrsgewerbe besonders die Gebiete bedient, in denen es mit einem regelmäßigen, ständigen Frachtaufkommen rechnen kann. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, der sich aus den wirtschaftlichen Überlegungen dieses Gewerbes ergibt. Eine Untersuchung über den Anteil des Werkfernverkehrs am Gesamtverkehr zeigt deutlich, daß die wirtschaftlich schwachen Gebiete einen außerordentlich hohen Anteil am Werkfernverkehr haben. Eine Ermittlung aus dem Jahre 1959 z. B. stellt fest, daß der Werkfernverkehr im Bezirk Düsseldorf, einem Ballungsgebiet, 14 % des Gesamtverkehrs ausmacht, hingegen in Kurhessen-Waldeck 34 % und in den Nordsee-Gebieten Schleswig-Holsteins sogar 43 %. Das macht sehr deutlich, welche Bedeutung der Werkfernverkehr für die wirtschaftlich schwachen Gebiete der Bundesrepublik hat. Die Einführung einer Konzessionierung des Werkfernverkehrs nach dem Antrag der SPD würde in der Tat diese Randgebiete treffen. Sie würde jene Ge- *) Siehe Anlage 3 biete treffen, für die es wichtig ist, daß die wirtschaftliche Stabilisierung, die hier seit Jahren erfolgreich betrieben wird, nicht gestört wird. Wir brauchen aber diese wirtschaftliche Stabilisierung in den Randgebieten und den wirtschaftlich schwachen Gebieten, damit nicht noch mehr Arbeiter das traurige Los der Pendler teilen, d. h. ihre Heimatgebiete, in denen sie gern bleiben möchten, verlassen und auch noch in Ballungsgebiete ziehen müssen. ({0}) - Herr Kollege Faller, ich glaube, Sie sollten diese Probleme etwas ernsthafter überlegen. Vielleicht haben Sie sie in Südbaden nicht in diesem Maße. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, daß diese Probleme in den hessischen und vor allem auch in den bayerischen Randgebieten ebenso vorhanden sind wie in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lemmrich, glauben Sie wirklich, daß ich als Abgeordneter aus einem solchen Gebiet mich für einen solchen Antrag einsetzen würde, wenn er die Konsequenzen hätte, die Sie hier dem Hause einzureden versuchen?

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Börner, ich weiß, daß das Gebiet um Kassel immerhin ein sehr industriestarkes Gebiet ist, das Sie wohl kaum mit diesen Gebieten vergleichen können. Es ist festzustellen, daß sich !der Werkfernverkehr trotz dieser hohen Besteuerung weiter ausgedehnt hat. Dafür gibt eis drei wesentliche Gründe: daß einmal bei bestimmten Gütern, vor allem bei den landwirtschaftlichen Gütern, die Werkfernverkehrsteuer auf 1 Pf gesenkt worden ist - wir haben einen weitergehenden Antrag, der dem Deutschen Bundestag vorlag, nicht akzeptiert -, daß zweitens nichtständige Verkehre ohne Werkfernverkehr nicht auskommen und daß drittens vor allen Dingen hochtarifierte Güter auf 'den Werkfernverkehr ausweichen. Das wind deutlich, wenn man sieht, daß Eisen- und Stahlwaren in dieser Zeit einen Zuwachs im Werkfernverkehr von 61 % erreicht halben. Ich glaube, man muß nach den echten Ursachen dieser Ausdehnung ides Werkfernverkehrs suchen, wenn die Probleme ernsthaft bereinigt werden sollen. Ich möchte meinen, daß die Besteuerung, auch wenn es nur 3 Pf je Tonnenkilometer sind, immer noch recht ansehnlich ist; denn sie bedeutet, daß der Werkfernverkehr zweieinhalbmal viermal so hoch besteuert wird wie der normale Güterfernverkehr und der Verkehr auf der Eisenbahn. Der Güterkraftverkehr und die Deutsche Bundesbahn sollten deutlich machen, welch großer Vorteil in einer Arbeitsteilung auch auf dem Gebiet des Verkehrs liegt. Wir ,sehen uns aus den von mir dargelegten Gründen nicht in der Lage, dem Antrag Umdruck 472 zuzustimmen. Ich möchte nunmehr auf einige Äußerungen des Kollegen Börner kurz eingehen. Es geht um den öffentlichen Personennahverkehr, der in unserer Resolution ,angesprochen ist. Wir sind der Meinung, daß ,die städtischen Verkehrsprobleme nur durch den öffentlichen Nahverkehr, d. h. durch Ausbau entsprechender Stadt- und U-Bahnen gemeistert werden können. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß der Bund dort, wo er tangiert ist, vor allen Dingen bei der Deutschen Bundesbahn, (die notwendigen Konsequenzen daraus zieht. Herr Kollege Börner hat den Antrag betreffend die Dotierung der Gemeinden hinsichtlich des Straßenbaues angezogen. Wir waren sehr erfreut, daß auch die SPD einen entsprechenden Antrag eingegereicht hat, allerdings erst 14 Tage, nachdem wir von der CDU/CSU und FDP diesem Hohen Hause bereits einen Antrag vorgelegt hatten. ({0}) Aber ich möchte doch noch etwas feststellen: Nicht an ihren Worten werdet ihr sie erkennen, sondern an ihren Taten! Schöne Deklarationen reichen nicht aus. Die SPD regiert ja in verschiedenen Bundesländern, und Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich diese Bundesländer auch diesmal wieder anziehe. Man kann sich doch nicht hinstellen - -({1}) - Sie hören etwas Neues von mir, Herr Kollege Schmidt, denn das Alte haben Sie ja schon einmal gehört; Sie sollen sich nicht langweilen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, man setzt sich natürlich dem Vorwurf der Doppelzüngigkeit aus, wenn man einen Antrag stellt, in dem steht, daß die Kosten der Errichtung der Straßenbeleuchtung vom Bund bezuschußt werden sollen, und in einer analogen Verordnung .des Landes Hessen, die im Sommer vergangenen Jahres erlassen worden ist, steht: „Nicht zuschußfähig sind Kosten der Straßenbeleuchtung." Was soll man denn von einem solchen Antrag halten? ({2}) - Sie haben in Hessen die absolute Mehrheit. Wir haben einen solchen Antrag hier nicht gestellt. ({3}) Dasselbe gilt für Versorgungsanlagen und Straßenbahnen. ({4}) Wenn Sie hier im Bundestag, wo Sie nicht die Verantwortung in dem Ausmaß tragen wie in Hessen, Anträge stellen, aber in einem Land, wo Sie die absolute Mehrheit haben, überhaupt nicht daran denken, diese Dinge dort 'in einer ähnlichen Weise zu regeln, dann setzen Sie sich eben dem Vorwurf der Doppelzüngigkeit aus. ({5}) - Herr Börner, ich würde Ihnen empfehlen, einmal den Hessischen Staatsanzeiger 1963, Seite 1125 unter diesem Gesichtspunkt zu lesen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Holger Börner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000225, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lemmrich, wenn Sie so die Straßenbaupolitik eines Bundeslandes kritisieren, wie erklären Sie sich dann, daß Ihr Fraktionsfreund und Bundesverkehrsminister Seebohm eben dieselbe Straßenbaupolitik desselben Landes bei seinen Besichtigungsreisen in diesem Lande immer so hervorragend gelobt hat?

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Börner, es ist möglich, daß ,der Herr Bundesverkehrsminister auch die Straßenbauverwaltung und Straßenbaupolitik des Landes Hessen gelobt haben mag. Aber mit solchen allgemeinen Dingen wollen wir uns hier nicht befassen. ({0}) Ich habe schon einmal dargelegt, was z. B. der von der CSU regierte Freistaat Bayern für den Straßenbau aufbringt und was Hessen tut. Diese Zahlen sind stichhaltig. Sie werden sie nicht widerlegen können, auch wenn sie damals so schmerzlich berührt haben. Es geht ganz konkret darum, daß Sie hier im Bundestag etwas fordern, was Sie im Lande Hessen nicht bereit sind zu tun. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Seibert.

Philipp Seibert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit der Frage der Senkung der Werkfernverkehrsteuer nicht beschäftigen. Ich teile die Meinung meiner Freunde aus der Fraktion und auch die Meinung des Herrn Rademacher und des Herrn Drachsler und bin für eine Rücküberweisung dieses Antrages an die Ausschüsse. Die 'bisherigen Ausführungen hatten ihren Schwerpunkt auf dem Gebiet der Politik des Bundesverkehrsministeriums. Ich möchte durch meine Ausführungen verhindern, daß der Herr Finanzminister und auch die Kollegen des Haushaltsausschusses unangesprochen bleiben. Denn letzten Endes ist die heutige Verkehrsdebatte auf die Diskussion über den Haushaltsplan und auf die harten Auseinandersetzungen über die Bereitstellung der Mittel für die Verkehrspolitik zurückzuführen. Jede Verkehrskonzeption, ob gut oder schlecht, richtet sich nach den finanziellen Mitteln. Diese Tatsache hat insbesondere die Deutsche Bundesbahn zu spüren bekommen. Viele der Ausführungen von heute haben sich mit dem Defizit der Deutschen Bundesbahn und mit Überlegungen beschäftigt, wie es beseitigt werden könne. Ich begrüße dies. Wir werden uns daran erinnern, wenn es darum geht, um das Geld zu streiten, also im Herbst dieses Jahres, wenn es um die Mittel im Haushalt geht. Ich hoffe, daß dann die Bereitschaft, das Defizit der Deutschen Bundesbahn zu beseitigen, ebenso einmütig festzustellen ist wie in der heutigen Verkehrsdebatte, wo es nicht um Mittel gegangen ist. Ich habe allerdings vermißt, daß endlich mal eine Klarstellung seitens der Regierung erfolgte, um welches Defizit es sich eigentlich bei der Deutschen Bundesbahn handelt. Wir wissen, ,daß die Deutsche Bundesbahn ihre Kriegsschäden mit 2 1/2 Milliarden DM beseitigt hat und daß sie auch heute noch Kriegsschäden in Höhe von 500 Millionen DM beseitigen muß. Es ist uns allen bekannt, .daß die Deutsche Bundesbahn erhebliche Mehrbelastungen aus ,dem 131er Gesetz und große Belastungen aus den erhöhten Versorgungslasten hat, die im Zusammenhang mit den Kriegs und Nachkriegsverhältnissen stehen. Allein die Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn betragen 56 % der aktiven Gehälter. Es ist uns bekannt, daß Wirtschaft und Industrie nur etwa mit 22 % Sozialkosten belastet sind. Nun geht es darum, diesen Überhang bis zu 56 % endlich einmal zu beseitigen und durch den Bund zu übernehmen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Seibert, wenn Sie die Beamten einmal abziehen und :dann die soziale Belastung errechnen, was bleibt dann von den 56 % übrig?

Philipp Seibert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe von Versorgungslasten gesprochen, Herr Kollege Ramms, und nicht von Renten. Bei den Versorgungslasten handelt es sich um Pensionen. Hier ist Idas, was ich gesagt habe, unbestritten. Wenn Sie es bezweifeln, dann 'bitte ich Sie, den vor wenigen Wochen veröffentlichten Bericht der Regierung zu lesen. Dort finden Sie diese Angabe bestätigt. Wir werden uns bei ,der Debatte über diesen Bericht mit den gleichen Zahlen zu beschäftigen haben. Meine Zahlen, die ich soeben ,genannt habe, decken sich ,auch mit den Angaben, die der Herr Minister vorhin in seinen Ausführungen gemacht hat.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie noch eine Frage?

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie nicht der Meinung, daß man, wenn man von Versorgungslast insgesamt 'bei der Deutschen Bundesbahn spricht, auch die Rentenversorgung mit hineinnehmen ,sollte? Dadurch sinkt der Prozentsatz automatisch ,auf - wenn ich nicht irre - 34 bis 36 %.

Philipp Seibert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ramms, es kommt nicht darauf an, welche Prozentsätze Sie zusammenstellen; es kommt darauf an, welche Belastung der Haushalt der Bundesbahn zu tragen hat. Um diese Summe geht es, und sie muß übernommen werden. Das ist anerkannt, und darüber werden wir uns zu unterhalten haben. Durch diese drei Positionen, die ich soeben angeführt habe, ist das unechte Defizit der Deutschen Bundesbahn entstanden, das zu den Angriffen und zu den Behauptungen in der Vergangenheit geführt hat, daß es sich um ,ein chronisches Defizit, um ein Faß ohne Boden, um ein Wohlfahrtsunternehmen mit eigener Eisenbahn handele. Ich spreche hier Behauptungen und Angriffe an, die uns allen wohl bekannt sind. Ich finde es an der Zeit, daß hier im Parlament endlich einmal durch den Sprecher der Regierung auf dieses unechte Defizit hingewiesen wird, um diese Frage zu klären und um zu verhindern, daß falsche Behauptungen zum Nachteil der Deutschen Bundesbahn aufgestellt werden. Es ist uns allen bekannt, daß erst seit 1957 ein teilweiser Ausgleich dieser von mir genannten Belastungen erfolgt. Die Öffentlichkeit spricht stets von Subventionen für den defizitären Betrieb; so wird es immer herausgestellt. Statt klarzustellen, daß es sich um betriebsfremde Lasten handelt, statt dazu überzugehen, die vollen Kosten zu übernehmen, .setzte der Bund eine Untersuchungskommission ein, die vom Bundestag bestimmt wurde. Diese Untersuchungskommission hat vier Dinge vorgeschlagen: 1. eine Rationalisierung der Bahn, 2. die Wettbewerbsentzerrungen zwischen den Verkehrsträgern, 3. die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bahn zu ordnen und 4. auch eine gewisse Tarifbeweglichkeit mit Wettbewerb, über deren Auswirkungen wir heute diskutiert haben. Der Kollege Müller-Hermann und auch einige andere Sprecher haben sich heute insbesondere auf die Rationalisierung versteift. Dazu möchte ich hier eindeutig folgendes sagen. Die Deutsche Bundesbahn hat in den vergangenen Jahren ihren Betrieb stets auf den notwendigen technischen Fortschritt eingestellt und hat auch in einer Weise rationalisiert, daß mehr als 50 000 Personen eingespart werden konnten, wie es der Bericht ebenfalls ausweist. Trotzdem sind im gleichen Zeitraum die Leistungen gestiegen, und es sind auch Arbeitszeitverkürzungen eingeführt worden. Herr Kollege Müller-Hermann hat heute vorgeschlagen, daß z. B. auch im Stückgutverkehr eine Rationalisierung ins Auge gefaßt oder daß sogar seine Aufgabe angestrebt werden sollte. Dem möchte ich entgegenhalten: Bevor die angestrebten Wettbewerbsentzerrungen durchgeführt sind, bevor echte verkehrspolitische Entscheidungen getroffen sind, ist es unmöglich, hier weiteren Vorleistungen der Deutschen Bundesbahn das Wort zu reden. Das möchte ich Ihnen, Herr Müller-Hermann, mit auf den Weg geben. Zur Frage der Wettbewerbsentzerrung liegt uns ein Bericht vor. Ich hoffe, daß dieser Bericht der Bundesregierung alsbald eine Diskussionsgrundlage für dieses Haus sein wird, um auf dieser Ebene echte Entscheidungen zu treffen. Auch zu den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn liegt ein Bericht vor. Ich hoffe, daß auch hier alsbald echte Ergebnisse erzielt werden. Was in den letzten Jahren versäumt wurde, ist doch die Abgeltung für Leistungen der Deutschen Bundesbahn für den Bund; ich meine hier Leistungen beim Berufsverkehr, Leistungen für die Sozialtarife, die Beförderungspflicht, die Betriebspflicht und die Vorhaltung von Transportreserven. Diese Leistungen der Deutschen Bundesbahn werden mit keinem Pfennig vergütet. Der Herr Minister sagte zwar vorhin, daß für Rationalisierungsmaßnahmen im Berufsverkehr ein Betrag ausgesetzt werde. Herr Minister, ich vermisse aber, daß dieser Betrag im Einzelplan 12 des Haushalts als eine echte Abgeltung gemäß § 28 des Bundesbahngesetzes ausgewiesen wird. Ich betone das deshalb, weil ich befürchte, daß die Herren Kollegen im Haushaltsausschuß bei den Diskussionen um die Klärung der finanziellen Beziehungen versuchen werden, diesen Betrag mit der vorgesehenen Übernahme der Versorgungslasten zu kompensieren. Damit das nicht geschieht, richte ich heute an Sie die ,dringende Bitte, dafür einzutreten - wir werden das auch tun -, daß die Abgeltungsbeträge des Bundes an die Bundesbahn echt deklariert im Haushalt erscheinen und damit dazu beitragen, auch das angebliche und unechte Defizit der Deutschen Bundesbahn auszugleichen. ({0}) Kein Privatbetrieb und kein Privatunternehmen wäre bereit, öffentliche Aufträge des Bundes auszuführen und dabei einen Verlust in Kauf zu nehmen. Der Haushaltsausschuß und auch der Finanzminister sind bereit, bei der Verabschiedung des Haushaltsplanes für öffentliche Aufträge die Mittel bereitzustellen, die den ausführenden Wirtschafts- und Industriekreisen auch einen garantierten Gewinn sichern. Wer das bezweifelt, den bitte ich, einmal die Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu lesen. Einzig und allein die Deutsche Bundesbahn muß Aufträge des Bundes ausführen, ohne dafür die volle Abgeltung zu erhalten. Wenn wir hier im Parlament die Deutsche Bundesbahnleitung daran erinnern, daß sie kaufmännisch handeln soll, daß sie sich nach dem Bundesbahngesetz richten soll, dann sollte aber auch der Finanzminister und sollte auch der Haushaltsausschuß kaufmännisch denken und die Deutsche Bundesbahn für Leistungen, die sie für den Bund erbringt, auch kaufmännisch anständig bezahlen. Dann ist das Problem gelöst. Der Güterverkehr der Deutschen Bundesbahn - das haben wir heute gehört - ist eigenwirtschaftlich. Er weist Überschüsse aus, und er rechtfertigt auch die beantragten Tarifsenkungen der Deutschen Bundesbahn. Der andere Teil bei der Deutschen Bundesbahn ist auch eigenwirtschaftlich, wenn der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt. Ich darf im Hinblick auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kurz einen Sprung über die Grenze nach Frankreich machen. Wir stellen fest, daß die Französische Eisenbahn nicht nur ihre Kriegsschäden voll beseitigt und bezahlt bekam, sondern daß sie laufend ein Entgelt erhält für Wegekosten, für Pensionslasten und für Tarifauflagen im sozialen Personenverkehr, so daß die französische Eisenbahn der französischen Wirtschaft preisgünstige Tarife anbieten kann. Die französische Regierung hat es auf diesem Gebiet verstanden, die Eisenbahn zu einem Instrument der preisgünstigen Tarifpolitik und auch zu einem Instrument der Straßenentlastung zu machen. Die Bundesregierung hat dies bis jetzt noch nicht verstanden. Ich hoffe, daß auch hier bald ein Wandel eintritt. Die Pflästerchenpolitik in unseren Verkehrsentscheidungen muß ein Ende haben. Um zu für alle Verkehrsträger und für die Verkehrsteilnehmer brauchbaren Entscheidungen zu kommen, halte ich folgendes für erforderlich: 1. eine alsbaldige Beratung des Berichtes über die Wettbewerbsverzerrungen auf dem Gebiet der Wegekosten, der Steuern und der sozialen Bedingungen der Verkehrsträger auf der Grundlage des Berichts der Regierung; 2. für die Deutsche Bundesbahn insbesondere eine Normalisierung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bahn auf der Grundlage des Berichts der Regierung vom 4. Mai 1964 und der Vorschläge der Europäischen Verkehrsministerkonferenz; 3. insbesondere verbindliche Zusagen der Regierung über die Abnahme derjenigen Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn, welche die Höhe von 30 Oh der Beamtenbesoldung übersteigen; 4. eine Trennung der Rechnungslegung von Personen- und Güterverkehr und eine volle Abgeltung der Leistungen aus dem Personenverkehr der Deutschen Bundesbahn infolge von Auflagen durch den Bund gemäß § 28 des Bundesbahngesetzes; ({1}) 5. eine Sicherstellung der echten Kapitalaufstokkung für mehrere Jahre, die den Investitionsbedürfnissen der Deutschen Bundesbahn Rechnung trägt. Nur bei Beachtung dieser Grundsätze und der darauf fußenden Entscheidungen wird es möglich sein, aus der seit Jahren bestehenden Misere herauszukommen. Ich bitte Sie daher, sich bei den künftigen verkehrspolitischen Entscheidungen auch für diese von mir vorgetragenen Gedanken einsetzen zu wollen. ({2})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz etwas zu Punkt 16 der Tagesordnung sagen. Es handelt sich um die Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen. Der Straßenzug Würzburg-Ulm-Kempten ist von einer entscheidenden raumordnerischen Bedeutung für den süddeutschen Raum. Er soll dieses Gebiet verkehrsmäßig besser erschließen. Diese Räume sind beim Bau der Eisenbahn ausgespart worden. Nachdem im Ausschuß festgestellt wurde, daß die Bundesregierung willens ist, die notwendigen raumordnerischen Maßnahmen zu ermöglichen, möchte ich die Bundesregierung bitten, dafür Sorge zu tragen, daß die Trassierung dieser Strecke, die beträchtliche Schwierigkeiten macht, bald in Angriff genommen wird. Ich darf meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß der Herr Bundesverkehrsminister diese Anregung realisieren wird. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ermuntert durch die Ausführungen unseres Kollegen Seibert, möchte ich trotz der Ermahnungen unseres sehr verehrten Herrn Präsidenten, uns kurz zu fassen, doch noch zwei Dinge sagen. Herr Kollege Seibert, ich bin mit Ihnen einer Meinung - wenn ich Sie recht verstanden habe -, daß die privaten wie die öffentlichen Verkehrsträger im Verkehr Chancengleichheit haben sollen. Davon gehen jedenfalls meine politischen Freunde von der FDP und ich aus. Wir gehen weiter davon aus, daß man bei der Durchprüfung der einzelnen Tarife untersuchen muß, ob sie betriebswirtschaftlich, kaufmännisch, kostendeckend richtig errechnet worden sind und ob sie, wenn man sie voneinander trennt, jeweils kostendeckende Tarife sind. Ich habe Sorge, wenn ich höre, wie die Tarifanträge der Deutschen Bundesbahn in der Öffentlichkeit teilweise begründet werden. Man spricht von Erhaltungstarifen und von Als-ob-Tarifen. Wenn man es richtig auslegt, heißt das dem Kriterium nach doch: Erhaltungstarif und Als-ob-Tarif sind Kampftarife gegen die anderen Wettbewerber mit dem Ziel, sie von diesem Verkehrsraum fernzuhalten oder sie daraus zu verdrängen. Wenn diese Auslegung richtig ist, dürfen Als-ob-Tarife normalerweise vom Minister niemals genehmigt werden. Ich mache aufmerksam auf die Präambel zu der Verkehrsnovelle von 1961, wonach das also „unlauterer, unbilliger Wettbewerb" wäre. Als-ob-Tarife wurden vor kurzem in Verbindung mit der Verhinderung des Baus des Saar-Pfalz- Kanals ins Feld geführt. Ich finde es geradezu grotesk, solche Art von politischen - sprich: verkehrswirtschaftlichen - Überlegungen überhaupt öffentlich in den Raum zu stellen. Darüber hinaus gibt es die Problematik, die mit dem sogenannten Sondertarif „Mosel" zusammenhängt, und es gibt die Tarife, die bei anderen Naßwasserplätzen gegen die Binnenschiffahrt eingeführt wurden. Ich glaube, das Ministerium ist sehr gut beraten, hier zu prüfen, ob diese Tarife echte Kostentarife oder Kampf- und damit Vernichtungstarife sind. Im Grundsatz bin ich der Meinung - das ist die Meinunig der ‘Freien Demokraten -: es ist ein Unterschied, ob ein Staatsbetrieb, wenn er keine kostendeckende Tarife hat und sie unter Umständen widerrechtlich genehmigt erhält, am Emde zum Bundesfinanzminister gehen kann und über den Bundeshaushalt, d. h. den Steuerzahler, das Defizit bezahlt bekommt oder ob der private Wettbewerber am Emde zum Konkursverwalter gehen und Konkurs anmelden muß, wenn er nicht kostendeckende Tarife ausgehandelt hat. Insofern ist der eine Wettbewerber in einer günstigeren Situation als der andere. Man kann nur wünschen und erwarten, daß die zur Zeit vorliegenden Tarife der Deutschen Bundesbahn daraufhin geprüft werden, ob sie wirklich kostendeckend sind. Das Ist die Aufgabe, die der Herr Minister hat. Zum zweiten, Herr Kollege Seibert. Es ist auch ein Unterschied, ob der private Wettbewerber seinen Tarif beim Bundesverkehrsminister und zusätzlich beim Bundeswirtschaftsminister vorlegen muß und ihn vielleicht genehmigt bekommt, und zwar nach den Gesichtspunkten der Festtarife oder Margentarife. Zum Teil ist ;es vorgekommen, daß dann das eine Ministerium nicht mit dem anderen übereinstimmt. Dann wind versucht, die Betreffenden zu ermuntern, sich auf einen ganz bestimmten Tarif zu einigen. Das ist nicht gut. Da ist die Bundesbahn in einer besseren Situation. Sie braucht den Tarif nur vorzulegen. Wenn nichts geschieht, muß der Herr Verkehrsminister entscheiden, ohne das Wirtschaftsministerium hören zu müssen. Auch da sind die Unterschiede rein formell sehr groß. Wir wünschen im Wettbewerb die formelle, rechtliche und sachliche Gleichstellung der privaten Verkehrsträger mit den öffentlichen Verkehrsträgern. Allgemeinpolitisch und ökonomisch gesehen ist das in etwa die Vorstellung, die im Ausschuß eigentlich 'auch Ihre Freunde haben sollten und hoffentlich bald haben werden. Ein zweites Problem ist ;die Beförderungsteuer. Ich kann Ihnen, Herr 'Kollege, nicht folgen, wie Sie den SPD-Antrag Umdruck 472 'begründet haben. Ich bin der Auffassung, daß wir den Vorstellungen des Verkehrsausschusses, den Beschlüssen des Finanz- und des Haushaltsausschusses dieses Hauses folgen. und dem Antrag auf Senkung der Beförderungsteuer auf 3 Pf - Drucksache IV/2043 - stattgeben sollten. Und warum? Herr Kollege Lemmrich hat angeführt, daß es ein Problem ist, entsprechend der Situation im EWG-Raum eine Gleichstellung zu schaffen. Das ist .eine Notwendigkeit, die sich aus den peripheren Räumen ergibt. Ich erinnere )daran, daß im Oldenburger Raum 60 % und in Schleswig-Holstein rund 49 % der Verkehrsbedienung vom Werkverkehr durchgeführt werden müssen. Ich erinnere daran, daß in vielen mittelständischen Betrieben der Werkverkehr einen unentbehrlichen mobilen Bestandteil darstellt. Auch diese Frage paßt durchaus konform in die Gesamtvonstellung einer marktorientierten, sozialwirtschaftlich orientierten und kostendeckenden Verkehrspolitik. Ich würde Sie also bitten, der Drucksache IV/2043 Ihre Zustimmung nicht zu versagen. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre meiner Ansicht nach eine falsche Optik, wenn wir heute davon ausgingen, daß die entscheidende Frage lautet: Für oder gegen die Bundesbahn, für oder gegen irgendeinen Verkehrsträger? Die entscheidende Frage ist heute nur: Wie schaffen wir es, ein leistungsfähiges, im kommenden internationalen Wettbewerb sich behauptendes Verkehrswesen zu erreichen? Nur darum kann es meiner Ansicht nach bei dieser Debatte gehen. Unsere gemeinsame Aufgabe, auch die Aufgabe der Opposition, sollte doch sein, den Zusammenhang zwischen Verkehrspolitik und der Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft herzustellen. Das bedeutet, daß wir die Grundlinie und die Ansätze, die in den sogenannten Verkehrsänderungsgesetzen 1961 aufgezeigt worden sind, endlich festigen und ausbauen. Zu der Wirtschaftspolitik aus einem Guß, zu der Wirtschaftspolitik ohne inneren Widerspruch gehört auch eine entsprechende Verkehrspolitik. Was uns not tut, ist die echte Integration der Verkehrswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft. Das Grundgesetz dieser sozialen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb. Der Wettbewerb ist das Mittel, das Gewinnstreben der Unternehmer sowohl anzuspornen ,als auch in Schranken zu halten und einen ständigen Ausleseprozeß auszulösen, durch den unrationell arbeitende Betriebe aus dem Produktionsprozeß ausgesondert werden. Damit entspricht das Gewinnstreben der Unternehmer zugleich dem Ziel einer optimalen volkswirtschaftlichen Produktivität. Überträgt man das Wettbewerbsprinzip auf den Verkehr, so führt es dazu, daß sich die Verkehrsunternehmen .auf diejenigen Leistungen konzentrieren, die von ihnen am günstigsten produziert werden können. Damit wird - so sagt uns Kollege Müller-Hermann zu Recht - das Gleichgewicht zwischen den Verkehrsarten hergestellt, das ihrer natürlichen Arbeitsteilung entspricht. Das Wettbewerbsprinzip gewährleistet besser als jede staatliche Reglementierung auch im Verkehr eine ökonomisch sinnvolle Aufgabenteilung. Das gleiche sagt auch der KapteynBericht des Europäischen Parlaments. Meine Damen und Herren, das Funktionieren des Wettbewerbs ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Auf der Seite der Nachfrage muß die Freiheit der Konsumwahl, auf ,der Seite des Angebots die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers gewährleistet sein. Der Wettbewerb muß weiter vor Verfälschungen geschützt sein, die von unterschiedlichen staatlichen Einflußnahmen auf der Kostenseite herrühren. Zunächst die freie Konsumwahl! Sie ist das entscheidende Steuerungsmittel, .an idem sich das Leistungsangebot des Verkehrs zu orientieren hat. Herr Kollege Dr. Bleiß, es muß idem Verkehrsnutzer und damit idem Verbraucher zur freien Entscheidung überlassen bleiben, welche Verkehrsart und welchen Verkehrsweg er benutzen will. ({0}) Die Wahlfreiheit des Verkehrsnutzers muß zwangsläufig auch das Recht zum Transport im Werkverkehr einschließen. ({1}) - Meine Herren, wenn Sie mich stören, dann .dauert es bloß länger. ({2}) Der Werkverkehr mit seinen ca. 3 % Anteil am Fernverkehr kann ohnedies, wie Herr Kollege Müller-Hermann gesagt -hat, nicht mehr sein als ein Hecht im Karpfenteich. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie vor diesen 3 % eine solche Angst haben. Der Verbraucher muß die Möglichkeit haben, zwischen Eigenverkehr und gewerblich betriebenem Verkehr zu wählen. Diese Entscheidung darf nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, nicht durch dirigistische Einflußnahme des Staates herbeigeführt werden. Der Transport ist nur eine von vielen wirtschaftlichen Funktionen, die in einem Unternehmen wirken. So ist die Ansicht der gesamten EWG. Herr Kollege Bleiß, Ihr Plan, eine Konzessionierung des Werkverkehrs einzuführen, ist nicht akzeptabel, auch schon deshalb nicht, weil gegen die bestehende Konzessionierung des gewerblichen Verkehrs in Karlsruhe bereits eine Verfassungsklage läuft. Darüberhinaus wissen Sie vielleicht auch, daß Professor Röpke, der große Interpret der liberalen Wirtschaftsform, sagt, daß jede künstliche Beschränkung des Werksverkehrs zum Schutze anderer Verkehrsunternehmen einen Eingriff in die Sphäre der elementarsten Freiheiten bedeutet. ({3}) Herr Kollege Bleiß, Ihre Sorge um die Ausdehnung des Werkfernverkehrs teile ich nicht. Bei den Erschwerungen, die dem werkseigenen Verkehr heute in einem Unternehmen auferlegt werden, glaube ich nicht, daß die Voraussage des Kollegen Rademacher zutrifft, daß sich jeder sofort nach der Absenkung auf den Werkverkehr umstellen wird, der bis jetzt mit dem gewerblichen Güterfernverkehr gearbeitet hat. Allerdings dürfte dort, so sagt auch der DIHT ganz klar, wo der Werkverkehr aus betriebsbedingten Gründen unentbehrlich ist, weder ein noch so attraktives Angebot der gewerblichen oder öffentlichen Verkehrsträger noch eine prohibitive Besteuerung ausreichen, den Einsatz werkseigener Fahrzeuge zu verhindern. Das Problem der revierfernen Gebiete hat Herr Kollege Lemmrich bereits behandelt. Auch der Versuch, diesen revierfernen Gebieten mit Konzessionen zu helfen, die man auf ein bestimmtes Gebiet festlegt, muß meiner Ansicht nach fehlschlagen, weil die im Augenblick gegebenen rechtlichen Möglichkeiten dies nicht erlauben. Diese Transportbetriebe sind wirtschaftlich handelnde Unternehmen, die mit Recht dahin gehen, wo sie am meisten verdienen können. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier angesichts des Grundrechtes der Freizügigkeit und der freien Berufsausübung eine Festlegung vornehmen könnte. Herr Kollege Bleiß, Sie sagten weiter, Sie hätten die Sorge, daß sich ,die 59 000 Fahrzeuge des WerkDr. Schwörer verkehrs nun plötzlich auf den Werkfernverkehr stürzten. Dazu ist zu sagen: Die Fahrzeuge des Werkfernverkehrs sind überwiegend kleine Fahrzeuge, ,die sich für einen Fernverkehr schon aus Gründen der Kapazität gar nicht eignen. Aber selbst wenn man annähme, daß ein Teil, vielleicht 10 %, dieser Fahrzeuge in den Fernverkehr geht, dann 'ist 'doch klar, daß dafür andere Fahrzeuge im Fernverkehr ausfallen; denn die Gütermenge kann doch nur einmal transportiert werden, Herr Kollege Haage, so daß damit nicht plötzlich doppelt so viel Fahrzeuge auf die Straße kommen können. Das ist doch, meine ich, eine Binsenwahrheit. ({4}) Die weitere Voraussetzung für einen Wettbewerb, so wurde heute verschiedentlich gesagt, ist die Gleichheit der Startbedingungen. Dieses Gebiet ist zugegebenermaßen eines der schwierigsten, weil jeder Verkehrsträger vom anderen behauptet, er sei benachteiligt, und 'der andere sei begünstigt. Hier, meine ich, muß das Verkehrsministerium endlich die Zahlen auf den Tisch legen, .auf Grund deren dieses Problem mit der notwendigen Klarheit gesehen werden kann. Man wird aber den Verdacht nicht los, daß 'das Argument der nicht geklärten Kostenbelastungen das gute Verzögerungsargument ist, das die Liberalisierung auf den St.-Nimmerleins-Tag verschieben 'helfen soll. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß eine gänzliche Gleichheit niemals zu erreichen sein wird. Dies ist auch in der übrigen 'Wirtschaft nicht der Fall. Dies war auch zu Beginn der sozialen Marktwirtschaft nicht der Fall, und trotzdem hat Professor Erhard zum Segen unserer ganzen Wirtschaft den Schritt in die Liberalisierung, den Schritt in den Wettbewerb gewagt. Ich frage Sie: Warum soll man nicht eine maßvolle Liberalisierung, wie es in den Verkehrsgesetzen vorgesehen ist, behutsam und zielstrebig weiter treiben und wirkliche Wettbewerbsverfälschungen in dem Augenblick, in dem man sie unwiderlegbar erkannt hat, abbauen? Das eine vom anderen im Sinne einer Gleichzeitigkeit abhängig zu machen würde heißen, daß jede Aktivität lahmgelegt wird. Das kann aber weder im Interesse des Verkehrsnutzers noch der Verkehrswirtschaft liegen. Ein Wort zu den oft zitierten Besonderheiten des Verkehrs. Wir sollten den Argumenten von den Besonderheiten mit der nötigen Skepsis entgegentreten. Es gibt in der ganzen Wirtschaft niemand, der nicht Besonderheiten für sich geltend machen kann. Die moderne Verkehrswissenschaft und in zunehmendem Maße auch die Verkehrspolitik bekennen sich dazu, daß der Verkehr keiner anderen Grundkonzeption als die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit unterliegen darf. Nur muß der Wettbewerb unter den Verkehrsträgern fair bleiben, d. h. die Ordnung des Wettbewerbs muß vom Staat überwacht werden. Aber diese Ordnung des Wettbewerbs, wie sie auch unser Kollege Müller-Hermann fordert, darf nicht eine irgendwie geartete Reglementierung beinhalten, die den Wettbewerb beschränkt oder gar ersetzt. Sie muß nur eine Aufstellung von Spielregeln sein, die dazu beitragen, daß der Preis seine marktregulierende Funktion ausüben kann. Nur auf diese Weise wird auch dem Verbraucher zum Nutzen, daß Verkehrswirtschaft nicht Selbstzweck ist. Die Verkehrswirtschaft muß durch 'den Wettbewerb täglich neu zur höchstmöglichen Rationalisierung angetrieben werden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Hermann Haage (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000759, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Schwörer, sind Sie der Meinung, daß man den Verkehr unter die allgemeinen Wirtschaftsaspekte einordnen kann, ohne dabei die Verkehrssicherheit überhaupt anzusprechen?

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe nur über die wirtschaftspolitischen Bedingungen gesprochen, unter denen der Verkehr stehen soll. Daß die Verkehrssicherheit hier auch eine Rolle spielt, bestreite ich nicht. Aber das liegt auf einer anderen Ebene und steht auch heute nicht zur Debatte. - Bitte sehr.

Hermann Haage (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000759, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie nicht der Meinung, Herr Dr. Schwörer, daß man zuerst diese Maßnahmen berücksichtigen sollte, bevor man zu Ihrem Antrag kommt?

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der vorliegende Antrag ist auch unter diesen Gesichtspunkten in allen Ausschüssen diskutiert worden, und er ist in den Ausschüssen angenommen worden, Herr Kollege Haage. Im Finanzausschuß haben auch die Kollegen von der SPD zugestimmt - teilweise -, und die anderen haben sich enthalten. Es ist also nach Prüfung aller Gesichtspunkte eine Zustimmung auch von Kollegen von Ihnen ({0}) erfolgt. ({1}) Ich sagte: die Verkehrswirtschaft muß durch den Wettbewerb täglich neu zur höchstmöglichen Rationalisierung angetrieben werden. Nur dadurch werden neue Möglichkeiten und technische Entwicklungen voll zum Nutzen der Allgemeinheit eingesetzt. Der bekannte Verkehrswissenschaftler, Professor Meyer, einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, sagt: Wir dürfen uns nicht von jenen beeinflussen lassen, die die Vorzüge des Wettbewerbs für das allgemeine Wohl zwar grundsätzlich anerkennen, aber eben nur für die anderen, während man für die eigene Unternehmung oder den eigenen Wirtschaftszweig mehr oder minder weitgehende Wettbewerbsbeschränkungen als unumgängliche Notwendigkeit fordert und häufig genug auch durchsetzt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zu unserer Entschließung sagen, die von dem kombinierten Verkehr spricht. Wir denken dabei an den Huckepackverkehr. Es ist mir bekannt, daß dieser Verkehr erst ab 250 km wirtschaftlich ist. Doch warum sollen wir nicht gerade die großen Fahrten teilweise auf die Schiene verlagern? Die Pkw-Fahrer und auch die Verlader, sogar die Lkw-Fahrer, die dann nicht die Nacht hindurch fahren müssen, weil sie ihre Fahrzeuge verladen können, werden darüber froh sein. Eines muß allerdings sichergestellt werden: daß alle Verkehrsträger, auch der Werkverkehr, dieses Mittel zu den gleichen Bedingungen benutzen dürfen. Man könnte sonst den Argumenten keinen Glauben mehr schenken, die eine Beschränkung des Werkverkehrs forderten zur Erzielung von Mehrverkehr für die Bundesbahn und zur Entlastung der Straßen. Mit diesen beiden Argumenten ist seinerzeit das Urteil in Karlsruhe erstritten worden. Hier läge eine auffällige Inkonsequenz vor, wollte man nur den gewerblichen Verkehr für den Huckepackverkehr zulassen. Die technischen Einrichtungen für den Huckepackverkehr sind noch umstritten. Ich darf aber auf eine Entwicklung hinweisen, die in meiner schwäbischen Heimat bis zur Produktionsreife gediehen ist. ({2}) - Ja, die schwäbische Eisenbahn! - Dem Verkehrsministerium und der Bundesbahn liegen die Unterlagen zur Begutachtung vor. Man sollte eine unvoreingenommene Prüfung vornehmen und sollte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn sie eine technisch gute Lösung darstellt. Ich glaube, daß alle Verkehnsträger, vor allem auch die Bundesbahn, eine gute rund sichere Zukunft vor sich haben, wenn sie am Wettbewerb - vielleicht nach gewissen Anpassungsschwierigkeiten - 1. die rationellste Form und Gestaltung ihres Unternehmens finden und 2. die ihnen gemäßen Güter zu idem auf Grund echter Kalkulation errechneten und im Wettbewerb erzielten Preis befördern. Mein Kollege Müller-Hermann hat in seiner ausgezeichneten Schrift - die ich Ihnen, Herr Kollege Haage zur Lektüre :empfehle ({3}) dargestellt, daß in Holland !die Eisenbahnen am ehesten als gesund anzusprechen sind und das Tarifniveau dort am niedrigsten ist. Diese Wirkungen kommen seiner Ansicht nach davon, daß die holländische Verkehrswirtschaft am meisten wettbewerbsorientiert ist, ({4}) - eine sehr lockere Kapazitätsregelung, Herr Kollege - während in den Mitgliedstaaten der EWG mit gemeinwirtschaftlicher Verkehrsbedienung die gegenteiligen Tendenzen festzustellen sind. ({5}) Dies kommt dem Straßenverkehr zugute. - Aber auch die Eisenbahn ist in Holland gesund. Das wissen Sie ja. Meine Damen und Herren, ich meine, wir sollten diesen bescheidenen Schritt zur Liberalisierung, diesen Schritt zur Senkung von 5 auf 3 Pf tun, und zwar im Interesse vor allem der Verbraucher. Ich kann mir nicht vorstellen, meine Kollegen von der SPD, daß Sie diesen Vorschlag ablehnen, nachdem doch von Ihrer Partei heute ;der Wettbewerb :ebenfalls offiziell zum tragenden Prinzip der Wirtschaftspolitik erklärt worden ist. Ihre Kollegen )im Finanzausschuß - das sagte ich schon - haben nach einer eingehenden Diskussion zum Teil zugestimmt, zum Teil sich der Stimme enthalten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Verhältnisse sich heute so stark geändert haben, daß nun plötzlich dieses harte Nein der SPD zu dieser Maßnahme ausgesprochen werden müßte; ich kann mir auch nicht vorstellen, lieber Herr Kollege Bleiß, daß Sie der Wirksamkeit der staatlichen Lenkungsmaßnahme mehr vertrauen als dem wirksamsten Instrument zur Lenkung der Wirtschaft, dem Wettbewerb. ({6}) - Es hat sich herausgestellt, daß diese Lenkungsmaßnahme nicht gewirkt hat, und ideshalb wollen wir sie konsequenterweise abbauen. ({7})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Einen Augenblick! Immer der Reihe nach. Herr Abgeordneter Dr. Schwörer, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schwörer, wenn Sie so stark gegen Lenkungsmaßnahmen sind, wollen Sie dann auch die Maßnahmen des Güterkraftverkehrsgesetzes aufheben? Dann sind Sie also praktisch gegen alle Kontingente? Sie können doch Ihre Meinung nicht immer nach idem einen oder anderen Fall sortieren! 'Entweder sind Sie gegen die Lenkung - dann müssen Sie für die Aufhebung sein - oder Sie sind für eine Lenkung - dann müssen Sie auch damit einverstanden sein, daß man diese auf den Werkfernverkehr anwendet.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich habe das alles mit einem Fragezeichen versehen, Herr Kollege. ({0})

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte in diesem Zusammenhang gerade auf Europa zu sprechen kommen, lieber Herr Kollege Bleiß. Sie wissen, daß in den EWG-Staaten :die Verhältnisse des Verkehrs ganz anders, und zwar viel liberaler, gestaltet sind. Deshalb meine ich, Sie sollten auch im Interesse unseres Weges nach Europa diese Steuersenkung mitmachen. Der Werkverkehr zahlt auch nach dieser Herabsetzung noch das Dreifache bei einer Steuer, die ab 1966 in der EWG auf gleiche Sätze für alle Verkehrsträger gesenkt werden muß. Zum Schluß darf ich, Herr Kollege Bleiß, noch darauf aufmerksam machen, daß das Bundesverfassungsgericht klar zum Ausdruck gebracht hat - Sie können es im Bericht des Finanzausschusses nachlesen -, daß bei einer neuen Verfassungsklage über die verfassungsrechtliche Situation wahrscheinlich anders entschieden wird, als es bei der Verfassungsklage im Mai letzten Jahres geschehen ist. Das wäre praktisch dann eine Absenkung auf 1 Pf. Ich glaube nicht, daß Sie das wollen. Ich möchte Sie deshalb bitten, doch Ihren Antrag zurückzuziehen und unserem Antrag auf Absenkung von 5 auf 3 Pf zuzustimmen. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mit einem gewissen Optimismus und einem Blick auf die Uhr annehmen, daß wir uns jetzt dem Ende der Debatte nähern. Infolgedessen möchte ich noch auf einige Punkte eingehen, die mir von Bedeutung erscheinen. Ich möchte mich sehr bedanken für die von allen Seiten sehr sachlich und sehr sauber geführte Debatte über einen bestimmten Ausschnitt der Verkehrprobleme und der Verkehrspolitik, in der manche Anregungen gegeben worden sind, die wir sehr gern für unsere weitere Arbeit verwenden werden. Ich möchte dabei gleichzeitig - am Ende dieser Debatte ist das, glaube ich, auch von mir aus notwendig - den Männern und Frauen der Eisenbahn, der Binnenschiffahrt und des Lastkraftwagens unseren Dank ,aussprechen, daß sie durch ihre fleißige Arbeit und ihre unermüdliche Tätigkeit die Grundlage für unsere wirtschaftliche Entwicklung schaffen. ({0}) Ich möchte in diesen Dank all die Männer einbeziehen, die im Verkehrswegebau tätig sind. Ich habe stets den Standpunkt vertreten - und ich vertrete ihn persönlich, wo ich nur kann -, daß die Zukunft unseres Verkehrswesens entscheidend von der rechtzeitigen Durchführung unserer Verkehrswegebaupläne abhängt. Hier werden nämlich ,die entscheidenden Grundlagen für die Verkehrspolitik in Deutschland und damit auch für unsere Rolle auf dem Gebiet der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik in Europa geschaffen. Im Grundsätzlichen habe ich zu dieser Debatte folgendes zu bemerken: Manchmal schien es mir so, daß im Hohen Hause und heute bei einzelnen Rednern die Auffassung vertreten wurde, daß ich hier sehen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel repräsenden Ministerrat der Verkehrsminister der Europäitiere. Das ist natürlich nicht 'der Fall. Ich habe im Gegenteil dort mit den anderen fünf Herren, die mit mir die sechs Länder repräsentieren, stets eine sehr lebhafte Auseinandersetzung über unsere vielschichtigen Probleme, und diese Herren sind keineswegs geneigt, etwa immer meinen Wünschen zu entsprechen. Das wissen und erleben auch unsere Freunde aus dem Europa-Parlament. Wir 'haben schon wiederholt zur Kenntnis nehmen müssen, daß im Europa-Parlament und im Wirtschafts- und Sozialausschuß Entscheidungen gefällt werden, die nicht den Wünschen unserer Repräsentanten dort entsprechen. Auf der anderen Seite hat Herr Börner bedauert, daß ich mich in solcher „splendid isolation" auf der Regierungsbank befände. Ich fühle mich aber gar nicht einsam in diesem Hohen Hause. Es waren viele Freunde hier, 'die zwar nicht oben auf der Bank, sondern im Saal in ihren Sesseln saßen, und insofern befand ich mich heute in durchaus guter und angenehmer Gesellschaft. Ich muß immerhin bemerken: der Bundesminister für Verkehr ist zwar Mitglied der Bundesregierung, aber er ist nicht die Bundesregierung, sondern er kann dort auch nur als einer von recht vielen Ministern immer wieder versuchen, seinen Wünschen, seinen Gedanken und seinen Tendenzen zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Bemühungen werden natürlich durch die Beschlüsse des Hohen Hauses entscheidend gefördert und getragen. Dafür bin ich dankbar. Wir können allerdings mit den Beschlüssen dieses Hohen Hauses in erster Linie nur nationale Entscheidungen herbeiführen. Mit Recht hat aber Herr Kollege Faller darauf hingewiesen, daß wir heute solche nationalen Entscheidungen gerade im Bereich des Verkehrs nicht treffen können, ohne zu berücksichtigen, wie sie sich in die kommenden Entscheidungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und darüber hinaus in die Entscheidungen der gesamten freien Länder Europas einfügen werden. Wir unterscheiden neben dem nationalen Bereich den Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Bereich jener 18 Länder, die in der Ständigen Konferenz der Europäischen Verkehrsminister vertreten sind. Damit wir uns in der Diskussion immer richtig verstehen, haben wir uns die Vokabeln so zurechtgelegt, daß wir von der Gemeinsamen Verkehrspolitik sprechen, wenn wir die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft meinen, und von der Allgemeinen Verkehrspolitik, wenn wir darunter die gesamteuropäische Verkehrspolitik verstehen. Wir sind bei unseren nationalen Entscheidungen auf dem Verkehrsgebiet natürlich an die Gesetze gebunden, die der Gesetzgeber 1961 und später gesetzt hat. An diese Gesetze, verehrter Herr Kollege Löbe, haben wir uns zu halten, und diese Gesetze haben wir, so gut wir das eben verstehen, auszulegen und anzuwenden, ob wir nun damit voll übereinstimmen oder nicht. Wir können nicht gegen die Gesetze oder gegen den Sinn der Gesetze handeln. Der Sinn dieser Verkehrsgesetze von 1961 ist in den Ausführungen des Herrn Kollegen Drachsler sehr zutreffend gekennzeichnet worden. Ich glaube, ich kann mich darauf beziehen und brauche nicht nochmals darauf einzugehen. Wir haben in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Gemeinsame Verkehrspolitik zu verfolgen, die auf dem Römischen Vertrag beruht. Die Auffassung der Bundesregierung kann deswegen keine andere sein, Herr Kollege Rademacher, als die, die auch von unserem Herrn Kollegen Dr. Müller-Hermann im Europa-Parlament vertreten worden ist, nämlich daß die Mannheimer Akte soweit den Bestimmungen des Vertrages von Rom angepaßt werden muß, daß eine gemeinsame Verkehrspolitik möglich ist. Wir können keine Verkehrspolitik in Europa betreiben, in der der Rhein oder ein anderes Gebiet eine Sonderstellung einnimmt. ({1}) Offenbar herrscht bei den Damen und Herren hier im Hause nicht absolute Klarheit darüber, daß es uns seinerzeit beim Abschluß des Römischen Vertrages gelungen ist, sicherzustellen, daß auch nach Ablauf der sogenannten Übergangsperiode, also auch nach 1966, bei allen besonders wichtigen Verkehrsfragen im EWG-Ministerrat die Einstimmigkeit notwendige Voraussetzung für die Durchführung von Maßnahme bleibt. Insofern sind wir in einer etwas anderen Situation als unsere Freunde von der Landwirtschaft. ({2}) - Jawohl, das steht im Vertrag, und deswegen können wir uns auch immer daran halten. Was die Kommission jetzt als besonders wichtig betrachtet, wird auch später seine besondere Wichtigkeit behalten und der Einstimmigkeit bedürfen. ({3}) Ich darf feststellen, daß wir im Zusammenhang mit dieser gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik eine Übereinstimmung mit der nationalen Verkehrspolitik herzustellen haben. Wir sind uns allgemein darüber klar, daß diese Verkehrspolitik auf drei eng miteinander verbundenen Säulen beruht, nämlich der Beschränkung der Zulassung zum Markt, der Preisfestsetzung, die von der Art und Weise der Beschränkung der Zulassung zum Markt abhängig ist, und der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen, die die Voraussetzung dafür ist, daß wir auf den beiden anderen Gebieten wirklich gute Entscheidungen treffen können. Es ist wesentlich, das immer wieder festzustellen. Es ist klar, daß wir immer den Standpunkt vertreten haben - ich habe es auch heute schon wiederholt -, daß die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Lande und in Europa im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik für uns eine vorrangige Angelegenheit ist. Wir fügen uns nur sehr ungern der Tatsache, daß sich dieser Vorrang nicht absolut durchsetzen ließ, weil die Angleichung ,der Wettbewerbsbedingungen eine ungewöhnlich komplizierte Frage ist. Diese Kompliziertheit zeigt sich darin, daß diese Fragen nicht von dem Verkehrsressort allein beantwortet und geregelt werden können, sondern daß hierbei in entscheidender Weise die Finanzminister, die Wirtschaftsminister und die Arbeitsminister auf europäischer Ebene mitzuwirken haben und daß wir bei der Entscheidung über die Grundlagen, die wir diesen Häusern vorzuschlagen haben, natürlich nur mitberatend tätig sein können. Die entscheidende Folge der Gesetze, die wir 1961 erlassen haben, ist naturgemäß im nationalen Raum, daß wir aus dem Leistungswettbewerb zwischen den Verkehrsträgern in den Preiswettbewerb unter den Verkehrsträgern eingetreten sind. Ich habe seit 1961 immer wieder darauf hingewiesen, daß nunmehr die scharfe Luft des Wettbewerbs den Verkehrsträgern entgegenweht und daß es deshalb nicht mehr möglich ist, wie es früher in Zeiten des reinen Leistungswettbewerbs durchaus möglich und durchführbar war, daß wir uns - sozusagen gemütlich - zu einem Runden-Tisch-Gespräch 'zusammenfinden. Das gab es nur in der Periode des Leistungswettbewerbs. In Zeiten des Preiswettbewerbs aber geht das natürlich nicht mehr; denn jetzt geht es bei jedem Verkehrsträger und jedem Verkehrsunternehmen um die Existenz oder, wie man so schön sagt, „um die Wurst". Deswegen ist es ja auch wichtig, sich darüber klar zu werden, wie wir diese Gesetze in den drei Jahren, seitdem sie bestehen, praktiziert haben. Wir haben uns das nicht leicht gemacht; wir haben die Richtlinien deswegen nicht früher zur Diskussion stellen und nicht früher erlassen können, weil wir eben die Begriffe, die diese Gesetze geprägt haben, wissenschaftlich untersuchen lassen mußten, weil wir die Begriffsdefinitionen bei uns erproben mußten und weil wir die Gesetze in diesen drei Jahren praktizieren nud dabei Erfahrungen sammeln mußten, um damit die Grundlagen für die Richtlinien zu erarbeiten. Daß dabei jener strenge Maßstab an die Prüfungen angelegt worden ist, der heute so oft rhetorisch verlangt wurde, ist ja grade die wesentliche Grundlage für diese ganze bisherige Entwicklung gewesen, die von den Betroffenen natürlich beklagt wird. Wir sind uns aber darüber im klaren gewesen - und darauf hat Herr Kollege Faller hingewiesen -, daß wir bei der Auslegung dieser Begriffe nur zur Zeit noch von der gesetzlichen Situation in der Bundesrepublik ausgehen können, nämlich solange noch keine endgültigen Entscheidungen in Brüssel gefallen sind. Diese heutige gesetzliche Situation schreibt nach meiner Auffassung nicht vor, daß die Marktgerechtigkeit eines beantragten Preises geprüft und festgestellt werden muß. Ich persönlich bin der Meinung, lieber Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, daß sich die Marktgerechtigkeit einer solchen Maßnahme erst im Markt erweist und daß man sie nicht vorher prophetisch erkennen kann. Aber darüber sind, wie Sie wissen, die Auffassungen geteilt. Ich darf Ihren Bemerkungen zu Ihrer Kenntnis nur noch hinzufügen, daß der Herr Bundesminister der Justiz schon hat durchblicken lassen, daß er die „Marktgerechtigkeit" nicht in Zusammenhang mit den Begriffen „unlauter" und „unbillig" sieht, sondern nur in Zusammenhang mit dem Begriff des „allgemeinen Wohls". Das heißt, die Marktgerechtigkeit brauchte nur dann einer echten Prüfung vor Antragsgenehmigung zu unterliegen, wenn das allgemeine Wohl durch die beantragten Tarife in Frage gestellt wäre. Wir sind uns aber darüber völlig einig, daß die neuen Verkehrsgesetze den Verkehrsträgern die Möglichkeit geben, entweder Festtarife oder Margentarife zu beschließen, daß also die Frage, ob ein Tarif nur dann marktgerecht sein kann, wenn er ein Margentarif ist, eigentlich nur in dem Fall zur Prüfung und zur Entscheidung kommen darf, wenn durch den vorgeschlagenen Tarif das allgemeine Wohl in Mitleidenschaft gezogen ist. Wir werden ja sehen, wie sich die Dinge weiterhin entwickeln. Ich glaube aber, daß unsere Auffassung die richtige Linie ist; wenn man von dieser Linie abweichen will, dann müßte man die Gesetze ändern. Nun ist es aber so, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir ja 'in Europa nach dem Antrag der Kommission und nach den Entscheidungen, die der Wirtschafts- und Sozialausschuß getroffen hat und die auch das Europäische Parlament schon hat anklingen lassen, bereit sind, gemeinschaftlich ein System der Margentarife in Europa einzuführen. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, daß Eisenbahn, Straßenverkehr und Binnenschiffahrt im nationalen und internationalen Verkehr der Gemeinschaft in dieses Tarifsystem mit einer Spanne von 10 bis 30 % einzubeziehen sind, daß es daneben keine Festtarife mehr gibt, daß Sondervereinbarungen nur in ganz bestimmten Fällen 'zugelassen sind und daß die Margen der Tarife veröffentlich werden müssen. In der Entscheidung, die sich im Europa-Parlament anzubahnen scheint, ist davon gesprochen worden, daß man diese Margentarife für eine verhältnismäßig kurze Zeit, für drei Jahre, einführen solle, um sie auszuprobieren. Ich halte das für abwegig. Ich bin der Auffassung, daß wir, wenn wir uns entschließen sollten, so wie es die Kommission vorgeschlagen hat, national und international bei allen drei Binnenverkehrsträgern ganz generell in das System der Margentarife einzutreten, dann dieses Tarifsystem für eine nicht begrenzte, also viel längere Zeit festlegen sollten, weil wir sonst aus der Unsicherheit in der Festsetzung der Tarife und der Frachtpreise überhaupt nicht herauskämen und der verladenden Wirtschaft den schlechtesten Dienst erweisen würden. Ich bin aber auch der Auffassung, Herr Kollege Faller, daß die Problematik der Margentarife gar kein solches Buch mit sieben Siegeln ist, sondern daß man sich sehr klar darüber sein kann, wie diese verschiedenen Tarifsysteme zueinander stehen: Die Festtarife, die wir haben, sind staatlich festgelegte Preise; die Margentarife, wie sie die Kommission vorschlägt und zu denen auch ich mich bekenne, sind Verkehrsträgertarife; und das, was als dritte Möglichkeit am Rande steht, sind die reinen Sonderabmachungen, das sind reine Unternehmenstarife. Hier müssen wir uns darüber klar werden, ob wir nicht im Interesse der Verkehrsträger darauf bestehen sollten - auch für die Zukunft -, daß wir, wenn wir schon in der EWG keine staatlich festgelegten Preise in Form der Festtarife mehr behalten können, wenigstens für die Dauer erreichen, daß wir Verkehrsträgertarife bekommen und nicht 'in die Unternehmertarife abgleiten, in denen die Verkehrsträger ja ihr Recht der Eigenständigkeit weit mehr verlieren, als sie es heute haben, und sogar mehr, als sie eis in der Zeit der Festtarife gehabt haben. Ich bin also der Auffassung, daß wir uns dieser Frage sehr klar stellen sollten, und stehe deswegen dafür, daß wir die Margentarife anerkennen sollten. Ich möchte Ihnen für 'diese Margentarife, bei denen man ja so vielfältig verschiedener Auffassung ist, eine Formulierung mit auf den Weg geben, die Herr Professor Dr. Jürgensen vor wenigen Tagen gefunden hat. Es geht nämlich bei den Margentarifen entscheidend um die Bandbreite und um die Mittellinie dieser Bandbreite. Jürgensen hat ganz klar gesagt: Diese Mittellinie muß den Durchschnittskosten der Teilmärkte entsprechen. Was heißt das? Das heißt, daß diese Mittellinie den Verkehrsträgern eine auskömmliche Existenz sichern muß, wenn diese Preise angenommen werden. Die Ober-und die Untergrenze der Bandbreite, sagt Professor Jürgensen, sollen sowohl Marktmacht als auch ruinöse Konkurrenz verhindern. Damit haben Sie praktisch das, was die Margentarife darstellen: eine Bandbreite, in der die Mittellinie das Existenzminimum für die Verkehrsträger eindeutig sichert, eine obere Grenze, die verhindert, daß eine Marktmacht sich ausbreitet, und eine untere Grenze, die einen ruinösen Wettbewerb verhindert. Ich glaube, das ist eine sehr eindeutige und klare Definition, die uns bei unseren weiteren Erörterungen voranbringen kann. Wir haben ja im Güterfernverkehr, wie ich Ihnen sagte, schon Margentarife auf der Straße seit dem 1. Januar 1964 in bezug auf bestimmte Baustoff-Ausnahmetarife, und hier zeigen sich bisher ganz gute Ergebnisse. Ich glaube also, daß die Furcht vor den Margentarifen allmählich überwunden werden sollte im Interesse einer guten weiteren Entwicklung des ganzen Tarifwesens innerhalb Europas. Nun gibt uns natürlich dieses Tarifwesen innerhalb Europas auch noch eine Reihe von anderen Aufgaben auf, die wir bei unserer heutigen Diskussion teils berücksichtigt fanden, teils aber offenbar noch nicht so richtig erkannt haben, wie es mir notwendig erscheint. Ich darf mir erlauben, auf diese Sache noch einmal einzugehen. Wenn z. B. die Deutsche Bundesbahn jetzt in der Auseinandersetzung um die weitere Entwicklung in Europa und nicht etwa nur wegen der Aufstockung der Konzessionen und der Entwicklungen im Güterkraftverkehr ihre Regeltarife ändert, so löst sie damit die ihr von dieser Entwicklung gestellten Aufgaben. Jedenfalls beginnt sie damit. Andererseits ließe sich kein Verkehrsträger anbinden, wenn er z. B. eine besondere neue technische Entwicklungsstufe durchmachen würde; denn es gibt im Verkehr immer Zeiten, in denen wir aus der Natur der technischen Dynamik heraus in der Lage sind, durch neue Entwicklungen Besonderheiten für einen der Verkehrsträger herauszuholen. Vergessen Sie bitte nicht, daß z. B. die Bundesbahn bisher der einzige Verkehrsträger ist, der sich die Elektrizität als Antriebskraft im großen Maße hat zunutze machen können, während das die anderen Verkehrsträger bisher nicht erreicht haben. - Also auch von der technischen Seite her gibt es hier eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Wettbewerbslage entscheidend zu verändern. Das ist keine Wettbewerbsverzerrung. Die Bundesrepublik muß ja versuchen, mit ihrer Tarifpolitik in diesen europäischen Rahmen hineinzuwachsen. Wenn also die Bundesbahn nun im Zusammenhang mit der jetzigen nationalen Entwicklung nicht etwa ihre Tarife senkt, sondern in erster Linie einen Umbau der Wertstaffel vornimmt, dann handelt sie meiner Ansicht nach durchaus folgerichtig und zweckmäßig im Sinne ihres und damit auch unseres Hineinwachsens in die europäischen Verkehrsmärkte. Was ist denn mit dieser Wertstaffel los? Diese Wertstaffel hatte bei uns nur Existenzberechtigung solange die Eisenbahn in vollem Maße ein Monopol besaß. Damals war sie in der Lage, zugunsten der weniger hochwertigen Güter und zugunsten ihrer regionalen Verpflichtungen sich entsprechend tarifarisch einzustellen. Sie verstand, ihren Ertragsausgleich aus der stärkeren Belastung der hochwertigen Güter herauszuholen, die diese relativ geringe zusätzliche Preisbelastung für den Transport preismäßig ertragen konnten. Die Werttarifstaffel, die die Eisenbahn früher hatte, ist aber seit dem Jahre 1920, also seit der Zeit der ersten Inflation, und seit dem Aufkommen der 'neuen Konkurrenz durch den Lastkraftwagen, in ihrem Spannungsverhältnis in einer laufenden Entwicklung immer mehr und mehr abgebaut worden. Im Jahre 1930 betrug das Spannungsverhältnis noch 100 : 27; 1936 war es 100 : 34,3, 1950 100 : 49,1, 1953 100 : 56,5, 1958 100 : 64,1. Jetzt liegt der Vorschlag vor, es in 100 : 78 zu ändern. Sie sehen also daß die Wertstaffel eine Methode der Tarifierung ist, deren Abbau nicht etwa seit heute oder gestern erfolgt, sondern schon auf eine lange Entwicklung zurückgeht, nähmlich auf eine Entwicklung in einem Zeitabschnitt, in dem die Konkurrenz anderer Verkehrsträger mehr und mehr den Monopolcharakter der Bundesbahn zerstört und sie gezwungen hat, in den Wettbewerb hineinzusteigen. Im Zuge dieser Entwicklung mußte die Wertstaffel logischerweise abgebaut werden, und dieser Abbau vollzieht sich heute weiter zügig. Aber er vollzieht sich jetzt auch und sehr wesentlich im Hinblick auf die europäischen Verhältnisse. In Europa haben wir nämlich folgende Situation: Frankreich kennt eine Wertstaffel überhaupt nicht. Belgien drängt die Wertstaffel durch Tarifänderungen fortwährend zusammen. Osterreich befindet sich ebenfalls in diesem Prozeß der Zusammendrängung, und auch .die Schweiz nimmt diese Zusammendrängung vor. In den anderen Ländern ist eine Wertstaffel praktisch nicht vorhanden und wirksam. In einen Margentarifsystem findet die Wertstaffel keinen Raum mehr. Wir müssen uns darüber klar sein, ,daß auch bei .dem Schritt in das Margentarifsystem hinein eine Umstellung, ja ein Aufheben der Wertstaffel erfolgen muß. Die Bundesbahn drängt sie jetzt von 100 : 64,1 auf 100 : 78 zusammen. Sie geht damit ganz logisch vor. Sie wird diesen Weg weiter verfolgen müssen, damit sie nicht 1970 oder vielleicht schon früher, wenn wir plötzlich bei allen drei Verkehrsträgern vor dem Margentarifsystem stehen, genötigt ist, schlagartig diese Verhältnisse in ihrem Tarifsystem zu ändern; denn das würde sich dann plötzlich und unerträglich stark zum Uniheil der anderen Verkehrsträger und der verladenden Wirtschaft auswirken; beide Gruppen haben jetzt die Möglichkeit, sich langsam an diese neuen, auf uns zukommenden Verkehrsverhältnisse zu gewöhnen. Deswegen ist diese Tarifpolitik der Bundesbahn durchaus richtig. Wir müssen die Tarifpolitik der Bundesbahn aber auch noch aus einem anderen Grunde verstehen. Sie bekommt von uns immer wieder die Forderung vorgelegt, gewisse Randgebiete zu fördern. Ich erinnere Sie z. B. an die Als-Ob-Tarife an der Saar und an die tariflische Unterstützung der Oberpfalz oder Schleswig-Holsteins. Das sind alles Angelegenheiten, die mit verdaut werden müssen. Das kann man natürlich dann nicht unter das Motto „Abstoßung von nicht rentablen Leistungen" subsumieren. Wenn die Bundesbahn so frei wäre, daß sie alle nicht rentablen Leistungen abstoßen könnte, dann könnte sie sich verhältnismäßig leicht aus dieser ganzen defizitären Entwicklung herausbegeben. Was würden aber wir im Deutschen Bundestag dazu sagen? Wir würden voll Empörung auf Barrikaden steigen und der Rundeisbahn sagen, daß sie als ein Sondervermögen des Staates nicht 'berechtigt ist, sich von diesen Verpflichtungen gegenüber dem allgemeinen Wohl zu befreien. Selbst wenn die Gemeinwirtschaftlichkeit dort ,aufhört, wo die roten Zahlen beginnen, bleibt ihr diese Verpflichtung, daß sie sich in ihrem Verhältnis zur gesamten Öffentlichkeit doch anders verantwortlich zu fühlen hat, als das der einzelne Verkehrsunternehmer innerhalb der anderen Verkehrsträgerarten tun kann. Das sollten wir richtig sehen. Das gilt z. B. auch für die Frage des Stückgutverkehrs. Man darf nicht vergessen, daß ein derartig umfangreicher Verkehr - bitte denken Sie daran, daß für den Stückgutverkehr jeden Tag 18 000 Wageneinheiten von etwa 65 000 Wageneinheiten zur Verfügung zu stellen sind -, ein solcher Brocken für die Deckung der Basiskosten von erheblicher Bedeutung ist. Wir dürfen infolgedessen hier nicht einfach das Kind mit dem Bade ausschütten. Nun ist sehr eindeutig von der wachsenden Konkurrenz des Lastkraftwagens gesprochen worden. Eines ist ganz klar: Sie brauchen ja nur die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu übersehen, um sich darüber ein Bild zu machen, daß der Anteil des Lastkraftwagens - ob Sie ihn lieben oder nicht - am Güterverkehr von 2 % auf annähernd 20 % gestiegen ist, und zwar auf Grund seiner natürlichen technischen Voraussetzungen. Diese natürlichen technischen Voraussetzungen werden ihm auch in Zukunft in starkem Maße zu Gebote stehen und seine Wirtschaftlichkeit untermauern. Er hat sie ja noch gar nicht richtig ausgenützt. Wir haben immer wieder gefordert, daß endlich einmal eine Trennung des sogenannten RKT vom DEGT vorgenommen werden sollte. Diese Trennung kann nur vorgenommen werden, wenn die Lastwagenunternehmer sich bereit finden, ihre besondere Fähigkeit der Haus-Haus-Bedienung gegenüber der BahnhofBundesminister Dr.-Ing. Seebohm Bahnhof-Bedienung der Bundesbahn auch in einem erhöhten Preis zum Ausdruck zu bringen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, und ich habe das schon vor Jahren gesagt: der Lastkraftwagen-Unternehmer kann, ohne daß er dadurch 1 Pfund an Ladungsaufkommen verliert, ohne weiteres einen um 3 bis 4 % höheren Preis für seine in der Natur der Sache liegende bessere Verkehrsbedienung verlangen und wird ihn auch bekommen. Deswegen ist seine Möglichkeit der Verkehrsbedienung durch die neuen tarifarischen Maßnahmen keineswegs so eingeschränkt, wie das hier gelegentlich dargestellt wird. Das gibt auch keine Preiserhöhung, sondern nur eine geringere Tarifermäßigung. Daß man sich im Gewerbe selbstverständlich angesichts einer Entwicklung, in die man gegen seinen Willen hineingestellt wird, wehrt und daß man sagt: Mein Gott nochmal, ich habe doch diese Entwicklung nicht gewollt, warum soll ich darunter leiden?, ist ganz klar. In jedem scharfen Wettbewerb ist es eben so, daß man sich sowohl mit Worten als auch mit Taten wehrt. Man sollte infolgedessen das Getöse, das heute in der Öffentlichkeit wegen dieser Umstellung vom Leistungswettbewerb auf den Preiswettbewerb im Verkehr ertönt und mit dem diese Umstellung untermalt wird, nicht überbewerten. Erst kommt das große Wort, dann folgt hoffentlich die Vernunft und verdichtet sich zur Tat, und ich hoffe, daß die Tat, also die Tarifanpassung, so ausfällt, daß alle Beteiligten dabei dann ihre Rechnung finden werden. Dazu kommt nun noch eine weitere Frage, nämlich die Frage der Abmessungen und Gewichte. Herr Kollege Müller-Hermann und andere Herren haben das Problem ja in sehr ernster Form angesprochen. Herr Kollege Faller hat gesagt, wir sollten nun endlich einmal kompromißbereit sein. Herr Kollege Faller, ich bin in allen Dingen kompromißbereit, nur nicht bezüglich der 13-t-Achse, weil diese 13-t-Achse auf unseren Straßen nicht vertretbar ist, und zwar wegen der hohen Zahl der Überrollungen. ({4}) Es ist etwas ganz anderes, ob ich bei einem so sanften Verkehr wie etwa in Frankreich einmal einen Wagen mit einer 13-t-Achse laufen lasse als bei uns, wo einer dieser Wagen dem anderen folgt und wodurch unsere Straßen trotz besseren und festeren Ausbaus zerstört werden. ({5}) Die Folgen können wir nicht bezahlen; denn es geht hier nicht nur um die Reparaturkosten, sondern es geht vor allem darum, daß dadurch Stockungen und Unterbrechungen im Verkehrsablauf eintreten, die wir alle unbedingt vermeiden müssen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Walter Faller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß ich als einziger im Europäischen Parlament gegen die 13-t-Achse gestimmt habe?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich weiß das, Herr Kollege Faller; aber weil Sie mich so zu einem Kompromiß gedrängt haben, wollte ich Ihnen doch wenigstens sagen, daß wir beide in diesem Falle sicherlich nicht der Meinung sind, wir könnten bei der Achslast den Weg des Kompromisses gehen, während wir in anderen Fragen durchaus bereit sein können, uns mit den anderen Ländern zu einigen. Wir müssen uns aber mit den anderen Ländern auch einigen können. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, daß die Auffassung z. B. unserer französischen Freunde bezüglich der Länge und des Gesamtgewichts sich von dem Vorschlag der Kommission heute noch erheblich unterscheidet. Ich bin sehr gespannt, ob der zuständige Minister seine Auffassung, die er mir vor wenigen Wochen dargelegt hat, noch ändern kann. Wir sind jedenfalls bereit, in diesen Fragen nachzugeben, wenn auch Frankreich mitgehen kann. Was ich dabei sehr bedauere, ist, daß man öffentlich immer nur von Achsgewicht, Länge und Gesamtgewicht spricht und völlig die anderen Daten vergißt, die für die Abwicklung des Verkehrs von großer Bedeutung sind, wie etwa die Probleme der Kurvenläufigkeit und wie insbesondere das Problem der Zahl der PS pro Tonne. Man will ja in Brüssel in dieser Frage nur 5,5 PS pro Tonne zugestehen. Das bedeutet praktisch, daß wir bei einem normal ausgelasteten Zug dann eine Maxilmalgeschwindigkeit von 20 km/h bei 4%iger Steigung haben. Das zwingt uns also, wenn wir einen flüssigen Verkehr haben wollen, dazu, praktisch überall, selbst bei ganz geringen Steigungen, Kriechspuren einzubauen, und das kostet natürlich wieder außerordentlich viel Geld. Ich wäre sehr glücklich, wenn man die Herren überzeugen könnte, daß sie zu mehr PS/t kommen müssen, um diesen Forderungen eines flüssigen Verkehrs Rechnung zu tragen. Wenn Sie bedenken, daß z. B. der Porsche 1 PS auf 8 kg unter der Haube hat und daß wir bei den Lastkraftwagen nur 5,5 PS/t haben sollen, dann sehen Sie, daß es natürlich außerordentlich schwierig ist, einen so gemischten Verkehr auf der Straße einigermaßen gleichmäßig und flüssig abzuwickeln. Wir sind in Brüssel nicht allein - ich darf das noch einmal unterstreichen -, und es ist deswegen keineswegs gesagt, daß wir am 22. dieses Monats bereits mit einem vollendeten Kompromiß nach Hause kommen. Wir bemühen uns darum schon in sehr vielen Einzelverhandlungen und haben versucht, den Acker für diese Ernte in Brüssel zu bearbeiten. Aber Sie wissen ja: wenn man in Brüssel Samen ausstreut, so geht dieser Samen nicht immer auf. Ich brauche nur an andere Verhandlungen zu denken. In bezug auf den Werkfernverkehr möchte ich Sie doch noch auf folgendes aufmerksam machen. Ich bin der Auffassung, daß der Werkfernverkehr, weil er sich in Europa, also auch in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, völlig frei bewegt, auch bei uns naturgemäß dann nicht mehr gebunden werden kann. Wir werden nur noch mit Mühe versuchen können, eine gewisse Selektion zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durchzuführen. Diese Lage mag bedauerlich sein, und sie entspricht auch nicht der Linie, die ich bisher ein6358 gehalten habe. Aber ich muß auch hier den Kompromiß machen, daß Europa in der gemeinsamen Verkehrspolitik ein größeres Gewicht hat als die Wünsche, die wir national berechtigt haben, sofern die Belastungen noch von uns ertragen werden können. Ich stimme also insofern der Aufforderung zu, daß wir auch uns in der Beziehung „setzen" sollten, d. h. daß wir alles tun müssen, um ein tragbares Kompromiß zu erreichen. Wenn Sie nun aber glauben, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie könnten national mit Kontingentierung und Konzessionierung den Werkfernverkehr für die Dauer bändigen, dann darf ich Sie daran erinnern, daß wir uns über diese Frage schon vor Jahren sehr eingehend unterhalten haben. Dazu stehen auch in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1963 entscheidende Sätze. Dort wird ausdrücklich gesagt, daß diese Regelung eine dirigistische Maßnahme bedeuten werde, die zumindest nicht weniger hart in die Berufsfreiheit der davon Betroffenen eingreifen werde als die Beförderungsteuer. Die Konzessionierung und Kontingentierung, sagt das Bundesverfassungsgericht, würden zwar der Idee nach eine Berücksichtigung des Grades der Entbehrlichkeit des Werkfernverkehrs für einzelne Unternehmen ermöglichen, aber 'gerade die Entscheidung in dieser Frage müsse praktisch auf schwer überwindbare Schwierigkeiten stoßen, da für die Abgrenzung zwischen betriebsnotwendigem und entbehrlichem Werkfernverkehr ein brauchbares und allgemein einleuchtendes Kriterium nach einhelliger Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes nicht zu finden ist. Ich bin auch der Auffassung, daß Sie, wenn Sie diesen Weg national versuchen wollen, in kurzer Zeit an der gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik scheitern. Deswegen hat es meines Erachtens wenig Sinn, daß wir die Überlegungen und Diskussionen, die wir bereits vor etwa zehn Jahren angestellt und geführt haben, nun noch einmal in dieser Richtung wieder aufnehmen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß wir - so unangenehm das unter manchem anderen Aspekt auch ist -, weil die geschilderte Entwicklung im Europa der EWG auf uns zukommt, auch hier versuchen sollten, einen Schritt in Richtung auf eine glatte Entwicklung zu tun, damit wir nicht eines Tages vor einem Abbruch mit allen seinen Folgen stehen, wenn wir etwa voll liberalisieren müßten. Also ist ein Abbau der Werkfernverkehrsteuer aus diesem Aspekt schon verständlich. Noch eine Bemerkung zu dem, was Herr Kollege Seibert über das Defizit der Deutschen Bundesbahn gesagt hat. Ich möchte auch hier ganz klar unterstreichen, was ich immer wieder gesagt habe - damit ich da nicht falsch verstanden werde, als ob ich hier etwa so und dort anders spräche -: Ich kann unter dem Defizit der Deutschen Bundesbahn nur das verstehen, was echtes Defizit ist. 'Das heißt, solange der Bund den Verpflichtungen gegenüber der Bundesbahn, die ich anerkenne, wegen der Haushaltlage nicht voll genügen kann, ist das Defizit, das bei der Bundesbahn errechnet wird, nicht das echte Defizit des Unternehmens; vielmehr Ist das echte Defizit wesentlich geringer. Es mag vielleicht sogar unter bestimmten günstigen Verhältnissen ins Positive umschlagen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß hier auch eine falsche Betrachtung der wahren Lage von außen immer wieder an uns herangetragen wird genauso wie bei dem Problem, über das ich heute vormittag sprechen konnte: ich denke hier an das Verhältnis zwischen Güterverkehr und Ertrag bei der Bundesbahn und zwischen Personenverkehr und Ertrag bei der Bundesbahn. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, Herr Kollege Seibert, und ich würde es auch sehr wünschen, daß endlich im Haushalt die Positionen für die Bundesbahn ganz einwandfrei deklariert werden könnten. Ich habe mich darum bei jeder Haushaltsberatung - auch im Haushaltsausschuß - sehr intensiv bemüht. Leider bin ich noch nicht zu dem Ergebnis gekommen, daß ich mir für diesen Fall wünsche und das uns manche Diskussion in der Öffentlichkeit und manches Mißverständnis ersparen würde. Zum Schluß noch ein Wort zum innerstädtischen Verkehr. Er ist in der Entschließung der beiden Parteien ausdrücklich erwähnt. Wir erwarten die Überreichung des Berichts der Enquete-Kommission, die auf unsere Anregung hin eingesetzt wurde. Herr Kollege Dr. Müller-Hermann hat damals diese Gedanken in die Debatte gebracht. Wir haben ein Gesetz gemacht, um alle Beteiligten wirklich zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuführen. Es ist ganz selbstverständlich - das wird der Bericht der Enquete-Kommission sicher auch erkennen lassen -, daß wir ohne bestimmte neue Gedankengänge und Konsequenzen die Probleme des innerstädtischen Verkehrs nicht lösen werden. Diese Gedankengänge werden sich darauf beziehen, daß sich der Individualverkehr im Zentrum der Städte, dort, wo die tertiären Berufe am stärksten tätig sind, einer gewissen Beschränkung wird unterwerfen müssen. Es ist viel billiger, die allgemeinen Verkehrsmittel 'entsprechend auszubauen und auszustatten, als die Straßen zu erweitern und die außerordentlich große Zahl an Parkplätzen anzulegen, die dafür erforderlich sind. ({0}) Hierüber müssen wir uns noch sehr eingehend unterhalten. Ich bin auch der Meinung, daß wir hier etwas Zusätzliches als Aufgabe zu lösen haben. Nach meiner Auffassung - ich bin mit ihr noch nicht vollkommen durchgedrungen - sollte die Bundesbahn dort, wo es möglich ist, unterirdisch unter einer Stadt so hindurchgeführt werden, daß der Vorortsverkehr bis in das Zentrum, ohne daß man umsteigen muß, geführt werden kann. Ich denke an München, Frankfurt, Hamburg und andere Städte. Da muß etwas geschehen. Diese neuen Bundesbahnstrecken sind natürlich zumindest eine Aufgabe des Bundes, wenn man den Bund schon nicht an den anderen Lösungen noch in stärkerem Maße als früher beteiligen kann. Das wirft natürlich Fragen auf: Wie kann das alles bezahlt werden? Wie können wir zu einer vernünftigen Rangfolge kommen? Das sind Probleme, die gelöst werden müssen. Die Bundesbahn aber muß ihre Aufgabe in bezug auf die Bedienung des innerstädtischen Verkehrs genauso erfüllen können und erfüllen wollen wie die anderen innerstädtischen Verkehrsmittel. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir erlaubt, am Schluß der Debatte diese Bemerkungen anzufügen. Ich darf nochmals sagen, daß ich über die Debatte sehr befriedigt bin. Ich darf Ihnen sehr herzlich danken für die Anregungen, die wir aus dieser Debatte für unsere Arbeit mitnehmen können. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Schlußwort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluß der Aussprache über die von uns eingebrachte Große Anfrage noch einige kurze Bemerkungen. Wie wichtig die Aussprache war, erhellt sich am besten daraus, daß von 'allen Fraktionen Kritik an der Verkehrspolitik der Bundesregierung geübt wurde. Ich habe im Verlauf der Aussprache keinen Sprecher gehört, der die Verkehrspolitik der Bundesregierung uneingeschränkt gebilligt hätte, wenn auch der Katalog der kritischen Anmerkungen unterschiedlich lang war. Herr Bundesverkehrsminister, Sie hatten die Freundlichkeit, eine Bemerkung von mir zu den Margentarifen zu korrigieren. Ich habe mich inzwischen nochmals informiert und folgende Bestätigung erhalten: Wir bestätigen, daß mit Ausnahme des Baustofftarifs der gewerbliche Güterfernverkehr bis heute noch keinen Antrag auf Genehmigung eines Margentarifs gestellt hat. Bei dem Baustofftarifantrag handelt es sich doch nur um die Zusammenfassung einiger Ausnahmetarife zu einer Tarifklasse. Im Prinzip war meine Feststellung also richtig. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben noch eine zweite Bemerkung von mir - eine Bemerkung zur Bundesanstalt für den Güterfernverkehr - aufgenommen und festgestellt, daß die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr völlig frei und unabhängig 'ihr Gutachten abgegeben hat. Ich dart Ihnen für diese Feststellung danken. Ich habe nur gefragt, ob die Bundesanstalt eventuell auf eine höhere Anweisung gehandelt hat. Herr Bundesverkehrsminister, Sie hätten Herrn Präsidenten Geiger aus dem Streitgespräch herauslassen sollen. Seine Fairneß ist absolut unbestritten. Mit Herrn Präsidenten Geiger bin ich seit vielen Jahren befreundet und arbeite mit ihm vertrauensvoll zusammen. Aber, Herr Bundesverkehrsminister, Sie hätten in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber auch darauf hinweisen müssen, daß das Gutachten der Bundesanstalt von Voraussetzungen ausgegangen ist, die zur Zeit der Entscheidung über die Kontingentserhöhung mindestens teilweise nicht mehr gegeben waren. Daraus ergaben sich für mich die Zweifel. Wir haben uns mit der Großen Anfrage bemüht, die Konzeption der Bundesregierung im einzelnen festzulegen. Ich muß leider sagen, daß die Unklarheit nicht restlos beseitigt ist. Die Bundesbahn ist und bleibt weiter tim Defizit. Das Ergebnis der Beiträge der Koalitionsparteien ergibt sich am besten aus der Entschließung, die von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt worden ist. Zu dieser Entschließung 'der CDU/CSU-Fraktion darf ich im einzelnen folgendes sagen. Meine Herren von der CDU/CSU-Fraktion, Sie erwarten von der Bundesregierung in Punkt 1, daß sie sich einsetzt innerhalb der EWG für einen echten Preiswettbewerb der Verkehrsträger, der einschließlich der Rheinschiffahrt sowohl im grenzüberschreitenden als auch im nationalen Verkehr der Mitgliedstaaten nach .den gleichen Prinzipien geordnet und nicht durch ungleiche Startbedingungen verzerrt ist. Es war gerade der Sinn unserer Großen Anfrage, von Ihnen hier nähere Einzelheiten zu erfahren. Wir wollten die Konzeption der Bundesregierung gerade auf diesem Gebiet kennenlernen. Hier sind wir nicht befriedigt durch die Auskunft, die wir bekommen haben. Zu Punkt 2 sagen Sie: für die rasche Beseitigung vorhandener Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrsträgern der Bundesrepublik. Das war ja der Sinn unserer Großen Anfrage. Sie übernehmen hier nahezu Wort für Wort das, was in unserer Großen Anfrage steht. Wir wollten ja heute gerade von der Bundesregierung hören, wie sie sich das vorstellt und wann .das erfolgen soll. Diese entscheidenden Fragen, die heute hier geklärt werden sollten, sind leider offengeblieben. Mit Ihrem Entschließungsantrag vertagen Sie die Entscheidung erneut. Sie sagen zu Punkt 3: für eine klare und endgültige Begrenzung der Leistungen des Bundes an die Deutsche Bundesbahn mit idem Ziel, die Eigenverantwortlichkeit der Deutschen Bundesbahn klarzustellen. Eine absolut klare Forderung, die heute hier erhoben worden ist. Wir wollten ja gerade von der Bundesregierung erfahren, wie sie sich das vorstellt, wann das ,geschehen soll. Das ist also leider wieder völlig offengeblieben. Ich verstehe in diesem Punkt auch die Entschließung nicht. Im vierten Punkt erwarten Sie schließlich, daß die Bundesregierung sich einsetzt dafür, daß die verantwortlichen Organe der Deutschen Bundesbahn, u. a. auch in Verwertung der Vorschläge der sogenannten Brand-Kommission, unter Vermeidung jeden unwirtschaftlichen Aufwandes Rationalisierungs- und sonstige Maßnahmen treffen, um ,die Deutsche Bundesbahn in 'die Lage zu versetzen, aus eigener Kraft dem verstärkten Wettbewerb zu begegnen. Wir wollten wissen, wie diese eigene Kraft gefördert wenden kann. Da wollten ,wir auch von Ihnen hören, wie Sie als Koalitionsparteien oder Sie als CDU/CSU-Fraktion 'dazu stehen. Ich verstehe also die Entschließung nicht. Nun zu Punkt 5, „für eine rasche Verständigung über die Abmessungen und Gewichte für Lastkraftwagen und Anhänger innerhalb der EWG" zu sorgen. Nun, der 24. Juni wird uns ja einige Aufklärung bringen. Wir werden uns nach dem 24. Juni sprechen. Ich habe mir Ihre Bemerkung heute sehr wohl vornotiert, daß auch Sie Herr Kollege Müller-Hermann, möglicherweise für eine Zwischenlösung sind, die sich ungefähr den heute geltenden Maßen und Gewichten im EWG-Raum angleichen würde. Das scheint mir, wenn Sie diese Erklärung im Namen Ihrer Fraktion abgegeben haben, doch wenigstens ein positiver Beitrag zu sein. Aber dann, Kollege Müller-Hermann, kommt die Aufforderung, für die Vorlage eines gemeinsam mit Ländern und Gemeinden zu erarbeitenden Programms zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, das den Zweck hat, durch die stärkere Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Entlastung des innerstädtischen und gemeindlichen Straßen- und des Parkraums beizutragen, zu sorgen! Wir erwarten doch mit großer Spannung nun endlich den Bericht der Raumordnungskommission. ({0}) Glauben Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, die Sorge wird sich leider bestätigen, daß auch die vierte Legislaturperiode vorbeigeht, ohne daß etwas Entscheidendes geschieht! Deswegen haben wir ja damals die Skepsis dagegen gehabt, eine Kommission einzusetzen und erst den Bericht abzuwarten, also praktisch vier Jahre lang nichts zu tun. Herr Kollege Müller-Hermann, bei dem nächsten Punkt Ihrer großen Anfrage sind Sie „für eine stärkere Bindung der konzessionierten Kraftfahrzeuge des allgemeinen Güterfernverkehrs an ihren Standort eingetreten mit dem Ziel, wirtschaftlich schwache und verkehrsungünstig gelegene Gebiete verkehrsmäßig zu fördern". Das scheint mir ein Eingriff in die betriebliche Disposition zu sein. Das ist eine ausgesprochen dirigistische Maßnahme. Ziffer 8 lehnen wir mit Entschiedenheit ab. Unter Ziffer 9 heißt es, dafür zu sorgen, „daß die Tarifpolitik der Bundesbahn nicht zu einer Verschlechterung der Verkehrsbedienung der revierfernen und wirtschaftlich schwachen Gebiete führen" dürfe. Das ist auch unsere Sorge. Da kann man nur Ja sagen. Schließlich zu Punkt 10: dafür zu sorgen, „daß vor Genehmigung von Tarifanträgen eine strenge Prüfung nach den Begriffen Allgemeines Wohl, Billigkeit und Lauterkeit vorgenommen wind". Ich glaube, die Diskussion hat doch ergeben, daß man sich seit drei Jahren darüber streitet, was unter „allgemeinem Wohl" zu verstehen ist. Ich möchte Sie also schon bitten, wenn Sie eine solche Formulierung hineinbringen, daß Sie uns erläutern, was Sie unter „allgemeinem Wohl" verstehen. Das ist ein Kautschukbegriff, mit dem man alles umschreiben kann. Herr Bundesverkehrsminister, ich möchte noch zu zwei Bemerkungen von Ihnen kurz Stellung nehmen. Sie haben den Vorzug ides Lastzuges Haus-Haus-Verkehr hervorgehoben und hier dargelegt, daß der Haus-Haus-Verkehr einen Vorteil mit sich bringt, den man mit 3 bis 4 % bewerten könnte. Sie glaubten, daß sich insofern eine Auseinanderentwicklung beider Tarifsysteme, also EGT und RKT, ,ergeben könnte. Bisher hat das 'Gewerbe auf diese Sonderhonorierung verzichtet. Wir sollten hoffen, ,daß das Gewerbe auch in Zukunft auf diese Sonderhonorienung keinen Wert legt. Ihrer Argumentation, Herr Bundesverkehrsminister, hinsichtlich der Kontingentierung des Werkfernverkehrs kann ich nicht ganz beipflichten. Abler wir wären damit einverstanden, wenn wir über diese gesamte Materie im Ausschuß noch einmal sehr ausführlich sprechen könnten, damfit wir das Für und Wider beraten. Nur müßten wir dann darum bitten, daß auch die Abstimmung über die Beförderungsteuer, die ja damit verbunden ist, vorerst zurückgestellt wird. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Beratung der aufgerufenen Punkte der Tagesordnung. Wir kommen zu den Abstimmungen. Zu Punkt 14 liegt vor der Antrag der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Drachsler, Holkenbrink, Lemmrich, Wendelborn und Fraktion der CDU/CSU und der Abgeordneten Eisenmann, Ramms, Rademacher und Fraktion der FDP, Umdruck 477. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei vielen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen. Wir kommen dann - bei Tagesordnungspunkt 15 a - zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2041: Der Bundestag wolle beschließen, zustimmend von dem Beschluß der Bundesregierung Kenntnis zu nehmen, .. . Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist? ({0}) - Ich muß über den Antrag des Ausschusses abstimmen lassen, Herr Dr. Bleiß. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2041 zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Es besteht keine Einigkeit im Vorstand. Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag zustimmt, erhebe sich vom Platz. - Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Vizepräsident Dr. Dehler Ich rufe dann den zu dem Antrag der Abgeordneten Hilbert, Leicht, Dr. Hauser und Genossen - Drucksache IV/553 - vorgelegten Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2042 auf, der den Beschluß beantragt, den Gesetzentwurf Drucksache IV/553 abzulehnen. Ich rufe also den Gesetzentwurf nach dem Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen auf: Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. ({1}) - Nein, ich muß über den Gesetzentwurf abstimmen lassen; er ist ja nicht zurückgezogen. - Herr Kollege Hilbert ist der einzige wackere Kämpfer, sonst keine Zustimmung. Damit ist der Entwurf in zweiter Beratung abgelehnt. Eine dritte Beratung entfällt. Dann rufe ich - bei Tagesordnungspunkt 15 c) unter bb) - den Gesetzentwurf Drucksache IV/2043 in zweiter Beratung auf, zunächst den Art. 1. Dazu liegt auf Umdruck 471 t) ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem vorliegenden Antrag Umdruck 471 kommt es nur auf das Wort „Paletten" an, das ganz unten in Ziffer 2 steht. Nach der derzeitigen Rechtslage ist es so, daß beim Rücktransport Packmittel als Leergut mit ermäßigtem Steuersatz und mit ermäßigtem Gewicht berechnet werden und deswegen einer verminderten Steuer unterliegen. Unter „Packmitteln" versteht man Kisten und ähnliches. Nicht gehört dazu nach dem derzeitigen Recht die Palette, weil nämlich in einem ganz anderen Gesetz - beim grenzüberschreitenden Transport mit der Eisenbahn - Paletten aus gutem Grund als „Ladevorrichtung" angesehen werden und man nur die gleiche Terminologie auch beim Beförderungsgesetz als gegeben ansieht. Aber es hat sich in wachsendem Maße ergeben, daß Paletten, die für den innerbetrieblichen Transport und die innerbetriebliche Lagerung verwendet werden, insbesondere Boxpaletten, gleichzeitig die Funktion eines Verpackungsgutes im Werksverkehr übernehmen. So sind sie also praktisch ebenfalls Warenumschließungen wie etwa Kisten und anderes Packmaterial. Es ist deshalb nicht einzusehen, daß sie in diesem Fall nicht auch nach den gleichen Gesichtspunkten versteuert werden wie sonstige Warenumschließungen. Wenn wir jetzt das Wort „Paletten" einfügen, ist die Unklarheit beseitigt. Es ist zudem bei der Formulierung des Antrags sichergestellt, daß sich aus einer solchen Entscheidung keine unangenehmen Rückwirkungen auf andere Gesetze ergeben, sondern sich die Änderung nur auf dieses Gesetz bezieht. Namens der Koalitionsparteien bitte ich, den Antrag anzunehmen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort zu diesem Antrag hat Herr Abgeordneter Dr. Bleiß. *) Siehe Anlage 4

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nur damit vor der Abstimmung Klarheit besteht: ich habe Frau Kollegin Funcke so verstanden, daß sie zu dem Antrag Umdruck 471 Ziffer 2 gesprochen und nur den Wunsch geäußert hat, daß hinter dem Wort „Packmittel" die Worte „und Paletten" eingefügt werden. ({0}) Nur auf diese beiden Wort hat sich ihre Begründung beschränkt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Der Artikel 1 soll also so gefaßt werden, wie es in dem Antrag Umdruck 471 gefordert wird. ({0}) - Einverstanden. ({1}) - Bitte.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In Bezug auf die Ziffer 1 hatte ich soeben schon bemerkt, daß wir den Wunsch haben, die Abstimmung zurückzustellen. Wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, die Konzessionierung und Kontingentierung im Werkverkehr erst im Ausschuß zu beraten. Ich hatte mir heute vormittag schon erlaubt zu sagen, daß ein Zeitverlust nicht so sehr ins Gewicht fällt, weil der Haushaltsausschuß ja ohnehin vorgeschlagen hat, die Steuersenkung erst ab 1. Oktober wirksam werden zu lassen. Aus diesem Grunde möchte ich darum bitten, die Abstimmung über den Antrag unter Ziffer 1 zurückzustellen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Es ist beantragt worden, die Abstimmung über den Antrag Umdruck 471 Ziffer 1 - Änderung des § 11 - zurückzustellen bis - Herr Abgeordneter Dr. Bleiß? ({0}) - bis zum 1. Oktober. - Dazu Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Bleiß leider nicht Folge leisten. Das bezieht sich auch auf den Entschließungsantrag Umdruck 472. Wir haben jetzt die Materie zwei Jahre behandelt und meinen, daß eine Entscheidung hier in diesem Hohen Hause fällig ist. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich glaube, ich brauche dann nicht gesondert über den Antrag auf Zurückstellung abstimmen zu lassen, sondern kann positiv über den Antrag Umdruck 471 abstimmen lassen; denn wenn er angenommen wird, ist ja Ihre Anregung auf Zurückstellung hinfällig. Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß? ({0}) Vizepräsident Dr. Dehler Wir stimmen dann zunächst über den Eingangsabsatz und die Ziffer 1 des Antrags Umdruck 471 ab, der § 11 Abs. 1 Nr. 2 betrifft. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 471 Ziffer 2, der die Änderung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 betrifft. ({1}) - Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Der Artikel 1 ist also in der Form des Antrags Umdruck 471 angenommen. Ich rufe auf Artikel 2, - Artikel 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung. Ich eröffne die dritte Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Fassung der zweiten Beratung zustimmt, erhebe sich bitte! - Gegenprobe! - Das Gesetz ist bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Es liegt Ihnen vor der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 472. Eine weitere Begründung wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Zu dem Tagesordnungspunkt 16, dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen, liegt auf Drucksache IV/2218 der Antrag des Ausschusses vor: Der Bundestag wolle beschließen, den Gesetzentwurf - Drucksache IV/1722 - für erledigt zu erklären. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Es ist einstimmig so beschlossen. Sodann folgt Tagesordnungspunkt 17: Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Förderungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Seifriz!

Hans Stefan Seifriz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002154, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dieser Stunde nach einer ausgedehnten Verkehrsdebatte könnte man sich unter idem Thema „Seeschiffahrt" eine sehr viel amüsantere Angelegenheit vorstellen, wenn man daran denkt, daß man jetzt an einer Atlantiküberquerung auf einem unserer hervorragenden Passagierdampfer teilnehmen könnte! Wir alle haben leider dieses Glück nicht, weil wir in diesem Hohen Hause unsere Pflicht zu tun haben. Wir wissen aber auch, jedenfalls sofern wir etwas mit der Seeschiffahrt zu tun haben, daß es sich hier um ein hartes Geschäft handelt, in dem immerhin rund 50 000 deutsche Seeleute tätig sind. Unsere Hochseehandelsflotte, bestehend aus 1112 Schiffseinheiten mit rund 4,9 Millionen Bruttoregistertonnen - wenn ich die Küstenschiffahrt nicht einbeziehe -, repräsentierte am 1. Januar 1964 einen Wert von rund 2,9 Milliarden DM, wenn man von den Investitionen in den Wiederaufbau unserer Handelsflotte in Höhe von insgesamt 7,2 Milliarden DM für Abnutzung etwa knapp zwei Drittel der Anschaffungspreise abzieht. Es geht also um bedeutende Beträge. Es geht um einen lebenswichtigen Zweig unserer Volkswirtschaft, der mit dem deutschen Außenhandel auf das engste verbunden ist und eine wesentliche Grundlage für eine weltoffene Wirtschaftspolitik bietet. Wer sich mit der Struktur des europäischen Wirtschaftsraumes beschäftigt - wir haben das heute schon einige Male getan -, wird nicht übersehen können, daß die wirtschaftliche Kraft der deutschen Küstenländer sehr wesentlich von der Hafenwirtschaft, der Seeschiffahrt und dem Außenhandel abhängt. Solange die Spaltung Westeuropas in EWG und EFTA andauert, liegt Norddeutschland nun einmal am Rande der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Diese Randlage - in bezug auf EFTA und Übersee sprechen wir vielleicht besser von einer Brücke - weist den genannten Wirtschaftsbereichen besondere Aufgaben zu. Wir müssen ialles tun, um durch planvolle Förderung optimale Leistungen zu erzielen, Leistungen, die für die deutsche und europäische Volkswirtschaft erbracht werden. Insbesondere trägt unsere Handelsflotte zu jenem Brückenschlag bei, der die Voraussetzung für eine gesunde Wirtschaft der freien Welt ist. Immerhin liefen unsere Handelsschiffe im Jahre 1963 allein im regelmäßigen Liniendienst über 600 Häfen in 110 Ländern an. 1962 transportierte unsere Handelsflotte rund 40 % des mengenmäßigen seewärtigen Außenhandels im Werte von zirka 16 Milliarden DM. Damit wir alle einen Begriff von dieser Summe bekommen, sei nur hinzugefügt, daß das rund 25 % des Volumens ides Bundeshaushalts des gleichen Jahres sind. In welchem Zustand befindet sich nun diese Seeschiffahrt, die solche Leistungen vollbringt, in welchem Zustand also befindet sich unsere deutsche Handelsflotte? Wahrend man bisher davon ausging, ihre durchschnittliche Venschuldungsquote durch eine Erhebung zu ermitteln, die etwa 50 % der Tonnage erfaßte, wobei man auf durchschnittlich 25 % Eigenkapital kam, liegt jetzt eine Untersuchung ides Verbandes deutscher Reeder vom ;1. Januar 1964 vor, die etwa die gesamte Tonnage mit Ausnahme der Küstenschiffahrt umfaßt. Selbst bei Berücksichtigung vieler günstiger Faktoren muß leider auch heute noch davon ausgegangen werden, daß dem Flottenanlagevermögen der deutschen Reedereien eine Fremdverschuldung von durchschnittlich 85 % gegenübersteht. Diese Zahl vermag kaum dadurch erschüttert zu werden, daß man das sonstige geringe Vermögen, etwa die Betriebsanlagen etc., mit in Rechnung stellt oder aber die besondere Lage der Werksreedereien berücksichtigt. Diese Fremdverschuldung ist neben vielfachen Verzerrungen des Wettbewerbs auf See der Schlüssel für das Unvermögen der Schiffahrt, aus eigener Kraft eine den heutigen Verhältnissen im internationalen WettSeifriz bewerb gerecht werdende Handelsflotte mit einer genügenden Zahl von schnelleren und auch größeren Schiffseinheiten darzustellen. Von Jahr zu Jahr wieder haben wir und haben auch die Küstenländer der Bundesregierung klarzumachen versucht, daß die jeweils im Haushalt vorgesehenen Hilfen nicht ausreichten, sosehr etwa das Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen, die Zinsbeihilfen zur Verbilligung von Schiffsbaukrediten, die Abwrackprämien sowie die Neubaudarlehen, alles zusammen in einer Gesamthöhe von 80 Millionen DM beispielsweise im Haushalt 1964, dazu beitragen mögen, die Kluft zwischen Zustand und Ertragslage der deutschen Seeschiffahrt sowie ihren ausländischen Wettbewerbern nicht noch offenkundiger wenden zu lassen. Jahr für Jahr wieder wird um einzelne Positionen gerungen. Was aber fehlt, sind Vorstellungen darüber, wie denn in einem überschaubaren Zeitraum, Herr Bundesvenkehrsminister, Voraussetzungen geschaffen wenden können, damit unsere Handelsflotte zum Wohle unserer gesamten Volkswirtschaft einmal ohne Staatshilfe im internationalen Wettbewerb voll beistehen kann. Mit der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Förderung der deutschen Seeschiffahrt wollen wir die Bundesregierung veranlassen, sich diesem Problem endlich zu stellen, also nicht mehr wie bisher an Symptomen herumzukurieren, sondern nunmehr ein umfassendes Programm der Hilfe zur Selbsthilfe in der Form des „Blauen Plans" zu entwickeln. Im Rahmen dieses ,,,Blauen Plans" muß nach unserer Auffassung unbedingt ein großzügiges Handelsflottenneubauprogramm zur Modernisierung und Rationalisierung unserer Flotte .durchgeführt werden. Wir wissen heute noch nicht mit Sicherheit, ob und in welcher Weise auf Grund des Rom-Vertrages die Schifffahrt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft einbezogen wird. Über diese Frage werden wir uns bei einer anderen Gelegenheit einmal ernsthaft zu unterhalten haben. Aber sollte es der Fall sein - und ich möchte hinzufügen: ich nehme an, es wind, hoffentlich mit einigen Einschränkungen, die sehr wesentlich sind, der Fall sein, wahrscheinlich schon recht bald -, dann muß spätestens 1970 unsere Handelsflotte in bezug auf Rationalisierung und Modernisierung und damit auch in ihrer Kapital- und Unternehmensstruktur volle Chancengleichheit mit den anderen Wettbewerbern auf See haben. Die Bundesregierung, Herr Minister, kann also nicht weiterhin von Jahr zu Jahr neu überlegen, ob und wie main welche Förderungsmaßnahmen fortsetzt, neu konzipiert oder verändert. Wir haben Jahre mit einer Von-Jahr-zu-Jahr-Politik vertan, die ohnehin kaum noch aufzuholen sind. Es wird also höchste Zeit, daß endlich ein Konzept erarbeitet wird, mit dem wir Nägel mit Köpfen machen. ({0}) Und wenn wir ein allgemeines volkswirtschaftliches Interesse an einem baldigen vollen Funktionieren unserer Seeverkehre haben, dann können wir nicht darauf warten, daß sich irgendwann einmal die Kapitalstruktur der Reedereien ausreichend .gebessert hat. Diesen Hinweis auf ein vorrangiges allgemeines volkswirtschaftliches Interesse erlaube ich mir deshalb, weil man hie und da der Ansicht ist, der Blaue Plan könne neben dem Grünen Plan ein Präzedenzfall sein, auf den sich möglicherweise jeder beliebige Wirtschaftszweig berufen könnte. Hier geht es um einen gewichtigen Teil unserer volkswirtschaftlichen Basis, dem von Grund auf geholfen werden muß, und zwar vom Bund im Verein mit den Ländern und vor allem in Zusammenarbeit mit der selbsthilfefähigen Seeschiffahrt und den Schiffsbanken. Die katastrophale Finanzstruktur unserer Reedereien, nehmen wir den Durchschnitt aller Reedereien, ist schließlich immer noch eine Folge des verlorenen Krieges und der bei diesem Wirtschaftszweig unterlassenen, weil vorzeitig eingeschränkten ausreichenden Hilfe beim Wiederaufbau. ({1}) Die Feststellung übrigens, Herr Minister, daß einige wenige Großreedereien eine bessere Kapitalstruktur aufweisen, ist leider auch sehr relativ zu bewerten; denn ihre langfristigen Verbindlichkeiten liegen durchweg immerhin auch bei 80 % des Schiffsanlagevermögens. In jedem Falle ist hier also von einer katastrophalen, mindestens aber bedenklichen Kapitalstrukturlage der deutschen Reedereien insgesamt zu sprechen, und wir können diese Behauptung auch beweisen. Es geht also, meine Damen und Herren, bei unserem Anliegen um die Beseitigung einer teilweisen Wettbewerbsunterlegenheit, die nicht allein durch besondere Tüchtigkeit etwa der Reeder wettgemacht werden konnte und kann. Wenn unsere Handelsflotte, die heute in der Welt an elfter Stelle steht - vor dem Kriege nahm sie immerhin in der Weltrangliste den fünften Platz ein -, dennoch eine imponierende Leistung vollbracht hat und in allen Häfen der Welt die Flagge des freiheitlichen demokratischen Deutschlands zeigt, dann ist das vorwiegend dem hohen Können unserer erfahrenen Reederschaft und der Tüchtigkeit von Offizieren und Mannschaften unserer Handelsflotte zuzuschreiben. ({2}) Denn sie haben sich auf allen Weltmeeren zu behaupten und konkurrieren vielfach mit Flotten, die zum Teil seit Jahren durch staatliche Maßnahmen gefördert, wenn nicht vom Staat selbst betrieben werden, manchmal ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit. Meine Damen und Herren, in immer stärkerem Maße tauchen die Schiffe der Staatshandelsländer auch in unseren eigenen Häfen auf. Andere Länder wieder subventionieren ihre Flotten direkt oder indirekt seit langem, binden die Ausfuhr von Gütern aller Art an die Bedingung, sie nur oder zum erheblichen Teil mit der eigenen Flotte befördern zu lassen. Immer mehr gerät der Wettbewerb auf See also in die Abhängigkeit wettbewerbsfremder Einflüsse, so .daß heute bereits hier und da der Gedanke diskutiert wird, ob nicht durch internationale Verträge eine Frachtenaufteilung erfolgen solle, durch die der Seeverkehr angeblich geordnet, das Prinzip des Wettbewerbs sicher weiter eingeschränkt würde. Die Bundesregierung sollte alles tun, um ihren nachhaltigen Beitrag zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen auf See zu leisten und durch gemeinsames Vorgehen der freien Schiffahrtsländer den Staatshandelsländern eine Revision ihrer Schiffahrtspolitik, für die Zukunft wahrscheinlich auch in deren eigenem Interesse, nahezulegen. ({3}) Auch die de facto zu verzeichnende Anwendung bzw. Auswirkung der amerikanischen Schiffahrtsgesetzgebung, die auf Grund eines meiner Meinung nach in bezug auf die Seeschiffahrt falsch interpretierten Antitrustdenkens die Frachtratenkonferenzen blockiert, sollte so rasch wie möglich revidiert werden. Denn wenn wir auf maßvolle Ordnungsinstrumente der Schiffahrt verzichten, ist ein ruinöser Wettbewerb die Folge, und die Nutznießer sind jene Schiffahrt treibenden Staaten, für die Schiffahrt vorwiegend ein politisches, nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Instrument ist. Die Erschwernisse in der Schiffahrt als Folge der so ernstlich gestörten Möglichkeiten des Wettbewerbs auf See mögen auch an einem anderen Beispiel erläutert werden: Vor einigen Monaten gab eine altrenommierte, hervorragend geführte deutsche Reederei über die Hafensituation in Colombo eine Information an die Verlader heraus, aus der hervorging, daß die Liegezeiten ihrer Schiffe in Colombo bis zu 85 Tage - 85 Tage! - betrugen. Eines der Linienschiffe zum Beispiel kam am 7. Februar 1964 in Colombo an. Am 22. März wiesen ihm die Hafenbehörden einen Liegeplatz zu, die Löscharbeiten dauerten bis zum 30. April, und dann erst konnte das Schiff den Hafen wieder verlassen. So wie diesem Schiff erging es vielen Schiffen. Soll die Reederei angesichts der durch solch phantastische Liegezeiten verursachten völligen Unwirtschaftlichkeit eines solchen Dienstes diesen bedeutenden Hafen aufgeben, oder ist es nicht trotz der ungünstigen Frachtratenauswirkungen besser, auszuhalten, also den Platz zu erhalten, in der Zuversicht, daß einmal günstigere Bedingungen kommen? Sie werden gemerkt haben, meine Damen und Herren, daß auch dieses Beispiel etwas zu tun hat mit unserer Handelsposition in der Welt Es ist ein Beispiel für viele Unwägbarkeiten, mit denen heute unsere Schiffahrt tagtäglich zu tun hat. Es handelt sich hier um Schwierigkeiten, die kein anderer Wirtschaftszweig in solcher Schärfe durchzustehen hat. Die ohnehin vorhandene Labilität der Frachtraten, der Seefrachtpreise also, die vor einiger Zeit aus dem Keller emporgestiegen sind, sich aber schon wieder auf dem Abstieg befinden, ist ein weiterer Beweis dafür, daß eine unzureichende Kapitalstruktur im Augenblick eines Ratensturzes sogleich katastrophale Folgen haben kann. Diese Schwierigkeiten einschließlich der seit Jahren anhaltenden nachhaltigen staatlichen Förderung der Handelsflotten anderer Länder kennzeichnen die bisherigen Bundeshilfen für unsere Schiffahrt leider als völlig unzureichend und von mangelnder Konzeption. Den britischen Reedern - um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen - kommt ein allein im Jahr 1963 von ihrer Regierung bereitgestellter Kreditplafond von umgerechnet 825 Millionen DM zugute; im gleichen Jahr standen den französischen Reedereien seitens der französischen Regierung für Neubauvorhaben 300 Millionen DM zur Verfügung. Es ist richtig, meine Damen und Herren: freier Wettbewerb auf See ist auf die Dauer nur möglich, wenn die Staaten künstliche Eingriffe unterlassen. Ein entschlossenes Eintreten für die Wiederherstellung des Wettbewerbs auf See setzt aber voraus, daß der Vorsprung der anderen - deren Kapitalstruktur gesund und deren Flotten modern sind - aufgeholt wird. Und das verlangt vom Bund trotz der permanent angespannten Haushaltslage, bei der sich die bisher versäumte Finanzreform immer unerträglicher bemerkbar macht, nach einem zeitlich begrenzten Förderungsprogramm. Der Herr Bundesverkehrsminister soll uns heute sagen, ob es auch der Wille der Bundesregierung ist, durch ein solches langfristiges Programm die leistungsfähigen Reedereien von staatlichen Hilfen auf die Dauer unabhängig zu machen und unserer Volkswirtschaft eine hochmoderne Handelsflotte zur Verfügung zu stellen. Unsere Vorstellungen von einem solchen Blauen Plan gehen davon aus, daß gleichzeitig mit der Strukturgesundung der Unternehmen das erwähnte Handelsflottenbauprogramm durchzuführen ist, weil nur auf diese Weise - also nicht nacheinander - bis 1970 ein ausreichender Effekt erzielt werden kann. Die Notwendigkeit zur Modernisierung der Flotte ergibt sich einmal aus der Tatsache, daß Massengut zumeist mit großen Schiffseinheiten am rationellsten und kostengünstigsten transportiert werden kann. Während in vielen anderen Schiffahrtsländern die Umrüstung eines großen Teils der Handelsflotten auf immer größere Schiffseinheiten seit Jahren voll im Gange ist, treten wir - von wenigen Ausnahmen abgesehen - leider immer noch auf der Stelle. Aber auch die Schnelligkeit der Schiffe ist von großer Bedeutung. Das trifft auch auf kleinere, in manchen Fahrtengebieten äußerst erfolgreich operierende Schiffseinheiten, vor allem in der Trampschiffahrt, zu. Ein Wort zur Unternehmensstruktur! Große Schiffe sind teuer. Gebaut werden können sie nur von größeren kapitalkräftigen Unternehmen. Fassen wir aber das generelle Problem der Modernisierung und Rationalisierung ins Auge, dann sind nach unserer Auffassung in die Hilfsmaßnahmen ides Blauen Planes alle gut geführten leistungsfähigen kleinen, größeren und großen Reedereien einzubeziehen, die nach gemeinsamen, mit allen Beteiligten und Sachverständigen zu erarbeitenden Richtlinien in die Lage versetzt werden müssen, eine den steigenden Anforderungen entsprechende Kapitalstruktur zu erwerben. Herr Bundesverkehrsminister, ich warne davor, das Problem dadurch lösen zu wollen, daß man allein die Parole von der Notwendigkeit der Konzentration in der deutschen Seeschiffahrt vertritt. Die Grenzen der Schiffahrtshilfe durch Bund und Länder bestimmen sich nicht nach ;der Größe ,der Reedereien, obwohl Zusammenschluß oder Zusammenarbeit dort, wo es entsprechend den Fahrtengebieten notwendig ist, durchaus - und das ist auch unsere Auffassung - Förderung verdient. Denken wir an die Vielzahl mittelständischer Reedereien, die, zumeist hervorragend geführt, im weitverzweigten Schiffahrtsgeschäft ,durchaus ihren Platz ausfüllen. Falsch verstandene Konzentration - ich muß es noch einmal sagen - liegt nicht im Interesse unserer Volkswirtschaft; andererseits dürfen Steuergelder auch nicht dazu mißbraucht werden, Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten, die keine Aussicht haben, im rauhen Wettbewerb künftig zu bestehen. ({4}) - Sehr verehrter Herr Müller-Hermann, das muß dazugesagt werden. Nur glaube ich nicht, daß es sehr viele Unternehmen in 'der Seeschiffahrt gibt, für die eine solche Warnung angebracht wäre. Ich wollte nur die Relationen zurechtrücken, die mir an manchen Stellen sehr verschwommen erscheinen. Nun sind wir, Herr Müller-Hermann, sehr ehrlich erfreut darüber - wenn Sie uns ein leises Schmunzeln auch nicht verübeln werden -, daß CDU/CSU-Abgeordnete sich wenige Stunden, nachdem wir unsere Große Anfrage eingebracht hatten, auch zu Wort meldeten, um sich mit der Feststellung zu beeilen, auch sie hielten eine Reform unserer Schifffahrtspolitik für unerläßlich. Ein vielleicht merkwürdiger, aber, - ich gestehe es freimütig - glücklicher Zufall, für den wir alle zusammen dankbar sein können. Herr Staatssekretär Seiermann - auch das möchte ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten - teilte mir auf meine schon vor längerer Zeit erhobene Forderung nach einem langfristigen Förderungsprogramm für die deutsche Schiffahrt bereits am 28. Januar dieses Jahres in Vertretung des seinerzeit abwesenden Herrn Bundesverkehrsministers mit, auch ihm schwebe ein mehrjähriges Schiffahrtsprogramm vor. Heute schreiben wir bereits den 10. Juni, ohne daß bisher etwas in dieser Richtung geschehen ist. Sind Sie, Herr Bundesverkehrsminister, nun endlich zu einem solchen Mehrjahresprogramm bereit? Denken Sie auch in diesem Zusammenhang an das Jahr 1970? Schließlich haben die Küstenländer als treue Sachwalter der Seeschiffahrt und des Schiffsbaus in diesen Tagen nunmehr schon ihr drittes Memorandum veröffentlicht, das mit seinen Vorschlägen vielfach unsere Vorstellungen bestätigt und insbesondere in bezug auf die Konsolidierungsvorschläge gute Grundlagen dafür bietet, im Verein mit ,dem- Bund den kranken Körper Seeschiffahrt zu kurieren. Ich meine, an dieser Steile auch ein Wort des Dankes dafür sagen zu sollen, daß Herr Senator Borttscheller laus Bremen so freundlich war, während des ganzen Tages hier auszuharren und dieser Deblattezuzuhören, um dm Zusammenhang mit der Aussprache über die SeeschiFfahrt vielleicht noch ein eigenes Wort zu den Vorschlägen der Küstenländer hier zu sagen. Wir wollen - ich habe es schon einmal betont - Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen auch in der Seeschiffahrt nicht den ewigen Staatspensionär. Der Blaue Plan soll die deutsche Seeschiffahrt endlich aus unverschuldeter Not befreien, nicht aber notwendige und mögliche Eigeninitiativen der Unternehmen durch bequeme Staatshilfen ersetzen. Schließlich und nicht .zuletzt glauben wir, daß der Blaue Plan auch einen Beitrag zur Verbesserung der Struktur und der Konjunkturlage der deutschen Werften leistet, mit denen wir uns gesondert zu beschäftigen haben, sobald endlich das langerwartete Werftenmemorandum der Bundesregierung vorliegt. Wir werden uns tauch mit Iden Vorschlägen für die Förderung nach einem ebenso langfristigen Werftenprogramm zu beschäftigen haben, die in der Entschließung der CDU/CSU enthalten sind. Wir haben über dieses Problem auch im Außenhandelsausschuß schon gesprochen, und wir wissen, daß es auch in dieser Frage in diesem Hohen Hause Gott sei Dank keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Wir alle wollen doch nur erreichen, daß nunmehr möglichst bald ;etwas seitens der Bundesregierung geschieht, und zwar unter Angabe von Terminen. Immerhin: wenn die von uns geforderten, durch Maßnahmen des Bundes ermöglichten Neubauten von Handelsschiffen in einer Größenordnung von jährlich 300 000 BRT - wie es unser Entschließungsentwurf vorsieht -von deutschen Werften ausgeführt werden - das ist unsere Forderung, und nur unter dieser Bedingung darf nach unserer Auffassung das Flottenprogramm vom Bund gefördert werden -,dann trägt das 'dazu bei, die ;Situation unserer Werften ;spürbar und bald zu verbessern. Auch hier gilt das gleiche, was wir schon zur Förderung der Seeschiffahrt gesagt haben. Wir wollen in absehbarer Zeit staatliche Hilfen überflüssig machen, und daher brauchen wir ;ein Mehrjahresprogramm der Bundesregierung, das unter der Devise „Hilfe zur Selbsthilfe" steht. Nachdem jahrelang die anderen Schiffahrts- und Schiffbauländer ihre Flotten und Werften direkt und indirekt staatlich gefördert halben, können wir nicht lediglich unsere Forderung nach Abbau solcher Maßnahmen bei den anderen wiederholen, wie wir das in der vergangenen Zeit in schöner Regelmäßigkeit immer wieder getan haben. Vielmehr müssen wir klar sagen, daß wir zu einem internationalen Übereinkommen nur auf der Basis gleicher Wettbewerbschancen gelangen können und daher allen Anlaß haben, innerhalb von mindestens 5 Jahren lange Versäumtes endlich nachzuholen. Wir sind auch der Meinung - wenn wir hier nicht nur Worte machen wollen -, daß schon in den Haushalt 1965 ausreichende Mittel - wir denken hier an einen Betrag von 150 Millionen DM - eingesetzt werden müssen, damit am 1. Januar 1965 zügig mit der Verwirklichung des Blauen Planes begonnen werden kann. Meine Damen und Herren, wir sind uns über vieles einig. Die entscheidende Frage an die Bundesregierung lautet: Wird es 1965 losgehen? Die entscheidende Frage an den Finanzminister wäre, ob er bereit ist, diese entscheidende Aufgabe auch entsprechend zu honorieren. Schließlich wünschen wir bis spätestens 1. Oktober 1964 die Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung über den Blauen Plan, der die unzureichenden bisherigen Von-Jahr-zu-Jahr-Maßnahmen endlich ersetzt. Wir haben mit Freude feststellen können, daß auch nach dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen die Vorlage eines solchen Gesetzes von der Bundesregierung gefordert werden soll. Wir haben Übereinstimmung darüber erzielt, daß wir beide Vorlagen an die interessierten Ausschüsse mit dem Ziel überweisen, noch vor den Sommerferien eine Vorlage zu erhalten, die von diesem Hause möglicherweise ohne Debatte verabschiedet werden kann und die in zwingender Form vorschreibt, daß die Bundesregierung bis zum 1. oder 15. Oktober dieses Jahres ein Gesetz zur Förderung des deutschen Schiffbaues hier vorlegt. Meine Damen und Herren, die Kennedy-Runde steht im Zeichen einer atlantischen Partnerschaft, die Solidarität und Freiheit miteinander in Beziehung setzt. Solidarische Hilfe für die deutsche Seeschiffahrt und damit auch für unsere Werften soll ein Beitrag zur Erhaltung und Förderung unserer Handelsflotte sein, die im Verein mit ihren Wettbewerbern bei voller Chancengleichheit freie Verkehrswege auf allen Weltmeeren als eine Voraussetzung für den Wohlstand der Völker offenhalten soll. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird aus Art und Inhalt der Beantwortung ihrer Großen Anfrage durch die Bundesregierung ersehen, ob diese Regierung jetzt endlich bereit ist, halbe Maßnahmen durch eine große Initiative zu ersetzen. Wir hoffen dabei auch zuversichtlich auf den guten Willen und die tätige Mitarbeit des ganzen Hohen Hauses und aller ihrer zum Teil anwesenden, zum großen Teil nicht anwesenden Mitglieder. ({5})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Bundesminister für Verkehr das Wort.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mir ,auch in diesem Fall erlauben, der Beantwortung der Großen Anfrage einige kleine Bemerkungen persönlicher Art vorauszuschicken. Herr Kollege Seifriz, das dritte Memorandum der Küstenländer über die Lage der Seeschiffahrt ist am 3. Juni, also vor 7 Tagen, übergeben worden und hat natürlich noch nicht Grundlage der Beratungen der Bundesregierung sein können. ({0}) - Verzeihen Sie, davon habe ich nicht gesprochen. Ich habe nicht gesagt, daß es nicht interessant sei. Es ist durchaus interessant. Ich habe nur festgestellt, daß es nicht Grundlage ,der Beratung hat sein können und daß es infolgedessen noch nicht Gegenstand des Inhalts der Beantwortung sein kann. Zweitens eine ganz persönliche Bemerkung: Ich habe seit Jahren 150 Millionen DM im Jahr für die Seeschiffahrt verlangt und sie von diesem Hohen Hause nicht bewilligt bekommen. Ich darf nun die Große Anfrage Drucksache IV/2227 namens der Bundesregierung beantworten. Gemäß der Gliederung der Anfrage darf ich zunächst einen allgemeinen Überblick über die Stellung, Lage und Zukunft der deutschen Seeschiffahrt geben, um dann auf die Einzelfragen einzugehen. Die deutsche Handelsflotte umfaßt gegenwärtig - Stichtag 1. Mai 1964 - 5,4 Millionen BRT. Davon entfallen 402 000 BRT auf Schiffe unter 500 BRT. Sie nimmt damit in der Rangfolge ,der Handelsflotten der Welt den elften Platz ein. Mit einer Vorkriegstonnage von 4,25 Millionen BRT stand die Handelsflotte des Deutschen Reiches 1938 an fünfter Stelle und 1914 mit 5,46 Millionen BRT an zweiter Stelle. Von der heutigen Reedertonnage - 4,93 Millionen BRT, Stand: 1. Januar 1964 - entfallen etwa 44 % auf die Linienschiffahrt, 36 % auf die Trampschifffahrt, 3 % auf Spezialschiffe und 17 % auf Tanker. Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir vor einigen Jahren noch den zehnten Platz eingenommen haben, aber inzwischen auf den elften Platz zurückgefallen sind. Das Durchschnittsalter der deutschen Reedertonnage betrug am 1. Januar 1964 neun Jahre. Das Schwergewicht unserer Flotte liegt bei Einheiten bis zu 10 000 BRT; rund 68 % gehören in diese Klasse. Es gibt bisher nur elf Schiffe mit einem Raumgehalt von über 30 000 BRT. Die Reedertonnage - ohne Küstenschiffahrt - steht ohne die Partenreedereien im Eigentum von 238 Unternehmen und Unternehmensgruppen, von denen die acht größten Reedereien jeweils über 100 000 BRT bewirtschaften, 16 mittlere Unternehmen jeweils zwischen 50 000 und 100 000 BRT - das sind also zusammen 24 größere Reedereien - und 94 Unternehmen eine Tonnage zwischen 5000 und 50 000 BRT besitzen. Von den 238 Unternehmen und Unternehmensgruppen verfügen 120 Unternehmen, also die Hälfte, nur über eine Tonnage unter 5000 BRT, zum Teil nur über 1 bis 2 Schiffe mit weniger als 1000 BRT. Der Wiederaufbau dieser Handelsflotte nach dem letzten Kriege beruht auf dem Zusammenwirken privater und staatlicher Initiative. Da die Reeder für ihre Kriegs- und Nachkriegsverluste keine Versicherungsleistungen oder sonstige Entschädigungen erhalten haben und da auch die staatlichen Hilfen nur aus Krediten - u. a. 491,5 Millionen DM aus dem ERP-Sondervermögen -, aus steuerlichen Maßnahmen und seit 1955 aus sehr begrenzten Zinsbeihilfen bestanden haben, mußten diese Methoden der Finanzierung des Wiederaufbaus der deutschen Handelsflotte natürlich zu einer sehr hohen Verschuldung der Reeder führen. Wir haben den Aufbau finanziert, wir konnten ihn aber nicht sofort bezahlen. Trotzdem ist es gelungen, eine insgesamt durchaus leistungsfähige Flotte zu schaffen, die sich heute wieder in allen Fahrtgebieten der Welt betätigt. Das Tonnageüberangebot in der weltweiten Seeschiffahrt und die schnell fortschreitende technische Entwicklung im letzten Jahrzehnt drücken seit Jahren auf die Frachtraten, die einen Stand erreicht haben, der nur noch solche Unternehmen rentabel wirtschaften läßt, die über wettbewerbsfähige Schiffe verfügen und ihren Betrieb rationell organisiert haben. Zu dem harten Wettbewerb nach marktwirtschaftlichen Prinzipien kommen ein weitverbreiteter und immer mehr zunehmender Dirigismus und Protektionismus in vielen Staaten. Sogar in den Ländern, die grundsätzlich am Prinzip der freien Wirtschaft festhalten, zeigt sich, daß der Staat häufig die Entwicklung und das Schicksal der Handelsflotte zu seiner eigenen Angelegenheit macht und infolgedessen mit mehr oder weniger verdeckten Maßnahmen einspringt, um den Besitzstand der eigenen Handelsflotte zu wahren oder zu mehren. Infolgedessen bestehen im Wettbewerb mit konkurrierenden ausländischen Handelsflotten erhebliche Verzerrungen zuungunsten der deutschen Reeder. Auf diesem schwierigen internationalen Markt muß sich die deutsche Seeschiffahrt betätigen und behaupten. Wegen der hier wirksamen Kräfte kann auch sie dabei auf staatliche Unterstützung zur Zeit noch nicht verzichten. Trotzdem können die Möglichkeiten der künftigen Beschäftigung der deutschen Handelsflotte unter .der Voraussetzung positiv beurteilt werden, daß die Bundesrepublik als hoch industrialisiertes Land stets einen großen Überseehandel haben wird, der ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Betätigung einer angemessenen Handelsflotte ist. Damit ist aber noch nichts Positives über den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Handelsschiffahrt ausgesagt. Hierzu wird allerdings die Struktur unserer Handelsflotte auch künftig je nach der Entwicklung den sich ständig ändernden Verhältnissen in 'der internationalen Seeschiffahrt angepaßt werden müssen. Gegenwärtig ist eine gewisse Konzentration unvermeidlich, weil in Zukunft nur noch kapitalstarke Unternehmen in der Lage sein werden, die immer größer und schneller und damit immer teurer werdenden Schiffe anzuschaffen und zu betreiben. Diese Gesamtdarstellung sei vorausgeschickt. Nun darf ich die einzelnen Fragen beantworten: Zu Frage 1: a) Angesichts der geschilderten Lage ist die Bundesregierung - wie bereits gesagt - der Auffassung, daß die mit relativ hohen Fremdmitteln belastete deutsche Seeschiffahrt gegenwärtig auf die Hilfe des Bundes und der Länder angewiesen ist, weil ohne diese Hilfe viele Unternehmen die zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit gebotene Erneuerung und Rationalisierung ihrer Tonnage nicht durchführen könnten. b) Die Haushaltslage setzt den finanziellen Förderungsmaßnahmen des Bundes Grenzen, die dazu zwingen, die mögliche Hilfe so zu gestalten und einzusetzen, daß ein möglichst großer Nutzeffekt für die deutsche Volkswirtschaft erzielt wird. Dieser Sachlage würde eine möglichst breite und gleichmäßige Streuung der Förderungsmaßnahmen nicht gerecht werden; vielmehr hilft nur ein gezielter Einsatz nach wirtschafts- und schiffahrtspolitischen Gesichtspunkten. Über die Maßnahmen, die am besten geeignet sind, zur vordringlichen Strukturverbesserung der Handelsflotte beizutragen, haben die beteiligten Bundesressorts, die Küstenländer und die Schiffahrtsverbände Überlegungen angestellt, die sich zu verschiedenen Plänen verdichtet haben, die gegenwärtig noch erörtert und aufeinander abgestimmt werden. Einvernehmen besteht bereits darüber, daß reine Kostenhilfen für die notwendige Strukturverbesserung nicht ausreichen. Zu Frage 2: Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse der deutschen Reedereien mit großer Aufmerksamkeit. Ihr sind die Sorgen vieler, insbesondere kleinerer Reedereien nur zu gut bekannt. Die vorgetragene Feststellung, daß die deutschen Reedereien durchschnittlich mit 85 % Fremdkapital arbeiten, trifft in dieser Verallgemeinerung nicht zu. Diese Zahl mag vielleicht bei der Bildung eines Gesamtdurchschnitts für 'alle deutschen Reedereien zutreffen, wenn eine Gewichtung nach der Tonnage nicht zugrunde gelegt wurde. Ferner ist zu beachten, daß unter den deutschen Reedereien mit Bezug auf die Kapitalstruktur sehr erhebliche Unterschiede bestehen. Gerade die Mehrzahl der schiffahrtspolitisch besonders bedeutungsvollen Reedereien weist eine teilweise wesentlich günstigere, wenn auch keineswegs voll befriedigende Kapitalstruktur auf. Nach einer Untersuchung, die auf den Verhältnissen zum Jahresende 1962 beruht und bei der 72 % der deutschen Linientonnage und 24 % der Tramp-tonnage - ohne Küstenschiffahrt - erfaßt wurden, ergab sich, daß Reedereien mit 59 % der einbezogenen Tonnage mit Eigenmitteln von über 25 % des Anlagevermögens arbeiten. Dieses Bild würde sich noch verbessern, wenn man die Werksflotten und Küstenschiffahrtsbetriebe in diese Untersuchung einbezogen hätte. Das Bild ist ferner deshalb nicht voll zutreffend, weil bei den genannten Zahlen auch die Wiederaufbaudarlehen des Bundes als Fremdkapital eingesetzt worden sind, obwohl diese Darlehen in vieler Hinsicht den Eigenmitteln ähneln. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf eine für die Seeschiffahrt typische Unternehmensform, nämlich die Partenreederei hinzuweisen, deren Besonderheit darin besteht, daß ihr Bestand auf die Lebensdauer des dazugehörigen Schiffes beschränkt ist. ({1}) - Ich glaube, ich beantworte Ihre Anfrage, meine Herren. Es wäre ganz nett, wenn Sie die Antwort anhörten. Ich würde mich darüber freuen. ({2}) Sie wird also durch den Verkauf oder Verlust des Schiffes aufgelöst. Diese Struktur bringt es mit sich, daß aus den Partenreedereien laufend überschüssige Mittel von den Mitreedern abgezogen und anderweitig verwendet werden. Deshalb weisen gerade die Partenreedereien in der Regel eine ungünstige Kapitalstruktur aus. Bei ihnen müßte zur Klärung der mit dem Eigenkapitalanteil zusammenhängenden Verhältnisse also zusätzlich untersucht werden, über welche Mittel die Mitreeder in ihrem sonstigen Vermögen verfügen. Man kann infolgedessen wohl sagen, daß etwa 60 bis 70 % der deutschen Seeschiffahrtstonnage von Reedereien betrieben werden, deren Kapitalstruktur zur Zeit noch nicht als besorgniserregend oder gar existenzgefährdend anzusehen ist. Trotzdem sind die meisten dieser Reedereien allein aus eigener Kapitalkraft nicht in der Lage, ihren Schiffspark zu modernisieren, geschweige denn ihre Fahrtgebiete auszudehnen. Hier hilft die Bundesregierung durch Neubaudarlehen zu günstigen Bedingungen, für die in den letzten drei Jahren in den Bundeshaushalten insgesamt 134 Millionen DM bereitgestellt worden sind. Entscheidend ist jedoch, daß zu den allzu geringen Eigenmitteln die Tatsache verzeichnet werden muß, daß es einer Vielzahl von kleineren und kleinsten Reedereien - aber auch einigen größeren Reedereien - äußerst schwer wird, sich im internationalen Wettbewerb nach ihrer Betriebskostenlage zu behaupten. Es handelt sich dabei um einen zahlenmäßig großen Teil der deutschen Seeschifffahrtsunternehmen, der aber im einzelnen - von Ausnahmen abgesehen - nur über eine unbedeutende Tonnage verfügt. Es kann hier nicht näher untersucht werden, weshalb es diesem Teil der Reedereien nicht oder noch nicht gelungen ist, ihre Lage nach dem Wiederaufbau zu konsolidieren. Zum Teil mag es an der Unternehmensstruktur liegen, zum Teil wird ihre Lage auch durch frühere geschäftliche Dispositionen bestimmt, die sich als wenig glücklich oder sogar als falsch erwiesen haben. Es ist müßig, deshalb diesen Unternehmen etwa Vorwürfe machen zu wollen; aber sie müssen natürlich die Folgen ihrer Dispositionen tragen. Es würde mit dem Prinzip der privaten Wirtschaft nicht zu vereinbaren sein, daß die Allgemeinheit ihnen derartige Unternehmerrisiken abnimmt. Soweit die Unternehmensstruktur als solche Mängel aufweist, muß die Initiative zu ihrer Verbesserung von den Unternehmern selbst ausgehen. Der Staat kann hierbei höchstens Hilfestellung geben. Nur da, wo ein übergeordnetes volkswirtschaftliches und schiffahrtspolitisches Interesse an der Erhaltung bestimmter Unternehmen besteht, ist eine weitergehende staatliche Hilfe vertretbar. Sie kann in einzelnen Fällen sogar unerläßlich sein. Die Bundesregierung beabsichtigt aus diesen Gründen, wie in den vergangenen Jahren, auch im Haushaltsplan 1965 Mittel für Maßnahmen zur Förderung der deutschen Seeschiffahrt vorzusehen. Durch diese Bundeshilfen soll bei voller Wahrung des privatwirtschaftlichen Charakters der Seeschifffahrt in erster Linie die private Initiative der Schifffahrtsunternehmen angeregt und unterstützt werden, damit sie ihre Tonnage durch leistungsfähige, den heutigen Erfordernissen angepaßte Schiffsneubauten modernisieren und so die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte erhalten oder wiederherstellen können. In welchem Umfang die bereits seit 1962 laufende Neubauförderung in den nächsten Jahren fortgesetzt oder verstärkt werden kann und ob dabei auch noch andere Wege zu beschreiten sind, als sie bisher über den Haushalt ermöglicht wurden, hängt wesentlich von der künftigen Entwicklung der Schiffahrtskonjunktur und den haushaltsmäßigen Gegebenheiten ab. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß eine leistungsfähige deutsche Handelsflotte unbedingt notwendig ist. Sie wird deshalb diesem mit ihrer Hilfe nach dem Kriege verhältnismäßig rasch wiederaufgebauten wichtigen Wirtschaftszweig auch in Zukunft die Förderung zukommen lassen, die erforderlich und unter Berücksichtigung der jeweiligen Haushaltslage des Bundes möglich ist. Obwohl das Schwergewicht der Bundeshilfen bei der Verbesserung der Tonnagestruktur liegen muß, prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob und welche Maßnahmen daneben möglich sind, um geeigneten und förderungswerten Schiffahrtsunternehmen bei der gebotenen Konsolidierung zu helfen, wenn ihre Finanzkonstitution besonders schwach und ihr Fortbestand daher gefährdet ist oder sein wird. Dies wird sich im allgemeinen nicht durch bloßes Zuführen neuer Mittel erreichen lassen, sondern verlangt zunächst die äußersten Anstrengungen der Unternehmen und die Mitwirkung ihrer Gläubiger mit dem Ziel, aus notleidenden Betrieben durch u. U. auch sehr durchgreifende organisatorische und strukturelle Maßnahmen wieder rentable Schiffahrtsunternehmen zu machen. Vor kurzem haben dazu die Küstenländer und die Reeder Vorschläge gemacht, die sehr sorgfältig geprüft und bearbeitet werden. Auch bei der Konsolidierungshilfe sind dem Bund leider enge haushaltsmäßige Grenzen gesetzt, die es notwendig machen, daß vor allem in den Fällen, in denen nicht so sehr übergeordnete schiffahrtspolitische, sondern mehr regionale Interessen eine Rolle spielen, vornehmlich die Länder zur Konsolidierung finanziell beitragen. Zur Frage 3: Der jährliche Erneuerungsbedarf der deutschen Handelsflotte ist auf etwa 300 000 BRT zu veranschlagen, wie Sie, Herr Kollege, schon dargelegt haben. Dabei kommt gegenwärtig dem Bau schneller Schiffe für die Linienfahrt und dem Bau großer Massenguttransporter besondere Bedeutung zu. Die Aufstellung eines festen Planes für mehrere Jahre für die in diesem Rahmen zu fördernden Neubauten ist zur Zeit nicht möglich und auch nicht zweckmäßig; denn einem solchen Plan stehen nicht nur sehr schwer zu überwindende haushaltsmäßige Schwierigkeiten entgegen, sondern er läßt sich auch deswegen schwerlich für längere Zeit im voraus festlegen, weil die Verhältnisse in der internationalen Seeschiffahrt ständig in Bewegung sind und eine laufende Anpassung erfordern. Wohl aber wird erwogen, im Rahmen der jeweiligen Haushaltsansätze wieder relativ kurzfristige Programme aufzustellen, wie das in den ersten Jahren des Wiederaufbaus der Handelsflotte mit Erfolg der Fall gewesen ist. Zur Frage 4: Die Bundesregierung erwartet und hält es für selbstverständlich, daß Schiffahrtsunternehmen, die Bundeshilfen beanspruchen, zunächst alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausschöpfen. Diese Voraussetzung müßte insbesondere gelten, wenn künftig Konsolidierungshilfen in Betracht kommen sollen. Zur Selbsthilfe zählt dabei als erste Voraussetzung für die Bildung von Eigenkapital nicht nur die Sparsamkeit im betrieblichen und privaten Bereich, sondern dazu gehört auch die Verwirklichung aller Rationalisierungsmöglichkeiten im Schiffspark und in der Reedereiverwaltung. Ferner kann es in manchen Fällen zweckmäßig oder sogar notwendig sein, daß mehrere Unternehmen geeignete Betriebsfunktionen gemeinsam wahrnehmen oder schließlich durch einen mehr oder weniger engen Zusammenschluß größere und damit leistungsstärkere Reedereien bilden. Auf diese Weise ließen sich nicht nur die Kosten senken, sondern entwickelten sich auch bessere Dispositionsmöglichkeiten für den Einsatz der Schiffe, so daß diese Reedereien ein größeres, für ihre Wettbewerbsfähigkeit günstigeres Marktgewicht gewinnen könnten. Zu Abschnitt II: Eine Verbesserung der Lage deutscher Reedereien wäre geeignet, die Umrüstung der Handelsflotte auf schnellere und größere Schiffe zu fördern. Die Neubauaufträge dürften traditionsgemäß überwiegend deutschen Werften zufließen. Insoweit wäre dies ein Beitrag zur Verbesserung der Situation unserer Schiffbauindustrie. Allerdings darf in diesem Zusammenhange nicht übersehen werden, daß die deutsche Werftindustrie für 60 bis 70 % ihrer Neubauproduktion auf Auslandsaufträge angewiesen ist. Zu Abschnitt III. Frage 1: Die Bundesregierung hat jede Gelegenheit benutzt, um beim Abschluß von bilateralen Verträgen und Vereinbarungen Bestimmungen zum Ausschluß flaggendiskriminierender Maßnahmen durchzusetzen. Sie hat insbesondere den Entschließungen des Bundestages, wo immer möglich, Rechnung getragen, soweit in ihnen gefordert wird, Diskriminierungen der deutschen Seeschiffahrt durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Ich erinnere an die Bundestags-Entschließungen vom 3. Juni 1959, 14. Januar 1960, 14. März 1961 und 15. Mai 1963. So konnten bisher mit 58 Staaten geeignete Schiffahrtsbestimmungen sowohl in ratifikationsbedürftigen Verträgen als auch in sonstigen Abkommen wie Schiffahrtsprotokollen, Warenabkommen und Briefwechseln und entsprechende Schiffahrtsklauseln in 43 Kapitalhilfe- und Kapitalschutzverträgen in Form von Transport-, Lieferanten- und Nichtdiskriminierungsklauseln vereinbart werden. Um diskriminierenden Maßnahmen anderer Staaten auch unilateral begegnen zu können, wurde die Bundesregierung im Außenwirtschaftsgesetz ermächtigt, gewisse Beschränkungen beim Abschluß von Fracht- und Charterverträgen zur Beförderung auf Seeschiffen unter fremder Flagge einzuführen; ich erinnere an die §§ 6 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes und an die §§ 46 und 44 Abs. 2 der Außenwirtschaftsverordnung. Bisher ist von dieser Ermächtigung gegenüber Birma, Brasilien, Guatemala, Indonesien, Marokko und Venezuela Gebrauch gemacht worden. Schon die Einführung solcher Genehmigungsverfahren hat - bis auf eine Ausnahme, nämlich Birma - genügt, die Regierungen der genannten Länder zu veranlassen, eingetretene oder drohende Nachteile für die deutsche Seeschiffahrt zu mildern oder zu beseitigen. Als weiteres unilaterales Abwehrinstrument gegen Flaggendiskriminierungen ist auch die Bestimmung des Zollgesetzes in § 21 Abs. 2 anzusehen, nach der als Retorsionsmaßnahme bei der Verzollung von Außenhandelsgütern der Obertarif angewandt werden kann. Hiervon ist jedoch bisher noch kein Gebrauch gemacht worden. Damit hat die Bundesregierung - und das wird international voll anerkannt - im Kampf gegen die Flaggendiskriminierung erfolgreich gewirkt. Entscheidende Ergebnisse können allerdings erst dann erwartet werden, wenn es gelingt, im Verein mit den anderen, ebenfalls nach liberalen Grundsätzen arbeitenden Schiffahrtsnationen zu gemeinsamen Maßnahmen zu kommen. Bei der unterschiedlichen Interessenlage selbst unter diesen Ländern ist ein solches Ziel nicht leicht zu erreichen. Wir setzen aber unsere Bemühungen nachdrücklich fort, um dieses Ziel doch noch zu erreichen. Zu Frage 2! Die Schiffahrtspolitik des Ostblocks und deren Einfluß auf die Wettbewerbslage der deutschen Seeschiffahrt werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Der Wettbewerb der Ostblockflaggen macht sich wegen der Eigenart des Schifffahrtsgeschäftes überwiegend auf den internationalen Seeverkehrsmärkten bemerkbar. Daher ist für ein nationales Vorgehen allein gegen die Ostblockschiffahrt und deren Praktiken leider wenig Raum. Hier können nur Erfolge erzielt werden, wenn innerhalb der freien Schiffahrtsnationen einheitliche Auffassungen entstehen. Diese Erkenntnis scheint sich nunmehr auch bei unseren anderen westlichen Partnern, mit denen wir im ständigen Kontakt stehen, durchzusetzen. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren in mehreren bilateralen Vereinbarungen mit Ostblockländern den Interessen der deutschen Seeschiffahrt so weit wie möglich Rechnung zu tragen versucht. Solche Vereinbarungen wurden mit Bulgarien bereits 1954, mit Polen 1955, mit der UdSSR 1958 und mit Rumänien 1959 getroffen. Sie sind inzwischen mehrfach verlängert und verbessert worden. Das Außenwirtschaftsgesetz räumt in § 6 Abs. 2 grundsätzlich Möglichkeiten ein, den Auswirkungen des ungleichen Wettbewerbs mit Wirtschaftsgebieten, in denen die Wirtschaftsverfassung von derjenigen der Bundesrepublik Deutschland abweicht, entgegenzuwirken. Die Anwendung solcher Möglichkeiten muß jedoch unter den verschiedensten Gesichtspunkten stets sehr sorgfältig geprüft werden. Damit habe ich namens der Bundesregierung die Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend För6370 derungsprogramm für die deutsche Seeschiffahrt beantwortet. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich danke dem Herrn Minister. Wird die Beratung der Antwort beantragt? ({0}) - Das sind mehr als 30 Abgeordnete, die die Beratung beantragen. Das Wort hat der Herr Senator für Häfen, Schiffahrt und Verkehr der Freien Hansestadt Bremen, Herr Dr. Borttscheller.

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr glücklich und es ist mir eine Ehre, vor diesem Hohen Hause etwas über die Lage der deutschen Seeschiffahrt sagen zu können, aber nicht vom Standpunkt der vier Küstenländer aus, Herr Seifriz, sondern vom Standpunkt der gesamten deutschen Wirtschaft aus; nur möchte ich dies von der Küste her betrachtet tun. Es ist gesagt worden - ich würde offene Türen eintreten, wenn ich es noch einmal begründete -, warum wir eine deutsche Flotte brauchen. Aber die Größenordnung soll doch noch einmal beleuchtet werden, gerade weil die Handelsflotte ein Werkzeug der nationalen Wirtschaft ist. Das Volumen des „nassen Außenhandels" bemißt sich auf etwa 120 bis 130 Millionen t. Der Wert dieses „nassen Außenhandels" beträgt mehr als 50 Milliarden DM. Ich möchte nicht sagen, daß man an diesem Wert die Kapazität der deutschen Flotte messen soll, wohl aber soll man sich daran orientieren. Damit meine ich keinesfalls, daß nun der deutschen Kauffahrtei jede Tonne Ladung zugeschoben werden soll. Weiß Gott nicht! Das wäre Protektionismus, und das hätte mit der Freiheit der Meere nichts mehr zu tun. Die Galionsfigur am Vollschiff „Deutschland" liebt die Freiheit der Meere. Sie läßt sich, obwohl sie aus Holz ist, durchaus, wenn einer leidenschaftlich ist, in die Arme nehmen, aber nicht an die Leine. Also kein Protektionismus! Ich glaube, man wäre gut beraten, wenn man sagte, daß 50 % der Ladung, die Deutschland ansegelt oder verläßt, von deutschen Kauffahrern gefahren werden sollten. Das ist eine goldene Mitte und läßt sich durchaus mit den Maßstäben anderer seefahrender Nationen vergleichen. Aber gerade diese maßvolle Forderung zu erfüllen wird dem deutschen Seemann und dem deutschen Reeder immer schwerer, weil ihm das Leben sauer gemacht wird durch all die Maßnahmen, die hier schon mehrfach vorgetragen worden sind. Es ist wiederholt gesagt worden - und es ist vielleicht mehr als eine Gefahr, die an die Wand gemalt wird -, daß es hoch an der Zeit ist, daran zu denken, daß die private Wirtschaft bisher in ihren Rahmen auch die deutsche Seeschiffahrt korporiert hatte, und wenn der deutsche Reeder seinen privaten Charakterkopf behalten soll, so muß etwas für die deutsche Seeschiffahrt geschehen; es könnte sonst passieren, daß der deutsche Reeder als Staatsreeder, ob willkommen oder unwillkommen, der öffentlichen Hand zur Last fällt. Das wollen wir doch alle nicht, und weil wir dies nicht wollen, muß etwas für die Schiffahrt geschehen. Ich bin überzeugt, daß Sie alle handeln wollen, und weil ich davon überzeugt bin, mache ich hier kein Lamento und eine Laudatio nur dann, wenn ich mir überhaupt erlauben darf, zu loben, wenn Sie bereit sind, sich loben zu lassen. Denn uns alle, wie Sie hier sitzen, umschlingt das blaue Band der See. Wir sind eine glückliche Brüderschaft, wenn wir im Augenblick auch nur wenige sind. Aber ich darf annehmen, daß wir alle als Missionare aufs Land hinausgehen und dort werben für den Gedanken der See. Die Reeder sind nicht gerne Bittsteller. Sie, zusammen mit den Seeleuten, kreuzen nicht gern auf mit aufgehaltener Hand. Ihr Element ist die See und die Freiheit der See. Es wäre ihnen am liebsten, wenn sie sich in diesem Element ungeschoren tummeln könnten. Wenn aber die Freiheit in der ganzen Welt geschurigelt wird und der Reeder nicht auf freiem Kurs segeln kann, muß von Staats wegen etwas geschehen, und zwar sehr viel geschehen. Man soll aber nicht glauben, daß die Forderung der Reeder erhoben wird, ohne daß die Reeder selbst zu handeln bereit wären, ohne daß ein Akt der Selbsthilfe erfolgte. Ich darf sagen, daß wohl der übergroße Teil des Verbandes deutscher Reeder bereit ist, auch selbst mit Hand anzulegen und sich in einem Akt der Solidarität zusammenzuschließen. Eben deshalb glaube ich, meine Damen und Herren, daß Sie - auf getrennten Wegen marschieren, aber in der Aktion einig - gut beraten sind, wenn alle Fraktionen dieses Hauses Programme zum Antrag erhoben haben, die der Förderung der deutschen Seeschiffahrt, ja der Rettung der deutschen Seeschiffahrt dienen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir wollen die Aussprache am Freitag fortsetzen. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 12. Juni 1964, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.