Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/15/1964

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich Glückwünsche zu Geburtstagen auszusprechen, und zwar dem Abgeordneten Dr. Gradl zum 60. Geburtstag am 25. März, ({0}) dem Abgeordneten Storch zum 72. Geburtstag am 1. April, ({1}) dem Abgeordneten Meyer ({2}) zum 72. Geburtstag am 2. April, ({3}) dem Abgeordneten Hamacher zum 65. Geburtstag am 9. April, ({4}) dem Abgeordneten Ritzel zum 71. Geburtstag am 10. April, ({5}) dem Abgeordneten Dr. Aschoff zum 65. Geburtstag am 11. April ({6}) und dem Abgeordneten Horn zum 73. Geburtstag am heutigen Tage. -({7}) Für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Deist ist in den Bundestag neu eingetreten der Abgeordnete Herberts. Ich darf ihn in unserer Mitte begrüßen. ({8}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um 1. Nachwahl von Mitgliedern des Vermittlungsausschusses, 2. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG und der EAG für sechs Verordnungen des Rats über die Regelung der Amtsbezüge für Mitglieder der Kommission und des Gerichtshofs ({9}). Ich schlage vor, die beiden Punkte im Anschluß an die Fragestunde zu behandeln. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. März 1964 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung Gesetz zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu den mit diesem in Zusammenhang stehenden Abkommen Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl Bundeskindergeldgesetz ({10}). Zum Bundeskindergeldgesetz ({11}) hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist. Der Herr Präsident des Bundesrates hat unter dem 20. März 1964 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 20. März 1964 gemäß § 77 Abs 5 des Zollgesetzes beschlossen hat, gegen die Fünfundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({12}) keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2107 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 13. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Meyer ({13}), Dr. Achenbach und Genossen betr. Reform des Ständigen Rates der WEU - Drucksache IV/1984 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2098 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 12. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kliesing ({14}), Wienand und Genossen betr. Politische Konsultationen zwischen den Mitgliedsregierungen der NATO - Drucksache IV/1985 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2099 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 16. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Frau Dr. Flitz ({15}), Memmel und Genossen betr. Europäisches Arzneibuch - Drucksache IV/1986 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2100 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 16. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Serres, Dr. h. c. Brauer, Dr. Stammberger und Genossen betr. Inlandsposttarif in den Mitgliedstaaten des Europarates - Drucksache IV/1987 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2101 verteilt. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 20. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ertl, Walter, Dröscher, Dr. Gleissner und Genossen betr. Förderung des ländlichen Bildungswesens und der landwirtsdiaftlichen Berufsausbildung - Drucksache IV/1998 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2111 verteilt. Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 20. März 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes - Drucksache IV/2003 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2112 verteilt. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 20. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Paul, Lenze ({16}) und Genossen betr. Einberufung einer europäischen demographischen Konferenz - Drucksache IV/2025 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2113 verteilt. Vizepräsident Dr. Jaeger Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 20. März 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. h. c. Brauer, Dr. Serres, Dr. Stammberger und Genossen betr. Außenhandel des Staates Israel - Drucksache IV/2026 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2114 verteilt. Der Herr Bundesminister für Familie und Jugend hat unter dem 8. April 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Böhme ({17}), Kubitza und Genossen betr. Berufsausbildungsbeihilfen und Erziehungsbeihilfen - Drucksache - IV/2094 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2140 verteilt. Der Herr Bundesminister des Innern hat am 18. März 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 6. November 1963 über die Einführung der Fünf-Tage-Woche in der Bundesverwaltung berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2102 verteilt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat am 15. März 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1963 über die Auswirkungen des § 79 Abs. 2 BVerfGG für den Bereich des Steuerrechts berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2126 verteilt. Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 31. März 1964 unter Bezug auf Nr. 3 des Beschlusses des Bundestages vom 6. November 1963 über die großzügigere Öffnung von Grenzübergängen berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2127 verteilt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 6. April 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 11. Dezember 1963 über die Einbeziehung des Umlaufvermögens in die Begünstigungen des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2133 verteilt. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 10. April 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. November 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2143 verteilt. Der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin hat unter dem 23. März 1964 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin und die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1962/63 vorgelegt, die als Drucksache IV/2120 verteilt sind. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 27. Januar 1964 mitgeteilt, daß sie ihren Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kriegsopferrechts - Drucksache IV/1714 - als erledigt ansieht und somit zurückzieht. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Richtlinie des Rats zur Durchführung von koordinierten Jahreserhebungen über die Investitionen im produzierenden Gewerbe - Drucksache IV/2084 an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 Verordnung des Rats über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Zucker - Drucksache IV/2118 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - an den Außenhandelsausschuß und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. Oktober 1964 Erste Richtlinie des Rats betreffend die Beteiligung der Unternehmer an der Vergabe und Ausführung von Bauvorhaben für Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften sowie sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts - Drucksache IV/2119 an den .Wirtschaftsausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 Verordnung des Rats über die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Kraftfahrzeugsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr - Drucksache IV/2123 an den Finanzausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge für Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, deren Zollsätze im GATT konsolidiert worden sind - Drucksache IV/2124 an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 Verordnung Nr. 33/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 85/63/EWG des Rats über die Festsetzung der Einschleusungspreise und der Zusatzbeträge sowie der Übergangsbestimmungen für Teilstücke von Schweinen sowie Schweinefleisch enthaltende Zubereitungen und Konserven ({18}) an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden Verordnung Nr. 34/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Änderung des Warenverzeichnisses für einige Schweinefleischerzeugnisse ({19}) an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden Verordnung Nr. 37/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Festsetzung der oberen und unteren Grenze der einzelstaatlichen Richtpreise für Milch für das Milchwirtschaftsjahr 1964/ 1965 ({20}) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden. Verordnung des Rats zur Durchführung des Artikels 7 der Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der Kommission, Verordnung des Rats zur Durchführung des Artikels 7 der Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder' des Gerichtshofs, Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der Kommission der EWG ({21}), Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder des Gerichtshofs, Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({22}), Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder des Gerichtshofs - Drucksache IV/2134 - an den Ausschuß für Inneres mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. April 1964 Verordnung des Rats zur Aufstellung der Liste von Grunderzeugnissen, die als Berechnungsgrundlage für die Finanzierung der Erstattungen bei Ausfuhren nach dritten Ländern dienen - Drucksache IV/2135 - an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 a) Verordnung des Rats über die Prämiensätze für die Einfuhr von Reis und Bruchreis b) Verordnung des Rats über die Kriterien für die Festsetzung der Pauschalbeträge für Reis und Bruchreis - Drucksache IV/2136 - a) an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - b) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964. Wir treten in die Tagesordnung ein. Bevor wir zu den Hauptpunkten der heutigen Sitzung, insonderheit der Haushaltsberatung, kommen, beginnen wir mit der Fragestunde ({23}). Zunächst eine Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing ({24}) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung des leitenden Oberstaatsanwalts bei dem Landgericht Hamburg, der in einem Schreiben vom 12. Februar 1964 erklärt ({25}) : „Die Verteidigungsbereitschaft' ist kein unabdingbarer Bestandteil eines Rechtsstaats und mithin nicht Teil der verfassungsmäßigen Ordnung."? Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. 1. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, zu Verfügungen von Staatsanwaltschaften der Länder Stellung zu nehmen. Ich möchte deshalb Ihre Frage unabhängig davon beantworten, daß sie sich auf eine solche Verfügung bezieht. 2. Ihre Frage, Herr Kollege Kliesing, befaßt sich nicht mit einem politischen, sondern mit einem logischen Sachverhalt. Ich muß sie deshalb ebenfalls auf dem Gebiet der Logik zu beantworten versuchen, und hier ist es tatsächlich so, daß die verfassungsmäßige Grundordnung etwas durch das Grundgesetz und die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts Gegebenes, also objektiv Gegebenes ist, während die Verteidigungsbereitschaft die subjektive Haltung des Volkes ist, eben diese Grundordnung zu verteidigen. Deshalb kann man schon rein logisch nicht sagen, daß die Verteidigungsbereitschaft ein Teil der Grundordnung sei.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Glauben Sie, Herr Minister, daß die hier zutage tretende Grundauffassung des betreffenden leitenden Staatsanwalts jenen staatspolitischen Notwendigkeiten gerecht wird, die für die Erhaltung der Freiheit und Demokratie in unserem Lande entscheidend sind und die daher doch wohl auch durch die verfassungsmäßige Ordnung geschützt werden sollten?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Ich möchte, wie gesagt, Herr Kollege Kliesing, jenen Staatsanwalt ohnehin nicht kritisieren. Ich glaube auch, daß man ihm bei rein juristischer Betrachtung keinen Vorwurf. machen kann. Denn auch § 91 des Strafgesetzbuches unterscheidet z. B von der „pflichtmäßigen Bereitschaft" der Angehörigen der Bundeswehr zum Schutze der verfassungsmäßigen Ordnung. Man muß also, wie ich soeben schon zum Ausdruck brachte, zwischen diesen beiden Dingen unterscheiden: einmal der subjektiven Bereitschaft und zum anderen der objektiven Ordnung, die durch die Verteidigungsbereitschaft geschützt werden soll. Ich habe nicht den Eindruck, daß in dem Schreiben des Oberstaatsanwalts eine Abwertung der Verteidigungsbereitschaft gemeint ist.

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Glauben Sie, Herr Minister, daß eine Beurteilung dieser Angelegenheit unter rein juristischen Gesichtspunkten, d. h. unter Ausklammerung aller staatspolitischen Rücksichtnahmen, hier ausreichend ist?

Dr. Ewald Bucher (Minister:in)

Politiker ID: 11000288

Hier in diesem Hause wäre eine solche Beurteilung sicher nicht ausreichend, wohl aber in der Verfügung einer Staatsanwaltschaft.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zunächst die Frage II/1 - des Abgeordneten Hammersen -: Ist die Bundesregierung bereit, die Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung - Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 18. April 1963 - in Abschnitt E Nr. 56 dahin gehend zu überprüfen, ob auf Antrag auch der Deutsche Rentnerbund e. V., Frankfurt ({0}), die Freie Demokratische Volkswohlfahrt e. V., Berlin, und ähnliche Verbände in den Kreis der Organisationen der freien Wohlfahrtspflege miteinbezogen werden können, die zum Verteilerverkehr für die bleibende Verwendung von Liebesgaben zuzulassen sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Durch die Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung sind die Zollstellen meines Geschäftsbereichs über diejenigen Organisationen unterrichtet, denen der Bundesminister der Finanzen auf entsprechenden Antrag einen Verteilerverkehr für die bleibende Verwendung von Liebesgaben bewilligt hat. Solche Verkehre werden neben den Organen der öffentlichen Verwaltung nur den Organisationen der freien Wohlfahrtspflege bewilligt, also solchen, die ihre Wohlfahrtsarbeit nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränken und im übrigen in der geschlossenen, halboffenen und offenen Fürsorge tätig werden. Bewilligungsanträge der beiden in der mündlichen Anfrage genannten Organisationen sind meinem Hause bisher nicht zugegangen. Nach Auskunft des für diese Frage zuständigen Herrn Bundesministers des Innern erfüllt der Deutsche Rentnerbund e. V., Frankfurt ({0}), leider nicht die erwähnten Voraussetzungen, um als Organisation der freien Wohlfahrtspflege zu gelten. Die Freie Demokratische Volkswohlfahrt e. V., Berlin, dagegen ist nach Auskunft des Herrn Bundesministers des Innern eine Organisation der freien Wohlfahrtspflege. Sie ist dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, Frankfurt ({1})-Niederrad, angeschlossen, der in den Dienstanweisungen zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung aufgeführt ist. Liebesgaben, die der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband eingeführt hat, können deshalb von der Freien Demokratischen Volkswohlfahrt e.V., Berlin, ohne besondere Bewilligung des Bundesministers der Finanzen verteilt werden. Sollte bei der Freien Demokratischen Volkswohlfahrt e. V. ein Bedürfnis dafür bestehen, Liebesgaben zur Verteilung an Bedürftige selbst einzuführen, so würde ich ihr auf Antrag einen Verteilerverkehr für Liebesgaben bewilligen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf Frage II/2 des Abgeordneten Dr. Dittrich, der durch Frau Abgeordnete Haas vertreten wird: Beabsichtigt die Bundesregierung, den Begünstigungszeitraum der steuerlichen Förderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet zu verlängern?

Not found (Staatssekretär:in)

Mit Rücksicht auf die anhaltend erschwerten Verhältnisse im Zonenrandgebiet haben sich die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium damit einverstanden erklärt, daß die am 31. Dezember 1964 auslaufenden steuerlichen Förderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet um drei Jahre, also bis zum 31. Dezember 1967, verlängert werden. Die Finanzminister der Länder werden in Kürze entsprechende Erlasse herausgeben.

Centa Haas (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000761, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir schon einen bestimmten Zeitpunkt angeben, wann die Verlängerungsentscheidung kommen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, die Koordinierung zwischen den Länderfinanzministern und dem Bundesfinanzministerium ist praktisch abgeschlossen, so daß ich annehme, daß in Kürze, spätestens wohl im Mai, die Herausgabe der Ländererlasse erfolgen wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Götz.

Dr. Hermann Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000704, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, reichen nach Auffassung der Bundesregierung die für das Zonenrandgebiet vorgesehenen Förderungsmaßnahmen nach Art und Umfang aus, um das erstrebte Ziel - Stärkung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und Verbesserung der sozialen Verhältnisse - zu gewährleisten, oder besteht nach Ihrer Auffassung Veranlassung oder die Absicht, das nunmehr seit zehn Jahren laufende Zonenrandförderungsprogramm hinsichtlich seiner gegenwärtigen Wirkung für die Wirtschaft und die Gemeinden im Zonenrandgebiet zu überprüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Sie sagten eben selber, daß der Zonenranderlaß bereits zehn Jahre gilt. In diesen zehn Jahren sind, soweit ich unterrichtet bin, Wünsche nach Erweiterung nicht vorgebracht worden. Der Erlaß sieht ja eine Vielzahl von Maßnahmen vor, z. B. eine großzügigere Handhabung der Stundungs- und Erlaßpraxis sowie von Beitreibungsmaßnahmen, darüber hinaus aber auch Sonderabschreibungen in ganz bestimmtem Umfang. Bei den Koordinierungsbesprechungen zwischen den Ländern und dem Bund sind Wünsche nach Erweiterungen mir jedenfalls nicht bekanntgeworden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Götz.

Dr. Hermann Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000704, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich dachte an gezielte Hilfen im Rahmen der Förderungsmaßnahmen für das zonenrandgebiet, insbesondere auch wegen der Auswirkungen der EWG. Darf ich fragen, ob die Bundesregierung eventuell bereit wäre, zu prüfen, ob es nicht zweckmäßig ist, für das gesamte Zonenrandgebiet eine ähnliche Strukturuntersuchung vornehmen zu lassen, wie sie vor einiger Zeit von einem Institut der EWG für die Eifel oder den Bayerischen Wald durchgeführt worden ist bzw. noch in Durchführung begriffen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin gern bereit, diese Anregung aufzunehmen, würde aber bitten, die Frage der Verkündung des Verlängerungserlasses unabhängig davon zu behandeln. Andernfalls würde es zweifellos zu einer Verzögerung kommen. Denn die von Ihnen gegebene Anregung macht sicherlich noch Untersuchungen erforderlich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine weitere Zusatzfrage? - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die von der Abgeordneten Frau Dr. Hubert gestellte Frage III/1 auf: Konnte die lange Liste der Vorbehalte zum Europäischen Niederlassungsabkommen, von der Staatssekretär Carstens in der Fragestunde vom 15. Februar 1963 sprach, inzwischen verkürzt werden, so daß mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde für das vom Deutschen Bundestag am 11. Juni 1959 gebilligte Abkommen in absehbarer Zeit gerechnet werden kann? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Arbeiten zur Fertigstellung der endgültigen Liste der bestehenden Beschränkungen nach Art. 6 und 14 des Europäischen Niederlassungsabkommens sind in der Zwischenzeit fortgesetzt, jedoch noch nicht abgeschlossen worden. Einige der in der . ursprünglichen Liste enthaltenen Beschränkungen konnten inzwischen gestrichen werden. Andererseits haben jedoch die Länder die Aufnahme weiterer Beschränkungen in die Liste angeregt. Diese Anregungen werden zur Zeit geprüft. Wegen der erheblichen Bedeutung, die in diesem Zusammenhang dem Gesetz zur Aufhebung von Erwerbsbeschränkungen für Staatsangehörige und Gesellschaften der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zukommt, erschien es geboten, die Verabschiedung und das Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuwarten. Seine Verkündung im Bundesgesetzblatt ist inzwischen, am 9. April dieses Jahres, erfolgt. Darüber hinaus wird zur Zeit geprüft, ob die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde so lange aufgeschoben werden sollte, bis der Regierungsentwurf einer Bundestierärzteordnung, der gegenwärtig dem Bundesrat vorliegt, als Gesetz verabschiedet ist. Dieser Entwurf sieht zwar die Erteilung einer deutschen Bestallung für Ausländer und insoweit eine günstigere Regelung als das bisherige Recht vor; er befristet jedoch andererseits die widerrufliche Erlaubnis, die Ausländern, die keine deutsche Bestallung besitzen, für die Ausübung des tierärztlichen Berufs erteilt werden kann. Daher entsteht die Frage, ob die Bundestierärzteordung als eine Verbesserung oder als eine Verschlechterung des bisherigen Rechtszustandes anzusehen ist, und es ist wohl berechtigt, die Frage zu prüfen, ob nicht das Inkrafttreten des genannten Gesetzes abgewartet werden sollte. Die Beantwortung dieser letzteren Frage wird davon abhängen, ob mit der Verabschiedung der Bundestierärzteordnung im Bundestag in absehbarer Zeit zu rechnen ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß dann noch eine ganze Reihe von Gesetzen angepaßt werden müßte und daß es, wenn wir jetzt auf die Bundestierärzteordnung warten sollen, noch sehr, sehr lange dauern würde, bis wir eine solche Konvention unterzeichnen können?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe versucht, mich darüber zu informieren, Frau Abgeordnete. Es scheint sich jetzt in der Tat nur noch um die Tierärzteordnung zu handeln, und wie ich sagte, würde nach Auffassung der Bundesregierung das Inkrafttreten der Bundestierärzteordnung nur abzuwarten sein, wenn damit in absehbarer Zeit zu rechnen wäre.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das würden Sie also als das letzte Gesetz ansehen, das Sie abwarten wollen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das wäre das letzte Gesetz, wo erwogen werden müßte, den Erlaß abzuwarten. Aber ich habe eingangs darauf hingewiesen, daß noch einige Anregungen von Länderseite vorliegen, die Liste zu erweitern, und diese Anregungen müssen gleichfalls geprüft werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage III/2.

Not found (Staatssekretär:in)

Darf ich die Frage im Zusammenhang mit der folgenden Frage beantworten?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Selbstverständlich. Ich rufe also die beiden von dem Abgeordneten Werner gestellten Fragen, III/2 und III/3, auf: Wie viele sowjetrussische und Studenten unserer östlichen Nachbarstaaten studieren an deutschen Universitäten als Stipendiaten? Wie viele deutsche Studenten studieren an sowjetrussischen oder Universitäten östlicher Nachbarstaaten als Stipendiaten?

Not found (Staatssekretär:in)

Die deutschsowjetische Kulturvereinbarung von 1959 hatte für die Studienjahre 1959/60 und 1960/61 einen beiderseitigen etwa zehnmonatigen Austausch von insgesamt 20 studentischen Stipendiaten vorgesehen. Seit Erschöpfung dieser Quote studieren sowjetische Studenten im engeren Sinne nicht mehr an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen des in demselben Abkommen vereinbarten langfristigen Wissenschaftleraustausches befindet sich jedoch laufend eine Anzahl sowjetischer Wissenschaftler für die Dauer von 6 bis 10 Monaten zu speziellen Forschungszwecken als Stipendiaten in der Bundesrepublik. Im Jahre 1962 waren es 14. In diesem Jahr werden es kaum weniger sein. Dabei handelt es sich überwiegend um wissenschaftliche Nachwuchskräfte im weiteren Ausbildungsstadium nach abgeschlossenem Hochschulstudium. Aus anderen kommunistischen osteuropäischen Ländern haben 1964 insgesamt etwa 100 Studenten ein Stipendium zum Studium in der Bundesrepublik erhalten.. Auch bei diesen handelt es sich zum größten Teil um wissenschaftliche Nachwuchskräfte mit abgeschlossenem Hochschulstudium. Im einzelnen wurden Stipendien von der Alexander - von-Huumbodt-Stiftung, ,dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Friedrich-EbertStiftung gewährt, und zwar an insgesamt 67 Jugoslawen, 18 Ungarn, 8 Polen, 4 Tschechoslowaken und 3 Bulgaren. Ich darf jetzt die zweite Frage beantworten. Zum Studium an einer sowjetischen Hochschule ist als sowjetischer Stipendiat aus der diesbezüglichen Restquote der alten Kulturvereinbarung zur Zeit nur noch ein deutscher Student im engeren Sinne vorgesehen und bereits angemeldet. Im Rahmen des eben erwähnten langfristigen Wissenschaftleraustausches befindet sich jedoch laufend eine Anzahl deutscher Nachwuchskräfte für die Dauer von etwa 6 bis 10 Monaten zu speziellen Forschungszwecken als sowjetische Stipendiaten in der Sowjetunion, darunter auch Studenten in den letzten Semestern für Zwecke ihrer Examensarbeit. Im Jahre 1963 sind es 11 Wissenschaftler gewesen, die größtenteils als Studenten im weiteren Sinne bezeichnet werden können. In diesem Jahr werden es voraussichtlich kaum weniger sein.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich einmal fragen, was Sie unter einem „deutschen Studenten im engeren Sinne" meinen?

Not found (Staatssekretär:in)

Im Sinne dieser Antwort, Herr Abgeordneter, habe ich darunter einen Studenten verstanden, der das akademische Abschlußexamen noch nicht bestanden hat.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

„im engeren Sinne" bezog sich also nicht auf „deutsch"?

Not found (Staatssekretär:in)

Das bezog sich nicht auf „deutsch", sondern auf „Student".

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Frage IV/1 - des Abgeordneten Peiter - ist vom Fragesteller zurückgezogen. Ich rufe die Frage IV/2 - des Abgeordneten Müller ({0}) - auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die tschechische Handelsdelegation sich mit der Öffnung des Grenzüberganges Waldsassen und Bayerisch Eisenstein befaßt?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Darf ich die Fragen 2 und 3 zusammen beantworten?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Selbstverständlich. Ich rufe auch die Frage IV/3 - des Abgeordneten Müller ({0}) - auf: Ist die Bundesregierung bereit, für die Öffnung der beiden Grenzübergänge Waldsassen und Bayerisch Eisenstein einzutreten?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ob sich die Vertretung tschechoslowakischer Außenhandelsgesellschaften - nur darum handelt es sich - mit dieser Frage befaßt hat, ist mir nicht bekannt. Dagegen kann ich mitteilen, daß die tschechoslowakischen Bediensteten, die an Gesprächen über die Wiedereröffnung des Straßenübergangs Furth im Wald teilgenommen haben, auf meine Veranlassung befragt worden sind, welche weiteren Übergänge die Tschechoslowakei wieder zu eröffnen beabsichtige. Auf die Anfrage wurde am 18. März erklärt, in diesem Jahr sollte nur die Übergangsstelle Furth im Wald geöffnet werden. Außerdem sei, wenn es sich zu einem späteren Zeitpunkt als notwendig erweisen sollte, an die Wiedereröffnung des Straßenübergangs Bayerisch Eisenstein gedacht. An der Öffnung weiterer Übergänge sei die Tschechoslowakei vorerst nicht interessiert. Zu der nächsten Frage darf ich sagen: Die Bundesregierung ist bereit, auf die Wiedereröffnung eines jeden der vor 15 Jahren von der Tschechoslowakei einseitig geschlossenen Grenzübergänge einzugehen. Dabei muß - wie ich bereits in der Fragestunde vom 5. März ausgeführt habe - die Initiative hierzu der tschechoslowakischen Seite überlassen bleiben, die ja die Grenzübergänge geschlossen hat.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage.

Hans Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wären Sie bereit, mit der tschechischen Handelsdelegation in Frankfurt am Main erneut wegen der Öffnung der Grenzübergänge Waldsassen und Bayerisch Eisenstein in Verbindung zu treten? Mir ist nämlich bekannt, daß sich Herr Kuhwald geäußert hat, daß in der tschechischen Handelsmission wiederholt darüber Gespräche geführt worden sind.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Kollege, ich bin der Meinung, daß es gut ist, den bisherigen Standpunkt beizubehalten, und daß die Anregung von der anderen Seite kommen muß, die die Grenzübergänge ja geschlossen hat.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf Frage IV/4 - des ,Herrn Abgeordneten Dr. Willeke -. Oder wollen Sie diese Frage zusammen mit den nächsten beiden Fragen beantworten?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja, wenn ich die drei Fragen zusammen beantworten darf.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr. Ich rufe dann außer der Frage IV/4 auch die Fragen IV/5 und IV/6 - des Herrn Abgeordneten Dr. Willeke - auf. Ist der Bundesregierung das „Gutachten über die Verwendung von Lochkarten und elektronischen Rechenanlagen bei der Zahlung von Bezügen" des Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes vom Dezember 1963 - Pr. 2/3 - 1011/06-07 - bekannt, womit auf stark überhöhte Sachkosten, gesteigerten Personalbedarf und Verzögerung in der Bearbeitung bei diesen Verfahren hingewiesen wird? Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung aus dem in Frage IV/4 erwähnten Gutachten für den eigenen und gegebenenfalls den weiteren Bereich der öffentlichen Verwaltung zu ziehen? Glaubt die Bundesregierung angesichts der gutachtlichen Feststellung, daß die Rationalisierungsziele durch „Technisierung des Besoldungsverfahrens mit Lochkartenmaschinen und Datenverarbeitungsverfahren im allgemeinen überschätzt worden sind", stärkeres Maßhalten und Vernünftigmachung der sog. Automation in der öffentlichen Verwaltung empfehlen zu müssen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Der Bundesregierung ist das von Ihnen, Herr Kollege, genannte Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes sehr wohl bekannt. Über das erst im Dezember 1963 abgeschlossene und vorgelegte Gutachten läuft noch ein erheblicher Meinungsaustausch zwischen den beteiligten Bundesressorts. Ich möchte damit andeuten, daß der Inhalt keineswegs unbestritten ist, wobei ich mich sehr zurückhaltend äußere. Ichkanndaheriheute auch noch nicht sagen, ob überhaupt und welche Folgerungen die Bundesregierung aus diesem Gutachten ziehen wird. Sie kann im übrigen ohnehin nur für den Bereich der Bundesverwaltung sprechen, nicht aber für die gesamte öffentliche Verwaltung. Nach dem gegenwärtigen Stand scheint sich eine Meinung herauszubilden, daß dem Gutachten keine allgemeine Gültigkeit beizumessen ist, weil die Verhältnisse in den einzelnen Geschäftsbereichen sehr unterschiedlich liegen und auch sehr unterschiedlich beurteilt werden. Ein abschließendes Urteil ist jedoch noch nicht möglich. Daher sieht sich die Bundesregierung auch nicht veranlaßt, einschränkende Maßnahmen in bezug auf die Automation in der Bundesverwaltung zu empfehlen. Sobald sich die Bundesregierung eine abschließende Meinung zu diesem Gutachten vom Dezember 1963 gebildet hat, bin ich gern bereit, den Herrn Fragesteller darüber zu unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Willeke!

Dr. Friedrich Wilhelm Willeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002516, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich, Herr Minister, aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß sich in Ihrem Hause oder in einem anderen Ressort der Bundesregierung eine Stelle mit diesem Gebiet der öffentlichen Verwaltung besonders befaßt, und darf man erwarten, daß, wenn genügend Erfahrungen vorliegen, diese auch den Landesverwaltungen und den Kommunen nutzbar gemacht werden?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Es findet eine intensive Überprüfung im gegenseitigen Austausch mit allen Beteiligten statt. Selbstverständlich werden alle Erfahrungen im gemeinsamen Interesse weitergegeben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage IV/7 - des Herrn Abgeordneten Fritsch -: Ist die Bundesregierung bereit, die Höherstufung der Stadt Landau ({0}) in Ortsklasse A vorzunehmen, nachdem die Regierung von Niederbayern nach Prüfung aller maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis gelangte, daß das Verbleiben in Ortsklasse B eine besondere Härte darstellt?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Die Orte der Bundesrepublik werden einer höheren OrtsBundesminister Höcherl klasse auf Vorschlag der Länder zugeteilt. Das Land Bayern hat die Kreisstadt Landau an der Isar bisher nicht für eine Höherstufung nach Ortsklasse A vorgeschlagen, weil sie die nach den Richtlinien für die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses zu § 13 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes vom 1. März 1963 erforderlichen Voraussetzungen bisher nicht erfüllt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Fritsch!

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wären Sie bereit, auf einen entsprechenden Vorschlag der bayerischen Landesregierung sehr schnell einzugehen, nachdem die Regierung von Niederbayern, wie in meiner Frage bereits ausgedrückt, festgestellt hat, daß hier ein offensichtlicher Härtefall insoweit vorliegt, als auch vergleichbare Städte Niederbayerns wie Regen und Vilsbiburg bereits der Ortsklasse A angehören?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Leider reicht die Stellungnahme der Regierung von Niederbayern nicht aus. Es muß noch ein Vorschlag der Bayerischen Staatsregierung hinzukommen. Außerdem sind diese Dinge nicht in mein Belieben gestellt. Ich bin an Richtlinien mit genauen Merkmalen gebunden. Wenn die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, soll es nicht an mir liegen, einem solchen Antrag zu entsprechen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl!

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesinnenminister, ist es nicht möglich, auch unter Verletzung der föderalistischen Gepflogenheiten auf Ihre bayerischen Kollegen, auf das Innenministerium und den Finanzminister einzuwirken, daß die alten Bestimmungen, die hier zugrunde gelegt sind, geändert werden? ({0}) Es ist nämlich bekannt, daß z. B. die Kreisstadt Griesbach im Rottal im niederbayerischen Raum, die wirtschaftlich so ungünstig liegt wie Landau a. d. Isar, ebenfalls einen Antrag auf Höherstufung in die Ortsklasse A gestellt hat, der aber abgelehnt worden ist durch die Regierung von Niederbayern -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Unertl, Erklärungen können hier nicht abgegeben werden, nur Fragen können gestellt werden.

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will auch keine Erklärungen abgeben, Herr Präsident, sondern möchte nur darauf verweisen - was der Herr Kollege Fritsch nicht getan hat -, daß nämlich zugrunde gelegt wird, welche Mieten 1956 bezahlt wurden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Unertl, Sie können hier nicht verweisen, sondern nur Fragen stellen. Verweisen können Sie in der Haushaltsdebatte,

Franz Xaver Unertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002355, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage den Herrn Bundesminister, ob die Statistik, die aussagt, was im Jahre 1956 die Durchschnittsraummiete war, im Jahre 1964 noch zugrunde gelegt werden kann. Diese Frage bitte ich zu beantworten oder wenigstens nach Bayern weiterzugeben.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Kollege Unertl, Sie haben neben den Erklärungen mehrere Fragen gestellt. Was nun die letzte Frage betrifft, legen wir kaum Werte vom Jahre 1956 zugrunde, sondern wir richten uns schon nach den Werten der letzten Zählung vom Jahre 1961. Ich bin auch bereit, die allerneuesten Werte einzusetzen. Wenn die letzte Frage, die Sie gestellt haben, so verstanden werden sollte, als ob jemand in diesem Hause föderalistische Grundsätze verletzen möchte, so möchte ich nicht annehmen, daß sie von Ihrer Seite aus so verstanden werden könnte, und das dürfte wohl insgesamt eine ganz eindeutige Einstellung sein. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hammersen.

Walter Hammersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, ist es zutreffend, daß die Umstufung der einzigen noch in Hessen in der Ortsklasse B befindlichen Kreisstadt Ziegenhain u. a. mit der Begründung abgelehnt worden ist, daß es in Bayern noch mehrere Kreisstädte gebe, die nicht in diese gleiche Ortsklasse umgestuft worden seien?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Kollege, solche Zusammenhänge gibt es nicht. Im übrigen glaube ich, das ganze Haus beruhigend darauf hinweisen zu können, daß es unter Umständen in absehbarer Zeit die Möglichkeit gibt, solche Fragen nicht mehr stellen zu müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, nach dieser Diskussion darf ich Sie fragen, ob sie vielleicht bereit sind, die sogenannte Ortsklassenkommission, der ja auch fünf Vertreter des Parlaments angehören, in absehbarer Zeit noch einmal zusammenzurufen, damit alle diese Fragen vielleicht in diesem Gespräch geklärt werden können.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich hoffe, noch einen viel besseren Vorschlag machen zu können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozial Vizepräsident Dr. Jaeger ordnung und rufe auf die Frage VII/1 - des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg -: Ist die Bundesregierung bereit, eine allen sozialen, wirtschaftlichen und grundsätzlichen Interessen Rechnung tragende Regelung des Arbeitszeitproblems durch ein Gutachten vorzubereiten, mit dessen Ausarbeitung die Bundesregierung einen Kreis unabhängiger Fachleute aus den in Frage kommenden Gebieten beauftragt? Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich darf die gestellte Frage wie folgt beantworten. Zur Klärung des Arbeitszeitproblems hat die Bundesregierung bereits mehrere gutachtliche Untersuchungen durchführen lassen. Im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft sind Untersuchungen über das Thema „Arbeitszeit und Produktivität" von mehreren Instituten, u. a. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, durchgeführt worden. In meinem Auftrag ist ein umfangreiches Gutachten über Probleme der Arbeitsbereitschaft und verwandter Erscheinungen vom Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Tübingen, Professor Dr. Fechner, erstellt worden. Ich beabsichtige, weitere Forschungsaufträge dieser Art zu erteilen. Die Bundesregierung hält es im gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht, ein Gesamtgutachten erstellen zu lassen. Eine vollständige und zusammenfassende Beurteilung aller Faktoren ist zur Zeit nicht möglich, weil sich die Entwicklung noch in vollem Fluß befindet. Die Bundesregierung ist deshalb der Auffassung, daß es zunächst zweckmäßiger ist, weiterhin Teilfragen zu klären.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedensburg.

Dr. Dr. h. c. Ferdinand Friedensburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000587, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn die Angelegenheit sich noch in vollem Fluß befindet, so ist ja wohl der Bundesregierung bekannt, daß die Arbeitszeit fortgesetzt verkürzt wird. Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß durch diese systematische und zum Teil doch willkürliche Kürzung der Arbeitszeit immer mehr der Eindruck entsteht, daß die Arbeit an sich ein Übel sei, und geschieht damit nicht den Menschen, die nun einmal arbeiten, ein bitteres Unrecht?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Kollege Dr. Friedensburg, ich persönlich bin nicht der Auffassung - und ich glaube, niemand in der Bundesregierung ist es -, daß die Arbeit ein Übel ist. Ich persönlich möchte sie von meiner weltanschaulichen Sicht aus für einen Segen halten. Aber Sie sagten: willkürliche Arbeitszeitverkürzungen. Mir ist nicht bekannt, daß es willkürliche gibt; denn die Arbeitszeitverkürzungen beruhen auf abgeschlossenen Tarifverträgen. Soweit aber die aktuelle Frage der Arbeitszeitverkürzung behandelt werden muß, darf ich darauf hinweisen, daß es auch zur Aufgabe des kürzlich gebildeten Sachverständigengremiums zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Fragen gehört, die Ursachen von aktuellen und möglichen Spannungen zwischen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und dem gesamtwirtschaftlichen Angebot sowie Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung oder Beseitigung aufzuzeigen. Dazu gehören zweifellos auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.

Dr. Dr. h. c. Ferdinand Friedensburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000587, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist sich die Bundesregierung nicht bewußt, daß es sich nicht nur um wirtschaftliche, um Produktivitätsfragen handelt, sondern um eine Frage von grundlegender soziologischer und weltanschaulicher Bedeutung: wie die Arbeit überhaupt im menschlichen Leben bewertet wird?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ja, ich glaube, Herr Kollege Dr. Friedensburg, das hatte ich eben gesagt. Mehr kann ich nicht sagen als das, daß ich von meinem weltanschaulichen Standpunkt aus - darauf komme ich jetzt zurück - die Arbeit als einen Segen betrachte. Daß sie außerdem wirtschaftlich notwendig ist, braucht man ja nicht besonders darzutun. Ich darf aber doch darauf hinweisen, daß wir in Deutschland eine Arbeitsschutzgesetzgebung haben, deren Sinn und Inhalt ist, zu vermeiden, daß über eine gewisse Norm hinaus gearbeitet wird, während die Arbeitszeitregelungen selber bisher in Deutschland in den Zuständigkeitsbereich der Tarifautomonie fallen. Insoweit wird das also zwischen den Sozialpartnern vereinbart. Darin einzugreifen halte ich weder rechtlich noch politisch für möglich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, gibt es eine Institution der Bundesregierung, die folgende Frage untersucht oder hat die Bundesregierung einen Forschungsauftrag gegeben, nach dem untersucht wird, wie sich die Automation auf die Arbeitszeit in den nächsten Jahren auswirken wird?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Da bin ich im Augenblick überfragt. Ich sprach eben von zwei Forschungsaufträgen, die vergeben worden sind. Ich beabsichtige auch, wieder einen zu vergeben; dieser soll sich auch mit den Fragen des Arbeitsschutzes befassen, z. B. mit der Frage, inwieweit man das der Vereinbarung der Tarifpartner überlassen kann. Da die Fragen des Arbeitsschutzes gerade im Hinblick auf die Automation auch mit den Fragen der Arbeitszeit in Zusammenhang stehen, habe ich die Absicht, demnächst einen diesbezüglichen Forschungsauftrag zu vergeben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, unter der Vorausetzung, daß Ihnen die Untersuchungen des amerikanischen Kongresses über die Auswirkung der Automation bekannt sind, die schon zwei Jahre zurückliegen, möchte ich fragen, ob Sie den Zusammenhang zwischen Automation und Arbeitszeitverkürzung für so wichtig halten, daß sich die Bundesregierung auch damit beschäftigen sollte?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Zweifellos! Diese Ausarbeitungen sind uns bekannt. Wir verfolgen das. Selbstverständlich werden wir uns damit beschäftigen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Hierzu eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Arthur Killat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001098, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie bereit, im Zusammenhang mit der Prüfung 'der Arbeitszeitprobleme auch eine Vorlage zu machen über eine zweckmäßigere Regelung ,der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen für Teilzeitbeschäftigte und Aushilfskräfte, entsprechend einem Vorschlag für _eine Regelung, wie er Ihrem Hause teilweise schon vorliegt?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich bin nicht in der Lage, schon ein Ergebnis vorwegzunehmen. Bevor man dem Gedanken nähertritt, müssen erst einmal die Untersuchungsergebnisse vorliegen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf die Frage VII/2 - des Abgeordneten Dröscher -: Hat die Bundesregierung, nachdem durch Verminderung der Zahl ziviler deutscher Arbeitskräfte bei den US-Dienststellen im Raum Baumholder eine größere Anzahl von Entlassungen bevorsteht, Vorbereitungen getroffen, um eine Unterbringung in anderen Arbeitsplätzen zu gewährleisten?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Die Frage darf ich wie folgt beantworten. Die Arbeitsvermittlung ist nach § 35 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Aufgabe .der Bundesanstalt. Die Bundesanstalt hat die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um eine möglichst rasche Vermittlung der von Entlassungen betroffenen 'Arbeitnehmer zu gewährleiisten. Wie mir der Präsident der Bundesanstalt berichtet, ist in den Bezirken der Arbeitsämter Idar-Oberstein und Kaiserslautern von den Dienststellen der US-Streitkräfte die Entlassung von 696 Arbeitern und 182 Angestellten angekündigt. Die Kündigungen werden bei den Arbeitern am 30. Juni und bei den Angestellten bis zum 31. Dezember 1964 wirksam. Ich darf insoweit auch auf meine Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert, die ebenfalls Entlassungen bei den amerikanischen Streitkräften im Raum Kaiserslautern betrafen, in der Fragestunde am 12. Februar 1964 hinweisen. Zur Zeit läßt sich noch nicht übersehen, ob die Entlassungen tatsächlich im angegebenen Umfang durchgeführt oder ob nicht, wie schon in früheren Fällen, Umsetzungen zu anderen Einheiten der US-Streitkräfte vorgenommen werden. Die zuständigen Arbeitsämter haben in jedem Falle sichergestellt, daß ihnen die tatsächlichen Entlassungen rechtzeitig mitgeteilt werden. Die Vermittler führen bei den US-Dienststellen laufend Arbeitsberatungen durch, um die entlassenen Arbeitnehmer ohne Verzögerung vermitteln zu können. Ich glaube, die Gesamtarbeitsmarktlage ist so, daß - vielleicht von dem einen oder anderen in der Person liegenden Einzelfall abgesehen - die Befürchtungen, diese Personen blieben arbeitslos, grundlos sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wie beurteilen Sie die Möglichkeit, diesen Angestellten der alliierten Streitkräfte, die zum Teil schon 18 Jahre bei demselben Arbeitgeber sind und im Interesse der Sicherheit der westlichen Welt auch eine besondere Treue zu diesem Arbeitgeber bewiesen haben, einen besonderen Status zu geben, angenähert etwa dem des öffentlichen Dienstes, wodurch besondere Voraussetzungen für die Hilfe für sie geschaffen würden?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich vermag nicht zu sehen, daß das eine Zusatzfrage zu der hier gestellten Frage ist. Hier geht es lediglich darum, ob die Leute zur Entlassung kämen und ob wir sie vermitteln können. Darauf habe ich eine, wie ich glaube, befriedigende Antwort gegeben. Das Problem, ob man einen Sondersozialstatus für Arbeitnehmer schaffen sollte, die eine bestimmte Zeit bei irgendeiner Stelle, in diesem Fall bei ausländischen Streitkräften, gewesen sind, scheint mir zu vielschichtig zu sein, als daß man auf eine Frage hin dazu Stellung nehmen könnte. Es erschiene mir auch sehr zweifelhaft, ob es richtig wäre, einen solchen Sonderstatus zu schaffen; denn dann müßte man ähnliche Treueverhältnisse annehmen und ähnliche Bewertungen auch für Angestellte schaffen, die bei anderen Arbeitgebern tätig sind. Ich glaube nicht, daß man das so ohne weiteres ins Auge fassen kann. Ich wiederhole also, daß dieser Problemkreis zu vielschichtig ist, als daß man ihn einfach auf eine Zusatzfrage abschließend behandeln könnte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Abgeordneter Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, haben Sie denn Verständnis dafür, daß sich diese Leute, die so lange bei den alliierten Streitkräften tätig sind, in einer ähnlichen Situation wenigstens fühlen wie diejenigen, die bei den direkt benachbarten deutschen Einheiten als Zivilbedienstete tätig sind?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich habe volles Verständnis für jeden, der lange bei einem Arbeitgeber tätig ist und, durch die Umstände gezwungen, den Arbeitgeber wechseln muß. Das kann auch jemanden treffen, der Be5704 diensteter bei irgendeiner deutschen Stelle ist. Dafür habe ich volles Verständnis. Aber ob ich deshalb einen Sondersozialstatus begründen muß, das erscheint mir, wie schon gesagt, zweifelhaft.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß es sich bei einem großen Teil der zur Entlassung anstehenden Arbeiter und Angestellten um alleinstehende Ausländer aus den europäischen Oststaaten handelt, die die ganze Zeit über kaserniert waren und die fast durchweg keinen Beruf erlernt haben, wodurch doch mit Sicherheit erhebliche Schwierigkeiten bei ihrer Unterbringung auf dem deutschen Arbeitsmarkt in der nächsten Zukunft entstehen werden?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Daß wir mit diesen Schwierigkeiten zu tun haben, ist mir bekannt. Aber sie werden uns, glaube ich, nicht wesentlich mehr belasten als die Schwierigkeiten, die wir haben, wenn wir ungelernte Gastarbeiter aus dem Ausland hereinholen, die ebenfalls der deutschen Sprache nicht mächtig sind und die ebenfalls zunächst manchmal in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Das ist eine Problematik, mit der wir in Deutschland in großem Umfang zu tun haben. Es spricht daher keine Vermutung dafür, daß wir mit dem Problem nicht fertig würden, wo es sich hier um einige hundert solcher Personen handelt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, welche speziellen Maßnahmen werden Sie in Zukunft veranlassen, um die Einordnung dieser ausländischen Arbeitnehmer, die alle Flüchtlinge aus dem Osten sind, in den deutschen Arbeitsmarkt zu beschleunigen?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Genau dieselben Maßnahmen, die ich zu Anfang meiner Antwort schon genannt habe. Die Arbeitsämter kennen die Verhältnisse dort. Sie sind ständig mit dem Problem beschäftigt und werden alles tun, um die Leute rechtzeitig unterzubringen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen damit zur Frage VII/3 - des Abgeordneten Spies -: Nach welchen Richtlinien sind Institutionen wie Krankenhäuser, Altersheime u. a. ausgewählt worden, denen sogenannte Wehrdienstverweigerer zur Ableistung des Ersatzdienstes zugewiesen werden?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Kollege Spies, ich möchte Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Anerkennung von Einrichtungen, in denen Ersatzdienst geleistet werden kann, ist im Gesetz über den zivilen Ersatzdienst geregelt. Nach § 3 dieses Gesetzes kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Einrichtungen oder Vereinigungen auf deren Antrag als Organisation anerkennen, wenn sie 1. vorwiegend gemeinnützigen oder mildtätigen Aufgaben dienen, 2. die Gewähr bieten, daß der Ersatzdienstpflichtige in ihnen zu Arbeiten herangezogen wird, die dem Wesen des Ersatzdienstes entsprechen, und 3. bereit sind, Beauftragte des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnug oder der von ihm bestimmten Stelle Einblick in die Gesamttätigkeit der Ersatzdienstpflichtigen und ihre einzelnen Aufgaben zu gewähren, und nach § 1 des angeführten Gesetzes Aufgaben durchführen, die dem Allgemeinwohl dienen. Der Absatz 2 des § 1 des vorhin genannten Gesetzes gibt den Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten den Vorrang vor jeder anderen Art von gemeinnützigen Einrichtungen. Solange nicht genügend Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten zur Verfügung standen - das galt für die Anlaufzeit -, wurden auch Einrichtungen anderer Art wie z. B. Jugendwohnheime des Christlichen Vereins Junger Männer oder der Arbeiterwohlfahrt als Organisationen anerkannt. Die Lage hat sich inzwischen geändert. Ich darf Ihnen hierzu eine Aufschlüsselung geben. Zur Zeit dienen etwa 1200 Ersatzdienstpflichtige. Für die Ableistung des Ersatzdienstes stehen 400 Organisationen zur Verfügung, und zwar 113 öffentliche Einrichtungen wie Kreis- oder Stadtkrankenhäuser und Landeskrankenhäuser, 37 Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt wie Altersheime und Kinderheime, 89 Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes, und zwar Krankenhäuser, 17 Einrichtungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ebenfalls Krankenhäuser, 22 Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes, nämlich Krankenhäuser und Katastrophenschutzeinrichtungen, 109 Einrichtungen der Inneren Mission, wie Krankenhäuser, Altenheime, Heil- und Pflegeanstalten, sowie 13 sonstige Einrichtungen wie EIRENE, Nothelfergemeinschaft der Freunde, Internationaler Zivildienst. Damit habe ich eine Aufgliederung gegeben, die dem gegenwärtigen Stand in etwa entspricht. Die Dinge sind natürlich etwas in Fluß, und es treten immer wieder Verschiebungen ein.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies.

Josef Spies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Wehrdienstverweigerer sozusagen nur papiermäßig in solchen Organisationen Dienst tun bzw. sich nur für kurze Zeit dort aufhalten, um nach außen hin den Buchstaben des Gesetzes zu erfüllen?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Solche Einzelfälle sind mir nicht bekannt. Das wäre in jedem Falle ein klarer Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen, denn der betreffende Dienstpflichtige muß den Dienst auch ableisten. Die Organisation, die es ihm ermöglicht, sich praktisch diesem Dienst zu entziehen, würde ebenfalls gegen das Gesetz verstoßen. Ob das in einem Einzelfalle mal vorkommt, kann ich im Augenblick nicht sagen. Jedenfalls sind mir derartige Fälle nicht bekannt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage VIII/1 - des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen - auf: Wann ist mit der Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes zu rechnen? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Ich bitte damit einverstanden zu sein, daß ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zusammen beantworte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr. Dann rufe ich auch die Fragen VIII/2 und VIII/3 - des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen - auf: Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, in jedem Falle die Einkommensgrenze für Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz neu festzulegen? Ist die Bundesregierung bereit, bei der Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes als Antragsberechtigten für den Mietzuschuß nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 statt des Wehrpflichtigen auch die Familie zuzulassen? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Bundesregierung beabsichtigt, dem Parlament in Kürze gewisse Änderungen des Unterhaltssicherungsgesetzes vorzuschlagen, die sich im Hinblick auf die Aufstellung der Territorialreserve als notwendig erwiesen haben. Weitere Änderungen des Gesetzes sind im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Zur zweiten Frage! Eine Einkommensgrenze im eigentlichen Sinne kennt das Unterhaltssicherungsgesetz nicht. Das Einkommen des Wehrpflichtigen und das seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ist aber für die Höhe der Leistungen bedeutsam. Nach der Höhe des Einkommens des Wehrpflichtigen richten sich die Höhe des Tabellensatzes während seines Grundwehrdienstes und die Höhe der Verdienstausfallentschädigung während seiner Wehrübung, die nach den Vorschriften des ersten Änderungsgesetzes zum Unterhaltssicherungsgesetz höchstens aus einem Einkommen von 2500 DM berechnet werden. Andere Ansprüche des Wehrpflichtigen und seiner Familienangehörigen sind nicht ohne weiteres nach dem Einkommen feststellbar. Das gilt z. B. für den Anspruch der Eltern oder eines Elternteils eines Wehrpflichtigen auf Einzelleistungen nach § 6. Diese Angehörigen können grundsätzlich nur Leistungen erhalten, wenn sie nach bürgerlichem Recht einen Anspruch auf Unterhalt gegen den Wehrpflichtigen haben. Das setzt voraus, daß sie nicht in der Lage sind, sich selber zu unterhalten, das heißt, daß sie nach bürgerlichem Recht bedürftig sind. Um in diesen Fällen eine gleichmäßige Behandlung sicherzustellen, ist in den von den Bundesministerien des Innern und der Verteidigung herausgegebenen Hinweisen zur Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes eine Richtzahl festgelegt. Nach ihr wird die Bedürftigkeit im vorgenannten Sinne stets anerkannt, wenn die Einkünfte einer alleinstehenden Person monatlich nicht mehr als 230 DM, bei Eltern, die einen gemeinsamen Haushalt führen, nicht mehr als 300 DM betragen. Diese Beträge stellen jedoch nur Anhaltspunkte und nicht starre Einkommensgrenzen dar. Es kann deshalb nach Prüfung des Einzelfalles über die Richtzahl hinausgegangen werden. Liegen besondere Verhältnisse vor, sind z. B. Aufwendungen für Krankendiät oder für Fahrten zur Arbeitsstätte erforderlich oder müssen die Eltern Geschwister des Wehrpflichtigen unterhalten, so erhöhen sich die genannten Beträge. Es wird zur Zeit geprüft, ob die Richtzahlen den Lebenshaltungskosten entsprechend erhöht werden müssen. Hierzu bedarf es aber keiner Gesetzesänderung. Drittens. Da im Augenblick keine Novellierung vorgesehen ist, darf ich diese Frage als Anregung ansehen, die bei einer künftigen Gesetzesänderung geprüft werden wird. Ich selbst hätte gegen die gewünschte Änderung keine Bedenken.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Zusatzfrage zu meiner Frage VIII/2. Herr Minister, nachdem diese Einkommensgrenze nun einmal durch die Verwaltungsanweisungen seit Jahren festliegt - glauben Sie nicht, daß sich verständlicherweise die Behörden in vielen Fällen danach richten und es für die betroffenen Staatsbürger außerordentlich schwierig ist, solche zusätzlichen Bescheinigungen beizubringen? Wären Sie nicht bereit, nach, ich glaube, sieben oder acht Jahren nun doch die Einkommensgrenze zu ändern? Es bedarf doch keiner Statistiken mehr, um nachzuweisen, daß sich inzwischen die Lebenshaltungskosten sehr stark erhöht haben. von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe Ihnen, Herr Abgeordneter, dargelegt, 1., daß die Richtlinien keine starren Maßstäbe setzen, sondern man im Einzelfall flexibel sein kann, und 2., daß eine Überprüfung im Gange ist, ob diese Richtsätze, die ich zitierte, wirklich noch ausreichen oder nicht. Diese Prüfung ist im Gange. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich hier in einer Fragestunde nicht bereit bin zu sagen: wir werden die Richtsätze erhöhen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie in Ihrem Hause einmal angeordnet, daß die Erfahrungen der untersten Ebene gesammelt werden, um bei einer Novellierung zu Rate gezogen zu werden? Ich verfolge immer wieder in den Kreisen, welche Schwierigkeiten dort bei der Auslegung dieses Gesetzes bestehen. von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, Sie werden den Eindruck haben, daß in meinem Hause nicht nur von oben regiert wird, sondern daß man versucht, die Dinge unten zu erkennen und oben eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine dritte Zusatzfrage, im Hinblick darauf, daß drei Fragen gestellt worden sind.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wann kann ich die von Ihnen erwähnte vernünftige Entscheidung dann auch erkennen? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich wiederhole, daß wir dabei sind zu prüfen, ob die Richtsätze erhöht werden müssen oder nicht. Wenn die Prüfung abgeschlossen ist, werde ich Sie, Herr Abgeordneter, davon unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe auf die Frage VIII/4 - des Abgeordneten Maucher -: Ist das Bundesverteidigungsministerium bereit, um zur Beseitigung des Lehrermangels beizutragen, diejenigen Wehrpflichtigen, die den Lehrerberuf erlernen wollen, vom Wehrdienst zurtickzustelien? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Ich beantworte diese Frage mit Nein.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage VIII/5 - des Abgeordneten Cramer -: Treffen Zeitungsmeldungen zu, wonach die Bundesregierung und ihr früherer Verteidigungsminister Strauß die Konstruktions- und Entwicklungstätigkeit der deutschen Flugzeugingenieure beim Bau der für Agypten bestimmten Messerschmidt-Düsenjäger H 200 und H 300 voll gebilligt und unterstützt hat? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Weder die Bundesregierung noch der frühere Verteidigungsminister haben diese Tätigkeit gebilligt oder unterstützt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat schon frühzeitig gegen die Tätigkeit deutscher Experten für militärische Zwecke in Ländern, die nicht Mitglied der NATO sind, Vorstellungen erhoben, und zwar in der Amtszeit des früheren und ebenso in der Amtszeit des jetzigen Verteidigungsministers.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Cramer.

Johann Cramer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wie erklären Sie sich dann die Erklärungen der zurückgekommenen Ingenieure Dr. Gronau und Polenz, die behaupten, daß sie veranlaßt worden seien, und zwar durch den Militärattaché Oberst Kriebel, dort zu bleiben, weil die Bundesregierung es wünsche? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Diese Pressenotiz, Herr Abgeordneter, ist unrichtig. Der Militärattaché in Kairo hat eindeutig berichtet, daß er eine solche Erklärung niemals abgegeben hat.

Johann Cramer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann treffen die Zeitungsmeldungen nicht zu? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kann nur wiederholen, was ich sagte: der Militärattaché hat berichtet, daß sie nicht zutreffen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage VIII/6, gestellt von Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke. ({0}) von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ist nun die nächste Frage aufgerufen oder eine Zusatzfrage zugelassen?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zur Frage VIII/5 war eine Zusatzfrage gestellt. Ich bitte, Herr Abgeordneter, sich rechtzeitig zu Zusatzfragen zu melden.

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich hatte mich rechtzeitig gemeldet. Herr Minister, können Sie etwas über die Verhandlungen sagen, die über diesen Fragenkomplex zwischen der deutschen Botschaft in Kairo und Ihrem I Hause stattgefunden haben? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Deutsche Ingenieure suchten - ich glaube, es war im September 1962 - den Militärattaché auf. Sie teilten ihm mit, daß in der deutschen Presse gegen ihre Tätigkeit in der Flugzeugentwicklung Stellung bezogen werde. Sie befürchteten, daß bei deutschen Stellen ihre Wiedereinstellungsgesuche nicht erfolgreich wären und daß sie in Deutschland keine vertraulichen Informationen mehr über den Flugzeugbau erhalten würden. Über dieses Gespräch, Herr Abgeordneter, hat der deutsche Militärattaché in Kairo berichtet und darum gebeten, daß sich das Ministerium dazu äußere, damit er den Herren eine entsprechende Auskunft geben könne. Daraufhin ist dem Militärattaché vom Verteidigungsministerium mitgeteilt worden, daß die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlußsachen - um diesen Punkt handelt es sich - mit dem Ausscheiden aus der früheren Tätigkeit in der Bundesrepublik hinfällig geworden sei; soweit sie in der Bundesrepublik wieder tätig sein wollten, müsse also die Frage geklärt werden, ob ihnen erneut eine Ermächtigung zum Umgang mit Verschlußsachen erteilt werden könne; für eine erneute Ermächtigung sei aber zunächst eine erneute Überprüfung im Einzelfalle erforderlich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Adorno.

Eduard Adorno (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, billigt es die Bundesregierung, daß deutsche Experten im Ausland an militärisch zu nutzenden Überschallflugzeugen, an Raketen oder an ABC-Waffen arbeiten? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung billigt das nicht. Soweit eine Mitarbeit deutscher Experten in NATO-Staaten, z. B. im Flugzeugbau oder zum Schutze gegen ABC-Waffen, erforderlich wird, erfolgt jedesmal eine eingehende, sorgfältige Prüfung hinsichtlich der Person dessen, der dorthin zur Mitarbeit entsandt wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Adorno.

Eduard Adorno (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, arbeiten deutsche Experten im In- oder Ausland an ABC-Waffen? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Im Inland nicht. Sie wissen, daß wir uns durch Vertrag verpflichtet haben, an der Forschung und Entwicklung oder Produktion von ABC-Waffen in Deutschland nicht irgendwie Mitarbeit zu leisten, daß wir uns verpflichtet haben, nicht zu forschen und nichts zu produzieren. Wir haben keine Einwirkung darauf, wenn ein Forscher ins Ausland geht, da die Berechtigung, ihn zurückzurufen, ihm den Paß zu entziehen und ähnliches - ich verweise auf die Debatte in diesem Hause Mitte des vorigen Jahres - nicht gegeben ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wenn es richtig ist, wie Sie hier sagen, daß der zuständige Presseattaché keine Auskünfte in der Art gegeben hat, wie sie hier von dem Kollegen Cramer dargestellt wurden, warum hat ihre Pressestelle die Aussagen dieser beiden deutschen Ingenieure nicht sofort dementiert? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf berichtigen, Herr Abgeordneter; ich habe nicht gesagt, der Presseattaché habe das erklärt, sondern habe gesagt: der Militärattaché. Herr Abgeordneter, wir sind gar nicht in der Lage, jede einzelne Meldung, die irgendwo erscheint, sofort zu dementieren. Wenn wir das tun wollten, hätten wir, glaube ich, ein sehr hohes Maß von Arbeit.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, hielten Sie diese Meldung nicht für so wichtig, daß Ihre zuständige Pressestelle sofort in die Sache einstieg? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich selber habe von dieser Meldung erst durch eine Veröffentlichung in der Gewerkschaftszeitung „Welt der Arbeit" vom 10. April erfahren, also genau vor vier Tagen. Unmittelbar danach war aber bereits hier die Frage angemeldet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine weitere Zusatzfrage? Dann rufe ich jetzt auf die Frage VIII/6 - des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke -: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die 6980 Civilian Labor Group in einer Stärke von etwa 600 Mann kurzfristig aufgelöst wird und damit eine seit 10 Jahren bestens bewährte, einsatzbereite technische Einheit der NATO-Verteidigung nicht mehr zur Verfügung steht, da die Angehörigen dieser deutschen Dienstgruppe sich nach anderen Arbeitsplätzen umsehen müssen? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, sind Sie damit einverstanden, daß alle drei Fragen zusammen behandelt werden?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ja, gern. Ich rufe die beiden weiteren Fragen VIII/7 und VIII/8 - des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke - auf: Ist die Bundesregierung bereit, die in Frage VIII/6 genannte Einheit der NATO-Verteidigung in ihrem Bestand zu erhalten und sie im Rahmen der territorialen Verteidigung einzusetzen? Ist es richtig, daß der Herr Bundesverteidigungsminister in einer öffentlichen Versammlung der CDU am 20. März 1964 darauf hingewiesen hat, daß die Aufstellung von territorialen Verteidigungsverbänden deshalb außerordentlich schwierig sei, weil die Personalfrage kaum lösbar ist? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Zur ersten Frage: Es ist bekannt, Herr Abgeordneter, daß das Oberkommando der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland beabsichtigt, die Zahl der in seinem Bereich beschäftigten deutschen Zivilpersonen zu kürzen. Die Kürzung betrifft die angesprochene Einheit 6980, und zwar die Einheit 6980 der Civilian Labour Group, andere technische Einheiten und eine Reihe von anderen Mitarbeitern. Die Ergebnisse einer Besprechung, die gestern, am 14. April 1964, im Hauptquartier USAREUR in Heidelberg stattgefunden hat und an der auch Vertreter anderer Ressorts teilgenommen haben, müssen abgewartet werden, bevor eine genaue Beurteilung der beabsichtigten Kürzungsmaßnahmen möglich ist. Der Fragenkomplex der Verwendung der deutschen Dienstgruppen bei den Gaststreitkräften ist bereits seit 1961 in Zusammenarbeit zwischen den Alliierten und dem Bundesministerium der Verteidigung untersucht worden. Ein Vorschlag über die Verwendung der Dienstgruppen im Verteidigungsfall ist USAREUR unterbreitet worden. Vorbereitungen meines Hauses wurden jedoch Anfang 1963 auf Wunsch der Gaststreitkräfte zunächst zurückgestellt. Zur zweiten Frage: Die Bundesregierung ist grundsätzlich daran interessiert, diejenigen Einheiten in ihrem Bestand zu erhalten, die im Verteidigungsfall einen Auftrag zur Aufrechterhaltung der Operationsfreiheit der Streitkräfte erfüllen könnten. Dabei kann die Übernahme ganzer Kontingente nur im Rahmen der gesetzten Umfangszahl der Bundeswehr gesehen werden. Es ist zu erwarten, daß - ab5708 Bundesminister von Hassel gesehen von der Brauchbarkeit des mit zu übernehmenden Materials - die Schwierigkeiten bei einer geschlossenen Übernahme in folgenden Punkten liegen: in der Altersschichtung des Personals und in der Bereitschaft, sich in die Bundeswehr unter den geltenden Bestimmungen für Stellenpläne, Laufbahn-und Besoldungsfragen übernehmen zu lassen. Ich kann jedoch erklären, daß der einzelne Angehörige der Civilian Labor Groups unter den gleichen Bedingungen wie jeder andere Deutsche entweder als Soldat oder als Zivilbediensteter übernommen werden kann. Die Bundesregierung wird auf jeden Fall bemüht sein, eine möglichst große Zahl dieses wertvollen technischen Personals sowohl zur Stärkung der Verteidigungskraft als auch aus Fürsorgegründen zu gewinnen. Zur dritten Frage: Die von mir am 20. März 1964 in einer Versammlung angesprochenen personellen Schwierigkeiten betreffen nicht nur die Aufstellung der Territorialen Verteidigung, sondern den Aufbau der gesamten Bundeswehr. Außer um den Mangel an Offizieren handelt es sich vor allem um den Mangel an jungen, geeigneten Unteroffizieren. Dieses hinlänglich diskutierte Problem kann wegen der besonderen Merkmale des Personals bei den deutschen Dienstgruppen durch deren Übernahme aber nicht gelöst werden. Jedoch wird der erhoffte Zuwachs an qualifizierten Fachleuten zur Lösung der Personalfrage beitragen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, darf ich die Beantwortung meiner Frage 2 so verstehen, daß Sie keine geschlossenen Einheiten - die seit zehn Jahren nachgewiesen haben, daß sie ihre Aufgabe ausgezeichnet erfüllen können - übernehmen wollen, sondern nur einzelne Leute, die sich der Bundeswehr zur Verfügung stellen? Habe ich das so richtig verstanden? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe in der Beantwortung der Frage 1 gesagt, daß gestern in Heidelberg beim Oberkommando der amerikanischen Streitkräfte eine Erörterung stattgefunden hat. Über das Ergebnis bin ich aber verständlicherweise noch nicht unterrichtet. Ich habe weiter gesagt, daß wir bei der geschlossenen Übernahme einmal die Schwierigkeiten hinsichtlich der Altersschichtung der Mitglieder dieser Civilian Labour Groups haben und daß zweitens geklärt werden muß, ob diese Leute bereit sind, zu den Bedingungen, die für deutsche Soldaten oder deutsche zivile Kräfte gelten, in der Bundeswehr mitzuarbeiten, oder ob sie, da sie ja besser besoldet werden und anders eingestuft sind, verlangen, daß sie nach den bisher für sie geltenden Richtlinien behandelt werden. Dazu ist die Bundeswehr aber nicht bereit.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, halten Sie es demnach für wichtiger, daß die Altersstruktur, wie sie sich aus den Planvorschriften ergeben mag, gewahrt wird, als daß eine Truppe erhalten wird, die seit zehn Jahren der NATO dient, die, wie anerkannt wird, eingespielt ist und jederzeit einsatzbereit wäre? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich wiederhole, daß ich erst bereit bin, Ihnen den Komplex hier abschließend darzulegen, wenn ich das Ergebnis der gestrigen Erörterung kenne. Vorher bin ich nicht dazu in der Lage, Ihnen das zu sagen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Dr. Rutschke, Sie haben drei Fragen gestellt, können also sechs Zusatzfragen stellen. Bitte sehr!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, beruht der Widerstand in Ihrem Hause dagegen, diese Einheiten geschlossen zu übernehmen, nicht vielmehr darauf, daß man die Führungskräfte dieser Einheiten, die dort seit mehr als zehn Jahren erfolgreich tätig sind, nun in eine Offiziersrangordnung einordnen muß und das nach Vorstellung Ihres Hauses nicht so recht passen will? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf wiederholen: Wir setzen voraus, daß diejenigen Kräfte, die aus den Civilian Labor Groups zu uns kommen, nach den gleichen Bestimmungen bei uns zu wirken bereit sind, die für die Angehörigen der Bundeswehr als Soldaten oder als zivile Kräfte gelten. Wir haben aus anderen Bereichen geschlossene Einheiten übernommen. Diese alten Kräfte, z. B. in den Ausbesserungswerkstätten der Bundesbahn, haben eine Besitzstandsklausel bekommen. Nun gibt es heute in den Einrichtungen der Bundeswehr zwei verschiedene Gruppen: die älteren zivilen Arbeitskräfte, deren Besitzstand gewahrt ist, und die anderen, die nach den gültigen Tarifbestimmungen heute neu angestellt werden. Zwischen diesen beiden Gruppen bestehen außerordentliche Spannungen. Wir sind daher nicht bereit, Gefahr zu laufen, daß erneut über einen solchen Weg - geschlossene Übernahme innerhalb der Bundeswehr - unterschiedliche Kategorien entstehen, die wahrscheinlich nichts weiter bringen werden als Ärger oder Enttäuschung für alle Beteiligten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir stehen damit am Ende der Fragestunde und kommen nunmehr zu den Zusatzpunkten der Tagesordnung. Ich rufe zunächst auf: Nachwahl von Mitgliedern des Vermittlungsausschusses. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 14. April gebeten, für den Vermittlungsausschuß folgende Nachwahlen vorzunehmen: für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Deist den AbgeordneVizepräsident Dr. Jaeger ten Dr. Schellenberg als ordentliches Mitglied und für den dadurch als stellvertretendes Mitglied ausscheidenden Dr. Schellenberg den Abgeordneten Junghans als stellvertretendes Mitglied. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; damit sind die Abgeordneten Dr. Schellenberg und Junghans gewählt. Als nächsten Punkt der Tagesordnung rufe ich auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG und der EAG für sechs Verordnungen des Rats über die Regelung der Amtsbezüge für Mitglieder der Kommission und des Gerichtshofs ({0}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Marquardt. ({1}) - Ist Herr Abgeordneter Marquardt nicht im Saal? ({2}) - Ein Berichterstatter kann auf seine Berichterstattung, die seine Pflicht ist, nicht verzichten; aber das Haus kann darauf verzichten. Verzichtet das Haus auf die Berichterstattung? - Das ist der Fall. Ich frage nunmehr, ob dem Antrag auf Drucksache IV/2144 zugestimmt wird. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Damit kommen wir zum 2. Punkt der ordentlichen Tagesordnung: Sammelübersicht 29 des Ausschusses für Petitionen ({3}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({4}). Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zum Hauptpunkt des heutigen Tages, zu der Haushaltsberatung. Ich rufe auf Punkt III: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Ergänzung zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 ({5}) ({6}). Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr auf Punkt IV: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsj ahr 1963 ({7}) ({8}); Schriftlicher Bericht 'des Haushaltsausschusses ({9}) ({10}). ({11}) Es liegt ein Schriftlicher Bericht ides Abgeordneten Schoettle vor, für den ich danke. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe idamit in zweiter 'Beratung sämtliche Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auf 'der einen Seite ging es etwas durcheinander, aber die Mehrheit ist eindeutig; es ist so beschlossen. Nunmehr kommen wir zu Punkt V der Tagesordnung: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 ({12}) ({13}) ; Berichte des Haushaltsausschusses ({14}). Ich rufe die einzelnen Berichte des Haushaltsausschusses auf, und zwar erstens: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt ({15}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Baier ({16}). ({17}) - Der 'Berichterstatter regt an, das Haus möge auf seinen Bericht verzichten. ({18}) - So habe ich es doch, glaube ich, nichtig interpretiert. - Das Haus verzichtet. Damit kommen wir zur Aussprache 'in der zweiten Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 01 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen? - Ich bitte um die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag ({19}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Götz. ({20}) Vizepräsident Dr. Jaeger - Das Haus entspricht der Anregung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 02 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einzelplan 02 ist angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 03 Bundesrat ({21}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Mengelkamp. Regt auch er Verzicht an? - Offenbar! - Es wird also auf Berichterstattung verzichtet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Einzelplan 03 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einzelplan 03 - Bundesrat - ist angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({22}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Conring. ({23}) - Er regt auch Verzicht an. - Gut, es wird verzichtet. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort als erster Redner hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute, bei der Beratung des Haushalts 1964, ist etwa ein halbes Jahr seit der Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 vergangen. Bei der Entscheidung über diesen Haushaltsplan ist zu prüfen, ob die Erwartungen, die damals an die Umbildung der Bundesregierung und an die Übernahme des Kanzleramts durch Herrn Professor Erhard geknüpft worden sind, in Erfüllung gegangen sind. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Es ist zu fragen, ob er in Ausübung dieser Kompetenz die ihm zustehende politische Führung tatsächlich ausgeübt hat oder nicht. Im wesentlichen ist es bei dem Stillstand in wichtigen politischen Fragen geblieben, der seit dem Jahre 1961 das deutsche politische Leben und die Tätigkeit von Regierung und Parlament ausgezeichnet hat. Durch den Kanzlerwechsel hat sich an dieser Lähmung seit 1961 nichts geändert. Den Worten sind kaum Taten gefolgt. ({0}) Wir haben seit 1961 vier Regierungserklärungen gehört. Die Wiederholungen von Regierungserklärungen sind kein Ersatz für ihre Durchführung. ({1}) Der Herr Bundeskanzler hat am 18. Oktober 1963 in seiner Regierungserklärung sein Verhältnis zur Opposition definiert und für diese Definition unsere ausdrückliche Zustimmung gefunden. Er hat damals gesagt - ich zitiere -: Gewiß gehört es zum Wesen der parlamentarischen Demokratie, daß sich der Bundeskanzler auf eine Fraktion oder Koalition stützt, die im Parlament über die Mehrheit verfügt. Mit seiner Wahl aber hat er sich über alle Parteiungen hinweg als Sachwalter des ganzen deutschen Volkes zu fühlen und aus dieser Verantwortung heraus zu handeln. Zur Wahrung dieses Grundsatzes - so fuhr der Bundeskanzler damals fort bekenne ich mich vor dem Hohen Hause ausdrücklich. So erblicke ich denn auch in der Opposition einen notwendigen und vollwertigen Bestandteil des parlamentarisch-demokratischen Systems und erwarte, daß unsere gewiß unvermeidlichen Auseinandersetzungen von diesem Geist getragen sein werden. Ein Blick auf den Parteitag seiner Partei in Hannover und die dort gehaltenen Reden zeigt, daß der Bundeskanzler diese von ihm selbst verkündeten Grundsätze inzwischen aufgegeben hat, ({2}) daß er entgegen diesem damals von ihm ausgesprochenen Satz inzwischen weitgehend dem Agitationsbedürfnis seiner politischen Freunde gefolgt ist. Der Hinweis darauf, daß die Schonzeit der Opposition nunmehr zu Ende sei, gibt die Opposition gewissermaßen zum Abschuß frei. Nun, meine Damen und Herren, so ganz ein fröhliches Jagen wird es in der Innenpolitik nicht werden, darauf können Sie sich verlassen! ({3}) Praktisch ist damit eine Art verfrühter Bundestagswahlkampf vom Zaun gebrochen worden. Ich kann durchaus die auf dem Parteitag in Hannover sichtbar gewordene Aufregung verstehen. Sie haben es mit der Lage zu tun, daß wir nun einer wirklichen Chance eines Wechsels in der politischen Machtkonstellation allmählich entgegensehen. ({4}) Das ist gut so. Das ist deshalb gut so, weil nur die Möglichkeit des Wechsels die Regierung davor bewahrt, allzu leichtfertig mit der Macht umzugehen und allzu schwerwiegende Fehler zu begehen, und weil nur die Aussicht auf die Möglichkeit des Wechsels auch die Opposition davor bewahrt, in skruppellose Demagogie zu verfallen, weil sie morgen als Regierung einlösen muß, was sie heute als Opposition sagt. ({5}) Deshalb ist jene Vorstellung, die in Ihren Reihen weitgehend noch kultiviert wird, es müsse zwar eine Opposition geben, aber regieren dürfe sie nicht - eine Vorstellung, die etwa aus dem Erbhofrecht entnommen ist -, ({6}) für das politische Leben nicht bekömmlich. Sondern nur wenn die Opposition allseitig als die mögliche Regierung von morgen empfunden wird, hat das Verhältnis von Regierungsmehrheit und Opposition den richtigen Sinn in der parlamentarischen Demokratie. ({7}) - Sie sind merkwürdige Leute. ({8}) - Ja, wirklich, merkwürdig: Wenn wir in bestimmten Fragen z. B. den Außenminister der Bundesregierung gegen die Heckenschützen in den eigenen Reihen schützen müssen, dann beklagen Sie deli Mangel an Opposition, und wenn wir. uns einmal in wichtigen Fragen kritisch mit Ihnen auseinandersetzen, dann meinen Sie, die Opposition sei nur der Geist, der stets verneint. ({9}) Sie müssen sich nun einmal daran gewöhnen, daß es sich die Opposition herausnimmt, die Regierung dann zu unterstützen, wenn die Regierung etwas Richtiges tut, und auf der anderen Seite die Regierung zu kritisieren, wenn sie nach der Meinung der Opposition Fehler begeht. Diese unsere Funktion werden wir uns auch durch herablassende Bernerkungen nicht streitig machen lassen. ({10}) Nun also zur politischen Führung! Es fehlt - ich habe vorhin schon darauf aufmerksam gemacht - nicht erst seit 1963, sondern ganz klar erkennbar seit 1961 an klarer politischer Führung, und durch die Umbildung der Bundesregierung hat sich daran nichts geändert. Ich möchte einige Beispiele geben. Der Anblick des einst von Ihnen der Öffentlichkeit als großes gesetzgeberisches Werk vorgestellten Sozialpakets ist zum Erbarmen. Es muß eine verdammt lange Schnur sein, die ein Paket noch zusammenhält, wenn man inzwischen das Kindergeldgesetz herausgenommen und verabschiedet hat und die weiteren Teile dieses Pakets noch nirgendwo am Horizont sichtbar geworden sind. Keiner weiß, wo sie überhaupt liegen, was darin sein wird und wann sie versandfertig gemacht werden können. Über die Lohnfortzahlung und damit die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten in diesem wichtigen Bereich herrscht innerhalb der Regierungskoalition erbitterter Streit. Der Bundesarbeitsminister ist zu seiner alten Konzeption des Mißtrauens gegenüber den Versicherten und Ärzten zurückgekehrt. Sicher wissen wir alle, daß es im Bereich der sozialen Krankenversicherung Mißbräuche gibt. Um deren Abstellung müssen wir uns gemeinsam bemühen. Aber wir müssen uns frei machen von der polizeistaatlichen Vorstellung, daß man alle bestrafen dürfe, weil einige sündigen. Wir sollten uns endlich auch frei machen von Kollektivbeschuldigungen gegenüber den Arbeitnehmern in unserem Land. Die Auswüchse in unserem Wirtschaftsleben - nicht nur bei den Arbeitnehmern, sondern auch bei manchen anderen Gruppen - sollte niemand leugnen. Aber sie sind erfreulicherweise nicht die Regel. Die Aufbauleistungen unseres Volkes und seine Exportleistungen zeugen vom Gegenteil. ({11}) Ein Volk, das eine solche Gemeinschaftsleistung vollbracht hat, verdient auch in der Sozialpolitik Vertrauen und nicht etwa Mißtrauen. Und dennoch bleibt Herr Blank Minister in der von Professor Erhard geführten Regierung! Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung die unverzügliche 'Durchführung einer Sozialenquete angekündigt. Seit einem halben Jahr lesen wir gelegentliche Pressemitteilungen zu diesem Thema. Mit der Durchführung wurde nichtbegonnen. Der Haushaltsplan sieht für die Durchführung 'der Enquete keine Mittel vor. ({12}) Es wäre richtiger gewesen, wenn Sie damals, als wir hier im Hause über derartige Enqueten stritten, die sozialdemokratischen Anträge angenommen hätten; wir wären erheblich weiter! Dies gilt auch für die Sachverständigenkommission auf ,dem Gebiet der Krankenversicherungsreform. Ich hatte damals den Herrn Bundeskanzler gebeten, dem Parlament bei der Beratung des Antrags zur Verfügung zu stehen. Er hatte andere, im wesentlichen mit seiner Partei zusammenhängende Verpflichtungen und erschien nicht. Seiner schriftlichen Antwort war zu entnehmen, die Bundesregierung lege Wert darauf, daß der damals vorliegende Entwurf beschleunigt beraten werde. Das entsprang einer völlig falschen Beurteilung der Lage in seiner eigenen Koalition. . ({13}) Die Sache wurde immer verworrener und mit den Beschlüssen der Koalition vom 4. Februar 1964, die erhebliche Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Konzeption enthielten, keinesfalls besser. Das war zwar damals als Geburtstagsgeschenk für den Herrn Bundeskanzler gedacht, hat aber immer noch nicht in Antragsform gegossen werden können, damit man in diesem Hause vernünftig darüber hätte beraten können. Im Gegenteil, jetzt ergeht sich der Herr Arbeitsminister in neuen dunklen Andeutungen darüber, es sollten neue Formen' der Kostenbeteiligung gefunden werden. 'Er sagt aber immer noch nicht, welche eigentlich. ({14}) In dieser Lage ist es verständlich, daß auch der Herr Bundeskanzler selber nicht weiß, wie es eigentlich weitergehen soll. Aber, meine Damen und Herren, eine so wichtige, zentrale Frage kann man nicht allein der Beratung innerhalb eines Ressorts überlassen. In dieser Frage muß der Herr Bundeskanzler den Versuch unternehmen, durch politische Richtlinien die Lösung voranzubringen. ({15}) Bei diesen koalitionsinternen Auseinandersetzungen ist auch die Gesundheitspolitik auf der Strecke geblieben. Es gibt erhebliche Widersprüche zwischen den 'Forderungen auf dem Gesundheitskongreß der CDU und den Erklärungen des Regierungschefs auf der einen Seite und dem Haushaltsplan des Bundesgesundheitsministeriums auf der anderen. Nur ein paar Beispiele; denn über die Einzelheiten wird an entsprechender Stelle zu sprechen sein, nicht hier, wo es sich um die Ausübung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers handelt. Die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Wasser- und Luftverschmutzung und des Lärms sind so greifbar, daß das Parlament eigentlich mit Recht bereits Vorlagen zur Eindämmung dieser Gesundheitsgefahren hätte erwarten können. Zu dem drängenden Problem des Krankenhauswesens hat die Bundesregierung bisher keinen anderen Beitrag geleistet als eine Kürzung der Darlehensmittel für den Nachholbedarf der freien, gemeinnützigen Krankenhäuser. ({16}) Dabei sind gerade diese beiden Punkte in der vom jetzigen Bundeskanzler schon 1961 verlesenen Regierungserklärung seines Vorgängers als besonders wichtig erachtet worden. Dennoch ist seit drei Jahren nichts geschehen. Bei der Kriegsopferversorgung hatte sich der Herr Bundeskanzler zu weit vorgewagt und mußte den Rückzug antreten. Am 12. November 1963 wurde von ihm noch verkündet, es gebe keinen anderen Weg als den Zweistufenplan. Nunmehr verabschieden wir einen Haushalt, der die Mittel für das zweite Neuordnungsgesetz ohne Stufenplan enthält. Erhards Vorstellungen über die Neuordnung waren seinerzeit offenkundig unausgegoren. ({17}) Seine Richtlinien, die er damals gab, sind durch die einstimmige Annahme des zweiten Neuordnungsgesetzes vom ganzen Bundestag, einschließlich der Bundesminister, verworfen worden, ({18}) eine schwere Niederlage des Bundeskanzlers. Der Bundeskanzler hat sich am 5. Dezember 1963 vor der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände für Einkommensgrenzen und damit Einkommensprüfung beim Kindergeld ausgesprochen. Das ist ein klarer Widerspruch zu den Forderungen des Arbeitskreises 3 des Parteitages der Christlichen Demokraten in Hannover, wo vom Wegfall der Einkommensgrenze die Rede war. Der Bundeskanzler hatte im Zusammenhang mit diesen Einkommensgrenzen erklärt: Hier wird die Sozialpolitik bereits in eine Kollektivierung getrieben, die zu einer Enthumanisierung führen muß. ({19}) Kinderbeihilfen als Enthumanisierung! Wahrhaftig, eine seltsame Konzeption! Offenbar gilt dieser Grundsatz der Kollektivierung und der Enthumanisierung nicht für die Parteienfinanzierung; ({20}) denn dort sollen Privatorganisationen, die der Initiative freier Bürger und ihrer Leistung ihre Existenz verdanken sollten, durch die Art der Finanzierung allmählich an die staatliche Leine gelegt werden. ({21}) Meine Damen und Herren, auch die Landwirtschaft ist getäuscht worden. Sie ist am schlechtesten auf die künftigen Wettbewerbsverhältnisse vorbereitet worden. Man riskiert unbesehen das Jahr 1966; denn dann ist ja die Bundestagswahl vorbei. Der klaffende Widerspruch zwischen den Forderungen nach einer weltoffenen Handelspolitik und den Autarkietendenzen auf einem bestimmten Gebiete ist bisher von der Bundesregierung nicht aufgelöst worden. Es ist ein Irrglaube, die Probleme der Landwirtschaft vornehmlich mit der Preispolitik lösen und die Landwirtschaft auf diese Weise vor dem Wettbewerb abschirmen zu können. Wir wissen, wie die Bundesrepublik Deutschland in den Gemeinsamen Markt hineingeflochten wird. Das wirkliche Problem ist die Anpassung der Landwirtschaft, die Stärkung ihrer inneren Struktur für die veränderten Wettbewerbsbedingungen durch Strukturhilfen, Einfluß auf die landwirtschaftlichen Betriebskosten und auch eine angemessene Sozialpolitik für die ländliche Bevölkerung. Hier sind im wesentlichen jene Einkommenshilfen möglich, die in anderer Weise der Landwirtschaft helfen können als der hoffnungslose Versuch, sie vor dem Wettbewerb anderer für immer schützen zu wollen. Geradezu lebensgefährlich wäre es, eine Preisangleichung durch die Inflation in anderen Ländern zu erwarten. Das schlägt doch jener Aufgabe ins Gesicht ({22}) - Herr Schwarz, der Landwirtschaftsminister! -, die sich die Regierungen stellen müssen, nämlich gemeinsam im EWG-Bereich die Inflation zu bekämpfen statt auf sie zu spekulieren. ({23}) Die Inflation macht nicht an unseren Grenzen halt, und auch die Landwirtschaft wäre bei der Fortdauer der inflationären Tendenzen in anderen Ländern der Leidtragende, selbst wenn ihre Preise jetzt im Verhältnis gehalten werden könnten. Die Produktionskosten der Landwirtchaft würden damit in die Inflationsspirale hineingerissen werden. Die Preispolitik ist ebenfalls ein interessantes Gebiet, zumal auf diesem Gebiete der jetzige Bundeskanzler kein Neuling ist; denn als Bundeswirtschaftsminister hat er da ja auch früher schon ein hohes Maß Verantwortung getragen. Ich möchte Ihnen zwei Zitate vorlegen, die aus Organen stammen, die nicht von der sozialdemokratischen Opposition herausgegeben werden. Das erste: Für das Jahr 1963 hatte der frühere Bundeswirtschaftsminister Erhard ein Ende des ständigen Preisauftriebs vorausgesagt. Seine Erwartung hat getrogen. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß diese Entwicklung weitgehend durch Maßnahmen der Bundesregierung herbeigeführt worden ist. So der „Kölner Stadt-Anzeiger" vom 8. Januar 1964! Aber noch interessanter am 17. Januar 1964 der Satz: Trotz der ständigen Beschwörungen, die Stabilität der Währung sei das oberste Ziel der Wirtschaftspolitik, und trotz des Kraftaktes der D-Mark-Aufwertung ist das Leben in der Bundesrepublik Jahr für Jahr teurer geworden. Das stammt aus dem „Rheinischen Merkur", meine sehr verehrten Damen und Herren! ({24}) Das Jahr 1963 war dadurch gekennzeichnet, daß es im Verhältnis zu vorangegangenen Jahren ein Jahr ruhiger Lohnbewegungen war, während die Preise vor allen Dingen im letzten Teil des Jahres stürmisch anstiegen, und dies, obwohl die Bundesregierung noch einmal in ihrer Regierungserklärung verkündet hatte: Das Bemühen um ein stabiles Preisniveau steht an der Spitze der wirtschaftlichen Rangordnung. Besonders scharfe Steigerungen haben haben wir seit dem Herbst 1963 erlebt. Nach der Ansicht der Bundesbank sind diese Steigerungen nicht konjunkturell bedingt gewesen. Der Anstieg wird in erster Linie auf Sonderfaktoren zurückgeführt, die auch im Einflußbereich der Wirtschaftspolitik lagen. Die Bundesbank nennt dabei ausdrücklich administrative Preisanhebungen. Sie stammen aus der Verknappung bestimmter landwirtschaftlicher Produkte und der partiellen Aufhebung des Mietstopps. Ihnen stand keine preispolitische Aktivität der Bundesregierung gegenüber. Daher wurden die Lasten auf den Verbraucher weitergewälzt. Die Mietpreise in den weißen Gemeinden für bestimmte Wohnungsklassen sind im Februar 1964 gegenüber Oktober 1963 um 8,3 % und in einer anderen Altersklasse der Bauten um 7,2 % gestiegen. Ich erlaube mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal in Erinnerung zu rufen, was ich als Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in Beantwortung der Regierungserklärung im Oktober letzten Jahres hierzu ausgeführt habe: Mit besonderer Sorge beobachten wir, daß ein großer Teil der Preiserhöhungen für Lebensmittel, die den Verbraucher belasten, diem Bauern gar nicht oder nur sehr unzulänglich zugute kommen. Angesichts dieser Entwicklung verlangt die SPD eine Durchleuchtung der Preis-und Marktverhältnisse auf den Lebensmittelmärkten vom Erzeuger bis zum Endverbraucher. Verarbeitungs- und Handelsspannen müssen nicht schneller steigen als Erzeugerpreise. Regionale Marktabreden wirken sich zuungunsten von Erzeugern und Verbrauchern gleichermaßen aus. Die Bundesregierung sollte Maßnahmen zur Stärkung der Marktstellung der landwirtschaftlichen Erzeuger durch eine wirksame Förderung ihrer Selbsthilfeorganisationen treffen. So weit mein Zitat aus einem Wunsche vor einem halben Jahr. Dem Wunsche wurde bisher nicht entsprochen. Den Nachteil haben wir alle. Die in Aussicht genommene Erhöhung der Postgebühren nimmt sich seltsam aus angesichts der Tatsache, daß dieselbe Regierung für das Wahljahr glaubt erhebliche Steuersenkungen ankündigen zu können, aber bei der Erhöhung der Postgebühren darauf verweist, der Bundeshaushalt könne auf die Einnahmen aus der Abführung der Bundespost nicht verzichten. Wo bleibt hier die Ausübung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers im Sinne der Erhaltung der Stabilisierung des Geldwertes? ({25}) Der Anstieg der Baulandpreise hat sich fortgesetzt. Beim Wohnungsbau müssen wir mit erheblichen weiteren Mietsteigerungen rechnen, wenn die öffentliche Förderung des Wohnungsbaus insbesondere auf den Gebieten, bei denen es sich um preiswürdige Wohnungen handeln würde, eingeschränkt wird. Dann sind ein weiterer Preisanstieg und die Benachteiligung der Kinderreichen unvermeidlich. Statt dessen haben wir bisher nur die Ankündigung von Maßnahmen vernommen, die Unruhe unter der Bevölkerung auslösen und die wohnungspolitischen Probleme nicht voranbringen. Ich habe eben ein paar Sätze zur Steuerpolitik gesagt. Meine Damen und Herren, wir sind uns in einem wichtigen Grundsatz einig: daß unser Steuersystem im Sinne der sozialen Gerechtigkeit umgebaut werden muß. Es geht hier einmal um den von Ihnen wie von uns beklagten Zustand, daß mittelständische Einkommen im Verhältnis zu den Spitzeneinkommen zu hart besteuert werden. Es geht auch um jenen Mißstand, daß zahlreiche Arbeitnehmergruppen, die nach ihrer in unserer Gesellschaft angenommenen Einkommensstruktur gar nicht unter die Lohn- und Einkommensteuer fallen sollten, durch die allgemeine Entwicklung der Einkommen und der Preise wieder in die Steuerpflicht hineingewachsen sind und infolgedessen nun die Finanzämter mit Millionen von Anträgen im Jahreslohnsteuerausgleich überschüttet werden, weil isich die Steuerpflichtigen auf diese Weise einen Teil der gezahlten Steuer auf Grund der Bestimmungen zurückerstatten lassen wollen. Wir würden einen erheblichen Verwaltungsaufwand ersparen und den Finanzämtern die Möglichkeit zur Erfüllung nützlicherer Tätigkeiten innerhalb ihres Aufgabenbereiches geben, wenn wir durch angemessene Erhöhung der Freigrenzen dafür sorgten, daß wir die Schichten, die gar nicht von der Lohnsteuer erfaßt werden sollten, wieder herausnähmen. ({26}) Die Regierungsvorlage bringt bescheidene Schritte in dieser Richtung. Gut, wer sich darüber einig ist, der muß aber auch den Mut haben, dafür zu sorgen, daß an anderer Stelle der Einnahmeausfall ausgeglichen wird. Der Herr Finanzminister kämpft für diesen Grundsatz bei der Mehrwertsteuer. Er ist für eine Änderung des Umsatzsteuersystems nur dann, wenn die Einnahmen des Bundes dadurch keine Schmälerung erleiden. Er tut das bei einer Steuer, die voll in den Bundeshaushalt fließt. Er tut das nicht bei einer Steuer, die überwiegend in die Länderkassen fließt. ({27}) Man muß dann eben versuchen, einen wenigstens teilweisen Ausgleich zu schaffen, wie wir ihn vorgeschlagen haben, mit jener Tarifform, die Steuersenkungen auf der einen Seite zu einem Teil kompensiert durch eine stärkere Besteuerung der Spitzeneinkommen, z. B. auch durch Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer, soweit sie _ über den Jahresbetrag von 200 DM hinausgeht, von dem steuerpflichtigen Einkommen. Der bisherige Zustand ist ungerecht. Je höher Einkommen und Vermögen sind, desto geringer ist der Promillesatz der Vermögensteuer, der bisher vom Steuerpflichtigen selber wirklich entrichtet wird; das andere wird auf die öffentliche Hand weitergewälzt. Wir müssen uns auch 'unterhalten über den Unterschied der konjunkturpolitischen Lage hier und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort wird ein Steuersenkungsprogramm vorgelegt, um dazu beizutragen, durch Anreiz der Investitionen 5 Millionen Arbeitslose von der Straße zu bringen und in den Produktionsprozeß einzugliedern. Wir haben Überbeschäftigung und beinahe 1 Million fremde Arbeitskräfte in unserem Land beschäftigt. Das ist die genauentgegengesetzte Lage. Wer angesichts eines Booms glaubt, die gleichen steuerpolitischen Rezepte verwenden zu können, heizt den Boom an und leistet damit der Geldwertstabilität einen schlechten Dienst. ({28}) Es ist ja offenkundig, daß die Pläne der Bundesregierung nicht nur mit der steuerlichen Gerechtigkeit nichts zu tun haben und schon gar nichts mit der konjunkturpolitischen Lage, sondern vor allem mit der Bundestagswahl im Jahre 1965. ({29}) Das geschieht von derselben Regierung, die sonst mit Stolz durch ihre Sprecher im Lande verkünden läßt, die Politik der Wahlgeschenke müsse ein Ende haben. Meine Damen und Herren, ist das keins? Wo bleibt der notwendige Ausgleich? Das wird von derselben Regierung verkündet, deren Kanzler auf dem Parteitage seiner Partei, der er ja seit kurzer Zeit angehört, ({30}) die Bekämpfung der Opposition zur nationalen Pflicht erklärt hat. Ist etwa die Bekämpfung der Opposition eine nationale Pflicht, weil wir für den Ausgleich der Steuersenkungen durch Mehreinnahmen an anderer Stelle sind? ({31}) Ich habe ein paar interessante Ausführungen von dem Parteitag in Hannover, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Da ist z. B. die Rede davon, daß es den Gipfel der Scheinheiligkeit darstelle, wenn verantwortungslose Menschen in bezug auf Anforderungen an den Haushalt Anträge stellten, die absolut wirklichkeitsfremd seien und im Falle ihrer Annahme zwangsläufig zur Zerstörung der deutschen Währung führen müßten. ({32}) Es sei - Sie werden es gleich hören; „Sehr richtig", jawohl! - die Aufgabe der CDU, diese leichtfertige Politik mit gebührender Schärfe vor dem deutschen Volke bloßzustellen. Wo blieb eigentlich diese Bloßstellung aus dem Mund des Bundeskanzlers bei der Einbringung der verantwortungslosen Gesetzesvorlage der 115 Herren aus der Regierungskoalition, die 17 Milliarden DM kosten würde? ({33}) Den Widerstand gegen diese Vorlage hat der Herr Bundeskanzler dem Bundesfinanzminister, einigen Sachverständigen seiner Fraktion und der sozialdemokratischen Opposition überlassen. Von ihm war nichts zu hören. ({34}) - Sicher, im Namen der Bundesregierung. Aber der Kanzler hat geschwiegen. Wo hat der Kanzler auf dem Parteitag in der gleichen Weise diese Herren Ihrer Fraktion abgestraft, wie er glaubte, mit politisch Andersdenkenden verfahren zu können? ({35}) Anträge dieser Größenordnung haben wir jedenfalls im Bundestag nicht eingebracht. Das blieb den 115 Herren Ihrer Fraktion überlassen. ({36}) Es gibt sicher das Problem, daß aus der Liquidationsmasse der Folgen des zweiten Weltkrieges noch einige Schäden beglichen werden müssen. Die Regierung hat eine nach unserer Meinung faire Vorlage eingereicht. ({37}) - Entschuldigen Sie, Sie haben offenbar immer noch nicht verstanden, daß ich mich gegen die zweierlei Arten wende, mit denen der Bundeskanzler in der Offentlichkeit auftritt. ({38}) Die Opposition wird als verantwortungslos gebrandmarkt, und der Widerstand gegen derartige Anträge, die weit über das hinausgehen, was die Opposition in diesem Hause in einem einzigen Antrag je gefordert hat, wird vom Herrn Bundeskanzler zwar gedeckt, wenn andere ihn leisten; aber er schweigt. Das muß ich sagen. ({39}) Dabei wissen wir alle, daß ein erheblicher Teil der Entschädigungsbeträge jener Vorlage nicht den Kleinen, die nach der Regierungsvorlage angemessen entschädigt würden, zufließen würde, sondern jenen großen Unternehmungen, die in Wahrheit ihre Demontageschäden längst verdaut haben ({40}) mit Hilfe von Abschreibungsvergünstigungen, Zinsverbilligungen und ERP-Krediten. Jene Unternehmungen befinden sich in einem wesentlich moderneren Zustand als zur Zeit der Demontage, und dann soll ihnen noch nachträglich zu Lasten der Steuerzahler im Verhältnis 1 : 1 für die damaligen Schäden ein Milliardengeschenk gemacht werden, obwohl unsere Sparer nur mit 6,5 bis höchstens 20 % ihrer Spareinlagen abgefunden worden sind! ({41}) Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihre Erregung. Aber Sie können nicht damit rechnen, daß man hier im Hause den feinen Mann markieren und dann draußen im Land in dieser Weise zu uns spreErler chen kann, ohne daß wir die Tatsachen wieder zurechtrücken. ({42}) Führung, meine Damen und Herren, besteht nicht in Monologen am Fernsehen. Sie besteht darin, die eigene Einsicht gegen Widerstand Auge in Auge auch gegenüber dem Andersdenkenden in den eigenen Reihen durchzusetzen. Das ist politische Führung. Ich habe mit etwas Belustigung den langen Forderungskatalog von Hannover gelesen. Es las sich wie der Forderungskatalog einer Partei, die endlich an die Macht kommen will. Anscheinend haben Sie vergessen, wie lange Sie regieren, meine Damen und Herren. ({43}) Wer hat Sie eigentlich daran gehindert, all diese Dinge durchzuführen? Die Liste von Hannover ist eine eindrucksvolle Liste der Versäumnisse der bisherigen Bundesregierung einschließlich der jetzigen. ({44}) Wie will man die Gemeinschaftsaufgaben anfassen, wenn man gleichzeitig daran geht, den Staat von den zu ihrer Lösung notwendigen Mitteln zu entblößen? Wie wollen Sie den Satz des Bundeskanzlers, die Kulturpolitik habe den Rang der sozialen Frage des neunzehnten Jahrhunderts, in die Wirklichkeit umsetzen, wenn Sie den öffentlichen Körperschaften die dafür notwendigen Mittel nicht zur Verfügung stellen? Das hat auch finanzielle Konsequenzen. Ihr Wahlgeschenk für das Jahr 1965 ist mit der Lösung unserer Gemeinschaftsaufgaben und damit der Bewältigung der Zukunft unvereinbar. Das muß mit aller Härte gesagt werden. ({45}) Man kann auch nicht gleichzeitig gegen die Investitionswütigkeit der öffentlichen Hand wettern und dann den Mangel an Staatsbewußtsein bei unseren Bürgern beklagen. Ich habe hier ein Blatt einer Organisation vor mir, die nicht verdächtig ist, sozialdemokratisch eingefärbt zu sein. Es handelt sich um eine Studie des Deutschen Beamtenbundes in der Zeitschrift „Der Beamtenbund" Nr. 3 von 1964. Da setzt man sich sehr gründlich mit den Bemerkungen des Bundeskanzlers vom 19. Februar vor der Vollversammlung des Deutschen Industrie- und Handelstages in Bad Godesberg auseinander, wo die Investitionswütigkeit der öffentlichen Hand attackiert wurde. In dieser Studie werden noch einmal ein paar Zusammenhänge ganz deutlich, die auch Ihnen einleuchten dürften: Was nutzt z. B. das Auto als Symbol des Wohlstandes, wenn der Straßenzustand nicht ausreicht, um es nutzen zu können? Den Arzt können Sie allenfalls bezahlen, das Krankenhaus können Sie sich nicht in Ihren Hinterhof stellen. Früher konnte man sich Privatlehrer leisten, heute kommt niemand, auch der Wohlhabendste nicht, für die Erziehung und die Zukunftschancen seiner eigenen Kinder ohne ein reich gegliedertes, den Anforderungen unserer Zeit entsprechendes öffentliches Schulwesen aus. Wir haben auf diesem Gebiet Nachholbedarf und nicht zu viel getan. Das sind aber doch jene öffentliche Investitionen, die hier attackiert werden. Wer auf diese Weise die öffentliche Tätigkeit als beinahe schädliche Vorform der Kollektivierung - was bei Ihnen fast gleichbedeutend mit Bolschewisierung ist - kritisiert, der darf sich nicht wundern, wenn bei unseren Bürgern jeder Sinn, jede Opferbereitschaft für die Lösung der öffentlichen Aufgaben verlorengeht. ({46}) Dabei käme es ganz entscheidend darauf an - in der Theorie ist das in der Regierungserklärung der Bundesregierung auch richtig angesprochen worden, nur die Praxis, sobald man sich diesen Problemen nähert, widerspricht dem eben -, den Bürgersinn, den Sinn für die Verantwortung gegenüber dem Ganzen, den Sinn für die Tatsache, daß man der Gesellschaft gegenüber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat, zu wecken. Das muß dann aber auch in dieser Politik sichtbar werden. Moralische Postulate allein helfen dabei nichts. Wir Deutsche in unserer wechselvollen Geschichte, aus der niemand aussteigen kann, mit Glanz und Elend und Aufstieg und Niederlagen, haben es immer schwer gehabt, das richtige Verhältnis zwischen dem Individuum, zwischen dem Bürger und seinen Staat zu finden. In der Zeit der „tausendjährigen" Gewaltherrschaft hieß es, der einzelne sei nichts und die Gemeinschaft sei alles. Unter diesem Stichwort haben wenige, die sich für die Gemeinschaft erklärten, dem ganzen Volk ihren Willen aufgezwungen und es sich und ihrem skrupellosen Machtstreben dienstbar gemacht. Die Reaktion war verständlich: Nach dem grauenhaften Zusammenbruch schlug das Pendel genau nach der anderen Seite aus. Dann hieß es lange Zeit hindurch, der einzelne sei alles und die Gemeinschaft sei nichts. ({47}) Das ist genauso falsch. Es kommt darauf an, daß der einzelne weiß, daß die Gemeinschaft nicht ohne ihn bestehen kann, daß seine Freiheit ihre Grenze in der Freiheit des Nachbarn links und rechts neben ihm hat. Sonst entartet das zu einem skrupellosen Kampf aller gegen alle, bei dem nur der Ellenbogenkräftigste sich durchsetzt und der Anständige auf der Strecke bleibt. Es kommt aber auch darauf an, daß der einzelne die Gemeinschaft, in die er hineingeboren wird, nicht als seinen Feind, nicht als etwas anderes empfindet; er ist ein Glied dieser Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist nicht dazu da, den einzelnen aufzusaugen, zu ersticken und zu lähmen, sondern ihm die Erfüllung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten zu gestatten und ihm dabei zu helfen. Dieses richtige Verhältnis zueinander muß auch in den praktischen Dingen sichtbar werden, wie wir uns an die Lösung der Gemeinschaftsaufgaben machen. Deshalb darf man die zur Lösung der Gemeinschaftsaufgaben notwendigen öffentlichen Investitionen von den Schulen über die Universitäten bis zur Förderung des Sports und zum Straßenbau nicht so diffamieren und disqualifizieren, wie der Herr Bundeskanzler es getan hat. ({48}) Ein weiterer Punkt. Vor anderthalb Jahren wurde in der Regierungserklärung - ({49}) - Dann hätte der Herr Bundeskanzler sich etwas deutlicher aussprechen sollen. ({50}) Die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Hand - rechnen Sie auch mal bei den Gemeindehaushalten insgesamt durch, wie sich die öffentlichen Ausgaben verteilen; dann werden Sie sehr rasch merken, wo die wirklichen Größenordnungen liegen. ({51}) Meine Damen und Herren, wir wissen doch genau, wie es im Lande draußen aussieht, wie a 11 g e -m e in gegen die öffentlichen Investitionen überhaupt operiert wird. Dagegen muß man einmal Front machen, da müssen Sie Roß und Reiter nennen, und auch diejenigen Ihrer eigenen Gemeindevertreter dabei nennen, die sich ja gleichfalls wohl auf diesen Gebieten betätigen; oder nicht? Vor einem halben Jahr wurde in der Regierungserklärung ein Gesetz zur Ausführung von Art. 10 des Grundgesetzes angekündigt, ein Gesetz also, das der Rechtsunsicherheit ein Ende machen sollte auf dem Gebiete der Abgrenzung der Freiheitsfelder des Bürgers in Telefon- und Brief- und Postgeheimnis gegenüber den Sicherheitsbedürfnissen des Staates. Zu sehen ist seitdem davon nichts. Auch das Parteiengesetz fehlt, obwohl die Bundesregierung nach dem Grundgesetz gehalten wäre, dem Bundestag eine Vorlage zu machen. ({52}) - Es handelt sich um die Regierung von Professor Erhard, um die neue! In der Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 heißt es: Verschließen wir die Augen nicht vor der Tatsache, daß dem entwickelten Engagement für das Private und für das Gruppeninteresse zunehmend ein Defizit an Bürgersinn gegenübersteht! ... Es muß unser unablässiges Bemühen sein, die Werte, die unsere Verfassung setzt, ins Bewußtsein aller Bürger zu rücken und es immer wieder deutlich zu machen, daß Freiheit mit Verantwortung gepaart sein muß, wenn sie nicht chaotisch entarten soll. Das sind völlig richtige Sätze. Ich hoffe nur, daß die Entscheidungen dieser Woche, z. B. auch auf dem Gebiet der Parteienfinanzierung, diesen Grundsätzen entsprechen und dafür sorgen, daß wir ein „entwickeltes Engagement an Bürgersinn" bekommen und nicht nur für das private Wohlleben. Der Bundeskanzler ist nach meiner Auffassung verpflichtet, für die Durchführung der eigenen Grundsätze im eigenen Hause, in der eigenen Partei zu sorgen. Meine Damen und Herren, noch einige Sätze zum Presse- und Informationsamt. Es liegt Ihnen der Antrag auf Umdruck 4101 vor. Er enthält zwei Begehren. Das eine ist, den Verfügungsfonds des Kanzlers in Tit. 300 von 13 Millionen DM um 3 Millionen DM auf 10 Millionen DM zu senken. Es ist kein zwingendes Bedürfnis einzusehen, dem Geheimtitel diesen hohen Betrag zuzuführen, nachdem der jetzige Bundeskanzler früher durchaus hat erkennen lassen, daß er sich für ein größeres Ausmaß an Rechnungslegung hier einsetzen würde. Wir haben zum zweiten - und wir bitten um getrennte Abstimmung zu beiden Punkten - beantragt, dem Haushaltsvermerk folgende Fassung zu geben: Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofs bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung. Allein die Annahme dieses Haushaltsvermerks ist imstande, einen Anlaß zu ständigem innerpolitischem Mißtrauen aus der Welt zu schaffen. Was beim Bundesnachrichtendienst, in dem es wahrhaftig um höchst vertrauliche Dinge im Interesse der Bundesrepublik Deutschland geht, möglich ist - ohne daß bisher der geringste Anlaß bestand, an der Art der Durchführung der Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes irgendwelche Beanstandungen anzubringen -, das sollte auch beim Bundespresseamt möglich sein. Niemand leugnet, daß die Regierung bestimmte Mittel zu diskreter Verwendung braucht. Wir sind bereit, der Regierung diese Mittel zu dieser Verwendung zu geben; aber es muß die Gewißheit sein, daß sie für Volk und Staat verwendet und nicht im innenpolitischen Machtkampf mißbraucht werden. ({53}) Daher muß eine kleine, auf Diskretion hin zusammengesetzte Gruppe von Abgeordneten imstande sein, die Verausgabung dieser Mittel in geeigneter Weise einzusehen. Außerdem mache ich Sie darauf aufmerksam, daß wir es hier mit einer klaren Überschneidung von zwei Haushaltstiteln zu tun haben. Bei Tit. 300 heißt es, daß die Mittel verwendet würden im Rahmen der aktuell politischen Information, die publicrelations-Arbeit im In- und Ausland zu fördern, sowie für die Förderung von Film, Bild, Funk, Fernsehfunk und Publikationen verschiedenster Art, so- *) Siehe Anlage 3 weit dafür nicht bei anderen Titeln besondere Ansätze ausgebracht sind. Genau dasselbe erscheint im offenen Ansatz Tit. 315: Öffentlichkeitsarbeit „Ausland"; Veröffentlichungen sonstigen Informationsmaterials auch auf den Gebieten des Films, Funks, Fernsehens und der Bildberichterstattung. In den Erläuterungen heißt es: „Der Ansatz dient der modernen public-relations-Arbeit, soweit entsprechende Aufgaben ..." Sie haben also praktisch einen offenen und einen geheimen Titel für denselben Zweck. Der Tit. 300 ist auch für das Ausland bestimmt; es handelt sich also nicht etwa um die Trennung zwischen Inland und Ausland. Wir meinen, daß die Annahme unserer Anträge imstande wäre, hier etwas Ordnung in die Dinge hineinzubringen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase?

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, ist Ihnen bekannt, daß das Land Hessen in seinem Haushalt bei Kap. 02 01 Tit. 300 einen Betrag von 400 000 DM zur Verfügung des Ministerpräsidenten ausweist und daß dieser Ansatz jetzt auf 1 Million DM erhöht worden ist? Der Titel dient ausschließlich der Förderung des Informationswesens, und seine Verwendung wird ausschließlich vom Präsidenten des Landesrechnungshofs kontrolliert.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Und wie sieht es innerhalb des Hessischen Landtages mit Gesprächen über die Einsicht auch anderer in diesen Titel aus? ({0}) - Darüber können Sie mir leider nichts sagen. Ich weiß es auch nicht. Meine Damen und Herren, erfüllen Sie Ihre Aufgabe als Opposition in Hessen, wenn es dort nicht der Fall sein sollte, in demselben Sinne, wie wir es hier tun. ({1}) Im übrigen weiß ich, daß es eine ganze Reihe von deutschen Ländern gibt, in denen man nicht nur diese Aufgaben, sondern sogar die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter durch kleine Kommissionen aus allen Parteien des Parlaments begleiten läßt. ({2}) - Meine Herren, wenn Sie den Grundsatz für Hessen für richtig halten, warum führen Sie ihn nicht auch hier ein? ({3}) Meine Damen und Herren, ich habe es hier mit der Bundesregierung zu tun. Ich kenne die Debatten des Hessischen Landtages darüber im einzelnen nicht; aber eines möchte ich sagen: es würde nicht schaden, wenn die größte gesetzgeberische Körperschaft in diesen Dingen in staatsbürgerlicher Gesinnung mit gutem Beispiel voranginge. Keine Landesregierung könnte sich anders verhalten als die Bundesregierung. ({4}) - Ja, sicher auch da. Noch ein Wort zum Bundespresseamt! Man hat mitunter den Eindruck gehabt, daß es nicht nur ein Organ der Bundesregierung ist - was schon etwas bedenklich ist, denn es sollte sich ja hier auch als Sachwalter der Interessen des ganzen deutschen Volkes fühlen -, nicht nur ein Organ etwa der Mehrheitsparteien, sondern sogar auch ein Organ von Teilen der Mehrheitsparteien. Das ergibt sich aus dem unerhörten Artikel im Bulletin des Presse-und Informationsamtes, der nicht gezeichnet war, vom 20. Februar 1964. Dort wird in unverantwortlicher Weise das Land Berlin an die Seite Pankows und der SED gedrückt. ({5}) In diesem Artikel wurde der Bundesregierung in den Rücken gefallen. Wahrheitswidrig unterstellt dieser Artikel dem westlichen Beauftragten, er habe etwas testiert, was dieser im Gegenteil verhindert hat. In dem Artikel heißt es: Man hatte ja auch teilweise erreicht, was man sich von Anfang an gewünscht hatte: eine, wenn auch im strengsten Sinne nicht völkerrechtsgültige, so doch immerhin optisch sich wirkungsvoll ausnehmende Unterschrift unter ein Papier, auf dem Ost-Berlin als die „Hauptstadt der DDR" erschien, was von dem Kontrahenten mit seinem Namen und im Namen West-Berlins testiert wurde. Dies, meine Damen und Herren, ist nun eine glatte Fälschung. Der Verfasser des Artikels hätte es besser wissen müssen. Der Text des Abkommens vom 17. Dezember 1963 beweist das Gegenteil. In seinem Absatz 3 heißt es ganz klar: Beide Seiten stellen fest, daß eine Einigung über gemeinsame Orts-, Behörden- und Amtsbezeichnungen nicht erzielt werden konnte. Mit anderen Worten: von einem „Testieren" kann gar keine Rede sein. Der Text der Vereinbarungen, die hier attackiert wurden, ist vom Bundeskanzler genehmigt und am 9. Januar 1964 vor dem Bundestag verteidigt worden. Die Übernahme der Propagandabehauptungen des Herrn Ulbricht durch einen Artikel im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung war ein Schaden für unsere Sache. Der Herr Bundeskanzler schien damals Konsequenzen in Aussicht gestellt zu haben. Wir haben nichts vernommen. ({6}) Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Was ist geschehen, um Ihnen künftig den Rücken von solchen Heckenschützen aus dem eigenen Regierungsapparat frei zu halten? ({7}) - Na ja, jeder geht mit der Opposition um, wie er es für richtig hält. ({8}) Meine Damen und Herren, schließlich enthielt die Regierungserklärung des Kanzlers vom 18. Oktober 1963 ja selbst den Satz: Und ebensowenig dürfen wir in dem Eifer erlahmen, die persönlichen Verbindungen zwischen den Menschen, die in beiden Teilen unseres Landes wohnen, neu zu knüpfen, zu festigen und den Besucher- und Reiseverkehr zwischen ihnen zu ermöglichen. Der Aufsatz im Bulletin war, wenn Sie es so wollen, eine Kampfansage an die Erklärung der eigenen Regierung. ({9}) Daß der Leiter des Presse- und Informationsamtes später sehr lendenlahm von diesem Aufsatz abgerückt ist, vermag uns nicht darüber hinwegzutrösten, daß keine weiteren sichtbaren Konsequenzen hinsichtlich der Aufdeckung dieser Angelegenheit und der Abstellung ähnlicher Vorkommnisse für die Zukunft gezogen wurden. ({10}) Das Presseamt hat es sich auch angewöhnt, bei Briefwechseln immer nur die Briefe einer Seite zu veröffentlichen, nämlich der gouvernementalen. Offenbar ist dem Bundespresseamt die Einhaltung der sonst üblichen Regeln publizistischen Anstands abhanden gekommen, ({11}) obwohl das Presseamt von allen Steuerzahlern besoldet wird. ({12}) - Meine Damen und Herren, das Presseamt bezahlen nicht nur Sie, sondern auch wir! ({13}) Was sich Ihre Pressedienste, z. B. die „Bonner Informationen aus erster Hand" leisten, darüber sollten Sie einmal mit sich selbst ins reine kommen, verehrter Herr Stoltenberg. ({14}) Das Presseamt ist eine öffentliche Einrichtung und wird bezahlt aus Mitteln der Steuerzahler. Es untersteht dem Bundeskanzler. Die Art, wie es hier operiert hat, widerspricht der Erklärung des Bundeskanzlers, daß er sich über alle Parteien hinweg als Sachwalter des ganzen deutschen Volkes fühlen und aus dieser Verantwortung heraus handeln wolle. ({15}) Dann muß er dafür sorgen, daß das auch im Bereiche der ihm unterstehenden Behörden zum Allgemeingut wird. Deshalb bitte ich Sie erneut um die Annahme unseres Antrags auf Kürzung des geheimen Reptilienfonds und auf Schaffung eines Mindestmaßes parlamentarischer Einsicht und Kontrolle. Ein weiteres Gebiet! Der Verwaltungswirrwarr bei der Entwicklungspolitik ist nicht beseitigt worden. Bis zur zweiten Lesung sollte laut Erklärung des Ministers Seebohm der Kompetenzstreit aus der Welt geschafft sein. Es ist nichts geschehen. Die Ankündigung guter Absichten reicht nicht. Im Dezember 1963 hat der Präsident des Rechnungshofes in einem Gutachten festgestellt, daß 15 Ministerien mit 231 Referaten die Entwicklungshilfe bearbeiten. ({16}) Die sozialdemokratische Fraktion setzt sich nach wie vor . für eine deutsche Mitwirkung an dieser großen Aufgabe ein. Sie wird nachher dem Entwicklungshilfehaushalt zustimmen. Aber, meine Damen und Herren, wenn der Kompetenzstreit weiterhin zur Energie- und Geldverschwendung führt, kann unserer Fraktion künftig eine Zustimmung nicht mehr zugemutet werden. ({17}) Daher richten wir die dringliche Forderung an den Bundeskanzler, seine grundgesetzlichen Pflichten wàhrzunehmen und die Zuständigkeiten endlich bei dem ja zu diesem Zweck neu gegründeten Ministerium zu konzentrieren. Natürlich muß das dennoch in Übereinstimmung mit den großen Richtlinien der Außenpolitik geschehen. Das ist unbestritten. Aber die Detailarbeit muß im Entwicklungshilfeministerium geleistet werden. In der Außenpolitik, Herr Bundeskanzler, wissen wir uns auf allen wesentlichen Gebieten mit Ihnen einig. Es geht um die Wahrung des Friedens, um die Sicherung der Freiheit und darum, immer wieder neue Ansätze zu finden, um das Selbstbestimmungsrecht auch für die Deutschen in der Zone mit friedlichen Mitteln zu erreichen und damit den Weg zur Wiedervereinigung unseres Landes in gesicherter Freiheit zu ebnen. Wir wissen, daß der Spielraum dafür eng geworden ist. Wir wollen gar nicht untersuchen, warum. Wir brauchen gute Freunde, und deshalb soll man nicht Mißtrauen schüren. Wer Mißtrauen schürt, wird kein Vertrauen ernten. Wir brauchen die Solidarität mit unseren Freunden, vor allem mit jener Macht, die allein imstande ist, das weltpolitische Gleichgewicht zu der sowjetischen Machtpolitik darzustellen. Diese Solidarität muß zu Hause anfangen. Deshalb braucht der Außenminister mehr Kontakt zu allen demokratischen Kräften. Er hat nicht immer eine glückliche Hand gehabt, auch vor allem in Personalfragen nicht. Aber er bemüht sich, die Beschlüsse des Bundestages vom Juni 1961 durchzuführen. Es war hohe Zeit, daß der Bundeskanzler zu den Angriffen gegen den Außenminister wegen der Durchführung dieser Beschlüsse ein klärendes Wort gesprochen hat. Aber leider sind diese Erklärungen gleich wieder ins Schwimmen geraten durch Vertrauensbekundungen für den Vorsitzenden der Christlich-Sozialen Union, ({18}) obwohl dieser sich nicht so eindeutig, wie andere es darstellen, von dem Neuwirth-Artikel distanziert hat. ({19}) Eine Mitteilung, Herr Strauß habe den Artikel weder gekannt noch inspiriert oder abgesprochen, besagt doch nichts über seine Haltung zum Inhalt. Herr Bundeskanzler, jeder Versuch, sich gleichzeitig mit verschiedenen Meinungen identifizieren zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. ({20}) Und wenn ich an Hannover denke: mit der ganzen Welt mit Ausnahme der SPD gut Freund zu sein, das ist eine etwas einseitige Auswahl. Wenn verschiedene Auffassungen vorhanden sind, dann muß der Bundeskanzler nun einmal sagen, welches die seine ist. ({21}) Sie, Herr 'Bundeskanzler, haben in Ihrer Regierungserklärung die staatspolitisch verantwortliche Rolle der Opposition ausdrücklich anerkannt. Lassen Sie sich bitte von dem Manne, der jetzt diese Aufgabe hier wahrzunehmen hat, sagen: es darf in diesen Grundfragen deutscher Außenpolitik kein Zwielicht geben. Der Außenminister ist nicht aktionsfähig, wenn nicht klar ist, wie sein eigener Regierungschef über jeden Zweifel erhaben zu ihm steht und ob er sich auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann. Ich darf hier die Versicherung abgeben, daß der „Bayern-Kurier" nicht die Mehrheit des deutschen Volkes repräsentiert. ({22}) Ich komme zum Schluß. Die hochgespannten Erwartungen zum Kanzlerwechsel haben sich nicht erfüllt. Es ist sehr schwer gleichzeitig Modernisierung anzukündigen und weiter wie bisher machen zu wollen. ({23}) An diesem Wiederspruch wird jeder scheitern, der das versucht. Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich außerstande, dem Haushalt des Bundeskanzlers zuzustimmen. ({24})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir freuen uns, daß wir wieder eine politische Debatte haben. In der ersten Lesung mußten wir die Kollegen von der Opposition um dieses politische Gespräch geradezu bitten. Nun hat es wieder begonnen. ({0}) - Ja, meine Damen und meine Herren, wir sind froh darüber, wenngleich ich gelegentlich den Eindruck hatte, daß hier ein paar Zettel zuviel aus dem Raum Stuttgart mitgebracht worden sind. ({1}) Ich möchte zunächst gleich in das Zentrum und auf den „roten Faden" der Rede, die der Kollege Erler hier gehalten hat, vorstoßen und auf Einzelheiten später eingehen, soweit sie nicht ohnehin im Laufe der Debatte erst kommen. Der Hauptvorwurf, den die Opposition erhebt - in ihrem Schriftturn und auch in der Rede, die Ihr Kollege Erler hier gehalten hat -, heißt: er handle nicht, er rede nur. Das, glaube ich, ist die These vom „Vorwärts" bis zu dieser Rede. Wer so spricht, der zeigt erstens, daß er blind ist, zu sehen, was ist, ({2}) und zweitens, daß er von Ludwig Erhard nichts begreift, weder von dem Mann noch von seiner Politik. ({3}) Wir werden auf diesen Punkt zurückkommen. ({4}) - Zunächst, Herr Kollege Wehner, was ist? Da schließe ich an das an, was Herr Kollege Erler am Schluß gesagt hat. Wir glauben, es ist gut, daß in voller Kontinunität die Politik von Konrad Adenauer fortgesetzt wird. ({5}) Wir freuen uns, daß wir nun mit einem halben Jahr Erhard gezeigt haben, daß dieser Weg fortgesetzt wird, daß dies ein halbes Jahr war wachsender Wohlfahrt, besserer Sozialleistungen für Rentner, ({6}) für Kriegsopfer und für Familien, und daß alles dies in dem halben Jahr dieser Regierung Erhards möglich war. ({7}) - Ja, ich komme doch zu all den Sachen noch. Lassen Sie mich doch in Ruhe das abhandeln. Herr Kollege Erler hat eine Stunde gesprochen. Ich kann nicht in der ersten Minute alles unterbringen, worauf Sie so nervös warten, meine Damen und Herren. ({8}) Aber ich glaube - das möchte ich doch sagen, und. ich hoffe, daß vielleicht auch die Opposition dem zustimmt; denn dies ist ein wichtiger Punkt -, die Welt fragt nun nicht mehr, was mit Deutschland, dem neuen, demokratischen Deutschland sein werde, wenn Adenauer gehe. Sie weiß nun, daß endgültig ist, was wir mühsam neu begannen! Das ist ein sehr wichtiger Punkt in der Bilanz dieses halben .Jahres, meine Damen und Herren. ({9}) Sehen wir uns weiter um! Moskau hat falsche Hoffnungen begraben müssen. Die USA sehen das Positive im deutsch-französischen Vertrag; sie gründen sehr viel auf unsere Stabilität. Die deutschfranzösische Freundschaft ist nun weithin sichtbar die zweier Völker und nicht, wie manche befürchteten, nur die zweier Männer. ({10}) Großbritannien weiß, daß wir auch mit ihm Freundschaft wollen. Das sind positive Punkte einer halbjährigen Bilanz. Unsere direkten europäischen Nachbarn im Westen begrüßen, daß wir intensiver und sichtbarer das Gespräch und das Miteinander mit ihnen suchen. Zugleich beginnt man in Mittel- und Osteuropa mehr über das neue Deutschland nachzudenken und Ulbricht anders zu sehen. Wer diese Erfolge Erhards bestreitet, leugnet eben diese Wirklichkeit. ({11}) Nunmehr komme ich auf das zurück, was Sie eben so zum Lachen veranlaßte. Zweitens: Sie haben, meine Damen, meine Herren der Opposition, immer gesagt, dieser Erhard, der rede nur, der tue nichts. Diesen Vorwurf kennen wir 14 Jahre lang. Sie haben ihn 14 Jahre lang erhoben gegen den Bundeswirtschaftsminister Erhard und seine Wirtschaftspolitik. Sie haben seine Politik als bloße „Seelenmassage" geglaubt abtun zu können. Und wohin hat uns diese Politik gebracht? - In die Spitzengruppe der Industrienationen, des Welthandels, in die Spitzengruppe auch der Löhne, der Arbeitszeitverkürzung, der Vollbeschäftigung, der Sozialleistungen und der Geldwertstabilität. ({12}) Eben dieses angebliche „Nichtstun" auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet war doch so wirksam, daß die Opposition ihr wirtschaftliches und ihr politisches Programm überprüfen und dann auch ändern mußte. ({13}) Eben das, meine Damen und Herren, werden Sie jetzt vom Bundeskanzler Erhard erneut erfahren, und zwar auf dem ganz en Gebiet der Politik. Sie sind ja schon dabei, zu spüren, daß dieser Mann sich durch seine Art auswirkt, und davon wollen wir Ihnen ein bißchen sprechen. ({14}) Diese Politik ist nicht technisch und rechenhaft, sie ist nicht punktuell, sondern sie ist ein Wurf aus einer geistigen Haltung und einer starken Persönlichkeit; und darüber wollen wir sprechen, nachdem Sie versucht haben, hier alles so abzuwerten. Die Opposition wird zustimmen müssen, wenn ich zunächst einmal feststelle, daß es zwischen Bund und Ländern nie besser ging als gegenwärtig. Die Koordinierung im kulturellen Bereich ist besser geworden. Die drängenden finanziellen Fragen werden dringlicher behandelt, - um nur das zu nennen. Der Dank hierfür gebührt auch den Ländern. Aber: Ist es nicht doch so, daß der Bundeskanzler durch seine Art - Herr Kollege Wehner, nach der Sie eben fragten -, durch sein Tun, seine Gespräche und seine Persönlichkeit ein besseres Klima und damit die Basis für diese Dinge geschaffen hat?! Eben dies nenne ich einen außerordentlichen Beitrag zur Stärkung unserer inneren Stabilität. ({15}) - Meine Damen, meine Herren, wir können doch über die Frage ruhig sprechen! ({16}) Wir sprechen über die Kontinuität der deutschen Politik. Daß diese Politik jeder in seiner persönlichen Art treibt, ist der Sinn dieser Bemerkung, die Sie eben nicht verstanden haben. Ich habe ja versucht, sie Ihnen zu erklären. Nehmen Sie ein anderes: Ich meine mich auch nicht zu irren, wenn ich Zeichen eines besser werdenden Verhältnisses der Sozialpartner zueinander feststelle. Auch das kommt nicht von ungefähr. Es streitet sich nun einmal schwerer mit Ludwig Erhard in diesen Dingen. Seine Art und seine Redlichkeit erwirken auch hier ein neues Klima, und darüber sind wir froh. Niemand sollte übersehen, daß dieser Bundeskanzler, nun, ich möchte wirklich sagen - Herr Kollege Erler hat auch davon gesprochen -, den Mut hat, durch eine Sozialenquete unabhängiger Wissenschaftler einmal feststellen zu lassen, was hier wirklich ist, und so zu einer besseren, objektiveren Erkenntnis der sozialen Wirklichkeit zu kommen, um dann sinnvoll und gerecht weiter vorankommen zu können in der Frage der Sozialreform. Dies ist eine Politik, die sich natürlich nicht in sechs Monaten auswirken kann. Das Ergebnis muß erst einmal da sein. Aber dieser Ansatz macht wieder etwas deutlich von dem, was die Art des Bundeskanzlers ist, die Art, die manchem auf die Nerven zu gehen scheint. ({17}) Die Opposition kann doch wohl füglich nicht behaupten, ({18}) sie werde nicht beteiligt oder nicht gehört. Im Gegenteil: Ob Zypern, ob Passierscheine, ob USADr. Barzel Besuch, immer suchte der Kanzler das Gespräch mit allen, die Kooperation aller Verantwortlichen in den großen nationalen Fragen, auch das Gespräch mit der Opposition. Das, meine Damen, meine Herren, sollten Sie anerkennen. Aber leider wird es wenig honoriert, sondern eher mit kleinkarierter Böswilligkeit gedankt. ({19}) Schließlich halte ich es nicht für zufällig, daß gerade jetzt in unserem Land die Diskussion mit den Vertretern des Geistes und über die geistigen Dinge lebendiger in Gang gekommen ist. Wer hat das denn angestoßen? Ludwig Erhard von dieser Stelle in seiner Regierungserklärung! ({20}) Ich darf hier weiter positiv bilanzieren. Aber das scheint eben nicht allen zu gefallen. ({21}) Auch das europäische Gespräch ist neu belebt. Erst dieses Gespräch kann zu neuen Ergebnissen führen. Diesem Gespräch hat Ludwig Erhard die entscheidenden Impulse gegeben. Er hat es manchen widrigen Erwartungen zum Trotz begonnen. Und eben diesen Mann zeihen Sie des „Nichtstuns"? Nein! Sagen wir, wie es ist: Der Erfolg und die Art dieses Kanzlers machen Sie ein wenig ratlos und nervös. Das ist es, um was es hier geht. ({22}) Dem Kanzlerkandidaten der Opposition ist es nicht einmal gelungen, Einigkeit zwischen den britischen und deutschen Sozialisten herzustellen, obwohl beide in Opposition sind. ({23}) Nun wollen Sie von unserem Bundeskanzler verlangen, daß er im ersten Ansturm alle Bastionen in den Gesprächen mit anderen Regierungen einreißt. Das sind doch, meine Damen, meine Herren, nicht die rechten Maßstäbe, mit denen Sie an die Dinge herangehen. ({24}) Wir glauben, daß der Kollege Möller, ein Kollege der Opposition, recht hatte, als er am 9. Januar von dieser Stelle aus sagte, Erhard sei der „Bundeskanzler des ganzen deutschen Volkes". Das war eine gute Feststellung, meine Damen und Herren. ({25}) - Nein, eine Feststellung. ({26}) Damit komme ich zu einer ernsten Sache. Herr Kollege Erler hat unlängst den Bundeskanzler angegriffen. Das herzhaft zu tun, ist Ihr gutes Recht, Herr Kollege Erler. Es war aber nicht herzhaft, sondern abwertend-böse gemeint, als Sie glaubten, den Bundeskanzler Erhard dadurch abqualifizieren zu können, daß Sie ihn einen „Parteikanzler" nannten. Das sollte abwerten, Herr Kollege Erler; denn Sie kennen unsere Geschichte wie manches Sentiment in unserem Volk gegen die Parteien. Das aber nie anzuspielen, sondern zu überwinden, sollte zu den selbstverständlichen Gemeinsamkeiten der demokratischen Substanz in diesem Lande gehören. ({27}) Die Rolle der Parteien in diesem Land, in einem freiheitlichen Rechtsstaat - wir werden noch Gelegenheit haben, in diesen beiden Tagen bei einem praktischen Anlaß darüber zu sprechen - ist unerläßlich, ist konstruktiv. So sieht es das Grundgesetz und so sehen es hoffentlich auch wir alle. Der Weg zum Mandat, zur Mehrheit, ins Kanzleramt führt über die Parteien. Was soll da das Wort vom „Parteikanzler"! Oder hat es etwa einen Akzent, der nur aus Schwierigkeiten in der SPD zu erklären ist? Nein, meine Damen und Herren! ({28}) - Herr Kollege Erler, so sollte man nicht sprechen! ({29}) In diesem Zusammenhang möchte ich, wie Kollege Erler, ein paar Sätze über die Debatte sagen, die wir nachher bei dem Einzelplan sicherlich haben werden. Er hat gestern - das ist in der Presse groß verkündet worden - über die Frage der staatlichen Unterstützung der politischen Parteien durch Gelder gesprochen. Meine Damen, meine Herren, über den Rang der politischen Parteien - auch wie ihn das Verfassungsgericht sieht - brauche ich wohl nichts darzutun. Ich brauche wohl auch nicht darzutun, daß es sich hier um die Frage einer Teilfinanzierung handelt. Ich brauche wohl weiter nicht darzutun - weil es Ihnen bekannt ist, aber ich erkläre es noch einmal -, daß nach unserem Willen das Parteiengesetz alsbald in diesem Hause in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll, und wir sind bereit, alle geschäftsordnungsmäßig dazu nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit es kommen kann. ({30}) Ich muß noch zwei Dinge hinzufügen. Das eine ist dies: Unsere Partei wäre finanziell in einer anderen Lage, wenn sie eine alte Partei wäre. Wir konnten Wiedergutmachungsansprüche nicht stellen. ({31}) - Ja, meine Damen, meine Herren, dann werden wir diese Diskussion führen müssen. Das ist doch einfach wahr, was ich hier sage. Ich sage es ohne jeden bösen Akzent. ({32}) Meine Damen und Herren, ich möchte noch eines dazu sagen. Herr Kollege Erler und Herr Kollege Wehner, in dem Ausmaß, in dem auch Sie sich um volksparteiliche Dinge bemühen, werden Sie feststellen, daß man auf Gruppen stößt, die noch Aversionen gegen ein politisches Engagement haben. Solange es so in einer Gesellschaft ist, kann man füglich auch von der öffentlichen Hand erwarten, daß sie das Mühen der politischen Parteien, ganz breit im Ganzen der Gesellschaft, ihre Kräfte anzusiedeln, auch öffentlich unterstützt. Ich meine, daß dies alles Argumente sind. Wir werden darüber heute noch im einzelnen diskutieren.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Dr. Barzel, ,gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erler?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meinen Sie nicht, daß es ein schlechtes Zeugnis ist, wenn es Ihren Freunden, die jetzt - Wirtschaftsrat eingerechnet - 16 Jahre regieren, nicht möglich gewesen ist, in dieser langen Zeit soviel Sympathie bei ihrer eigenen Anhängerschaft zu entwickeln, daß etwas staatsbürgerliches Engagement dabei herausgekommen wäre?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ach, Herr Kollege Erler, Sie haben soviel von Hannover gesprochen. Vielleicht hätten Sie auch mitteilen dürfen, daß wir dort gewisse Beschlüsse über unsere Beiträge gefaßt haben. Ich spreche aber von einem Problem, Herr Kollege Erler, das wir alle miteinander haben, nämlich von der Notwendigkeit für die politischen Parteien, in Gruppen einzudringen, die noch Aversionen gegen ein politisches Engagement haben. Dafür kann man mit gutem Grund eine öffentliche Unterstützung verlangen, zumal wenn das objektiv zutrifft. ({0}) Der Kollege Erler hat in seiner Rede ein wenig auch über die Preisentwicklung gesprochen. Ich will die Debatte darüber jetzt beim Haushalt des Kanzlers nicht vertiefen. Wir werden sicher im Laufe der Debatte an passender Stelle noch davon zu sprechen haben. Ich will hier auch keine Statistiken über die Preissteigerungen, die Indizes der Verbraucherpreise bei uns und in sozialistischen Ländern usw. anführen. Ich will auch nicht auf die Anträge zurückkommen, die vin den Sozialdemokraten hier im Hause vorgelegt worden sind, deren Verwirklichung doch eine Aufblähung des Haushalts bedeuten würde, was dann wieder Auftriebstendenzen zur Folge hätte. Davon wird hier noch gesprochen werden. Ich meine aber, eines doch auch hier sagen zu müssen. Ich habe, auch in Stuttgart, eine Druckschrift erhalten und für die Debatte mitbekommen. Das ist, glaube ich, ein sozialdemokratisches Organ. Darin ist eine Rede abgedruckt, die Herr Kollege Wehner auf einem Kongreß vor einer Gruppe von Kriegsopfern gehalten hat. Ich will es jetzt nicht vorlesen. Ich bin jedoch dazu bereit. Aber da wird doch, Herr Kollege Wehner, der Eindruck erweckt, als sei es so ohne weiteres möglich, diese Grenze und jenen Stichtag einfach zu beseitigen, als gebe es hier nur diese sozialen Probleme, als hänge es nur vom guten Willen ab und benötige man nicht auch zugleich den Blick auf das finanziell Mögliche. Sehen Sie, das ist der Punkt, den wir beklagen. Man kann sich natürlich auch in Instabilität hineinreden. Sollte Erhard wirklich nur reden? Nun, wenn es so wäre, so redet er für Maß und Ordnung, aber darüber hinaus tut er ja auch noch etwas. Wenn man da nur von höheren Preisen spricht, ohne die wesentlich höheren Löhne zu erwähnen, wer den Zusammenhang zur Arbeitszeit verschweigt wie auch den zu den Staatsausgaben und die automatische Entwicklung im Dienstleistungsgewerbe, wer zur Situation anderer Länder und zu unserer ökonomischen Verflechtung mit der Welt schweigt, der hilft nicht, sondern der hindert, wie ich fürchte, die Erhaltung eines Stücks erwünschter Stabilität. ({1}) Ich möchte noch zu zwei Punkten über die der Herr Kollege Erler gesprochen hat, kurz eine Antwort geben. Er hat sich gegen den Schluß seiner Ausführungen noch einmal mit dem Artikel von Dr. Neuwirth im „Bayern-Kurier" beschäftigt. Ich möchte hierzu noch einmal wiederholen, daß dieser Artikel von der CSU-Leitung vorher nicht gekannt und hinterher nicht gebilligt wurde. Das ist eine wichtige Erklärung, meine Damen und Herren. Wenn Sie das anschneiden und Fragen dazu stellen, wollen Sie doch von uns auch dazu etwas hören. Sonst hätten Sie es ja nicht angeschnitten. Aber, meine Damen, meine Herren, lassen Sie sich bitte von folgendem überzeugen: Es gibt keine Chance - ich sage das auch im Hinblick auf ein paar andere Reden -, die gute Zusammenarbeit zwischen der CDU und der CSU auf der Basis des vollen Vertrauens weder hier im Hause noch draußen im Lande zu zerstören. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erler?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben soeben gesagt, die CSU-Führung 'habe den Artikel nicht gebilligt. Heißt das, daß sie sich also nicht zu einer ausdrücklichen Billigung entschließen konnte, oder heißt das, daß sie den Inhalt mißbilligt? Können Sie uns darüber etwas sagen?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Führung der CSU hat sich distanziert. Ich nehme an, Sie haben das gelesen. Das ist eine ganz klare Auskunft. ({0}) - Sie hat sich distanziert. Herr Kollege Erler, Sie kennen unseren Vorstandsbeschluß, Sie kennen die Erklärung des Bundeskanzlers. Ich muß Ihnen doch nicht alles vorlesen, was Sie heute morgen und gestern in der Zeitung haben lesen können. Ein anderer Punkt, zu dem ich noch etwas sagen muß - ich möchte es ganz ruhig tun -: Der Kollege Erler hat nochmals - und das erinnert mich an manche Wahlanzeige aus Baden-Württemberg - von dem Antrag einiger Kollegen der CDU, der CSU und der FDP gesprochen. ({1}) - Herr Kollege Wehner und Herr Kollege Erler, lassen Sie mich dazu in aller Ruhe etwas sagen - Sie wissen es eigentlich, aber ich muß es doch einmal hier sagen -. Erstens: die Bundesregierung steht gegen diesen Antrag; zweitens: es handelt sich um den Antrag einiger Kollegen, ({2}) dem die CDU/CSU-Fraktion nicht beigetreten ist. Drittens: dieser Antrag wird nach meiner Schätzung in diesem Hause keine Mehrheit finden, auch nicht aus der CDU/CSU. Aber dieser Punkt - nachdem das klar ist - wird doch drüben und im Wahlkampf von Baden-Württemberg in einer Weise dargestellt - lassen Sie mich das einmal ehrlich sagen -, ,als wolle der Bundeskanzler Geschenke an Kapitalisten verteilen. So ist doch der Eindruck, der dort erweckt wird. ({3}) - Verzeihen Sie, Herr Kollege Schäfer, Sie haben an dieser Stelle gesehen, wie der Bundesminister der Finanzen sich für die Bundesregierung und im Namen der Bundesregierung geäußert hat. Sie können doch nicht erwarten, daß der Herr Bundeskanzler immer selbst kommt und hier eine Erklärung abgibt zu jeder Sachfrage eines einzelnen Ressorts, die im Kabinett abgestimmt wird. ({4}) Meine Damen, meine Herren! Im Gegensatz zur Opposition, die sich nicht imstande sieht, dem Haushalt des Bundeskanzlers Erhard zuzustimmen, wird die Fraktion der CDU/CSU diesem Haushalt gerne zustimmen. Sie tut es zugleich in dem Bewußtsein, daß hier eine gute Politik begonnen ist, eine gute Politik fortgesetzt wird, eine Politik, die über das Jahr 1965 hinaus angelegt ist. ({5}) Meine Damen, meine Herren, wir werden weiter die Bundesregierung und insbesondere Sie, Herr Bundeskanzler, unterstützen. Wir sagen ausdrücklich ja auch zu dieser Koalition, und ich glaube, daß die Rede des Kollegen Erler auch deutlich gemacht hat, warum diese Koalition das Bessere ist. Wir ermuntern Sie, Herr Bundeskanzler, Ihr Programm zügig und kraftvoll fortzusetzen. ({6}) Wir bitten Sie, sich weder in der Frage der deutschen Einheit noch in der Frage der Überwindung der Mauer in Berlin noch in der europäischen Einigung beirren zu lassen. - Wir erwarten viel von der Arbeit des Gutachtergremiums und von der Sozialenquete. Ich möchte betonen, Herr Bundeskanzler, und auch der ganzen Bundesregierung sagen, daß die Fraktion der CDU/CSU bereit ist, so wie sie das in ihrer Haltung zu diesem Haushalt kundtut, wenn notwendig, auch weitere, wirksame Maßnahmen zur Sicherung unseres guten deutschen Geldes zu unterstützen. Lassen Sie mich abschließend noch zwei Dinge sagen. Herr Bundeskanzler, trotz dieser Debatte heute, trotz aller Mäkeleien und trotz mancher Dinge, die Ihre der Opposition offen ausgestreckte Hand und Ihre Gesprächsbereitschaft zur Opposition vielleicht trüben könnten, ({7}) ist es objektiv richtig, mit der Opposition zu sprechen und mit ihr im Gespräch zu sein. ({8}) Ich glaube, Herr Bundeskanzler, Sie sollten sich darin auch durch diese Debatte nicht stören lassen. ({9}) - Meine Damen und Herren, wir haben schon viel von Erhard gelernt, vielleicht können Sie auch noch eine Menge lernen. Das wäre dann eine ganz gute, sinnvolle Entwicklungshilfe. ({10}) Meine Damen, meine Herren, ich komme zum Schluß und ich hoffe, daß wir uns da wiederfinden. Herr Kollege Erler sprach am Schluß von der Hauptfrage der Deutschen, von der deutschen Einheit. Ich darf uns allen in die Erinnerung rufen, daß Präsident Kennedy bei seinem Besuch in Berlin den Studenten zurief, die deutsche Einheit werde kommen, schon weil das Totalitäre dem Strom der Geschichte entgegenstehe. Aber wann sie kommen werde und wie - so Kennedy -, das hänge ab von den realen Gegebenheiten Deutschlands als Volk und Nation. Wir glauben, daß dieser Haushalt und die Politik dieser Bundesregierung der Stärkung dieser realen Gegebenheiten dient, und stimmen auch aus diesem Grunde beidem zu. ({11})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Barzel hat seine Ausführungen mit der Feststellung abgeschlossen, daß wir hier in einem Gespräch auch mit der Opposition sind, und er hat den Wunsch damit verbunden, wir sollten im Gespräch bleiben. Ich würde sagen: die Art dieses Gesprächs, wie es sich in der letzten Stunde hier abzeichnet, freut mich ganz außergewöhnlich; ich hatte nämlich in den vergangenen zwei Jahren immer den Eindruck, daß die Opposition ein bißchen darauf aus war, der CDU deutlich zu machen, wie gut man eigentlich mit ihr auskommt und wie einfach es wäre, wenn wir nicht dawären. Denn die Opposition haben wir eigentlich machen müssen. ({0}) Was in den letzten zwei Jahren geschehen ist, angefangen - Sie wissen es ja - von .den traurigen Fibag-Auseinandersetzungen bis zur Umbildung der Regierung im Herbst 1962, ist doch eigentlich alles vornehmlich auf unserem Buckel ausgetragen worden; Sie haben sich dabei nicht sehr stark als Opposition aufgeführt. ({1}) Bitte, Herr Kollege Erler!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie fragen, ob Sie die Fragestunden hier im Bundestag, in denen wir den damaligen Verteidigungsminister zum Offenbarungseid gezwungen haben, ganz vergessen haben?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe nicht vergessen, daß Sie nicht nur den Verteidigungsminister hier ganz anständig bedrängt haben, sondern daß Sie auch den Bundesinnenminister sehr anständig bedrängt haben. ({0}) Aber insgesamt gesehen - ich mache so ein bißchen Inventur und will unter dem Strich zu einer Zahl kommen -, unter dem Strich war doch eindeutig erkennbar: „Wie gut würdet ihr es haben, wenn ihr mit uns zusammenwärt". Und weiter: „Diese paar Leute von der FDP, die dauernd Schwierigkeiten machen, die gehören eigentlich aus der Regierung heraus." ({1}) Das ist doch die Situation. Nun, meine Kollegen, draußen spüren wir, daß der Frühling kommt, und hier spüren wir, daß wir uns dem Wahlkampf nähern. Denn die SPD muß ja nun in eine Wahlkampfposition. - Nun gut, wenn Sie wollen: die CDU hat das in Hannover schon ein bißchen vorexerziert, und Sie haben heute hier nachgezogen. Lieber Kollege Erler, Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze - wirklich: wie sehr ich Sie schätze -, aber was Sie heute hier ausgeführt haben, zeigt mir, daß Sie sich in die neue Rolle noch nicht ganz hineingelebt haben, noch nicht ganz mit ihr zu Rande gekommen sind. Ich werde Ihnen das an einigen Beispielen darlegen: vielleicht - ich würde esbegrüßen - werden Sie nachher noch hier heraufgehen und zum einen oder anderen etwas sagen. Das, was Sie auf einigen Gebieten gesagt haben, beweist mir, daß, wenn man plötzlich einen neuen Anzug anzieht, man nicht sofort richtig mit ihm umgehen kann; man braucht einige Zeit, bis man sich an ihn gewöhnt. Sie haben hier mit dem Sozialpaket angefangen. Sie haben gesagt, das Sozialpaket habe sich aufgelöst; es sei nicht mehr erkennbar in seinen Teilen. Das Kindergeld sei jetzt über die Bühne, und mit der Lohnfortzahlung sei es so, daß die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten noch nicht erkennbar sei. Lassen Sie, mich dazu zwei, drei Sätze sagen. Die Kindergeldlösung, die jetzt hier getroffen worden ist, sehr verehrter Herr Kollege Erler, ist eine Lösung, die endlich den Intentionen nahekommt, die wir in diesem Hause immer vertreten haben. ({2}) Denn daß wir das Kindergeld aus den Berufsgenossenschaftén herausgeholt und endlich dahin gebracht haben, wohin es gehört, nämlich zur Leistung der Kindergeldzahlungen aus dem Steuersäckel, das ist eine alte Forderung meiner Freunde. Die Kollegen von der CDU sollten uns eigentlich heute dankbar sein dafür, daß wir heute so weit sind. Denn durch ihre seinerzeitige Lösung ist ja das Kinderkriegen bedenklich in die Nähe eines Unfalls gebracht worden; die Berufsgenossenschaften sind ja, wie Sie wissen, für die Unfälle da. ({3}) Wir freuen uns sehr, daß es uns zwar spät, aber am Ende doch noch gelungen ist, die Kollegen der CDU dahin zu bringen, daß sie von dieser Vorstellung heruntergekommen sind.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Kollege Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, erinnern Sie sich daran, daß vor einigen Jahren die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit Ihrer Fraktion zusammen in dem Sinne abgestimmt hat, wie Sie es eben sagen, und daß die CDU uns dann wieder überstimmt hat?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr richtig. Aber es nun, nachdem das in dem Sinne geregelt ist, wie wir und Sie es seinerzeit gefordert haben - die Initiatoren waren wir, wie Sie wissen; aber wir haben uns sehr gefreut, daß Sie uns unterstützt haben -, gewissermaßen mit der linken Hand abzutun und zu sagen, das Sozialpaket sei jetzt in Teile aufgelöst, und eine bedenkliche Stimmung daraus abzuleiten, halte ich einfach nicht für richtig. Was nun die Lohnfortzahlung betrifft, lieber Kollege Erler, so muß ich, weil in der Öffentlichkeit draußen über diese Dinge ganz offenbar auf weiten Strecken falsche Vorstellungen herrschen, einmal sehr deutlich aufzeigen, wie sich die Situation verhält. Es ist doch so, daß über die Frage, ob Lohn fortgezahlt werden soll oder nicht, in diesem Hause überhaupt kein Streit besteht. Alle drei Fraktionen dieses Hauses sind der Meinung, daß vom ersten Tag an, an dem ein Arbeiter krank wird, der Lohn fortgezahlt werden soll. Das ist vollkommen klar. ({0}) - Wir sind dieser Meinung, lieber Kollege Schäfer. ({1}) - Also hören Sie, wenn Sie meinen, wir hätten erst missioniert werden müssen, dann, lieber Kollege Schäfer, würde ich Sie bitten, erst einmal Ihre schwedischen Genossen zu missionieren, die heute noch sehr weit von der hundertprozentigen Lohnfortzahlung entfernt sind. ({2}) - Lieber Kollege Wehner, zu Ihnen komme ich auch noch. Mit dem „Ausrutschen" werden wir uns gleich auseinandersetzen können. - Es geht also um die Frage, in welcher Form wir die Lohnfortzahlung durchführen. Da wird von einem Teil des Hauses die arbeitsrechtliche Lösung und von einem anderen Teil - das sind wir - die versicherungsrechtliche Lösung gefordert. Nur insofern unterscheiden wir uns. Mir ist die Aussage eines Kollegen aus der SPD, und zwar eines namhaften Sozialpolitikers der SPD, sehr geläufig, der erklärt hat: Haben Sie schon gehört, daß ich einmal die arbeitsrechtliche Lösung gefordert hätte? Also seien Sie hier bitte nicht so schnell im Urteil. Offenbar besteht über die Frage, wie wir es machen sollten, auch in der SPD noch nicht die letzte Klarheit. Deshalb sollte man es nicht als eine Unterlassung herausstellen, daß wir uns in dieser Frage noch unterhalten und uns am Ende darüber einigen müssen, wie wir sie regeln werden. Nun, Herr Kollege Wehner, Sie sagen: Rutschen Sie nicht aus! Herr Kollege Wehner, darauf darf ich Ihnen eines sagen. Was ich sehr bedaure, ist, daß Sie, als wir die Erhöhung der Kriegsopferversorgung im Januar hier verabschiedeten, nicht einfach als Kavalier hier heraufgegangen sind und erklärt haben: Schön, diese FDP, der ich, Wehner, noch am 10. Dezember vorgeworfen habe, daß sie ein zweites Mal umfallen werde - dieses berüchtigte Wort haben Sie ausgesprochen -, hat glasklar das gehalten, was sie am 10. Dezember hier erklärt hat, nämlich daß mit Wirkung vom 1. Januar die vorgesehene Erhöhung der Kriegsopferversorgung um 1100 Millionen DM verabschiedet wird. Daß Sie dazu nicht die Objektivität aufgebracht haben, Herr Kollege Wehner, bedaure ich sehr. Denn Sie haben am 10. Dezember hier Zwischenrufe gemacht, die uns herabsetzen sollten, und wir haben genau das gehalten, was wir vorher versprochen hatten. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Abgeordneter Wehner zu einer Zwischenfrage: einverstanden?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, Herr Kollege.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie mich bitte vielleicht belehren, ob wir nicht über den Termin gestritten haben, den Sie ursprünglich überall, auch im Ausschuß für Kriegsopferfragen, verbindlich erklärt haben, nämlich Oktober 1963? ({0})

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Wehner, es ging bei dieser Auseinandersetzung ganz konkret um die Frage, ob wir am 10. Dezember das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar ohne haushaltsrechtliche Vorprüfung verabschieden, oder ob wir das Gesetz, wie wir es vorgeschlagen hatten, im Januar mit Wirkung vom 1. Januar nach Prüfung der Deckungsmöglichkeiten verabschieden; genau darum ging es. ({0}) Herr Kollege Erler, Sie haben in diesem Zusammenhang den Bundeskanzler apostrophiert und gesagt, er habe sich in dieser Frage ein bißchen zu weit vorgewagt. Der Herr Bundeskanzler ist mir sicher nicht böse, wenn ich sage: dieses Bild ist nicht ganz zutreffend. Ich würde sagen: er war ein bißchen hinten geblieben, und er hat dann aufgeschlossen, wenn Sie so wollen. ({1}) - Ja sicher. Aber je höher die Stäbe sind, desto weiter hinten führen sie manchmal; das wissen Sie ja. ({2}) Dann haben Sie zur Landwirtschaft einige Dinge gesagt, die ich doch noch aufgreifen möchte. Sie haben erklärt, daß es ein hoffnungsloser Versuch sei, allein durch den Schutz vor der Konkurrenz die deutsche Landwirtschaft vor Schwierigkeiten bewahren zu wollen. Herr Kollege Erler, wollen Sie damit sagen, daß die SPD gegen unsere Bmühungen, den Getreidepreis zu halten, eingestellt ist? Wollen Sie damit sagen, daß Sie unsere Bemühungen, den deutschen Getreidepreis zu halten, für unvernünftig erklären? Was ich von Ihnen in den Landwirtschaftsdebatten gehört habe, war genau das Gegenteil. Ich kann Sie in diesem Punkt einfach nicht verstehen. Wir bemühen uns hier, den Getreidepreis zu halten und wenigstens auf einem Teil einen Erfolg zu erreichen. ({3}) - Herr Kollege Wehner, dann, würde ich sagen, sollten Sie zunächst einmal Ihren eigenen Kollegen, die in Landwirtschaftsdebatten sprechen, entsprechende Verhaltungsmaßregeln geben. Ich habe im5726 mer nur gehört, daß auch Sie dafür sind, daß wir für die Bauern etwas tun; ich bin ganz überrascht, daß ich nun von Ihnen das Gegenteil höre. ({4}) Herr Kollege Erler, Sie haben weiter bezüglich der preissteigernden Tendenzen den „Kölner Stadtanzeiger" zitiert. Sie taten das offenbar in der Meinung, daß das ein bürgerliches Blatt sei, daß es sich also nicht etwa um den „Vorwärts" handele, und daß das eine ganz sachliche fundierte Aussage sei. Ich möchte der Vollständigkeit halber nur sagen, daß sich beim „Kölner Stadtanzeiger" seit einiger Zeit Herr Besser als Chefredakteur befindet, der vorher Chefredakteur des Zentralorgans des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der „Welt der Arbeit", war. ({5}) - Bitte sehr.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Bitte, Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zwischenfrage.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bitte sehr um Entschuldigung. Aber darf ich Sie fragen, ob Sie sich zwischen zwei Brüdern auskennen und ob Sie sich hier mit solchen deftigen Aussagen nicht irren?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wieso denn?

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt zwei Besser, das sollten Sie, der Sie alles besser wissen, wissen, und deswegen nicht solchen Unsinn reden.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie sind also der Meinung - Wehner ({0}) : Wir reden nur über Sachen, die wir wissen.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie sind also der Meinung, daß hier das Wort: Gleiche Brüder, gleiche Kappen, nicht gilt. Schön, ich nehme das zur Kenntnis.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sollten keine falschen Behauptungen aufstellen. Das sollten Sie nicht!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Welcher Sozialdemokrat leitet denn dann nach Ihrer Meinung jetzt den „Rheinischen Merkur"? ({0})

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Erler, Sie werden mir zugeben, daß ich als Freier Demokrat für den „Rheinischen Merkur" nicht zuständig bin. ({0}) Das ist eine Frage, über die Sie sich mit den Kollegen von der CDU zu unterhalten hätten. Herr Kollege Wehner, Sie sprachen von falschen Aussagen. Dazu kann ich sagen, daß Herr Kollege Erler eben auch eine Aussage gemacht hat, die objektiv falsch war. Sie sollten das noch einmal prüfen. Ich würde Sie fast bitten, hier noch einmal heraufzugehen und das zu klären. Er hat nämlich im Hinblick auf das, was Sie mit „Ihr Wahlgeschenk" apostrophieren, hier wörtlich etwas erklärt. Er hat damit die beabsichtigte Steuersenkung in dem Bereich gemeint, auf den ich jetzt zu sprechen kommen werde. In diesem Zusammenhang hat er von „Ihr Wahlgeschenk" gesprochen. Herr Kollege Erler hat dann weiter gesagt: Je höher die Einkommen, desto geringer der Promillesatz an Steuern. ({1})

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Zoglmann, entschuldigen Sie, das müssen Sie noch einmal nachlesen. Es ging hier ganz klar um die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens. Das müßten Sie als Wirtschaftler doch eigentlich wissen. Da ist es nun einmal so, daß, je höher das Vermögen und das Einkommen ist, um so mehr der Promillesatz sinkt, weil Sie die gezahlte Steuer bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens abziehen können. Ist das so schwierig?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben tatsächlich hinterher davon gesprochen; aber ihr Satz: „Je höher die Einkommen, je geringer der Promillesatz an Steuern", ist wörtlich ({0}) - Herr Kollege, wörtlich, gefallen. Sie können das nachher hier nachlesen. Ich habe 'das mitgeschrieben. Und dazu lassen Sie sich bitte jetzt 'folgendes sagen. Zunächst einmal sind in den unteren Einkommensbereichen eine ganze Anzahl von Menschen, die im Arbeitsprozeß stehen, überhaupt steuerfrei. Nummer 2. Die neue iRegelung, Herr Kollege Erler, sieht vor: Ein Verheirateter mit einem Einkommen von 6000 Mark, in etwa also ein Arbeiter, wird mit 13,6'0/o an der Steuersenkung beteiligt, währenddem etwa ein Minister mit einem Einkommen von rund 60 000 Mark im Jahr mit 4,6°A an der Steuersenkung beteiligt ist. Nun frage ich Sie, ob Sie hier nicht objektiv etwas Falsches ausgesagt haben. ({1}) - Nein, nein, in dem Zusammenhang war nicht von der Vermögensteuer die Rede, ({2}) sondern klar von dem „Wahlgeschenk", das wir gemacht hätten. Genau darum ging es.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, Herr Abgeordneter Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter Zoglmann, ist Ihnen wenigstens jetzt klar, daß Sie zu einer ganz anderen Frage Stellung genommen haben als Herr Kollege Erler? Seine Ausführungen bezogen sich ,auf die Vermögensteuer!

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schäfer, selbst durch Ihre Zwischenfragen können Sie eines nicht ändern, nämlich 'das, was hier im Protokoll steht. Lesen Sie das hinterher nach; dann können wir weiter diskutieren.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000484, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, ist Ihnen denn nicht klar, daß das, was Sie jetzt gesagt haben, im Grunde nur der Ausgangspunkt dessen war, was Herr Erler gesagt hat, nämlich daß, solange die Vermögensteuer 'bei der Einkommensteuer abzugsfähig ist, gerade die, die sehr viel Einkommen und damit Einkommensteuer haben, relativ wenig Vermögensteuer bezahlen?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, also nun hören Sie mal: ich habe hier von der Vermögensteuer überhaupt nicht gesprochen. ({0}) Ich habe mich an das gehalten, was der Kollege Erler hier wörtlich ausgeführt hat. Das können Sie hinterher im Protokoll nachlesen, und dann können wir weiter darüber diskutieren. Zunächst steht hier, wenn Sie wollen, nur Behauptung gegen Behauptung. Sie behaupten, Sie hätten das nicht gesagt; ich erkläre: ich habe das mitgeschrieben. Damit sind wir pari, und ich glaube, ich brauche das hier nicht weiter zu erörtern. ({1}) Nun lassen Sie mich bitte noch zu einem Punkt etwas ausführen, was gerade für uns eine sehr wesentliche Aussage deshalb ist, weil wir ja vor zwei Jahren in der Opposition uns ebenfalls zu diesem Punkt äußern mußten und uns nunmehr auch innerhalb der Regierung dazu äußern, nämlich zu dem berühmten Titel 300. Herr Erler sagt, daß die SPD einen Antrag stellen wird, diesen Titel von 13 Millionen auf 10 Millionen DM herabzusetzen. Ich darf Ihnen hier noch einmal in Erinnerung rufen, daß wir von der Koalition die Forderung auf Erhöhung, nämlich von 13 auf 16 Millionen DM, ebenfalls bereits um 3 Millionen DM gekürzt haben; wir sind bei 13 Millionen DM verblieben. Zum zweiten - meine Damen und Herren, wir wollen über diese Dinge hier ganz offen reden, es hat ja gar keinen Zweck, daß wir uns da gegenseitig etwas vormachen -: wir haben natürlich, ausgehend von den Überlegungen, die wir hatten, als wir in diesem Hause in der Opposition saßen, dieses Problem, als wir in die Regierung eintraten, sehr eingehend diskutiert - es war, wenn Sie wollen, sogar eine der ersten sehr wichtigen Unterhaltungen, die wir mit dem damaligen Herrn Bundeskanzler Adenauer geführt haben -, und ich kann Ihnen auf Grund der Unterlagen, die wir uns zeigen ließen - und wir waren sehr kritisch, meine Damen und Herren, weil wir glaubten, es sein zu müssen, weil wir glaubten, dazu Veranlassung zu haben - , sagen, daß diese Beträge praktisch für die Auslandsarbeit verwendet werden. Herr Kollege Erler, implicite geben Sie das ja zu, indem Sie darauf hinweisen, daß man praktisch für eine Sache zwei Titel hat. Sie haben erklärt: Das gleiche ist bei dem Titel 315 noch einmal - Sie haben es im einzelnen aufgeführt -, und Sie sagen: einmal offen, das andere Mal verdeckt. Nun, Herr Kollege Erler, Sie wissen ganz genau, weshalb man - das haben Sie auch anklingen lassen - für Auslandsarbeit verdeckte Mittel braucht. Das ist ja klar. ({2}) Nun haben Sie den Vorschlag gemacht, ein Unterausschuß des Haushaltsausschusses solle diese Dinge kontrollieren, und Sie haben hinterher in Parenthese gesetzt, daß wir auch schon beim Bundesnachrichtendienst ähnlich verfahren. Beim Bundesnachrichtendienst, Herr Kollege Erler, ist es nicht ein Unterausschuß des Haushaltsauschusses, ({3}) sondern sind es, wie Sie wissen, die Fraktionsvorsitzenden, die zu einer Kontrolle mit herangezogen werden. ({4}) Und wenn wir die Dinge ernsthaft angehen wollen, - ({5}) - Schön, gut; es sind die Fraktionsvorsitzenden, denen das vorgelegt wird. ({6}) Wenn wir den Dingen nähertreten wollen, können wir es nur so machen, daß wir allenfalls die Fraktionsvorsitzenden mit heranziehen. Bitte schön, Herr Kollege Schäfer, wenn Sie eine Frage stellen wollen.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Zoglmann, nachdem Sie, wie ich Ihren Ausführungen entnehmen muß, Einblick in die Ausgaben aus Tit. 300 genommen haben, warum haben Sie dann noch Bedenken dagegen, daß das ein Unterausschuß prüft?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe nicht gesagt, daß ich Bedenken dagegen habe, daß es geprüft wird. Ich habe erklärt; es sollen die Vorsitzenden der Fraktionen mit herangezogen werden. Darüber läßt sich reden. Der Herr Bundeskanzler hat uns sogar gesagt, er sei von sich aus bereit, die Höhe des Geheimfonds wesentlich herabzusetzen. Das ist ein Vorschlag, den er von sich aus gemacht hat. Schon allein daraus ersehen Sie, daß die Unterstellung, mit diesen 13 Millionen DM würden gewissermaßen nur hinterhältige innenpolitische Manöver gemacht, vollkommen unbegründet ist. Ich darf Ihnen auch sagen, daß ich so etwas nicht mitmachen würde, weil wir im Zweifelsfall nicht die Nutznießer einer solchen Machination, sondern allenfalls nur diejenigen wären, die die Hypotheken zu übernehmen hätten. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt oder unbekannt, daß es seit dem ersten Haushaltsplan, den der 1. DeutscheBundestag aufgestellt hat, einen beim Haushaltsausschuß eingesetzten FünferAusschuß aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses einschließlich des Vorsitzenden des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen gibt, um Titel, die denen entsprechen, die Sie hier mit Titel für Auslandsarbeit bezeichneten, zu prüfen, und daß es seither nie Streit über diese Fragen gegeben hat? Glauben Sie also, daß es unmöglich wäre, dies auf diese Titel zu erstrecken, nicht denselben Ausschuß, sondern dasselbe Verfahren, ein Kontrollverfahren?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich erkläre hier noch einmal daß man sich über jedes Verfahren unterhalten kann; es muß vernünftigerweise nur ein solches Verfahren sein, das in diesem konkreten Fall am Ende auch praktikabel ist. Darauf kommt es an. ({0}) Nun haben Sie, Herr Kollege Erler, auf die Zwischenfrage, die Ihnen hier ein Kollege von der CDU gestellt hat, nachdem die Verhältnisse in Hessen hier hochgekommen waren, erklärt: Erfüllen Sie Ihre Aufgabe in Hessen so, wie wir unsere Aufgabe hier erfüllen! - Herr Kollege Erler, ich bin versucht - aber ich möchte nicht allzu boshaft sein -, das als ein bißchen sehr problematisch hinzustellen. Denn ich kann doch nicht sagen: In Hessen verhalten wir uns so, und hier im Bundestag verhalten wir uns anders. Das würde doch bedeuten: wenn Sie morgen in der Regierung säßen, würden Sie sich so verhalten, wie Sie sich heute in Hessen verhalten, und die Opposition hätte dann die Möglichkeit, sich so zu verhalten - ({1}) - Das ist eine Vermutung, die ich ableite aus Ihrer Verhaltensweise in Hessen und aus der Aussage des Kollegen Erler.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Zoglmann, ich frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler zulassen wollen.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß ich mich, um nicht auf Vermutungen gestützt zu sein, inzwischen erkundigt habe, wie es in Hessen gehalten wird. Dort sind vor wenigen Monaten vom Ministerpräsidenten Zinn die Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP und CDU in die Verwendung dieser Mittel eingeführt, es ist ihnen Einblick gegeben worden. Sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich nehme davon Kenntnis. Ich begrüße das sogar. ({0}) Sie haben es vorhin nicht gewußt. Ich wußte es auch nicht. Es war für uns beide kein Fehler, daß wir es nicht gewußt haben. ({1}) Ich erkläre noch einmal: wir haben uns über ein Verfahren zu unterhalten, das in dem konkreten Fall, auf den es angewendet wird, praktikabel ist. Ich meine, diese Aussage sollte Ihnen genügen. Aber Ihre Aussage, Herr Kollege Erler, vorhin ließ doch immerhin den Schluß zu, daß man sagt: In Hessen verhalten wir uns so, und im Bundestag verhalten wir uns anders. ({2}) - Gut, schön; aber jetzt ist das klar, und ich hoffe, daß wir uns in Hessen so verhalten, wie wir uns hier verhalten, und daß wir uns in keiner Weise den Vorwurf zuziehen, daß wir es je nach Lage einmal so und einmal anders machen. ({3}) Lassen Sie mich noch zu einem anderen Problem Stellung nehmen, das ebenfalls beim Kollegen Erler anklang. ({4}) - Meine Aussage haben Sie! Sie können sie nachher im Protokoll nachlesen. ({5}) - Ich habe wörtlich erklärt: Wenn ein praktikables Verfahren zwischen den Parteien ausgehandelt ist, sind wir bereit, einem solchen Verfahren beizutreten. ({6}) - Meine Herren, überlegen Sie genau, was das heißt! Das heißt, daß wir, weil wir das ja auch alle gemeinsam tun müßten, erst ein solches praktikables Verfahren gemeinsam absprechen müßten. ({7}) - Lieber Kollege Wehner, wenn Sie meinen, daß das, was Sie vorschlagen, für uns auch praktikabel ist, so würde ich Ihnen sagen: Ohne weiteres auf gar keinen Fall. Natürlich würden wir uns vorbehalten, etwas als praktikabel anzusehen, von dem auch wir überzeugt sind, daß es praktikabel ist, und von dem nicht nur Sie überzeugt sind, daß es praktikabel ist. ({8}) - Nein, wenn Sie das auf diese einfache, wirklich - entschuldigen Sie vielmals - simple Methode bringen, daß Sie sagen: Wir schlagen jetzt etwas vor; wenn die FDP nicht dafür stimmt, dann ist sie wieder irgendwie wetterwendig geworden - ({9}) - Entschuldigen Sie, lieber Kollege Schäfer, wir kennen uns doch nun lange genug! Sie wissen doch selber genau, wenn ich hier erkläre: „ein praktikables Verfahren", so muß es nicht nur in Ihren Augen praktikabel sein, sondern auch in unseren. ({10}) - Bitte!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, darf ich Sie dann fragen, warum, als Sie in der Opposition waren, dieser selbe Antrag für Sie praktikabel war, und warum er es jetzt, wo Sie in der Regierung sind, nicht mehr ist? ({0})

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Entschuldigen Sie, ich habe Ihnen hier erklärt, daß wir uns genau zu dem bekennen, was wir in der Opposition gesagt haben, und daß es mit einer der ersten Punkte war, die wir bei der Aushandlung drüben im „Schaumburg" mit auf den Tisch gelegt haben, lieber Kollege Erler. Ich meine, über diese Dinge wollen wir uns gegenseitig gar nichts vormachen. ({0}) Nur auf eines will ich ganz klar hinaus: Was die Opposition als praktikabel ansieht, braucht eine andere Partei in diesem Hause ihrerseits noch lange nicht als praktikabel anzusehen. ({1}) - Es hat keinen Zweck, diese Sache noch weiter zu verfolgen. Lassen Sie mich bitte zu einem nächsten Punkt kommen, der nach meinem Dafürhalten mindestens ebenso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger ist als der, den wir hier eben berührt haben. Ich meine die berühmte Geschichte mit der sogenannten Passier-„Schein"-Regelung, lieber Kollege Erler, die Sie hier angeschnitten haben. Ich darf Ihnen sagen, daß, als dieser Artikel in der Veröffentlichung des Bundespresseamtes erschien, wir sofort darauf reagiert und sofort die Entfernung dieses Mannes aus dem Bundespressamt verlangt haben. Der Herr Bundeskanzler hat uns eine unserer Auffassung entsprechende genügende Erklärung gegeben. Ich bin überzeugt davon: er wird sich hier noch dazu äußern, und ich glaube, daß damit deutlich klargemacht ist, wie wir zu dieser Geschichte stehen. ({2}) - Der Mann muß ausscheiden. ({3}) - Der Mann muß ausscheiden. Wir haben die Forderung klar gestellt. Der Herr Bundeskanzler wird sich dazu - ({4}) - Lieber Kollege Wehner, der Bundeskanzler wird sich sicher dazu äußern. Wir werden ihn ja gleich hören. ({5}) Nun haben Sie, Herr Kollege Erler, abschließend einige Worte zur Außenpolitik gesagt. Ich will dazu auch nur wenige Sätze sagen. Ich möchte hier zunächst einmal deutlich machen, daß es nicht des Artikels im „Bayern-Kurier" bedurft hat, um festzustellen, daß es über außenpolitische Fragen innerhalb der einzelnen Parteien in diesem Hause - ich will es einmal ganz vorsichtig formulieren - nicht ganz einheitliche Auffassungen gab. Also wir bedurften dazu nicht dieser Erleuchtung aus München, um das festzustellen. Das haben wir vorher gewußt, und wir haben es - jeder - in den zuständigen Gremien dieses Hauses immer wieder feststellen können. Insofern also würde ich sagen: für mich ergibt dieser Artikel des „Bayern-Kurier" gar nichts wesentlich Neues. Für mich bestätigt er nur eine Situation, die da ist und die wir eben zur Kenntnis nehmen müssen. Ich muß allerdings hinzufügen - ich möchte aus ganz bestimmten Gründen nicht deutlicher werden -: ich habe Verhandlungen mitgemacht - in sehr internem Kreis -, bei denen ich den Eindruck hatte, daß sich diese differenzierte Betrachtung außenpolitischer Fragen nicht auf eine Partei in diesem Hause, um es noch deutlicher zu sagen: nicht auf eine große Partei in diesem Hause beschränkt, sondern daß mindestens eine zweite große Partei sich auch noch mit ähnlich differenzierten, wenn auch nicht so weitgehenden unterschiedlichen Überlegungen innerlich auseinandersetzt und offenbar noch in der Diskussion dieser Fragen begriffen ist. ({6})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Ludwig Erhard (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000486

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen mich nicht erschüttertdarüber, daß die SPD nicht bereit ist, dem Haushalt des Bundeskanzlers zuzustimmen. Ich habe nichts enderes erwartet. Aber ich sehe auch heute aus dieser Diskussion und leider vor allem auch aus dem Beitrag von Herrn Erler, daß in der Kampfmethode - sei es jetzt 'hin 2u den Landtagswahlen oder hin zu den Bundestagswahlen - eine ganz bewußte Methode angewandt wird, nämlich das Ansehen des 'Bundeskanzlers in der Offentlichkeit herabzuwürdigen. ({0}) Das wird Ihnen beim besten Willen nicht gelingen. ({1}) Sie sagen, das Verhältnis zur Opposition habe sich geändert. Ja, es hat sich vielleicht geändert; ich glaube deshalb, weil 'Sie nicht wissen oder sich noch nicht darüber klar sind, ob Sie mich umarmen oder abstoßen sollen. Aber das ist Ihre Sache. Machen Sie das, wie Sie wollen! Auf alle Fälle werde ich reagieren, und vieles von dem, was ich gesagt und unternommen habe, war meinerseits primär keine Aktion, sondern eine Reaktion. ({2}) Sie können von mir alles verlangen. Ich bin duldsam; ich gehöre einer christlichen Partei an. ({3}) Sie können aber von mir nicht erwarten, daß ich nun die Backe hinhalte, aber nicht zurückschlage. Ich werde also zurückschlagen. ({4}) Im übrigen liegt mir jegliches Agitationsbedürfnis fern. Ich habe es nicht nötig, mich mit Agitation zu beschäftigen; denn jedermann weiß, wer ich bin. ({5}) - Das paßt Ihnen nicht, aber es ist so. ({6}) Dann wird von einer Lähmung gesprochen, in der sich 'die deutsche Politik befinde. Meine Damen und Herren von der SPD, seitdem ich im Amt bin, komme ich mir nicht wie gelähmt, 'sondern umgekehrt sehr lebendig vor. Ich möchte darauf verzichten, im einzelnen aufzuführen, was alles /in dieser ,Zeit geschehen ist. Ich will bloß eine Sache herausgreifen. Was war das für eine Mühe und was gehörte auch an Kraft dazu, den Bundeshaushalt in den zur Wahrung der Stabilität notwendigen Grenzen zu halten! Wir mußten die Anforderungen - und den Anforderungen entsprechen die Wünsche der verschiedenen Gruppen - um 9,3 Milliarden DM kürzen, und ich bin glücklich, sagen zu können, daß die Koalitionsparteien fest entschlossen sind, den Haushaltsansatz der Regierung unter allen Umständen zu wahren. ({7}) Lassen Sie mich auf ein anderes Element der Kritik zu sprechen kommen. Ich habe die europäischen Hauptstädte besucht undfestgestellt, daß noch 'viel zu besorgen bleibt, bis 'der Weg nach Europa frei ist, nach einem Europa, wie wir es uns vorstellen. Ich glaube, daß wir in dieser Frage gar nicht sehr unterschiedlicher Meinung sind, Herr Kollege Erler. Gott sei Dank gibt es in bezug 'auf das Verlangen, aus dem engen Nationalismus heraus und hin zu finden zu europäischen Formen des Zusammenlebens, kaum einen 'Unterschied. Aber Sie wissen, wie schwer diese Aufgabe ist. Seit 1952 bemühen sich die erlauchtesten Geister in Europa, über Widrigkeiten und Hemmungen hinwegzufinden. Wenn mir das bei vier Besuchen in den europäischen Hauptstädten auch noch nicht gelungen ist, so wird mir das von Ihnen als ein Versagen angerechnet. Das ist doch dumm! Man kann dazu wirklich nichts anderes sagen. ({8}) Das käme mir genauso vor - aber ich bin nicht so dämlich, es zu tun -, als wenn ich gesagt hätte: Der Regierende Bürgermeister hat soundsoviele afrikanische Länder besucht, und nachdem er von der Reise kam, sind dort Aufstände ausgebrochen. Ist er etwa dafür verantwortlich? ({9}) - Ich bin dafür, daß in der Politik Wahrhaftigkeit herrscht, aber diese Argumentation ist einfach nicht wahrhaftig wie manche andere auch nicht. ({10}) Wir stehen vor einer ganzen Reihe von Vorhaben. Es sind von mir bereits drei wissenschaftliche Gremien eingesetzt worden; - einmal das Sachverständigengremium, das die dringliche Frage der Finanzreform klären soll, um das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden zu einer richtigen Entsprechung zu bringen. Ich habe an Wissenschaftler den weiteren Auftrag gegeben, Vorstellungen zu entwickeln und darüber nachzudenken, in welcher Weise die wirtschaftliche und politische Integration in Europa, sei es im Bereich der Sechs, sei es in weiteren Formen, vorangetrieben werden könnte. Und 'schließlich werde ich in den nächsten zehn oder vierzehn Tagen, aber bestimmt nicht später, jenes Gremium berufen, das die Sozialenquete durchführt. Die Besprechungen stehen unmittelbar vor dem Abschluß, sowohl auf der wissenschaftlichen Ebene wie auch zwischen den Ressorts. Es kann also gestartet werden. Meine Damen und Herren, wir wissen genau, und leugnen es nicht, daß in bezug auf das sogenannte Sozialpaket unterschiedliche Auffassungen bestehen. Aber in einer Hinsicht haben wir seitens der Koalition eine gemeinsame Auffassung, nämlich die, daß mit wachsendem Wohlstand, mit der Verbesserung und größeren Freiheit in der Lebensführung, die individuelle eigene Verantwortung gestärkt werden muß. ({11}) Wir wollen uns nicht über falsche Methoden immer stärker im Kollektiv verstricken. ({12}) Um wieder von der Wahrhaftigkeit in der Politik zu sprechen: Wie ist es z. B. mit den Preisen? Das ist ja Ihr bekanntes Wahlkampfthema in Baden-Württemberg. Man stellt es so dar, als ob nur die Bundesregierung über alle Maßen schuldig sei. Offenbar herrscht hier eine babylonische Sprachverwirrung vor; denn von außen tönt an uns immer stärker die Frage heran: Wie bringt ihr das fertig, gegenüber den sehr viel stärkeren Kosten- und Preissteigerungen rings um euch herum fast eine Insel der Stabilität zu sein? Jedenfalls sind wir mit diesem Problem besser fertig geworden als die meisten anderen Länder, auch als die sozialistisch regierten Länder. ({13}) Wenn Sie uns anklagen und selber das Geheimrezept kennen, dann finde ich es geradezu unverantwortlich, daß Sie es nicht verraten, sei es uns, sei es Ihren Freunden. ({14}) Nein, meine Damen und Herren der Opposition: Sie können überzeugt sein, daß mir die Stabilität der Preise mindestens ebensoviel Sorge bereitet wie Ihnen; denn das ist das Kernstück meiner Politik. Ich habe das im Zusammenhang mit dem Haushalt erwähnt. Es ist aber einmal ein Zeichen der Wohlstandsgesellschaft, daß die Dienstleistungen teurer werden. Das schlägt sich natürlich dann auch im Lebenshaltungsindex allenthalben nieder. Was Sie im Gespräch zugeben, sollten Sie nicht zum Mittel der Wahlpropaganda mißbrauchen. ({15}) Sprechen wir auch von den sogenannten „Auswüchsen". Ich bin auch der Meinung, daß es Auswüchse in der deutschen Wirtschaft gibt. Ich habe sie oft genug angesprochen und nicht etwa nur an die Adresse derer, die Ihnen nahestehen, sondern auch an die Adresse derer, die Sie mir an die Rockschöße hängen wollen. Ich habe zu dem, was ich ausgeführt habe und was kürzlich von einem Ihrer maßgabenden Vertreter als „Maßhaltegeschwätz" gebrandmarkt worden ist, das er nicht mehr hören könne, zu sagen: Wenn wir nicht hören können, dann werden wir es alle fühlen müssen. Denken Sie daran! ({16}) Jawohl, es gibt Auswüchse. Aber ich habe noch nicht gehört, daß z. B. irgendein maßgebender sozialistischer Gewerkschaftsführer jemals auch auf Auswüchse bzw. Mißstände im eigenen Lager hingewiesen hat. Oder gibt es die etwa nicht? Gibt es die nur im Lager der CDU- oder der FDP-Wähler? Nein, die gibt es bei Ihnen auch, aber dort werden sie nicht angesprochen! ({17}) Ich bin bereit, a 11e zu rügen und alle zu tadeln und in wirklicher Parität Gerechtigkeit obwalten zu lassen. Aber ich kann es nicht vertragen, wenn der eine immer nur den andern anspricht, nicht den Balken im eigenen Auge, um so mehr aber die Splitter in dem des andern sieht. ({18}) So kommen wir in der Politik nicht weiter! Es gehört zum Stil meiner Politik, zu einem höheren Grad innerer Wahrhaftigkeit zu kommen, sowohl in der Aussage als auch in der Argumentation. Das habe ich schon im Elternhaus gelernt: Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht, der ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht! ({19}) Es ist hier viel von Gemeinschaftsaufgaben gesprochen worden. Sie sprachen mit Recht - und haben mich zitiert - von dem- allenthalben mangelnden Bürgersinn. Ich hoffe, daß Sie bei dem Wort „Bürgersinn" nicht den Bürger im Sinne sogenannter bürgerlicher Parteien gemeint haben, denn für mich ist jeder Deutsche Staats-„Bürger". ({20}) Hier ist eine Frage angesprochen, die uns alle angehen muß. Wenn z. B. für Erziehung und Bildung, für Wissenschaft und Forschung mehr getan werden soll und mehr getan werden muß, wenn im Verkehr Unzulänglichkeiten auftreten, wenn wir an zivile Notstandsmaßnahmen herangehen müssen - das alles kostet Geld. Und wenn wir nicht bloß das Blaue vom Himmel, sondern wirklich die blaue Luft und das reine Wasser meinen, dann bedeutet das eine erhebliche zusätzliche Leistung, die Geld kostet. Sie sagen, bei den Gemeinden lägen viele Gemeinschaftsaufgaben. Sicherlich haben auch sie wesentliche Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen. Aber wenn ich durch die Lande reise und mich in den einzelnen Orten umsehe, habe ich nicht den Eindruck, daß da n u r Krankenhäuser und n u r Schulen gebaut werden. Nein, es wird noch einiges andere dazu gebaut, was man füglich zurückstellen könnte. ({21}) Denn die Überhitzung des Baumarktes, die Erhöhung der Baumarktpreise kommen ja nicht von ungefähr. Wir betrügen uns selber, wenn wir glauben, durch mehr Geld eine höhere Bauleistung erzielen zu können. Diese ist vorgezeichnet und begrenzt durch die vorhandenen Kapazitäten. Was Sie zusätzlich an Geld draufschütten, geht nur in die Preise, aber nicht in höhere Bauleistungen. ({22}) Das gilt für den Bund, das gilt für die Länder, das gilt für die Gemeinden. Die Gemeinden - und in den Großstädten haben Sie ja wesentliche Teile Ihrer Wählerschaft - stellen es vielfach so dar, als ob alles, was man dort geschaffen hat wie z. B. an Theatern, Kongreßsälen usw. - gewiß schöne Dinge -, die originäre Leistung solcher Städte sei. Ich habe schon einmal gefragt: Wer ist hier eigentlich Koch und wer ist Kellner? Nach welchem Rezept wird das Gericht bereitet, das so reichlich serviert und gerne genossen wird? Das war nämlich die Politik der Bundesregierung, meine Damen und Herren! ({23}) - In anderen Ländern arbeiten die Menschen auch. Das ist ja wohl selbstverständlich, daß die Leistung eines ganzen Volkes dazu gehört. ({24}) Aber mindestens ebenso wichtig ist es, die Arbeit sinvoll anzuwenden und in eine richtige, fruchtbare Ordnung einzufügen. ({25}) Und nun zur Landwirtschaft! Meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich habe es von dieser Stelle aus gesagt, und wer wollte es leugnen, daß unsere landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sowohl nach der Kostensituation wie auch nach den Produktionsbedingungen gerechtfertigt erscheinen? Sie, meine Damen und Herren der Opposition, üben hier eine ganz gute Arbeitsteilung. Die SPD „als Partei" greift die Bauern nicht an, aber die Vertreter ihrer Partei im Gewand der Gewerkschaften klagen an. ({26}) Tatsächlich ist es wirklich etwas einfältig, anzunehmen, daß man von den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen bis hin zum letzten Verbraucherpreis durch die Obrigkeit, d. h. also durch staatliche Maßnahmen alles, was da an Spannen und Risiken, Transport-, Lagerkosten und so fort dazwischenliegt, kontrollieren und festlegen könne. Daß die Bundesregierung auch für eine liberale Agrarpolitik eintritt, hat sie in Brüssel bewiesen. Darin kommt zugleich zum Ausdruck, daß wir uns nicht in der Enge der EWG einschließen lassen, sondern auch die Beziehungen zu Drittländern pflegen wollen. Wenn es der Landwirtschaft so furchtbar gut ginge, wie es allenthalben heißt, dann frage ich mich, warum dann eigentlich die Menschen abwandern. ({27}) Warum gehen nicht nur die landwirtschaftlichen Arbeiter, sondern auch die Söhne und die Töchter in die Stadt? Warum ziehen sie die Arbeit in der gewerblichen Wirtschaft vor? ({28}) Weil es ihnen dort besser geht als auf dem Lande, weil sie größere Chancen sehen. Das ist doch ganz eindeutig. ({29}) Von der Arbeitszeit will ich gar nicht sprechen! Die Fünf-Tage-Kuh ist noch nicht erfunden. Der Landwirt muß am Samstag und am Sonntag arbeiten. Sie wissen, ich war manchmal nicht mit allem und jenem unserer Agrarpolitik einverstanden. Aber aus solcher Sicht fühle ich mich verpflichtet, für unsere Landwirtschaft einzutreten und Gerechtigkeit in der Betrachtung der Verhältnisse obwalten zu lassen. ({30}) Im Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Preisen komme ich noch einmal auf die Preissituation überhaupt zurück. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau - es ist die Konsequenz dessen, was ich über die unterschiedliche Preisentwicklung ausgeführt habe -, daß wir Gefahr laufen zu immer höheren Handelsbilanzüberschüssen zu gelangen. Dieser scheinbare Segen ist recht problematischer Natur. Das ist aber doch nicht etwa deshalb so, weil wir ein teures, sondern deshalb, weil wir ein billiges Land sind, weil es attraktiv ist, in Deutschland zu kaufen, und umgekehrt die Preise im Ausland nicht mehr so anziehend sind, daß wir uns dort stärker eindecken, was wir nämlich sehr gerne wollten. Die Handelsbilanzüberschüsse bereiten uns also erheblichen Kummer. Sie sind in den ersten zwei Monaten des Jahres 1964 gegenüber denen des Jahres 1963 von 360 Millionen auf fast 11/2 Milliarden DM angestiegen. Wenn das so weitergeht, stehen wir vor der ernsten Frage, durch welche Maßnah. men - mit deutschen Entscheidungen allein geht es wahrscheinlich überhaupt nicht - wir es erreichen können, zu einem gleichförmigen Verhalten innerhalb der EWG und darüber hinaus zu gelangen? Sie können der Bundesregierung nicht vorwerfen, daß sie auf diesem Gebiet nicht sogar eine besonders starke Aktivität entfaltet hat. Wir waren es, die in Brüssel mit immer neuen Vorschlägen dieser Art gekommen sind, um zu einer Harmonisierung, zu einer Angleichung zu gelangen. Ich erinnere mich noch gut an die große Auseinandersetzung im vergangenen Jahr, als es im Straßburger Parlament um die Planifikation ging. Sie waren schon drauf und dran, auf diese neue Heilslehre hereinzufallen, und Sie haben mich getadelt, weil ich dafür kein Verständnis aufbringen konnte. Der Traum von der Planifikation hat sich in der Zwischenzeit in Schaum aufgelöst; denn die größten Planifikateure verzeichnen die größten Preissteigerungen in Europa. ({31}) Aber es ist nicht nur die Handelsbilanz, es sind auch die Kapitalbewegungen, die uns vor neue Aufgaben stellen. Wir werden dem Hohen Hause ein Gesetz über die Kapitalertragsteuer und über die Streichung der Wertpapiersteuer vorlegen, einmal, um die Möglichkeit zu verbessern, ausländische Anleihen in Deutschland zu plazieren, und um vor allem nicht versteuertes ausländisches Fluchtkapital vom deutschen Markt fern zu halten. Die Bundesbank kann Ihnen bestätigen, daß die Erfolge, die allein die Ankündigung hervorgerufen hat, bereits erkennbar sind. Im übrigen kann ich Ihnen erklären, daß sich die Bundesregierung derzeit sehr ausgiebig mit einem konjunkturpolitischen Programm beschäftigt. Wir wollen es nicht verzetteln, wollen es nicht tröpfchenweise an den Bundestag herantragen, sondern als ein Ganzes behandeln, weil es auch ein Zusammengehöriges darstellt. Sie werden dann nicht sagen können - ernsthaft können Sie es schon heute nicht mehr -, daß die Bundesregierung nichts ,getan hat und nichts zu tun gewillt ist, um die Stabilität zu bewahren. Von nichts kommt nichts, und wenn wir uns in besserer Position befinden als andere, dann ist das nicht zuletzt auch ein Ausfluß unserer Politik. ({32}) Was können wir weiter tun? Nicht über unsere Verhältnisse leben! Meine Damen und Herren, ich habe die große Sorge, daß die Deutschen wieder einmal drauf und dran sind, diese Grenzen nicht zu erkennen oder sie zu mißachten. ({33}) Das gilt für die öffentliche Hand, das trifft allenthalben für die Wirtschaft in bezug auf Investitionen zu, das können Sie über alle Gruppierungen hinweg für den privaten Verbrauch schlechthin sagen. Das ist keine moralische, sondern eine wirtschaftliche Aussage. Das ist natürlich auch eine Quelle von Preissteigerungen, wenn wir der Wirtschaft mehr an Gütern und Werten abfordern, als sie für Zwecke der Investitionen oder für Zwecke des Konsums bereitstellen kann und wir in gemeinsamer Arbeit zu erstellen willens oder in der Lage sind. Sie sprachen, Kollege Erler, von den Konsequenzen der Überbeschäftigung. Ja, sie hat Konsequenzen. Ich habe nur nicht den Eindruck, daß wir die richtigen Konsequenzen ziehen! Das Faktum, das Phänomen ist eindeutig. Aber wenn man eine Million fremder Arbeitskräfte im Lande hat, wenn man 650 000 Stellen nicht mehr besetzen kann und wenn die Auftragsbücher immer dicker werden, was auch nicht gerade zur höheren Disziplin beiträgt, und schließlich die Wirtschaft nicht mehr nachkommt, den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, die der innere Markt und die Nachfrage vom Ausland ihr abverlangen - wenn man dazu noch berücksichtigt, daß eine Stunde Arbeitszeitverkürzung der Leistung von 400 000 Menschen gleichkommt -, dann, so muß ich sagen, haben wir eben nicht die sinnvollen Konsequenzen aus der Überbeschäftigung gezogen, die notwendig gewesen wären. ({34}) Ich glaube tatsächlich, das hat es noch in keinem Land gegeben, daß es unter diesen äußeren Bedingungen - eben eine Million fremder Arbeitskräfte, 650 000 offene Stellen, Auftragsbücher, die fast nicht mehr zu bewältigen sind - noch immer weiter zu einer Verkürzung der Arbeitszeit kommen will. Mögen Sie sich damit beliebt machen, aber richtig und wahr ist das ganz bestimmt nicht. ({35}) Ihr zweiter Wahlschlager - ich habe sehr sorgfältig verfolgt, was Sie schriftlich und mündlich von sich gegeben haben - ist das Reparationsschädengesetz. Ich stelle hier noch einmal in aller Form fest, daß sich die Bundesregierung einstimmig gegen diese Vorlage ausgesprochen und daß Kollege Dahlgrün im Namen der Bundesregierung diese Vorlage zurückgewiesen hat. ({36}) Ich bin zudem überzeugt, sie wird nie Gesetz werden; ich selbst werde gegen diese Vorlage angehen, wo und wann immer es nur möglich ist. Sie wird zu Fall kommen, weil sie nicht durchsetzbar und auch nicht vertretbar ist. ({37}) Wenn ich im übrigen jede Aussage Ihrerseits auf diesem Gebiete ebenso scharf unter die Lupe nehmen und dann im Wahlkampf entsprechend anprangern wollte: ich möchte mal wissen, was Sie dazu sagen würden. Es wurde in bezug auf meine Person von Monologen im Fernsehen gesprochen. Seien Sie mit Vergleichen vorsichtig - ich meine, was Monologe im Fernsehen anlangt. Ich habe kein Bedürfnis, aus Propagandagründen an den Fernsehschirm zu gehen, sondern nur dann, wenn es mir die Zeichen der Zeit erforderlich erscheinen lassen. Ich bin z.B. in bezug auf die Passierscheinfrage nicht wie Ziethen aus dem Busch auf Fernsehen und Rundfunk gestürzt und habe das deutsche Volk beunruhigt. Im Gegenteil, Sie wissen es sehr gut, daß ich alle Parteien und alle Fraktionen immer wieder beschworen habe: Laßt uns über alles Mögliche streiten, aber nicht über Berlin und nicht über die Passierscheine! ({38}) Ich habe also die Friedenspflicht in dieser Sache ganz bestimmt nicht verletzt. Die Anträge in Hannover wurden von Ihnen als eine Liste der Versäumnisse gekennzeichnet. Ja, hat denn jemand von uns auch nur einmal behauptet, daß wir schon am Ende wären, daß wir durch unsere Politik die Vollkommenheit auf dieser Welt geschaffen hätten? Sie aber deuten die Liste der Versäumnisse dahin aus, und Ihr Pressereferent hat das auch noch unterstrichen: die CDU und die FDP, teilweise in der Koalition, teilweise allein, hätten ja in den letzten 15 Jahren immerhin einige Gelegenheit gehabt, etwas zu tun. Ich meine, es hat sich herumgesprochen, was wir getan haben, meine Damen und Herren! ({39}) Und wenn das eben noch nicht alles sein konnte, wenn wir den Himmel auf Erden noch nicht geschaffen haben und wenn wir das sehr wohl wissen, dann zeugt das nur für unsere Einsicht. Daraus kann man uns dann doch keinen Vorwurf machen. Was den Sinn für die Opferbereitschaft anlangt, bin ich der Meinung, sollten wir zusammenarbeiten. Aber wenn wir auch hier wahrhaftig bleiben wollen - ich komme wieder auf Gemeinschaftsaufgaben zu sprechen -, dann müssen wir den Mut haben, dem deutschen Volke zu sagen, - und zwar über alle Parteien und alle Schichten hinweg -: Um der Erfüllung willen müßt ihr jetzt in euren privaten Wünschen da und dort einmal etwas zurückstecken. Das 'bedeutet noch lange nicht Entsagung. ({40}) Aber wenn ich mir die Anträge ansehe, auch die der Koalitionsparteien - wobei Sie ja immer noch etwas zulegen wollen -, dann muß ich sagen: Von dieser Opferbereitschaft ist mir noch nicht allzuviel deutlich ,geworden. Das Problem müßte redlich angesprochen werden, nicht von Partei zu Partei, son5734 dern von allen, die Verantwortung tragen. Das ist es, was uns not tun wird. Jetzt noch einige Worte zum Bulletin! Meine Damen und Herren, ich habe den angezogenen Artikel öffentlich gerügt. Jetzt will ich Sie fragen, ob ich mehr hätte tun sollen. Der Mann, der das geschrieben hat - ich nenne seinen Namen nicht -, wird In Kürze aus dem Amt ausscheiden. Er ist schon jetzt nicht mehr im Bulletin tätig. Er ist schwerkriegsverletzt und 65 Jahre. Soll ich dem die letzten Monate seines Lebens in .beruflicher Tätigkeit vergällen und ihn sozusagen vor der ganzen Offentlichkeit diffamieren? Ich bin dazu nicht in der Lage. ({41}) Wenn Sie die gleichen strengen Maßstäbe an Leute aus Ihrem Lager und an das, was sie alles geschrieben haben, anlegen, dann kommen Sie aus dem Entlassen überhaupt nicht mehr heraus. ({42}) Was die Entwicklungshilfe anlangt, meine Damen und Herren, so kommen Sie auch hier zu spät. Denn wir sind schon dabei - ja die Entscheidung ist eigentlich schon fast zur Vollendung herangereift -, eine Straffung 'durchzuführen und auch eine wirksame Konzentration zu erreichen. Daß manche Verbesserungen notwendig waren, wurde von uns immer eingesehen, und in konkreten Gesprächen kommen wir zu befriedigenden Lösungen. Nun zu der Frage der Außenpolitik! Von 'den Erklärungen, mit denen ich mich vor Minister Schröder gestellt habe, nehme ich nicht ein Wort zurück. Das bleibt bestehen. Wenn ich anschließend gesagt habe, wie außerordentlich ich es begrüßt habe, daß sich auch der Vorsitzende der CSU-Fraktion und -Partei der gemeinsamen Vertrauenserklärung ausdrücklich angeschlossen hat, dann ist das die Haltung, die ich erwartet habe und die auch der Zusammenarbeit 'in unseren Fraktionen gemäß ist. Wenn Herr Strauß sagt, daß er von diesem Artikel nichts gewußt habe, daß er ihn nicht billige, und bereit ist, das Vertrauensvotum für Minister Schröder 'zu unterstützen, dann können Sie nicht erwarten, daß ich ihm etwa gar noch mein Mißtrauen ausspreche. Nur gegenseitiges Vertrauen läßt eine erfolgreiche Politik zu. ({43}) Ich weiß auch, daß mein 'Bemühen, mit unseren Nachbarn enge freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, manchmal mißdeutet worden ist, so, als ob es mir nur darauf ankäme, draußen Süßholz zu raspeln und in Erklärungen, die nichts besagen, nur freundschaftliche Gesten zu bezeugen. Jeder, der an den Unterhaltungen beteiligt war, weiß, daß dabei ehrlich und manchmal auch hart gerungen worden ist. Daß man auftretende 'Gegensätze in einem gemeinsamen Kommuniqué nicht gerade voranstellt, ist wohl selbstverständlich. Aber ich bin nicht der Meinung, daß man die Freundschaft zu dem einen Land und die bessere Freundschaft zu einem anderen Land notwendig mit einer minderen Freundschaft oder gar mit einer Feindschaft gegenüber einem dritten erkaufen müßte. Gerade uns Deutschen ist es aufgegeben, Vertrauen zu finden und Vertrauen zu wecken in aller Welt. ({44}) Sie wissen, daß ich weit über parteipolitische Grenzen hinausdenke, wenn es mir darum geht, zunächst einmal im europäischen Lager Verständigungen zu finden und das Vergangene, die tragische Vergangenheit vergessen zu lassen. Die Opposition wird - und wie ich hoffe; will - mich auf meinem Weg nicht stören. Sie wird auch meinen Stil nicht ändern können und noch weniger meine Politik, die von dem Willen getragen ist, nach allem, was wir in Deutschland erlebt haben, der Wahrhaftigkeit auch in der Politik unter allen Umständen zum Siege zu verhelfen. Wenn Sie sagen, ich verstehe von dem und jenem nichts, das ist Ihr gutes Recht - es kommt bloß darauf an, ob es stimmt - , wenn Sie mir aber in heimtückischer Weise Motive unterstellen, die nicht stimmen, dann schlage ich auf den Tisch. Ich glaube, das ist der Stil, den wir in der Politik überhaupt verfolgen sollten. Dann wäre manches etwas ruhiger zu erledigen, und wir kämen in der Sache sehr viel weiter. ({45}) Wenn Sie zum Beispiel gesagt haben, Herr Erler - ich habe das sehr bedauert -: Das ist der Parteikanzler einer schrumpfenden Partei, so wird sich das ja noch herausstellen. Solche Prophezeiungen haben wir schon manchmal gehört. Sie haben z. B. nicht registriert obwohl Sie es ganz genau wissen -, daß ich es von vornherein abgelehnt habe, über den Vorsitz in der Partei der CDU mit mir sprechen zu lassen. ({46}) Im Falle Adenauer war das eine geschichtliche, einmalige Situation. Ich wollte indessen mit dieser meiner Entscheidung klar machen, daß ich mich über manche Meinungen, die auch in meinem politischen Lager da und dort lebendig sein mögen, erheben will. Mehr können Sie nicht verlangen. Ich möchte bloß wissen, wie es wäre, wenn Ihre Träume reiften und Ihr Kanzlerkandidat zur Macht käme, ob der auch in gleichem Maße zwischen seinem Amt und seiner Partei zu unterscheiden wüßte. ({47}) Damit komme ich endlich auf den Tit. 300 zu sprechen. Meine Damen und Herren, mir liegen Geheimnisse nicht. Aber das ist nun einmal so - ich habe mich da sehr sorgfältig erkundigt -: es gibt kein Land, es gibt vor allen Dingen auch kein demokratisches Land, in dem der Regierung oder dem Regierungschef nicht solche Mittel zur Verfügung stünden. Das haben Sie ja auch anerkannt. Eine Kontrolle ist zudem durch den Rechnungshof gegeben. Sie werden mir sicher zugeben, daß z. B. GroßBundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard Britannien ein demokratisches Land ist. Dort stehen der Regierung für diese Zwecke - auch nicht durch das Parlament kontrolliert, sondern nach etwa dem gleichen Verfahren, das bei uns vorherrscht -8 Millionen Pfund zur Verfügung. Bei uns ist dieser Titel seit 1958 nicht mehr verändert worden. Diese 8 Millionen Pfund hat der britische Premierminister zur Verfügung. Das galt unter Macdonald, das galt unter Attlee, das galt unter Churchill und unter Macmillan, es gilt unter dem jetzigen Prime Minister, und wenn dort sozialistische Blütenträume reifen sollten, wird es auch unter Herrn Wilson nicht anders sein. Sie sollten also auch hier duldsamer sein oder mindestens nicht immer bei etwas, was Ihnen schlecht erscheint, in anderen Ländern aber nicht anders ist, die deutsche Regierung verdächtigen. ({48}) Es liegt mir fern - ich hoffe, Sie haben das auch nicht so aufgefaßt -, mich rechtfertigen zu wollen. Ich habe mich nicht zu rechtfertigen. Ich habe mich noch viel weniger vor Ihnen, der SPD, zu entschuldigen für das, was ich getan habe, und für das, was ich weiter tun will. Ich habe auch keine Propaganda nötig. Ich bin Gott sei Dank in der glücklichen Lage, daß, wenn ich zum deutschen Volk spreche und, wo auch immer, ihm begegne, jedermann weiß, was ich getan und was ich geleistet habe, ob es von Ihnen anerkannt wird oder nicht. ({49}) - Sie wissen es nicht? Gut! Warum haben Sie denn dann das Godesberger Programm gemacht? ({50}) - Wenn ich in bezug auf das Programm von dem spreche, was ich getan habe, dann meine ich in erster Linie das, was ich als Wirtschaftsminister getan habe. Das ist das Programm, das Sie, wenn auch unter Schmerzen und manchen Rückgratverkrümmungen, sich schließlich zu eigen machen mußten. ({51}) Auf einem andern Wahlplakat hat natürlich der sozialistische Bürgermeister von Hamburg die Türe zur Welt aufgestoßen. Was aber ist die Wahrheit? Als ich die deutsche Türe für den Handel hinaus und herein öffnete, da wurde mir von Ihrer Seite aus - ich will die Namen von Toten nicht nennen - gesagt: Das ist eine Bankrottpolitik, Deutschland wird zugrunde gerichtet, und wir werden noch das wenige, was wir haben, in aller Kürze verspielt haben. Tun Sie also nicht so, als ob Sie die soziale Marktwirtschaft erfunden hätten! Tun Sie nicht so, als ob Sie in der Verteidigungs- und in der Außenpolitik die Führungsrolle in Deutschland gehabt hätten! ({52}) Gleichwohl bin ich der Meinung, daß wir nicht auf Lorbeeren ausruhen dürfen. ({53}) Es ist auch gar nicht meine Absicht, wenn ich zum deutschen Volk spreche, mich als den Retter des Vaterlands hinzustellen, als der ich mir gar nicht vorkomme. Aber wer in dieser tragischen Zeit nach dem Zusammenbruch den Mut zur Verantwortung hatte und mit Mut und Entschlußkraft die Handlungen vollzog, die das deutsche Volk aus Not und Elend errettet haben, der hat es auch nicht nötig, sich wegen seines Versagens beschimpfen zu lassen. ({54})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher nützlich, nach dem bisherigen Gang der Debatte den Ausführungen der Sprecher der anderen Parteien und auch den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers noch einiges hinzuzufügen. Vielleicht darf ich ein wenig daran erinnern, daß, als unser ganzes Volk in zerstörten Städten lebte und unser Produktionsapparat zerstört war, als es noch gar keine Staaten und noch gar nicht die Bundesrepublik Deutschland gab, es allüberall notwendig war, Initiative zu regen, um aus den Trümmern heraus die Bedingungen für den Wiederaufbau zu schaffen. Ich meine, daß auch diejenigen unserer Bürger, die damals in den Gemeinden und in den Städten Verantwortung trugen und zu denen ein Großteil auch meiner teils lebenden, teils verstorbenen Freunde zählt, ihren Anteil an dieser gemeinsamen Wiederaufbauleistung unseres Volkes gehabt haben. ({0}) Wenn hier von Türaufstoßen die Rede ist, dann sei mit Verlaub gesagt, daß es eine deutsche Stadt und ihre politische Führung gewesen ist, welche die Solidarität mit unserem Volk nach alledem, was der Krieg an psychologischen Verschüttungen hinterlassen hat, draußen in der Welt wieder lebendig gemacht hat: das war Berlin unter der Führung Ernst Reuters. ({1}) - Ich nehme von der gemeinsamen Leistung unseres Volkes niemand aus, auch nicht die Bundesregierung, auch nicht die Parteien dieses Hauses, auch nicht den jetzigen Kanzler. Aber ich wehre mich dagegen, daß einer so tut, als habe er alleine geschafft. ({2}) Der Herr Bundeskanzler hat sich über heimtückische Angriffe beschwert. Er wird es ertragen müssen, daß im politischen Leben nicht nur er harte Ausdrücke über Andersdenkende gebrauchen kann, sondern daß Reden, wie die von Hannover, ihr Echo finden. Darf ich Ihnen eine kleine Kostprobe geben: In Hannover wurden wir apostrophiert als der Gipfel der Scheinheiligkeit, ({3}) die verantwortungslose Opposition. Ich wiederhole das nicht, um es noch einmal unter die Leute zu bringen, sondern um Ihnen den Spiegel vorzuhalten, damit der Herr Bundeskanzler die Anforderungen, die er ,an andere in bezug auf die Wahrhaftigkeit richtet, künftig überall verbindlich macht, auch im Stif seiner eigenen Reden draußen im Lande. ({4}) Die Opposition wolle ihm das Gesicht zerkratzen, hat es in Ulm geheißen; das Proletariat sei gegen den Willen der SPD abgeschafft worden. - Meine Damen und Herren, ohne die großartige Leistung der deutschen Arbeiterschaft, auch in ihren mannigfachen Organisationen, wären wir nicht zu der freiheitlichen Demokratie Deutschlands heute gekommen. ({5}) Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es heraus. Wer den Kampf haben will, der wird ihn haben. ({6}) Man sollte sich nicht so auf das hohe Roß setzen. Hier gibt es nur eines: entweder gemeinsam den redlichen Versuch machen, den der Bundeskanzler im vergangenen Jahr gemacht hat und den wir honoriert haben, ({7}) in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu einem Brückenschlag zu kommen, oder sich auf das Niveau von Hannover begeben; beides gleichzeitig geht nicht. ({8}) Nun zu einigen Bemerkungen der anderen Herren! Der Kollege Barzel hat die Verdienste des Bundeskanzlers - hier sollen sie nicht bestritten werden - in bezug auf ein besseres Verhältnis zwischen Bund und Länder hervorgehoben. Wenn auch die Klimaverbesserung sich noch nicht in praktischen Schritten in vollem Umfange ausgewirkt hat, so deutet sich z. B. bei der Kulturpolitik doch einiges an. Wir begrüßen das. Aber verehrter Herr Kollege Barzel, wenn alles das, was Sie da geschildert haben, das Verdienst des Stils des neuen Kanzlers ist, welches harte Urteil sprechen Sie damit über den Vorgänger dieses Mannes? ({9}) Wie verträgt sich das mit den Dithyramben, die Sie dem Vorgänger gesungen haben. Man muß vorsichtig sein. Man kann nicht zwei verschiedene Stile - nach Ihrer Meinung - gleichermaßen mit derselben Art lyrischer Lobeshymnik besingen. ({10}) Die Sozialenquete! Herr Bundeskanzler, machen Sie ernst! Sie haben sie seinerzeit in der Regierungserklärung angekündigt. Ein halbes Jahr ist vergangen. Ich kann nur sagen: Immer wiederholte Ankündigungen machen langsam ungeduldig, wenn dann von den Verwirklichungen dennoch nichts zu sehen ist. ({11}) Im übrigen: Ihre Heiterkeit nehme ich gelassen hin. Auch Ihre huldvolle Herablassung und Ihre Selbstgefälligkeit wird dem Wechsel der Zeiten unterworfen werden; worauf Sie sich verlassen können! ({12}) Ein Wort zum Kollegen Zoglmann. Daß das Sozialpaket nicht weiterkommt, ist doch einfach eine Tatsache; und daß es hier Spannungen in der Regierungskoalition gibt, ist auch eine Tatsache. S i e haben doch die Mehrheit in diesem Hause, wir doch nicht! Das ist doch ein Problem, das die Regierungskoalition mit sich selbst ins Reine bringen muß. Darauf habe ich aufmerksam gemacht, auf mehr nicht. Auch die schönsten rednerischen Kunststückchen können an diesem Sachverhalt nichts ändern und ihn nicht verdunkeln. Es ist hier vom Herrn Bundeskanzler über die Notwendigkeit gesprochen worden, den gesamten Haushaltsansatz zu wahren; ein Unterfangen, das bei aller Skepsis, ob die Grenze bis zur letzten Stelle richtig gezogen worden ist, ({13}) auf allen Seiten des Hauses die Unterstützung gefunden hat. Aber, meine Damen und Herren, dann dürfen Sie auch keine Kunststückchen machen; dann muß es eine wirkliche Einhaltung sein. Zum Beispiel - um nur Berlin hier herauszugreifen -: die Verweisung Berlins an den Kapitalmarkt bei Übernahme der gesamten Zins- und Tilgungslasten für das, was Berlin aufnimmt, durch den Bund bedeutet natürlich, daß in Wahrheit der Bund doch der Schuldner ist. Sie haben hier also mit einem Rechenkunststück, das unter Umständen politisch nicht einmal den Berlinern erfreulich bekommt, die Zahl zwar gehalten, aber die Last doch übernommen. Ganz stimmt das also mit der Verantwortung für die Zukunft nicht überein, wenn Sie sich hier verpflichten, den Zinsen- und Tilgungsdienst auf sich zu nehmen, also doch der wirkliche Schuldner zu sein. Sie haben es nur nicht in Ihr Buch geschrieben, aber Sie sind es doch; oder: wir alle sind es doch. ({14}) - Ja, sicher! Es ist ja eine Schuld des Bundes, nicht der CDU. Sie können es gar nicht bezahlen, dafür sind Sie ja viel zu arm, wie wir jetzt dauernd hören. ({15}) Bei manchen anderen Kürzungen ist mir auch noch nicht klar, wieweit Sie angesichts der Entwicklung der kommenden Monate nicht Überraschungen erleben werden, indem Ihnen die Verwaltung Finanzvorlagen präsentieren wird. Wir können also in Ruhe die Rechnung abwarten, um zu sehen, was aus den Vorsätzen wird. Denn nicht nur der beErler schlossene Haushaltsplan ist wichtig, sondern auch die Haushaltsrechnung, meine Damen und Herren! Damit habe ich einige der Dinge, die hier zum Stil und zu anderem besprochen worden sind, behandelt. Ich möchte aber auf eine Grundfrage noch einmal eingehen, weil sie uns noch oft beschäftigen wird. Das ist die Frage der Beziehungen unserer Staatsbürger zum Staat. Der Bundeskanzler hat gesagt: „Laßt uns doch zusammen daran wirken, staatsbürgerliches Verantwortungsbewußtsein, also auch Opferbereitschaft, zu wecken!" Ja - dann kann man nicht in derselben Zeit der Gesamtheit der Bürger unseres Landes erzählen: „Zum Bundestagswahlkampf machen wir das Portemonnaie auf und schütten unser Füllhorn aus", ohne zur gleichen Zeit angesichts der vor uns stehenden Aufgaben - deren Notwendigkeit Sie anerkannt haben - dann wenigstens für einen Einnahmenausgleich an anderer Stelle zu sorgen. Das paßt nicht zusammen; das ist kein Anruf der staatsbürgerlichen Verantwortung, ({16}) sondern das ist eine Spekulation auf das Geschenk im Wahljahr. Ich kann mir nicht helfen - so muß man den Zusammenhang leider sehen. ({17}) Die Bemerkungen zur Landwirtschaft, meine Damen und Herren, waren nicht frei von Bösartigkeit. Hier ist gesprochen worden von der Arbeitsteilung, die es angeblich gebe zwischen den Sozialdemokraten auf der einen Seite und dem Gewerkschaftsbund auf der anderen - in dem ja immerhin auch führende CDU-Leute sitzen! -, und kein Wort über die Art, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie sich mit den Landwirtschaftsproblemen beschäftigt, gesagt worden, obwohl dessen geistige Beziehungen zur Regierung und zur CDU sicherlich erheblich enger sind. ({18}) Nein, so kann man mit den Problemen nicht fertigwerden. ({19}) - Für meine Formulierungen? Meine Formulierungen zur Landwirtschaft waren vollkommen klar. Meine Formulierungen zur Landwirtschaft heißen, wenn Sie es nochmal hören wollen, folgendermaßen, und so vertrete ich das auch draußen; ich habe immerhin einen ländlichen Wahlkreis oder wohne in einem ländlichen Wahlkreis, wenn Sie es korrekt haben wollen. ({20}) - Ja, sicher; deswegen habe ich gesagt: wohne in einem ländlichen Wahlkreis. Noch wohne ich dort, bald habe ich ihn. ({21}) - Meine Damen und Herren, warten Sie nur die Landtagswahlen am 26. April ab; dann werden Sie die Zahlen ungefähr ablesen können! ({22}) - Aber, meine Damen und Herren, Sie verlangen, ich solle bei Erhard in die Schule gehen. Was bleibt mir denn da weiter übrig als - - ({23}) Da sei zum Schluß dem Oppositionssprecher wenigstens ein bescheidenes Maß an Zuversicht gewährt! Oder nicht? ({24}) Also zurück zum Problem der Landwirtschaft! Schwere Arbeit, harte Arbeit muß angemessenen Lohn finden; ({25}) das ist unbestritten. Was man nicht tun darf, ist, unseren Bauern erzählen, es wäre möglich, daß die Veränderungen in der Technik und die Veränderungen in der Marktsituation durch die Einschmelzung in den Gemeinsamen Markt und die Veränderungen, denen auch wir - zwangsläufig - ausgesetzt sein werden, durch die auch vom Bundeskanzler vertretene weltoffene Handelspolitik der EWG, spurlos an unserer Landwirtschaft vorübergingen. ({26}) Also muß man den Bauern nicht erzählen, die Dinge könnten im wesentlichen auch auf preispolitischem Gebiet bis in die graue Zeit hinein bleiben, wie sie sind, sondern man muß heute anfangen, sie auf den härteren Wettbewerb vorzubereiten; das ist die wirkliche Aufgabe. ({27}) Darüber werden Sie Ihr Hauptbuch noch öffnen müssen, wenn die Regierung aus Brüssel zurückkommt; vorläufig muß sie erst mal wieder hingehen. Meine Damen und Herren, eines möchte ich zum Problem der Handelsbilanzüberschüsse, von denen der Herr Bundeskanzler gesprochen hat, noch in die Erinnerung rufen. Da fällt mir natürlich ein, welche Prognosen er und andere vor anderthalb Jahren gestellt haben, als wir hier manche Auseinandersetzungen um die Probleme der Löhne und der Arbeitszeit hatten. Da hat es geheißen: wenn das - ({28}) - Ja, sicher, nehmen wir die, die wir jetzt ganz schnell hier nachmessen können! - Da hat es geheißen: wenn das - ({29}) - Aber, Herr Barzel, wir reden jetzt über das, was der Herr Bundeskanzler in seinem Amtsbereich damals selber zur Entwicklung der .Löhne und der Arbeitszeit gesagt hat. ({30}) Da hat er beinahe den Zusammenbruch des deutschen Exports angekündigt, wenn man bereit sei, den Wünschen der Gewerkschaften nachzugeben. In Wahrheit ist unsere Exportleistung gestiegen wie noch nie in der deutschen Geschichte. Also durch diese bescheidene Lohnerhöhung und auch angesichts der Arbeitszeitverkürzung ist unser Export nicht zurückgegangen, sondern zu erstaunlichen Überschüssen, zu den größten unserer Geschichte, gelangt. ({31}) Ich will Ihnen noch etwas dazu sagen: das ist ein Zeichen dafür, daß man mit etwas mehr Gleichgewicht nach beiden Seiten seine Urteile fällen muß. Sicher, der Herr Bundeskanzler hat gelegentlich gesagt: „Ich bin bereit, alle zu kritisieren." ({32}) Aber wenn er sich dann spezifisch äußert, kommt immer der sozialistische Gewerkschaftler heraus. ({33}) Also, das geht nicht gut, sondern dann muß man sich schon realistisch nach allen Seiten mit der gleichen Tatkraft bemerkbar machen. Die relative Stabilität, deren wir uns trotz des auch hier sichtbaren Kaufkraftverfalls im Verhältnis zu anderen Ländern erfreuen, wird gar nicht bestritten, ist doch aber auch zu einem ganz erheblichen Teil auf unsere disziplinierte Arbeitnehmerschaft zurückzuführen; denn wir sind in der ganzen westlichen Welt das Land mit dem geringsten Ausfall an Produktion durch Arbeitskämpfe. Das muß man doch auch einmal sagen ({34}) und nicht den ganzen Unmut mehr oder minder auf die Gewerkschaften konzentrieren. ({35}) Nun hat der Herr Bundeskanzler hier auch zum Kapitalverkehr einige Gedanken geäußert. Ich glaube, sie sind, so dringend uns das Problem auf den Nägeln brennt, doch recht unausgegoren. Das kann der erste Schritt auf einem Wege sein, der mit seinen eigenen wirtschaftspolitischen Prinzipien nicht ganz vereinbar ist, nämlich zur Einengung der Konvertibilität der deutschen Mark. ({36}) Das kann zweitens sehr große Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung auslösen. Sie wissen alle, wie besorgt sich die Banken dazu geäußert haben. Hier ist sicher das letzte Wort in dieser Frage noch nicht gesprochen. Das möchte ich mit aller Behutsamkeit anmerken. Die wesentliche Aufgabe wird es ja wohl sein, zu einem besseren Gleichgewicht durch Förderung des Imports zu kommen. Lassen Sie mich nun auch noch ein Wort zur Arbeitszeitverkürzung sagen. Es ist sicher richtig, daß man sich auch auf diesem Gebiet innerhalb der Grenzen der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit halten muß. Das wird niemand bestreiten. Aber man soll nicht etwas huldvoll herablassend das, was bisher geschehen ist und in bescheidenerem Umfang als bisher in Zukunft vielleicht noch kommen wird, ({37}) als eine volkswirtschaftliche Gefahr kritisieren, wenn wir wissen, daß wir das Land der Frühinvalidität sind. Wir müssen dafür sorgen - das ist eine gemeinsame Aufgabe -, daß Arbeitszeitverkürzung, wo sie stattgefunden hat und in gewissem Umfang noch folgen wird, der Erhaltung der Gesundheit unserer Arbeitskräfte dient. Das erfordert unseren ganzen Einfluß, um die Menschen davon zu überzeugen, daß sie mit der gewonnenen Freizeit auch diesen richtigen Gebrauch zu machen wissen. ({38}) Denn wenn es uns gelingt, die Zeit der Frühinvalidität - zwei Drittel aller neubewilligten Renten des letzten Jahres wurden wegen vorzeitiger Berufs-und Altersinvalidität bewilligt - nur um ein Weniges anzuheben, haben wir viele hunderttausend einheimische gesunde Arbeitskräfte mehr in unserem Land. ({39}) Es lohnt sich also, vorausschauende Gesundheitspolitik zu betreiben. Und dahin gehört auch die Arbeitszeitpolitik. Dann gewinnt es den richtigen Sinn. ({40}) Zum Abschluß noch ein paar Bemerkungen zu den Auseinandersetzungen innerhalb der Christlich-Demokratischen Union. Ich nehme mit Befriedigung die Erklärung zur Kenntnis, daß der Herr Bundeskanzler ein Vertrauensvotum des Herrn Vorsitzenden der CSU, Strauß, für den Außenminister Schröder entgegengenommen habe. Ich kann hier nur mit der alten Mutter Lätitia, mit der Mutter Napoleons, sagen - so korsisch soll sie das ja gesagt haben -: „Pourvu que ça dure", hoffentlich bleibt's dabei! Ich meine, nach dem, was Herr Neuwirth gestern in die Zeitungen hat setzen lassen - heute steht es, glaube ich, noch einmal drin - über die Art, wie er glaubte sich inspiriert zu wissen und in Übereinstimmung zu sein mit der Grundströmung seiner Freunde, sind natürlich einige Zweifel in die Dauerhaftigkeit dieser Erklärung erlaubt. Aber zunächst ist es mal behoben, und das gilt es also mit Befriedigung festzustellen. ({41}) - Na sicher. Noch ein Wort zum Titel 3001 ({42}) Da verstehe ich den Widerstand des Herrn Bundeskanzler überhaupt nicht, wirklich nicht. Die Notwendigkeit eines solchen Titels ist anerkannt. Die Kontrolle durch den Rechnungshof ist lediglich eine Kontrolle darüber, daß niemand, der mit diesem Geld umgeht, es in die eigene Tasche schiebt. Es ist keine politische Kontrolle. ({43}) - In Hessen sind die Fraktionsvorsitzenden informiert worden. ({44}) Der nächste Punkt! Großbritannien können Sie deshalb nicht zum Vergleich heranziehen, weil wir es dort entgegen ¡den Verhältnissen in unserem Lande mit einer über Jahrhunderte gewachsenen demokratischen Tradition zu tun haben, in der über Jahrzehnte hinweg noch nie eine Regierung versucht hat, die Staatsmacht zumißbrauchen zur Verlängerung von Parteimacht. Wir müssen das bei uns erst lernen. ({45}) - Über Jahrzehnte hinweg nicht mehr. Und wenn es früher üblich war, dann werden Sie mit mir der Meinung sein, 'daß das kein guter Brauch war und daß wir den hier nicht einführen sollten, Herr Friedensburg. ({46}) Infolgedessen sollten wir uns darum bemühen, angesichts unserer Geschichte, mit der wir es zu tun haben, jeden Verdacht aus dem Weg zu räumen, daß diese Mittel nicht für Volk und Staat 'gebraucht, sondern unter Umständen zu parteipolitischen Zwecken abgezweigt werden. Das ist ganz schlicht in der Weise zu erreichen, wie wir das hier dargestellt haben. Wenn Herr Zoglmann der Meinung ist, er wisse einen besseren Weg - ich warte mit Begierde auf seinen Änderungsantrag. Wenn er einen besseren Weg zeigt, würden wir dem auch zustimmen. Wir sind der Meinung: 'die 'Hauptsache ist, daß in dieser Richtung überhaupt etwas geschieht. Bitte, her auf den Tisch! Heute wird hier abgestimmt. Nachdem Sie, Herr Bundeskanzler, mir einmal angedeutet haben, daß das ein Thema sei, über idas sich reden ließe, verstehe ich Ihren Widerstand heute nicht. Hier sollten wir ein Beispiel setzen zum Verhältnis von Regierung unid Opposition, in 'dem Sinne nämlich, daß dort, wo die Gefahr eines Mißbrauchs besteht, .die Opposition Einblick bekommt. Mehr will sie gar nicht. Dann können diese Mittel im Interesse von Volk und Staat bewilligt werden. Damit möchte ich jetzt abschließen und Sie bitten, sich bei den Abstimmungen in diesem Sinne zu entscheiden. ({47})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir treten in die Mittagspause ein. Nach der Pause wird Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg das Wort nehmen. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Erler hat seine Ausführungen unter das Motto vom Versagen der Regierungspolitik und der Koalition gestellt, und er hat Angriffe gegen Stil und Inhalt dieser Politik gerichtet. Es scheint mir nach der Debatte von heute morgen nicht zweckmäßig 'zu sein, daß wir in diesem etwas schwach besetzten Saal in dieser frühen Mittagsstunde diese Diskussionallzu lange fortsetzen. Aber ich möchte, bevor ich zu einem anderen, unseres Erachtens zentralen Thema dieser Etatdebatte komme, doch noch einige Bemerkungen zu den abschließenden Ausführungen des Herrn Kollegen Erler machen. Ich weiß nicht, ob seine Betrachtungsweise immer ganz den von ihm selbst proklamierten Gesichtspunkten des Stils und der Fairneß entspricht. Wir haben von ihm auch in seiner abschließenden Stellungnahme noch einmal bittere Klagen über den Parteitag der CDU in Hannover gehört, über die Reden dort, die Kritik an der Sozialdemokratie. Aber es ist doch eine sehr eigentümliche Betrachtungsweise. Herr Erler hat hier das gesagt, was wir schon aus den Pressestellungnahmen des Herrn Barsig und aus anderen sozialdemokratischen Kommentaren kennen. Er hat gesagt, daß die Liste der Forderungen, der programmatischen Aussagen der CDU gleichsam eine Liste der Versäumnisse sei, ein gewisses Eingeständnis des Versagens. Das ist nicht fair. Reden wir als CDU wie in Hannover von den Zukunftsaufgaben, dann ist das in den Augen der Oppostion ein Schuldbekenntnis; reden wir nicht davon, sondern vom Vergangenen, dann sind wir in den Augen der Opposition eine selbstgefällige, phantasielose, sterile Partei. ({0}) Bei dieser Art der Betrachtung gibt es natürlich für jede mögliche Haltung ides politischen Gegners ein negatives Klischee. Das scheint mir nicht eine Betrachtungsweise zu sein, die von einem guten Stil zeugt. Herr Kollege Erler, ich glaube, Ihre Erregung über Hannover ist etwas einseitig gewesen. Der Herr Bundeskanzler hat schon davon gesprochen - ich brauche es deshalb nicht zu vertiefen -, daß das, was dort an kritischen, an scharfen Bemerkungen zur SPD gesagt wurde, sehr weitgehend eine Reaktion war. Sie wissen genauso wie wir, wie in den Monaten vorher einige Pressedienste der SPD die Atmosphäre verdorben, zum Teil auch vergiftet haben. ({1}) Ich erinnere an die persönlichen - unwahren erabsetzungen des Herrn Bundeskanzlers, die teilweise in der Form von Berichtigungen dementiert werden mußten, die aber leider weitergehen, wie wir feststellen müssen, wenn wir jetzt diese ominöse Geschichte von dem Auto in den Zeitungen lesen. ({2}) Ich verweise auch auf den Wust von Gerüchten über die Fragen der Sicherheit des Staates, die die gewiß notwendige sachliche Diskussion über die Probleme des Verfassungsschutzes zu einer Verdächtigung der rechtsstaatlichen Loyalität der Re5740 gierung überhaupt ausgedehnt haben. Das alles hat die Diskussion belastet, und das hat allerdings zu einer sehr kritischen Stellungnahme in Hannover geführt. Sie haben heute, Herr Kollege Erler, von dem sogenannten Reptilienfonds gesprochen und damit die berühmte Vokabel der Bismarckzeit - der linken Opposition - auf den Tit. 300 angewandt. Es wäre gut, wenn Sie bzw. der Vorsitzende Ihrer Partei sich einmal um die Reptilien in Ihren eigenen Büros kümmerten und ihre Tätigkeit zügelten. Das wäre ein Beitrag zum guten Stil. Im übrigen haben wir von Ihnen heute morgen manchen interessanten Gedanken und manche - wie wir allerdings glauben: überhitzte - Kritik gehört. Was wir aber in den sehr eingehenden Ausführungen, die Sie zur Wirtschafts-, Konjunktur-und Preispolitik gemacht haben, nicht gehört haben, ist eine wirklich substantiierte Alternative, ja auch nur ein wirklich substantiierter Vorschlag, wie Sie die Dinge in den Griff bekommen wollen, um die wir uns alle Sorgen machen. ({3}) Diese Alternative - und diesem Thema möchte ich jetzt etwas mehr Zeit widmen - fehlt auch in Ihrer haushalts- und finanzpolitischen Konzeption. Sicher, die Einzelfragen des Etats werden in der dritten Lesung gründlicher behandelt. Aber Herr Dr. Alex Möller hatte natürlich recht, als er in der ersten Lesung am 9. Januar hier sagte: Die Finanzpolitik ist zum wichtigsten Ausgangspunkt für Ausmaß und Zielsetzung der gesamten Politik geworden. Das ist ein Satz, den wir jedenfalls für den Bereich der inneren Politik unterschreiben. Darum können wir in einer solchen Generaldebatte, wenn wir uns mit Ihnen und Ihrer Kritik auseinandersetzen, nicht darauf verzichten, auch die Position der Opposition in den entscheidenden Fragen der Finanzpolitik und der Gesetzgebung unsererseits einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Im Bundeshaushalt 1964 - das möchten wir im Hinblick auf Ihre Parole der Untätigkeit und des Versagens sehr deutlich betonen - spiegeln sich jene Schwerpunkte klar wieder, die bereits der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vor einem halben Jahr gesetzt hat. Wir haben eine Steigerung des Gesamthaushalts um 5,6 % auf 60,3 Milliarden DM. Dem steht das Anwachsen der Ausgaben für die soziale Sicherung nach der Regierungsvorlage um fast 20 % gegenüber, Ausgaben, die dann durch die Beschlüsse dieses Hauses in einigen Punkten noch erhöht worden sind. Es ist nicht zu bestreiten, daß wir in diesem Etat eine Steigerung der Mittel für Wissenschaft und Forschung um 14 % haben. Sie bedeutet etwa das Dreifache der normalen Etatsteigerung. Das macht klar, daß wir es mit der Meisterung dieses Problems ernst meinen. Wir haben im Hinblick auf die EWG-Anpassung - Sie haben der Regierung hier massiv ein Versagen vorgeworfen - die Mittel für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten um fast 8 % erhöht. Diese Beispiele mögen genügen. Dieser Haushalt - niemand, der ihm auch nur in seinen wesentlichen Positionen folgt, kann das übersehen - spiegelt in der gewaltigen Leistungskraft des modernen Staates, der Bundesrepublik eine ungemein erfolgreiche und dynamische Politik der letzten 14 Jahre wider. ({4}) Er ist - das ist nun sehr interessant, Herr Erler - in der finanzpolitischen Diskussion, in den Anträgen Ihrer Freunde im Haushaltsausschuß ebensowenig wie in dem, was uns bisher hier zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt ist, von Ihnen nicht so in Frage gestellt worden, wie Sie das heute morgen rhetorisch in Ihren Reden vom Versagen des Staates bei sozialen und Gemeinschaftsleistungen getan haben. Zwischen dem, was Sie während der Etatberatung bis heute konkret beantragt haben, und dem, was Sie hier postulieren, liegt ein kaum aufhebbarer Unterschied. ({5}) Die drei großen Säulen, von denen der Finanzminister gesprochen hat, sind erstens die Ausgaben für die äußere Sicherheit - einschließlich Berlins - und den zivilen Bevölkerungsschutz in der Größenordnung von etwa 22 Milliarden DM, zweitens die Ausgaben für die soziale Sicherung im weitesten Sinne in der Größenordnung von 18 Milliarden DM und drittens jene gewaltigen steigenden Mittel für die großen produktiven Investitionen - es ist jener Sektor, den Sie als „Gemeinschaftsaufgaben" bezeichnen und der Verkehr, Wirtschaft, Wissenschaft, Landwirtschaft, Wohnungsbau usw. umfaßt - in der Größenordnung von 12 bis 13 Milliarden DM. Dieser Etat ist kontinuierlich entwickelt und jetzt - nach der letzten Regierungsbildung - mit deutlichen neuen Akzenten versehen. Aber das eigentlich Neue an diesem Bundeshaushalt 1964 ist die strenge Orientierung des Zuwachses der Bundesausgaben an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, an der Expansion unserer Wirtschaft, unserer Leistungskraft unter dem Gesichtspunkt der Stabilität des Geldwerts und der Erhaltung der Konjunktur. Das hat die Offentlichkeit, meine Damen und Herren, im Grunde begriffen. Der Herr Bundeskanzler hat es heute morgen noch einmal in aller Eindringlichkeit wiederholt. Aber wir vermissen von Ihnen bis zum heutigen Tage eine wirklich klare und auch folgerichtige Stellungnahme zu diesem Grundsatz. Wir stellen fest, daß die Reden, vor allem aber die Anträge der Opposition in diesem entscheidenden Punkt nicht nur der Haushalts-, sondern auch der Konjunktur- und Preisstabilität verworren und widerspruchsvoll sind. Auf der einen Seite stehen die Erklärungen auch der Sozialdemokratie in früheren Konjunkturdebatten dieses Hauses, etwa die sehr markante Rede unseres leider verstorbenen Kollegen Dr. Deist am 24. April 1963, der damals Kritik daran geübt hat, daß sich der Staat nicht den gleichen Gesichtspunkten der Begrenzung der Zuwachses unterwirft, wie er es von den Sozialpartnern verlangt. ({6}) Aber jetzt, wo mit dieser Politik ernst gemacht wird und ernst gemacht werden muß, hören wir auch ganz andere Töne. Noch in der ersten Lesung am 9. Januar hat Herr Alex Möller, wenn auch in etwas verklausulierter Form, diesen Grundsatz bejaht. Sie, Herr Kollege Erler, haben es ja auch getan, mit der etwas ominösen Einschränkung „nicht bis zur letzten Ziffer". Das ,sind goldene Worte, aber denen stehen ganz andere Dinge gegenüber, auf die wir hier einfach im Interesse einer sachlichen Klärung hinweisen müssen. Herr Kollege Ritzel, der leider heute wegen seiner Krankheit verhindert ist, hier zu sein, hat in zwei programmatischen Artikeln - im Pressedienst der Sozialdemokratie vom 23. März und im „Vorwärts" - einen völlig anderen Standpunkt vertreten. Er hat in ganz scharfer Weise an den Koalitionsfraktionen und unseren Beratungen im Haushaltsausschuß Kritik dahingehend geübt - ich zitiere -, „daß sie notwendige Ansätze vermindert oder außer acht gelassen haben, nur um dem Wunsch des Bundeskanzlers zu entsprechen, die Grenze von 60,3 Milliarden DM unter keinen Umständen zu überschreiten". Nur um dem Wunsch des Bundeskanzlers zu entsprechen, meine Damen und Herren? - Um eine als notwendig anerkannte Entscheidung zu vollziehen, die auch Sie einmal, jedenfalls verbal, bejaht haben! ({7}) Eine Entscheidung, ohne die das Reden auch in diesem Hause über Konjunktur, über Preise, über Geldwert, über die Verantwortung des Staates ein leeres Gerede bleibt! Wer spricht nun in dieser Frage für die Sozialdemokratie, Herr Erler? Darauf eine Antwort zu bekommen, hat die Offentlichkeit mit uns einen Anspruch. Jene, die den Staat kritisieren, weil er seinen Anteil am Volkseinkommen zu stark erhöht und durch Etats die Nachfrage zu überhitzen droht? Oder hat Herr Ritzel Ihrer Ansicht nach recht, der doch im Grunde in diesen Artikeln die alte sozialistische Vorstellung vom Bedarfsdeckungshaushalt, die Parole von den vernachlässigten Gemeinschafts-und Sozialaufgaben in der Größenordnung von 4 Milliarden DM wieder aufnimmt, eine Parole, die Sie natürlich auch in Wahlkämpfen in gezielter Form überall vertreten? Oder hat etwa eine dritte Stimme recht, der hessische Finanzminister Dr. Conrad, ein besonders einflußreicher Mann Ihrer Partei, der am 6. Januar erklärte, der Bundeshaushalt sei nur der Form nach ausgeglichen, kein Meisterstück sparsamer Haushaltsführung, in den Ausgaben also höher veranschlagt, als es geboten und vertretbar sei? Es wäre gut, Herr Erler, wenn Sie angesichts dieser Äußerungen von totaler Gegensätzlichkeit und Verwirrung völlig klarstellten, was nun wirklich die Grundzüge einer konstruktiven sozialdemokratischen Finanz- und Haushaltspolitik sind. Bei dieser grundlegenden Widersprüchlichkeit geht es nicht nur um eine Frage von theoretischem Interesse, sondern diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich in fast allen wesentlichen Gesetzesanträgen und Forderungen der Sozialdemokratie wider. Wir haben auf der einen Seite die Forderung nach massiven Steuersenkungen. Herr Kollege Erler, bei allem Respekt vor Ihrer Sachkunde: Sie sind heute morgen doch einem ganz entscheidenden Irrtum erlegen, wenn Sie in Ihren längeren Ausführungen zur Steuersenkung unterstellt haben, daß sich bei Ihren Vorschlägen zur Steuersenkung durch die Belastung der höheren Einkommen etwa ein Ausgleich gegenüber den Milliarden-Wünschen auf Senkung ergeben würde. Ich möchte Ihnen doch empfehlen, die einschlägigen Drucksachen Ihrer Fraktion daraufhin noch einmal zu überprüfen. Dann werden Sie zu völlig anderen Ergebnissen kommen. Es ist nämlich nicht zutreffend, daß, wie Sie gesagt haben, Ihre Vorschläge zur Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein plus minus null für den Staat ergeben. ({8}) - Auf Grund der Vorschläge ergibt sich für den Bund ein ganz wesentlicher Ausfall. Herr Kollege Schäfer, wir werden uns gemeinsam das Protokoll ansehen. Ich habe mir das sehr genau notiert. - Sie haben dabei übersehen, Herr Kollege Erler, daß Sie nicht nur mit uns in einem, ich möchte sagen, edlen Wettbewerb um die Senkung der Einkommen-und Körperschaftsteuer stehen, sondern daß Sie darüber hinaus für Milliarden Anträge auf dem Gebiete der Verbrauchsteuern gestellt haben, bei der Kaffee-und Teesteuer in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM und bei der Zuckersteuer in der Größenordnung von mehreren 100 Millionen DM.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Präsident!

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es nicht richtig, Herr Kollege Stoltenberg, daß eine bedenkliche inflatorische Geldverflüssigung auch durch Freistellung von Geld in privater Hand erfolgen kann, die es ja nicht neutralisieren kan, wie der Staat sein Geld neutralisieren kann? Und wie vertragen sich, Herr Kollege Stoltenberg, die Ausführungen, die Sie jetzt über die Wahrung des Geldwertes gemacht haben, mit der Idee einer massiven Steuersenkung ohne Kompensation des Ausfalls in der öffentlichen Hand durch entsprechende gerechte Steuererhöhungen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Seuffert, nach den Unterlagen der Fachinstanzen der Bundesregierung wird diese Wirkung, von der Sie sprechen, mit Ihren Anträgen nicht erzielt. Das bemühe ich mich gerade im Gegensatz zu dem Bild, das Herr Erler hier entworfen hat, darzustellen. ({0}) - Nicht voll, Herr Erler. Ich will Ihnen einmal die Zahlen sagen. Wir haben zwar noch keine Kabinettsvorlage. Aber wir wissen, daß in den Überlegungen der Bundesregierung bei einem Bundesanteil von 39'0/o an der Einkommen- und Körper5742 Schaftsteuer ein Einnahmeausfall in der Größenordnung von 800 Millionen bis vielleicht 1 Milliarde DM in Frage kommt. Nach den Unterlagen der ,Bundesregierung bedeutet Ihr Antrag zur Einkommensteuersenkung, wenn Sie die Bilanz ziehen, eine Minderung um mehr als 600 Millionen DM. Darüber hinaus haben Sie beantragt - und davon können Sie sich nicht lösen - die Abschaffung der Kaffeesteuer in einer Größenordnung von rund 1 Milliarde DM. Sie haben beantragt die Aufhebung der Teesteuer - ein kleiner Betrag -: 33 Millionen DM. Sie haben beantragt die Aufhebung des Zukkersteuergesetzes mit 190 Millionen DM. Daß das ganz andere Größenordnungen sind, um die, wie Sie sagen, Kaufkraft zusätzlich gebildet wird und die vor allem - und darauf, Herr Seuffert, kommt es mir jetzt mehr an als auf den rein steuerpolitischen Aspekt - den Staat außerstand setzen, jene Aufgaben zu erfüllen, von denen Herr Erler heute gesagt hat, sie seien lebensnotwendig, das ist allerdings ein Punkt, auf den wir nach den Reden von heute vormittag doch sehr wohl einmal hinweisen müssen. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Seuffert?

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie nicht bemerkt, Herr Kollege Stoltenberg, daß wir unsere Anträge zur Kaffeesteuer usw. eine ganze Zeitlang zurückgestellt haben, um gewisse Veränderungen, die z. B. auf dem Kaffeemarkt eingetreten sind, zu beobachten und um gewisse Rangfolgen feststellen zu können, ({0}) und halten Sie es nicht für richtig, sich jetzt über aktuelle Steuerfragen, die sowohl von der Regierung als auch von der Opposition aufs Tapet gebracht worden sind, zu unterhalten als über Dinge, die unsererseits zurückgestellt worden sind? ({1})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Seuffert, mich kann Ihre Auskunft, offen gesagt, nicht befriedigen. Sie haben in den Drucksachen IV/64, IV/65 und IV/66 drei schwerwiegende Anträge zu den Verbrauchsteuern eingebracht, die bis heute nicht zurückgezogen sind und mit denen man vor der Wahl, wenn es um Hausfrauen und um Verbraucher geht, eine ganz kräftige Propaganda betreibt. ({0}) Ich nehme Ihre Äußerung gern zur Kenntnis. Sie ist auch für die Offentlichkeit interessant. Sie ändert aber nichts daran, daß meines Erachtens ein klarer Widerspruch besteht zu dem, was Herr Erler heute morgen als eine entscheidende Kritik an unserer Steuer- und Finanzpolitik vorgebracht hat.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stoltenberg, finden Sie die Methode nicht etwas merkwürdig, sämtliche im Laufe der Jahre gestellten Anträge der Opposition, die abgelehnt worden sind, zusammenzuzählen und so zu tun, als wären sie angenommen worden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Seuffert, der dem Steuerausschuß angehört, hat gerade klargestellt, daß die Behandlung zurückgestellt ist, d. h. daß sie nun in den Ausschüssen ruhen. ({0}) - Sie ruhen in den Ausschüssen, und damit können Sie nicht sagen, daß diese Anträge hier abgelehnt seien. Wir halten sie für falsch; aber die parlamentarische Behandlung ist nicht abgeschlossen, und deshalb dürfen wir dazu Stellung nehmen. Meine Damen und Herren, das eine ist die Forderung nach Steuersenkung, die im Gegensatz zu dem, was Herr Erler sagte, einen ungleich stärkeren Einnahmeausfall beim Bund hervorrufen würde als die von uns vorgesehenen Steueränderungen - über die konjunkturpolitische Wirkung müßte man gesondert sprechen -, und auf der anderen Seite steht der Katalog der Milliardenanträge und -forderungen auf der ganzen Linie, sicher manches mit guten Gründen unterstützt - das ist völlig unbestritten -, aber weithin auch gezielt auf ganz bestimmte Gruppen- und Einzelwünsche, Vorstellungen von Verbänden und Organisationen. Meine Damen und Herren, es ist immer eine schwierige Diskussion, wenn man sich über die Auswirkungen solcher Anträge unterhält. Aber wir haben doch hier eine sehr interessante Aufstellung, die wir gern einmal diskutieren können, nach der die bereits eingebrachten Anträge - die in der Offentlichkeit erhobenen Forderungen sind nicht berücksichtigt ({1}) der SPD nach dem Stand vom März 1964 eine Mehrbelastung des Bundeshaushalts 1965 um 5,7 Milliarden DM Mehrausgaben oder Mindereinnahmen bringen würden. Aber das ist nur ein Teilaspekt. Denn in der Offentlichkeit, Herr Schäfer, wird ja auch mit anderen Dingen Propaganda gemacht. Da wird alles jene den Wählern erklärt und versprochen, was Kongresse der SPD zu Verkehrs-, zu Wirtschafts-und Kulturfragen in oft sehr pauschalen Formulierungen zur Meisterung der angeblich vernachlässigten Gemeinschaftsaufgaben empfohlen haben. Da werden Milliardenanträge auf sozialem Gebiet diskutiert, die jedenfalls teilweise eine Berechtigung haben, und Sie kommen, wenn Sie diese Dinge addieren, zu einem Betrag, der weit über 10 Milliarden DM liegt. Ich könnte Ihnen hier eine Reihe von Beispielen vorlesen. Ich bin auch bereit, Herr Kollege Wehner, Ihnen wie schon vor Wochen Herrn Hermsdorf diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen, und wir könnten in ein Gespräch eintreten. ({2}) - Ja, sehr gern! Ich habe nur sehr pauschale Bemerkungen gehört, Herr Schäfer. Aber ich möchte Ihnen nur eines sagen: Sie sollten sich lieber einmal mit der Frage auseinandersetzen, wie sich das verbale Bekenntnis - dann wieder in Frage gestellt von anderen - zu den 60,3 Milliarden DM verträgt mit der Summe der Steuersenkungen auf der einen Seite und den milliardenwirksamen Anträgen auf der anderen Seite. Das ist eine offene Frage, die Sie bis zum heutigen Tage nicht beantwortet haben und die Sie auch durch Ablenkungsmanöver im Hinblick auf diesen berühmten Reparationsantrag nicht kaschieren können, einen Antrag, über den heute morgen das Notwendige gesagt worden ist.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Seuffert?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Walter Seuffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie es nicht wirklich für etwas merkwürdig, Herr Kollege Stoltenberg, daß Sie solche Ausführungen in einem Augenblick machen, wo die Bundesregierung im Begriffe ist, mehr Steuersenkungen und weitaus mehr Ausfall zu verlangen als die Opposition?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber Herr Kollege Seuffert, ich muß Ihnen doch vorwerfen, daß Sie hier jetzt mit der Fachkenntnis des Steuerexperten einseitig auf das Problem der Einkommen- und Körperschaftsteuer schauen und daß Sie diese Milliardenanträge auf dem Verbrauchsteuergebiet, die ja nicht zurückgezogen sind, mit der Erklärung, sie seien zurückgestellt, hier sozusagen vom Tisch wischen wollen. Ich glaube, dieses Verfahren ist nicht zulässig. Wenn Sie diese Anträge für falsch halten - auf Grund der besseren Einsicht - , sollten Sie sie zurückziehen. Dann werden wir Ihnen in diesem Punkte keinen Vorwurf mehr machen. ({0}) Meine Damen und Herren, das ist nun die Frage, über die wir uns zu unterhalten haben, und das ist eine Art der Opposition, die sicher propagandistisch wirkungsvoll ist, weil wir heute in Deutschland in einer Situation sind, in der bei der schweren Durchschaubarkeit der öffentlichen Finanzen jeder im Grunde in seinem Sektor denkt und jeder befriedigt ist, wenn er feststellt, daß die SPD die einschlägigen Forderungen seines Verbandes bereits übernommen hat. ({1}) - O ja, Herr Kollege Wehner, ich glaube doch! ({2}) Ich glaube, dieser Haushalt - und dazu möchte ich gleich etwas sagen - ist ein sicher mit einigen Schwächen und Mängeln behaftetes, aber auf das Ganze gesehen außerordentlich wirkungsvolles programmatisches Dokument der Bundesregierung, ({3}) dem Sie neben der Polemik und der Kritik, die wir in reichem Maße gehört haben, endlich einmal eine wirklich überzeugende, d. h. auch finanzpolitisch tragfähige Alternative gegenüberstellen sollten, wenn die Diskussion jenen Rang haben soll, den Sie heute morgen im Grunde mit Recht beansprucht haben. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen: Wir wissen sehr genau, daß dieser Etat nicht frei von Problemen ist, und darüber wollen wir mit Ihnen in diesen Tagen sachlich diskutieren. Es ist wahr, trotz der Kürzungen durch den Haushaltsausschuß verbleibt ein Fehlbetrag von zunächst einmal über 500 Millionen DM, der durch einen Minderausgabentitel abgedeckt werden muß. Es ist wahr, daß man über die Frage der Regelung der Auslandsschulden ebenso wie die Frage der Zuschüsse an die Rentenversicherung durch Schuldverschreibungen, das Problem der Finanzierung des Straßenbaus durch zusätzliche Öffa-Kredite - nicht zwischen uns, aber in der Öffentlichkeit zum Teil kritisiert und umstritten - durchaus ernsthafte und auch kritische Bemerkungen anstellen kann. Nur müssen wir, meine Damen und Herren, feststellen, daß manches in dieser öffentlichen Kritik sich doch auch gegenseitig aufhebt. Sie haben etwa bis in die Beratungen dieses Haushalts hinein unterstützt, was manche Stimmen der Publizistik immer wieder verlangten - auch Herr Ritzel hat das noch vor 14 Tagen geschrieben -, man möge für den außerordentlichen Haushalt in wesentlich stärkerem Maße den Kapitalmarkt mobilisieren und in größerem Umfang dort Deckung suchen. Der Bund der Steuerzahler etwa und andere Organisationen üben Kritik daran mit genau einem entgegengesetzten Urteil. Sie erklären, daß der außerordentliche Haushalt bereits in unzumutbarer Weise in Anspruch genommen worden ist und daß eine solche Inanspruchnahme volkswirtschaftlich falsch sei. Ich stelle diese Beispiele nur einmal gegeneinander, um deutlich zu machen, wie schwer es der Finanzminister hat und wie schwer es auch dieses Haus hat, zwischen widerstreitenden wirtschaftlichen und finanzpolitischen Überzeugungen im harten Feld der Tagespolitik den richtigen Weg zu finden. Ich glaube, daß wir auch in der Abmessung des außerordentlichen Haushalts eine richtige Entscheidung getroffen haben. In dieser Einzelkritik, zu der sicherlich in der dritten Lesung noch einiges zu sagen ist, wird aber auch manches übersehen, was grundlegend ist. Wenn wir von der Beeinflussung der Konjunktur durch den Haushalt und von der Notwendigkeit eines verstärkten Kapitalexports sprechen - auch das hat Herr Erler heute morgen getan -, sollten wir in diesem Haus und auch in der fachlich interessierten Offentlichkeit nicht übersehen, daß durch diesen Haushalt 1964 allein 4 Milliarden DM ins Ausland geleitet werden. 4 Milliarden DM Auslandszahlungen führen zu einer ganz wesentlichen Entlastung unserer monetären und wirtschaftlichen Situation. Sie liegen noch um 900 Millionen DM über der Vorjahrssumme, die 3,1 Milliarden DM betrug. Das sind Rüstungskäufe, das ist ein Teil der Mittel für die Entwicklungshilfe, und das sind andere im politischen und im wirtschaftlichen Interesse der Bundesrepublik liegende Zahlungen, die eine kontraktive Wirkung in konjunkturgerechtem Sinne haben. Der Ausgleich des Etats ist nur unter Schwierigkeiten erfolgt. Aber es ist doch ein wohl begründeter Ausgleich. Ich möchte Sie nur einmal - ich, habe nicht mehr die Zeit, das hier im einzelnen darzulegen - auf die sehr interessanten Ausführungen des Finanzberichts der Bundesregierung 1964 über die Situation der Etats in den anderen westeuropäischen Ländern verweisen. Dann wird man in diesem Hause und auch in der deutschen Öffentlichkeit den Wert eines solchen unter Schwierigkeiten ausgeglichenen Haushalts Miller veranschlagen als jetzt. ({4}) Aus diesem Bericht geht nämlich hervor, daß etwa Frankreich in seinem Etat 1963 ein Defizit von 7 Milliarden neuen Franken offiziell eingeplant hat - das sind 7,5 % des gesamten Etatvolumens -, Belgien ein Defizit von 24 Milliarden belgischen Franken - 8 % des Etatvolumens -, Holland bei einem Etat von 13 Milliarden Gulden ein Defizit von fast 2 Milliarden und schließlich Italien ein Defizit von 389 Milliarden Lire, ebenfalls 8 % des gesamten Etatvolumens. Bei dieser unterschiedlichen konjunkturellen und währungsmäßigen Entwicklung - zu unseren Gunsten unterschiedlichen Entwicklung; darüber ist heute morgen gesprochen worden - in Europa wird klar, von wie entscheidender Bedeutung der Grundsatz des ausgeglichenen Haushalts in unserer Verfassung, aber auch die Praktizierung dieses Grundsatzes durch die Mehrheit dieses Hauses auch unter Schwierigkeiten wird. Wir glauben, daß dieser Etat Ausdruck einer richtigen und erfolgreichen Politik ist. Wir vermissen in der Kritik und in der Polemik der Opposition eine überzeugende Altennative. Darum stimmen wir mit diesem Etat der Fortführung einer erfolgreichen Politik zu. ({5})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat hier einige Fragen hinsichtlich der Steuer- und der Finanzpolitik angeschnitten, die einer sehr gewissenhaften Prüfung bedürfen. Ich darf nur daran erinnern, daß wir uns seit Jahren darum bemüht haben, daß die Finanzkommission, von der der Herr Bundeskanzler heute morgen sprach, eingesetzt wird. Es hat immerhin zwei Jahre gedauert, bis diese Kommission überhaupt benannt wurde, zwei wertvolle Jahre, Herr Kollege Stoltenberg, die dabei verlorengegangen sind. Die Fragen, die Sie angeschnitten haben, müssen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Umgestaltung des Haushalts in einen Verbrauchshaushalt und einen Investitionshaushalt gesehen wenden. Wirhaben bis jetzt von der 'Bundesregierung kaum konkretisierte Vorstellungen zu diesen außerordentlich wichtigen Fragen gehört. Von dem früheren Finanzminister Etzel sind im Jahr 1957 hierzu programmatische Erklärungen abgegeben worden; sonst ist faktisch nichts geschehen. Diese Fragen werden zweifellos in der dritten Lesung noch weiter behandelt werden müssen, so daß ich darauf im einzelnen nicht einzugehen brauche. Namens der SPD-Fraktion beantrage ich, über die beiden Teile des Änderungsantrags Umdruck 410 getrennt abzustimmen; zu dem Haushaltsvermerk beantragen wir namentliche Abstimmung.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor Die Änderungsanträge sind begründet. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 410. Zunächst stimmen wir über die Herabsetzung Ides Ansatzes von 13 Millionen DM um 3 Millionen DM auf 10 Millionen DM ab. Wer diesem Teil des Änderungsantrags seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir stimmen jetzt über /den zweiten Teil des Änderungsantrags auf Umdruck 410 ab, der den Haushaltsvermerk betrifft. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir stimmen über diesen Teil in namentlicher Abstimmung ab. Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Für den zweiten Teil des Antrags Umdruck 410 haben mit Ja gestimmt 161 Abgeordnete und 10 Berliner Abgeordnete, mit Nein 224 stimmberechtigte und 7 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich 4 Abgeordnete. Der Antrag ist also abgelehnt. Endgültiges Ergebnis: Ja: 161 und 10 Berliner Abgeordnete Nein: 223 und 7 Berliner Abgeordnete Enthalten: 4 Ja SPD Frau Albertz Anders Arendt ({0}) Auge Bading Bäuerle Bäumer Bals Bauer ({1}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Bergmann Berkhan Berlin Beuster Fran Beyer ({2}) Biermann Birkelbach Blachstein Dr. Bleiß Börner Dr. h. c. Brauer Brünen Buchstaller Büttner Busch Corterier Cramer Diekmann Frau Döhring Dopatka Frau Eilers Frau Dr. Elsner Erler Eschmann Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede Frau Freyh ({3}) Fritsch Gerlach Gscheidle Haage ({4}) Haase ({5}) Hamacher Hauffe Heide Heiland Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock Herberts Frau Herklotz Hermsdorf Herold Hirsch Höhmann ({6}) Höhne Hörauf Hörmann ({7}) Frau Dr. Hubert Hufnagel Hussong Iven ({8}) Jacobi ({9}) Jacobs Jahn Junghans Junker Kaffka Kahn-Ackermann Frau Kettig Frau Klipp-Kaule Dr. Koch Könen ({10}) Koenen ({11}) Kohlberger Frau Korspeter Kraus Dr. Kübler Kulawig Lange ({12}) Langebeck Lautenschlager Lemper Dr. Lohmar Maibaum Marquardt Marx Matthöfer Matzner Frau Meermann Metzger Dr. Meyer- ({13}) Meyer ({14}) Dr. Mommer Dr. Morgenstern Müller ({15}) Müller ({16}) Müller ({17}) Müller ({18}) Nellen Dr. Nissen Paul Peiter Dr. Pohlenz Pöhler Porzner Priebe Ravens Regling Rehs Dr. Reischl Reitz Dr. Rinderspacher Dr. Roesch Rohde Frau Rudoll Sänger Saxowski Frau Schanzenbach Scheuren Schmidt ({19}) Dr. Schmidt ({20}) Dr. Schmidt ({21}) Schmidt ({22}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle Schröder ({23}) Schwabe Seidel ({24}) Seifriz Frau Seppi Steinhoff Stephan Striebeck Strohmayr Dr. Tamblé Theis Wegener Welke Welslau Weltner ({25}) Frau Wessel Wilhelm Wischnewski Wolf Frau Zimmermann ({26}) Zühlke Berliner Abgeordnete Bartsch Braun Frau Krappe Liehr ({27}) Mattick Neumann ({28}) Dr. Schellenberg Dr. Seume Urban Wellmann FDP Dr. Rutschke Nein CDU/CSU Dr. Althammer Arndgen Dr. Arnold Dr. Artzinger Baier ({29}) Baldauf Balkenhol Dr. Barzel Bauer ({30}) Bauknecht Bausch Becker Berberich Dr. Besold Bewerunge Biechele Dr. Bieringer Fürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm Blumenfeld von Bodelschwingh Dr. Böhm ({31}) Böhme ({32}) Brand Frau .Brauksiepe Dr. Brenck Brese Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Dr. Conring Dr. Czaja Deringer Dr. Dichgans Diebäcker Drachsler Draeger Dr. Dr. h. c. Dresbach Ehnes Eichelbaum Dr. Elbrächter Frau Engländer Etzel Dr. Even ({33}) Even ({34}) Falke Dr. Franz Franzen Dr. Fritz ({35}) Dr. Furler Gedat Gehring Dr. Gerlich Gewandt Gibbert Dr. Gleissner Glüsing ({36}) Dr. Götz Dr. Gossel Gottesleben Dr. h. c. Güde Günther Frau Haas Haase ({37}) Härzschel Gräfin vom Hagen Hahn ({38}) Harnischfeger Dr. Hauser Heix Dr. Hesberg Hesemann Höcherl Dr. Höchst Hörnemann ({39}) Hösl Holkenbrink Dr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Josten Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Frau Klee Klein ({40}) Dr. Kliesing ({41}) Knobloch Dr. Knorr Dr. Kopf Krüger Krug Kuntscher Lang ({42}) Leicht Lemmrich Lenz ({43}) Lenze ({44}) Leonhard Lermer Leukert Dr. Luda Maier ({45}) Majonica Dr. Martin Maucher Meis Menke Mick Missbach Müller ({46}) Dr. Müller-Hermann Müser Nieberg Niederalt Dr. Dr. Oberländer Oetzel Frau Dr. Pannhoff Dr. Pflaumbaum Dr.-Ing. Philipp Frau Pitz-Savelsberg Frau Dr. Probst Dr. Ramminger Rauhaus Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Rollmann Rommerskirchen Ruf Ruland Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({47}) Schmücker Schneider ({48}) Frau Schroeder ({49}) Dr. Schröder ({50}) Schulhoff Seidl ({51}) Dr. Serres Dr. Sinn Stauch Dr. Stecker Stooß Storm Struve Stücklen Sühler Teriete Tobaben Dr. Toussaint Unertl Varelmann Verhoeven Dr. Freiherr v. Vittinghoff-Schell Vogt Wagner Dr. Wahl Dr. Weber ({52}) Weigl Weinkamm Weinzierl Frau Welter ({53}) Wendelborn Werner Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt Dr. Wuermeling Wullenhaupt Ziegler Dr. Zimmer Berliner Abgeordnete Benda Dr. Dr. h. c. Friedensburg Dr. Gradl Hübner Frau Dr. Maxsein Müller ({54}) Stingl FDP Dr. Aschoff Busse Dr. Danz Deneke Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. Dörinkel Eisenmann Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu Einzelplan 04 auf Drucksache IV/2053, zunächst über Ziff. 1. ({55}) Darf ich bitten, Platz zu nehmen. - Ich bitte nochmals mit Nachdruck, Platz zu nehmen. Ich werde in der Beratung so lange nicht fortfahren, als die Gespräche nicht aufhören. Ich habe alle Abgeordneten, die Damen und die Herren, angesprochen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, zunächst über die Ziff. 1, „den Entwurf des Einzelplans 04 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen". Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke. Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Ziff. 2 des Antrages des Ausschusses, „die zu dem Entwurf des Einzelplans 04 eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären". Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 04 angenommen. Ich rufe Punkt V Ziffer 5 der Tagesordnung auf: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts ({56}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Conring. ({57}) - Nach unserer Praxis kann der Berichterstatter nicht verzichten. ({58}) - Er verweist auf den Schriftlichen Bericht. Ist das Haus bereit, auf die mündliche Berichterstattung zu verzichten? - Ich habe übrigens nie verstanden, was der Unterschied zwischen einem Mündlichen und einem Schriftlichen Bericht ist, da auch der Mündliche Bericht schriftlich vorliegt. ({59}) Aber das mag sein, wie es will; jedenfalls verweist der Herr Berichterstatter auf den Mündlichen Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001052, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Einzelplans 05 Tit. 302 hat der Haushaltsausschuß seiner Meinung Ausdruck gegeben, daß die zahlreichen mit der Ausübung der Pflege unserer kulturellen Beziehungen zum Ausland beauftragten Organisationen in Zukunft stärker wieder an das Amt gebunden werden sollten. Wir sind der Überzeugung, daß diese Frage ziemlich erhebliche personalpolitische Konsequenzen hat, weil die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts schon heute kaum in der Lage ist, mit dem Personal, das ihr zur Verfügung steht, ihrer Aufgabe zu genügen. Wir wollen diese Frage hier nicht vertiefen, aber wir wünschen, daß sie baldmöglichst in dem zuständigen Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses geklärt und daß eine entsprechende Empfehlung an die Ausschüsse weitergegeben wird.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Anträge zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05. Wer diesem Einzelplan zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer großen Zahl von Enthaltungen ist dieser Einzelplan mit Mehrheit verabschiedet. Wir kommen zu Ziffer 6 der Tagesordnung: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({0}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Althammer. Er verweist ebenfalls auf den gedruckt vorliegenden Mündlichen Bericht. ({1}) Dr. Emde Frau Dr. Flitz ({2}) Frau Funcke ({3}) Dr. Hamm ({4}) Hammersen Dr. Hellige Frau Dr. Heuser Dr. Imle Dr. Kohut Dr. Krümmer Kubitza Logemann Mertes Freiherr von Mühlen Murr Peters ({5}) Ramms Reichmann Sander Schmidt ({6}) Schultz Soetebier Spitzmüller Dr. Stammberger Wächter Walter Zoglmann Enthalten FDP Dr. Achenbach Dr. Bucher Dr. Dehler Frau Dr. Kiep-Altenloh Vizepräsident Schoettle - Wir werden uns noch lange über die Terminologie streiten können. ({7}) Das Haus ist mit dem vorliegenden schriftlichmündlichen Bericht einverstanden, d. h. es akzeptiert diese Form der Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. Zur Begründung der Anträge? ({8}) - Zur allgemeinen Aussprache.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Haushalt 1964 beraten und eine Zwischenbilanz über die Arbeit des Innenministeriums ziehen, dann sieht das für den Bundesinnenminister wenig erfreulich aus. ({0}) Herr Minister, wir haben Ihnen vor aller Öffentlichkeit bei Beginn Ihrer Arbeit einen angemessenen Kredit eingeräumt. Man kann wirklich nicht sagen, daß Sie das genutzt haben. Sicher haben Sie in vielen Fällen guten Willen gehabt; aber zwischen spritzigen Aschermittwochsreden in Vilshofen unter stürmischem Beifall von Anhängern und der Arbeit des Bundesinnenministers ist natürlich ein himmelweiter Unterschied. ({1}) - Herr Kollege, noch nicht einmal bei Ihnen hat er manchmal Kredit. ({2}) Sie haben Sorgen, Befremden und Bestürzung durch Ihr Verhalten in der „Spiegel"-Affaire und nicht zuletzt in der Telefon-Affaire hervorgerufen. Ihre Politik gegenüber den Angehörigen des öffentlichen Dienstes war eine Politik der ungedeckten Wechsel. Ich könnte Ihnen Beispiele genug geben, vom Weihnachtsgeld 1961 über die Harmonisierungsnovelle bis zum Reisekosten- und zum Umzugsrecht. Und wenn Sie gar keinen Ausweg mehr gesehen haben, haben Sie schließlich gesagt, das sei Ihre Privatmeinung. ({3}) In der Kuba-Krise haben Sie sicher die Gunst der Stunde für die Zivilverteidigung erkannt und die Vorlage mit unserer Hilfe über die erste Hürde gebracht. Leider sind die Vorhaben nicht sehr weit vorangekommen. Sie wissen, es fehlen die klaren Zeitpläne, und auch die Finanzierungsfragen sind, wie der Herr Bundesfinanzminister in der ersten Lesung des Haushalts und Sie, Herr Stoltenberg, noch in den letzten Tagen mit Recht erklärt haben, ungelöst. Das ist die Hauptursache für das Steckenbleiben der Entwürfe. Wir werden uns in den nächsten Wochen mit diesen Fragen wieder ernsthaft befassen müssen. Nach der Bildung des Wissenschaftsministeriums haben Sie sich an den Restbestand der Aufgabe dieses Hauses geklammert und so zu einer Ressortzersplitterung dieser Aufgaben im Rahmen des Bundes beigetragen. Der Sache haben Sie damit einen schlechten Dienst erwiesen. ({4}) Die Beratung eines Parteiengesetzes haben Sie auf der Ebene der Schatzmeister und damit der an den öffentlichen Mitteln am meisten Interessierten begonnen. Es ist ein Weg zur Vorklärung der Probleme - ich verkenne es nicht -; aber es darf nicht ausschließlich dabei bleiben. Die Frage der Lobbyistengesetzgebung ist durch Sie in keiner Weise angeschnitten oder in Angriff genommen worden. Auch in der Wahlkreisneueinteilung sind wir nur dadurch weitergekommen, daß wir keine weiteren Vorverhandlungen geführt, son- dern die Dinge im Innenausschuß wirklich gelöst haben. Der Neugliederung haben Sie durch ihr Ausweichen vor der Problematik auch keinen Dienst geleistet; Sie haben nur die Verdrossenheit aller Beteiligten vergrößert: Meine Damen und Herren, die Arbeit eines so großen und wichtigen Bundesressorts kann nicht mit Tricks und Finessen geschafft werden, ({5}) sondern es bedarf einer ständigen gradlinigen Arbeit, erfüllt und getragen von den Leitideen des Grundgesetzes. ({6}) Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion wird den Haushalt des Innenministers ablehnen. ({7})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat sich bemerkenswert kurz gefaßt. Ich nehme an, daß das auch damit zusammenhängt, daß wir in nächster Zeit eine große Debatte haben werden, die sich mit Spezialfragen, Verfassungsschutz usw. beschäftigt. Trotzdem glaube ich, daß auch diese kurzen Stichworte, wie sie soeben vorgetragen worden sind, nicht unwidersprochen bleiben können. Ich habe vor einiger Zeit mit einiger Bestürzung in einer Zeitung gelesen, daß der Herr Vorsitzende des Innenausschusses im Zusammenhang mit den Fragen einer etwa kommenden Beamtenbesoldung die Redewendung gebraucht habe, der Herr Bundesminister habe hier ein „schlitzohriges Verhalten" an den Tag gelegt. ({0}) - Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie haben soeben genickt; daraus darf ich entnehmen, daß das zutrifft. ({1}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mir erscheint diese Sache nicht so lächerlich. Wenn wir uns in diesem Hause um einen einigermaßen guten Stil bemühen wollen, dann ist es, glaube ich, unangebracht, eine Verhaltensweise des Ministers, der zwei wichtige Dinge gegeneinander abzuwägen hat, nämlich einerseits eine berechtigte und richtige Einstufung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und andererseits die Bedürfnisse des Haushalts, und derart wichtige und verantwortliche Entscheidungen mit so unqualifizierten Äußerungen zu belegen. ({2})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich will nicht testen, wo der Sinn für Humor in dieser Frage beginnt, möchte Sie aber fragen: Haben Sie den Artikel von mir gelesen, oder haben Sie ihn nicht gelesen?, weil dann erst die Zusammenhänge verständlich sind.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege SchmittVockenhausen, ({0}) - ich habe vorhin erklärt, daß ich diese Äußerung aus den Zeitungen entnommen habe. Ich nehme an, ({1}) daß es Auszüge aus Ihrem Aufsatz waren.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Kollege Dr. Althammer, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? Ich glaube, es gibt sowohl in Bayern wie in Baden-Württemberg gewisse Ausdrücke, die aus dem Bereich der Folklore stammen und die man im allgemeinen nicht auf die Goldwaage zu legen braucht. ({0})

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bin dankbar, daß Sie in einer Zwischenbemerkung auf Baden-Württemberg hingewiesen haben. Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich gerade auch wegen der Äußerung, wie sie hier von seiten des Herrn Vorsitzenden des Innenausschusses vor einigen Minuten gefallen ist, daß man diese Dinge nicht so weiterlaufen lassen darf. ({0}) Es ist hier auch wieder wie so oft die Bemerkung des Herrn Bundesinnenministers im Zusammenhang mit den Anfragen bei der Spiegel-Debatte apostrophiert worden. Auch hier, glaube ich, handelt es sich um eine Verbaläußerung, die es nicht verdient, daß man sie nun Jahre hindurch immer wieder zitiert. ({1}) Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte diese Gelegenheit benützen, um nicht nur zu diesen Äußerungen des Kollegen Schmitt-Vockenhausen, sondern gleichzeitig auch zu den vorliegenden Anträgen zum Einzelplan 06 Stellung zu nehmen. Hier ist zunächst einmal - und das steht doch wohl dann im Mittelpunkt der Debatte, wie vorauszusehen sein wird - ein Antrag Umdruck 411 *) von seiten der SPD gestellt auf Reduzierung der für die Parteiarbeit angesetzten Mittel von 38 Millionen DM auf 20 Millionen DM. Hilfsweise ist der Antrag gestellt, die 18 Millionen DM, um die der Ansatz erhöht worden ist, bis zum Erlaß des Parteiengesetzes zu sperren. Wenn diese Debatte, die in etwa schon angeklungen ist und die sich sicherlich fortsetzen wird, über die Fragen der Parteienfinanzierung dazu dienen kann, eine Legende zu zerstören, nämlich die Legende, daß die Koalitionsparteien die angeblich so reichen Parteien seien und die SPD die so arme Partei sei, dann, glaube ich, wäre allein schon deshalb diese Diskussion nicht völlig nutzlos gewesen. Ich erinnere mich, daß z. B. in einer Analyse des letzten Landtagswahlkampfes in Bayern von einer großen bayerischen Zeitung die Sache auch wieder so dargestellt wurde, als ob die SPD nur mit Hilfe des Opfermutes ihrer kleinen Parteimitglieder eine ungeheure finanzielle Überlegenheit der anderen Parteien ausgleichen könnte. Nun, die heutige Debatte dürfte ergeben, daß dem nicht so ist. Herr Kollege Barzel hat bereits darauf hingewiesen, daß eine Ausgangsungleichheit der verschiedenen Parteien nach 1945 vorhanden war. Der Kollege Barzel hat dafür wütende Zwischenrufe einstecken müssen. Ich möchte, wenn ich diesen Punkt jetzt noch einmal berühre, vorausschicken: Wenn ich jetzt auf das eingehe, was - soweit öffentlich bekannt ist - an Parteivermögen bei der SPD vorhanden ist, und darauf hinweise, daß dieses Vermögen durch Wiedergutmachungsleistungen erworben worden ist, so soll damit keinesfalls gesagt werden, daß diese Wiedergutmachungsleistungen an die SPD nicht berechtigt gewesen seien. Selbstverständlich hat eine politische Partei, die 1933 zerschlagen worden ist, das Recht, nach Wiederherstellung rechtsstaatlicher Zustände die Erfüllung der Ansprüche zu erhalten, die ihr zustehen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß im einen Fall eine Ausgangschance vorhanden war, die im andern Fall eben nicht gegeben war. Ich darf das vielleicht anhand von einigen Zahlen 'belegen. ({2}) - Herr Kollege Wehner, ich habe eben vorausgeschickt, daß diese Dinge völlig legitim sind und daß es von seiten Ihrer Partei völlig berechtigt war, diese Ansprüche zu stellen. Ich will lediglich darstellen, daß die Ausgangssituation faktisch eine andere ist. *) Siehe Anlage 4 Soweit bekanntgeworden ist und soweit mir Unterlagen zur Verfügung stehen, sind diese berechtigten Wiedergutmachungsansprüche 1947 auf 110 Millionen Reichsmark beziffert worden. 1954 wurde davon gesprochen, daß die Wiedergutmachung im wesentlichen abgeschlossen sei. Im Jahre 1956 wurde eine Verlautbarung bekannt, nach der die sogenannte SPD-Konzentrations-GmbH ihr zehnjähriges Bestehen feiere. Damals wurde bekanntgegeben, daß diese Partei 26 Zeitungen, 30 Druckereien und 5 Buch- und Zeitschriftenverlage ihr eigen nennt. Und es wurde noch eine Zahl bekannt, nämlich daß rund 10 % der Tagesauflagen der deutschen Tageszeitungen aus diesen SPD-Verlagen kommt. Ich nenne Ihnen diese Zahlen vor allem deshalb, weil ich glaube, daß auch das veranschaulicht, wie unterschiedlich hier die Frontstellung ist. ({3}) - Wir können uns darüber dann noch gern unterhalten. Ich komme noch auf einen zweiten Gesichtspunkt. Ich komme auf diesen Gesichtspunkt deshalb, weil sehr oft die Behauptung aufgestellt wird, daß vorwiegend oder fast nur eine Seite, nämlich die Seite der Regierungskoalition, irgendwelche Zuwendungen und Spenden in hohen Beträgen erhalte. Man muß sich vergegenwärtigen, daß hinter der nicht unbedeutenden parteieigenen Vermögensmacht der SPD noch ein zweiter Förderungsträger steht, der im wesentlichen aus den großen Organisationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes besteht. Ich habe heute in den amtlichen Monatsblättern des Deutschen Gewerkschaftsbundes einen Aufsatz von Professor Flechtheim nachgelesen, wo er dankenswerterweise ausführlich darstellt, wie sich solche Förderungsaktionen vollziehen. Man muß wissen, wie groß der Umfang des Vermögens ist, das heute der Deutsche Gewerkschaftsbund sein eigen nennt; man muß berücksichtigen, in wie vielen Fällen in der Vergangenheit gemeinsam getragene Aktionen durchgeführt worden sind. Ich nenne nur die „Ohnemich-Bewegung", ({4}) - Herr Kollege Wehner, Sie werden sich an die Paulskirchen-Manifestation erinnern -, ich nenne die sogenannte Aktion „Kampf dem Atomtod" Das sind Dinge, in denen sich dieses Zusammenspiel ganz klar gezeigt hat. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß die SPD auch eine Förderungsgesellschaft gegründet hat, in der maßgebliche wirtschaftliche Führungspersönlichkeiten aus so großen und renommierten Organisationen wie z. B. der „Alten Volksfürsorge", der Bank für Gemeinwirtschaft, den Konsumgenossenschaften und Ähnlichem vertreten sind. All das führt dazu, daß natürlich auf der einen Seite, auf der linken Seite dieses Hauses, nicht nur - was ohne weiteres zuzugeben ist - ein wesentlich höheres Aufkommen an Parteimitgliederbeiträgen zu verzeichnen ist, sondern daß hier auch noch eine wesentliche Reserve liegt, die dazu geeignet ist, die Chancen bei der Parteifinanzierung in einer gewissen Weise zu verschieben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, können Sie mir dann vielleicht erklären, wie das eigentlich gemacht worden ist, daß die CDU nach den Zahlen, die die Schatzmeister öffentlich bekanntgegeben haben, im Bundestagswahlkampf 1961 mit 35 Millionen DM etwas mehr als doppelt so viel wie die SPD im Wahlkampf hat investieren können? Wie wird das denn eigentlich gemacht, wenn Sie so schrecklich im Rückstand sind? ({0})

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, die Darlegungen, die ich soeben gemacht habe, hatten den Sinn, ganz klar aufzuzeigen, daß, wenn man eine so große Anzahl von Verlagen und Drukkereien sein eigen nennt, wo man diesen sehr starken personellen Kontakt mit einer so großen Bewegung wie der des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat, auf der einen Seite natürlich eine ganze Fülle von Ausgaben im Wahlkampf nicht entstehen, die auf der anderen Seite mit Heller und Pfennig bezahlt werden müssen. Das soll nur zur Verdeutlichung dienen. ({0}) - Liebe Kollegen, nennen Sie nicht den Namen Kapfinger! Vielleicht sind Sie nicht darüber informiert, daß er jetzt nach einem Besuch des Herrn Gabert in seiner Linie etwas umgeschwenkt ist. ({1}) - Wenn Sie die Chance jetzt wahrnehmen wollen, bitte sehr! Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Frage der Parteienfinanzierung generell. Die Parteien mögen den Anteil ihrer Mitglieder verschieden ausweisen. Es ist aber eine Tatsache, die sämtliche Parteien des Deutschen Bundestages betrifft, daß in der Bundesrepublik die Beteiligung der Bevölkerung in den politischen Parteien sehr weit unter den Zahlen liegt, die in anderen Ländern, vor allem in anderen europäischen, aber auch in anderen außereuropäischen demokratischen Staaten, festgestellt werden können. Die Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik in all den Jahren nicht die Möglichkeit hatten, höhere Mitgliederzahlen zu bekommen, darf angesichts unserer jüngsten Geschichte auch keineswegs verwundern. Gerade in diesen Tagen, wo die Weltöffentlichkeit leider wieder von den Berichten über die Scheußlichkeiten und Verbrechen erfüllt ist, die im Dritten Reich begangen worden sind, darf man vielleicht die Feststellung wagen, daß in der Zeit des Dritten Reiches auch ein hohes Maß an Idealismus gerade bei einfachen Menschen von diesem verbrecherischen System mißbraucht worden ist. Dieser Mißbrauch ehrlicher Bereitschaft, in einem Staat, den man in diesen Bevölkerungsschichten nicht als den Verbrecherstaat angesehen hat - wie sich heute herausstellt -, mitzuarbeiten, und die Enttäuschung, die dann eingetreten ist, schlagen sich eben jetzt nieder in dem Satz: Einmal und nicht wieder! Wir alle haben draußen bei den Diskussionen mit Staatsbürgern immer wieder dieses Argument gehört: Meine Eltern, mein Vater der - bei älteren Freunden - sogar ich selber bin einmal enttäuscht worden, 'ich bin einmal mißbraucht und verführt worden; ich weigere mich, in der Zukunft noch einmal ein solches Engagement einzugehen. Dieser Anti-Parteien-Affekt, von Idem der Kollege Barzel auch schon gesprochen hat, ist älteren Datums. Er rührt nicht allein aus der Zeit des Dritten Reichs her. Es gibt eine sehr .dankenswerte Studie des Publizisten Sontheimer über antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, gesendet in einer Sendereihe des Norddeutschen Rundfunks. Dort ist dargelegt, aus welchen Mißverständnissen heraus der Anti-Parteien-Affekt bei uns in Deutschland entstanden ist und aus welchen Gründen - das darf ich vielleicht hinzusetzen - er heute weiterhin besteht. Das sind einfach Tatsachen, mit denen wir uns abzufinden haben. Ichgebe gern zu, es mag in einzelnen Parteien verschieden sein. Die SPD hat )dank ihrer hundertjährigen Tradition ein größeres Reservoir an Mitgliedern zur Verfügung. Die Regierungsparteien tun sich naturgemäß schwerer. Aber insgesamt gesehen ist es doch heute so, daß wir uns in einem verhängnisvollen Kreislauf befinden. Einmal ist festzustellen, daß in unserem Volk weitestgehend Abneigung gegen den Beitritt zu einer Partei besteht. Weil die Bereitschaft, einer politischen Partei beizutreten, eben noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, fehlt auch weitestgehend eine Finanzgrundlage aus Mitgliederbeiträgen. Das zweite ist, daß, weil diese Finanzgrundlage aus Mitgliederbeiträgen fehlt, parteipolitische Bildungsarbeit nicht ausreichend getrieben werden kann, die ihrerseits wieder die Bereitschaft zum Beitrag fördern könnte. In dieser Situation befinden wir uns heute. Es ist auch 'für die Vergangenheit festzustellen, daß die seitens des Staates - des Bundeshaushaltes, auch der Haushalte der einzelnen Länder - ausgegebenen Mittel vor allem und vorwiegend zur politischen Bildungsarbeit verwendet worden sind. Es ist einfach. eine Tatsache, daß bei allem neuerdings festzustellendem Bemühen die politische Bildungsarbeit, die in der Schule und in anderen Bildungseinrichtungen geleistet wird, heute immer noch nicht ausreichen kann. In Bayern hat die Sozialdemokratie in der letzten Zeit ein sehr umfangreiches politisches Bildungsprogramm bekanntgegeben. Auch die CSU und die CDU leisten seit Jahren politische Bildungsarbeit. Ein Blick z. B. in die Monatsschrift der Jungen Union Deutschlands, „Die Entscheidung", zeigt, daß hier laufend derartige staatsbürgerliche Veranstaltungen stattfinden. Ich habe ein Verzeichnis der Jungen Union Bayerns bei mir, in dem eine Fülle - rund 200 - der verschiedensten Tages- und Wochenseminare ausgewiesen sind, 'die der politischen Bildung dienen. Es wird also sicherlich schon eine ganze Menge solcher Bildungsarbeit geleistet. Trotzdem reicht das alles bei weitem noch nicht aus. Nun zur haushaltsrechtlichen Seite dieser Angelegenheit! Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die im Haushaltsausschuß tätig sind, wissen, welch große Beträge wir an die verschiedensten Organisationen und Zusammenschlüsse .abgeben. Diese Organisationen und Zusammenschlüsse verfolgen die verschiedensten Zwecke, die alle für sich sicherlich förderungswürdig sind. Insgesamt gesehen ist aber doch die Arbeit, die auf der politischen Ebene gerade von den Parteien zu leisten ist, so viel wichtiger, daß es meines Erachtens sicherlich von allen Seiten dieses Hauses vertreten werden könnte, wenn auch hierfür einige Gelder aus dem Staatshaushalt gegeben werden. Wir haben uns als Schlüssel vorgestellt, daß pro Wahlberechtigten pro Jahr an solchen Mitteln 1 DM den Parteien zufließen sollte. Wie aus den Anträgen der .SPD zu entnehmen ist, hat auch die SPD eine solche Mitfinanzierung nicht rundweg abgelehnt. Sie wendet sich lediglich gegen die Höhe der Zuschüsse. Das ist ein Punkt, über den man natürlich verschiedener Meinung sein kann. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das zwar nicht zu diesem Punkte Stellung zu nehmen hatte, das sich aber trotzdem zu dieser Frage geäußert hat, steht jedenfalls grundsätzlich fest, daß Zuschüsse an die politischen Parteien durchaus möglich und zulässig sind. Ich darf Ihnen mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1958 zitieren. Es heißt da auf Seite 63: Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt, muß es auch zulässig sein, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen. Hier sehen Sie also: Nicht nur für die politische Bildungsarbeit, die in erster Linie von diesen Staatsmitteln finanziert werden soll, sondern auch für diese übrige Parteienarbeit soll und kann von Staats wegen etwas zur Verfügung gestellt werden. Es ist auch nicht so, als ob die politischen Parteien lediglich Zusammenschlüsse von Bürgern wären, die den Status eines rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Vereins haben, sondern, wie durch die Entscheidung unseres Grundgesetzes in Art. 21 ganz klargestellt ist, haben diese politischen Parteien im Rahmen des öffentlichen Rechts einen klaDr. Althammer ren Status, ein organschaftliches Verhältnis zu den Einrichtungen dieses Staates, so daß sie auch bei Prozessen usw. im Rahmen des öffentlichen Rechts auftreten können. Ich habe mir auch die Mühe gemacht, die wesentlichen Einwendungen gegen die Parteienfinanzierung noch einmal anzusehen. Da wird vor allem befürchtet, daß durch eine zu große Finanzierung von Staats seiten die Parteibürokratie übermäßig gestärkt werden könnte, daß die Abhängigkeit der Mitglieder von Funktionären eintreten könnte und daß der Elan und die Einsatzbereitschaft von ehrenamtlichen Mitgliedern dabei verlorengehen könnten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nur aus den Kenntnissen sprechen, die ich im Rahmen meiner Partei, der CSU, habe. Von einer Vorherrschaft der Parteibürokratie oder der Funktionäre zu sprechen ist eine glatte Illusion. Tatsache ist, daß es fast nicht möglich ist, hauptamtliche Mitarbeiter zu gewinnen, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern vor allem auch wegen des Antiparteienaffektes, den wir zu verzeichnen haben. Eine Tatsache, die den meisten, gerade auch jüngeren Kollegen von uns begegnet, ist, daß man wegen seines Engagements für eine Partei - und für iede Partei, meine sehr verehrten Damen und Herren - von der oder jener Seite irgendwie scheel angesehen wird. Ich glaube, wir als Demokraten sollten uns darin einig sein, daß es gilt, solche Vorurteile abzubauen. Wenn dann davon die Rede ist, daß etwa der Elan der ehrenamtlichen Mitarbeiter dadurch gebremst oder getötet werden könnte, möchte ich nur das eine sagen, daß nach allen Erfahrungen, die wir gesammelt haben, es ein verschwindend kleiner Kreis ist, der als ehrenamtliche Mitarbeiter Jahre hindurch tätig ist, Zeit und auch Geld opfert ohne wesentliche Gegenleistung, um den Ideen, die sie haben, nachzugehen. Ich glaube, hier ist auch einmal der Ort, diesen vielen ungenannten Idealisten, die in allen Parteien tätig sind, ein Wort des Dankes für all die Arbeit zu sagen, die sie durch Jahre hindurch für diese Parteien ausüben. ({2}) Gerade diese ehrenamtliche Mitarbeit ist ein entscheidendes Element für die weitere Verwurzelung der Demokratie in unserem Staate. Wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland mit der Demokratie einen zukunftsträchtigen Anfang machen wollen, muß unter allen Umständen erreicht werden, daß der Kreis dieser Menschen wesentlich erweitert wird. Das ist die Frage der Fundamentierung unserer Demokratie im Bewußtsein unseres Volkes. Ich meine, wenn aus dem Bundeshauhalt soviel Geld ausgegeben wird, wo es, aus dieser Sicht gesehen, nicht von so entscheidender und fundamentaler Bedeutung ist, dann dürfte es auch zu rechtfertigen sein, daß wir für die Stärkung des demokratischen Gedankens bei uns in der Bundesrepublik den vorgesehenen Betrag, der umgerechnet 1 DM pro Wahlberechtigten im Jahr ausmacht, aus dem Bundeshaushalt aufwenden. Ich möchte daher namens der CDU/CSU und der FDP beantragen, den Antrag der SPD Umdruck 411 Ziffern 1 und 2 abzulehnen. - Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Frage der Parteienfinanzierung. Unter Ziffer 3 des Antrags auf Umdruck 411 verlangt die SPD-Fraktion die Erhöhung der Mittel für die Studentenförderung von 41 665 000 DM um 9 Millionen DM auf 50 665 000 DM sowie eine Änderung in den Erläuterungen zu Tit. 657, nach der dieser zusätzliche Betrag der Förderung nach dem Honnefer Modell zugeführt werden soll. Meine Damen und Herren, die Auseinandersetzungen über die Finanzierung des Honnefer Modells hängen ja mit der Frage des Bundesanteils an der Einkommen-und Körperschaftsteuer zusammen. Nachdem die Länder in all diesen Auseinandersetzungen immer betont hatten, daß der Bund hier unrechtmäßigerweise Aufgaben ausführe, für die er nicht zuständig sei, und dafür Mittel aufwende, ist von der Bundesregierung auch in diesem Punkt einmal ein Versuch gemacht worden, die Beteiligung des Bundes etwas zu reduzieren. Es hat sich aber sofort gezeigt, daß in der Praxis die reinliche Trennung der Bundes- und der Länderaufgaben, die überall verlangt wird, doch erhebliche Schwierigkeiten macht. Klarheit und Einigkeit bestand darüber, daß die Studentenförderung, insbesondere die nach dem Honnefer Modell, unter allen Umständen voll finanziert werden muß. Ich möchte hier nachdrücklich betonen, daß kein Student etwa deshalb nicht in den Genuß der Förderungsmittel kommen soll, weil hier gewisse Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung stattgefunden haben. Die Ansprüche der Studentenschaft werden also auf jeden Fall bedient werden. ({3}) Wir haben im Haushaltsausschuß die Ansätze, die in der Regierungsvorlage vorgesehen waren, bereits um 5 Millionen DM erhöht, und nach der vorauszusehenden Entwicklung der Ausgaben wird diese Erhöhung, wie sie jetzt in Einzelplan 06 ausgewiesen ist, durchaus ausreichen, um die Finanzierung zu gewährleisten. Es handelt sich um einen Gesamtansatz von 41,5 Millionen DM. Daß das ausreicht, ergibt sich besonders aus dem Umfang, in dem die entsprechenden Mittel in den letzten Jahren abgerufen worden sind. Im Jahre 1960 waren z. B. im Bundeshaushalt 47 Millionen DM eingesetzt, aber nur 30 Millionen DM sind abgerufen worden. Ich nenne jetzt runde Zahlen. Im Jahre 1961 waren 67 Millionen DM eingesetzt, aber nur 41 Millionen DM sind abgerufen worden. Im Jahre 1962 waren 78 Millionen DM eingesetzt, aber nur 42 Millionen DM sind abgerufen worden. Dieses Auseinanderklaffen von Haushaltsansätzen und tatsächlich in Anspruch genommenen Beträgen rechtfertigt die Annahme, daß wir mit dem vom Haushaltsausschuß beschlossenen Ansatz im Jahre 1964 durchkommen werden. Für das Jahr 1965 sind die Dinge in dem inzwischen unterzeichneten Verwaltungsabkommen ja wieder klargestellt worden. Da steht dann ganz klar fest, daß Bund und Länder je 50 % dieser Mittel aufbringen. Da wir also der Ansicht sind, daß wir mit den vom Haushaltsausschuß beschlossenen Ansätzen im Jahre 1964 auskommen werden, sehen wir keinen Anlaß, eine Erhöhung vorzunehmen. Der Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 411 Ziff. 4 betrifft die Spitzenfinanzierung des Baus von Turn- und Sportstätten. Auch hier hat der Haushaltsausschuß eine spürbare Anhebung des Ansatzes, der zunächst im Regierungsentwurf des Haushaltsplanes vorgesehen war, beschlossen. Man muß berücksichtigen, daß für dieses Jahr angesichts der Olympischen Spiele, die zum Teil schon stattgefunden haben, zum Teil noch bevorstehen, höhere Ansätze notwendig waren. Der Bedarf, der sich aus der Abwicklung der Olympischen Sommerspiele in Tokio im Jahre 1964 ergibt, ist bei der Aufstellung des Bundeshaushaltsplanes berücksichtigt worden. Insgesamt sind im Bundeshaushalt jetzt 6 Millionen DM hierfür angesetzt worden. Das läuft neben der Spitzenfinanzierung, die in diesem Jahr wieder auf 30 Millionen DM festgesetzt worden war. Wir sind der Meinung, daß man mit diesen Beiträgen auch dieses Jahr wird auskommen können, vor allem wenn man berücksichtigt, in welcher rasanten Weise gerade die Leistungen des Bundes für die Förderung der Sportstätten in den letzten Jahren angestiegen sind. Wir sind also der Meinung, daß es auch hier bei dem Ansatz, der vom Haushaltsauschuß festgesetzt ist, bleiben sollte. Die nächste Ziffer des Umdrucks, die Ziffer 5, enthält lediglich den Antrag auf Änderung der Erläuterungen zu Kap. 06 09 Tit. 300. Der Sinn dieser Änderung ist der, daß die Jahresrechnung des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht nur wie bisher der Kontrolle des Präsidenten des Bundesrechnungshofs unterliegen soll, sondern auch der Kontrolle eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses. Wir haben vorhin die gleiche Frage bei den Mitteln des Kanzleramts für besondere Zwecke diskutiert und auch entschieden. Ich meine, daß jene Gründe in gleichem Maße auch für den Verfassungsschutz gelten, und möchte 'deshalb auch diesem Änderungsantrag widersprechen. Die nächste Ziffer, die Ziffer 6, der Antrag zu Kap. 06 19 Tit. 303 betrifft das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz. Auch hier sind wir der Meinung, daß an dem Ansatz, der vom Haushaltsausschuß festgesetzt worden ist, festgehalten werden kann und sollte. Das gleiche gilt für die letzte Ziffer 7, des Umdrucks 411, wo ebenfalls eine weitere Erhöhung beantragt wird. Auch hier reicht der Ansatz, der vom Haushaltsausschuß festgelegt worden ist, durchaus aus. ({4}) - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe im Interesse der Zeitersparnis - wir haben heute noch eine Menge vor - gleich zu diesen Punkten Stellung genommen. ({5})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Absprache soll mit der Beratung des Einzelplans 06 die Beratung des Einzelplans 36 verbunden werden. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe also ferner auf: Einzelplan 36 Zivile Notstandsplanung ({0}). Selbstverständlich können dann im Rahmen der allgemeinen Aussprache auch Fragen des Einzelplans 36 besprochen und die dazu vorliegenden Anträge begründet werden. Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister des Innern.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte zu entschuldigen, daß ich den Verlauf der Debatte wieder unterbrechen muß, nachdem sich auch der Kollege Althammer bereits mit Sachfragen befaßt hat. Ich darf auf das zurückgehen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was Sie hier vorgetragen haben. Ich muß es außerordentlich bedauern, daß der Appell des Herrn Bundeskanzlers, der auch von einigen Rednern hier formell und der Sache nach aufgenommen worden ist, nämlich in aller Fairneß und aller Korrektheit zu diskutieren, von Ihnen nicht befolgt worden ist. Ich spreche sehr ungern in eigener Sache; das verstehen Sie. Ich werde mich deswegen auf das rein Tatsächliche beschränken, und ich glaube, zu den Tatsachen ein anderes Verhältnis zu haben, als aus dem hervorgeht, was Sie hier vorgetragen haben. Ich stehe hier nicht für meine Person. Ich stehe hier für die Bundesregierung und dieses Aufgabengebiet sowie für die Koalition, die CDU/CSU und die FDP, deren Auftrag ich zu erfüllen habe. Ich bin um so mehr überrascht, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, daß Sie solche Ausführungen machen, was das rein Tatsächliche betrifft, da Sie der Adressat meiner meisten Vorlagen sind. Ich glaube, daß Sie ein riesenhaftes Paket nicht erledigter Vorlagen haben, und ich würde mich und das Haus nur beglückwünschen können, wenn Sie, ganz gleich, wie die Dinge in der Endberatung aussehen, diese Vorlagen so erledigten, wie sie gekommen sind. Eine ganze Reihe wartet noch auf Sie. Sie werden viel 'Gelegenheit haben, das alles zu erfüllen. Sie werden jedoch keine Gelegenheit bekommen, die CDU/CSU und die FDP hier in Verzug zu setzen. ({0}) Sie haben zum Ausdruck gebracht, ich hätte Kredit von Ihnen bekommen. Ich will Ihnen etwas sagen: Diesen Kredit, den Sie gegeben haben, habe ich mir redlich verdient. Ich habe unmittelbar nach Übernahme meines Amtes wegen sehr schwieriger Fragen Verhandlungen mit Ihnen aufgenommen; in einigen Sachfragen ist man dann auch zu Ergebnissen gekommen. Ich darf Ihnen auch gleich eines vorweg sagen: Ich habe Ihnen dadurch Gelegenheit gegeben, Ihre Schwenkung vom 30. Juni 1960 in sehr wichtigen, die Staatsexistenz betreffenden Sicherheitsgesetzen wahrzumachen; in sehr vielen Fragen warte ich noch darauf, vor allem in den Fragen der Notstandsgesetzgebung, die Ihnen schon einmal der Kollege Schröder vorgelegt hat. Wenn Ihnen der Entwurf damals nicht geschmeckt hat, dann hätten Sie ihn abändern können, wenn bei Ihnen der innere Drang, in dieser Frage zu einem Ergebnis zu kommen, so stark gewesen wäre, wie es gelegentlich behauptet wird. Sie haben es für richtig befunden, auf die sogenannte Spiegelaffäre zurückzugreifen. Sie werden sich daran erinnern, daß ich in dieser Frage materiell überhaupt nicht befaßt war. Ich habe damals für den überraschend erkrankten Kollegen Stammberger die Beantwortung der entscheidenden Fragen übernommen und mich auch Zusatzfragen gestellt, die Sie nicht in Fairneß an mich gerichtet haben und die ich zum großen Teil nicht aus eigenem Wissen beantworten konnte. Das wissen Sie alles ganz genau. Es ist damals eine Formulierung gefallen, die mißverständlich war; ich bestreite das gar nicht. Was sie sachlich zu bedeuten hatte, wissen Sie auch. Sie wird aber fortgesetzt von Ihnen in Wort und Schrift unter Sinnentstellung mißbraucht. Sie wissen ganz genau, was damit gemeint war, auf welchen Vorgang damals Bezug genommen worden ist. Sie kennen die Zusammenhänge. Das hindert Sie aber nicht, fortgesetzt damit Kolportage zu treiben. Sie haben doch in der Weimarer Republik unter dem Rufmord einiges zu erdulden gehabt. Gerade Sie sollten, was die parlamentarischen Sitten und die Sitten der Auseinandersetzung im politischen Bereich betrifft, daraus Lehren gezogen haben. Ich vermisse das bis zum heutigen Tage. ({1}) Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ein ernstes Wort zur Telefonaffäre. Ich finde es merkwürdig, daß Sie bei dieser so wichtigen Einrichtung des Untersuchungsausschusses, der richterliche Funktionen ausübt und dem Sie vorstehen, fortgesetzt, noch bevor die Dinge abgeschlossen sind und parlamentarisch zur Debatte stehen - das soll am 29. geschehen -, Äußerungen, Beweiswürdigungen abgeben. Das verträgt sich nicht mit Ihrem Amt; das wissen Sie wahrscheinlich. ({2}) - Das verträgt sich nicht mit Ihrem Amt; das müssen Sie wissen. ({3}) - Das behaupten Sie? ({4}) - Das behaupten Sie? Dann gehen Sie hierher und beweisen Sie das und verletzen nicht die Ehre des Oberlandesgerichtspräsidenten Silberstein. ({5}) Wir werden am 29. Gelegenheit haben, diesen ganzen Vorgang aus der Zone der Verleumdungen, der Beleidigungen und des Rufmordes herauszunehmen. Wir werden Tatsachen auf den Tisch legen, dann können Sie sich diesen Tatsachen stellen, Herr Wehner, ich werde auch für Sie sehr interessante Tatsachen hier vortragen; wir werden dann schon sehen. Mich interessieren Fakten, sonst gar nichts. ({6}) - Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie hätten Gelegenheit gehabt, eine Serie von Fakten an Stelle dieses Plädoyers vorzutragen, das Sie gehalten haben, das den Beziehungen, die wir dienstlich pflegen, in keiner Weise entspricht. Sie haben sich wiederholt schon ganz anders geäußert und genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie hier vorgetragen haben. ({7})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß Ihre eigenen Presseverlautbarungen, die doch nicht selten dann haben interpretiert werden müssen, Ihnen die Möglichkeit geben, in dieser Weise zu Äußerungen in einer so pauschalen Form Stellung zu nehmen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich habe zunächst ein pauschales Urteil entgegengenommen. Sie haben eine pauschale Frage gestellt. Konkretes habe ich von Ihnen in der Frage nicht gehört. ({0}) - Sie werden Gelegenheit bekommen, am 29. Konkretes zu hören. Das wird für das ganze Haus sehr interessant sein. ({1}) Herr Kollege Schmitt, Sie haben dann die einzelnen Arbeitsbereiche aufgezählt. Ich habe schon gesagt, ich spreche nicht in eigener Sache. Ich zähle nur die Fakten auf. Ich nehme einmal den Bereich des öffentlichen Dienstes. Im Bereich der Fürsorge für den öffentlichen Dienst sind dem Hause vom Innenministerium eine Reihe von bedeutsamen Vorlagen zugegangen: die lineare Besoldungserhöhung, die wichtige Harmonisierungsnovelle, die Regelung der Frage des Weihnachtsgeldes und eine Reihe von Ordnungsgesetzen, z. B. das Umzugskostengesetz. Nicht vergessen werden soll der „Geschenkerlaß", der, glaube ich, im Hinblick auf eine Beruhigung im moralischen Bereich sehr viel Gutes gestiftet hat und von den Ländern übernommen worden ist. Drei weitere entscheidende Gesetze für den öffentlichen Dienst sind auf dem Wege vom Bundesrat in dieses Haus und werden demnächst hier beraten werden. Ein weiteres bedeutsames Gesetz wird voraussichtlich am 13. Mai vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Wenn Sie das alles zusammennehmen und die materielle Bedeutung und die Ordnungsfunktionen nehmen, mit denen sich diese Gesetzentwürfe befassen, dann kann niemand, der weiß, was Arbeit ist, und der weiß, was Leistung ist, sich hinstellen und sagen, es sei nichts gemacht worden. Das ist einfach nicht richtig, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Das entspricht ja auch gar nicht Ihrer Einstellung. - Das ist nicht der Ton, in dem wir hier zu reden haben. Sie haben die Notstandsgesetze erwähnt und sie in Zusammenhang mit Kuba gebracht. Meine Damen und Herren, diesen Zusammenhang würde ich an Ihrer Stelle gar nicht erwähnen. Sie wissen ganz genau, daß ein mit Ihnen abgesprochenes, in der Notstandsverfassung und in den einfachen Notstandsgesetzen sehr schwierig auszuarbeitendes Programm auf den Tisch gelegt worden ist und daß drei weitere Gesetze ebenfalls vom Bundesrat zum Bundestag Sie erreichen. Ich kann nur hoffen, daß Sie alle Kräfte anstrengen, um diese Gesetze zu verabschieden, damit wir in diesem Sektor, in dieser die ganze Staatsexistenz und unsere Sicherheit betreffenden Materie das bekommen, was wir brauchen. Meine Damen und Herren, zu behaupten, es sei hier nichts gemacht worden, das ist geradezu grotesk. Die Neugliederungsfrage haben Sie ebenfalls angesprochen. Solange es keinen neugeformten Artikel 118 GG gibt, gab es nur den Artikel 29 GG, der von mir sehr rasch in einer Vorlage hier auf den Tisch gebracht wurde, wobei noch angedeutet wurde, daß bei entsprechendem Ausgang der ersten Runde der Abstimmung Möglichkeiten vielleicht auch bei Ihnen bestehen würden, endlich hier zu einem anderen Ergebnis zu kommen, damit die Baden-Abstimmung wiederholt werden kann in aller Fairneß und in aller Offenheit. So sind die Dinge. Sie haben das verhindert, und das hat Ministerpräsident Kiesinger hier als Zeuge bestätigt. ({2}) Sie haben verhindert, daß rechtzeitig der Artikel 118 geformt wurde; ({3}) Sie, sonst niemand. ({4}) Ich darf gleich zum Parteiengesetz Stellung nehmen. Auch das Parteiengesetz ist vom Bundesinnenministerium fertiggestellt, und wenn ich hergehe und es den drei Fraktionen dieses Hauses zur Verfügung stelle, damit nun Überlegungen angestellt werden können, ob ein gemeinsamer Entwurf vielleicht möglich wäre, dann verdiene ich wahrscheinlich nicht den Vorwurf, den Sie erheben. Es kann Ihnen morgen auf den Tisch gelegt werden; dann will ich sehen, wann und wie es behandelt wird, meine Damen und Herren. Dann darf ich vielleicht noch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß das Bundesinnenministerium neben den Gesetzesvorlagen eine Reihe von anderen sehr bedeutsamen und großen Aufgaben hat und sie wahrgenommen hat. Der bedeutsamste, umfangreichste und gewichtige Tarifvertrag für 1,2 Millionen Menschen mit einer Laufzeit von 21 Monaten ist vom Innenminister persönlich abgeschlossen worden, genauso wie der Manteltarifvertrag, der im öffentlichen Dienstrecht recht beachtliche und von allen Seiten anerkannte Fortschritte enthält. Ihnen steht es nicht gut an, diese Dinge zu kritisieren, meine Damen und Herren! Was die Frage des Gesetzes zu Artikel 10 betrifft, so kann ich Ihnen sagen, daß auf Grund einer Vorlage des Innenministeriums längst eine Grundsatzentscheidung des Kabinetts gefallen ist, und heute wäre die Einzelverabschiedung gewesen. Die Materie ist außerordentlich schwierig. Sie verlangt eine doppelte Gesetzgebung: in Form einer Verfassungsänderung und in Form eines Ausführungsgesetzes. Ich habe auf diese rechtlichen Schwierigkeiten, die nicht jedem zugänglich sind, schon immer hingewiesen, und ich möchte es heute wiederholen. Heute, wenn nicht die Kabinettssitzung angesichts dieser entscheidenden Beratungen hätte ausfallen müssen, wären die Dinge längst abgeschlossen ({5}) und schon vom Kabinett verabschiedet worden. Meine Damen und Herren, ich werde mich dann überraschen lassen, wie schnell die Dinge hier beraten werden ({6}) und welchen Zug und welchen Fortgang Sie diesen Entscheidungen geben. - 1954 waren Sie sich in den Fraktionen darüber einig, ein solches Gesetz damals nicht vorzulegen; das darf ich hier vielleicht auch noch bemerken. ,Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß ein epochemachendes Gesetz im Rechtsbereich von der gemeinsamen Kommission von Bund und Ländern unter dem Protektorat des Innenministeriums der Offentlichkeit vorgelegt worden ist, daß zum erstenmal in der Rechtsgeschichte ein bundeseinheitliches Verwaltungsverfahren konzipiert wurde, das jetzt zunächst einmal der Fachdiskussion ausgesetzt werden muß, um zu den alten, guten, soliden Grundsätzen zurückzukehren, die wir in diesen Fragen hatten. Sie haben hier ein Gezerre zwischen dem Kollegen Lenz und mir behauptet. Zwischen dem Kollegen Lenz und mir besteht seit 1945 eine Freundschaft, die im Gefangenenlager in Heilbronn geboren wurde. Diese freundschaftlichen Beziehungen haben sich in unseren dienstlichen Bereich erstreckt. Wir haben diese Auseinandersetzungen in aller Form und Fairneß vorgenommen, wie das kavaliersmäßig zu machen ist. Meine Damen und Herren, es wurde nicht gezerrt. Aber, wenn Sie es genau wissen wollen: das Verwaltungsabkommen, das ich mit Ministerpräsident Kiesinger und dem bayerischen Finanzminister Eberhard und dem Ihrer Partei angehörenden Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz - sehr früh - abgeschlossen habe, ist jetzt als reife Frucht Wirklichkeit geworden, nachdem Herr Kiesinger erreichen konnte, daß in letzter Zeit auch die Länder unterschrieben haben. Ich weiß nicht, ob das in Ihren Augen auch nichts ist. Wenn ich mich bloß an Ihren Leistungen orientieren müßte, wäre ich auch ein Einzelgänger und müßte mich halt nun in einer sehr bescheidenen Gesellschaft aufhalten. ({7}) Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen aber noch eines sagen. Die Aufgaben, die gerade in diesem Bereich vor uns stehen und die die Sicherheit in einem wesentlichen Sektor betreffen, machen es nicht nötig, in solche Polemiken einzutreten, wie Sie sie begonnen haben. Von mir aus sollen sie beendet werden. Mich hat immer und zu allen Zeiten mehr die Sache interessiert. Aber vor einem möchte ich Sie warnen. Wenn Sie in voller Verkennung Ihrer eigenen schlechten Erfahrungen in der Weimarer Zeit glauben, in dieser Art fortfahren zu können, die bis zum Rufmord gediehen ist, dann können Sie mir leid tun. ({8})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich in dieser Stunde dem durch vermeintlichen Rufmord offensichtlich doch beschädigten Bundesinnenminister hier auf alle Einzelfragen antworten wollte, würde verständlicherweise der Rahmen der heutigen Tagesordnung gesprengt. Aber, Herr Minister, jetzt seien Sie doch mal ehrlich: Hat denn das, was wir heute hier vorgetragen haben, aber auch nur irgend etwas mit der Art zu tun, wie in der Weimarer Republik die Demokratie angegriffen wurde? ({0}) Das können Sie doch wirklich nicht behaupten. ({1}) - Aber, meine Damen und Herren, können Sie es denn überhaupt nicht mehr vertragen, wenn Sie ein kritisches Wort hören müssen? ({2}) Ist das denn ein Anlaß dafür, hier in Tiraden auszubrechen? ({3}) - Ach, Sie nehmen dieses Recht gewissermaßen nur für sich in Anspruch, über andere zu urteilen? Und dann schreien Sie hier auf, als ob das etwas mit Rufmord zu tun hätte. Meine Damen und Herren, es hat doch kein Mensch davon geredet, daß nichts geschehen sei. Es wäre schlimm, wenn die vielen hundert Beamten in diesem Ministerium gar nichts schaffen würden. Wir wissen im Gegenteil, daß da viel fleißige Leute sind und daß die Abteilungen dieses Hauses laufend Gesetzesvorschläge ausarbeiten, die dann über den Innenminister und die Regierung ans Parlament kommen. ({4}) Ich habe gar nicht die Absicht, die Arbeit dieses Ministeriums hier in Bausch und Bogen abzutun. Ich habe mich mit dem Minister beschäftigt, und zu seiner Arbeit habe ich mich ganz klar geäußert. Und Fairneß ist doch nicht, daß man über alles schweigt, was Sie falsch machen, sondern es ist Fairneß, wenn man hier anständig darüber spricht. Meine Damen und Herren, ich will nun auf all die anderen Fragen hier nicht eingehen. Wir werden ein anderes Mal Gelegenheit dazu haben. Das sind alles Fragen, über die wir hier im Sachzusammenhang diskutieren können. Aber lassen Sie mich eines sagen. Mir ist keine Vereinbarung aus dem Jahre 1954 zu Artikel 10 bekannt. Eine solche Vereinbarung ist auch gar nicht möglich, Herr Minister, weil erst im Jahre 1955 der Deutschlandvertrag mit seinem speziellen Vorbehalt in Kraft getreten ist. Nun komme ich zu dem eigentlichen Thema, zu der Begründung des Antrags Umdruck 411. ({5}) - Entschuldigen Sie, Herr Barzel; ich wäre lieber sofort dazu gekommen, bitte aber um Verständnis dafür, daß ich die Gelegenheit benutzte, zunächst auf einiges zu antworten. ({6}) - Ja, wir kommen noch zum Ziel. Sie werden gleich noch einiges hören. Der Herr Kollege Althammer hat hier einen lyrischen Vortrag über arm und reich gehalten. Meine Damen und Herren, ich habe noch gar nicht gewußt, daß die CDU/CSU auf ihre Fahne geschrieben hat, durch den Zugriff auf Steuermittel den Ausgleich zwischen Armen und Reichen in der Bundesrepublik durchzuführen. ({7}) Machen Sie es jetzt zu einer Frage der Sozialpolitik über den Zugriff auf Steuermittel für politische Parteien? ({8}) - Beginnen Sie doch hier bitte nicht mit solchen Thesen und versuchen Sie hier nicht, aus den Fragen der Wiedergutmachung das herzuleiten, was Sie heute dadurch tun wollen, daß Sie die Summe von 20 auf 38 Millionen DM erhöhen. Ich will auf das Zusammenspiel nicht eingehen. Herr Althammer, Sie haben hier rührende Worte über die Bildungsarbeit gefunden. Akzeptiert! Dann stellen Sie die Zweckbestimmung wieder her,. die Sie bereits voriges Jahr gestrichen haben - damals war der Betrag ja auch noch viel, viel kleiner -, und sprechen wir von Bildungsarbeit mit Zwecknachweis! Aber genau das wollen Sie ja gar nicht, sondern Sie wollen über diese immer wieder erhöhten Gelder ohne Zwecknachweis verfügen. ({9}) - Doch, das haben Sie sogar gestrichen. Und noch ein Letztes. ({10}) - Nein, nein, nein! ({11}) Hier geht es doch um das, was Herr Althammer zu diesen Fragen gesagt hat. Ich komme jetzt zu unserem eigentlichen Antrag. Meine Damen und Herren, genauso wie sonst im Leben gibt es auch in der Politik Entscheidungen, deren Tragweite sich oft erst später zeigt und bei denen man nicht übersehen kann, ob sie zu einem guten oder einem schlechten Ende führen. Was Sie im Haushaltsausschuß beschlossen haben, ist, das kann man jetzt schon sagen, eine schlechte Sache, und ich muß Ihnen, Herr Kollege Burgbacher, offen sagen: Ich würde mich genieren, mit den lapidaren Sätzen des Berichts 18 Millionen DM aus der Steuerkasse zu nehmen. Da steht nämlich nichts anderes drin als: Die Sondermittel für die Aufgaben der Parteien nach Art. 21 wurden vom Haushaltsausschuß um 18 Millionen DM erhöht. Damit können insgesamt 38 Millionen DM an die Parteien zur Auszahlung gelangen. Meine Damen und Herren, das ist eine schwache Begründung für den Steuerzahler, wenn das alles ist, was Sie in dem anschließenden Protokoll und in dem Bericht des Bundestages hierzu zu sagen haben. So werden hier Erhöhungen in Höhe von 18 Millionen DM begründet, und es ist ein schnelles Weiterschreiten jener Krebskrankheit, die früher auf mittel- und südamerikanische Staaten beschränkt war, ({12}) nämlich die Finanzierung von Parteien aus der Staatskasse vorzunehmen. Es gibt eherne Grundsätze des Haushaltsrechts, die sogar für Zuschüsse von 100 DM nicht außer Kraft gesetzt werden. Wer öffentliche Gelder will, muß darüber Rechenschaft ablegen, wofür er sie will und für welchen Zweck er sie gebrauchen will. ({13})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte!

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ist Ihnen entgangen, daß bereits jetzt im Haushalt bei den Erläuterungen festgelegt ist, daß die Verwendung der Mittel der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs unterliegt?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, die Prüfung; aber es geht hier ja bereits um die Zuweisung. Sie reden doch jetzt nur über die Prüfung. ({0}) - Aber, meine Damen und Herren, Sie machen es sich hier zu leicht. Sie erhöhen doch fast jedes Jahr im Bundeshaushalt die Subventionen für die Parteien, ohne daß Sie bereit sind, wenigstens bis zu einem gewissen Maße Rechenschaft zu geben, was Sie mit diesen Steuergeldern machen. Auch die Parteien haben nicht das Privileg, zu sagen: „Wir haben kein Geld, also nehmen wir es aus der Staatskasse", nur weil die Parteien die Möglichkeit der Selbstbedienung haben. ({1}) Ich will nicht darauf eingehen, daß Sie allein rund 50 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit der Regierung bewilligen. Ich darf auf die Ausführungen des Kollegen Erler von heute morgen in bezug auf Einzelplan 04 hinweisen, daß diese Mittel vielfach auch der parteipolitischen Auseinandersetzung mittelbar oder unmittelbar dienen. Wo bleibt der Grundsatz, daß nur der Zuschüsse erhalten soll, der aus eigenen Leistungen wesentliche Mittel beiträgt? Wo bleiben die Prinzipien, die Sie immer dann ins Feld führen, wenn es um soziale Leistungen hier in diesem Hause geht? Hier stellen Sie sich keiner Prüfung, es wird nichts offengelegt. Sie machen sich nur Gedanken darüber, wie Sie die Propagandawalze für große Materialschlachten aus Steuermitteln in Gang halten können. Sie haben hier die Möglichkeit des Zugriffs zu den Geldern des Steuerzahlers. Wer gibt diesem Hause das Recht, den Grundsatz der Chancengleichheit so auszulegen, daß durch die Verstärkung der Monopolstellung der Parteien in diesem Hause jegliche Bewegung auf dem Gebiet des Parteiwesens verhindert werden soll? Das Monopol aus Steuermitteln ist hier der Trumpf. Wo sind die Versprechungen geblieben, Herr Dr. Stoltenberg, die Sie in der „Welt" in einem großen Aufsatz gemacht haben, wonach jetzt das Parteiengesetz komme, bevor Sie noch einen Pfennig ausgäben? Wo ist das alles geblieben? Die Freien Demokraten haben gestern in der fdk erklärt, daß höchstens ein Drittel der Mittel aus öffentlichen Quellen kommen soll. Meine Damen und Herren, die fdk war noch druckfrisch, da hat es schon nicht mehr gestimmt, wenn die Zahlen, die Herr Burgbacher hier offenlegen könnte, nur einigermaßen zutreffen. ({2}) - Wollen Sie das hier so versichern, Herr Kollege? ({3}) - Wir werden darauf zurückkommen. Meine Damen und Herren! Die 38 Millionen DM sollen es Ihnen ermöglichen, Ihre Kosten zu einem wesentlichen Teil zu decken, weil Sie glauben, sonst den in Hannover schon eingeleiteten Wahlkampf nicht weiterführen zu können. Wie wäre es 1966, wenn das Wahlergebnis anders aussehen sollte? Schon jetzt haben Sie, meine Herren, in dem Entwurf des Parteiengesetzes viel höhere Zuwendungen durch Spendengutscheine usw. vorgesehen, so daß die Mittel, die nachher aus öffentlichen Haushalten fließen werden, möglicherweise über 100 Millionen DM betragen werden. Meine Damen und Herren, ich brauche hier nicht zu sagen, daß wir stolz darauf sind, daß die SPD eine Mitgliederpartei ist. 660 000 Menschen zahlen. Wir haben von 1962 bis 1963 die Beitragseinnahmen von 11 auf 14 Millionen, d. h. um 30,5 %, gesteigert. Für viele Menschen, die daran mitgewirkt haben, war der Beitrag, waren diese erhöhten Beiträge eine wirkliches Opfer; darüber kann kein Zweifel sein. ({4}) Trotzdem werden wir nach besseren Leistungen auch innerhalb der Partei ,streben. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Wir werden, wenn wir nach der Wahl hier die Mehrheit haben werden, die Erhöhungen rückgängig machen und für Begrenzung der Wahlkampfausgaben eintreten. ({5}) Wir werden bis zum Ende der Wahlperiode um ein Parteiengesetz ringen, um solchen Ausweitungen entgegentreten zu können. Das sind wir dem deutschen Volk und uns selbst schuldig. Wenn diese Abstimmung ein Meilenstein am Wege der Demokratie ist, dann werden wir hier darum kämpfen, daß das kein Leichenstein für die innere Lebenskraft der politischen Parteien in diesem Lande wird. ({6}) Machen Sie es sich doch nicht so billig, indem Sie sagen: Die SPD hat das Geld doch bisher genommen. Sie konnten es einer Partei nicht zumuten, daß sie durch Verzicht auf diese Mittel die anderen Parteien indirekt subventioniert und die Gleichheit der Chancen noch mehr verändert hätte. Bitte, Herr Kollege Leicht!

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmitt, glauben Sie nicht, daß 'die .Ausführungen, die Sie mit solcher Verve vorbringen, nur dann glaubhaft sein können, wenn sie bei der Erhöhung der Mittel, falls sie kommen sollte, auf sie verzichten? ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Leicht, ich habe gerade hierzu eine ausgezeichnete Stimme. Professor Eschenburg hat in der „Zeit" - Herr Präsident, ich darf das hier wohl verlesen, es wird alle interessieren - dazu folgendes geschrieben: Daraus - aus der Inanspruchnahme kann man der .SPD freilich nicht den Vorwurf der Inkonsequenz machen, und ebensowenig darf man in ihrer Ablehnung lediglich einen Scheinprotest sehen. Der Wahlkampf ist ein Wettbewerb. Wird kraft Mehrheitsbeschlusses des Parlaments eine Wettbewerbshilfe von Staats wegen gewährt, so muß auch die ablehnende Partei sie für sich beanspruchen, sonst nähme sie ein 'besonderes Handicap auf sich. Meine Damen und Herren, das ist so klar von einem anerkannten Mann der politischen Wissenschaften gesagt worden, daß ich dem nichts hinzuzufügen habe.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was sagen Sie dazu, daß in der Süddeutschen Zeitung von Montag, dem 6. April, auf Seite 1, wie so oft, die Ablehnung der Mittelerhähung von seiten der SPD erläutert ist und auf Seite 17 'derselben Ausgabe der frühere stellvertretende Bundesvorsitzende von Knoeringen bereits erklärt, daß die SPD diese Mittel, wenn sie von der Bundesregierung bewilligt würden, für die politische Bildungsarbeit verwenden werde?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, jede Antwort erübrigt sich hier. Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Meinung, daß Sie hier berechtigt sind, unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die dieses Haus hat, Steuergelder in diesem Umfang zu verwenden und für die Parteienfinanzierung zu benutzen. Die politischen Parteien werden zu Kostgängern des Staates, und ich möchte noch einmal an Sie appellieren, die Erhöhungen rückgängig zu machen und diese Fragen im Rahmen der Beratungen über ein Parteiengesetz vernünftig zu lösen. Lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu dem Antrag Umdruck 425 *). Hier haben Sie geglaubt, Sie hätten ein besonderes Glanzstück vorgelegt. Wir geben Ihnen die Chance, etwas Vernünftiges zu machen. Wir beantragen, den Antrag zu ergänzen: „Der Antrag kann nur gestellt werden, wenn die Partei einen Rechenschaftsbericht über die Aufbringung und Verwendung ihrer Mittel im abgeschlossenen Rechnungsjahr veröffentlicht hat. Spender sind darin namentlich aufzuführen, soweit der Einzelbetrag 1000 DM übersteigt." Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen darauf ankommt, hier etwas zu machen, haben Sie die Möglichkeit, diesen Antrag durch den Zusatz zu einem vernünftigen Ergebnis zu führen. ({0}) Wir bitten um Annahme unseres Antrages. Sie wissen, und ich darf das hier noch sagen: wir haben hilfsweise einen weiteren Antrag gestellt. Für den Fall, daß wir wirklich, was wir nach allem befürchten müssen, doch nicht zu dem Ergebnis kommen sollten, haben wir Ihnen einen fairen Vor- *) Siehe Anlage 5 schlag gemacht, der es Ihnen auch ermöglicht, das, was Sie, Herr Burgbacher, mir durch Zunicken zum Ausdruck gebracht haben, zu erreichen; Sie wollen ein Parteiengesetz mit einer klaren Aufschlüsselung: Von den Mitteln werden 18 000 000 DM qualifiziert gesperrt; die Aufhebung des Sperrvermerks kann erst nach Verabschiedung eines Parteiengesetzes mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages erfolgen. Meine Damen und Herren, ich beantrage namentliche Abstimmung über diesen Antrag, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, schnellstens eine vernünftige Regelung herbeizuführen. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Burgbacher.

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß in Art. 21 des Grundgesetzes den Parteien in der Bundesrepublik eine besondere Aufgabe verfassungsmäßig zugeschrieben ist, kann bei der Beurteilung der anstehenden Frage nicht außer Betracht gelassen werden. Es ist mir keine andere Verfassung in der freien Welt bekannt, in der den Parteien eine verfassungsgemäße Aufgabe überwiesen wurde. Wir sind uns wohl alle in diesem Hohen Hause darüber einig, daß die gesündeste Finanzierung der Parteien die Mitgliedsbeiträge sind. Wir sind uns weiter hoffentlich alle darüber klar, daß wir in einer freiheitlichen Ordnung leben und deshalb keinem einzelnen Bürger irgendeinen Zwang zumuten dürfen, was die Mitgliedschaft in einer Partei betrifft. ({0}) - Selbstverständlich haben Sie das auch nicht getan. Daraus ergibt sich drittens, daß, wenn die Parteiten die Aufgabe nach Art. 21 des Grundgesetzes zu erfüllen haben, aber die Bürger, die Wähler der Parteien, was ich in diesem Augenblick besonders bedauere, sich nicht entschließen, Mitglied der Parteien zu werden, die sie wählen, nur die Alternative bleibt, eine andere Finanzierung zu finden oder das politische Leben nach Art. 21 des Grundgesetzes mehr oder weniger einzustellen. Man sollte deshalb die Debatte immer so führen, daß man sich nicht dem Verdacht aussetzt, über die Finanzfrage auf politischer Ebene etwas erreichen zu wollen, was man auf der eigentlich politischen Ebene bisher nicht erreicht hat. ({1}) Die Möglichkeiten, die es außer den Beiträgen gibt, sind öffentliche Mittel und Spenden. Ich bin nicht der Meinung, daß es, wenn die Burger, Gott sei es geklagt, in nicht genügendem Umfang Mitglied der Parteien werden, die nächstbeste Lösung wäre, die Parteien - hören Sie zu! - vorwiegend auf Spenden zu stellen, sondern ich bin der Meinung, daß dann eine partielle öffentliche Finanzierung nach den Mitgliedsbeiträgen die relativ beste, wenn auch nicht die ideale Lösung ist. Im übrigen möchte ich feststellen, meine Herren von der Opposition, daß auch Sie Ihren Parteihaushalt heute schon nicht mehr ausgleichen könnten ohne die bisher zufließenden öffentlichen Mittel. ({2}) - Das denke ich nicht, sondern das weiß ich. Das können Sie in den Haushaltsberichten und in den Zusammenstellungen, die wir Schatzmeister gemeinsam - Gott sei Dank! - der Presse übergeben haben, mühelos nachlesen. Nun ist das Verfassungsgerichtsurteil schon einmal angesprochen worden. Ich muß es aber noch einmal tun. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß der Prozeß beim Bundesverfassungsgericht damals von der hessischen Landesregierung angestrengt worden ist. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß er inspiriert worden war von der Opposition hier im Hause. In dem Antrag der hessischen Landesregierung war zunächst - Prozeßakte Seite 21 - erklärt, der Staat dürfe die Parteien auch rein quotal oder auch durch feste und gleich große Beträge subventionieren. Im Laufe des Verfahrens hat der Prozeßbevollmächtigte der hessischen Regierung, unser sehr kluger früherer Kollege - und hoffentlich bald wieder Kollege - Dr. Arndt offenbar gemerkt, daß da vielleicht der erwünschte finanzpolitische Hemmungseffekt für die CDU/CSU und die FDP nicht erreicht würde, und die Auffassung der hessischen Regierung bei der Antragstellung, daß die Subventionierung aus öffentlichen Mitteln zulässig sei, im Plädoyer zurückgezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus aber die Folgerung gezogen, in sein Urteil folgenden Satz aufzunehmen: Da die Abhaltung, von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt, ist es zulässig, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition: Sie haben das Urteil inspiriert, Sie haben durch die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit der Spenden die Finanzquellen der CDU/CSU und FDP treffen wollen und auch getroffen, und wir müssen aus Respekt vor diesem höchstrichterlichen Urteil nun sehen, wo wir bleiben. Wollen Sie den andern Teil des gleichen Verfassungsgerichtsurteils, wonach öffentliche Mittel zulässig sind, nicht auch respektieren? Wenn Sie auch das nicht respektieren wollen, dann bitte ich um Entschuldigung, wenn ich sage, daß die Sache so aussieht, als wollten Sie über diesen Weg die sachliche politische Arbeit durch Abdrehen des Geldhähnchens so behindern, wie es nach Art. 21 nicht zulässig ist. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Bitte!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Burgbacher, kennen Sie nicht die zahlreichen Veröffentlichungen, die sich für eine bestimmte Teilfinanzierung aus öffentlichen Mitteln für Bildungsarbeit unter ganz klarer Kontrolle und mit Verwendungsnachweis aussprechen? Ich bin erstaunt, daß Sie heute auf diese Weise versuchen, uns zu bezichtigen, daß wir ein Trockenlegungsmanöver für die CDU vorschlagen.

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Diese Vermutung halte ich ja nur aufrecht, wenn Sie bei Ihrem Verhalten bleiben. Wenn Sie sich berichtigen, ziehe ich die Vermutung des Versuchs der Trockenlegung zurück. Im übrigen würde ich Sie freundlichst bitten, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, mit dem Erstaunen und den Größenordnungen mal zu warten, bis Sie sehen, was ich noch zu sagen habe. ({0}) - Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Koalitionsfraktionen bei der Abstimmung im Haushaltsausschuß die Erklärung abgegeben haben, sie würden mit allen Mitteln dafür eintreten, daß in dieser Legislaturperiode zwei Dinge verabschiedet würden, nämlich das Parteiengesetz und die Begrenzung der Wahlkampfaufwendungen. ({1}) - Das weiß ich nicht, das ist noch nicht ausgehandelt. Wenn ich gesagt habe „zwei Dinge", dann nur, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Begrenzung der Wahlkampfaufwendungen wegen ihres besonderen Gewichts auf einer Stufe neben dem Parteiengesetz rangiert. Ich kann verstehen - das sage ich ganz offen -, daß die Opposition eine gewisse Skepsis hat, weil das Parteiengesetz, wie jeder vernünftige Mensch zugeben muß, lange genug auf sich hat warten lassen. Aber glauben Sie uns bitte, daß es uns mit diesem Vorschlag ernst ist! Hier muß ich den Herrn Innenminister, der vorhin eigentlich an meiner Stelle eine kritische Bemerkung verpaßt bekam, ausdrücklich in Schutz nehmen. Das muß ich auf mich beziehen. Ich habe in unserer Partei angeregt - und das Präsidium hat es beschlossen, soviel ich weiß, hat es auch das Präsidium Ihrer Parteien beschlossen, meine Herren von der Opposition, der CSU und der FDP -, daß wir den redlichen Versuch machen sollten, das Parteiengesetz möglichst einvernehmlich als Initiativgesetzentwurf durch die Parteien einzubringen. Wenn es ein Gesetz in diesem Hohen Hause gibt, das besser von den Parteien statt von der Regierung getragen wäre, dann ist es wohl dieses Gesetz. Aus diesem Grunde ist der Entwurf des Innenministeriums den Parteien selbst über die Schatzmeister zugegangen, und daher wird auf diesem Weg verhandelt, um so zu versuchen, zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen. Ich habe auch den Eindruck, daß es jetzt in der Debatte eigentlich weniger um das Prinzip als - die Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen bestätigt mir das - um die Höhe geht. Ich muß deshalb über die Höhe einige wenige Worte sagen. Zum Teil ist es aus den Veröffentlichungen der Schatzmeister bekannt. Ich wähle extra Zahlen aus diesen gemeinsamen Veröffentlichungen. Wir haben festgestellt, daß der laufende Jahresbedarf der vier im Bundestag vertretenen Parteien sich bei etwa 70 Millionen DM bewegt und daß die Bundestagswahlkämpfe etwa 60 Millionen DM verbrauchen. Das soll keine Festlegung sein; es ist bis jetzt eine rein statistische Zahl. Wenn man die 60 Millionen DM auf vier Jahre verteilt, ergibt sich ein Gesamtbedarf von 70 + 15 = 85 Millionen DM der vier im Bundestag vertretenen Parteien auf Bundes-, Landes- und Kreisebene. Das bedeutet 2,25 DM pro wahlberechtigten Bürger und Jahr. Wenn wir nun 38 Millionen DM aus der Bundeskasse erbitten und noch etwa 10 Millionen DM aus den Landeskassen haben, dann ergibt das rund 48 Millionen DM. Es bleiben 35 bis 40 Millionen DM aus 'Beiträgen und Spenden zu decken. Man kann nun streiten, wo die Grenze sein soll. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es beim Beitragsaufkommen zwischen den Parteien eine große Verschiedenheit gibt: SPD 14 Millionen, CDU 3 Millionen, CSU und FDP je etwa 1 Million DM. Ich wiederhole, daß wir diese Entschlußlosigkeit unserer Wähler - was die Parteimitgliedschaft betrifft - bedauern, aber in der freiheitlichen Ordnung nicht ändern können. Bei dieser Sachlage halten wir es für richtig, so zu verfahren, vor allem deshalb, weil wir der Meinung sind, daß .es im allgemeinen Interesse unseres ,Volkes liegt, wenn die bei den Parteien hauptamtlich Tätigen nicht das Gefühl haben, von irgendwem aus finanziellen Gründen abhängig sein zu müssen, sondern wenn sie möglichst eine soziale Sicherheit haben, wie sie für alle anderen Stände unseres Volkes selbstverständlich ist und auch von diesem Hohen Hause immer vertreten worden ist. ({2}) - Dieser Einwurf, meine Herren, würde dann aber sehr weitgehend gelten. Denn wir Bundestagsabgeordneten sind mit unseren Diäten ja ebenfalls von dem gleichen Staat „abhängig" wie die Parteien von den Zuwendungen aus dem Haushalt. ({3}) Wenn das Geld eindeutig die Abhängigkeit bedeutet, dann ist Gott weiß was alles vom Staat abhängig. Dann sind die heute morgen vom Kollegen Erler mit Recht geforderten besten Schulen, ja, dann ist das ganze Bildungswesen vom Staat abhängig, Hochschulen, Wissenschaft, Forschung! Was ist dann alles vom Staate in dem Sinne des Vorwurfs „abhängig", daß dann Parteien vom Staate „abhängig" würden? Wer ist denn der Staat? Der Staat, das sind wir selbst, meine Damen und Herren, und niemand anders ist der Staat! Zu der Größenordnung erlauben Sie mir noch einige wenige Zahlen anzuführen. Es muß ja auch die Frage geprüft werden, ob wir das deutsche Volk überfordern. Ich behaupte, daß wir, wenn die Parteien - ich spreche in diesem Falle für alle vier, gar nicht für eine - 85 Millionen DM im Jahr, alles zusamemngenommen, also mit 2,25 DM pro Kopf, auskommen, kein Unrecht an unseren Bürgern tun; denn die Bürger haben das zu tragen, ob aus Beiträgen, ob aus Haushaltsmitteln oder aus Spenden. Es sind immer die Bürger. Sie wissen ja, für alkoholische Getränke und Rauchwaren gibt unser Volk 23,6 Milliarden DM aus, für Fernsehgebühren 480 Millionen DM, für Rundfunkgebühren 410 'Millionen DM und - hören Sie zu! - für Lotto und Toto 1,5 Milliarden DM. Nebenbei bemerkt, für Mitgliedsbeiträge im DGB geben diejenigen, die dort Mitglied sind, 400 Millionen DM aus. Bei den Wirtschaftsverbänden habe ich den Betrag leider nicht mit der gleichen Klarheit feststellen können. Ich glaube aber nicht, daß er niedriger ist als die Summe der Mitgliedsbeiträge beim DGB. Wenn Sie das alles 'mit der in Frage stehenden Größenordnung in Verbindung bringen, dann haben nach meiner Auffassung die Parteien hinsichtlich ihrer Finanzgebarung das Licht der Offentlichkeit nicht zu scheuen. Deshalb bin ich auch der Meinung, daß die Parteien öffentlich über ihre Mittel Rechenschaft legen sollten. Deshalb sind wir auch der Meinung, daß jetzt, wo mehr öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden, die Begrenzung der Aufwendungen für den Wahlkampf eine Pflicht ist. Ich bin auch der Meinung, daß die Parteien - alle im Hause - das Geld weit mehr als bisher statt für Materialschlachten für echte politische Informations- und Bildungsarbeit ausgeben und das dann auch ausweisen sollten. ({4}) Wir sollten also aus dieser Debatte etwas Nützliches und nicht etwas Schädliches für unser politisches Leben herleiten. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben das Bundesverfassungsgerichtsurteil unter dem Thema Chancengleichheit erstritten. Sie haben deshalb den Prozeß gewonnen. Ich stelle rückwärtsblickend die Frage, ob in diesem Prozeß alles bedacht worden ist, was an Chancenverschiedenheit sein kann. Bitte, entschuldigen Sie, ich wiederhole, was meine Freunde schon gesagt haben: Sie haben aus den Wiedergutmachungsleistungen in sehr geschickter und - ich hätte es nicht anders gemacht - kluger Weise Verlagsgesellschaften und Zeitungen usw. geschaffen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber in dieser gleichen Lage sind ja die anderen nicht. Das Verfassungsgericht hat die Chancengleichheit deshalb nicht als gegeben angesehen, weil die wirtschaftliche Potenz der Wählerkreise verschieden groß ist. Damals war das Verfassungsgericht der Meinung, daß die Potenz relativ am kleinsten bei den Wählern der SPD sei, relativ am größten bei uns; bei welchem von uns dreien, lasse ich einmal ganz offen. Da gab es aber auch noch nicht das Godesberger Programm und was dazugehört. ({5}) Auf jeden Fall ist die Chancengleichheit beim Vermögensbesitz der Parteien in keiner Weise in Betracht gezogen worden. In einer sehr angesehenen Zeitung hat ein sehr angesehener Mann einen Artikel geschrieben, in dem er sagt: Die Parteien bedürfen des individuellen Bürgersinns, nicht aber einer Spritze vom Finanzkollektivs. Das ist ein großartiger Satz. Ich habe überhaupt festgestellt, daß im Laufe der öffentlichen Debatte äußerst kluge Gedanken über diese Frage vorgebracht wurden. In der Regel fehlte aber überall das letzte Kapitel, in dem hätte geschrieben sein müssen, wie in der freiheitlichen Ordnung, in der man die Bürger nicht zur Mitgliedschaft in einer Partei zwingen kann, den Parteien, die über große Wählermassen verfügen, finanziell das Leben nach Art. 21 des Grundgesetzes ermöglicht wird. Ich bin sehr für den Bürgersinn auch in der Finanzierung. Er muß nur vorhanden sein. Wenn er nicht vorhanden ist, müssen wir uns eben so helfen, wie wir es in dem Beschluß des Haushaltsausschusses vorgesehen haben. Ich muß deshalb namens meiner Freunde bitten, den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 411 Ziffern 1 und 2 abzulehnen. Ich verbinde damit noch einmal die Erklärung, daß wir noch in diesem Jahre das Parteiengesetz dem Hohen Hause vorlegen und uns bemühen, es so einvernehmlich wie möglich zu machen. Wenn einige Punkte strittig bleiben, müssen wir sie eben nach demokratischer Gepflogenheit entscheiden. Einen anderen Weg gibt es in der Demokratie ja nicht. ({6}) - Zu dem Zusatzantrag wird noch ein Kollege Stellung nehmen. Der Antrag hit nämlich eine sehr interessante Geschichte, das wird Sie sehr interessieren. Ich bitte also, den Antrag der SPD auf Umdruck 411 abzulehnen und die Sache so sachlich und politisch zu sehen, wie sie gesehen werden kann, mit dem guten Willen, unserer Demokratie einen Dienst zu leisten und keinen Schaden zuzufügen. ({7})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die Diskussion über die Frage der Parteienfinanzierung heute nachmittag nicht imimer einen sehr glücklichen Weg gegangen ist. Der Kollege SchmittVockenhausen hat gesagt, die sachliche Begründung mit wenigen Sätzen im Haushaltsausschuß sei zuwenig gewesen, das genüge ihm nicht, das sei sehr schwach. Gleichzeitig hat er kritisiert, daß der Kollege Althammer mit sehr lyrischen Ausführungen diese sachliche Begründung - so möchte ich eigentDorn lieh annehmen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen - nachträglich doch mehr in ihrer Richtung erweitert hat. Deswegen meine ich, die Art und Weise, wie man die Dinge hier handhabt, ist nach meiner Auffassung nicht sehr glücklich. Diejenigen, die in den letzten Monaten über Parteienfinanzierung, ihre Nachteile und Schwächen und Abhängigkeiten, geschrieben haben, gehören fast ausnahmslos keiner Partei .an. Von außen läßt sich die Problematik aber, glaube ich, überhaupt nicht erkennen, wenn man nicht selbst einmal die Aufgabenstellung und die damit verbundenen Ausgabenpositionen innerhalb einer Partei erlebt hat, um wirklich zu einem objektiven Urteil kommen zu können. Die Frage der Eigenleistung, der Teilfinanzierung und der Äußerung der FDK von gestern ist, glaube ich, auch von Ihnen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, mißverständlich vorgetragen worden. Für uns Freie Demokraten ist ,das, was auf Grund der Parteienfinanzierung jetzt auf uns zukommen wird, nur eine geringe Teilfinanzierung der Notwendigkeiten, die wir eigentlich durchführen müßten. Zu dieser Teilfinanzierung aus dem öffentlichen Haushalt müssen wir also immerhin selber eine große Eigenleistung erbringen. Ich möchte annehmen, daß das bei der GDU nicht anders ist. ({0}) - Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, bei uns sind Theorie und Realität meist sehr viel näher beieinander, als Sie uns unterstellen. Gerade Sie, die Sie immer Wert darauf gelegt haben, festzustellen, wie viele Millionen an Mitgliedsbeiträgen bei Ihnen von Ihren Mitgliedern aufgebracht worden sind, müssen doch auch zugeben, daß das auch für Sie eine Teilfinanzierung ist. Ich glaube, man kann die Dinge überhaupt nicht so behandeln, daß man sagt: Diejenigen, die von der öffentlichen Hand Geld in Anspruch nehmen, begeben sich in Abhängigkeit. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, je klarer die Finanzierungsmöglichkeiten und die Finanzierungsbestimmungen sind, desto klarer ist die Unabhängigkeit der einzelnen Abgeordneten und Parteien und ihrer Mitglieder garantiert. Ich glaube, wir sollten hier noch eine nüchterne Feststellung treffen - im Gegensatz zu Behauptungen, die in Ihrer Propaganda in den letzten Jahren oft angeklungen sind -, nämlich die Feststellung, daß wir Freien Demokraten weder in der Vergangenheit noch heute zu den Kapitalisten unter den Parteien gezählt werden können. Nun hat Herr Kollege Althammer gesagt, daß die SPD über eine Reihe von Verlagen, Zeitungen und ähnliche Dinge verfüge und daß hier auch außerhalb der Parteien Wahlaussagen finanziert würden. Meine Damen und Herren, das trifft nicht nur für die SPD zu, das trifft für die CDU/CSU genauso zu - wenn ich an die „Neue Bildpost" und ähnliche Organe denke. Ganz besonders pikant ist dabei natürlich der Fall der Zeitungen Ides Herrn Kapfinger. Wenn man daran denkt, welche politischen Ansichten dort in der Vergangenheit verbreitet wurden, und sieht, welche politischen Grundtendenzen dort heute nach entsprechenden finanziellen Zuschüssen vertreten werden, hat man ein immerhin sehr pikantes Beispiel für die Möglichkeit, durch Finanzspritzen an einzelne Zeitungen und Verleger die politische Meinung der entsprechenden Zeitung zu verändern. Lassen Sie mich noch einen kurzen Schlußrückblick zur Frage der Parteienfinanzierung tun, bevor ich mich mehr den Problemen des Innenministeriums selbst zuwende. Wir haben auf Umdruck 425, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, einen Antrag vorgelegt, nach dem den Erläuterungen zu Kap. 06 02 Tit. 602 in Abs. 1 folgende zwei Sätze angefügt werden sollen: Die Auszahlung der danach jeder Partei zustehenden Mittel erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann auf einen Teilbetrag beschränkt werden. Sie waren der Meinung, das sei keine vernünftige Regelung, sondern sie würde erst dann vernünftig, wenn eine von Ihnen vorgeschlagene Ergänzung betreffend die haushaltsrechtliche Offenlegung angeschlossen würde; erst dann könne dieser Antrag akzeptiert werden. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wir Freien Demokraten sind in dieser Frage vielleicht in einer besonders glücklichen Situation, weil wir hier Wort für Wort einen Antrag bezüglich der Durchführung der Parteienfinanzierung aufnehmen, den die Sozialdemokraten zusammen mit den Freien Demokraten im Niedersächsischen Landtag eingebracht haben. Dort haben die Christlichen Demokraten wegen der Mehrheits- und Regierungsverhältnisse dieselben Argumente gegen die Verteilung der Mittel für die Parteienfinanzierung vorgebracht, die Sie und Ihr Kollege Erler hier heute vorgetragen haben. Es ist doch durchaus ein gerechter Ausgleich, wenn wir hier heute zusammen mit den Christlichen Demokraten das beantragen, was Sie zusammen mit uns im Landtag von Niedersachsen beantragt haben. Ich könnte mir also vorstellen, daß das durchaus eine Basis ist, auf der wir uns dann alle gemeinsam finden würden. ({1}) Das, meine Damen und Herren, zur Parteienfinanzierung! Ich glaube, etwas mehr Wahrhaftigkeit auf allen Seiten würde auch dazu führen, daß wir dieses Thema in Zukunft nicht mehr so zu behandeln brauchten, wie es heute hochgespielt worden ist. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, die Haltung sozialdemokratischer Fraktionen in den Landesparlamenten, soweit sie die Mehrheit haben, läßt bei uns nicht den Eindruck aufkommen, daß Sie das, was Sie hier ausgesagt haben - wenn Sie hier die Mehrheit hätten, würden Sie das alles wieder rückgängig machen -, auch unbedingt durchführen würden. Lassen Sie mich nun noch zu drei Fragen kommen, die mit dem Etat des Innenministeriums allgemein zusammenhängen. Herr Innenminister, damit in die5762 sem Hause die gegenseitigen Vorwürfe bezüglich der langsamen Behandlung von Gesetzentwürfen in Zukunft nicht noch weiter Gegenstand von Auseinandersetzungen zu sein brauchen, haben wir die Bitte an Sie, doch auch dafür zu sorgen, daß die erbetenen Unterlagen aus Ihrem Hause etwas schneller in die Ausschußberatung kommen, damit diese schnell vor sich gehen kann. Lassen Sie mich ein ganz konkretes Beispiel vortragen. Wir haben eine Reihe von Gesetzesvorlagen, die sich mit dem zivilen Bevölkerungsschutz befassen. Wir haben eine ganze Reihe von Organisationen, die dankenswerterweise auf diesem Sektor seit vielen Jahren vorbildliche Arbeit leisten. Aber wir haben leider den Eindruck gewinnen müssen - auch auf Grund der Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über das Zivilschutzkorps -, daß die Kompetenzabgrenzung innerhalb der Organisationen nicht so durchgehalten werden kann, wie sie zur Zeit praktiziert wird. Wir bitten also, daß Ihr Haus hier sehr klare Kompetenzvorstellungen entwickelt und endlich dem Hause unterbreitet, damit wir zu einer klaren Entscheidung kommen können. Eine zweite Bitte an Ihr Haus ist die, dafür zu sorgen, daß wir möglichst bald mit der Vorlage - der Endvorlage, möchte ich sagen - aller noch in dieser Legislaturperiode zu behandelnden Gesetze auf dem Beamtensektor rechnen können, damit wir uns selbst ein Bild darüber machen können, welche Vorstellungen noch bei der Bundesregierung vorhanden sind, und schnell zu Entscheidungen kommen. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort an unser Präsidium und an den Ältestenrat richten. Ich bitte die Mitglieder beider Gremien, ernsthaft zu prüfen, ob es nicht zweckmäßig und notwendig ist, einen Beamtenrechtsausschuß einzurichten - eine alte Forderung meiner Fraktion -, damit es möglich ist, die auf uns zukommenden Beamtengesetze von der 131er-Gesetzgebung bis zur Frage der Harmonisierung der Besoldung und alle damit zusammenhängenden Dinge sachgerecht und fristgerecht zu beraten. Herr Präsident, ich weiß, daß Sie über diesen Vorschlag nicht erfreut sind. Aber der Innenausschuß ist effektiv nicht in der Lage, diese gesamte Problematik noch in dieser Legislaturperiode zu bewältigen. ({2}) Das wäre ein Schaden für die betroffenen Beamtenkreise. Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir hier zu einem guten Ergebnis kommen. Nun eine letzte Bemerkung. Wir haben bereits einige Worte der Diskussion über die Behandlung und Verabschiedung der Notstandsgesetze gehört. Meine Damen und Herren, wir sollten sehr bald innerhalb der Fraktionen dieses Hauses und miteinander den Mut haben, zu sagen, daß das Notstandspaket als Paket in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden kann. Wir sollten uns zusammensetzen und gemeinsam überlegen, welche Gesetze aus dem Notstandspaket, das insgesamt 11 Gesetze umfaßt, noch realisiert werden können, um diese vorab zu behandeln, damit wenigstens noch ein Teil dieser Gesetze in dieser Legislaturperiode so 'schnell wie möglich verabschiedet werden kann. Das kann nicht das Anliegen einer Fraktion sein, sondern hier ist es notwendig, daß alle drei Fraktionen dieses Hauses so schnell wie möglich zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000669, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier muß in seiner Eigenschaft als Präsident des Hauses hier von der Möglichkeit Gebrauch machen, ein Wort zu sagen. Er möchte nicht, daß der Appell des Herrn Kollegen Dorn, den er soeben gehört hat, einfach echolos verhallt. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich ein Gegner eines Ausschusses bin, wie wir ihn jahrelang hier in diesem Hause gehabt haben. Aber ich habe den Appell gehört und möchte Ihnen sagen, Herr Kollege Dorn, daß wir sorgfältig prüfen werden, ob der Innenausschuß in der Tat so überlastet ist, daß er gewisse Aufgaben nicht bewältigen kann. Wenn das der Fall ist, dann werden wir versuchen, in anderer Weise Ihrem Wunsche gerecht zu werden. Aber der Einrichtung eines Beamtenrechtsausschusses möchte ich doch widerraten. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben .schon im letzten Bundestag mit gutem Erfolg immer wieder Unterausschüsse für die Beamtenfragen und -einzelgesetze gebildet. Herr Kollege Dorn, wenn mir ein bescheidener Hinweis erlaubt ist: es ist dann natürlich immer gut, wenn Ihre Fraktion regelmäßig durch entscheidungsberechtigte Mitglieder vertreten ist. Dann können Sie sicher sein, daß die entsprechenden Unterausschüsse in der Lage sind, ihre Beratungen immer fristgerecht abzuschließen. Mehr wollte ich zu diesem Thema aus guten Gründen jetzt nicht sagen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Wenn dem amtierenden Präsidenten eine Zwischenbemerkung erlaubt ist: Es ist gut, wenn wir nicht Unterausschüsse schaffen, die dann reine Gewerkschaftsvertretungen sind. ({0}) Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schlägt mit ihrem Änderungsantrag Umdruck 411 Ziffer 3 vor, im Einzelplan 06 Kap. 06 02 Tit. 657 unter c) - Förderung von begabten und bedürftigen deutschen Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen nach den GrundFrau Freyh ({0}) Sätzen des Honnefer Modells - den Ansatz um 9 Millionen DM zu erhöhen und den Bundesanteil an der Förderung in den dazugehörigen Erläuterungen mit 50 % anzugeben. Bei diesem Antrag handelt es sich in der Reihe der hier vertretenen Anträge meiner Fraktion um den ersten Antrag, der eine Erhöhung zur Folge hätte. Zur Stellung dieses Antrages veranlaßt uns folgendes. Der Haushaltsplan für das Jahr 1964 enthielt ursprünglich für die Studentenförderung einen Ansatz von 27,5 Millionen DM, der als eine Bundesbeteiligung von 25 % ausgewiesen war. Der Bund hatte sich damit wiederum ein Stück aus der Studentenförderung zurückgezogen, denn der Ansatz war, soweit es die prozentuale Beteiligung anging, um die Hälfte gekürzt worden. In der Offentlichkeit blieb diese Verminderung nicht unbemerkt, denn sie stand zweifellos im Gegensatz zu der Ankündigung, die vorhin noch einmal von Herrn Dr. Stoltenberg hier zitiert worden ist, daß es nämlich in diesem Bundeshaushalt einen Schwerpunkt Wissenschaft gebe. Sie stand auch im Widerspruch zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers über die Bedeutung der Bildungsfragen in unserer Zeit. Herr Dr. Stoltenberg hat vorhin geäußert, der Gesamtetat für die Wissenschaftsaufgaben sei in diesem Jahr um 14 % gesteigert worden. Diese 14 % bedeuten aber nur eine Steigerung um 119 Millionen DM. Das ist im Rahmen des Gesamtvolumens des Haushaltes von 60,3 Milliarden DM keine sehr erhebliche Summe. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses - ich kehre wieder zu unserem Antrag zurück - beschloß schließlich im Februar eine immer noch nicht ausreichende Erhöhung des Ansatzes um 5,5 Millionen DM, verzichtete aber gleichzeitig auf eine genauere Bezeichnung des Prozentsatzes der Bundesbeteiligung. Das Ergebnis ist Ihnen vorgetragen worden. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der FDP, können zweifellos nicht annehmen, daß Sie mit diesem Ansatz eine ausreichende Bereitstellung von Mitteln für die Studentenförderung vorgesehen haben. Die 33 Millionen DM, die Sie jetzt in den Haushaltsplan für die Studentenförderung eingesetzt haben, liegen erheblich unter dem Ist-Ergebnis des Vorjahres, das mit 37,2 Millionen DM ausgewiesen ist. Inzwischen ist einiges geschehen, woran die Mehrheit des Haushaltsausschusses im Februar offenbar noch nicht recht geglaubt hat. Einmal hat die Kultusministerkonferenz sich Anfang März aus finanz- und sozialpolitischen Gründen - der Vorbehalt zur Änderung der Darlehensförderung in den Richtlinien des Bundesinnenministeriums macht dies deutlich - zu einer Zustimmung zu den geänderten Richtlinien entschließen müssen. ({1}) Außerdem wurde in der zweiten Märzhälfte das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Förderung von Wissenschaft und Forschung von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet, das eine Beteiligung des Bundes an der Studentenförderung in Höhe von 50 % vorsieht. Aus den Beratungen des Haushaltsausschusses wurde deutlich, daß diese neue Situation dort nicht berücksichtigt worden war - und das ist der eigentliche Anlaß zu unserem Antrag -; Formulierungen von Herrn Dr. Stoltenberg in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 20. Februar 1964 weisen deutlich darauf hin. Dort heißt es, daß über einen auf Grund der neuen Richtlinien entstehenden Mehrbedarf später gesprochen werden solle; oder an einer anderen Stelle: daß eine Erhöhung des Ansatzes von der Beendigung des Darlehensstreites abhängig sei. Im Gegensatz zu der Mehrheit des Ausschusses verhielten sich meine Fraktionskollegen nicht nur optimistischer, sondern sie waren vermutlich auch überzeugter von der Dringlichkeit einer Verbesserung der Studentenförderung und von der Notwendigkeit, das Verwaltungsabkommen endlich in Kraft zu setzen. So beantragten meine Kollegen bereits bei den Beratungen des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 06, den Ansatz für die Studentenförderung im Hinblick auf die dringend erforderliche Erhöhung der Freibeträge - die immerhin schon einige Jahre in der Diskussion stand - ausreichend zu erhöhen, und zwar ausgehend von dem Istergebnis des Vorjahres und unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs infolge der Erhöhung der Einkommensfreigrenze. Hier darf ich ganz kurz auf das eingehen, was Herr Dr. Althammer schon zu diesem Punkt gesagt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß diese Gelder in allen vergangenen Jahren nicht voll abgerufen worden sind. Aber, Herr Dr. Althammer, Ihnen ist sicherlich auch bewußt gewesen, daß der Antrag, der von seiten der SPD im Haushaltsausschuß gestellt wurde, sich ja nicht etwa auf den Vorjahresansatz im Bundeshaushalt bezog, sondern auf die Istausgabe, die für das Haushaltsjahr 1963 errechnet worden ist. Dieser Antrag meiner Fraktionskollegen wurde damals abgelehnt. Wir legen heute erneut einen Antrag auf Erhöhung vor und hoffen, daß wir Sie jetzt zu einer Zustimmung bewegen können. Sie haben darauf hingewiesen, daß im Haushaltsausschuß Klarheit und Einmütigkeit darüber erzielt worden sei, daß das Honnefer Modell voll finanziert werden muß. Sie haben damit aber nicht gleichzeitig die Bereitschaft verbunden, die Mittel bereits im eigentlichen Haushaltsplan zu erhöhen. Nach unserer Auffassung gehören aber voraussehbare Mehrausgaben in den Haushaltsplan und nicht von vornherein in einen Nachtragshaushalt, wie Sie es vorgesehen haben. Sie können diese notwendigen Ausgaben, die jetzt schon voraussehbar sind, nicht einfach in die Zukunft schieben. Das ist auch haushaltsrechtlich nicht in Ordnung, ganz abgesehen davon, daß wir ja jetzt, Mitte April, erst den eigentlichen Haushalt für 1964 beraten. Wir aber wollen schon in diesem Haushalt ausreichende Mittel für die Studentenförderung bereitgestellt sehen. Außerdem brauchen wir uns in diesem Jahr mit Ihnen nicht mehr über Dotationen, freiwillige Zuwendungen oder dergleichen hinsichtlich des Charakters dieser Studentenförderung im Bund-Länder5764 Frau Freyh ({2}) Verhältnis zu streiten; denn durch das Verwaltungsabkommen wird in Kürze eine rechtliche Verpflichtung des Bundes existieren, die Mittel zur Hälfte aufzubringen. Deshalb beantragen wir ferner, dieser Beteiligung des Bundes in den Erläuterungen wieder einen klaren Ausdruck zu verleihen, nachdem Sie im Haushaltsausschuß dieses prozentuale Beteiligungsverhältnis gestrichen haben. Abschließend aber noch ein paar Worte zum Schicksal der Studentenförderung im vergangenen Jahr. Es ist schon fast vergessen, daß das Bundeswissenschaftsministerium einmal aus koalitionsarithmetischen Gründen entstanden ist. Aber noch immer ressortiert die Studentenförderung nicht in diesem Ministerium, in das sie dem Sachzusammenhang nach gehört. Wir fragen deshalb den Herrn Bundeskanzler, wann er von seiner Organisationszuständigkeit Gebrauch machen und die Studentenförderung im Wissenschaftsministerium ansiedeln wird. Außerdem hat es im vergangenen Jahr eine so unerfreuliche und langwierige Auseinandersetzung um die Anpassung des Honnefer Modells an die gestiegenen Lebenshaltungskosten gegeben, daß man davon nicht schweigen kann. Im März 1963 begannen im Haushaltsausschuß die ersten Beratungen über die Erhöhung der Freibeträge bereits mit einem Junktim der Mehrheit. Die Mehrheit wollte eine Erweiterung der Studentenförderung nur über Darlehen. Im Oktober wurde dann ein Kompromißvorschlag der Kultusminister zurückgewiesen, der vorsah, zunächst nur die Freibeträge für das Wintersemester 1963 zu erhöhen und die Darlehensfrage zurückzustellen. Im Dezember 1963 wurde von der Bundesregierung die Bundesbeteiligung an der allgemeinen Studentenförderung auf 25 % gesenkt, also um die Hälfte. Hier ist vorhin gesagt worden, die Senkung sei geringfügig. Ich glaube, die Senkung auf 25 % anstelle von 50 % ist nicht geringfügig. Im Januar 1964 sprachen sich die Kultusminister einstimmig erneut für eine Erhöhung der Freibeträge und für eine Darlehensförderung in der bewährten Form aus. Aber - und deswegen habe ich Ihnen diese lange Leidensgeschichte des vorigen Jahres hier noch einmal vorgetragen - die Mehrheit im Haushaltsausschuß beharrte auch nach dem einjährigen ergebnislosen Streit auf der Ausdehnung der Darlehensförderung. Deshalb mußten die Kultusminister schließlich Anfang März zustimmen. Die Länderhaushalte waren längst abschließend-beraten, und die Bundesbeteiligung war zur Aufrechterhaltung der Studentenförderung unbedingt nötig. Das vergangene Jahr bot also ein unangemessenes Schauspiel: Resignation auf der einen Seite, mangelnde Kompromißbereitschaft auf der anderen Seite, ausgetragen auf dem Rücken der Studenten, von denen von Semester zu Semester prozentual weniger gefördert wenden konnten, weil die Einkommensfreibeträge immerhin bis zum 31. März 1964 auf der Einschätzung der Lebenshaltungskosten im Jahre 1959 beruhten. Zur Darlehensregelung, an der die Mehrheit trotz der Einwände, die von seiten der Kultusministerkonferenz, der Westdeutschen Rektorenkonferenz und auch des Verbandes deutscher Studentenschaften kamen, so unerschütterlich festgehalten hat, werden wir in der dritten Lesung noch mit einem Entschließungsantrag Stellung nehmen. Gestatten Sie mir hier nur noch ein kurzes Wort zu den geänderten Richtlinien. Wir fragen uns, Herr Bundesrninister des Innern, warum ein den neuen Richtlinien nichts mehr darüberausgesagt wird, wer nun eigentlich, wie es früher hieß, Form und Umfang der Eignungsprüfungen feststellt und überwacht. Das war in den bisherigen Richtlinien Aufgabe der Fakultäten. Heute ist dieser Passus ersatzlos gestrichen. Wessen Aufgabe soll die Feststellung der Eignungskriterien und des Prüfungsverfahrens heute sein? Wird diese Neuregelung auf Grund der Streichung auf Kosten der Einheitlichkeit der Studentenförderung im Bundesgebiet gehen? Ist diese Änderung überhaupt absichtlich erfolgt? Wir wären Ihnen für die 'Beantwortung dieser Frage dankbar, die immerhin von einer weitreichenden Bedeutung ist, da für die Förderung nicht nur die Bedürftigkeit, sondern auch ,das Kriterium der Eignung von entscheidender Bedeutung ist. Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, uns bei der Bereitstellung ausreichender Mittel für die Studentenförderung im Haushaltsjahr 1964 zu unterstützen und unserem Antrag Ziff. 3 ides Umdrucks 411 zustimmen zu 'wollen. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und 'Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Freyh, ich bitte 'zu entschuldigen, wenn ich Ihren charmanten Ausführungen in einzelnen Partien widersprechen muß. Ich habe kürzlich eine interessante Notiz gelesen. Da stand geschrieben, daß der PPP Ihrer Partei nahestünde. Ich habe das für eine sehr neckische Untertreibung angesehen, weil ich immer der Meinung gewesen bin, er wäre ein „alter ego" von Ihnen. Nun ist es doch so, daß sich damals, als der Haushaltsansatz für das Honnefer Modell der Offentlichkeit bekannt wurde, in diesem PPP eine sehr lange Darstellung fand, und zwar eine Darstellung, die durchaus die Taktik des Innenministeriums als gerechtfertigt und den Umständen nach sogar als richtig und zweckmäßig erwiesen hat. Um nun keine Legendenbildung nachträglich aufkommen zu lassen, darf ich auf diese Entstehungsgeschichte mit wenigen Worten ganz kurz eingehen. Vielleicht hängt es mit der Formulierung, die Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen in einem anderen Zusammenhang gebraut hat, zusammen, mit dem, was Sie mit „schlitzohrig" gemeint haben und was ich gar nicht gerügt habe. .Aber der Umgang mit der SPD verlangt eine solche Reaktion; sonst kann man nicht bestehen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. ({0}) ) Die Dinge waren so - um Ihnen das noch einmal zu erklären -, wie sie im ganzen Haus und im Haushaltsausschuß bereits vorgetragen worden sind. Wie bei anderen Haushalten war auch beim Haushalt des Innenministeriums eine starke Kürzung in Höhe von 176 Millionen DM notwendig. Es entstand nun die Frage, wo die Beträge gekürzt werden sollten. Bei gesetzlichen Verpflichtungen war das nicht möglich, und die Verwaltungsabkommen waren noch nicht unterschrieben; nur die Unterschriften durch die Bundesregierung standen bereits früher fest. Ich habe deshalb taktisch folgendes gemacht. Ich habe, um einen gewissen Druck auszuüben, einen wesentlichen Betrag für das Honnefer Modell gekürzt, bei dem keine gesetzlichen Verpflichtungen existieren; nicht, weil mir dieses Anliegen nicht genauso gegenwärtig wäre wie jedem hier im Hause, sondern weil ich der Meinung war: Wenn ich einen Teil des Geldes wieder zurückbekommen wollte und sollte, dann könnte es nur auf diesem Wege geschehen. Deswegen ist der Ansatz für das Honnefer Modell auf 27,5 Millionen DM gekürzt worden. Die Länder haben uns x-mal vorgerechnet, daß wir uns mit fremden Aufgaben befaßten, vor allem in diesem Bereich, und es war keine unerwartete Überraschung für mich, daß beim zweiten Durchgang des Haushalts im Bundesrat der alte Ansatz wiederhergestellt wurde. Die Länder haben verlangt, daß der als notwendig angesehene Ansatz wiederhergestellt wird. Das war also die Entstehungsgeschichte, so daß die berechtigten Ansprüche der Studenten hier in keiner Weise verkürzt werden. Eine weitere Frage ist nun, ob wir jetzt in der Form vorgehen sollten, wie Sie das vorgeschlagen haben. Ich glaube, daß die Form besser ist, die der Kollege Althammer meint, nämlich die rechtlichen Verpflichtungen anzuerkennen, die demnächst bestehen werden, aber daß wir das jetzt nicht in der Form machen, daß wir 50 Millionen oder 44 Millionen DM einsetzen, sondern daß wir abwarten, bis das Abkommen rechtsgültig und verpflichtend ist und daß wir dann den aus rechtlichen Verpflichtungen notwendigen Betrag durch eine Finanzvorlage ergänzen. Ich bin auch gerne bereit, die Frage zu beantworten, wie es mit den Eignungsprüfungen stehe. Die Eignungsprüfungen sind keineswegs beseitigt, sondern sie sind nach wie vor - nach B II 1 der Förderungsrichtlinien - ein Bestandteil der Hauptförderung und werden durch die Hochschullehrer vorgenommen. Ich glaube mich in Übereinstimmung mit Ihnen zu befinden, wenn ich sage, daß alle diese Fragen im engsten Einvernehmen mit der Hochschule geprüft werden sollten. Auf die Frage, ob die Ressortverteilung für das Honnefer Modell richtig ist, ob die Zuständigkeit beim Innenministerium liegen oder ob sie auf das Wissenschaftsministerium übergehen sollte, werden Sie von mir keine Antwort verlangen. Ich darf aber doch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß es vor allem das Innenministerium war, das durch ' seine Anregungen für eine wesentliche Verbesserung der Richtlinien gesorgt hat. Wir hätten auch viel früher einen Abschluß haben können, weil schon am 30. Juni des vergangenen Jahres die Kultusministerkonferenz unseren Vorschlägen zugestimmt hat. Von Berlin wurden aber neue Änderungsvorschläge gemacht, die neue Verhandlungen notwendig machten, und ein Einvernehmen zwischen Kultusministerkonferenz und Innenministerium ist Voraussetzung für die Aufstellung der Richtlinien. Das war historisch der Grund. Ich glaube aber, das dies überhaupt nicht Gegenstand des Streites ist. Wir sollten uns über diese Entwicklung freuen, daß wir eine 50 %ige Bundesbeteiligung für die Zukunft durch Vereinbarung gesichert haben und daß auch die Richtlinien verbessert worden sind. Im übrigen ist folgendes zu sagen: Wenn die Einkommensgrenzen ständig überschritten worden sind, so ist das ein Zeichen für die günstige und vorteilhafte Wirtschaftspolitik, auf die hinzuweisen wir so oft Gelegenheit hatten. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Flitz.

Dr. Hedi Flitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000563, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich darf zu den Änderungsanträgen der SPD Umdruck 411 Ziffer 6 und 7 und Umdruck 417 *) im Namen der Freien Demokratischen Partei Stellung nehmen. Bei dem Änderungsantrag Umdruck 411 handelt es sich um die Kürzung der Mittel für die Ausbildung und Fortbildung im zivilen Bevölkerungsschutz. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Frau Abgeordnete Dr. Flitz, Sie wollten sich zu Umdruck 411 äußern. ({0}) Zunächst hat Herr Abgeordneter Wellmann das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 411 Ziffer 4.

Hans Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine, sehr verehrten Damen und Herren! In den beiden letzten Jahren habe ich mit sachlichen Argumenten den Versuch unternommen, die Mehrheit dieses Hauses davon zu überzeugen, daß die Ansätze bei der Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten verstärkt werden müßten; leider ohne Erfolg. Aber dieser Mißerfolg kann mich nicht daran hindern, heute noch einmal den Versuch zu unternehmen, Sie zu der Einsicht zu bringen, daß es gut und erforderlich ist, diesen Ansatz zu erhöhen. Ich will also den Versuch unternehmen, Sie dazu zu bewegen, in den letzten Jahren gegebene Versprechungen Ihrer führenden Männer endlich einzulösen, zumindest zu einem Teil einzulösen. Ich habe sogar die Absicht, den verwegenen Versuch zu unternehmen, *) Siehe Anlage 6 Ihre vorgefaßte Meinung, die Herr Althammer vorhin zum Ausdruck gebracht hat, umzustoßen. Ich möchte auch versuchen, Ihnen, meine Damen und Herren, klarzumachen, daß es sich bei diesem Antrag nicht etwa um ein spezifisch sozialdemokratisches Anliegen handelt. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß der ganze Deutsche Bundestag dafür verantwortlich ist, daß die deutsche Sportbewegung endlich die Förderung und Unterstützung erhält, die ihr der Wichtigkeit der Sache entsprechend zukommt. Ich möchte ausdrücklich noch einmal betonen, daß es sich darum handelt, die Gesunderhaltung des deutschen Volkes zu fördern. Sie alle haben schon von Zivilisationsschäden gehört; aber wenigen wird bekannt sein, welches Ausmaß sie inzwischen erreicht haben. Führende Staatsmänner von Industriestaaten haben inzwischen die Erkenntnis gewonnen, daß hier Abhilfe geschaffen werden muß, und sie haben auch die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Ich darf nur an die beiden nahezu beschwörenden Appelle des verstorbenen Präsidenten Kennedy erinnern, nach dessen Auffassung die amerikanische Jugend bereits viel zu verweichlicht ist, was dazu geführt hat, daß in den Vereinigten Staaten ein permanenter Untersuchungsausschuß geschaffen wurde, der diese Dinge beobachten soll. Ich darf Sie ferner darauf aufmerksam machen, daß die Sowjetunion eine starke biologische Aufrüstung betreibt, obwohl gerade das biologische Kapital dort sehr viel größer ist als in allen anderen vergleichbaren Zivilisationsstaaten der Erde: Ich sagte, daß Sie schon von Zivilisationsschäden gehört haben werden. Ich bezweifle aber, daß alle Mitglieder dieses Hauses eine Vorstellung davon haben, welchen Umfang sie inzwischen angenommen haben. Ich lege Wert darauf, daß später keiner sagen kann, er habe das nicht gewußt und habe darum unserem Antrag nicht zugestimmt. Ich darf Ihnen einige Zahlen nennen, von denen ich annehme, daß Sie nicht nur stark beeindruckt, sondern erschüttert sein werden, wie ich es auch gewesen bin. Professor Mellerowicz, ein bekanter Sportarzt, der in Berlin ein sportmedizinisches Institut leitet, hat sich der Mühe unterzogen, 94 603 Musterungsbefunde durchzusehen. Dabei ist er zu folgender Feststellung gekommen: Von den Dienstpflichtigen litten 22,3 % an Haltungsfehlern, bei 24,15 % waren Herz- und Kreislaufstörungen festzustellen, bei weiteren 25,2 % vegetative Dystonie. Das heißt abgerundet, daß von 100 000 Dienstpflichtigen, also von jungen Menschen, die zur Wehrmacht eingezogen werden, rund 72 000 gesundheitlich nicht in Ordnung sind und daß nur 28 000 als unbedingt tauglich bezeichnet werden können. Ich glaube, daß diese Zahlen auch für Sie eine eindringliche Mahnung sein werden, Ich hatte an und für sich nicht die Absicht, Sie heute noch einmal mit Zahlen zu langweilen, aber der Kollege Althammer hat mich einfach dazu herausgefordert mit der Bemerkung, daß in den letzten Jahren ein rasantes Ansteigen der Mittel für die Spitzenfinanzierung des Baues von Sportstätten zu verzeichnen war. Darum darf ich nochmals einige Zahlen in Erinnerung bringen. Nach der freiwilligen Vereinbarung der Bundesregierung über die Finanzierung des Goldenen Plans hatte sie sich bereit erklärt, ({0}) - Herr Dr. Stoltenberg: bereit erklärt! -, ab 1961 folgende Beträge für die Finanzierung des Goldenen Plans, also für die Spitzenfinanzierung des Baues von Sportstätten, beizutragen: im Jahre 1961 30 Millionen DM, in Ansatz gekommen sind 20 Millionen DM; 1962 sollte sie 40 Millionen DM beisteuern, tatsächlich in Ansatz gekommen sind gegen unseren Willen 30 Millionen DM, davon mußten die Ausfälle durch die Baustoppverordnung abgezogen werden, also nur 24 Millionen DM wurden dem deutschen Sport im Jahre 1962 zur Verfügung gestellt; 1963 sollten es 60 Millionen DM sein, tatsächlich sind zur Verfügung gestellt worden wieder 30 Millionen DM weniger 20'0/o, also 24 Millionen DM; 1964, also für das jetzt laufende Haushaltsjahr, waren dem deutschen Sport 80 Millionen DM von der Bundesregierung zugesichert worden, in Ansatz gebracht worden sind in diesem Jahr wiederum 30 Millionen DM. Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt noch den Änderungsantrag der FDP berücksichtigen, gegen den wir grundsätzlich keine Bedenken haben, dann würde sich dieser Betrag von 30 Millionen DM auf 28 Millionen DM reduzieren, da ja dadurch eine Zweckentfremdung der Mittel stattfinden würde.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stoltenberg? - Bitte!

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wellmann, ich darf doch festhalten, daß es keine Vereinbarung über diese Frage gibt und daß es auch keine Zusicherung von Jahresraten gibt, sondern eine allgemeine Erklärung der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen, die Ziele des Goldenen Plans zu unterstützen.

Hans Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Stoltenberg, ich muß Ihnen leider widersprechen. Wenn Sie sich den Finanzierungsplan des Goldenen Plans ansehen, werden Sie feststellen, daß die Bundesregierung von 1964 bis zum Jahre 1975 80 Millionen DM beisteuern wollte und die Länder 220 Millionen DM geben wollten. Ich habe schon im vorigen Jahre darauf aufmerksam gemacht, daß die Länder bei 90 bis 100 und über 100 % zum Teil liegen, während die Bundesregierung im vorigen Jahr ungefähr bei 26, 27 % lag und jetzt sogar noch darunter bleibt. Das ist ja unser Anliegen, meine Damen und Herren, darum bitten wir Sie ja, diese Mittel endlich zu erhöhen. Die Relation läuft doch auseinander. 80 Millionen DM sollten gebracht werden, 30 Millionen DM sind in Ansatz gebracht. Es ist doch wohl verständlich, wenn wir heute den Antrag stellen, wenigstens 50 % der in Aussicht gestellten Mittel tatsächlich bereitzustellen, Meine Damen und Herren, dabei drängt sich bei mir ein Vergleich auf. Aus demselben Kap. 06 02 kann ich eine andere Entwicklung hier einmal aufzeigen. Es handelt sich um den Tit. 612, den wir schon behandelt haben. 1961 waren hier 5 Millionen DM in Ansatz gebracht worden. Eigentlich waren es null Millionen, denn sie waren ja speziell für die politische Bildungsarbeit vorgesehen. 1962 wurde der Ansatz auf 15 Millionen DM erhöht, 1963 auf 20 Millionen DM, und für 1964 beantragen Sie heute 38 Millionen DM. Da kann man von einem rasanten Ansteigen sprechen, aber wirklich nicht bei der Spitzenfinanziernug von Sportstätten. Ich darf Sie herzlich darum bitten, unserem Antrag stattzugeben. Sie haben damit nicht nur Gelegenheit, dem deutschen Sport einen guten Dienst zu erweisen, sondern mit dieser Bewilligung können Sie auch den Tausenden und aber Tausenden von freiwilligen Helfern des deutschen Sports, die sich seit Jahren Woche für Woche in den Turn- und Sportstätten ehrenamtlich - ich unterstreiche das: ehrenamtlich - der deutschen Jugend zur Verfügung stellen, Dank und Anerkennung zollen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Josten. ({0})

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer ruft mir schon zu, 1 ich würde für die Ablehnung sprechen. Das ist zwar richtig; ich darf aber darauf hinweisen - ({0}) - Nein! Ich spreche deshalb dazu, weil die Darlegungen des Kollegen Wellmann nicht stimmen. Er hat hier etwas ausgeführt, was vorhin schon Herr Kollege Stoltenberg versucht hat klarzustellen, daß nämlich nicht die Bundesregierung die Zahlen eingesetzt hat. Vielmehr wurde schon 1960 von der Deutschen Olympischen Gesellschaft der sogenannte Goldene Plan zur Schaffung von Sport- und Erholungsstätten der Offentlichkeit übergeben, und nach diesem Plan sollten von der Bundesregierung die Beträge eingesetzt werden, die hier der Kollege Wellmann genannt hat. Rückschauend darf ich feststellen, daß wir 1957/ 58/59 jeweils um die 5 Millionen gerungen haben. Wir haben damals gesehen, daß es im Rahmen des Etats auch getan wurde. 1960 kamen wir auf 6,750 Milionen DM, und 1961 waren es dann 20 Millionen DM, die auf Grund einer interfraktionellen Besprechung hier im Hause zustande kamen. Wir haben ja hier den Kreis der Freunde des Sports, in dem wir damals dann auch beschlossen haben, diese Sache jeweils vorher dort zu besprechen und dann übereinstimmend in unseren Fraktionen zu vertreten; von Sonderanträgen sollte abgesehen werden. Ich möchte bitten, daß wir im kommenden Jahr wieder so verfahren.. Das ist sicher der bessere Stil. Denn jeder hier im Hause ist ja für den Sport, und es wäre für den Sport am besten, wenn wir wieder so verfahren würden, wie wir es uns im Kreis der Freunde des Sports vorgenommen hatten. Der Kollege Althammer hat schon Beträge erwähnt, welche neben den 30 Millionen DM bei Einzelplan 06 vorgesehen sind. Lassen Sie mich darauf hinweisen, daß z. B. von seiten des Verteidigungsministeriums seit Jahren beachtliche Mittel für den Bau von Turn- und Sportstätten aufgewandt werden. Ich halte das für besonders wichtig, weil damit zum Ausdruck kommt - worauf Kollege Wellmann richtig hingewiesen hat -, daß die Bundesregierung diese Situation erkannt hat. Das Verteidigungsministerium hat von 1956 bis 1963 85 Sportanlagen von kommunalen Verbänden mit einem Betrag von 12,6 Millionen DM bezuschußt. Es handelt sich hier um Sportplätze, welche neben den Gemeinden auch der Truppe zur Verfügung stehen. In Höhe von 11,3 Millionen DM liegen zur Zeit noch Anträge beim Verteidigungsministerium für die Beteiligung an kommunalen Sportplätzen vor. Das Ministerium selbst hat für 1964 einen Betrag von 12 Millionen DM vorgesehen, und zwar für 40 Sportplätze und 25 Sporthallen. Ich glaube, auch die Zuschüsse auf die Sie vorhin mit Recht hingewiesen haben, die Zuschüsse, die von den Ländern und Gemeinden aufgebracht werden, verdienen nicht nur erwähnt, sondern von uns auch sehr begrüßt zu werden. Insgesamt müssen wir folgendes erkennen. Heute morgen hat schon Bundeskanzler Erhard ausgeführt, daß 9,3 Milliarden DM an Etatwünschen gestrichen wurden. Die führenden Männer und Frauen des Deutschen Sportbundes mit ihrem Präsidenten Daume haben der Bundesregierung und dem Hohen Hause oft ein Wort der Anerkennung für die Unterstützung auf diesem Gebiet des Sportstättenbaues gezollt. Auch sie wissen, daß wir lieber mehr Sportstätten als Kasernen bauen würden. Die Realitäten der geteilten Welt zwingen uns zu Ausgaben, die wir lieber unterlassen würden. Aber unsere Sportler - auch das muß man sagen - wissen sehr gut, daß der Sport in Freiheit nur durch große Opfer weiter möglich ist. Ich bitte, den Antrag der SPD zu Tit. 973 abzulehnen. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Kubitza.

Werner Kubitza (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001236, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 424 zu Kap. 06 02 - Allgemeine Bewilligungen - komme, möchte ich einige Worte zu dem sagen, was Herr Kollege Wellmann ausgeführt hat. Ich muß ihm in dem, was er an Situationsschilderung gegeben hat, voll beipflichten. Wenn man den Bericht des Generalarztes Dr. Finger über die Auswertung der Wehrpflichtuntersuchungen durchgelesen hat, dann kann man nicht nur leicht erschrecken, sondern ist tief betroffen über Iden Gesundheitszustand unserer Zwanzigjährigen. So düster, wie Herr Kollege Wellmann die finanzielle Situation hinstellte, ist sie nun auch wieder nicht. Wir können immerhin feststellen, daß gegenüber den zwei vergangenen Jahren, durch den Wegfall der 20prozentigen Bausperre in diesem Jahr, der Betrag von 30 Millionen DM voll zur Verfügung steht und daß der Ansatz für die zentralen Maßnahmen auf )dem Gebiet ides Sports und der Leibesübungen durch die Aufstockung um 2 580 000 DM auf .6 120 000 DM angehoben worden ist. Das sind zwar immer noch bescheidene Beträge, aber wir haben uns im Rahmen des Möglichen 'zu halten und das Notwendige und Wünschbare mit dem finanziell Möglichen abzustimmen. Es sind Stimmen des Zweifels laut geworden, ob die Förderung des Turn- und Sportstättenbaues überhaupt Bundessache sei. Grundsätzlich ist der Sportstättenbau eine Aufgabe der Kommunen und der freien Verbände. Aber in Anerkennung der Bedeutung, die ihm für die Hebrung der Volksgesundheit zukommt, wird der Übungsstättenbau zusätzlich durch die Länder gefördert. Entsprechend ihrer Zuständigkeit ist bei den Ländern bereits ein Betrag von durchschnittlich 80 % der aufzuwendenden Mittel erreicht worden. Da eine verstärkte Beteiligung breiter Bevölkerungskreise an den Leibesübungen im Interesse der Gesunderhaltung unseres gesamten Volkes liegt, hat die Bundesregierung 'seinerzeit in Würdigung dieser Erkenntnisse den vorgesehenen Förderungsmaßnahmen zugestimmt und diese Ansicht auch wiederholt bekräftigt. Gewiß, Herr Kollege Stoltenberg, es liegt keine 'gesetzliche Verpflichtung vor. Aber ich betrachte die seinerzeit vom Altbundeskanzler, von idem Fraktionschef der CDU/CSU, Dr. Krone, von Professor Carlo Schmid und von Dr. Mende .zum 'Goldenen Plan abgegebenen Erklärungen als ein Gentleman's Agreement; und unter Gentlemen ist man einfach verpflichtet, dieses Gentleman's Agreement auch zu halten. Wir haben ,nämlich neben dem Bildungsnotstand auch einen leiblichen Notstand. Ich habe anfangs schon auf das Ergebnis der Wehrpflichtigenuntersuchungen hingewiesen. Interessant ist der Schluß, zu dem Generalarzt Dr. Finger kommt. Wir haben gehört, daß die Bundeswehr, wie Kollege Josten sagte, auch eine Reihe von Sportstätten und einschlägiger Maßnahmen in ihre Förderung einbezogen hat. Generalarzt Dr. Finger kommt jedoch zu dem Schluß, daß die Körperschäden der Zwanzigjährigen kaum mehr 'zu beheben sind, sondern daß diese 'Aufgabe vorbeugend nur im Schul- und im Jugendalter wahrgenommen werden kann. Lassen Sie mich nun zu dem Antrag auf Umdruck 424 *) kommen. Hier ist ein Entschließungsantrag aufgenommen, den ich im vorigen Jahr vor diesem Hohen Hause begründet habe unid der damals einstimmig angenommen worden ist. 'Dieser Entschließungsantrag zur dritten Lesung des Haushalts im vorigen Jahr lautete: Die Bundesregierung wind ersucht, zu prüfen, ob die Hypotheken-Gewinnabgabe finanzschwacher Turn- und Sportvereine, soweit sie durch *) Siehe Anlage 7 diese Abgabeschuld erheblich belastet sind, auf Antrag erlassen werden kann. Die Bundesregierung wird beauftragt, dem Bundestag hierüber zu berichten und gegebenenfalls entsprechende gesetzliche Regelungen vorzuschlagen. Nun, man schiebt die Lösung des Problems, um das es sich hier handelt, in diesem Hause seit neun Jahren vor sich her. Es sind alle Wege ausgelotet worden, um gerade den davon betroffenen Turnvereinen zu helfen. Zu 90 % sind nämlich die von der Hypotheken-Gewinnabgabe betroffenen Vereine Turnvereine mit ihren Turnhallen. Die Turnvereine sind aber bei ihrem Einkommen aus Veranstaltuntungen, aus Mitgliedsbeiträgen usw. nicht in der Lage, die Abgabeschuld endlich abzulösen. Ich sagte, daß seit neun Jahren alle Wege ausgelotet worden sind. Es wurde versucht, im Kriegsfolgenschlußgesetz eine entsprechende Regelung zu finden. Das war nicht möglich. Es wurde dann versucht, eine Regelung über den Lastenausgleich zu finden, wohin ja die Hypotheken-Gewinnabgabe gehört. Das war ebenfalls nicht möglich. Es wurde über § 131 der Reichsabgabenordnung versucht, die Abgabeschuld auf dem Billigkeitswege zu erlassen. Es ist mir kein Fall bekannt, wo dieses Verfahren bisher zum Zuge gekommen wäre. Bis jetzt ist dem Hohen Hause über den seinerzeitigen Entschließungsantrag weder ein schriftlicher noch ein mündlicher Bericht erstattet worden. Aber ich habe mich mit den zuständigen Beamten im Bundesfinanzministerium darüber unterhalten und die Prüfung dieser Frage verfolgt. Diese Prüfung hat ergeben, daß es zweckmäßig und sinnvoll ist, einen Ansatz für die Ablösung der HypothekenGewinnabgabe in Tit. 973 vorzusehen, wie das auch in dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag beantragt wird. Der Ansatz in diesem Titel ist deswegen sinnvoll, weil wir nicht auf der einen Seite neue Sportstätten fördern und neue Baumaßnahmen einleiten, auf der anderen Seite es so weit kommen lassen können, daß Turnvereine mit ihren Turnhallen vor der Zwangsvollstreckung stehen. Ich habe mehrere Briefe erhalten, wo mir Vereine schreiben: Helfen Sie uns endlich, weil die Finanzämter nunmehr mit der Zwangsvollstreckung drohen. Ich meine, es würde ein schlechtes Bild geben, wenn in unserer Bundesrepublik auch nur wegen einer Halle zwangsvollstreckt würde. Ich bitte Sie aber auch noch aus einem anderen Grunde, der in einem Schreiben des Finanzministeriums vom 2. April 1963 enthalten ist. Da heißt es: Die Ablösung der Verpflichtung aus der Hypotheken-Gewinnabgabe scheint mir für die Existenzfähigkeit der betreffenden Vereine deshalb vorrangig zu sein, weil die ständige Bedrohung durch eine einschneidende Zwangsmaßnahme den Vereins- und Sportbetrieb auf die Dauer lähmt oder gänzlich zum Erliegen bringen kann. Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, diesem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Damit ist die Ziffer 4 des Änderungsantrags Umdruck 411 begründet. Herr Kollege Dr. Stoltenberg hatte sich noch zu Ziffer 3 gemeldet. Seine Meldung ist übersehen worden. Ich gebe ihm das Wort.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese sehr lange Debatte nicht ausweiten. Aber ich glaube, es sind doch einige Klarstellungen notwendig. Zunächst sind bei Ziffer 3 und auch bei Ziffer 4 zwei Positionen angesprochen, bei denen der Haushaltsausschuß trotz der allgemeinen Notwendigkeit zu Kürzungen nicht unerhebliche Erhöhungen gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen hat. Ich glaube also, daß wir versucht haben, sachlichen Notwendigkeiten, die hier vorgetragen sind, zu entsprechen. Den Antrag des Herrn Kollegen Kubitza bitte ich trotz seiner Klage über die Verzögerung dem Haushaltsausschuß, gegebenenfalls auch einem zweiten Ausschuß zu überweisen, weil wir diese Frage mit der Regierung prüfen müssen. Eine solche Ausschußüberweisung, Herr Kollege Kubitza, stellt auch sicher, daß die Dinge dann zu einem Abschluß kommen. Wir sind aber nicht in der Lage, die rechtliche Problematik, die damit verbunden ist, hier ohne eine Einzelprüfung zu entscheiden. Jetzt noch eine kurze Bemerkung zur Diskussion über die Studienförderung. Ich glaube, wir wiederholen manche Diskussionen hier in jedem Jahr. In jedem Jahr, meine Damen und Herren, haben Sie Bedenken vorgetragen, daß die Mittel für die Studienförderung nicht ausreichen. Das ist auch publizistisch wirkungsvoll dargestellt. Wir haben in den letzten Jahren bei den Bundesmitteln immer Reste gehabt. Das möchte ich als erstes sagen. Ich darf als zweites sagen, daß wir versucht haben, mit der Erhöhung dieses Ansatzes im Haushaltsausschuß dem unseres Erachtens wahrscheinlichen Bedarf zu entsprechen. Wir sind noch nicht davon überzeugt, daß sich auch auf Grund der neuen Richtlinien ein Mehrbedarf ergibt. Sollte das der Fall sein, sind wir bereit - das hat auch der Herr Bundesinnenminister gesagt -, durch einen Nachtrag oder im Rahmen einer überplanmäßigen Ausgabe dafür zu sorgen, daß diese Mittel in dem Maße, in dem sie benötigt werden, auch voll zur Verfügung stehen. Wir sind auch bereit, das Bund-Länder-Abkommen zu honorieren, obwohl es nicht so ist, Frau Kollegin Freyh, daß ein Verwaltungsabkommen eine Rechtsverpflichtung schafft. Wir sind aber bereit, das politisch zu honorieren. Nun möchte ich doch sagen, man sollte das Bild nicht allzu düster darstellen, wie Sie es getan haben. Ich glaube, es herrscht keine Resignation und kein Pessimismus über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, sondern außer einigen Leuten, die aus ideologischen Gründen überhaupt jede Darlehensförderung ablehnen, wird die Tatsache einer Einigung zwischen Bund und Ländern über eine verbesserte Studienförderung von der Mehrzahl der Studenten begrüßt, eine Lösung, die wir ja nicht willkürlich gewählt haben, sondern die sich auf Vorschläge des Deutschen Studentenwerks stützt. Wir glauben, daß wir hiermit ein Fundament für eine verbesserte Studienförderung haben. Wir werden dafür Sorge tragen, daß auf der Grundlage des Etatansatzes die volle Finanzierung erfolgt. Deshalb glaube ich, daß wir mit gutem Gewissen uns für den Ansatz aussprechen können, wie ihn der Haushaltsausschuß nach sorgfältiger Prüfung gegenüber der Regierungsvorlage erhöht hat.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zur Begründung der Ziffer 5 des Änderungsantrags Umdruck 411 hat das Wort der Abgeordnete Schröder ({0}).

Kurt Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002081, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl der in Umdruck 411 Ziffer 5 wiedergegebene Antrag in den letzten Jahren wiederholt zur Beratung gestanden hat, aber von der Koalitionsmehrheit immer wieder abgelehnt worden ist, legen wir ihn dem Hohen Hause erneut vor, weil wir wie bislang der Aufassung sind, daß der Bundestag unbedingt Wert darauf legen sollte, die Verwendung der Mittel für Zwecke des Verfassungsschutzes in Kap. 06 09 Tit. 300 auch durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages überprüfen zu lassen. Es ist Ihnen bekannt, daß ein nicht minder bedeutungsvoller Ausgabetitel, der des Bundesnachrichtendienstes, bereits der parlamentarischen Prüfung durch einen Unterausschuß unterliegt. Deshalb ist es um so verwunderlicher, daß bisher den Anträgen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Einsetzung eines Unterausschusses zur Prüfung der Verwendung der Mittel des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Zustimmung einer Mehrheit dieses Hauses versagt geblieben ist. Das eine wie das andere Amt haben bedeutende politische Aufgaben zu erfüllen. Insbesondere dieser politischen Bedeutung wegen sollte nicht nur für eines dieser Ämter, sondern für beide die Mitwirkung des Bundestages bei der Prüfung als. selbstverständlich anerkannt werden. Der Herr Bundesinnenminister hat bei der vorjährigen Debatte u. a. erklärt, daß er gar nicht so neuerungssüchtig sei. Er sagte, man solle nicht etwas ändern, was sich bewährt habe. Nun, solchen Meinungen begegnet man des öfteren. Nur werden sie nicht den uneingeschränkten Anspruch darauf erheben können, daß sie immer den Gegebenheiten in vollem Umfang gerecht werden. Erstens handelt es sich bei der Einsetzung eines Unterausschusses nicht um eine Neuerung, zumal beim Bundesnachrichtendienst eine dem Antrag meiner Fraktion entsprechende Prüfung bereits praktiziert wird. Und zweitens: was sich zunächst bewährt haben mag, wird nicht für immer die bessere oder beste Methode sein. Wir meinen aber, was man besser machen kann, sollte, auch wenn dabei Neuerungen erforderlich sind, besser gemacht werden. Das ist der Sinn unseres Antrages. Es dürfte sogar Übereinstimmung darüber bestehen, daß z. B. die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrechnungshof und einem parlamentarischen Schröder ({0}) Unterausschuß - denken wir dabei an den Rechnungsprüfungsausschuß - zu einer noch besseren Auswertung der Prüfungsergebnisse führen wird. Und darauf sollten wir alle und nicht zuletzt der Herr Bundesinnenminister Wert legen. Deshalb darf ich das Hohe Haus bitten, dem Antrag auf Umdruck 411 Ziffer 5 die Zustimmung nicht zu versagen, nach dem in Tit. 300 des Kap. 06 09 der letzte Absatz des Haushaltsvermerks folgende Fassung erhalten soll: Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses des Haushaltsausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir legen mit großem Recht sehr viel Wert darauf, daß die Verhältnisse in Bund und Ländern bei gleichartigen Tatbeständen sich entsprechen. Nun dürfte das Hohe Haus sehr interessieren, wie die Aufsicht über den Verfassungsschutz in den Ländern geführt wird. Da gibt es eine interessante Zusammenstellung, die ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten möchte. Die Kontrolle der Mittel, die hier zur Debatte stehen, geschieht durch den Präsidenten des Landesrechnungshofes in folgenden Ländern: Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Hamburg und Hessen. Damit ist also schon der größte Teil in einer ganz eindeutigen Richtung festgelegt. In Bremen obliegt die Kontrolle einem Verwaltungsgremium, bestehend aus dem Präsidenten des Landesrechnungshofs, dem Senator für Inneres und dem Senator für Finanzen. Bei der sehr zielbewußten Personalpolitik, die dort betrieben wird, kann ich mir nicht vorstellen, daß sich Angehörige der Opposition in diesem Gremium befinden könnten. ({0}) In Nordrhein-Westfalen wird gemäß einem Landtagsbeschluß eine Prüfung nicht durch den Rechnungshof vorgenommen, sondern durch eine von Fall zu Fall durch den Innenminister berufene Kornmission, die sich aus den Haushaltssachbearbeitern des Landesamts und einem Rechnungsprüfungsbeamten des Ministeriums zusammensetzt; auch hier keine parlamentarische Kontrolle. Dasselbe gilt für das Saargebiet. Meine Damen und Herren, das ist die Rechtslage. Ich glaube, man sollte niemanden in Versuchung führen, im Bund etwas anderes zu tun als in den Ländern. Es sind dieselben Sachverhalte. Wir haben sowieso immer Klagen, daß wir hier etwas anderes sagen als in den Ländern. Ich denke dabei auch an die Drei-Ebenen-Theorie, die Ihre neueste Geheimwaffe darstellt. Ich bin der Meinung, man sollte es bei der bisherigen Lösung belassen. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag. Im Rahmen der Aussprache über die Vorwürfe, die erhoben worden sind, habe ich Ihnen - Herr Kollege Schmitt, Sie waren dabei - den Vorschlag gemacht, wir möchten einmal einen ersten Schritt machen, indem wir beim Bundesamt für Verfassungsschutz dieselbe Kontrolle seiner Arbeitsweise einführen, die wir beim Bundesnachrichtendienst haben, nämlich durch die Herren Fraktionsvorsitzenden; wohl das kompetenteste Gremium, das es in diesem Hause geben kann. Dieser Vorschlag ist von Ihnen und den übrigen Kollegen gar nicht so aufgenommen worden, wie er das eigentlich verdient hätte. Der Vorschlag bleibt bestehen, obwohl er fast eine Ablehnung gefunden hat. Das wäre ein Anfang. Dann sollte man harmonisieren, und wenn dann alles, auch in Ihren Ländern, harmonisiert ist, sprechen wir uns wieder.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zur Begründung der Anträge unter den Ziffern 6 und 7 des Umdrucks 411 hat das Wort Frau Abgeordnete Renger.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001821, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten vereinbart, den Einzelplan 36 mit zu behandeln und die Anträge dazu mit zu begründen. Ich darf mir erlauben, einige' allgemeine Bemerkungen voranzuschicken, weil ich es Ihnen dann ersparen kann, daß ich morgen noch einmal auf die Tribüne gehe, um die Entschließungsanträge zum zivilen Bevölkerungsschutz zu vertreten. In dieser Haushaltsberatung ist es außerordentlich bedauerlich für uns alle, daß die Mittel für die zivile Verteidigung nicht nur nicht erhöht worden sind, sondern auch noch gekürzt werden mußten. Das Argument, daß in den vergangenen Jahren nicht einmal die bewilligten Mittel ausgegeben worden sind, ist ein ganz schlechtes Argument. Es scheint mir zu zeigen, daß ein ziemlicher Wirrwarr innerhalb der Ressorts besteht und daß noch immer nicht eine vernünftige langfristige Planung im Bundesministerium des Innern und im Kabinett vorhanden ist. Die zivile Verteidigung läuft leider noch immer unter „ferner liefen". Es würde mich wirklich interessieren, zu erfahren, wann im Bundesverteidigungsrat zu diesen Dingen Stellung genommen wird und welche Rolle der Herr Innenminister dann in diesem Gremium spielt. Wäre er so stark, wie er da sein müßte, dann müßten wir allerdings mehr praktische Ergebnisse sehen. Wenn wir sehen, daß für die militärische Verteidigung wirklich keine Mittel gescheut werden und daß erhebliche Beträge auch in falschen Investitionen und für Fehlkonstruktionen eingesetzt wurden, dann muß man sagen, daß die Zivilverteidigung wirklich sehr viel zurückhaltender vorgeht und daß mit ihren inzwischen etwa 4 Milliarden DM wirklich das niedrigste, was überhaupt denkbar ist, in Ansatz gebracht wurde. Aber das schlimmste scheint zu sein, daß auf der höheren Ebene überhaupt die richtige Initiative für die Bewältigung der Aufgaben der Zivilverteidigung fehlt. Wir haben im Innenausschuß eine ganze Menge Gesetzentwürfe vorliegen, und es regnet immer wieder neue Entwürfe. Mir scheint, daß es manchmal besser wäre, wenn wir die alten bestehenden Gesetze erst einmal durchführten und bis hinunter in die Gemeinden die notwendigen Durchführungsbestimmungen erlassen würden, damit wenigstens die bereits vorhandenen Gesetze und Verordnungen ordnungsgemäß angewendet werden könnten. In den Ministerien und draußen scheint im allgemeinen auch bezüglich dessen, was man Bevölkerungsschutz nennt, ein ziemlicher Begriffswirrwarr zu herrschen. Man spricht von ziviler Verteidigung, man spricht von Zivilschutz, von Luftschutz, von Katastrophenschutz. Die sozialdemokratische Fraktion wird Ihnen dazu in der dritten Lesung einen Entschließungsantrag vorlegen, mit dem versucht werden soll, diesen Sprachenwirrwarr etwas aufzulösen. Wir bitten Sie, dem zuzustimmen, daß wir in Zukunft prinzipiell von ziviler Verteidigung und Zivilschutz sprechen und dementsprechend auch den bisherigen Bundesluftschutzverband in Zivilschutzverband und das Amt für zivilen Bevölkerungsschutz in Amt für Zivilverteidigung umbenennen. Das ist, glaube ich, auch deshalb von Bedeutung, weil der Begriff Luftschutz bei der Bevölkerung wirklich auf große Abneigung stößt; dadurch bekommen wir weniger Menschen zur Mitarbeit. Außerdem umfaßt der Begriff gar nicht mehr das, was auf uns zukommen könnte. Sie wissen, daß es in der Bevölkerung immer noch eine große Skepsis gegenüber den Möglichkeiten der zivilen Verteidigung gibt. Die Vereinigung der deutschen Wissenschaftler hat sich in besonderer Weise der Untersuchung der Bevölkerungsschutzmaßnahmen angenommen. Man kann sagen, daß hier eine private Vereinigung eine Aufgabe übernommen hat, die längst von der Bundesregierung hätte in Angriff genommen sein müssen. Den Wissenschaftlern sollte man für ihre ausgezeichnete Arbeit auch an dieser Stelle Dank sagen, wobei man sich keineswegs zu jeder politischen Konsequenz zu bekennen braucht. Mir scheint aber, daß eine private Untersuchung allein nicht genügt. Sehr verehrter Herr Minister, Sie werden wieder unsere Aufforderung finden, daß Sie erneut eine Sachverständigenkommission von unabhängigen Wissenschaftlern, Ärzten, Psychologen, Bausachverständigen und auch Vertretern der Bevölkerung berufen sollten, um der deutschen Bevölkerung ein umfassendes Bild von den Aufgaben und Möglichkeiten der Zivilverteidigung geben zu können. Die Freie Hansestadt Hamburg hat hier ein vorzügliches Beispiel gegeben. Einige Länder haben jetzt erfreulicherweise Aufgaben übernommen, die eigentlich Sache des Bundes wären. Im übrigen scheint es mir manchmal so, Herr Minister, daß die große Aufgabe der Zivilverteidigung sehr viel für Ihr Amt ist. Ich frage mich, ob es nicht gut wäre, wenn Sie - wie das im Lande Schleswig-Holstein oder in Hamburg der Fall ist - nicht noch einen zusätzlichen Berater für diese Aufgaben berufen würden. Das würde vielleicht die Dinge voranbringen. Lassen Sie mich noch eine Kritik, die heute schon von dem Kollegen Dorn vorgebracht wurde; wiederholen. Die Koordinierung in den verschiedenen Am-tern und Ministerien, die sich mit der Zivilverteidigung befassen, scheint uns nicht in Ordnung zu sein. Es gibt viele Überschneidungen, Doppelarbeit und dadurch unnötige Kosten und leider kein Ergebnis. Ich glaube, wir sollten auch hier eine Änderung schaffen. Die Bundesoberbehörden sind extra geschaffen worden, um die Ministerien zu entlasten. Daher sollten die Arbeiten dort geleistet werden, wo sie hindelegiert worden sind. Das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz ist für die Schulung, Ausbildung und Aufklärung zuständig. Die sozialdemokratische Fraktion ist geneigt, zuzustimmen, daß wir eine Führungsakademie für Zivilverteidigung bekommen. Aber es ist sehr fraglich, ob dafür wieder eine besondere Organisation und ein besonderer Verwaltungsapparat geschaffen werden muß oder ob es nicht richtiger wäre, daß auch diese neue Akademie vom Bundesamt geleitet wird. Ich glaube, daß es auch notwendig wäre, eine Koordinierung der Aufklärung vorzunehmen. Man findet Ansätze dafür im Haushalt des Bundesministeriums des Innern, „Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz" Tit. 304 - Werbung und Aufklärung - und Tit. 602 - Aufwendungen des Bundesluftschutzverbandes -. Wir könnten uns vorstellen, daß man diese Mittel besser und mit größerem Nutzen einsetzt, wenn man diese Dinge noch mehr konzentriert. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn schon .alle anderen Kürzungen äußerst bedenklich sind, so z. B. bei den Ansätzen für das Alarmprogramm, die Nachrichtenübermittlung usw. - von den baulichen Maßnahmen überhaupt nicht zu reden, da sind es ja keine Kürzungen, da waren ja praktisch noch nie Mittel eingesetzt -, dann muß ich aber ganz besonders sagen, daß die Kürzungen, die bei den Ansätzen für Ausbildung und Werbung im Bundesamt oder im Bundesluftschutzverband vorgenommen worden sind, nicht akzeptiert werden können. Deshalb bittet die SPD-Fraktion, bei Tit. 303 den ursprünglichen Ansatz von 1 950 000 DM wiederherzustellen und bei Tit. 602 - Bundesluftschutzverband - den Ansatz um 3 Millionen DM zu erhöhen. Das ist immer noch weniger, als das Bundesministerium des Innern vorgeschlagen hat. Sie finden diese Anträge im Umdruck 411 unter den Ziffern 6 und 7. Es ist nach wie vor nötig, der Bevölkerung zu sagen: Die Bundesregierung hat auf dem Gebiet des Zivilschutzes nicht genügend getan; man könnte sogar noch weiter gehen. Das ist um so bedauerlicher, als man, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, in vielen Versammlungen feststellen kann, daß die Menschen wirklich Verständnis für den Bevölkerungsschutz haben, aber vor einer Teilnahme zurück5772 schrecken, weil sie sehen: es geschieht ja eigentlich nichts. Es ist auf die Dauer unerträglich, wenn wir ihnen immer wieder die Antwort auf die Frage schuldig bleiben müssen: „Ihr habt uns zwar Sirenen auf das Dach gebaut; aber was soll denn nun wirklich geschehen, wenn es einmal ernst wird? Wohin sollen wir dann gehen?" Ich muß hier im Namen der sozialdemokratischen Fraktion wiederholen, daß die außerordentlich hohen Belastungen des einzelnen Bürgers, die auch in den kommenden Gesetzen enthalten sind, als unerträglich empfunden werden. Im übrigen ist schon wieder so viel Zeit ins Land gegangen - oder es war von Anfang an so -, daß die Mittel, die Sie vorgesehen haben, auch für die kommenden Gesetze nicht mehr stimmen. Es wäre gut und dringend notwendig - und wir werden Sie darum bitten -, eine neue Kostenübersicht und einen Zeitplan vorzulegen. Sehr verehrter Herr Minister, man wird immer wieder gefragt, warum denn, wenn in den Gemeinden Schulen, Krankenhäuser usw. gebaut werden, vom Bund keine Mittel dazu gegeben werden können. Es wird damit begründet, daß die Räume nicht als öffentliche Schutzräume zu betrachten seien. Ich meine, es wäre gut, wenn sich die Bundesregierung überlegte, ob nicht doch ein Weg zu finden wäre, einen Zuschuß zu geben. Es wäre doch sehr viel billiger, wenn schon gebaut wird, die Einrichtungen jetzt mit einzubauen, denn in einem Ernstfall würden diese Räume ganz sicher auch als öffentliche Schutzräume benutzt. Meine Damen und Herren, denken Sie daran, daß wir Gesetze schaffen wollen - wir haben schon das Selb.stschutzgesetz und andere -, in denen Zwangsund Strafbestimmungen enthalten sind. Ich muß wieder fragen: Wie wollen Sie diese Bestimmungen durchführen, wenn die Voraussetzung, nämlich der Schutzraum, fehlt? Aus der Tagespresse muß man leider entnehmen, daß innerhalb der Ressorts wieder neue Schwierigkeiten und Differenzen entstanden sind. Wenn ich jetzt höre, daß das Bundesschatzministerium völlig anderer Meinung über die vorgesehenen Schutzräume ist, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, wonach wir uns zu richten haben. Um so bedeutsamer und wichtiger wäre also eine Sachverständigenkommission, die die Fragen einmal richtig klärt. Herr Minister, es wäre sehr, sehr gut, wenn Sie einmal in Ihrem Hause Vorbereitungen träfen, urn den unglaublichen Instanzenweg sowohl für die öffentliche Hand, die Schutzräume baut, wie für die Privaten, etwas abzubauen. Ich hörte davon, daß etwa 25 Instanzen durchlaufen werden müssen, und daß es die Länder und Gemeinden mit 4 bis 5 Ministerien zu tun haben. Sehr geehrter Herr Minister, da muß eine Änderung geschaffen werden. Ich glaube, daß das auch möglich ist. Die Opposition kann feststellen, daß, wenn sie lange genug geredet 'hat - ich meine, nicht 'gerade heute, sondern lange Jahre darüber geredet hat -, schließlich das Bundeskabinett und die Mehrheit dieses Hauses ihren Vorschlägen zustimmt. Es sind immer nur sehr kleine Erfolge; aber wir sind auch für diese kleinen Erfolge dankbar. Wir hoffen, daß, wenn 'Sie mehr auf die Opposition hören, sogar aus der Zivilverteidigung noch etwas werden kann. Wir freuen uns also darüber, 'daß Sie in diesem Haushalt die Einrichtung und Ausrüstung von Hilfskrankenhäusern in einem besonderen Titel vorgesehen haben. Daß der vorgesehene Ansatz dieses Titels aber gleich wieder um 1 Million DMgekürzt werden soll, scheint uns nicht zu verantworten zu sein. Wir bitten, auch in diesem Punkt unserem Erhöhungsantrag zuzustimmen. Seit Jahren, meine Damen und Herren, gibt es eine Diskussion über die Anschaffung von Hubschraubern. Auch hier ist die Bundesregierung endlich zu der Erkenntnis gekommen - und sie ist damit dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion gefolgt -, daß die .Anschaffung von Hubschraubern unbedingt notwendig ist. Ich glaube, die Notwendigkeit braucht kaum begründet zu werden. Wir haben das gerade bei der Katastrophe in Norddeutschland alle verfolgen können. Für den Zivilschutz ist die 'Anschaffung der Hubschrauber unbedingt erforderlich. Ich glaube, die wirklich geringe Summe von 1,8 Millionen DM sollte dafür aufgebracht werden. Wenn schon so viel Mangelerscheinungen auf dem Gebiet der Zivilverteidigung vorhanden sind, meine Damen und Herren, dann versuchen Sie, wenigstens mit kleinen Maßnahmen einen Teil auszugleichen. ({0}) - Die späte Einsicht kommt bei Ihnen! Wir waren, glaube ich, die ersten, und lange Zeit die .einzigen, die sich in diesem Haus für den zivilen Bevölkerungsschutz eingesetzt haben. ({1}) - Ja, mit Lachen ist das nicht abgetan; da muß man halt die Protokolle lesen und sehen, in welcher Weise jeder einzelne vernünftige Antrag der Opposition niedergestimmt worden ist. Meine Damen und Herren, es gibt wirklich eine große Anzahl von freiwilligen Kräften im Zivilschutz, die mit dem geringsten Unkostenersatz ihre Aufgaben erfüllen. Wir sollten diesen Leuten, die oftmals sogar angefeindet werden, dankbar sein und ihre Leistung auch dadurch anerkennen, daß wir die geringen Entschädigungen erhöhen. Verteidigen heißt ja wohl erhalten und bewahren. Trotz der seit Jahren in der Bundesrepublik betriebenen Vorbereitungen ist es noch nicht zu überzeugenden Ergebnissen auf dem Gebiet der Zivilverteidigung gekommen. Man muß leider immer wieder feststellen, daß es an der Gesamtkonzeption mangelt. Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Minister, diesem Hohen Hause nun eine wirklich überzeugende Darstellung dessen vorzulegen, was Sie in der nächsten Zeit zu tun gedenken. Alles, was vernünftig ist - davon können Sie überzeugt sein -, findet die Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Flitz.

Dr. Hedi Flitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000563, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Aller guten Dinge sind zwei. Ich darf jetzt im Namen der Freien Demokratischen Partei zu den Umdrucken 411 und 417 Stellung nehmen, die soeben von der Kollegin Frau Renger begründet worden sind. Es handelt sich um die Mittel für die Ausbildung und Fortbildung im zivilen Bevölkerungsschutz und um die Aufwendungen für den Bundesluftschutzverband. Auch wir bedauern es, daß es nicht möglich war, die Ansätze, die ursprünglich festgelegt waren, beizubehalten und daß der Haushaltsausschuß sich genötigt sah, diese Ansätze zu kürzen. Es muß anerkannt werden, daß für den Bundesluftschutzverband - Tit. 602 - immerhin die Mittel um 6 Millionen DM erhöht worden sind. Aber wir bedauern es eben, daß der Haushaltsausschuß dennoch Kürzungen vorgenommen hat, weil wir ja alle der Überzeugung sind, daß eine militärische Verteidigung eben gar keinen Sinn hat, wenn nicht gleichzeitig eine zivile Verteidigung mit vorbereitet wird. Wir wissen, daß diese zivile Verteidigung einer ganz großen und umfangreichen Ausbildungs- und Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung bedarf. Erfreulicherweise sieht es nun so aus, daß wenigstens das Selbstschutzgesetz bis zum Herbst verabschiedet werden soll als ein sehr wichtiger Bestandteil der lange erwarteten Notstandsplanung. Es ist ein Gesetz, das dem Menschen dienen soll, dem Überleben, und zwar auch dem Überleben derjenigen, die sich nicht selbst helfen känenen. Selbstschutz bedeutet ja, daß der einzelne weiß, was ihm droht, wie er sich schützen kann und wie er andere schützen kann. Dazu ist es eben auch nötig, einen kleinen Führungsstab zu organisieren; denn es muß Menschen geben, die wirklich wissen, wie man sich in schwierigen Situationen zu verhalten hat. In § 43 und § 45 werden dem Bundesluftschutzverband die Aufgaben der Organisation des Selbstschutzes in Wohnstätten, der Betriebsselbstschutz und die Aufklärung und Ausbildung übertragen. Mit der Verabschiedung dieses Selbstschutzgesetzes wird eine große Aufgabe auf den Bundesluftschutzverband zukommen, und gerade deshalb ist es bedauerlich, daß der Haushaltsausschuß Kürzungen hat vornehmen müssen. Es ist auch deshalb bedauerlich, weil sich jetzt allmählich die zehnjährige Tätigkeit des Bundesluftschutzverbandes auszuzahlen beginnt. Viele angelaufene Aktionen werden wahrscheinlich nicht voll durchgeführt werden können wegen dieser Kürzungen. Dabei ist es doch so wichtig, daß die Dienststellen auf der Kreis- und auf der Ortsebene nun wirklich gestärkt und verstärkt werden. Natürlich sind auch Neueinrichtungen dringend notwendig. Ich glaube, es ist richtig - und meine Kollegin Frau Renger hat schon kurz darauf hingewiesen -, in diesem Hause einmal folgendes zu sagen: Seit zehn Jahren sind in den Gemeinden Tausende von ehrenamtlichen Helfern im Bundesluftschutzverband mit einem nicht, zu überbietenden Idealismus tätig. Wir wissen, wie schwer ihre Arbeit war, weil starke Ressentiments überwunden werden mußten. Die Arbeit wird weitgehend in der Stille geleistet; sie wird von wenigen beobachtet und sicherlich eher einmal belächelt als gewürdigt. Der große Helfertag des Bundesluftschutzverbandes Ende Mai in Hamburg, in der Stadt, deren Bevölkerung die Notwendigkeit und die Bedeutung der Selbsthilfemöglichkeiten am eigenen Leibe erlebt hat, soll der deutschen Bevölkerung zeigen, daß auf dem Gebiet des Bundesluftschutzverbandes wirklich etwas geleistet worden ist. Übrigens wird dieser Helfertag in Anwesenheit von Vertretern ausländischer befreundeter Organisationen stattfinden. Ein Wort noch zu dem Schutzbaugesetz. Wie Frau Renger schon bemerkt hat, ist es bedauerlich, daß wir mit diesem Gesetz noch nicht weitergekommen sind. Auch in diesem Haushalt sind keine Mittel für Schutzbauten vorgesehen. Seit 1957 ist nichts geschehen. Wir wissen, daß das verschiedene Gründe hat. Es sind einmal die verschiedenen Kompetenzstreitigkeiten; andererseits wollte man einen allzu perfektionierten Schutzbau haben. Heute denkt man mehr an einen Grundschutz wenigstens gegen Trümmer, Brand und radioaktiven Ausfall. Es ist sehr bedauerlich, daß die Hauptbauraten in den Jahren 1957 bis 1964 ungenutzt verstrichen sind; denn wir wissen ja alle, daß jeder spätere Einbau eines Schutzraums eine Verteuerung bedeutet. Wir hoffen, daß die von der Kollegin Renger angedeuteten neuen Komplikationen nicht zu groß sind und mit der baldigen Verabschiedung eines Schutzbaugesetzes gerechnet werden kann. In der Schweiz hat man im Jahre 1950 mit den Schutzbauten angefangen, und heute ist man dort tatsächlich so weit, daß 50 % aller Gebäude bereits einen Schutzraum haben. Nun etwas zu dem Änderungsantrag Umdruck 417, zu den Notstandsmaßnahmen im Aufgabenbereich des Bundesinnenministeriums, zu den Hilfskrankenhäusern und den Hubschraubern. Ich glaube, wir sind alle davon überzeugt, daß es notwendig ist, gerade auf dem Gebiet der Krankenhäuser Vorsorge zu treffen. Ich glaube aber, man sollte zunächst einmal die angesetzten Mittel, die immerhin um 3 Millionen DM über denen des Vorjahres liegen, ausnutzen. Was die Hubschrauber angeht, so besteht ja noch keine gesetzliche Grundlage. Ehe der Bund eigene Maßnahmen auf diesem Gebiet ergreift, sollte man die Einrichtungen ausnützen, die bereits bestehen. Ich denke hier an die Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes, aber auch an diejenigen Einrichtungen, die aus freier, privater Initiative geschaffen worden sind, wie z. B; der Deutsche Luftrettungsdienst. Einrichtungen, die sich schon oft bewährt haben, wenn es nötig war, den Abtransport von Menschen möglichst schnell zu bewerkstelligen. Ich darf im Namen der Freien Demokratischen Partei sagen, daß wir bedauern, den Änderungsanträgen der SPD nicht zustimmen zu können. Wir möchten aber empfehlen, daß die Bundesregierung in den nächsten Monaten Erfahrungen sammelt. Falls sich ergeben sollte, daß die Mittel nicht aus5774 Frau Dr. Flitz ({0}) reichen, sollten auf jeden Fall im nächsten Haushalt Erhöhungen vorgenommen werden. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Haushaltsberatung eines jeden Jahres spielt auch das Problem der zivilen Notstandsplanung, der zivilen Verteidigung, des Luftschutzes die ihm gebührende Rolle. Frau Kollegin Renger, Sie haben in diesem Jahre wie in jedem Jahre bedauert, daß die Mittel Ihren Wünschen nicht entsprechen, und Sie haben darüber hinaus bedauert - das tun auch wir -, daß die zu knappen Mittel noch gekürzt worden sind. Ich darf Ihnen sagen, wir haben das nicht gern getan. Das Geschäft des Kürzens ist eines der unangenehmsten Geschäfte, die wir im Haushaltsausschuß zu betreiben haben. Wir würden sehr viel lieber bei allen Positionen, die wir mit Ihnen für wichtig halten, etwas dazulegen. Aber Sie wissen genau, daß wir einen sehr erheblichen Fehlbetrag auszugleichen hatten. Wir hatten u. a. die 380 Millionen DM für die Kriegsopfer zusätzlich bereitzustellen, und da uns ja das Geschäft des Ausgleichs überlassen wurde - von Ihrer Fraktion wurden leider keine Deckungsvorschläge gemacht -, mußten wir uns dieser Aufgabe unterziehen. Nun, ich darf Ihnen sagen: wir sind dabei nicht einmal an die Grenze dessen gegangen, was uns als möglich aufgezeigt wurde. Die Finanzreferenten der Länder waren immerhin der Meinung, daß wir bei Einzelplan 36, bei der zivilen Notstandsplanung, gut und gerne 100 Millionen DM wegstreichen könnten. Wir sind dieser Empfehlung nicht gefolgt, weil wir das für bedenklich hielten. Wir waren allerdings der Meinung, und zwar nach Beobachtung der Entwicklung der Istausgaben, daß ein Betrag von 20 Millionen DM, ohne daß die Aufgaben darunter zu leiden hätten, als Deckung für die Kriegsopferversorgung verwendet werden könnte. Sie können aber sicher nicht sagen, und diesen Vorwurf haben Sie hier wieder erhoben, daß die zivile Verteidigung bei uns unter „ferner liefen" rangiere. Ich habe hier noch einmal festzustellen, daß die Bundesrepublik, jedenfalls im NATO-Bereich, hinsichtlich des zivilen Bevölkerungsschutzes an der Spitze, aber nicht am Ende steht und daß wir unsere Maßnahmen ja auch ein wenig mit den Bemühungen unserer NATO-Partner koordinieren müssen. Sie haben dem gegenübergestellt - und das ist auch nicht gerade neu -, daß bei der militärischen Verteidigung, so sagten Sie, keine Kosten gescheut worden seien. Nun, Frau Kollegin, auch das trifft nicht ganz zu. Wir haben in der militärischen Verteidigung in diesem Jahr sehr kurz getreten. Wir haben weit weniger zugelegt, als die Forderungen, auch die NATO-Forderungen, von uns verlangten, und wir haben uns nicht gescheut, auch im Verteidigungshaushalt den Rotstift anzusetzen. Sie haben noch die Bemerkung hinzugefügt, daß wir im Verteidigungshaushalt so großzügig gewesen seien, daß sogar Fehlinvestierungen finanziert worden seien. Nun, wir haben uns über die Frage der Fehlinvestierungen in der Vergangenheit unterhalten müssen, und wir werden es - ich sage es Ihnen ganz offen - wahrscheinlich auch in der Zukunft tun müssen. In einer Zeit, die so schnellebig ist, wird es ganz unvermeidlich sein, wenn wir überhaupt entscheiden wollen, daß da und dort Entscheidungen im Laufe von einigen Jahren nicht mehr ganz aktuell sind. Ich möchte Ihnen aber sagen: das gleiche hätte uns auch bei der zivilen Verteidigung blühen können, ja, ich würde sagen, blühen müssen, wenn wir nach den damaligen Empfehlungen und dem Stande der damaligen Erkenntnisse aufgebaut hätten. Man hat heute schon sehr viel andere Vorstellungen auch über die zivile Notstandsplanung und auch über die Luftschutzbauten als vor einigen Jahren. Ich entsinne mich noch lebhaft der Debatte, die wir hier geführt haben, als ich mich dafür eingesetzt habe, mindestens mit einem Minimalprogramm zu beginnen, Vorsorge zu schaffen gegen Trümmerlast, Fall out, gegen Brand und gegen minimale Druckwellen. Aus Ihren Reihen stand damals Professor Bechert auf und sagte: Das ist töricht, das ist sinnlos, und wenn, dann muß man schon so massive Schutzmaßnahmen schaffen, daß sie dann auch jeder Bedrohung wirklich standhalten. Ich habe damals ausführen müssen, daß, wenn wir das tun wollten, das bei weitem unsere finanziellen Möglichkeiten übersteigen würde. Wir sollten uns aber auch in Zukunft hüten, auf dem Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes Fehlinvestitionen vorzunehmen. Und ich habe ein klein wenig die Sorge, daß Sie mit Ihrem Antrag, jetzt schon Hubschrauber anzuschaffen, einer solchen Fehlinvestierung Vorschub leisten. Ein Hubschrauber ist eines der diffizilsten Instrumente der Luftfahrttechnik überhaupt. Er erfordert eine besonders sorgfältige Pflege, und die Steuerung eines Hubschraubers soll das Komplizierteste sein, was es überhaupt gibt. - Bitte, Frau Kollegin.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Frau Renger ist anderer Meinung. Bitte schön!

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001821, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, meinen Sie, es sei üblich, daß das Ministerium einen solchen Etatposten anfordert, wenn es davon überzeugt wäre, daß das ganz falsch ist?

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nun, Frau Kollegin, es ist Aufgabe des Haushaltsausschusses, über die richtige Koordinierung der Maßnahmen zu wachen. Der Haushaltsausschuß, insbesondere der Rechnungsprüfungsausschuß, hatte sich in der Vergangenheit mehrfach damit zu beschäftigen, daß Material angeschafft worden ist in der guten Absicht, den Luftschutz schnell aufzubauen, und daß dieses Material dann, weil das Personal nicht da war, nicht verwandt wurde und vergammelte. Sie haben das selber zu Recht gerügt. Wir haben uns diese Rüge zu Herzen genommen und werden in Zukunft vorsichtiger sein. Darüber hinaus stehen ja Hubschrauber zur Verfügung. Der Bundesgrenzschutz hat solche Hubschrauber, die im Bedarfsfalle für den Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt werden können. Im übrigen wird man gegenüber dem Vorjahr feststellen können, daß die Bundesregierung nicht untätig geblieben ist. Das ganze Bündel der Notstandsgesetze liegt inzwischen auf den Tischen der Abgeordneten und der Ausschüsse. Der federführende Ausschuß ist der Innenausschuß, und der Vorsitzende dieses Ausschusses ist Ihr Parteifreund Herr Schmitt-Vockenhausen. Es liegt zwar nicht ausschließlich, aber immerhin ein wenig an ihm, in welcher Reihenfolge die Gesetze im Innenausschuß verabschiedet werden. Wir alle wissen, daß Kollege Schmitt-Vockenhausen in letzter Zeit sehr stark auch anderweitig beschäftigt war. Wir verstehen, daß ihn das einige Zeit gekostet hat. Aber wir nehmen nicht gern Vorwürfe dafür entgegen, daß die Beratung dieser Gesetzentwürfe in letzter Zeit etwas notleidend war. Wir hoffen, daß Kollege Schmitt-Vockenhausen in nächster Zeit etwas mehr Gelegenheit findet, sich auch um diese Dinge etwas intensiver zu kümmern.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Renger?

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001821, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist vielleicht von einem Ihrer Herren im Innenausschuß ein Antrag gestellt worden, irgendwelche Gesetze vorzuziehen außer denen, die der Innenminister dauernd vorgeschoben hat?

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir ist nur bekannt, daß der Vorsitzende die Tagesordnung bestimmt. Mir ist nicht bekannt, daß ein Mitglied unserer Fraktion gegen eine solche Festsetzung der Tageordnung Einwände erhoben hätte. Nun, wir müssen uns, da es sich ja um eine Haushaltsberatung handelt, auch ein wenig über das Geld unterhalten. Das ganze Bündel der Notstandsgesetze würde, wenn es so verabschiedet würde, wie es von der Regierung vorgelegt worden ist, pro anno mindestens 2,5 Milliarden DM auf die Dauer von etwa 20 Jahren kosten. Die jetzt schon vorliegenden Wünsche der Ausschüsse, auch z. B. des Bundesrats, beinhalten zusätzliche Forderungen. Ich sage Ihnen ganz offen: ich halte es für eine Illusion, zu glauben, daß wir in der nächsten Zeit auf der Basis dieser Vorstellungen das Programm abwikkeln könnten. Von der Kollegin Frau Dr. Flitz ist das Beispiel der Schweiz zitiert worden. Jawohl, die Schweiz hat inzwischen in einem sehr großen Maße ihre Bevölkerung geschützt. Wissen Sie, auf welcher finanziellen Grundlage? Zum zivilen Bevölkerungsschutz in der Schweiz tragen der Kanton, die Gemeinde und der Bund je 10 % bei; den Rest trägt der Bürger selbst. Der Bauherr ist seinerseits berechtigt, diese Lasten auf die Mieter umzulegen. In Schweden ist es genauso; dort zahlt der Staat zum privaten Luftschutzbau praktisch überhaupt keine Zuschüsse. Ähnlich ist es in Dänemark. Wir sollten uns im wohlverstandenen gemeinsamen Interesse darüber unterhalten, ob wir den Luftschutzbau dadurch unmöglich machen wollen, daß wir dem Staat die volle Last aufbürden, eine Last, die er in diesem Umfang jedenfalls kurzfristig nicht tragen kann. ({0}) - Das war der nächste Punkt, zu dem ich sprechen wollte. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß unsere Baukapazität nicht voll beansprucht, sondern überbeansprucht ist. Wir werden diese Maßnahmen nur dann ausführen können, wenn die Bemühungen der Industrie, zu einer Standardisierung und zu einer Vorfertigung zu kommen, erfolgreich sind. Ansätze sind da, und gewisse Ergebnisse liegen uns bereits vor. Ich habe die Hoffnung, daß die Industrie auf diesem Gebiet weiterarbeiten wird, daß wir also auch von den Kapazitäten her zu etwas realistischeren Grundlagen kommen. Ich hoffe, daß die Vorlagen der Regierung in den nächsten Wochen und Monaten in den Ausschüssen etwas zügiger behandelt werden können, so daß wir die Voraussetzungen dafür schaffen, die zivile Notstandsplanung auf eine solidere Grundlage zu stellen. Ich darf mich nun den Änderungsanträgen der SPD auf Umdruck 411 Ziffern 6 und 7 und auf Umdruck 417 zuwenden. Zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 411 habe ich zu bemerken, daß der Haushaltsausschuß der Kürzung dieser Ansätze zugestimmt hat, und zwar einmütig, also ohne daß es Differenzen gegeben hätte. Auch das Bundesinnenministerium hat keinerlei Bedenken erhoben. Ich habe festzustellen, daß in Tit. 602 auch nach der Kürzung noch eine Erhöhung von 6,1 Millionen DM gegenüber dem Vorjahresansatz verbleibt. Wir sind der Meinung, daß die Arbeit des Bundesluftschutzverbandes und des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz durch diese Kürzung keine Beeinträchtigung zu erfahren braucht. Zum Änderungsantrag auf Umdruck 417: Wir begrüßen sehr dankbar, daß Sie sich in der Zahl der Anträge doch schon sehr erheblich beschränkt haben. Im Jahre 1962 waren es 12 Anträge, im Vorjahr noch 6 Anträge. In diesem Jahr sind es noch 2 Anträge. Wir werten das als Fortschritt und hoffen, daß wir diese Fragen im nächsten Jahr ganz einvernehmlich behandeln können.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Renger?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001821, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, wäre es Ihnen recht gewesen, wenn wir alle Anträge gebracht hätten, deren Durchführung notwendig gewesen wäre, um die zivile Verteidigung in Ordnung zu bringen?

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, gnädige Frau, natürlich nicht. Ich habe vorhin schon gesagt, daß wir ständig vor der Notwendigkeit stehen, das Wünschenswerte von dem Möglichen abzugrenzen. Natürlich haben auch wir noch viele weitere Wünsche. Natürlich sehen wir noch viele Möglichkeiten, Geld auszugeben, aber nur sehr wenig Möglichkeiten, mehr Geld einzunehmen. Zur Einrichtung und Ausrüstung von Hilfskrankenhäusern fordern Sie die Wiederherstellung des alten Ansatzes in Tit. 878. Wir haben 1 Million DM gestrichen. Es handelt sich auch hier um eine Kürzung, die wir zur Deckung der Ausgaben für die Kriegsopferversorgung vorgenommen haben. Wir haben das Ressort gebeten, uns Vorschläge zu machen, wo wir denn kürzen sollten. Das Ressort hat uns vorgeschlagen, bei diesem Ansatz 1 Million DM zu kürzen, weil sie nach der bisherigen Entwicklung entbehrlich sei. Zu Tit. 891 habe ich vorhin schon einige Ausführungen gemacht. Wir sind der Meinung, daß es, solange das Gesetz über den Zivilschutzdienst nicht verabschiedet isst, d. h. auch die Mannschaften für die Hubschrauber nicht bereitstehen, bei einem Leertitel bleiben sollte und daß bis dahin der Bundesgrenzschutz weiter wie bisher mit seinen Hubschraubern aushelfen sollte. Wir bitten Sie deswegen, die Änderungsanträge der SPD abzulehnen, weil sie keine Verbesserungen bringen können. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Innenminister und jetzt der Kollege Windelen haben hier, wenn auch etwas schüchtern, den Versuch gemacht, gewissermaßen den Ausschußvorsitzenden dafür zu belasten, was ein Ausschuß berät. Ich muß Ihnen sagen, die Tagesordnungen und der Ablauf der Geschäfte des Ausschusses werden mit Zustimmung des gesamten Ausschusses festgelegt. ({0}) - Entschuldigen Sie, es werden die Arbeitspläne jeweils mit den Ausschußmitgliedern abgestimmt. Ich muß es also entschieden zurückweisen, wenn Sie mir als Vorsitzendem etwas anzulasten versuchen. Durch den Telefonausschuß - wenn Sie den gemeint haben - ist im' Ausschuß keine Minute versäumt worden. Das haben wir alles an Arbeitsbelastung zusätzlich auf uns genommen. Aber ich will Ihnen etwas Weiteres sagen. Das ist eine Aufforderung an alle Kollegen. Nur zu einem einzigen Gesetz ist bisher die Mitberatung in den Ausschüssen - das wissen Sie, Herr Minister - abgeschlossen worden. Wir können leider Gottes erst dann an die endgültigen Beratungen herangehen, wenn die Mitberatung abgeschlossen ist. Ich würde mir auch nicht erlauben, dem Herrn Kollegen Hoogen eine Verantwortung dafür zuzuschieben, daß die Grundgesetzänderung im Rechtsausschuß noch nicht weitergekommen ist. Verwischen wir doch mit solchen Methoden hier nicht die Grundsatzfragen! Auf das, was Sie über die Kriegsopferversorgung gesagt haben, brauche ich wohl nicht besonders einzugehen. Denn, meine Damen und Herren, da gab es auch noch verschiedene andere Möglichkeiten. Sie haben geglaubt, es hier decken zu müssen. Nun gut, darüber müssen Sie sich auseinandersetzen. Mir lag hier nur daran, von vornherein eine Legendenbildung zu verhindern, als ob der Schwarze Peter gewissermaßen bei uns läge. Meine Damen und Herren, der hat zwölf Jahre bei der Regierung gelegen, und erst 1962 ist überhaupt die Gesetzgebungsarbeit in Gang gekommen. Wir freuen uns darüber und werden die Gesetzentwürfe weiterberaten. Wir sind jetzt beim Selbstschutzgesetz und werden demnächst mit der Beratung des Schutzraumgesetzes fortfahren.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Dr. Schäfer will sich noch zu Ziffer 5 des Umdrucks äußern. Er hat das Wort.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu den Bemerkungen des Herrn Innenministers zur Frage der Kontrolle der Mittel des Verfassungsschutzes noch einige Bemerkungen machen. Herr Minister, man muß hier die Finanzkontrolle von der politischen Kontrolle unterscheiden. Die Finanzkontrolle hat hier aber einen ausgesprochen politischen Charakter, nicht nur, weil die Mittel beim Bundesamt für Verfassungsschutz verwaltet werden, sondern auch weil das Innenministerium in eigener Zuständigkeit darüber entscheidet, welcher Teil und in welcher Weise dieser Teil durch das Innenministerium im Wege des sogenannten positiven Verfassungsschutzes unmittelbar eingesetzt wird. Ich hätte eigentlich erwarten dürfen, daß Sie nach den Erfahrungen, die Sie doch in den letzten Jahren und im letzten Jahr gemacht haben, den Sinn einer solchen Kontrolle einsehen. Sie sagen heute, Herr Minister, Sie hielten das Angebot aufrecht, das Sie im Herbst letzten Jahres gemacht haben. Gut, davon nehmen wir Kenntnis. Aber erst muß man eine Sache bereinigen, ehe man darauf zurückkommen kann, ob man ein parlamentarisches Kontrollsystem schaffen kann, das damit auch ein Teil der politischen Verantwortung übernimmt. Die ungeklärten Verhältnisse werden jetzt durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses, durch die Untersuchungen und durch den Bericht des Herrn Silberstein voraussichtlich einigermaßen oder im Rahmen des Möglichen geklärt. Erst wenn das abgeschlossen ist, kann man sich darüber unterhalten, wie dieses von Ihnen angebotene Gremium aussehen soll. Sie sollten sich aber wirklich noch einmal überlegen, ob nicht das wichtigere politische Kontrollorgan der Unterausschuß des Haushaltsausschusses wäre, weil in der Vergangenheit sehr viel Unangenehmes und sehr viel unangenehme Debatten über die Frage entstanden sind: Was tut das Ministerium? In welcher Höhe nimmt es Mittel in Anspruch und wofür verwendet es diese Mittel? Es wäre besser, Sie würden von vornherein einen solchen Antrag von Ihrer Seite stellen. Es wird dann gut sein, wenn wir uns in Kürze, sobald der Bericht des Untersuchungsausschusses abgeschlossen und debattiert worden ist, wieder unterhalten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zu einer Erklärung zu dem Antrag auf Umdruck 430 *) wünscht Herr Abgeordneter Miessner das Wort.

Dr. Herwart Miessner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001506, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Her Präsident! Meine Damen und Herren! Bitte, schalten Sie jetzt noch einmal auf die vorhin diskutierte Parteienfinanzierung zurück. Die SPD-Fraktion hat in einem Zusatzantrag auf Umdruck 430 vorgeschlagen, daß die Parteien vor Auszahlung „einen Rechenschaftsbericht über die Aufbringung und Verwendung ihrer Mittel" veröffentlichen müssen und daß Spenden über 1000 DM darin namentlich aufzuführen sind. Die Fraktionen der Regierungskoalition sind der Meinung, daß diese von der SPD beantragte Ergänzung zur rein materiellen Gestaltung des Parteiengesetzes gehört. Die hier von der SPD angesprochenen Fragen des Ausweises und der Offenlegung von privaten Spenden sind nämlich sehr zentrale Punkte des kommenden Parteiengesetzes. Namens der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP bitte ich daher, den Zusatzantrag auf Umdruck 430 abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Herr Kollege Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese letzte Bemerkung veranlaßt mich, noch einmal zu dem Verhältnis Parteiengesetz und Vorwegnahme einer sehr umfassenden Parteienfinanzierung, wie das heißt, einige Bemerkungen zu machen. Ich weiß, daß die Mehrheit entschlossen zu sein scheint, hier ihre Zahl in die Waagschale zu werfen. Wenn Sie aber jetzt noch einmal bei der Begründung, unseren Zusatzantrag abzulehnen, sagen, das sei eine Sache, die materiell ins Parteiengesetz gehöre, so muß ich sagen: Das ist eigentlich eine außergewöhnlich seltsame Art der Argumentation. Was hindert Sie denn, und wer hindert Sie denn, und was bringen Sie denn umgekehrt dafür vor, daß man nicht so verfährt: erst das Parteiengesetz und dann, wenn Sie es für richtig halten, eine mit dem Parteiengesetz verbundene Finanzierung? Sie wollen es nicht, und ich will Sie nicht weiter beknien. Diese Ihre eigene Feststellung, daß ein Zusatzantrag der Sozialdemokraten abzulehnen sei, weil er materiell zum Parteiengesetz gehört, ist ja ein Schlag in Ihr eigenes Gesicht, falls es in dieser Frage ein Gesicht gibt. Meine Damen und Herren, Herr Professor Burgbacher hat hier die Frage nach der Höhe oder dem Prinzip gestellt. Ich will für meine Person erklären, daß ich mich eindringlich gegen das Prinzip wende. Sie mögen darüber denken, was Sie wollen. Ich *) Siehe Anlage 8 mache Ihnen keine zusätzlichen Schwierigkeiten zu Ihrer Art, hier etwas an Land zu ziehen, bevor es ein Parteigesetz gibt. Ich finde es nur betrüblich. Es ist kein Grund zu höhnen, es ist auch kein Grund zu polemisieren. Es ist eine schlimme Sache, daß Sie von Ihrer Mehrheit in diesem Falle diesen Gebrauch machen: erst Geld ausschütten und dann zum Sparen und zum Maßhalten auffordern, wie es Herr Burgbacher in der Sache Wahlkampfausgaben gemacht hat. Wo ist denn da die Logik? Wer hindert Sie denn, mit all den Dingen, von denen .Sie sagen: Die kommen dann als Nachtisch hinterher, wenn das Hauptgericht vertilgt ist, vorher zusammen mit uns ernst zu machen? - Für Sie ist das zum Lachen. Ich glaube, daß diese Entscheidung einen Tag markieren wird, über den mal viele weinen werden; denn dies, meine Damen und Herren, ist ein entscheidender Einschnitt in einer Entwicklung zum Ende der Unabhängigkeit demokratischer Parteien. ({0}) - Das ist so. Ich erinnere an manches aus der Diskussion von der Wiedergutmachung bis zu den seltsamen Betrachtungen, die .Sie darüber angestellt haben, daß die Sozialdemokratische Partei in ihrer langen Geschichte aus der freiwilligen Leistungs-und Opferbereitschaft in einer Ordnung, die ihr nicht wohl wollte, sich die Kräfte aufgebaut hat, von denen Sie heute sagen, das sei der Unterschied in den Chancen und da gebe es keine Startgleichheit. Wer hat Sie denn gehindert, sich Mitglieder durch Überzeugung zu gewinnen? Sie sagen hier, durch diesen Fall sei sozusagen erwiesen, daß etwa die FDP - die das ausgesprochen hat - nicht zu den kapitalistischen unter den Parteien gehöre. Es ist wahrscheinlich so, daß persönlich sehr wohlhabende Leute oft recht zurückhaltend sind bei Ausgaben an Parteien, von denen sie andererseits ihren spezifischen Wohlstand, ihren ganz spezifischen Wohlstand geschützt und vermehrt wissen wollen. Jetzt kommt noch dazu, daß man die Rechnung aufmacht, und das in einer Weise, die nicht verantwortlich ist, weil es kein Parteiengesetz gibt und weil Sie selber bei der Ablehnung eines unserer Anträge gesagt haben: Das hängt mit dem Parteiengesetz zusammen. Nun bitte, dann erst Parteiengesetz! Jetzt wird hier eine Form gewählt, durch die sich die an der Macht befindliche Regierung ihre Wiederwahl finanzieren will. Hier wird eine Form gewählt, bei der der Staatsapparat zusätzliche neue Abhängigkeiten schafft, meine Damen und Herren, statt sich mit der Aufgabe zu bescheiden, staatsbürgerliche Bildung und damit die Bereitschaft zum eigenen Engagement anzuregen und zu fördern, ohne die es keine freiheitlich demokratische Ordnung geben wird. Das, was Sie hier jetzt machen, ist in dieser Beziehung sehr abträglich. Im übrigen wissen Sie genau - das ist Ihre Besonderheit -, daß am Volumen der als „Öffentlichkeitsarbeit" bezeichneten Ausgaben für Regierungswerbung - wenn ich das so milde sagen darf - mit den weiteren Direktzuweisungen an die Parteien, die Sie jetzt beschließen wollen, nichts geändert wird. Das Volumen bleibt; das kommt Ihnen außerdem noch zugute. Sie demoralisieren mit dem Ganzen die Bereitschaft zur eigenen, zur freiwilligen Leistung, .({1}) von der ich gesagt habe: auf ihr basiert eine solche Ordnung, wie wir sie alle - Sie auch - wollen. Ich habe also die allergrößten Befürchtungen im Zusammenhang mit dieser Ihrer bevorstehenden Entscheidung. Für den Mitbürger verschwimmt die Eigenständigkeit der demokratischen Parteien. Die besondere Aufgabe der Parteien im Staat wird für viele Bürger zu einem Scheingefecht. Und Sie werden nach kurzer Zeit etwas Schreckliches erleben - meine Damen und Herren, denken Sie bitte daran; ich wäre froh, wenn ich nicht recht behielte -: es wird Auseinandersetzungen geben, bei denen es dann nicht mehr um politische Argumente geht, sondern bei denen sich die demokratischen Parteien gegen Leute zu wehren haben, die da unterscheiden zwischen wie früher „lizenzierten" und jetzt auch subventionierten Parteien einerseits und anderen, die es nicht werden dürfen. Ich warne Sie. Das ist meine ganz persönliche Auffassung. Ich halte sie nicht für so geartet, daß ich jemanden daran binden kann. Sie werden es alle, meine Damen und Herren, alle schrecklich bereuen. Diejenigen von Ihnen, die sich wirklich damit befassen, wissen doch auch - ich will Sie hier nicht mit Zahlen zudecken -, wie es aussieht. Auch ich habe doch die ganzen Angaben darüber, wie es in den Ländern mit der Finanzierung aussieht, wie es in den Kreisen aussieht. Gehen Sie doch mal in die reichen Landkreise von Nordrhein-Westfalen. Das ist nicht mehr zu verantworten, bloß weil Parteien ihren eigentlichen Auftrag nicht zu erfüllen verstehen. Ja, dann muß man miteinander ringen und darüber reden, wie das möglich ist. Aber statt dessen diesen Weg, diesen Weg ins Verhängnis wählen, ist eine schlimme Sache, meine Damen und Herren! ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe wirklich keinen Anlaß, diesen Punkt so zu dramatisieren, wie das eben vom Kollegen Wehner geschehen ist. ({0}) Ich möchte Ihnen das auch begründen, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({1}) Selbst die SPD ist nicht so weit gegangen, den Antrag zu stellen, daß diese Parteifinanzierung völlig gestrichen wird. ({2}) Sie hat sich bis jetzt immer nur gegen die Erhöhung von 20 Millionen auf 38 Millionen DM gewendet. Ich bin der Meinung, die Argumente, die hier vorgetragen worden sind, daß sich die Parteien mit dieser Erhöhung sozusagen an den Staat ausliefern - von dem Kollege Burgbacher vorhin festgestellt hat, daß wir selbst dieser Staat seien -, stellen eine Schwarzmalerei dar, zu der keinerlei Veranlassung besteht. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner? - Bitte, Herr Abgeordneter Wehner!

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen nicht klar, daß mit den Anträgen, die die sozialdemokratische Fraktion hier vorlegt, eine Brücke gebaut werden soll, um, ohne daß es jetzt zu Katastrophen kommt, auch bei denen, die sich eingerichtet haben, im Zusammenhang mit dem Parteiengesetz zu einer Ordnung zu kommen? Glauben Sie nicht, daß das die Erwägungen der sozialdemokratischen Fraktion sind?

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wehner, ich werde gleich auf diesen Beitrag eingehen. Zunächst möchte ich aber folgendes feststellen. Vorhin ist von Herrn Kollegen Burgbacher, der die Dinge ja intimst kennt, ganz zu Recht gesagt worden: es ist unerträglich, daß eine Partei, auch eine große Partei - sie mag heißen, wie sie will -, von Spendenfinanzierung abhängig ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern Sie sich doch an die vergangenen und auch an die gegenwärtigen Auseinandersetzungen. Was man uns immer wieder vorgeworfen hat, ist ja: Ihr seid Knechte irgendwelcher Interessengruppen geworden, weil ihr finanziell von diesen Spenden abhängig seid. ({0}) Zum zweiten ist gesagt worden - und das ist leider eine Tatsache, die wir feststellen müssen -, daß gegenwärtig jedenfalls in weitesten Schichten unserer Bevölkerung nicht die Bereitschaft da ist, sich so sehr bei den Parteien zu engagieren, daß die beste und sauberste Lösung, eine Finanzierung durch Mitgliederbeiträge, schon heute erreichbar wäre. Ich habe vorhin auch die Gründe angedeutet, warum das heute nicht der Fall ist. Ich darf vielleicht, um klarmachen zu können, was unser Anliegen ist, noch ein Zitat bringen. Im Entwurf zum Grundsatzprogramm der SPD, der im Jahre 1958, ich glaube, in Stuttgart, diskutiert worden ist, findet sich folgender Formulierungsvorschlag: Wahlentscheidungen werden weitgehend vorweggenommen, weil mächtige Interessenverbände riesige Geldmittel für eine Propaganda einsetzen, die große Teile der Wähler von ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse ablenkt. Das ist genau dieser Punkt. Jetzt wird gesagt: Ja, aber selbst, wenn ihr mehr aus der Staatskasse bekommt, scheidet dadurch die Spendenfinanzierung nicht aus. Das ist richtig. Nicht nur eine oder zwei Parteien, sondern alle Parteien dieses Hauses haben sich um zusätzliche Spendenfinanzierungen bemüht. Ich selbst weiß, daß gerade auch von der SPD vor der letzten Bundestagswahl Schreiben an Geldgeber hinausgegangen sind, man möchte doch durch eine Spende zur Finanzierung beitragen. Selbstverständlich wird diese Spendenfinanzierung mit dabei sein. Was aber unseres Erachtens entscheidend ist für jede demokratische Partei und damit elementar für die demokratische Willensbildung, ist doch dies: daß man eben nicht abhängig ist in seiner gesamten Finanzgestaltung von einer solchen Spendenfinanzierung. Ich möchte hier die Zwischenbemerkung machen, daß nach meinen bisherigen Erfahrungen - und das ist meine feste Überzeugung - auch bisher keineswegs eine solche Abhängigkeit gegeben war. Die CDU/CSU - und das gilt sicher auch für die FDP - hat sich diese Unabhängigkeit bewahrt. Trotzdem muß idieses Anliegen gesehen werden. Ich meine deshalb, daß Sie sich diesem Bestreben, die Parteien von einer schlechteren Basis, d. h. von einer sehr hohen Abhängigkeit von Spenden, auf eine bessere Basis 'zu stellen, nicht widersetzen sollten. Ich darf noch, um das noch einmal klarzustellen, darauf hinweisen, daß sich in der Sache die CDU/CSU und .auch die FDP nicht dagegen aussprechen, daß etwa Rechenschaftsberichte abgelegt werden. Es ist in unseren Reihenbesprochen worden, daß in der Zukunft diese Rechenschaftsberichte jedes Jahr von uns abgegeben werden sollen. Wir wenden uns lediglich dagegen, daß jetzt in einem Antrag zum Haushaltsgesetz Dinge vorweggenommen werden, die einen wesentlichen Bestandteil des Parteiengesetzes darstellen. Ich darf nur auf den letzten ,Satz in Ihrem Antrag verweisen, wo es heißt, daß Einzelbeträge über 1000 DM mit Namensnennung des Spenders auszuweisen sind. Ich will in der Sache dazu gar nicht Stellung nehmen. Ich will nur darauf hinweisen, daß auch dies ein entscheidender Punkt sein wird, der im Parteiengesetz zu klären ist. Diese Dinge sollten wir nicht vorwegnehmen. ({1}) Wir sollten jetzt einmal diese Lösung finden. Denn selbst bei aller Bereitschaft, idas Parteiengesetz jetzt schnell zu verabschieden - Herr Kollege Burgbacher hat vorhin erklärt, warum das bis jetzt noch nicht möglich war, weil wir nämlich immer noch zwischen den einzelnen Parteien verhandeln -, kann heute natürlich noch nicht gesagt werden, wann dieses Gesetz endgültig in Kraft treten wird. Wir sind also für diese Lösung und bejahen auch die Offenlegung, so wie es in öffentlichen Konferenzen der einzelnen 'Schatzmeister z. B. Professor Burgbacher schon getan hat. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Wehner ist uns in diesem Hause schon in verschiedenen Gewandungen erschienen, heute im Gewand der Kassandra, jener Frau, die vom Gott so geschlagen war, die Zukunft vorauszusehen und sie doch nicht ändern zu können. Er hat gesagt, das sei ein Tag, über den wir weinen würden. Ich würde sagen, es sei eher ein Tag, wo mit der Haltung zu diesem Punkt die Sozialdemokratische Partei, die sich sonst so sehr um undogmatische reale 'Politik bemüht - interpretiere ich das Godesberger Programm in diesem Punkt richtig? -, sich zur Abwechslung einmal in ein Wolkenkuckucksheim 'zurückgezogen hat. ,Sie hängt einem etwas puristischen 'Gedankengang nach, wobei die Problematik nicht voll übersehen wird. Bleiben wir beim Sachlichen, dann stellen wir fest, daß heute eine Chancenungleichheit besteht, an der wir alle nicht schuld sind, sondern unsere bürgerlichen politischen Großväter. Hätten die ums Jahr 1905 die Annoncen sozialdemokratischer Wahlversammlungen in ihre bürgerlichen Zeitungen aufgenommen, dann wäre die Sozialdemokratie nicht in der Zwangslage gewesen, aus eigenen Mitteln unbedingt eigene Zeitungen und Verlage aufbauen zu müssen. ({0}) - Sie hätte sich dennoch darum bemüht. Aber sie hätte sich, wenn diese Zwangslage nicht vorhanden gewesen wäre, vielleicht nicht so intensiv darum bemühen müssen. Aber bemerken Sie von der Opposition nicht, daß ich im Moment gar nicht die Sozialdemokraten angreife, sondern so etwas mit den politischen Großvätern der heutigen Koalitionsparteien hadere, für die Sie allerdings die Enkel nicht verantwortlich machen dürfen? Diese eigenen Betriebe der Sozialdemokratischen Partei wurden 1933 entzogen und 1945 mit der Starthilfe der Lizenzen zurückgegeben. Die Chancenungleichheit ist nun einmal da. Sich das als Verdienst anzurechnen oder sich selber zu bejammern, weil man die geringeren Chancen hat, lohnt sich heute nicht. ({1}) - Ich will Ihnen eines dazu sagen. Wenn Sie etwa einige Artikel unseres früheren Bundesgeschäftsführers Karl Hermann Flach gelesen hätten, dann hätten Sie schon in früheren Jahren Gelegenheit gehabt, von der Meinung der FDP darüber Kenntnis zu nehmen. Es gibt aber noch einen zweiten Punkt, an den, glaube ich, die Antragsteller von der SPD denken sollten. Alle Parteien haben nicht genug Mitglieder und nicht genug Mitgliederbeiträge. Wir können nicht glauben, daß, wenn wir heute die Staatsfinanzierung weglassen, die Bereitschaft zum politischen Engagement in weitesten Schichten des Volkes so schnell ausbricht, wie in diesen Tagen der Frühling ausbricht. Das wäre eine zu optimistische Annahme. Überlegen Sie sich lieber, meine Damen und Herren von der SPD, und überlegen auch wir von den Koalitionsparteien uns, ob wir nicht die Staatszuschüsse für die Parteien in den kommenden Jahren etwas degressiv gestalten sollten, um der Bevölkerung damit zu sagen: Ihr seid nicht aus der Pflicht zum politischen Engagement entlassen. Das ist etwas, was man heute durchaus sagen kann. Wenn wir hier vom Staat Geld nehmen, der bestimmt keine Bedingungen stellt, dann vermeiden wir auf jeden Fall allerseits den bösen Schein, weil dieses Geld aus einer Ecke kommt, wo keine Bedingungen gestellt werden. Zum Umdruck 430 als letztes: Was Sie von der Sozialdemokratischen Partei hier hineingeschrieben haben, ist doch die Ultrakurzfassung des wichtigsten Teils des Parteiengesetzes überhaupt. Meine Damen und Herren, wenn man die Frage der öffentlichen Rechenschaftslegung der Parteien in diesen zwei Sätzen so zusammenfassen könnte, daß keinerlei Zweifel entsteht, dann hätte keine Bundesregierung so lange für die Vorarbeiten zum Parteiengesetz gebraucht. In Wirklichkeit ist die Sache allerdings nicht so einfach, daß man den Hauptteil des Parteiengesetzes in einer Erläuterung zu einem Haushaltstitel unterbringen könnte. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Änderungsanträge der SPD auf Umdruck 411. Ich rufe Ziffer 1 auf. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages ist der Antrag unter Ziffer 2 gestellt. Es ist - mit der erforderlichen Unterstützung - namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Ziff. 2 des Änderungsantrages auf Umdruck 411 bekannt: Ja-Stimmen 170, Nein-Stimmen 234, Enthaltungen 6; Berliner Abgeordnete: Ja-Stimmen 10, Nein-Stimmen 6. Der Antrag ist abgelehnt. Ja CDU/CSU Bausch SPD Frau Albertz Anders Arendt ({0}) Auge Bading Bäuerle Bäumer Bals Bauer ({1}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Bergmann Berkhan Berlin Beuster Frau Beyer ({2}) Biegler Biermann Birkelbach Blachstein Dr. Bleiß Börner Dr. h. c. Brauer Brünen Bruse Buchstaller Büttner Busch Corterier Cramer Diekmann Frau Döhring Dopatka Dröscher Frau Eilers Frau Dr. Elsner Erler Eschmann Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede Frau Freyh ({3}) Fritsch Geiger Gerlach Glombig Gscheidle Haage ({4}) Haase ({5}) Hamacher Hauffe Heide Heiland Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock Herberts Frau Herklotz Hermsdorf Herold Hirsch Höhmann ({6}) Höhne Hörauf Hörmann ({7}) Frau Dr. Hubert Hufnagel Hussong Iven ({8}) Jacobi ({9}) Jacobs Jahn Jürgensen Junghans Junker Kaffka Kahn-Ackermann Frau Kettig Frau Kipp-Kaule Dr. Koch Könen ({10}) Koenen ({11}) Kohlberger Frau Korspeter Kraus Dr. Kübler Kulawig Kurlbaum Lange ({12}) Langebeck Lautenschlager Lemper Dr. Lohmar Lücke ({13}) Maibaum Marquardt Marx Matthöfer Matzner Frau Meermann Metzger Dr. Meyer ({14}) Meyer ({15}) Michels Dr. Mommer Dr. Morgenstern Müller ({16}) Müller ({17}) Müller ({18}) Müller ({19}) Dr. Nissen Paul Peiter Dr. Pohlenz Pöhler Porzner Priebe Ravens Regling Rehs Dr. Reischl Reitz Dr. Rinderspacher Dr. Roesch Rohde Frau Rudoll Sänger Saxowski Frau Schanzenbach Scheuren Schmidt ({20}) Dr. Schmidt ({21}) Dr. Schmidt ({22}) Schmidt ({23}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle Schröder ({24}) Schwabe Seibert Seidel ({25}) Seifriz Seither Frau Seppi Seuffert Steinhoff Stephan Striebeck Strohmayr Dr. Tamblé Theis Wegener Wehner Welke Welslau Weltner ({26}) Frau Wessel Wilhelm Wischnewski Wolf Frau Zimmermann ({27}) Zühlke Berliner Abgeordnete Bartsch Braun Frau Krappe Liehr ({28}) Mattick Neumann ({29}) Dr. Schellenberg Dr. Seume Urban Nein CDU/CSU Dr. Althammer Arndgen Dr. Artzinger Baier ({30}) Baldauf Balkenhol Dr. Barzel Bauer ({31}) Bauknecht Becker Weigl Weinkamm Weinzierl Frau Welter ({32}) Wendelborn Werner Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Winkelheide Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt Wullenhaupt Ziegler Dr. Zimmer Berliner Abgeordnete Benda Dr. Dr. h. c. Friedensburg Dr. Gradl Hübner Müller ({33}) Stingl FDP Dr. Achenbach Dr. Bucher Busse Dr. Dahlgrün Dr. Danz Dr. Dehler Deneke Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn Eisenmann Dr. Emde Frau Dr. Flitz ({34}) Frau Funcke ({35}) Dr. Hamm ({36}) Hammersen Dr. Hellige Frau Dr. Heuser Dr. Imle Dr. Kohut Kubitza Logemann Dr. Mälzig Dr. Mende Dr. h. c. Menne ({37}) Mertes Freiherr von Mühlen Murr Peters ({38}) Rademacher Ramms Reichmann Sander Schmidt ({39}) Schultz Soetebier Spitzmüller Wächter Walter Zoglmann Enthalten CDU/CSU Dr. Arnold Dr. Elbrächter Leicht Dr. Stoltenberg Windelen Dr. Wuermeling Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 425 auf. Wer dem Antrag zuzustimmen bereit ist, gebe Zeichen. ({40}) - Nein, ich will ihn im Anschluß an die Abstimmung über den Antrag Umdruck 425 aufrufen. ({41}) - Nein, es ist kein Änderungsantrag, sondern ein Ergänzungsantrag, der nur einen Sinn hat, wenn vorher der Antrag auf Umdruck 425 angenommen ist. Wir stimmen also über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 425 ab. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Ich rufe nun den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 430 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe die Ziff. 3 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD auf Umdruck 411 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Berberich Dr. Besold Bewerunge Biechele Dr. Bieringer Fürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm Blumenfeld von Bodelschwingh Dr. Böhm ({42}) Böhme ({43}) Brand Frau Brauksiepe Dr. Brenck Brese Bühler Dr. Burgbacher Burgemeister Dr. Conring Dr. Czaja van Delden Dr. Dichgans Diebäcker Drachsler Draeger Dr. Dr. h. c. Dresbach Ehnes Ehren Eichelbaum Frau Engländer Etzel Dr. Even ({44}) Even ({45}) Falke Dr. Franz Franzen Dr. Frey ({46}) Dr. Fritz ({47}) Dr. Furler Gedat Gehring Frau Geisendörfer Dr. Gerlich Gewandt Gibbert Dr. Gleissner Glüsing ({48}) Dr. Gossel Gottesleben Dr. h. c. Güde Günther Freiherr zu Guttenberg Frau Haas Haase ({49}) Härzschel Gräfin vom Hagen Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger Dr. Hauser Heix Dr. Hesberg Hesemann Hilbert Dr. Höchst Hörnemann ({50}) Hösl Holkenbrink Hoogen Horn Dr. Huys Frau Jacobi ({51}) Dr. Jaeger Josten Frau Kalinke Dr. Kanka Katzer Kemmer Dr. Kempfler Frau Klee Klein ({52}) Dr. Kliesing ({53}) Knobloch Dr. Knorr Dr. Kopf Krüger Krug Kuntscher Lang ({54}) Lemmrich Lenz ({55}) Lenze ({56}) Leonhard Lermer Leukert Dr. Löhr Dr. Luda Lücke ({57}) Maier ({58}) Majonica Maucher Meis Menke Mick Missbach Müller ({59}) Dr. Müller-Hermann Müser Neumann ({60}) Nieberg Dr. Dr. Oberländer Oetzel Frau Dr. Pannhoff Dr. Pflaumbaum Frau Pitz-Savelsberg Dr. Poepke Porten Frau Dr. Probst Dr. Ramminger Rauhaus Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Rollmann Rommerskirchen Ruf Ruland Scheppmann Schlee Schlick Dr. Schmidt ({61}) Schneider ({62}) Frau Schroeder ({63}) Schulhoff Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer Seidl ({64}) Dr. Serres Dr. Siemer Dr. Sinn Stauch Dr. Stecker Stein Dr. Steinmetz Stooß Storm Strauß Struve Sühler Dr. Süsterhenn Teriete Tobaben Unertl Varelmann Verhoeven Dr. Freiherr v. Vittinghoff-Schell Vogt Wagner Dr. Wahl Dr. Weber ({65}) Vizepräsident Dr. Dehler Ich rufe Ziffer 4 des Antrags Umdruck 411 auf. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 424 auf. Der Herr Kollege Stoltenberg hat beantragt, diesen Antrag dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Dieser Antrag geht natürlich vor. Ich lasse also zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg abstimmen, den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 424 dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe dann die Ziffer 5 des Antrags Umdruck 411 auf. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Kann ich die Ziffern 6 und 7 zusammen aufrufen? - Ja? ({66}) - Ich glaube, das Haus ist im Bilde. - Ich bitte, über die Ziffern 6 und 7 auf Umdruck 411 abzustimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen dann ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2055, den Entwurf des Einzelplans 06 mit den vorliegenden Änderungen anzunehmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Ablehnung seitens der Fraktion der SPD angenommen. Wir kommen nun zum Einzelplan 36, und zwar zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 417. Ich nehme an, daß über beide Ziffern gemeinsam abgestimmt werden kann. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich stelle den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2079, den Entwurf des Einzelplans 36 anzunehmen, zur Abstimmung. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Der Einzelplan ist einstimmig angenommen. Es soll nunmehr - unter der Voraussetzung, daß keine Diskussion stattfindet - der Einzelplan 07 behandelt werden. Ich rufe also auf: Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({67}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Tamblé. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht. Das Wort wird auch nicht gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 1 der Drucksache 2056. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Ich rufe dann auf: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung ({68}). Die Berichte der Herren Abgeordneten Leicht und Kreitmeyer liegen vor. Ich danke den Herren Berichterstattern. Eine Ergänzung der Berichte wird nicht gewünscht. Zur Begründung des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 4291 hat Herr Abgeordneter Kreitmeyer das Wort.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Entschließungsantrag der Freien Demokraten - das möchte ich einräumen - mußte leider unter dem Zeitdruck Sie alle etwas überraschen. ({0}) - Ich habe so verstanden, daß uns gestattet wird, diesen Antrag in der zweiten Beratung zu begründen. Der Herr Bundesverteidigungsminister ist extra hiergeblieben, um mich zu hören. Ich bitte, ihm das doch zu gewähren.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Über Entschließungsanträge wird lediglich in der dritten Beratung Beschluß gefaßt; aber sie werden in der zweiten Beratung begründet.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal beginnen. Es tut uns sehr leid, daß es uns nicht möglich war, im Geist jenes guten nordischen Beispiels der Bewegung „Volk und Verteidigung" Sie, meine sehr verehrten Koalitionspartner, und Sie, die verehrte Opposition, von diesem Antrag so zeitig in Kenntnis zu setzen, daß Sie Gelegenheit gehabt hätten, ihm gegebenenfalls beizutreten. Aber ich glaube, daß die Höhe des Verteidigungsbeitrages und die in der Zwischenzeit angekündigte Konsolidierung es diesem Hause zur unerläßlichen Pflicht machen, auch wenn wir in dieser Stunde etwas in Zeitdruck gekommen sein sollten, unserem Anliegen insoweit Rechnung zu tragen. Wir sind nicht etwa so kühn, anzunehmen, daß Sie den hier verzeichneten Punkten geschlossen zustimmen könnten, sondern wir sind durchaus zufrieden, wenn Sie sie als tragbare Diskussionsgrundlage akzeptieren und der von uns gewünschten Ausschußüberweisung in der dritten Lesung zustimmen. Die Phase der Konsolidierung wurde in der Regierungserklärung 1963 angekündigt. Aber bereits Monate vorher hatte der Herr Bundesverteidigungsminister eine solche Ankündigung verlautbaren lassen. Wenn man versucht, sich zu vergegenwärtigen, was damit gemeint ist, so muß man sich daran erinnern, daß es in den einschlägigen Pressenachrichtendiensten heißt, daß einmal das zahlenmäßige Wachstum zu stoppen und der Truppe Gelegenheit zur inneren Festigung zu geben ist, daß man für eine Zeit von etwa vier bis fünf Jahren bei einem Stand von etwa 400 000 bis 420 000 Mann verharren will und keine neuen Einheiten aufgestellt werden sollten. *) Siehe Anlage 9 Die Ursachen, die zu dieser Maßnahme geführt haben, sind doch zweifellos darin zu suchen, daß wir unter dem durchaus verständlichen - aber ob man ihm hätte nachgeben sollen, ist zweifelhaft - Druck der NATO Quantität vor Qualität haben gehen lassen. Ich darf Ihnen einmal kurz wiedergeben, was man nunmehr geschrieben hat, um diese Konsolidierung zu rechtfertigen. Es heißt da: Immer deutlicher zeigte es sich, daß die Leistungen der Truppe nicht mehr den Erfordernissen entsprachen, weil vor allem personelle Schwierigkeiten die ordnungsgemäße Ausübung des Dienstes in den Kasernen vielfach hinderten. Notbehelfe nahmen daher überhand, was dem Geist der Truppe auf die Dauer nicht gut bekommen wäre. Daher Konsolidierung! Meine Damen und Herren, nicht die besonderen Vorkommnisse in Ausbildungseinheiten sind symtomatisch für die Bundeswehr, vielmehr der Zwang, mit unzulänglichen Führern und Unterführern ausbilden zu müssen. Die Verantwortung hierfür liegt nicht etwa bei den Soldaten. Ich glaube, es wäre angezeigt, wenn sich alle die Verantwortlichen, die in den entscheidenden Ausschüssen mitgearbeitet haben, zu dieser Verantwortung mit bekennen, die nur so formuliert werden kann: Wir haben aus politischen Gründen diese militärischen Unzulänglichkeiten bewußt hingenommen. Bei dieser Etatberatung ist es gleichzeitig unser Anliegen, mit zu prüfen, ob der deutsche Wehrbeitrag in der derzeitigen Form in bezug auf die aufgewendeten finanziellen Mittel das Optimum dessen darstellt, was wir leisten können, und ob wir im Sinne einer Arbeitsteilung - denn nur so kann die freie westliche Welt diese enorme Bürde der Rüstung tragen - auch das einhalten, was man von uns erwartet. Lassen Sie mich noch einmal schnell mitteilen, wie diese an uns gestellten Erwartungen von kompetentester Stelle im Jahre 1960 definiert worden sind. Es heißt da etwa: Wir sollten in der Lage sein, - die NATO, meine ich, insbesondere unsere Kontingente jeder ersten Phase eines wie auch immer gearteten kriegerischen Konflikts, ohne Zuflucht zu atomaren Waffen irgendwelcher Art nehmen zu müssen, begegnen zu können. Ich meine, daß wir an Hand dieser Definition die weiteren Formen der Konsolidierung sehr sorgsam zu prüfen haben. Stellen wir zunächst einmal die Tatsache fest, daß ein Drittel der Unteroffiziere und etwa ebensoviel der jungen Offiziere fehlen, um 12 Divisionen so zu erstellen, daß sie einen respektablen Kampfwert haben. Hinzu kommt - das ist unstreitig -, daß die augenblicklichen Ausbildungszeiten der jungen Unteroffiziere und Offiziere zu kurz sind und daß gleichzeitig bei dieser unzulänglichen Qualität des Personals und bei einem sich vergrößernden Fehlbestand an Unteroffizieren und Spezialisten, wobei besonders der Mangel an Technikern hervorragt, ständig zunehmend weitere Fahrzeuge, Geräte und neue Waffensysteme auf die Truppe zukommen. Es ist kein Wunder, wenn dann eine beträchtliche Anzahl der Fahrzeuge nicht fahrbereit ist und die Kosten für Instandsetzung heraufgesetzt werden müssen. Es ist müßig, sich über die Prozentzahl zu streiten, ob sich mehr Material bei der Truppe oder in Reparatur bei den Instandsetzungsdiensten befindet. Die Richtigkeit meines oft wiederholten Ausspruchs, daß die Bundeswehr mehr Räder als Soldaten bewegt, ist nach wie vor erwiesen und sollte uns zum Nachdenken zwingen, ob es so bleiben darf. Ich darf es mit anderen Worten noch einmal so ausdrücken: Zwölf Divisionen mit geringem Kampfwert sind unter diesen Umständen sehr viel weniger als zwölf Brigaden mit dem Prädikat „uneingeschränkt für jede Kampfart fähig". Wir beabsichtigen dabei nicht etwa, auf eine der Planstellen in Einzelplan 14 zu verzichten, die mit ungefähr 267 000 Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit und langdienenden Freiwilligen angegeben sind. Uns kommt es vielmehr darauf an, vorübergehend Einheiten stillzulegen, um Führer und Unterführer im Wechsel ({0})daß die erfahrenen Soldaten unter unseren Bundesgenossen, wenn sie von diesem unseren 'Entschluß in Kenntnis gesetzt werden, durchaus Verständnis dafür haben wenden. Dabei und daneben ist es durchaus möglich, die zahlreichen ausgebildeten Reserven, die als Alarmreserve für 'die NATO-Verbände nicht gebraucht werden, organisatorisch zusammenzufassen - unter Berücksichtigung von Spannungszeiten - und die durch die Stillegung eingetretenen Lücken 'in der Präsenzstärke mit diesen Kräften zu kompensieren. Nun haben wir aber im Sinne der Festigung 'der Bundeswehr eine zwar nicht neue, vom Standpunkt der Freien Demokraten aber um so wesentlichere dringende Empfehlung noch einmal in aller Offentlichkeit zu wiederholen. Es liegt dm 'Interesse der Festigung Ides Offizierskorps, in der Phase der Konsolidierung diese Gelegenheit dazu benutzen, die Offenlegung der Beförderungenvorzubereiten. Jeder Offizier sollte nach einer öffentlich geführten Rangliste seine Beförderung in etwa abschätzen können. Voraussetzung ist allerdings, daß zwei Dinge anders als bisher gehandhabt werden. Jede Beförderungsposition sollte und kann durchaus imilitänisch vertretbar mit mindestens drei verschiedenen Dienstgraden besetzt werden. Der befähigte Oberleutnant kann bereits Kompaniechef sein, der Hauptmann sollte es, und der Offizier, der längere Zeit in Stäben oder in anderer Verwendung tätig sein mußte, kann durchaus auch als Major noch eine Kompanie führen, um des Erlebnisses der Truppenführung in .dieser Position teilhaftig zu werden. Dasselbe gilt für die Bataillonskommandeurposition und die Brigadekommandeurposition. In Schulen und ,Stäben kann man - im übertragenen Sinne -ähnlich verfahren. Was uns aber daran besonders bewegt, ist einreal das durchaus selbstverständliche menschliche Interesse, daß man nach der nächsten Beförderungsstelle Ausschau hält. Und, Herr 'Bundesverteidigungsminister, um es einmal im Bundeswehrjargon etwas hart zu motivieren: es ist dann natürlich nicht mehr zu billigen, wenn Verdächtigungen und Vermutungen auftreten, daß sich sogenannte Seilschaften bilden, um die nächste Position in gegenseitiger Hilfsstellung zu ergattern. Das alles wäre nach den gemachten Erfahrungen mit einer Offenlegung der Rangliste zu beseitigen. Dabei möchte ich auf die zweite Forderung noch einmal besonders eingehen. Es ist sicher nicht möglich, eine solche Rangliste für Stabsoffiziere früher anzulegen, als daß der Stabsoffizierslehrgang albsolviert worden ist. Dieser Lehrgang darf allerdings nicht mehr nur sechs Wochen dauern; er sollte mindestens auf sechs Monate ausgedehnt werden. Dann ist es auch möglich, daß man am Abschluß dieser Lehrgänge eine Reihenfolge festlegt. Es ist sicherlich schwer, im Frieden so etwas durchzuführen, aber es ist möglich, weil im allgemeinen mindestens zehn Jahre vergangen sind. Es liegen beim Offizier dann genügend theoretische wie praktische Erfahrungen der Truppe vor, es liegen Bewährungen in verschiedenen Positionen in der Truppe und Beurteilungen vor. Unter den gleichmäßigen Bedingungen eines Lehrganges aus einer Vielzahl von unter gleichen Bedingungen stehenden Kameraden ist nachher ein relativ objektives Urteil zu fällen, das zu allgemeiner Zufriedenheit auf Grund der gemachten Erfahrungen in der Vergangenheit und nur zu ganz geringen Fehlerprozenten geführt hat. Ich möchte dabei nicht unterschlagen, daß es auch möglich ist, die Auswahl der prozentual erforderlichen Generalstabsoffiziere bei dieser Gelegenheit ebenso objektiv aus einem Kreis von zahlreichen Persönlichkeiten zu gewinnen. Der Mangel an langdienenden Spezialisten, an Unteroffizieren, ist eine entscheidende Ursache für die Notwendigkeit der Phase der Konsolidierung. Das Bundesverteidigungsministerium hat sich in einer umfassenden Denkschrift in anzuerkennender Weise mit der Lösung dieses Problems befaßt und auch schon Maßnahmen zur Behebung in die Wege geleitet. Wir müssen hier allerdings eine Tatsache schmerzlich bemerken: wir vermissen die energische Lösung des Wohnungsproblems. Die Denkschrift stellt hierzu wörtlich fest: Die Frage, in welcher Zeit der verheiratete Unteroffizier eine Wohnung bekommt, ist schlechthin ein Kriterium dafür, ob Aussicht besteht, die Unteroffizierssituation zu verbessern. Lassen Sie mich hierzu deutlich anmerken, daß gleichzeitig mit darüber entschieden wird, ob bereits außerordentlich hohe Beträge nicht schon jetzt fehlinvestiert sind und weiterhin fehlinvestiert werden, wenn dieses Problem nicht mit außergewöhnlichen Maßnahmen unverzüglich angegangen wird. Wir sind nicht bereit, uns mit der fragwürdigen Hoffnung abzufinden, daß es vielleicht noch zwei oder drei Jahre dauern wird, bis der letzte Bewerber eine Wohnung finden kann. Dafür steht viel zuviel auf dem Spiel. Wir können auch kaum eine Entschuldigung dafür hinnehmen, daß im Jahre 1963 der Zuwachs an Wohnungen auf 9000 Einheiten abgesunken ist, während er 1962 noch 11 500 betrug. Wir glauben ferner keine ausreichende Gewähr dafür zu haben, daß die zahlreichen Verwaltungsstellen, die mit dem Bau von Wohnungen für die Bundeswehr zu tun haben, die nicht in Ihrer Kompetenz liegen, Herr Minister, über ausreichende Kapazitäten verfügen, um gleichen Schritt mit dem jährlich neu zu befriedigenden Bedarf - der Nachholbedarf beträgt etwa 30 000 Wohnungen - überhaupt halten zu können. Unter diesen Umständen muß es beinahe als ein Glücksumstand bezeichnet werden, daß noch 40 000 Unteroffiziere fehlen. Wir empfehlen den zuständigen Stellen, sich einmal mit der Frage zu beschäftigen, wie es die Amerikaner 1940 fertiggebracht haben, in ihrem Atomforschungszentrum Oak Ridge für 50 000 Wohnungssuchende in kürzester Frist angemessenen Wohnraum zu erstellen. Wir werden selbstverständlich alle anderen in der Denkschrift vorgeschlagenen Verbesserungen unterstützen. Wir sind auch bereit, Gesetzesänderungen und, wenn es sein müßte, Grundgesetzänderungen mit vorzunehmen, um die Unteroffiziere so wirkungsvoll wie nur möglich auf die ihnen zugedachten Aufgaben vorzubereiten und damit gleichzeitig ihre Stellung von der natürlichen und gewachsenen Autorität her effektiv zu verbessern. Wir sind allerdings der Meinung, daß der Aufbau der Unteroffiziersschulen rascher und umfangreicher vor sich gehen sollte, und wir sind wiederum bereit, dies auf Kosten der aktiven Verbände vorübergehend voranzutreiben. Gleichzeitig muß aber die Phase der Konsolidierung endlich den menschlichen Belangen - sprich: Fürsorge - in der Bundeswehr den ersten Rang geben. Ich bin mir völlig dessen bewußt, Herr Minister, daß dabei entscheidend erschwerend ist, daß der Offizier nur die Verantwortung und die Verwaltung die Zuständigkeit hat. Dann ergibt sich von selbst, daß der Nachholbedarf an Turnhallen, Sportplätzen, Schwimmbecken, Soldaten-, Unteroffiziers- und Offiziersheimen in absehbarer Zeit gedeckt werden kann. Diese Vorhaben können aber besonders dann vorrangig durchgeführt werden, wenn auch in der Gesamtplanung des Kasernenbaus ein grundsätzlicher Wandel eintritt. Woher in aller Welt nimmt man den Mut zu der Annahme, daß die Bundeswehr in der derzeitigen Form mindestens 50 Jahre und noch mehr bestehen wird, um den massiven Geschoßbau zu rechtfertigen? Schon an den Wandlungen in der kurzen 15jährigen Geschichte der NATO kann man ablesen, daß diese Annahme nicht nur sehr kühn, sondern, offen gesprochen, reichlich unglaubwürdig erscheint. Ich kann mir dabei die Bemerkung nicht versagen, daß wir andererseits trotz dieser Wandlungen noch immer an den 1950 konzipierten NATO-Divisionen festhalten, die, um einen Vergleich aus der Wirtschaft zu gebrauchen, mit all den Nachteilen einer Monokultur behaftet sind. Dies tritt schon bei unseren Friedensübungen klar zutage, wenn das Gelände anfängt, auch nur etwas unübersichtlich zu werden. Auch hier ist nach unserer Meinung ein grundsätzlicher Wandel unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Belange erforderlich. Aber noch einmal zurück zum Kasernenbau! Wir können es uns leisten, in der Phase der Konsolidierung auf Neubauten zu verzichten. Lediglich Schulen sollten insoweit ausgenommen werden, als klar zu übersehen ist, daß für diese Bauten. wirklich für 50 Jahre und länger eine Daseinsberechtigung nachgewiesen werden kann. Im übrigen begrüßen wir es, daß zunehmend bereits im Jahre 1963 damit begonnen wurde, nur noch vorhandene Altbauten instand zu setzen und dort, wo zusätzlicher Bedarf unausweichlich ist, nur in Form von Leichtbauten Ergänzungen vorzunehmen. Das Depotwesen bedarf ebenfalls einer Überprüfung. Auch hier haben sich die Meinungen zwischen Optimum und Minimum im Laufe der 15 Jahre, und zwar die Meinungen über Größe und Umfang der Bevorratung, erheblich gewandelt, so daß auch hier äußerste Zurückhaltung am Platz wäre. Erlauben Sie mir auch, daß ich einige Worte über die angeblich ausgewogene Kampfkraft der Bundeswehr in bezug auf atomare Trägersysteme und konventionelle Kampfkraft sage. Wir geben uns doch einer glatten Selbsttäuschung hin, wenn wir meinen, daß diese Komponenten in einem ausgewogenen Verhältnis stünden. Allein die Trägersysteme des Heeres übertreffen die konventionelle Kampfkraft schon um das Mehrere-Tausendfache an Feuerkraft, selbst wenn man nur eine Kilotonne je Abschußmöglichkeit zugrunde legt. Von weiteren Kapazitäten soll hier nicht gesprochen werden; denn das fällt nicht mehr in den Bereich der Teilstreitkraft Heer. Sie geben aber im kleineren Maßstab nur dasselbe Problem wieder, welches die Amerikaner unter dem Schlagwort der Overkill-Möglichkeiten ebenfalls zu revidieren im Begriffe sind. Wir halten es durchaus für außerordentlich verantwortungsbewußt, daß auch hier ein Stopp eingelegt werden kann. Meine Damen und Herren, wer von den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses erinnert sich noch der sagenhaften Rakete Matador? Und was wäre geschehen, wenn wir sie nicht angeschafft hätten! Auf der anderen Seite sind wir Freien Demokraten ganz besonders geneigt - das haben wir seit Jahren immer wieder zum Ausdruck gebracht -, der Territorialverteidigung den Vorrang vor allen anderen Organisationen zu geben, weil ihr allein die entscheidende Schlüsselstellung in einer noch immer erst noch zu erstellenden und zu erarbeitenden Konzeption der Gesamtverteidigung im Rahmen der bestehenden Bündnisse zukommt. Bei dem derzeitigen Versuch der Aufstellung einer Territorialreserve ist der nachfolgende Gedanke von ausschlaggebender Bedeutung. Hierdurch soll eine schlagkräftige Truppe geschaffen werden, die jederzeit sofort eingreifen kann, ohne daß zusätzliche Bereitschaftsstufen notwendig sind und ohne daß zusätzlicher Kasernenraum benötigt wird. Gleichzeitig geschieht das Ganze unter größtmöglicher Dezentralisation und Auflockerung. Dieser hervorragende Gedanke verdient weit größere Beachtung in unserem ganzen Wehrsystem, als dies bisher geschehen ist. Er ist auch auf Reserveverbände der aktiven Truppe übertragbar, selbstverständlich mit entsprechenden Abwandlungen je nach Waffengattung. Durch diese Methode ist es auch möglich, Präsenzstärken wie Zahl der aktiven Verbände zu entlasten. Der Grundgedanke, den ich soeben erwähnte, ist der Schlüssel zum effektivsten und politisch wirksamsten Wehrsystem und zu erhöhter Wehrgerechtigkeit. Er ist gleichzeitig geeignet, eine wesentlich günstigere Grundlage für die psychologische Rüstung als bisher im ganzen Volke zu schaffen. Er gibt dem aktiven Soldaten und allen Bediensteten der Verwaltung Gelegenheit, sich vielfach im Sinne des Steuerzahlers bezahlt zu machen, und erlaubt gleichzeitig eine weitgehende Ausschöpfung des Wehrpotentials, Herr Finanzminister, auf finanziell rationellste Weise. Hierbei bietet sich an, die zivile Notstandsplanung in der Methodik sinnvoll mit einzubeziehen. Vor allen Dingen aber wird der so viel diskutierte Abschreckungseffekt vor Angriffen aller Art in einer solchen ausgezeichneten Form gesteigert, daß der Zwang zum sofortigen Einsatz von atomaren Feldwaffen weitgehend in den Hintergrund treten kann. Mit anderen Worten: Eine auf diese Weise verstärkte Abschreckungskraft zwingt einen mutmaßlichen Gegner von vornherein, auf nur lokale Aktionen des dreisten Zupackens mit geringen Kräften zu verzichten. Und wenn der mutmaßliche Gegner doch mehr wollen sollte, dann muß er sich schon massieren, um mit der Vorschrift zu sprechen, so massieren, daß klar zu erkennen ist, daß er mehr vorhat als nur eine begrenzte Auseinandersetzung. Dann aber schlägt nicht etwa die Stunde der verlängerten Artillerie, sondern die Politik erhält noch den Spielraum, der erforderlich ist, um allerletzte Konsequenzen zu vermeiden, ohne daß es zuvor zu irgendwelchen Gewalttätigkeiten gekommen sein muß. Dieser Grundgedanke entspricht einer uralten Forderung der Freien Demokraten. Wir haben sie in unserem Grundsatzprogramm 1957 konzipiert, und wir forderten damals schon nicht nur die allgemeine Wehrpflicht, sondern die allgemeine Dienstpflicht. Ein Volk, welches sich schon im Frieden in dieser vorgeschlagenen Form zu einer weitgehenden Durchorganisation entschließt, ist in der Lage, von vornherein jeder geplanten Gewaltaktion, die gegen seine Freiheit gerichtet ist, jede Aussicht auch auf den geringsten Erfolg zu nehmen. Natürlich gehört dazu, auch jenen Gedanken, der schon einmal in diesem Hause auf Ihre Anregung, meine Herren von der Opposition, zur Diskussion stand, zu verwirklichen: daß jeder Bürger seine persönliche Waffe mit nach Hause nehmen kann. Behutsam angepackt und im wohlabgewogenen Truppenversuch in Angriff genommen, ist das auch bei uns im Laufe der Zeit möglich. Nichts kann die moralische Stärke und die politische Festigkeit eines Staatswesens besser beweisen als die Tatsache, daß alle seine Bürger, insbesondere seine gebildeten, im Nebenberuf noch Soldat sind, um ihr Leben unangetastet in Freiheit führen zu können. Gleichzeitig würden diese Bürger aber ihrem Staatswesen Milliardenbeträge für andere Aufgaben frei machen. Ich nenne - nur um ein Beispiel anzuführen - Schulbildung, Wissenschaft, Forschung. Im unmittelbaren Zusammenhang mit einer solchen grundsätzlichen Reform unseres Wehrsystems steht die Frage der erforderlichen Vorarbeiten auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse und der weiteren Entwicklung der Wehrtechnik. Eine systematische Wehrforschung gibt es in der Bundesrepublik bis heute nicht. Mit der Wehrtechnik steht es etwas, aber insgesamt nicht viel besser. Man redet zwar bei jeder Gelegenheit von einer technisierten Armee. Zahlenmäßig liegt das technische Personal der Bundeswehr in den Kompanien und Bataillonen aber noch heute, allein was die Stellenbesetzung angeht, etwa 50'°/o unter dem Stand der alten Wehrmacht. Und wenn man einen Vergleich mit unseren Bundesgenossen anstellt, sieht man, daß dort zweibis dreimal soviel Stellen besetzt sind. Wehrtechnik und -forschung bedürfen unserer Ansicht nach noch einer schärfer umrissenen Auftragserteilung. Wir sollten uns nicht auf alle möglichen Zwischenfälle, sondern auf die wenigen wahrscheinlichen Fälle konzentrieren, mit denen wir in der Auseinandersetzung um die Erhaltung unserer Freiheit bereits konfrontiert worden sind und wieder konfrontiert werden können. Auch hier mangelt es ganz besonders am Prinzip der Arbeitsteilung im derzeitigen Bündnissystem. In der ganzen Welt finden subversive Kriege statt, die teilweise, lokal bedingt, revolutionären Charakter haben. Ausschlaggebend ist dabei aber immer die Überlegenheit konventioneller Stärke an Ort und Stelle gewesen. Wir sollten, was den Schwerpunkt Forschung und Wehrtechnik angeht, die Teilstreitkräfte anhalten, in erster Linie in der unmittelbaren Unterstützung der Heeresverbände ihre Aufgabe zu sehen. Bei den Heeresverbänden selbst sind es die Panzerabwehr und der Pionierdienst. Dabei darf der Kampf in unübersichtlichem Gelände nicht übersehen werden. ({1}) - Für den Kampf der Heeresverbände in erster Linie. Wir können im Ausschuß über Details, die Ihnen wie uns sicher sehr am Herzen liegen, noch besser sprechen als hier in der Offentlichkeit. Für alle Teilstreitkräfte muß aber dem Kampf bei Nacht und einer neuen Methode der Kampfführung, der elektronischen, der Vorrang eingeräumt werden. Wir werden dem Einzelplan 14 in seiner jetzigen Form unsere Zustimmung geben. Wir sprechen aber unmißverständlich nicht nur die Hoffnung, sondern die Erwartung aus - und zwar im überparteilichen Konzert der Kräfte -, daß es uns bereits im Jahre 1965 im Zuge der vorgesehenen Konsolidierung gelingt, die finanziellen Forderungen nicht nur nicht zu erhöhen, sondern es durch die Inangriffnahme grundsätzlicher Reformen der hier angedeuteten Art zu ermöglichen, daß sie zurückgeschraubt werden. Dabei wird die anzustrebende Kampfkraft in keiner Weise geschmälert werden. Hinzukommen muß allerdings, daß eine Spitzengliederung erarbeitet und in Gesetzesform verankert wird, die so gestaltet ist, daß sie ohne spektakuläre Veränderungen jeder Phase einer möglichen Spannungszeit gerecht wird. Wir haben ferner ebenfalls nicht die Absicht, an den 18 Monaten des Grundwehrdienstes zu rütteln. Wir sind aber der Meinung, daß wir ohne Beeinträchtigung der Wirtschaftskraft hinsichtlich der Gewinnung von Spezialisten für unsere gesamte Landesverteidigung besser zum Ziel kommen, wenn wir es gerade diesen begehrten Kräften ermöglichen, ihre militärische Ausbildung in Teilabschnitten abzuleisten. Uns schwebt vor, daß wir den Spieß umdrehen und verhindern, daß uns die mühsam ausgebildeten Kräfte abgeworben werden. Wir sollten an die Wirtschaft, an die entsprechenden Werke herantreten und die Spezialisten, auf die es uns ankommt, mit der Zusicherung zur Teilnahme an der Ausbildung auffordern, daß sie nicht länger als für eine etwas verlängerte Grundausbildung, sagen wir, für fünf Monate, in Anspruch genommen werden, damit wir sie dann als Reservisten - wie bei der Territorialreserve II - für die vorausschauende Jahresplanung zur Verfügung haben. Ich bin sicher, Herr Bundesverteidigungsminister, daß gerade für diesen Kreis das Bestreben, mindestens einen Unterführergrad, wenn nicht einen Führergrad der Reserve zu erlangen, ein ausgezeichnetes Reizmittel sein wird, um uns als ausgezeichnete Spezialisten, ohne daß wir Zeit und Geld in wesentlichem Umfang aufgewandt haben, zur Verfügung zu stehen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einen Einwand kurz mit abtun. Ich weiß, die Gewinnung von Unteroffizieren entscheidet sich in der Rekrutenausbildung. Ich habe diese Ideen heute nicht zum erstenmal vorgetragen, sondern entsprechend publiziert. Wenn man sich ,dazu entschließen kann und wenn man weiß, daß in den letzten Wochen der Rekrutenausbildung die Entscheidung fällt, ob sich der Betreffende länger verpflichten will oder nicht, dann bitte ich doch, um die Kapazität der Grundausbildung zu erweitern, idie geteilte Ausbildung vorKreitmeyer übergehend für die Phase der Konsolidierung im Interesse einer höheren Ausnutzung des Kasernenraums für einige Zeit zu versuchen, um ein größeres Volumen zu haben, aus dem Unteroffiziere und langdienende Spezialisten gewonnen werden können. Wenn Sie mich fragen, ob es in der deutschen Geschichte ein Beispiel für eine konsolidierte Armee gibt, dann darf ich Sie an einen der letzten Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit dem Interview zwischen Weinstein unid dem 'verabschiedeten General Speidel erinnern, der abschließend der Bundeswehr das Wort auf den 'Weg gab: Wehrtüchtig sein im Geiste. Wenn es eine Truppe gab, die unter den denkbar ungünstigsten Umständen wehrtüchtig im Geiste war, dann war es die Reichswehr in den Jahren von 1924 an. Mit den unzulänglichsten, unmodernsten Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, mit hervorragend qualifiziertem Führerpersonal ausgestattet, in hervorragenden Methoden der Ausbildung geschult, in einer theoretisch hervorragenden geistigen Schulung geübt, brachte sie es fertig, mit 100 000 Soldaten in weniger als vier Jahren 36 Divisionen, nach damaligen Begriffen modern, neuzeitlich und schlagkräftig ausgerüstet, auf die Beine 211 stellen. Ich habe die politischen Dinge von damals hier nicht berührt. Es ging mir nur um die technischen Möglichkeiten, um das, worauf wir uns in der Phase der Konsolidierung konzentrieren sollten. Ich glaube, es ist möglich, im gemeinsamen Wirken aller Parteien und Fraktionen dieses Hauses eine effektivere Landesverteidigung mit weniger Mitteln an Geld zu erstellen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, ist damit der .Entschließungsantrag Umdruck 429 begründet? ({0}) - Danke! Das Wort hat ,der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir zunächst vorgenommen, über einige Fragen ,des Aufbaus und der besonderen Ausrüstung und Ausstattung der Bundeswehr zu sprechen. Nachdem Herr Kollege Kreitmeyer das in dieser ausführlichen Weise getan hat und im wesentlichen auch die Meinung vertreten hat, die ich mir vorgenommen hatte hier 'zu vertreten, will ich auf diesen Teil verzichten und nur zum zweiten Teil sprechen. Ich möchte aber nicht versäumen, namens meiner Fraktion ,die Leistungen aller Soldaten beim Aufbau der Bundeswehr anzuerkennen, die Leistungen, die zum Teil unter sehr schwierigen Verhältnissen und unter starken familiären 'Belastungen erbracht werden. ({0}) Nicht ganz so positiv kann unsere Beurteilung ausfallen, wenn wir das Ministerium und seine Finanzgebarung einer Betrachtung unterziehen. Bei der Beratung des Haushaltsplanes 1963 am 9. Mai 1963 hat Herr Abgeordneter Erler seine Ausführungen mit folgender Bemerkung geschlossen: In dem nächsten Haushalt, meine Damen und Herren, werden wir sehen, welche Verteidigungspolitik im Rahmen des Bündnisses sichtbar wird, welche Aufmerksamkeit die Bundesregierung dem Abrüstungsproblem widmet, auch in der Ausstattung ihrer Referate, und ob der Minister seine zu Anfang eingenommene Haltung beibehalten wird, wie er die Probleme behandeln wird in seinem Verhältnis zum Bundestag, in seinem Verhältnis zum Verteidigungsausschuß und im Umgang mit der demokratischen Opposition. Das sind Dinge, die ich als Kriterien für die Beurteilung des Haushalts 1964 anmelde. Bei diesem Haushalt des Übergangs wird sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der Stimme enthalten. Soweit die Stellungnahme des Abgeordneten Erler vor einem Jahr. Bei der ersten Beratung des Haushaltsplanes 1964, den wir heute in zweiter Lesung erörtern, hat mein Fraktionskollege, der Abgeordnete Dr. Möller, sehr entscheidende und beachtliche Ausführungen gemacht, die ich in gedrängter Form noch einmal zitieren muß, weil sie für uns der Ausgangspunkt für die Beurteilung sind und sich auch mit der Schlußfolgerung berühren, zu der Sie, Herr Kollege Kreitmeyer, soeben gekommen sind, ob man nicht eine stärkere und bessere Wirkung mit gleichem oder sogar mit weniger Geld erreichen kann. Herr Dr. Möller führte damals aus: Ich meine . . ., daß sich die Notwendigkeit, für die Verteidigungsausgaben in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in den USA Wirtschaftlichkeitskriterien zu finden, daraus ergibt, daß auch bei uns die für die Verteidigung verfügbare Mark im Verhältnis zum Sicherheitsbedürfnis „knapp" ist. Da sich unsere Verteidigung gegen ein Gesellschaftssystem richtet, das uns seine Vorstellungen aufzwingen will, müßte ein unbegrenzt hoher militärischer Verteidigungshaushalt, mit dem unvermeidlich eine Vernachlässigung anderer Ausgaben zur Entwicklung und Stabilisierung unserer Gesellschaft verbunden sein würde, die Widerstandsfähigkeit im ganzen eher aushöhlen als stärken. Der für die Verteidigung im engeren Sinne auszugebende Betrag hat sich also in den Rahmen der übrigen Staatsausgaben einzufügen. Außerdem muß dieser Betrag so auf die verschiedenen Teile des Sicherheitsprogramms verteilt werden, daß er ein Maximum an Sicherheit schafft. Oder: Ein bestimmtes Abschreckungs- und Sicherheitsbedürfnis muß mit dem geringstmöglichen Aufwand befriedigt werden. Effizienz des Mitteleinsatzes in der Verteidigungspolitik ist selbst ein wichtiges Stück Verteidigungspolitik, weil sie das System stärkt. Nach den amerikanischen Erfahrungen gelangt man zu dieser Effizienz durch das ständige Abwägen und Ausgleichen von Grenzkosten und Grenzerträgen, d. h. durch die Gegenüberstellung der Kosten und des militärischen Wertes zusäzlicher Programmeinheiten der verschienen Art. Herr Dr. Möller führte dann weiter aus, aus alledem sei der Schluß zu ziehen, daß es keinen Grund gebe, die Verteidigung als ein Gebiet anzusehen, das außerhalb der Gesetze von Aufwand und Ertrag stehe; es müsse die erforderliche Planung auf einer mehrjährigen Basis aufgebaut werden. Das Haushaltsjahr sei gerade auf diesem Gebiet ein zu kurzer Planungszeitraum. Wenn wir im Zusammenhang mit diesen beiden Ausführungen sozialdemokratischer Abgeordneter die Haushaltspläne der Jahre 1962, 1963 und den vorliegenden Haushaltsplan 1964 ansehen, müssen wir feststellen, daß die Gestaltung und der Ablauf der hinter uns liegenden Haushaltsjahre deutlich machen, daß auf dem Gebiete der Ausrüstungsinvestitionen nicht mit der erforderlichen Weitsicht und Umsicht gehandelt wurde. Dieser Vorwurf trifft sowohl das Verteidigungsministerium wie das Finanzministerium. Es muß festgestellt werden, daß es das Finanzministerium in einem nie gekannten Maße dem Verteidigungsministerium überlassen hat, Verpflichtungen in eigener Zuständigkeit einzugehen. Erst als sich ergab, daß das Finanzministerium bei diesem Verfahren jeden Überblick verlor und keine Einwirkung auf den Vollzug des Haushaltes mehr hatte, wurde eine Änderung getroffen. Der Vollzug des Haushaltes 1962 war durch besondere - man kann nicht anders sagen - Planlosigkeit gekennzeichnet. Große Aufträge wurden vergeben; plötzlich sollte dann die Auslieferung gestoppt werden, da man mehr Verpflichtungen eingegangen war, als der Haushalt zuließ. Ende 1962 wurde vom Finanzministerium im Haushaltsausschuß beantragt, 1,1 Milliarden DM überplanmäßig zu bewilligen. Obwohl zur gleichen Zeit die Bundesregierung einen Nachtragshaushalt vorlegte, hat man diese Position in den Nachtragshaushalt nicht aufgenommen. Man scheute die Diskussion im Bundesrat und im Plenum des Bundestages. Die Koalitionsparteien bewilligten den Betrag von 1,1 Milliarden. ({1}) - Sie werden gleich den Zusammenhang sehen. Obwohl man es Ihnen vorgeworfen hat, haben Sie anscheinend keine Konsequenz gezogen, und die Bundesregierung hat keine Konsequenz gezogen. Darauf kommt es genau an. Ich danke Ihnen, daß Sie den Zusammenhang schon erkennen. Obwohl die Regierung durch diese Vorgänge zu besonderer Aufmerksamkeit hätte veranlaßt sein müssen, Herr Kollege Stoltenberg, wurde die Vorlage des Haushaltsplans 1963 nicht erneut überprüft. Auf dem Umwege über die Abgeordneten der Koalitionsparteien wurde die Regierungsvorlage um 1,4 Milliarden DM auf 18,4 Milliarden DM erhöht. Auch hier lagen nur oberflächliche, global gegriffene Zahlen für die Beschaffungsprogramme vor. Der Haushalt 1963 ist erst im Mai 1963 verabschiedet worden. Man mußte also damals davon ausgehen, daß man zumindest zu diesem Zeitpunkt die Durchführung der Beschaffungsprogramme für das Jahr 1963 überblicken konnte. Der Vollzug des Haushalts für 1963 hat dann aber eine wesentliche Abweichung von dem verabschiedeten Haushaltsplan gebracht. In der Drucksche IV/1787 vom 20. Dezember 1963, also unmittelbar vor Ende des Haushaltsjahres, wurde der Bundestag davon unterrichtet, daß das Finanzministerium grundsätzlich zugestimmt habe, daß im dritten Vierteljahr, also in der Zeit bis zum 30. September 1963, im Einzelplan 14 insgesamt 717 265 000 DM für andere Zwecke als im Haushaltsplan vorgesehen verwendet werden dürfen. Es mutet noch ganz besonders sonderbar an, daß das Finanzministerium seinen Bericht mit folgender Fußnote versieht: Diesen Mehrausgaben ist zunächst grundsätzlich zugestimmt worden. Ob die Mittel in dieser Höhe auch tatsächlich abfließen, - wie schön! ist erst am Ende des Rechnungsjahres 1963 zu übersehen; erst danach formelle Zustimmung. Also zu einer Zeit, als das dritte Quartal längst vorgehauen, rausgewirtschaftet, abweichend vom Haushaltsplan, und soviel ihr herausbringt - sagt das Finanzministerium -, wollen wir nachher bewilligen. Der Haushaltsausschuß hat von diesen Maßnahmen - heißt es in der Fußnote weiter in seiner Sitzung am 14. November 1963 zustimmend Kenntnis genommen. Also in einer Zeit, als das dritte Quartal längst vorbei war.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? ({0})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schäfer, sollten Sie nicht doch im Interesse einer wirklich klaren und objektiven Unterrichtung darauf hinweisen, daß es sich um Umschichtungen im Rahmen der vom Parlament bewilligten Programme handelt, d. h. lediglich um gewisse Phasenverschiebungen des Vonziehens oder aber um eine gewisse Verzögerung, für die die Verantwortung im wesentlichen nicht beim Verteidigungsministerium liegt?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stoltenberg, Sie nehmen mir damit den nächsten Punkt vorweg. Ich sagte, daß abweichend vom verabschiedeten Hanshaltsplan für Positionen, die der Haushaltsplan in dieser Größenordnung nicht vorgesehen hatte ({0}) - nein, keine Bindungsermächtigungen, ({1}) nein, gar keine Bindungsermächtigungen waren dort vorgesehen; das ist ein Irrtum -, insgesamt 717 Millionen DM für andere Zwecke ausgegeben wurden. Aber, selbst als man diese 717 Millionen DM im Rahmen des Gesamtplafonds, in dem sich das vollzog, ausgegeben hatte, belieben noch rund 200 Millionen DM übrig. Um diese dann auch noch zu verausgaben, hat man Leistungen, die erst am 31. 3. 1964 fällig wurden, daraus bezahlt. Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Einbfringung des Haus-halts hier selber angegeben, daß man, damit rund 700 'Millionen DM Verteidigungsausgaben vorfinanziert habe. Ein Recht dazu besteht nicht, und einen Sinn hat es auch nicht. Es zeigt aber - und das ist das Entscheidende, Herr Kollege Stoltenberg -, daß, als man im Mai den Haushaltsplan verabschiedete, im Ministerium noch nicht so viel an Planung vorlag, um 2u wissen, daß man Ibis zum September - da sind nur vier Monate - mit über 700 Millionen DM umdisponieren wollte. So leichtfertig, muß man hier sagen, werden Programme in Angriff genommen, abgebrochen, umdisponiert.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte, Herr Süsterhenn.

Dr. Adolf Süsterhenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002288, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schäfer, sind Sie in der Lage, den Beweis dafür anzutreten, daß diese Mittel tatsächlich verwirtschaftet worden sind, wie Sie hier soeben behauptet haben? Dann bitte ich zu belegen, in welcher Form und für welche unvernünftigen Zwecke das geschehen sei.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Süsterhenn, der Haushaltsplan gibt 'die Ermächtigung, das Geld für die dort einzeln aufgeführten Verwendungszwecke auszugeben. Wenn Sie sagen wollen, daß die spätere Verwendung unvorhergesehen sei und deshalb zwangsläufig überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben hätten genehmigt wenden müssen, dann bestätigen Sie damit, um was es mir hier geht, daß man nämlich offensichtlich nicht genügend prüft und nicht langfristig genug plant. ({0}) - Habe ich von sinnloser Verwirtschaftung gesprochen? ({1}) Der Haushaltsplan des Verteidigungsministeriums droht zu einer Farce zu werden, meine Damen und Herren. ({2}) - Das werden wir nachher nachlesen. ({3}) - Ja, genau die Sinnlosigkeit ist es, daß man nämlich Programme in den Haushalt aufnehmen läßt, obwohl man schon zu diesem Zeitpunkt erkennen müßte, daß man sie gar nicht durchführen kann. Genau um das geht es, daß man sinnvoll langfristig planen muß, hinterher aber selber merkt, daß man das nicht getan hat. ({4}) - Das hätte er gern gehört. ({5}) -Das hätten Sie gerne gehört. Auf diesen Gedanken kam ich gar nicht, Herr Süsterhenn, weil es uns nicht so naheliegt 'wie anscheinend Ihnen. ({6}) - Ja, ja. Ich danke für den Hinweis. 1962 hat man also im Dezember 1,1 Milliarde DM mehr gebraucht. Man hat für 1963 1,4 Milliarden DM mehr bewilligt. Man hätte 1963 917 Millionen DM einsparen können. Aber man suchte nach der Möglichkeit, Herr Kollege Süsterhenn, das Geld auszugeben; das ist so sogar der Formulierung des Bundesfinanzministeriums zu entnehmen. Ich darf noch daran erinnern, daß der Abgeordnete Merten in der Debatte am 9. Mai 1963 hier ausführte, er habe den Eindruck, daß rund 700 Millionen DM in diesem Haushalt eingespart werden könnten, und dann wurde er wegen dieser Äußerung von den Herren Stoltenberg und Bender - Sie werden sich erinnern - sehr heftig angegriffen Hinterher hat sich aber bestätigt, daß es nicht nur 700 Millionen DM, sondern über 900 Millionen DM gewesen sind, die in diesem Haushalt für die dort vorgesehenen Zwecke so nicht gebraucht wurden. ({7}) - Sehen Sie, dann haben sich alle miteinander geirrt. Nun, diese Methode des Wirtschaftens steht im krassen Gegensatz zu den Bestimmungen der Haushaltsordnung. Es muß nun besonders bedenklich stimmen, wenn in § 11 Abs. 11 des uns. vorgelegten Haushaltsgesetzes man den Versuch macht, diese Methode des Umdisponierens deshalb, weil man nicht langfristig und sinnvoll genug disponiert, gesetzlich festzulegen. ({8}) - Ja, ich werde gleich dazu das Notwendige sagen. Dort ist vorgesehen: Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages wird ermächtigt, auf Antrag des Bundesministers der Finanzen innerhalb des Einzelplans 14 ({9}) die Deckungsfähigkeit der Bewilligungen für allgemeine und einmalige Ausgaben der Kapitel 14 08 und 14 11 bis 14 19 sowie der Titel 308 a, 308 b, 309 a und 309 b des Kapitels 14 02 anzuordnen, falls dies auf Grund später eingetretener Umstände wirtschaftlich zweckmäßig erscheint. Diese Regelung gilt auch für übertragbare Mittel. § 33 der Reichshaushaltsordnung bleibt unberührt. Herr Kollege Leicht, diese Regelung zeigt, daß das Ministerium offensichtlich auch für die Zukunft nicht willens ist, das zu tun, was unser Kollege Dr. Möller bei der ersten Beratung als unbedingt notwendig hingestellt hat. Es ist erfreulich, daß der Verteidigungsausschuß in den Vereinigten Staaten von Nordamerika die erforderlichen Studien anstellen will. Das entbindet aber das Ministerium doch nicht davon, seiner ureigensten Aufgabe nachzugehen, zu prüfen und zu berichten über erfolgte Untersuchungen in bezug auf den ökonomischen Aufwand zur Erlangung der besten Sicherheitsmaßnahmen. Wenn man diese ganze Entwicklung betrachtet, muß man feststellen, daß es sich nicht um einmalige Vorkommnisse handelt, sondern daß diese offensichtlich im System der Arbeit des Finanzministeriums und des Verteidigungsministeriums liegen. Man muß also feststellen, daß diese beiden Ministerien die Beschaffungsprogramme, für die jährlich rund 9 bis 10 Milliarden DM zur Verfügung standen, nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet und nicht im Rahmen des verabschiedeten Haushalts durchgegeführt haben und dies auch im Jahre 1964 nicht tun wollen. Dabei muß noch erwähnt werden, daß die Aufklärung der Vorgänge um die Beschaffung des Hispano-Suiza-Schützenpanzers bis heute nicht erfolgt ist. Es handelt sich immerhin um einen Verlust für den Bund von rund 200 Millionen DM. Die Angabe stammt vom Rechnungshof, wie sie wissen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Verteidigungsministerium die Aufklärungsbemühungen des Bundesrechnungshofes nicht besonders unterstützt, vielleicht sogar zeitlich bewußt verzögert. Das Ministerium sollte aber ein eigenes Interesse an der Aufklärung dieser damaligen Vorgänge haben, Lassen Sie mich nur an einem Beispiel aufzeigen, wie der Verteidigungsminister selber die Behandlung von Beschaffungsfragen sieht und wie er dabei mit dem Verteidigungsausschuß des Bundestages „umspringt", Herr Minister, muß man hier sagen. Am 20. Februar 1964 wurde im Verteidigungsausschuß über eine Vorlage des Verteidigungsministeriums zur Beschaffung von Raketenzerstörern beraten. Die Schiffe - so hieß es in der Vorlage - sollten in Amerika gebaut werden, die Gesamtkosten sollten sich auf 600 Millionen DM belaufen. In der Aussprache erklärte mein Fraktionskollege Wienand, daß auch dieses Programm unter den Gesichtspunkten der Nützlichkeit und der Wirksamkeit gesehen werden müsse. Er verlangte zu wissen, wie lange es dauern würde, bis die vorhandenen Zerstörer der Hamburg-Klasse als Raketenzerstörer umgebaut werden können. Ferner bat er, zu überprüfen, ob nicht deutsche Werften in der Lage seien, diese Zerstörer zu bauen. Auch müsse die Frage beantwortet werden, ob unter dem Gesichtspunkt der gesamten strategischen Konzeption im Rahmen der Aufgabenverteilung bei der NATO so große Schiffe notwendig seien. Um dem Verteidigungsministerium Gelegenheit zu geben, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen und eine neue Vorlage zu unterbreiten, beantragte Wienand die Vertagung der Entscheidung. Diesem Antrag hat der Verteidigungsausschuß einstimmig entsprochen. Eine neue Beratung im Verteidigungsausschuß erfolgte bislang nicht. Gestern, am 14. April 1964, meldete dazu AP: Raketenzerstörer werden in den USA gebaut. Hassel: Praktisch entschieden. Kein Umbau geplant. Bonn, 14. April ({10}) Die ersten drei der modernen Raketenzerstörer für die Bundesmarine werden in den Vereinigten Staaten gebaut. Diese Frage ist, wie Bundesverteidigungsminister von Hassel am Dienstagabend im Zweiten Deutschen Fernsehen - nicht im Verteidigungsausschuß mitteilte, praktisch entschieden, da die Amerikaner größere Erfahrungen beim Bau derartiger Schiffe hätten als die deutsche Werftindustrie. Außerdem hätten die Amerikaner garantiert, daß die Raketenzerstörer 48 oder 49 Monate nach Auftragseingang an die Bundesmarine geliefert würden. Ein Raketenzerstörer kostet rund 200 Millionen DM. Eine Umrüstung der auf deutschen Werften im Bau befindlichen konventionellen Zerstörer zu Raketenzerstörern lehnt der Bundesverteidigungsminister ab, da dies einen zu großen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Außerdem würden die konventionellen deutschen Zerstörer schon jetzt gebaut. „Wir sind deshalb nicht bereit, im Augenblick eine solche Umrüstung ins Auge zu fassen", sagte von Hassel. Nun kommt in der Meldung von AP der nette Absatz: Der Verteidigungsausschuß des Bundestages hatte Ende Februar auf Antrag der SPD eine Entscheidung in dieser Frage noch einmal vertagt, da erst später geprüft werden sollte, ob nicht deutsche Werften die Raketenzerstörer bauen können und ob die konventionellen deutschen Zerstörer zu Raketenzerstörern umgerüstet werden können. Meine Damen und Herren, eine fürwahr vorbildliche parlamentarisch-demokratische Behandlung durch den Verteidigungsminister persönlich! Bitte, Herr Kollege Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Bundesverteidigungsminister zur Zeit gerade die Vorbereitungen für eine neue Vorlage an den Verteidigungsausschuß entsprechend dem Beschluß des Verteidigungsausschusses vom Februar trifft?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist mir nicht bekannt. Davon nehme ich Kenntnis und sage Ihnen: dann finde ich es um so erstaunlicher, daß das Zweite Fernsehen diese Dinge als praktisch entschieden darstellt und das Ganze dann erst recht zur Farce macht. Ich danke Ihnen für diese Bemerkung. ({0})

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich dann eine zweite Frage zur Klarstellung an Sie richten. Ist Ihnen bekannt, ob es sich bei den Äußerungen des Verteidigungsministers, zu denen er sich natürlich selbst noch äußern kann, darum handelt, daß er gesagt hat, die Angelegenheit, soweit sie sein Haus und die Vorlage betrifft, sei entschieden, oder darum, daß die Sache als solche unter Auslassung der parlamentarischen Befugnisse entschieden sei?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kliesing, der Herr Minister kann sich ja nachher dazu äußern. Weil ich erwartet habe, daß Sie einen solchen Einwurf machen, habe ich AP wörtlich zitiert. Da heißt es als Überschrift: Hassel: „Praktisch entschieden". Es ist bis heute nicht dementiert worden, ich habe nichts gesehen. Ob Sie ein Dementi des Ministeriums gesehen haben, weiß ich nicht. Also darf ich zunächst davon ausgehen, daß es so ist. Ich muß einen weiteren charakteristischen Fall sehr bedenklicher Mißachtung des Parlaments durch den Minister anführen. Durch Gesetz ist vorgeschrieben, daß dem Parlament der Entwurf eines Organisationsgesetzes vorgelegt wird. Dies ist bis heute nicht erfolgt. Statt dessen ging der Minister daran - das ist seine Angelegenheit -, sein Ministerium umzugliedern. Er berichtete am 23. Januar 1964 im Verteidigungsausschuß über seine Pläne. Durchaus anerkennenswert, das zu tun. Aber nun kommt es auf den Gesamtzusammenhang an, wie sich die Sache dann abgewickelt hat. Am 23. Januar berichtete er im Ausschuß. Die Fraktionen behielten sich eine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen für die Sitzung vom 6. Februar 1964 oder, wenn der Minister vorher nicht könne, für eine spätere Sitzung vor. Der Minister hatte aber bei seinem Vortrag, bei seiner Vorlage dem Ausschuß verschwiegen, daß diese Organisationsänderung schon am 1. Februar in Kraft trat und damit die ganze für die Zukunft aufgesparte Beratung im Ausschuß eben eine, ich möchte beinahe sagen, Verhöhnung des Ausschusses ist, wenn man dann aus Presse und Rundfunk erfahren muß, daß das alles ja schon durch Erlaß angeordnet ist und daß man nur so tut, als ob man den zuständigen Ausschuß des Parlaments befrage. Wir Sozialdemokraten sind immer dafür eingetreten, -

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Ich verfolge Ihre Ausführungen mit großer Aufmerksamkeit, und im Hinblick auf § 7 der Geschäftsordnung frage ich Sie, ob ich Sie recht verstanden habe. Sagten Sie, daß hier eine gesetzliche Verpflichtung des Bundesverteidigungsministers hinsichtlich der Organisationsgliederung vorliegt, eine gesetzliche Verpflichtung, den Bundestag darüber zu befragen? Habe ich Sie da recht verstanden?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In dem Gesetz heißt es - ich glaube, im Soldatengesetz -, daß ein Organisationsgesetz verabschiedet werden muß, und das heißt auch, daß die Regierung die Verpflichtung hat, einen Entwurf vorzulegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Und das heißt, daß erst, wenn ein solches Organisationsgesetz verabschiedet ist, eine solche Organisation vorgenommen wenden kann? Habe ich .Sie damit recht verstanden?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist nicht unbedingt gesagt, HerrPräsident, ,das kommt auf den Grad der Organisation an. Ein Minister hat zweifellos - Herr Stoltenberg, davon verstehe ich etwas ({0}) die Organisationsgewalt in seinem eigenen Ministerium. Wenn er aber, und ,deshalb trage ich das vor, dem Ausschuß am 23. Januar vorträgt und der Ausschuß sagt: schön, wir wollen uns das überlegen und wollen am 6. Februar darüber sprechen, und der Minister ist damit .einverstanden, dann kann er es nicht einfach am 1. Februar in Kraft setzen. Das ist der Grund, warum ich es hier vortrage. So kann man mit Bundestagsausschüssen nicht zusammenarbeiten. Wir Sozialdemokraten sind immer dafür eingetreten, daß an der Spitze des Verteidigungsministeriums ein Politiker stehen soll. Er wird in der Regel einer Partei angehören. Man muß aber von einem Verteidigungsminister erwarten, daß er sich in den parteipolitischen Auseinandersetzungen die erforderliche Zurückhaltung auferlegt. Er muß sich stets bewußt sein, daß er der Oberbefehlshaber der Bundeswehr, unserer Bundeswehr der Bundesrepublik ist. Wenn man Idie Reden des Herrn Verteidigungsministers daran mißt, dann kann man ihm nur empfehlen, er möge sich seiner Pflichten als Oberbefehlshaber und als Verteidigungsminister stets bewußt sein. ({1}) - Er ist nicht Verteidigungsminister. Ich spreche von dem Verteidigungsminister. ({2}) Sie zeigen mit Ihrem Zwischenruf, daß Sie die Stellungdes Oberbefehlshabers der Bundeswehr eben nicht richtig sehen. ({3}) - Aha, wenn er als solcher spricht! Wir sind der Auffassung, daß ein Verteidigungsminister sich in der parteipolitischen Auseinandersetzung der Zurückhaltung befleißigen müßte. ({4}) - Nein, das möchten wir nicht gerne, sondern das muß so sein, und das ist in jedem anderen Land so. Vergleichen Sie das! Vergleichen Sie damit, /was der derzeitige Vertedigungsminister von Hassel im Landtagswahlkampf landauf, landab an Parteireden hält mit einer, ich sage es ganz offen, ({5}) Simplifizierung, mit der er die Bundeswehr selbst in eine recht schwierige Situation bringt; denn der Bürger kann nicht unterscheiden zwischen dem Herrn von Hassel, der als Parteiredner hier spricht, und dem, der Oberbefehlshaber ist. ({6}) Meine Damen und Herren! Herr von Hassel hatte zunächst so begonnen, und Herr Abgeordneter Erler hat vor einem Jahr - ich habe es Ihnen vorgelesen - gesagt: Wenn die Ansätze sich so halten werden, ({7}) könnten wir sehr wohl darüber sprechen. Wir sehen - ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, reden Sie weiter! ({0})

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Erler, die Herren reagieren dann, wenn man sie genau dort trifft, wo auch sie das Empfinden haben, daß etwas nicht in Ordnung ist! Nun, meine Damen und Herren, ich habe Ihnen dargelegt, und es ist leider unbestreitbar, daß die Haushaltsgestaltung in den letzten Jahren den Anforderungen, die man an einen solch großen Haushalt stellen muß, einen Investitionshaushalt, nicht entsprochen hat und daß man offensichtlich auch für das Jahr 1964 nicht willens ist, ihnen zu entsprechen. Ohne Vorlage von Untersuchungen über die höchstmögliche wirtschaftliche Verwendung der Mittel zur Erlangung des angestrebten Zieles sowie angesichts des politischen Verhaltens des Ministers gegenüber dem Parlament und seines parteigebundenen Auftretens in der Offentlichkeit ist es der SPD-Bundestagsfraktion nicht möglich, dem Einzelplan 14 ihre Zustimmung zu geben. Wir werden uns der Stimme enthalten. Wir haben vor einem Jahr unsere Erwartungen über die Gestaltung dieses Haushaltsplans vorgetragen, wir taten es in der ersten Lesung dieses. Haushalts 1964, und ich habe jetzt wiederum versucht, Ihnen deutlich zu machen, welche Mindestanforderungen an einen Haushalt wir stellen. Wir hoffen, daß die Bundesregierung bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1965 diesen Bedenken Rechnung trägt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, ich befinde mich in einer schwierigen Situation. Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie dem Bundesverteidigungsminister Verhöhnung des Parlaments vorgehalten. Das ist ein schwerer Vorwurf. Der Verteidigungsminister ist, wenn ich recht unterrichtet bin, das einzige Regierungsmitglied, das nicht Mitglied des Hauses ist. Ich möchte mir nicht den Vorwurf machen lassen, daß ich ihn nicht in Schutz genommen habe. Aber ich kann einfach den Sachverhalt jetzt nicht beurteilen; das ist mir völlig unmöglich. Ich appelliere deshalb an das Haus. Ich muß dieser Sache nachgehen. Ich werde sie aufgreifen und sie zum Gegenstand einer Besprechung im Ältestenrat machen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich einfach darüber hinweggehört habe. Aber der Herr Bundesverteidigungsminister braucht zum Zwecke des Ehrenschutzes nicht erst an den Präsidenten des Hauses zuappellieren.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich habe keinen Anlaß, dazu im Augenblick etwas zu sagen. ({0}) - Ich habe Sie nicht gefragt!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Leicht.

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Motive, warum der Herr Kollege Dr. Schäfer den Herrn Bundesverteidigungsminister in der Art, wie er es getan hat, angegriffen hat, sind durch seine eigenen Auführungen zum Schluß seiner Rede deutlich geworden. Wenn ich die Dinge richtig beurteile, Herr Kollege Dr. Schäfer, dann handelt es sich bei all den Vorwürfen, vor allem in bezug auf den Organisationsumbau im Verteidigungsministerium, um Fragen der Organisationsgewalt, für die einzig und allein die Bundesregierung zuständig ist, in diesem Fall der Herr Bundesverteidigungsminister. Das hat mit einem Organisationsgesetz - das sage ich, weil die Frage hier aufgeworfen wurde - überhaupt nichts zu tun. Wir als Mitglieder des Haushaltsauschusses können nur sagen - und Sie müssen es bestätigen, weil Sie es wöchentlich erleben -, daß uns der Herr Bundesverteidigungsminister weit über das Maß dessen hinaus, wozu er verpflichtet ist, uns als Parlamentarier im Ausschuß zu unterrichten, informiert. Wir von uns aus und sicherlich auch Sie haben keinen Anlaß zur Klage. Sie haben offenbar deshalb mit Vorwürfen auf den Bundesverteidigungsminister gezielt, um von dem abzukommen, was Sie im vergangenen Jahr vielleicht in einer etwas voreiligen Art in Aussicht gestellt haben, nämlich daß Sie vielleicht in diesem Jahr, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister all das tut, was Sie wollen, dem Verteidigungsetat einmal ein Ja geben. Um davon herunterzukommen, haben Sie die Vorwürfe hier auch vom Haushaltsrechtlichen her aufgebaut. Dazu möchte ich noch einige Bemerkungen machen. Sie haben auf die Jahre 1961, 1962 und 1963 zurückgegriffen. Ich fange mit dem Jahr 1962 an, weil Sie uns trotz besseren Wissens oder zumindest, ohne die echten Gründe, die immer wieder vorgetragen worden sind, hier darzutun, vorwerfen, daß wir einfach 1,1 Milliarde DM kurz vor Jahresende dazugelegt, hinausgepulvert hätten. Sie wissen, welche Ereignisse im August 1961 waren, und Sie wissen, welche Folgen durch diese Ereignisse eingetreten sind und was man von der Bundeswehr im damaligen Zeitpunkt verlangte. Was einmal eingeleitet war, mußte im Laufe des Jahres 1962 - es war vorher nicht abzusehen - einfach bedient werden. Sie haben den Vorwurf erhoben, man stoppe dort Programme, praktisch täten wir, was wir wollten. Sie wissen genau, Programme sind abgestoppt worden, aber nicht, weil man das Geld für andere Zwecke hinausgeworfen hat, sondern weil kein Geld mehr vorhanden war. Deshalb ist es im Jahre 1962 geschehen. ({0}) - Sie wissen doch die Gründe. Sie können keine Vorwürfe erheben, wenn das parlamentarisch in Ordnung gegangen ist. Sie haben den Vorwurf erhoben, daß im Etatjahr 1963, einfach, weil man es vielleicht wollte, der Etat auf 18,4 Milliarden DMerhöht worden sei. Auch hierfür sind die 'Gründe dargetan worden. Jetzt muß ich an die Beratungen des Haushalts 1964 erinnern. Auch dort haben wir in eingehenden Beratungen auch die Materialkapitel behandelt. Dort haben Sie, Herr Kollege Schäfer, in zehn oder noch mehr Fällen Anträge auf Streichung von großen Positionen gestellt. Sie mußten sich bis auf einen Fall davon überzeugen lassen. Nachdem Ihnen dargetan worden ist, warum das Geld gebraucht wird, mußten Sie Ihre Anträge zurückziehen. Auch das soll hier einmal objektiv festgestellt werden. Sagen Sie uns hier nicht Dinge, .die einfach nicht zutreffend sind oder die in ihrer Wirkung in der Öffentlichkeit ganz andere Eindrücke hinterlassen, als es den Tatsachen entspricht. Ein Wort zu den Umschichtungen. Auch hier ist Ihnen, Herr Kollege Dr. Schäfer - und sicherlich Ihrer ganzen Fraktion -, klar, wenn Sie sich mit diesen Dingen befassen: Der Bundesminister für Verteidigung hat im Jahre 1963 - da gebe ich Ihnen recht - für überplanmäßige Ausgaben, insbesondere auf dem Gebiet der Beschaffungen und der Infrastruktur, Mittel nicht nur in der Höhe von 770 Millionen, sondern in Höhe von 1,4 Milliarden DM in Anspruch nehmen müssen. Wir legen hier die Zahlen offen. Allerdings wurden hierfür - auch das muß festgestellt werden - Einsparungen an anderer Stelle des Verteidigungshaushalts angeboten. Der Bundesminister für Verteidigung hat im Ausschuß öfters darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht eigentlich um überplanmäßige Ausgaben gehandelt hat, sondern einfach um die Verlagerung von Ausgaben in Titeln, bei denen der Ablauf der Entwicklung nicht so voranging, wie man es zunächst erwartet hatte. Für diejenigen, die notleidend waren, möchte ich sagen, wurden eben von anderen Titeln die Gelder herübergeholt, und zwar im Rahmen der von diesem Parlament und von den zuständigen Ausschüssen - Verteidigungs-und auch Haushaltsausschuß - bewilligten Programme. Im Geheimetat, Herr Kollege Dr. Schäfer - Sie haben ihn gelesen -, steht unten überall „Programm" und die und die Höhe, soundsoviel Milliarden, in diesem Jahr werden dafür soundsoviel gebraucht. Und jetzt geht es los: vorbehalten soundsoviel. In diesem Rahmen haben sich all diese Dinge bewegt. ({1}) - Selbstverständlich auch vom Parlament bewilligt. ({2}) Zur Frage der Umschichtung noch ein weiteres Wort. Sicherlich, Titelüberschreitungen solchen Ausmaßes, die hier vorgekommen sind und die ich auch dargelegt habe, noch über das hinaus, was Sie sagten, sind, wenn man es nüchtern betrachtet, einfach unerwünscht. Sie sind, wenn irgend möglich, zu vermeiden. Wir haben uns aber doch zu fragen - und deshalb muß man dazu auch ein Wort sagen -, ob nicht wir selbst, nämlich wir Parlamentarier, durch eine Bestimmung im Haushaltsgesetz zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Sie wissen, es geht um die Restetötung, so daß überhaupt keine Möglichkeit mehr besteht, die Programme langfristig abzuwickeln, weil die einmal bewilligten Mittel getötet werden und immer wieder neu angefordert werden müssen. Das ist unser Beschluß, das ist nicht nach der Reichshaushaltsordnung so, sondern das ist von uns selbst in das Haushaltsgesetz eingefügt worden. Nun lassen Sie mich auch ganz kurz etwas zu den langfristigen Planungen sagen, die hier erwähnt worden sind, weil es unmittelbar mit diesen Fragen zusammenhängt. Mit Recht hat der Herr Kollege Dr. Möller in der ersten Lesung auf diese Frage der langfristigen Planungen hingewiesen, und der Herr Kollege Dr. Schäfer hat uns noch einmal vorgelesen, was Herr Kollege Dr. Möller in der ersten Lesung zu dieser Frage gesagt hat. Ohne die Richtigkeit dieses Vorschlags bestreiten zu wollen, Herr Kollege Dr. Schäfer, darf ich aber darauf hinweisen, daß z. B. der Kollege Dr. Kliesing - aber auch ich - bereits im vergangenen Jahr bei der Beratung des damaligen Etats auf diese langfristigen Planungen und schon damals auf das amerikanische Beispiel hingewiesen hat, so daß es auch - das sei nur objektiv festgestellt - ,keine neue Erfindung ist, daß man sich mit diesen Dingen befaßt. Andererseits muß ich auch darauf hinweisen, daß die Unterschiede z. B. zwischen Amerika - weil Amerika als Beispiel hingestellt worden ist - und uns ganz erheblich sind und daß man aus den verschiedensten Gründen auch bei einer langfristigen Planung - ich möchte keine Einzelheiten dazu bringen - das amerikanische Beispiel nicht unbedingt in allen Phasen einfach nachahmen kann. ({3}) Ich wollte darauf hinweisen - ich habe es ja eben schon gesagt -, daß wir schon früher als Sie auf diese Fragen in Zusammenhang mit der langfristigen Planung hingewiesen haben. ({4}) Schließlich muß ich mir noch kurz einige Worte zu einem Problem erlauben, weil es auch hier angeklungen ist. Es ist nicht wie in den vergangenen Jahren zum Ausdruck gekommen, aber durch die scharfen Angriffe ist es immerhin doch angeklungen. Es geht um das draußen sehr weit verbreitete Schlagwort, daß dieser Verteidigungshaushalt nicht tabu sei, nicht tabu sein dürfe. Ich möchte nur feststellen, daß er für uns in der Fraktion der CDU/ CSU noch nie ein Tabu gewesen ist, in diesem, Jahr auch nicht tabu war und in Zukunft nicht tabu sein wird. ({5}) Wenn ich die Entwicklung im Jahre 1964 sehe, Herr Kollege Dr. Schäfer, und einige Ihrer Anträge im Ausschuß mit verfolge, dann muß ich folgendes feststellen. Erstens: Der Etat des Verteidigungsministers ist nicht in dem Maße gewachsen wie der Gesamthaushalt. Schon insofern ist eine ganz gewaltige Einschränkung vom Verteidigungsminister verlangt worden. Zweitens haben wir im Haushaltsausschuß - Sie wissen es -, zum Teil auch mit Ihrer Hilfe, zumindest in einem Falle, eine Streichung von 65 Millionen DM vorgenommen, davon ein Teilbetrag für die Kriegsopferversorgung. Drittens fallen auch die Verteidigungsbauten im weiten Bereich des Verteidigungsministeriums zum Teil unter die Sperre und unter die Kürzung: ein Betrag von rund 250 Millionen DM. Zählen Sie es zusammen! Ziehen Sie es von der Summe von 19,2 Milliarden ab und rechnen Sie den Prozentsatz aus, dann haben Sie die klare Rechnung!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Leicht, täusche ich mich, wenn ich bis jetzt davon ausgehe, daß unter den Mitgliedern des Haushaltsausschusses Einigkeit darüber bestand, daß dieser Einzelplan 14 der Prüfung, der Korrektur und der Beschlußfassung unterliegt, das heißt nicht tabu ist?

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was habe ich denn anderes gesagt? - ({0}) - Sie haben es in früheren Jahren gesagt. Ich bringe Ihnen, wenn Sie es haben wollen, mehr als eine schriftliche Äußerung, nicht nur mündliche Äußerungen. Ihre Ausführungen, die Sie heute hier gemacht haben, deuten doch auch so etwas darauf hin, daß da viel zuviel Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Wo bleiben Ihre klaren Beweise, Herr Kollege Schäfer? ({1}) - Sie brauchen nicht abzuwinken. Sie haben doch von Verpulvern oder Zum-Fenster-Hinauswerfen gesprochen. ({2}) - Sie!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ist Ihnen vielleicht bei den Bemerkungen über das Tabu eine Verwechslung mit den Mitgliedern des Kabinetts des Landes Nordrhein-Westfalen unterlaufen, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein das gelegentlich aussprechen?

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Kollege Erler. Vielleicht haben die es auch gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich habe ausschließlich an Ihre Fraktion und an die Sozialdemokratische Partei gedacht. Zum Abschluß, meine Damen und Herren, möchte ich mich nochmals auf das schärfste dagegen verwahren, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß man durch Darstellungen, die nicht richtig sind, den Eindruck erweckt, als ob in diesem Etat mit dem Geld der Steuerzahler nicht versucht würde, einen großen Effekt auch für die Verteidigungsbereitschaft nicht nur der Bundeswehr, sondern unseres Volkes zu erreichen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich betrachte es Dr. Kliesing ({0}) zu Beginn meiner Ausführungen nach den nach meiner Überzeugung ungerechtfertigten Angriffen des Kollegen Dr. Schäfer als meine ganz selbstverständliche Pflicht, hier zugleich auch im Namen meiner politischen Freunde aus dem Verteidigungsausschuß zum Ausdruck zu bringen, daß der Verteidigungsminister von Hassel sich nach unserer Überzeugung bisher immer ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen um ein loyales und positives Verhältnis zum Verteidigungsausschuß bemüht hat. Ich möchte ihm deshalb ausdrücklich für seine Bemühungen in dieser Richtung und für die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen Minister und Ausschuß herzlich danken. ({1}) Ich bedaure es außerordentlich, daß das Entgegenkommen des Ministers hier so ausgelegt worden ist, daß ich eigentlich nur noch von einem Mißbrauch sprechen kann. Nach unserer verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Situation ist der Minister keineswegs verpflichtet, dem Verteidigungsausschuß über organisatorische Maßnahmen in seinem Hause, ehe er sie ausführt, Rechenschaft zu geben oder auch nur Bericht zu erstatten. Er hat es dennoch getan. Herr Minister, Sie werden leider zur Kenntnis nehmen müssen, wie ein derartiges Entgegenkommen von anderer Seite mißdeutet und mißbraucht wird. ({2}) Sodann darf ich kurz auf )die Ausführungen des Herrn Kollegen Kreitmeyer eingehen, nicht in der Sache; ich glaube, Herr Kollege Kreitmeyer, es ist auch im Sinne Ihrer Freunde, wenn ich vorschlage, diesen Entschließungsantrag dem Verteidigungsausschuß zu überweisen. Dort können wir zu allem sprechen. Sie selbst haben im Zusammenhang mit dem Inhalt Ihres Antrages hier von einer Reform unseres Wehrsystems gesprochen, und Sie werden verstehen, daß wir eine grundsätzliche Entscheidung hinsichtlich einer Reform unseres Wehrsystems nicht abends zwischen neun und halbzehn so kurzerhand fällen können. Es wäre aber unfair von mir, wenn ich nicht jetzt schon sagte, daß wir gegen wesentliche Teile Ihres Entschließungsentwurfes sehr ernste politische Bedenken . haben, weil wir der Auffassung sind, daß Sie doch sehr stark, zum Teil jedenfalls, an die Wurzeln unserer derzeitigen Verteidigungspolitik rühren. Sie sprechen ja selbst von einer Reform. Wie gesagt, wir sind auch der Auffassung, daß wir in außerordentliche Schwierigkeiten mit unseren Verbündeten kommen würden, und in einem Fall handelt es sich, glaube ich, auch um verfassungsrechtliche Schwierigkeiten. Sie haben uns zwar freundlicherweise angeboten, auch an einer Änderung des Grundgesetzes in diesem Sinne mit tätig sein zu wollen; aber dazu gehören bekanntlich zwei, nicht nur dieses Hohe Haus, sondern auch der Bundesrat, und ich glaube, es wäre eine Illusion, anzunehmen, daß der 'Bundesrat sich 2u einer hier notwendig werdenden Grundgesetzänderung entschließen könnte. Nun gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zum bisherigen Verlauf der Debatte, die sich, wie ich glaube, grundsätzlich doch sehr stark von früheren Debatten über den Verteidigungshaushalt untarscheidet. Wer die früheren Haushaltsdebatten noch in Erinnerung hat, der wird wissen, daß es sich hier um sehr gegensätzliche und oft sehr leidenschaftliche Debatten handelte. Das wurde seit der Verabschiedung des Godesberger 'Programmes von Jahr zu Jahr etwas milder. Aber allmählich ist es, was die verteidigungspolitische Substanz dieser Debatte angeht - und darauf kommt es mir an -, doch etwas reichlich milde geworden. Denn im 'Grunde genommen ist davon in der Aussprache zwischen Koalition und Opposition doch gar nichts mehr übriggeblieben. Ich glaube, eines der wesentlichen Kennzeichen desheutigen Tages ist das, daß die Opposition hier offensichtlich bewußt auf eine verteidigungspolitische Debatte verzichtet hat. ({3}) Diese Abstinenz ist meines Erachtens zu bedauern, insbesondere nach all den Vorlesungen, die wir im Laufe der Jahre von der linken Seite des Hauses gehört haben und die uns über das belehrten, was eine Pflicht der Opposition sei. ({4}) - Nein, es geht nicht darum, daß wir einen Streit im eigenen Hause haben, sondern ich glaube, das Wichtige und geradezu Grundlegende für die Demokratie ist, daß bei solch wichtigen Fragen, wie wir sie hier zu entscheiden haben - denn es handelt sich ja immerhin um über 19 Milliarden DM -, auch eine politische Unterhaltung zwischen Opposition und Koalition stattfindet. Es war schon sehr auffallend, Herr Erler, daß Sie in Ihrer Rede heute vormittag zwar eine ganze Menge politischer Sachgebiete angesprochen, aber in einer sehr bemerkenswerten Weise die Verteidigungspolitik völlig ausgeklammert haben. Man muß natürlich nach den Gründen fragen. Offensichtlich fehlt es nicht an verteidigungspolitischen Problemen. Ich glaube - das ist meine Überzeugung -, das Hohe Haus wäre gut beraten, wenn es gewisse verteidigungspolitische Fragen recht bald einmal in den Mittelpunkt seiner Debatten stellte. Dazu wird heute abend nicht mehr die Gelegenheit sein. Wenn wir z. B. an die NATO denken: wir haben eine NATO-Ratstagung in Paris hinter uns, die sich nicht gerade dadurch ausgezeichnet hat, daß sie von politischer Substanz und politischen Ideen übersprudelte. Wir stehen vor einer NATO-Ratssitzung in Den Haag, deren Substanz wir noch nicht beurteilen können. Und dazwischen steht der 15. Geburtstag der NATO mit einem etwas problematischen Geschenk, nämlich dem Zypern-Konflikt, und wir fragen uns, wie ein solcher Streit zwischen zweien unserer Freunde nach 15jähriger Bündniszeit möglich ist. Ich glaube, alles das sind Dinge, die uns Anlaß zu einigen Überlegungen geben könnten. Ich habe hier vor mir den Text der Rede des amerikanischen Außenministers, die er vorige Woche in Dr. Kliesing ({5}) New York gehalten hat und in der er über die NATO sagte: Sie hat die zentrale Aufgabe, für die sie ins Leben gerufen wurde, erfüllt. Eine Feststellung, die wir alle, glaube ich, unterstreichen werden. Er sagte weiter: Sie bleibt wesentlich für den Schutz ihrer Mitglieder und für die Sicherheit der freien Welt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich noch etwas weiter aus dieser Rede zitieren: Die Zeit ist nun reif für umfassendere Aufgaben: bei der Beteiligung an der Verantwortung für die Atommacht, bei der Abstimmung der gemeinsamen Politik "gegenüber den kommunistischen Nationen und der Regelung von Streitfällen innerhalb der freien Welt und bei der engeren Zusammenarbeit an den weltweiten Problemen der Hilfe, des Handels und der Währungspolitik. Diese Aufgaben können nur geleistet werden, wenn neue Formen gemeinsamen Handelns entwickelt werden. Ich glaube, das ist ein Appell an alle Verbündeten. Ich begrüße diese Ausführungen außerordentlich. Und wenn hier schon einmal von der linken Seite des Hauses der Zwischenruf von der Lähmung des Parlaments kommt, - hier sind Gegenstände politischer Entscheidungen und politische Vorhaben angesprochen, die dieses Parlament nicht schweigend an sich vorübergehen lassen sollte. ({6}) - Und Verteidigungspolitik. Das läßt sich - ich glaube, Herr Berkhan, da stimmen Sie mit mir überein - nicht voneinander trennen. Also politische Probleme wären schon da. Oder ist vielleicht der Grund für die verteidigungspolitische Abstinenz der SPD am heutigen Tage darin zu sehen, daß wir uns einig wären in der Verteidigungspolitik? Ich glaube, das kann man nicht behaupten. Denn sonst würde doch die SPD diesem Haushalt zustimmen und sich nicht enthalten. Damit komme ich zu den Ausführungen des Kollegen Schäfer. Herr Kollege Schäfer, Sie haben zunächst einmal den Kollegen Erler vom vorigen Jahr und dann etwas mehr den Kollegen Möller von diesem Jahr zitiert. Sie haben dann das angegriffen, was Sie die Finanzgebarung des Verteidigungsministers nannten, und Sie haben ihn dann persönlich angegriffen. Das weckt einige Erinnerungen in uns. Sie haben hier gesagt, Sie wollten, daß ein Politiker an der Spitze des Verteidigungsministeriums stehe. Aber gleichzeitig greifen Sie den Mann an, sobald er sich als Politiker darstellt, sobald er Farbe bekennt. ({7}) Wollen Sie denn etwa das Ideal in einer unpolitischen Geßler-Natur sehen, oder wie stellen Sie sich die politische Situation eines Bundesverteidigungsministers vor? Aber entschuldigen Sie bitte, wenn ich das alles nur als Vorwand ansehe. Denn wir haben gewisse Erinnerungen. Es ist nicht der erste bundesdeutsche Verteidigungsminister. Die älteren Mitglieder dieses Hohen Hauses erinnern sich noch recht wohl, wie Sie gegen den ersten Verteidigungsminister, unseren Parteifreund Blank, aus allen Rohren geschossen haben. ({8}) - Gegen den ersten, gegen den Herrn Blank. Lesen Sie es nach in den Protokollen! ({9}) - Moment, Moment. Zunächst einmal haben Sie dagegen geschossen. ({10}) - Dann kam der zweite, Herr Wehner, ({11}) und mehr und mehr verdichtete sich das Feuer gegen Herrn Strauß. Bereits in der Etatdebatte des Jahres 1961 konnte ich hier feststellen, daß Sie nicht mehr die Sache meinen, sondern den Mann. Ich habe Sie damals bereits auf das Problematische hingewiesen - und ich wiederhole es heute -, das darin liegt, unter Ausklammerung einer sachlichen Debatte den Mann, der in diesem Fall der Oberbefehlshaber der Bundeswehr ist, anzuschießen mit dem Ziel, ihn damit in den Augen der ihm unterstellten Truppe zu diffamieren. Ich halte das für außerordentlich gefährlich. Nun, nachdem der dritte Verteidigungsminister da war und Sie ihm gewissermaßen eine Schonfrist gegeben haben, stehen wir wieder vor derselben Situation wie vor zwei Jahren, nämlich daß Sie über die Verteidigungspolitik kein Wort verlieren, aber gegen seine Person schießen. Ich glaube, das ist eine Methode, die sehr verderblich ist und vor deren Fortsetzung wir deshalb warnen sollten. Und was bleibt dann noch von Ihrer Rede übrig, Herr Dr. Schäfer? Eines müssen Sie mir zugeben - ich habe Ihnen sehr genau zugehört -: wenn Sie den Text Ihrer Rede lesen, werden Sie aber auch nicht einen Satz finden, der sich mit den Problemen des vorliegenden Etats beschäftigt, über den wir heute verhandeln. ({12}) All Ihre Ausführungen bezogen sich auf Vorkommnisse oder Nichtvorkommnisse im abgelaufenen Etatsjahr. Sie haben nichts über die Problematik dieses Etatjahres gesagt. Sie haben nichts vom haushaltspolitischen Standpunkt und erst recht natürlich nichts vom verteidigungspolitischen Standpunkt gesagt. ({13}) - Nein, ich habe sehr genau zugehört. Sie werden keinen einzigen Satz finden, der sich auf diesen Etat bezieht. ({14}) Ich habe eine zu hohe Meinung von der Opposition, als daß ich ihr unterstellen würde, daß ihre EnthalDr. Kliesing ({15}) tung darin begründet ist, daß sie auf der einen Seite bei ihren Kasernenbesuchen den Soldaten sagen kann: Wir sind nicht dagegen gewesen, und auf der anderen Seite auch ein gewisses Alibi gegenüber den konservativen sozialistischen Wählerschichten haben will, die eben auf den neuen Geist noch nicht so reagieren, wie es die Parteiführung wünscht. ({16}) Jedenfalls möchte ich vor einer Methode sehr nachdrücklich warnen: daß man die Diskussion verteidigungspolitischer Fragen aus diesem Hause und damit aus der Offentlichkeit wegnimmt und sie statt dessen in die Kasernen verlagert; ({17}) das wäre, glaube ich, sehr gefährlich. ({18}) - Man hat so einige Informationen, man sieht und hört so einiges, was einen etwas bedenklich werden läßt. ({19}) - Nehmen Sie Ihre Rundbriefe an die Truppe, dann werden Sie es schon haben. Nun möchte ich zu einem verteidigungspolitischen Problem kommen, das in sehr engem Zusammenhang mit diesem Haushalt steht. Wir alle wissen, daß unsere Verteidigungspolitik nur dann einen Sinn haben kann, wenn sie im Ergebnis dazu führt, daß das Gebiet der Bundesrepublik - zumindest der größte Teil dieses Gebietes - durch die Verteidigungsanstrengungen gedeckt ist und im Ernstfall unter den Schutz des Bündnisses fällt. Das heißt, wir alle - darüber gibt es in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheiten - sind Anhänger dessen, was man neuerdings die Vorwärtsverteidigung nennt. Diese Vorwärtsverteidigung ist seit dem vorigen Herbst möglich. Sie wurde erst möglich, nachdem die Bundeswehr einen Bestand von 400 000 Mann hatte; sie würde nicht mehr möglich sein, wenn der Bestand wesentlich darunter absinken würde. Wir alle betrachten die Vorwärtsverteidigung nicht nur als notwendig, sondern sehen sie geradezu als unverzichtbar an. Es reimt -sich aber nicht ganz, wenn man auf der einen Seite die Vorwärtsverteidigung verlangt und auf der anderen Seite dauernd an dem sogenannten überstürzten Aufbau der Bundeswehr Kritik übt. ({20}) Wir müssen uns folgendes klar vor Augen halten: wenn wir diesen sogenannten überstürzten oder übereilten Aufbau der Bundeswehr in den letzten Jahren nicht gehabt hätten, hätten wir heute seitens der NATO keine Vorwärtsverteidigung. ({21}) Selbstverständlich wissen wir, daß dieses Aufbautempo der Bundeswehr gewisse Nachteile mit sich gebracht hat. Wir begrüßen es daher sehr, daß der Bundesminister der Verteidigung nunmehr von der Konsolidierungsphase der Bundeswehr spricht; hier wird er volle Unterstützung haben. Aber ich bitte doch, das, was geleistet wurde, und das Ziel, das damit erreicht wurde, nicht dadurch künstlich abzuwerten, daß man immer wieder an der „übereilt geschaffenen Struktur" und an „Mängeln der Bundeswehr" herumnörgelt. Die Bundeswehr verdient unseren Dank und nicht, daß wir sie in dieser Art und Weise herabsetzen. Wer ja zur Vorwärtsverteidigung sagt, kann nicht nein zum Aufbautempo der Bundeswehr sagen. Das muß klar herausgestellt werden. Daraus ergibt sich noch ein zweites Problem, das haushaltspolitisch für uns sehr interessant ist. Schon die Konsolidierung der Bundeswehr muß darauf Rücksicht nehmen, daß die Vorwärtsstrategie nicht beeinträchtigt wird. Die Vorwärtsverteidigung kann jedoch nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dafür auch die nötigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Es wurde heute im Laufe der Debatte einmal geäußert - nicht beim Verteidigungshaushalt, sondern vorher -, man sei mit der Bereitstellung von Finanzen für die militärische Verteidigung sehr großzügig verfahren. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß der Verteidigungshaushalt sich augenblicklich in einer derart engen Situation befindet, daß mit jeder Mark gespart werden muß und daß personelle und materielle Rationalisierungsmaßnahmen eine der vordringlichsten Verteidigungsaufgaben in diesem und in dem nächsten Jahr darstellen. Wir müssen davon ausgehen, daß zwischen dem Volumen dieses Verteidigungshaushalts, so wie er uns jetzt vorliegt, und dem, was auf Grund der NATO-Forderungen für die Aufrechterhaltung der Vorwärtsverteidigung erforderlich ist, eine Differenz von etwa 2 Milliarden DM klafft. Man kann das in diesem Jahre vielleicht noch bis zu einem gewissen Grade ausgleichen. Aber, meine Damen und Herren, wie soll das denn nun werden, wenn das im Laufe der nächsten Jahre so fortgesetzt werden sollte, wenn wir immer mehr hinter dem zurückbleiben, was notwendig ist für die Aufrechterhaltung unserer Vorwärtsverteidigung und damit für die Sinngebung unserer Verteidigungspolitik überhaupt? Dann könnte die Situation eintreten, in der eine Vorwärtsverteidigung nicht mehr möglich wäre. Deshalb möchte ich nachdrücklichst davor warnen, daß man das, was man aus durchaus verständlichen haushaltspolitischen Gründen in diesem Jahr hat tun müssen, nämlich die Einschränkung des Verteidigungshaushalts, das Zurückbleiben des Verteidigungshaushaltes hinter den Forderungen, zum System werden läßt. Das könnte eines Tages dazu führen, unsere Verteidigungspolitik ihres Sinnes überhaupt zu berauben. Nun lassen Sie mich abschließend noch zu einem wichtigen Kapitel ganz kurz Stellung nehmen. Alle unsere Verteidigungsanstrengungen, militärisch, wirtschaftlich, finanziell, sind unnütz, wenn dahinter nicht die Verteidigungsbereitschaft des deutschen Volkes steht. Es wäre dazu manches zu sagen. Ich Dr. Kliesing ({22}) muß hier die Feststellung treffen, daß es leider - zu meinem sehr großen Bedauern muß ich das sagen - immer noch Kräfte in unserem Volke gibt, die offensichtlich daran interessiert sind, die Bundeswehr zu verleumden, zu diffamieren und damit den Verteidigungswillen unseres Volkes zu sabotieren. Wir haben dafür ein sehr bedauerliches, beklagenswertes Beispiel gehabt in einem Aufsatz, der sich im Märzheft der „Gewerkschaftlichen Monatshefte" befindet. Hier geht jemand hin und vergleicht die von uns allen sehr ernst genommenen Dinge, die sich in Nagold ereignet haben, mit den Massenmorden von Auschwitz. Den Gefreiten Raub - dessen Verhalten weiß Gott hier niemand billigen wird - setzt er auf eine Stufe mit dem Massenmörder Eichmann und versteigt sich dann zu dem Satz: „Es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß d i e Fallschirmjäger von Nagold als Typen nicht wesentlich verschieden sind von den Massenmördern des nationalsozialistischen Verbrecherstaates." ({23}) Meine Damen und Herren, ein Stabsoffizier der Bundeswehr, der bis zu seiner Reaktivierung Funktionär des Deutschen Gewerkschaftsbundes war, ihm sicherlich auch heute noch angehört, und der nicht meiner Partei, sondern einer anderen Partei angehört, ({24}) hat dazu den handschriftlichen Vermerk gemacht - ich bitte um Entschuldigung, wenn ich etwas hart zitiere, Herr Präsident -: „Dieser Vergleich ist eine Schweinerei." ({25}) Dieser Meinung habe ich nicht das geringste hinzuzufügen. ({26}) - Ich glaube ja, daß wir uns einig sind. Ich setze es ja voraus, daß wir uns einig sind. Es geht mir nur folgendes: Man würde diese Dinge wahrscheinlich gar nicht erwähnen, wenn es sich nicht um eine Zeitschrift handelte, die vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegeben wird - den ich in keiner Weise mit dieser Meinungsäußerung identifizieren möchte ({27}) - Moment, Moment, Moment, lassen Sie mich mal ausreden, Herr Berkhan, Sie werden gleich schon Ihren Willen bekommen - und wenn nicht die Redaktion dieser Zeitung in ihren Mitteilungen am Schluß des Heftes ausdrücklich noch eine positive Wertung dieses Artikels vorgenommen hätte. ({28}) - Man hört so einiges, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich nicht damit identifiziert, - was auch niemand angenommen hat. Man hört sogar munkeln, daß man dem verantwortlichen Redakteur nahegelegt habe zu kündigen. ({29}) - Ich glaube, es kommt auf etwas anderes an, Herr Berkhan; es kommt darauf an, daß sich der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes in aller Offentlichkeit von diesem Artikel klar distanziert und ihn verurteilt. ({30}) Jedenfalls zeigt uns dieser Vorfall, daß wir weiterhin aufmerksam beobachten müssen. Ich muß hier leider feststellen, daß sich diese negativen Kräfte, die sich gegen die Bereitschaft unseres Volkes, seine Freiheit zu verteidigen, wenden, offensichtlich nicht nur in gewissen Programmstellen von Rundfunk und Fernsehen, sondern auch anderswo ein Refugium bereiten, zu bereiten versuchen, so will ich es einmal ausdrücken. ({31}) Ich glaube, es ist wichtig, diese Dinge zu beobachten. Ich bin überzeugt, daß das Haus über alle Parteien hinweg jedenfalls in diesen Fragen durchaus einig ist. Zum Schluß möchte ich sagen, daß wir, die wir gegen härtesten und leidenschaftlichen Widerstand die Verteidigungspolitik dieses Staates von Anfang an bejaht und getragen haben, das auch weiterhin tun werden, daß wir dem Verteidigungsminister und der Bundeswehr unser Vertrauen aussprechen, daß wir diesem Etat zustimmen werden und daß in allen Sorgen, in allen Problemen, die zu lösen sind, der Bundesverteidigungsminister uns auf seiner Seite finden wird. ({32})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.

Fritz Rudolf Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002103, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bemerkungen zu der Rede des Kollegen Schäfer machen. Herr Kollege Schäfer, ich habe nach der Art, wie Sie gesprochen haben, den Eindruck gehabt, daß am Ende Ihrer Rede eigentlich hätte kommen müssen: Wir lehnen den Haushalt des Bundesverteidigungsministers ab. Denn wenn man sich in dieser Schärfe und in dieser Aggressivität mit den Dingen auseinandersetzt, kann man sich eigentlich nicht zu einer bloßen Enthaltung bekennen. Wir haben hier viel über Stilfragen gesprochen. Auch heute ist dieses Wort wieder öfters strapaziert worden. Ich will mich darauf nicht einlassen, meine aber doch, daß man auch in dem, wie man kritisiert, eine gewisse Kollegialität beibehalten sollte. ({0}) Ich weiß nicht, Herr Kollege Schäfer, wie Sie, der Sie ein hervorragendes Mitglied im HaushaltsausSchultz schuß sind, dort taktieren oder mit den Kollegen der anderen Parteien sprechen; aber Ihre Rede hat sehr differiert von der ausgezeichneten Zusammenarbeit, die wir mit der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuß haben, und ich weiß nicht, ob einer Ihrer Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß hier in dieser Form gesprochen hätte. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, Herr Kollege Schäfer, daß manches von dem, was Sie kritisiert haben, seinen Ursprung in Ihrer Partei und Ihrer Fraktion hat; denn ich glaube, die Fraktion, die in diesem Hohen Hause bei der Wehrgesetzgebung für besondere Sicherungen, oder ich möchte fast sagen, für eine übertriebene Sicherung in dem System der Wehrgesetze gesorgt hat, ist ohne Zweifel Ihre Fraktion gewesen. Um die Gesetze damals überhaupt durchzubringen, hat man Ihnen hier große Konzessionen gemacht, und diese führten dazu, daß heute manches unübersichtlich und eine straffe Führung nicht möglich ist. ({1}) - Man kann aber die Reichshaushaltsordnung, lieber Herr Kollege Berkhan, so oder so auslegen und so oder so zusätzlich ausstatten; das kann man auch noch machen. Jedenfalls, ein Vorwurf, den Sie dem Herrn Verteidigunugsminister gemacht haben, war ohne Zweifel unberechtigt - und das sage ich für mich und auch für meine politischen Freunde -, daß er das Amt als Oberbefehlshaber zu parteipolitischen Zwecken ausnutzt. Das kann man nun in der Tat nicht sagen. ({2}) - Jawohl, Herr Kollege Schäfer, das haben Sie gesagt. ({3}) Die Fairness, meine ich, gebietet, daß man diese Dinge doch so darstellt, wie sie sind, und ich darf für meine Freunde und mich sagen, daß wir mit dem politischen Verhalten des Ministers durchaus einverstanden sind. Er ist schließlich Parteipolitiker; folglich darf er selbstverständlich für seine Partei sprechen. Aber wenn er über Dinge der Bundeswehr gesprochen hat, hat er sie im überparteilichen Sinne geäußert. Das muß man also fairer- und anständigerweise hier sagen. ({4}) Ich bin auch nicht der Meinung und ich kann mit Ihnen darin nicht übereinstimmen, daß sich der Minister im Verhältnis zum Verteidigungsausschuß aufs hohe Roß gesetzt und gesagt hat: was diese dummen Leute da erzählen, ist mir völlig egal; sondern der Minister hat sich von Anfang an um ein gutes Verhältnis zum Ausschuß bemüht. Auch das muß anerkannt werden; denn ich bin der Meinung: das, was wahr ist, soll auch gesagt werden. ({5}) Insoweit glaube ich, daß die Angriffe, die Sie gegen den Verteidigungsminister von Hassel gerichtet haben, nicht gerechtfertigt gewesen sind; sie können jedenfalls 'unsere Billigung nicht finden. Ich möchte mich den Worten anschließen, die Sie, Herr Kollege Schäfer, und auch Sie, Herr Kliesing, bezüglich der Leistungen der Bundeswehr 'und letzten Endes auch der Verwaltung gefunden haben. Es ist üblich, das 'zu sagen, und ich kann es auch mit Überzeugung sagen. In dem Beitrag meines Kollegen Kreitmeyer zu diesem Haushalt ist das vielleicht nicht zum Ausdruck gekommen, obwohl gerade dieser Beitrag des Kollegen Kreitmeyer zeigt, daß wir uns um die Probleme sehr viel Sorgen machen. Wir hoffen, daß wir über unseren Entschließungsantrag im Ausschuß mit entsprechender Intensität diskutieren können. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister. von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich den Sprechern der Koalitionsfraktionen herzlich dafür danken, daß sie sich bei den Angriffen, die seitens des Sprechers der Sozialdemokratischen Partei gegen mich geführt worden sind, vor mich gestellt haben. Ich dürfte eigentlich zu den Fragen, die hier aufgerissen worden sind, gar nicht mehr so sehr viel zum Ausdruck bringen, weil vieles bereits erledigt worden ist. Ich möchte mich lediglich mit zwei Themen beschäftigen. Das eine ist die Rede des ersten Sprechers der Freien Demokratischen Partei zu einem Entschließungsentwurf, in dem eine Reihe einzelner, zum Teil außerordentlich gravierender Fragen aufgeworfen worden sind. Ich möchte vorab folgendes sagen. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten aus dieser Gruppe der Neun, die auch von uns - dem Bundesverteidigungsminister - aus genauso gesehen werden wie von dem Sprecher der FDP. Es gibt eine Reihe von Fragen, die man hier vertiefen könnte; aber ich glaube, niemand im Hohen Hause legt Wert darauf, daß wir jetzt von uns aus das untermauern, was zu den einzelnen Fragen angeschnitten worden ist. Es ist bereits geschehen. Wir haben, was die Konsolidierungsphase angeht, eine Schwierigkeit, Herr Abgeordneter, daß nämlich draußen in der Bundeswehr das Wort „Konsolidierungsphase" ein wenig abgegriffen ist, weil man die Ergebnisse einer solchen angeordneten Konsolidierungsphase draußen in den Einheiten nicht sofort sieht. Es wäre deshalb durchaus richtig, wenn man hier im einzelnen darlegen würde, was angeordnet worden ist. Aber ich wiederhole, es würde die Zeit des Hohen Hauses zu sehr in Anspruch nehmen. Ich möchte nur dieses sagen, Herr Abgeordneter. Wir haben in der ursprünglichen Planung des Jahres 1962, die auf eine Endstärke 1969/70 mit einer Zahl von reichlich 500 000 Soldaten mit einem entsprechenden Zuwachs für jedes Jahr abzielte, bis zu Bundesminister von Hassel diesem Zeitpunkt unsere Pläne reduziert, und zwar im Jahre 1963 und 1964 derart, daß der Aufwuchs der Zahl der Soldaten um 30 000 geringer ist. Das bedeutet, daß wir nur einen Teil der Einheiten aufstellen, die für 1963 oder 1964 vorgesehen waren; gemessen an der Zahl der Bataillone statt 27 nur deren 17; oder statt der 90 selbständigen Kompanien nur etwa deren 50. Wir befinden uns aber hier in der schwierigen Lage, daß auf der einen Seite für die Kampffähigkeit der Streitkräfte ein Mindestmaß neuer Aufstellungen notwendig ist und daß wir auf der anderen Seite aus Gründen der Konsolidierung dieses Mindestmaß nicht überschreiten können. Unter Ihren neun Punkten gibt es einige, bei denen ich von vornherein nur andeuten möchte, daß wir im Ausschuß bei der Einzelbehandlung des gesamten Themas vom Verteidigungsministerium aus allerernsteste Bedenken .anmelden werden. Das ist einmal die volle Umstellung von aktiven Verbänden auf eine Territorialverteidigung, die Sie vornehmen wollen, wenn ich Ihren Punkt Nr. 7 richtig gewertet habe. Das würde die .Gesamtverteidigungskonzeption, ich möchte fast sagen, auf ,den Kopf stellen. Ich möchte hier, bevor die Nachrichten darüber aus Deutschland hinausgehen, davor warnen, einem solchen Wege zu folgen, und diese (Bedenken geltend machen. Der zweite Punkt, der, wie ich glaube, auf die Grundlage einer glaubwürdigen Abschreckungskonzeption abhebt, ist Ihr Punkt Nr. 5, wo Sie die Frage nach den weiteren Atomwaffenträgersystemen stellen. Sie sagen, es sollen keine neuen Träger beschafft oder eingeführt werden. Auch hier geht es um den Bestand der Verteidigungskonzeption der NATO; aus diesem Grunde wenden wir Ihrem Vorbringen unter gar keinen Umständen folgen können. Der dritte Punkt, den wir ebenfalls von vornherein, damit auch in der Bundeswehr Klarheit herrscht, nicht annehmen können, ist das Auflösen von Einheiten, um andere bestehende (Einheiten entsprechend zu komplettieren. Ich glaube, darüber muß Klarheit herrschen, damit nicht plötzlich draußen Unruhe entsteht, weil unter gar keinen Umständen die Auflösung bestehender Einheiten mit all .den daraus sich ergebenden Versetzungen, Umzügen usw. in Betracht kommen kann. In diesen Punkten also müssen Sie wissen, daß wir idem Konzept nicht folgen können. Das besagt nicht, daß wir die übrigen sechs Punkte akzeptieren. Aber in den übrigen sechs Punkten steckt sicher eine Reihe von Fragen, über die man auch im Ausschuß sprechen kann. Ich möchte zum Ausdruck bringen, Herr Abgeordneter Kreitmeyer, daß ich auf eine solche Aussprache im Ausschuß deshalb Wert lege, weil Ihre Gedankengänge draußen diskutiert werden und es gut ist, wenn Klarheit geschaffen wird, damit man nicht nur im Ausschuß, sondern auch draußen in der Bundeswehr über Ihre und unsere Auffassungen hinreichend unterrichtet ist. Der Abgeordnete Schäfer hat sich zunächst über die „Planlosigkeit", wie er es nannte, des Jahres 1962 und darüber ausgelassen, daß damals große Aufträge vergeben worden seien, der Haushalt angeblich durcheinander geriet, mit (überplanmäßigen Ausgaben in der Größenordnung von 1,1 Milliarden erst wieder eingefangen wurde und im vergangenen Jahr sogar auf 1,4 Milliarden aufgestockt werden mußte. Ich persönlich meine eigentlich, Herr Abgeordneter Schäfer, daß über die Frage des Jahres 1962 und des Jahres 1963 im Verteidigungsausschuß, im Haushaltsausschuß und in ,diesem Hohen Hause so viel diskutiert worden ist, 'daß man jetzt einen Schritt weitergehen und diese ausdiskutierten Fragen zu den Akten schreiben könnte. Mir scheint aber, Sie müßten deutlicher darlegen, warum diese Haushaltsüberschreitungen im Jahre 1962 eintraten. Der Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Leicht, hat es dargelegt; Herr Abgeordneter Kliesing hat es noch einmal aufgenommen. Ich möchte nur eine einzige Zahl nennen. Wir haben nach der Berlin-Krise vom 13. August 1961 per 1. Oktober 1961 innerhalb von drei Wochen die Vermehrung der Streitkräfte um 45 000 Mann angeordnet, ohne uns unter dem Druck der Verhältnisse damals darüber klar sein zu können, wie die finanziellen Mittel dafür aufgebracht werden könnten. Es gibt eine Faustregel, die besagt, daß ein Soldat in einer stehenden Truppe pro Jahr 20 000 DM Kosten verursacht. Wir haben zur Zeit 420 000 Soldaten. Die fortlaufenden Kosten belaufen sich auf knapp 10 Milliarden DM, im Schnitt als Faustregel also 20 000 DM je Soldat. Das sind bei 45 000 Mann, die wir innerhalb von drei Wochen zusätzlich behalten mußten, allein schon, wenn sie bleiben, 900 Millionen DM mehr, auf ein Jahr bezogen. Das ist nur eine Position! Deshalb meine ich, daß man mit dem Vorwurf der Leichtfertigkeit Zurückhaltung über sollte. ({0}) Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, Sie werden mir attestieren, daß ich trotz der außerordentlichen Schwierigkeiten im Jahre 1963 mein dem Finanzminister gegenüber gegebenes Versprechen eingelöst und den Haushalt des Jahres 1963 nicht überschritten habe, obwohl draußen Wetten abgeschlossen wurden unter den Journalisten, daß der Finanzminister mit seiner Wette hereinfallen würde und daß ich eines Tages, Ende 1963, den Haushalt um Beträge von mindestens 500 bis 600 Millionen DM überziehen würde. Ich bin es gewöhnt, als ein Ministerpräsident eines armen Landes Ordnung in die Haushalte hineinzubringen. Sie können mir mindestens attestieren, daß ich mich bemüht habe, den Haushalt wieder in den Griff zu bekommen. ({1}) Das dritte, was Sie anführen, Herr Abgeordneter Schäfer, ist die Frage der langfristigen Planung. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich ein bißchen mein Verwundern zum Ausdruck bringe, daß Sie hier eigentlich zitiert haben, was damals der Abgeordnete Alex Möller vorgetragen hat. Ich habe geantwortet und habe gesagt: Herr Abgeordneter Möller, Sie hätten eigentlich wissen müssen, daß exakt dieser Vorschlag der Einrichtung einer langfristigen Planung, den Sie machen, in unserem Konzept steht. Zu diesem Zweck habe ich erstens - es war zu meiner Zeit bereits - den Direktor unserer Haushaltsabteilung nach Washington geschickt, Bundesminister von Hassel um an Ort und Stelle das System zu erkunden und zu erforschen und darüber zu diskutieren, und zweitens habe ich den Mann, der dieses System in den Vereinigten Staaten entwickelte, Mr. Hitch, der hier genannt worden ist, im Sommer des vergangenen Jahres einige Tage zu uns nach Bonn gebeten, um im Detail mit meinen leitenden Mitarbeitern und mit ihm dieses Konzept zu erörtern, das wir, das gebe ich zu, in einem gewissen Sinne heute übernehmen. Ich darf an diesem Punkt einen Satz des Abgeordneten Kreitmeyer aufnehmen. Er schilderte in seiner, Rede, daß die anderen Partner, z. B. die Amerikaner, für diese Aufgabe der Planung, der Forschung, der Entwicklung, all diese Sonderaufgaben, sicher das Dreifache des Personals, wenn das reicht, zur Verfügung haben als wir. Wir sind in dieser Hinsicht äußerst beengt, Herr Dr. Schäfer, denn wir können nicht aus einer Reserve schöpfen, um die Männer, die wir für diese Arbeit der langfristigen Planung gebrauchen, sofort verfügbar zu machen, sie im Pentagon einzuweisen, damit sie dann die Aufgaben hier wahrnehmen können. Ich habe aber, als ich das im Ausschuß dargelegt habe, erklärt: mit der Umgliederung des Ministeriums kommen diese Wünsche auf Sie zu. Und im Monat Mai, nach der Verabschiedung des Haushalts, wenn der Haushaltsausschuß ein bißchen Luft haben wird, werden wir genau vortragen, was wir für diese langfristige Planung an Mitarbeitern benötigen bei etwa sechs Referaten, die einzurichten sind. Ich hoffe, daß man dann auch unseren Vorschlägen und Wünschen folgt und nicht an der einen oder anderen Position noch Einsparungen erreichen zu müssen meint; denn darin, glaube ich, sind wir uns mit allen Abgeordneten dieses Hohen Hauses einig, daß diese langfristige Planung aufgebaut werden muß. Ich möchte aber hier feststellen, daß dies System von mir vorgeschlagen und mit dem amerikanischen Partner abgestimmt ist. Es ist also keine Neuigkeit von Ihnen, die Sie dann gleich zweimal, bei der ersten Lesung und heute bei der zweiten Lesung, uns verkaufen müßten. Das vierte, daß ich sagen möchte, bezieht sich auf die Fernsehsendung von gestern abend. Es steht mir nicht zu, ich bin nicht Abgeordneter des Hohen Hauses, sonst würde ich das kollegial mit Ihnen besprechen. Aber wie ist es mir eigentlich ergangen? „Wir haben die Absicht, über die Marinekonzeption einen Streifen zu drehen, und bitten Sie, Herr Minister; daß Sie zu einer Reihe von Fragen Stellung nehmen, darunter auch zu der Frage: Sollen die Zerstörer in-Deutschland gebaut werden, oder sollen sie aus Amerika kommen?" Daraufhin habe ich den Herrn vom Zweiten Fernsehen - ich weiß nicht mehr genau, wie er hieß - gebeten, zu überlegen, ob man diese Fernsehsendung nicht etwas hinausschieben könne, weil die Entscheidung im Verteidigungsausschuß noch nicht gefallen sei und weil ich es vermeiden wolle, an die Offentlichkeit zu treten, ehe ich diese Frage mit dem zuständigen Ausschuß, dem Verteidigungsausschuß bzw. dem Haushaltsausschuß, erörtert hätte. Es hieß: nein, die Sendung ist angesetzt, der Sendestreifen ist gedreht, die Interviews sind erfolgt - entweder Sie wirken mit oder Sie wirken nicht mit! Der Verteidigungsausschuß und sein Vorsitzender haben von mir eine genau detaillierte Darstellung auf all die Fragen, die im Verteidigungsausschuß gestellt worden sind und die hier noch einmal zitiert worden sind, erhalten. Ich nehme an, daß das Schreiben inzwischen im Büro des Ausschusses eingetroffen und vervielfältigt ist. Ich habe es vor schätzungsweise acht oder zehn Tagen unterschrieben. Das Verteidigungsministerium hat also die ihm gestellten Fragen beantwortet. Wir haben uns unsere Meinung gebildet. Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, daß in einem Ministerium von 4800 Mitarbeitern der eine oder andere anderer Auffassung ist als der Minister oder seine Mitarbeiter, ist völlig klar. Es wäre auch traurig, wenn alle nur eine einzige Meinung hätten. Das Verteidigungsministerium aber ist sich in dieser Frage einig und hat seine Antworten und seine Stellungnahme dem Verteidigungsausschuß zugeleitet. Nun habe ich gehofft, Herr Dr. Schäfer, daß der Verteidigungsausschuß diese Vorlage relativ bald behandeln würde. ({2}) - Nein, er hat sie nicht behandelt, sondern er hat sie zurückgestellt, bis eine Bereisung von Vertretern des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses auf einem der alten Zerstörer stattgefunden hat. Meines Wissens erfolgt sie in der nächsten Woche. Nach Rückkehr von dieser Bereisung und nach den Diskussionen, die dort an Bord des Schiffes möglich sein werden, wird dann der Verteidigungsausschuß die Entscheidung darüber treffen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Bitte.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, halten Sie dann die Formulierung Ihrer Antwort im Zweiten Fernsehen - ich habe in der Zwischenzeit den Wortlaut bekommen - für glücklich: „Es ist praktisch entschieden, daß die ersten drei deutschen Luftwaffenzerstörer in Amerika gebaut werden"? von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Im Verteidigungsministerium abschließend geklärt! Ich habe die Sendung übrigens nicht gesehen. Ich habe für die Sendung ein Manuskript nicht benutzt, Herr Dr. Schäfer, sondern im Fernsehen spreche ich frei. Sie wissen das wahrscheinlich auch aus eigener Erfahrung. In dieser Sendung hat im übrigen z. B. Ihr Vertreter, Herr Senator Schmidt aus Hamburg, dem Werftbauplatz, meine Stellungnahme zu der Frage zumindest nicht kontrovers behandelt, sondern sich in der Richtung geäußert, es spreche vieles dafür, daß man so vorgehe. Aber ich weiß nicht, ob Bundesminister von Hassel ich richtig unterrichtet bin; ich habe die Sendung nicht gesehen. ({0}) - Nein, ich weiß auch nicht, ob er Konkurrenzminister ist. ({1}) - Herr Dr. Schäfer, ich kann Ihnen nur versichern: es ist kein Auftrag erteilt, es ist kein Dokument unterzeichnet, das irgendwie in diese Richtung gehen könnte. ({2}) Meine Herren, ich glaube, es hat keinen Zweck, daß man darüber lange weiterdiskutiert. Herr Dr. Schäfer, Sie werden mir doch wohl attestieren können, daß ich immer, wenn mich der Haushaltsausschuß oder der Verteidigungsausschuß gerufen hat, gekommen bin und zu allem, was ich wußte, Auskunft gegeben habe. Das werde ich auch in Zukunft tun. ({3}) Zu der letzten Frage! Herr Abgeordneter Schäfer, Sie sagten „bedenkliche Mißachtung des Parlaments" und kamen auf das Organisationsgesetz zu sprechen. ({4}) - Dann darf ich Ihnen und dem Hohen Hause folgendes dazu darlegen. Ich habe über die Absicht, eine Umgliederung in der Spitze des Verteidigungsministeriums vorzunehmen, mit allen gesprochen, die man überhaupt darüber sprechen kann. Ich habe ein langes Gespräch mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden, dem Herrn Abgeordneten Erler, gehabt, ich habe ein Gespräch gehabt mit dem Vizepräsidenten Herrn Schoettle, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Ich habe mit allen, die man um eine Meinungsbildung befragen kann, gesprochen, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer. In diesen Gesprächen, beispielsweise in dem mit dem Herrn Kollegen Erler, ist die Frage nach einem Organisationsgesetz und einer Vorlage von uns behandelt worden. Da habe ich die Gründe sehr eingehend genannt, warum ich glaube, daß es nicht richtig ist, in dieser Legislaturperiode den Entwurf eines Organisationsgesetzes vorzulegen. Man kann doch nicht abstreiten, daß ich die Gründe auch in den Ausschüssen eingehend dargelegt habe.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich Ihnen noch einmal sagen, um was es uns ging? Am 23. Januar wurde es vorgelegt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es ist ja eine Frage: „Darf ich Ihnen?".

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage, ob ich es noch einmal darlegen darf. ({0}) Am 23. Januar wurde es im Ausschuß behandelt. Man war sich einig: Am 6. Februar oder später wird es weiter behandelt. Man sollte dazu Stellung nehmen. Am 1. Februar ist es in Kraft getreten. von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Dr. Schäfer, im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß ist von mir nicht etwa nur ein Spezialpunkt behandelt worden, nämlich die Frage der Organisation der Gliederung der Spitze, sondern im Zusammenhang mit einem sehr langen Vortrag über die Gesamtfragen der Verteidigungspolitik - es war ein Bericht von mindestens einer Stunde - habe ich meine Absicht mitgeteilt, die Umgliederung des Ministeriums vorzunehmen. Von mir sind die Organigramme alter und neuer Form aufgestellt und erläutert worden. Und dann ist auch durch meine Schuld - infolge Zeitknappheit die Debatte im Ausschuß nicht bis zu Ende geführt worden. Aber, Herr Abgeordneter Schäfer, die Herren, die dabeigewesen sind, können es attestieren, daß schätzungsweise 25 Fragen gestellt worden sind. Da die Zeit des Ausschusses - nicht meine - abgelaufen war, haben wir uns verständigt, daß ich die Behandlung dieser Fragen am 6. Februar vornehme. Von den 25 Fragen bezog sich - sage und schreibe - nur eine einzige auf die Umgliederung der Spitze des Ministeriums. Die Frage - ich weiß nicht mehr genau, von wem sie kam - richtete sich nur darauf: Was ist das eigentlich für ein General, den Sie dort als Dreisternegeneral eingezeichnet haben? Das war alles. Aus dem Ablauf dieses Fragenkatalogs konnte ich wirklich nicht entnehmen, daß zu dem Kernpunkt Umorganisation und Umbildung überhaupt eine weitere Frage gestellt war. Die anderen Fragen bezogen sich auf Vorwärtsverteidigung, Panzerbeschaffung, Transall und ähnliches, aber keine auf die Organisation des Ministeriums. ({1}) - Dann hätten sie diese Fragen mindestens ankündigen können. Wenn sich von 25 Fragen eine nur auf die Stelle eines Dreisternegenerals bezieht, dann muß derjenige, der vorträgt, davon ausgehen, daß das Thema damit im Grund erledigt ist. Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, es ist zwar nachher von mir - es ist veröffentlicht worden - gesagt worden, das Gesetz trete im Februar in Kraft. Ich habe aber genau und deutlich gesagt: Es tritt erst in Kraft, wenn die Stellenpläne genehmigt sind. Aber ich muß in der Lage sein, nach einem solchen Konzept zu verfahren, um die Auswirkungen durch die Organisationsreferate klären zu können. Um einen konkreten Vorschlag machen zu können, muß Balkenhol Bauer ({2}) Bauknecht Bausch Becker Berberich Dr. Besold Bewerunge Biechele Dr. Bieringer Ja CDU/CSU Dr. Althammer Arndgen Dr. Artzinger Baier ({3}) Baldauf Bundesminister von Hassel ich zunächst einen Schritt nach vorne tun. Ich bin für Kritik durchaus empfänglich, aber es erscheint mir überflüssig, zu diesem Thema noch Kritik zu äußern; ({4}) denn jeder sagt, daß diese Umbildung des Ministeriums notwendig ist. Ich möchte zum Schluß noch eines sagen, Herr Abgeordneter Schäfer. Sie sprachen über die Leichtfertigkeit, mit der bei uns verfahren werde, z. B. im Beschaffungswesen. Beantwortet ist die Frage durch Herrn Abgeordneten Leicht und Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing. Ich nenne Ihnen die Zahl der Beschaffungsverträge, die mein Haus geschlossen hat. Wir haben über 120 000 Verträge mit meines Wissens nicht ganz 3 1/2 Millionen verschiedener Positionen geschlossen. Bei einem so großen Volumen muß mitunter einiges umgeschichtet werden, weil die Termine nicht eingehalten werden können, weil wir mit den Verträgen nicht zu Rande kommen. Obwohl sie konzipiert und im Prinzip genehmigt sind, treten bei der Ausfeilung des Vertrages Schwierigkeiten auf, so daß sich das Ganze verzögert. Wenn man dann etwas anderes vorzieht, so kann man das nach meiner Auffassung nicht „manipulieren" und „System von Finanz- und Verteidigungsminister" nennen, sondern das ist dann noch das allervernünftigste, damit man mit den Dingen überhaupt weiterkommt. ({5}) In der Form haben wir uns meines Erachtens nichts vorzuwerfen. Daß wir mit den Verträgen vielfach nicht weiterkommen, liegt an der Genauigkeit, mit der wir zu arbeiten versuchen, damit wir, der Staat, bei solchen Verträgen nachher möglichst nicht übers Ohr gehauen werden. Sie wissen, daß ich persönlich in dieser Beziehung außerordentlich penibel bin. Ich bitte doch, daß man auch bei der Betrachtung eines solchen Aufgabenbereiches, nicht des Ministers, nur des Ministeriums die große Zahl von sehr treuen und außerordentlich fleißigen Mitarbeitern würdigt, die sich bemühen, eine Bundeswehr aufzubauen, die auch Ihr Vertrauen mit genießt. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage eine namentliche Abstimmung und bitte Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, diesen meinen Antrag auf namentliche Abstimmung zu unterstützen. Ich will vier Punkte sagen, warum ich dies tue. Erstens ist dieser Verteidigungshaushalt so umfangreich, so bedeutend und so wichtig, daß er die Ehre einer namentlichen Abstimmung verdient. Zweitens, was Ihnen recht ist, meine Damen und Herren auf der linken Seite - Sie haben heute zwei namentliche Abstimmungen beantragt -, ist uns billig. Drittens sollen doch die Damen und Herren, die bis jetzt tapfer ausgehalten haben, auch eine gewisse I Belohnung bekommen, ({0}) indem sie nämlich im Protokoll erscheinen. Jetzt nenne ich den vierten Grund, und der ist mir sehr .ernst. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, wenn man in irgendeine Kaserne oder in irgendeinen Wehrmachtsbereich geht oder etwas liest, dann gebärden Sie sich militärfromm, und Sie sind bundeswehrfreundlicher, als wir es je waren. Wenn ich nächstenswieder einmal irgendwohin komme und gesagt bekomme, wie militärfromm und wie bundeswehrfreundlich Sie sind, möchte ich nur sagen können: Aber der und jener Kollege hat sich nicht zu einem Ja zu diesem Verteidigungshaushalt durchringen können. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Aus diesem Beifall schließe ich, daß der Antrag durch 50 Abgeordnete unterstützt werden wird. Bitte Handzeichen! - Namentliche Abstimmung über den Einzelplan 14! Die Abstimmung ist geschlossen. Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 14, Bundesverteidigungsministerium, bekannt. Mit Ja haben gestimmt 206 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses. Mit Nein haben gestimmt 7 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses. Enthalten haben sich 146 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses. Von den Berliner Abgeordneten haben 2 mit Ja und 9 mit Nein gestimmt. ({0}) - Keine Aufregung, meine Damen und Herren! Der Einzelplan 14 ist in namentlicher Abstimmung angenommen. ({1}) - Meine Damen und Herren, ich muß einen der Fehler korrigieren, die in vorgerückter Stunde gewöhnlich passieren: Die 9 Berliner Abgeordneten haben nicht mit Nein gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten. Die Ziffer 9 ist in der Eile des Gefechts in die falsche Schublade gerutscht. Dafür gebe ich den Herren Schriftführern Pardon. Endgültiges Ergebnis: Ja: 203 und 2 Berliner Abgeordnete Nein: 7 Enthalten: 144 und 9 Berliner Abgeordnete Frau Dr. Bleyler Blöcker Frau Blohm Blumenfeld von Bodelschwingh Böhme ({2}) Brand Frau Brauksiepe Dr. Brenck Brese Bühler Dr. Conring Dr. Czaja Dr. Dichgans Diebäcker Drachsler Draeger Ehnes Ehren Eichelbaum Dr. Elbrächter Frau Engländer Etzel Dr. Even ({3}) Even ({4}) Falke Dr. Franz Franzen Dr. Frey ({5}) Dr. Fritz ({6}) Dr. Furler Gedat Gehring Frau Geisendörfer Dr. Gerlich D. Dr. Gerstenmaier Gibbert Dr. Gleissner Glüsing ({7}) 1 Dr. Götz Dr. Gossel Gottesleben Günther Freiherr zu Guttenberg Frau Haas Härzschel Gräfin vom Hagen Harnischfeger Dr. Hauser Dr. Hesberg Hesemann Hilbert Dr. Höchst Hörnemann ({8}) Hösl Horn Dr. Huys Frau Jacobi ({9}) Dr. Jaeger Josten Frau Kalinke Dr. Kanka Dr. Kempfler Frau Klee Klein ({10}) Dr. Kliesing ({11}) Klinker Knobloch Dr. Knorr Dr. Kopf Krüger Krug Kuntscher Lang ({12}) Lemmrich Lenz ({13}) Lenze ({14}) Leonhard Lermer Leukert Dr. Luda Lücke ({15}) Maier ({16}) Maucher Mais Menke Mick Missbach Müller ({17}) Dr. Müller-Hermann Müser Neumann ({18}) Nieberg Dr. Dr. Oberländer Oetzel Frau Dr. Pannhoff Dr. Pflaumbaum Dr. Poepke Porten Frau Dr. Probst Frau Dr. Rehling Dr. Reinhard Rommerskirchen Ruland Scheppmann Schlee Schlick Schmücker Schneider ({19}) Frau Schroeder ({20}) Schulhoff Dr. Schwörer Seidl ({21}) Dr. Serres Dr. Sinn Stauch Dr. Steinmetz Stooß Storm Sühler Dr. Süsterhenn Teriete Tobaben Unertl Varelmann Verhoeven Dr. Freiherr v. Vittinghoff-Schell Vogt Wagner Dr. Wahl Dr. Weber ({22}) Weinkamm Weinzierl Frau Welter ({23}) Wendelborn Dr. Wilhelmi Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmer-Eigenbrodt Wullenhaupt Ziegler Dr. Zimmer Berliner Abgeordnete Hübner Müller ({24}) FDP Dr. Aschoff Busse Dr. Dahlgrün Dr. Danz Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dürr Dr. Emde Frau Dr. Flitz ({25}) Frau Funcke ({26}) Dr. Hamm ({27}) Hammersen Dr. Hellige Dr. Imle Frau Dr. Kiep-Altenloh Kreitmeyer Dr. Krümmer Kubitza Logemann Dr. Mende Dr.h. c. Menne ({28}) Mertes Murr Peters ({29}) Reichmann Sander Scheel Schmidt ({30}) Schultz Soetebier Spitzmüller Wächter Walter Zoglmann Nein SPD Bading Biermann Dr. Dr. Heinemann Hörauf Frau Kettig Matthöfer Enthalten SPD Frau Albertz Anders Arendt ({31}) Auge Bäuerle Bäumer Bals Bauer ({32}) Bazille Dr. Bechert Behrendt Bergmann Berkhan Berlin Beuster Frau Beyer ({33}) Biegler Birkelbach Blachstein Dr. Bleiß Börner Dr. h. c. Brauer Bruse Buchstaller Büttner Busch Corterier Cramer Diekmann Frau Döhring Dopatka Frau Eilers Erler Eschmann Felder Figgen Flämig Folger Franke Dr. Frede Frau Freyh ({34}) Fritsch Geiger Gscheidle Haage ({35}) Hamacher Hauffe Heide Heiland Hellenbrock Frau Herklotz Hermsdorf Herold Hirsch Höhmann ({36}) Höhne Hörmann ({37}) Frau Dr. Hubert Hufnagel Hussong Iven ({38}) Jacobi ({39}) Jacobs Jahn Jürgensen Junghans Junker Kaffka Kahn-Ackermann Frau Kipp-Kaule Könen ({40}) Koenen ({41}) Kohlberger Frau Korspeter Dr. Kübler Kulawig Kurlbaum Lange ({42}) Langebeck Lautenschlager Lemper Lücke ({43}) Maibaum Marquardt Marx Matzner Frau Meermann Meyer ({44}) Dr. Mommer Dr. Morgenstern Müller ({45}) Müller ({46}) Müller ({47}) Müller ({48}) Dr. Nissen Peiter Dr. Pohlenz Pöhler Porzner Priebe Ravens Regling Rehs Dr. Reischl Reitz Dr. Rinderspacher Dr. Roesch Rohde Präsident D. Dr. Gerstenmaier Frau Rudoll Sänger Saxowski Dr. Schäfer Frau Schanzenbach Scheuren Schmidt ({49}) Dr. Schmidt ({50}) Dr. Schmidt ({51}) Schmidt ({52}) Schröder ({53}) Schwabe Seibert Seidel ({54}) Seifriz Frau Seppi Seuffert Stephan Striebeck Strohmayr Dr. Tamblé Wegener Welke Welslau Weltner ({55}) Frau Wessel Wilhelm Wischnewski Wolf Frau Zimmermann ({56}) Zühlke Berliner Abgeordnete Bartsch Braun Frau Krappe Liehr ({57}) Neumann ({58}) Dr. Schellenberg Dr. Seume Urban Ich rufe auf: Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ({59}). Ich frage, ob der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Heiland, das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort zum Einzelplan 25 gewünscht? - Herr Abgeordneter Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn nicht vor einer Stunde ein Kollege von der CDU zu mir gekommen wäre und erklärt hätte: Ihr stellt ja keine Anträge, also bejaht Ihr unsere Wohnungsbaupolitik, wäre es vielleicht gar nicht notwendig, hier in so später Stunde ein paar Bemerkungen zu machen. Aber dieser Hinweis macht es erforderlich, klarzustellen, welches die Gründe sind, die uns leider veranlassen, dem Etat des Bundeswohnungsbauministeriums unsere Zustimmung zu versagen. Die Zeiten einer übereinstimmenden Wohnungsbaupolitik sind vorbei, und es gibt Spannungen und Kontroversen. Wir bedauern dies, aber wir können es nicht ändern. Nur wird heute nicht die Möglichkeit bestehen, auf Einzelheiten einzugehen und darzutun, worin die Divergenzen liegen. Einige Hinweise müssen aber gegeben werden, schon deshalb, weil der Herr Bundeswohnungsbau minister durch die Lande reist und so tut, als ob alles in Ordnung wäre, als ob es keinen Grund zur Kritik gäbe. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat in letzter Zeit Ermüdungserscheinungen gezeigt ({0}) - nicht im Reden, da ist er sehr aktiv -, und zwar dort, wo es darum geht, Bundesmittel für die weitere Förderung des öffentlichen Wohnungsbaues zu erhalten, dort, wo es beispielsweise darum geht, auch für die Zukunftsaufgaben die finanzielle Mitbeteiligung des Bundes zu sichern. Vom Städtebauförderungsgesetz, von der Raumordnung, von der Dorferneuerung und vielen neuen Aufgaben wird geredet. Aber nirgendwo findet man Zusicherungen von finanziellen Hilfen des Bundes bei diesen vor ( allem den Gemeinden überantworteten Aufgaben. Überhaupt scheint die ganze Entwicklung dahin zu laufen, mehr und mehr Verantwortung den Ländern und Gemeinden aufzuerlegen und den Bund allmählich immer mehr aus seiner Mitverantwortung für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zurückzuziehen. ({1}) - Herr Kollege Baier schüttelt mit dem Kopf. Ich will ein paar Hinweise geben. Es ist wenige Stunden her, daß das Kabinett die Vorlage eines Steueränderungsgesetzes 1964 gebilligt hat. In diesem Steueränderungsgesetz gibt es auch Bestimmungen, die eine weittragende wohnungspolitische Bedeutung haben. Nach einer Zeitungsnotiz soll der Herr Bundeswohnungsbauminister seine Übereinstimmung mit Maßnahmen erklärt haben, mit denen der Abbau der Steuerbegünstigungen für Beiträge an Bausparkassen bis zum Jahre 1973 verbunden ist. Davon werden sehr viele Wohnungsbauprämien-sparer betroffen. Eine weitere Verschlechterung des Bausparens in Form einer Senkung der Wohnungsbauprämiensätze trifft allein 93 % dieser Sparer. Von diesen Verschlechterungen wird besonders der kleine Mann betroffen. Von den im April 1964 vorhandenen fast 4,7 Millionen Bausparverträgen sind mehr als 65 % von Unselbständigen abgeschlossen worden. Herr Minister Lücke ist gestern in Baden-Württemberg gewesen und hat dort wieder einmal seinen Slogan verkauft: Es wird weiter gebaut. Aber einer so bedeutsamen wohnungspolitischen Maßnahme hat er nicht die Beachtung geschenkt, die notwendig gewesen wäre. Er führt sich nach außen hin unverdrossen als gegenüber jedem Tadel erhaben auf; er ist es keineswegs. Es ist nicht richtig, nur Erfreuliches festzuhalten. Die stolzen Wohnungsbauleistungen der Vergangenheit, an denen unser ganzes Volk seinen Anteil hat - heute morgen hat mein Kollege Erler darauf hingewiesen -, sind es nicht allein, was zu registrieren ist. Es gibt leider auch eine erhebliche Anzahl von Unterlassungen und von Fehlern. Ich will nur ein paar Stichworte nennen, ohne - angesichts der späten Stunde - näher darauf einzugehen. So sollte nicht vergessen werden, daß wir einen wirkungslosen Baustopp gehabt haben, von dem viel geredet wurde und über den viele Prophezeiungen ausgesprochen wurden. Es sollte nicht vergessen werden, daß die Baulandsteuer gescheitert ist. Es sollte nicht vergessen werden, daß sich die groß angekündigte Baulandaktion, die Bereitstellung von Bauland aus dem Besitz des Bundes, als ein Bluff erwiesen hat. 8740 Grundstücke mit 8300 Hektar in der ganzen Bundesrepublik in sechs Jahren - das ist ein Hohn, meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dessen, was ursprünglich angekündigt worden ist. Darüber schweigt der Herr Bundeswohnungsbauminister. Auch den Schwierigkeiten, die sich in Verbindung mit der Abbaugesetzgebung ergeben, mißt er in seinen öffentlichen Erklärungen nur wenig Bedeutung bei. Für ihn sind die unzulänglichen Wohnbeihilfen Jacobi ({2}) und ein sogenanntes soziales Mietrecht - das noch nicht einmal endgültig gesichert ist - ausreichend. Und was die zukünftige Wohnungsbaupolitik anbelangt, meine Damen und Herren, so läßt das, was über die schon seit einiger Zeit angekündigte neue Novelle bekanntgeworden ist, nicht erhoffen, daß hier konstruktive Wohnungsbaupolitik zu erwarten ist. Uns besorgt der unbedingte Vorrang bei der öffentlichen Förderung von Wohnraum für den Neubau von Familienheimen und Eigentumswohnungen in Verbindung mit der Erklärung, daß dieser Vorrang Geltung haben soll „ungeachtet der Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes". Wir glauben, daß das nicht verantwortet werden kann angesichts des zweifellos notwendigen Mietwohnungsbaues vor allem in den Brennpunkten des noch vorhandenen Bedarfs. Wir werden sehr aufmerksam sein und feststellen, ob diese Ankündigungen in der Presse über die mit dem Entwurf verfolgten Absichten den Tatsachen entsprechen. In einer Zeit, meine Damen und Herren, in der Landesregierungen, auch solche unter CDU-Führung, den Gemeinden ausdrücklich erklären, nun komme es in erster Linie darauf an, in den Städten den Mietwohnungsbau zu fördern, sollten Sie nicht mit einer neuen Ballungs-Theorie aufwarten. Kommen Sie mir in diesem Zusammenhang bitte nicht damit, dadurch würden weitere Ballungen gefördert. Hier geht es um nachgewiesene Not, hier geht es um die Erhaltung der Arbeitsplätze, hier geht es um die Erleichterung der menschlichen Situation und nicht um Ideologien. Wir können es uns gar nicht leisten, die Dinge ideologisch zu betreiben. Es ist nicht uninteressant, wenn in diesen Tagen ein CDU-Wohnungsbauminister sich eines Wortes bedient hat, das ich bereits im Jahre 1951 auf dem Kongreß meiner Partei in Köln formulieren durfte: „So viel Eigenheime wie möglich, so viel Mietwohnungen wie nötig!". ({3}) Das ist eine These, die auch für die Zukunft Bedeutung haben sollte. ({4}) Nach dieser Richtung hin warten wir ab, ob Sie eine entsprechende Novelle vorlegen werden. Wir werden es sehen. Klatschen wir erst, wenn wir die Novelle kennen, die im Augenblick, soweit mir bekannt ist, eine solche tolerante Regelung nicht vorsieht. Ein zweiter Punkt, der uns besorgt macht und auf den ich nicht näher eingehen will, weil er uns ja demnächst beschäftigen wird! Ich meine den Versuch der sogenannten Fehlbelegung von Sozialwohnungen, ich möchte fast sagen, ein politisches Geschäft zu betreiben. Kein Mensch in diesem Hause wird der Meinung sein, daß es nicht solche Fehlbelegungen gibt und daß nicht Mittel und Wege gefunden werden müßten, um sie zu beheben. Aber Zwangsräumungen, wie sie vorgesehen sind, sind nicht der richtige Weg, und rückwirkende Eingriffe in Verträge scheinen uns auch kein geeignetes Mittel zu sein, zumal man auf der anderen Seite ständig von der Freiheit und vom Abbau der Zwangswirtschaft spricht. Wir werden auch diese Entwicklung sehr aufmerksam beobachten und verfolgen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser späten Stunde ist es nicht meine Absicht, eine lange Rede zu halten. Ich habe ein paar Randbemerkungen gemacht. Ich will hoffen, daß wir alsbald die Möglichkeit haben, in einer größeren Debatte eingehender und vertiefter über die uns trennenden Fragen zu sprechen, und daß wir dann die Möglichkeit haben, einen Weg zu suchen, der uns vielleicht doch in dieser oder jener Frage wieder einmal zusammenführt. Bis dahin sind wir leider von Mißtrauen erfüllt. Wir sehen uns deshalb nicht imstande, dem Etat des Bundeswohnungsbauministers zuzustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Baier ({0}).

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jacobi, mit Spannung habe ich darauf gewartet, was Sie an Divergenzen in der Wohnungsbaupolitik aufzeigen werden. Ich muß gestehen, es war nichts Neues gegenüber dem, was Sie hier schon früher geäußert haben. ({0}) - Sie lernen einfach nichts dazu; das ist der Grund, Herr Kollege Jacobi. ({1}) Die Probleme und die Sorgen, die auf dem Gebiet des Wohnungsbaues vorhanden sind, kennen wir genauso gut wie Sie. Wenn Sie zur Bewältigung dieser Probleme bessere Rezepte haben als wir, möchte ich Ihnen das entgegenrufen, was hier heute der Bundeskanzler sagte: Es wäre verantwortungslos, wenn Sie Ihre Rezepte in der Tasche behielten und uns nicht bekanntgäben. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, in vergangenen Jahren - darauf wies ich hin - hat sich der Kollege Jocobi hier in ähnlicher Weise geäußert. Er hat folgenden Satz gesagt, den ich zitieren darf: „Der Bundeswohnungsbauminister ist immer optimistischer, als die objektive Situation es gestattet." Ich möchte Ihnen entgegnen, daß alle Ihre pessimistischen Äußerungen in all diesen Fragen, ob es nun das Totengeläute für den sozialen Wohnungsbau oder ob es die Katastrophenstimmung zum Abbaugesetz war, nicht bestätigt worden sind, sondern daß ein berechtigter und begründeter Optimismus bei der Durchführung dieser Politik in all diesen Jahren gewaltet hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Baier, haben Sie noch nicht davon gehört, daß von den Kündigungen jetzt im wesentlichen Pensionäre, Rentner und kinderreiche Familien betroffen sind, und würden Sie das nicht immerhin als eine böse Auswirkung dieser Gesetze bezeichnen?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber, Frau Kollegin, Kündigungen hat es immer gegeben und wird es weiter geben. Es geht hier darum, ob diese Katastrophe, wie Sie sie im letzten Jahr an die Wand gemalt haben, Wirklichkeit geworden ist oder nicht. Wenn Sie sich die konkreten Zahlen geben lassen und den Dingen auf den Grund gehen, stellen Sie fest, daß es ganz niedrige Zahlen von ungerechtfertigten Kündigungen sind. Ich darf Ihnen sagen: auch uns ist das eine Sorge, und es wird alles getan, um diese Dinge in möglichst engen Grenzen zu halten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Baier, hätten Sie die Freundlichkeit, darzutun, wer etwa aus den Reihen meiner Fraktion jemals in diesem Zusammenhang von einer Katastrophenpolitik gesprochen hat, ({0}) können Sie den Nachweis führen? Ich habe das nie getan und meine Freunde auch nicht. ({1}) Im übrigen, wollen Sie die Freundlichkeit haben, daran zu denken, daß sich der Herr Bundeswohnungsbauminister wiederholt sehr vorsichtig dahin geäußert hat, ein abschließendes Urteil über die Auswirkungen sei noch gar nicht möglich? - Das scheint auch mir der Fall zu sein. Seien auch Sie vorsichtig mit Ihren Feststellungen.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jacobi, auch da gebe ich Ihnen recht: ein abschließendes Urteil ist nicht möglich. Aber daß Sie den Teufel an die Wand gemalt haben, dafür kann ich Ihnen - ich kann Ihnen jetzt nicht Roß und Reiter nennen - morgen, wenn Sie wollen, pfundweise Papier mit Äußerungen in dieser Richtung von Ihrer Seite und von den Gewerkschaften auf den Tisch legen. ({0}) - Nicht Sie persönlich; ich spreche hier Ihre Fraktion an. ({1}) Ich will es Ihnen gern beweisen und Ihnen die Unterlagen geben, wenn Sie es wünschen; aber Sie wissen es genauso gut wie ich. Jetzt wollen Sie es plötzlich nicht mehr gewesen sein, wollen nicht wahrhaben, daß das im vergangenen Jahr gesagt wurde. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte für die CDU/CSU-Fraktion feststellen: der Wohnungsbau wird fortgeführt. Wir hatten kürzlich hier eine Aussprache, in der wir festgestellt haben, daß sich das Zweite Wohnungsbaugesetz bewährt hat, daß zwar der Zeitpunkt einer Novellierung und der Zeitpunkt gekommen ist, neue Akzente und Schwerpunkte zu setzen, daß wir Ihren Vorschlag für ein Drittes Wohnungsbaugesetz und Ihre Vorstellungen von Planifizierung und den Rückfall in vergangene Zeiten nicht billigen können, sondern daß wir, drei Schwerpunkte in der Wohnungsbaugesetzgebung für die Zukunft sehen, so z. B. die verstärkte Eigentumsbildung. Hier muß ich noch einmal kurz einhalten und auf das zurückkommen, was Sie, Herr Kollege Jacobi, gesagt haben. Ich war überrascht, wie zahm Sie die Kritik in puncto Förderung des Familienheimbaus, Vorrang des Eigenheims, vorgebracht haben, nachdem Sie im PPP, in Ihrem Pressedienst, festgestellt hatten, der neue Entwurf des Wohnungsbauministers bedeute in der Praxis eine Mißachtung der Wohnungsnot derjenigen, die sich kein Eigenheim leisten können, und eine nicht mehr vertretbare, ungleiche Behandlung derjenigen, die sich - aus welchen Gründen auch immer - kein Eigenheim leisten wollen. Mit dem Begriff „Familienheim" wird wieder einmal Schindluder getrieben, als ob nicht auch eine Mietwohnung ein Familienheim wäre. ({3}) Nach diesen Ankündigungen, nach diesen Tönen im PPP - hier haben Sie es schwarz auf weiß, wenn Sie es wollen; das ist Ihr Pressedienst -, muß ich Sie etwas fragen. ({4}) - Herr Kollege Mommer, er ist hier nur für uns abgeschrieben; Sie stellen ihn uns ja nicht immer zur Verfügung. ({5}) Herr Kollege Jacobi, darf ich Sie fragen, ob Sie wirklich glauben, daß der Grundsatz vom Vorrang des Familienheimes, der nun durch ihre Partei hier plötzlich wieder kritisiert wird, etwas Neues ist, was wir einführen wollen. Oder ist das nicht eine verzerrte und unrichtige Darstellung der Fakten, die wir seit 1956 im Zweiten Wohnungsbaugesetz bereits haben?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Meermann?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Baier, sollte Ihnen entgangen sein, daß selbst in Ländern, die von der CDU regiert werden, die öffentlichen Mittel seit neuestem deswegen vorrangig in den Mietwohnungsbau gesteckt werden und nicht mehr in den Eigenheimbau, weil sie zu gering sind, als daß sie von dem Personenkreis, für den sie gedacht sind, noch für den Eigenheimbau in Anspruch genommen werden könnten? ({0}) - Ich darf Sie darauf verweisen, daß es in Baden-Württemberg jetzt so gemacht wird. - Könnten Sie nicht daraus schließen, daß die Praxis Ihre hier geäußerten Vorstellungen schon überholt hat und daß wir es nicht mehr nötig haben, das allzu massiv anzugreifen?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, auch ich kann Ihnen darauf nur sagen: das ist graue Theorie, das stimmt nicht, zumindest nicht für Baden-Württemberg. ({0}) Ich möchte feststellen, daß der Vorrang des Familienheimbaues nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz seit 1956 besteht. ({1}) - Natürlich sprechen Sie von dem Vorrang des Familienheimbaus. ({2}) - Sie müssen mich ausreden lassen, Herr Kollege Jacobi. ({3}) In dem neuen Gesetzentwurf wird lediglich auch der Eigentumswohnungsbau und dessen gesetzlicher Vorrang festgelegt. Ich möchte fragen: Was haben Sie gegen den Eigentumswohnungsbau? Was haben Sie plötzlich gegen die Eigentumsbildung? Von Anfang an ist es das Programm der Bundesregierung gewesen, die verstärkte Eigentumsbildung breiter Schichten der Bevölkerung zu fördern, und wenn ich mich nicht täusche, haben Sie in Ihrem „Godesberger Programm" und nachher sich dieser Eigentumsbildung ebenfalls verschrieben. Wie kommt es, daß Sie jetzt plötzlich wieder in die Zeit vorher zurückfallen? Im übrigen, Herr Kollege Jacobi, möchte ich Ihnen, nachdem Sie auf die Städte hingewiesen haben, sagen, daß gerade der Eigentumswohnungsbau der Tatsache Rechnung trägt, daß es in den Großstädten, wo infolge des Mangels an Bauland Familienheime nicht gebaut werden können, möglich ist, das Eigenheim in der Etage, wie man es nennt, zu schaffen. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso Sie plötzlich in diese scharfe Kritik daran verfallen, nachdem auch die Länder sowie die Wohnungswirtschaft sich dafür ausgesprochen haben. Für die CDU/ CSU-Fraktion gilt auch für die Zukunft, daß der Familienheimbau die beste Lösung für die Familie mit Kindern ist, und wir werden ihn nach wie vor vorrangig fördern. Für uns gilt die alte Formel, die sie vorhin zitiert haben: soviel Familienheime wie möglich, soviel Mietwohnungen wie nötig. Nach der Kritik, die Sie, Herr Kollege Jacobi, in Ihrem Pressedienst zum Ausdruck gebracht haben, ist es wirklich an der Zeit, daß Sie erklären, ob Sie mit der SPD für oder gegen die vorrangige Eigentumsbildung und ob Sie in der SPD für oder gegen die vorrangige Förderung des Familienheims sind. Diese Frage stellt sich hier sehr konkret, wenn ich Ihre Artikel, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht worden sind, lese. Jedenfalls steht fest, daß Ihre Äußerungen in Ihrem Pressedienst genauso wie Ihr Entwurf zum Dritten Wohnungsbaugesetz, über den hier ja ausgiebig gesprochen wurde, ein Rückfall in die Zeit vor dem Godesberger Programm sind. Die CDU/CSU-Fraktion wird den Forderungen und Ansinnen von Ihrer Seite nicht zustimmen. Sie ist weiterhin der Auffassung, daß die erfolgreiche Wohnungsbaupolitik, die in den vergangenen Jahren betrieben worden ist, fortgeführt werden muß, und zwar mit den Akzenten, die ich bereits genannt habe: Verstärkung der Eigentumsbildung, Förderung des Wohnungsbaues für kinderreiche Familien und vor allem in der Zukunft auch stärkere Förderung des Wohnungsbaues für alte Menschen. Das ist die Aufgabe, die vor uns liegt und die wir gemeinsam mit dem Bundeswohnungsbauminister, der diese Wohnungsbaupolitik in den vergangenen Jahren erfolgreich betrieben hat, fortführen werden. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jacobi hat sich heute abend hauptsächlich mit Prophezeiungen über Gesetze, deren Text uns noch nicht vorliegt, beschäftigt. Mir ist außer gelegentlichen Äußerungen auch noch nichts Genaues über diese Gesetze bekannt. Herr Jacobi, den Äußerungen, die Sie als großer Sachverständiger gemacht haben, habe ich immer mit Aufmerksamkeit gelauscht; aber ich muß sagen: von Ihren Prophezeiungen halte ich nichts mehr. ({0}) Ich habe Ihre Ausführungen anläßlich der drei Gesetze, die wir am 27. Juni 1963 verabschiedet haben, vor mir. Ich will das Hohe Haus mit Zitaten daraus nicht aufhalten. ({1}) Aber da können wir lesen - ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -: Ist wirklich die Zeit reif für diese Entscheidung? Wir haben Angst vor der Entwicklung, und wir haben nicht die Absicht, hier zuzustimmen. ({2}) Herr Jacobi, ich habe damals, wie gesagt, sehr aufmerksam zugehört und habe sogar in meiner Rede betont, wie aufmerksam ich zugehört habe. Aber mit dem Glauben an Ihre Prophezeiungen ist es bei mir nun ein für allemal aus. ({3}) Nun kommen wir auf die zweite Frage, über die Sie gesprochen haben, nämlich zur Umstellung oder zur Zuführung der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus an die Kreise, für die sie ursprünglich gedacht sind. Ich glaube, in dieser Notwendigkeit sind wir uns alle einig. Wenn Sie, Herr Jacobi, seinerzeit davon gesprochen haben, daß wir an die Angst all der Leute denken müßten, denen heute unter dem Einfluß der Gesetze vom 27. Juni gekündigt würde und die auf der Straße säßen, dann darf ich Sie aus meiner Erfahrung an die unendlich vielen für den sozialen Wohnungsbau in Frage kommenden Familien erinnern, die heute noch nicht in einer Wohnung des sozialen Wohnungsbaus sitzen und die händeringend auf eine solche Wohnung warten. Welche Maßstäbe dafür in Betracht kommen, das müssen wir eingehend prüfen. Ich glaube, daß die drei Parteien dieses Hauses ihr Bestes tun werden, um Wege zu finden, diese drei Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus denen zugänglich zu machen, die heute unter allerunwürdigsten Verhältnissen bei den Eltern im Wohnzimmer nun schon seit Jahren mit ihrer Familie untergebracht sind. Das sind die Tatsachen, wie sie sich, in den Großstädten jedenfalls, ergeben. Ich glaube auch, wir können alle zufrieden sein, daß die Schwierigkeiten, die sich natürlich bei einer so grundsätzlichen Umstellung noch ergeben, doch längst nicht den Umfang angenommen haben, den -ich darf es ruhig sagen - auch ich seinerzeit befürchtet habe. Frau Meermann, sicherlich, es sind Schwierigkeiten aufgetaucht, aber sie halten sich doch in Maßen, und wir können annehmen, daß wir beim Nachgehen jedes einzelnen Falles diese Dinge bereinigen können. Die Gerichte haben bisher Urteile ausgesprochen, die durchaus im Rahmen der Sozialmaßnahmen liegen. Wenn wir uns die Mühe machen, die Einzelfälle zu verfolgen und eventuelle Schwierigkeiten an einzelnen Orten - sie sind örtlich sehr verschieden - auszumerzen, dann können wir wohl mit dem Erfolg dieser Maßnahmen durchaus zufrieden sein und an eine Zukunft glauben. - Sie hatten eine Zwischenfrage?

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, Frau Kiep-Altenloh, da Sie die Gerichte erwähnen, möchte ich doch fragen, ob Sie das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom Januar dieses Jahres vielleicht nicht gelesen haben.

Dr. Emilie Kiep-Altenloh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001095, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe das Urteil vom Januar gelesen. Das lag noch vor der Fülle der Urteile, die inzwischen ergangen sind. Es steht auch in Widerspruch zu den Äußerungen der Ministerien, die, wenn auch nicht bindend für die Gerichte, doch gewisse Richtlinien für die Handhabung der Sozialklausel darstellen. Sicher gibt es Härtefälle, und es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, dieser Härtefälle Herr zu werden. ({0}) Wir sollten unsere ganze Mühe und unsere ganze Kraft daran wenden, diese im Verhältnis doch geringen Fälle auszumerzen und in der richtigen Weise zu behandeln. Dazu ist aber nötig, daß der Wohnungsbau im bisherigen Umfang weitergeführt wird. Wir sind nicht am Ende der Wohnraumversorgung, sondern wir sind noch mittendrin und müssen den Wohnungsbau fortführen. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß Kinderreiche und Alte die am schwersten Betroffenen sind und daß wir versuchen müssen, hier durch Sondermaßnahmen, die ja beraten werden und die wir schon in einen Entwurf gefaßt haben, diese Personenkreise in allererster Linie unterzubringen. Ich glaube aber, es hat sich bewahrheitet - ich darf hier einmal mich selber zitieren -, was ich damals gesagt habe: Wenn wir an dieser starren Form der Wohnungszwangswirtschaft festhalten und sie nicht lockern, werden wir nie zu einer Durchsichtigkeit des Wohnungsmarktes kommen, und wir werden auch nie dazu kommen, wirklich den Bedürfnissen des Marktes Rechnung zu tragen, weil wir sie einfach nicht kennen; denn jeder blieb ja wohnen, wo er saß, ob die Wohnung zu groß, zu klein oder sonstwie war. Ein jeder blieb wohnen, wo er saß. Wenn wir auf diesem Wegeweitergehen,dürfen wir auch den Mietwohnungsbau - da stimme ich mit Ihnen überein - nicht vernachlässigen, denn er ist für große Städte durchaus notwendig. Vor allen Dingen müssen wir aber auch das Stockwerkseigentum mit in den Vordergrund stellen, denn es wirdgerade in den Ballungszentren an Raum fehlen, um die nötige Zahl von Wohnungen in Einzelhäusern zu schaffen. All das muß nebeneinander geschehen. Wenn wir ohne Vorurteil gemeinsam an diese Aufgaben herangehen, dann wind der Wohnungswirtschaft derselbe Erfolg beschieden sein, wie er der sozialen Marktwirtschaft in diesen Jahren auf so vielen anderen Gebieten zuteil geworden ist. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte kürzlich den Auftrag meines verehrten Kollegen Mende, mich mit den Angriffen auseinanderzusetzen, die die sowjetisch besetzte Zone und Ostberlin seit Monaten systematisch gegen meine Wohnungspolitik richten. Die Angriffe sind sehr massiv. Sie greifen Einzelfälle auf und werden in Gestalt einer hemmungslosen Kampagne geführt. Ich habe darauf hingewiesen, daß jenseits der Mauer Häuser niedergerissen werden, um ein Schußfeld frei zu machen, und daß wir in Westberlin ,dabei sind, im Wedding und in Moabit Häuser niederzulegen, um die Bausünden der Gründerzeit zu reformieren und um durch eine gute, zukunftsweisende Städtebaupolitik in Westberlin das zu verwirklichen, was wir uns jetzt anschicken zu tun, nämlich die zweite Phase der Wohnungsbaupolitik zu vollziehen. Ich habe dann als Beispiel ein Erlebnis erwähnt, das mir kürzlich widerfahren ist: Ein ausländischer Diplomat stellte mir, nachdem er in der Zone und in Ostberlingewesen war, die Frage, ob das dort dieselben Deutschen seien. Er hatte drüben die dortige Wirtschaftsform kennengelernt und die dortigen Wohnungsbauleistungen registriert. Die Zone hat 800 000 Wohnungen gebaut, wir haben 7,5 Millionen Wohnungen gebaut. Ich habe diesem Diplomaten sagen können, daß das dieselben Deutschen seien, dieselben fleißigen Handwerker und Arbeiter, daß sie nur unter einem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem lebten. Ich erinnere an die nach meiner Meinung ausgezeichnete Grundsatzdebatte, die wir heute früh beim Etat des Herrn Bundeskanzlers hatten. Die Menschen in der Zone sind genauso fleißig wie wir, und sie müssen noch 'mehr arbeiten, als wir es hier müssen, und dennoch haben sie nichts oder nur wenig erreicht. Es muß also doch wohl an der Politik liegen, die getrieben werden muß, damit die Arbeit erfolgreich sein kann. Wir beraten heute zum 15. Mal den Wohnungsbauhaushalt, den ich jahrelang als Ausschußvorsitzender vertreten habe und den ich nun seit Jahren als Minister vertrete. Verehrter Herr Kollege Jacobi, natürlich ist es richtig, daß negative Dinge ausgesprochen werden. Aber eines können Sie nicht bestreiten: Die erfolgreichste Leistung dieser Bundesrepublik, an der alle Männer und Frauen teilgenommen haben - das sage ich immer und immer wieder -, ist auf diesem Gebiet geschehen. 71/2 Millionen Wohnungen zu bauen und über 160 Milliarden DM aufzuwenden, ist eine ungeheure Leistung, die wir erwähnen müssen, weil auch in diesem Jahr über 500 000 Wohnungen fertiggestelt werden und weil auch im Jahre 1965 500 000 und mehr Wohnungen gebaut werden. Und wenn wir mehr Arbeitskräfte und Handwerker hätten, könnten wir die Wohnungsbauleistungen noch erhöhen. Das weiß jedermann. Dies sind reale und sehr harte Tatsachen. Sie verlangen vom Wohnungsbauminister, daß er Wohnungen baut. Das tut er. Gleichzeitig kritisieren Sie, daß ich mit meinem Kollegen Dahlgrün nicht eifrig genug bemüht sei; Sie sagen ich sei müde geworden. Sie irren - wie so häufig. Ich bin nicht müde geworden. Ich bin seit Monaten dabei, sowohl das Städtebauförderungsgesetz - ein außerordentlich schwieriges Gesetz - wie auch die Raumordnungspolitik voranzutreiben, Dinge, die in die Zukunft weisen. Ich hoffe, daß wir diese Zukunftsaufgaben gemeinsam lösen können. Hier hat Herr Kollege Dahlgrün - das darf ich ihm bestätigen - weitgehend den Wünschen des Wohnungsbauministers, was die Sparförderung, die Wohnungsbauprämien usw. betrifft, Rechnung getragen. Ich bin damit zufrieden, ich bin glücklich, daß der finanzielle Aufwand von Bund, Ländern und Gemeinden ausreicht - einschließlich der beträchtlichen Steuervergünstigungen -, dafür zu sorgen, daß bis zur Grenze der Baukapazität weiter gebaut werden kann. Nun das zweite. Meine Damen und Herren, sicher ist das letzte Baujahr bedeutsam gewesen, weil mit dem 1. November eine über 44 Jahre währende Zwangswirtschaft auf diesem Gebiet in 397 Kreisen und Städten beseitigt wurde. Ich war vorgestern in einer Stadt, die besonders betroffen ist. Ich habe sie zusammen mit Vertretern der politischen Parteien angesehen. Es ist die Stadt Pforzheim, die sehr stark kriegszerstört war. Sie beschäftigt in den Stadtgrenzen 77 000 Arbeitskräfte und hat eigentlich nur 86 000 Einwohner. Wir haben hier also eines der brennendsten raumpolitischen Gegenwartsprobleme vor uns. Wir hatten Sorgen - auch ich habe sie gehabt -, daß für diese Stadt, die so in doppelter Hinsicht betroffen war, der Termin für den Abbau der Zwangswirtschaft vielleicht zu früh gekommen sei. Ich habe sowohl mit den Gewerkschaften als auch mit dem Mieterbund und den Hausbesitzern, mit all den in Frage kommenden Kreisen diskutiert. Ich habe gefragt: Wie sind die Ergebnisse? Darum war ich unterwegs; das war meine Pflicht. Sowohl in Pforzheim als auch in den 397 Kreisen können wir bis zur Stunde feststellen, daß all das Gott sei Dank nicht eingetreten ist, was immer beschworen wurde, jene Katastrophenstimmung und vieles andere. Leider und natürlich haben Kündigungen stattgefunden. Natürlich sind Mißbräuche vorgekommen. Meine Damen und Herren, wenn ich mehr Zeit hätte, könnte ich es Ihnen genau darlegen. Aber Sie kennen meine Informations-Mappen „Schwarz auf Weiß", und ich werde sie weiter mit Material versorgen. Die Bösewichte sind aber bei den Mietern offenbar genauso zahlreich wie bei den Hausbesitzern. Ich kenne einen Fall, wo ein Arzt mit Berufsverbot einige Monate Gefängnis und eine ganz beträchtliche Geldstrafe erhielt, weil er Mietwucher betrieben hatte. Ich freue mich, daß die Gerichte von dem von diesem Parlament gegebenen Recht Gebrauch machen und jene Leute bestrafen, die die Unwissenheit der Bürger mißbrauchen, um Geschäfte zu machen. Meine Damen und Herren, die Zahl der Mieter, die kündigen - ich spreche jetzt von den Mietern -, übersteigt hier und da die Zahl der Kündigungen durch die Vermieter. Hier zeichnet sich ein Prozeß ab, der für den Fachmann nichts Neues darstellt: Die Umsetzung ist im Gange. Es war und ist höchste Zeit. Unser Bemühen ist und bleibt es, abzusichern, daß keiner - ich wiederhole es - unter die Räder kommt. Mit diesen Ausführungen will ich jetzt keineswegs ein abschließendes Urteil aussprechen. Ich habe es neulich vor dem Hohen Hause ausgeführt: Wir brauchen dafür mindestens ein Jahr Zeit, um genaue Aussagen über den Erfolg des Abbaugesetzes machen zu können. Aber- seien Sie versichert, Mietkündigungswellen sind ebensowenig wie in Ulm eingetreten. Es ist anzuerkennen, daß sich mit dieser Sache zum Beispiel auch der Deutsche Gewerkschaftsbund befaßt hat. Er hat durch Annoncen und ähnliche Mittel eine Befragung an die Bevölkerung gerichtet: Sagt uns, wem gekündigt worden ist, sagt uns, bei wem Mietwucher getrieben wird! Das Ergebnis ist von einer der Gewerkschaftszeitungen in einer Kurzmeldung veröffentlicht worden: Kaum 1 % der Wohnungsuchenden und Familien war gekündigt worden, und die Mietpreiserhöhungen blieben in Grenzen. Die von uns erlassene Rechtsverordnung, die eine Mieterhöhung beim Althausbesitz bis zu 25 % zuließ, damit Kündigungen unterblieben, hat im Ergebnis gezeigt, daß man von diesen auch von uns zugebilligten Möglichkeiten nicht Gebrauch gemacht hat. Das echte Partnerschaftsverhältnis von Mieter und Vermieter, das wir anstreben, hat dazu geführt, daß sich Mieter und Vermieter unterhalten. Bis zur Stunde - Herr Erler hat es heute früh ausgeführt - sind bei einigen Wohnungen Mieterhöhungen von 7 %, bei anderen von 8 % erfolgt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Meermann?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Bitte sehr, gnädige Frau.

Hedwig Meermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da Sie die Untersuchung des DGB in Ulm zitieren, möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Ergebnisse gezeigt haben, daß die Mietpreiserhöhungen über der genehmigten Grenze von 25 °/o, nämlich bei durchschnittlich 30 °/o liegen?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Gnädige Frau, dann hätte das der DGB sicher in den ihm gehörenden Zeitungen veröffentlicht. ({0}) Er hat es nicht veröffentlicht. Aber ich bin gern bereit, beim DGB nach dem Ergebnis zu fragen. Ich wiederhole, das Statistische Bundesamt gibt die Mieterhöhung, wie es Herr Erler heute früh gesagt hat, mit 8 % und 7 % an. Nun wird in den letzten Tagen - und hier offenbart .sich die Nähe der Landtagswahl in Baden-Württemberg, Herr Kollege Jacobi - in Ihren Pressediensten doch in sehr heftiger Form gegen mich polemisiert. Dort wird davon gesprochen, daß ich ein Städtefeind sei, und ähnliche Dinge mehr. Meine Damen und Herren, das gehört zu dem Stilbereich, der hier so oft bemüht wird. Ich empfehle Ihnen die Lektüre dieser beiden Pressedienste. Was ist hier zu sagen? Seit langen Jahren sind wir dabei, mit den Ländern bestimmte Reformen des Wohnungsbaugesetzes zu erarbeiten. Das ist sehr, sehr schwierig. Ein Rohentwurf, der nicht von mir gebilligt ist, sondern für den ich nur Weisungen in den grundsätzlichen Fragen erteilt habe, geht an die Ressorts. Nun hat sich eine Presseagentur diesen Rohentwurf besorgt. Ich bedauere diese Indiskretion, daß es nicht möglich ist, die vorbereitende Arbeit der Regierung in Ruhe abzuschließen und erst dann darüber politisch zu diskutieren. Auf Grund diese Rohentwurfs kommt es zu den sehr starken, zum Teil bissigen Kritiken der Sozialdemokraten in ihrem wirtschaftspolitischen Pressedienst und auch in dem von Herrn Kollegen Baier zitierten Pressedienst. Was wollen wir in diesem Gesetz? Wir wollen Wege finden, um die 3 Millionen Mietwohnungen, die mit Steuergeldern gebaut wurden, die sogenannten Sozialwohnungen, in Zukunft in der Marktwirtschaft den Kreisen vorzubehalten, für deren Einkommensverhältnisse sie gebaut worden sind. In diesem Punkte sind wir einig. Nun gibt es eine Reihe von Wegen, wie man das machen kann. Ich habe meine Meinung Ihnen, Herr Kollege Jacobi, persönlich gesagt. Ich habe meine Meinung in einem Interview zu dem Thema festgelegt. Nach einer allgemeinen Pressebesprechung kam dann plötzlich die Schlagzeile: „Lücke räumt durch Kündigungen die Sozialwohnungen". Meine Damen und Herren, wer 15 Jahre lang solche Gesetze macht, kennt die Schwierigkeiten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jacobi?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Bitte schön.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es nicht so, daß in Ihrem Ministerium von Ihnen der Auftrag für einen solchen Gesetzentwurf mit detaillierten Angaben erteilt worden ist? Und ist es nicht so, daß Sie beispielsweise auch ohne Rücksicht auf die von Ihrem Hause erarbeiteten Formulierungen seit Wochen von dieser Räumungsaktion sprechen und sogar die Generaldirektoren erfunden haben, die diese Sozialwohnungen blockieren?

Paul Lücke (Minister:in)

Politiker ID: 11001387

Herr Kollege Jacobi, Sie kennen das Gesetzgebungsverfahren zu genau, als daß ich Ihnen erläutern müßte, was es heißt, wenn ein Referentenentwurf in Ressortbesprechungen geht. Es sind Monate nötig, bis sich der Minister abschließend zu den Fragen äußern kann. Zu keiner der von Ihnen in Ihren Pressediensten zitierten Fragen habe ich mich verbindlich geäußert. Ich bedaure außerordentlich, daß man nun ausgerechnet die Sorge beschwört - und das tun Sie in Ihrem Pressedienst -, ich wolle die Sozialwohnungen durch Kündigung räumen. ({0}) - Es ist einfach nicht wahr, 'daß ich das erklärt habe. ({1}) Ich würde dringend bitten zu dem Stil, der heute morgen beschworen worden ist, daß Sie sich doch endlich einmal darauf beziehen, was ich schriftlich fixiert verteilt habe. Sie haben dieses mein Interview zu der Frage in der Mappe „Schwarz auf Weiß" bekommen. Es ist kein Stil, meine Damen und Herren, wider besseres Wissen vor Wahlauseinandersetzungen solche Falschmeldungen in die Welt zu setzen. ({2}) Dann wird eine sehr herbe Kritik geübt, der Wohnungsbauminister wolle in den Städten keine Mietwohnungen mehr bauen. Meine Damen und Herren, das ist eine unglaubliche Behauptung; denn in dem neuen Gesetz wird der Versuch unternommen - das weiß Herr Kollege Jacobi, das ist seit Jahr und Tag diskutiert worden -, rechtlich besser zu sichern, daß Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau eigentumswilligen Mietern, die anspruchsberechtigt sind - das sind nämlich die Arbeiter -, zum Wohnungseigentum angeboten werden müssen, wenn das der Mieter wünscht. Ich möchte sie nicht auf ewig in den Händen der Wohnungsbauunternehmen lassen. Der Mieter hat einen Anspruch darauf, diese mit öffentlichen 'Geldern gebauten Wohnungen als Eigentum zu erwerben, an Stelle der Miete Abzahlung zu leisten. Wir wollen auch 1 in Iden Städten über den Wohnungsbau Eigentumswohnungen oder auch Familienheime, also Eigenturn, schaffen. Das wird nun in dieser Gesetzesmaterie auch auf Wunsch der Länder verbindlich geregelt, weil die bisherige Bestimmung, die bereits im Familienheimgesetz steht, nicht ausreicht. Ichglaube, niemand hier im Hause wird sich dagegen wenden, daß die Hergabe von 47 Milliarden DM Steuergeldern nur dann gerechtfertigt ist, wenn diese Wohnungen von Kreisen belegt werden, die dort hineingehören. ({3}) Ich habe immer und immer wieder gesagt, welche Wege man gehen kann, um das zu erreichen. Sie wissen ganz genau, daß der erste Weg der ist, den Gemeinden, den Städten eine Möglichkeit zu geben, bei der Neubelegung von Sozialwohnungen Einfluß darauf zu nehmen, daß sozial anspruchsberechtigte Kreise in diese Wohnungen kommen. Denn die Städte haben ein großes Interesse daran, über die Sozialwohnungen mit verfügen zu können, solange die Sozialwohnungen noch diesen Charakter tragen. Das wird mir in Ihrem Wirtschaftspressedienst als die Wiedereinführung einer Zwangswirtschaft unterstellt, der ich doch gerade dabei bin, sie abzubauen. Die zweite Möglichkeit, wie man das regeln kann, ist der Versuch, daß derjenige, der jetzt nicht ausziehen will, weil erfreulicherweise das Einkommen gestiegen ist, zumindest über die Verzinsung der Landesmittel eine entsprechend höhere Miete zahlen soll. Damit haben Sie sich immer einverstanden erklärt. Das ist z. B. einer der Vorschläge in dieser Novelle. Ein weiterer Weg ist der folgende: Wenn der Mieter das nicht tut und wo das nicht geht, sollen im Laufe der Jahre die öffentlichen Mittel in einer geeigneten Form abgelöst werden. Das ist ein langfristiges Programm, das in die Zukunft weist. Wenn die Mieter der Sozialwohnungen wohnen bleiben, aber ihr Einkommen beträchtlich gestiegen ist, sollen sie wenigstens eine angemessen erhöhte Miete zahlen, und die so zurückfließenden Gelder sollen den Städtebau, die Dorferneuerung, diese Zukunftsaufgaben, finanzieren helfen. Ich finde das wirklich sehr vernünftig, aber Sie werden verstehen, daß das alles außerordentlich schwierig ist. Nun ist mir - warum soll ich das verschweigen? - in den Beratungen eines Ausschusses von Bund und Ländern gesagt worden: Herr Minister, das reicht nicht; es gibt Leute, die müssen Sie dann noch zwingen und heraussetzen. Ich habe Auftrag gegeben: Prüfen Sie, ob man kündigen kann. Das habe ich so, wie ich es Ihnen hier erzähle, in einem anderen Zusammenhang vor einer Pressekonferenz gesagt, und das füllte am nächsten Tag die Schlagzeilen. Die Entscheidung z. B. darüber - das habe ich mit den beteiligten Länderministern eingehend besprochen -, ob man als ultima ratio, als letzten Weg, denjenigen, der für keines dieser Dinge ansprechbar ist, durch eine Kündigung veranlassen soll, sich auf dem Markt eine Wohnung zu besorgen, wird nach den Ressortgesprächen, nach den Gesprächen mit den Ländern gefällt. Denn, meine Damen und Herren, hier bedürfen wir der Zusammenarbeit der Länder und Gemeinden. Und darum sind die Sorgen, soweit sie wirklich sehr ernst gemeint waren - aber der Stil in Ihrem Pressedienst zeigt mir, daß etwas anderes beabsichtigt ist -, eben nicht vorhanden, sie sind nicht berechtigt; denn diese Entscheidung wird später gefällt. Der Wohnungsmarkt in Deutschland umfaßt jetzt 171/2 Millionen Wohnungen. Wenn wir noch eine Million Wohnungen gebaut haben, die finanziert, mit Land versehen und im Überhang bzw. im Programm enthalten sind, die also in diesem und im nächsten Jahre fertig werden, werden wir mehr neue Wohnungen geschaffen haben, als das rechnerische Defizit und der laufende Neubedarf durch Zugang von Haushaltungen zusammen ausmachen. Aber, meine Damen und Herren - und das hier zum Abschluß -, dieses rechnerische Defizit, das infolge einer nicht sachgerechten Darstellung durch einzelne Interessentengruppen draußen so viel Unruhe verursacht hat, ist für mich und für uns alle - das wissen wir doch alle - nur ein Anhalt gewesen. Der Wohnungsbedarf, der aus den Wohnwünschen resultiert, ist die Bauaufgabe der nächsten Jahre. Dieser Wohnungsbedarf wird jährlich 300 000 bis 400 000 Wohnungen umfassen. Diese werden nach 1965, 1966 und weiter gebaut werden. In dieses Bauprogramm gehört die Sanierung, die Erneuerung der Städte und Dörfer. Das ist die gigantische Zukunftsaufgabe. Alle Fachleute einschließlich der vier kommunalen Spitzenverbände sind sich darüber einig, daß die Lösung dieser AufBundesminister Lücke gabe mehr Geld erfordern wird als die Lösung der bisherigen Aufgabe. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich glaube, daß die Politik, die wir betrieben haben, und auch die Politik, die wir in der Zukunft betreiben werden, es nicht rechtfertigen, daß Sie sich ausgerechnet in diesem Augenblick enthalten. Sie wissen, wie ernst es mir damit ist, daß wir diese so schwierige Aufgabe gemeinsam lösen. Hier liegt die Gemeinschaftsaufgabe vor, von der Herr Erler heute morgen sprach, nämlich die Gemeinschaftsaufgabe, eine Gesellschaftsordnung in Dörfern und Städten zu realisieren, die unser Volk für alle Zukunft immun macht gegen Radikalismus jeder Art. Diese Aufgabe ist groß und schwer und belastet die Städte und Gemeinden und die Bürgermeister. Hier liegt eine Gemeinschaftsaufgabe vor, die wir nur erfolgreich lösen können, wenn wir sie gemeinschaftlich anpacken. Darum wiederhole ich meinen Appell, daß die deutsche Sozialdemokratie sich auch bei dieser Aufgabe zu den gemeinsamen Zielsetzungen und Grundsätzen bekennt. Ordnungsbild dieser Politik ist bei uns der Mensch, ist die Familie, ist in der Zone der Kollektivismus. Diese Auseinandersetzung sollten wir in der Bundesrepublik führen, die Auseinandersetzung sollte diese unsere Debatte beherrschen. Das ist die einzige Auseinandersetzung, die wir führen müssen, und da sind wir einig. In dem Punkte sind wir uns deshalb wirklich einig, weil der Osten sein System nicht geändert hat. Er denkt nicht daran. Wir haben in der Bundesrepublik dafür zu sorgen, daß das Problem, das mit der großen Wanderung vom Land in die Städte verbunden ist, das große strukturelle Problem, das mit der Neuordnung der Landwirtschaft verbunden ist, so gelöst wird, daß die Zahl der Eigentumslosen nicht vergrößert wird. Die Macht Lenins und des Kommunismus gründete sich darauf, daß man die Menschen eigentumslos machte, das man ihnen das persönliche, das individuelle Eigentum nahm. Eine bekannte Illustrierte stellt in diesen Tagen und Wochen dar, was Ludendorff und Hindenburg 1917 getan haben: sie transportierten Lenin in einem Erster-Klasse-D-ZugWagen nach dem damaligen Petersburg mit dem Auftrag, dort eine Revolution zu entfesseln, damit der deutsche Generalstab den Rücken frei bekam. Wir wissen, daß diese geistige Atombombe gezündet hat: der deutsche Generalstab hatte den Rücken frei. Aber der Kommunismus drüben baut seine Macht auf, und das Mittel, dessen er sich in der Praxis bedient, ist, Menschen eigentumslos zu machen. Nur eine große eigentumslose Schicht kann man mit einer dünnen Funktionärsschicht beherrschen. Diese Sorge haben wir. Daß diese Entwicklung nicht eintritt, dazu will die Wohnungsbaupolitik einen Beitrag leisten. Ich glaube, Sie könnten diesem Haushalt ruhig zustimmen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Jacobi hat das Wort.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige Feststellungen treffen und keine Rede halten. Denn ich bin dem Herrn Bundeswohnungsbauminister insoweit nicht gewachsen, als er hier offenbar ein Manuskript aus dem baden-württembergischen Wahlkampf mitgebracht hat ({0}) und uns hier Dinge berichtet, die in diesem Zusammenhang fraglos nicht Gegenstand unserer Diskussion sein können. Dazu müßten wir mehr Zeit haben. Hier geht es nicht um die Frage: Eigentum ja oder Eigentum nein. ({1}) - Meine Herren, seien Sie doch vorsichtig. Sie haben nicht den geringsten Anlaß, anzuzweifeln, daß wir in diesen Fragen weitgehend mit Ihnen einig gehen. Hier geht es um Zweckmäßigkeitsfragen im Einzelfall. ({2}) - Das paßt Ihnen nicht. Aber, meine Herren, es hat keinen Sinn; Sie sind offenbar doch zu eng in der Betrachtung. Sie haben nicht die Fähigkeit, zu begreifen, daß es hier um praktische Fragen geht. ({3}) - Herr Baier ({4}), Sie haben heute den Beweis dafür erbracht, daß Sie offenbar schlecht zugehört haben. Indem Sie mein Zitat wiederholten und bejahten, haben Sie doch eigentlich bewiesen, daß wir uns im Prinzip einig sind. ({5}) - Wenn Sie noch einmal Zwischenrufe machen, halte ich wirklich eine Rede.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich bin für muntere Bundestagssitzungen. Aber es muß alles in seinen Grenzen bleiben. Wir müssen fertigwerden. Deshalb lassen Sie bitte den Redner ausreden.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes feststellen. Der Bundeswohnungsbauminister hat auf meine Frage, ob der in der Offentlichkeit als Referentenentwurf bekanntgewordene Entwurf einer Novelle zum Wohnungsbaugesetz nicht auf seine Anregungen zurückgeht und ob er da nicht ganz genaue Weisungen erteilt hat, nur sehr unklar geantwortet. Ich stelle fest, daß ihm jetzt offenbar stärkere Bedenken wegen der rückwirkenden Eingriffe in Verträge gekommen sind, als er sie vorher hatte. Im übrigen kann ich ihm ein paar Verlautbarungen vorlegen, aus denen sehr eindeutig zu ersehen ist, daß er diese Tendenzen vermutlich in guter Absicht, aber offenbar in Verkennung der rechtlichen Möglichkeiten ernsthaft verfolgt hat. Es geht hier nämlich nicht darum, daß wir uns in der Beurteilung der Frage unterschieden, ob fehlbelegte Sozialwohnungen im Rahmen des Möglichen denen zur Verfügung gestellt wer5814 Jacobi ({0}) den sollten, die in sie gehören. Aber die damit verbundenen Schwierigkeiten sind vielfältiger Natur. Es ist besser, Regelungen der Mietanpassung zu treffen und weiterhin Wohnungsbau zu betreiben, um einen ausgeglichenen Markt herzustellen. In diesem Punkte scheinen wir uns nicht ganz einig zu sein. Ich will aber in der Hoffnung, daß es in der Tat bald möglich ist, etwas ausführlicher über die Fragen zu sprechen, die heute in später Abendstunde nur haben anklingen können, nicht darauf eingehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen; Abstimmung über Einzelplan 25. Wer in zweiter Lesung dem Einzelplan für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist Einzelplan 25 angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ({0}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst zum Einzelplan 11 das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Einzelplan für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht ({1}) . Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht? - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich frage, ob sonst jemand das Wort wünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Einzelplan 20 Bundesrechnungshof ({2}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Einzelplan 24 Geschäftsbereich des Bundesschatzministers ({3}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Einzelplan 26 Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({4}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 28 Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder ({5}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Einzelplan 33 Versorgung ({6}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundes- ministers für besondere Aufgaben ({7}). Der Berichterstatter verzichtet. Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen. Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte ({8}). Der Berichterstatter verzichtet. Es liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Aigner und Genossen vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 409 *) zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag erfreut sich keiner Gegenliebe; er ist abgelehnt. ({9}) Einzelplan 35, Schlußabstimmung in zweiter Lesung. Wer ,zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Und damit ist Feierabend für heute. ({10}) Wenn ich etwas vergessen habe, wird es morgen nachgeholt werden. Aber, meine Damen und Herren, ich muß jetzt noch ein ernstes Wort zur Geschäftslage sagen. Wir können uns nicht der Illusion hingeben, daß wir morgen vormittag so wie in den letzten zwei Minuten die Tagesordnung erledigen; morgen kommen sehr schwerwiegende Einzelpläne zur Behandlung, für die Debatten angekündigt sind. ({11}) *) Siehe Anlage 10 Präsident D. Dr. Gerstenmaier Es ist mir deshalb höchst zweifelhaft, ob wir morgen mit der dritten Lesung des Haushalts fertigwerden. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, daß die Damen und Herren gebeten sind, sich bereitzuhalten für die Sitzung am Freitagvormittag um 9 Uhr. Definitives läßt sich erst morgen übend sagen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen vormittag, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.