Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung wie folgt erweitert:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über die von der Bundesregierung vorgelegte Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({1}) ({2});
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({3}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für Reis und Bruchreis aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und aus den überseeischen Ländern und Gebieten ({4});
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU, SPD, FDP betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung; Geheimschutzordnung ({5}).
Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Zu der in der Fragestunde der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Februar 1964 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Wuermeling Nr. IV ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck vom 20. Februar 1964 eingegangen. Sie lautet:
Soweit in der Darstellung im Finanzbericht 1964 die Auffassung vertreten wird, die Hilfe für Familien mit Kindern könne und solle „nicht so weit gehen, daß den Eltern die Sorge für die Kinder in finanzieller Hinsicht völlig abgenommen wird", bin ich damit einverstanden. Das war auch und bleibt der Grundgedanke des Familienlastenausgleichs der Bundesregierung. Was zu dem Abschnitt über die öffentlichen Leistungen für Familien mit Kindern zu sagen ist, habe ich in Ravensburg bereits gesagt; ich brauche dem nichts hinzuzufügen.
Wir kommen damit zum ersten Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde ({6})
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst die Frage I/1 - des Abgeordneten Ertl -:
War der Bundesregierung bekannt, daß bei den im offiziellen Führer der IX. Olympischen Winterspiele veröffentlichten Weltrang- und Teilnehmerlisten die Bundesrepublik Deutschland ({7}) und die Deutsche Demokratische Republik ({8}) getrennt als Nation aufgeführt wurden, obwohl nur eine gesamtdeutsche Mannschaft am Start war?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Der Bundesregierung war der Inhalt des vom österreichischen Organisationskomitee herausgegebenen offiziellen Olympia-Führers Innsbruck 1964 vor dessen Erscheinen nicht bekannt.
Sofort nach Bekanntwerden des Inhalts ist mein Sportreferent, der sich während der Olympischen Spiele in Innsbruck aufhielt, bei dem österreichischen Organisationskomitee vorstellig geworden. Eine Änderung des Inhalts des Führers war jedoch nicht mehr zu erreichen.
Der bundesdeutsche Sport-Informations-Dienst hat jedoch im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees ein eigenes Informationsheft über die gesamtdeutsche Mannschaft herausgegeben. In diesem von der Bundesregierung bezuschußten Heft ist nur von der gesamtdeutschen Mannschaft die Rede. In der Bezeichnung der Herkunft ist in diesem Heft kein Unterschied zwischen den Sportlern aus der Bundesrepublik und aus der sowjetischen Besatzungszone gemacht worden. Das Informationsheft, das auch in englischer Sprache gedruckt wurde, ist in mehreren tausend Exemplaren in Innsbruck an Vertreter der ausländischen Presse, an alle Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees, Sportler usw. kostenlos verteilt worden. Auf diese Weise ist dem Inhalt des österreichischen Olympischen Führers mit Erfolg entgegengearbeitet worden.
Es ist Vorsorge getroffen, daß bei den Olympischen Spielen in Tokio im offiziellen Führer des japanischen Olympischen Organisationskomitees die Sportler der gesamtdeutschen Mannschaft unter der einheitlichen Bezeichnung „Deutschland" aufgeführt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, im Titel des Olympia-Führers heißt es: „herausgegeben vom Organisationskomitee der IX. Olympischen Spiele". Es handelt sich also offiziell nicht um eine Veröffentlichung des österreichischen Olympischen Komitees, sondern des Internationalen Komitees. Daher frage ich Sie, ob es nicht auf Wunsch eventuell des Internationalen Olympischen Organisationskomitees geschehen ist.
Nein. Soviel mir bekannt ist, ist dieser Führer vom österreichischen Organisationskomitee herausgegeben worden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Hat die Bundesregierung die österreichische Regierung über diese doch nicht sehr schöne Angelegenheit bzw. bewußt fälschliche Darstellung informiert bzw. gebeten, in Zukunft von solchen Anlässen Abstand zu nehmen?
Die österreichische Regierung wurde nicht offiziell unterrichtet, sondern nur das österreichische Organisationskomitee, welches den Führer herausgegeben hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß es, wie sowjetzonale Zeitungen behaupten, für die Teilnehmer aus der Sowjetzone ein eigenes Organisationsbüro in Innsbruck gegeben hat und daß an der Tür dieses Organisationsbüros die Spalterflagge angeschlagen war?
Es handelte sich nicht um ein eigenes Organisationsbüro, sondern um eine Betreuungsstelle.
Eine zweite Zusatzfrage!
Darf ich dann noch einmal fragen, Herr Staatssekretär: Ist es richtig, daß auf der Tür dieser Betreuungsstelle die Spalterflagge gezeigt worden ist?
Die Spalterflagge war ursprünglich angebracht, ist aber später auf Einspruch des deutschen Missionschefs zurückgenommen worden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zur Fage I/2 - des Herrn Abgeordneten Priebe -:
Trifft es zu, daß von allen Standorten des Bundesgrenzschutzes nur noch Bodenteich in der Ortsklasse B ist?
Es trifft nicht zu, daß nur der Bundesgrenzschutz-Standort Bodenteich ({0}) in die Ortsklasse B eingestuft ist. Auch im Bereich des Landes Bayern sind noch zwei Standorte des Bundesgrenzschutzes in die Ortsklasse B eingestuft. Es handelt sich hierbei um den im Bayerischen Wald gelegenen Standort Grafenau und den zur Gemeinde Mauerkirchen im Chiemgau gehörenden Standort Ströbing.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Priebe!
Glaubt es die Bundesregierung vertreten zu können, daß die Beamten dieser wenigen Standorte anderen gegenüber benachteiligt bleiben?
Eine Benachteiligung könnte nur erblickt werden, wenn für diese Standorte die gleichen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen zuträfen, die bei anderen Standorten die Aufstufung in eine höhere Ortsklasse rechtfertigen. Das ist nach den zu § 13 des Bundesbesoldungsgesetzes bestehenden Richtlinien nicht der Fall.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Priebe!
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß es bei der Bundeswehr im Gegensatz .zum Bundesgrenzschutz keine Ortsklasse B gibt?
Mir ist das nicht bekannt. Wenn es so ist, dann liegt der Grund darin, daß für die Standorte der Bundeswehr die Voraussetzungen einer Höherstufung erfüllt sind.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zunächst zur Frage VIII/1 - des Abgeordneten Baier ({0}) -:
Halt es die Bundesregierung mit dem deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen für vereinbar, daß der österreichische Versicherungsträger bei Renten an deutsche Staatsbürger, die in der Bundesrepublik wohnhaft sind, einen Lohnsteuerabzug vornimmt?
Die Bundesregierung sieht in dem Verfahren der österreichischen Versicherungsträger, von den an BerechStaatssekretär Dr. Claussen
tigte in der Bundesrepublik Deutschland zu zahlenden Pensionen einen Lohnsteuerbetrag einzubehalten, keinen Verstoß gegen das erste deutsch-österreichische Abkommen über Sozialversicherung, da dieses Abkommen die steuerrrechtliche Behandlung von Leistungen der Sozialversicherung nicht regelt. Das Verfahren entspricht vielmehr dem deutschösterreichischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 4. Oktober 1954. Dort ist in dem Artikel 10 Abs. 2 Nr. 1 festgelegt, daß Österreich das Besteuerungsrecht für alle Leistungen der österreichischen Sozialversicherung hat, die an Personen, die in der Bundesrepublik wohnen, gewährt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier!
Herr Staatssekretär, wenn dies - ich nehme an, daß ich Ihre Ausführungen richtig verstehe - nach dem Doppelbesteuerungsabkommen rechtlich zulässig ist, - wie erklären Sie es sich dann, daß Ihr Haus in den vergangenen Jahren auf Anfragen erklärte, daß diese Lohnsteuerabzüge der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt nicht zulässig seien, und daß auf eine Intervention Ihres Hauses hin auch vorübergehend in Österreich auf den Lohnsteuerabzug verzichtet wurde?
Herr Abgeordneter, das ist mir im Augenblick nicht bekannt, daß wir eine solche Auskunft gegeben haben. Aber ich bin gern bereit, die Angelegenheit nachprüfen zu lassen.
Ich komme zur Frage VIII/2 - des Abgeordneten Baier ({0}) -:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, damit die in Frage VIII/1 erwähnten, bereits zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuerabzüge ausgezahlt werden und in Zukunft keine weiteren Abzüge erfolgen?
Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, daß das von den österreichischen Versicherungsträgern angewandte Verfahren mit diesem Übereinkommen in Einklang steht. Daher sieht sich die Bundesregierung nicht veranlaßt, auf eine Änderung dieses Verfahrens hinzuwirken.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist in den Abkommen mit den anderen Ländern die gleiche Regelung vorgesehen, also die Regelung, .daß grundsätzlich bei Rentenbezug aus anderen Ländern die Steuerpflicht in dem Auszahlungsland gegeben ist?
Ich kann das für die verschiedenen Länder im Augenblick nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Ich werde das nachprüfen lassen.
Ich komme zur Frage VIII/3 - des Abgeordneten Dröscher -:
Trifft es zu, daß die Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers die bäuerliche Altershilfe mit dem sechzigsten Lebensjahr erhält, während eine unverheiratete Bäuerin, die den Betrieb über Jahrzehnte allein und selbständig geführt hat, die Altershilfe erst mit Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres erhalten kann?
Es trifft zu, Herr Abgeordneter, daß nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte die Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersgeld erhalten kann, während eine Bäuerin, die landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des Gesetzes ist, das Altersgeld im allgemeinen erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres erhalten kann. Nur im Falle der Erwerbsunfähigkeit kann das Altersgeld auch schon vor der Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt werden. Bei der Festlegung der niedrigeren Altersgrenze für Witwen ist man eben von der Erwägung ausgegangen, daß es der Bäuerin, die mit 60 Jahren verwitwet, nicht mehr zugemutet werden soll, in diesem fortgeschrittenen Lebensalter den Betrieb zu übernehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, da ich annehme, daß Ihnen bekannt ist, als wie ungerecht diese Regelung von den betroffenen Bäuerinnen empfunden wird, darf ich Sie fragen: Wären Sie grundsätzlich bereit, mit darauf hinzuwirken, daß selbständige Bäuerinnen, die über 60 Jahre alt sind, in den Genuß des vorzeitigen Altersgeldes kommen?
Darauf darf ich Ihnen antworten, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung an die vom Bundestag gefundene Regelung gebunden ist. Auch in anderen Sozialversicherungszweigen sind die Leistungsvoraussetzungen für Versicherte andere als für Witwen. Daher glaube ich, daß sich aus einer Lösung im Sinne der von Ihnen gestellten Frage eine ganze Reihe von Folgerungen für die gesamte soziale Sicherung überhaupt ergeben würden. Ein unbedingtes Ja könnte ich also auf Ihre Frage in diesem Augenblick nicht aussprechen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Wären Sie bereit, Herr Staatssekretär, in der jetzt anlaufenden Beratung der Novelle mit dafür einzutreten, daß eine solche Regelung doch einmal ins Auge gefaßt wird, da das Alterskassenrecht ohnehin ein wenig außerhalb des normalen Sozialversicherungsrechts steht?
Das ist gerade die Gefahr, daß diese Regelung etwas außerhalb der allgemeinen Regelung steht. Aber ich bin sehr gern bereit, Herr Abgeordneter, dafür zu sorgen, daß diese Frage bei der Neuregelung sehr sorgfältig geprüft wird.
Keine weiteren Zusatzfragen! Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. - Damit sind die vorliegenden Fragen beantwortet.
Ich rufe auf den Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. europäisches Jugendwerk . ({0}).
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Liehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich einleitend unseren sehr verehrten Herrn Bundespräsidenten Dr. Lübke zitieren, der Ende vergangenen Jahres anläßlich eines Empfangs des Kuratoriums des deutsch-französischen Jugendwerks u. a. folgendes feststellte:
In einer Zeit großer Umwälzungen auf allen Gebieten haben wir uns zu sehr daran gewöhnt, daß Außerordentliches geschieht. Das gilt vor allem für die junge Generation, die über Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung verfügt, um die ihre Väter und Vorväter sie beneidet hätten.
Und er sagte an anderer Stelle:
Das deutsch-französische Jugendwerk steht am Anfang einer Entwicklung, die herausführt aus der Verengung einseitigen nationalen Denkens und sich erweist als die beginnende Integration zweier großer Völker, die sich die Einigung Europas über die schon erzielten wirtschaftlichen Zusammenschlüsse hinaus zum Ziel gesetzt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist in der Tat einmalig, was der heute jungen Generation durch den deutschfranzösischen Vertrag, durch das Abkommen über die Errichtung des deutschfranzösischen Jugendwerks an Möglichkeiten und Chancen geboten wird. Aber wir dürfen wohl erwarten, ,daß die Jugend all dies nicht nur als eine Auszeichnung, sondern zugleich auch als einen Auftrag versteht, sich durch Engagement, Anstand und Leistung würdig zu erweisen.
Wir dürfen hierbei sehr hoffnungvoll sein; denn die Jugend Frankreichs und Deutschlands befindet sich seit vielen Jahren in einem regen und vielgestaltigen Austausch. Das war nicht immer ganz einfach. Erinnern wir uns daran, daß die Jugend speziell in den ersten Jahren nach 1945 letzthin nichts anderes anzubieten hatte als den guten Willen, im Kleinen und zunächst sehr behutsam um Vertrauen zu werben und der Völkerverständigung neue Impulse zu geben.
Wir haben wohl alle Veranlassung, dieser Jugend und der Vielfalt ihrer Organisationen dankzusagen für ihr zum Teil ungestümes Drängen, nationale Schranken fallenzulassen, und auch für die Bereitschaft, sich bei den internationalen Begegnungen verantwortungsbewußt zu engagieren.
Es bedarf aber auch der Feststellung, daß gerade die Länder und Gemeinden einen ganz erheblichen Anteil an dieser Entwicklung haben. So hat der Deutsche Städtetag festgestellt, daß schon Anfang der fünfziger Jahre patenschaftliche Freundschaftsverhältnisse vor allem mit französischen Städten zu einem regelmäßigen Austausch junger Menschen führten. Mittlerweile haben 107 Städte der Bundesrepublik einen eigenen Jugendaustausch mit 19 europäischen und außereuropäischen Ländern eingeleitet, wobei England und Frankreich die Partner mit dem häufigsten Austausch sind. Einen sehr ansehnlichen Jugendaustausch gibt es aber auch mit Schweden, Holland, Italien, der Schweiz, Osterreich, Belgien und Norwegen.
In Frankreich, dem bevorzugten Austauschland, sind 110 Städte und Organisationen Partner von deutschen Gemeinden.
Die Zahl der ausländischen Jugendlichen, die im Rahmen dieses Austausches nach Deutschland kamen, betrug allein in den Jahren 1960 bis 1962 über 23 000, worunter sich fast 10 000 junge Franzosen befanden. Im gleichen Zeitraum sind mehr als 28 000 junge Deutsche auf Initiative der Gemeinden ins Ausland gereist, darunter über 10 000 nach Frankreich. Auch hier ist also vieles geleistet worden - oft in stiller Beharrlichkeit -, was unseren Dank und unsere Anerkennung erfordert.
({0})
Es besteht kein Zweifel daran, meine Damen und Herren, daß diese Zahlen nur einen Bruchteil dessen darstellen, was sich in der Praxis an internationalen Begegnungen der Jugend mit einem ganz beachtlichen Aufwand öffentlicher Mittel und einer erheblichen Eigenleistung der Teilnehmer vollzogen hat. Wir begrüßen das sehr.
Jedenfalls ist mit dieser Fülle von Initiativen der Grundstein dafür gelegt worden, daß über zunächst behutsame Anfänge, speziell über den deutschfranzösischen Jugendaustausch und schließlich über die Begegnung der deutsch-französischen Jugend mit der Jugend anderer freier Völker nunmehr das deutsch-französische Jugendabkommen als ein Modell für die Zusammenarbeit mit der Jugend Europas angesehen werden kann.
Wir dürfen daher wohl mit Berechtigung die Bundesregierung ersuchen, die Gründung eines europäischen Jugendwerks anzustreben.
({1})
Wir möchten erreichen, daß man sich dabei der vorhandenen Einrichtungen, der Organisationen, Institutionen und Vereinigungen, die über eine Vielzahl von Erfahrungen verfügen, bedient und sie auf die europäische Ebene der Zusammenarbeit führt. Wir möchten jedenfalls, daß die Tür des deutschfranzösischen Jugendaustausches weit aufgestoßen
wird, damit der Weg frei gemacht wird für eine Förderung des Bewußtseins und der Gesinnung der Jugend für die europäische Integration und für ein größeres Europa.
({2})
Wir möchten das deutsch-französische Jugendwerk auf eine europäische Ebene projizieren, d. h. auf multilateraler Basis Aufgabenstellung und Finanzierung des deutsch-französischen Jugendwerks zugrunde legen, so daß erwartet werden kann, daß die Länder, die bereit sind, sich dem europäischen Jugendwerk anzuschließen, einen ihrem Lande angemessenen Betrag in einen gemeinsamen Fonds zahlen.
Wir sind uns durchaus darüber im klaren, daß nicht alle Länder eine Jugendförderung kennen, wie sie bei uns hier in der Bundesrepublik üblich ist. Aber wir sind fest davon überzeugt, daß das deutsch-französische Beispiel Nachahmung finden wird, wenn diese Länder unser besonderes Interesse spüren. Bedeutsam dabei ist, daß deutscherseits nicht unterschiedliche Förderungsgrundsätze für den internationalen Jugendaustausch praktiziert werden, daß man z. B. für den deutsch-französischen Jugendaustausch höhere Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln erhält - wie das gegenwärtig leider noch der Fall ist - als zum Beispiel für den deutschenglischen oder für den deutsch-skandinavischen Jugendaustausch. Solange man also mit anderen europäischen Ländern nicht zu der von uns gewünschten Übereinkunft kommen kann, müßten wenigstens die deutschen Teilnehmer finanziell gleichgestellt sein, unabhängig davon, mit welchem Land eine solche internationale Begegnung gepflegt wird.
({3})
Das gegenwärtige finanzielle Gefälle der Förderung aus öffentlichen Mitteln jedenfalls muß beseitigt werden. Dazu wird aber auch erforderlich sein, daß man die Richtlinien des Bundesjugendplans entsprechend ändert. Es dürfte auch dienlich sein, bei der Zuschußgewährung stärker darauf zu achten, daß sich unsere Teilnehmer an internationalen Begegnungen so sorgfältig wie möglich auf die Reisen ins Ausland vorbereiten, daß man sich nicht nur möglichst viel über die politischen, kulturellen und sonstigen Gegebenheiten des Gastlandes orientiert, sondern auch über die Verhältnisse des eigenen Landes eine zutreffende Aussage machen kann.
({4})
All dies ist erforderlich, Hand in Hand mit einer Nachbereitung und Vertiefung der Kontakte, wenn die Zuschüsse sinnvoll und verantwortbar gegeben werden sollen.
Meine Damen und Herren, ich möchte im Augenblick ganz bewußt darauf verzichten, auf denkbare Einzelheiten der Konstruktion und der Aufgabenstellung eines 'solchen europäischen Jugendwerkes einzugehen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur so viel sagen. Wir halten es für wünschenswert, wenn analog dem deutsch-französischen Jugendwerk ein Kuratorium gebildet werden könnte, in dem die nationalen Repräsentanzen - der Vielfalt nationaler Jugendarbeit entsprechend - 'Berücksichtigung finden würden. Man braucht ja dabei deutscherseits nicht die politischen „Gleichgewichtsstörungen" zu wiederholen, wie sie bei der Bildung des Kuratoriums des deutsch-französischen Jugendwerks offenbar geworden sind.
Immerhin, das Leitmotiv für alle Beteiligten sollte sein, alles zu tun, damit der Elan der jungen Generation im Streben zueinander nicht durch verwaltungsmäßige Anordnungen und Reglements beeinträchtigt oder gar zum Erliegen gebracht wird. Vielmehr sollte der Grundsatz absoluter Freiwilligkeit in der Begegnung der Jugend Europas in jeder nur denkbaren Form gefördert werden, wobei man sich - wie gesagt - der schon vorhandenen und bewährten Einrichtungen und Organisationen bedienen sollte. Diejenigen, die erst jetzt ihr Herz für Europa entdecken, weil es Zuschüsse gibt, und die schnell einen Verein gründen, um der Form zu genügen, sollten ganz besonders unter die Lupe genommen werden.
({5})
Wir haben jedenfalls die nicht unbegründete Hoffnung, daß auch die Bundesregierung unserem Antrag wohlwollend gegenübersteht. Immerhin hat sich Herr Bundeskanzler Professor Erhard anläßlich seines letzten Besuchs in England bemüht, an den Blockierungen zu rütteln, die einem größeren Europa leider noch im Wege stehen, und auch hier gerade der jungen Generation eine Chance eingeräumt, die Annäherung beider Völker zu vertiefen. Ich darf auch Bezug nehmen auf Reden und Veröffentlichungen des Herrn Bundesministers Dr. Heck, der immer für multilaterale Wirkungen des deutschfranzösischen Jugendwerkes plädiert hat. Aber es scheint so zu sein, daß die französischen Einwände hier die Oberhand gewinnen. Wenn unsere Informationen zutreffen, herrscht bei den französischen Freunden die grundsätzliche Neigung vor, den Jugendaustausch mit der Bundesrepublik Deutschland möglichst weitgehend auf beide Nationen zu beschränken. Die französischen Mitglieder des Kuratoriums sollen während der letzten Tagung sogar ihrer Sorge Ausdruck gegeben haben, daß man auf deutscher Seite die Aufgaben des Jugendwerks zu stark unter europäischen Aspekten sieht. Wir würden es sehr bedauern, wenn solche Meldungen, die einen relativ breiten Raum in der Tagespresse einnahmen, sich bewahrheiten sollten.
Um aber mögliche Spannungen auf diesem Gebiet gar nicht erst wirksam werden zu lassen, wäre die Weiterentwicklung des deutsch-französischen Jugendwerks gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt von großem Nutzen. Schließlich ist es doch das erklärte Ziel des Deutsch-Französischen Vertrags überhaupt, die Einigung Europas herbeizuführen. Nun sollte man nicht nur unentwegt davon reden, sondern wenn man das größere Europa will, dann muß man auch etwas dafür tun. Warum sollen wir uns also hier selber „Fußangeln" anlegen, warum sollen wir uns hier selber einengen, zumal wir ein gut vorbereitetes internationales Terrain betreten können?!
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Erfahrungswerte wiedergeben, die in einer Repräsentativerhebung des EMNID-Instituts zum deutschfranzösischen Jugendaustausch enthalten sind, soweit sie für das europäische Jugendwerk von Bedeutung sind. So wurde u. a. festgestellt, daß sich die Herzlichkeit, welche die politischen Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik in den letzten Jahren kennzeichnete, nach Aussage der überwiegenden Mehrheit der befragten Jugendlichen in Frankreich auf andere Völker erweitern sollte. Einem europäischen Jugendwerk dürfte also sehr entgegenkommen, daß sich - wie es hier heißt - anders als bei der deutschen Jugend, deren Reiseinteressen sich zur Zeit auf Frankreich richten, die Interessen der französischen Jugend schwerpunktmäßig noch auf andere Länder als die Bundesrepublik orientieren.
Aber bemerkenswert sind noch zwei weitere Tatbestände, die diese Untersuchung aufgezeigt hat, zwei Tatbestände ganz anderer Art. In beiden Ländern nämlich reicht der Anteil der Jugendlichen und vor allem der Arbeitnehmer an den Auslandsreisen nur etwa zur Hälfte an die Häufigkeit der Reisen von Oberschülern und Studenten heran. Man könnte daraus schlußfolgern - und einem solchen möglichen Eindruck sollte man auf beiden Seiten ganz entschieden entgegenwirken -, die deutsch-französische Freundschaft sei vor allem eine Sache der Oberschüler und der Angehörigen gehobener Berufe.
Hier tritt das eigentliche Hauptproblem zutage, nämlich die Sprachschwierigkeit. Der Erfolg der Begegnungen steht und fällt mit der Lösung des Sprachproblems. Nun ist ganz gewiß in diesem Bereich schon manches geschehen. Aber all das reicht nicht aus und wird auch künftig nicht genügen, um den Erfordernissen gerecht zu werden. Eine ganz entscheidende Vorstufe für internationale Begegnungen ist und bleibt deshalb die Organisierung von Sprachkursen. Ein vielfältiges Angebot ist erforderlich, um Sprachstudien zu erleichtern. Ein solches Angebot wird in zweifacher Hinsicht besonders bedeutsam sein: erstens um das Handicap der Volksschüler, die ja einen großen Teil der berufstätigen Jugend ausmachen, so gut es geht zu beseitigen, und zweitens weil sich ergeben hat, daß aus ersten Kontakten in 70% der Begegnungen dauerhafte Verbindungen entstanden sind, wo gute bzw. ausreichende Sprachkenntnisse vorlagen, jedoch nur in etwa 6 % der Begegnungen, wo solche Kenntnisse fehlten. Es wäre also gut, wenn in bezug auf das größere Europa bei uns in der Bundesrepublik nicht nur alle Vorbereitungen auf das Erlernen der französischen Sprache konzentriert würden, sondern wenn man ein relativ breites Angebot zum Erlernen von Fremdsprachen überhaupt, aber im besonderen auch der englischen Sprache entwickelte und es staatlich förderte.
Alles in allem: die Weichen, die den Weg zu einem größeren Europa öffnen sollen, können nicht frühzeitig genug gestellt werden.
Lassen Sie mich abschließend, um das Bild abzurunden, darauf hinweisen, daß wir uns mit unseren
Vorstellungen weitgehend im Einvernehmen befinden z. B. mit dem Nationalkomitee der WAY, dem der Deutsche Bundesjugendring und der Ring politischer Jugend angehören, aber auch mit dem Europäischen Jugendrat, dem die Spitzenorganisationen aus 13 europäischen Ländern angehören. Sie alle haben in völliger Übereinstimmung für ein europäisches Jugendwerk plädiert und zum Teil sehr detaillierte Vorstellungen, die im einzelnen nachgelesen werden können, dazu entwickelt.
Sollten wir uns nicht alle von dem Drängen eines großen Teils der Jugend des freien Europa beeinflussen und uns von dieser positiven Unruhe einfach anstecken lassen?
Ich darf Sie sehr darum bitten, meine Damen und Herren, unseren Antrag wohlwollend zu prüfen und ihm Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
({6})
Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Rollmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit vielen Jahren liegt in der Förderung der internationalen Jugendbegegnung und des internationalen Jugendaustausches ein Schwerpunkt der Jugendpolitik des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Wenn in diesen Jahren die Einstellung unserer Nachbarn zu Deutschland so viel positiver geworden ist, wenn wir die Isolierung des nationalsozialitischen Deutschland durchbrochen und wieder Anschluß an unsere Umwelt gewonnen haben, dann verdanken wir das nicht zuletzt den zahllosen Begegnungen, die zwischen der Jugend unseres Volkes und der Jugend anderer Völker im In- und Ausland stattgefunden haben. Die Schüler, die Studenten, die Praktikanten, die von uns ins Ausland gegangen sind, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, haben mitgeholfen, dem Ausland ein neues Bild von Deutschland und uns ein neues Bild unserer Nachbarn zu vermitteln. Die internationalen Jugendbegegnungen und der internationale Jugendaustausch haben sich in diesen vergangenen Jahren als ein Element von völkerverbindender Kraft erwiesen. Die Einigung Europas hätte nicht so große Fortschritte machen kannen, wenn nicht die Jugend Europas sich kennen und verstehen gelernt hätte, wenn sie nicht in so hervorragendem Umfange Träger der europäischen Einigungsbewegung geworden wäre.
Die internationale Jugendbegegnung und der internationale Jugendaustausch der vergangenen Jahre waren hierhin und dorthin gerichtet. Wir werden diese traditionelle Form unserer internationalen Jugendarbeit auch in Zukunft beibehalten, ja, noch verstärken müssen.
Mit der Gründung des deutsch-französischen Jugendwerks haben wir uns zur Intensivierung der Jugendbegegnung zwischen Deutschland und Frankreich entschlossen. Das deutsch-französische Jugendwerk soll die Bande zwischen der deutschen und der
französischen Jugend enger gestalten und ihr Verständnis füreinander vertiefen. Das deutsch-französische Jugendwerk hat zu Beginn dieses Jahres seine Arbeit aufgenommen. Die ersten Begegnungen finden statt, der erste Jugendaustausch wird vorbereitet.
Ich möchte zum Ausdruck bringen, mit welch großen Hoffnungen wohl nicht nur die Fraktion der CDU/CSU, sondern das ganze Haus, ja, das ganze deutsche Volk die Arbeit des deutsch-französischen Jugendwerks begleitet, wie sehr wir es wünschen, daß dieser Arbeit der Erfolg nicht versagt bleibt. Ein wie großartiger Gedanke war und ist es, die Zukunft unserer beiden Völker heute auf dem Fundament der Freundschaft zwischen der jungen Generation in Deutschland und der jungen Generation in Frankreich zu begründen! Wie sehr muß die manchmal kleinliche, die manchmal bösartige Kritik an dem Deutsch-Französischen Jugendwerk vor dieser großartigen Konzeption verblassen.
({0})
Unser Kollege Liehr hat soeben von den heute noch unterschiedlichen Förderungssätzen für die allgemeine internationale Jugendarbeit und für das Deutsch-Französische Jugendwerk gesprochen. Ich glaube, daß wir bereits in diesem Haushaltsjahr eine große Angleichung vollzogen haben. Der einzige Unterschied liegt noch bei den Fahrkosten. Ich bin sicher, daß es uns gelingen wird, diesen Unterschied im kommenden Haushaltsjahr noch zu beseitigen, so daß dann die internationalen Jugendbegegnungen genauso gefördert werden wie die Jugendbegegnungen im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks.
({1})
Wir haben immer die Auffassung vertreten, daß die Veranstaltungen des Deutsch-Französischen Jugendwerks nicht nur der jungen Generation dieser beider Länder offenstehen sollen, sondern auch den jungen Menschen aus anderen europäischen Ländern. Wir sind der Bundesregierung und dem federführenden Bundesminister für Familie und Jugend dankbar, daß sie sich in diesem Sinne in Paris immer wieder, und wie uns scheinen will, bei der letzten deutsch-französischen Konsultationen in der vergangenen Woche in Paris mit Erfolg um diese europäische Öffnung des Deutsch-Französischen Jugendwerks bemüht haben. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat wirklich nichts zu verbergen, es ist nicht exklusiv, und an den Begegnungen zwischen der deutschen und der französischen Jugend sollen auch die jungen Menschen aus den anderen Ländern Europas Anteil haben. Auf der anderen Seite müssen wir uns darüber im klaren sein - das ist wenigstens die Auffassung meiner Fraktion -, daß das Deutsch-Französische Jugendwerk auch immer das Deutsch-Französische Jugendwerk bleiben muß. Daran lassen wir nicht rütteln. Das Deutsch-Französische Jugendwerk, wie es jetzt ist, werden wir nicht zu einem europäischen Jugendwerk umgestalten, sosehr wir es auch wünschen, ich wiederhole es, daß an seinen Veranstaltungen auch junge Menschen aus den anderen Ländern
Europas teilnehmen. Aus diesem Grunde unterstützen wir den Antrag der Sozialdemokraten auf Gründung eines europäischen Jugendwerks.
({2})
Jene Begegnung zwischen der deutschen und der französischen Jugend, die von nun an nicht mehr aufhören wird, ist auch notwendig zwischen der Jugend anderer Völker dieses Kontinents, ist auch notwendig zwischen der Jugend Deutschlands und der Jugend anderer Nachbarvölker. Ich meine, es ist dann mehr als recht und billig, daß im Rahmen eines solchen europäischen Jugendwerks, auch, wie es in der Konzeption liegt, diese anderen Nachbarvölker ihre finanziellen Beiträge zu diesem europäischen Jugendwerk leisten.
Nur wenn wir die Jugendbewegungen in Europa erweitern und intensivieren, können Haß und Vorurteile, Verständnislosigkeit und Ressentiments zwischen den Völkern Europas abgebaut werden. Nur so kann jene Gesinnung der Verständigung, der Versöhnung und der Freundschaft zwischen den Völkern Europas weiter wachsen, die das Fundament des einigen Europas ist. Das ist auch, wie Herr Kollege Liehr bereits ausgeführt hat, die Meinung der deutschen Jugendverbände, des Bundesjugendringes, des Ringes Politischer Jugend, auf die der Antrag der SPD zurückgeht.
Herr Liehr hat soeben mit Recht von den großen Sprachschwierigkeiten gesprochen. Auch in dieser Beziehung wird der Vertrag über die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks Modell sein. Denn dort ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Einrichtungen zur Erlernung der Sprache des anderen Landes im außerschulischen Bereich ausgebaut werden sollen. Wenn wir eine solche Bestimmung auch in ein Abkommen über die Gründung des europäischen Jugendwerkes hineinbringen können, werden wir, glaube ich, jene Sprachschwierigkeiten vermindern können, die heute in so vieler Hinsicht immer noch die internationalen Jugendbegegnungen im europäischen Rahmen behindern.
({3})
Wir werden dem Antrag der Sozialdemokraten, dem Ersuchen an die Bundesregierung auf Gründung eines europäischen Jugendwerkes, im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen und im Auswärtigen Ausschuß auf Grund der ersten praktischen Erfahrungen mit dem deutsch-französischen Jugendwerk, die wir dann gesammelt haben werden, noch den letzten Schliff geben und im übrigen diesen Antrag der Sozialdemokraten unterstützen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kubitza.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die internationale Jugendbegegnung von heute schafft die Voraussetzungen des möglichst reibungslosen Zusammenlebens für den europäischen Bürger von morgen. Dazu ist es notwendig, daß die in den europäischen Staaten vorhandenen Jugend5302
lichen und ihre Jugendorganisationen zu einer engen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der außerschulischen Erziehung kommen.
Es ist das Vorrecht der Jugend und der sie vertretenden Jugendorganisationen, daß sie über die vertraglich geregelte deutsch-französische Freundschaft hinaus die Freundschaft auch auf die anderen Völker erweitert wissen wollen. Dazu darf ich feststellen, daß die Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes es einmütig begrüßt hat, daß Vorbereitungen für ein europäisches Jugendwerk getroffen werden. In demselben Sinne hat sich der Verband Deutscher Studentenschaften geäußert sowie das deutsche Nationalkomitee der World Assembly of Youth. Das deutsche Nationalkomitee ist bei seinen Vorschlägen von folgenden Grundsätzen ausgegangen. Erstens: die Intensivierung der freundschaftlichen Begegnung zwischen der französischen und der deutschen Jugend wird begrüßt. Zweitens: alle Bemühungen um den deutsch-französischen Austausch müssen eingeordnet sein in die Bemühungen um eine engere Zusammenführung der Jugend aller europäischen Länder. Die direkten deutsch-französischen Austauschprogramme müssen den Aspekt der europäischen Vereinigung gebührend berücksichtigen. Soweit dies möglich ist, sollten diese Programme offen sein für die Teilnahme junger Menschen aus anderen europäischen Ländern.
Ich darf hier einflechten, daß Herr Minister Dr. Heck über diese Öffnung für Drittländer am 1. März 1963 vor dem Aktionsausschuß erklärte, daß der Vertrag von deutscher wie von französischer Seite so verstanden worden sei, daß die vorgesehenen Programme auch der Jugend der übrigen Völker Europas offenstünden. Leider vermisse ich in den Richtlinien - in den vorläufigen Richtlinien, die mir vorliegen - einen Passus, der das - Öffnung für Drittländer - zum Ausdruck bringt.
Drittens: die besondere Intensivierung deutschfranzösischer Jugendprogramme darf nicht zu einer Benachteiligung von bilateralen oder internationalen Programmen der Jugendarbeit mit anderen europäischen Länder führen. Dies gilt auch für die Förderungssätze. - So weit das deutsche Nationalkomitee.
Die Vertreter der FDP-Fraktion haben in allen ihren Besprechungen betont, daß auch nicht der leiseste Eindruck erweckt werden sollte, daß es internationale Jugendbegegnungen erster und zweiter Klasse gebe. Wir wollen die Möglichkeit offenhalten, auch Teilnehmer aus anderen Ländern hinzuzuziehen. Das heißt, deutsch-französische Veranstaltungen sollten jungen Menschen aus allen europäischen Ländern offenstehen. Über den prozentualen Anteil wird man sich verständigen können. Er sollte aber nach unserer Meinung für Drittländer 33 % nicht übersteigen.
Hinsichtlich der Förderungssätze für die internationale Jugendbegegnung im Bundesjugendplan ist dankbar anzuerkennen, daß sie wie im deutschfranzösischen Jugendwerk auf 3 DM je Tag und je Teilnehmer erhöht worden sind. Allerdings wird zu den Fahrtkosten nur ein fünfprozentiger Zuschuß gewährt, wogegen diese beim deutsch-französischen Jugendwerk hundertprozentig erstattet werden. Es wäre sehr zu wünschen, daß auch diese Benachteiligung beseitigt wird. So dankbar die Erhöhung der Tagessätze begrüßt wird, sollte sie nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Gesamtmittel im Bundesjugendplan für die internationale Jugendbegegnung nur unzureichend erhöht worden sind.
Hier ist vielleicht auch eine Anmerkung über den Personalstand angebracht. Während im deutschfranzösischen Jugendwerk etwa 50 bis 60 Beamte und Angestellte, Franzosen und Deutsche zusammengerechnet, die 40 Millionen DM verwalten, sind im Ministerium für Familie und Jugend nur 4 Personen mit der Verwaltung der wenn auch geringeren Mittel für die internationale Jugendbegegnung beschäftigt.
Wir sehen in der Schaffung eines europäischen Jugendwerks das anzusteuernde Fernziel. Die vorhin schon angeführte Untersuchung von Emnid über den deutsch-französischen Jugendaustausch hat ergeben, daß 90 % unserer Jugend zwischen 15 und 24 Jahren in europäische Länder fahren würden, sofern sie die Möglichkeit dazu hätten.
Sofort zu verwirklichen .im deutsch-französischen Jugendwerk wäre die Öffnung für Drittländer. Weiterhin würden wir der Bundesregierung vorschlagen, sofort Verhandlungen über den Abschluß eines deutsch-englischen Jugendwerks aufzunehmen, ebenfalls offen für Drittländer, wobei ich insbesondere an die skandinavischen Staaten denke.
Drittens sehen wir einen Ansatzpunkt für ein künftiges europäisches Jugendwerk in dem bestehenden Council of European National Youth Committees, dem Europäischen Rat nationaler Jugendkomitees, der Dachorganisation aller Jugendverbände in Europa. Er ist auf dem Jugendsektor gewissermaßen das Pendant zum Europarat. Dieser europäische Rat nationaler Jugendkomitees betreibt in Oberehnheim bei Straßburg das europäische Jugendzentrum. Es läge an unserer Initiative im Ministerkomitee des Europarats, diesem Jugendzentrum eine weitestgehende Förderung auch finanzieller Art angedeihen zu lassen.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion stimmt wie ihr Koalitionspartner dem Antrag auf Überweisung der Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß und an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zu.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Haas.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Das deutsch-französische Jugendwerk hat sich in der kurzen Zeit seines Bestehens personell etabliert und Richtlinien für seine Arbeit erstellt. Es kann auch schon eine beachtliche Anzahl bereits geförderter, noch laufender, beschlossener und in Aussicht genommener Maßnahmen vorweisen. Wir hören von dem außerordentlich großen
Interesse, das die Jugend beider Länder dem Unternehmen entgegenbringt. Testfragen haben ergeben, daß die Jugend in dem Vertragswerk mehr sieht als die Möglichkeit eines „Tourismus zu ermäßigten Preisen", daß sie vielmehr auch die hohe politische Bedeutung des Freundschaftswerkes verstanden hat. Selbstverständlich wird erst das Jahr 1964 einen maßgeblichen und klaren Überblick über die Bedeutung des deutsch-französischen Jugendwerks gestatten.
Die Fraktion der SPD stellt nun den Antrag auf ein europäisches Jugendwerk nach dem Muster des deutsch-französischen Vertrags. Der Antrag wird wie hier im Hohen Hause so auch in der Öffentlichkeit, besonders natürlich bei der Jugend und den Jugendverbänden, ein starkes Echo finden. Eine Reihe von Umständen geben dem Antrag recht: die unerhörten Reise- und Kontaktmöglichkeiten unseres technischen Zeitalters, die zahllosen Einrichtungen, die von diesen Kontaktmöglichkeiten Gebrauch machen, nicht zuletzt der immer wieder sichtbar werdende Drang der Jugend, die Grenzen und Mauern zwischen den Völkern und Staaten abzubauen, und natürlich auch die Tatsache, daß Deutschland und Frankreich allein das vereinte Europa der Zukunft nicht ausmachen.
Ich stimme meinen Vorrednern, insbesondere meinem Parlaments- und Berufskollegen Herrn Kubitza, zu. Auch ich anerkenne und befürworte die in dem Antrag enthaltene Tendenz und sein Ziel: die Integration Europas. Ich begrüße weitere Verträge mit anderen Staaten, die die Freundschaft und die Zusammenarbeit der Völker unterstützen und damit letztlich dem Frieden auf der Welt dienen.
Viele Austauschprogramme werden auf den verschiedensten Ebenen durchgeführt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang an ein jüngstes Beispiel erinnern, an den Austausch von Soldatenkindern zwischen Deutschland und Frankreich 1963, ein Programm, das heuer innerhalb der NATO-Länder fortgeführt und erweitert werden soll.
Gestatten Sie mir aber auch, daß ich zu dem Antrag einige konkrete und kritische Bemerkungen mache. Ich bin mir bewußt, daß das deutsch-französische Jugendwerk gegenüber dem großen Ziel, das wir uns alle gesteckt haben, ein vereintes Europa zu bauen, nur ein Anfang ist. Das deutsch-französische Jugendwerk ist der erste Schritt in der Integration der europäischen Jugend. Der erste Schritt muß aber naturgemäß vor dem zweiten getan werden. Das Deutsch-Französische Jugendwerk ist ein Modellbau. Wir wollen und sollen an ihm erst Erfahrungen sammeln. Obgleich bilateral, läßt das Deutsch-Französische Jugendwerk eine Türe nach Europa offen. Nach einer Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Familien- und Jugendfragen und dem französischen Kommissar für Jugend und Sport, den beiden Präsidenten des Kuratoriums, soll das Deutsch-Französische Jugendwerk europäischen Charakter haben. Eine Beteiligung von Drittländern ist möglich. Die Richtlinien über die dabei geltenden Prozentsätze der Beteiligten aus Drittländern wie auch eine Reihe von geplanten Veranstaltungen bestätigen diese Einstellung.
Das Deutsch-Französische Jugendwerk bietet die notwendigen und zum Teil mühsam erarbeiteten Voraussetzungen zu einer Realisierung, nicht nur moralische, sondern auch reale, nämlich die Aufgeschlossenheit der Partnerstaaten und die finanzielle Beteiligung zu gleichen Teilen.
Bei einer Analyse des Begriffs „europäisches Jugendwerk" denke ich an reale Verträge mit weiteren europäischen Staaten, wobei ich mich natürlich auch frage, wie weit dieses Europa nach dem Osten hin gesehen werden kann.
Ich würde an erster Stelle, wie mein Vorredner Herr Kubitza, an ein deutsch-britisches Abkommen denken; das um so mehr, als der deutsch-britische Jugendaustausch bis heute durchaus einseitig ist, das heißt, viel mehr Deutsche nach England gehen als Engländer nach Deutschland kommen, und gerade hier sich manche Unzulänglichkeiten zeigen. Ich meine, wir sollten alles dazu tun, daß sich auch in Großbritannien die nötigen politischen Voraussetzungen, die finanziellen Voraussetzungen und die erforderliche Aufgeschlossenheit für ein solches Abkommen entwickeln.
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Wenn ich mich nun in unserem Europa weiter umsehe und ,an Italien, Spanien oder Griechenland denke, so kann ich nicht umhin, in diesem Zusammenhang Idas Problem unserer Gastarbeiter zu sehen, ein Problem, von dem wir doch kaum behaupten können, wir hätten es bis heute auch menschlich bewältigt. Das Wort eines italienischen Gastarbeiters muß uns nachdenklich stimmen: „Wenn die Deutschen als Touristen nach Italien kommen, sind sie zu uns sehr freundlich. Wenn wir zu ihnen als Arbeiter kommen, sind sie uns gegenüber sehr abweisend." Eine italienisch-deutsche Jugendgruppe, die auf Staatskosten nun reisen und diskutieren würde, sich Seite an Seite mit den doch recht abseits stehenden schwer arbeitenden italienischen Gastarbeitern und deren Familien auch nur vorzustellen, erweckt in mir ein recht unangenehmes Gefühl.
Ein gesetzlich fundiertes Jugendwerk, das also mit Steuergeldern finanziert werden soll, bedarf über alle anderen Werte hinaus einer klaren politischen Konzeption. Natürlich wünschen auch wir keine genormte Staatsjugend. Auch wir wünschen das freie Gespräch der Jugend aus den verschiedenen Ländern. Andererseits können wir nicht wünschen, daß auf Grund eines gesetzlichen Jugendaustauschs etwa mit den Ostblockstaaten unsere jungen Menschen den politischen Verführungskünsten eines unfreien und undemokratischen Systems ausgeliefert würden.
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Das Deutsch-Französische Jugendwerk darf durch weitere Pläne und Vorhaben im Augenblick keinesfalls überdeckt, ausgehöhlt oder verwässert werden. So verlockend auch die Aussicht auf ein europäisches Jugendwerk erscheinen mag, so kann ich ihm jetzt aus den Gründen, die ich aufgeführt habe, nicht ohne Bedenken zustimmen. Die zum Start des
Deutsch-Französischen Jugendwerks benötigten 20 Millionen für 1964 sollen und können wahrscheinlich auch nicht zersplittert werden. Das DeutschFranzösische Jugendwerk ist nicht geschaffen gegen die europäische Jugend, sondern als Ausgangspunkt hin zur europäischen Jugend. Es braucht meiner Meinung nach noch viel Zeit, Mühe und Vorarbeit, um die notwendigen politischen Voraussetzungen in den anderen europäischen Partnerländer für ein europäisches Jugendwerk zu schaffen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus befaßt sich heute mit dem europäischen Jugendwerk. Das ist ein Thema zu dem jeder - ich glaube, das haben wir bei jedem Redner gespürt -, etwas zu sagen hätte, weil es uns alle angeht und weil wir wissen, daß auf diesem Gebiet nicht genug getan werden kann.
Herr Kollege Liehr hat zu Beginn auf den Jugendaustausch hingewiesen. Er hat an die Jugend appelliert, sie solle ihn nicht nur als eine Auszeichnung sehen. Ich glaube, wir müssen bei der Jugend unterscheiden. Ein Teil der Jugend hat tatsächlich in den vergangenen Jahren nicht nur in Frankreich, sondern darüber hinaus in den verschiedensten europäischen Ländern Begegnungen durchgeführt und selber finanzielle Mittel aufgebracht, um diese Begegnungen zu ermöglichen. Das Ja, das unser Kollege Rollmann zur Begründung eines europäischen Jugendwerks gesagt hat, kann man mit dem verbinden, was der Kollege Liehr betont hat, daß nämlich die bestehenden Organisationen und die vorhandenen Verbindungen genützt werden sollen. Ich glaube aber, lieber Kollege Liehr, daß wir zu dem deutsch-französischen Jugendaustausch, den Sie erwähnt haben und für den ja mehr gezahlt wird als für sonstige internationale Begegnungen, ein ganz besonderes Wort sagen müssen.
Die Vergangenheit hat uns gelehrt, daß wir hier eine besondere Verpflichtung haben. Der Haß, der vielleicht irgendwo noch vorhanden ist, muß abgebaut werden, und die Jugend Frankreichs und Deutschlands muß einen neuen Weg gehen. Die Väter haben nicht den Weg zueinander gefunden. Den Ländern Europas und der Welt wäre viel an Tränen erspart geblieben, wenn die Politiker dieser Länder von der Jugend gemahnt worden wären. Ich glaube daher, das deutsch-französische Jugendwerk ist ein guter Anfang, und jeder von uns wird sicherlich ja dazu sagen.
Meine Damen und Herren, sehen wir aber auch einmal, was auf diesem Gebiet schon alles geschehen ist, wovon wir mit Freude in dieser Stunde sprechen sollten! Ich nenne beispielsweise die Aktion „Versöhnung über den Gräbern", die wir seit Jahren durchführen, eine Aktion, in deren Rahmen junge Menschen aus den europäischen Ländern zusammenkommen, um Soldatengräber instand zu setzen. Das ist nur eine der vielen Maßnahmen, die durchgeführt wurden und die mit nur geringen Zuschüssen, sei es des Bundes oder der Länder, sei es der Städte oder ihrer Organisationen, durchgeführt werden konnten.
Bei den Aktionen muß die private Initiative wieder stark in den Vordergrund rücken. Ich denke an die geplanten Ferien bei französischen und deutschen Familien. Es ist entscheidend, daß die Jugend das Leben des Volkes kennenlernt und nicht nur in einem geschlossenen Omnibus irgendwo hin- und wieder zurückfährt. Es muß zu einer Begegnung kommen. Die vielen privaten Verbindungen müssen gepflegt und erweitert werden. Das darf nicht nur über Bundes- oder Landeszuschüsse ermöglicht werden.
Ich erinnere an die vielen Patenschaften und nenne nur einmal Rheinland-Pfalz - Burgund. Sie sind schon in den letzten Jahren ausgebaut worden. Städte und Gemeinden, Sportverbände, Gesangsvereine, Trachtengruppen, viele einzelne Organisationen, haben unter sich Patenschaften geschlossen und einen engen Kontakt zueinander gefunden.
Wir alle sagen in dieser Stunde sicherlich ja zu dem europäischen Jugendwerk. Im Mittelpunkt muß aber natürlich die Begegnung mit Frankreich, mit der Jugend von Frankreich stehen. Auch was Kollege Liehr gesagt hat, ist richtig: Hier soll nicht etwa nur einen Begegnung von Schulen, sondern selbstverständlich auch von Familien, Sportverbänden und Jugendorganisationen stattfinden.
Eine Gruppe möchte ich noch besonders nennen. Die Jugend der freien Welt kann sich treffen, und sie hat sich in all den Jahren immer wieder getroffen. Hier muß in dieser Stunde ausgesprochen werden, daß wir mit großer Hoffnung dem Tag entgegensehen, an dem wieder möglich sein wird, was noch vor Jahren möglich war, nämlich daß sich die Jugend von Mitteldeutschland mit unserer Jugend in der Bundesrepublik trifft. Auf diese Stunde warten wir doch alle.
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Aber wir fragen uns: Wann kommt die Stunde? Daher ist ein Appell an die Mächtigen, auch im Kreml, angebracht, damit sie erkennen, daß wir Haß abbauen und der Jugend die Möglichkeit geben müssen, sich in Freiheit zu treffen.
Ich möchte deshalb mit der Hoffnung schließen, daß auch die Jugend hinter dem Eisernen Vorhang so bald wie irgend möglich wieder den Weg zu unserer Jugend findet. Die Tür muß weit offen bleiben für den Tag, an dem sich die Jugend hinter dem Eisernen Vorhang sich wieder mit uns treffen kann.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familie und Jugend.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Liehr veranlassen mich zu ein paar Anmerkungen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß wir inzwiBundesminister Dr. Heck
schen die Sätze für den internationalen Jugendaustausch im Rahmen des Bundesjugendplans an die Sätze, die das Kuratorium für das deutschfranzösische Jugendwerk beschlossen hat, angeglichen haben. Lediglich die Fahrkosten weisen noch einen Unterschied auf.
Aber ich kann mir ein europäisches Jugendwerk nicht so vorstellen, daß die Bundesrepublik allein oder überwiegend dieses Jugendwerk finanziert, sondern ich meine schon, daß wir auch bei diesem europäischen Jugendwerk das anstreben sollen, was wir im deutsch-französischen Jugendwerk verwirklicht haben, nämlich daß sich die übrigen europäischen Länder ebenfalls finanziell engagieren.
Herr Kollege Liehr, Sie haben von „politischen Gleichgewichtsstörungen" bei der Zusammensetzung des Kuratoriums für das deutsch-französische Jugendwerk gesprochen. Ihr, oder ich kann hier sagen: unser Kollege Lohmar hat sich zu diesem Thema neulich in einer Diskussion, die in der Februar-Nummer der Zeitschrift „twen" veröffentlicht worden ist, auch geäußert. Er meint in dieser Diskussion, ihn störe die politische Einfärbung; unter den zehn deutschen Mitgliedern des Kuratoriums seien nur zwei, von denen man sagen könne, sie stünden der gegenwärtigen Oppositionspartei nahe. Ich habe eigentlich gedacht, daß unser Kollege Lohmar über die prominenten Mitglieder seiner Partei etwas besser orientiert ist; denn es handelt sich immerhin um zwei, ich möchte sagen, genuine Sozialdemokraten, die innerhalb Ihrer Partei, wie mir bekannt ist, ein sehr großes Ansehen genießen; um zwei Persönlichkeiten, die weit über Ihre Partei hinaus ein großes Ansehen genießen, weil sie gerade im Bereich der Jugendpolitik und der Jugendpflege einen ganz außergewöhnlichen Sachverstand und eine ganz außergewöhnliche Erfahrung besitzen. Sehen Sie, das war der Grund, warum ich diese beiden Persönlichkeiten als Mitglieder für das Kuratorium vorgeschlagen habe.
Nun ist allerdings dem Kollegen Lohmar noch etwas unterlaufen, das fast amüsant wirkt. Herr Lohmar hat in der gleichen Diskussion auch gemeint, ihn störe das Durchschnittsalter der Mitglieder des Kuratoriums. Dazu darf ich sagen, das Durchschnittsalter dieser beiden sozialdemokratischen Mitglieder des Kuratoriums ist 62 Jahre. Herr Lohmar meint, ein Durchschnittsalter von 54 Jahren sei doch bereits etwas reichlich hoch.
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Herr Bundesminister, igestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Eilers?
Bitte!
Herr Minister, von wem wurden diese zwei sozialdemokratischen Mitglieder, die Sie eben meinten, vorgeschlagen?
Diese beiden Mitglieder sind von mir vorgeschlagen und von der Bundesregierung ernannt worden,
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weil sie, wie ich Ihnen schon sagte, im Bereich der Jugendpflege, im Bereich der Jugendpolitik über eine ganz außergewöhnliche Erfahrung verfügen. Meine Damen und Herren, wir können das hier ganz offen aussprechen: die Sozialdemokraten waren der Meinung, man sollte die sechs freien Vertreter nach dem d'Hondtschen Schlüssel unter den drei Parteien so verteilen, daß die drei Parteien praktisch ein Vorschlagsrecht für diese Mitglieder hätten. Nun, die Bundesregierung - und damit auch ich - ist in dieser Frage anderer Meinung gewesen. Sie müssen Verständnis dafür haben, daß die Regierung eben so handelt, wie sie es für richtig hält. Denn regieren heißt ja nicht das tun, was die Opposition für richtig hält.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kübler?
Bitte sehr!
Herr Minister, sind Ihnen auch jüngere Sozialdemokraten bekannt?
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Natürlich, sehr viele. Aber ich gestehe Ihnen offen: mir ist kein jüngeres Mitglied der Sozialdemokratischen Partei bekannt, das über einen so umfassenden Sachverstand und über eine so umfassende Erfahrung verfügt wie die zwei Mitglieder, die ich der Bundesregierung zur Ernennung vorgeschlagen habe.
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- Ich bringe das hier nur so nebenbei, weil Sie, Herr Kollege Liehr, mir den Anlaß dazu gegeben haben, als Sie von den politischen Gleichgewichtsstörungen sprachen. Und an diesem Punkt möchte ich jetzt weitermachen.
Es sind also zwei genuine Sozialdemokraten Mitglieder dieses Kuratoriums. Soweit ich es übersehe
- und ich müßte einigen Überblick haben, da ich ja sechs Jahre lang Bundesgeschäftsführer meiner Partei gewesen bin -, ist unter den übrigen acht Mitgliedern lediglich eines, das Mitglied der CDU ist. Ob von den verbleibenden sieben Mitgliedern eines einer Partei angehört oder ob von ihnen eines einer Partei nahesteht und welcher, das weiß ich nicht, verehrter Herr Kollege Liehr.
({1})
Das habe ich auch nicht geprüft, und ich glaube, daß ich mich damit im Einklang mit dem Grundgesetz befinde.
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- Durchaus möglich!
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Da möchte ich Ihnen gar nicht widersprechen.
Nun zu der Frage Offenheit des deutsch-französischen Jugendwerks für die Jugendlichen aus Drittländern: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns doch daran erinnern, was dieses Hohe Haus mit der Ratifizierung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über die deutsch-französischen Zusammenarbeit - ich kann sagen: fast einmütig - beschlossen hat. Es heißt in diesem Vertrag - ich muß ins Gedächtnis zurückrufen -:
Der deutschen und französischen Jugend sollen alle Möglichkeiten geboten werden, um die Bande, die zwischen ihnen bestehen, enger zu gestalten und ihr Verständnis füreinander zu vertiefen. Insbesondere wird der Gruppenaustausch weiter ausgebaut.
Im nächsten Abschnitt heißt es:
Es wird ein Austausch- und Förderungswerk der beiden Länder errichtet, an dessen Spitze ein unabhängiges Kuratorium steht. Diesem Werk wird ein deutsch-französischer Gemeinschaftsfonds zur Verfügung gestellt, der der Begegnung und dem Austausch von Schülern, Studenten, jungen Handwerkern und jungen Arbeitern zwischen beiden Ländern dient.
So ist es von diesem Hohen Hause beschlossen worden, und es ist meine Aufgabe, es in die Tat umzusetzen.
Eben deswegen kann es sich nicht darum handeln, daß das deutsch-französische Jugendwerk, das, wie hier schon ausgeführt worden ist, eine ganze besondere Aufgabe hat, jetzt in ein europäisches Jugendwerk umzuwandeln ist. Die Aufgabe scheint mir vielmehr die zu sein, daß das deutsch-französische Jugendwerk, wie es der Vertrag vorsieht, europäisch gehandhabt wird, d. h. daß alle Programme, die sich dafür eignen, für die Beteiligung von Jugendlichen aus Drittländern offen sein müssen, und zwar in dem Umfang, wie er sich mit der speziellen Zielsetzung des deutsch-französischen Jugendwerks vereinbaren läßt. Aber gerade das deutsch-französische Jugendwerk und die Vorarbeiten für seine Durchführung haben ergeben, wie notwendig es ist, daß wir unsere internationale Jugendarbeit insgesamt ausweiten.
({4})
Herr Kollege Liehr, Sie haben hier einiges aus der Umfrage zitiert. Es muß noch auf einiges andere hingewiesen werden, was sicher nicht nur für das Verhältnis zwischen der französischen und der deutschen Jugend, sondern wahrscheinlich für die Jugend der europäischen Völker in ihrem Verhältnis zueinander ganz allgemein gilt. Unter einer dünnen Decke wohlwollend freundlicher Gesinnung leben so ziemlich alle alten Klischees und Vorurteile weiter.
Man braucht kein Prophet zu sein, wenn man feststellt, daß Europa und die europäische Politik wahrhaftig einen mühseligen Weg vor sich haben werden. Um der europäischen Politik für die Zukunft die besten Voraussetzungen zu schaffen, müssen wir alles tun, was geeignet ist, die Vorurteile, die klischeehaften Vorstellungen, die nun einmal in Jahrhunderten gewachsen sind, im Bereich der jungen Generation der europäischen Völker abzubauen.
Es ließe sich noch einiges sagen. Aber ich kann es heute bei dem belassen, was ich gesagt habe, zumal ich als Vertreter der Bundesregierung jetzt nicht am Wort bin. In erster Linie hat jetzt das Parlament das Wort.
Einen Hinweis möchte ich mir zum Schluß noch gestatten. Ich glaube, ja, ich hoffe, es ist ein gutes Omen für das europäische Jugendwerk, daß zum Schluß unserer Aussprache noch der Herr Bundesfinanzminister erschienen ist.
({5})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten sowie an den Haushaltsausschuß - an diesen außerdem gemäß § 96 der Geschäftsordnung - zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, bei mir ist interfraktionell beantragt worden, Punkt 21 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung - von der Tagesordnung abzusetzen. - Widerspruch erfolgt nicht; Punkt 21 ist abgesetzt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden ({0}) ({1}).
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Weber ({2}), Dr. Wahl, Hoogen, Dr. Dehler, Dr. Dörinkel, Stiller, Schlick und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entschädigung von Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden ({3}).
Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden, ,das sogenannte Reparationsschädengesetz, vorgelegt. Auch dieser Entwurf gehört in die Reihe jener Gesetze, mit denen die Liquidation der mit dem zweiten Weltkrieg und seinen Folgen im Zusammenhang stehenden Schäden zu Ende gebracht werden soll.
Die Regelung der Reparations- und Restitutionsschäden war bereits im sogenannten Homburger Plan für einen allgemeinen Lastenausgleich und auch in § 29 des Umstellungsgesetzes angesprochen worden. Der Fragenkreis ist dann bei der Schaffung des Lastenausgleichsgesetzes erörtert worden mit dem Ergebnis, daß die Massenschäden, die durch Vertreibung und Bombenkrieg erwachsen waren, als vordringlich vorweg geregelt und die Reparations- und Restitutionsschäden zunächst zurückgestellt werden sollten. Später hat man erwogen, diese Schäden in das Allgemeine Kriegsfolgengesetz einzubeziehen. Das stellte sich jedoch als un-tunlich heraus, und es wurde - entsprechend dem ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Bevölkerungs- und Wirtschaftskreise - in den § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes lediglich ein Vorbehalt für die spätere gesetzliche Regelung aufgenommen. Zunächst sollten nämlich die Bemühungen der Bundesregierung um die Freigabe des deutschen Auslandsvermögens weitergeführt werden. So wie die Dinge heute stehen, läßt sich die vorbehaltene gesetzliche Regelung - unbeschadet dessen, daß die Bemühungen um die Freigabe des deutschen Auslandsvermögens fortgesetzt werden sollen und müssen - einfach nicht mehr weiter hinausschieben. Dies ist auch die Meinung des Bundestages, wie ich aus vielfachen Anfragen entnehme, die von Ihnen, meine Damen und Herren, an das Bundesfinanzministerium oder im Rahmen der Fragestunde an meine Vorgänger und auch an mich gerichtet worden sind.
In die Regelung zur Abgeltung der Reparationsschäden hat der Entwurf die Schäden einbezogen, welche die loyalen Rückerstattungsverpflichteten erlitten haben. Dabei handelt es sich um Personen, die auf Grund der alliierten Gesetzgebung zur Rückerstattung ihrer in der NS-Zeit legal erworbenen Wirtschaftsgüter verpflichtet wurden, obwohl ihr Verhalten gegenüber den Verfolgten loyal war, um Personen also, die sich während der Nazizeit nicht an fremdem Gut bereichert, sondern es gegen angemessene Gegenleistung erworben hatten.
Die Entschädigungsregelung des Regierungsentwurfs beruht, wie Sie aus der vorliegenden Drucksache IV/1456 ersehen haben, auf den Grundsätzen des Lastenausgleichs, die ich mit wenigen Worten andeuten möchte.
Maßgebender Grundsatz der Lastenausgleichsregelung ist eine Entschädigung, die unter Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen Wirkung der Verluste gestaltet ist. Ihr trägt eine degressiv gestaffelte Entschädigungstabelle Rechnung, die eine Vollentschädigung nur bei Schäden bis etwa 5000 DM vorsieht, während bei größeren Schäden der Hundertsatz der Entschädigung allmählich absinkt, bis als lineare Untergrenze der Umstellungssatz für Geldguthaben in Höhe von 6,5 % erreicht ist. Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Entschädigung von Schäden an Grundbesitz und Betriebsvermögen ist der Einheitswert und nicht der Verkehrswert. Die Gewährung von Zuschlägen in Höhe von 4 v. H. jährlich vom Jahre 1953 ab entspricht ebenfalls der Regelung des Lastenausgleichsgesetzes und führt in manchen Fällen der kleineren Verluste zu einer Entschädigung von mehr als 100 % des Einheitswerts. Gleichzeitig sollen hierdurch aber auch Nachteile ausgeglichen werden, die durch den späteren Erlaß dieses Gesetzes für die Betroffenen entstanden sind.
Zu den Grundsätzen des Lastenausgleichs gehört ferner die Berücksichtigung des trotz Schädigung erhalten gebliebenen und des noch vor der Währungsreform erworbenen Vermögens - einschließlich etwaiger Kriegsgewinne. Das geschieht bei Betriebsvermögen durch Einheitswertvergleich, im übrigen durch einen Vergleich des Vermögens vor und nach der Schädigung.
Schließlich ist es Bestandteil der Lastenausgleichskonzeption, daß nur Verluste natürlicher Personen in die Entschädigungsregelung einbezogen werden. Hierzu ein Wort, da gerade der Ausschluß der juristischen Personen - der bei der Lastenausgleichsregelung nie beanstandet worden ist - Anlaß zu rechtlicher Kritik und zu sachlicher Mißdeutung gegeben hat.
Der Regierungsentwurf - so heißt es - richte sich gegen die großen Unternehmen. Meine Damen und Herren, der Bundesregierung liegt eine Diskriminierung der „Großen" ebenso fern wie ihre Begünstigung. Man kann aber in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß gerade die größeren Unternehmungen auf vielfältige Weise und in ganz besonderem Ausmaß Möglichkeiten hatten, mit unmittelbarer und mittelbarer Hilfe der öffentlichen Hand an der gewaltigen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung der Nachkriegsjahre teilzunehmen und auf diese Weise ihre Verluste zu überwinden; daran ändert auch nichts der Umstand, daß solche Hilfen und Förderungsmaßnahmen auch den Nichtgeschädigten zugute gekommen sind. Eine Entschädigung der juristischen Personen würde ebenso sehr häufig nicht den Personen zugute kommen, die im Zeitpunkt der Schädigung Eigentümer der Anteilsrechte waren, sondern denjenigen, die es heute sind; bei typischen Liquidationswerten glaube ich sogar sagen zu dürfen, daß vielfach Personen in den Genuß der Regelung kommen würden, die diese Wertpapiere später spekulativ erworben haben. Ganz abgesehen von der Berufungsgefahr, die sich bei Einbeziehung der juristischen Personen auf anderen Gebieten der Kriegsfolgengesetzgebung ergeben könnte, erschien es der Bundesregierung angesichts der andernfalls erheblichen, riesengroßen finanziellen Mehraufwendungen richtig, die Ausgabenmittel wie im Lastenausgleich auf die Entschädigung der natürlichen
Personen zu konzentrieren. Zu dem Einwand, daß im Einzelfall auch juristische Personen, trotz der wirtschaftlich guten Entwicklung, noch notleidend sein könnten, möchte ich darauf hinweisen, daß die in § 85 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes seit Jahren gegebenen Kreditmöglichkeiten zur Durchführung volkswirtschaftlicher Wiederaufbau- und Ausbaumaßnahmen durch den Erlaß des Reparationsschädengesetzes keineswegs abgeschnitten werden sollen. Es ist vielmehr vorgesehen, daß entsprechende Anträge noch bis Ende des Jahres 1965 gestellt werden können. Für Mitglieder von reparationsgeschädigten Familiengesellschaften sieht der Entwurf darüber hinaus außerdem in einer besonderen Härtebestimmung die Gewährung von günstigen Aufbaudarlehen vor. In der großen Masse aber sind, wenn ich von Sonderfällen absehe, die größeren Betriebe, die juristische Personen sind, als saniert anzusehen. Meine Damen und Herren, soll denn nun dieser Umstand bei der Entscheidung über die Entschädigungsregelung ganz außer Betracht bleiben? Es gibt Kreise, die dies für richtig halten. Ihnen muß entgegengehalten werden, daß die Sanierung überwiegend der Wirtschaftspolitik des Staates, insbesondere seiner Steuer- und Konjunkturpolitik, mit zu verdanken ist.
Aber nicht nur in der Behandlung der juristischen Personen, sondern allgemein in seiner Grundkonzeption ist der Regierungsentwurf teilweise auf heftige Kritik gestoßen, in erster Linie bei den Geschädigten selbst und ihren Verbänden. Sie behaupten, schon Rechtsansprüche auf Entschädigung nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 14 des Grundgesetzes zu haben.
Auf dieser Konzeption beruht der heute ebenfalls zur Beratung anstehende Entwurf, den Herr Kollege Weber und weitere Mitglieder des Hohen Hauses mit der Drucksache IV/1762 - initiativ - eingebracht haben.
Meine Damen und Herren, zu der Frage des Rechtsanspruchs, zu der von den Verbänden bekanntlich umfangreiche Gutachten eingereicht worden sind, verweise ich zunächst auf meine grundsätzlichen Ausführungen über die Abwicklung des Hitlererbes, welche ich gelegentlich der Einbringung der beiden Wiedergutmachungsnovellen im November des vergangenen Jahres gemacht habe. Im übrigen haben sich alle Bundesressorts - dessen dürfen Sie, meine Damen und Herren, versichert sein - sehr eingehend mit diesem Rechtsproblem befaßt und sich nicht, wie teilweise behauptet wurde, leichtfertig über Grundsätze des Rechtsstaates hinweggesetzt. Gerade die Gutachten, die die Verbände beigebracht haben, sind Veranlassung zu einer besonders intensiven 'Prüfung dieser Rechtsfragen gewesen. Die Ressorts sind dabei unter Heranziehung allen verfügbaren Materials zu der Überzeugung gelangt, daß die Reparationsgeschädigten keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland haben. Ein solcher Rechtsanspruch läßt sich weder aus dem innerdeutschen Recht - etwa aus dem Gesichtspunkt der Enteignung, der Aufopferung oder der ungerechtfertigten Bereicherung - noch aus dem internationalen Recht - etwa aus Art. 5 des VI. Teiles des Uberleitungsvertrages - ableiten. Daß diese Bestimmung übrigens keinenunmittelbaren Anspruch der Reparations- und Restitutionsgeschädigten auslöst, wird jetzt von niemandem mehr bestritten. Auch die Rechtsprechung hat grundsätzlich weder den Reparations- noch den Rückerstattungsgeschädigten einen Rechtsanspruch zuerkannt; sie hat vielmehr die These vom Bestehen eines Anspruchs ausdrücklich abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Sache, die eine Entziehung deutschen Auslandsvermögens betraf, erklärt, daß diese Enteignungen nicht am Grundgesetz gemessen werden können. Es hat auch mehrfach betont, daß die gesamte Kriegsfolgenliquidation rechtlich nur mit dem Blick auf den totalen Zusammenbruch und die Bankrottsituation des Reiches richtig gewürdigt werden könne. Ich möchte, meine Damen und Herren, diese Frage im Augenblick nicht weitervertiefen, da der ganze Komplex in der Begründung ,des Regierungsentwurfs eingehend behandelt worden ist, und darf deshalb auf diese Darlegungen verweisen, ,die übrigens vomBundestag nach sorgfältigster Prüfung bestätigt worden sind.
Die Bundesregierung ist nicht nur der Auffassung, daß die im Regierungsentwurf enthaltene Lösung rechtlich zulässig ist; sie hält sie auch für geboten und erachtet sie darüber hinaus für politisch zwingend. Es ist in ihren Augen unmöglich, für die Reparations- und Rückerstattungsgeschädigten eine Regelung treffen zu wollen, die sie weitaus besser stellen würde als viele Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft. Denken Sie dabei bitte an die Naziverfolgten, an die Kriegsopfer, an die Heimkehrer, an die Vertriebenen, an die Gläubiger des Reiches. Besonders eindrucksvoll ist ein Vergleich zwischen den Reparations- und Rückerstattungsschäden einerseits und den Vertreibungs- und Kriegssachschäden andererseits. Ein entscheidender Unterschied zwischen denjenigen Schäden, die die Vertriebenen und die Kriegssachgeschädigten erlitten haben, und denjenigen Schäden, die der vorliegende Gesetzentwurf behandelt, ist in ihrer Wirkung nicht :ersichtlich. Die Verluste der Vertriebenen - ich glaube, das kann ich hier im Einvernehmen mit dem ganzen Hohen Hause feststellen - wiegen sogar erheblich schwerer; denn zu ihren Vermögensschäden an Hab Lund Gut ist noch der bittere, immer weiter schmerzende und niemals ausgleichsfähige Verlust der Heimat hinzugetreten.
({0})
Es erscheint mir auch nicht angängig, daß in denjenigen Fällen, in denen Vermögen ohne gleichzeitige Vertreibung weggenommen worden ist, eine bessere Entschädigung gewährt werden soll. So muß ich Sie denn, meine Damen und Herren, schon jetzt bitten, bei den bevorstehenden Beratungen in den Ausschüssen Ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Frage zu richten, welche Rückwirkung eine von den Reparationsgeschädigten begehrte bevorzugte Behandlung auf alle anderen Gebiete der NS- und Kriegsfolgenliquidation zwangsläufig zur Folge haben müßte. Ein einziger Hinweis mag genügen: Die maßgebende Vertretung der Vertriebenen hat
mich schon wissen lassen, daß sie für den Fall einer Besserstellung dieser Geschädigten die entsprechenden höheren Leistungen selbstverständlich sofort für alle nach dem Lastenausgleichsgesetz abzugeltenden Schäden verlangen würde.
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Auch die Verfasser des Initiativgesetzentwurfs haben, glaube ich, die politische Bedeutung dieser Forderung erkannt. Sie haben nämlich vorgesehen, daß alle Vertriebenen aus Gebieten außerhalb des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 mit ihren Entschädigungen vom Niveau des Lastenausgleichs auf das wesentlich höhere Niveau des Initiativgesetzentwurfs angehoben werden sollen. Diese Anhebung will der Entwurf freilich den Vertriebenen aus den reichsdeutschen Gebieten, wenn ich das mal so nennen darf, nicht gewähren.
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Die Bundesregierung hält es für völlig ausgeschlossen, daß eine solche Lösung dem zu erwartenden politischen Ansturm standhalten könnte.
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Nun wird bereits mehr oder weniger deutlich mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gedroht, falls das Reparationsschädengesetz im Sinne des Regierungsentwurfs ergehen sollte. Hierzu darf ich zunächst bemerken - ich bitte, mir das nicht übelzunehmen -, daß ein solcher Hinweis sowohl die Funktionen des Bundesverfassungsgerichts als auch die der mit der Gesetzgebung befaßten Organe des Bundes gründlichst verkennt. Die an der Bundesgesetzgebung beteiligten Organe haben in eigener Verantwortung die sich im Zusammenhang mit einem Gesetzentwurf ergebenden Rechtsfragen zu prüfen. Der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der ihm vom Grundgesetz zugewiesenen hohen Aufgaben dazu berufen ist, die von den parlamentarischen Körperschaften verabschiedeten Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen, kann niemals dahin führen, daß die Rechtssetzungsorgane einem Gesetz eine Fassung geben, die im Widerspruch mit ihrer eigenen Rechtsauffassung stehen würde. Im übrigen, meine Damen und Herren - dessen können wir wohl sicher sein -, wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich später in jedem Falle mit diesem Gesetz befaßt werden.
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Denn wird das Gesetz entsprechend dem Ihnen heute vorgelegten Regierungsentwurf nach den Grundsätzen des Lastenausgleichs ausgerichtet sein, so wird es von irgendeiner Seite mit der Behauptung angegriffen werden, es seien Rechtsansprüche auf Entschädigung gegeben, und diese hätten keine Berücksichtigung gefunden.
Sollte ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz dagegen unter Zugrundelegung der These schon bestehender Ansprüche eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen gewähren, so wird, dessen bin ich ebenso sicher, das Bundesverfassungsgericht angerufen werden mit der Bitte um Nachprüfung, ob die gewährte Entschädigung im Sinne von Art. 14
GG als „angemessen" zu bezeichnen ist. Mit Sicherheit würde das bei einer Regelung bezweifelt werden, die, wie das der Initiativgesetzentwurf vorsieht, von einer degressiven Staffelung der Entschädigungssätze ausgeht. Man wird verlangen, wenn das so kommt, daß für alle Schäden wegen der Rechtsansprüche die gleiche Entschädigungsquote zu gelten hat, daß also auch die großen Schäden mit 100 °/o abzugelten sind, wenn man diese Quote für die kleinen Schäden wählt.
Lassen Sie mich nun einige Zahlen zur finanziellen Tragweite der zu treffenden Regelung nennen. Der Ihnen vorliegende Regierungsentwurf wird im Laufe von etwa 15 Jahren einen finanziellen Aufwand von 1,7 Milliarden DM zu Lasten des Bundeshaushalts erfordern. Bei Einbeziehung der juristischen Personen in diesen Entwurf würde sich dieser Betrag um etwa die gleiche Summe erhöhen. Der finanzielle Rahmen des Initiativgesetzenwurfs ist demgegenüber wesentlich weiter. Der Initiativgesetzentwurf mit seiner andersartigen Schadensberechnung und seinen wesentlich höheren Entschädigungssätzen würde nach den Berechnungen meines Ministeriums - selbst bei engster Auslegung der Bestimmungen - rund 18 Milliarden DM einschließlich Verzinsung kosten.
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In dieser Zahl kommt noch nicht zum Ausdruck, daß wegen des Gebots der Gleichbehandlung wohl auch die Personenkreise einbezogen werden müssen, die schon der Regierungsentwurf einbezogen hat. Nicht berücksichtigt ist ferner, daß der Initiativgesetzentwurf offentlich die Entschädigung für die aus den Gebieten außerhalb der Reichsgrenzen von 1937 vertriebenen Deutschen - also als Beispiele: Eger oder Bromberg - auch auf das gehobene Niveau des Initiativgesetzentwurfs anheben will. Zwar hat mein Haus auch hierüber schon Schätzungen angestellt, doch erspare ich es mir, die Milliardenbeträge, die sich über die genannten 18 Milliarden DM hinaus ergeben würden, angesichts ihrer astronomischen Höhe zu nennen.
Ferner hat der Umstand noch keine Berücksichtigung gefunden, daß sich wesentliche finanzielle Auswirkungen auch in anderen Bereichen der NS-und Kriegsfolgenliquidation ergeben würden, insbesondere bei der Gesetzgebung für den Lastenausgleich. Diese weiteren Mehrbelastungen würden ebenfalls eine untragbare Höhe erreichen. Alles würde dazu führen, daß wir selber den Wiederaufbau zu unser aller Schaden zerschlügen.
Bedenken Sie bitte in diesem Zusammenhang ferner auch noch das Folgende. Nach dem Initiativgesetzentwurf sollen für Entschädigungen - abzüglich der bar auszuzahlenden Beträge - handelbare und steuerfreie Schuldverschreibungen oder Schuldbuchforderungen gewährt werden. Der hierfür in Betracht kommende Betrag wird sich auf viele Milliarden belaufen. Jeder Finanz- und Kapitalmarktexperte wird bestätigen, daß unser Kapitalmarkt das unter keinen Umständen verkraften könnte. Die Politik der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank, die vor allem anderen auf die Stabilität
des Geldwertes gerichtet sein muß, würde auf das empfindlichste gestört werden. Davon abgesehen würden dadurch die Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsgeschädigten bevorzugt werden. Denn bei der Regelung der Schäden aus Krieg und Gewaltherrschaft hat man es bisher grundsätzlich ablehnen müssen, sie in handelbare Schuldverschreibungen umzuwandeln. Eine Ausgabe von Schuldverschreibungen ist lediglich im Lastenausgleich zugelassen worden, und auch dort im Hinblick auf diese Belange nur in begrenztem Ausmaße, nämlich bis zur Höhe von 2 Milliarden DM. Der Regierungsentwurf des Reparationsschädengesetzes sieht zwar ebenfalls die Ausgabe von Schuldverschreibungen vor; jedoch ist in Anlehnung an das Lastenausgleichsgesetz nur ein Betrag von 500 Millionen .DM für Schuldverschreibungen und für die Begründung von Spareinlagen in Aussicht genommen.
Die im Initiativentwurf außerdem noch vorgesehene Steuerfreiheit der ausgegebenen Titel würde naturgemäß den Erwerb solcher Schuldverschreibungen und der Schuldbuchforderungen durch Personen mit höherer Einkommen- und Gewerbesteuer sowie durch Körperschaftsteuerpflichtige weitgehend fördern und damit einen noch gar nicht zu berechnenden Steuerausfall verursachen.
Ein kurzes Wort noch mag einer Bestimmung des Initiativentwurfs gelten, nach der für eingetretene mittelbare Schäden - also z. B. für entgangenen Gewinn - unter gewissen Umständen die Gewährung langfristiger Darlehen in Höhe von 50 % dieser Schäden verlangt werden kann. Ich habe hierfür in meinen Berechnungen schon deshalb nichts angesetzt, weil ich eine solche Vorschrift einfach nicht für praktikabel halte.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Belastungen, die sich aus den gestellten Forderungen ergeben, und mit Rücksicht auf die weiterhin drohenden Auswirkungen wird sich die Bundesregierung - zu dieser Erklärung hat mich das Kabinett ausdrücklich ermächtigt - mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dagegen- wenden müssen, daß ausweitende Lösungen den Finanzbedarf gegenüber der Regierungsvorlage wesentlich erhöhen. Angesichts der gegebenen rechtlichen, finanziellen und politischen Verhältnisse sieht sich die Bundesregierung außerstande, einer Betrachtung des Problems zu folgen, wie sie im Initiativgesetzentwurf zum Ausdruck kommt. Aus manchen Unterhaltungen ist mir bekannt, daß gerade auch in weiten Kreisen der Wirtschaft - ich möchte das als Schlußbemerkung zu diesem Teil erwähnen - die Lösung des Regierungsentwurfs als die einzig mögliche angesehen wird.
Schließlich möchte ich erneut darauf hinweisen, daß die gesamte deutsche öffentliche Hand - Bund, Länder, Gemeinden sowie der Lastenausgleichsfonds - zur Beseitigung von Folgen des verlorenen Krieges und des NS-Regimes seit der Währungsreform schon rund 290 Milliarden DM aufgewendet hat. Dieser Betrag stellt etwa 34,5 % des öffentlichen Finanzbedarfs in der Vergleichszeit dar. In den Spitzenjahren waren es mehr als die Hälfte des öffentlichen Gesamthaushalts.
Wenn man sich vor Augen führt, was jene 290 Milliarden DM bedeuten, so ist es doch wirklich schwer zu verstehen, daß immer wieder Stimmen laut werden, die das Geleistete als nicht ausreichend, ja als ungenügend bezeichnen. Man begreift auch die Stimmen nicht, die eine permanente Erweiterung der Kriegsfolgengesetzgebung fordern und für eine immer erneute Novellierung der zur Beseitigung der Kriegs- und Kriegsfolgschäden ergangenen gesetzlichen Bestimmungen eintreten. Ich kann hierzu nur wiederholen, was ich auch an anderer Stelle schon gesagt habe: Solche Wünsche sind einfach nicht realistisch; sie sind unerfüllbar. Unsere finanzpolitischen Belange lassen es einfach nicht zu, daß dem Bundeshaushalt unter dem Titel NS- und Kriegsfolgenliquidation ständig neue Lasten aufgebürdet werden. Schließlich darf doch niemand übersehen, daß wir aus den bereits getroffenen gesetzlichen Regelungen noch weitgehende hohe Verbindlichkeiten vor uns herschieben und langsam abtragen, die zwar formell nicht als äußere oder innere Staatsschuld sichtbar in Erscheinung treten, gleichwohl aber künftige Haushaltsjahre und damit dass erst in der Zukunft noch zu erarbeitende Sozialprodukt auf lange Zeit hinaus in empfindlichster Weise vorbelasten. Es sind dies, um nur einige Beispiele zu nennen, bei der Wiedergutmachung noch rund 13 Milliarden DM und beim Lastenausgleich allein noch über 40 Milliarden DM. Man muß also denjenigen entgegentreten, die da meinen, der Bundeshaushalt könne zugunsten der Entschädigungsregelung des Reparationsschädengesetzes eine Belastung in späteren Jahren ertragen, die über das hinausgeht, was sich unter Zugrundelegung der Lastenausgleichsgrundsätze ergeben würde. Auch muß ich entschieden gegen die Ansicht Stellung nehmen, daß die Aufwendungen für die Liquidation der durch Krieg und Gewaltherrschaft angerichteten Schäden sich in etwa dem Steigen des Bruttosozialprodukts anzupassen hätten. Hierin liegt die schlimme Forderung nach einer dynamischen Kriegsfolgenliquidation, d. h. man verlangt, daß mit dem Wachsen des Bruttosozialprodukts nicht nur die Leistungsansätze der Kriegsfolgengesetzgebung gesteigert, sondern auch die Schadenstatbestände erweitert und der Kreis der Entschädigungsberechtigten vergrößert werden. Die gewaltigen Leistungen für die Kriegsfolgenliquidation, die bisher erbracht worden sind und in der Zukunft noch erbracht werden müssen, waren und sind doch nur möglich, weil anfänglich Ausgaben, die uns heute stark belasten, noch gar nicht zu leisten waren; ich nenne insoweit vor allem die Ausgaben für die äußere Sicherheit. Zum anderen sind wichtige Staatsaufgaben zurückgestellt oder nur in beschränktem Umfange berücksichtigt worden. Diese Aufgaben - ich darf nur den Straßenbau, die Förderung von Forschung und Wissenschaft, die Reinhaltung von Wasser und Luft nennen - können wir nicht noch länger zurückstellen, es wäre meines Erachtens nicht zu verantworten.
Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung ist der Herr Bundeskanzler davon ausgegangen, daß Übereinstimmung hinsichtlich der gemeinsamen Verpflichtung besteht, die Stabilität unBundesminister Dr. Dahlgrün
serer Wirtschaft und Währung zu wahren. Als der für die Finanzpolitik des Bundes verantwortliche Minister kann ich daher nur den dringenden Appell an das ganze Hohe Haus richten, mit mir jedes Vorhaben, jeden Wunsch und jeden Antrag an der finanziellen Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft zu messen und alles zu vermeiden, was unsere finanzielle Stabilität erschüttern könnte.
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Rütteln Sie nicht an den Grundlagen der vor dem Abschluß stehenden Kriegsfolgengesetzgebung, sondern halten Sie den Weg frei für die finanzielle Verwirklichung der großen Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben, vor die wir gestellt sind! Ich habe die Hoffnung, meine Damen und Herren, daß Sie sich von den Überlegungen der Bundesregierung zu ihrem Entwurf eines Reparationsschädengesetzes überzeugen und bei Ihren Beratungen werden leiten lassen.
({7})
Das Wort zur Begründung des Initiativgesetzentwurfs hat der Abgeordnete Dr. Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Sie, Herr Bundesminister, um Ihre heutige Aufgabe nicht beneidet. Ich bin ebensowenig zu beneiden um die Aufgabe, die ich habe. Aber vor einigen Jahren stand an diesem Platz einmal ein ehemaliger Bundesminister und äußerte, daß er sich darüber freue, daß er, nunmehr von den Fesseln des Kabinetts und der Verantwortung der Bundesregierung befreit, wieder als freier Mann hier seine Meinung äußern könne. In umgekehrter Weise, Herr Bundesminister, muß ich diesen Satz auf Sie anwenden. Sie spüren die Verantwortung der Bundesregierung in einer sehr starken Weise.
Nehmen Sie aber nicht an, daß wir sie nicht ebenso spüren. Die Initianten nehmen auch für sich in Anspruch, daß sie nicht etwa unsere finanziellen Grundlagen erschüttern wollen, sondern daß auch sie alles tun, um die Stabilität unserer Wahrung zu sichern, und nichts mitmachen, was die Stabilität gefährden würde. Das voraus.
({0})
- Das wird sich erst zeigen, Herr Windelen, wenn Sie sich einmal mit der Sache etwas eingehender befaßt haben, als Sie es offensichtlich bis jetzt getan haben.
Meine Damen und Herren, ich hatte am 11. September 1952 'die Ehre, als Berichterstatter des Rechtsausschusses von diesem Platz aus Ihnen einen mündlichen Bericht ides damals mit den Fragen der Wiedergutmachung und der Rückerstattung befaßten Rechtsausschusses zu erstatten. Ich greife auf diesen Antrag, den der Bundestag damals einstimmig beschlossen hat, mit Absicht zurück, um auch etwas weiteres klarzumachen, das anscheinend bisher in der öffentlichen Diskussion ebenfalls nicht klargeworden ist, nämlich, daß dieser Antrag eine Reihenfolge der zu erledigenden Aufgaben aufgestellt hat, und zwar beginnend mit
I. Entschädigung
Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus durch ein Bundesergänzungs- und Rahmengesetz regelt. Dabei ist davon auszugehen, daß Personen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden, Unrecht geschehen ist und der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und Staates war. Unter Berücksichtigung dessen, daß Bund und Länder die Verpflichtung anerkannt haben, daß für diese Personen, soweit sie infolgedessen Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten haben . . ., eine angemessene Entschädigung sicherzustellen ist, soll das Gesetz die in internationalen Vereinbarungen und Besprechungen erzielten Ergebnisse berücksichtigen lund weiterhin folgende Richtlinien beachten:
Ich will sie nicht alle vorlesen; sie sind in den Buchstaben a) bis m) zusammengefaßt. Was ich aber sagen will, ist, daß dieser Beschluß zu I haargenau, Punkt für Punkt erfüllt worden ist, indem bereits im Jahre 1953 zunächst dieses Bundesergänzungsgesetz verabschiedet worden ist und dann im Jahre 1955 ein ganz neues Bundesentschädigungsgesetz erarbeitet wurde, das die hier geforderte Ausdehnung der Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus brachte.
Wir sind dabei, auch dieses Gesetz zu novellieren und auszudehnen; der Herr Bundesminister hat das soeben ausgeführt und eine Summe genannt, die sich sehen lassen kann, wenn auch dafür nochmals weitere Leistungen gewährt werden.
Unter II. Rückerstattung
enthielt dieser Antrag zwei Anliegen. Erstens:
Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald einen Gesetzentwurf über die Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und zur Behebung der durch die von der Besatzung vorgenommene Regelung der Rückerstattung entstandenen offenkundigen Härten vorzulegen. Dabei werden insbesondere folgende Gesichtspunkte zu beachten sein:
A. Der Bund haftet für Beschlagnahme und Einziehung an Bargeld, Forderungen . . .
Dr. Weber ({1})
und so weiter; Komplex Bundesrückerstattungsgesetz. Auch dieses Gesetz ist längst verabschiedet. Der Plafond, der dafür vorgesehen war, von 1,5 Milliarden DM hat sich als nicht ausreichend erwiesen, es sind gerade zur Zeit im Ausschuß für Wiedergutmachung Beratungen im Gange, die auch hier weitere erhebliche Leistungen vorsehen.
Nun kommt aber das Entscheidende. Unter B. bis E. war ein weiteres Gesetz vorgesehen, einstimmig gefordert vom Deutschen Bundestag am 11. September 1952. Dieses Gesetz ist in all den Jahren zurückgestellt worden. Man hat das Jahre hingenommen.
Ich betone: ich habe das mit Absicht vorgetragen, weil ich die beiden ersten Anliegen als vordringlicher ansah, wie ich auch die Regelung anderer Kriegsfolgelasten, wie Entschädigung der Opfer des Krieges, wie Lastenausgleich, als vordringlicher angesehen habe. Aber es ist ja auf diesen Gebieten auch schon einiges geschehen. Die Bundesregierung hat selber in ihren „aktuellen Beiträgen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik" vom 18. Januar 1964 die einzelnen Betrage angegeben, die der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls am Schluß genannt hat, indem festgestellt wird, daß der Bund für die Beseitigung von Folgen des verlorenen Krieges und des NS-Regimes seit der Währungsreform rund 290 Milliarden DM aufgebracht hat. Hiervon entfallen 48 Milliarden DM auf Besatzungs- und Besatzungsfolgekosten, 119 Milliarden DM auf soziale Kriegsfolgelasten, 35 Milliarden DM ,auf sonstige Kriegsfolgelasten, 68 Milliarden DM auf sonstige Aufwendungen I der öffentlichen Hand, z. B. Berlin-Hilfe, Aufwendungen im Zusammenhang mit der Saareingliederung sowie durch den Zusammenbruch bedingter Wirtschaftshilfe, ferner 23 Milliarden DM - eine stolze Summe, darf man sagen - für Wiedergutmachung. In den 119 Milliarden DM sind auch Leistungen, über die wir uns sehr freuen und auf die wir stolz sein können, nämlich in Höhe von 41 Milliarden DM für den Lastenausgleich, also für Vertriebene und Kriegssachgeschädigte, enthalten. Ich möchte mich hier mit diesen Dingen durchaus nicht polemisch auseinandersetzen; dafür sind die Probleme, mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben, zu ernst. Ich glaube vielmehr, eine sachliche Auseinandersetzung kann die Lösung dieser schwierigen Fragen nur fördern.
Meine Damen und Herren! Ich habe das vorangestellt, um nun sagen zu müssen, daß die im Jahre 1952 vom Bundestag einstimmig erhobene Forderung bis jetzt unerfüllt geblieben ist. Damals standen wir den Dingen noch etwas näher als heute; sie brannten uns noch mehr auf den Nägeln. Das Wohlstandsdenken hatte noch nicht so weit Platz gegriffen wie heute, wo es uns Not an den Stellen, an denen sie immer noch vorhanden ist, nicht mehr so sehen läßt. Deswegen ist es nach meiner Meinung nunmehr dringend geworden, auch diesen Komplex zu regeln. Das bezweckt auch der Entwurf der Bundesregierung.
Als die Angelegenheit von der Bundesregierung nicht weiter betrieben wurde, wandten sich Kollegen des Hauses, wie der Herr Bundesfinanzminister schon ausgeführt hat, immer wieder in Anfragen an das Ministerium und auch hier im Bundestag an die Bundesregierung, um die Dinge weiter voranzutreiben. Sie wurden stets vertröstet. Es fanden dann während der zweiten Wahlperiode - die Kollegen, die damals beteiligt waren, werden sich daran noch erinnern - interfraktionell Besprechungen mit den Geschädigtenkreisen statt, und man suchte nach einer alsbaldigen entsprechenden Regelung. Wir wurden von der Bundesregierung immer wieder vertröstet und mußten weiter warten.
Dann wurde das Allgemeine Kriegsfolgengesetz behandelt. Darin sind immerhin einige Punkte aus dem heute zur Verhandlung stehenden Komplex der Reparationsschäden und der Rückerstattungsschäden angesprochen und kleinere Hilfen, die sich aber, wie ich feststellen mußte, im großen und ganzen in einem sehr bescheidenen Rahmen gehalten haben, vorgesehen worden. Wichtig war aber, daß der § 3 dieses Gesetzes für bestimmte Rechtsgebiete einen Vorbehalt gebracht hat. Darunter fallen einmal die sogenannten loyalen Rückerstatter in Ziffer 1 und zum andern die sogenannten Reparationsgeschädigten, d. h. die durch Demontagen und durch Beschlagnahme des Auslandsvermögens Geschädigten, in Ziffer 2. Für diese wurde eine besondere Regelung durch ein späteres Gesetz vorbehalten.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben sich darüber beklagt, daß die Frage, ob es sich hier um Rechtsansprüche oder um Billigkeitsforderungen handle, nicht geklärt worden ist. Das ist doch wohl darauf zurückzuführen, daß in § 3 Abs. 2 ein Klagestopp eingeführt worden ist. Es ist der Versuch unternommen worden, die Fragen im Kern rechtlich zu klären; die Bundesregierung war aber nie bereit, auf den Klagestopp zu verzichten, sondern sie hat die Ansprüche in erster Linie unter Berufung auf diesen Klagestopp bekämpft. Der Bundesgerichtshof hat wenigstens Feststellungsklagen zugelassen und engegen der Meinung des Bundesfinanzministeriums und der Bundesregierung einen solchen Feststellungsanspruch für gewisse Bereiche der Entschädigung anerkannt, für die sogenannten Waldschäden aus Holzeinschlägen.
Als es dann nicht voranging und wir immer weiter von der Bundesregierung vertröstet wurden, sah sich meine Fraktion veranlaßt, einen besonderen Ausschuß, eine sogenannte Siebener-Kommission, einzusetzen, die sich mit der Problematik beschäftigte und zunächst noch mit den Herren Vertretern der Bundesregierung zusammenarbeitete, bis offenbar wurde, daß sich unsere Wege trennen müßten. Etwa in den Jahren 1957, 1958 wurde für uns erkennbar, daß die Bundesregierung das Problem nur unter dem Gesichtspunkt des Lastenausgleichs zu lösen bereit war. Damals lagen noch gar keine Gutachten vor; jedenfalls sind meine Freunde und ich, die wir dieses Anliegen vertreten, von den Gutachten in Unserer Arbeit nicht beeinflußt worden. Unsere Absicht ging seinerzeit dahin, alsbald ein eigenes Gesetz zu erarbeiten, das von der Grundlage eines Rechtsanspruchs ausgehen sollte.
Dr. Weber ({2})
Ein erster solcher Entwurf wurde dann in der 3. Wahlperiode mit der Drucksache 2964 initiativ mit 86 Unterschriften eingebracht. Dieser Entwurf konnte damals nicht mehr behandelt werden.
Wir haben die Arbeit in der erweiterten SiebenerKommission - es trat noch unser Koalitionspartner von der FDP dazu - fortgesetzt. Das Ergebnis liegt Ihnen nunmehr mit dem Antrag Drucksache 1762 vor. Dabei handelt es sich, wie gesagt, um eine Fortentwicklung und teilweise auch um eine Änderung des früheren Entwurfs Drucksache 2964 der 3. Wahlperiode.
Es würde nun Stunden in Anspruch nehmen, Ihnen umfassend vorzutragen, was zu der Begründung des Rechtsanspruchs zu sagen wäre. Ich darf wohl Ihr Einverständnis voraussetzen, wenn ich darauf verzichte und die Begründung dieses Anspruchs, die ich erarbeitet habe, dem Herrn Präsidenten übergebe, damit sie als Anlage in das Sitzungsprotokoll aufgenommen werden kann *).
Ich wurde mich auf einige Anmerkungen beschränken. Rechtsanspruch oder nicht - dazu wird Herr Kollege Wahl in der Diskussion noch Stellung nehmen.
Herr Bundesfinanzminister, wir sind uns der Konsequenzen stets bewußt gewesen. Deshalb hat unsere Arbeit so lange gedauert. Wir haben gesehen, daß bei Zugrundelegung eines Rechtsanspruchs erhebliche Forderungen auf die Bundesrepublik zukommen würden, und wir sind bestrebt gewesen, nicht tragbare Folgerungen und Folgen, die den Haushalt und die Währung gefährden, zu vermeiden.
Aus der Annahme eines Rechtsanspruchs ergaben sich für uns nun aber unausweichliche Konsequenzen. Einmal ergab sich daraus die Einbeziehung der juristischen Personen, und zweitens mußten wir die Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen regeln, wie der Bundesgerichtshof das bezüglich der Requisition in den sogenannten Waldfällen in zwei Urteilen auch bereits ausgesprochen hat. Hier handelt es sich um die Fälle, in denen Holz gefällt und ausgeführt worden ist. Dabei ist grundsätzlich anerkannt worden, daß ein Anspruch auf Entschädigung nach enteignungsgleichen Grundsätzen bestehe.
Weil wir die Folgen sahen, hatten wir in dem Entwurf auf Drucksache 2964 der 3. Wahlperiode in § 20 Abs. 2 noch eine sogenannte Überwindungsklausel vorgesehen. Dieser Absatz lautete:
Ist der Schaden durch die wirtschaftliche Entwicklung ganz überwunden, so kann eine Entschädigung versagt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Bei nochmaligem Durchdenken kamen wir zu dem Ergebnis, daß diese Überwindungsklausel - so will ich sie einmal nennen - mit dem Gedanken des Rechtsanspruchs nicht zu vereinbaren ist. Ich bin aber gern bereit, das im Ausschuß noch einmal zu erörtern, weil auch ich nicht will, daß Leuten Entschädigungen zugute kommen, die sie nicht brauchen.
*) Siehe Anlage 2 Andererseits müssen aber auch, da vor dem Recht alle gleich sind, der Arme und der Reiche rechtlich gleichbehandelt werden. Das war ja eben, Herr Kollege Schmidt, die Konsequenz, die wir dadurch gezogen haben, daß wir diese Überwindungsklausel in unseren neuen Entwurf nicht mehr aufgenommen haben.
Immerhin glauben wir es aber bei einer enteignungsgleichen Entschädigung verantworten zu können - dazu wird Herr Kollege Wahl noch Näheres sagen -, daß in der Entschädigung eine Degression vorgesehen wird. Wir glauben, auch nicht gegen den Art. 14 des Grundgesetzes zu verstoßen, wenn wir die Endentschädigung, das Ende der Staffel, so legen, daß diese Entschädigung nach den in der Rechtsprechung und in der Rechtslehre erarbeiteten Grundsätzen noch als Enteignungsentschädigung angesprochen werden kann. Man ist der Meinung, daß das noch bei etwa 20 % der Fall sein kann. Deshalb eine weitere Änderung gegenüber unserem Entwurf auf Drucksache 2964 der 3. Wahlperiode, der ja die Staffel mit 1 % enden ließ. Ich wiederhole das aber, um klarzumachen, daß es uns nicht darauf ankam, daß die Initianten im Gegenteil der Meinung waren, daß diejenigen, die die Schäden tragen konnten, eine nicht so hohe Entschädigung brauchten wie diejenigen, die darauf angewiesen sind.
Nun möchte ich mich noch kurz zu dem Entschädigungsumfang des Gesetzes und seinen finanziellen Auswirkungen äußern. Ich darf dabei einleitend darauf hinweisen, daß meiner Ansicht nach keine Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete zu befürchten sind, wenn dieser Antrag auf Drucksache 1762 in seinen Grundgedanken Gesetz wird. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß das ja auch beim Besatzungsschädengesetz nicht der Fall war, das ein ähnliches Rechtsgebiet betraf und in dem volle Entschädigung gewährt worden ist, daß es ferner nicht der Fall war, als es um die Reichsbank-Liquidationsgläubiger ging. Auch diese Regelungen haben sich nicht auf andere Rechtsgebiete ausgewirkt. Das gleiche gilt für das Altsparergesetz.
Um den Haushalt nicht zu gefährden, haben wir aber weiter vorgesehen, daß die Entschädigungsleistungen, die nach unserem Gesetzentwurf fällig werden sollen, nicht alsbald auf den Haushalt zukommen. Wir sind der Meinung, daß die Kriegslasten nicht in vollem Umfang in der Generation getilgt werden müssen, die den Krieg selbst noch miterlebt hat, sondern daß man einen Teil dieser Lasten auch noch auf die nachfolgende Generation abwälzen kann und sollte.
Deshalb ist vorgesehen, daß die Entschädigungsleistung, soweit sie sich nicht in niedrigen Grenzen, bis zu 50 000 DM, hält - ich bitte, auch daraus wieder zu ersehen, daß wir auch auf die Vordringlichkeit dieser anderen Gebiete Rücksicht genommen haben -, erst nach Zahlung der Hauptentschädigung des Lastenausgleichs beginnen soll.
Die Zinszahlung soll zu einem späteren Zeitpunkt als nach dem Lastenausgleich beginnen, nämlich mit dem Tage, an dem die Bundesrepublik nach unserer
Dr. Weber ({3})
Auffassung die Entschädigung der hier in Frage kommenden Kreise übernommen hat. Das ist der 5. Mai 1955, als die Pariser Verträge in Kraft traten. Die erst von diesem Zeitpunkt an zu zahlenden Zinsen sollen nach und nach, in 15 Jahresraten, gezahlt werden.
({4})
Es wird gerade eine Begründung gegeben. Während einer Begründung können keine Zwischenfragen gestellt werden.
Meine Damen und Herren, was die finanziellen Auswirkungen angeht, um die man sich draußen viel Arbeit gemacht hat, um die Unmöglichkeit dieses Entwurfs darzustellen, so hatte Herr Kollege Ritzel die Freundlichkeit, sich mit diesem Entwurf in einem Aufsatz im SPD-Pressedienst vom 22. Januar unter der Überschrift „Ist dafür Geld da?" zu befassen. Er stellte da die Behauptung auf, daß
damit praktisch sechs bedeutende deutsche Unternehmen Entschädigungen erhalten, die zusammengerechnet die Milliardengrenze übersteigen, während die Auswirkungen im übrigen, nach den Auskünften des Bundesfinanzministers, 18 Milliarden DM kosten würden, also das Zehnfache dessen, was nach dem Regierungsentwurf aufgewendet werden soll.
Der Antrag geht sogar von der Auffassung aus, daß Großgeschädigte der Reparations- und Rückerstattungsbetroffenen einen besseren Rang verdienen als Kriegsopfer, NS-Verfolgte, Vertriebene usw.
Die Großgeschädigten sollen nach der aus dem Antrag ersichtlichen Auffassung von diesen Gruppen der Massenopfer des Zusammenbruchs des „Dritten Reichs" rangieren.
Meine Damen und Herren, Herr Ritzel hat anschließend geäußert, die Antragsteller hätten sich „mit der Problematik nicht oder nicht eingehend genug befaßt". Ich glaube, diesen Vorwurf muß ich ihm zurückgeben. Wir haben uns wohl etwas eingehender mit den Dingen befaßt, als es Herr Kollege Ritzel in diesen eigentlich nicht mehr in den Geist des Godesberger Programms hineinpassenden Äußerungen tut.
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- Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, daß ich eine etwas polemische Bemerkung gemacht habe. Sie ist mir so herausgerutscht. Ich will mich bemühen, sachlich zu bleiben.
({1})
- Das werde ich Ihnen beweisen, inwieweit ich sachkundig bin.
Ich will nur kurz darauf eingehen, welche Geschädigtengruppen erfaßt werden. Bei den Reparationsschäden sind es einmal die Demontagegeschädigten. Wir alle haben von ihnen in all diesen Jahren unendlich viele Zuschriften bekommen. Zuletzt haben viele von uns in einem Fall Zuschriften von Hans Reith aus Haslach, bekommen, in denen er uns seine bedrängte Lage schildert und mitteilt, daß er unmittelbar vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehe, wenn ihm nicht baldigst geholfen werde.
Herr Kollege von Vittinghoff-Schell hat mich auf ein Problem aufmerksam gemacht, das nach meiner Ansicht besondere Beachtung verdient, nämlich auf das Problem der sogenannten Traktatgeschädigten, das den Bundestag bisher in jeder Legislaturperiode beschäftigt hat. Es handelt sich dabei um gut tausend Bauern - fast ausschließlich kleine und mittlere Bauern - an der niederländischen Grenze, denen nach der Neuziehung der Grenze nach dem Wiener Kongreß in internationalen Verträgen die ungehinderte Nutzung ihrer Grundstücke jenseits der neuen Grenze garantiert worden war. Jahrelang haben diese Leute auf die Rückgabe ihrer Grundstücke gehofft. Mit dem Inkrafttreten des deutschniederländischen Vertrages vom 1. August 1963 sind diese Hoffnungen endgültig gegenstandslos geworden. Die Menschen, die an einer Grenze wohnen, die man früher als die friedlichste Grenze Europas bezeichnet hat, sind in ihrem Rechtsgefühl zutiefst verletzt. Viele von ihnen sehen ihre früheren Grundstücke jeden Tag vom Fenster aus. Es wäre ihnen einfach nicht begreiflich zu machen, daß sie ihren Grund und Boden zu Reparationszwecken haben hergeben müssen, ohne dafür eine angemessene Entschädigung zu erhalten.
Ich habe schon darauf hingewiesen, welche Verluste sowohl die Privatwirtschaft wie auch Gemeinden und Verbände durch die Holzabtriebe in den ersten Jahren der Besatzung erlitten haben. Eine polemische Bemerkung kann ich nun in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den § 49 des Regierungsentwurfs nicht unterdrücken, wo nach meiner Meinung eine Ungeheuerlichkeit zur Forderung erhoben wird, daß rechtskräftige Titel, in denen das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen, der Bundesgerichtshof, eine enteignungsgleiche Entschädigung für diese Schäden anerkannt hat, nunmehr vom Gesetzgeber beiseite geschoben werden sollen bzw. nach den Grundsätzen des Entwurfs geregelt werden sollen. Ich halte das für unmöglich und mit der Rechtsstaatlichkeit einfach nicht für vereinbar. Dasselbe gilt in diesem Zusammenhang für die weitere Einbeziehung der sogenannten Zerstörungsschäden, die in dem Vorbehalt des § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes nicht vorgesehen waren und die inzwischen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als nach dem Besatzungsabgeltungsgesetz zu entschädigende Ansprüche anerkannt worden sind. Auch diese Rechtsprechung will man hier offenbar bekämpfen oder beseitigen.
Meine Damen und Herren, auf dem Gebiete der Rückerstattung habe ich - und wahrscheinlich auch jeder von Ihnen - ganze Stöße von Briefen. Wie gesagt, die Dinge liegen uns jetzt etwas ferner; in den Jahren 1952/53 brannten sie uns noch mehr auf den Nägeln. Damals hat Herr Kollege Wagner ({2}) im Rechtsausschuß bei der Beratung dieses
Dr. Weber ({3})
von mir soeben behandelten Antrages eine Reihe von Fällen vorgetragen, insbesondere auch den eines ihm bekannten ganz einfachen Arbeiters, der seinem jüdischen Bekannten helfen wollte, ihm sein Grundstück abkaufte, dafür sein eigenes Häuschen, das er sich mühsam erspart hatte, einsetzte, um den Auswandernden voll und ganz in bar ausbezahlen zu können und dieses im Jahre 1938 erworbene jüdische Anwesen zurückgeben mußte und damit auch sein eigenes Haus los war. Der Fälle sind unendlich viele. Deren gibt es insbesondere viele auf den Truppenübungsplätzen und Flugplätzen und bei der Anlegung der Autobahnen.
Meine Damen und Herren, die älteren Kollegen werden sch noch an den Fall Schulte-Beckmann erinnern, der uns in Petitionen mehrfach beschäftigt hat. Wir haben ja damals viele Eingaben von dieser Seite bekommen. Es handelt sich hier nicht darum, daß eine „Bundeshilfe für Ariseure" gegeben wird. Unser Antrag bezieht sich lediglich auf die loyalen Rückerstatter, auf diejenigen, die in einer dem Verfolgten günstigen Absicht gehandelt haben. Wenn wir mit diesem Anspruch hinter die Verfolgten zurücktreten, dann, glaube ich, tragen wir auch den Interessen der Verfolgten - das ist mir ein besonderes Anliegen - entsprechend Rechnung. Das kann nicht bemängelt werden.
Was nun die finanziellen Auswirkungen angeht, so bin ich allerdings anderer Meinung als der Herr Bundesfinanzminister. Ich möchte Ihnen klarmachen, daß wir die Dinge sehr genau untersucht haben, und deshalb muß ich Ihnen dazu nun einige Zahlen angeben, damit Sie später 'im Protokoll auch lesen können, wie hoch die Schadenssumme ist. Ich habe die Schadensgruppen in „natürliche Personen", „juristische Personen" und „Reichs- und Bundesbetriebe" aufgeteilt. Die letzteren sollen ja nach unserem Entwurf keine Entschädigung erhalten. Da ergibt sich nun für die verschiedensten Schadensgruppen folgendes.
naturliche Personen juristische Personen Reichsbetriebe
in Millionen DM
1. Reparations- und Restitutionsschäden im Bundesgebiet 787 2 145 730
2. Schäden in West-Berlin 150 600 50
3. Holz- und sonstige Zwangsexporte 200 200
4. Reparationsschäden im westlichen Ausland ohne Auslandsschäden in den Staaten des Ostblocks 1 700 3 705 1 775
5. Zerstörungsschäden - - ({4})
6. Geistiges Eigentum 20 80
7. Rückerstattungsschäden 620 380
Insgesamt ergibt sich eine Schadenssumme von 13,142 Milliarden DM.
Da nach dem Initiativgesetzentwurf Schäden des Reiches und des Bundes nicht entschädigungsfähig sind, kommen die 2,755 Milliarden DM in Abzug, so daß ein entschädigungsfähiger Schadensbetrag von insgesamt 10,387 Milliarden DM verbleibt.
Der Entschädigungsaufwand: Das Bundesfinanzministerium schätzt diesen Betrag bei einem Schadensvolumen von 18 Milliarden DM auf über 8 Milliarden DM. Wir legen in etwa denselben Durchschnittsentschädigungssatz von 40% zugrunde, kommen dann aber auf 4,1 Milliarden DM Gesamtentschädigungssumme.
Dazu treten die Zinsen. Die Zinsen vom 5. Mai 1955 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1965 belaufen sich bei einem Zinssatz von 4 % auf rund 40% - zehn Jahre mal 4 % - der Schadenssumme von 4,1 Milliarden DM, also auf 1,640 Milliarden DM.
Die Abwicklung der Barentschädigungsfälle von etwa 800 Millionen DM - nach unserem Entwurf sollen die Schäden bis 50 000 DM alsbald abgewikkelt werden - dürfte etwa sieben Jahre dauern. Rechnet man dementsprechend eine Verzinsung des Gesamtbetrages für 3 1/2 Jahre, so ergibt sich ein Zinsaufwand von rund 110 Millionen DM. Bei den Schuldverschreibungsfällen von 3,300 Milliarden DM ergibt sich für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis zum Tilgungsbeginn am 1. Januar 1972 eine Zinslast von 28 %. Dazu tritt nach Tilgungsbeginn eine Zinslast für weitere durchschnittlich 7 1/2 Jahre, also von annähernd 30%. Die Zinsbelastung für die Entschädigungsfälle, die durch Schuldverschreibungen abzugelten sind, beträgt mithin 58 % der Schadenssumme von 3,300 Milliarden DM, das sind 1,910 Milliarden DM.
Der Gesamtzinsaufwand ist nach allem mit rund 3,550 Milliarden DM anzusetzen.
Das Ergebnis: Der Entschädigungsaufwand, der nach dem Initiativgesetz erforderlich wäre, beläuft sich mithin einschließlich Zinsen auf 7,650 Milliarden DM. Der Initiativgesetzentwurf berücksichtigt lediglich die echten Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden. Im Regierungsentwurf sind dagegen noch eine Reihe weiterer Schadenstatbestände erfaßt, die mit Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden nach unserer Auffassung nichts zu tun haben und daher anderweitig zu regeln sind. Für die Abgeltung dieser Schäden nach der Regierungsvorlage dürfte nach unserer Schätzung ein Betrag von 780 Millionen DM in Frage kommen.
Die jährliche Haushaltsbelastung - diese interessiert uns ja vor allem - vom 1. 1. 1965 - dieses Datum haben wir mal als Tag des Inkrafttretens ins Auge gefaßt - bis zum 31. 12. 1971 - vom 1. 1. 1972 ab soll ja auch die Entschädigung der größeren Schäden beginnen - ist die folgende:
Dr. Weber ({5})
In diesem Zeitraum ist die Barentschädigung in Höhe von 800 Mio DM
sowie die Verzinsung dieses Betrages für den gleichen Zeitraum ({6}) mit 110 Mio DM
auszuzahlen. Hinzu kommen die Zinsen des Barentschädigungsbetrages für die Zeit bis zum Inkrafttreten
des Gesetzes ({7}) mit 320 Mio DM.
Die Verzinsung für die Schuldverschreibungsfälle beläuft sich während dieses Zeitraums auf ({8}) 910 Mio DM
2 140 Mio DM.
Der jährliche Gesamtaufwand wird sich für die Zeit vom 1. 1. 1965 bis zum 31. 12. 1971 mithin im Durchschnitt auf ein Siebentel dieser
Summe, also auf rd. 300 Mio DM
belaufen.
Vom 1. 1. 1972 bis zum 31. 12. 1986, der Laufzeit für die Entschädigung der größeren Schäden, gilt folgendes:
In diesem Zeitraum sind die Schuldverschreibungsfälle in Höhe von 3 300 Mio DM
sowie die Verzinsung dieses Betrages für den gleichen Zeitraum ({9}) in Höhe von 975 Mio DM
abzugelten. Hinzu kommen die bis
zum Inkrafttreten des Gesetzes aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 40% des Entschädigungsbetrages von
3300 Mio DM, also 1 320 Mio DM
Summe 5 595 Mio DM.
Der jährliche Gesamtaufwand wird sich für die Zeit vom 1. 1. 1972 bis zum 31. 12. 1986 mithin im Durchschnitt auf ein Fünfzehntel dieser Summe, also auf rd. 370 Mio DM
belaufen.
Wir sind der Meinung, daß eine Belastung von 300 Millionen DM in den ersten 7 Jahren und eine Belastung von 370 Millionen DM in den Jahren bis 1986 in jedem Jahr im Bundeshaushalt ohne Gefährdung desselben und ohne Gefährdung der Währung verkraftet werden kann.
Nun noch ein Wort dazu, daß die sogenannten Großkapitalisten entschädigt werden sollen. Nach einer mir vorliegenden Aufstellung des Bundesfinanzministeriums sind die Fälle, die bis zu 50 000 DM gehen, auf rund 87% zu beziffern. Ich möchte Sie nicht mit Einzelheiten behelligen, sondern nur die Gesamtergebnisse mitteilen. Es sind genau 86,93% aller Fälle. Die Fälle, die von 50 000 DM bis zu 100 000 DM gehen, machen 5 % aus. Die Gesamtzahl der Fälle mit Ansprüchen bis 100 000 DM macht also 92% aller Fälle aus, und diese sollen nach unserem Entwurf besonders, zum Teil in voller Höhe, zum Teil in einer ersten Degressionsstufe, befriedigt werden. Insgesamt machen diese Ansprüche rund 770 Millionen DM von der Gesamtentschädigungssumme von rund 4,1 Milliarden DM aus, also stark ein Fünftel der Gesamtaufwendungen. Ich möchte das nur deswegen sagen, weil doch in erster Linie diesen Kreisen geholfen werden soll; das ist Zweck und Sinn unseres Antrags. Ich habe mit keinem „Kapitalisten", mit keiner großen Firma auch nur Fühlung aufgenommen. Ich weiß nicht, wer hier gemeint ist. Ich bin von keiner Seite, von keinen Verbänden veranlaßt worden. Ich handele in dieser Sache seit Jahren aus eigengefühlter Verantwortung
({10})
und möchte deshalb den Vorwurf, das Ziel des Antrages sei, daß etwas Besonderes für die Großkapitalisten geschehen solle, entschieden zurückweisen.
Meine Damen und Herren, nun wird es sich darum handeln, an welchen Ausschuß die Sache überwiesen werden soll. Ich habe mit einer Reihe von Freunden auf Drucksache IV/1954 einen Antrag folgenden Inhalts eingebracht:
1. Gemäß § 62 der Geschäftsordnung wird ein besonderer Ausschuß „Sonderausschuß Reparationsschäden" für die Beratung der in § 3 des Kriegsfolgengesetzes vorbehaltenen Gesetze und der mit der Liquidation des Krieges zusammenhängenden Fragen eingesetzt.
2. Der Ausschuß besteht aus 15 Mitgliedern.
Wir standen schon einmal vor einer ähnlichen Lage wie heute, zweimal eigentlich. Ursprünglich waren auch die Wiedergutmachungsansprüche insgesamt im Rechtsausschuß behandelt worden. Als man nun aber an die Schaffung des neuen Entschädigungsgesetzes heranging, sah man ein, daß es nicht angängig sei, den Rechtsausschuß damit zu befassen, sondern daß hier ein Sonderausschuß zu bilden sei. Er wurde zwar nicht Sonderausschuß genannt, sondern wurde ein regulärer Ausschuß des Hauses, der Ausschuß für Wiedergutmachung. Das zweite Mal war das der Fall, als das Besatzungsschädenabgeltungsgesetz eingebracht wurde. Damals hat man auch einen besonderen Ausschuß eingesetzt, den Besatzungsschädenausschuß. Dieser Ausschuß hat so gut gearbeitet, daß es gelang, innerhalb dieses Ausschusses die gesamten entgegenstehenden Interessen völlig auszugleichen, so daß wir das seltene Schauspiel erlebten, daß ein Gesetz von solcher Bedeutung wie dieses Gesetz, das, wie gesagt, durchweg eine Entschädigung von 100 % vorsah, in zweiter und dritter Lesung ohne Aussprache verabschiedet worden ist.
Ich möchte auch meinerseits wünschen, daß diese beiden Gesetzentwürfe hier in einer sachlichen ruhigen Atmosphäre behandelt würden. Wie ich nun höre, beabsichtigt - ({11})
- Moment, Herr Kollege.
({12})
Dr. Weber ({13})
- Ich beabsichtige, keinerlei Polemik damit zu verbinden.
({14})
- Das müssen Sie schon mir überlassen,
({15})
was ich zu sagen für notwendig erachte, und das werde ich auch tun.
Wie ich höre, besteht die Absicht, die Gesetzentwürfe, auch den Initiativantrag auf Drucksache IV/1762, an den Ausschuß für Lastenausgleich - federführend - zu überweisen. In dem Antrag sind keinerlei Probleme des Lastenausgleichs angesprochen.
({16})
- In dem Antrag in Drucksache 1762 sind keine derartigen Probleme angesprochen.
({17})
Das möchte ich ausdrücklich betonen. Prüfen Sie den Antrag darauf. Sie werden mir nicht das Gegenteil beweisen können. Ich würde die Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich als einen großen Fehler ansehen, weil damit, ohne daß die Dinge eingehend geprüft worden sind, präjudiziert wird, daß aller Voraussicht nach diese gesamten Ansprüche nach den Grundsätzen des Lastenausgleichs geprüft werden.
({18})
- Herr Kollege Jahn, es kommt entscheidend auf den federführenden Ausschuß an! Deswegen ist hier doch immer der Streit um die Federführung.
Deshalb möchte ich in erster Linie bitten, diesen Gesetzentwurf dem von mir beantragten Sonderausschuß zu überweisen. Wenn das nicht geschehen sollte, beantrage ich hilfsweise, den Antrag federführend dem Ausschuß zu überweisen, der auch bisher diese Probleme bearbeitet hat, an den wir ja auch noch letzthin den Antrag auf Drucksache IV/687 verwiesen haben, nämlich an den Wirtschaftsausschuß als Nachfolgeausschuß des Ausschusses Geld und Kredit, der seinerzeit das allgemeine Kriegsfolgengesetz federführend behandelt hat. Das ist der Eventualantrag. Ich beantrage außerdem, mitberatend den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Ritzel hat am Schluß seines Aufsatzes, den ich eben erwähnt habe, folgendes geschrieben:
An der Behandlung dieses Antrags, hinter dem im übrigen schon jetzt 115 Bundestagsabgeordnete stehen, wird sich zeigen müssen, welche Gesinnung im Bundestag wirklich die Oberhand hat.
({19})
Ich ergänze das dahin: Es wird sich zeigen müssen, ob das Schlagwort regiert oder ob man bereit ist, in ruhiger und sachlicher Weise ernsthaft die aufgeworfenen schwierigen Fragen zu beraten und zu
einer rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Lösung zu kommen.
({20})
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte die nachfolgenden Redner ausdrücklich um Entschuldigung, daß ich mich zwischendurch melde. Aber ich glaube, es hat auch den Vorteil, daß die Dinge mehr zusammengebaut und zusammen gesehen werden, wenn ich einige wenige Bemerkungen zu einzelnen Ausführungen des Herrn Kollegen Weber mache.
Ich danke Herrn Kollegen Weber ganz außerordentlich dafür, daß er immer wieder betont hat, er wolle eine Diskussion ohne Polemik, eine rein sachliche, ruhige Diskussion. Ich bin selbstverständlich sehe beglückt darüber, daß das so sein soll. Ich muß allerdings sagen, daß der letzte Satz, Herr Kollege Weber, in dem Sie sagten, daß Sie eine Lösung auf rechtsstaatlicher Grundlage anstreben, dann nicht so ausgelegt werden darf, daß die Lastenausgleichskonzeption die Grundsätze des Rechtsstaates verletzen soll. Das darf nicht herausgelesen werden. Denn hier sind verschiedene Rechtsauffassungen - auch bei den Gerichten -, und wir sollten es doch vermeiden, einem Kollegen, der eine andere Rechtsmeinung hat, vorzuwerfen, er stehe nicht auf dem Boden des Rechtsstaates. So geht es nicht.
({0})
Ich möchte folgendes erklären, obwohl ich dazu gar keine Veranlassung habe; denn ich habe weder - soweit ich mich daran erinnere - jemals darüber in irgendeiner Fachzeitschrift ein Wort geschrieben, noch habe ich seit 1957 zu diesem Problem im Bundestag eine Rede gehalten, so daß mir ein Protokoll unter die Nase gehalten werden könnte. Ich sehe trotzdem nicht an, Ihnen zu sagen, daß ich bis vor gar nicht allzu langer Zeit auch der Auffassung des Herrn Kollegen Weber bei der Beurteilung der Frage „Rechtsanspruch oder nicht" gewesen bin. Ich habe mich dann zwangsläufig im Laufe des letzten Jahres mit diesem Problem befassen müssen - ich habe die ganzen Gutachten und die ganzen Akten studiert -, und ich bin zu einer anderen Überzeugung gekommen. Warum sollte ich Ihnen das nicht sagen?
Herr Kollege Weber hat lange Berechnungen über das Volumen vorgetragen. Ich glaube, daß es hier gar nicht nötig ist, auch gar nicht möglich ist, nun zu untersuchen, ob es 18 Milliarden, 13 Milliarden oder 7 Milliarden sind, wie es einzelne Verbände nachweisen wollen. - Dabei möchte ich hier auch einmal sagen: die wesentlichen drei Verbände auf diesem Gebiet haben sehr fair und sehr korrekt verhandelt und haben sehr wertvolles und auch sehr interessantes Material zur Prüfung der Dinge beigesteuert. Meinetwegen sagen wir nur 7 Mil5318
liarden. Aber ich bin der Meinung, daß auch 7 Milliarden für diese Dinge nicht tragbar sind.
Herr Kollege Weber möchte den Ausweg gehen, spätere Haushalte bis 1986 hin zu belasten. Wer weiß, wer dann in diesem Raume die Verantwortung trägt. Aber wir haben sie heute, auch für die Zukunft, und ich habe eben in meinen Ausführungen anklingen lassen, welche gewaltige Aufgaben in den nächsten zehn, zwanzig Jahren auf uns zukommen. Deshalb ist es nicht möglich, spätere Haushaltsjahre, und seien sie noch so fern, so zu belasten.
Folgendes ist weiterhin vielleicht ganz interessant. Herr Kollege Weber sagte, „im bescheidenen Rahmen" sei § 85 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ausgenutzt worden. Im Rahmen der wirtschaftsfördernden Maßnahmen nach § 85 AKG haben wir 198 Anträge mit einer Gesamtsumme von 166 Millionen bearbeitet. Genehmigt worden sind 102 Anträge mit einem Gesamtbetrag von 54 Millionen DM. Über 14 Anträge mit einer Summe von 16 Millionen DM ist noch nicht entschieden. 57 Anträge mit einem Betrag von 44 Millionen DM sind abgelehnt worden. Den Härteausgleich, den § 85 AKG enthält, kann man also nicht als bescheiden bezeichnen. Im übrigen hätte man - es handelt sich in diesen Fällen z. B. um Unternehmungen, die an dem Wirtschaftsaufschwung nicht teilgenommen haben, auch um Familiengesellschaften, denen mit billigen Darlehen geholfen werden konnte - mehr solcher Anträge stellen können. Der Regierungsentwurf sieht im übrigen vor, daß die Masse - es ist sehr wichtig, Herr Kollege Weber, daß Sie das sagten: nach den Berechnungen des Finanzministeriums sind 85 % der Fälle kleinere Schäden, unter 50 000 DM({1})
- Schön, aber der Regierungsentwurf will ja den kleinen Geschädigten bis zu 100 % helfen. Ich habe Ihnen ,das ja vortragen 'dürfen.
Nun hat sich Herr Kollege Weber verschiedene Male auf Urteile des Bundesgerichtshofs bezogen, durch die eine Entschädigung als Rechtsanspruch gewährt worden ist. Dazu muß man aber auch sagen, daß in diesen Fällen - es dreht sich hauptsächlich um Fälle von Holzeinschlag im Südwestraum - bei der Schädigung deutsche Behörden eigenverantwortlich mitgewirkt haben. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen - meiner Ansicht nach richtigerweise - zugesprochen. In. den anderen Fällen ist davon nicht die Rede; da ist die Schädigung ohne Mitwirkung deutscher Stellen entstanden.
Herr Kollege Weber hat sich auf die entsprechende Vorschrift des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes mit dem Klagestopp bezogen und hat dann im weiteren Verlauf seiner Ausführungen zum Ausdruck gebracht, wir, das Bundesfinanzministerium, hätten dafür gesorgt, daß die Sachen nicht zu Ende gekommen seien. Herr Kollege Weber, das war anders. Wir haben uns z. B. in dem einen Fall, der bis zum Bundesgerichtshof hochgetrieben wurde, auf
Bitten der Gegenseite sofort mit der Sprungrevision einverstanden erklärt. Aber ich kann nichts dafür, daß der Kläger 24 Stunden vor dem Termin vor dem Bundesgerichtshof die Klage zurückgezogen hat.
({2})
Auch die Zurückziehung der Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht ist nicht vom Bundesministerium der Finanzen veranlaßt worden, sondern von anderer Seite.
Dann haben Sie sehr scharf - wenn es so wäre, mit vollem Recht - auch den § 49 des Entwurfs angegriffen. Dazu muß ich auf die Begründung auf Seite 59 der Regierungsvorlage verweisen. Es dreht sich hier um Feststellungsurteile. Ich muß zur Klarstellung - das hat nichts mit Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze zu tun - in dem Gesetz feststellen, daß die Feststellungsurteile, die ergangen sind - wegen des Klagestopps ist es nicht weiter gegangen; es steht ausdrücklich im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz, daß ein späteres Gesetz, nämlich dieses, die Dinge regelt -, durch das Gesetz überholt sind. Es handelt sich nicht etwa um die Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils durch das geplante Gesetz. Ich verweise also ausdrücklich auf Seite 59 der Begründung.
({3})
- Bitte schön, selbstverständlich.
Zwischenfrage!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß diese Urteile aussprechen, die Feststellung sei deshalb zulässig, weil die unterste Grenze für die Entschädigung durch Art. 14 der Verfassung festliege, und daß damit die Entschädigungssätze, die Sie jetzt vorsehen, nicht in Frage gekommen sind?
Herr Kollege Weber, wenn es sich um die Beispiele handelt, von denen ich gesprochen habe, wo deutsche Behörden an der Schädigung eigenverantwortlich mitgewirkt haben, ist das selbstverständlich richtig.
Ich darf zum Schluß noch folgendes sagen. Ich bin der Meinung, daß kein Sonderausschuß gebildet,
({0})
sondern daß diese Sache an den Lastenausgleichsausschuß überwiesen werden sollte. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß diese Vorlage sowohl auf den Lastenausgleich wie überhaupt auf die ganze Kriegsfolgen-Schlußgesetzgebung große Auswirkungen hat. Da diese Gesetze jetzt vor dem Abschluß stehen, sollte nach meiner Meinung mit diesen Vorlagen der Ausschuß befaßt werden, der die umfassendsten Erfahrungen auf dem weitverzweigten und schwierigen Gebiet aller dieser Schäden, der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden, gesammelt hat und der die Verknüpfung dieser Rechtsgebiete untereinander kennt. Ich glaube also, daß von der Materie her der Lastenausgleichsausschuß der AusBundesminister Dr. Dahlgrün
schuß ist, dem die Sache -überwiesen werden sollte. Ich stehe gar nicht an, hier zu sagen: Ich persönlich bin nur aus der Sache heraus dafür. Ich möchte nicht, daß daraus irgendwie auf eine präjudizierende Wirkung geschlossen wird. Auch der Lastenausgleichsausschuß muß sachlich und gerecht, sine ira et studio und ohne Rücksicht auf irgendwelche Interessenten die Dinge prüfen. Ich glaube, wir sollten Vertrauen haben. Außerdem kommen sicherlich noch Anträge auf Überweisung der Vorlagen an mitberatende Ausschüsse, ich glaube, an den Wirtschaftsausschuß. Der Ältestenrat, der den Lastenausgleichsausschuß federführend vorgesehen hat, ist auf dem richtigen Wege gewesen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, zu dem Regierungsentwurf und dem Initiativentwurf im Namen der CDU/CSU Stellung zu nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Einbringung des Regierungsentwurfs als einen weiteren Schritt zur Liquidierung des zweiten Weltkriegs und seiner Folgen. Gewiß mag man bedauern, daß diese Regelung so lange auf sich hat warten lassen. Man wird aber nicht verkennen können, daß diese Verzögerung teilweise durchaus auch im Einvernehmen mit den Betroffenen erfolgt ist und wegen der schwebenden Verhandlungen über die Rückgabe der Auslandsvermögen auch in ihrem Interesse gelegen hat. Man wird ferner anerkennen müssen - das hat Herr Kollege Dr. Weber ja auch getan -, daß es bei dem Ausmaß der Kriegsschäden und bei unserer allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Situation in jenen Jahren schlechterdings unmöglich gewesen wäre, alle Schäden sofort und gleichzeitig zu regeln.
Vor diesem Hintergrund taucht noch einmal die Zahl auf, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat, jene 290 Milliarden DM, die seit der Währungsreform vom Bund, von den Ländern, den Gemeinden und dem Lastenausgleichsfonds für die Liquidation der Kriegsschäden, der Schäden, die durch das NS- Regime ausgelöst worden sind, aufgebracht und gezahlt worden sind, und es taucht noch einmal auf, daß zeitweise über 50 % des gesamten öffentlichen Finanzbedarfs für diese Zwecke ausgegeben werden mußten.
Der Regierungsentwurf, das hat der Herr Finanzminister deutlich gemacht, bewegt sich, und zwar ganz bewußt, etwa in dem Rahmen und verfährt nach den Grundsätzen, nach denen auch andere Kriegsschäden geregelt und entschädigt worden sind. Er geht also im wesentlichen von den Bestimmungen des Lastenausgleichsrechts aus. Nun, ich halte es für sehr verständlich, daß die Betroffenen damit nicht ohne weiteres einverstanden sind. Auch die Lastenausgleichsgeschädigten, auch die Kriegssachgeschädigten waren keineswegs begeistert oder gar einverstanden mit dem, was man ihnen unter der Überschrift eines Ausgleichs, einer ausgleichenden Gerechtigkeit anbot. Ich halte es für verständlich, daß sich auch die Geschädigten, um die es hier geht, zur Wehr setzen und alle Hebel in Bewegung setzen, um dem Parlament deutlich zu machen, daß das, was hier vorgesehen ist, den Namen Ausgleich oder Entschädigung nicht verdiene. Ich habe für diesen Standpunkt Verständnis.
Ich habe auch Verständnis für die Initiatoren, die dieser Meinung Ausdruck verliehen haben, indem sie den uns nun vorliegenden eigenen Gesetzesentwurf eingebracht haben. Wir werden uns allerdings mit diesem Entwurf sehr gründlich zu beschäftigen haben. Geht er doch nicht nur sachlich, sondern vor allen Dingen finanziell sehr viel weiter, um ein Vielfaches weiter als die Regelungen, die wir für Kriegsschäden auf anderen Gebieten zu treffen in der Lage waren. Der Initiativgesetzentwurf geht von der Auffassung aus, daß es sich hier nicht um normale Kriegs- und Kriegsfolgeschäden, sonder um etwas ganz anderes handele, nämlich um einen Rechtsanspruch, der nach den Enteignungsgrundsätzen etwa auf der Basis des Art. 14 des Grundgesetzes entschädigt werden müsse. Es ist gar kein Zweifel, daß man, wenn man sich zu dieser Auffassung bekennt und sie als Ausgangspunkt nimmt, zwingend, ob man es will oder nicht, zu völlig anderen finanziellen Größenordnungen kommen muß. Ich bedauere ein wenig die von mir jedenfalls als etwas polemisch empfundene Kritik, Herr Kollege Weber, die Sie äußerten, als ich Ihnen auf Ihre Erklärung, Sie wollten keineswegs die finanzielle Ordnung der Bundesrepublik erschüttern, sagte: Sie wollen das natürlich nicht, aber Sie tun es letzten Endes, weil Sie, wenn Sie vom Enteignungsrecht ausgehen, zwingend zu gewissen Konsequenzen kommen, die mit dem Volumen Ihres Antrages noch längst nicht ausgeschöpft sein werden, wie ich mich gleich bemühen werde darzutun.
Nun, wie immer man das Problem auch sehen mag: Nicht strittig ist in diesem Hause, nicht strittig ist zwischen Regierung und Parlament, daß auch diese Schäden eine im Rahmen des Möglichen gerechte Entschädigung finden müssen und finden sollen. Strittig ist also lediglich die Frage: Wieviel können wir in Anbetracht aller anderen Verpflichtungen für diese Geschädigtengruppe ausgeben und verantworten? Strittig ist also lediglich Art und Umfang der Regelung, nicht die Notwendigkeit der Entschädigung als solcher.
Bei der weitreichenden Bedeutung dieser Frage aber wird eine sehr gründliche, eine sehr sorgfältige Prüfung aller Zusammenhänge notwendig sein; denn hier wird ganz deutlich von den Grundsätzen abgewichen, die bisher bei der Regelung von Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden gegolten haben. Es ist völlig klar, daß das weitreichende Folgen haben muß, Folgen, die sich, dessen bin ich sicher, dann nicht auf den eigentlichen Bereich dessen, was hier zu regeln ist, beschränken lassen. Es wird Auswirkungen politischer und sozialer Natur geben. Die Besserstellung einer Gruppe, die zumindest nach außen sichtbar unter gleichen Voraussetzungen, unter gleichen Kriegsfolgen steht, wird selbstverständlich alle anderen Gruppen auf den Plan rufen
und sie veranlassen, das gleiche auch für sich zu fordern.
({0})
Ich bin gern bereit, mich über die Zahlen auseinanderzusetzen. Der Herr Finanzminister hat aber auch schon gesagt, daß dies eine ziemlich fruchtlose Angelegenheit ist. Ich stelle jedenfalls fest, daß auf wesentlichen Bereichen der Kriegsfolgenschadensregelung das Finanzministerium erheblich zu tief gegriffen hat. Denken wir nur an das Bundesentschädigungsgesetz und das Bundesrückerstattungsgesetz, bei denen die Zahlen zu tief gegriffen worden sind. Herr Kollege Weber, ich möchte Sie jedenfalls nicht fragen, ob Sie bereit wären, eine persönliche Bürgschaft für den überschießenden Teil Ihrer Berechnung zu übernehmen. Es wäre allerdings für den Bund auch ziemlich uninteressant, glaube ich.
({1})
Nun, gehen wir davon aus, daß das Finanzministerium die Zahlen wie bisher nicht geschätzt, nicht gegriffen, sondern berechnet hat. Dann haben wir schon unmittelbar ein zehnfaches Volumen dessen, was der Regierungsentwurf vorsieht. Die mittelbaren Auswirkungen sind völlig unübersehbar. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich mit guten Gründen geweigert, hier auch nur Größenordnungen zu nennen.
Von welchen Überlegungen gingen also die Initiatoren aus, um eine völlig andere Entschädigung zu rechtfertigen? Herr Kollege Professor Wahl wird dazu im einzelnen noch Stellung nehmen. Nach den Gesprächen auch in unserer Fraktion und mit den Verbänden werden in erster Linie zwei Grundsätze genannt, und zwar zunächst der Grundsatz der Aufopferung. Man geht davon aus, daß hier eine Gruppe, und zwar nur diese, im Interesse des Staates ein besonderes, über das der anderen hinausgehendes Opfer gebracht habe. Ich stelle die Frage: Ist dieses Opfer - das ich nicht verkleinern möchte - wirklich größer als z. B. das Opfer des Spätheimkehrers, der jahrelang Sklavenarbeit in Sibirien geleistet hat,
({2})
der nicht nur wertvolle Jahre verloren, sondern vielleicht auch seine Arbeitskraft und Gesundheit eingebüßt hat? Wer will diesem Spätheimkehrer klarmachen, daß seine Aufopferung im Interesse des Ganzen geringwertiger sei und eine geringere Entschädigung verdiene?
({3})
Wer will einem Vertriebenen klarmachen, daß seine Aufopferung, die nicht nur in dem Verlust seines materiellen Besitzes, sondern auch gleichzeitig in dem unersetzlichen Verlust seiner Heimat besteht, geringwertiger sei und deswegen nur einen Bruchteil der Entschädigung jener anderen Gruppe rechtfertige? Ich beneide Sie, Herr Kollege Weber, nicht um diese Aufgabe, den Betroffenen das klarzumachen.
({4})
Und wer will klarmachen, daß das Opfer zum Beispiel des Sowjetzonenflüchtlings geringwertiger sei als das der heutigen Aktionäre der ehemaligen IG- Farben-AG?
({5})
Von dieser Seite her hat man bereits geltend gemacht, daß man gegen jede Degression verfassungsrechtliche Bedenken habe und entsprechende verfassungsgerichtliche Schritte unternehmen werde. Selbst wenn wir also diese sehr weitgehende Regelung hier verabschieden, riskieren wir nicht nur, nein, es ist uns bereits angekündigt, und zwar auf der letzten Hauptversammlung der IG-Farben i. L., daß man beabsichtige - übrigens mit vollem Recht, denn wenn man den Rechtsanspruch dem Grunde nach bejaht, kann man ihn doch nicht nachher im Umfang begrenzen -, gegen jede Degression vorzugehen.
Die weitere Grundlage für eine völlig andersartige Regelung ist der Anspruch auf Grund des Art. 5 des Überleitungsvertrages. Hier wird mit Recht geltend gemacht, daß sich die Bundesregierung gegenüber den Alliierten verpflichtet habe, die Eigentümer der beschlagnahmten Werte zu entschädigen. Es besteht kein Zweifel darüber - gerade aus diesem Grunde hat die Regierung die Vorlage eingebracht -, daß sie beabsichtigt, dieser Verpflichtung nachzukommen. Aber es ist nicht zu bestreiten, daß der Umfang der Entschädigung dadurch keineswegs präjudiziert ist, daß also auch der Regierungsentwurf diese Verpflichtung erfüllen würde, und daß den Alliierten im übrigen wohlbekannt war, daß die Bundesregierung gar nichts anderes und gar nicht mehr beabsichtigte und beabsichtigen konnte, als eine Lastenausgleichsregelung vorzusehen.
({6})
Aber lassen wir die Rechtsfragen beiseite! Sie werden ohnehin noch eine große Rolle spielen. Lassen wir sie beiseite, weil sie im Grunde unfruchtbar sind! Wir haben Gutachten pro und contra. Wir haben Bundesverfassungsgerichts- und Bundesgerichtsurteile, aus denen der eine dies und der andere genau das Gegenteil entnimmt. Ich glaube, das führt uns hier nicht weiter. Das mag nachher in den Ausschüssen noch gründlicher untersucht werden.
Viel gravierender ist das Präjudiz für alle anderen Bereiche der Kriegsfolgengesetzgebung. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber vom Finanzminister ist schon gesagt worden: Die Forderungen sind bereits angemeldet. Die Interessentenverbände, die Gruppen haben ihre Forderungen unüberhörbar angemeldet. Und wer von Ihnen hätte denn den Mut, wer von Ihnen hätte das Recht, Heimatvertriebenen oder Ausgebombten oder Zwangsarbeitern in Sibirien oder NS-Geschädigten oder Zonenflüchtlingen und vielen anderen mehr das zu verweigern, was er hier einer Gruppe - und sicher nicht gerade der schwächsten - zuzugestehen bereit ist?
({7})
Am Rande möchte ich noch vermerken, daß die Reparationsschäden des ersten Weltkrieges 1914/18 im Kriegsschadenschlußgesetz des Jahres 1928 ebenfalls degressiv, also nach Lastenausgleichsgrundsätzen geregelt worden sind, ohne daß es einer höchstrichterlichen Rechtsprechung eingefallen wäre, diese Regelung als rechtswidrig zu verwerfen.
Aber beschäftigen wir uns jetzt mit den meiner Ansicht nach gravierenden Konsequenzen dieser Regelung! 'Beschäftigen wir uns mit den finanziellen Auswirkungen, und zwar zunächst einmal nur mit den geringeren, mit den unmittelbaren. Der Regierungsentwurf sieht ein Volumen von immerhin 1700 Millionen DM - 1,7 Milliarden! - vor. Ich habe das Gefühl, daß das gar keinen Eindruck mehr macht in unserer Welt. Eine Milliarde - die schluckt man herunter. Das sind 1000 Millionen. Es kommt einem gar nicht mehr zu Bewußtsein, wieviel das eigentlich ist und wieviel Steuergroschen zusammengetragen werden müssen, bis auch nur eine einzige Milliarde zustande kommt. Bei dem Zahlenrausch, in dem wir uns offensichtlich bewegen, ist man eben leicht geneigt, ein oder zwei Milliarden nur noch als eine Bagatelle anzusehen.
Der Initiativantrag sollte nach früheren Angaben der Initiatoren etwa Kosten von 13 Milliarden Verursachen. Offensichtlich haben inzwischen neuere Berechnungen ein noch niedrigeres Ergebnis gebracht. Wenn wir bei den 13 Milliarden bleiben, sind wir, glaube ich, von der Größenordnung von 18 bis 20 Milliarden nicht mehr sehr weit entfernt. Das liegt in der üblichen Toleranzgrenze, für die
hier keiner - auch Sie nicht, Herr Professor Wahldie Verantwortung übernehmen möchte. Ich jedenfalls würde das nicht tun. Ein Volumen von etwa 18 Milliarden DM wäre immerhin das Zehnfache dessen, was nach dem Regierungsentwurf anzunehmen ist.
Wenn wir aber die nichtreichsdeutschen Vertriebenen in den Gesetzentwurf einbeziehen müssen - und das steht drin: die Vertriebenen jenseits der Reichsgebiete, jenseits der Grenzen von 1937; das ist logisch, das ist eine zwingende Konsequenz, wenn man auf der Grundlage der Enteignung aufbaut -, wird die Belastung ein Mehrfaches sein müssen, ein Mehrfaches dessen, was sie für die Gruppe, für die hier die Zahlen genannt worden sind, betragen würde.
Aber noch weit schwerwiegender als diese sicher schon bedeutenden unmittelbaren Auswirkungen sind die mittelbaren Auswirkungen dieses Gesetzes. Es bezieht nämlich die juristischen Personen mit ein, und ich gebe zu, daß auch das zwingend ist, wenn man auf der Grundlage der Enteignung aufbaut. Der Herr Bundesfinanzminister hat schon die Problematik der Einbeziehung der juristischen Personen in sehr treffender Weise dargestellt und auf die Tatsache hingewiesen, daß wir zu einem großen Teil dabei Inhaber von Shares entschädigen würden, die damals gar nicht geschädigt worden sind, sondern die vielleicht aus spekulativen Gründen die Anteile zu einem niedrigen Preis gekauft haben und heute noch eine Entschädigung dafür bekommen würden, daß sie in der Zwischenzeit sehr erhebliche Kursgewinne erzielt haben.
({8})
Aber das ist noch nicht das Entscheidende. Wie wollen Sie denn dann im Lastenausgleich den Anspruch der juristischen Personen verneinen?
Bei einer grundsätzlichen Anerkennung des Anspruchs auf Entschädigung nach Art. 14 des Grundgesetzes scheint mir - das habe ich vorhin schon gesagt - eine Degression nicht haltbar. Die Stimmen, die das aus den Reihen der Betroffenen - und zwar nicht aus den Reihen der Traktatbauern - bestätigen, sind unüberhörbar.
Schließlich: Wenn wir nur für eine Gruppe 100 % Entschädigung als angemessen betrachten, - wären dann nicht ganz andere Normen, nämlich der Art. 3 des Grundgesetzes, der Gleichheitsgrundsatz, und der Art. 20 des Grundgesetzes, nämlich der Sozialstaatsgedanke, verletzt?
({9})
Kann man sich denn wirklich vorstellen, daß bei Schäden, die aus gleichen Ursachen entstanden sind, nämlich Kriegssach- und Vertreibungsschäden, prinzipiell und materiell völlig andere Entschädigungsregelungen Platz greifen können? Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich kann es mir nicht vorstellen.
({10})
Wenn aber auf diesem Gebiet höhere Entschädigungen gegeben werden, als das Lastenausgleichsgesetz sie vorsieht, dann ist der Lastenausgleich nicht zu halten. Sie mögen das rechtlich noch so absichern können! Wie oft haben wir geglaubt, wir könnten eine Sache rechtlich absichern! Wie oft haben wir geglaubt, wir könnten einen Stichtag nur für ein Gesetz festsetzen! Als zwingende Konsequenz mußten wir dann, wenn auch nicht aus rechtlichen, so doch eben einfach aus sozialen und politischen Gründen, auf anderen Gebieten nachziehen. Ich könnte Ihnen aus dem Gedächtnis mehrere Beispiele aufzählen, wo wir gesagt haben: Rechtlich ist das völlig klar abgegrenzt. Nun ja, rechtlich natürlich, aber politisch konnten wir Konsequenzen nicht verhindern. Ich möchte den Finanzminister und den den Sozialminister und den Bundeskanzler sehen, der in der Lage ist, dann zu sagen: Aus Rechtsgründen können wir nicht und werden wir nicht und dürfen wir nicht.
Wenn wir aus dieser zwingenden Konsequenz aber den Lastenausgleich nach gleichen Grundsätzen regeln müssen, würde das ein Finanzvolumen von - man wagt es fast nicht auszusprechen 145 Milliarden DM zusätzlich bedeuten. Wenn Sie das offenen Auges verantworten wollen, nun, dann mögen Sie diesen Weg weitergehen.
({11})
Wie will man uns und wie will man draußen z. B. den Unterschied zwischen zwei Betrieben klarmachen, von denen der eine ausgebombt wurde, während bei dem anderen die Maschinen demontiert wurden? Oder wie will man z. B. den Unter5322
schied zwischen zwei Vertriebenen rechtfertigen, von denen der eine aus Schlesien und der andere aus dem Sudetenland vertrieben ist? Wie will man es rechtfertigen, daß der zweite jeweils die mehrfache Entschädigung des ersten bekommt? Wer von Ihnen will es einem Kriegssachgeschädigten oder einem Vertriebenen deutlich machen, daß das unter dem Grundsatz des Rechts geschehe und zu geschehen habe?
({12})
Lassen Sie mich durch Gegenüberstellung einiger technischer Einzelheiten noch deutlicher machen, welchen Sprengstoff, welche Schwierigkeiten dieser Initiativentwurf enthält. Der Regierungsentwurf geht bei der Bemessung von der Grundlage des Einheitswertes aus. Daran kann man Kritik üben, und die Vertriebenen haben es immer wieder - und ich glaube, mit gutem Recht - getan. Man kann geltend machen, daß der Einheitswert eben zu niedrig sei und deswegen keine Grundlage bieten könne. Aber er ist immerhin eine klare, festumrissene Größe, auf der man aufbauen konnte.
Der Initiativentwurf geht von der Grundlage des gemeinen Wertes auf der Basis des Jahres 1938 aus. Wer soll denn um Gottes willen z. B. bei Auslandsschäden den gemeinen Wert des Jahres 1938 so rekonstruieren, daß es nicht eine endlose Auseinandersetzung, daß es nicht endlose Verfahren gibt, bis man sich endlich auf die Basis geeinigt hat? Wo sollen denn all die Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen herkommen, die das in der Zeit, in der das Gesetz abgewickelt werden soll, tun können?
Der Regierungsentwurf bezieht - ich habe das schon mehrfach gesagt - die juristischen Personen aus wohlerwogenen Gründen nicht ein. Der Initiativentwurf bezieht sie ein. Im Lastenausgleich endet die Degression bei den höchsten Vermögen bei 6 1/2 %. Die Initiatoren halten 20 % für das Äußerste dessen, was noch vertrebar ist, und zwar wieder aus Rechtsgründen. Ich sehe das ein. Und wahrscheinlich wird auch diese Grenze nicht zu halten sein. Aber eines wird doch daran deutlich: daß durch den Initiativentwurf gerade die höchsten Vermögen begünstigt werden. Während diese höchsten Vermögen im Lastenausgleich einer sehr starken Degression unterliegen, werden sie nach dem Initiativentwurf ganz massiv begünstigt, wie ich Ihnen gleich noch an einigen Beispielen zeigen werde.
Der Regierungsentwurf sieht eine Auszahlung bis 1974 und eine Verzinsung ab 1955 mit 4 % vor. Der Initiativentwurf sieht eine sofortige Barauszahlung für Beträge bis 50 000 DM vor. Allerdings wird sie zeitlich ein wenig gestaffelt. Die sonstigen Schäden sollen durch Schuldbuchforderungen und Schuldverschreibungen abgedeckt werden, die handelbar sind und deren Zinsen steuerfrei sein sollen.
Über die praktischen Auswirkungen sollten wir uns gleich noch wenige Gedanken machen. Lassen Sie mich jetzt nur die finanziellen Auswirkungen der Regelung gegenüberstellen.
Gehen wir einmal von gleichen Schadensbeträgen aus. Das ist allerdings nicht das gleiche; denn - ich sage es noch einmal - der Regierungsentwurf basiert auf Einheitswerten, der Initiativentwurf auf Gemeinwerten. Man wird nicht zu hoch greifen, wenn man die Einheitswerte verdoppelt, um auf den Gemeinwert zu kommen. Aber streiten wir uns darüber nicht! Jedenfalls ist eines klar: daß schon in der Bemessung des Schadensbetrages eine wesentliche Begünstigung liegt.
Ein Geschädigter mit einem Schaden von 5000 Mark würde nach dem Regierungsentwurf 4800 und nach dem Initiativantrag 5000 Mark bekommen. Hier wird sichtbar, daß die Kleinen und Kleinsten durch den Regierungsentwurf nicht benachteiligt werden. Ich. möchte annehmen, daß der zitierte Arbeiter und wahrscheinlich auch die meisten Traktatbauern darunter fallen werden.
Bei 50 000 Mark Schadensbetrag sieht das Bild schon wesentlich anders aus. Nach dem Regierungsentwurf beträgt die Entschädigung 17 600 und nach dem Initiativantrag 50 000 Mark; das ist Vollentschädigung.
Gehen wir etwas höher! Bei einem Schadensbetrag von 1 Million Mark ergibt sich nach dem Regierungsentwurf eine Entschädigung von 86 800 und nach dem Initiativentwurf eine solche von 435 000 Mark. Bei einem Schaden von 2 Millionen Mark schließlich - weiter will ich nicht gehen, obwohl weit höhere Ansprüche angemeldet sind - beträgt die Entschädigung nach dem Regierungsentwurf 151 800 und nach dem Initiativentwurf etwa das Sechsfache, nämlich 835 000 Mark.
Daraus folgt ganz eindeutig eine massive Begünstigung gerade der großen und größten Vermögen durch den Initiativentwurf gegenüber dem Regierungsentwurf. Ich konzediere freimütig, daß das nicht beabsichtigt ist.
({13})
Aber es ist unvermeidlich, wenn man auf die Grundlage des Rechtsanspruchs tritt.
Wenige weitere Einzelheiten zeigen die weitere Problematik dises Initiativantrages. Würde er Wirklichkeit, dann würden Rückerstattungsgeschädigte in einzelnen Fällen besser gestellt werden als NS- Geschädigte. Malen Sie sich ,die politische Auswirkung einer solchen Regelung bitte selbst. aus!
Auch mittelbare Schäden sollen nach dem Willen der Initiatoren berücksichtigt werden, d. h. zum Beispiel Nutzungsschäden und entgangener Gewinn. Da soll es ein Anrecht auf Darlehen geben. Kann mir jemand sagen, wie man Nutzungsschäden nach 20 Jahren beweiskräftig substantiieren will? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das geschehen soll.
Als Entschädigung für die 50 000 DM übersteigende Beträge denkt man an handelbare steuerfreie Schuldbuchforderungen in einem Umfang von mehreren Milliarden Mark. Es wird von 4 bis 5 Milliarden gesprochen. Können Sie sich die Wirkung auf dem Kapitalmarkt vorstellen, wenn mehrere Milliarden Mark Schuldbuchforderungen, die weder durch Leistungen noch durch Gegenwerte gedeckt sind, auf den Markt kommen? Können Sie sich vorstellen, was es an weiterer massiver BegünstiWindelen
gung der großen Einkommen bedeuten würde, wenn man die Zinsen auch noch steuerfrei macht? Können Sie ausrechnen, was in der 15jährigen Laufzeit der Schuldverschreibungen dem Staat bei Verwirklichung dieses Entwurfs an Steuerausfällen entsteht?
Lassen Sie mich zum Schluß ganz wenige Einzelbeispiele bringen, die die teilweise geradezu grotesken Auswirkungen des Initiativentwurfs bei Einschluß auch der nichtreichsdeutschen Vertriebenen außerhalb der Grenzen von 1937 zeigen. Ein Vertriebener aus Breslau würde bei einem Schadensbetrag von 50 000 Mark - wohlgemerkt: Einheitswert - 19 360 Mark bekommen. Er bekommt sie jetzt auf Grund des Lastenausgleichs. Ein Vertriebener aus Eger würde bei dem gleichen Schaden nach dem Initiativ-Entwurf - allerdings Gemeinwert, d. h. bei niedrigerem Verlust - 50 000 Mark, also mehr als das Doppelte bekommen. Wenn der Vertriebene aus Breslau 5 Millionen verloren hat - und so etwas gibt es -, hat er nach der Lastenausgleichsregelung 381 000 DM zu erwarten; wenn er dagegen aus Eger kommt, das Fünffache, nämlich über 2 Millionen DM. Oder stellen Sie sich zwei Betriebe in Westdeutschland vor. Der eine hat einen Kriegssachschaden mit einem Teilwert von 40 000 DM; der hat Anspruch auf 16 000 DM Entschädigung; und ein Betrieb mit Demontageschaden zu einem Zeitwert von ebenfalls 40 000 DM bekommt dafür das knapp Dreifache, nämlich 40 000 DM, ausbezahlt.
Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Ich stelle fest, daß ich keineswegs - und zwar bewußt - die extremsten Beispiele gewählt habe, weil wir ja ein wenig in der Praxis bleiben wollen. Die Reihe ließe sich fortsetzen bei den Auslandsschäden, sie ließe sich fortsetzen auf dem Gebiet der Rückerstattungsschäden, und die Ergebnisse wären teilweise noch grotesker als die eben aufgezeigten.
Lassen Sie mich nun zusammenfassen. Wir begrüßen den Regierungsentwurf als einen weiteren Schritt zur Liquidation des zweiten Weltkrieges und seiner Folgen. Wir sind uns bewußt, daß er keineswegs eine allseitig befriedigende Lösung darstellt. Wir sind uns bewußt, daß eine große Zahl auch von menschlich harten Fällen ungelöst bleibt, auch 'auf diesem Gebiet ungelöst bleibt, und wir bedauern das zutiefst. Aber ebensowenig wie wir bei den anderen Regelungen zu einer hundertprozentigen Gerechtigkeit kommen konnten, werden wir es eben auch hier nicht vermögen. Ich meine aber, bei einem Umfang von 1700 Millionen handelt es sich doch um eine nicht gering zu achtende Leistung, auch vor dem Hintergrund der 290 Milliarden DM, die von der Allgemeinheit, von den Steuernzahlern, von den Bürgern dieses Staates bereits aufgebracht worden sind. Vor weiteren Ausuferungen, wie sie mit dem Initiativantrag eingeleitet werden, möchte ich aber sehr dringend warnen. Ich meine, daß diese Ausweitung weder durch die Rechtslage zwingend geboten ist noch vom Standpunkt der Gleichbehandlung und der sozialen Gerechtigkeit vertretbar ist, und ich meine ferner, daß unter Berücksichtigung der unmittelbaren und vor allen Dingen der mittelbaren Belastungen des Haushalts dieser Antrag völlig indiskutabel ist.
Wir können nur hoffen, daß sich diese Erkenntnis in den Ausschußberatungen durchsetzen wird.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es grundsätzlich für erfreulich, wenn in diesem Hause auch Abgeordnete der Regierungsparteien einmal eine Gesetzesinitiative ergreifen.
({0})
- Eben, auch Abgeordnete der Regierungsparteien sind nicht dazu da, immer nur Ja zu dem zu sagen, was die Regierung meint, und der Bundestag ist nicht der Notar der Bundesregierung. Also, im Prinzip begrüße ich es sehr, Herr Kollege Weber, daß Sie einen solchen Antrag eingebracht haben. Ich wundere mich nur etwas, .daß es so spät geschehen ist; denn zu dem Zeitpunkt, als Ihr Antrag kam, nämlich im Dezember, lag .die Regierungsvorlage schon vor, und es wäre vielleicht günstiger für Ihr Anliegen gewesen, wenn Sie das, was Sie mit ihm meinten, im Rahmen der Einzelberatung im Ausschuß durchzusetzen versucht hätten.
Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich mich auch aus einigen anderen Gründen noch über Ihren Entwurf freue, Herr Kollege Weber. Es ist gar nicht einmal die Schadenfreude über Ihren kleinen Familienstreit im Lager der Regierungsparteien; Schadenfreude soll man schnell unterdrücken; sie ist immer etwas schäbig. Aber ich empfinde eine gewisse Genugtuung darüber, Herr Finanzminister, daß die Bundesregierung, die ja gewußt hat, .daß der Gegenentwurf Weber käme, ihren Entwurf dennoch eingereicht hat; denn sie meint offenbar, sie könne sich auf die Opposition so verlassen, daß die Regierungsvorlage mit Hilfe der Opposition angenommen wird.
({1})
Das ist natürlich eine Stärkung unserer Position, und ich bedanke mich sehr für den Ball, den Sie uns zugeworfen haben, Herr Kollege Weber. Wir werden ihn gut aufbewahren, um ihn gegebenenfalls auch bei der Wahl vorzuzeigen.
Diese Freude, diese Genugtuung, die Sie mir bitte nicht verübeln wollen, wird aber - bitte glauben Sie mir - sehr durch das ernstliche Unbehagen überschattet, Herr Kollege Weber, das ich hinsichtlich Ihres Antrages habe.
({2})
Ich habe dieses Unbehagen insbesondere auch wegen des Zeitpunktes, zu dem Sie mit Ihrer sehr, sehr hohen Forderung gekommen sind. Sie haben den Antrag ungefähr zu dem Zeitpunkt eingereicht, zu dem der Herr Bundeskanzler seine Regierungserklä5324
rung abgegeben hat. Wir haben darin einiges von „Maßhalten" gehört, wir haben einiges und noch mehr davon gehört, daß wir unsere Währung stabil halten müssen. Wir erleben es jetzt ununterbrochen
- die Kollegen im Haushaltsausschuß können ein bitteres Lied davon singen -, wie dort um jeden Pfennig gerungen werden muß angesichts der magischen Zahl von 60,3 Milliarden DM. In diesem Zeitpunkt kommen Sie mit Forderungen in Milliardenhöhe, Forderungen, die auch nach Ihrer Berechnung zehnmal so hoch sind wie nach der Konzeption der Bundesregierung!
({3})
- Wenn man richtige Vergleiche anstellt, sind Ihre Forderungen zehnfach so hoch, und ich bin der Meinung, daß die Berechnung der Bundesregierung richtig ist.
({4})
In diesem Augenblick also kommen Sie mit solchen Milliardenforderungen. Sie machen das offenbar, weil Sie glauben, damit unbedingt und justament einen Rechtsstandpunkt durchsetzen zu müssen.
({5})
- Der Schriftsatz, den Sie meinen, hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Sie meinen den Schriftsatz des Kollegen Arndt. Der ist in einem ganz anderen Zusammenhang geschrieben worden. Wenn Sie ihn richtig und vollständig lesen - nicht nur die berühmten Ausschnitte -, werden Sie feststellen, daß von Schadensersatz gar nichts drinsteht. Aber abgesehen davon: warum halten Sie m i r einen Schriftsatz vor, den ein anderer Kollege aus diesem Hause geschrieben hat?
({6})
- Jetzt sprechen wir über Ihren Gesetzentwurf und nicht über den damaligen Streit über den Deutschlandvertrag, Herr Kollege. Ihr Versuch, da abzulenken,
({7})
ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. - Ich bin bei der Sache!
Ich wundere mich, wie gesagt, daß Sie es für richtig halten, aus diesem Justament-Rechtsstandpunkt etwas durchzufechten, was im Endergebnis unheilvoll sein muß. Mein Vorredner hat es völlig richtig gesagt: die Konsequenzen in finanzieller Hinsicht wären überhaupt nicht abzusehen. Er hat Beispiele gebracht, und ich könnte die Beispiele noch vermehren. Es ist geradezu absurd - bitte, nehmen Sie mir den Ausdruck nicht übel -, daß jemand, der sein Geld in New York verloren hat, besser entschädigt werden soll als jemand, der sein Haus, sein Vermögen und seine Heimat dazu in Schlesien verloren hat. Ich halte es für noch absurder - auch das ist gesagt worden -, einen Kriegsgefangenen, der jahrelang Sklavenarbeit geleistet hat, so zu entschädigen, wie es unser Heimkehrergesetz vorsieht, und gleichzeitig Millionenwerte praktisch Leuten in den Rachen zu werfen, die sie gar nicht brauchen und die es, wenn sie anständig sind, ablehnen müßten, diese Beträge anzunehmen, weil sie sie wirklich nicht brauchen.
({8})
Wohin das im Endergebnis führt, Herr Kollege Weber, was Sie sich da vorstellen, das wollen Sie bitte aus folgenden zwei Zahlen entnehmen. Wir haben für 20 Millionen Vertriebene und Kriegssachgeschädigte in der Bundesrepublik 30 Milliarden DM Hauptentschädigung zu zahlen, und Sie verlangen für 120 000 Reparations- und Rückerstattungsgeschädigte nach Ihrer Konstruktion 7 Milliarden DM; nach den Berechnungen der Bundesregierung sind es 17 Milliarden.
({9}) Vergleichen Sie diese Zahlen!
Noch eine andere Zahl: Der Herr Bundesfinanzminister hat hier zitiert - und Sie haben es verständlicherweise unterstrichen -, daß die Kleingeschädigten aus verschiedenen Gründen zahlenmäßig überwiegen. Das ist richtig. 92 % der Geschädigten, insbesondere der Reparationsgeschädigten, haben kleine Forderungen. Wenn Sie aber die Forderungen der Geschädigtengruppen der Höhe nach addieren, so ergibt sich genau das umgekehrte Bild: Diese 92 % der Geschädigten vertreten nämlich 5,8% der Forderungswerte, und den Rest, nach Adam Riese 94,2 %, vertreten die übrigen Gläubiger. Mit anderen Worten, eine kleine Gruppe von Gläubigern hat die großen Forderungen, und eine große Gruppe von Gläubigern hat die kleinen Forderungen. In der Spitze ist es so, daß 0,05 % der Gläubiger 33,5 % der Reparationsschäden geltendmachen, nämlich sie allein insgesamt in einer Höhe von 4,4 Milliarden DM.
({10})
Aus diesen Zahlen können Sie die richtigen Vergleiche ziehen. Ich möchte nicht wiederholen, was in ausgezeichneter Weise von dem Herrn Kollegen Windelen und auch von dem Herrn Bundesfinanzminister gesagt worden ist. Ich möchte lediglich einige weitere Dinge hier herausstreichen, bei denen Sie, glaube ich, Herr Weber, nicht ganz richtig liegen. Sie haben hier gemeint, man könne jetzt mit gutem Gewissen mit diesen Dingen kommen; denn die Anliegen der politisch oder rassisch Verfolgten usw. seien ja alle geregelt.
({11})
- Na, aber ungefähr! Sie haben diesen Entschluß zitiert und gesagt, Sie hätten freiwillig gewartet, bis das erledigt sei.
Meinen Sie im Ernst, Herr Kollege Weber - ich weiß nicht, ob Sie sich das überlegt haben, so wie ich Sie kenne -, daß es angehe, den Leuten, die jüdisches oder Eigentum von politisch Verfolgten weggenommen haben, dann eine Entschädigung zu
geben, wenn sie lediglich den Einheitswert dafür bezahlt haben, wo Sie genauso wie ich wissen, daß auch schon damals der Einheitswert nicht dem richtigen Wert entsprach? Und haben Sie sich einmal überlegt, wie Ihre Konzeption im Endergebnis zu einem Teil zu einer Entschädigung der „Arisöre" führt, die erheblich höher ist als die Entschädigung für die Verfolgten? Die Verfolgten - daran darf ich Sie erinnern - haben keinen Verzinsungsanspruch nach dem Rückerstattungsgesetz, sondern erst von 1967 ab, haben also nur einen praktisch völlig irrealen Anspruch. Sie wollen für die „Arisöre" eine Verzinsung schon von 1955 ab gewähren. Und haben Sie sich einmal vorgestellt, daß die Verfolgten, die keinen Rückerstattungsanspruch haben, weil sie nicht wissen, wer sie bestohlen hat, nach dem Bundesentschädigungsgesetz einen Höchstschadensbetrag für Schaden an Vermögen von 75 000 DM beanspruchen können, nach dem vorher ihre Werte 10 : 2 umgewertet worden sind? Und warum eigentlich - auch das darf ich Sie fragen, Herr Kollege Weber - halten Sie es für richtig, daß im Bereich dieser Geschädigten, der Reparationsgeschädigten usw., ausgerechnet die Bewertung für diejenigen, die - gutgläubig oder nicht gutgläubig - arisiert haben, günstiger sein soll als für die Reparationsgeschädigten und die anderen? Denn in diesem Falle stellen Sie bei der Bewertung auf den Zeitpunkt der Rückerstattung ab, in dem anderen Falle stellen Sie auf diese Reparationskarteiwerte ab. Das verstehe ich nun schon überhaupt nicht mehr, Herr Kollege.
Sosehr nun - darüber sind wir uns ja völlig einig - das Anliegen dieses Gesetzentwurfs begründet ist, so sehr wird man im einzelnen zu überprüfen haben, ob die Regierungsvorlage richtig ist. Ich bin gar nicht ein so unbedingter Anhänger Ihrer Konzeption in allen Einzelheiten, Herr Minister, so sehr der Grundsatz richtig ist. Ich bin der Meinung, daß man viel weniger, als Sie das schließlich doch getan haben, auf ein schematisches Quotendenken abstellen sollte. Man muß vielmehr die soziale Komponente der Sache betonen! Ich bin ferner der Meinung, daß man zwischen den einzelnen Schäden wird differenzieren müssen. Denken Sie daran, daß mindestens die Reparationsgeschädigten in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zu 10 000 Dollar, also bis zu 40 000 DM, um ihre Rückgabeansprüche oder ihre Rückgabemöglichkeit gegenüber der US- Regierung dadurch gekommen sind, daß die Bundesregierung da eine Alles-oder-nichts-Politik getrieben und das Angebot, diese 10 000 Dollar zu erstatten, praktisch nicht angenommen, die Sache also vereitelt hat, indem sie alles verlangt hat. Da meine ich, daß man sich sehr wohl wird überlegen müssen, ob die Quote dieses Aufopferungsanspruches - oder wie Sie es immer nennen wollen - für diese kleineren Reparationsgeschädigten nicht vielleicht doch etwas höher sein könnte.
({12})
Ich meine darüber hinaus, daß man bezüglich einiger der Ansprüche dieser Art darüber streiten kann, ob sie Rechtsansprüche sind. Für mein Gefühl sind es alles Rechtsansprüche. Aber Rechtsansprüche sind für mich auch die Ansprüche der Heimatvertriebenen, der Heimkehrer und Soldaten; alle haben sie irgend etwas für dieses unser Vaterland geopfert. Man darf da keine Unterschiede machen. Das i s t für mich ein echter Anspruch.
Wir sollten alle wissen, daß Ansprüche nicht nur bestehen, wenn irgend etwas gedruckt im Gesetzblatt steht. Im Gesetzblatt haben bei uns Unrecht und Verbrechen gestanden. Es gibt Recht, das nicht geschrieben steht, meine Damen und Herren. Dieses ungeschriebene Recht - ich möchte es hier einmal ganz unjuristisch als Recht auf einen Aufopferungsanspruch aller Betroffenen bezeichnen - zwingt uns also, wie gesagt, zu differenzieren und uns auch zu überlegen, inwieweit nicht z. B. bei den Demontagegeschädigten in vielen Fällen aus dem Nachteil der Demontage ein echter Vorteil geworden ist. Es ist ja Gott sei Dank so, daß diese Demontagen, so schlimm sie zunächst waren, durch die Anschaffung neuer Maschinen usw. zu einem echten Wettbewerbsvorteil geführt haben. Man wird außerdem - und da verstehe ich Sie wiederum nicht, Herr Kollege Weber - mit der Regierungsvorlage ganz genau zu prüfen haben, inwieweit hier Unternehmen geschädigt worden sind, die durch echte Kriegsgewinne großgeworden waren. Da vermisse ich bei Ihnen aber auch jeden Versuch eines Ausgleiches.
({13})
Man wird endlich genauso zu klären haben, inwieweit gewisse Schäden dieser Art - Reparationsschäden, Demontageschäden - nicht vielleicht auch durch die sehr großzügigen Kredite, die es nach dem Kriege gegeben hat - Marshallplan und was es alles war -, in Wirklichkeit bereits entschädigt sind.
({14})
In dieser Beziehung, meine ich, Herr Minister, ist Ihr Entwurf noch nicht der Stein der Weisen. Man wird da noch andere Möglichkeiten suchen müssen, diesen Ausgleich herbeizuführen.
Ganz entscheidend aber wird man hinsichtlich der Rückerstattungsschäden differenzieren müssen. Ich bejahe durchaus, daß die alliierten Gesetze in einigen Fällen, meinetwegen sogar in vielen Fällen, zu Unrecht geführt haben. Selbstverständlich muß man etwas tun, um diese wirklich loyalen Rückerstattungsgeschädigten zu entschädigen. Aber man darf da zunächst einmal nicht auf den Einheitswert abstellen, Herr Kollege Weber, und man darf genauso nicht, wie es das Finanzministerium tut, auf 90 % des Verkehrswertes abstellen; man darf endlich auch nicht, wie Sie, Herr Weber, meinen, daß die Klausel „zugunsten Verfolgter gehandelt" etwas Brauchbares wäre. Diese Klausel verleitet geradezu zum Mißbrauch. Ich bin der Meinung, daß jemand, der Eigentum eines rassisch oder politisch Verfolgten erworben hat, auf eigenes Risiko gehandelt hat.
({15})
Er wußte: das ist ein Jude; er wußte: das ist ein Sozialdemokrat; er wußte: das ist ein Unternehmen des Zentrums oder der Deutschen Jugendkraft oder wer da alles in Betracht kam. Er hat es gewußt
oder hätte es wissen müssen. Es steht fest, daß so gut wie in allen Fällen der Verkäufer nicht veräußert hätte, wenn er nicht unter einem rassischen oder politschen Druck gestanden hätte. Es besteht daher für mich die Vermutung, daß eine solche Arisierung oder ein solcher Erwerb von einem politisch oder rassisch Verfolgten an sich nicht loyal gewesen ist und lediglich Ausnahmen die Regel bestätigen. Wir müssen eine Klausel finden, die diesen Ausnahmen Rechnung trägt.
Ich meine darüber hinaus, wir müssen noch in anderer Hinsicht differenzieren. Es ist für mich ein Unterschied, ob jemand, der nach den alliierten Gesetzen rückerstattungspflichtig war, direkt von dem Verfolgten erworben hatte oder indirekt etwa über den Staat.
({16})
Das ist nämlich wiederum eine der merkwürdigen Sachen in unserer Nachkriegsgesetzgebung. Der Rückerstattungspflichtige konnte sich an den Zweiterwerber, wenn er Dritterwerber war, auch schon nach den geltenden Gesetzen halten, wenn es eine Privatperson war. War es aber der Vater Staat, dann wurde ihm das ausdrücklich verboten.
({17})
Herr Kollege Weber, das ist eben wirklich ein ganz anderer Fall. Da hat der Staat erst einmal arisiert und dann hat er sich noch durch den Weiterverkauf bereichert. Dann sollte er haften aus zwei Gründen, nämlich, weil er direkt mit dem Arsierungsgeschäft zu tun hatte und weil er es als Staat ermöglicht hat. In dem Falle, meine ich, müßte man also die Haftung des Staates gegenüber der, die das Bundesfinanzministerium vorsieht, verstärken.
Es wäre noch über viele Einzelheiten zu reden. Aber vielleicht noch eine etwas polemische Bemerkung, Herr Kollege Weber. Ich habe mich auch bemüht, nicht zu polemisieren, so nahe das gelegen hätte und soviel Spaß es gemacht hätte. Aber es ist schon ein bißchen spät. Die erstaunlichste Klausel in Ihrem Entwurf ist ja die Bestimmung, die man sozusagen als „Lex IG-Farben" bezeichnen könnte. Es ist die Bestimmung des § 14, Abs. 3 S. 2 in der Sie vorsehen, daß auch diejenigen entschädigungsberechtigt sind, die in Amerika oder sonstwo als ausländische Firmen enteignet worden sind, aber in Wirklichkeit im wesentlichen deutschen Firmen gehört hätten. Das ist genau der berühmte IG-Farben-Fall in Amerika, also eine Lex IG-Farben. Das werden Sie nicht bestreiten können. Wenn man dann weiß, daß es sechs Firmen gibt, die in den Bereich dieser Möglichkeiten gehören und die allein für sich fast 2 Milliarden DM Ansprüche nach Ihrer Konzeption geltend machen könnten,
({18})
dann weiß man, Herr Kollege Weber, wo die Reise hingeht.
Wir sind in den letzten Monaten und Jahren alle mit Briefen von Rückerstattungsgeschädigten, Reparationsgeschädigten usw. überschüttet worden. In der letzten Zeit war es eine Flut. Schaut man sich diese Briefe genau an und versteht man etwas von den Dingen, muß man doch feststellen, daß das im allgemeinen irregeleitete Leute sind, die von irgendwelchen Hintermännern geschoben werden. Diese kleinen Leute kommen nämlich auch nach der Konzeption der Bundesregierung zu ihrem Recht. Sie sollen aber den Vorläufer spielen für Große, die das Geld nicht brauchen, die hinter ihnen her marschieren und ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen.
({19})
Das kann nicht der Sinn einer Gesetzgebung dieses Bundestages sein.
Wir sind verpflichtet, die Schäden, die der Krieg und die Nachkriegszeit geschlagen haben, im Rahmen des Möglichen zu bereinigen. Wir sollten aber dabei wirklich nicht vergessen, daß es einen gewissen Herrn Hitler gegeben hat. Der Finanzminister hat es neulich für richtig gehalten, das ausgerechnet den Naziopfern zuzurufen. Bei ihnen war es fehl am Platze. Aber auf diesem Gebiet, mit dem wir uns heute beschäftigen, muß dieses Wort sehr dick unterstrichen werden. Hitler hat uns mindestens rund eine Billion Schulden hinterlassen, als er abtrat. Diese Billion Schulden kann kein Staat der Welt bezahlen. Er kann lediglich versuchen, bei diesem Bankrott eine einigermaßen anständige Konkursquote auszuschütten. Er kann sich lediglich bemühen, die Konkursverteilung möglichst gerecht zu gestalten, genau wie das in einem anderen Konkurs auch geschieht. Es gibt vordringliche Forderungen, es gibt weniger vordringliche Forderungen, und es gibt Forderungen, für die wird nur dann etwas gezahlt, wenn noch etwas übrigbleibt.
Ich will nun keineswegs sagen, daß diese Reparationsgeschädigten, daß diese Restitutionsgeschädigten, daß die Demontagegeschädigten oder auch die Rückerstattungsgeschädigten diejenigen sein sollen, die nur etwas bekommen, wenn was übrigbleibt. Ganz sicher nicht. Sie sollen, und zwar zum Teil auf Grund eines Rechtsanspruches, etwas bekommen. Aber das, was sie zu bekommen haben, muß im Rahmen dessen liegen, was alle Geschädigten zu beanspruchen haben.
Wenn sie mehr bekämen, Herr Kollege - das ist vollkommen richtig von Herrn Windelen gesagt worden -, dann würde die nach diesem Kriege vorsichtig von uns gezogene Mauer aufgerissen, und es käme eine Flut von Ansprüchen auf uns zu, die praktisch zum Staatskonkurs führen müßte. Das kann niemand von uns verantworten. So sehr wir es alle wünschen würden, wenn wir diese Briefe bekommen, jedem von diesen Geschädigten den vollen Betrag von Staats wegen auszahlen zu lassen, so können wir es nicht, genau wie wir es bei den Kriegsopfern nicht gekonnt haben, wie wir es bei den Heimkehrern nicht gekonnt haben, wie wir es bei den Heimatvertriebenen und bei den Bombengeschädigten nicht gekonnt haben. Damit müssen sich auch diese Leute, die aus anderen Anlässen geschädigt worden sind, abfinden, wenn sie etwas Gemeinschaftsgefühl und ein Gefühl für die Möglichkeiten dieses Staates haben.
Damit darf ich schließen. Wir werden den Gesetzentwurf also in einer sozusagen schiefen Schlachtordnung beraten. Ich kann nur hoffen, daß diese
Schlachtordnung nicht wie bei der Schlacht bei Leuthen dazu führt, daß der rechte Flügel stark ist, sondern man kann auch hier nur sagen: Macht mir den linken Flügel stark!
({20})
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die polemischen Erklärungen von Herrn Kollegen Hirsch hinsichtlich des Zitates „Hitlererbe" veranlassen mich zu einer Stellungnahme. Ich möchte noch einmal ganz klar feststellen: ich habe Herrn Kollegen Seuffert zitiert und habe dieses Zitat an alle diejenigen gerichtet, die Kriegsfolgen und Kriegsfolgemaßnahmen überzustrapazieren trachten. Dazu gehört auch das, was hier heute verhandelt wird.
({0})
Man sollte nicht vergessen, daß es diesen Mann gegeben hat.
Im übrigen, Herr Kollege Hirsch, freue ich mich sehr, daß Sie mir die tatkräftige Unterstützung der Opposition im Sinne des Maßhaltens zugesagt haben. Ich kündige Ihnen aber heute schon an, daß ich Sie bei der einen oder anderen ganz konkreten Gelegenheit bitten werde, sich genauso zu verhalten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Aufgabe besteht darin, nach den Ausführungen der Vorredner auf die Kernfrage zurückzuführen. Denn in einem Punkt waren die Vorredner mit uns einig: wenn in der Rechtsfrage ein anderer Standpunkt eingenommen werden muß, als der Regierungsentwurf einnimmt, dann ergeben sich daraus Konsequenzen, die der zweite Entwurf gezogen hat.
Zu der Streitfrage sind viele Stellungnahmen erschienen, durch die eine Überfülle von rechtlichen Gesichtspunkten zusammengetragen worden sind, um die entgegengesetzten Standpunkte zu begründen. Ich werde sie nicht alle vortragen und möchte nur auf eines hinweisen.
Ganz abgesehen davon, ob bei den Reparationsschäden eine entschädigungspflichtige Enteignung im Sinne von Art. 14 des Grundgesetzes durch die Deutschen oder durch die Alliierten oder durch beide zusammen stattgefunden hat, in allen Fällen liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung der Bundesrepublik vor, weil Verpflichtungen des Bundes bezahlt worden sind. Es wird demgegenüber gesagt, bei den Reparationsschäden müsse dieser Gesichtspunkt deshalb entfallen, weil noch keine formelle Einigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern über Grund und Höhe des alliierten Reparationsanspruchs
festgelegt worden sei. Aber man kann doch nicht behaupten, daß man aufeinen noch in der Diskussion befindlichen Schadensersatzanspruch keine Anzahlung leisten könne. Gerade das aber ist hier mindestens geschehen.
Wenn im Überleitungsvertrag die Drei Mächte die Hinnahme der Vermögensbeschlagnahme gefordert haben und die Bundesregierung sie erklärt hat, wenn gleichzeitig die Bundesregierung zur Entschädigung der früheren Eigentümer aufgefordert wurde und die Bundesregierung sich bereit erklärt hat, diese Entschädigung zu übernehmen, so ist doch das Verhalten dieser beiden vertragschließenden Parteien nur so aufzufassen, daß die Reparationsbeschlagnahmungen als endgültig aufgefaßt worden sind und daß mindestens in der Höhe der beschlagnahmten Werte eine Reparationspflicht anerkannt worden ist. Der ausdrückliche Vorbehalt, daß mit den einzelnen Mächten über die Freigabe des deutschen Vermögens noch verhandelt werden dürfe, hat dabei als so wenig aussichtsreich gegolten, daß die Entschädigungsvereinbarung, die nur bei der Nicht-Freigabe zum Zuge kommen konnte, deswegen nicht hinausgeschoben worden ist. Außerdem muß man doch die Frage stellen, ob das Londoner Schuldenabkommen so ausgefallen wäre, wie es ausgefallen ist, wenn die Reparationsentnahmen nicht schon vorgelegen hätten.
Der Gesichtspunkt, daß derjenige, der dazu herangezogen worden ist, eine fremde Schuld zu bezahlen, von dem eigentlichen Schuldner schon nach Bereicherungsrecht einen Ausgleich verlangen kann, ist ein uraltes Prinzip. „Niemand kann sich auf fremde Kosten bereichern" ist ,die alte gemeinrechtliche und naturrechtliche Fassung dieses Gedankens, der in der Einleitung des Allgemeinen Landrechts zur Formulierung des berühmten Aufopferungsanspruchs geführt hat.
Der Bereicherungsgesichtspunkt gilt auch für die loyalen Rückerstatter. Wenn sie nicht auf Grund eines Vergeltungsrechts oder, wie Hachenburg ihre Ausnahmebehandlung besser nennen wollte, auf Grund eines Sühnerechts an die Verfolgten des Naziregimes deren Häuser, Unternehmungen usw. zurückgegeben hätten, hätte die Bundesregierung auch noch für diesen Komplex Entschädigungspflichten gehabt. Diese Pflichten haben ihr die loyalen Rückerstatter abgenommen.
Die Vorstellung ides Regierungsentwurfs geht davon aus, daß alle Deutschen, die durch den Krieg und seinen Ausgang Verluste erlitten haben, sich in einer Schadensgemeinschaft, einer Risikogemeinschaft befänden, die eine verschiedene Zumessung der Entschädigung ausschließe. So richtig der Gedanke der Schicksalsgemeinschaft für ein Volk ist, so wenig geht es doch an, alles über einen Kamm zu scheren, die verschiedenen Tatbestände unter Verzicht auf ihre rechtliche Erfassung alle mit den gleichen Wirkungen zu versehen, wenn sie nur Kriegsfolgen im weitesten Sinne darstellen.
Das ist schon deshalb nicht möglich, weil diese einfache Qualifikation auch zur Einbeziehung von Vermögensverlusten führen müßte, an deren Ent5328
schädigung man überhaupt nicht denken kann. Ich erinnere nur an die überaus großen Schäden, die die Bevölkerung durch die Auslagerung beweglicher Habe aus den bombenbedrohten Städten in die weniger gefährdeten Dörfer erlitten hat - typische Kriegsfolgen, die aber überhaupt nicht entschädigungsfähig sind.
Darüber hinaus widerspricht dieses juristische Einheitsrezept auch unserer bisherigen Gesetzgebungspraxis. Ich erinnere an die Regelung der Währungsschäden, an die Abgeltung der Besatzungsschäden, an die Entschädigung der NS-Verfolgten, an die Kriegsopfer-, die Kriegsgefangenen- und Heimkehrerentschädigung - überall verschiedene Lösungen je nach den Tatbeständen, die zur Erledigung kamen!
(Wenn man nur mit der Generalklausel der Kriegsfolgenschäden kommen will, wird die rechtsstaatliche Grundlage unseres öffentlichen Lebens untergraben. Denn das Recht muß sich die Tatbestände aus der Nähe besehen - und hat es seit jeher getan -, wenn es nicht einem heillosen Kollektivismus verfallen will.
Gerade bei den Besatzungsschäden ist seinerzeit auch die Frage gestellt worden, warum die davon Betroffenen so viel bessergestellt würden als die Vertriebenen. Aber die Arbeiten im Ausschuß haben damals davon überzeugt, daß hier ein anderer Sachverhalt als bei den Vertreibungsschäden zu regeln war. Bei der zweiten und dritten Beratung des Gesetzes kam es zu keiner einzigen Wortmeldung.
Um auf den entscheidenden Bereicherungsgesichtspunkt zurückzukommen, so besteht bei den Kriegszerstörungen, die die eine Schadensgruppe unserer Lastenausgleichsgesetzgebung ausmachen, beim besten Willen nicht der geringste Ansatzpunkt, eine Bereicherung der Bundesrepublik oder überhaupt der öffentlichen Hand zu erkennen. Im Gegenteil ist die öffentliche Hand selbst geschädigt worden, da Steuerausfälle und große Wiederaufbaulasten mit den Zerstörungen unserer Städte verbunden waren.
Bei den sogenannten Vertreibungsschäden liegen die Dinge ähnlich. Schon die Vertreibungsbestimmungen im Potsdamer Abkommen sind von den Reparationsregelungen völlig getrennt, weil die Vertreibung nie mit dem Reparationsproblem in Verbindung gebracht wurde. Dementsprechend ist von den neuen Gebietsherren der Vertreibungsgebiete auch nicht verzeichnet worden, was sie an zurückgelassenen Vermögenswerten übernommen haben, um die Anrechnung dieser Vermögen auf eine etwaige Reparationsschuld vorzubereiten.
Auch ist in diesem Zusammenhang von Interesse, daß bei den Regelungen, die im Osten den Kriegszustand beendeten und das besondere Verhältnis der sowjetisch besetzten Zone zu Rußland und den Ostblockstaaten betrafen, der sowjetisch besetzten Zone nicht die völkerrechtliche Verpflichtung auferlegt worden ist, die Opfer der Vertreibung für die erlittenen Vermögensverluste zu entschädigen. Hier hat man sich auch nicht gescheut - anders als nach dem Londoner Schuldenabkommen -,
Reparationen aus der laufenden Produktion der SBZ zu entnehmen.
Ein Punkt bedarf noch der Erörterung. Selbstverständlich kann nicht jeder Vermögensverlust voll ersetzt werden. Hier handelt es sich um so außerordentlich große Komplexe, daß die Leistungskraft unseres Staates überfordert würde, wenn auf Heller und Pfennig jeder eingetretene Schaden ersetzt werden müßte. Deswegen sieht auch der vom Rechtsanspruch der Geschädigten ausgehende Entwurf Dr. Weber und Genossen eine Staffelung der Leistungen nach der Höhe der Schadensbeträge vor. 20 % wurde als Mindestsatz gewählt, weil in der Literatur die Ansicht vertreten wird, daß dieser Satz noch als eine Entschädigung im Sinne des Artikels 14 des Grundgesetzes anerkannt werden könne.
In dieser Staffelung liegt ein soziales Element, das im sozialen Rechtsstaat am Platze ist und das in der gesetzlichen Regelung der Rangordnung der Konkursforderungen selbst dem Konkursrecht privater Schuldner nicht fremd ist. Ich habe darüber hinaus noch nie einen Zwangsvergleich gesehen, bei dem sich die großen Gläubiger nicht mit Rücksicht auf die beschränkten zur Verfügung stehenden Mittel mit geringeren Prozentsätzen zufriedengegeben hätten, um eine Besserstellung der kleinen Gläubiger zu ermöglichen.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger kann also nirgends ausnahmslos verwirklicht werden.
Zum Schluß noch eine Bemerkung. Wenn man eine Regelung anstrebt, die vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben soll, ist der Entwurf Weber und Genossen vorzuziehen, zumal die Bundesregierung in anderem Zusammenhang vor diesem Gericht schon die Rechtsansprüche der Reparationsgeschädigten als solche anerkannt hat und ihr jetziger Sinneswandel dort unbegreiflich erscheinen muß. Selbst ihr letzter Gutachter hat sich dagegen ausgesprochen, daß die juristischen Personen von der Entschädigung ausgeschlossen würden, obwohl sie ebenso wie die natürlichen Personen zu den früheren Eigentümern gehören, deren Entschädigung im Überleitungsvertrag übernommen worden ist. Wenn aber dieser eine Grundgedanke des Lastenausgleichsgesetzes, daß juristische Personen von der Entschädigung ausgeschlossen sind, hier fallengelassen werden muß, dann zeigt sich, daß hier etwas nicht stimmt. Man kann eben Tatbestände nicht aneinander angleichen, die nun einmal verschieden gewesen sind.
Daß das persönliche Schicksal der Vertriebenen viel schwerer gewesen ist als das Schicksal der meisten Reparationsgeschädigten,
({0})
kann natürlich niemand in Abrede stellen. Aber das Schicksal vieler Kriegsopfer und Spätheimkehrer ist noch schwerer gewesen als das Schicksal vieler Vertriebenen. Man darf die einzelnen Geschädigtengruppen politisch nicht gegeneinander ausspielen.
({1})
Man stelle sich nur vor, daß bei einer einzigen Person alle hier erörterten Tatbestände gleichzeitig vorliegen. Man denke etwa an einen Spätheimkehrer, dessen Familie inzwischen aus der schlesischen Heimat vertrieben worden ist und der auch zu den Reparationsgeschädigten gehört, weil ihm in den Vereinigten Staaten eine angefallene Erbschaft weggenommen worden ist. Was hat es für einen Sinn, anders vorzugehen als nach Maßgabe der einzelnen Tatbestände und der für sie angemessenen Lösung?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß bei den Ausschußberatungen über die beiden Entwürfe die heute bei der ersten Lesung zutage getretenen Gegensätze sich mildern werden, besonders wenn es zur Bildung eines Sonderausschusses kommt, der mit Anhängern beider Entwürfe zu besetzen ist. Diese Hoffnung gründet sich darauf, daß, wie schon erwähnt, auch das Gesetz zur Abgeltung der Besatzungsschäden in den Beratungen des damaligen Sonderausschusses für Besatzungsfolgen, damals unter meinem Vorsitz, so vorbereitet werden konnte, daß bei der zweiten und dritten Beratung im Plenum überhaupt keine Änderungsanträge mehr gestellt wurden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dörinkel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, zu den Vorlagen im Namen derjenigen Abgeordneten der Fraktion der FDP zu sprechen, die den Initiativgesetzentwurf Drucksache IV/1762 unterstützen. Da ich dem Bundestag erst seit 1961 angehöre, ist es mir ein aufrichtiges Bedürfnis, allen denjenigen Mitgliedern des Hohen Hauses zu danken, die schon in früheren Legislaturperioden, teilweise zurückreichend bis 1949, im Sinne dieses Entwurfs tätig gewesen sind. Als Mitglied der FDP-Fraktion denke ich dabei in erster Linie an Herrn Dr. Dehler, der als Justizminister und als Abgeordneter die Rechte dieses Personenkreises vertreten hat. Mein Dank gilt aber auch meinen Herren Vorrednern, insbesondere Herrn Justizrat Dr. Weber und Herrn Professor Wahl, die über ein Jahrzehnt hingebungsvoll und unermüdlich an diesen Problemen gearbeitet haben.
Obwohl die Fraktion der SPD das nicht wünscht, wie ich heute von Herrn Kollegen Hirsch gehört habe, muß ich ihr doch auch einen gewissen Dank für die bereits durch Zwischenruf erwähnten Schriftsätze in dem Bundesverfassungsstreit über den Wehrbeitrag aussprechen. Insbesondere die Schriftsätze vom 12. November 1952 und vom 14. Juni 1953 sind auch heute noch in diesem Zusammenhang sehr lesenswert im Hinblick darauf, daß sich die Fraktion der SPD - in deren Namen sind die Schriftsätze ja eingereicht worden - mit der rechtlichen Bedeutung der Annahme des Art. 2 des VI. Teiles des Überleitungsvertrages sehr eingehend auseinandergesetzt hat. Auf den letztgenannten Schriftsatz vom 14. Juni 1953 hat die Bundesregierung dann erwidert. In ihrem Schriftsatz vom 14. August 1953 heißt es wörtlich wie folgt - ich bitte einen Satz mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen zu dürfen -:
Um die Entschädigungspflicht für Reparationsschäden zu begründen, bedarf es keiner besonderen vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage. Sie ergibt sich aus den dem Institut der Enteignung zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen.
Dies alles und natürlich noch viel mehr ist nachzulesen in dem Buch „Der Kampf um den Wehrbeitrag", Band II.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht einen anderen Standpunkt eingenommen hat als Herr Dr. Arndt, und meinen Sie nicht, daß - Herr Dr. Arndt in allen Ehren - in dieser Bundesrepublik der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts maßgebender sein muß?
Herr Kollege Hirsch, ich werde auf die Rechtsprechung noch näher eingehen. An dieser Stelle lag mir nur daran, Sie darauf aufmerksam zu machen, welchen Standpunkt Sie vertreten haben und welche Konsequenzen sich daraus notwendigerweise für Sie eigentlich ergeben müßten, ganz abgesehen davon, daß ich Ihnen natürlich auch - Sie werden das verstehen - von meinem Standpunkt aus noch dankbar dafür bin, daß Sie dadurch die Stellungnahme der Bundesregierung herbeigeführt haben, die ich eben zitiert habe.
Herr Professor Dr. Erich Kaufmann schrieb im Bulletin der Bundesregierung, Nr. 138 vom 19. September 1952, unter anderem folgendes:
Es ist von den liquidierenden Staaten einem bestimmten Kreise deutscher Eigentümer ihr Eigentum an den Auslandswerten entzogen und auf dritte Personen zwecks Abtragung der politischen Reparationsschuld der Bundesrepublik übertragen worden. Es liegt also eine Enteignung zugunsten der Bundesrepublik vor, so daß sie zur Entschädigung der betroffenen Eigentümer gemäß Art. 14 des Grundgesetzes verpflichtet ist.
Herr Professor Dr. Kaufmann war damals nicht nur ständiger Rechtsberater der Bundesregierung, sondern auch ihr Sprecher bei den Verhandlungen über den VI. Teil des Überleitungsvertrages, der am 26. Mai 1952 zusammen mit dem übrigen sogenannten Bonner Vertragswerk unterzeichnet worden ist, jenem Vertragswerk, durch das das Besatzungsstatut abgelöst und die Souveränität der Bundesrepublik ab 5. Mai 1955 hergestellt wurde.
Leider ist nun die Bundesregierung in den folgenden Jahren nicht darum bemüht gewesen, den Reparationsgeschädigten zu diesem von ihr anerkannten
Recht zu verhelfen, ebensowenig wie den übrigen Personenkreisen, die von dem Initiativgesetzentwurf und, soweit er sich mit der Regierungsvorlage deckt, auch von dieser Vorlage nunmehr erfaßt werden.
Um so bedauerlicher ist, daß auf diesem Gebiet nicht wenigstens in den Fällen, in denen es möglich erschien, schon eine finanzielle Aufwendung gemacht wurde. In den Jahren, in denen die Bundesrepublik über den sogenannten Juliusturm verfügte, hätte das möglich sein müssen.
Aber das einzige, was geschehen ist - das wurde schon erwähnt -, ist die Anordnung eines Klagestopps im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vom Jahre 1957.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt, daß die Bundesregierung der Führung von Prozessen in der Praxis keine Hindernisse entscheidender Art in den Weg gelegt habe. Ich muß aber ganz offen sagen: wenn ich in einem Bundesgesetz von einem Klagestopp lese, sehe ich als Staatssekretär oder als Rechtsberater eines Staatsbürgers keine Möglichkeit, entgegen diesem Klagestopp gerichtlich vorzugehen. Es kann nur ganz ausnahmsweise der Fall sein, daß jemand auf diesen kühnen Gedanken verfällt. - Bitte sehr?
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß Gesetze in dieser Bundesrepublik nicht von der Bundesregierung, sondern von diesem Bundestag beschlossen werden?
Ach, ich glaube, ich kann es mir ersparen, Ihnen auf diese Frage eine Antwort zu geben.
Aber ich glaube, daß Ihre Polemik gegen den Herrn Bundesfinanzminister doch etwas verfehlt ist!
Nein. Es ist doch völlig klar, daß es sich hier um eine Vorlage gehandelt hat, die von der Bundesregierung eingebracht und vertreten worden ist, mit der sie sich also identifizierte. Die Unterstellung, daß entgegen einem Bundesgesetz, das einen Klagestopp vorschreibt, die Bundesregierung doch bereit ist, Prozesse zu führen, halte ich für reichlich kühn. Der Staatsbürger oder der Rechtsberater draußen im Lande rechnet damit jedenfalls nicht. Das können Sie auch nicht erwarten.
Es kommt noch folgendes hinzu. Man muß sich die Frage vorlegen: Was hat es für einen Sinn oder was hätte es für einen Sinn gehabt, in dieser Sache die Gerichtsbarkeit in Bewegung zu setzen, wenn hinterher ein § 49 - wie in der Regierungsvorlage vorgesehen - von den gesetzgebenden Instanzen angenommen werden sollte, in dem das Ergebnis rechtskräftiger Urteile zunichte gemacht wird? Ich möchte den Rechtsausschuß doch sehr dringend bitten, sich einmal zu überlegen, was daraus würde, wenn solche Bestimmungen in unsere Gesetze Eingang finden sollten. Der Herr Bundesfinanzminister hat dazu hier einen kleinen Kommentar gegeben, der aber nach meiner Ansicht - so wie es vorgetragen wurde - in dem Wortlaut der Bestimmungen nicht zum Ausdruck gelangt. Aber selbst wenn man das akzeptiert, muß ich sagen, daß es derartige gesetzliche Vorschriften in einem Rechtsstaat eigentlich nicht geben sollte.
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- Ja, das müssen Sie uns zugute halten, Herr Wehner! Darauf haben wir ein bißchen studiert, und wir halten uns für berufen, darauf zu achten, damit diejenigen, die nicht Juristen sind, ein ruhiges Gewissen haben können.
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- Schön, ich freue mich, daß wir uns darüber einig sind.
Nun sind die Dinge also jetzt erst nach Neubildung der Bundesregierung im Jahre 1961 in Bewegung geraten. Ich glaube, wir sind uns, unabhängig von dem Standpunkt im einzelnen, einig, wenn ich sage: Das war und ist auch die allerhöchste Zeit!
Aus diesem Anlaß hat, wie bereits erwähnt wurde, das Bundesfinanzministerium in einer Publikation unter dem 18. Januar 1964 eine Übersicht über die Leistungen gegeben, die zur Beseitigung der Folgen des verlorenen Krieges und des NS- Regimes von der Bundesrepublik bereits erbracht worden sind. Sowohl die einzelnen Summen als auch die Gesamtsumme von 290 Milliarden DM stellen eine imponierende Leistung dar, auf die sicherlich auch der Bundestag stolz sein kann. Nur habe ich nicht ganz verstanden, weshalb diese Publikation anläßlich der Einbringung dieses Gesetzes erfolgt ist. Denn für die Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsgeschädigten ist in dieser Summe auch nicht ein einziger Pfennig enthalten gewesen.
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Diesbezüglich verweist die Bundesregierung in dieser Publikation lediglich auf ihre allgemeine Wirtschafts- und Preispolitik, die das Investitionsklima begünstigt habe. Sie verweist auf steuerliche Vorteile, auf Kredit- und Bürgschaftshilfen zu günstigen Bedingungen. Solche Hilfen haben aber nur einen verhältnismäßig ganz kleinen Kreis der Geschädigten erreicht. Der Herr Bundesfinanzminister hat heute darüber eine Zahl vorgetragen. Wenn ich sie recht im Kopf behalten habe, handelte es sich um insgesamt 166 Anträge. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß viele Geschädigte sich überlegt haben, ob bei ihnen die Voraussetzungen für einen Antrag nach Art. 85 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorgelegen haben. Sie mußten zu dem Ergebnis kommen, daß das entweder mit Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen, unter denen diese Kredite gewährt werden, oder aus sonstigen Gründen für sie nicht in Betracht kam.
Es ist bereits von Prozentsätzen gesprochen worden, um zu zeigen, auf welche Bevölkerungskreise sich die Geschädigten verteilen, welchen Schichten sie wohl zuzurechnen sind. Aber wir müssen auch
einmal ihre Gesamtzahl betrachten, wenn wir die Zahl, die ich eben genannt habe, hinsichtlich der vorläufig gewährten Hilfen richtig werten wollen. Es handelt sich um insgesamt rund 120 000 Schadensfälle, und in 166 Fällen - so wurde vorgetragen - sind Anträge gestellt worden, die auch überwiegend bewilligt worden sind. Aber das Ganze ist verschwindend wenig im Verhältnis zu der großen Zahl. Dabei handelt es sich - das möchte ich noch einmal unterstreichen - zu 87 % um Schadensfälle bis zu 50 000 Mark. Das bedeutet, daß wir es hier mit einem Mittelstandsproblem zu tun haben, das bisher vernachlässigt worden ist.
Der Umstand, daß das finanzielle Schwergewicht bei einer Zahl liegt, die nicht sehr hoch zu veranschlagen ist - es liegen in den höchsten Schadensstufen nur wenige hundert Fälle -, muß dahin führen, daß diesen Verhältnissen durch eine entsprechende Degression Rechnung getragen wird. Sollte der Degressionsvorschlag in dem Initiativgesetzentwurf in dieser Beziehung reformbedürftig sein, so dürfen Sie bei der weiteren Beratung mit den Unterzeichnern des Entwurfs in positivem Sinne rechnen.
Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes wird durch eine Degression nach richtiger Rechtsauffassung nicht verletzt. Deshalb befürchte ich keineswegs, daß bei einer Degression - auch bei Anerkennung des Rechtsstandpunktes - Verfassungsklagen mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können.
Ich habe bereits gesagt, daß auf diesem Gebiet praktisch seit 1952 leider nichts geschehen ist. Das gilt allerdings nicht für das Gebiet der Publikation. Wissenschaftliche Zeitschriften, Fachzeitschriften und andere Organe haben sich sehr wohl mit diesen Dingen auseinandergesetzt. Dabei kann ich allerdings nicht übersehen, daß aus dem Bundesfinanzministerium eine Flut von Artikeln und Informationen publiziert und in Uumlauf gesetzt worden ist, in denen der von der Regierung im Jahre 1952 anerkannte Rechtsanspruch der geschädigten Kreise verneint worden ist. Das geschah sicherlich im rein fiskalischen Interesse!
Es ist deutlich zu sehen, daß dabei zwei Wege beschritten worden sind, mit denen wir uns heute auseinandersetzen müssen. Einmal wurde behauptet, daß bei einer quotalen, degressiven Entschädigung auf der Basis des Rechtsanspruchs ungeheure Summen erforderlich seien, die heute zum Teil auch genannt worden sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Begründung zu dem Regierungsentwurf die Anforderungen des Initiativgesetzentwurfs auf 18 Milliarden DM bemessen. Diese Angabe beruht, wie aus einem an den Vorsitzenden des Lastenausgleichsausschusses des Bundestages gerichteten Schreiben vom 1. Februar dieses Jahres hervorgeht, auf eingehenden Berechnungen. Allerdings wird in diesem Schreiben zugegeben, daß zu diesem Zweck noch Schäden eingerechnet worden sind, die im Initiativgesetzentwurf überhaupt nicht enthalten sind.
Weil wir darüber nichts Näheres wissen, weil wir die eingehenden Berechnungen, von denen die
Rede ist, nicht kennen, können wir hier dazu nicht Stellung nehmen. Ich habe aber an den einzelnen Zahlen gesehen, daß man von früheren eigenen Berechnungen der Bundesregierung abgegangen ist.
So wird z. B. in den allgemeinen Vorbemerkungen zum Entwurf des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955, Anlage zur Drucksache 2900, Seite 240, Ziffer 2, gesagt - damals rechnete man mit einer alsbaldigen Verabschiedung eines Gesetzes zur Entschädigung der Rückerstattungspflichtigen -, daß man von 1 Milliarde Mark auszugehen habe. Insgesamt gebe es danach Rückerstattungsschäden im Betrage von 2 Milliarden Mark, wovon ein Abzug von 500 Millionen Mark für Fälle ides illoyalen Erwerbs zu machen sei, die ja zweifellos - darüber ist sich alle Welt einig - nicht entschädigt werden sollen, sowie ein Abzug in Höhe von ebenfalls 500 Millionen DM für Rückerstattungsfälle der öffentlichen Hand. So kam damals der Haushaltsplan zu einer Gesamtschadenssumme von 1 Milliarde DM. Was lese ich aber jetzt in der Zusammenstellung, die der Regierungsvorlage beigefügt ist? Eine Schätzung von 2,2 Milliarden DM, also eine „Aufwertung" um 120 % Wenn man so vorgeht, kommt man natürlich zu übertrieben hohen Schätzungen.
Als ein für den Initiativgesetzentwurf verantwortlicher Abgeordneter möchte ich die Erklärung abgeben, daß für uns talle, die wir uns mit den Dingen - teils früher, teils später - beschäftigt haben, eine angemessene Berücksichtigung der Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik selbstverständlich von entscheidender Bedeutung ist. Wir haben aber selbst gewissenhafte Schätzungen angestellt, deren Ergebnis von Herrn Dr. Weber bereits vorgetragen worden ist. Es handelt sich insgesamt um eine Kapitalentschädigung von 4,1 Milliarden DM und um 3550 Millionen DM an Zinsen. Die Höhe des Zinsbetrages - hier sind selbstverständlich auch nur 4 % zugrunde gelegt worden - ergibt sich einfach daraus, daß so viele Jahre hindurch für den Kreis der Geschädigten nichts geschehen ist. Das bedeutet - Herr Justizrat Dr. Weber hat es ebenfalls schon gesagt - eine Jahresleistung für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis zum 31. Dezember 1971 in Höhe von 300 Millionen DM für den Bundeshaushalt, und anschließend für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1986 in Höhe von 370 Millionen DM. Das halten wir in Anbetracht der Größen, um die es sich hier handelt, allerdings für vertretbar. Es unterscheidet sich doch ohne jeden Zweifel ganz gewaltig von den Summen, die man - nach unserer Auffassung zu propagandistischen Zwecken - so unter der Hand in die Presse und anderweitig lanciert hat. Ich bin auch davon überzeugt, daß die Unterzeichner ides Initiativgesetzentwurfs bereit wären, sich an solche Summen zu binden, d. h. praktisch bei der weiteren Beratung sicherzustellen, daß solche Summen nicht überschritten werden, was man durch Aufteilung in ein Feststellungsverfahren und eine spätere Zahlung herbeiführen könnte.
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Bitte sehr!
Herr Kollege, sind Sie wirklich der Meinung, daß Ihr Parteifreund, der amtierende Bundesfinanzminister, es nötig hat, Nachrichten unter der Hand in die Öffentlchkeit zu streuen?
Es ist vor seiner Zeit geschehen, Herr Kollege.
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- Nein, es ist noch früher geschehen. Außerdem kommt noch folgendes hinzu: Es gibt Schriftsteller im Bundesfinanzministerium, die offensichtlich das Recht der freien Meinungsäußerung besitzen und die teils unter ihrem Namen, teils aber auch als redaktionelle Informationen solche Zahlen herausgeben.
Sie meinen also, daß jetzt Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium herauskommen hinter dem Rücken des Herrn Ministers und ohne daß sie von ihm gedeckt werden?
Ob sie von ihm gedeckt werden, weiß ich nicht; das kann ich nicht wissen. Es sind Zahlen, die in Zeitschriften publiziert worden sind und die darauf schließen lassen, daß die Informationsquelle im Finanzministerium liegt, aber nicht unmittelbar beim Herrn Minister.
Meinen Sie nicht, daß die richtige Stelle für solche Informationen das Finanzministerium ist?
Ich weiß nicht, ob man das unter allen Umständen wird bejahen können. Ich kann Ihnen aber aus den Stellungnahmen, die dazu auch von anderer sachkundiger Seite publiziert worden sind, sagen, daß man durchaus nicht alle Informationen, die zu diesem Problem erschienen sind, als richtig ansehen kann.
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-Darf ich fragen, ob Sie das Wort haben oder ob ich das Wort habe?!
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- Wir können uns darüber im Ausschuß gern unterhalten. Aber Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich Ihnen, nachdem ich einzelne Beispiele genannt habe, darlege, daß die Schätzung von 18 Milliarden unter gar keinen Umständen einer Kritik standhalten kann. Auf der Basis des Regierungsentwurfs scheint es den Unterzeichnern des Initiativgesetzentwurfs in Anbetracht des von ihnen zugrunde gelegten Rechtsanspruchs unmöglich, eine Einigung zu finden.
Ich muß auch noch zu den 1,7 Milliarden DM, die im Regierungsentwurf veranschlagt werden, etwas bemerken. Diese 1,7 Milliarden DM sollen in 15 Jahren abgetragen werden, was eine Jahresleistung von 110 Millionen DM bedeuten würde. Diese Zahl kann ich nicht als realistisch ansehen, nachdem ich am Beispiel der Rückerstattungsgeschädigten bereits dargelegt habe, daß der Schadensumfang vom Bundesfinanzministerium in der Regierungsvorlage bei weitem überschätzt worden ist. Ich habe Ihnen bereits eine Vergleichszahl aus dem Jahre 1955 genannt. Ich bin deshalb der Auffassung, daß die Entschädigungsleistungen, wie sie in der Regierungsvorlage vorgesehen sind, tatsächlich nur auf zwei Drittel der angesetzten Summe zu veranschlagen sind, also vielleicht auf insgesamt 1,150 Milliarden DM oder 75 Millionen DM jährlich.
Wie das im einzelnen aussehen würde, möchte ich Ihnen am Beispiel der deutschen Schiffahrt darlegen. Bekanntlich sind die deutschen Handelsschiffe nach 1945 ausnahmslos für Reparationsleistungen beschlagnahmt und den deutschen Reedereien entzogen worden. Nach einer gewissenhaften Berechnung des Verbandes deutscher Reeder, die jeder Prüfung standhält, beläuft sich der Gesamtschaden, berechnet auf der Basis des Wertes von 1938, auf 700 Millionen DM. Der reale Schaden ist selbstverständlich noch wesentlich höher, weil die Wiederbeschaffung zu Nachkriegspreisen durchgeführt werden müßte. Aber auf diese 700 Millionen DM würde es nach dem Regierungsentwurf ganze 26 Millionen DM als Entschädigung geben. So sähen die Dinge also in der Praxis aus, wenn man nach den Grundsätzen des Regierungsentwurfs verfahren würde.
Leider ist auch durch Publikationen, die aus dem Haus des Bundesfinanzministeriums heraus in all den Jahren seit 1952 erschienen sind, der Rechtsanspruch, den die Bundesregierung, wie ich dargelegt habe, seinerzeit anerkannt hatte, bestritten worden. Dieser Rechtsanspruch ist in Veröffentlichungen und Rechtsgutachten der Professoren Erler, Jahrreiß, Herbert Krüger, Seidl-Hohenfeldern, Ipsen und Kaufmann erhärtet worden. Bemerkenswert ist dabei vor allem, daß auch der seinerzeitige Rechtsberater und Sprecher der Bundesregierung, Herr Professor Dr. Kaufmann, den ich bereits mit einer Publikation aus dem Jahre 1952 erwähnt habe, in einem Gutachten im Jahre 1962 ausdrücklich seinen früher eingenommenen Rechtsstandpunkt bestätigt hat. Diese gewichtigen Stellungnahmen kann man nicht als Interessentengutachten abtun, wie das gelegentlich versucht worden ist. Das Bundesfinanzministerium hat sich dazu seinerseits ein Rechtsgutachten von Herrn Ministerialdirektor a. D. Bernhard Wolff erstatten lassen, von dem in der Einleitung gesagt wird, er habe das einschlägige Material über die idem Überleitungsvertrag vorangegangenen Verhandlungen heranziehen können, da er daran teilgenommen habe.
Wie ich bereits sagte, war Herr Professor Kaufmann als Sprecher der Bundesregierung bei diesen Verhandlungen selbst tätig. Es ist daher anzunehmen, daß die Materialien, die das Gutachten Wolff verwerten konnte, auch Herrn Professor Kaufmann zur Verfügung gestanden haben. Aber selbst wenn
man dem Gutachten Wolff, das im wesentlichen den aus dem Hause des Bundesfinanzministeriums herausgegangenen Publikationen Rechnung trägt, folgen will, so ist doch sehr bemerkenswert, daß sich auch nach diesem Gutachten der Ausschluß der juristischen Personen von der Entschädigung nach diesem Gesetz nicht rechtfertigen läßt. Das sollte immerhin denjenigen zu denken geben, die glauben, daß man schematisch die Regelungen eines anderen Gesetzes - im vorliegenden Fall des Lastenausgleichsgesetzes - auf die hier vorliegenden Fälle übertragen könnte.
Es ist bereits gesagt worden, daß die Abgeltung der Schäden der Besatzungsgeschädigten auch nicht nach Lastenausgleichsgrundsätzen, sondern abweichend davon durch ein besonderes Gesetz geregelt worden ist.
Ich möchte hier nur feststellen, daß eine einheitliche Rechtsgrundlage im Sinne eines umfassenden Lastenausgleichs nicht vorhanden ist, wie das Herr Professor Dr. Wahl schon vor mir eingehend dargelegt hat. Die Rechtsgrundlagen, um die es sich hier handelt, ergeben sich aus ganz bestimmten Überlegungen: Unsere ehemaligen Kriegsgegner haben wegen des Angriffskriegs, den die nationalsozialistische Reichsregierung geführt hat, Reparationen verlangt. In allen einschlägigen Verträgen und Proklamationen, angefangen von den Erklärungen, die auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 abgegeben sind, haben die Alliierten aber immer wieder erklärt, daß Schuldner dieser Reparationen der Staat und nicht die einzelne Privatperson sei.
Ob es im Völkerrecht überhaupt einen Reparationsanspruch dieser Art gibt, ist zwar umstritten. In zunehmendem Maße bekennt sich aber die Völkerrechtslehre dazu, daß seit Abschluß des BriandKellog-Paktes im Jahre 1928, durch den der Angriffskrieg geächtet worden ist, ein Reparationsanspruch bei Verletzung dieser völkerrechtlichen Verpflichtung bejaht werden muß. In jedem Falle richtet sich aber ein Reparationsanspruch nur gegen den angreifenden Staat, nicht gegen das private Eigentum seiner Bürger. Die gesamte Völkerrechtslehre, soweit sie ernst zu nehmen ist, ist darüber einig, daß die Verwertung von Privateigentum zu Reparationszwecken völkerrechtswidrig ist.
Das hat auch die Bundesregierung seit ihrem Bestehen, also schon seit 1949, gegenüber den Maßnahmen und Anordnungen der Alliierten stets zum Ausdruck gebracht. So geschah es insbesondere auch gegenüber dem Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. August 1951, mit dem die diesbezüglichen Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 5 ersetzt worden sind.
Bei den Verhandlungen über den VI. Teil des Überleitungsvertrages verlangten die Alliierten jedoch eine rechtliche Anerkennung dieser Maßnahmen und die Aufrechterhaltung des Gesetzes Nr. 63 auch für die Zeit nach Beendigung des Besatzungsregimes. Ob man das nun als „Anerkennung" bezeichnet oder als „Hinnahme" oder als einen „Verzicht auf Einwendungen" ist tatsächlich und rechtlich
unerheblich. Tatsache ist und bleibt, ,daß die Bundesregierung durch die im VI. Teil des Überleitungsvertrages gefundenen Formulierungen auf die eigene Rechtsposition und die Rechtsposition ihrer geschädigten Bürger verzichtet hat. Was das Gesetz Nr. 63 anlangt, so hat sich die Bundesregierung überdies verpflichtet, die Bestimmungen dieses Gesetzes ohne die Zustimmung ,der übrigen Vertragspartner nicht zu ändern. Auch hier ist es gleichgültig, ob man das als eine „Festschreibung", als eine „Versteinerung" oder als eine „Transformierung" des Gesetzes Nr. 63 bezeichnet. Es ist ferner gleichgültig, daß die Bundesregierung außerhalb des Überleitungsvertrages die Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes betont hat. In dem Überleitungsvertrag selbst hat sie das bis dahin auf diesem Gebiet geschehene Unrecht dadurch in seither bestehendes Recht verwandelt, daß sie sich die Erklärungen abringen ließ, von denen ich eben gesprochen habe.
Sie hat es insbesondere unmöglich gemacht, daß die geschädigten Staatsbürger, sei es vor deutschen Gerichten, sei es vor Gerichten in dritten Ländern oder letzten Endes auch vor Gerichten der alliierten Staaten, hätten Klage erheben können. Die Möglichkeit einer Klageerhebung in den alliierten Ländern mag man gering veranschlagen. Die Klagen vor den deutschen Gerichten oder vor Gerichten neutraler Staaten boten aber, solange dieses Vertragswerk nicht vorlag durchaus Aussicht auf Erfolg. Die Bundesregierung kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß im Vertrage selbst formell nur auf die Zulassung von Klagen vor deutschen Gerichten Verzicht geleistet wurde. Durch den materiell-rechtlichen Verzicht ist die Rechtsposition der Geschädigten auch in den neutralen Staaten einwandfrei zerstört worden. Das läßt die Rechtsprechung namentlich in Osterreich und in der Schweiz, wo eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen vorliegt, eindeutig erkennen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Zusammenstellung der Gerichtsurteile verweisen, die in dem Gutachten von Professor Seidl-Hohenfeldern auf Seite 70 ff. zu finden ist.
Natürlich hat die Bundesregierung das alles nicht ohne Widerstreben getan. Die Materialien über die Verhandlungen lassen erkennen, daß sie beträchtlichen Widerstand geleistet hat. Da der Bundesregierung aber an der Beendigung des Besatzungsregimes und an der Erlangung der Souveränität für die Bundesrepublik gelegen war und auch gelegen sein mußte, hat sie in diesen sauren Apfel gebissen. Sie hat auch noch in einen zweiten sauren Apfel gebissen, nämlich durch ausdrückliche Übernahme der Verpflichtung, die früheren Eigentümer der für Reparationszwecke entzogenen Vermögenswerte zu entschädigen.
Die Alliierten hatten in der Zeit des Besatzungsregimes auch die deutschen Vermögenswerte an sich gezogen, die im neutralen Ausland verblieben waren. Diese Werte konnten von ihnen, als sie die Macht in unserem Lande hatten, erfaßt und beschlagnahmt werden. Als sich die Staaten, die im Kriege neutral geblieben waren, aus völkerrechtlichen Gründen gegen die Liquidierung dieser Werte sträubten, wurden sie damit beschwichtigt, daß die
Alliierten für eine Entschädigung der betroffenen Personen sorgen würden. Infolgedessen verlangten die Alliierten bei den Verhandlungen über den Überleitungsvertrag, speziell den VI. Teil des Überleitungsvertrages, zunächst volle Entschädigung dieses Personenkreises. Demgegenüber hat die deutsche Delegation unter Führung von Herrn Professor Dr. Kaufmann mit Recht darauf hingewiesen, daß eine solche Verpflichtung zur Entschädigung nur nach Maßgabe des Grundgesetzes und der Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik übernommen werden könne.
Das war natürlich richtig. Es bedeutete aber, daß man von vornherein, wenn man auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Bezug nahm, nicht nur an den Art. 3, also an den Gleichheitsgrundsatz, sondern auch an den Art. 14, an den Enteignungsgrundsatz, zu denken hatte und auch tatsächlich gedacht hat. Die Konsequenzen, die die Bundesregierung selbst im damaligen Zeitpunkt, 1952 und 1953, gezogen hat, habe ich bereits eingangs vorgetragen.
Ich muß nun noch zu einigen Thesen Stellung nehmen, die teils unmittelbar vom Bundesfinanzministerium aufgestellt worden sind, teils in dem Gutachten Wolff vertreten werden. Ich tue das nur insoweit, als ich es nicht bereits in einem anderen Zusammenhang getan habe, und auch nur insoweit, als es ganz besonders bedeutsam ist.
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Da ist zunächst die Behauptung, die auch hier schon in der Diskussion vorgetragen wurde, daß die Rechtsprechung bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht den Rechtsanspruch der Reparationsgeschädigten bereits verneint habe. Diese Behauptung ist unrichtig. Es kann sich nach meiner Auffassung hierbei nur um diejenigen Gerichtsurteile handeln, die sich auf Rechtsstreitigkeiten der Requisitionsgeschädigten beziehen, deren Rechtslage eine ganz andere ist als die der Reparationsgeschädigten. Ich darf insoweit auf das Rechtsgutachten von Herrn Professor Ipsen auf Seite 189 ff. verweisen.
Selbstverständlich kann man ein so umfassendes Gutachten wie das von Wolff, das die Bundesregierung zur Stützung ihres Standpunktes hat erstellen lassen, nicht eingehender behandeln. Ich möchte aber einen Punkt noch hervorheben. In dem Überleitungsvertrag wird auf eine zukünftige Regelung des Reparationsproblems Bezug genommen. Aber auch in dem Gutachten Wolff wird der Standpunkt vertreten, daß es sich insoweit um einen rein theoretischen Hinweis handelt und daß eine Vertagung ad calendas graecas anzunehmen ist.
Nun vermißt das Gutachten Wolff insbesondere eine bezifferte Festlegung der Höhe der Reparationsforderungen in dem Überleitungsvertrag. Es kann aber nicht der geringste Zweifel darüber sein, daß die Reparationsentnahmen, soweit sie in Übereinstimmung mit dem Gesetz Nr. 63 erfolgt waren oder damals noch erfolgten, nicht nur vorläufig, sondern endgültig waren. Um das festzulegen, forderten die Aliierten von der Bundesrepublik die von der Bundesregierung zugestandene Festschreibung des Gesetzes Nr. 63, den Verzicht auf Einwendungen und den Verzicht auf Klageerhebungen vor den Gerichten. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß in dieser Höhe eine endgültige Anerkennung von Reparationsforderungen vorlag. Die Voraussetzung für die Existenz einer Forderung besteht auch keineswegs darin, daß sie in ihrem gesamten Umfang, insbesondere wenn es sich um eine Schadensersatzforderung handelt, festgestellt und beziffert wird.
({3})
Fahren Sie fort, Herr Kollege! Aber ich mache darauf aufmerksam, daß in einer ersten Lesung
({0})
nur die Grundzüge einer Vorlage besprochen werden dürfen.
Aber, meine Damen und Herren, vor allem hat der Präsident die Redefreiheit zu schützen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt.
({1})
Zutreffend wird man die Regelung des Reparationsproblems zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten in dem VI. Teil des Überleitungsvertrags nur dahingehend charakterisieren dürfen, daß es sich formell nicht um eine vorläufige Lösung, sondern um eine Teillösung handelt, die materiell endgültig ist. Unter diesen Voraussetzungen bestehen nicht die geringsten Bedenken dagegen, daß insoweit ein Rechtsanspruch der Geschädigten entstanden ist, dem durch die Entschädigungsgesetzgebung der Bundesrepublik Rechnung getragen werden muß. Danach ist die Bundesregierung, wie sie im Jahre 1952 selbst anerkannt hat, verpflichtet, für eine Entschädigung der den Eigentümern entzogenen Vermögenswerte Sorge zu tragen. Dazu hat sie sich überdies in dem Überleitungsvertrag völkerrechtlich verpflichtet.
Daß eine Regelung nach den Grundsätzen des Lastenausgleichs keine Entschädigung darstellt, bedarf weiterer Ausführungen eigentlich nicht. Die Berechtigten aus dem Lastenausgleichsgesetz wissen das selbst am besten. Das Lastenausgleichsgesetz ist den sozialen Maßnahmen zuzurechnen.
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Durch die Anrechnung des sogenannten Stichtagsvermögens teilt man die geschädigten Personen nach Maßgabe des Lastenausgleichsgesetzes in solche ein, die eine Entschädigung erhalten, und in solche, die leider leer ausgegangen sind.
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Auch die juristischen Personen erhalten nach dem Lastenausgleichsgesetz keinen Schadensersatz. Ich habe bereits dargelegt, daß selbst nach dem Gutachten Wolff den juristischen Personen ein solcher Anspruch in diesem Fall zuzuerkennen ist. Nach den hier zu beachtenden Rechtsgrundsätzen müssen die früheren Eigentümer unter Beachtung der GrundDr. Dörinkel
sätze des Art. 14 des Grundgesetzes und selbstverständlich der Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik entschädigt werden, wobei eine degressive Staffelung nach der Schadenshöhe durchaus erlaubt ist. Individuelle Vorleistungen, insbesondere steuerrechtliche Abschreibungen auf die Schäden, sind anzurechnen. Es ist von Interesse, daß der § 12 Abs. 1 des Initiativgesetzentwurfs diese Anrechnung vorsieht, während die Regierungsvorlage sie vermissen läßt.
Zu der Behandlung der Rückerstattungsschäden ist hier bereits eingehend Stellung genommen worden. Ich darf wiederholen, daß selbstverständlich lediglich die loyalen Rückerstattungsfälle eine solche Berücksichtigung verdienen. Es ist aber zweifellos bedauerlich, daß gerade auf diesem Gebiet bis heute noch keine Regelung ergangen ist. Immerhin hat schon der 1. Deutsche Bundestag in zwei Beschlüssen eine solche Regelung gefordert, zuletzt am 18. März 1953 durch Annahme des Antrags der Fraktion der FDP, Umdruck 795, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden ist, bis zum 1. Mai 1953 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Inzwischen liegen auch zahlreiche Äußerungen aus dem Kreise der politisch, rassisch und religiös Verfolgten vor, in denen eine solche Gesetzgebung gefordert und begrüßt wird.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt, bei Anerkennung des Initiativgesetzentwurfs wäre mit zusätzlichen Forderungen der Lastenausgleichsberechtigten zu rechnen. Dieser Standpunkt ist in der Diskussion von verschiedenen Rednern unterstrichen worden. Es ist durchaus möglich, daß diese Kreise nachprüfen, inwieweit auch ihnen etwa noch weitere Ansprüche zustehen könnten. Aber die Rechtsansprüche, um die es sich hier handelt, können dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Ich möchte mich dem Antrag anschließen, den Regierungsentwurf und den Initiativgesetzentwurf einem zu diesem Zweck zu bildenden Sonderausschuß zur Prüfung zu überweisen.
({2})
In jedem Falle drängt die Zeit,
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aus dem einfachen Grunde, weil der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen, insbesondere in der Entscheidung vom 30. Januar 1961 zum Ausdruck gebracht hat, daß der Klagestopp des § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes über die Legislaturperiode dieses Bundestages hinaus nicht aufrechterhalten werden kann.
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Ja, bitte!
Herr Kollege, da Sie vorhin so deutlich die Überlegenheit eines studierten Juristen gegenüber einem gewöhnlicher Sterblichen wie Herrn
Wehner betont haben, ist Ihnen doch sicherlich bekannt, daß der Antrag auf Einsetzung des Sonderausschusses heute nicht behandelt werden kann? Um Ihnen etwas aufzuhelfen: er steht nämlich nicht auf der Tagesordnung!
({0})
Ob der Antrag nicht behandelt werden kann, werden wir nachher sehen.
Ich kann mich nur dem Antrag anschließen, den mein Herr Vorredner gestellt hat. Ich habe diesen Antrag weder gestellt noch begründet. Ich habe lediglich gesagt, daß ich den Antrag für zweckmäßig halte aus dem einfachen Grunde, weil wir dem Abschluß der Beratungen so schnell wie möglich zustreben müssen.
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Wenn Sie aber diesem Antrag nicht folgen wollen, so bitte ich in jedem Falle darum, auch noch den Wirtschaftsausschuß zu beteiligen sowie natürlich ganz besonders den Rechtsausschuß, um die hier vorliegenden schwerwiegenden rechtlichen Fragen vorweg prüfen zu lassen.
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Bitte sehr!
Herr Abgeordneter Heinemann!
Sie sind im Verlauf Ihrer Ausführungen wiederholt auf das Verfassungsrecht und auf das Bundesverfassungsgericht zu sprechen gekommen. Darf ich Sie fragen, ob Ihnen bewußt ist, daß das Bundesverfassungsgericht dank der von Ihnen und Ihren Freunden beschlossenen Herabsetzung der Zahl der Richter auch zu den Demontagegeschädigten gehört und infolgedessen die Aufgaben, die Sie ihm mit Ihren langen Ausführungen wiederholt zugemessen haben, gar nicht wird erfüllen können?
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Ich kann diese Frage wohl kaum ernst nehmen, sie ist ja auch nicht ernsthaft gestellt worden.
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Ich finde es lächerlich, den Begriff der Demontage auf das Bundesverfassungsgericht anzuwenden. Diese Bemerkung kann ich mir nicht versagen. Es handelt sich hier um ein viel zu ernstes Anliegen,
({1})
als daß man mit unsachlichen und offenbar nicht ernst gemeinten Bemerkungen stören sollte. Es kann doch kein Zweifel darüber sein, daß in höchstrichterlichen Entscheidungen, insbesondere des Bundesgerichtshofs, zum Ausdruck gebracht worden ist, daß diese Gesetzgebung spätestens im Laufe der jetzigen Legislaturperiode verabschiedet werden muß, weil sonst der Klagestopp nicht mehr durchzuführen ist. Daher empfiehlt sich eine beschleunigte Verabschiedung.
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Ich halte mich für verpflichtet, zwei Feststellungen zu treffen. Wenn das Bundesministerium der Finanzen Zahlen herausgibt, werden sie von mir gedeckt. Das ist selbstverständlich; dafür trägt der Bundesfinanzminister die Verantwortung. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur sagen, daß manchmal von Zahlen behauptet wird, sie kämen aus dem Bundesministerium der Finanzen, sie kommen aber nicht da her.
Zu der Frage, ob 18 Milliarden, 13 Milliarden oder 7 Milliarden das Volumen sind, hatte ich bereits vorhin etwas gesagt. Auch wenn es nur 7 Milliarden sein sollten, halte ich ein solches Volumen für untragbar.
Ich stelle fest: Herr Wolff, den das Bundesministerium der Finanzen um ein Gutachten gebeten hatte, hat eindeutig einen Rechtsanspruch auf Entschädigung verneint. Er kommt zu der Feststellung, daß die Reparationsschäden gegenüber den im Lastenausgleichsrecht geregelten Kriegsschäden keine strukturelle Unterscheidung haben, und er sagt auch, daß die im Überleitungsvertrag vorgesehene Entschädigungsregelung nicht nach Enteignungsgrundsätzen im Sinne des Artikels 14 des Grundgesetzes zu erfolgen braucht.
Nun hat Herr Kollege Dörinkel sich auf den Gutachter des Finanzministeriums berufen und hat ihn gelobt. Um so mehr muß dieses Gutachten ja an Gewicht und an Wert gewinnen, weil der Gutachter tatsächlich gesagt hat, daß nach dem Überleitungsvertrag auch juristische Personen einbezogen werden müssen. Er hatte aber, und das möchte ich nachtragen, auch gesagt, die Bundesrepublik sei in bezug auf Art und Umfang der für juristische Personen in Betracht kommenden Entschädigung 'in keiner Weise gebunden. Es genüge, Vergünstigungen, die in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einer Entschädigung gleichkommen, dagegenzurechnen. Das haben wir getan und sind der Meinung gewesen, in dem Regierungsentwurf juristische Personen auslassen zu können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sänger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach soviel tiefgründigem juristischen Wissen und advokatorischer Akkuratesse möchte ich auf diesem Gebiet zur Sache nichts mehr sagen. Bitte erlauben Sie mir aber, daß ich zunächst dem Herrn Kollegen Dr. Weber ein freundliches Wort sage. Er ist heute von verschiedenen Seiten, auch seiner eigenen Fraktion, heftig angegriffen worden. Ich finde, Herr Kollege Dr. Weber, das kam Ihnen in dem Maße gar nicht zu; denn Sie stehen ja nicht allein unter dieser langen Reihe von Namen, die einen Gesetzentwurf unterschrieben haben, der an Mißachtung sozialer Gerechtigkeit und an Verkennung der Wirklichkeit nicht sehr viel zu wünschen übrig läßt.
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Ich habe nur die Hoffnung, daß einige von denen, die ihn unterschrieben haben, nun aus dieser Debatte wissen, was drinsteht, und bis zu dem Augenblick, in dem wir zur Kasse gerufen werden, das heißt also: zur Abstimmung, wissen werden, was sie zweckmäßigerweise zu tun haben. Denn, meine Damen und Herren, hier geht es um eine Entscheidung aus sozialer Verantwortung.
Und da ist noch eine Rechnung darin, und über die Rechnung möchte ich gern etwas sagen. Da, Herr Bundesfinanzminister, erlauben Sie mir bitte, daß ich nun wenigstens Zahlen ,aus dem Bundesfinanzministerium nehme, weil Sie sie heute hier genannt haben. Ich trete Ihnen mit diesen Zahlen nicht in, sondern an die Seite. Es geht um folgendes. Sie sagten: Wir werden nach dem Entwurf, den das Bundesfinanzministerium, den die Bundesregierung vorgelegt hat, im Minimalfall 1,7 Milliarden DM aufzuwenden haben. Wir ringen nun um jede Mark. Hätte diese Bundesregierung - und darauf komme ich im einzelnen jetzt noch zu sprechen - die einmal von einem ,der Siegerstaaten uns angebotene sogenannte kleine Lösung bei der Rückerstattung beschlagnahmten deutschen Eigentums, nämlich in den Vereinigten Staaten, angenommen, so hätten Sie, Herr Bundesfinanzminister, heute die Möglichkeit, etwa 25 % oder noch etwas mehr .dieser Summe einnehmen zu können, nämlich 360 Millionen DM, zu deren Rückzahlung an Deutsche, deren Vermögen in den Vereinigten Staaten bei Kriegsende oder während des Krieges beschlagnahmt worden war, die Vereinigten Staaten bereit waren. Hier liegt die Aufgabe, meine Damen und Herren, in Erinnerung zu rufen, daß von den vergangenen Regierungen in dieser Beziehung ein Versäumnis begangen worden ist, indem formales Recht über soziale Gerechtigkeit gestellt worden ist. Damall hätten von allen denen, die in Amerika Ansprüche hatten, 90 % aller natürlichen Personen mit ihren Ansprüchen befriedigt werden können. Das wären 15 bis 18 % der gesamten Vermögenswerte gewesen, die damals in den Vereinigten Staaten zurückgehalten worden sind und heute noch zurückgehalten werden. Das war eine Politik nach dem Grundsatz „Alles oder nichts", und das ist überhaupt keine Politik; denn niemals kann man Politik nennen, was nach einem solchen Grundsatz geschehen soll. Politik ist nun einmal Kompromiß.
Jetzt stehen diese Regierung und dieser Finanzminister vor der Aufgabe, allein aus deutschen Mitteln auch diesen Betrag noch zu bezahlen. Das müssen sie tun. Wir müssen uns fragen, meine Damen und Herren - und ich will das in aller Kürze tun -, warum die Bundesregierung damals auf diesen wiederholt angebotenen Betrag verzichtet hat. Es geschah aus einer grundsätzlichen Erwägung. Sie hoffte auf eine Änderung. Sie hatte Optimismus und glaubte, ihr Optimismus sei berechtigt. Aber es war nichts anderes, auch in diesem Falle - das ist eine grundsätzliche außenpolitische Bemerkung - als eine Verkennung der drüben wirklich wirkenden Kräfte. Es gab nie einen Zweifel darüber, daß der Beschluß des amerikanischen Kongresses, der im Jahre 1948, drei Jahre nach Kriegsende, gefaßt wurde und der eine Entschädigung für die Beschlagnahme des Sach- und Finanzeigentums japanischer und deutscher Staatsbürger nach Kriegsende vorsah, aufgehoben werden :würde. Niemand konnte das nach den Umständen, unter denen er zustande gekommen war, :bezweifeln. Viele Personen waren daran interessiert. Ich sagte schon: 90% hätten ihr Geld bekommen können. Es gab in den Vereinigten Staaten nach diesem Beschluß leine Debatte. Aus dieser darf ich einen Satz zitieren - ich habe, wenn ich mich recht erinnere, ja schon eine generelle Genehmigung von dem Herrn Präsidenten bekommen -, und zwar aus einer Rede des damaligen Außenminister Dulles aus dem Jahre 1954. Er sagte:
Wir würden gern eine Rückkehr zu unserer historischen Einstellung, zu der Auffassung von der Unverletzlichkeit des privaten Eigentums in Kriegszeiten, vornehmen.
Aber das war eben nicht möglich; der Kongreß hatte beschlossen.
Mit diesem Satz - und damit möchte ich darauf hinweisen, wie notwendig es ist, sorgfältig zu analysieren, was im Ausland an Äußerungen und Geschehnissen zu hören und zu erfahren ist - hat der Außenminister Dulles kaum mehr als eine diplomatische Geste gemacht. Zwei Jahre, nachdem er ihn ausgesprochen hatte, stand im Repräsentantenhaus die Entschließung für volle Rückgabe an, und die Regierung in der Person des Herrn Dulles erklärte, sie könne die volle Rückgabe nicht befürworten.
Auch der Rechtsausschuß des Senats - um es kurz zu machen - hat dann noch einmal einen Versuch unternommen. Als die Meldungen darüber kamen, waren Sie mit der Warnung versehen, daß dieser Beschluß des Rechtsausschusses des Senats keine Zustimmung finden werde. Es gab eine Fülle von Einschränkungen in diesem Entwurf, die man übrigens in den Nachrichten, die wir bekamen, erst einmal heraussuchen mußte. Es kam die vielen von uns bekannte Deklaration des Weißen Hauses, aber sie kam so kurz vor den Wahlen 1957, daß sie in unmittelbare Verbindung mit diesen Wahlen gebracht wurde und den Verdacht der Wahlhilfe für eine bestimmte politische Partei in Deutschland - Sie können sie sich aussuchen - erregte. Dies gibt eine Reihe von Beispielen über Mißdeutungen.
Ich will noch darauf hinweisen, daß sich das Hohe Haus bemühte, diese Mißdeutungen schließlich damit abzutun, daß es am 4. Juli 1958 die Regierung in einer Entschließung aufforderte, bei der amerikanischen Regierung erneut vorstellig zu werden, um endlich in der Frage der Rückgabe des deutschen Vermögens in den USA zu einer gerechten Regelung zu kommen. In dieser Entschließung - und das sage ich im Blick auf die Reden, die dazu gehalten worden sind - hieß es nicht: d e s deutschen Vermögens - also des gesamten -, und es hieß in dieser Entschließung auch nicht, daß eine Regelung prinzipieller Art, so wie sie das Völkerrecht oder die Moral unter den Nationen vorsehen mag, getroffen werden sollte, sondern es sollte eine gerechte Regelung getroffen werden.
Das ist dann ein Jahr später in einer Entschließung wiederholt worden, und es wurde nur noch einmal deutlich, daß es sich hier um das Thema „soziale Gerechtigkeit" und nicht um das Thema „formales Recht" handelt.
Damals ist von der Bundesregierung im Bulletin gesagt worden - wer es nachlesen möchte: 16. September 1958 -, es könne der deutschen Seite aber nicht zugemutet werden, Erklärungen abzugeben, durch die sie ausdrücklich in die Benachteiligung einer Eigentümergruppe einwillige, nur um die teilweise Befriedigung einer anderen Gruppe zu ermöglichen. Es handelte sich eben um 10 %, und es handelte sich um 90 %. Oder anders ausgedrückt: es handelte sich um die Großbesitzer, und es handelte sich um die ehemaligen Hausmädchen, Kellner, Angestellten, Seeleute und ähnliche mehr, die dort in den Vereinigten Staaten ihre Ersparnisse verloren hatten. Es wurde nichts genommen. Das hat niemandem einen Nutzen gebracht, Ihnen, Herr Finanzminister, aber den Schaden, daß Sie nun auch noch diese 350 oder 360 Millionen, um die es da ging, mit aufzubringen haben. Die Großen hatten im übrigen zu dieser Zeit die Verluste wahrscheinlich längst überwunden durch gute Geschäfte, die sie nicht zuletzt mit den Vereinigten Staaten selber gemacht haben.
Noch ein letztes Kapitel dazu: Obwohl so klare Beschlüsse, so klare Vorstellungen von Parlament und Regierung vorlagen, hatten die Vereinigten Staaten im Dezember 1960 noch einmal den Versuch unternommen - in Deutschland kaum bekannt -, dem damaligen deutschen Botschafter Dr. Grewe durch den Finanzminsiter Anderson anbieten zu lassen, doch noch einmal auf die kleine Lösung zurückzukommen. Wenn ich recht unterrichtet bin, handelte es sich gar nicht nur um ein Angebot, sondern um einen schon im Entwurf vorliegenden Vertrag. Der deutsche Botschafter wurde von seiner Regierung angewiesen, zu diesem Angebot nein zu sagen,
({1})
das noch einmal nach so vielen Jahren und entgegen dem Beschluß des Repräsentantenhauses gemacht wurde.
Dann kamen die Anfragen hier im Hohen Haus, die von Herrn Dr. Mommer gestellt wurden. Im
Jahre 1962 wurde die Ansicht des Bundesfinanzministeriums bekannt, eine Entschädigung nach den Bestimmungen des Lastenausgleichs zu erarbeiten. Wir hörten im Januar 1962 von Herrn Professor Hettlage, daß der Entwurf bis zur Sommerpause vorliegen werde. Heute haben wir Februar 1964 und den Entwurf endlich vor uns. Das hat also zwei Jahre gedauert, und das soziale Gewissen war sehr still in diesen zwei Jahren. Aber hier war Gelegenheit, schnell zu geben und, wenn wir die Summe genommen hätten, auch mehr zu geben, wie ich hoffe. Das Ergebnis bleibt, daß Politik, Einfluß und Haltung unserer Bundesregierung es nicht vermocht haben, eine befriedigende Lösung in einem Kompromiß mit den Vereinigten Staaten herbeizuführen, um diesen Teilbetrag zur Gesamtaufwendung hinzuzunehmen, die wir nötig haben, und daß zweitens eine Lösung in Deutschland so lange hat auf sich warten lassen müssen. Um der politischen Klarheit und um der historischen Wahrheit willen mußte dies festgestellt werden.
Nun wird und nun muß den Geschädigten geholfen werden, und wenn nicht unerhebliche Mittel erforderlich werden - ohne diese amerikanische Rückerstattung -, dann muß der Herr Finanzminister die zusätzliche Belastung aus dem Staatssäckel tragen und die Verantwortung dort anmelden, wo sie zu tragen ist.
Herr Dr. Weber schloß - wenn ich nicht irre, war er es - seine Rede mit der Kritik, daß bisher das Schlagwort regiert habe. Lassen Sie mich diese Kritik aufnehmen, Herr Dr. Weber: Es hat das Schlagwort regiert, daß der „Rechtsanspruch" zu gelten habe. Ich finde, künftig sollte der Grundsatz unseres Grundgesetzes regieren, daß soziale Gerechtigkeit zu üben ist.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Aussprache, die heute stattgefunden hat, im Jahre 1875 im Reichstag stattgefunden und man sich dort darüber unterhalten hätte, wie die allgemeinen Kriegsschäden, die möglicherweise auf deutschem Boden entstanden wären, hätten abgegolten werden sollen, hätte ich dafür Verständnis gehabt. Aber ich fürchte, meine Damen und Herren, hier wird eines übersehen: daß wir in dem vergangenen Krieg Millionen von Toten hatten,
({0})
daß in ihm Hunderte von Städten in Asche zusammengesunken sind, daß es zahllose Kriegsbeschädigte und daß es Frauen gab, die ihre Männer verloren hatten. Hier aber wird nun der Versuch unternommen, Mark auf Mark zurückzubekommen für materielle Schäden!
({1})
Nun, ich will Ihnen sagen, meine Damen und Herren: sicherlich würde, wenn es möglich wäre, jeder in diesem Hause hier gern - ich darf das zumindest für meine Fraktion sagen - eine gerechte und ausreichende Entschädigung geben. Die Initiatoren des Antrags auf Drucksache IV/1762 - wie Herr Dr. Weber oder Herr Professor Dr. Wahl oder Dr. Thomas Dehler oder der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Herr Hoogen - garantieren mir dafür, daß die Gesinnung, die zu diesem Antrag führte, sicherlich nur rechtlichen Erwägungen entspringt. Ich möchte mich dagegen wenden, daß diesen Herren unterstellt wird, sie wollten etwa für die Großverdiener oder die BASF- oder IG-Leute eine Mordsentschädigung herausholen. Daran lag diesen Herren nicht.
({2})
- Nein, das lag ihnen nicht am Herzen, und mir kommt es auf die Gesinnung an, aus der dieser Antrag gestellt worden ist.
({3})
- Ich weiß nicht, ob man in der Politik nur für Honorar arbeitet, auch das Honorar, an die Regierung zu kommen. Aber ich bin der Meinung, daß das diesen Menschen nicht unterstellt werden darf.
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Meine Damen und Herren, ich fürchte jedoch, dabei ist der Fehler gemacht worden, daß über diesen Rechtstatbeständen die Lebenstatbestände vergessen worden sind. Mich haben die Ausführungen des Kollegen Windelen sehr beeindruckt, der hier ja sehr offen und deutlich gesagt hat, was auf der anderen Seite noch zu erledigen gewesen wäre und daß sich diese Millionen von Flüchtlingen und Kriegssachgeschädigten mit einer billigen Entschädigung begnügen mußten. Man muß natürlich auch die Relation zu diesen Geschädigten herstellen, die zweifellos ebenfalls eine Entschädigung verdienen. Was sollen den diejenigen sagen, die acht Jahre lang in Rußland, in Sibirien gearbeitet haben und nun sehen, daß für sie alle, die dieses Schicksal auf sich nehmen mußten, 40 Millionen Mark gegeben wurden? Denken Sie an die Querschnittsgelähmten, die ihr ganzes Lebensglück hergeben mußten und dafür ein paar hundert Mark Entschädigung bekommen! Denken Sie an die Menschen, die durch den Krieg Blinde geworden sind und mehr verloren haben als materielle Güter!
Meine Damen und Herren, es wird von dem Rechtsanspruch gesprochen. Ich frage auch nach dem Rechtsanspruch für ,die Währungsgeschädigten. Liegt hier nicht genau derselbe Rechtsanspruch vor? Die Leute wurden aus den Verhältnissen des Krieges heraus mit 6,5 % abgefunden, und jeder, der seinerzeit seinen Lebensabend durch ein Sparkonto oder durch andere Geldwerte gesichert glaubte, steht nun vor den Trümmern seines Vermögens.
Ich bin fest davon überzeugt, daß 'bei diesen Tatbeständen die Reparationsgeschädigten und die anderen betroffenen Gruppen, wenn sie den Bericht der heutigen Debatte lesen, Verständnis dafür haben werden, daß wir nicht so entscheiden können, wie wir es an sich gern täten. Der RegierungsentDeutschei Bundestag - 4. Wahlperiode Dr. Rutschke
wurf Drucksache IV/1456 ist zwar auch nicht der Weisheit letzter Schluß, aber er bringt doch etwas mehr als nur eine 'Beseitigung von Härten. Ich glaube, daß er sich im Vergleich mit den anderen Entschädigungsgesetzen durchaus sehen lassen kann.
Meine Damen und Herren, wer meint, er könne sich in der Politik unter Außerachtlassung der Lebenstatbestände an zum Teil formaljuristischen Tatbeständen orientieren, läuft Gefahr, den Satz auf sich zu ziehen: Fiat iustitia, pereat mundus!
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sänger hat das Problem aus außenpolitischer Sicht behandelt. Ich halte es für ausgeschlossen, nach dieser langen Debatte noch heute abend so schwierige Fragen zu behandeln, ohne sich das Quellenmaterial noch einmal vor Augen geführt zu haben.
Aber eines, lieber Freund Sänger, muß ich Ihnen sagen: So geht das auch nicht! Sie haben es so darzustellen versucht, als wenn die Bundesregierung ein schweres Versäumnis begangen hätte, indem sie 10 % nicht genommen hat. Aber von ihr ist, wenn ich mich recht erinnere, verlangt worden, ausdrücklich auf 90% zu verzichten. Dann hätten die anderen, auf deren Ansprüche ein ausdrücklicher Verzicht geleistet worden wäre, möglicherweise die Bundesrepublik Deutschland so in Anspruch nehmen können, wie das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Fällen geschehen ist, bei denen deutsche Behörden eigenverantwortlich - im Südwestraum, in Bayern bei den Holzeinschlägen - mitgewirkt haben. Ob das vor Jahr und Tag richtig war oder nicht, ob die Gefahr sehr groß war, können wir heute abend, wie gesagt, nicht untersuchen. Aber ich glaube, daß wir uns darüber einmal bei anderer Gelegenheit unterhalten können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sänger?
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das amerikanische Angebot so lautet?: „Wer bis zu 10 000 Dollar Vermögen in Amerika hinterlassen hatte, bekommt alles zurück" und daß das zweite Angebot - bei den vorhin genannten Verhandlungen von Herrn Grewe im Jahre 1960 - lautete, daß nicht nur diese 10 000 Dollar erstattet werden, sondern dann anteilmäßig auch noch das Geld an juristische Personen, das nach Abzug amerikanischer Ansprüche, nach Abzug der Leistungen an deutsche natürliche Personen übrigbleiben würde?
Ja, Herr Kollege Sänger, das kann so sein; ich habe diese Verträge oder Angebote heute abend nicht bei mir. Ich sage ja, dazu müßte man die Quellen studieren. Aber der Bundesregierung so apodiktisch einen Vorwurf zu machen, wie Sie es getan haben, dazu besteht meiner Ansicht nach wirklich kein Anlaß; denn ich muß auf der anderen Seite als Jurist auch die Gefahr sehen, die auf die Bundesrepublik zukommt, wenn sie sich durch Verzichte schadenersatzpflichtig macht.
Bitte schön, Herr Erler!
Herr Minister, hätte diese Überlegung nicht bei den deutsch-alliierten Verträgen angestellt werden müssen, als die Bundesregierung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika den Verzicht ausgesprochen hatte, während es sich nachher um ein amerikanisches Angebot trotz dieses vorangegangenen Verzichts handelte?
Herr Erler, das mag sein. Aber ich kann es heute ohne die Unterlagen wirklich nicht beantworten.
({0})
- Nein, Herr Schoettle! Erstens ist ,es nicht jedem von uns so geläufig, und zweitens wird es hier mit einer polemischen Spitze gebracht. So geht das auch nicht.
({1})
So kann man nicht diskutieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einleitend sagen, ich stehe auf dem Boden der Regierungsvorlage und nicht auf dem Boden des Antrags des Kollegen Dr. Weber. Aber ich möchte doch mit aller Entschiedenheit den Zwischenruf „Honorar", der offensichtlich an die Anwälte unter ,den Unterzeichnern gerichtet war, zurückweisen. Das gehört sich nicht; so geht man nicht mit Kollegen in diesem Hause um.
({0})
Keine weiteren Erklärungen.
Herr Abgeordneter Dr. Weber, eine Verbalinjurie ist das Wort „Honorar" natürlich nicht.
({0})
Infolgedessen ist der Präsident nicht in der Lage, hier mit seinen beschränkten geschäftsordnungsmäßigen Möglichkeiten etwas zu tun, was die aufgebrachten Gemüter besänftigen könnte. Ich muß diese Diskussion also hier damit zum Abschluß bringen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Meine Damen und Herren, uns liegen verschiedene Anträge vor. Zunächst möchte ich mich mit dem Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses befassen. Es handelt sich um den Antrag der Abgeordneten Dr. Weber ({1}), Dr. Wahl, Dr. Dehler und Genossen auf Drucksache IV/1954. Ich weiß nicht, ob er inzwischen dem Hause vorliegt.
({2})
- Herr Kollege Jahn, Sie haben jede Einspruchsmöglichkeit. In § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung heißt es:
Auch wenn Anträge nicht gedruckt vorliegen der nicht auf der Tagesordnung 'stehen, kann darüber abgestimmt werden - ({3})
- Einen Augenblick! .Es kommt noch ein kleiner Nachsatz: „wenn nicht fünf Mitglieder widersprechen.
({4})
Ich frage, ob fünf Mitglieder widersprechen.
({5})
- Die muß ich aber sehen!
({6})
- Das sind mindestens 50.
({7})
- Mehr? - 70! Ich kann (also diesen Antrag nicht zur Abstimmung zulassen.
Es ist hilfsweise beantragt, den Wirtschaftsausschuß mit der Federführung zu beauftragen.
({8})
Es liegt ein Antrag des Abgeordneten Dr. Weber vor, den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß zu 'beauftragen. Was den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß anbelangt, so gibt es angesichts der Vorschläge, die Ihnen der Ältestenrat gemacht hat, darüber keinen Streit; denn nach dem Vorschlag des Ältestenrates sollten der Rechtsausschuß und der Haushaltsausschuß auf jeden Fall mitberatend mit der Sache befaßt werden. Ich glaube, es gibt im Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß der Rechtsausschuß und der Haushaltsausschuß mitberatend sind. Nun steht aber dem Antrag des Abgeordneten Dr. Weber der Vorschlag ides Ältestenrats gegenüber: Ausschuß für den Lastenausgleich federführend, Wirtschaftsausschuß mitberatend. Das steht zur Abstimmung.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Weber abstimmen. Wer für die Federführung des Wirtschaftsausschusses ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrhiet; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Federführung des Lastenausgleichsausschusses ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! -Das erste war die Mehrheit; der Lastenausgleichsausschuß ist federführend.
Wer für die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung ist, den bitte ich um das
Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Wirtschaftsausschuß ist mitberatend mit der Vorlage befaßt.
Ich rekapituliere: Lastenausgleichsausschuß federführend; Wirtschaftsausschuß, Rechtsausschuß und Haushaltsausschuß mitberatend.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung ({9}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Luda, Dr. Weber ({10}), Dr. h. c. Güde, Frau Dr. Kuchtner und Genossen und Fraktion der CDU/CSU, den Abgeordneten Dr. Imle, Mertes, Dr. Hellige und Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung ({11}).
Eine Einbringung entfällt, der Abgeordnete Dr. Luda hat eine schriftliche Begründung zu Protokoll gegeben *). Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Für die Ausschußüberweisung ist vorgeschlagen: Wirtschaftsausschuß federführend, Rechtsausschuß mitberatend. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 11:
Erste Beratung des von den Fraktionen 'der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung ({12}).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. - Keine Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache.
Zur Ausschußüberweisung wird vorgeschlagen: Wirtschaftsausschuß federführend, Ausschuß für Mittelstandsfragen mitberatend. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 12:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gaststättengesetzes ({13}).
({14})
*) Siehe Anlage 3
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Nein, das Gaststättengesetz ist noch nicht das, auf das Sie zielen,
({15})
sondern das heißt „Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes" ; das ist etwas ganz anderes!
({16})
Das hängt zwar irgendwo zusammen, aber trotzdem muß hier scharf unterschieden werden.
Also: Änderung des Gaststättengesetzes! Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Vorgeschlagen ist: Wirtschaftsausschuß federführend, Ausschuß für Mittelstandsfragen und Ausschuß für Arbeit mitberatend. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Übergang von Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Rechts des Gesundheitswesens ({17}).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht.
- Keine Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres. - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Jetzt kommen wir zu Punkt 14.
({18})
- Der soll morgen behandelt werden? Herr Fraktionsgeschäftsführer, überlegen Sie sich das gut! Wir haben morgen nämlich noch eine ganze Reihe von Beratungsgegenständen.
({19})
- Nur kein Streit, ich lasse abstimmen. Wer dafür ist, daß der Punkt jetzt behandelt wird, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
Ich rufe also auf Punkt 14:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Unertl, Dr. Kempfler, Dr. Huys, Wieninger und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes ({20}).
Herr Abgeordneter Unertl, ich frage Sie, ob Sie das Wort zur Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes wünschen.
({21})
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Hohe Haus wäre jetzt ganz damit einverstanden, wenn der Ältestenrat den Beschluß gefaßt hätte, daß diese Vorlage, die sich mit dem Maß- und Gewichtsgesetz befaßt, nicht diskutiert werden soll.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Der Ältestenrat erlaubt sich nur Vorschläge an das Haus; Sie sind natürlich völlig frei, sich diesen Vorschlägen zu entziehen oder zu widersetzen.
({0})
Niemand in diesem Hause kann jemals gezwungen werden zu sprechen - mit Ausnahme des Präsidenten; der muß - ({1})
Ich habe diese nette Art, wie der Ältestenrat die Mitglieder des Hohen Hauses behandelt, zur Kenntnis genommen, darf aber doch - mit Ihrer Erlaubnis - kurz zitieren, was die Presse bereits vorweggenommen hat, nämlich: „Unertl muß seinen Gesetzentwurf selbst begründen."
({0})
Es wird geschrieben, er sei der Initiator eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes und man wolle sich den Spaß nicht entgehen lassen, wenn Unertl den Unterschied zwischen einer deutschen Vs 1-Bierflasche und einer ausländischen 32/100 1-Flasche erläutern müsse.
({1})
Meine Damen und Herren, ich habe gar nicht vor, den Unterschied hier zu erläutern;
({2})
denn es ist ja, Herr Präsident Schmid, nicht erlaubt, daß der Abgeordnete Bierflaschen mit hierherbringt.
({3})
Denn nur dann, wenn ich diese Flaschen, um die es da geht - es geht ja um die europäischen Flaschen; die sollen den deutschen Flaschen angepaßt werden - hätte hierher bringen können, wäre es möglich, den Unterschied vorzuführen.
({4})
Ich werde mir aber erlauben, zu gegebener Zeit -
Herr Abgeordneter, die Würde des Hauses würde es ertragen, daß Sie bei einer so wichtigen Vorlage eine so sinnfällige Demonstration in diesem Hause vornehmen.
({0})
Sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, was selbst der Herr Präsident des Deutschen Bundestages und auch der Herr Vizepräsident diesen Flaschen eigentlich alles zugute halten.
({0})
Ich glaube aber, meine Damen und Herren, ich kann es kurz machen. Ich möchte mich genauso verhalten, wie es der Herr Präsident will, wie es offenbar auch das „gut besetzte" Haus will, das nicht wegen der europäischen Bierflaschen länger strapaziert werden möchte, als es unbedingt sein muß.
In der Debatte über das Gesetz, das vorhin beraten wurde, hat sich der Kollege Hirsch von der SPD darüber gefreut, daß da zwei Meinungen in der Regierungspartei zum Ausdruck kamen. Die Einigkeit in der Regierungspartei und in der Regierungskoalition ist mit diesem Antrag, der 69 Unterschriften trägt, wieder voll und ganz hergestellt.
({1})
und ich glaube, daß weit über die Regierungskoalition hinaus auch die SPD es nicht mit denen verderben will, die bis jetzt bemüht sind, gesetzlich eine Größenordnung vorzuschreiben, wo bisher die Verbraucher benachteiligt waren. Den Verbraucherschutz haben wir in diesem Hohen Hause vor einigen Wochen sehr stark in den Vordergrund gestellt.
Meine Damen und Herren, die Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes, das noch aus dem Jahre 1935 stammt, wird insbesondere deswegen notwendig, weil sich im Rahmen des europäischen Wirtschaftsgeschehens auch bei der Versendung von Flaschenbier auf dem europäischen Markt einiges vollzieht. Und für was muß denn der europäische Markt nicht alles herhalten! Wir haben in den letzten Tagen hier doch die Debatte über den Grünen Plan gehabt, wo es auch um die europäischen Marktschwierigkeiten ging. Heute haben wir uns mit dem europäischen Jugendwerk beschäftigt. Jetzt sind wir bei den europäischen Bierflaschen,
({2})
und zwar - meine. Freunde, im vollen Ernste - deswegen, weil im Jahre 1935, als dieses Maß- und Gewichtsgesetz geschaffen wurde, kein Mensch daran dachte, daß im Jahre 1964 die Gesamteinfuhr ein sehr beachtliches Ausmaß annehmen würde. Ich darf die Zahlen hier vortragen. In den ersten neun Monaten des Jahres 1961 kamen 120 564 hl Bier, im Jahre 1962 während der gleichen Monate bereits 173 701 hl Flaschenbier von den ausländischen Lieferanten über die deutsche Grenze. Es ergibt sich hier eine Wettbewerbsverzerrung dadurch, daß die deutschen Bierbrauer gezwungen sind, Flaschen zu verwenden, die nun einmal bei uns gesetzlich vorgeschrieben sind, während die ausländischen Lieferanten von diesen deutschen Vorschriften abweichen. Interessant ist aber, daß zur gleichen Zeit in Italien erst vor einigen Monaten ein Gesetz erlassen wurde, das sich mit der Einfuhr von Bierflaschen nach Italien befaßt. Die Italiener schreiben ganz genau vor, was zugelassen ist. Das gleiche hat Frankreich getan.
Herr Abgeordneter Unertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus!
Herr Kollege Unertl, Sie waren so nett und haben uns die Zahlen für den Bierimport genannt. Kommt es auch vor, daß deutsches Bier exportiert wird? In welchem Umfang?
O ja, liebe Frau Kollegin, in sehr großem Maße, aber nicht in dem Maße, wie wir uns den bayerischen Maßkrug vorstellen, sondern in Fässern, und zwar sehr stark und reichlich. Aber soweit es um Flaschenbier geht, sind ja die deutschen Brauer gehalten, sich an die Vorschriften über Maße und Gewichte des Auslandes zu halten.
Die Flaschen sollen nur so genormt werden, wie es das deutsche Maß- und Gewichtsgesetz vorschreibt. Es soll verhindert werden, daß die für den Verbraucher schlecht erkennbaren 32-CentiliterFlaschen den bei uns zugelassenen 33-CentiliterFlaschen gleichgestellt werden. Weiter soll nicht mehr erlaubt sein, die 0,45-Liter-Flasche einzuführen, während bei uns die Halbliter-Flasche gesetzliche Norm ist.
Damit wird, wenn man bei zehn solcher Flaschen den fehlenden Rest zusammenrechnet, doch ein Betrug am Verbraucher geübt. Ich könnte auch gerade hier mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren - ich habe da schon einiges hinzugelernt;
({0})
ich kann nicht anders verfahren -, was die „Bildzeitung" in der Schlagzeile will.
({1})
Ich meine nicht den Artikel über Erhard als Kanzler, sondern „Kampf den Mogelverpackungen". Da schreibt man: „Verbraucher vor Schwindel mit der Hülle schützen!" Genau das wollen wir mit diesem Antrag.
({2})
„Kampf den Mogelverpackungen!" Unter diesem Motto ziehen das Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft und die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Verbraucherverbände gegen den Schwindel in Hüllen
- und ich sage auch noch, in Flaschen zu Felde.
({3})
Deswegen haben wir uns erlaubt, Ihnen den Antrag auf Drucksache IV/1862 vorzulegen, der weder Finanzminister noch Haushaltsausschuß etwas kostet oder finanzielle Sorgen macht, sondern wodurch nur etwas bereinigt wird. Hierauf hat vor allem der deutsche Verbraucher, der Biertrinker in allen Ländern der Bundesrepublik ein Recht. Der Antrag ist noch dazu angetan, gerade im Brauwesen Verbesserungen zu schaffen.
Ich spreche hier gar nicht so sehr als Bayer, obwohl ich aus Bayern komme. Mir liegt ein TeleUnertl
gramm vor, das mir sogar der Wirt der „Pfälzer Weinstuben" aus München schickt:
Die Ehrlichkeit im Angebot ist den Einsatz eines bayerischen Löwen wert.
({4})
Sie sehen, so wird dieser Einsatz sogar von Bayern aus beurteilt.
Es geht hier gar nicht so sehr um die weiß-blaue Bierzunft. Betroffen sind alle Brauereien im Bundesgebiet, die norddeutschen, die im westlichen Grenzgebiet liegen, viel stärker. Man kann sich ausrechnen, wann die bayerischen drankommen.
Im übrigen müssen wir auch daran denken, welch große Schwierigkeiten es macht, wenn bei den rationalisierten Betrieben ungleiche Flaschen in die Abfüllvorrichtungen kommen. Sie wissen, daß es heute Brauereien gibt, - ({5})
- Meine Freunde, Sie müssen mir noch ein bißchen zuhören. Sie haben es so gewünscht. - Es gibt Brauereien, die in der Stunde 30 000 Flaschen abfüllen. Wenn die ausländischen Flaschen in die rationalisierten modernen Betriebe gelangen, entsteht dort eine wesentliche Störung des Bierabfüllvorganges. Für das Aussortieren stehen die Arbeitskräfte nicht zur Verfügung. Das ist ein ernstes Thema.
Wegen der angeführten Wettbewerbsverzerrungen, wegen des Betrugs am Verbraucher, wie ich es mir zu nennen erlaube, und auch wegen der Sorgen, die die rationalisierten Betriebe haben, können wir diesen Antrag, dessen Verwirklichung, wie gesagt, nichts kostet und der weiter nichts bezweckt, als ein Recht herzustellen, auf das man im Rechtsstaat einen Anspruch hat, an den Wirtschaftsausschuß überweisen.
({6})
- Der Sonderausschuß ist in diesem Fall nicht der Wirtshaus-, sondern der Wirtschaftsausschuß;
({7})
den anderen müßten wir erst erfinden. Ich bin dann gern bereit, bei den Ausschußberatungen, wenn es verlangt wird, diese ungleichen Flaschentypen einmal vorzuführen. Ich bitte, der Überweisung zuzustimmen.
({8})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Einbringung dieser Vorlage gehört. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Offenbar ist die Begründung so überzeugend erfolgt, daß sich weitere Wortmeldungen erübrigen. Vorgeschlagen ist die Überweisung, nicht an den Wirtsausschuß, wie ich hier gehört habe,
({0})
sondern an den Wirtschaftsausschuß. - Das Haus ist damit einverstanden, kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 15 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dei Italienischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen ({1}).
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht
wird. - Es wird verzichtet. Keine Wortmeldungen.
Der Rechtsausschuß soll sich damit befassen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 16:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. September 1961 über die Anerkennung der Vaterschaft und vom 12. September 1962 über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder ({2}).
Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. Das Wort zur Einbringung wird auch hier nicht gewünscht.
Vorgesehen ist die Überweisung an den Rechtsausschuß. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 17, die Grundgesetzänderung, soll am Freitag behandelt werden.
Ich rufe Punkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({3});
Schriftlicher -Bericht des Finanzausschusses ({4}) ({5})
({6}).
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort zu nehmen wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, - 1 a, -2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 17. Dezember 1962 über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens vom 21. April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit ({0});
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Ich frage, ob der Herr Berichtserstatter das Wort. wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe in zweiter Lesung Art. 1, - 2, - 3 - Einleitung und Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In dritter Lesung angenommen.
Punkt 20 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 21. April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit ({4});
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
({5}) ({6}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe in zweiter Lesung Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Punkt 21 ist abgesetzt. Punkt 22:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung von Erwerbsbeschränkungen für Staatsangehörige und Gesellschaften der Mitgliedstaaten der EuropäWirtschaftsgemeinschaft ({7}) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({8}) ({9}).
({10}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Zweite Lesung, §§ 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Punkt 23:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Besold, Wieninger, Burgemeister, Riedel ({11}), Gewandt und Genossen betr. steuerliche Rücklagen des Anlagevermögens ({12}).
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Der Finanzausschuß soll sich federführend damit befassen, der Wirtschaftsausschuß und der Ausschuß für Mittelstandsfragen mitberatend. Das Haus ist einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Punkt 24:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der Arbeitszeit der Beamten des Bundes ({13}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ausschuß für Inneres soll sich damit befassen. Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 25:
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({14}) über die von der Bundesregierung vorgelegte Siebenundvierzigste und Neunundvierzigste
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({15}).
Der Herr Berichterstatter Margulies wünscht nicht das Wort? - Er verzichtet.
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({16}) über die von der Bundesregierung vorgelegte Sechsundvierzigste und Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({17}).
Herr Abgeordneter Diebäcker als Berichterstatter verzichtet.
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Berichten des Ausschusses bzw. den Vorlagen zuzustimmen wünscht, und zwar a) und b), den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - a) und b) sind angenommen.
Punkt 26:
a) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({18}) über die von der Bundesregierung erlassene Vierte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ({19})
b) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({20}) über die von der Bundesregierung erlassene Elfte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste ({21})
c) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({22}) über die von der Bundesregierung erlassene Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({23}) ({24})
d) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses ({25}) über die von der Bundesregierung erlassene Vierunddreißigste, Sechsunddreißigste, Dreiundvierzigste und Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({26}).
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen. - Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob sonst das Wort gewünscht wird. - Auch das ist nicht der Fall.
Hier ist nichts abzustimmen, sondern hier ist nur zur Kenntnis zu nehmen, es sei denn, daß ein Antrag aus der Mitte des Hauses gestellt wird. - Ein solcher Antrag wird nicht gestellt. Das Haus hat davon Kenntnis genommen.
Punkt 27:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten ({27}) über den von der
Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnungen Nr. 19, 20, 21, 22 und 23 des Rats zur Einführung einer Bezugnahme auf die zu erreichenden Ziele ({28}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Dr. Roesch, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Punkt 28:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehemaligen Hacketäuer-Kaserne in Köln-Mülheim an die Stadt Köln ({29}) .
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag soll an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. Das Haus ist damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 29 ist für Freitag vorgesehen.
Ich rufe auf Punkt 30 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({30}) über die von der Bundesregierung vorgelegte Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 ({31}) ({32}).
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 31 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({33}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für Reis und Bruchreis aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und aus den überseeischen Ländern und Gebieten ({34}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Serres, ob es das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Keine Wortmeldungen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wer dem Antrag des Außenhandelsausschusses, den Vorschlag zur Kenntnis zu nehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist antragsgemäß beschlossen.
Punkt 32:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU, SPD, FDP betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung; Geheimschutzordnung ({35}).
Das ist eine Sache, die sonst in diesem Hause natürlich nicht routinemäßig behandelt werden könnte. In diesem Falle handelt es sich um zwingende formelle Änderungen, die sich aus der Geheimschutzordnung des Hauses, die sich als notwendig erwiesen hat, ergeben. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Vorgesehen ist die Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wie gesagt: der Geschäftsordnungsausschuß soll sich mit der Sache befassen. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 21. Februar, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.