Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/27/1960

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Die Sitzung ist eröffnet. Am 26. Januar hat der Kollege Hellenbrock seinen 60. Geburtstag gefeiert. Ich spreche ihm im Namen des Hauses die herzlichsten Glückwünsche aus, wünsche ihm weiterhin gute Gesundheit und tatkräftige Mitarbeit im Kreise seiner Kollegen. ({0}) Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 21. Januar 1960 ein Gutachten über a) Organisation und Personalwirtschaft bei den Vertretungen des Bundes in Osterreich, b) die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel des Einzelplans 05, soweit es sich um diese Vertretungen handelt, übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 20. Januar 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jakobs, Lücker ({1}), Gerns und Genossen betreffend internationale Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1575 verteilt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 26. Januar 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Mitarbeit von Söhnen und Töchtern im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1576 verteilt. Vor Punkt 1 der Tagesordnung werden wir, da der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums jetzt anwesend ist, die noch übriggebliebenen Fragen aus der Fragestunde der vorigen Woche - Drucksache 1536 - nachholen. Sie liegen als Sonderdruck vor. Ich rufe die erste Frage - des Herrn Abgeordneten Jacobs - über den Ausbau der Staustufe Enkirch ({4}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Interessengemeinschaft der durch den Ausbau der Staustufe Enkirch ({5}) betroffenen Barger der Stadt Traben-Trarbach u. a. die sofortige Zurückziehung der jetzt offenliegenden Pläne und für die Neupläne entweder eine Senkung des Wasserspiegels der Mosel im Stadtbereich von Traben-Trarbach um wenigstens 1,50 m oder die Verlegung der Staustufe moselaufwärts fordert? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit Hochwasserschäden als Folge des Ausbaus der vorgenannten Staustufe unter allen Umständen vermieden werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Forderungen der in einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen Bürger der Stadt Traben-Trarbach, die wegen der Folgen des Ausbaus der Staustufe Enkirch erhoben worden sind, haben wir eingehend untersucht. Die jetzt ausgelegten Pläne stellen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht wohl die beste Lösung dar, um die Gefahr von Stauschäden im Stadtbereich von Traben-Trarbach auf das Mindestmaß zu beschränken. Hochwasserschäden werden infolge des Moselausbaues nicht auftreten. Bei Hochwässern, die das Stauziel überschreiten, werden die Wehrkörper gelegt. Darüber hinaus ist Vorsorge getroffen, daß trotz der neuen Einbauten bei derselben Abflußmenge die Hochwasserstände der kanalisierten Mosel sich gegenüber den Hochwasserständen der freien Mosel in keiner Weise erhöhen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Keine Zusatzfrage. Wir kommen zur nächsten Frage - des Abgeordneten Ritzel -, sie betrifft eine Umfrage des Kraftfahrt-Bundesamtes an Kraftfahrzeugbesitzer und Mopedfahrer über die Kilometer, die sie 1959 gefahren sind: Beabsichtigt das Kraftfahrt-Bundesamt an rund 200 000 Kraftfahrzeugbesitzer und an rund 5000 Mopedfahrer im ganzen Bundesgebiet die Frage zu stellen, wie viele Kilometer diese Fahrzeugbesitzer mit ihrem Kraftfahrzeug im Jahre 1959 gefahren sind? Entspricht diese Maßnahme einer Anordnung des Bundesverkehrsministeriums? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich aus einer solchen Feststellung ein zuverlässiger Überblick über die Belastung des Straßennetzes im Bundesgebiet ergibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kraftfahrt-Bundesamt handelt bei seiner Erhebung über die Fahrleistungen im Jahre 1959 auf Grund der mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen „Verordnung der Bundesregierung über eine Statistik der Kraftfahrzeugfahrleistungen des Jahres 1959" vom 11. April 1959. Die statistische Erhebung darf sich auf höchstens 5 v. H. der Gesamtzahl der Fahrzeuge erstrecken, so daß etwa 200 000 Kraftfahrzeugbesitzer und etwa 5000 Mopedfahrer befragt werden. Die Erhebung der Kraftfahrzeugfahrleistungen ist erforderlich insbesondere für Überlegungen und Maßnahmen auf dem Gebiet der Verkehrsunfallbekämpfung, auf dem Gebiet des Straßenbaus, für die Verkehrswirtschaft zur Ermittlung der Selbstkosten, der steuerlichen Belastung des Kraftfahrzeugbetriebes und der Auswirkungen tarifarischer Maßnahmen sowie für die militärische und zivile Verteidigung. Vor Erlaß der Verordnung ist eingehend, unter anderem durch eine Probeerhebung, geprüft worden, ob eine statistische Erhebung dieses Umfanges zuverlässige Aussagen ermöglichen wird. Nach dem Ergebnis dieser Voruntersuchungen wird der ,Repräsentationsgrad der Erhebung als ausreichend angesehen. Soweit Ungenauigkeiten bei der Beantwortung eintreten sollten, werden die Antworten bei richtiger Auswertung mindestens eine in der Größenordnung zutreffende Erfassung der Tatbestände ermöglichen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, dem Fachausschuß und anderen interessierten Abgeordneten in einem Gespräch Aufschluß über das Ergebnis dieser Feststellungen und über die Wertung durch die Bundesregierung, durch das Verkehrsministerium zu geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist dazu bereit.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke !

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wir kommen zur nächsten Frage. Auch hier ist Herr Abgeordneter Ritzel der Fragesteller. Sie betrifft die Beseitigung der schienengleichen Kreuzung der Bundesstraße 42 mit der rechten Rheinuferlinie der Bundesbahn: Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister, bis wann die Vorschläge zur Beseitigung der schienengleichen Kreuzung der Bundesstraße 42 mit der rechten Rheinuferlinie der Bundesbahn vorliegen und welche ihm bekannten verschiedenen Lösungen voraussichtlich seine Zustimmung linden werden.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beseitigung des Bahnüberganges in Rüdesheim hängt eng zusammen mit der vorgesehenen Verlegung der Bundesstraße 42. Insbesondere aus finanziellen Gründen ist geplant, der Lösung den Vorzug zu geben, die eine Verlegung der Straße am Rhein entlang vorsieht. Der Anschluß der Stadt Rüdesheim würde dann plankreuzungsfrei durch den Bau einer Unterführung erfolgen. Diese Planung findet nicht den Beifall der Stadt. Sie möchte das Problem dadurch gelöst wissen, daß die Bundesbahnlinie durch einen Tunnel im Norden der Stadt führt; dann könnten die Bahnhofsanlagen nach dem Westen der Stadt verlegt und der bisherige Eisenbahnkörper für die neue Straße benutzt werden. Diese für die Stadt Rüdesheim vielleicht begrüßenswerte Lösung erfordert jedoch nach den derzeitigen Ermittlungen gegenüber der Verlegung der Straße an den Rhein Mehrkosten in Höhe von etwa 35 Millionen DM. Eine so hohe Ausgabe kann aber weder die Deutsche Bundesbahn noch die Bundesstraßenverwaltung tragen. Die Angelegenheit bedarf im Hinblick auf diese unterschiedlichen Auffassungen noch weiterer Klärung. Daher kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter, zu meinem großen Bedauern noch nicht verbindlich erklären, wann die endgültige Entscheidung getroffen werden kann.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht. Wir kommen zur letzten Frage - des Herrn Abgeordneten Schultz - betreffend Zuwendungen aus Mitteln des Bundeshaushalts an den Bund für alkoholfreien Verkehr e. V.: Erhält d, Bund für alkoholfreien Verkehr eV finanzielle Zuwendung, aus Mitteln des Bundeshaushalts, wenn ja, in welcher Hohe?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bund für alkoholfreien Verkehr e. V., der dem Alkoholmißbrauch im Verkehr entgegenwirken will und in den letzten Jahren fruchtbare Arbeit auf diesem Gebiet geleistet hat, sind aus den für Verkehrserziehungs- und Aufklärungsmaßnahmen bestimmten Haushaltsmitteln des Bundesverkehrsministeriums zweckgebundene Zuwendungen gegeben worden. Sie betrugen im laufenden Haushaltsjahr bisher 30 000 DM und waren für die Herstellung von Filmen bestimmt. Im vergangenen Jahr wurden dem Bund zur Verfügung gestellt: 23 000 DM für Herstellung von Filmen; rund 12 900 DM für die Herstellung und Verteilung von Broschüren, Handzetteln und Plakaten; rund 4900DM zur Durchführung von Veranstaltungen, insgesamt also im letzten Haushaltsjahr rund 40 800 DM.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht. Damit sind die Restfragen erledigt. Ich rufe auf den Punkt la und b der gedruckten Tagesordnung: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das Grundgesetz ({0}) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Zuständigkeiten in der Luftverkehrsverwaltung ({1}). Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist, daß Punkt la und Punkt lb gemeinsam begründet und debattiert werden? - Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen. Zur Begründung beider Vorlagen hat das Wort der Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der nach dem Grundgesetz theoretisch gegebenen drei Möglichkeiten für die Neuregelung der Luftverkehrsverwaltung - bundeseigene Verwaltung, Bundesauftragsverwaltung der Länder, landeseigene Verwaltung - hat die Bundesregierung in den dem Hohen Hause vorliegenden Gesetzentwürfen vorgeschlagen, im Grundsatz eine bundeseigene Verwaltung und daneben eine Bundesauftragsverwaltung der Länder für Teile des Aufgabengebietes zu schaffen. Sie ist der Ansicht, daß dieser Vorschlag der Natur des Luft- verkehrs entspricht und auch der Interessenlage des Bundes und der Länder sowie der historischen Entwicklung der deutschen Luftverkehrsverwaltung vor 1933 Rechnung trägt. Auch der Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen des Bundestages hat sich nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage am 7. Mai 1958 in diesem Sinne ausgesprochen. Der Vorschlag der Bundesregierung entspricht auch der Empfehlung des Luftfahrtbeirates vom 16. Juni 1959. In seiner Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen stimmt der Bundesrat mit der Bundesregierung darin überein, daß die im Grundgesetz vorhandene Lücke durch eine Vorschrift über die Zuständigkeit für die Luftverkehrsverwaltung geschlossen werden muß. Im Gegensatz zu dem Vorschlag der Bundesregierung hat der Bundesrat aber für die Luftverkehrsverwaltung im Grundgesetz eine landeseigene und daneben für „einzelne Aufgaben" eine bundeseigene Verwaltung oder eine Bundesauftragsverwaltung der Länder vorgeschlagen. Er begründet das damit, daß der Grundsatz der Artikel 30 und 83 des Grundgesetzes, nachdem die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit auszuführen haben, auch für die Luftverkehrsverwaltung gelte und daß von diesem Grundsatz nur abgewichen werden könne, soweit es sich um die Ausführung einzelner Aufgaben von überregionaler Bedeutung handle. Die Bundesregierung vermag sich dieser Stellungnahme des Bundesrates nicht anzuschließen. Man braucht weder Verkehrsfachmann noch Ingenieur noch Jurist zu sein, um zu erkennen, daß die Luftverkehrsverwaltung als Verwaltung der schnellsten der weltweiten Verkehrsarten eine bundeseigene Verwaltung erfordert. Die Väter des Grundgesetzes würden sicher nicht einen Augenblick zögern, für den Luftverkehr die bundeseigene Verwaltung vorzuschreiben, wenn sie heute vor der Aufgabe ständen, diese Regelung, die sie 1949, dem Geburtsjahr der Verfassung, auf Grund besatzungsrechtlicher Vorschriften nicht treffen durften, nachzuholen. Ich darf ausdrücklich darauf hinweisen, daß es sich nicht darum handelt, den Ländern zugunsten des Bundes Zuständigkeiten zu entziehen, sondern vielmehr darum, die sich aus der Natur der Sache ergebende Zuständigkeit des Bundes für die Luftverkehrsverwaltung im Grundgesetz festzulegen. Ich möchte auch betonen, ,daß es sich bei der Regelung der Luftverkehrsverwaltung nach meiner Auffassung nicht um eine politische Entscheidung handelt. Es soll vielmehr einer technischen Sicherheitsverwaltung nach dem Vorbild der übrigen Luftverkehr treibenden Staaten der Welt die zweckmäßigste Organisationsform gegeben werden. Auszuklammern bei dieser Neuregelung sind die Zuständigkeiten des Bundesministers für Verkehr für den Ein- und Ausflug nach § 2 Abs. 6 und 7 des Luftverkehrsgesetzes, die Zuständigkeit der Bundeswehr nach § 30 des Luftverkehrsgesetzes sowie die Zuständigkeiten nach den Gesetzen über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. März 1953 und über das Luftfahrt-Bundesamt vom 30. November 1954. Hieran will auch der Bundesrat nichts ändern. Es bleibt danach also nur die Neuregelung derjenigen Zuständigkeiten offen, die bisher lediglich in der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern vom 31. Dezember 1952 geregelt sind. Nach ihr besteht eine sogenannte Misch- oder Mitverwaltung, die, obwohl sie sich im allgemeinen bewährt hat, vom Bundesrat abgelehnt wird. Mithin hat die Bundesregierung für die nach ihrer Ansicht notwendige zentrale Regelung der Luftverkehrsverwaltung verfassungsrechtlich nur zwei Möglichkeiten: entweder eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau oder eine im Grundsatz bundeseigene Verwaltung und daneben für einzelne Aufgaben eine Bundesauftragsverwaltung der Länder. Von diesen beiden Möglichkeiten hat die Bundesregierung die zweite gewählt. Sie hat dabei berücksichtigt, daß die Bundesauftragsverwaltung derjenige Verwaltungstyp ist, der der bisherigen Praxis am nächsten kommt und der es erlaubt, das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern ohne Änderung des Verwaltungsaufbaus und ohne neue Kosten fortzusetzen. Die Bundesauftragsverwaltung bedeutet einerseits eine Lockerung, weil die Länder nicht, wie bisher, verpflichtet sind, den Bund in jedem Falle vor Erlaß eines Verwaltungsaktes zu beteiligen. Andererseits bedeutet sie eine stärkere Bindung dadurch, daß die Länder angewiesen werden können, einen bestimmten Verwaltungsakt zu setzen. Angesichts der bisherigen guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sehe ich hierin keine besondere Umgestaltung. Praktisch. würde also im wesentlichen alles beim alten verbleiben. Die Länder würden durchweg ihre jetzigen Zuständigkeiten behalten und damit mehr bekommen als nach dem Vorschlag des Bundesrates im Rahmen einer landeseigenen Verwaltung. Das in der Drucksache 1534 enthaltene verfassungsändernde Gesetz schreibt die Bundeszuständigkeit vor und schafft die Bundesauftragsverwaltung. Das in der Drucksache 1535 enthaltene Gesetz faßt den § 31 des Luftverkehrsgesetzes neu und zählt dabei die Aufgaben auf, die die Länder im Auftrage des Bundes auszuführen haben. Ich darf die tragenden Gesichtspunkte der Gesetzentwürfe in drei Punkten zusammenfassen: Erstens: Das Grundgesetz und der Verkehr. Das Grundgesetz hat für die Verwaltung der Bundeseisenbahnen und der Bundeswasserstraßen eine bundeseigene Verwaltung vorgesehen, ebenso im Grundsatz für die Verwaltung der See- und Binnenschiffahrt. Für die Verwaltung der Bundesautobahnen und der Bundesstraßen ist die Bundesauftragsverwaltung vorgeschrieben. Das Grundgesetz hat sich also für die Zuständigkeit des Bundes entschieden und trägt damit den Besonderheiten dieser Verkehrsverwaltungen, die entweder in der Weite oder in der Schnelligkeit des Verkehrs oder in beiden begründet liegen, Rechnung. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß es, wenn man die Zuständigkeit des Bundes nicht schon aus der Natur der Sache als gegeben ansieht, auf jeden Fall im Sinne ,des Grundgesetzes liegt, wenn die Verwal- tung des Luftverkehrs, der die schnellste weltweite Verkehrsart ist, als bundeseigene Verwaltung geregelt wird. Zweitens: Der überregionale Charakter des Luftverkehrs. Der Schwerpunkt des Luftverkehrs liegt im Linienverkehr, der in der Mehrzahl aller Fälle die Grenzen der Bundesrepublik überschreitet, d. h. verfassungsrechtlich gesehen überregional ist. Das gleiche gilt im wesentlichen auch für den Gelegenheitsverkehr. Der rein regionale Gelegenheitsverkehr, also der Gelegenheitsverkehr innerhalb eines Landes, fällt kaum ins Gewicht. Die Natur des Luftverkehrs und die technische Vervollkommnung des Geräts treiben die Entwicklung zur Weiträumigkeit von Jahr zu Jahr stärker voran. Allenthalben sind Bestrebungen im Gange, größere Verwaltungsräume und supranationale oder zwischenstaatliche Verwaltungseinrichtungen zu schaffen. Ich darf in diesem Zusammenhang an den geplanten Zusammenschluß der nationalen Flugsicherungsdienste in einer europäischen Flugsicherungsbehörde und an das Projekt der Air-Union erinnern, schließlich auch an die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation. Der Luftverkehr ist weltumspannend. Schon heute ist die Bundesrepublik verpflichtet, auf allen Gebieten des Luftverkehrs internationale Rechtsvorschriften zu erfüllen. Dieser Pflicht kann sie nur nachkommen, wenn die Luftverkehrsverwaltung zentral gestaltet wird. Drittens: Das Schwergewicht der Aufgaben in der Luftverkehrsverwaltung liegt schon heute beim 3) Bund. Da der Bundesrat den Vorschlag gemacht hat, nur „einzelne Aufgaben" der Luftverkehrsverwaltung in bundeseigene Verwaltung zu übertragen, liegt die Annahme nahe, daß er irrtümlich davon ausgegangen ist, das Schwergewicht der Luftverkehrsverwaltung liegt bei den Ländern. Das ist nicht der Fall. Dies ergibt sich schon aus der Gegenüberstellung der Zahlen der beiderseitigen Bediensteten. Hier stehen insgesamt weniger als 100 hauptamtlichen Landesbediensteten etwa 2000 hauptamtliche Bundesbedienstete gegenüber. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch auf den Flughäfen ab. Auf jedem der zehn Verkehrsflughäfen sind im Durchschnitt 150 Bedienstete der Bundesanstalt für Flugsicherung und im Durchschnitt weniger als zehn Landesbeauftragte für Luftaufsicht beschäftigt. Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren. Alle entscheidenden Gesichtspunkte: die historische Entwicklung, der Geist des Grundgesetzes, der überregionale und internationale Charakter des Luftverkehrs und die tatsächliche Verwaltungsverteilung sprechen nach unserer Auffassung eindeutig für eine Zuständigkeit des Bundes. Diese Lösung hat den Vorteil, daß die Aufspaltung der technischen Sicherheitsverwaltung des Luftverkehrs vermieden wird. Je weiter die Luftfahrttechnik fortschreitet, um so gefährlicher würde eine Aufspaltung der Verwaltung für die Sicherheit des Luftverkehrs werden. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Erwägungen sprechen aber gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung im einzelnen auch die besonderen Gründe, welche die Bundesregierung Ihnen an Hand des Katalogs der vorgesehenen Landeszuständigkeiten ausführlich dargetan hat. Bei der bereits erwähnten ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}) unter Mitteilung von praktischen Vorfällen darauf hingewiesen, welche Gefahr entsteht, wenn die Luftaufsicht nicht einheitlich und straff gehandhabt wird. Mein Herr Minister hat bereits damals diesen Hinweis zustimmend entgegengenommen und nicht versäumt, auf die Bedenken hinzuweisen, die auch die Bundesregierung in dieser Hinsicht hat. Mit der Zunahme des Düsenflugzeugverkehrs haben sich diese Bedenken außerordentlich vermehrt. Die Schwierigkeiten der Lenkung des Luftverkehrs am Boden und in der Luft sind so angewachsen, daß es der Anstrengung aller Kräfte der Luftaufsicht, insbesondere der Flugsicherung, bedarf, um ihnen wirksam zu begegnen. Die Länder haben diese Schwierigkeiten auch inzwischen anerkannt und sind dazu übergegangen, ihre Richtlinien für die Durchführung der Luftaufsicht zu vereinheitlichen. Diese Maßnahme wird aber nicht ausreichen, um die Sicherheit in dem immer enger werdenden Luftraum zu gewährleisten; dies um so mehr, als der Flugverkehr der Luftwaffen der Bundeswehr und der übrigen NATO-Staaten immer mehr in Erscheinung tritt und koordiniert werden muß. Bei einer derart starken Benutzung des Luftraums kann die notwendige Sicherheit nur gewährleistet werden, wenn der Bund, insbesondere die Bundesanstalt für Flugsicherung, in die Lage versetzt wird, sich verwaltungsmäßig regelnd einzuschalten. Entsprechendes gilt auf dem Gebiet der Gerätezulassung. Auch hier muß es dem Luftfahrt-Bundesamt möglich sein, sich bei Landeszuständigkeiten regelnd einzuschalten, wenn die Sicherheit des Luftfahrtgeräts gewährleistet bleiben soll. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wäre dankbar, wenn das Hohe Haus ihren Gesetzentwürfen zustimmen und diese möglichst bald verabschieden würde.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, ich halte es für richtig, den § 37 der Geschäftsordnung nochmals vorzutragen: Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag. Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen. Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine Ausnahme sein und dürfen nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgelesen werden. Das gilt nach dem Text der Geschäftsordnung für alle Redner in diesem Hause. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ohne Aufzeichnungen darf ich mir ein paar Worte zu der einen der beiden Vorlagen erlauben. Die beiden Vorlagen entsprechen einem Wunsch des Bundestages. Vorbehaltlich der Beratung im einzelnen ist deshalb an sich gegen die Vorlagen nichts einzuwenden, im Gegenteil, sie sind zu begrüßen. Trotzdem gibt der Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes Anlaß zu einigen grundsätzlichen Ausführungen über das politische und parlamentarische Verfahren bei Verfassungsänderungen. Es konnte der Bundesregierung nicht unbekannt sein, daß in ihrem Schoße eine Reihe von Verfassungsänderungen vorbereitet werden, jedenfalls mehr als diese eine. Ich denke dabei nicht an die Fragen der Notstandsregelung; diese sind in der Tat so schwergewichtig, daß man sie vielleicht gesondert behandeln und beraten muß. Aber z. B. ist im Bundesjustizministerium eine Vorlage über die dringend notwendige Verfassungsänderung wegen des Bundespatentamtes spruchreif geworden. Hier zeigt sich ein Mangel an Koordination in der Bundesregierung. Es ist kein gutes Verfahren, daß wir alle 6, 8 oder 12 Wochen eine Vorlage zur Änderung des Grundgesetzes bekommen. Die Verfassungsurkunde ist zwar auch ein Gesetz, aber sie ist doch ein Gesetz anderen Ranges und aus anderer Quelle als alle übrigen Gesetze. Darum sollte man nicht nur sehr behutsam und sparsam mit Änderungen der Verfassung sein, sondern, wenn man aus zwingenden Gründen an eine Änderung des Grundgesetzes herangeht, sich überlegen, welche anderen Veränderungen des Grundgesetzes anstehen, und sollte sie dann in eine einzige Vorlage zusammenfassen. Hier aber sehen wir, daß einmal das Ressort Atomministerium seine Verfassungsänderung vorbringt, dann bringt das Ressort Verkehrsministerium seine Verfassungsänderung vor, dann bringt das Ressort Bundesjustizministerium seine Verfassungsänderung vor. So kann man nickt mit der Verfassung umgehen. Es hat zum Untergang der Weimarer Reichsverfassung nicht unerheblich beigetragen, daß es zum Schluß so viele Verfassungsdurchbrechungen und Verfassungsänderungen gab, daß eigentlich kein Mensch mehr wußte, welches nun die Verfassungsordnung sei. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir auch zugleich den Hinweis, daß Verfassungsänderungen nicht Gegenstand bloß agitatorischer Vorlagen werden sollten. Ich wende da meinen Blick der rechten Seite dieses Hauses zu. Gewiß hat eine einzelne Fraktion formal das Initiativrecht. Wenn aber eine Fraktion weiß und politisch voraussehen kann, daß ihre Vorlage zur Änderung des Grundgesetzes in diesem Hause nicht einmal eine einfache Mehrheit finden wird, dann halte ich es für einen groben Mißbrauch des formalen Initiativrechtes, wenn eine solche Vorlage hier eingebracht wird. Ich halte es auch zugleich für eine Mißachtung der Unverbrüchlichkeit des Bonner Grundgesetzes. ({0}) Das gilt nicht zuletzt auch für die Bundesregierung. Gewiß haben alle Fraktionen und hat die Bundesregierung ein formales Initiativrecht. Es sollte aber zu den Gepflogenheiten einer parlamentarischen Demokratie gehören, daß man auch von seiten der Bundesregierung Verfassungsänderungen in Form von Gesetzesvorlagen nicht vorschlägt, ohne sich zuvor vergewissert oder den Versuch unternommen zu haben, auf politischem Wege substantiell eine Basis unter den Parteien und Fraktionen zu schaffen, ({1}) die es aussichtsreich erscheinen läßt, eine solche Änderung des Grundgesetzes vorzunehmen. Das punktuelle Vorbringen einer einzelnen Verfassungsergänzung gab Veranlassung, einmal dieses Grundsätzliche zu sagen und an alle im Hause und an die Bundesregierung die Bitte zu richten, daß wir uns doch in Zukunft gemeinsam auf solche Verfahrensart einigen und daß wir uns bemühen, mehr Achtung vor dem Bonner Grundgesetz zu zeigen. ({2})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber ({0}).

Dr. Karl Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Anliegen der Änderung des Grundgesetzes, wie es in den heute vorgelegten Gesetzentwürfen zum Ausdruck kommt, wird als solches, soweit ich unterrichtet bin, von allen Fraktionen des Hauses bejaht. Herr Kollege Arndt hat nun soeben bemängelt, daß die Bundesregierung keine einheitliche Konzeption habe und keinen einheitlichen Plan vorlege und daß, sozusagen kleckerweise, immer wieder Änderungen am Grundgesetz vorgenommen würden. Soweit die Bundesregierung als solche dabei in Frage kommt, scheint mir dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt zu sein. Es ist nicht ihre, auch nicht unsere Schuld, daß das Grundgesetz, im Jahre 1949 geschaffen, damals nicht alle Fragen regeln konnte, die an sich regelungsbedürftig waren. Infolgedessen muß, wenn es sich als notwendig erweist, je nach dem Stand der Entwicklung auch eine Änderung des Grundgesetzes vorgenommen werden. Überblickt man die Liste der vorgenommenen Änderungen, so handelt es sich durchweg um solche, die die Ausführung der Bundesgesetze, ob durch Bund oder Länder, betreffen. Grundsätzliche Änderungen des Grundgesetzes sind lediglich wegen der Wehrgesetze - und damals fast einstimmig vom ganzen Hause - vorgenommen worden. Im übrigen haben wir durch das Gesetz vom 14. August 1952 betreffend die Verwaltung des Lastenausgleichs den Art. 120a eingefügt. Weiterhin wurden entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes, der in Artikel 107 gegeben worden war, die Steuerverteilung und der Finanzausgleich in den Art. 106 und 107 geregelt. Zwei weitere Änderungen, die in dieser Hinsicht vorgenommen worden sind, betrafen lediglich Fristen. Das Grundgesetz hatte ursprünglich einen Termin bis zum 31. Dezember 1952 gesetzt; dieser Termin wurde zweimal verlängert, bis dann im Jahre 1955 die Art. 106 und 107 eingefügt wurden. Im Jahre 1956 wurde dann Art. 106 - auch von einer ganz überwiegenden Mehrheit des Hauses - geändert. Dr. Weber ({0}) In dieser Legislaturperiode haben wir bisher nur eine einzige Grundgesetzänderung verabschiedet, nämlich das Atomgesetz, eine Materie, die 1949 gleichfalls noch gar nicht geregelt werden konnte. Diese Grundgesetzänderung ist vom gesamten Hause einmütig vorgenommen worden. Man kann also meines Erachtens der Bundesregierung nicht den Vorwurf machen, daß sie ihre Pflicht versäumt habe, daß sie sich die Dinge nicht genügend überlegt und daß sie keine einheitliche und zusammenfassende Konzeption vorgelegt habe. Auch bei den heutigen Entwürfen ist es so - das wird auch so bleiben -, daß wir uns die Dinge überlegen müssen, wenn sich ein Bedürfnis dafür zeigt. Es ist nun - vielleicht mit Recht - gerügt worden, daß auch Anträge auf Änderung des Grundgesetzes in Fragen vorgelegt worden sind, bei denen feststeht, daß die Änderung des Grundgesetzes nicht zu erreichen sein wird. Ich darf daran erinnern, daß der eine Antrag - er betrifft die Todesstrafe - schon seit Jahren in der Schwebe ist. Die Antragsteller haben wohl inzwischen selbst eingesehen, daß ihr Beginnen ,ergebnislos bleiben wird. In der vergangenen Legislaturperiode ist derselbe Antrag durch deren Ablauf in der Versenkung verschwunden. Ich glaube, in diesem Bundestag wird ihm kein besseres Geschick beschieden sein. Anläßlich der ersten Debatte über die Streichung des Art. 102 habe ich bereits ausgeführt, es sei uns, insbesondere meiner Fraktion, ein Anliegen, dafür zu sorgen, daß nicht alsbald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes Grundfragen und Grundentscheidungen, die darin getroffen sind, geändert werden, daß man vielmehr zunächst Erfahrungen sammeln sollte. Die Grundgesetzgeber hatten ja seinerzeit die Hoffnung - deren Erfüllung jetzt leider in weite Ferne gerückt ist -, daß das Grundgesetz nur eine vorübergehende Geltung haben werde. Möge der Tag kommen, an dem wir eine einheitliche Verfassung für Gesamtdeutschland schaffen können. Dann wird das Grundgesetz nach seiner Bestimmung in Art. 146 sowieso außer Kraft treten. Nach meiner Meinung muß der heute zur Debatte stehende Gegenstand im Grunde bejaht werden. Das ist ja auch von ,allen Seiten geschehen. Soweit also die Kritik gegen die Bundesregierung gerichtet war, ist sie nicht begründet. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung der Vorlagen, und zwar zunächst zu Ziffer la - Drucksache 1534. Hier wird Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - mitberatend -vorgeschlagen. Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist? Dann bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dann ist zu Ziffer la so beschlossen. Wir kommen zu Ziffer lb. Vorgeschlagen ist Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen - federführend -, an den Rechtsausschuß - mitberatend - und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Weitere Anträge wenden nicht gestellt. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist auch diese Überweisung in der vorgeschlagenen Form erfolgt. Ich rufe jetzt den Punkt 2 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Rundfunk ({0}). Zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Innern das Wort.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute nach vorausgegangener langer öffentlicher Debatte zum erstenmal in dem Hohen Hause ,dazu kommen, einen von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Rundfunk zu diskutieren, werden sich die meisten von Ihnen an das lange Stück halb parlamentarischer, halb vorparlamentarischer Vorgeschichte erinnern, das dem heutigen Tag voraufgeht. In manchem von Ihnen wird vielleicht noch die Erinnerung an den 28. Februar 1958 wieder wach werden, den Tag, an dem dieser 3. Bundestag zum erstenmal die Grundzüge einer neuen bundesgesetzlichen Regelung des Rundfunkwesens diskutiert hat. Man wird ja doch sagen müssen: welch ein Langer und welch ein schwieriger Weg isst es, bis Projekte, die schon so oft, so lange und mit so viel Leidenschaft diskutiert worden sind, endlich einmal in einer gesetzgeberischen Form behandelt werden können. Es sind nicht weniger als beinahe zwei Jahre, die uns von dieser letzten Debatte in dem Hohen Hause trennen, und es werden bald zehn Jahre her sein, daß dieser Gegenstand zum erstenmal in diesem Hohen Hause erörtert worden ist. Die erste Legislaturperiode schloß ,auf dem Rundfunkgebiet mit einer klaren Verlustbilanz ab. Die zweite Legislaturperiode sah mehr außerhalb dieses Hauses liegende Bemühungen. Das Ergebnis war eine zweite klare Verlustbilanz. Und nun ist es Aufgabe der dritten Legislaturperiode, besser - jedenfalls in dieser Beziehung besser - zu sein als ihre Vorgänger. Wenn der Satz, daß aller guten Dinge drei sind, etwas in sich hat, dann haben wir vielleicht die Hoffnung, daß die gute Lösung von diesem Hohen Hause diesmal gefunden werden kann und wird. Meine Damen und Herren, man wird sich fragen - und ich glaube, jeder unbefangene Betrachter in der Offentlichkeit muß sich eigentlich fragen -, warum denn der Kampf um etwas, was doch letztlich nur etwas Organisatorisches ist, - ({0}) - Meine Damen und Herren, ich sehe, daß sich die erste Meinungsverschiedenheit abzeichnet. Ich erlaube mir der Meinung zu sein, daß die Ordnung des Rundfunkwesens in einem Staatsgebilde, das sich wieder langsam aus voraufgegangenen Besatzungsinseln, dann Ländern zum Bundesstaat entwickelt hat, in der Tat eine organisatorische Aufgabe, wenn auch eine organisatorische Aufgabe ganz hohen Ranges, ist. - Und nun wieder zurück zu jenen unbefangeneren Menschen draußen! Sie müssen sich eigentlich fragen, warum der Kampf um eine solche Ordnung so hart ist, so lange dauert und welche Punkte denn dabei überhaupt streitig sein können. Wenn man einmal versucht, in etwas distanzierter Weise zu prüfen, warum wohl dieser Kampf so lang und hart ist, dann wird man, glaube ich, drei Punkte hervorheben müssen: einmal, weil eine neue Ordnung, weil der Versuch, etwas neu zu ordnen, nur durch die Veränderung bestehender Verhältnisse möglich ist. Es ist bekanntlich nichts schwieriger, als bestehende Verhältnisse zu ändern, weil dem das hohe Maß von Gewöhnung an das Bestehende entgegensteht, die der Mensch als ein sehr irdisches Wesen nun einmal mit sich bringt. Das ist der eine Grund. Der zweite Grund, meine verehrten Damen und Herren: es ist ganz selten der Fall, daß man eine übergeordnete Einrichtung auf den Willen aller nachgeordneten Einrichtungen stützen kann. Ganz selten reicht der Gestaltungswille aller unteren Ordnungen aus, in dem Bereich der höheren Ordnung etwas zustande zu bringen. Der dritte Grund ist schließlich der - dieser ist beinahe noch wichtiger als die vorher genannten -, daß das wirtschaftliche Schwergewicht der vorhandenen Anstalten zur Zeit noch den Markt beherrscht. Wenn ich hier „wirtschaftlich" sage, meine ich das im allerumfassendsten ökonomischen und gesellschaftlichen Sinn, und wenn ich das Wort „Markt" gebrauche, meine ich es ebenfalls in jenem weitestmöglichen Sinn. Meine Damen und Herren, wir haben auf dem, was ich gerade einen Markt nannte, derzeit eine Ordnung, die zwar kein Monopol, aber ein ganz klares Oligopol ist. Die Monopolisten und die Oligopolisten unterscheiden sich in manchem, nur nicht in einem: sie haben in bezug auf die Beherrschung des Marktes eine einheitliche Einstellung und Grundhaltung. Diese drei Elemente, die ich gerade nannte, sind es, die den Kern der Dinge ausmachen. Das ist dem Auge der Öffentlichkeit nicht so sichtbar; davor hängt jener schöne Schein allgemeiner Publizität. Aber der Kern der Dinge ist so, wie ich ihn gerade gezeichnet habe. Nun möchte ich einmal in kurzen Strichen umreißen, wie die heutige Lage ist. Die heutige Lage kann man überhaupt nur verstehen, wenn man ein geschichtliches Erinnerungsvermögen hat, welches die Zeit seit 1945 wirklich plastisch und bildhaft ins Auge faßt. Damals brach ein Rundfunktsystem - wir sprechen jetzt nur vom Rundfunk - ebenso total zusammen wie der Staat, von dem es ein Stück war. Es war hier wie auf allen anderen Gebieten die Aufgabe der Besatzungsmächte, aus Trümmern eine vorläufige Ordnung zu prägen. Das ist geschehen, und zwar nicht etwa nach dem vorgefaßten Bild einer idealen staatlichen gesamtdeutschen Lösung, sondern für einen engeren Interessenbereich. Das gilt sowohl für die britische als auch für die französische, als auch für die amerikanische Besatzungsmacht. Ich will das hier nicht im einzelnen nachzeichnen. Wer diese Geschichte noch einigermaßen in Erinnerung hat, weiß, daß zutrifft, was ich sage. Meine Damen und Herren, Sie haben wahrscheinlich alle in diesen Tagen eine kostbar ausgestattete Druckschrift der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten bekommen. Darin wird gesagt: Nein, nein, wir sind ja nicht etwa besatzungsrechtliche Einrichtungen, sondern wir sind durch deutsches Landesrecht geformt. Ja, „Wir sind durch deutsches Landesrecht geformt", sagt man, aber wie das geschehen ist, ergab sich aus dem Vorkonzept, das damals, in der ersten Zeit nach 1945, durch die Besatzungsmächte zwangsläufig festgelegt war. Es gibt keinen Punkt, in dem man - wenn Sie die Aufteilung des Nordwestdeutschen Rundfunks nicht etwa als ein besonders bemerkenswertes, fortschrittliches Ereignis feiern wollen - von dieser Grundkonzeption aus der Vorzeit der Bundesrepublik abgewichen wäre. Mit anderen Worten: Wir stehen heute noch vor der ganz ungelösten Aufgabe, ein Rundfunksystem, das in organisatorischer Beziehung von der Existenz des Bundesstaats überhaupt noch keine Notiz genommen hat, endlich den Notwendigkeiten des Bundesstaats anzupassen. Dieser Weg für eine übergeordnete Lösung ist überhaupt erst seit 1955 frei, also seit jenem Augenblick, in dem die Bundesrepublik in ihre Souveränität hineingewachsen ist, eine Souveränität, die aber auch ihrerseits derzeit noch mit gewissen Vorbehaltsrechten belastet ist. Ich glaube, man darf nach allem, was voraufgegangen ist, sagen, daß die Zeit jetzt doch reif sei für diese Lösung, und wir wollen nun miteinander versuchen, diese Lösung zu schaffen. Sie werden fragen: Welchen Weg schlägt die Bundesregierung hierbei ein? Das, was die Bundesregierung vorschlägt, ist weit davon entfernt, etwa eine umwälzende, eine revolutionäre Lösung zu sein. Davon sind wir weit entfernt. Der Weg, den die Vorlage der Bundesregierung geht, ist ein sehr vorsichtiger; es ist der Weg einer sehr konservativen Therapie, ganz ohne Operation und unter sorgfältiger Schonung des Gewordenen. Dieser Weg kennzeichnet sich durch zwei Merkmale als ausgeprochen föderalistisch. Ich lege, da in der Diskussion gerade in dieser Beziehung unbegründete Verdachtsmomente leicht auftauchen könnten, großen Wert darauf ganz klar zu machen, daß der Weg, den wir hier vorschlagen, ein Weg ist, wie er tatsächlich den inneren Lebensgesetzen unseres Bundesstaates im Rahmen des Grundgesetzes entspricht. Dieser föderalistische Weg sieht nämlich einmal vor, daß die Länder das behalten, was sie derzeit haben, daß wir uns gar nicht in die Frage einmischen, ob die Gliederung, so wie sie dort jetzt vorgenommen ist und wie sie dort besteht, gut oder weniger gut ist und ob sie verbessert werden kann, sondern wir überlassen diese Entscheidung durchaus den Ländern selbst. Das zweite Moment dieses föderalistischen Weges ist, daß an den neuen Einrichtungen, die geschaffen werden sollen, die Länder von vornherein beteiligt werden. Wir haben ihnen also gesagt: Ihr behaltet das, was ihr habt, und ihr werdet an dem, was neu entsteht, beteiligt, und zwar in demselben Umfang beteiligt wie der Bund selbst. Das sind die beiden Elemente, die, glaube ich, charakteristisch sind für die Beachtung einer föderalistischen Grundgliederung, wie sie in der Bundesrepublik gegeben ist. Im übrigen versucht dieser Entwurf nur das neu zu ordnen, was wegen seines den ganzen Bund umfassenden Charakters einheitlich sein muß, und schließlich wird nur das neu geordnet, was im Wege der von dem Einstimmigkeitsprinzip beherrschten bisherigen einzelstaatlichen Ordnung nicht befriedigend geregelt werden konnte. Ich habe, meine sehr verehrten Herren und Damen, diese Prinzipien zunächst in einer etwas abstrakten Form dargestellt und will sie nun im einzelnen erläutern. Welche Fragen sind nach unserer Meinung einer übergeordneten Regelung fähig und bedürftig? Das ist in allererster Linie der Auslandsfunk. Der Auslandsfunk - ich glaube, das leuchtet dem unbefangenen Betrachter am ehesten ein - kann nicht ein Nebenprodukt einer der Landesanstalten sein, sondern er bedarf einer gesonderten, intensiven Betreuung. Daß das notwendig ist, zeigt leicht der internationale Vergleich. Er zeigt, daß wir auf diesem Gebiet außerordentlich viel nachzuholen haben, ja, daß wir gegenüber der sogenannten DDR gut daran täten, unsere Anstrengungen, in dem internationalen Konzert durch einen Auslandsfunk zu Gehör zu kommen, nachhaltig zu verstärken. Das ist der eine Punkt. Dies kann niemals aus einer Gemeinschaftslösung von Landesanstalten hervorgehen, sondern nur auf einer übergeordneten Basis errichtet werden. Was ich hier sage, bedeutet nun nicht etwa eine Kritik an dem, was auf diesem Gebiet bisher bereits versucht und geleistet worden ist. Das ist eine ganz grundsätzliche Betrachtung. Sie läuft darauf hinaus, daß zur Erreichung eines hohen Leistungseffektes eben bestimmte organisatorische Voraussetzungen notwendig sind. Das zweite, meine Damen und Herren, ist, daß uns ein Rundfunksender fehlt, der repräsentative Bedeutung für Gesamtdeutschland und für das europäische Ausland hat. Diejenigen - und das sind hoffentlich alle -, die einen wirklich lebendigen Eindruck von der Auseinandersetzung haben, die derzeit um Deutschland und innerhalb Deutschlands vor sich geht, wissen ganz genau, daß wir bei dem Bemühen, einen repräsentativen Deutschland- oder Europasender zu schaffen, weit, unendlich weit, ich möchte sagen, traurig weit hinter dem zurück sind, was hier geleistet werden kann und unter allen Umständen geleistet werden muß. Die dritte Aufgabe ist, daß wir neben dem bestehenden Fernsehprogramm, das eine Gemeinschaftsleistung der vorhandenen Anstalten ist, ein zweites Fernsehprogramm schaffen, das von den derzeitigen Anstalten und ihren Trägern unabhängig ist. Bei der vierten Aufgabe wird ein alle Anstalten berührendes Problem angesprochen. Es handelt sich um die Frage der Gebührenregelung, die durch das jüngste kleine Vorkommnis - ich meine die Gebührenfrage bei Auto- und Kofferradiogeräten - eine besonders sichtbare Aktualität bekommen hat. Schließlich gehört zu diesen gerade genannten Fragen auch noch die Einführung eines „Allgemeinen Teils", in dem jene wahrscheinlich gar nicht sehr umstrittenen Grundsätze zu regeln sind, die für das Rundfunkwesen in ganz Deutschland verbindlich sein müssen. Das sind die Probleme, die gelöst werden müssen. Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich nun dafür an? Es sind hier eine Reihe von Einwendungen gemacht worden, mit denen ich mich einmal kurz beschäftigen will. Da ist zunächst der Einwand, es mangele dem Bund an der Zuständigkeit zur Durchführung dessen, das ich gerade skizziert habe. Der Einwand mangelnder Zuständigkeit ist unter Juristen sicherlich einer der häufigsten, und es ist deswegen nicht verblüffend, daß er auch in diesem Zusammenhang aufgetaucht ist. Aber wer einmal mit einiger Unbefangenheit - und man muß oder sollte wenigstens, auch dann, wenn man in den Reihen der „beati possidentes" sitzt, einer gewissen Unbefangenheit fähig sein - an die Dinge herangeht, der wird doch wohl sagen, es müßte sehr merkwürdig sein, wenn eines der modernsten Verfassungsgesetze, oder ich sage lieber: eines der jüngsten Verfassungsgesetze der Welt, nämlich das der Bundesrepublik Deutschland, ausgerechnet auf diesem Gebiet so völlig unzulänglich sein sollte. Das wäre, glaube ich, kein besonderes Lob für diejenigen, die vor etwas mehr als zehn Jahren das Grundgesetz geschaffen haben. ({1}) - Herr Kollege Wittrock, bei der Frage „unzulänglich oder nicht" handelt es sich zunächst nicht um eine subjektive Angelegenheit. Sie waren so wenig liebenswürdig, das ins Subjektive zu wenden; darum handelt es sich nicht. Die Staaten, auch der Bundesstaat, haben gewisse natürliche Lebensgesetze, und eine Verfassung ist nur dann gut, zweckmäßig und brauchbar, und sie wird nur dann allen Lebensverhältnissen gerecht, wenn sie in der Tat diese Lebensverhältnisse sieht und berücksichtigt. Es ist eine groteske Vorstellung, daß die Betätigung der Bundesrepublik auf dem Gebiete des Auslandsfunks daran scheitern könnte, daß es nicht zur Einstimmigkeit unter elf deutschen Ländern kommt. Diese Vorstellung steht so gegen den Sinn und die richtige Auffassung von einer Verfassung, daß man sie gar nicht erst aufkommen lassen sollte. Deutscher Bundestag.- 3. Wahlperiode Bundesminister Dr. Schröder Ich will das Thema der Zuständigkeit hier nicht sonderlich vertiefen. Ich habe ja erst vor einigen Wochen Gelegenheit gehabt, im Bundesrat darüber zu sprechen. Aber man muß doch einmal aussprechen, daß es nicht richtig sein kann, die weitesträumigen Nachrichteninstrumente an die engsträumige Gesetzgebung zu binden und den Erfolg für das Ganze davon abhängig zu machen, ob ganz verschieden große gebietliche Einheiten sich zu dieser übergeordneten Leistung bereit finden. Das kann nicht richtig sein; es steht auch nicht im Grundgesetz. Wollte man diesen Einwand ernsthaft erheben, so würde er vor keinem deutschen Verfassungsgericht einer Nachprüfung standhalten. Dann ist gesagt worden - und das stammt aus derselben Gedankenwelt -: „Nun ja, das Grundkonzept, das ihr aufwerft, mag ganz richtig sein; man sollte das Problem aber besser durch Verträge zwischen Bund und Ländern lösen." Ich behandle diesen Punkt, da ich weiß, welche Empfindlichkeiten er in unserem Vaterlande ganz unnötigerweise hervorgerufen hat, in der schonendsten Weise. Es glaubt doch wohl niemand, daß es dem Wesen des Bundesstaates angemessen sein könnte, solche übergeordneten Aufgaben aus der Zuständigkeit des Bundesstaates in anderer Weise als durch Gesetz zu lösen. Warum? Hier wird ein Punkt berührt, den leider nicht alle diejenigen genügend beachten, die auf diesem Gebiet mitsprechen. Es gibt entscheidende Unterschiede zwischen einem Staatenbund und einem Bundesstaat. Dieser Unterschied sollte schon rein dem Wort nach klar sein; er ist aber für die meisten doch nicht genügend plastisch geworden. Das eigentliche Geheimnis besteht darin, daß der Bundesstaat darauf angewiesen ist, bestimmte Dinge durch Mehrheitsentscheidungen zu regeln. Er basiert darauf, daß an zwei Stellen Mehrheiten gefunden und angewendet werden müssen, einerseits auf der Ebene des Bundestages und andererseits auf der Ebene des Bundesrates. Vom Wesen des Bundesstaates und von der Verschiedenartigkeit seiner einzelnen regionalen Interessen her ist es undenkbar, daß er anders als durch das Prinzip der Mehrheitsentscheidung überhaupt sinnvoll regiert werden kann. Das ist der entscheidende Einwand gegen vertragliche Lösungen, die letztlich Einstimmigkeit ganz ungleichartiger Größen voraussetzen. Bei diesen vertraglichen Lösungen würde das langsamste Schiff im Geleitzug unüberwindbar das Tempo der ganzen Fahrt bestimmen müssen. Aber da wir wissen, daß gerade dieser Punkt von einer besonderen, wie soll ich sagen, emotional betonten Nachhaltigkeit ist, haben wir durchaus schon seit längerer Zeit unsere Bereitschaft zu erkennen gegeben, dem zuzustimmen, was als eine gemischte Lösung zu bezeichnen man Sich angewöhnt hat. Ich wiederhole, daß die Bundesregierung bereit sein wind, einer gemischten Lösung zuzustimmen, wenn sich der Wille dazu auf der Saite der Länder tatsächlich zeigen sollte. Das sind zwei der Einwendungen, mit deinen ich mich beschäftigt habe. Ich möchte jetzt einen ganz kurzen Blick auf eine dritte Einwendung werfen, ich meine die Zusammensetzung der Gremien, so wie wir sie vorgeschlagen haben. Ich wiederhole hier etwas, was ich vor zwei Jahren gesagt habe: Wir sind der festen Überzeugung, daß für Aufsichtsgrermien öffentlich-rechtlicher Anstalten kein Prinzip schlechter wäre als das Prinzip des Parteienproporzes, und zwar aus vielerlei Gründen. Ich habe damals darüber ,gesprochen und will das nur in die Erinnerung zurückrufen. Wir schlagen deshalb Gremien vor, in denen es keine aktiven Minister, keine aktiven Abgeordneten und keine weisungsgebundenen aktiven Beamten mehr gibt. Denn wir wollen in der Tat auch schon in der äußeren Konstruktion absolut sichtbar machen, daß es sich nicht um die Errichtung von staatlichen Rundfunkanstalten handelt, sondern daß die Rundfunkanstalten, wenn auch durch ein Gesetz geprägt, doch Einrichtungen sein sollen, die stärker in dem freien gesellschaftlichen Raum stehen. Ich glaube, daß wir damit den Grundsätzen am ehesten Rechnung tragen können, wie sie vor allen Dingen in Art. 5 des Grundgesetzes ausgeprägt sind. Ich komme nun zu einer weiteren Einwendung, nämlich zu der Frage, ob es in Deutschland überhaupt möglich ist, so zu verfahren. Wir haben gerade in unserer neueren Rundfunkkonzeption manches von Großbritannien übernommen, anderes weiterentwickelt. Ich glaube, daß die Zusammensetzung unserer Gremien so, wie sie in Großbritannnien seit Jahrzehnten gehandhabt wird, durchaus praktisch und möglich ist. Ein weiterer Punkt ist die Frage der Gestaltung der Fernsehgesellschaft. Dies ist offensichtlich für viele eine der interessantesten und in mancher Beziehung strittigsten Fragen. Es sind mehrere Systeme denkbar. Das System, das die Bundesregierung vorschlägt, ist dem System ähnlich, das man in Großbritannien hat: neben einer Anstalt wie BBC eine Anstalt wie ITA, Independent Television Authority. Alle Bedenken, die heute gegen die Errichtung einer solchen Anstalt geltend gemacht worden sind, können Sie beinahe wörtlich, mindestens aber immer dem ,gedanklichen Inhalt nach, in der englischen Diskussion von vor einigen Jahren nachlesen. Wenn die Zeit und wenn die Geduld des Hohen Hauses dafür ausreichte, könnte man sich das Vergnügen machen, diese Argumente mal auf englisch, mal in ihrer deutschen Fassung vorzulesen. Nachdem dieses System in Großbritannien in Kraft getreten ist, haben sich - ein schönes Beispiel dafür, daß man durch Zuschauen und Erfahrung lernen kann - die Meinungen der Menschen ganz beträchtlich verändert. Ich bin der feisten Überzeugung, daß eine in jeder Beziehung der ITA vergleichbare Einrichtung auch ,bei uns praktikabel ist und daß sich alle diejenigen Bedenken, die wir sehr ernst nehmen - Bedenken vor allen Dingen, aber nicht nur, aus dem kirchlichen Raum -, auch auf deutschem Rechtsboden mit deutschen Einrichtungen wirkungsvoll berücksichtigen und beheben lassen. Darüber jetzt im einzelnen zu sprechen, würde zu weit führen. Ich nehme sowieso an, daß ich im Laufe der Diskussion noch werde sprechen müssen. Ich möchte mich hier auf den Ausdruck meiner Überzeugung beschränken, daß diesen Bedenken durch geeignete Vorkehrungen innerhalb dieses im Grundriß gezeichneten Systems Rechnung getragen werden kann. Nur noch wenige Schlußbemerkungen. Das Gesetz, das Ihnen vorliegt und das Sie schon aus den vorausgegangenen Diskussionen kennen, ist ein Grundriß, der sicherlich in manchem der Ausgestaltung und - wir wollen dabei völlig aufgeschlossen sein - auch wohl der Verbesserung im Ausschuß fähig ist. Aber eines bitte ich sehr ernst zu nehmen: Die Zeit drängt außerordentlich; denn hier ist bereits sehr, sehr viel versäumt warden, und wir möchten ungern, daß dieses Hohe Haus ,den Versäumnissen seiner Vorgänger etwa weitere hinzufügen solle. Den Schaden würde die Allgemeinheit und - das ist idas Entscheidende - die Wirkungsmöglichkeit unseres Vaterlandes nach draußen haben. ({2}) - Herr Kollege Blachstein, ich bin mir darüber klar, daß Sie hier, besonders auch als Mitglied einer hervorragenden Anstalt, auf der Seite der „beati possidentes" sind. ({3}) - Er hat mich provoziert, Herr Kollege Wehner, und deswegen antworte ich ihm so, wie er mich angesprochen hat. - Sie haben gesagt: 1961. Sie geben aber in der Tat dieser Sache eine ganz falsche Wendung, wenn Sie sagen, das Thema solle hier unter dem Gesichtspunkt erörtert werden, was für 1961 praktisch sei oder nicht, Herr Kollege Blachstein. ({4}) Dann sind die Argumente aus den Reihen der beati possidentes bei Ihnen übermäßig stark haftengeblieben. Wir fühlen die Verpflichtung - das sage ich für die Bundesregierung -, die Ordnungsprobleme, über die wir hier schon vor Jahren gesprochen haben, so zu sehen, wie sie nach unserer Meinung jede dem Gemeinwohl verpflichtete deutsche Regierung sehen muß, und nicht einfach vor den gewachsenen Interessen zu resignieren, weil sie nun einmal da sind, sondern uns die Mühe zu geben, unter Schonung von Gewachsenem vor allen Dingen die gesamtdeutschen Aufgaben des Bundes in einer besseren Weise als bisher erfüllen zu können. Das muß das Ziel jeder Regierung sein. Ich habe sogar die Hoffnung, daß es auch das Ziel einer von Ihnen geführten Regierung sein würde. Deswegen bitte ich, solche Bemerkungen wie die, daß das Ganze auf 1961 ziele, doch lieber aus der Diskussion herauszulassen. Das würde sie nur mit unnötigen Schärfen versehen. Ich glaube, alle sollten sich auf den Standpunkt stellen, daß diese Aufgabe zunächst einmal vom Prinzip der idealen Ordnung aus angesehen werden muß. Dann werden wir sehen, wie wir die vorhandene Ordnung in eine ideale Ordnung einpassen können. Aber den Blick immer nur auf Wahltermine gerichtet zu halten, das ist unter der Würde des Gesetzgebers und sicherlich unter der Würde der Regierung. Meine Damen und Herren - damit bin ich gleich wieder bei einem Einwand ähnlich dem, den wir gerade gehört haben -, ich bin beinahe sicher, daß im Manuskript des Kollegen Kühn ein solcher Satz stehen wird: Ist es nicht ein Griff nach dem Rundfunk? Herr Kollege Kühn, Sie werden mir gleich zugeben, daß etwas Ähnliches in Ihrem Manuskript steht. Es ist nicht ein Griff nach dem Rundfunk. Ich habe gerade beschrieben, was das Entscheidende dieses behutsamen, sehr konservativen gesetzgeberischen Vorschlages ist, nämlich notwendige Verbesserungen und Ergänzungen des bisherigen Systems herbeizuführen. ({5}) Deswegen sage ich - ob Ihnen, meine verehrten Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion, das nun auf Anhieb eingeht oder nicht -, dieser Vorschlag dient nicht einer Partei, er dient nicht einer Gruppe, sondern er hat lediglich zwei Ziele: dem Bund zu geben, was er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht, und gleichzeitig dem Hörer zu geben, was er von uns mit Recht erwarten darf und was nur wir ihm geben können, nämlich ein zweites und unabhängiges Programm. Deshalb möchte ich, meine Damen und Herren, meine kurzen einleitenden Ausführungen damit schließen, daß ich einen Appell an Sie alle richte. Sicherlich stellt dieses Gesetz für alle Beteiligten in Regierung und Opposition, in Bundestag und Bundesrat eine große und schwere Aufgabe. Aber ich meine, wenn wir alle diese Aufgabe mit Tatkraft, mit Einsicht, mit konstruktiver Phantasie und schließlich mit dem Willen zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit anfassen, dann wird sie nach sehr vielen voraufgegangenen Diskussionen, nach sehr langen Jahren dennoch bald gelöst sein. ({6})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heck.

Dr. Bruno Heck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000837, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute früh bei der Morgenlektüre der Zeitung gelesen, daß für heute in diesem Hohen Hause ein Funkkrieg erwartet werde. Nun, in den letzten Minuten der Zeit, die der Herr Minister für seine Ausführungen in Anspruch genommen hat, hat es schon etwas zu knistern begonnen. Ich glaube in der Tat, daß es eine ungute Sache ist, in dieser ersten Lesung das Stichwort „Wahlen 1961" in die Debatte zu werfen. Daß dieses Stichwort weder für den Auslandsfunk noch für den Deutschlandfunk noch für die Höhe der Gebühr noch für die allgemeinen Bestimmungen Dr. Heck ({0}) irgendwelche Rolle spielen kann, liegt auf der Hand. Das einzige, was damit angesprochen werden könnte, ist doch das zweite Fernsehprogramm. Und nun überlegen Sie einmal, meine Damen und Herren, wie viele Empfangsmöglichkeiten am 1. Januar 1961 für dieses zweite Fernsehprogramm vorhanden sein werden, und rechnen Sie sich aus, wie viele es optimal im September 1961 sein können. Dann wird Ihnen sofort deutlich, daß die Regelung des zweiten Fernsehprogramms so oder so für die Wahlen 1961 vollkommen belanglos ist. ({1}) Deswegen würde ich doch alle Seiten dieses Hauses bitten, das Thema „Wahlen 1961" aus dieser Debatte herauszulassen. Der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen, daß die Materie bereits seit nunmehr über acht Jahren hier im Hause strittig ist. Ich muß aber doch feststellen, daß in der Frage, mit welchem Recht in diesem Hause dieses Thema behandelt werde, die Meinungen nicht auf allen Seiten des Hauses gleich geblieben sind. Unser allerseits geachteter Kollege Jacobs von der sozialdemokratischen Fraktion hat am 15. November 1951 in diesem Hause von einer „geradezu souveränen Mißachtung nun einmal bestehender Zuständigkeiten des Bundes" gesprochen. Er meinte damit den Staatsvertrag der Länder Rheinland-Pfalz, Südbaden und WürttembergHohenzollern über den Südwestfunk. In dem Inhalt dieses Vertrages sah er eine durch nichts zu rechtfertigende Kompetenzüberschreitung der vertragschließenden Länder gegenüber dem Bund. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß der Kollege Jacobs damals seine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht hat. Er sprach für seine Fraktion; ({2}) - durchaus nicht! - und daß seine Fraktion in dieser Sache mit ihm einig war, geht aus dem Wortlaut der Interpellation - Drucksache 2692 vom 16. Oktober 1951 - hervor. In dieser Interpellation heißt es, dieser Staatsvertrag „würde das Bundesrundfunkgesetz, zu dessen Vorlage die Bundesregierung durch den Bundestag aufgefordert worden ist, in bedenklicher Weise präjudizieren"; außerdem würde er - so heißt es in der Interpellation -„ein der künftigen verfassungsrechtlichen Entwicklung nicht dienliches Beispiel von Länderetatismus sein". Ich zitiere dies nicht, weil ich Lust hätte, jemand darauf festzunageln; es ist bekannt, daß sich innerhalb von acht Jahren im politischen Bereich Veränderungen vollziehen, und vor allem, daß, wenn von diesem Podium aus gesprochen wird, die Argumente manchmal doch etwas mehr unter dem Aspekt formuliert werden: „Was ist augenblicklich für das nützlich, was ich hier zu vertreten habe?" Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß zu Beginn dieser Auseinandersetzungen die Meinungen auch unserer sozialdemokratischen Kollegen über die Zuständigkeitsfrage nicht so eindeutig waren, wie das heute der Fall zu sein scheint. Ich darf auch unseren Kollegen Blachstein daran erinnern, daß er noch im Oktober 1952 von hier aus für seine Fraktion sagte, die Bundesrepublik brauche ein Rahmengesetz für den Rundfunk, in dem die allgemeinen Dinge geregelt werden müßten. Nun, der Herr Minister hat hier die Gesetzesvorlage der Bundesregierung vertreten. Er hat aber schon anklingen lassen, daß in den letzten Wochen Gespräche in Gang gekommen sind, die eine gemischte Lösung anstreben. Bevor wir uns intern in dem festgelegt haben, was wir hier vorschlagen wollen, haben wir sehr sorgfältig geprüft, welchen Weg gerade unsere sozialdemokratischen Kollegen mitmachen könnten, und da sind wir zu der Auffassung gekommen, daß bisher auch von sozialdemokratischer Seite nie bestritten worden ist, daß der Bund die Verantwortung und das Recht für den Auslandsfunk besitzt, ganz einfach deswegen, weil die Zuständigkeit dafür gar nicht auf eine Interpretation des Artikels 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes zurückgeführt werden muß, weil hier die Zuständigkeit und die Verantwortung des Bundes für auswärtige Angelegenheiten gilt. Wenn man dazu ja sagt, muß man meines Erachtens konsequenterweise auch dazu ja sagen, daß der Deutschlandfunk, dessen erste Verantwortung eine gesamtdeutsche Verantwortung ist, unter die Verantwortung und unter das Recht des Bundes fällt. Auch das hat der Kollege Blachstein von dieser Stelle aus in diesem Hause schon einmal als die Meinung seiner Partei vertreten. Die Frage, was man unter den allgemeinen Dingen, die in einem Rahmengesetz zu regeln wären, überhaupt verstehen kann, ist, meine ich, dahin zu beantworten, daß es nichts anderes sein kann als das, was der Sache nach im Teil I des Gesetzentwurfes steht, darüber hinaus die Festsetzung der Höhe der Gebühren und des Postanteils sowie die Festsetzung der Bedingungen, unter denen eine Befreiung von der Gebühr möglich ist. Ich glaube, wenn ich alles zusammennehme, sagen zu können, daß für eine bundesgesetzliche Regelung einer Reihe von Fragen in diesem Hause eine wesentlich breitere Grundlage vorhanden ist, wenigstens in der Frage der Zuständigkeit und damit von der Seite der Verantwortung her, als das die Diskussion in der Offentlichkeit manchmal in Erscheinung treten läßt. Unser Vorschlag ging deswegen dahin, gerade diese Materien - den Auslandsfunk, den Deutschlandfunk, die allgemeinen Bestimmungen, die Höhe der Gebühr und des Postanteils sowie die Befreiungsbedingungen - durch ein Gesetz zu regeln. Wir waren und wir sind dazu bereit zuzugestehen - und wir verhandeln darüber mit den Ländern und mit der Sozialdemokratischen Partei -, das zweite Fernsehprogramm und den Finanzausgleich in einem Staatsvertrag zu regeln. Herr Kollege Kühn hat der Regierung von hier aus einmal einen guten Rat gegeben; auch das kommt vor, Herr Kollege Kühn. ({3}) Dr. Heck ({4}) Sie gingen davon aus, was die Engländer unter einem Gentleman verstünden. Sie erklärten: Die Engländer halten einen Mann für einen Gentleman, der von seinem Recht nicht hundertprozentig Gebrauch macht. Nun, meine Damen und Herren, wir sind bereit, von unserem Recht nicht hundertprozentig Gebrauch zu machen. Wenn auch Sie bereit sind, nicht hundertprozentig darauf zu bestehen, daß Ihre Vorstellungen verwirklicht werden, dann ist, glaube ich, der Weg frei, um diesen leidigen Rundfunkstreit, der sich nun über acht Jahre hinzieht, mit einem Kompromiß zu beenden, zu dem schließlich alle mit einem weinenden und einem lachenden Auge ja sagen können. Zu dem strittigsten Punkt dieses Gesetzentwurfs, nämlich dem zweiten Fernsehprogramm, möchte ich noch ein paar Worte sagen. Die Konturen des zweiten Fernsehprogramms sind daraus, wie sie der Gesetzentwurf gezeichnet hat, eigentlich nicht recht erkennbar. Die Regierung hätte besser daran getan, eine klarere Sprache zu sprechen und sehr viel präziser zum Ausdruck zu bringen, wie sie sich ein Fernsehsystem in Anlehnung an das britische ITA-System denkt, welche Garantien sie für notwendig hält, um gewisse Gefahren abzuwehren, die fraglos in jedem System liegen, das privatwirtschaftlich organisiert und durch Werbung finanziert wird. Ich sage hier ganz offen, daß ich in diesem Punkt mit dem Gesetzentwurf nicht ganz zufrieden bin. Mir ist die Auffassung der Bundesregierung bekannt, daß das alles von den Aufsichtsgremien geregelt werden könne und solle; diese hätten die Regelung in die Verträge mit den Gesellschaften einzuarbeiten. Nun, mein Vertrauen zu Aufsichtsgremien von Rundfunkanstalten ist nicht so groß. In der Vergangenheit hat sich doch gezeigt, daß die Aufsichtsgremien - die Damen und Herren, die Aufsichtsgremien angehören, mögen mir das nicht übelnehmen, was ich jetzt sage - sich im Laufe von Jahren Schritt für Schritt einfach mit ihrer Anstalt identifizieren und schließlich mehr die Vertreter der Anstalt gegenüber der Öffentlichkeit als die Vertreter der Öffentlichkeit gegenüber der Anstalt sind. Das ist teilweise sehr verständlich und auch natürlich: wenn man seine Arbeitskraft fünf, sechs, sieben, acht Jahre einer Sache gewidmet hat, dann verwächst man mit ihr. Sie wird für einen so etwas wie das eigene Kind. Jeder Vater weiß, daß es sehr schwer ist, den eigenen Kindern gegenüber kritisch zu bleiben. Ich persönlich möchte deswegen so wichtige Fragen und so wichtige Entscheidungen nicht Vereinbarungen überlassen, die Aufsichtsgremien mit privaten Gesellschaften zu treffen haben. An diesem Punkt ist auch die Kritik der Kirchen in vollem Umfange berechtigt. Die Kritik der Kirchen mag in mancher Hinsicht unbequem sein, .aber es gehört, glaube ich, mit zu den Aufgaben der Kirchen, das Unbequeme zu sagen. Gerade in einer solchen Frage, wo für das Menschliche, wo für die Integrität des Menschen so unendlich viel auf dem Spiele steht, haben die Kirchen ein besonderes Recht, sich zu Wort zu melden. Ich meine, wir alle, gleichgültig, zu welchen Parteien wir gehören, haben die Pflicht, dieses Wort sehr ernst aufzugreifen. In diesem Zusammenhang ist auch manches gesagt worden, das, wie ich meine, sehr oberflächlich ist. Es wird da immer vom Massengeschmack gesprochen. Über Massengeschmack läßt sich in jedem Zirkel und vermutlich auch in diesem Hohen Hause ohne weiteres sprechen. Ich habe bisher noch nie einen Kreis von Persönlichkeiten getroffen, der sich über Massengeschmack unterhalten hat, in dem auch nur einer auf den Gedanken gekommen wäre, daß rauch er dazu gehören könnte. Diese Massen mit dem schlechten Geschmack sind ja immer die anderen. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, daß man den Massengeschmack etwas nach Bildungsgraden lokalisieren möchte. Ich halte das für falsch. Der Massengeschmack ist etwas, das in jedem Menschen, gleichgültig, ob er Volksschulbildung, Abitur oder Staatsexamen hat, bereit liegt. Massengeschmack ist etwas, das in allen Menschen aktualisiert werden kann. Ich wehre mich hier leidenschaftlich dagegen, daß man in dieser Diskussion dem Volk den Massengeschmack, den schlechten Geschmack anhängt. Ich fürchte nicht etwa die Tatsache, daß das Volk eine besondere Neigung zum schlechten Geschmack hätte. Ich fürchte etwas ganz anderes: ich fürchte die Leute, die der Auffassung sind, daß das Volk von Natur aus einen Hang zum schlechten Geschmack hat. ({5}) Wenn wir eines verhindern müssen, dann das, daß Fernsehprogramme, Rundfunkprogramme, ob in öffentlichen Anstalten oder bei privaten Gesellschaften, von Leuten produziert werden, die der Auffassung sind, dass Volk habe von Haus aus eine Neigung zum schlechten Geschmack. Wir müssen verhindern, daß Rundfunk und Fernsehen in die Hände von Persönlichkeiten oder von Menschen kommen, die ich nur als Produzenten des schlechten Geschmacks be eichnen kann. ({6}) In dieser Hinsicht wird an diesem Gesetz noch manches zu tun sein, auch, ich wiederhole es hier, wenn es sehr unbequem ist. Um der Sache willen müssen wir für eine äußerst kritische Einstellung zu diesen Fragen und eine kritische Mitarbeit nur dankbar sein. Ich komme noch einmal auf den Rat unseres Kollegen Kühn zurück. Wir sind bereit, von unserem Recht - ich wiederhole es - nicht hundertprozentig Gebrauch zu machen. Ich habe die Hoffnung, daß auch die Opposition 'ihre Vorstellungen nicht hundertprozentig durchzudrücken beabsichtigt. Deswiegen hoffe ich, daß wir - zwar nicht mit dem ganzen hier vorliegenden Gesetzentwurf, raber doch mit wesentlichen Teilen dieses Entwurfs - zum Ziele kommen und für den Rest im Einvernehmen nicht nur zwischen den Ländern und dem Bund, sondern auch zwischen den Parteien dieses Hohen Hauses reine staatsvertragliche Regelung erreichen. ({7})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.

Heinz Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001245, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Problem des Rundfunks an einem symbolischen Tag; es ist der 27. Januar. Das ist sowohl Kaisers als auch Mozarts Geburtstag. Für dieses Haus ist das nun keine Verpflichtung, sich in zwei Fraktionen aufzuspalten, eine, die den machtpolitischen Spekulationen zuneigt, und eine, die sich den geistigen Erfordernissen verbunden fühlt. ({0}) Ich habe die Hoffnung, daß diese Fraktionsspaltung, wenn es dazu käme, nicht mit den traditionellen Fraktionsgrenzen des Hauses in Übereinstimmung liegen würde. Wir haben aber heute keine Geburtstagsreden zu halten, sondern eher - selbst wenn mir der Herr Bundesinnenminister das übelnimmt - eine Begräbnisrede. Es geht einfach um den Leichnam dieses Gesetzentwurfs, den der Herr Bundesinnenminister hier noch einmal in sehr gemäßigter Form rhetorisch aufgebahrt hat. Sie alle wissen, meine Damen und Herren, und auch der Herr Bundesinnenminister weiß es, daß dieser Gesetzentwurf in Wirklichkeit tot ist seit dem 13. November, als der Bundesrat ihn einstimmig abgelehnt hat. Auch wenn man alle Unvorhersehbarkeiten kommender Verhandlungssituationen einkalkuliert, weiß man doch - auch Sie wissen es , daß dieser Gesetzentwurf in der ganzen Konstruktion, in der er vom Herrn Bundesinnenminister wieder vorgetragen worden ist, auch fürderhin die einhellige Ablehnung des Bundesrats finden wird. Der Herr Bundesinnenminister hat gewiß geglaubt - und das ist verständlich, nachdem dies nun einmal sein Kind ist -, ihn aus Prestigegründen in die Ausschußberatung bringen zu müssen. Ich glaube, dieser Entwurf soll darüber hinaus im taktischen Spiel der Kräfte auch noch eine andere Bedeutung haben: Die Bedeutung eines Pressionsinstruments gegen die Verhandlungspartner, insbesondere gegen die Ministerpräsidenten der Länder bei den laufenden Kompromißverhand lungen. Wenn aber eine Lösung des Rundfunkstreits gefunden werden soll, die in diesem Hause eine breite Mehrheit und in der Öffentlichkeit breite Anerkennung findet, dann kann diese Lösung - lassen Sie mich das für meine Fraktion ganz offen aussprechen - nicht aus dem Geiste dieses Entwurfs gefunden werden. Der Herr Innenminister hat - er hat diese Vokabel dreimal gebraucht und hat sich auch in der Tat im ganzen Aufbau seiner Rede danach gerichtet - behutsam gesprochen. Er hat hier nicht als ein Politiker gesprochen, der auch die Macht ins Kalkül einsetzt, sondern als ein schierer Idealist. Er hat schön gesprochen. ({1}) Er hat diesem Gesetzentwurf auch eine schöne Begründung beigegeben, in der dreiunddreißigmal das Wort „Freiheit" und neunzehnmal das Wort „Unabhängigkeit" vorkam. Ja, wir haben sauber und sorgfältig gezählt. Herr Kollege Heck hat schon gesagt, man erwarte hier eine Punktfeststellung. Nun gut, es waren viele angenehme Vokabeln in der Rede des Herrn Bundesinnenministers. Aber es gibt ein altes Sprichwort, in dem einiger Wahrheitswert steckt, daß schöne Worte nicht immer vollends wahr und wahre Worte nicht immer vollends schön sind. Ich bitte Sie um Verzeihung, wenn ich nicht nur schöne Worte sage, denn ich will versuchen, dem wahren Kern des Gesetzentwurfs auf die Spur zu kommen. Ich werde dabei nicht vom „Griff nach der Macht" sprechen - ich habe mir das jedenfalls nicht aufgeschrieben -, ich will auch hier dem Beispiel des Herrn Bundesinnenministers folgen. Es ist vielmehr ein behutsamer Griff zur Macht, vielleicht eher ein Mißgriff. Nun, wir brauchen uns, wenn wir auf den politischen Kern dieses Gesetzes kommen, den Zugang zu diesem Kern in dieser Generaldebatte nicht durch das Gestrüpp der Verfassungsparagraphen und der Rechtsgutachten, die ja auf beiden Seiten sehr zahlreich sind, versperren zu lassen. Hinter der Fassade der Verfassungsinterpretation steckt die Realität eines Ringens um Einfluß. Letzten Endes ist es - das ist meine feste Überzeugung - nicht so sehr eine Frage der Gesetzgebungskompetenz, sondern einfach eine Frage des Machtzuwachses, die mit diesem Gesetz geregelt werden soll. Einige wenige Bemerkungen zur Zuständigkeitsfrage! Auch der Herr Innenminister und der Herr Kollege Heck haben dazu nicht viel gesagt; aber ein paar Bemerkungen möchte ich dazu machen. Es ist sehr im Streit, ob man von einer Kulturhoheit der Länder sprechen kann. Man hat dagegen den Grundsatz der Kulturfreiheit gesetzt. Es ist in der Tat so, daß der Grundgesetzartikel 5 weder den Ländern noch dem Bund eine Hoheit über die Kultur gibt. Die Frage ist doch nur so zu stellen: Wo liegt die Kompetenz für die Gesetzgebung in all den Fällen, wo es einer organisatorischen Ordnung, wo es eines gesetzgeberischen Aktes bedarf, um die Freiheit der Kultur wirken zu lassen? Wenn die Länder diesen Anspruch erheben und dabei der, wie ich glaube, wenig glückliche Begriff der Kulturhoheit der Länder ins Spiel gekommen ist, dann liegt das nicht an uns. Unlängst hat der Herr CDU-Innenminister Dufhues aus Düsseldorf den Herrn CDU-Innenminister Schröder aus Bonn darüber belehrt, daß es in allen CDU-Parteiprogrammen in diesem Sinne der Gesetzgebungskompetenz der Länder auch expressis verbis den Begriff „Kulturhoheit" gibt. Nun, das mögen die Herren parteiintern ausmachen. Ich möchte nur für uns sagen: Wenn dieser Begriff im Spiel ist, bedeutet er nicht, daß die Kultur unter die Hoheit des Bundes oder der Länder kommen darf, sondern es ist lediglich die Frage, die wir hier in diesem Plenum nicht diskutieren können: Wer hat die Gesetzgebungskompetenz für die Dinge, die gesetzlich geregelt werden müssen? Die Bundesregierung hat gesagt, in dieser Materie gehöre auf Grund des Artikels 73 Abs. 7 die Gesetzgebungskompetenz dem Bund. Da würde ich nur Kühn ({2}) sagen: Unter diesen Umständen weiß ich nicht, warum dann nicht, wenn das ganze Rundfunkgesetz eine Frage des Fernmeldeanlagegesetzes ist, der Herr Bundespostminister als federführender Minister diesen Entwurf eingebracht hat, sondern der Innenminister. Aber lassen wir auch diese Frage offen. Wir sind der Meinung, daß in dem Menschenalter, das seit dem Erlaß des Fernmeldeanlagegesetzes im Jahre 1928 verstrichen ist, der Rundfunk in eine neue Qualität hineingewachsen ist. Er ist nicht mehr nur, wie man es in der damaligen Gesetzgebungsregelung sah, ein fernmeldetechnisches Instrument, sondern er ist ein kulturschaffendes und kulturverbreitendes Medium. Ich glaube, daß man die Konsequenzen erkennen muß, die in diesem Gesetzentwurf liegen. Der ehemalige Staatsminister Professor Süsterhenn hat -und ich möchte ihm dabei zustimmen - gesagt: „Wenn die Länder den in diesem Bundesgesetzentwurf erhobenen Gesetzgebungsanspruch anerkennen, dann billigen sie dem Bund das verfassungsmäßige Recht zu" - und nun zitiere ich Herrn Süsterhenn wörtlich , eine zentrale Bundesrundfunk- und Fernsehanstalt zu errichten und die bestehenden auf Landesrecht beruhenden Anstalten zu weisungsgebundenen Filialen der Bundesanstalt zu degradieren. ({3}) - Bitte, setzen Sie sich dann mit Ihren eigenen Parteifreunden auseinander. Aber ich glaube, daß ein wenig von der oft diskutierten ArtischockenTaktik auch in diesem Gesetzentwurf steht. Er will erste Schritte tun. Wenn in diesen ersten Schritten die Gesetzgebungskompetenz des Bundes anerkannt worden ist, wird es nach dem ersten entscheidenden Schritt auf diesem Wege unaufhaltsam zu weiteren Schritten der Machtkonzentration auf diesem Gebiet kommen. Ich habe hier diese auch nicht bescheiden ausgestattete Broschüre - lesen Sie sie bitte aufmerksam -, Herr Innenminister, die der Herr Bundespostminister durch seinen Staatssekretär, Herrn Steinmetz, hat veröffentlichen lassen. Da steht in dem von Herrn Steinmetz formulierten Punkt 9 im Hintergrund - wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht, erkennt man das - die Überlegung, daß es doch nicht ganz so ist, Herr Bundesinnenminister, daß Sie an dem Status quo der Länderanstalten nicht rühren wollen. Da steht nämlich: Es mag dahingestellt bleiben, wie man im einzelnen oder dem Grunde nach zu der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der zur Zeit bestehenden Rundfunkanstalten steht. Auch der Herr Bundesinnenminister hat eben noch viel deutlicher gesagt, daß er das bestehende Ordnungsprinzip der Anstalten dem Grundsatz nach doch nicht für gut hält. Man will also zunächst, um dieses Bild zu gebrauchen, das Gespenst der grundsätzlichen Gesetzgebungszuständigkeit im Schrank lassen und einfach versuchen, auf dem Vertragsweg - denn darauf läuft doch die Entwicklung hinaus - Zuständigkeiten zu bekommen und uns dazu zu überreden, erste Zuständigkeiten in den Generalien, in den allgemeinen Bestimmungen und in der Gebührenfrage in ein Bundesgesetz zu packen, aus denen man dann fortschreitend weitere Zuständigkeiten für den Bundesgesetzgeber ableitet. Damit aber rühren Sie in dieser Frage an die Grundstruktur des Grundgesetzes. Der Herr Bundesinnenminister hat hier über den Unterschied zwischen Staatenbund und Bundesstaat gesprochen. Ich will der Verlockung widerstehen, Herr Bundesinnenminister, hier eine Diskussion darüber zu führen, wie es denn bei der Schaffung dieser Bundesrepublik mit der Verteilung der zentrifugalen und zentripetalen Tendenzen damals im Parlamentarischen Rat gewesen ist. Das Maß an zentralen Zuständigkeiten, das für das Existieren der Bundesrepublik unerläßlich notwendig war, ist doch von den Sozialdemokraten gegen Ihre politische Richtung durchgekämpft worden. ({4}) Wenn es auf Sie damals angekommen wäre, dann wäre nicht der Bundesstaat, sondern ein Staatenbund entstanden. Aber die vom Herrn Bundesinnenminister so beliebt zitierten beati possidentes sitzen ja jetzt auf der Bundesregierungsbank, und sie glauben, im Besitz der Bundesmacht zu sein. Herr Kollege Heck hat meinen Kollegen Jacobs zitiert, und ich könnte Ihren Kollegen Dr. Jaeger von der CSU zitieren. Wenn wir unsere Zettelkästen öffnen, würden wir uns stundenlang damit traktieren können, daß es einen gegenseitigen Konversionsprozeß von Föderalisten und Zentralisten und umgekehrt in diesem Hause und in den historischen Situationen, die wir durchlebt haben, gegeben hat. Aber die sehr zentralisierende Tendenz dieses Gesetzentwurfs, Herr Bundesinnenminister, rührt eben nicht zuletzt daher, daß Sie nun beati possidentes drüben auf der Bundesregierungsbank sind. Ich möchte mich dem materiellen Inhalt des Gesetzentwurfs zuwenden und die Auffassungen der sozialdemokratischen Fraktion zu seinen zentralen Problemen darlegen. Wir wünschen jedoch unmißverständlich klarzumachen, daß wir unsere Anregungen und unsere Vorschläge, die wir für die Ordnung dieses ganzen Problems vortragen, nicht als eine Art Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf gewertet wissen möchten. Wir halten diesen Gesetzentwurf als Ganzes für unakzeptabel. Aber, meine verehrten Kollegen, kein Kind ist zu häßlich, als daß man es mit dem Bade ausschütten sollte, und wir werden selbstverständlich in den Ausschüssen an der Erarbeitung konstruktiver Lösungsmöglichkeiten sorgfältig mitarbeiten, von denen wir allerdings hoffen, daß sie die Grundlage für eine zu findende staatsvertragliche Bund-Länder-Vereinbarung darstellen. Kühn ({5}) Wir hoffen, daß dieses Haus - und wir sehen darin seine eigentliche Funktion - in den Ausschüssen befruchtend durch seine Anregungen dahin wirken kann, daß die staatsvertragliche Regelung zwischen Bund und Ländern auf einer sehr breiten Basis in unserem Volke gefunden werden kann. Drei Einrichtungen sollen in diesem Gesetzentwurf geschaffen oder neu geordnet werden. Das ist einmal die Deutsche Welle, die Sendeeinrichtung, die nach Übersee sendet. Da ist zum zweiten der Deutschlandfunk, der - und dies bitte ich nicht zu vergessen - für die ganze Bundesrepublik und darüber hinaus für Gesamtdeutschland, also die sowjetisch besetzte Zone, senden soll und auch in einem Teil Europas zu hören sein wird. Da ist zum dritten - und das ist ja der eigentlich neuralgische Punkt dieses Gesetzentwurfs - die Frage des zweiten Fernsehprogramms. Nehmen wir zunächst die Deutsche Welle. Ich bin vollends einverstanden mit dem Herrn Bundesinnenminister, der gesagt hat, daß die Deutsche Welle nicht als das Nebenprodukt einer Anstalt betrieben werden soll. Wir Sozialdemokraten sind sehr damit einverstanden, daß für die Deutsche Welle eine eigene Anstalt geschaffen werden soll. Sie sollte nicht als Appendix irgendeiner regionalen Rundfunkanstalt betrieben werden. In dieser Frage sind aber auch die Differenzen weder zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen noch zwischen der Mehrheit dieses Hauses und der Opposition vorhanden. In der Sache gibt es hier ein völliges Einverständnis. Gewiß verstehe ich, daß in die Überlegungen die Idee kommen kann, man könnte hier am ehesten an eine bundesgesetzliche Regelung denken. Denn die Sendungen, die nach Übersee, nach Südamerika. nach Südafrika, nach Shanghai und wohin auch immer gehen, berühren ja nicht elementar die Interessen Bayerns, Hessens oder Nordrhein-Westfalens. So könnte sich die Idee einer bundesgesetzlichen Regelung dieser Materie aufdrängen. Aber um der einheitlichen rechtlichen Ordnung der Gesamtmaterie Rundfunk willen würden wir als sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses es begrüßen, wenn auch diese Frage staatsvertraglich geregelt werden könnte. Ich bin davon überzeugt - und, meine Damen und Herren, Sie, die Sie die Verhandlungen verfolgt haben, wissen es doch alle -, daß hier zwischen Bund und Ländern in der Sache keine Differenz besteht. Sie wissen, welch bedeutende Rolle bei der Leitung der Deutschen Welle der Herr Staatssekretär und Leiter des Bundespresse-und Informationsamtes Felix von Eckardt spielt, und mir ist kein einziger Fall bekannt, daß die Bundesregierung, deren besondere Aufgabe bei der Sendung in das Ausland hinein wir durchaus anerkennen, Proteste oder Bedenken oder Besorgnisse an die Leitung der Deutschen Welle ausgesprochen hätte. Im Gegenteil, die bereits von dem Herrn Bundesinnenminister erwähnte Publikation der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten der Bundesrepublik hat darauf hinweisen können, daß sowohl der Außenminister als der Bundestagspräsident und der Bundespräsident Prof. Heuß alle miteinander mit Hochachtung von den Leistungen der Deutschen Welle gesprochen haben; auch der Herr Bundesinnenminister hat dies eben durchaus gelten lassen. Vieles könnte darüber hinaus noch getan werden. Wir sind uns, glaube ich, auch alle darüber im klaren, daß das, was geleistet worden ist, im organisatorischen Umfang keinesfalls vollends ausreicht. Aber hier gibt es einfach keine Differenz. Die Rechte der Länder werden ja sogar in diesem Bundesregierungsgesetzentwurf durch die Beteiligung der Länder im Beirat anerkannt. Aber warum soll man nicht auch diese Frage Bund-Länder vertraglich regeln, wenn nicht der geringste Anlaß und nicht die geringste zwingende Notwendigkeit vorliegt, es bundesgesetzlich deshalb zu tun, weil sich eben die elf Länder in dieser Frage nicht einigen können? Sehr viel problematischer aber wird die Sache beim Deutschlandfunk. Herr Kollege Dr. Heck hat darauf hingewiesen, daß der Sender auch ins europäische Ausland strahlen soll. In den letzten Wochen der Diskussion ist von denjenigen, die die Regierungsargumentation vertreten, ein bißchen der Versuch gemacht worden, den Deutschlandfunk „Europafunk" zu nennen, während die Kurzwelle als Überseefunk gelten soll. Durch diese Neudefinition „Europafunk" soll aus der außenpolitischen Zuständigkeit der Bundesrepublik auch die Ordnungszuständigkeit für die Gesetzgebung abgeleitet werden. Aber, meine Damen und Herren, wir wissen doch alle, daß es sich im Augenblick praktisch allein darum handeln kann und auch nach den Absichten der Bundesregierung darum handeln soll, eine der bestehenden Mittelwellen zu bewirtschaften. Herr Kollege Heck, es ist nicht zutreffend, wenn Sie sagen, der Deutschlandfunk könnte für die Bundestagswahl 1961 keine Bedeutung haben. Wenn er auf der Basis der Mittelwelle entsteht - wir wissen, daß dafür die Welle des Südwestfunks in Aussicht genommen ist -, dann gäbe es ein Instrument, das auch auf die innenpolitische Meinungsbildung Einfluß nimmt. Ich will jetzt gar nicht über Recht oder Unrecht einer, solchen Konzeption sprechen, sondern will nur sagen, daß bei den Absichten durchaus die Möglichkeit vorhanden ist - wenn dieser Gesetzentwurf auf bundesgesetzlicher Ebene durchginge; ich werde gleich darauf zurückkommen, wenn ich über die Aufsichtsgremien spreche -, der Bundesregierung ein Instrument in die Hand zu geben, an dem sie für die Wahl 1961 interessiert sein kann. Im übrigen gibt es auch über den Deutschlandfunk keine entscheidenden Differenzen. Ich darf noch einmal dieses Haus daran erinnern - wir haben ja bei früherer Gelegenheit darüber diskutiert -, daß die sozialdemokratische Fraktion hier die erste parlamentarische Initiative ergriffen hat, um die Arbeiten zur Errichtung des Deutschlandfunks, der Langwelle in ihrer gesamtdeutschen Bedeutung voranzutreiben. Wir haben verlangt, daß ihr Standort nach Berlin verlegt wird. Wir haben immer wieder gedrängt, gerade weil es darauf ankommt, daß wir Kühn ({6}) uns gegenüber der Propaganda der anderen Seite durch ein Instrument der Selbstdarstellung abwehrfähig erweisen, das bis in den letzten Winkel des deutschen Gebietes hineinreicht. Der Herr Bundesinnenminister hat in diesem Bundesgesetzentwurf sogar in Aussicht gestellt, den Standort der deutschen Langwelle nach Berlin zu legen. Ich habe die große Befürchtung, daß jetzt die internationale Situation die Realisierung dieses Prinzips, das wir vor Jahren bereits proklamiert haben, sehr viel schwerer machen wird, als es vor Jahren gewesen wäre. Aber auch hier muß, gerade weil es sich um einen gesamtdeutschen Sender handeln soll, im Organisationsprinzip, das man in einem Bund-Länder-Vertrag suchen sollte, sichergestellt sein, .daß dieses Instrument nicht einseitigen Interessen dient, daß nicht ein Regierungspropagandasender entsteht und in den Aufsichtsgremien nicht einseitige Übergewichte geschaffen werden. Es kommt vielmehr darauf an, einen Sender zu schaffen, der - ich sagte es eben schon - die Bundesrepublik zur Selbstdarstellung fähig macht. Dazu gehört die Möglichkeit, sichtbar werden zu lassen, daß diese Demokratie nur auf der Basis beider Seiten dieses Hauses funktioniert, auf der Grundlage der Regierung übenden und Opposition übenden Seite. Es kommt nicht sosehr darauf an, der Propaganda des Ostens eine Antipropaganda entgegenzusetzen. In der Psychologie ist es eine bekannte Tatsache, daß die Propaganda am besten durch die sachliche Selbstdarstellung eines vorzugswürdigeren Lebensprinzips betrieben werden kann; das ist besser als bloße Antipropaganda. Der entscheidende und große Streitpunkt ist das Deutschland-Fernsehen, das zweite Fernsehprogramm. Die Bundesregierung wünscht, die Programmgestaltung des zweiten Fernsehens privaten Interessenten - unter ein paar Kontrollkautelenzu überantworten. Wir halten dies aus staatspolitischer Verantwortung und auch aus kulturellen Überzeugungen für inakzeptabel. Über die Bedeutung des Fernsehens, das das wirkungsmächtigste Instrument zur politischen Meinungsbildung und zur kulturellen Gesinnungs- und Geschmacksbildung ist, brauche ich an dieser Stelle nicht zu sagen; wir haben darüber schon früher diskutiert. Wie bedeutend dieses Instrument ist, können wir vom Quantitativen her leicht aufzeigen: ungefähr 3 1/2 Millionen Fernsehapparate stehen heute in den Haushalten der Bundesrepublik, und in wenigen Jahren werden es 7 Millionen sein. Wir wissen, wie stark vom Qualitativen her bereits heute diese Bildschirme die Menschen in ihren Lebensgewohnheiten, in ihren Gesinnungen und Meinungen prägen. Hier handelt es sich um ein Instrument, mit dem wie mit kaum einem anderen Geld verdient und mit dem wie mit kaum einem anderen Macht ausgeübt werden kann. Lassen Sie mich etwas ganz offen sagen; ich bin gewiß, daß ich damit den Protest einer Reihe von Ihnen hervorrufen werde. Meiner Überzeugung nach steht am Anfang dieses Gesetzentwurfs die Überlegung - sie bildet die Grundlage seiner Entstehung -, dieses Instrument einem Bündnis von Regierung und Wirtschaft auszuliefern. Über die offenkundigen politischen Absichten der Bundesregierung werde ich später einiges sagen, wenn ich über die Aufgaben und die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien spreche. Ich darf zunächst ein paar Bemerkungen über die Interessen der Wirtschaft an diesem Instrument machen. Der Herr Kollege Heck hat auf das Organisationsprinzip der britischen Gesellschaft, der ITA, einer kommerziellen Fernsehorganisation hingewiesen, die unter einer vom Staat begründeten Aufsichtsbehörde steht. Das dort angewandte Prinzip hat zu ungeheuren Gewinnen der das Programm tragenden Produktionsgesellschaften geführt. Die Bruttoeinnahmen dieser Programmgesellschaften betrugen im Jahre 1959 etwa 57 Millionen Pfund; das sind mehr als 600 Millionen DM. Eine einzige der insgesamt neun bestehenden Programmgesellschaften hat in einem Jahr einen Gewinn von 40 Millionen DM gemacht. ({7}) Einer der bedeutendsten Repräsentanten dieses privaten kommerziellen Fernsehens hat einmal gesagt, die Lizenz, dieses private Fernsehen zu betreiben, sei gleichbedeutend mit dem Recht der Bank von England, Banknoten zu drucken. ({8}) Wenn man diese Gewinne sieht, kann man ihm nur beipflichten. Nun, wie sieht es bei uns aus? Die Interessenten kennen wir: es ist der Bundesverband der Deutschen Industrie, es ist der Markenartikelverband und es ist eine Gruppe von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern, die auch in engem Gespräch mit den Herren des Bundesinenministeriums stehen und von denen wir wissen, daß sie bereits die organisatorischen Vorbereitungen getroffen haben, um auf Grund der von der Bundesregierung erteilten Lizenz die Programme durchführen zu können. Ich halte es für eine Illusion, dem zu glauben, was der Offentlichkeit jetzt gesagt wird: im Gegensatz zu England wolle man diese Organisation auch auf dem Prinzip der Volksaktie aufbauen. Es geht das Gerücht, man wolle tausend Gesellschaftsanteile in Höhe von 10 000 DM schaffen. Die interessierten Pressedienste und die Gesellschaften selber haben bereits mitgeteilt, daß jedes zeichnungsbereite Unternehmen im Höchstfalle 400 000 DM einbringen könne. Wir wissen, wie es, auch wenn es nur relativ kleine Gesellschaftsanteile gibt, über das Prinzip der Strohmänner doch zu Machtzusammenballungen kommen kann, auch wenn jeder Einzelunternehmer nicht mehr als 2,5 % des Gesellschaftskapitals einbringen darf. Wir wissen, daß alle Sperrminoritäten und alle für die mittlere Wirtschaft reservierten Anteilsquoten nicht verhindern werden, daß das Wirklichkeit wird, was der Limburger Weihbischof Kampe gesagt hat: Der soviel zitierte freie Wettbewerb ist also stark eingeschränkt, ja es wird praktisch sich ein Monopol für eine vom Großkapital gegründete Gesellschaft ergeben. ({9}) Kühn ({10}) Diese Überlegung, die geraume Zeit vor der Verlautbarung der katholischen deutschen Bischöfe angestellt worden ist, wird auch in der Verlautbarung der katholischen Kirche vom 9. Dezember 1959 gestützt. Dort heißt es, der Entwurf der Bundesregierung bringe - ich zitiere wörtlich - „die Gefahr einer sozial und kulturell nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung bestimmter finanzstarker Gruppen unseres Volkes mit sich." Ich zitiere das nicht etwa, um hier Bündnisfronten zu konstruieren. Ich will nur darauf hinweisen, daß doch diese Besorgnisse, die ich vorgetragen habe und die ich weiterhin vortragen werde, nicht nur unsere Besorgnisse sind, die man vielleicht als ,die Besorgnisse einer Partei in diesem Streit abwerten möchte. Herr Kollege Heck hat darauf hingewiesen, wie sehr wir alle miteinander die Verpflichtung haben, Meinungen zu hören. Ob man sie teilt und sie sich im Endeffekt zu eigen macht, ist die Frage, die jeder vor seinem Gewissen zu entscheiden hat. Aber die Meinungen sollte man hören, die aus der sehr tiefen Verantwortung für die kulturelle Gestaltung dieses Instruments von den katholischen Bischöfen vorgetragen worden sind. Hier bei den Absichten der Regierung geht es um eine einseitige Orientierung, um die einseitige Auslieferung dieses Instrumentes an bestimmte wirtschaftliche Machtgruppen. Dabei ist völlig uninteressant - aber ich würde auch darüber gern ein Wort hören, wenn die Diskussion weitergehen sollte -, ob es stimmt, daß im Rahmen des Bundesinnenministeriums auch Ge- spräche zwischen an diesem „freien" Fernsehen interessierten Partnern stattgefunden haben, wobei Vertreter großwirtschaftlicher Interessen über den Ankauf großer Filmpakete mit großindustrieller Finanzhilfe verhandelt haben. Wenn es so wäre, würde das ein zusätzliches Argument dafür sein, welche Kräfte sich dieses Instrumentes wirtschaftlich zu bemächtigen versuchen. Nun ein paar der kulturellen Besorgnisse, die wir dem Entwurf der Bundesregierung gegenüber zu äußern haben! Der Herr Bundesinnenminister hat in der schriftlichen Begründnug des Gesetzentwurfs gesagt: Es kann erwartet werden, daß eine Programmgestaltung in privaten Händen zu größerer Beweglichkeit führt. Das ist das wörtliche Zitat. „Größere Beweglichkeit" - gewiß, in einem bestimmten Sinne werden wir sie zu erwarten haben. Aber versuchen wir, diese größere Beweglichkeit zu analysieren! Es ist ein zwingendes Prinzip: beim kommerziellen Fernsehen, das an wirtschaftlichen Interessen und am Interesse des materiellen Gewinns orientiert ist, wird die Qualität des Programms der Quantität der Zuschauer untergeordnet. ({11}) Es kommt darauf an, für die werbende Wirtschaft möglichst viele Zuschauer an den Bildschirm zu locken, denen dann die Werbung vorgetragen wird. Der werbende Inserent ist daran interessiert, daß das Programm möglichst viele Zuschauer anlockt, die ja potentielle Konsumenten sind. Das kommerzielle, das private oder, wie sehr oft irreführend gesagt wird, das „freie" Fernsehen ist vor allem ein Werbeträger. Denn von den Inserenten soll es existieren, und die Inhaber des privaten Fernsehens wollen von den Inseraten profitieren. Das private Fernsehen ist Werbeträger. Wie ein Flugzeugträger seine Bedeutung darin hat, Flugzeuge zu lancieren, hat das kommerzielle Fernsehen seine Bedeutung allein darin, Werbespots, wie es in der Fachsprache heißt, abzufeuern, und kein Programm wird dabei primär um seiner selbst willen gemacht, ({12}) sondern um des Werbeeffekts willen, der davon ausgehen soll. Ich habe neulich noch meine handschriftlichen Notizen von unserer Englandreise durchgesehen. Die Kollegen, die mit drüben waren, werden sich vielleicht an eines der vielen Gespräche, die wir gehabt haben, erinnern. Damals hat Sir Ivone Kirkpatrick , der Mann an der Spitze der ITA, des privatwirtschaftlichen Fernsehens, gesagt: Es ist wahr, daß, wenn wir - die ITA also, das private Fernsehen - ein seriöses Programm bieten und BBC ein Unterhaltungsprogramm, die Leute dann abschalten und BBC hören. Im Jahresbericht 1958/59 der BBC, der öffentlich-rechtlichen Anstalt in England, kann man lesen, daß das Boxen an erster Stelle des öffentlichen Interesses steht und daß bei Boxveranstaltungen 11 Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm sitzen. ({13}) - Nein, das ist nicht furchtbar. Auch Boxveranstaltungen müssen sein, sie sind auch bei uns im Fernsehen. Es geht nicht darum, sie auszuschalten, sondern nur darum, die Tendenz aufzuzeigen, die Richtung, in die die Darbietungen gehen müssen, wenn der entscheidende Gesichtspunkt das Anlocken eines Maximums von Zuschauern aus Werbegründen ist. Wir haben das System von BBC und ITA in England sorgfältig studiert. Auch der Herr Kollege Heck hat damals in der „Kölnischen Rundschau" geschrieben, daß es sich bei diesen beiden Systemen um einen Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer handelt. Es muß - das läßt sich auch statistisch nachweisen - Konsequenzen für das Programmniveau haben, wenn der eine Wettbewerbspartner ein ausschließlich kommerzielles Interesse hat. Moulin Rouge ist nun einmal attraktiver als der Louvre, und der Kinnhaken ist attraktiver als der Ballettschritt. Sie können auch in den Statistiken der Programme die Konsequenzen nachweisen. Es ist auch bei uns so. Gegenüber dem Programm der bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten besteht der Wunsch - statistische Befragungen einer halben Million Menschen über 16 Jahre haben das ergeben -, sehr viel mehr Kriminalfilme zu sehen. Das hat in dem Sinne, in dem der Herr Kollege Heck es hier erwähnt hat, nichts mit einem „hochgestochenen Geschmack" zu tun. Aber es ist Kühn ({14}) nun einmal so, daß Sie, wenn Sie solche Programme bieten, die Gewähr haben, eine größere Masse von Zuschauern vor den Bildschirmen zu sehen. Ich möchte damit keineswegs sagen - ich möchte keiner Seite Unrecht tun, nicht der britischen privaten Fernsehproduktion und auch nicht einer eventuellen deutschen -, daß das etwa bedeute, daß ein privates kommerzielles System keine hochwertigen Fernsehleistungen erbringen könnte. Aber - und das ist sehr wichtig - eine zwingende Konsequenz ist damit verbunden: Die niveauhohen Sendungen werden in die publikumsschwachen Sendezeiten abgedrängt. ({15}) - Nein, es ist anders! Was Sie zwangsläufig erleben werden und was Sie am britischen System sehen, ist, daß dann im Wettbewerb um den Zuschauer, dem sich auch BBC nicht entziehen kann, beide in die zuschauerintensiven Zeiten massenattraktive Programme nehmen, die dem Niveau nach natürlich ganz anders aussehen, während beide gezwungen sind, in die zuschauerschwachen Zeiten mit ihren hochwertigen Programmleistungen auszuweichen. Es präsentiert sich also einmal das Problem der Placierung und zum Zweiten das Problem der Quantität. Ich will hier nicht das Material vor Ihnen analysieren, das gerade Sie, Herr Kollege Heck, als der Vorsitzende unseres Ausschusses uns nach unserer Rückkehr vorgelegt haben und dessen ich mich bedient habe, damit ich eben ein unumstrittenes Material nehme. Bei einem Programm von 14 Tagen hatten wir die Analyse, daß ernste Programme in BBC dreimal so häufig wie im kommerziellen Fernsehen gesendet worden sind, daß aber Wildwestfilme im kommerziellen Fernsehen fünfmal so oft wie in BBC gesendet worden sind, daß es bei den Abenteuerspielen etwa dreimal so viel im privatwirtschaftlichen Fernsehen gewesen sind. In der Gesamtbilanz dieser beiden Wochen - Sie selber haben uns dieses Material vorgelegt - stehen die Abenteuerfilme beim privatwirtschaftlichen Fernsehen an erster Stelle, bei BBC an siebenter Stelle, während die ernsten Programme bei BBC an erster Stelle, bei ITA aber erst an dritter Stelle stehen. Ich will gar nicht alles das zitieren, was die britischen Frauenverbände gesagt haben und was der Chef von Scotland Yard gesagt hat, der die Zunahme der Jugendkriminalität auf die immer größer werdende Zahl von Kriminalfilmen im Televisionsprogramm zurückgeführt hat. Es ist nicht so, Herr Bundesinnenminister, daß die Bedenken gegen das britische Prinzip zum Erlöschen gekommen seien. Sie sind in jüngster Zeit sogar sehr viel stärker geworden. Diese Tendenz erweist sich - ich wiederhole es - nicht nur im kommerziellen Fernsehen, sondern zwingend auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Denn auf die Dauer ist die These nicht haltbar: das öffentlich-rechtliche Fernsehen basiert auf Gebühren, die alle zahlen müssen, und braucht deshalb auf den Geschmack der größeren Quantitäten nicht Rücksicht zu nehmen, es kann also anspruchsvollere Sendungen zeigen, während diejenigen, die Werbegewinne erzielen wollen, eben an das Massengefühl appellieren müssen. Nein, auch die Anstalt, die auf der Basis der Gebühren existiert, kann es auf die Dauer nicht hinnehmen, daß ihre Zuschauer zum anderen Programm abwandern, weil sie weiß, daß dann eines Tages auch der gesetzgeberische Akt folgt, ihr die Gebühren zu nehmen. So kommt dieser Wettbewerb um die Zuschauer in beide Programme hinein. Die katholischen Bischöfe haben deshalb auch zu diesem Gesetzentwurf gesagt: Die Erfahrungen des Auslandes lassen erkennen, daß im Wettbewerb verschiedener programmgestaltender Kräfte die von kommerziellen Gesichtspunkten ausgehenden die stärksten sind. Diesen Zug nach unten zeigen deutlich auch jene Zeitungen, Zeitschriften und Filme, die auf breitesten Publikumsgeschmack angelegt sind. Die katholischen Bischöfe - und sie haben ja dieser ihrer Verlautbarung ein besonderes Gewicht beigemessen, indem Kardinal Frings persönlich die Verlautbarung dem Bundeskanzler überbracht hat - kommen in ihrer Stellungnahme zu dem Schluß: Aus diesen Gründen ist die Veranstaltung von Fernsehsendungen durch gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts auf Gebührengrundlage die beste Lösung. Nun kann der Herr Bundeskanzler, der ja in Düren das große Wort gesprochen hat, man solle mit der Macht nicht so „pingelig" sein, zwar wenig pingelig sein, wenn es sich um die Minister seines Kabinetts handelt; aber der Verlautbarung der Kirche gegenüber muß man jetzt natürlich doch den Versuch machen, die Dinge so darzustellen, als solle hier gar nicht die Programmgestaltung privaten Kräften übergeben werden. So ist das Stichwort von der „gemischten Lösung" in die Diskussion gekommen, das es in dem Gesetzentwurf ja noch gar nicht gibt, - gemischt nicht nur unter dem Gesichtspunkt, daß ein Teil der Probleme bundesgesetzlich und ein anderer bund-länder-vertraglich geregelt werden soll, sondern auch nach der Richtung, daß man sagt, wir wollen auch das zweite Fernsehprogramm gemischt machen, wir wollen einen Teil durch die Anstalt selbst produzieren lassen. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß der Intendant des zweiten Programms die politischen und die meinungsbildenden Sendungen in einem hier bei Bonn gelegenen Studio selbst produzieren soll, während die auf Unterhaltung und auf Massenwirkung ausgehenden Programme von der privaten Gesellschaft produziert werden. Das ist doch wohl der Sinn der Mischung. Der Herr Bundesminister des Innern hat gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur oder zum mindesten vor einem Kreise katholischer Journalisten darüber gesprochen. Ich habe das wörtliche Zitat der Katholischen Nachrichtenagentur hier; vielleicht kommen wir noch einmal darauf zurück. Kühn ({16}) Das ist der Inhalt und die Absicht. Aber damit kommen Sie an der Besorgnis der katholischen Kirche nicht vorbei. Die Bischöfe haben dazu wörtlich gesagt: Für ein rein kommerzielles Fernsehsystem halten wir auch das in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene DeutschlandFernsehen, wenn das Programm von einer oder mehreren privaten Gesellschaften produziert und im wesentlichen durch Werbung finanziert wird. Gerade das ist in diesem Gesetzentwurf beabsichtigt, und die Einwendungen dagegen werden Sie nur schwer ausräumen können. Ich halte es für eine Irreführung, zu sagen, weil man einen Teil vielleicht der tagesaktuellen politischen Sendungen in einem anderen Studio, nicht von dieser Gesellschaft, produzieren lassen will, handele es sich nicht mehr um ein rein kommerzielles, sondern um ein gemischtes Fernsehen. Ich möchte Ihnen im Namen der sozialdemokratischen Fraktion sagen: Sie werden unsere Unterstützung für ein privates, kommerzielles Fernsehen nicht gewinnen können. Wenn Sie diesen Weg gehen wollen, dann müssen Sie um der Redlichkeit willen einen klaren Weg gehen, dann müssen Sie es auf Ihr kulturelles Gewissen nehmen und eben dieses zweite Programm privaten Kräften überantworten. Versuchen Sie es nicht hinter dem Deckmantel und der Kulisse einer theoretischen Mischmaschlösung! ({17}) Sie haben die Mehrheit in diesem Hause. Wir werden Sie nicht hindern können, diese Mehrheit in den Dienst der Gewinn- und Machtspekulation zu stellen. Es gibt das Wort, daß die Einsicht allzu häufig ohnmächtig ist und nur den Nachfahren zum Vermächtnis wird. Wir werden hier nicht auf die Nachfahren zu warten brauchen; wir selber werden in wenigen Jahren erleben, wozu dies führt. Aber ich will auch sagen, daß ich die Hoffnung, ja daß ich die Überzeugung habe, daß es auch in Ihren Reihen, in den Reihen der Mehrheit des Hauses, genug Kollegen gibt, die von den gleichen Besorgnissen erfüllt sind, die uns hier zur Darlegung unseres Standpunkts zwingen. Wir sind gegen jede Form der Überantwortung des Fernsehens an private und einseitige Interessen. Ein für das gesellschaftliche Zusammenleben unseres Volkes so bedeutendes Instrument muß materiell wie organisatorisch von Spekulationen des Geldverdienens und des Machtgewinnens freigehalten werden. Deshalb sollte man das zweite Fernsehen materiell auf die Nutzungsgebühr als die finanzielle Grundlage dieses Programms aufbauen und organisatorisch auf die öffentlich-rechtliche Anstalt als das Maximum an Garantie des fairen Zusammenspiels aller unseren Staat tragenden gesellschaftlichen und geistigen Kräfte. Was die wirtschaftliche Werbung angeht, stehen wir auf dem gleichen Standpunkt, wie er auch in dieser bischöflichen Verlautbarung formuliert ist: Soweit die Wirtschaft Ansprüche auf Fernsehreklame erhebt, sollte diese Werbung bei solchen öffentlich-rechtlichen Anstalten liegen. Nun, meine Damen und Herren, der konstruktive Weg! Wir fühlen uns nicht nur verpflichtet, Ihnen zu sagen, wie man es nicht machen sollte, sondern möchten auch darlegen, wie wir glauben, daß es gemacht werden sollte. Bei der Beantwortung dieses Problems müssen wir von den Bedürfnissen des Zuschauers ausgehen. Warum ruft er berechtigterweise nach der schnellen Einführung eines zweiten Fernsehprogramms? Weil er am Abend auf seinem Bildschirm wählen möchte zwischen zwei Darbietungen unterschiedlichen Typus. Die eine mag ernst, die andere mag heiter, die eine mag sportlich, die andere mag Theater sein. Gewiß, wir wissen, daß niemals alle Kontrastwünsche - das ist der in die Fachsprache gekommene Begriff dafür - erfüllt werden können. Es wird immer mehr als zwei generelle Richtungswünsche geben. Aber es ist das Anliegen des Zuschauers, zumindest zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Darbietungstypen wählen zu können. Die zwei Begriffe, die hier einander gegenüberstehen, sind das Konkurrenzprogramm und das Kontrastprogramm: das Konkurrenzprogramm, wo beide Programme versuchen, möglichst viele Zuschauer zu gewinnen, und das Kontrastprogramm, wo eben ein möglichst großer Unterschied zwischen den beiden zur Auswahl stehenden Darbietungen gegeben ist. Selbstverständlich wissen wir, daß es beim Konkurrenzprogramm auch Kontraste und beim Kontrastprogramm auch Konkurrenz gibt. Aber ebenso selbstverständlich ist, daß das Konkurrenzprogramm, das um ein Maximum an Zuschauern wirbt und das vom kommerziellen Gewinn bestimmt ist, als zuschauerlockendes Programm eben die künstlerische Qualität an den Rand des Programms und die kulturelle Verantwortung in den Hintergrund drängen muß. Sie kennen unseren Vorschlag; wenigstens diejenigen Kollegen unter Ihnen, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben. Wir sind der Meinung: die beste Lösung wäre, daß die bestehenden Rundfunkanstalten, die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik zusammengeschlossen sind, sich in zwei Produktionsgemeinschaften gliedern, wobei wir völlig offen lassen, ob das regional nach Nord und Süd geht oder - da es sich nur um einen technischen Schaltungsprozeß handelt - zwei Produktionsgemeinschaften in einer anderen Form zusammengeschaltet werden. Jede dieser Produktionsgemeinschaften soll ein Programm produzieren, jede dieser Produktionsgemeinschaften sollte einen Fernsehintendanten oder Fernsehdirektor haben, und die beiden sollten mit einem Koordinator, der keiner der bestehenden Rundfunkanstalten angehören und verpflichtet sein sollte, als Dreiergremium die Koordination dieser beiden Programmteile zu einem Kontrastprogramm vornehmen. Wir sind der Meinung, damit wäre einmal die maximale Erfüllung Kühn ({18}) der Erwartungen des Zuschauers auf thematisch unterschiedliche Darbietungen erreicht, zum andern sichergestellt, daß die kulturelle und unterhaltende Programmgestaltung von allen kommerziellen Gewinnspekulationen frei ist. Es würde auch der Grundsatz der Konkurrenz verwirklicht, da ja jede Anstalt und jeder Intendant nur an einem Programm mitmachen können. Seit dem Antrag, den Sie damals in unserer Debatte diesem Hause unterbreiteten, wissen wir, daß Sie als die Mehrheitsfraktion auf keinen Fall die bestehenden Anstalten an der Produktion des zweiten Programms beteiligen, daß Sie ihnen das zweite Programm nicht überantworten wollen. Wir wollen hier die Gründe nicht in der Breite untersuchen. Ich weiß, daß systematisch eine Animosität gegen die bestehenden Anstalten gezüchtet worden ist, und zwar aus den verschiedensten Interessenüberlegungen. ({19}) - Wenn Sie es wollten, könnte ich Ihnen das darlegen; aber wahrscheinlich wird sich das nachher noch in der Diskussion ergeben. Da gibt es einmal die Interessenten, die durch eine andere Konstruktion mehr politischen Einfluß wollen. Wir könnten, wenn Sie es wollten, eine lange Kette von Äußerungen von Mitgliedern der regierenden Fraktion dieses Hauses und anderer Ihrer Partei zugehörender Persönlichkeiten vortragen, aus denen ganz deutlich wird, was eigentlich beabsichtigt ist. Der Herr Ministerpräsident des Landes NordrheinWestfalen, der ja auch Ihrer Partei angehört, hat gesagt, die Bundesregierung wolle ein zweites Programm „bestimmter Façon". Welche „bestimmte Façon" dies sein soll, darüber können wir, wenn es sein soll, noch diskutieren. Da sind also einmal die Interessenten, die mehr politischen Einfluß haben wollen. Dann sind da die Interessenten, die geschäftliche und Gewinnabsichten haben und den öffentlich-rechtlichen Charakter der Anstalten beseitigen wollen. Dann gibt es auch sehr viele, die über Einzelleistungen des Fernsehprogramms verstimmt sind. Und wer wollte bestreiten, daß dazu nicht hin und wieder Veranlassung besteht! Jeder, der vor dem Bildschirm sitz, hat gelegentlich Veranlassung zu handfestem Ärger, ich nicht minder als jedes andere Mitglied dieses Hauses. Aber man sollte gegenüber der Kritik auch die Anerkennung dessen, was das deutsche Fernsehen bisher geleistet hat, nicht verschweigen. Es ist in der Öffentlichkeit der Welt eine unbestreitbare Tatsache, daß in der Rangordnung der Qualität hinter dem britischen Fernsehen an zweiter Stelle das deutsche Fernsehen steht - darüber gibt es unter den Fachleuten keine Diskussion -, dies bei all den erschwerenden Umständen und dem späteren Start, den das Fernsehen bei uns in Deutschland aus all diesen Gründen gehabt hat. Nun, gegen Ressentiments helfen keine Argumente, und ich will auch gar nicht durch ein Plädoyer für die Anstalten dem Herrn Bundesinnenminister Gelegenheit für das nicht faire Vorbringen des billigen Arguments geben, daß ich, weil ich Verwaltungsratsmitglied einer Anstalt bin, als Interessenvertreter der öffentlich-rechtlichen Anstalten hier stände. Gewiß gibt es die Gefahr - das bestreite ich gar nicht, Herr Kollege Heck -, daß jemand, der in einer bestimmten Arbeit und Verantwortung steht, die Neigung hat, sich mit der Sache selbst zu identifizieren. Aber ich glaube, Sie werden mir nicht widersprechen, wenn ich Ihnen sage, was wir als die zweitbeste Möglichkeit vorzuschlagen haben. Jeder, der sich mit der Materie befaßt hat, weiß, daß das gar nicht im Interesse der bestehenden Anstalten ist, daß es gar nicht dem Wunsch und den Absichten der bestehenden Anstalten entspricht, was ich Ihnen hier als eine mögliche Lösung vortragen möchte: ein zweites Fernsehprogramm auf der Basis eines Bund-Länder-Vertrages, betrieben als öffentlich-rechtliche Anstalt ohne Beteiligung der bestehenden Rundfunkanstalten. Diese zweite, auf Bund-Länder-Vertrag beruhende öffentlich-rechtliche Anstalt soll ein eigenes zweites Fernsehprogramm machen. Damit wäre die von Ihnen so gewünschte reine Konkurrenzfront hergestellt. Dieses zweite Fernsehprogramm soll auf der Grundlage der Gebühren produziert werden. Beiden Anstalten, dem Fernsehen, das von der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen Rundfunkanstalten betrieben wird, wie dem, das auf BundLänder-Vertrags-Ebene durch öffentliche Anstalt betrieben wird, sollte dann das Recht eingeräumt werden, in einem bestimmten, quantitativ begrenzten Umfang, wieder für beide Seiten völlig gleich, auch Werbung zu betreiben. Damit würden wir verhindern, daß eines - ich glaube, das ist nebenbei auch ein überlegenswerter Gesichtspunkt - der Fernsehprogramme von Werbung überfremdet würde. Wir würden verhindern, daß eines der Programme finanziell von den an Werbung Interessierten abhängig gemacht würde. Beide Programme müssen durch einen vertraglich vereinbarten Finanzausgleich in die gleiche materielle Lage versetzt werden; denn es entspräche nur dem Gesetz der Fairneß, daß beide für diese Programme Verantwortlichen mit den gleich großen finanziellen Möglichkeiten an ihre Aufgabe herangehen. Mit einem solchen Strukturprinzip wäre denjenigen Genüge getan, die den bestehenden Anstalten das zweite Programm nicht anvertrauen wollen. Damit wäre die kirchliche Forderung erfüllt: kein kommerzielles Fernsehen; wenn Werbung, dann durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Damit wäre die Forderung nach Konkurrenz zwischen zwei völlig voneinander unabhängigen Programmträgern realisiert. Eine solche Lösung wäre auch finanziell möglich, denn Gebühren plus Einkünfte aus einer solch begrenzten Werbung wären völlig ausreichend für zwei Programme. Das kommerzielle Fernsehen wünscht, jeden Tag etwa 30 Minuten Werbesendung zu betreiben. Sie haben in Aussicht gestellt, eine dreißigstündiges Programm in der Woche zu liefern. Zehn Prozent davon sollen Werbung sein. Das wären 30 Minuten Werbung pro Tag. Wenn man etwa nach dem PrinKühn ({20}) zip verführe, daß die beiden Programme im gleichen Umfang, wie das heute geschieht, eine begrenzte Werbung betreiben, würde das in der Gesamtzeit nicht einmal die Hälfte dessen sein, was das kommerzielle Fernsehen beabsichtigt. Wir hätten also nicht die zur Konsumüberreizung neigenden Tendenzen zur Übersteigerung der Werbung auf dem Bildschirm und doch eine völlig ausreichende finanzielle Grundlage. Das Werbebedürfnis der Wirtschaft könnte befriedigt werden, die Werbeüberfremdung des Programms könnte verhindert werden. Man könnte noch ein übriges tun: Wenn die Bundesregierung auf alle propagandistischen Manipulationen mit der Gebührenfrage verzichtete - im Augenblick läuft da ein bißchen der Wettstreit, wer der billigere Jakob sei; die Bundesregierung könnte, wobei ich mich nach meiner Meinung in Übereinstimmung mit dem Kollegen Heck befinde, durchaus den Anteil der Bundespost senken -, würde das finanzielle Volumen für die beiden Programme sogar noch vergrößert. Nun zum letzten Problem: In welcher Weise sollen Aufsicht und Kontrolle gestaltet werden, damit sie der Tatsache gerecht werden, daß wir in einem pluralistischen Staat leben, in dem es zahlreiche, sehr verschiedene Meinungen und Gesinnungen gibt? Auf der Basis des Grundgesetzes gibt es eine Fülle rivalisierender politischer Strömungen. Es gibt die in Regierung und Opposition aufgeteilten Parteien. Es gibt kulturell und konfessionell divergierende Ansichten. Es gibt im sozialen Interessenkampf einander gegenüberstehende Sozialpartner. Das alles zusammen und vieles mehr stellt das dar, was man das öffentliche Interesse nennt. Ihnen allen haben Rundfunk und Fernsehen gleichermaßen zu dienen, ohne einer dieser Strömungen in einem besonderen Maße dienstbar sein zu dürfen. Deshalb darf in allen Institutionen, die entscheidenden Einfluß auf die Programmgestaltung und die Mitarbeiterauslese haben, keinem Sonderinteresse ein Übergewicht gegeben werden. Wir haben nun die ernstesten Befürchtungen, daß das vom Herrn Bundesinnenminister vorgeschlagene Konstitutionsprinzip die Aufsichtsgremien unter den einseitigen Einfluß der Bundesregierung bringen soll. Der Beirat für den Deutschlandfunk und das Deutschlandfernsehen soll aus 15 Mitgliedern bestehen, von denen allein 10 von Ministern ernannt werden sollen - ich will gleich hinzufügen: von Bundes- und Länderministern -, aber fünf, also ein Drittel, von Bundesministern benannt werden sollen. Diese nach bestimmten Gesichtspunkten ausgesuchten Mitglieder, die dann einen ein Drittel der Mitgliederzahl umfassenden Block bilden, können sich ganz gewiß immer eine Mehrheit verschaffen, indem sie sich mit wechselnden Partnern zusammenschließen. Der Herr Bundesinnenminister hat die Benennung der Mitglieder der Aufsichtsgremien durch das Parlament nach dem Zahlenverhältnis der Fraktionen ein unerträgliches Hineinziehen dieser Gremien in die Politik genannt. Ich begreife aber den gedanklichen Sprung nicht, der darin liegt, daß er das Nahezu-Monopol der Berufung durch Minister denn 10 der 15 Mitglieder sollen durch Minister benannt werden - als eine Garantie der „Entpolitisierung" ausgibt; das ist sein Wort. Das wäre doch nur dann möglich, wenn man unter den Ministern eine Art politischer Eunuchen verstünde. Ich glaube, das wollen sie nicht sein, und das wollen wir ihnen auch gar nicht unterstellen. Die Benennung auf der Basis der durch Wahlen der Bürger entstandenen Parlamente entspricht wohl am ehesten dem Parallelogramm der Kräfte, das wir als das öffentliche Interesse zu definieren versucht haben. Dabei kann und soll durchaus. überlegt werden - auch dieses Wort hier am Rande -, ob es nicht geraten ist, den Vertretern der Kirchen eine zusätzliche Vertretung zu geben und sie aus den politischen Überlegungen der Wahl auf der Parlamentsebene herauszunehmen. Die Wahl auf der Grundlage der Parlamente haben wir in weiten Teilen der Bundesrepublik. Aber weder in Nordrhein-Westfalen, noch in Niedersachsen, noch in Schleswig-Holstein, noch in Hamburg hat die CDU nach den gemachten Erfahrungen dieses Prinzip für grundsätzlich unvertretbar oder praktisch unbrauchbar erklärt. In Nordrhein-Westfalen, wo die CDU doch die Mehrheit im Landtag hat, würde sie gewiß nicht darauf verzichtet haben, ihre Parlamentsmehrheit zur Änderung des Gesetzes über den Rundfunk zu brauchen, wenn sie vor ihrem Gewissen der Überzeugung wäre, daß das dort geübte Prinzip bedenklich, unpraktikabel, unbrauchbar Damit ist noch nichts über eine Mitgliedschaft von Abgeordneten in diesen Beiräten gesagt. Ich stimme denjenigen zu, die eine völlige Parlamentarisierung für bedenklich halten. Es wäre in der Tat nicht gut, wenn in diesen Gremien nur Abgeordnete säßen. Deshalb hat der Landesgesetzgeber in dem Gesetz von Nordrhein-Westfalen auch die Bestimmung getroffen, daß von den 21 Mitgliedern des Rundfunkrates nur 4 einem Parlament angehören dürften. Aber durch Gesetz die Abgeordneten überhaupt ausschalten zu wollen, scheint mir weder dem Geiste des Art. 21 des Grundgesetzes zu entsprechen noch mit der Tatsache vereinbar zu sein, daß den Abgeordneten auf anderen Gebieten gleiche Beschränkungen nicht auferlegt werden. Ich respektiere den ernsten Kern, der in den Überlegungen. jener steckt - ich respektiere ihn, obwohl ich ihn nicht für realistisch halte -, die dem Amte des Abgeordneten eine besondere Qualität dadurch geben möchten, daß sie das Bundestagsmandat von allen Sonderüberlegungen und Sonderinteressen befreien, die also der Meinung sind - und es gibt solche Gedanken, und sie werden gelegentlich erörtert -, daß man das Bundestagsmandat für unvereinbar erklären solle spielsweise mit dem Amt eines Oberbürgermeisters, eines Landrats, eines Verwaltungsrats eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens, dann aber auch eines Aufsichtsrats eines privatwirtschaftlichen Unternehmens; denn auch hier gibt es ja Interessen. Ich weiß nicht, ob nicht diese Überlegungen, die gelegentlich in der Diskussion auftauchen, doch etwas sehr unrealistisch sind. Zumindest ist hier ein weites Feld angesprochen, und zumindest waren Kahn ({21}) das ja wohl auch nicht die Überlegungen des Herrn Ministers. Meines Erachtens steht ihm, wenn er gegen die Parlamentarisierung zu Felde zieht, einfach das Ziel vor Augen, eine Gouvernementalisierung zu erreichen, den Regierungseinfluß zu stärken. Ich vermag nicht einzusehen, warum man sagt: Vom Parlament gewählte, nein; von Ministern Beauftragte, ja. Ich vermag nicht zu erkennen, daß die Regierung ein über den Streitgewässern der Politik schwebender neutraler Geist ist, der für eine solche Objektivierung sorgen könnte. Die Regierung erweist sich immer - und das ist letzten Endes ihre Aufgabe - als das von einer bestimmten Mehrheit gewählte Organ, das den Willen dieser einen Mehrheitsseite zum Ausdruck bringen soll. Wenn man also den Ministern nicht die eben von mir erwähnte Qualifizierung der politischen Eunuchen geben will, die von macht- und parteipolitischen Erwägungen völlig frei seien, vermag ich diesen Unterschied nicht zu erkennen. Es gibt manche Vorstellungen über die Zusammensetzung der Beiräte, die in die Beratungen in den kommenden Verhandlungen einbezogen werden können. Ich kann mir durchaus, Herr Kollege Heck, vorstellen, daß man Beiräte schafft, die von Bundesregierung und Länderregierungen, von Bundesparlament und Länderparlamenten, Kirchen und Sozialpartnern beschickt werden, und daß man dann aus diesen Beiräten auf der Grundlage einer Zweidrittelmehrheit einen Verwaltungsrat wählt, ähnlich wie es beim Zustandekommen der Wahl der Verfassungsrichter ist und wie es ja auch der Gesetzentwurf selbst für den Vorsitzenden des Gremiums der Deutschen Welle vorsieht, daß man also dem Verwaltungsrat mit solch einer Zweidrittelqualifizierung eine möglichst maximale Objektivierung gibt. Durch ein solches Elektionsprinzip könnten einseitige Machtausübungen verhindert werden, und es wäre denkbar, daß auch bei der Wahl der Intendanten der Anstalten eine solche Zweidrittelmehrheit gefunden werden könnte. Gewiß wirft das Probleme auf und kann Bedenken wachrufen. Es kann daraus die Gefahr resultieren, einen sehr Schwachen zu bekommen als einen farblosen Einigungskandidaten; aber es kann darin auch die Chance stecken, sich auf einen sehr Starken einigen zu müssen, der aus seiner hohen Sachkompetenz die Autorität zur Objektivität hat. Die allerschlechteste Lösung aber, die ich mir vorstellen kann, wäre die Beauftragung eines sehr einseitigen Mannes, wie es der Regierungsentwurf, wenn er es schon nicht will, automatisch zur Folge haben wird. Denn ein Beirat, dessen 15 Mitglieder aus 10 Ministerbeauftragten bestehen, wird auch dadurch nicht neutralisiert, daß man den Herrn Bundespräsidenten einschaltet, wie es nach § 26 des Entwurfs geschehen soll, der mit einer sehr begrenzten Ermessensfreiheit einfach aus ein paar, aus drei Persönlichkeiten, die von diesem einseitigen Beirat vorgeschlagen werden, einen aussuchen darf. Dafür darf man wirklich nicht die Formulierung wählen, die in dem Gesetzentwurf steht, daß er das dann in „freier Wahl" täte. Ich würde sehr viel mehr geneigt sein, einen solchen Vorgang als den Griff in den Hut zu bezeichnen; denn hier liegt doch keine eigentliche Ermessensfreiheit vor. Ich frage mich, ob sich die Initiatoren dieser Bestimmung des Gesetzentwurfs wirklich ernsthaft die Frage vorgelegt haben, ob ein solches Einschalten des Herrn Bundespräsidenten mit der Würde dieses höchsten Amtes im Staate vereinbar ist. ({22}) Lassen Sie mich abschließend für die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses unsere Stellungnahme zusammenfassen. Nach sorgfältiger Überprülung vermögen wir in diesem Gesetzentwurf nicht die von dem Herrn Innenminister behauptete gesetzliche Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu erkennen. Im Gegenteil, wir erblicken in ihm, insbesondere in seinen Bestimmungen über das zweite Fernsehprogramm, den Versuch, dieses Instrument einseitigen Interessen dienstbar zu machen, seien es nun wirtschaftliche oder politische Interessen. Das ist keine, wie es die Begründung des Entwurfs behauptet, innerlich ausgewogene, von Interessenauffassungen unabhängige Rundfunkordnung. Wir alle haben in diesem Hause, ob wir zur Mehrheit der Regierung oder zur Minderheit der Opposition gehören, eine gemeinsame Aufgabe: Wir haben die Aufgabe, wo auch immer wir stehen, im Interesse des Staates, den wir alle als eine Summe mannigfaltig verschiedener Interessen auf der Grundlage der Gemeinsamkeit, die wir in den Grundwerten des Grundgesetzes formuliert haben, verstehen sollten, für diese mannigfaltig verschiedenen Interessen Ordnungen zu schaffen, in denen jede einseitige Machtbildung verhindert wird. Wir hoffen, daß sich darin eine große Mehrheit dieses Hauses einig ist und mit uns zu der Überzeugung kommt, daß dieses Gesetz unabhängig von allen Gesetzgebungskompetenzen von seiner inneren Zielsetzung her für uns, für die sozialdemokratische Fraktion, unannehmbar ist. ({23})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kühn hat in diesem Hause den Ruf, zu den guten Rednern dieses Parlaments zu gehören. Ich möchte ihm auch bestätigen, daß er ein guter Journalist ist. Aus seiner Zeit als Redakteur verfügt er noch über einen ausgezeichneten Geburtstagskalender, und darin fand er, daß heute Kaisers und Mozarts Geburtstag ist, und ging von da aus in seiner uns bekannten brillanten Weise auf das Problem der Geburtstagsrede ein. Er meinte aber, es sei gar keine Geburtstagsrede zu halten, sondern mehr eine Art Begräbnisrede; ({0}) denn das, was hier zu besprechen sei, sei eigentlich schon tot. Aber, Herr Kollege Kühn, wie das immer so ist, wenn man so brillante Vergleiche bringt - es geht allen guten Rednern so -: der Geist geht mit einem ein bißchen durch, und dann läuft man Gefahr, daß man sich widerspricht. Denn Sie haben an anderer Stelle gesagt: Man soll das Kind, und mag es noch so häßlich sein, nicht mit dem Bade ausschütten. Sie hatten also den Eindruck, daß das, was hier zu besprechen ist, offenbar noch nicht ganz gestorben ist, Es ist jedenfalls wert, daß man es hier bespricht, wie Sie selbst gesagt haben. ({1}) Dann haben Sie eine weitere sehr schöne Geschichte gebracht. Sie haben gesagt, in der Begründung des Gesetzentwurfs, den wir heute zu besprechen haben, fänden sich schöne Worte - Sie haben sich die Mühe gemacht und haben sie zusammengezählt -, nur hätten schöne Worte den Nachteil, daß sie nicht wahr seien, und man sage, wahre Worte seien nicht schön. Zu den schönen Worten haben Sie „Unabhängigkeit" und „Freiheit" gezählt und haben gesagt, wie oft diese beiden Begriffe im Gesetzentwurf und in seiner Begründung vorkommen. Ich habe mir aufgeschrieben, wie oft Sie hier katholische Bischöfe zitiert haben, und habe dabei festgestellt, daß Sie diese hohen kirchlichen Würdenträger elfmal in den Raum praktiziert haben. ({2}) - Lieber Kollege Jacobs, das ist ein sehr abwegiger Hinweis. Wenn es darauf ankäme, könnten wir sogar die Frage erheben - aber ich will sie nicht erheben; sie ist zu persönlich -, wer von uns beiden, Herr Kollege Kühn oder ich, die katholischen Bischöfe zitieren kann. Ich bin jedenfalls Mitglied der katholischen Kirche, bin nie ausgetreten und war sogar sieben Jahre Ministrant. Aber ich will diese Frage hier nicht vertiefen. Ich habe den Eindruck und glaube, daß es nicht nur der meinige, sondern der Eindruck des ganzen Hauses ist, daß Herr Kollege Kühn mit dem Zitieren der Bischöfe nur das ausgedrückt hat, was er an anderer Stelle seiner Ausführungen sagte. Er sagte nämlich: Es geht nicht nur um Paragraphen. Diese Bemerkung hat mich sehr gefreut, denn man versteht sich leichter, wenn man die Dinge auf den eigentlichen Substanzgehalt einer Sache abstrahiert. Sie haben gesagt: Es geht nicht so sehr um Paragraphen, es geht um das Ringen um die Macht. Und gerade diesen Eindruck hat der, der in dieser Auseinandersetzung weder der CDU und der Regierung noch der SPD angehört, daß es nämlich bei diesen Dingen sehr stark um das Problem der Macht geht. Ich will gleich Roß und Reiter nennen. Es ist also so, wenn ich stark profiliere, daß die einen besitzen -- das sind Sie - und die anderen sagen: Wir möchten auch etwas haben - das ist die andere Seite -, daß jetzt gewissermaßen ausgeglichen werden soll und daß Sie sagen: Was wir haben, geben wir nicht her. ({3}) Das ist ein bißchen vereinfacht, aber die eigentliche Problematik, und über die sollte man sich vernünftigerweise unterhalten und nicht über Dinge, die von irgendwoher geholt werden. Herr Kollege Kühn, Sie haben auch sehr richtig gesagt, daß bei dieser Angelegenheit das Problem der Kulturhoheit nicht auftauchen kann, wenn man sie von den Ländern her für das Ausstrahlen von Programmen über den Rundfunk in Anspruch nehmen will. Denn eines scheint mir absolut unzweifelhaft, meine Damen und Herren: daß es auf gar keinen Fall eine Hoheit irgendeiner staatlichen Stelle, gleichgültig ob Land oder Bund, gibt, die über den Inhalt von Programmen zu entscheiden hat. Was hier allenfalls gesetzlich zu regeln ist, ist die technische, wenn Sie so wollen - um mit Herrn Schröder zu sprechen -, die organisatorische Seite, aber keineswegs die Frage der sogenannten Kulturhoheit, die in den letzten Wochen und Monaten so oft strapaziert wurde, wobei man auch immer den Eindruck hatte: Der Sack wird geschlagen und der Esel wird gemeint. Hier ist ja bereits zum Ausdruck gebracht worden, daß der zur Regelung anstehende Komplex sich teilt in Sparten, die mehr oder weniger unbestritten sind, über die man sich einigen kann, und in Gebiete, über die sehr verschiedenartige Auffassungen bestehen. Sowohl bei dem Kollegen Heck als auch bei dem Kollegen Kühn ist angeklungen, daß zu diesen Komplexen, die weniger umstritten sind, die Regelung des Problems der Deutschen Welle, also des Richtstrahlers nach Übersee, gehört sowie des Problems Deutschlandfunk, für das ebenfalls eine Regelung gefunden werden könnte, und daß eigentlich als echter Komplex bleibt, wie das immer so schön ist: das Geld und die Macht, oder, um es anders auszudrücken, die Verteilung der Gebühren und die Regelung der Frage: Wer soll über das zweite Fernsehprogramm bestimmen? Herr Kollege Kühn, Sie haben gesagt: Man darf auf keinen Fall dieses zweite Fernsehprogramm, das nun auf uns zukommt, privaten Interessenten übergeben. Aus staats- und kulturpolitischen Gründen wäre eine solche Regelung nicht akzeptabel. Sie haben dann - ich habe gut hingehört - lediglich mit Bedenken über die allfällige Entwicklung des Programms, des Programmniveaus, diese Behauptung staatspolitischer und kulturpolitischer Bedenken zu stützen versucht. Sie haben weiter das sehr bezeichnende Wort vom Geldverdienen und Machtausüben ausgesprochen. Ich muß Ihnen eins sagen: Wenn Sie die Dinge wirklich objektiv darstellen wollen, hätten Sie eigentlich sagen müssen, daß diese beiden Dinge nicht unbedingt zusammenzugehören brauchen. Ich kann mir nämlich durchaus vorstellen, daß es Leute gibt, die es viel bequemer finden, nur Geld zu verdienen und sich mit der Macht gar nicht belasten. Das ist eine Lebensauffassung, die heute in sehr vielen Kreisen in Deutschland durchaus verbreitet ist; diese Leute wollen mit der Macht, also mit allem, was öffentliche Dinge, Verantwortung usw. betrifft, gar nichts zu tun haben; die wollen Geld verdienen. Es gibt auch Leute, die eigenartigerweise weniger mit dem Geldverdienen als vielmehr mit dem Machtausüben im akzeptablen, etwas gemilderten Sinne zu tun haben wollen. Ich glaube, zu denen müssen wir uns eigentlich alle zählen. Denn, wenn wir die Frage prüfen, was mit der Tätigkeit in diesem Hause an Geld zu verdienen ist, dann müssen wir sagen: relativ wenig. Aber Macht können wir hier ausüben. Wir sind sogar hier, um Macht auszuüben. Man muß diese Dinge nicht unbedingt koordiniert sehen, und sie sind auch nicht koordiniert. Sie haben nun das Gespenst der englischen Gewinnspannen in die Debatte hineingebracht. Sie haben gesagt, Herr Kollege Kühn, in England sei unserer Delegation, die vor anderthalb Jahren ITA und BBC studiert hat, von einem dieser ITA-Lizenzinhaber gesagt worden, eine solche Lizenz sei eine großartige Angelegenheit. Das sei etwa so, als habe man von der Bank von England das Recht erhalten, Geld zu drucken. Sehr verehrter Herr Kollege Kühn! Ich würde Ihnen empfehlen, auch einmal in den Reihen Ihrer eigenen Parteifreunde Nachforschungen darüber anzustellen, ob es nicht auch in Deutschland, hier nur in einem gewissen abgewandelten und gemilderten Sinne, Lizenzen gibt, die dem Recht der Bank von England, Geld zu drucken, ähnlich sind. Ich denke etwa an Lizenzen, die zwischen 1945 und 1947 an bestimmte Leute im Verlagswesen vergeben wurden. ({4}) Denken Sie doch an jene Pressemagnaten in Deutschland, die heute sehr dick und sehr fett geworden sind! Mit Bezug auf diese Lizenzen finden wir eine Reihe von recht greifbaren Beispielen auch in Deutschland. Wir dürfen nicht sagen, in England allein sei das so; wir sollten da auch im eigenen Garten bleiben. Sie haben weiterhin gesagt, das Monopol „Großkapital" komme praktisch auf uns zu. Wenn man diese Dinge wirklich objektiv behandeln will, muß man sie objektiv prüfen und sich fragen, was denn nun tatsächlich auf uns zukommt. Erstens folge ich Ihnen gar nicht, wenn Sie sagen, lieber Herr Kollege Kühn, es solle nur eine Gesellschaft gegründet werden. Das ist ja schon ein Komplex, wo wir gewissermaßen Sicherungen einbauen müssen. Es kann doch gar nicht in Frage kommen, daß wir ein zweites Fernsehprogramm ausstrahlen und durch dieses zweite Programm erneut ein Monopol statuieren. Wo kämen wir denn da hin! Das geht auf gar keinen Fall. Wir haben doch England als sichtbares Beispiel vor uns. Dort gibt es im Augenblick acht Gesellschaften. Eine neunte Gesellschaft stellt für die acht Gesellschaften die Nachrichten und Informationen zusammen. Damit ist eine weitgehende Gewähr dafür gegeben, daß diese Nachrichten und Informationen in voller Objektivität ausgestrahlt werden. Ihr Gedächtnis wird Sie sicher nicht trügen bzw. Sie werden sich mit mir daran erinnern, daß uns der Chefredakteur dieser neunten Nachrichtengesellschaft in England sehr überzeugend dargelegt hat, daß er aus vier Jahren Ausstrahlung von Nachrichten nicht einen einzigen Fall nennen könne, in dem ihm Unsachlichkeit, Tendenz, Unobjektivität oder sonst irgend etwas habe nachgewiesen werden können. Sie sehen also, daß man die Dinge durchaus anders regeln kann. Niemand braucht zu befürchten, daß wir hier einem neuen Monopol die Wege öffnen. Das darf ich jedenfalls für meine Fraktion ganz dezidiert zum Ausdruck bringen. Niemand von uns denkt daran, ein neues Supermonopol zu statuieren. Dagegen werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Kräften wehren. ({5}) Ich darf noch einmal auf die Frage des Geldverdienens zurückkommen. Ich habe den Eindruck, daß in der Sparte Rundfunk und Fernsehen sehr viel Geld verdient wird. Herr Kollege Kühn, Sie sind Mitglied des Verwaltungsrats des Westdeutschen Rundfunks. Ich bin ebenfalls Mitglied eines Gremiums dieses Westdeutschen Rundfunks. Ich habe Unterlagen hier und kann Ihnen, wenn Sie wollen, ganz genaue Zahlen dafür nennen, wie es mit dem Verdienen bei den Rundfunkanstalten aussieht. Die Rundfunkanstalten können mit Geldern, die praktisch Steuergelder sind - sie werden ja auf Grund der Staatsautorität eingetrieben; ich meine die Hörer- und Zuschauergebühren -, heute in das Filmgeschäft einsteigen. Die Rundfunkanstalten können die sich in mehr oder weniger schwerer wirtschaftlicher Lage befindliche Bavaria aufkaufen; ich nenne den Betrag von 10 Millionen DM. Auf Grund dieser Tatsache habe ich den Eindruck, daß im Augenblick bei diesen Anstalten zuviel Geld verdient wird. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Kühn?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja!

Heinz Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001245, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, würden Sie, weil ein gewisser mißverständlich mitschwingender Unterton dabei war, dem Hause zum Ausdruck bringen, daß Sie mit Ihren letzten Ausführungen nicht haben sagen wollen, daß Mitglieder der Aufsichtsgremien in irgendeiner Weise persönlich an irgendwelchen geschäftlichen Unternehmungen beteiligt sind?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrter Herr Kollege Kühn, diese Frage kann ich Ihnen in bezug auf die Bavaria sogar sehr dezidiert beantworten. Ich habe an einer Sitzung teilgenommen, in der uns der Intendant die Mitteilung von der Beteiligung des Westdeutschen Rundfunks an der Bavaria gemacht hat, die am gleichen Abend auch der Presse übergeben wurde. Ich habe ihm - wie Sie in dem Protokoll nachlesen können - gesagt: „Wenn Sie uns das mitteilen, dann betrachten Sie das bitte so, daß wir das lediglich zur Kenntnis nehmen; wir sehen das gewissermaßen als eine Courtoisie von Ihnen an, mit der Sie verhindern wollen, daß wir das morgen unvorbereitet in der Zeitung lesen müssen. Die Verantwortung für diese Entscheidung müssen Sie, Herr Intendant, selber tragen. Wir sind nicht gefragt worden." Ich nehme gern zur Kenntnis, daß auch der Verwaltungsrat nicht gefragt wurde. Ich frage mich: was sollen dann sämtliche Aufsichtsgremien, wenn solche Entscheidungen ohne Verwaltungsrat und ohne Rundfunkrat getroffen werden können? Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine zweite Frage?

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja!

Heinz Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001245, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zoglmann, ich bitte um der Sache willen feststellen zu dürfen, daß dies keine Antwort war, und bitte Sie, die Frage zu beantworten, ob die Mitglieder der Aufsichtsgremien in irgendeiner Weise geschäftliche Vorteile aus Praktiken gezogen haben, die sie im Interesse der Anstalten glaubten durchführen zu müssen.

Siegfried Zoglmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002605, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Kollege Kühn, ich glaubte, diese Frage sei eigentlich schon beantwortet. Ich habe vorhin gesagt, daß wir in diesem Hause - wenigstens im allgemeinen - keine Möglichkeit zum Geldverdienen haben; ich habe Sie damit eingeschlossen. Niemand verdächtigt Sie, daß Sie als Mitglied des Verwaltungsrats des Westdeutschen Rundfunks irgendwelche besonderen Vorteile für sich gewönnen. Daß ich das nicht gemeint habe, geht schon daraus hervor, daß ich mich selber mit eingeschlossen habe. Ebenso wie Sie gehöre ich einem solchen Gremium an. Ein Verdacht, den ich gegen Sie ausspräche, würde auf mich selber zurückfallen. Einen solchen Verdacht können wir weit von uns weisen. Ich habe nur gesagt, daß in den Anstalten zuviel Geld verdient wird. In Köln soll z. B. ein Studio für 160 Millionen DM errichtet werden. Das erweckt in mir den Eindruck, daß da ein bißchen viel Geld vorhanden ist. ({0}) Ich höre weiter, daß man 42 Millionen DM braucht, um sämtliche durch die Gestaltung des Programms entstehenden Unkosten zu decken. Auf der anderen Seite sehe ich, daß man 106 Millionen DM einnimmt; dabei hat man jedoch nur einen Gewinn von 7 Millionen DM. Wenn man nur einen solch kleinen Betrag für kulturelle Zwecke abführen kann, dann muß man sich fragen, was mit dem schönen großen Betrag geschieht, der übrigbleibt; nach Adam Riese sind das immerhin noch 58 Millionen DM. ({1}) Wir kommen also auch hier schon in die Millionenebene hinein. Das soll man also generell sehen, nicht nur immer im Hinblick auf das auf uns zukommende drohende Gespenst der privaten Fernsehgesellschaften. Sie sprachen dann von dem Ankauf von Filmpaketen. Hier muß man darauf hinweisen, daß die ersten, die sich im Filmgeschäft betätigt haben, die Anstalten waren. Auf den Ankauf von Filmpaketen komme ich nachher noch einmal zurück. Weiter haben Sie gesagt, die Qualität werde der Quantität untergeordnet. Sie sprachen davon, das private Fernsehen werde in der gleichen Weise, wie ein Flugzeugträger Flugzeuge abschieße, Werbespots abschießen. Sie sind doch selber Journalist, und ich darf Sie als Kollegen an eines erinnern: Haben Sie den Eindruck, daß jemand, der als Redakteur oder in einer sonstigen Beschäftigung an einer Zeitung tätig ist, Anzeigen abschießt? Nein! Alle diese Leute haben sich die Aufgabe gestellt, die Zeitung sauber und anständig zu machen. Mit dieser Zeitung ist aber ein Anzeigenteil verbunden. Nichts anderes als der Anzeigenteil der Zeitung soll auch hier entstehen. Das Ganze soll nur der besonderen Struktur des Mediums angepaßt werden. Es soll hier eine Gesellschaft entstehen, die etwas aufzieht, das einem Verlag gleicht, der eine eigene Redaktion und eine eigene Anzeigenabteilung hat. Beides soll vollkommen voneinander getrennt sein. Es ist nicht einzusehen, weshalb hier solche Befürchtungen aufkommen, wie sie - zum Teil unter Berufung auf kirchliche Würdenträger - jetzt in der Offentlichkeit verbreitet werden. Sie sagen weiter in Erinnerung an unsere Englandreise, im BBC würden mehr ernste Programme und auf der Seite der ITA mehr Wildwestfilme gesendet, und Sie wollen daraus ableiten, daß man dann in Deutschland in den Programmen der Anstalten das gute Programm haben werde, während man in den Programmen der freien Gesellschaften gewissermaßen nur Wildwestfilme sehen werde. Dazu darf ich Ihnen sagen: auch hierin haben die Anstalten bereits Priorität. Bereits vor 2 Jahren ist einer der Experten der Fernsehanstalten nach Amerika gefahren und ist mit einer prallen Kiste, vollgefüllt mit amerikanischen Fernsehfilmen - die, wie wir alle wissen, viel schlechter als die englischen Filme sind - nach Deutschland zurückgekehrt, und die werden nun lustig über die deutschen Fernsehschirme gejagt, und zwar nicht von einer freien Fernsehgesellschaft, die es noch nicht gibt, sondern von den Anstalten. Das ist doch die Tatsache! Wenn sie weiter hören wollen, wie die von Ihnen apostrophierten Bischöfe die Qualität des deutschen Fernsehprogramms beurteilen, darf ich Ihnen ganz kurz eine Nummer der der katholischen Kirche nahestehenden „Bildpost" zeigen. Da ist eine herrliche Überschrift: „Bildschirme erbrachen eklige Scheußlichkeit - Eine einzige Zote" usw. Es handelt sich um eine Kritik an einer Fernsehsendung, - nicht einer freien Fernsehgesellschaft, denn die ist nicht existent, sondern der Anstalten, die diese Sendung brachten. Sie können das im einzelnen nachlesen; da sind sehr handgreifliche und sehr deutliche Worte ausgesprochen worden. Machen wir es uns doch nicht so einfach und bringen wir die Dinge nicht auf den simplen Nenner: die machen ein gutes Programm und die anderen machen ein schlechtes. Dann wird gewissermaßen jetzt schon a priori die Exkulpierung ausgesprochen, indem man sagt: Sollten die aber dann tatsächlich ein schlechtes machen, dann tun sie es nur deshalb, weil sie von der ersten Seite her im Kampf um den Hörer dazu gezwungen sind. Herr Kollege Kühn, so können wir nicht argumentieren. Deshalb möchte ich in dieser Richtung noch ein paar ernste Worte sagen. Man sollte nicht sagen, man sei dazu gezwungen, und der Zuschauer, der Mann auf der Straße, sei, sagen wir, ein willenloses Objekt, das jeder Verführung preisgegeben sei, der sich nicht helfen könne, der gewissermaßen schon an der nächsten Straßenecke Gefahr laufe, in die Fallstricke der Sünde zu geraten. So ist es ja nicht! Ich möchte Sie an das erinnern, was uns der englische Postminister gesagt hat, als er darauf hinwies: es ist nicht einzusehen, warum man dem Zuschauer, dem einfachen Mann auf der Straße, jeden guten Geschmack abspricht, ihm auf der anderen Seite aber die letzte Entscheidung darüber gibt, welche Parteien beispielsweise im Parlament vertreten sind; wenn er keinen Geschmack hat, kann er doch sicher auch nicht darüber entscheiden, wer im Parlament sitzen soll. ({2}) Das ist nach meinem Dafürhalten eine Überlegung, die sich einem aufdrängt, wenn man immer hört, daß der Mann auf der Straße keinen Geschmack habe. Es ist eine sehr interessante Rundfrage angestellt worden. Eine Rundfunkzeitschrift hat sich die Mühe gemacht, einmal herauszubekommen. welchen Geschmack nun tatsächlich der einfache Mann auf der Straße hat. Diese Rundfrage hatte sehr interessante Ergebnisse. Es wurde gefragt: Bunter Abend mit Quiz? Nun, daß wir in puncto Quiz seitens der Anstalten nicht auf eine schmale Hungerration gesetzt sind, weiß jeder, der laufend das Programm der Anstalten verfolgt. Mit dem Kuhlenkampff mag es gerade noch gehen, ({3}) aber mit dem Frankenfeld wird es doch nun schon sehr problematisch; und was uns da jetzt aus Osterreich mit einem Holländer serviert wird, scheint mir noch problematischer zu sein. Also: Bunter Abend mit Quiz? So wie bisher wollen es 34 % haben, aber 10% wollen weniger und 59 % wollen mehr. Nun werden Sie sagen, das sei eine Bestätigung für das, was Sie selber befürchten, nämlich: der Geschmack sei schlecht. Ich muß Ihnen aber folgende Aussage entgegenhalten - ich muß mich kurz fassen, weil ich Sie nicht allzu lange aufhalten möchte -: Volkstümliche Wissenschaft derzeit 38% Bejahung - also 4 % mehr bejahen die volkstümliche Wissenschaft gegenüber dem Quiz -, und 45 % bitten, es solle mehr volkstümliche Wissenschaft gesendet werden. Wenn Sie 38 % und 45 % zusammenzählen, kommen Sie immerhin auf 83 % der Zuschauer, die gerne mehr volkstümliche Wissenschaft haben möchten. Wenn Sie nun sagen, „volkstümlich" sei niveaugesenkt, muß ich Ihnen erwidern: Das ist ein großer Irrtum. Jeder, der davon etwas versteht, wird mir zugeben, daß Volkstümlichkeit und Niveausenkung nicht unbedingt miteinander verbunden zu sein brauchen. Im Gegenteil, es kann sogar so sein, daß einer von uns, der nicht Mediziner ist, ganz froh ist, wenn ihm ein medizinisches Problem in einer volkstümlichen Art nahegebracht wird. Es kann sein, daß einer von uns, der vielleicht von der Raumfahrt oder von der Atomwissenschaft nicht so viel versteht, ebenfalls äußerst dankbar ist, wenn man ihm diese Fragen in einer volkstümlichen Art nahebringt. Hier darf man also nicht vereinfachen und sagen, Einfaches und Allgemeinverständliches seien mit Niveausenkung gleichzusetzen. Herr Kollege Kühn, Sie haben das Problem „Konkurrenzprogramm und Kontrastprogramm" entwikkelt und haben gesagt, man könne nicht ein Konkurrenzprogramm machen - denn das falle auf alle Fälle ab -, sondern man müsse ein Kontrastprogramm entwickeln. Das haben wir schon bei Mittelwelle und UKW. Da heißt es so schön „Welle der Freude". Nur, wer es einstellt, ist nicht immer unmittelbar erfreut, wenn er hört, was da herauskommt. Aber wer von uns wagt denn, eine Aussage darüber zu machen, was Kontrast ist? Der eine sieht gerne eine Operette. Nun sagt der andere: Kontrast heißt bei mir Shakespeare. Ein dritter sagt: Boxen ist für mich Kontrast. Wie wollen Sie sagen, was Kontrast ist? Das ist genauso, wie wenn sich zwei Verleger unterhalten, von denen der eine eine kulturpolitische Zeitschrift herausgibt. Der andere will nun eine Kontrastzeitung herausgeben und veröffentlicht ein Witzblatt. Was ist denn ein Anhaltspunkt dafür, daß etwas als Kontrast empfundern wird? Zuerst muß einmal getestet werden, was Kontrast ist. Sie können die Frage nicht anders lösen als in dem ach so bitteren Wettstreit in der Konkurrenz. So lösen sich die Fragen am einfachsten. Wenn wir in Deutschland Veranlassung haben, uns über etwas zu freuen, dann ist es doch im großen und ganzen die wirtschaftliche Entwicklung. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist nur auf dem Wege der Praktizierung solcher Konkurrenzprinzipien zustande gekommen. ({4}) Weiter wird der Einwand gebracht, die Werbung führe zur Konsumüberreizung. Da sind wir bei einem entscheidenden Punkt angelangt. Von diesen ständigen Aussagen, daß die Werbung etwas ganz Perfides sei, daß man die Werbung im Grunde genommen eigentlich überhaupt verbieten müßte, habe ich eine ganze Anzahl. Sie reichen von katholischen Bischöfen bis zu unserer hochverehrten Kollegin Beyer aus Hessen, die alle in der Werbung etwas Perfides und etwas Unmögliches sehen. Wenn sie sich mit einem Volkswirtschaftler unterhielten - ich sehe leider den Kollegen Deist nicht hier -, müßten sie sich schnell über den echten Wert der Werbung einigen können. Die billige Aussage „Werbung verteuert" berücksichtigt nicht, daß Werbung den Absatz steigert und daß der größere Absatz am Ende auch eine Verbilligung des verkauften Objekts zur Folge hat oder wenigstens haben sollte. Ich sehe also in der Werbung an sich nichts Schlechtes. Ich bin der Meinung, daß Werbung an sich ebenso wenig schlecht ist wie das Telefon oder die technische Einrichtung des Rundfunks. Ob man sie zu etwas Schlechtem macht oder nicht, hängt davon ab, wer diese Medien bedient bzw. wer an den Schalthebeln sitzt. Darauf kommt es an und nicht auf die Sache an sich. Frau Kollegin Beyer hat bei den Hausfrauentagen in Hessen beispielsweise gesagt: Diese Werbung macht doch nur eins: sie reizt immer nur zur Unzufriedenheit mit dem, was man gerade hat. Wenn Sie, liebe Kollegen von der SPD, ebenso argumentieren, muß ich Ihnen sagen: Seien Sie doch gnädig, und zwar mit Ihrer und mit unserer Partei; denn wir in der Opposition leben doch davon, daß wir der Bevölkerung immer wieder sagen, sie solle mit dem nicht zufrieden sein, was im Augenblick ist. ({5}) Meine Damen und Herren! Ich habe mich, wenigstens soweit ich es in der kurzen Zeit konnte, die ich mir gesetzt habe, mit einigen Argumenten des Kollegen Kühn auseinandergesetzt. Ich möchte mich nun mit dem Gesetz selbst und mit Argumenten auseinandersetzen, die Herr Minister Schröder und Herr Kollege Heck hier gebraucht haben. Wenn der Herr Bundesinnenminister in der Begründung des Gesetzentwurfs gesagt hat, daß es bei dieser Gesetzesvorlage nicht zuletzt darauf ankomme, das Besatzungskonzept zu überwinden, so kann ich ihm darin nur beistimmen. Denn ich selbst habe vor zwei Jahren von dieser Stelle aus erklärt, wir haben im Rundfunk noch ein Relikt der Besatzungszeit von 1945 bis 1947 und haben es nicht zuletzt wesentlich auch auf der personellen Seite. Ich will jetzt einmal eine ganz empfindliche Seite ansprechen. ({6}) - Wenn Sie sagen, das stimmt nicht, dann muß ich Ihnen erklären: Gerade die Konstruktion Baden-Baden ist doch der letzte Beweis dafür, daß hier ein Relikt aus der Besatzungszeit vorhanden ist; denn dieses Baden-Baden ist ja nur mit der französischen Besatzungszone zu motivieren, sonst ist es von nirgendwoher mehr existenzberechtigt. Und wenn der Herr Minister hier gesagt hat, die Anstalten haben davon noch keine Notiz genommen, so muß ich sagen, ich freue mich darüber, daß wir diese Dinge jetzt hier aussprechen können und damit dokumentieren, daß zum mindesten die höchste parlamentarische Vertretung des deutschen Volkes davon Notiz nimmt. ({7}) Wenn der Herr Minister weiter sagte, daß sich eine gemischte Lösung abzeichne oder möglich erscheine, so kann ich ihm da allerdings nicht ganz beipflichten. Ich erinnere mich an die traurige Periode der mehrjährigen Verhandlungen über solche Staatsvertragsabmachungen in den letzten Jahren, bei denen nichts weiter herausgekommen ist als eine Verzögerung. ({8}) Ich darf noch ein Wort im besonderen vielleicht dem Kollegen Heck sagen. Ich möchte ihn bitten, wenigstens einen Augenblick herzuhören; denn ich möchte nicht etwas Böses über ihn sagen, wenn er es nicht direkt von mir hört. - Ich betrachte die ganze letzte Entwicklung der Rundfunksituation, vor der wir stehen - ich möchte hier ganz offen sprechen -, letzten Endes auch als einen Ausfluß dessen, was in dem anklang, was Herr Kollege Heck sagte. Er sagte, wir verhandeln mit den Ländern, wir verhandeln mit den Sozialdemokraten. Ja, meine Damen und Herren und lieber Herr Kollege Heck im besonderen, es ist eben etwas Böses mit der Quadratur des Zirkels. Man kann nicht alle Gegensätze, die es in einer Sache gibt - Länder, Bund, Kirchen, Wirtschaft, SPD, Anstalten -, unter einen Hut bekommen. Ich bin der Meinung, daß es da vielleicht besser ist, sich zu überlegen: was kann ich wirklich erreichen, welches Ziel setze ich mir, und welche parlamentarischen Möglichkeiten habe ich, dieses Ziel zu erreichen?, und sich dann zu sagen: dann werde ich vielleicht mit einer kleineren Mehrheit, aber am Ende eben doch mit einer Mehrheit ein solches Gesetz verabschieden können. Sie sollten davor auch keine Angst haben. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel. In diesem Hause sind ja schon Gesetze mit einer sehr schmalen Basis verabschiedet worden. Mindestens diese Basis, vielleicht sogar eine etwas breitere, wenn Sie sich mit uns über einige Dinge abstimmen, können Sie auch bei diesem Gesetz haben. ({9}) - Es ist ganz klar eine Offerte, die ich Ihnen ({10}) mache. ({11}) Aber ich glaube, daß Sie auf diesem Wege möglicherweise besser zum Zuge kommen als auf dem anderen. Sie haben es ja gehört, Herr Kollege Kühn hat eindeutig gesagt: niemals auf diesem Wege mit uns! Betrachten Sie das also jetzt wenigstens als ein Faktum und überlegen Sie, was Sie nun tun wollen! ({12}) - Lieber Kollege Schoettle, wer wie der Kollege Kühn oder der Kollege Heck oder der Kollege Jacobs weiß, wie wir, die wir uns immer mit diesen Fragen befassen müssen, diese Dinge im einzelnen betrachten, der wird zugeben, daß das, was ich hier ausspreche, kein Novum ist, der wird zugeben müssen, daß ich nicht einmal eine Hundertsteldrehung gemacht habe. Ich habe von vornherein diese Dinge so gesehen, wie ich sie hier entwickle, und zwar aus einer liberalen Grundhaltung. ({13}) - Einen Augenblick; ich möchte gern wissen, Herr Kollege Jacobs, was Sie gesagt haben. ({14}) - Das ist eine sehr schöne Aussage. Ich möchte jetzt eigentlich wie der Kollege Kühn sagen: „Darf ich an Sie eine Gegenfrage stellen?", nämlich die Frage: Haben Sie mich gemeint? Ich möchte Ihnen sagen: Wenn Sie wollen - d en Antrag können wirgleich einbringen, daß keiner, der in diesem Hause an dem Zustandekommen eines solchen Gesetzes mitwirkt, hinterher die Möglichkeit haben soll, an den Dingen zu partizipieren, um die es sich in diesem Gesetz dreht. ({15}) Diese Aussage können Sie haben. Lieber Kollege Jacobs, wir kennen uns schon sehr gut; aber so gut kennen Sie mich noch nicht, um zu wissen, daß ich wirklich ein Idealist bin. Das müssen Sie vielleicht noch zur Kenntnis nehmen. ({16}) - Auch auf diese Aussage, lieber Kollege Kühn, darf ich das ausdehnen. Genügt Ihnen das? - Genügt Ihnen das? Ich hoffe, daß wir noch Gelegenheit haben werden, ({17}) darauf zurückzukommen. - Also ist das klar. ({18}) Die Versuche, hier mit mehr oder weniger persönlichem Suspektmachen eine bestimmte Auf fassung zum Tragen zu bringen, scheinen mir doch äußerst problematisch. Wenn ich in der Sache einen guten Standpunkt habe, brauche ich niemals die persönliche Verdächtigung dessen, der einen anderen Standpunkt vertritt. ({19}) Ich halte das also für sehr problematisch. Aber ich nehme es Ihnen nicht einmal besonders übel; denn warum sollten ausgerechnet Sie in dieser neuen Atmosphäre, die wir heute leider überall sehen, eine Ausnahme machen? Herr Kollege Heck, ich halte auch von der gemischten Lösung nicht sehr viel. Denn entweder hat der Bund eine Zuständigkeit, diese Dinge zu regeln, dann können Sie, meine ich, gar nicht darauf verzichten und in einem bestimmten Raum, wie Sie sagen, sich als Gentleman benehmen und nagen: „Das nützen wir nicht hundertprozentig aus". Dann muß er das mit Bundesgesetz regeln. Oder er hat keine Zuständigkeit, dann muß er natürlich die Finger davon lassen. Also: diese gemischte Regelung scheint mir doch sehr fraglich. Wir werden uns darüber im Ausschuß noch zu unterhalten haben. Wenn ich jetzt - um zum Abschluß zu kommen - dieses Gesetz kurz noch einmal Revue passieren lasse, dann muß ich sagen: Das, was im ersten Teil steht, nämlich die grundsätzlichen Aussagen über diese Rundfunkdinge ganz allgemein , wird mehr oder weniger von jedem Vernünftigen von uns hier unterstrichen werden müssen. Es ist ebenfalls klar, daß bezüglich der Deutschen Welle und vielleicht auch des Deutschlandfunks mehr oder weniger nur sehr gewollte Gegensätze konstruiert werden. Es bleibt offen das Problem Fernsehen. Dieses Problem, meine Damen und Herren, muß man klar sehen und man muß da zu einer klaren Meinung kommen. Man sollte - wenn Sie den Zuschauer fragen, wird er Ihnen das wahrscheinlich sofort bestätigen - angesichts des bisher Geleisteten das zweite Fernsehen keineswegs in die Hände der Leute geben, die das erste Fernsehen machen. Das scheint mir eindeutig und klar zu sein. ({20}) Zweitens. Man sollte in aller Ruhe überlegen, mit welcher Konstruktion man unter Zugrundelegung dieses ersten Grundsatzes, den ich soeben ausgesprochen habe, zu einer tragbaren und vernünftigen Lösung gelangen kann. Wenn Sie aber, meine Damen und Herren, hier sehr stark auf das Gespenst des Werbefernsehens abstellen, so muß ich noch auf eines hinweisen. Sie können nicht sagen: Das Werbefernsehen in den Händen von Meier oder Müller ist eine Gefahr, das Werbefernsehen in meinen eigenen Händen ist ganz harmlos. Das ist doch ein sehr pharisäerhafter Standpunkt ({21}) wenn Sie sagen: Die Anstalten dürfen werben, die anderen dürfen nicht werben. Ich habe hier - ich will das wegen der Kürze der Zeit nicht vertiefen - Aussagen des Verwaltungsdirektors des Bayerischen Rundfunks, des Herrn Spiess, der sich darüber ausläßt, wie stark man Werbekomplexe in den Anstalten ausbreiten muß. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß das Werbefernsehen gerade in den Anstalten zu all dem führt, was ich vorhin schon angedeutet habe - nämlich: Beteiligungen am Film usw. usw. -, weil man dort plötzlich soviel Geld kumuliert wird, daß man nicht mehr weiß, wohin damit. Ich bin also der Meinung: das genaue Gegenteil sollte man tun! Außerdem erreichen Sie durch eine solche Lösung am Ende in beiden Programmen Werbung, und in beiden Programmen müssen Sie zusätzlich selber bezahlen. Nach meiner Meinung genau die negative Lösung. Dann müssen Sie sich auf den gegenteiligen Standpunkt stellen: Das eine Programm soll sich durch Werbung, das zweite aus den Gebühren finanzieren, also keine Werbung betreiben. Der Zuschauer hat dann die Möglichkeit, wenn ihm das eine nicht gefällt, auf das andere umzustellen; er weiß ja: da finde ich keine Werbung, da ist das Programm nicht von Überlegungen bestimmt, wie sie hier den Werbeleuten unterstellt werden. Ich darf noch auf etwas eingehen, was nicht unmittelbar mit der zur Debatte stehenden Materie zusammenhängt, aber nach meinem Dafürhalten bei dieser Gelegenheit doch wenigstens einer kurzen Betrachtung bedarf. Man sollte sich nämlich auch Gedanken über die Situation des deutschen Films machen. Man sollte bedenken, in welch schwierige Lage heute der Film durch das Fernsehen geraten ist. In den Haushalten stehen bereits 3 1/2 Millionen Fernsehgeräte. In absehbarer Zeit wird man auf 4, vielleicht auf 5 Millionen kommen. Wir dürfen an dem Besucherrückgang, den der Film erleidet, nicht einfach vorbeigehen. Die Zahl der Besucher ist von 812 Millionen bereits auf 650 Millionen gesunken. Möglicherweise werden in absehbarer Zeit weitere 50 oder 80 Millionen Besucher abwandern. Aus diesem Grunde sollten wir aus Anlaß der Beratungen über dieses Gesetz im Ausschuß mit allem Ernst und aller Sachlichkeit - ich darf für meine Fraktion sagen, daß wir uns an den Ausschußberatungen mit diesem Ernst und mit Sachlichkeit beteiligen werden - Gedanken darüber machen, was man, wenn die Fragen des Rundfunks geregelt sind, für den Film tun kann. Ich denke insbesondere daran, daß die Filmvorführungen der Vergnügungssteuer unterliegen. Es ist nicht einzusehen, warum für eine Vorführung auf der Leinwand Vergnügungssteuer erhoben wird, dagegen keine Vergnügungssteuer fällig wird, wenn eine Sache, möglicherweise die gleiche Sache, über den Bildschirm läuft. Das ist einfach nicht vertretbar. Es könnte durchaus jemand auf die Idee kommen, damit sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt, und könnte deswegen vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen wollen, weil er sich sagt: Das lasse ich mir nicht gefallen. Was Herr Kühn über die Aufsichtsgremien gesagt hat, muß ich unterstreichen. Ich bin nicht der Meinung, Herr Innenminister, daß es möglich ist, in Deutschland Leute zu finden, die sich gewissermaßen von allem Politischen befreien und als eine Art von superüberparteilichen Leuten tätig werden. Die Praxis beweist, daß es das nicht gibt. Mit Recht ist von Herrn Kühn gesagt worden, daß die Auswahl dieser Leute nach dem Entwurf auch durch Politiker erfolgt, nämlich durch die Kabinettsmitglieder. Wir werden im Ausschuß ernsthaft prüfen müssen, ob wir da nicht eine andere, vernünftigere Regelung finden. Wahrscheinlich kann diese Regelung nur darin bestehen, dieses Haus als die allein zuständige politische Vertretung des deutschen Volkes oder als, wenn Sie so wollen, Vertreter des Souveräns, nämlich des Volkes, zur letzten Instanz zu machen. Ich darf noch einmal sagen: Wir wollen ein Bundesgesetz. Wir bejahen den Gesetzentwurf durchaus nicht in allem, sondern haben verschiedene erhebliche Bedenken. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß man mit diesen Kautschuklösungen, etwa für die Frage: wer soll senden? im Bereich des zweiten Fernsehprogramms vieles in eine bestimmte Richtung bringen kann. Trotz unserer Bedenken betrachten wir den Gesetzentwurf aber als einen Fortschritt. Es ist schon ein Fortschritt, daß er diesem Hause überhaupt vorliegt, daß sich das Haus damit beschäftigen kann. Wir haben schon 1953 einen Versuch unternommen, sind aber leider nicht zum Zuge gekommen. Wir haben jetzt 1960. Wir hoffen, daß wir diesmal zum Zuge kommen. Meine Fraktion wird sich jedenfalls mit allem Ernst den Beratungen widmen und sich in der zweiten und dritten Lesung zu dem Ergebnis der Ausschußberatungen äußern. ({22})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Probst.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine! Damen und Herren! Nachdem die hier gebrauchten Vergleiche von der Leichenrede bis zum Ausschütten des Kindes mit dem Bade gingen, will ich ein übriges tun und mich als Taufpate zur Verfügung stellen und das Kind doch noch glücklich aus der Taufe heben. Der Kollege Kühn hat gesagt, daß er in seinen Ausführungen dem wahren Kern des Gesetzentwurfs auf die Spur kommen wolle. Das will ich ebenfalls. Ich beschränke mich auf die Fragen, die ich für die wesentlichen halte. Es bestehen in diesem Haus weniger Bedenken gegen den Auslandsfunk, die „Deutsche Welle", als gegen das zweite Fernsehprogramm. Trotzdem muß ich mich noch ganz kurz auch mit ,den beiden ersten Punkten der Gesetzesvorlage, zunächst mit dem Deutschlandfunk, beschäftigen, insbesondere auch im Hinblick auf das, was bisher von den bestehenden Anstalten auf diesem Gebiet versäumt worden ist. Wir haben seit 1953 nur einen Kurzwellenbereich für ,den Auslandsfunk zur Verfügung. Diese Welle ist dem Westdeutschen Rundfunk als eine Unterabtenung angehängt. Vergleicht man an Hand der Zahlen den deutschen Auslandsfunk mit der Auslandsarbeit anderer Länder, sieht man, wie sehr wir hier im Nachteil sind. So sendet z. B. BBC mit einem Aufwand von etwa 4000 Mitarbeitern, während es der Deutschlandfunk, also die deutsche Kurzwelle, bisher auf 63 Mitarbeiter gebracht hat. Außerdem wird der Deutschlandfunk nur mit der linken Hand des Intendanten bedient. Ganz kraß sind aber diese Zahlen, verglichen mit dem was die Sowjets drüben machen. Sie senden heute bereits ein zweites Fernsehprogramm. Sie senden einen Überseedienst in 38 Sprachen. ({0}) - Nach meinen Unterlagen, Herr Kollege, bringt die Bundesrepublik - ich würde mich freuen, wenn ich widerlegt werde - sehr viel weniger Auslandssendungen als die sowjetischen Sender. ({1}) Ich werde Ihnen auch gleich die Zahlen nennen. Wir senden auch nur einen Bruchteil dessen, was die englischen Sender der BBC an Sendezeiten für das Ausland zur Verfügung haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!

Peter Jacobs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001001, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Probst, Sie haben den Eindruck erweckt, als ob hier das Verhältnis der Sowjetzone zur Bundesrepublik die Grundlage Ihrer Ausführungen sei. ({0}) Daß Sowjetrußland mehr sendet, ist eine Selbstverständlichkeit. Allein wegen der der Sowjetunion zur Verfügung stehenden größeren Zahl an Wellen kann dieser Vorsprung selbst bei bester bundesgesetzlicher Regelung nicht überwunden. werden.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich will mich korrigieren. Ich habe jetzt die Zahlen der sowjetischen Rundfunkgesellschaften - in Sowjetrußland! - mit England und mit Deutschland verglichen. Darüber hinaus habe ich angeführt, daß auch die sowjetische Besatzungszone heute ein zweites Fernsehprogramm sendet. Die Versäumnisse der westdeutschen Rundfunkanstalten gerade auf dem Gebiete der Sendungen in die Zone - nun komme ich zu diesem spezifischen Problem - lassen sich aber nicht entschuldigen. Ganz abgesehen davon, daß die Sender sehr spät gebaut worden sind, haben sie auch nur eine ungenügende Reichweite. Auch ist das Programm dieser Sendungen zeitlich noch nicht das, was es eigentlich sein müßte. Wir müßten gerade den Deutschen drüben in der Zone das Gefühl geben, daß sie von uns nicht vergessen sind. Gerade die Begründung dafür, warum der Bau der Sender so spät erfolgt und warum die Wirkung so schwach ist, ist typisch für unsere allgemeine Rundfunksituation: Die Rundfunkanstalten begründeten nämlich die Verzögerung damit, daß das eine Sendung für einen Raum außerhalb des Gebühreneinzugsgebietes sei. Der zweite Punkt, der ebenfalls durch die neue Gesetzesvorlage in etwa in Ordnung gebracht werden soll, betrifft den Finanzausgleich zwischen den Anstalten. Die Gesetzesvorlage sieht einen Ausgleich vor, der wesentlich über das hinausgeht, was wir heute haben. Das ist ebenfalls ohne eine bundesgesetzliche Regelung nicht in Ordnung zu bringen. Wir haben z. B. beim Sender Freies Berlin oder beim Sender Bremen nur einen Bruchteil der Mittel für die Programmgestaltung, die der Westdeutsche Rundfunk zur Verfügung hat. Der Westdeutsche Rundfunk z. B. hat im Jahre 1958/59 Einnahmen in der Höhe von 107 Millionen DM ausgewiesen. Er weist Zinseinnahmen von 5,34 Millionen DM nach. Das sind wesentlich mehr Einnahmen aus der Verzinsung der angehäuften Kapitalien, als er an die Ausgleichskasse der Rundfunk-Anstalten abführt. Gerade hier gibt es zwei interessante Vergleichszahlen: Die Deutschen Rundfunkanstalten haben Einnahmen von etwa 570 Millionen DM, und als Gesamtaufkommen aller Anstalten werden davon 18 Millionen DM an die gemeinsame Ausgleichskasse abgeführt. Schon daraus geht hervor, daß es unmöglich ist, auf dem Wege freier Vereinbarungen zu einem einigermaßen allen Anforderungen gerecht werdenden Finanzausgleich zwischen den Anstalten zu kommen. Herr Kollege Kühn, Sie haben gesagt, der Rundfunk sei heute ein kulturschaffendes Medium. Ich folge Ihren Ausführungen nicht so weit. Sicherlich hat sich die Aufgabe des Rundfunks gewandelt. Er ist aber doch in erster Linie ein vermittelndes Medium, das sich am besten mit der Presse vergleichen läßt. Wenn aber solche Gewinne erzielt werden, wie sie von einzelnen Anstalten ausgewiesen werden, und in Höhe von 7 Millionen DM Zuwendungen an kulturelle Einrichtungen der betreffenden Länder gemacht werden, weil es einfach nicht mehr anders möglich ist, das Geld unterzubringen, dann kann man allerdings sagen, der Rundfunk sei ein Mäzen der Kunst und der Kultur, weil er sie auf diese Art und Weise fördern kann, wobei natürlich offen bleibt, wieweit solche Zuwendungen aus Gebührenaufkommen berechtigt sind. Diese Zuwendungen an die Kulturinstitute und -einrichtungen der Länder machen es auf der anderen Seite wieder verständlich, daß die Ministerpräsidenten gerade derjenigen Länder, die eine Rundfunkanstalt mit hohem Einkommen haben, in dieser Frage auf dem föderalistischen Prinzip bestehen. Das dürfte wohl auch mit die Erklärung dafür sein, daß es gerade auch die Ministerpräsidenten der CDU sind, die sich dem Gesetzentwurf der Regierung widersetzt haben, es sei denn, man unterstelle der CDU in ihrer Gesamtheit, daß sie nicht gewillt sei, in dieser Frage auch einmal von ihrer Mehrheit konsequent Gebrauch zu machen. Man muß diese Frage allen Ernstes stellen. Ich habe oftmals den Eindruck, gerade bei dieser Sache, daß die CDU nur noch zum Dulden in diesem Hause sitzt, aber nicht mehr zum Handeln, allerhöchstens noch zum Verhandeln. Ich bin der Meinung, daß eine Partei dem Auftrag der Wähler nachzukommen hat und daß dieser Auftrag einer Wählermehrheit nicht dadurch ignoriert werden darf, daß man sich ausschließlich nach Zweidrittelmehrheiten richtet ({0}) oder auf das Handeln verzichtet. ({1}) Herr Kollege Kühn, Sie haben sich auch noch einmal mit der Frage des Kontrastprogramms und der Frage des konkurrierenden Programms auseinandergesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Kontrastprogramm geschaffen werden müsse, um die Hörerwünsche zu befriedigen. Hier schließe ich mich den Überlegungen des Sprechers der Freien Demokraten an, daß nämlich ein Kontrast, den der Zuschauer auch als solchen empfindet, mit zwei Programmen schlechthin nicht zum Ausdruck zu bringen ist. Es gibt Sport und Sport, es gibt catch as catch can und es gibt Turnen. Ich halte es für ausgeschlossen, auf der Basis von zwei Programmen ein Kontrastprogramm schaffen zu können. Das trägt den Wünschen in keiner Weise Rechnung. Es trägt den Wünschen sehr viel mehr Rechnung, wenn wir versuchen, in das Rundfunkwesen das Prinzip der Konkurrenz einzuführen, wie wir es in der Presse haben. Zwei Zeitungen, die am selben Ort erscheinen, wird es nicht einfallen, sich über das abzusprechen, was die eine und was die andere bringen soll. Sie nehmen es beide in Kauf, einmal dieselbe Schlagzeile zu haben. Trotzdem haben die Zeitungen soviel Kontrast, daß sie von den betreffenden Lesern gekauft werden und der Umsatz dementsprechend ist. Genauso ist es auf dem Gebiete der Literatur. Auch zwei Schriftsteller werden sich nicht von vornherein darüber einigen, was sie schreiben, und trotzdem befriedigen sie ganz bestimmte Wünsche. Probst ({2}) Es gilt, durch die Einführung der Konkurrenz einen Kontrast im Rundfunk zu erreichen. Das wird, glaube ich, wesentlich besser durch die Regierungsvorlage erreicht als durch die Vorstellungen, die Herr Kollege Kühn im Auftrage der Opposition entwickelt hat. Die Generalfrage, die sich immer wieder stellt: wie halten wir das zweite Programm aus den politischen Einflüssen heraus?, konnte ja auch von Herrn Kollegen Kühn nicht beantwortet werden. Irgendein Gremium muß von irgendeinem anderen Gremium gewählt werden, und politische Einflüsse restlos ausschalten wird weder das eine noch das andere Verfahren. Ich glaube, daß die Regierungsvorlage sehr viel eher geeignet ist, politische Einflüsse auszuschalten, als jede andere Lösung, insbesondere wenn ich an das Vorbild denke, das wir bei den jetzt bestehenden Rundfunkanstalten schon haben. Auch dort haben wir einen Aufsichtsrat bzw. den Rundfunkrat, der den Intendanten kontrollieren soll. Aber mit welchem Ergebnis? Wir haben von Herrn Zoglmann einige Ausführungen darüber gehört. Es gibt auch sehr viele andere Gründe, die berechtigte Kritik an diesem System zulassen. Solange das Aufsichtsgremium einer Anstalt auch nicht den technischen Apparat hat, um die ihm zur Aufsicht übertragenen Rechte wahrzunehmen, sondern hier einfach auf den Vortrag des Intendanten angewiesen ist, und wenn dieses Gremium sich aus Leuten zusammensetzt, die auch sehr wenig Zeit haben, sich um die Dinge zu kümmern, braucht man sich nicht darüber zu wundern, wenn die Aufsichtsgremien der einzelnen Anstalten überspielt werden. Hier zeigt auch der Regierungsentwurf eine ganz entscheidende Lücke, auf die ich ebenfalls hinweisen möchte. Hier muß den aufsichtführenden Gremien der drei vorgesehenen Anstalten mehr unmittelbarer Einfluß auf den Intendanten und auf die Leitung des Rundfunks eingeräumt werden, Der Apparat bei den Rundfunkanstalten ist heute so riesengroß, daß ihn der Intendant nicht mehr selbst bis in alle Einzelheiten kontrollieren kann, Die einzelnen Programme werden von den zweiten und dritten Instanzen in den Anstalten gemacht. Hier zeigt sich eine andere Gefahr, wenn die Aufsichtsgremien nicht funktionieren: daß nämlich die Personalpolitik bestimmter Parteien sehr viel erfolgreicher ist als die der andern, daß ganz bestimmte politische Gesichtspunkte über die Personalpolitik der Rundfunkanstalten durchgesetzt werden, was dann zum Schluß dieses schräge Bild von einzelnen Anstalten ergibt, daß die Meinungsfreiheit der Anstalt selbst nicht mehr so gewährleistet ist, wie sie gewährleiset sein müßte, wodurch die Anstalt selbst in den Geruch kommt, einer bestimmten politischen Richtung zu dienen. Wenn wir schon von Kontrastprogramm und vom Konkurrenzprogramm sprechen, dann möchte ich auch in erster Linie die Konkurrenz auf diesem Gebiet sichergestellt haben. Das heißt mit anderen Worten: Das zweite Programm muß in völliger Unabhängigkeit von den bestehenden Anstalten aufgestellt werden, eine Grundforderung, von der wir auch in den Diskussionen über die Vorlage im Ausschuß nicht abgehen werden. In der offentlichen Diskussion wird auch sehr oft über die Frage der Gefährdung insbesondere der Jugend durch das zweite Programm gesprochen. Auch Herr Kühn hat das wieder getan und hat noch den Chef der englischen Kriminalpolizei zitiert, der dargestellt hat, wie verderblich sich der Einfluß eines Programms auf die Jugendkriminalität auswirken kann. Aber Sie wissen auch, Herr Kollege Kühn, daß wir drüben von einer Mitarbeiterin eines wissenschaftlichen Instituts - ich glaube sie hieß Miss Himmelwhite - ganz andere Auskünfte bekommen haben. Sie führte aus, daß die Fernsehprogramme auf den normalen Jugendlichen keineswegs diese üblen Auswirkungen haben, daß es aber Jugendliche gibt, die wegen ihrer Konflikte mit der Umwelt, wegen der Unterentwicklung ihrer geistigseelischen Verfassung die Flucht von der Wirklichkeit an den Fernsehschirm antreten und dann die Gruppe von Jugendlichen darstellen, die der Fernsehseuche erliegen und nicht mehr vom Fernsehschirm wegzubringen sind; sie wies aber darauf hin, daß der gesunde Jugendliche keineswegs in seiner Aktivität beim Spielen oder bei den Schulaufgaben gehemmt wird. Sie hat allerdings dargestellt, daß dem krankhaften Jugendlichen durch die Darstellung von Gewalt im Fernsehen eine Lösung angeboten wird, wie er aus seinen Konflikten herauskommen kann, nämlich mit der Gewalt. Eine Einstellung, die von vornherein nicht gesund ist, kann so schon einmal bestärkt werden. Das ist ohne Zweifel richtig, aber gerade dann muß doch, wenn sich zeigt, daß Jugendliche nicht mehr vom Fernsehschirm wegzubringen sind, nach der Ursache gesucht werden, und die Ursache wird man nicht darin finden, daß dieses Kind eine besondere Freude am Fernsehen hat, sondern darin, daß es eben irgendwo in seiner geistig-seelischen Entwicklung gestört ist. Dort muß der Hebel zur Gesundung angesetzt werden. Ich sprach von der Kontrolle der Institutionen durch die einmal gewählten Aufsichtsorgane. Ich bin darüber hinaus aber auch der Meinung, daß der Regierungsentwurf auch in der Kontrolle der Programmgesellschaften einer wesentlichen Ergänzung bedarf. Was der Regierungsentwurf da sagt, ist zu wenig. Ich denke mehr an das englische Beispiel, wo den Programmgesellschaften außerordentlich eng gezogene Grenzen für die Möglichkeiten der Programmgestaltung, insbesondere der Werbung, gesetzt sind. Da werden bestimmte Produkte nicht zur Werbung zugelassen, oder die Werbung ist zeitlich beschränkt; es gibt auch nicht das „gesponsorte" Programm. Von „gesponsort" spricht man, wenn in einer Sendung plötzlich eine Reklame etwa in der Weise erscheint - ich darf ein simples Beispiel nennen -, daß Lohengrin mit dem vom Schwan gezogenen Schiff ankommt und eine Packung Schwanenseife auslädt. So etwas muß durch das Gesetz unmöglich gemacht werden. Ich meine auch, daß die rechtlichen Möglichkeiten der aufsichtführenden Organe, also der Lizenzträger, gegenüber den Gesellschaften verstärkt werden sollten - ebenfalls nach dem englischen Vorbild -, wonach bei Verstößen eine hohe Strafe verhängt Probst ({3}) oder das mit der Gesellschaft bestehende Vertragsverhältnis kurzfristig gelöst werden kann. Die für den Vertrag mit einer Gesellschaft vorgesehene Zeitdauer ist nach meiner Meinung etwas reichlich hoch gegriffen. Ich erinnere mich an das Gespräch mit dem englischen Postminister, der gerade darauf aufmerksam gemacht hat, mit den Gesellschaften vor allen Dingen keine zu lang dauernden Verträge abzuschließen. Den Gedanken der Gegendarstellung, wie ihn der Gesetzentwurf nennt, halte ich in der vorgesehenen Form für kaum durchführbar. Doch damit sollten wir uns im Ausschuß noch näher befassen. Der Herr Kollege Kühn hat eine ganze Reihe von Gesichtspunkten - immer wieder unter Beziehung auf katholische Bischöfe - in die Debatte gebracht. Das ist immer gefährlich. ({4}) - Es ist immer suspekt. ({5}) - Ich zitiere ja gar nicht. ({6}) - Nein keineswegs. Es gab nur ein einseitiges Bild, nach dem ausgerechnet die katholischen Bischöfe elfmal für die Beweisführung von Herrn Kühn herhalten mußten. ({7}) -. Ich zitiere jetzt die Kirchen. ({8}) - Das hat nur Herr Zoglmann zu vertreten. Es ist nämlich nicht so, daß die Kirchen die Bedenken, die von den einzelnen Bischöfen ausgesprochen worden sind, im ganzen Umfang geteilt hätten. In der „Funkkorrespondenz" vom 16. Dezember 1959 steht z. B. folgendes: Der Episkopat äußert sich mit keinem Wort gegen :in zweites Fernsehprogramm, auch nicht dagegen, daß es den Länderanstalten verweigert und durch ein. Bundesgesetz konstruiert wenden soll. Und das Zentralkomitee des Ökumenischen Rates der Kirchen sagt: Der Aufwand von Zeit, Gedanken, Initiative und Geld für schöpferische Arbeit auf dem Gebiet der Rundfunk- oder Fernsehproduktion ist eine der dringlichsten Aufgaben der Kirchen, wenn sie den Wunsch haben, mit einer in dieser Zeit heranwachsenden Generation in Fühlung zu bleiben. Denn das Leben dieser Generation, ihr Denken, ihr Fühlen und ihre Lebenserwartung werden in zunehmendem Maß von den ständig auf sie eindringenden Stimmen dieser Massenmedien geprägt. Von konkreten ablehnenden Äußerungen sowohl gegen die Schaffung eines echten zweiten Programms als auch gegen die Werbung im Programm ist in den offiziellen Stellungnahmen der Kirchen also nicht mehr viel zu spüren. Die Rundfunkgesellschaften haben sich bisher ohne Zweifel sehr viel Mühe gegeben, ihren Aufgaben nachzukommen. Trotzdem bedarf das bestehende System einer Änderung, zumindest in der Schaffung einer echten Konkurrenz und damit einer echten Freiheit im Rundfunkwesen. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein amerikanischer Rundfunkwissenschaftler, der die deutschen Verhältnisse untersucht hat; er sagt nämlich: „Es ist fraglich, ob jemand anders als Deutschlands schlimmster Feind das Weiterbestehen oder vielmehr das längere Weiterbestehen des gegenwärtigen Systems und der gegenwärtigen Verhältnisse des Rundfunks in Westdeutschland wünschen würde." Das ist eine sehr harte Formulierung, aber er führt das ebenfalls darauf zurück, daß der Zustand bei uns offenbar das Ergebnis der verschiedenen Willensrichtungen und zufälligen Interessen der Besatzungsmächte gewesen ist. Wenn wir mit dem zu verabschiedenden Gesetz nun versuchen, die unbedingt notwendige gemeinsame Grundlage für alle Anstalten einschließlich der neuzubildenden zu schaffen, dann ist es auch ein Versuch, diese Verhältnisse mit behutsamer Hand wieder in eine bessere Richtung zu lenken. Ich bin auch nicht der Meinung, daß wir den Rundfunkanstalten zu nahe treten, wenn wir diese neuen Anstalten schaffen. Wir wollen weder an ihr Einkommen aus den Hörergebühren, noch wollen wir ihnen in irgendeiner anderen Weise ein Haar krümmen. Wir werden sie allerdings dem Wind einer Konkurrenz aussetzen. Das halte ich für durchaus vertretbar und zweckmäßig. Die Ergebnisse der bisherigen Rundfunkgespräche und auch die heutige Diskussion stärken die Hoffnung, daß dieses Gesetz tatsächlich zustande kommt, wobei wir selbstverständlich die Frage der Einordnung in die grundgesetzlich gegebenen Rechtsverhältnisse hier nicht prüfen können; das müssen wir den zuständigen Gremien überlassen. Aber wir müssen hier die Angelegenheit von der politischen Seite her behandeln. Die Fraktion der Deutschen Partei wird sich nach den drei Gesichtspunkten, die ich jetzt noch zusammenfassen möchte, richten: Wir wollen das zweite Programm. Wir wollen es als Konkurrenzprogramm in personeller und finanzieller Unabhängigkeit von den bestehenden Anstalten, und es muß den politischen Einflüssen auf der Grundlage des Parteienproporzes, soweit es menschenmöglich ist, entzogen sein. Für diese Grundforderungen ergeben sich in der Vorlage diskutable Ansätze. Wir werden deshalb der Überweisung an den Ausschuß zustimmen. Es ist unser Ziel, gleich Presse, Film und Literatur auch dem Rundfunk durch den Bruch des bestehenden Monopols die Freiheit zu geben, und ich kann Sie nur alle auffordern, hier mitzutun - ich darf jetzt ein berühmtes Zitat abwandeln -: Geben Sie Gedankenfreiheit, Messieurs, auch für Rundfunk und Fernsehen! ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich habe keine Wortmeldungen mehr. Ich nehme an, daß die Debatte damit geschlossen ist. Wir" haben uns nun zu entscheiden, an welche Ausschüsse wir die Vorlage überweisen. Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu den Ausschußüberweisungen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, möchte ich folgende Bemerkung machen. Die Debatte heute morgen hat gezeigt, daß etliche Fragen von erheblicher wirtschaftspolitischer Bedeutung in diesem Gesetzentwurf stecken. Ich bin der Meinung, wir sollten, um die wirtschaftspolitischen Wirkungen prüfen und klären zu können, neben den ursprünglich vorgesehenen Ausschüssen auch die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß dieses Hauses beschließen. Ich würde das für nützlich halten. ({0}) - Wer sagt denn: nur zwei? Wer sagt denn, daß wir aus sachlichen Erwägungen diese Zahl nicht überschreiten können? Verzeihung, wir müssen doch wissen, was im Grunde genommen gewollt wird, und das, was heute morgen schon dargelegt worden ist, zeigt, daß mit der Möglichkeit der Werbung, die hier eröffnet wird, mit Sicherheit erhebliche Wettbewerbsverschiebungen eintreten werden. ({1}) - Das bedeutet gar keine Verzögerung. Wir sollten uns in diesem Hause der Aufgabe nicht entziehen, solche Fragen zu überprüfen. Nur darum geht es bei der Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. Ich bitte also, entsprechend zu beschließen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Rösing.

Josef Rösing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001874, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Kollegen Lange abzulehnen. Wir haben uns im Ältestenrat verständigt, diesen Gesetzentwurf lediglich drei Ausschüssen zu überweisen. Der Ausschuß für Kulturpolitik soll federführend sein; zur Mitberatung sollte der Entwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen überwiesen werden. Die anderen Wünsche bezüglich der Überweisung - zur Mitberatung an den Innenausschuß - haben wir im Ältestenrat abgelehnt. Ich möchte das Hohe Haus an den Grundsatzbeschluß erinnern, dem wir bisher immer gefolgt sind, Gesetzesmaterien nach Möglichkeit nur zwei bzw. drei Ausschüssen zuzuleiten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Werden weitere Anträge gestellt? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Die Anträge auf Überweisung sind Ihnen bekannt. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik - als federführenden Ausschuß - abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Dann liegt der Antrag vor, den Entwurf dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung zu überweisen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Weiter soll der Entwurf zur Mitberatung dem Rechtsausschuß überwiesen werden. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Dann ist noch der Antrag gestellt, den Entwurf auch an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt. Ich schlage Ihnen vor, vor der Mittagspause noch rasch die nächsten Punkte zu behandeln, deren Erledigung nicht viel Zeit beansprucht. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 17. April 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien, in ihren gegenseitigen Beziehungen das am 19. Juni 1951 in London unterzeichnete Abkommen zwischen den Nordatlantikvertragsstaaten über den Status ihrer Streitkräfte anzuwenden ({0}). Im Ältestenrat ist vorgeschlagen worden, den Gesetzentwurf an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland ({1}) ({2}). Hier macht der Ältestenrat den Vorschlag, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. - Das Haus ist einverstanden. Ich schlage vor, in die Mittagspause einzutreten. Wir unterbrechen die Sitzung. Das Haus tritt um 15 Uhr wieder zusammen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung wird fortgesetzt. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ritzel, Marx, Schmitt ({0}), Frau Beyer ({1}), Reitz, Leber und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tierschutzgesetzes ({2}). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mit dem von dem Herrn Präsidenten aufgerufenen Gesetzentwurf Drucksache 1539 wird der Versuch gemacht, eine Änderung und Ergänzung des geltenden Tierschutzgesetzes herbeizuführen. Dieser Versuch ist der Ausfluß zweier negativer Antworten, die zwei Bundesminister in zwei verschiedenen Fragestunden auf Fragen nach dem Schutz der auszuführenden Schlachtpferde erteilt haben. Wenn man die Verhältnisse untersucht und prüft, warum angesichts der Situation auf dem deutschen Markt eine Ausfuhr von Schlachtpferden überhaupt notwendig erscheint, kommt man zu der Feststellung, daß ein echtes Bedürfnis nach einer Ausfuhr von Schlachtpferden nicht besteht. Wenn man die Qualen kennt, die diesen Tieren bei ,der Ausfuhr nach anderen Ländern zugefügt werden, fragt man sich unwillkürlich: ist ein derartiges Verhalten menschlich, ist es berechtigt? Ist es richtig, daß diesen Tieren, entweder ganz jungen Fohlen oder alten Arbeitspferden, die ihr Leben lang ihre Pflicht im Dienst der Menschen erfüllt haben, diese Qual zugefügt wird? Ich möchte an den Anfang ,der Überlegungen, die zu diesem Gesetzentwurf geführt haben, einen Dank an den Teil der deutschen Presse stellen, der sich in einer ausgezeichneten und wirkungsvollen Weise der gequälten, armen Pferde angenommen hat, und einen Dank an die Kreise in unserem Volk, Frauen und Männer, hoch und niedrig, die das Gefühl für menschliche Verpflichtungen auch gegenüber der Kreatur noch nicht verloren haben, die ihre Leiden ja nicht in Worte kleiden kann. Die Bundesregierung ist aus der Bevölkerung heraus aufgefordert worden, ein Ausfuhrverbot zu erlassen. Eine Betrachtung der Argumente, die die Bundesregierung zu ihrer bisherigen negativen Haltung veranlaßt haben, ergibt folgendes Bild. Der Herr Bundesernährungsminister hat erklärt, daß das Verbot der Ausfuhr von Pferden aus Gründen des Tierschutzes allein nicht gerechtfertigt werden könne. Hier und in den kommenden Ausschußberatungen werde ich versuchen, den Beweis dafür zu liefern, daß dieses Argument nicht haltbar ist. Der Herr Bundesernährungminister hat erklärt, es bestünden Vorschriften für den Tierschutz beim Transport von Pferden innerhalb der Bundesrepublik; die Einhaltung dieser Vorschriften werde laufend überwacht. Diese Angaben des Herrn Bundesernährungsministers müssen auf Grund der Tatsachen angezweifelt werden. Der Herr Bundesernährungsminister hat erklärt, das Verbot einer solchen Ausfuhr stelle einen schweren Eingriff in wirtschaftliche Belange dar. Hier stellt sich die Frage: welcher Art sind denn diese wirtschaftlichen Belange? Geht es vielleicht um die paar Millionen an Devisenerlösen für die Ausfuhr von Pferden - Devisenerlöse, auf die die Bundesrepublik wahrhaftig nicht angewiesen ist -, oder sind es egoistische Interessen von Pferdehändlern, die dabei eine bestimmende Rolle spielen? Meine Damen und Herren, seitdem ich im Bundestag die erste Frage dazu eingebracht habe, habe ich eine Flut von Briefen erhalten. Ich zitiere aus einem dieser Briefe - ich nenne auch die Briefschreiberin: die Staatsschauspielerin Franziska Kinz in München - eine Feststellung, die sie in einem Gespräch mit einem Innungsmeister der Metzgerinnung getroffen hat. Frau Kinz schrieb mir am 15. Dezember 1959: Wenn man immer wieder auf die volkswirtschaftlichen Interessen verwiesen wird, braucht man nur die Metzgerinnungsmeister zu hören, welche Empörung darüber herrscht, daß durch die Ausfuhr unsere minderbemittelte Bevölkerung kein Fleisch mehr bekommt und die Pferdemetzgereien im Lande bald geschlossen werden müssen. Ich habe weiteres Beweismaterial in dieser Hinsicht bei meinen Akten und werde es noch vorlegen, nicht hier, sondern im Ausschuß. Ich bedaure daher, daß der Bundesernährungsminister - ohne Aufklärung der Hintergründe - keine Veranlassung sah, eine Änderung der Haltung der Bundesregierung oder wenigstens eine Überprüfung in Aussicht zu stellen. Ich bin überhaupt der Auffassung, daß der Herr Bundesernährungsminister in diesem Falle nicht absolut zuständig ist. Auch der Bundestagsausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dürfte mindestens nicht der allein zuständige sein. Der Herr Bundesernährungsminister hat erklärt, aus Gründen des Tierschutzes allein sei ein Ausfuhrverbot nicht gerechtfertigt. Wer einmal die Bestimmungen des aus der Hitlerzeit stammenden Tierschutzgesetzes mit der wahren Lage vergleicht, kommt zu dem Ergebnis, daß in manchen Fällen, so auch hier, der Tierschutz heute durchaus ungenügend ist und daß seine Verbesserung einer sittlichen Forderung entspricht. Ich will Ihnen im einzelnen die Schilderung von Transporten, wie sie mir vorliegt, ersparen. Ich will zunächst nur zitieren, was eine Rosenheimer Tageszeitung - Rosenheim in Bayern ist der Hauptumschlagsplatz für Transporte von Pferden nach Italien - über einen solchen Transport schrieb: Durch markerschütterndes Wiehern und Hufe-schlagen wurden Anwohner des Bahnhofsviertels immer wieder aus dem Schlaf geschreckt. Das Blatt sagt weiter aus, daß niemand weiß, wann diese armen Kreaturen zum letztenmal gefüttert und zum letztenmal getränkt worden waren, daß die Pferde Höllenqualen litten, weil sie, 16 an der Zahl, in einem Wagen eng aneinandergepfercht wegen Luftmangels Angstzustände bekamen. Die Bundesbahndirektion, die durch den Herrn Bundesverkehrsminister seinerzeit bei einer Fragebeantwortung hier gleichfalls eine Verteidigungsrede halten ließ, hat nach dem gleichen Bericht die Eignung der Transportwagen überprüft und festgestellt, daß beinahe die Hälfte der Wagen zum Transport von Pferden überhaupt nicht geeignet waren. Der Bundesernährungsminister sagt, daß innerhalb der Bundesrepublik ausreichende Vorschriften bestünden. Meine Damen und Herren, wie sieht die Praxis aus? Ich nehme einen Fall: Pferdegroßhändler in Dänemark stellen Transporte mit Schlachtpferden zusammen - dasselbe trifft auch auf deutsche Pferde zu -, die in Planwagen etwa 27 Stunden lang quer durch die Bundesrepublik befördert werden. Wenn man sich nun fragt, was innerhalb der Bundesrepublik zum Schutz dieser Tiere geschieht, dann stößt man auf die Anlage B der geltenden Eisenbahnverkehrsordnung, in deren § 5 es heißt: Alle Tiere, deren Beförderung 36 Stunden oder länger in Anspruch nimmt, müssen vor der Verladung vom Absender gefüttert und getränkt werden. Dann heißt es weiter: Alle übrigen unbegleiteten Tiersendungen - also auch Transporte mit Pferden sind, sofern ihre Beförderung länger als 50 Stunden dauert, - also zweimal 24 Stunden und 2 Stunden dazu - spätestens nach je 50 Stunden zu füttern und zu tränken. Meine Damen und Herren! Ich will nicht wiederholen, was in der Flut der Briefe, die mir zugegangen sind, gesagt wird. Man möge sich einmal vorstellen, wie man als Mensch reagieren würde, wenn man in dieser Weise mißhandelt würde. Aber der § 51 der Eisenbahnverkehrsordnung enthält tröstliche Zusagen: Die Lieferfristen für unverpackte Pferde - wie sie da bezeichnet werden bei einer Entfernung bis zu 150 Tarifkilometern sollen einen Tag betragen und bei mehr als 400 Tarifkilometern pro 400 km einen weiteren Tag. Für die Aufenthaltsdauer auf den Tränkbahnhöfen ruht die Lieferfrist. Weiter heißt es: Die Bundesbahn haftet nicht für Ersticken durch mangelhafte Lüftung. - Wer sich verteidigt und entschuldigt, klagt sich in der Regel schon von vornherein an. Sie haftet auch nicht für beim Rangieren oder während des Transports gestürzte Pferde, ebenso nicht, wenn Pferde verhungern oder verdursten. Ich bin einer solchen Sache einmal nachgegangen; ich will sie aber nicht in allen Einzelheiten erörtern. Die Pferde werden beispielsweise in Rosenheim, Deutschland, gesammelt, sie gehen von Rosenheim nach Kufstein - sie sind bis Rosenheim schon entsprechend lange unterwegs gewesen -, von Kufstein gehen sie nach Innsbruck. In Innsbruck haben sie drei Stunden Aufenthalt, es erfolgt keine Fütterung und keine Tränkung, und dann tritt das ein, was ich in einer Zeitung gefunden habe, die sich um die Aufklärung dieses Sachverhalts sehr bemüht hat. Ich darf mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus dem Zeitungsbericht kurz zitieren: Am nächsten Morgen kurz nach 5 Uhr rollt der Transport über den Brenner, kurz vor 6 Uhr trifft er in Franzensfeste ein. In Innsbruck zeigte das Thermometer 2 Grad, auf dem Brenner 11 Grad, in Franzensfeste 4 Grad unter Null. Die wärmende Heu- und Strohunterlage in den Waggons ist fast ganz verzehrt. Die Pferde stehen dicht aneinandergedrängt. Sie frieren. Es vergehen mehr als fünf Stunden, bis das letzte Pferd ausgeladen ist. In Italien hat man Zeit, viel Zeit. Wiehernde, trampelnde, frierende Pferde warten noch Stunden nach der Ankunft in den Waggons. Das Pferd ist zur Ware herabgedrückt worden. So ungefähr steht es auch in den deutschen Bedingungen: das Pferd ist eine Ware geworden, es ist nicht mehr eine lebende Kreatur, es ist verkauft und nicht mehr interessant. In welcher Größenordnung spielt sich das ab? In der ersten Januarhälfte dieses Jahres gingen nach meinen Informationen mehr als 1000 deutsche Pferde nach Italien, von August bis Oktober 1959 rund 1500 Pferde aus der Sowjetzone über Rosenheim zum Weitertransport nach Italien. Die Transporte, die Exporte, erhöhen sich ständig. Meine Damen und Herren! Um Ihnen zusätzlich einen Einblick in die Verhältnisse zu geben, unter denen diese Transporte vor sich gehen, darf ich aus einem Augenzeugenbericht folgendes vortragen: Das Heu ist in einer halben Stunde verzehrt, und vor dem Abtransport werden die Anbindestricke gerettet, die Tiere also frei im Wagen gelassen. Daß der Hufschlag eines aufgeregten oder bösen Pferdes auch ohne Eisen schlimme Folgen haben kann, besonders bei den mitverladenen kleineren Pferden oder Fohlen, ist bekannt, und daß die geängstete Kreatur plötzlich im rüttelnden, dunklen Waggon, sich untereinander fremd, von Panik ergriffen werden kann, ist ebenso bekannt. Meine Damen und Herren, diese Schilderungen - die sich nach Belieben vermehren ließen - sind schrecklich. Darüber, wie die Pferde in Tirol ankamen, berichteten Augenzeugen. Ein Akademiker aus Innsbruck erwähnt einen Transport von Pferden, der am Brenner die Grenze passierte. Die Pferde stammten aus Lübeck und Bayern. Sie waren nicht angebunden. Ein Pferd stürzte. Die Tiere waren nicht gefüttert und getränkt. Niemand konnte helfen. Erst nach sechs Tagen erfolgte die Entladung, so daß die Pferde während dieser ganzen Zeit ohne Futter und Wasser waren. - Der Regierung steht der Name des Verfassers dieses Schreibens zur Verfügung. Ein anderer Südtiroler berichtet - ich zitiere -: Ich habe als Geschäftsmann oft Gelegenheit, an Bahnhöfen die Ausladungen der sogenannten Schlachttiere aus Deutschland zu sehen. Ich muß schon sagen, leider - leider! Was man da zu sehen bekommt, fist das Scheußlichste, was man sich denken kann. Meist wenden die Tiere aus dem Waggon geworfen, denn sie sind, wie mir ein Bahnbeamter sagte, meist vier bis sieben Tage unterwegs und können kaum stehen. Blutend, hungrig, zitternd am ganzen Körper, können sie sich kaum bewegen. Bei der Verladung auf Transporter oder .auf die Straße geht es los. Da wird von allen Seiten mit Ochsenziemern und Stöcken dareingeschlagen, meistens auch auf den Kopf, und blutig fallen die Pferde um. Dann geht das Schlagen erst recht an, und italienische Passanten helfen sogar mit. Muß es sein, daß Deutschland Pferde nach Italien verkauft? Ich glaube, sie würden es alle unterlassen, wenn sie Einblick hätten, wie die Tiere zugrunde gemartert werden. Ein Forstmeister schrieb mir: „Wenn man einem Pferd das Gnadenbrot nicht geben kann oder will, gebührt dem Pferd ein schmerzloser Tod." Darin sehen wir den Ausweg. Wir, die Antragsteller, sehen aber den ersten Ausweg in dem Versuch, durch die Verhinderung der Ausfuhr den armen gequälten Tieren zu helfen, sie zu retten. Ein Ausfuhrverbot ist in der Tat eine rettende Tat zugunsten eines der treuesten Gehilfen des Menschen in guten und in bösen Tagen. Meine Damen und Herren! Unter den vielen Briefen befand sich auch ein Brief des Filmschauspielers O. W. Fischer, dem ich dafür danke, daß er mir in Wort des Dichters Edwin Erich Dwinger in Erinnerung gerufen hat, das lautet: Ich glaube, daß wir ohne Tierliebe nie eine Kultur erhalten werden. Wir haben diese nicht, weil wir jene nicht haben, werden sie auch nie bekommen, solange es nicht Allgemeingut wird, zum Tier gut zu sein. Zum Schluß dieser kurzen Begründung lassen Sie mich auf einen Brief hinweisen, den ich von einem Herrn erhielt, der von dem Herrn Bundespräsidenten wegen seines aktiven Tierschutzes ausgezeichnet worden ist. Es ist Herr Karl Peter in Quickborn in Holstein. Er ist auf dem gleichen Standpunkt wie die Antragsteller, die um Ihre Zustimmung zur Beseitigung dieses ungeheuerlichen Mißstandes bitten. Er schreibt mir u. a., daß er dafür sei, weil ihm bekannt sei, wie manches ausgediente Arbeits- und Grubenpferd in Südfrankreich in Kampfarenen -in Stierkämpfen - Dienst tun müsse, um elendig zerfetzt zu werden. Meine Damen und Herren! Wir haben als Gesetzgeber das Recht und die Möglichkeit, diese Verhältnisse nachzuprüfen, und wir sollten uns bei dem, was wir tun, an ein Wort Goethes erinnern - und ,dieses sollte auch bei der Entscheidung Leitstern unseres Handelns sein -: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ritzel hat seinen Entwurf, mit dem er eine Änderung der bestehenden Tierschutzbestimmungen herbeizuführen sucht, u. a. damit begründet, daß er von zwei Bundesministern völlig unbefriedigende Antworten auf seine Fragen bekommen habe. Ich darf in Erinnerung rufen, daß mein Herr Minister in der Debatte am 3. Dezember den Abgeordneten Ritzel ausdrücklich darum gebeten hat, das Material zwecks Überprüfung durch unser Amt zur Verfügung zu stellen. Ich darf bemerken, daß das nicht geschehen ist. Infolgedessen hatten wir auch keine Möglichkeit, das soeben zur Verlesung gebrachte Material zu überprüfen, und können daher im Moment auch nicht dazu Stellung nehmen. ({0}) Den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ritzel ist zu entnehmen, daß sich die Beschwerden der Briefschreiber, auf die er sich bezieht, in erster Linie auf Vorgänge erstrecken, die sich jenseits unserer Grenzen abgespielt haben. Anders ist es auch nicht zu erklären, daß die Gesetzesvorlage die Ausfuhr von Schlachtpferden verbieten will. Offensichtlich geht man von folgender Überlegung aus: Wenn die Tierschutzbestimmungen für den Transport von Pferden und anderen Schlachttieren im Bundesgebiet ausreichend sein mögen, die Bundesregierung aber keine Möglichkeit hat, andere Länder zum Erlaß ähnlicher Bestimmungen zu veranlassen, dann bleibt als Radikalmittel zur Beseitigung der Beschwerden die Sperrung der Ausfuhr. Der Herr Abgeordnete Ritzel hat die Erklärung meines Herrn Ministers vom 3. Dezember, daß unter anderem wirtschaftliche Gründe gegen den Erlaß eines Ausfuhrverbotes sprächen, in Zweifel gezogen. Zu diesem Punkt darf ich folgendes sagen: Es ist bekannt, daß der Bedarf an Pferden für wirtschaftliche Zwecke in der Bundesrepublik im Zuge der Motorisierung, insbesondere in der Landwirtschaft, ständig zurückgeht. Das ergibt sich aus dem Rückgang der Pferdebestände von 1,2 Millionen im Jahre 1953 auf rund 800 000 im Jahre 1959. Auf der anderen Seite gibt es aber weite landwirtschaftliche Gebiete, die auf die Beibehaltung der Pferdezucht zwingend angewiesen sind. Es sind insbesondere die Grönlandgebiete, die nicht oder nur sehr bedingt auf andere Zweige der landwirtschaftlichen Produktion ausweichen können. Die Ausfuhr von Pferden, die übrigens immer stattgefunden hat, bietet also ein gewisses Ventil. Ausgeführt wurden im Jahre 1953 23 000 Pferde, im Jahre 1959 die doppelte Zahl, davon Schlachtpferde im Jahre 1953 20 000, 1959 40 000, also ebenfalls die doppelte Zahl. Der Devisenertrag, auf den wir nicht mehr angewiesen sind, beträgt zur Zeit 36.6 Millionen DM, eine nicht ganz unwesentliche Summe. Es ist weiterhin gesagt und dazu die Äußerung eines Metzgermeisters zitiert worden, die Ausfuhr von Pferden beeinträchtige auch die Versorgung unserer Bevölkerung mit Pferdefleisch. Dieses Argument, muß ich gestehen, ist unserem Hause völlig neu. Ich glaube, der Rückgang des Konsums von Pferdefleisch in der Bundesrepublik hat seine Ursache keineswegs darin, daß die Pferdemetzger infolge von Unterlassungen der Bundesregierung ( nicht genügend mit Schlachtpferden beliefert werden, sondern die Hauptursache dürfte darin liegen, daß sich die Verzehrsgewohnheiten geändert haben. Insbesondere dürfte durch das Ansteigen der Kaufkraft der breiten Verbraucherschichten der Rückgang im Verzehr von Pferdefleisch eingetreten sein, den wir nicht bedauern, sondern als Zeichen einer erfreulichen -Wohlstandsentwicklung begrüßen sollten. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin über den Herrn Staatssekretär und seine Argumente sehr erstaunt. Daß ich ihm oder seinem Herrn Minister das Material nicht zur Verfügung gestellt habe, beruht darauf, daß meine Materialsammlungen nicht abgeschlossen sind und daß ich bis zu diesem Augenblick das rührende Vertrauen zu dem Bundesernährungsministerium hatte, daß es sich das Material selbst beschaffe. Der Herr Staatssekretär meint, daß ich in der Hauptsache die Ereignisse und die Entwicklung jenseits der Grenze genannt hätte. Sie haben überhört, Herr Staatssekretär, daß ich Ihnen eine ziemlich detaillierte Schilderung über die Verhältnisse in Rosenheim geliefert habe. Ich bin bereit, das Material vorzulegen; ich werde es Ihnen in den nächsten Tagen zur Verfügung stellen. Dann sprachen Sie von wirtschaftlichen Gründen; angesichts der Entwicklung in der Landwirtschaft, der stärkeren Verwendung des Traktors, sei das überflüssig werdende Pferd eben zur Ausfuhr bestimmt. Die Ausfuhr sei ein Ventil zugunsten der Landwirtschaft. Meine Damen und Herren, man kann die Dinge so sehen. Ich will nicht bestreiten, daß die Verwendung von nicht mehr benötigten Pferden, denen der Bauer oder wer sonst immer kein Gnadenbrot geben will oder gehen kann, zu Schlachtzwecken für viele der einzige Ausweg ist. Wenn und insoweit dem so ist, muß ich aber sagen: der Herr Staatssekretär ist als Vertreter seines Hauses schlecht informiert über die wirkliche Lage, die er bei seiner Argumentation nicht berücksichtigt hat. Ich zitiere aus einem Brief des Bundes gegen den Mißbrauch der Tiere vom 20. Januar 1960 mit der Unterschrift des Bundesvorsitzenden Diplomlandwirt Finus in Starnberg in Oberbayern, Max-Emanuel-Straße 18, folgende Sätze: Inzwischen waren aber unsere Pferdegroßhändler, die klotzige Gelder an diesen traurigen Frachten verdienen, nicht untätig also seit den Erörterungen in der Fragestunde und haben ihrerseits inzwischen die Italiener mobil gemacht, die bereits erklären ließen, sie seien nur an Frischfleisch interessiert, sie wollten auch die Innereien und die Häute, es käme daher nur „lebende Ware" in Frage. Dazu wäre zu sagen: Auch die Bundesrepublik führt aus Übersee Fleisch ein, es kommt in Hamburg und Bremen in Kühlschiffen an und wird nach den Orten im Bundesgebiet mit Kühlwagen weiterbefördert. Die Häute müssen wir extra kaufen, die Innereien sind bedeutungslos, und kein Land ist auf sie angewiesen. Das sind also - so sagt der Briefschreiber faule Ausreden. Aber unsere und die italienischen Pferdehändler arbeiten Hand in Hand und wollen sich die großen Gewinne sichern. Herr Staatssekretär, sind Ihnen derartige Dinge nicht bekannt? Dann meinten Sie, daß ein deutscher Bedarf an Pferdefleisch nicht bestehe. Nun, ich habe Ihnen schon gesagt, ich habe hier einen Brief vom 14. Dezember von der Inhaberin einer Pferdefleischverkaufsstelle. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich den ersten Absatz: Ich glaube im Namen vieler Tierfreunde zu sprechen, wenn ich Sie hiermit um. Ihre Hilfe und Unterstützung bitte. Wir . . . fordern das Verbot der Ausfuhr von Schlachtpferden. Ich begründe diese Forderung: 1. weil der Bedarf an Schlachtpferden im Bundesgebiet immer noch so groß ist, daß wir keine Tiere auszuführen brauchen. Im Moment verkaufen wir das Pfund Pferdefleisch für DM 2,-, weil die Nachfrage den Preis macht. Bestimmt wäre es den weniger begüterten Bundesbürgern sehr lieb, wenn sie nur DM 1,- zu zahlen hätten. Das geht einfach nicht, weil nach einem Pferd - nach einem Pferd! fünf Pferdemetzger laufen, und das Ende vom Lied: der Exporteur bezahlt den höchsten Preis. Mehr wie oft hat mir mein Lieferant diesen Sommer erzählt: „Ich konnte wieder mal gar nichts kaufen, die Italiener waren da, denen ihre Preise - das ist das Deutsch dort können wir nicht zahlen". Viele Kollegen haben ihre Geschäfte abgemeldet, weil sie mit den Exportpreisen keinen Schritt halten können. Vermutlich, Herr Staatssekretär, sehen Sie allein in der Stillegung von Pferdeschlächtereien den Erfolg des Wirtschaftswunders. In dem Brief heißt es weiter: Oft mußte ich das Schild an meinen Laden hängen: „Wegen Fleischmangel heute kein Verkauf", während in den Verladebahnhöfen die Waggons brechend voll sind. Durch diese Ausfuhren ist die Existenz der Pferdemetzgereien im Bundesgebiet sehr stark bedroht. Ich könnte mir vorstellen, Herr Staatssekretär, daß Ihr Haus in Verbindung mit dem Bundeswirtschaftsministerium einiges tun könnte, um diese Angaben nachzuprüfen, wenn möglich, zu widerlegen. Bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich diesen Darlegungen. Um was handelt es sich praktisch? Wenn die Ausfuhr verboten wird und Pferde geschlachtet werden sollen, können sie in Deutschland geschlachtet werden, ohne vorher gequält und mißhandelt zu werden, ohne in Steinbrüchen zu Tode geschleift zu werden, ohne noch in Stierarenen zu landen. Das Fleisch kann auch als Gefrierfleisch nach Italien kommen, um dann als italienische Zervelatwurst in den deutschen Delikatessenladen zurückzukehren. Der Preis für Zervelatwurst, die mit den Leiden der armen Kreatur, die sich nicht wehren kann, erkauft wird, ist entschieden zu teuer. Darum bitte ich Sie, haben Sie ein Herz und sorgen Sie dafür, daß diesem Mißstand abgeholfen wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Entgegen der Vereinbarung im Ältestenrat erfolgt nun doch eine Diskussion, und wir befinden uns bereits mitten drin. Ich kann sie nicht hemmen. - Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe nicht, daß ich, wenn ich jetzt ein paar Worte sage, in den Geruch komme, ich sei für oder gegen die Pferdemetzger oder Pferdehändler. Herr Kollege Ritzel, in Ihrer Begründung hat mir einiges nicht gefallen. Sie sagten zu Anfang, Sie hätten sich durch zwei unbefriedigende Antworten der zuständigen Ministerien veranlaßt gefühlt, diesen Gesetzesantrag einzubringen. Meine Damen und Herren, wenn das in diesem Hause Schule macht, daß als Reaktion auf eine unbefriedigende Antwort eines Bundesministers ein Gesetzesvorschlag kommt, können wir uns, glaube ich, vor der dann einsetzenden Flut von Gesetzesvorschlägen nicht mehr retten. ({0}) Diese Begründung, Herr Kollege Ritzel - die Reaktion auf die unbefriedigende Antwort des Bundesministers -, hat mir also nicht gefallen. Und nun zum Zweiten. Sie sprachen von Mißständen. Ich bin vollkommen mit Ihnen einig, daß man solche Mißstände beseitigen soll. Aber ich bin der Meinung, daß das vorhandene Tierschutzgesetz, wenn es nur angewendet werden würde, auf die Tatbestände, die Sie angeführt haben, voll zutrifft und daß man mit dem vorhandenen Tierschutzgesetz diesem Übel hätte zu Leibe rücken können, wenn man nur eingeschritten wäre. Ich glaube also nicht, daß ein generelles Ausfuhrverbot von Pferden das richtige Mittel ist, um die von Ihnen geschilderten Mißstände zu beheben. In Ihrem Gesetzesvorschlag heißt es außerdem schlechthin: „Die Ausfuhr von Pferden ist verboten, und nur für Renn- und Reitpferde sind Ausnahmen zugelassen." Es gibt ja auch noch Zucht- und Zugpferde, die auszuführen sind. Ich meine, es müßte schon etwas anders formuliert werden. Im übrigen ist das richtige Mittel zur Bekämpfung dieser Mißstände nicht ein Ausfuhrverbot, sondern die Anwendung des vorhandenen Tierschutzgesetzes, und das, meine ich, müßte genügen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Außenhandelsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) zur Ausschußüberweisung!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der vorgeschlagenen Ausschußüberweisung würde sich der Bundestag meines Erachtens keinen guten Dienst erweisen, wenn nämlich dieser Entwurf nur im Außenhandelsausschuß und im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geprüft würde. Ich beantrage daher, die Vorlage auch dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nur den Vorschlag gemacht, wie er im Ältestenrat vereinbart war. Sie können selbstverständlich anders entscheiden, wenn Sie das wollen. Ob es zur Beschleunigung der Beratung des Gesetzentwurfs beitragen wird, ist eine andere Frage. ({0}) Ich darf noch darauf aufmerksam machen, daß es in diesem Hause Brauch ist, einen Gesetzentwurf höchstens zwei mitberatenden Ausschüssen zu überweisen. ({1}) - Das ist aber nach dem Vorschlag der federführende Ausschuß, und auch der Abgeordnete Schmitt ({2}) hat das nicht angegriffen. Ich werde jetzt einmal so verfahren: Einigkeit besteht im Hause darin, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend ist. - Widerspruch erfolgt nicht; die Überweisung an ihn ist beschlossen. Einigkeit besteht darin, daß die Vorlage dem Außenhandelsausschuß als mitberatendem Ausschuß überwiesen werden soll. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Dann ist zusätzlich die Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für innere Verwaltung als mitberatende Ausschüsse beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist nicht genau festzustellen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich nur darin einig, daß nicht festzustellen ist, was die Mehrheit ist. Wir müssen also auszählen. Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung erweist, daß das Haus nicht beschlußfähig ist. Insgesamt haben nur 233 Mitglieder abgestimmt. Man sieht daraus, wie weit die Grippeepidemie bereits den Deutschen Bundestag ergriffen hat. Unter diesen Umständen müssen wir die Beratungen abbrechen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf heute, 16 Uhr, also in einer Viertelstunde, und bestimme als Tagesordnung die Punkte 6 und folgende der für heute festgesetzten Tagesordnung. Die Sitzung ist geschlossen.