Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst dem Herrn Abgeordneten Nieberg, der heute seinen 72. Geburtstag feiert, unsere herzlichsten Glückwünsche auszusprechen.
({0})
Möge er diesen Tag noch recht oft in Gesundheit und Frische erleben.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft und Forsten, Drucksache 1479, auf die Tagesordnung von heute zu setzen und als letzten Punkt zu behandeln. Es handelt sich um die Schadensregelung bei Trockenheitsschäden. Es wäre gut, wenn der Antrag des Ausschusses noch vor Weihnachten verabschiedet werden könnte.
Wird das Wort zur Geschäftsordnung weiterhin gewünscht? - Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Wir setzen diesen Punkt an den Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich nehme an, daß Sie auch damit einverstanden sind.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 8 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zur Verwaltungsgerichtsordnung ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Arndt, Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens und im Auftrage des Vermittlungsausschusses habe ich die Ehre, folgendes zu berichten.
Zu Ziffer 1: § 8 wird jetzt in zwei Absätze aufgeteilt. Dadurch wird hervorgehoben, daß in § 8 zwei Entscheidungen getroffen werden, die voneinander zu trennen sind. Im ersten Absatz ist die Befugnis des Vorsitzenden bestätigt, jeweils nach seinem Ermessen den Berichterstatter für das einzelne Verfahren auszuwählen. Diese Befugnis umschließt nicht das Recht, die Zusammensetzung des Spruchkörpers zu beeinflussen. Als Berichterstatter kann vielmehr nur benannt werden, wer bereits als gesetzlicher Richter zur Mitwirkung berufen ist.
Der zweite Absatz ist neugefaßt worden, weil die vom Bundestag angenommene Formulierung nicht gut und daher mißverständlich war. Es sollte sich nicht temporär um einen konkreten Terminplan handeln, sondern generell um einen abstrakten Besetzungs- und Geschäftsplan. Die Vorschrift wird nur von Bedeutung, wenn zu einer Gerichtseinheit, Kammer oder Senat, mehr Richter gehören, als nach dem Gesetz an einer Entscheidung zu beteiligen sind. Die Vorschrift trifft keine Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen eine Überbesetzung zulässig ist. Sie sichert für den Fall der Überbesetzung die Gesetzlichkeit der an einem Verfahren mitwirkenden Richter.
Eine gezielte Richterauswahl für den Einzelfall nach dem Ermessen des Vorsitzenden ist nach der Überzeugung des Vermittlungsausschusses mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzlichkeit des Richters nicht vereinbar. Das in Artikel 101 des Grundgesetzes festgelegte rechtsstaatliche Merkmal der Gesetzlichkeit des Richters schließt es aus, daß erst im Einzelfall nach dem Ermessen des Vorsitzenden darüber befunden wird, wer aus einer Mehrzahl von Richtern das erkennende Gericht bilden soll. Deshalb hat im Falle der Überbesetzung der Vorsitzende an Stelle des Präsidiums, das sonst diese Bestimmung zu treffen hätte, und in entsprechender Weise wie das Präsidium im voraus allgemeine Grundsätze aufzustellen, die eine normative Bestimmbarkeit der zur Mitwirkung berufenen Richter gewährleisten. Die Art der Grundsätze steht im Ermessen des Vorsitzenden. Als Maßstäbe kommen insbesondere Sachbereiche, aber auch Schemata wie Dienstalter, Aktenzeichen und im Berufungs- oder Revisionsverfahren örtliche Gebiete in Betracht.
Der Vermittlungsausschuß war sich darüber einig, daß dieser besondere Besetzungs- und Geschäftsplan der Sprucheinheit ebenso in den
Generalakten des Gerichts zur Einsicht für die Prozeßbeteiligten zur Verfügung stehen muß wie der allgemeine Geschäftsplan des Gerichts.
Zu Ziffer 2 - § 9 Abs. 3 - ist zu sagen: Der Vermittlungsausschuß war sich über den Grundsatz einig, daß eine Einheitlichkeit oder Gleichförmigkeit des Bundesrechts für die Besetzung der Oberverwaltungsgerichte nicht geboten ist. Es genügt insoweit eine Rahmen- und Grundsatzgesetzgebung des Bundes. Diese Lösung ist gerechtfertigt, weil die Oberverwaltungsgerichte höchste Gerichte für das Landesverwaltungsrecht sind, das materielle Landesrecht von besonderer Bedeutung für ihre Rechtsprechung ist und deshalb der Eigenart und der Tradition eines jeden Landes Raum zu gewähren ist.
Der Vermittlungsausschuß war sich darüber einig, daß für die Länder nicht nur die Alternative bestehen soll, es entweder bei drei Richtern zu belassen oder in allen Verfahren die Zahl der Richter auf fünf zu erhöhen, sondern daß es nach der von uns gewählten Fassung den Ländern freisteht, diese Vermehrung der Richterzahl durch Landesgesetz lediglich für bestimmte Verfahrensarten vorzuschreiben. .
Die Ziffer 3 bedeutet nur eine textliche Verbesserung, über die nichts Besonderes zu bemerken ist.
Die Ziffer 4 - § 33a ({0}) - mußte neu eingeführt werden, um zu klären, daß die Bestimmungen über die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter bei den Verwaltungsgerichten entsprechend auch beim Oberverwaltungsgericht zu gelten haben. Das Gericht, das über die Verhinderung oder Befreiung eines ehrenamtlichen Richters entscheidet, ist ein Senat beim Oberverwaltungsgericht, nicht etwa das Bundesverwaltungsgericht.
Ziffer 6 enthält eine textliche Korrektur.
Ziffer 7: Hier wird klargestellt, daß im Streit darüber, ob etwas geheimzuhalten ist, es sich in dem Zwischenverfahren nur um eine Glaubhaftmachung handeln kann. Die Behörde soll selbstverständlich nicht gezwungen werden, zunächst einmal die Auskunft zu erteilen oder die Akten vorzulegen, von denen sie glaubt, daß ein Geheimnis zu wahren ist, sondern der Zwischenstreit geht nur darum, ob die Voraussetzungen einer Geheimhaltungspflicht glaubhaft erscheinen. Deshalb sind die Worte eingefügt: „ob glaubhaft gemacht ist".
Die Ziffern 8 und 9 enthalten lediglich textliche Verbesserungen. Dasselbe gilt für Ziffer 11.
Ich habe noch zu Ziffer 5 nachzuholen: § 59 Abs. 1 hat die Bedeutung, daß in Zukunft nicht wie im Strafprozeß, sondern wie im Zivilprozeß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Verschulden des Bevollmächtigten als eigenes Verschulden der Prozeßpartei zu gelten hat. Der Vermittlungsausschuß war sich darüber im klaren, daß diese Regelung keineswegs ohne Gefahr für die Prozeßpartei ist. Der Vermittlungsausschuß war sich deshalb in dem Verlangen einig - auch das soll ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen -, daß in jeder Rechtsmittelbelehrung darauf hinzuweisen ist, daß sich der Verfahrensbeteiligte ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten als ein eigenes Verschulden zurechnen lassen muß.
Schließlich bin ich noch beauftragt, etwas hervorzuheben, was wahrscheinlich nicht ohne Grund als eine Lächerlichkeit erscheint. Wenn für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgeschrieben ist, daß sich die Prozeßbeteiligten dort durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, so gilt das selbstverständlich nicht für den Oberbundesanwalt.
Der Vermittlungsausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, daß über seinen Vorschlag einheitlich abgestimmt werden muß.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Debatte findet nicht statt. Erklärungen können abgegeben werden. Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der Fraktion der SPD folgendes zu erklären. Wir werden dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen. Wir freuen uns aber, darüber hinaus der gesamten Verwaltungsgerichtsordnung in der jetzt vorliegenden Fassung überhaupt zustimmen zu können. Wir haben zwar eine gewisse Sorge wegen der Änderung ,des § 59, weil von da her nach unserer Meinung doch gewisse Gefahren gerade für die vertretenen Parteien, insbesondere soweit sie nicht durch Anwälte vertreten sind, entstehen könnten.
Vor allem aber sehen wir in der Neufassung des § 9 einen Grund dafür, jetzt der gesamten Verwaltungsgerichtsordnung zuzustimmen. Nach § 9 wird den Ländern die Möglichkeit gegeben, die Oberverwaltungsgerichte auch so zusammenzusetzen, wie es unseren Vorstellungen entspricht, nämlich das Element der ehrenamtlichen Richter auch in der Stufe der Oberverwaltungsgerichte einzuführen. Aus diesem Grunde werden wir also nicht nur dem Änderungsantrag des Vermittlungsausschusses, sondern nunmehr dem gesamten Gesetz zustimmen.
Das Wort zur Abgabe weiterer Erklärungen wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Sie wissen aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters, daß nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer sämtlichen in dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses enthaltenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.- Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Punkt 8 der Tagesordnung ist erledigt.
({0})
- Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß über
das Gesetz im ganzen noch abgestimmt werden
müßte. Doppelt genäht hält besser. Wer diesem
Vizepräsident Dr. Becker
Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Damit ist das Gesetz also zum zweitenmal angenommen.
({1})
Die Übung war bisher anders.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ({3}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Schmidt ({4}). Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das kurz „Luftreinhaltegesetz" genannt wird, ist gestern im Vermittlungsausschuß behandelt worden, weil der Bundesrat einige formale Bedenken geltend gemacht hatte. Diesen formalen Bedenken ist Rechnung getragen worden.
In § 16 Abs. 1 Satz 1 - Art. 1 Nr. 1 - sollen in dem Begriff „die nach den Landesgesetzen zuständige Behörde" die Worte „nach den Landesgesetzen" gestrichen werden. Der Sinn dieser Streichung ist, den Ländern die Möglichkeit zu geben, auch auf Grund eines Kabinettsbeschlusses, also ohne eine Regelung im Gesetzes- oder Rechtsverordnungsweg, die zuständige Behörde zu bestimmen. Dementsprechend ist auch in einer neuen Nr. 4 des Art. 1 eine Änderung des § 155 der Gewerbeordnung vorgesehen worden. § 155 soll danach einen neuen Abs. 4 folgenden Wortlauts erhalten:
({0}) Die nach den §§ 16 und 25 zuständige Behörde wird durch die Landesregierung bestimmt.
In § 25 Abs. 2, 3 und 4 - Art. 1 Nr. 2 - sollen die Worte „technische Aufsichtsbehörde" bzw. „Aufsichtsbehörde" jeweils ersetzt werden durch die Worte „Behörde" bzw. „zuständige Behörde". Der Begriff „Aufsichtsbehörde" wird in der Rechtssprache grundsätzlich nur im Verhältnis staatlicher Behörden zu kommunalen Behörden bzw. öffentlich-rechtlichen Körperschaften gebraucht. In § 25 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 sowie Abs. 3 Satz 1 soll durch die Änderung der Worte „technische Aufsichtsbehörde" in „zuständige Behörde" den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, die Behörde von sich aus zu bestimmen.
Der Vermittlungsausschuß hat die vorstehenden Änderungen einstimmig beschlossen. Er hat darüber hinaus gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Eine Debatte findet nicht statt. Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses insgesamt. Ich möchte zuvor auf folgendes aufmerksam machen. Wir haben den Fall noch einmal überprüft. Nach unserer Auffassung kommt nach der Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses eine nochmalige Abstimmung über das Gesetz nicht in Betracht. Ich werde dementsprechend verfahren. Wer den vom Vermittlungsausschuß beantragten Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Preissteigerungen für Lebensmittel ({0}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Preissteigerungen, die in den letzten Monaten auf dem Lebensmittelmarkt stattgefunden haben, haben zweifellos eine starke Beunruhigung in der Bevölkerung hervorgerufen. Diese Beunruhigung ist nicht etwa von der Opposition in die Bevölkerung hineingetragen worden. Verbraucherverbände, Familienorganisationen und ähnliche Zusammenschlüsse von Menschen, die an den Lebensmittelpreisen besonders interessiert sind, haben mit Fug und Recht ihrer Empörung darüber Ausdruck gegeben, daß die Bundesregierung bisher wenig oder gar nichts getan hat, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Aber nicht nur diese direkt in ihrem Lebensbereich betroffenen Kreise haben Einspruch erhoben. Ich erinnere daran, daß auch die Bundesbank starke Bedenken gegen die Entwicklung der Preise, besonders der Lebensmittelpreise, geäußert hat. Im letzten Jahr sind die Lebenshaltungskosten von 118 auf 123 gestiegen - den Preisstand von 1950 mit 100 festgesetzt -, und auch das Organ des Herrn Wirtschaftsministers hat festgestellt, daß die Lebensmittelkosten gegenüber dem Vorjahr um 6,6 % gestiegen sind.
Damit ist eine Verminderung der Währungskaufkraft um fast 4 % erfolgt, und das ist ein sehr bedenkliches Zeichen. In dem ersten Aufschwungsjahr nach der Rezession 1957/1958 hat sich die Kaufkraft der Währung um fast 4 % verringert. In dem ersten Jahr nach der Koreakrise sind die Preise ebenfalls gestiegen, aber damals hat sich die Währungskaufkraft lediglich um 1,9 % verringert. Nach früheren Krisen ist der mit dem Ansteigen der Preise in Zusammenhang stehende Verlust der Währungskaufkraft noch geringer gewesen.
Nun ist es immer so, daß sich im Verlaufe einer Aufschwungsperiode die Steigerung der Preise noch
stärker fortsetzt. Deswegen ist es so besonders bedenklich, daß sich die Währungskaufkraft jetzt schon im ersten Jahr eines neuen Aufschwungs um 4 % gesenkt hat.
Es ist auch völlig gleichgültig, wer die Preis-LohnSpirale in Bewegung setzt, ob nun die Dürre den Preisauftrieb verursacht oder irgendwelche Spekulationen die Ursache sind.
Es besteht also eine echte Sorge, die uns alle bewegen muß, und nicht etwa nur ein Ärger, wie es oft dargestellt wird, eine Unannehmlichkeit, die vorübergeht. Es ist auch vollkommen falsch, Verbraucherkreisen den Vorwurf einer überflüssigen Dramatisierung der Situation zu machen. Im übrigen habe ich neulich in einer Molkereizeitung die Überschrift gelesen: „Butter am Marterpfahl"; wenn das keine Dramatisierung ist, weiß ich nicht, was eine ist.
Ferner möchte ich feststellen, daß der Vorwurf, der von den Verbraucherkreisen wegen der Lebensmittelpreissteigerung erhoben wird, sich keineswegs gegen die Landwirtschaft richtet. Auch wir sind uns vollkommen darüber klar, daß der Bauer natürlich keine Schuld daran hat, daß jetzt die Preise so gestiegen sind. Auch wir wie die ganze Wirtschaft sind daran interessiert, daß wir eine kaufkräftige Landwirtschaft haben. Aber die Landwirtschaft hat auch kein Interesse an zu starken Preissteigerungen und ebenfalls nicht an zu starken Preisschwankungen. Natürlich hat auch der Verbraucher kein Interesse an zu starken Preisschwankungen, denn Preisschwankungen geben immer gewissen Kreisen von Spekulanten die Möglichkeit, besondere Gewinne auf Kosten anderer einzustekken. Die Landwirtschaft meint, die Folgen einer überhitzten Konjunktur sollten auf ihrem Rücken ausgetragen werden. Nun, ich kann ihr versichern, es ist unsere Ansicht, daß das keineswegs der Fall sein darf.
Wer aber ist eigentlich an dem ganzen Preisaufauftrieb schuld? Der Anlaß ist zweifelsohne die Dürre - darüber gibt es keine Diskussion -, aber diese einfache Erklärung scheint nicht auszureichen. Man sollte sich auch die Beantwortung der Frage, wer denn nun schuld ist, nicht allzu leicht machen.
Nehmen wir doch zum Beispiel das, was wir in diesem Herbst bei den Kartoffeln erlebt haben. Die Kartoffelernte war in diesem Jahr um etwa 100 000 t geringer; das ist noch nicht 1 %. Die Preise für Kartoffeln lagen aber im September um 60% über den Vorjahrespreisen. Im Oktober waren es noch etwa 32%. Ich weiß, daß dabei das Sortenproblem eine Rolle spielt, aber es ist auch hier eine gewisse Panikmacherei zu verzeichnen. Man hat immer wieder geschrieben, daß eben zu wenig Kartoffeln da seien, und die an einer Preissteigerung interessierten Kartoffelverkäufer im Handel und auch in der Landwirtschaft selber haben sich in verantwortungsloser Weise an der Preistreiberei beteiligt.
Betrachten wir einmal die Gemüsepreise. Sie lagen im Oktober um 109 % über den Preisen des Vorjahres. Die Ernte war aber nur um etwa 20%, nach den Ergebnissen der Statistik im Durchschnitt
sogar nur um 18 % niedriger als im Vorjahr. Die Preisentwicklung hat also die Verminderung des Angebots überkompensiert.
Eigenartigerweise müssen wir feststellen, daß beim Obst die Preissteigerung der geringeren Ernte und damit dem verminderten Angebot in etwa entspricht. Die Ernte an deutschem Obst war um etwa 54 % niedriger, und die Obstpreise liegen um 55 % höher.
Die Märkte, die ich eben geschildert habe, werden nicht durch den Staat geordnet. Eine Beeinflussung der Preise ist nur über die Einfuhr möglich, und wenn auch in den Nachbarländern, die bisher unsere Lieferanten waren, die Ernte schlecht ausgefallen ist, kann man natürlich wenig tun. Aber was man zumindest tun kann, ist, eine Verteuerung der Einfuhr zu verhindern. Man kann den Zoll für eine gewisse Zeit entweder ermäßigen oder ganz aufheben.
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Die Aufhebung des Kartoffelzolls hat sich zweifelsohne günstig auf die Preisentwicklung ausgewirkt. Es sind zwar relativ geringe Mengen aus dem Ausland hereingekommen, aber allein die psychologische Wirkung hat genügt, um der Preisentwicklung Einhalt zu gebieten.
Ich verstehe gar nicht, weshalb sich meine Berufskollegen vorgestern in den Ausschüssen für Ernährung und Außenhandel über die zeitweise Ermäßigung des Zolls für Bohnenkonserven so aufgeregt haben. Die Landwirtschaft ist völlig ausverkauft an Bohnen. Es handelt sich doch nicht darum, nun irgendwie die Erzeuger, sowohl die Grunderzeuger wie auch die weiterverarbeitende Industrie, zu schädigen, sondern es geht doch lediglich darum, einen weiteren Preisauftrieb zu verhindern, indem nämlich das zu geringe Angebot durch eine Einfuhr etwas verstärkt wird.
Auch der Verbraucher soll an den Preissteigerungen schuld sein, wie ich in dem Publikationsorgan des Deutschen Industrieinstituts gelesen habe. Ich freue mich über die Klarstellung des Bundesfinanzministers, aus der hervorgeht, daß die Löhne als Kostenfaktor in ihrer Entwicklung im Jahre 1959 sogar preisneutralisierend gewirkt haben. Der Hinweis, den man öfters in landwirtschaftlichen Zeitungen findet, die Verbraucher könnten ja ruhig etwas höhere Preise bezahlen, da sie doch stets und ständig mehr verdienten, ist unrealistisch. Lohnerhöhungen werden von den Gewerkschaften nicht deswegen erkämpft, um die Erhöhung direkt an die Landwirtschaft weiterzugeben. Lohnkämpfe werden geführt, um eine Steigerung des Anteils am Wert des gemeinsam mit den Unternehmern erarbeiteten Produkts zu erzielen, aber nicht, um die erkämpfte Erhöhung an die Landwirtschaft abzuführen. Das kann die Landwirtschaft wirklich nicht verlangen.
Auch die Ratschläge, die an Verbraucher gegeben werden, z. B. bei einer Verknappung des Butterangebots - es war tatsächlich eine Verknappung des Butterangebots; in Hamburg konnte teilweise überhaupt nur noch ein viertel Pfund Butter je Hausfrau verkauft werden - doch etwas mehr
Margarine zu essen und, wenn genügend Butter da ist, wieder zum Butterkonsum zurückzukehren, scheinen mir ebenfalls unrealistisch zu sein. Denn ein einmal verlorengegangener Käufer und Konsument kehrt eben nicht so leicht zur Butter zurück. Diese Ratschläge scheinen mir sogar etwas dummerhaft zu sein - entschuldigen Sie bitte den Ausdruck -, wenn sie von landwirtschaftlicher Seite damit begründet werden, wie ich es gelesen habe, Butter enthielte Cholesterin, und das wäre doch gar nicht gesund und fördere die Verkalkung.
({1})
Meine Damen und Herren, mir scheint, daß derjenige, der das geschrieben hat, selber zuviel Butter gegessen hat.
({2})
- Auch ein Herr in der Leitung der Bauernverbände.
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- Ich darf's Ihnen später sagen.
Ich möchte betonen, daß auch dem Groß- und Einzelhandel, insgesamt gesehen, keine Schuld an den Preissteigerungen zuzuschieben ist. Gewiß, auch dort gibt es Spekulationstendenzen, die selbstverständlich preistreibend gewesen sind. Auch im Großhandel, im Einfuhrhandel gibt es Kreise, die sich keineswegs immer marktkonform verhalten, z. B. wie man gerade jetzt bei der Butter gesehen hat.
Aber wer gibt dem Handel die Möglichkeit, sich spekulativ zu betätigen? Man soll sich nicht wundern, das Gewinnmöglichkeiten ausgenutzt werden, wenn der Zoll zu spät aufgehoben wird, wenn die Regierung preistreibenden Tendenzen zu spät entgegenwirkt. Die Regierungserklärung, die sich ziemlich eingehend mit den Maßnahmen gegen erhöhte Lebenshaltungskosten beschäftigt, wurde am 26. November veröffentlicht. Am 22. November wurde unsere Große Anfrage wegen der Preissteigerungen für Lebensmittel angekündigt. Es hat den Anschein, als ob die Regierungserklärung erst durch unsere Große Anfrage veranlaßt worden ist. Ich muß mit Freude feststellen, daß die Opposition doch wenigstens noch einen Sinn hat.
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Geradezu als einen Witz muß ich es betrachten, wenn der Vorstand der CDU-Fraktion am 25. November, einen Tag vor der Regierungserklärung, verlautbaren läßt, man müsse sich nun mit den Preissteigerungen beschäftigen. Herr Kollege Dr.Mende hat durchaus recht, wenn er das als einen Versuch der Täuschung der Bevölkerung bezeichnet. Die CDU/CSU, die die Bundesregierung trägt, hat seit sechs Jahren die Majorität in diesem Hause. Die Regierungsparteien sind mit der Bundesregierung voll und ganz für die Preisentwicklung und für die Fehler, die gemacht wurden, verantwortlich.
Man soll sich nicht damit herauszureden versuchen, die Sache sei völlig überraschend gekommen und erst im Oktober zu merken gewesen! Am
25, Juni dieses Jahres, also genau fünf Monate vor der Regierungserklärung über die Preissteigerung, hat die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, der Bundestag möge sich mit den Trockenheitsschäden befassen und die Bundesregierung ersuchen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Wenn es um die Beseitigung von Trockenheitsschäden bei der Landwirtschaft geht, meine Damen und Herren, ist Ihre Fraktion sehr rasch bei der Hand;
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wenn es sich aber darum handelt, daß Schäden beseitigt werden sollen, die die ganze Bevölkerung betreffen, warten Sie sehr lange. Das muß hier doch festgestellt werden.
Man soll auch nicht sagen, es lohne sich gar nicht mehr, sich mit der Großen Anfrage zu beschäftigen, weil die Preise schon wieder gefallen seien! Gott sei Dank sind sie wieder gefallen, und wir sollten alle sehr froh darüber sein; aber bilden Sie sich nicht ein, daß sich die Preisminderungen, die sich nun bereits beim Import- oder Großhandel anzeigen, überall schon bis zu den Einzelhandelspreisen, also für den Verbraucher, durchgesetzt haben! Es ist sogar zu befürchten, daß sie sich nicht wieder auf den alten Stand senken. Butter macht hiervon eine Ausnahme; das ist eine andere Sache.
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Die Preisentwicklung geht meistens nach dem Schema der Echternacher Springprozession vor sich: zwei Schritte rauf, einen Schritt runter, zwei Schritte rauf, einen Schritt runter. Wenn man die Preise erst hochklettern läßt, bekommt man sie nur schwer auf den ursprünglichen Stand zurück; das ist gerade die Gefahr.
Wir wollen die durch die diesjährige Trockenheit entstandenen Probleme zum Anlaß nehmen, hier einmal eine grundsätzliche Diskussion über die Marktordnung zu führen. Wir wollen hierbei die Gretchenfrage an die Regierung stellen: Betrachten Sie die Marktordnung lediglich als ein Instrument zur Hochhaltung der Preise, oder sind Sie sich dessen bewußt, daß die Regierung bei der Handhabung der Marktordnung auch die Pflicht hat, die Verbraucherinteressen zu berücksichtigen? Wenn eine Marktordnung funktionieren soll, muß sie zweiseitig sein. Sie muß sich für die Erzeugerseite und für die Verbraucherseite - nicht nur für eine Bevölkerungsgruppe - auswirken.
Aber auch bei den Waren, die ich zunächst genannt hatte, also den Waren, die nicht einer Marktordnung unterliegen, hat die Regierung die Pflicht, sich um die Preisbildung zu kümmern und dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung ausreichend und zu vernünftigen Preisen versorgt wird. Wir möchten auch gerne wissen, was die Regierung auf diesem Gebiet zu tun gedenkt.
Eine andere Sache ist das Spannenproblem; es ist eine sehr unerquickliche Angelegenheit. Wir wissen, daß eine große Spanne zwischen den Erzeuger-und den Verbraucherpreisen besteht. Gerade die Landwirtschaft sollte daran interessiert sein, zu
einer Lösung dieses Spannenproblems beizutragen. Der Verbraucher merkt ja immer nur die Verbraucherpreise. Aus der Höhe dieser Verbraucherpreise schließt er auf eine entsprechende Höhe der Erzeugerpreise; das ist teilweise natürlich völlig irrig.
Interessant ist ein Vergleich der Unterlagen der verschiedenen Berufszweige. Ich nehme als Beispiel die Spanne bei den Fleischpreisen. Der Bauernverband kommt hier zu einem völlig anderen Ergebnis als die Verbände der Fleischer. Es liegt hier eine große Differenz vor. Bei der Rechnung der Bauernverbände ergibt sich, daß die Rinderpreise gesunken und die Rindfleischpreise gestiegen sind. Die Metzger kommen zu dem Ergebnis, es liege eine völlig parallele Preisentwicklung vor.
Wir fordern die Regierung auf, eine echte Aufklärung über das Preisspannenproblem zu betreiben. Es genügt nicht, daß man einfach eine von den Interessenten aufgestellte Marktberichterstattung der Öffentlichkeit übergibt. Jede Marktberichterstattung, die von Interessenten veröffentlicht wird, ist interessengebunden und bringt keine tatsächliche Aufklärung über die Marktentwicklung.
Zusammenfassend darf ich sagen: Wir wünschen von der Regierung zu hören, welches Ziel ihr bei der Marktordnung vorschwebt. Schwebt ihr bei der Marktordnung ein bestimmter Preis vor, den sie halten will? Selbstverständlich gibt es immer kleine Preisschwankungen; 10 %, 15 % nach oben oder unten sind gar nicht zu vermeiden. Aber es ist ein Unterschied, ob man eine Marktordnung mit dem Ziel handhabt, einen bestimmten Preis zu halten, oder ob man eine Marktordnung betreiben will, die lediglich zum Ziele hat, den Preis nicht unter eine bestimmte Grenze sinken zu lassen. Es würde uns also interessieren, was die Regierung für ein Ziel verfolgt.
Damit bin ich am Schluß meiner vorbereitenden Ausführungen angekommen. Ich hoffe, daß die Erklärung der Regierung und die sich daran anschließende Diskussion für alle, die am Markt beteiligt sind, für Erzeuger, Handel und Verbraucher, ein positives Ergebnis haben werden.
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Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Beantwortung der Großen Anfrage Drucksache 1414 habe ich folgendes zu sagen.
Frage 1:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Steigerungen der Lebensmittelpreise nicht so sehr das Ergebnis des freien Spieles von Angebot und Nachfrage als vielmehr der Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung sind?
Antwort: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Preissteigerungen seit etwa Mitte diesen Jahres auf dem Nahrungsmittelsektor durch die ungewöhnliche Witterung ausgelöst worden sind. Infolge der lang anhaltenden Trockenheit sind, wie in den Nachbarländern, so auch in weiten Teilen der Bundesrepublik, im Ausmaß gebietsweise unterschiedlich, erhebliche Dürreschäden und Ernteausfälle eingetreten, vor allem im Gemüsebau, bei Hackfrüchten sowie bei Rauh- und Saftfutter, das die Grundlage für die Milchwirtschaft bildet. Der seit Mitte dieses Jahres gestiegene Preisindex für Ernährung zeigt im übrigen deutlich, daß dieser Anstieg entscheidend durch Verteuerung der Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs herbeigeführt wurde.
({0})
- Kommt gleich! - Die Preise für Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs liegen nämlich innerhalb dieses Indexes bis einschließlich Juli 1959 unter dem Vorjahresstand, während sie inzwischen bis Oktober 1959 im Durchschnitt des Bundesgebietes auf 9,7 % über Oktober 1958 angestiegen sind. Die Nahrungsmittel tierischen Ursprungs haben, insgesamt betrachtet, diesen Preisanstieg von Juli bis Oktober 1959 nicht mitgemacht. Die erwähnten Produktionsausfälle haben selbstverständlich das Angebot beeinträchtigt, u. a. auch die Nachfrage psychologisch in unerwünschtem Sinne beeinflußt und Preissteigerungen in Gang gesetzt. Dies alles gilt jedoch nicht für die Entwicklung der Fleischpreise, die einen Sonderfall darstellen und zweckmäßiger-weise bei den gestellten Einzelfragen behandelt werden.
Für die innerhalb des Preisindexes für Ernährung im Vergleich zum Vorjahr ({1}) an der Spitze der Teuerung liegenden Nahrungsmittel, wie Obst ({2}), Kartoffeln ({3}) und Gemüse ({4}), gibt es keine Marktordnungsregelungen, so daß diese Preissteigerungen auch nicht das Ergebnis einer durch die Bundesregierung etwa falsch gehandhabten Marktordnung sein können. Da Käse im OEEC-Raum seit dem 1. April 1953 liberalisiert ist und daher unbeschränkt eingeführt werden kann, dürften auch hier die Preissteigerungen nicht mit der Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung zusammenhängen, sondern u. a. darauf zurückzuführen sein, daß in den Lieferländern, beispielsweise in Holland und Dänemark, infolge der auch dort vorhandenen Trockenheit die Exportpreise für Käse ebenfalls gegenüber dem Vorjahr höher lagen. Zur Butter sind noch Einzelfragen gestellt, so daß auf die Buttereinfuhren bei Beantwortung dieser Fragen gesondert einzugehen sein wird.
Mit marktkonformen Mitteln hat die Bundesregierung innerhalb und außerhalb der Marktordnung im jetzt ablaufenden Jahr, wie noch im einzelnen darzulegen sein wird, alles in ihren Kräften Stehende getan, um die Dürrefolgen zu mildern und die Preise für Nahrungsmittel möglichst bald wieder auf ein vertretbares Maß zurückzuführen. Diese Bemühungen haben, wie ich insbesondere zur Frage 10 noch näher ausführen werde, inzwischen erfreuBundesernährungsminister Schwarz
licherweise nachhaltigen Erfolg gehabt. Die Bundesregierung legt in diesem Zusammenhang auch auf die Feststellung Wert, daß in den kritischsten Monaten dieses Sommers und Herbstes sich insbesondere die Marktordnung bei der Trinkmilchversorgung in der Bundesrepublik und in Berlin bewährt hat. Die reibungslose Belieferung der Trinkmilch-märkte durch die Landwirtschaft, die Molkereien und den Milchhandel ist im Rahmen der Marktordnungsbestimmungen dank der Disziplin aller Beteiligten ohne Unterbrechung und zu unveränderten Preisen sichergestellt worden. Dabei war gebietsweise die Beschaffung der erforderlichen Milchmengen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, zumal der Trinkmilchverbrauch während dieses Sommers zeitweise bis zu 9 % über dem Vorjahresverbrauch lag. Insbesondere in den dürregeschädigten norddeutschen Gebieten mußte ein Teil der Trinkmilch aus dem süddeutschen Raum mit zusätzlichen Transportkosten - sie betrugen bis zu 7 Pf je Kilogramm - herangeschafft werden, ohne daß der Verbraucher durch die Frachtkosten belastet worden ist.
Frage 2:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Verbraucher ein Recht auf ausreichende Butterversorgung zu normalen und stabilen Preisen haben, solange Butter in die Marktordnung einbezogen ist und durch die Einfuhr- und Vorratsstelle ({5}) mit öffentlichen Mitteln aus dem Markt genommen wird, um den Erzeugerpreis zu stützen?
Frage 3:
Unter welchen Gesichtspunkten hat die Bundesregierung die Vorratshaltung von Butter betrieben, welche Vorstellungen hat sie bezüglich des Interventionspreises und des Verbraucherpreises?
Warum sind nicht rechtzeitig und in einem Umfange, wie es der Entwicklung der Witterung entsprochen hätte, Einfuhren ausgeschrieben worden?
Antwort zu Frage 2 und Frage 3:
Die Bundesregierung bemüht sich, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten für Erzeuger und Verbraucher angemessene Preise zu gewährleisten.
({6})
Bereits bei der Agrardebatte in diesem Hohen Hause am 9. Mai 1956 hat die Bundesregierung zur Frage der Bekanntgabe von Butterpreisvorstellungen eingehend Stellung genommen. Da man die preisbildenden Faktoren - Erzeugung, Verbrauch, allgemeine Wirtschaftsentwicklung - schwer voraussehen kann, ist die Bundesregierung wie damals auch heute der Auffassung, daß es im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten besser ist, bestimmte Vorstellungen über Interventions- und Verbraucherpreise für Butter herauszustellen. Ich bin der Ansicht, daß die Butterpreispolitik der Bundesregierung während der letzten Kalenderjahre auf einen Ausgleich der Verbraucher- und der Erzeugerinteressen ausgerichtet war.
({7})
Wichtig erscheint mir hierzu die Feststellung, daß der Butterverbrauch pro Kopf in der Bundesrepublik von 7,0 kg im Kalenderjahr 1956 auf 7,9 kg im Kalenderjahr 1959 zugenommen hat. Bei diesem Interessenausgleich darf nicht übersehen werden, daß die Butterpreise auf den Milchauszahlungspreis einen erheblichen Einfluß haben, da 60 % der an die Molkereien gelieferten Milch zu Butter verarbeitet werden. Die Butterpreise wirken sich damit entscheidend auf den Erlös der Milchwirtschaft aus, der wiederum zu rund 28,6 % am landwirtschaftlichen Gesamteinkommen in der Bundesrepublik beteiligt ist und das Rückgrat der bäuerlichen Familienbetriebe bildet.
({8})
Nachdem die behördliche Preisbindung für Butter seit dem 1. Juli 1952 aufgehoben ist, bestehen die marktordnenden Maßnahmen im wesentlichen nur noch in begrenzt möglichen Ein- und Auslagerungen sowie darin, die Einfuhrschleuse zu betätigen. Die Grenzen der Buttereinlagerung durch die Einfuhr- und Vorratsstelle ergeben sich aus dem Bundeshaushalt. Die Einlagerungsmöglichkeit beträgt im Höchstfall 10 000 t bei einem Jahresdurchschnitt von 6300 t. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat dabei zu beachten, daß die Einlagerungen, die sie vornimmt, später dem Markt auch wieder zugeführt werden müssen. Geschieht dies nicht rechtzeitig, so kann die Qualität leiden, und es ergeben sich daraus einerseits Nachteile für den Verbraucher und andererseits zusätzliche Kosten für den Fiskus. Bereits im Jahre 1954 hat z. B. die Auslagerung von Butter zu erheblichen Schwierigkeiten geführt, die Anlaß gaben, zur Prüfung der Angelegenheit einen Untersuchungsausschuß des Bundestages einzusetzen. Die geringe Einlagerungsmöglichkeit von jährlich durchschnittlich 6300 t kann nur dazu dienen, bei normaler Produktionsentwicklung größere saisonale Preisschwankungen sowohl für den Erzeuger als auch für den Verbraucher auszugleichen.
Im Jahre 1959 konnte der Verbraucher die Butter bis September preiswerter einkaufen als im gleichen Zeitraum 1957. Das Jahr 1958 kann wegen der außergewöhnlichen Preiseinbrüche nicht zum Vergleich herangezogen werden, Die Butterproduktion der Bundesrepublik lag noch bis zum September 1959 bis auf geringfügige Unterschiede von 0,2 % auf dem hohen Vorjahresniveau. Die Marktlage in der Bundesrepublik war in der Zeit von Mitte August bis Mitte September ausgeglichen, was auch aus der gleichgebliebenen Kölner Notierung von 6,25 DM je kg innerhalb dieser Zeit hervorgeht.
Die Bundesregierung hatte aber inzwischen vorsorglich, und zwar am 27. Juli 1959, die erste Butterausschreibung vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Bundesrepublik noch rund 14 000 t Butter verfügbar, davon rund 9100 t bei der Einfuhr-und Vorratsstelle. Weitere Ausschreibungen erfolgten am 25. September und ab 12. Oktober 1959. Hierbei wurden alle Angebote berücksichtigt, die realisierbar erschienen. Mit den drei Ausschreibungen sind insgesamt Einfuhrbewilligungen für 33 500 t Butter erteilt worden. Entgegen den Er5192
Bundesernährungsminister Schwarz
wartungen sind aber bis Ende Oktober nur 9600 t Butter davon in die Bundesrepublik eingeführt worden. Infolge dieser Einfuhrausfälle mußte die Einfuhr- und Vorratsstelle ihre restlichen Bestände bis Anfang November auf den Markt geben, um das Ansteigen des Butterpreises in Grenzen zu halten. Im Anschluß an die schon genannten drei Butterausschreibungen wurden weitere Einfuhrmöglichkeiten am 3. und 7. November eröffnet und alle Angebote über insgesamt 31 600 t zugeschlagen. Von August bis einschließlich November wurden aus allen Ausschreibungen mit insgesamt für rund 65 000 t Butter erteilten Einfuhrbewilligungen nur rund 16 000 t Butter eingeführt. In Auswirkung der langanhaltenden Trockenheit stiegen die Butterpreise sowohl in der Bundesrepublik als auch in den benachbarten Lieferländern bis Ende November weiter an. So lagen die Butterpreise Mitte November z. B. in Holland um 60 % und in Dänemark um 40 % höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
In der zweiten Novemberhälfte stieg in der Bundesrepublik die Milcherzeugung schneller als erwartet, und zwar infolge der verstärkten Verfütterung von teurerem Kraftfutter. Dieser Produktionsanstieg im Inland, verbunden mit den nun einsetzenden größeren Einfuhren, als Ergebnis der Einfuhrpolitik der Bundesregierung und der Zollaussetzung, die ab 10. November 1959 wirksam wurde, haben den Preisanstieg angehalten und nunmehr die Preise auf den Vorjahresstand und darunter zurückgeführt.
Frage 4:
Ist die Bundesregierung bereit, nach Klassen getrennt Preise für Schweine und Rinder ({9}) bekanntzugeben, die sie im Interesse der Erzeuger durch Beschränkung der Einfuhren und durch Käufe der Einfuhr- und Vorratsstelle durchzusetzen bemüht ist?
Antwort: Bereits im Jahre 1956 hat die Fraktion der SPD ebenso wie bei Butter zur Agrarpolitik auch angefragt, welchen Durchschnittserzeugerpreis für Schweine und Rinder die Bundesregierung im Interesse der Rentabilität und der Stetigkeit der Preise für erforderlich halte. Der Sprecher der SPD hat in der mündlichen Behandlung am 9. Mai 1956 vor diesem Hohen Hause ausgeführt, zur Vermeidung von Mißverständnissen wolle er ausdrücklich sagen, daß die SPD nicht auf einen bestimmten fixierten Preis abziele, aber eine Preisidee müsse mitgeteilt werden. Was ich vorher hinsichtlich der bekanntzugebenden Butterpreise ausgeführt habe, gilt gleichermaßen für die Preise für Rinder und Schweine. Gerade das Wirtschaftsjahr, in dem wir uns gegenwärtig befinden, zeigt, wie wenig sinnvoll es gewesen wäre, vorher eine Preisidee zu nennen, wenn sie - durch Witterungseinflüsse bedingt - nicht realisiert werden kann. Die Bundesregierung hält es daher auch für die Zukunft für unzweckmäßig, solche Preise sowohl für Durchschnitte als auch für einzelne Klassen bei Rindern und Schweinen bekanntzugeben.
Frage 5:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag im einzelnen über die Entwicklung der Rinderpreise ({10}) ab Juni dieses Jahres und im Vergleich zum Vorjahr zu berichten?
Antwort: Im Statistischen Monatsbericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft werden monatlich die Preise für Rinder - aufgeteilt nach den einzelnen Klassen - bekanntgegeben. Diese Monatsberichte sind jedem, der sich für sie interessiert, zugänglich. Das darin niedergelegte Material mit fast 300 verschiedenen Zahlen steht daher auch jedem Mitglied des Hohen Hauses auf Wunsch zur Verfügung. Aus diesen Berichten ist folgendes zu entnehmen: Anfang Juni lagen die Preise für die unteren Klassen und Gattungen von Rindern etwa 4 bis 8 % über den Preisen des Vorjahres. Der Rinderdurchschnittspreis lag um 6,1 %, der Schweinepreis um 19 % über dem Vorjahr. Anfang Dezember liegen die Preise für A-Bullen noch über denen des Vorjahres, aber die für die anderen Klassen und für Schweine unter denen des Vorjahres. Die Preise für die einzelnen Rinderklassen sind seit Juni 1959 bis Anfang Dezember 1959 je nach Klasse um 5,5 bis 24,1 % zurückgegangen, für den Durchschnitt aller Klassen um 14,9 % und bei Schweinen c um 1,2 %. Die Preise für Schweine c sind auf den letzten Märkten weiter gefallen.
Frage 6:
Ist die Bundesregierung bereit, im einzelnen mitzuteilen, wann und zu welchen Preisen die Einfuhr- und Vorratsstelle auf dem Rindermarkt durch Aufkäufe zwecks Preisstützung interveniert hat?
Antwort: Aus verständlichen Gründen werden die Preise der Einfuhr- und Vorratsstelle vor ihrer Intervention nicht bekanntgegeben, damit Spekulationen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Bundesregierung ist bereit, die Preise, mit denen die Einfuhr- und Vorratsstelle intervenierte, im einzelnen mitzuteilen. Es handelt sich dabei um ein umfangreiches Material aus dem Kauf von 61 346 Rindern, da die Preise für die einzelnen Märkte, an denen die Einfuhr- und Vorratsstelle tätig wird, und für die einzelnen Klassen und Gattungen naturgemäß verschieden sind und sich nach der jeweiligen Marktlage richten müssen.
Zusammengefaßt ist zu sagen: Die Einfuhr- und Vorratsstelle kaufte an 17 verschiedenen Marktorten 20 062 Ochsen, 13 885 Färsen, 3122 Bullen und 16 277 Kühe, insgesamt also 61 346 Rinder - bei einer für das laufende Wirtschaftsjahr zu erwartenden Schlachtung von rund 3,3 Millionen Stück Rindern im Bundesgebiet. Sie legte bei den Käufen einen Durchschnittspreis von 105,8 DM je 50 kg Lebendgewicht an. Die Höhe des Preislimits wurde vom Ministerium für jede Woche und für jede einzelne Gruppe von Märkten angeordnet. Der Einsatzpreis wurde besonders seit Anfang September laufend herabgesetzt. Damit wurde ein allmählicher Preisrückgang nicht aufgehalten, aber ein unerwünschter plötzlicher Preisverfall auf dem Markt verhindert.
Bundesernährungsminister Schwarz Frage 7:
Trifft es zu, daß solche Marktinterventionen auf eine Weise finanziert wurden, die nicht den Bestimmungen des Bundeshaushalts entspricht, und hat in diesem Falle das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesem Verfahren zugestimmt?
Antwort: Die Finanzierung der Rinderkäufe widerspricht nicht den Bestimmungen des Bundeshaushalts.
Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse hat die Rinderkäufe überwiegend in der auch sonst üblichen Weise mit bundesverbürgten Krediten finanziert, daneben vorübergehend auch aus Mitteln der Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette, die ihr von dieser im Rahmen der gegenseitigen Finanzhilfe der Einfuhr- und Vorratsstellen auf Weisung des BML zur Verfügung gestellt waren.
Die gegenseitige Finanzhilfe der Einfuhr- und Vorratsstellen geht auf eine Empfehlung des Bundesrechnungshofes zurück. Sie ist bereits seit 1956 üblich und stellt sicher, daß von keiner Einfuhr-und Vorratsstelle neue Kredite für die Warenbeschaffung in Anspruch genommen werden, solange eine andere Einfuhr- und Vorratsstelle noch über freie Mittel verfügt. Auf diese Weise werden Zinskosten eingespart, die sonst als Kosten der Vorratshaltung zu Lasten des Bundeshaushalts gehen würden.
Frage 8:
Ist die Bundesregierung bereit, mitzuteilen, ob und auf welche Weise sie die wachsenden Spannen bei Fleisch und Fleischwaren zwischen den Erzeugerpreisen und den Verbraucherpreisen auf ein gerechtfertigtes Maß zurückführen will?
Antwort: Die Fleischerspannen werden seit 1953 vom Institut für landwirtschaftliche Marktforschung in Völkenrode untersucht. Die Methoden der Berechnung sind mit dem Fleischer-Verband abgesprochen.
({11})
Die Ergebnisse werden seit einigen Jahren monatlich veröffentlicht. Durch eine Kostenuntersuchung bei 111 Betrieben des Handwerks über die Kosten im Jahre 1956 haben sich das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium für Landwirtschaft selbst ein Bild über die tatsächlichen Verhältnisse zu machen versucht. Das Jahr 1956 mit ausgeglichenen Preisen zeigte weder besonders hohe noch besonders niedrige Spannen; auch bestätigte die Untersuchung nach Buchunterlagen die Ergebnisse der Völkenroder Methode. Für 1957 und 1958 sind solche behördlichen Untersuchungen nicht durchgeführt worden, so daß ein Bild über die Spannenentwicklung in diesen Jahren nicht gegeben werden kann. Seit Januar 1959 zeigen sowohl die Ermittlungen von Völkenrode als auch die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes über Kleinverkaufspreise ständig ansteigende Spannen bei Rindfleisch und seit August auch bei Schweinefleisch.
Die Bundesregierung hat versucht, durch Einwirkung auf den Fleischer-Verband und durch eine im gleichen Sinne an die Länderministerien gerichtete Bitte auf das Fleischergewerbe Einfluß zu nehmen.
Die Bundesregierung besitzt keine rechtliche Handhabe, gegen überhöhte Fleischpreise einzuschreiten. Ein solches Recht, Strafantrag wegen überhöhter Preise oder Spannen zu stellen, steht nach dem Wirtschaftsstrafgesetz - § 2a - in der vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Fassung nur den Landesbehörden zu, und zwar nur in solchen Fällen, in denen entweder die Preise unter Ausnutzung einer Mangellage oder infolge Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge Ausnutzung der wirtschaftlichen Machtstellung überhöht sind. Eine Mangellage, die hier zur Erfüllung des Tatbestandes am ehesten in Betracht käme, wird man bei der Situation auf dem Fleischmarkt verneinen müssen. Es ist daher in der Tat auch der Bundesregierung kein Fall bekanntgeworden, in dem die Landesbehörden wegen überhöhter Spannen oder Preise im Fleischergewerbe Strafantrag gestellt haben und in einem solchen Verfahren eine Strafe ausgesprochen worden ist.
Frage 9:
Ist die Bundesregierung bereit, eingeführtes Gefrierfleisch und die Bestände der Einfuhr-und Vorratsstellen so auf dem Markt einzusetzen, daß ein Druck auf die Spannen erzielt wird? Wird sie - falls Rechtsgrundlagen in der jetzigen Fassung der Marktordnungsgesetze nicht in ausreichendem Maße gegeben sein sollten - dem Bundestag entsprechende Vorschläge machen?
Antwort: Nach dem Vieh- und Fleischgesetz besteht die Möglichkeit, Auflagen bei der Einfuhr zu erteilen. So kann z. B. die Einfuhr- und Vorratsstelle besondere Bestimmungen über die gebietliche Verteilung und über den Verwendungszweck der zur Einfuhr angedienten Ware treffen. Das ist mehrfach in der Weise geschehen, daß z. B. bestimmte Fleischmengen für Berlin oder zur Verarbeitung oder nicht zur Verarbeitung bestimmt wurden. Bestände der Einfuhr- und Vorratsstelle sind bisher unter dem Gesichtspunkt der Entspannung des Marktes ausgelagert worden. Die gewünschte Einflußnahme auf den Markt konnte dabei auch weitgehend erreicht werden. Eine behördliche Festsetzung von Preisen und Spannen auf dem Fleischsektor ist seinerzeit beim Erlaß des Vieh-und Fleischgesetzes einmütig abgelehnt worden. Eine solche Ermächtigung gegenwärtig vorzuschlagen, erscheint mir weder aussichtsreich noch ohne eine vollständige Reglementierung des gesamten Vieh- und Fleischsektors möglich.
Frage 10:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen und welche sind geplant, um
Bundesernährungsminister Schwarz
a) die Lebensmittelpreise im Bereich der Marktordnung auf den früheren Stand zurückzuführen und
b) weitere Preissteigerungen für Lebensmittel außerhalb der Marktordnung zu verhindern?
Antwort: Die Bundesregierung hat auf dem gesamten Ernährungssektor vielfältige und umfangreiche Maßnahmen getroffen, die sämtlich dem Ziel dienen, die preislichen Auswirkungen der Dürre zu begrenzen, weitere Preissteigerungen zu verhindern und besonders die Nahrungsmittelpreise im Bereich der Marktordnung möglichst bald wieder auf den früheren Stand zurückzuführen. Ich fasse diese Maßnahmen im folgenden zusammen:
Parlament und Regierung haben, wie bereits erwähnt, den Butterzoll ab 10. November 1959 bis zum 31. März 1960 ausgesetzt. Über die einzelnen Maßnahmen auf dem Buttermarkt, insbesondere über Einfuhren und Auslagerungen, habe ich bereits zu den Punkten 2 und 3 berichtet. Zusammen mit dem Ansteigen der Butterproduktion haben die Einfuhren und die Zollaussetzung bewirkt, daß seit Ende November die Butterpreise in allen Wirtschaftsstufen einschließlich des Kleinhandels zurückgegangen sind und zurückgehen. Nach der Kölner Notierung vom 4. Dezember ist der Butterpreis in der Großhandelsstufe innerhalb von drei Wochen von 7,05 DM auf 6,25 DM je kg gefallen und hat damit den Anschluß an die normale Entwicklung gefunden. Der Prozeß setzt sich auch heute noch fort.
Käse ist im OEEC-Raum liberalisiert und kann wie bisher unbeschränkt in die Bundesrepublik eingeführt werden. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Einfuhr auch aus anderen lieferfähigen Ländern, wie Australien, Neuseeland, Finnland, eröffnet. Diese großzügig gehandhabten Käseeinfuhren sollen den Markt ausreichend und preiswert mitversorgen. Die an der Kölner Börse notierten ausländischen Käsesorten sind in den letzten Wochen im Preis gefallen, und zwar bis zu 7 %, inzwischen 17 %, gegenüber dem Höchststand der Preise Mitte November 1959. Die Notierungen für inländischen Käse sind ebenfalls bei einer Reihe von Käsesorten rückläufig.
Bei Schweinen und Schlachtrindern sind im laufenden Kalenderjahr gegenüber dem Vorjahr verstärkte Einfuhren vorgenommen worden. Von Januar bis Oktober einschließlich sind im Jahre 1959 gegenüber der gleichen Zeit im Jahre 1958 rund 32 000 t mehr Schweine und Schweinefleisch und rund 43 000 t mehr Rinder und Rindfleisch in die Bundesrepublik eingeführt worden. Die Lebendviehpreise sind schon seit mehreren Monaten rückläufig und liegen inzwischen seit Anfang Oktober unter den Vorjahrespreisen, nach den letzten Meldungen - Dezemberwoche - für Schweine Klasse C bei 131,0 DM je 50 kg ({12}) und für Rinder im Durchschnitt bei 95,8 DM je 50 kg ({13}). Eine preisgünstige Fleischversorgung wird darüber hinaus durch Gefrierfleischimporte und durch die Auslagerung größerer Bestände an Fleischkonserven - 21 Millionen Dosen Schmalzfleisch zu je 400 g - unterstützt. Es wird erwartet, daß die gegenwärtig allmählich sinkenden Fleischpreise der
Anfang einer allgemeinen Rückführung der Ladenpreise sind, entsprechend den seit längerer Zeit gefallenen Lebendviehpreisen. Die Bundesregierung wird den zu erwartenden Fleischanfall aus eigener Erzeugung durch Einfuhren an Rindern und Schweinen in dem notwendigen Umfang ergänzen, um für die Verbraucher ein angemessenes Preisniveau sicherzustellen. Dabei wird sie andererseits darauf Bedacht nehmen müssen, daß ein gegenüber der Landwirtschaft vertretbarer Preis bei Lebendvieh erhalten bleibt.
Die Futtergetreide- und Futtermitteleinfuhren sind in den letzten Monaten besonders großzügig gehandhabt worden, so daß der Markt immer preisgünstiger versorgt wurde. Die Großhandelspreise für ausländisches Futtergetreide sind an den deutschen Börsen von Anfang Juli 1959 bis Ende November 1959 beispielsweise für Gerste von 43,20 DM auf 40,75 DM je 100 kg und für Mais von 46,15 DM auf 40,35 DM je 100 kg zurückgegangen.
Der Kartoffelzoll wurde auf Vorschlag der Bundesregierung vom Parlament mit Wirkung vom 12. Oktober 1959 bis 31. März 1960 ausgesetzt. Die Einfuhrmöglichkeiten wurden bei Kartoffeln in einem Umfang eröffnet, der bis heute nicht einmal zur Hälfte ausgenutzt worden ist. Vermehrte Einfuhren sind dadurch weitgehend erschwert gewesen, daß aus den Lieferländern entweder keine Kartoffeln angeboten wurden oder zu Preisen, die höher lagen als die Preise in der Bundesrepublik. Außerdem bevorzugte der Verbraucher überwiegend die gelbfleischigen Sorten, die in diesem Jahr auf den Sandböden besonders unter der Trockenheit und Hitze gelitten haben, im Ertrag sehr abgefallen sind, durch Ungeziefer am weitestgehenden geschädigt wurden und daher im Preis am höchsten lagen. Die Preise für Speisekartoffeln haben nach dem Höhepunkt während der Einkellerungszeit zwar leicht nachgegeben; aber wesentliche Änderungen der gegenwärtigen Preise für bevorzugte Sorten werden sich bis zur Öffnung der Mieten im Frühjahr wahrscheinlich nicht ergeben und werden auch durch keine weiteren zusätzlichen Maßnahmen der Bundesregierung zu erwirken sein.
Als die ersten Anzeichen der Ernteausfälle in der Bundesrepublik erkennbar wurden, sind alle Einfuhrbeschränkungen für Obst und Gemüse, sofern solche überhaupt noch bestanden, für die diesjährige Saison praktisch aufgehoben worden. Die Einrichtungen der Mindestpreisvereinbarungen mit dem Ausland, die in normalen Erntejahren bezwecken, Einfuhren an Obst und Gemüse mit den inländischen Marktverhältnissen abzustimmen und sie nötigenfalls zu unterbrechen, sind in diesem Jahr in keinem Fall angewendet worden. Die vollständig liberalisierten Südfrüchteimporte setzen gegenwärtig vermehrt ein und werden in den kommenden Wintermonaten das Angebot auf den Obstmärkten in verstärktem Maße ergänzen. Die Einfuhren an Frischobst, Frischgemüse und Südfrüchten werden nach den Schätzungen im ablaufenden Jahr 1959 in allen drei Sparten höher als im Vorjahr liegen, und zwar bei Gemüse um rund 91 000 t, bei Obst um rund 140 000 t und bei Südfrüchten um rund 85 000 t.
Bundesernährungsminister Schwarz
Um den Verbrauchern Ausweichmöglichkeiten zu eröffnen, sind umfangreiche Einfuhrausschreibungen für Obst und insbesondere für Gemüsekonserven vorgenommen worden. Das Einfuhrkontingent für Gemüsekonserven ist inzwischen aufgestockt worden. Insgesamt sind Einfuhrmöglichkeiten für Obst-und Gemüsekonserven im Werte von rund 65 Millionen DM eröffnet. Dem Parlament liegt außerdem der Vorschlag der Bundesregierung vor, jeweils befristet bis zum 31. März 1960, den Zoll für Bohnenkonserven von 27 auf 10 % zu senken und für tiefgefrostetes Gemüse in voller Höhe auszusetzen.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß der Verbraucher in diesem Jahr Geflügel und Eier durchweg billiger als im Vorjahr kaufen konnte. Die Preise sowohl für inländische als auch für ausländische Eier liegen bisher während des gesamten Kalenderjahres 1959 im Durchschnitt um 2 Pf je Stück unter den Vorjahrspreisen. Beim Suppenhuhn und bei Masthähnchen beträgt die Verbilligung im Durchschnitt des Bundesgebietes November 1959 gegenüber November 1958 beispielsweise 25 bis 35 Pf je kg.
Zum Schluß darf ich zusammenfassen, daß die außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse dieses Sommers in der Bundesrepublik ebensowenig wie in den anderen davon betroffenen Ländern ohne Folgen auf das Preisniveau bleiben konnten. Diese unerwünschten Auswirkungen auf das geringstmögliche Maß zu beschränken und die Verhältnisse so schnell wie möglich zu normalisieren, ist auch weiterhin ein vordringliches Anliegen der Bundesregierung.
({14})
Angesichts der Liste der Redner, die sich zu diesem Thema noch äußern werden, möchte ich diesen Ausführungen nur noch wenige Sätze hinzufügen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Bading haben die allgemeinen Fragen, die zur Debatte stehen, angeschnitten. Ich glaube, sie beantwortet zu haben.
Aber ein sehr schwerer Vorwurf ist erklungen, nämlich der, die Bundesregierung habe sich erst durch die Anfrage der SPD dazu bringen lassen, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen oder Erklärungen abzugeben. Ich darf feststellen, daß das unzutreffend ist.
Ich möchte zunächst kurz nur das eine sagen. Wir haben ,die Dürreperiode dieses Jahres in zwei Teile einzuteilen. Der erste reichte von April bis Juli, dann folgten die Regenfälle im August, und die zweite, sehr schwere Dürrewelle reichte bis spät in den Oktober hinein. Nach der ersten Dürrewelle war klargeworden, daß gewisse pflanzliche Nahrungsgüter schwere Schäden erlitten hatten, in erster Linie die Kartoffeln auf Sandböden, die bereits im Juni keinen Ertrag mehr versprachen.
Deswegen ist von seiten der Bundesregierung bereits Ende August veranlaßt worden, dem Hohen Hause die Streichung des Kartoffelzolls zur Beschlußfassung vorzulegen. Es lag nicht an der Bundesregierung, daß sich die zuständigen Ausschüsse erst nach den Parlamentsferien damit befaßt haben. Die Bundesregierung hat mit dieser ersten Maßnahme zum Ausdruck gebracht, daß sie dein Dingen, die sich auf Grund der ersten Dürrewelle abzeichneten, durchaus auf den Fersen sein wollte.
Im späteren Verlauf und als Ausfluß der zweiten Dürrewelle sind dann unmittelbar weitere Maßnahmen getroffen worden. Ich darf darauf hinweisen, daß das, was ich in den ersten Oktobertagen nach meinem Amtsantritt als allererstes unternommen habe, die Einfuhrmöglichkeiten für Futtergetreide und für Futtermittel betraf und daß wir, was die weiteren Zollsenkungen anlangt, sofort alles vorbereitet haben, um den Dingen entgegenzuwirken, die auf uns und insonderheit auf unser Haus als verantwortliches Ministerium zukamen.
Aus diesem Grunde muß ich den Vorwurf unter allen Umständen zurückweisen, die Bundesregierung habe nichts unternommen, bevor der SPD-Antrag gekommen sei. Wie Herr Kollege Bading erfreulicherweise die Schuldfrage in ihrer großen Breite ausgeklammert hat, so meine auch ich, daß wir weniger von Schuld sprechen als vielmehr gemeinsam versuchen sollten, dem Übel zu steuern.
({15})
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für eine schlechte Sache, wenn hier vom Bundestag zur Straße hinaus geredet wird, aber heute möchte ich das ganz bewußt tun. Ich möchte heute weniger im Bundestag als draußen im deutschen Volk gehört werden;
({0})
denn zu der Großen Anfrage besteht mindestens zum Zeitpunkt ihrer Beantwortung kein Anlaß mehr.
({1})
Wie schon aus den Ausführungen meines Kollegen Schwarz hervorgegangen ist, liegen die Viehpreise, sowohl bei Rind wie bei Schwein, und die Butterpreise unter dem Vorjahresniveau, und daß pflanzliche Ernährungsgüter teurer sind, das weiß man in der ganzen Welt. Anscheinend regt man sich nur in Deutschland darüber auf.
({2})
Mir hat ein Einzelhändler gesagt: Uns kann gar nichts Besseres passieren, als daß man im Bundestag jetzt eine heftige Debatte über die Preise führt; denn dann werden wir ein tolles Weihnachtsgeschäft mit steigenden Preisen bekommen.
({3}) Gerade das möchte ich verhindert sehen.
({4})
Beim deutschen Verbraucher herrscht im Augenblick Gott sei Dank eine absolute Ruhe und Disziplin.
({5})
Die Weihnachtsumsätze liegen, gemessen am Vorjahr, um 4 bis 5 % höher bei einem ruhigen Ver5196
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
kauf. Das entspricht etwa der Zunahme der Massenkaufkraft. Es besteht also kein Grund zur Beunruhigung.
({6})
Je mehr wir die Dinge, aus welchen Günden auch immer, hochspielen, um so mehr wird das ruhige Preisklima und überhaupt die ruhige Sicherheit einer geordneten Versorgung gestört. Das ist der Grund, warum ich mich hier zu Wort gemeldet habe.
({7})
- Ich habe auch nicht geschwiegen, und ich möchte das hier ganz deutlich sagen.
({8})
Herr Kollege Schwarz hat eben erklärt, daß wir uns seit August über diese Dinge unterhalten. Auch ich habe mich eingemischt aus meiner preispolitischen Verantwortung heraus.
({9})
- Doch, die haben Sie auch, aber Sie können uns nicht sagen, daß wir keine hätten; das ist der Unterschied.
({10})
Denn schließlich waren es die Maßnahmen der Regierung, die den Butterpreis wieder zurückgeführt haben. Sie werden auch jetzt bei den Fleischpreisen sicher noch bessere Erfolge zeitigen.
({11})
Ich habe die Dinge mit meinem Kollegen Schwarz erörtert, und ich kann hier sagen - ich sage es zu seinem Lobe; ich sage es vor allen Dingen auch vor dem deutschen Volk -: er hat sich nicht nur als der Landwirtschaftsminister, sondern auch als ein Ernährungsminister erwiesen.
({12})
Selbstverständlich mußten wir dafür sorgen, daß neben den Dürreschäden, die die Landwirtschaft zu tragen hatte, nicht noch weitere Schäden durch einen untragbaren Preisverfall hinzukommen. Wenn meine preispolitischen Empfehlungen von der Landwirtschaft so aufgefaßt worden sein sollten, als ob ich damit die Marktordnung angriffe, dann wäre das ein Fehler gewesen. Die Marktordnung hat sich durchaus als ein brauchbares Instrument auch zugunsten einer geordneten Versorgung des deutschen Verbrauchers erwiesen.
({13})
Aber, meine Damen und Herren, es ist ja auch völlig abwegig, nur die Zahlen eines Monats, und zwar des ungünstigen Monats, in den Ernährungspreisen herauszunehmen, nämlich den Oktober. Im Oktober lagen bei einer Steigerung des Lebenshaltungsindex von 3,7 % die Ernährungskosten um
6,6 % höher. Da diese innerhalb des Lebenshaltungsindex rund 50% ausmachen, bedeutet das, daß von der Oktobersteigerung des Lebenshaltungsindex -immer gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres - von 3,7 % 3,3 % allein auf die Ernährung entfielen, und das wieder bedeutet, daß auf dem gewerblich-industriellen Sektor nur eine Preissteigerung von etwa 0,4 % zu verzeichnen war, wie denn überhaupt von Januar 1958 bis zum Mai 1959, d. h. über 17 Monate, der Lebenshaltungsindex in Deutschland nur um 0,4% gestiegen ist. Und wenn Sie jetzt nicht einen Monat herausgreifen, sondern die ersten zehn Monate dieses Jahres nehmen und sie mit den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres vergleichen - ich meine die gesamten Lebenshaltungskosten einschließlich der Ernährungsgüter -, dann ergibt sich eine Steigerung von 1 %, sage und schreibe ein Prozent.
({14})
Null wäre schöner, aber 1 % ist keine Katastrophe,
zumal dann nicht, wenn im gleichen Zeitraum das
Masseneinkommen immerhin um 6 % gestiegen ist.
({15})
Dann möchte ich ganz deutlich sagen: Wenn es etwa Ihre Absicht gewesen wäre, diese Preisdebatte hier zu inszenieren,
({16})
um den drohenden überhöhten Anforderungen der Gewerkschaft eine Berechtigung zu geben, dann muß ich dem mit allen Mitteln widersprechen.
({17})
Aus den Erhöhungen der Lebenshaltungskosten sind Forderungen, wie sie jetzt z. B. von der Gewerkschaft Öffentliche Dienste erhoben worden sind, die insgesamt 20 % ausmachen, doch unter gar keinen Umständen nachweisbar.
({18})
Die Stabilität unserer Wirtschaft droht im Augenblick nicht mehr aus den Preisen,
({19})
obwohl wir sicher alles tun werden, um sie im Zaum zu halten, sondern sie droht von der Maßlosigkeit, die unser ganzes Volk mehr und mehr erfaßt hat, verlorenzugehen.
({20})
- Ich spreche hier alle Schichten unseres Volkes an. Ich spreche die Unternehmer an, die Industrie und den Handel und sage ihnen, sie müssen alles tun, um die Fortschritte der Produktivität, soweit sie nicht in einer Verbesserung der Lebenshaltung unmittelbar in Lohnerhöhungen Ausdruck finden, im Preise weiterzugeben.
({21})
Es gibt Möglichkeiten, und die müssen genützt werden.
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Aber auf der anderen Seite sage ich auch den Arbeitnehmern und der Gewerkschaft, sie müssen mit ihren Forderungen in den Grenzen bleiben, um die Stabilität unserer Wirtschaft und unserer Währung sicherzustellen.
({22})
Herr Abgeordneter Bading hat den Antrag gestellt, in die Aussprache einzutreten. Der Antrag ist genügend unterstützt. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich, bevor ich die Debatte wieder auf unsere Große Anfrage zurückführe, dem Herrn Minister Erhard sagen: Es ist sehr billig, heute hier zu behaupten, die Beantwortung unserer Großen Anfrage sei überholt. Ich habe den Eindruck, Herr Bundesminister, Sie haben diese Anfrage nicht gelesen
({0})
und kennen die Beantwortung durch Herrn Minister Schwarz nur, soweit Sie vorhin zugehört haben. Wenn Herr Minister Schwarz die Große Anfrage richtig beantwortet hätte, so wie sie gemeint ist, und nicht in solche Formulierungen wie „angemessene Preise für die Verbraucher" und „vertretbare Preise für die Erzeuger" ausgewichen wäre, dann hätten Sie gemerkt, worauf die Große Anfrage hinaus will.
Die Marktordnung ist in den letzten Monaten strapaziert worden. Weder Erzeuger noch Verbraucher noch Arbeitnehmer können beurteilen, welche Preisvorstellungen die Regierung eigentlich hat und welche Preise sie anstrebt, wenn die Bundesregierung ihre Preisvorstellungen in der Dunkelkammer läßt. Unsere Große Anfrage zielt darauf ab, hier endlich einmal eine klare Antwort zu bekommen. Leider hat sie der Herr Bundesminister nicht gegeben.
Wenn hier Herr Bundesminister Erhard von Maßlosigkeit unseres Volkes gesprochen hat, so möchte ich sagen: maßlos sind seine Behauptungen!
({1})
Maßlos ist Ihre Kritik, Herr Bundesminister Erhard! Wen meinen Sie denn eigentlich mit der „Straße"? Meinen Sie damit die Arbeitnehmer? Meinen Sie die Verbraucher? Warum drücken Sie sich immer so aus, daß Ihre Ausführungen als maßlos in stärkstem Sinne bezeichnet werden müssen?
({2})
Herr Bundesminister Erhard, ich kann mich darauf beschränken, auf die Dinge bei der Marktordnung einzugehen, nach denen wir in unserer Großen Anfrage gefragt haben und die Herr Bundesminister
Schwarz für meine Begriffe zwar recht interessant, aber unzureichend beantwortet hat. Meine Kollegen werden später noch insbesondere auf die Ausführungen von Herrn Bundesminister Erhard eingehen.
Wir haben allerdings den Eindruck, daß die Bundesregierung den Versuch gemacht hat, sich für die Behandlung der Großen Anfrage ein besseres Preisklima zu schaffen, als es zu der Zeit war, in der wir die Große Anfrage stellten. Ich möchte dem Herrn Bundesernährungsminister einige Fragen stellen, die im Zusammenhang stehen mit seiner Behauptung, die Bundesregierung habe alles getan, um eine stete Versorgung und, soweit es die Dürre zuließ, stabile Preise für Lebensmittel durch die Marktordnung zu sichern. Herr Bundesminister, wir haben z. B. die EWG-Verpflichtung, 8000 t Butter im Jahr einzuführen. Warum ist man dieser EWG-Verpflichtung erst im August nachgekommen? Es wäre richtig gewesen, das im Juni zu tun. Warum haben Sie die Butter, die nach der EWG-Verpflichtung einzuführen war, nicht wenigstens für die Berlin-Reserve verwendet? Dann hätten Sie nicht die 7500 t, die für die Berlin-Reserve notwendig waren, aus der Einfuhr- und Vorratsstelle nehmen müssen. Warum haben Sie noch am 1. August die Einfuhrmenge im kleinen Grenzverkehr auf ein halbes Pfund reduziert, wenn Sie bedauern, daß die Verbraucher - mindestens einige Monate lang - so hohe Butterpreise zahlen mußten? Es ist doch bekannt, daß zu der Zeit, in der der Butterpreis bei uns den Höchststand erreicht hatte, die Verbraucher im kleinen Grenzverkehr das Pfund Butter aus Osterreich zu 2,95 DM einführen konnten; zur gleichen Zeit kostete die Butter in München 3,80 DM. Wenn Ihnen wirklich daran lag, daß die Verbraucher zu billiger Butter kamen, hätten Sie nicht ausgerechnet in diesem Augenblick die Einfuhrmenge pro Person auf ein halbes Pfund reduzieren dürfen, dann hätten Sie wenigstens den Verbrauchern, die an der Grenze wohnen, diese Möglichkeit lassen müssen. Warum mußte es, Herr Minister, erst dazu kommen, daß Heilstätten und Krankenhäuser die Butterrationen kürzen mußten, um die Verpflegungssätze einhalten zu können? Im Juni hätten wir in Holland die Butter noch für 5,65 DM das Kilo einkaufen können, wenn zu dieser Zeit Ausschreibungen dagewesen und für unsere Importeure Einfuhrmöglichkeiten eröffnet gewesen wären.
Nun wird immer gesagt, man hätte damals noch nicht gewußt, daß es zu dieser Butterknappheit kommen würde. Im „Münchener Merkur" vom 2. Dezember kann man lesen, der Preisanstieg bei Butter sei vom Fachgroßhandel vorausgesehen worden. Der Berufsverband habe deshalb schon Ende Juni Importausschreibungen vom Bundesministerium für Landwirtschaft gefordert.
({3})
Außerdem steht fest - alle die, die mit diesen Dingen arbeiten, wissen es -, daß z. B. Frankreich, das auch eine große Butterknappheit und große Milchsorgen hatte, auf dem internationalen Markt schon sehr frühzeitig und immer vor der Bundesrepublik die Butterreserven auf dem internationalen und europäischen Markt aufgekauft hat.
Der Herr Bundesminister hat angeführt, daß die ersten Ausschreibungen - wenn ich richtig gehört habe - am 29. Juli erfolgt seien. Herr Bundesminister, wir haben immer wieder kritisiert, daß Sie die Einfuhrmöglichkeiten nicht nur zu spät ausgeschrieben, sondern daß Sie sie auch begrenzt haben; Sie haben auch zu lange am Butterzoll festgehalten. Die Ausschreibungen vom 29. Juli waren auf die OEECLänder begrenzt und mußten bis zum 15. Oktober realisiert sein. Das hat natürlich die Möglichkeiten der Importeure von vornherein erheblich eingeschränkt. Was sich dann um den Zoll abgespielt hat, ist dem Hause allgemein bekannt.
Der Herr Bundesminister Erhard und der Herr Bundesminister Schwarz haben soeben behauptet, daß die Bundesregierung ihre Maßnahmen zur Vermeidung von unerwünschten Preissteigerungen bei so wichtigen Lebensmitteln rechtzeitig und nicht im Hinblick auf den Antrag der SPD eingeleitet hätte. Darf ich daran erinnern, daß die sozialdemokratische Bundestagfraktion den Antrag, den Butterzoll vorübergehend auszusetzen, am 20. Oktober gestellt hat und daß es zumindest im Ernährungsausschuß zunächst ein Verzögerungsmanöver in dieser Sache gegeben hat, und darf ich außerdem daran erinnern, daß die Bundesregierung erst in dem Augenblick, als wir den Antrag auf Aussetzung des Butterzolls gestellt hatten, im Ernährungs- und im Außenhandelsausschuß mitgeteilt hat, daß sie jetzt bereit sei, die Einfuhren freizugeben und die Einfuhrausschreibungen nicht mehr hinsichtlich Menge und hinsichtlich der Länder zu begrenzen?
Gelegentlich wird bei solchen Debatten gesagt, die Hausfrauen brauchten die teure Butter nicht zu kaufen; sie sollten eben auf andere Ernährungsgüter ausweichen. Im Hinblick auf den hohen Butterpreis ist den Hausfrauen immer wieder empfohlen worden, Margarine zu kaufen. Mir hat gerade in der Zeit, als diese Empfehlungen gegeben wurden, eine Hausfrau aus Hessen geschrieben, daß sie diesen Versuch gemacht und daß ihre Familie beschlossen habe, solange die Butterpreise so hoch seien, nur noch Margarine und Wurstfett zu konsumieren. Was hat diese Hausfrau festgestellt? Sie hat zweimal eine Halbpfundtüte Wurstfett für 40 Pfennig eingekauft. Als sie drei Tage später dieses Wurstfett wieder kaufen wollte, war die gleiche Tüte im Preis um 10 Pfennig auf 50 Pfennig gestiegen,
({4})
und das zu einer Zeit, zu der im Rundfunk durchgegeben wurde, daß die Preise für Schlachtschweine gefallen seien.
({5})
- Den Hausfrauen kommt es auf das an, was sie wirklich bezahlen, und nicht darauf, was Sie für Vorstellungen haben.
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- Entschuldigen Sie, das war eine Hausfrau, die das dem Bundestag mitgeteilt hat; die anderen empfinden das genauso. Es ist doch eine Tatsache, daß Verknappungen und hohe Preise auf einem Sektor dazu führen, daß die Preise auf einem anderen Sektor auch in die Höhe gehen.
Frau Kollegin, ich bitte, mir zu gestatten, Sie einen Augenblick zu unterbrechen. Ich bin gebeten worden, bekanntzugeben, daß um 11 Uhr eine eilige und wichtige Sitzung des Haushaltsausschusses stattfindet. Ich darf bitten, von dieser Mitteilung Kenntnis zu nehmen.
Ich darf nun Frau Strobel bitten, weiterzusprechen.
Es ist von meinem Kollegen Bading bereits gesagt worden - und ich glaube, es geht aus den Fragen sehr deutlich hervor -, daß wir diese Große Anfrage nicht gestellt haben, um in erster Linie die Erzeuger zu kritisieren. Im Gegenteil! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten den Eindruck bekommen, daß sich die Erzeuger an der Kritik an dieser Preisentwicklung ebenfalls beteiligt haben.
Ich möchte Ihnen an einem Beispiel zeigen, daß hohe Preise nicht immer bedeuten, daß die Erzeuger die Nutznießer dieser hohen Preise sind. Gerade weil das so ist, könnte es, meine ich, in solchen Fällen auch einmal eine Einheitsfront des Bundestages gegen die hohen Preise geben. Ich habe am vergangenen Sonntag in einer Bauernversammlung zwei Diskussionsredner - unter anderen -gehabt, von ,denen der eine der Leiter eines Altersheimes ist, der in einer bestimmten Zeit an eine bestimmte Molkerei für Butter statt 6,25 DM 6,80 DM bezahlen mußte. Das ist eine Preiserhöhung um 9 %. Der andere Diskussionsredner war der Obmann des Bauernverbandes, der mitteilte, daß er seine Milch an dieselbe Molkerei abliefert und für die Milch, aus der diese Butter gewonnen wurde, in derselben Zeit, in der ,der Butterpreis um 9 % stieg, eine Preiserhöhung von 34 auf 34,7 Pf bekommen hat;
({0}) das ist eine Erhöhung um 2 %.
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Nun, meine Damen und Herren und Herr Bundesminister Schwarz, halten Sie diese Entwicklung für richtig - Erhöhung des Butterpreises um 9 %, Erhöhung des Auszahlungspreises für Milch bei derselben Molkerei um 2 %?
Es ist nun gesagt worden, man habe ja nicht voraussehen können, daß der Verbrauch eine solche Entwicklung nehmen würde; es ist in etwas kritisierender Weise gesagt worden, daß nun ausgerechnet die Hausfrauen auch noch mehr gekauft haben. Meine Damen und Herren, man konnte an der Entwicklung der vorhergehenden Jahre schon sehr deutlich sehen, daß mit steigender Kaufkraft auch der Verbrauch steigt; man hätte sich ja nur die Entwicklung von 1956 auf 1957 und von 1957 auf 1958 anzuschauen brauchen, um festzustellen, daß schon in der ersten Hälfte des Jahres 1959 ein siebenprozentiger Mehrverbrauch an Fleisch bzw. Butter bestand. Wozu sind eigentlich die statistischen Erhebungen da, wozu machen wir eine Versorgungsbilanz, wenn wir daraus nicht die entsprechenden Konsequenzen ziehen?
Es wird hier immer wieder behauptet: „Aber die Preissteigerungen in anderen, vergleichbaren Ländern sind doch wesentlich höher als bei uns!" Meine Damen und Herren, ich glaube, da macht man insofern einen großen Fehler, als man uns bei diesen Gelegenheiten niemals den Ausgangspunkt der Preise in den anderen Ländern verrät. Gewiß ist es richtig, daß der Butterpreis in Holland in der gleichen Zeit um - wie gesagt wurde - 60 % gestiegen ist. Aber in Holland gibt es ja keine Marktordnung für Butter. Die holländischen Hausfrauen, die holländischen Verbraucher sind die Nutznießer niedriger Weltmarktpreise bei Butter, und sie sind dann natürlich auch die Leidtragenden bei hohen Weltmarktpreisen. Wir haben hier aber eine Marktordnung, die ein ausgeglichenes Preisniveau anstreben soll. Insofern kann man die Entwicklung bei uns nicht mit der Entwicklung in Holland vergleichen. - Im übrigen kann ich Ihnen sagen: ich habe heute vormittag in Bonn ein Viertelpfund Butter gekauft, das kostete 94 Pf; das macht also für das halbe Pfund 1,88 DM. Ich bin am Mittwochabend durch Maastricht gefahren und habe mir in Holland die Butterpreise angeschaut; da kostete das halbe Pfund 1,35 DM.
({2})
Das ist zur gleichen Zeit. Daraus können Sie sehen, daß immerhin zwischen dem deutschen Preis und dem holländischen Preis auch heute ein erheblicher Unterschied zugunsten der holländischen Verbraucher besteht.
Wenn Sie aber in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, solche Erklärungen herausgeben, wie es z. B. unser Kollege Ruf dieser Tage im Pressedienst der CDU/CSU getan hat, worin er sagt, in einer freien Marktwirtschaft bestimmten nun einmal Angebot und Nachfrage die Preise, und die Verbraucher müßten sich deshalb daran gewöhnen, daß in knappen Zeiten die Preise höher seien, möchte ich dazu sagen: Meine Damen und Herren, dann müssen Sie aber auf die Marktordnung verzichten.
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Denn die Marktordnung hat doch schließlich gerade den Sinn, bei den wichtigen Lebensmitteln solche Entwicklungen zu verhindern.
Es ist immerhin ganz interessant, festzustellen, daß 70 % der Ernährungsgüter unter die Marktordnung fallen. Denjenigen, die keine Sorge haben, daß bei einer solchen Entwicklung und einer solchen Handhabung der Marktordnung durch die Bundesregierung zu Lasten der Verbraucher die Marktordnung Schaden leiden kann, möchte ich empfehlen, einmal eine Studie von Professor Kermann, Bremen, zu lesen. Er hat errechnet, daß die Marktordnung bei Marktordnungsgütern allein je Erwerbsperson im Jahre 1956 46 DM und im Jahre 1958 34 DM gekostet hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?
Bitte!
Frau Kollegin Strobel, entdecken Sie keinen Widerspruch zwischen dem, was Sie eben gesagt haben, und dem, was Ihr Herr Vorredner, der Begründer der Großen Anfrage, Herr Kollege Bading, dargelegt hat, der wenigstens an den Anfang seiner Ausführungen die Erklärung gestellt hat, daß der Ausgangspunkt für die Preisbewegung bei diesen Erzeugnissen die Dürre war, während Sie es so darstellen, als sei die Marktordnung daran schuld?
Herr Bauer, Sie haben, glaube ich, nicht richtig zugehört.
({0})
Ausgangspunkt für die Preiserhöhungen - das
habe ich, glaube ich, ziemlich deutlich gesagt ist die Tatsache, daß die Bundesregierung nicht
rechtzeitig und nicht richtig auf die zu erwartenden Schwankungen im Markt - hinsichtlich der Menge - reagiert hat,
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daß sie nicht rechtzeitig Einfuhren ausgeschrieben hat, daß sie die Einfuhrausschreibungen belastet hat mit Beschränkungen auf OEEC, mit Beschränkungen hinsichtlich der Zeit der Einfuhren usw. Aus diesem Grunde haben wir unsere Anfragen gestellt. Wir wollten einmal ganz konkret von der Bundesregierung hören, welchen Preis sie eigentlich für richtig hält und was sie tun will, um diesen Preis zu erreichen und zu erhalten. Die Bundesregierung hat diese Frage nicht beantwortet.
Von der Bundesregierung, und zwar von beiden Herren, ist hier - das möchte ich abschließend noch zur Butterfrage sagen - erklärt worden: Was wollen Sie denn eigentlich? Die Preise gehen ja bereits zurück. Wir können ja sehr zufrieden sein. - Heute steht in der „Abendpost", die mir eben hergereicht worden ist, eine Mitteilung, nach der zur Zeit Bemühungen im Gange sein sollen, zu verhindern, daß die billige Butter aus Holland zu dem niedrigen Preis, der jetzt von dort geboten wird, hereinkommen kann.
({2})
Es heißt dort, vom Großhandel werde versucht, Ausgleichsabgaben auf die holländischen Preise zu erreichen.
({3})
- Herr Bauer, Sie reagieren immer empfindlich, wenn man einmal sagt, daß die Molkereien nicht ganz unschuldig an der Preisentwicklung sind.
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Aber wenn es so ist, muß man das eben auch einmal aussprechen.
Ich wollte nun gern noch etwas zu der zweiten Marktordnungsware sagen, die wir in unserer Großen Anfrage erwähnt haben. Herr Bundesminister Schwarz hat auf unsere Frage geantwortet. Man hatte in den letzten Wochen sehr stark den Eindruck, daß der Schwarze Peter in der Bundesrepublik umgeht: keiner will es gewesen sein. Aber die Hausfrauen stellen fest, daß sie auch beim Fleisch mehr als je bezahlen. Ich hätte eigentlich gedacht, die Herren Minister würden von sich aus einmal Gelegenheit nehmen, die Ausführungen der Bundesnotenbank in ihrem Oktoberheft zur Preisentwicklung und zur Einfuhr- und Vorratspolitik der Bundesrepublik zu zitieren.
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Da Sie das nicht getan haben, Herr Schwarz, möchte ich sagen, immerhin steht im Oktoberbericht der Bundesnotenbank zu lesen:
Der verstärkte Rinderauftrieb wurde in seinen preismäßigen Auswirkungen zunächst weitgehend durch beträchtliche Fleischeinlagerungen zu wesentlich höheren Preisen als im Vorjahr aufgefangen.
Nimmt man dazu noch die Preisbeobachtungen des Bundesmarktverbandes Vieh und Fleisch, die ja allen zur Verfügung stehen, dann stellt man fest, daß die durchschnittlichen Schlachtviehpreise für Rinder und Schweine in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September wesentlich über denen des Vorjahres lagen. Nun kann man natürlich sagen - und Herr Bundesernährungsminister Schwarz hat gesagt: wir streben einen Durchschnittspreis von 105,1 DM an -, solange dieser Preis nicht erreicht ist, besteht hinsichtlich der Preisentwicklung auf dem Verbrauchermarkt für die Bundesregierung keinerlei Sorge. Aber es steht immerhin fest, Herr Bundesminister - das hat die Bundesnotenbank unterstrichen -, daß die Bundesregierung durch Auslegerungen aus dem Markt zu verhältnismäßig hohen Preisen in den Monaten, in denen die Schlachtviehpreise ohnehin gestiegen sind, nicht nur das Sinken der Schlachtviehpreise verhindert, sondern das Steigen der Schlachtviehpreise geradezu bewirkt hat.
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Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sagen, es sei falsch, nur die neuralgischen Monate herauszugreifen. Wenn man ständig kritisiert - ich kritisiere das auch -, daß das Fleischerhandwerk in seinen Endverbraucherpreisen gegenüber den Erzeugerpreisen zu hoch liegt, dann darf man nicht durch die eigenen Auslagerungen zu verhältnismäßig hohen Preisen die Preise zunächst einmal hinauftreiben; denn es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß die Spannen sehr rasch mitgehen, wenn die Preise in die Höhe gehen, aber leider nicht zurückgehen, wenn die Preise sinken.
Angesichts der Tatsache, daß wir nicht so viel Zeit haben, möchte ich darauf verzichten, Ihnen im einzelnen die Schlachtviehpreise zu nennen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der Bericht der Bundesnotenbank vom Oktober aussagt,
die Spannen beim Fleischerhandwerk sind vom April I 1959 von 1,38 DM auf 1,73 DM im September 1959 gestiegen. Die „Agrarwirtschaft", eine Zeitschrift, die agrar- und preispolitische Fragen sehr genau untersucht, teilt in ihrem Oktoberheft zu den Spannen auch einiges mit. Herr Bundesernährungsminister Schwarz hat behauptet, es gebe leider keinen Spannenvergleich mit den vorhergehenden Jahren. Nun, gerade in der „Agrarwirtschaft" steht, daß bei den Preisspannen für Fleisch der Durchschnitt der letzten drei Monate eine Höhe erreicht hat, wie sie in den vergangenen sechs Jahren noch nicht beobachtet worden ist. Man kann das alles mit Zahlen belegen. Ich will es nur deswegen nicht tun, um Sie nicht allzu lange aufzuhalten. Aber ich darf darauf aufmerksam machen, daß die „Agrarwirtschaft" eine wissenschaftliche Zeitschrift ist, die solche Veröffentlichungen nur macht, wenn sie wissenschaftlich begründet sind.
Der „Münchner Merkur", eine Zeitung, die Ihnen sehr nahesteht - mir sagte einmal kürzlich draußen am Zeitungsstand ein Kollege: ich kaufe mir immer den „Merkur", weil das die eigentliche CSU-Zeitung ist -,
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hat in einer Ausgabe vom November festgestellt, daß die Preiserhöhungen für Fleisch und Wurst im November gegenüber dem November 1958 zwischen 3 und 10 % lagen. Das sind Feststellungen des Statistischen Amtes von München.
Damit Sie nicht behaupten, wir schieben das alles den Erzeugern in die Schuhe, darf ich dazu noch sagen: fest steht, daß der Preis für Lebendvieh beim Rind im Oktober nur um 1/2 % höher war als im Jahre 1958 und im November sogar um 1 % niedriger. Die Schweineschlachtviehpreise waren im Oktober und November niedriger als im Oktober und November des vorigen Jahres. Bei uns aber kostet heute Kochschinken 10 % mehr als im vorigen Jahr, und Kotelett ist auch wesentlich teurer usw.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal zum Vergleich holländische Preise nennen, die ich selber am Mittwochabend in Maastricht am Schaufenster festgestellt habe. In Holland kosten zur Zeit ein Pfund Kotelett 1,93 DM, 100 Gramm Kasseler Rippen 83 Pfennig und 100 Gramm Schinken 71 Pfennig. Womit hängt das eigentlich zusammen?
Der Herr Bundesernährungsminister hat gesagt, die Bundesregierung habe auch auf dem Gebiet der Futtermittelpreise alles getan, um dafür zu sorgen, daß die deutsche Landwirtschaft billigere Futtermittel und entsprechend höhere Futtermengen bekomme. Die Futtermittelpreise in der Bundesrepublik liegen leider beträchtlich höher als in den vergleichbaren Ländern. Mir geht eigentlich nie recht ein, warum nicht Verbraucher, Erzeuger und Handel gerade beim Futtermittelpreis an einem Strang ziehen und eine wesentliche Senkung der Futtermittelpreise in dieser Situation der Knappheit verlangen. Darf ich Sie einmal darauf aufmerksam machen, daß die Futtermittelpreise in Holland - legt man den von der EWG bei Preisvergleichen
festgesetzten Index zugrunde -- zwischen 85 und 100 liegen, während sie in der Bundesrepublik zwischen 118 und 125 liegen. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Schweinefleischpreise, die Eierpreise und die Geflügelpreise in Holland wesentlich niedriger als bei uns sind.
Nun hat das Bundesernährungsministerium in seiner Verlautbarung zu den Maßnahmen gegen die hohen Preise die Verbraucher mit der Erklärung beruhigt, sie brauchten keine Sorge zu haben, daß etwas getan werde, um die billigen Eier- und Geflügeleinfuhren zu verhindern. Meine Damen und Herren, man könnte dem deutschen Erzeuger z. B. eine zusätzliche und sehr günstige Einkommensquelle verschaffen, wenn man ihn durch niedrige Futtermittelpreise in die Lage versetzte, an dem steigenden Konsum an Schlachtgeflügel und Eiern entsprechend teilzunehmen.
Der Herr Bundesernährungsminister hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung durch die Auslagerung der Schmalzfleischdosen nunmehr auch den Endverbraucherpreis, d. h. die Spannen entsprechend beeinflussen wolle. Er hat aber gleichzeitig gesagt, daß es keine gesetzliche Handhabe gebe, den Abgabepreis für die Endverbraucher bei diesen Dosen festzulegen. Nun, Herr Bundesernährungsminister, danach hatten wir uns auch erkundigt. Wenn feststeht, das das Kartellgesetz der Bundesregierung keine Möglichkeit gibt, im Falle solcher Auslagerungen - die zu dem Zweck erfolgen, die Preise auf dem Markt für die Verbraucher zu drücken und zu stabilisieren - Endverbraucherpreise festzusetzen, dann wäre es doch höchste Zeit für die Bundesregierung, sich eine solche gesetzliche Handhabe zu schaffen, es sei denn, sie will sie überhaupt nicht; und daraus ließen sich dann natürlich auch Schlüsse ziehen.
Sie haben nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung - Sie haben das heute auch hier getan -in München sehr beklagt, daß Sie keine Möglichkeiten hätten, gegen Preisüberforderungen einzuschreiten, weil die gesetzlichen Möglichkeiten dafür unzureichend seien. Nun, Herr Minister, wo sind eigentlich Ihre Vorschläge, diesen ungenügenden Zustand zu ändern? Wir könnten uns vorstellen, daß Sie z. B. durch die Veröffentlichung eines Preisspiegels als Orientierungsmittel die Möglichkeit hätten, alle beteiligten Kreise immer darüber zu unterrichten, was der Erzeuger bekommt, was der Verbraucher zahlt und wie sich die Spannen bewegen. Wenn Sie es aber, wie Sie heute gesagt haben, nicht für tunlich halten, zu sagen, was für Preise die Bundesregierung eigentlich anstrebt, dann können Sie natürlich darauf keinen Einfluß nehmen. Aber dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, daß Sie kritisiert werden.
Herr Bundesminister, Sie haben leider darauf verzichtet, bei diesen Marktordnungswaren einen Ausblick über den gegenwärtigen Augenblick hinaus zu geben. Ich glaube, daß unsere Große Anfrage so verstanden werden muß: Wie wollen Sie das eigentlich in Zukunft handhaben? Erlauben Sie mir - weil Sie auf diese Probleme nicht eingegangen sind -, Sie am Ende meiner Ausführungen zu fragen: Wie beurteilen Sie eigentlich die Entwicklung auf dem Sektor Schlachtvieh, bei Fleisch, z. B. bei Qualitätsrindern im Frühjahr? Steht es nicht heute schon fest, daß es darin eine Lücke geben wird? Wie wollen Sie die Notierung zu dieser Zeit beeinflussen? Wie steht es mit ausreichenden und rechtzeitigen Ausschreibungen für Gefrierfleischeinfuhren? Denken Sie daran, das Einfuhrverfahren so zu lassen, wie ,esgegenwärtig ist, bei dem sich ein ständiger Kampf um die Quoten abspielt oder haben Sie nicht doch in Ihre Überlegungen eine Änderung des Einfuhrverfahrens einbezogen? Beispiele dafür gibt es ja, nicht weit von uns, z. B. in der Schweiz oder in Osterreich. Dort wird ,ein anderes Einfuhrverfahren angewandt und erzielt dann auch einen anderen Effekt. Ich glaube, der gegenwärtige Zeitpunkt wäre sehr geeignet, um von seiten der Bundesregierung darüber Überlegungen anzustellen. Dazu haben Sie uns leider auch nichts gesagt.
Zu den weiteren von Ihnen angeschnittenen Fragen wird sich noch meine Kollegin Keilhack äußern.
Abschließend möchte ich folgendes sagen: Wir stellen fest, daß der Tauschwert der in der Landwirtschaft erzeugten Waren gegenüber der Vorkriegszeit gesunken ist. Ich stelle das ausdrücklich fest, weil wir mit unserer Großen Anfrage nicht mißverstanden werden wollen. Warum ist der Tauschwert gesunken? - Herr Struve, Sie lachen. Sie haben die Mehrheit in diesem Hause. Sie haben die Möglichkeit, nicht nur die Landwirtschaftspolitik, sondern auch die gesamte Wirtschaftspolitik zu beeinflussen.
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Es ist doch eine Folge der gesamten Wirtschaftspolitik, daß die Produktivitätsgewinne in der gewerblichen Industrie nicht in genügendem Maße auch an die Landwirtschaft für ihre Produktionskosten weitergegeben worden sind.
Der Herr Bundesernährungsminister hat es so dargestellt, als wollten wir mit unserer Großen Anfrage eine hektische Entwicklung nach unten herbeiführen. Das ist absolut nicht der Fall.
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Es kommt uns darauf an, daß die Marktordnung so gehandhabt wird, daß sie sowohl dem Erzeuger als auch dem Verbraucher je nach Marktsituation Rechnung trägt. Wir haben ein Interesse an ausgeglichenen Märkten, an ausgeglichenen Preisen und an einer ausgeglichenen Beschickung. Möglich ist das, wenn die Bundesregierung die Marktordnung so handhabt, daß sie im Fall der Knappheit alle Einfuhrmöglichkeiten rechtzeitig ausschöpft und im Fall des Überflusses alle Auslagerungsmöglichkeiten rechtzeitig benutzt. Im ersteren Falle, im Falle der Knappheit, hat die Bundesregierung in den entscheidenden Monaten Juli, August, September versagt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Köhler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, daß die Große Anfrage Drucksache 1414 eingebracht wurde und daß sie noch am heutigen Tage, am letzten Tage vor den Parlamentsferien, zur Debatte gestellt wird. Durch die öffentliche Diskussion über das Preisgeschehen auf dem Lebensmittelmarkt ist in der letzten Zeit viel Zündstoff angehäuft worden, wurde viel Erbitterung und viel Verbitterung geschaffen. Mit einigem gutem Willen müßte es möglich sein, durch eine freimütige Aussprache einen entscheidenden Beitrag dafür zu liefern, daß der Weihnachtsfriede durch eine Entschärfung der gegensätzlichen Meinungen wenigstens auf diesem Teilgebiet unserer vielen Sorgen nicht mehr gefährdet wird. Ich habe bewußt von einer freimütigen Aussprache gesprochen. Die Interessentenverbände, die sich dieser Angelegenheit mit Leidenschaft hingegeben haben, sind nicht mehr in der Lage, einander zu überzeugen. Wenn aber in diesem Hohen Hause alle Gesichtspunkte, die auch in der Bevölkerung diskutiert werden, eine Berücksichtigung finden und sich die Parteien um einen eigenen Standpunkt bemühen, wenn Ursachen und Wirkungen dieses so heiß umstrittenen Preisgeschehens hier debattiert werden, dann wird es zu einer Beruhigung führen. Was könnte das Parlament in diesen letzten Stunden vor den Weihnachtsferien Besseres tun!
Der Herr Bundeswirtschaftminister hat unter anderem von dem Preisgeschehen auf dem weiten Gebiet der übrigen Wirtschaft gesprochen. Das ist sicher notwendig. Auch ich werde hierzu unsererseits noch einiges zu sagen haben. Vorläufig aber möchte ich das Preisgeschehen auf dem Lebensmittelmarkt in das rechte Licht rücken und die Frage aufwerfen: was ist geschehen, wo liegen die Ursachen, war die Entwicklung vermeidbar?
Die Preise auf dem Kartoffelmarkt und auf dem Buttermarkt sind davongelaufen. Wir haben in den Dürregebieten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die zugleich Überschußgebiete in der Kartoffelerzeugung sind, eine Kartoffelernte von etwa 60 % einer Normalernte gehabt. In den Hauptabgabegebieten, z. B. in Bayern, hatten wir eine gute Ernte. Beides war vorauszusehen. In der Zeit als sich die ersten Zeichen überhöhter Preise in den Verbrauchergebieten bemerkbar machten, die von Schleswig-Holstein und Niedersachsen beliefert werden, würde eine nachhaltige Aufklärung, die dann auch später, aber zu spät erfolgte, eine entscheidende Wirkung gehabt haben.
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Man wußte, daß auch in diesem Jahr über 20 Millionen t Kartoffeln geerntet werden würden. Eine Normalernte liegt bei etwa 24 Millionen t. Ein Speisekartoffelverbrauch von rund 8 Millionen t hätte daher niemals zu einer Nervosität führen dürfen. Und es hätte gerne darauf hingewiesen werden können, daß sich auch manche stärkereiche Kartoffelsorte wie z. B. die gute alte „Ackersegen" sehr wohl für die menschliche Ernährung eignet.
Dadurch, daß die Aufklärung erst einsetzte, als das Kind bereits im Brunnen lag, hatten alle diejenigen, die immer da sind, wenn es darum geht, durch eine sensationelle Stimmungsmache selbst übersichtliche Situationen zu komplizieren, leider sehr viel Zeit. Es wäre auch ein guter Weg gewesen, durch Frachtverbilligungen dafür zu sorgen, daß die Kartoffeln von den Haupterzeugergebieten in die Hauptverbraucherzentren geschleust werden.
Zur Zeit hat sich die Lage auf dem Kartoffelmarkt wieder völlig beruhigt, und es stehen mehr als ausreichende Mengen zu normalen Preisen zur Verfügung.
Die Pieisbewegung auf dem Buttermarkt wurde ganz zweifellos durch die Dürre ausgelöst. Trotzdem hätte es nicht zu den überspitzten Preisen zu kommen brauchen. Die Butterpreise gerieten trotz langer vorhergehender Dürrezeit erst verhältnismäßig spät in Bewegung. Bis in den Oktober 1959 hinein hielten sie sich bei einem Durchschnittsverbraucherpreis von 7 DM pro Kilo. Das waren normale Preise. In den letzten Oktoberwochen kam dann ein plötzlicher Anstieg, der an einigen Orten über 8 DM pro Kilo hinausging und in Hamburg sogar 8,40 bis 8,60 DM erreichte.
Man kann selbstverständlich sagen, daß ein rechtzeitiges Eindecken der Vorratsstelle am Platze gewesen wäre. Ich habe aber für dieses Versäumnis Verständnis, weil es seit hundert Jahren und wahrscheinlich noch viel länger eine derart anhaltende Dürreperiode nicht gegeben hat und sie in ihrem Umfange nicht vermutet werden konnte. Aber leider sind andere Fehler gemacht worden, für die ich weniger Verständnis habe. Dazu gehört, daß die Auslagerungen aus der Vorratsstelle gerade dann aussetzten, als die Preise am stärksten anstiegen. Es sollen nach den mir zugegangenen Informationen zu jener Zeit noch zirka 5000 t Butter auf Vorrat gelegen haben. Ich bin überzeugt, daß diese 5000 t Butter völlig ausgereicht hätten, den Buttermarkt wieder zu normalisieren. Es hat ja effektiv nicht an Butter gefehlt. Jeder hat die Menge, die er haben wollte, kaufen können. Ja, es sind gerade in den teuersten Zeiten die größten Mengen an Butter gekauft worden. Also eine Spitzenmenge von 5000 Tonnen würde meines Erachtens eine sehr beruhigende Wirkung gehabt haben. Ich kann auch nicht einsehen, weshalb mit der Wälzung der Butter, die einer zweckbestimmten Vorratshaltung dient und die jetzt durchgeführt wird, nicht einige Wochen früher hätte begonnen werden können.
Die Aussetzung des Butterzolls ist für alle diejenigen, die dafür gestimmt haben, zu einer großen Enttäuschung geworden. Die Aussetzung ist doch nur erfolgt, um den Verbrauchern die Zollspanne zugute kommen zu lassen, und nicht, um den ausländischen Exporteuren einen Vorteil zu gewähren. Die Aussetzung des Butterzolls war eine innerdeutsche Angelegenheit, die in keiner Weise die Kontrakte mit den ausländischen Lieferanten berührte. Warum mußte man diesen ausländischen Exporteuren, die schon bald wieder froh sein werden, daß wir von ihnen Butter kaufen, ein derartiges Geschenk machen?
Angeblich sind Importe in einer Höhe bis zu 50 000 Tonnen abgeschlossen worden. Der Antrag der SPD, der den Anlaß zu der Aussetzung des Butterzolls gegeben hat, stellte nur auf eine Menge bis zu 20 000 Tonnen ab. 50 000 Tonnen Butter bedeuten unter diesen Umständen ein Geschenk von rund 50 Millionnen DM an die ausländischen Exporteure.
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Man kann auch nicht sagen, daß Lieferschwierigkeiten eingetreten wären, wenn dieses Zugeständnis nicht gemacht worden wäre. Es gibt auch im internationalen Handel die Möglichkeit, Deckungskäufe gegen Kontraktbrüchige vorzunehmen.
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Im übrigen bin ich der Ansicht, daß, wenn nicht die begründete Furcht der Importeure vor dem Risiko dazu führt, daß es nicht zu diesen Einfuhrmengen kommt, wir uns dann sehr bald in diesem Hohen Hause über die Folgen handelspolitischer Maßnahmen werden unterhalten müssen, die im Gegensatz zu der Empfehlung des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes stehen
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und die die Erzeugerpreise für die Milch weit unter die Gestehungskosten drücken werden, weit unter die Preise, die wir bisher jemals gehabt haben. Vielleicht werden wir das auch angesichts des sehr umfangreichen Einfuhrkataloges tun müssen, den die Bundesregierung kürzlich veröffentlicht hat und der in großzügiger Weise die Liberalisierung, die mit der EWG auf uns zukommt, schon vorwegnimmt.
Ich weigere mich zu glauben, daß der Bundesernährungsminister diese Maßnahmen für richtig hält, daß er nicht die Gefahren sieht, die die jetzt anlaufenden Einfuhren von 50 000 Tonnen Butter oder die Einfuhr von in der Menge nicht begrenztem Gefrierfleisch in sich tragen, daß er nicht die Auswirkungen der Herabsetzung des Zolls für Bohnenkonserven in ihrer vollen Tragweite übersieht.
Wir stehen schon bald vor einer Milchschwemme. Wir haben zur Zeit niedrigere Rinderpreise, niedrigere Schweinepreise als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Wir haben Erzeugerpreise für Konservenbohnen von 19 Pfennig pro Pfund mit der Konservenindustrie vereinbart gehabt. Von diesen 19 Pfennig gehen 7 Pfennig für Pflücklohn, 1 Pfennig für Transport und 3 Pfennig für Saatgut ab, so daß pro Pfund 8 Pfennig dem Erzeuger für seine Arbeit und sein Risiko verbleiben. Die Gemüsebestände in den Läden sind keineswegs geräumt. Ich habe mich sehr eingehend danach erkundigt. Dazu kommen jetzt die zollbegünstigten Einfuhren. Die Konservenfabriken werden angesichts dieser Lage nicht einmal mehr den vorjährigen Preis von 19 Pfennig pro Pfund zahlen wollen. Damit wird dann der Anbau von Bohnen sein natürliches Ende finden. Allen, die für diesen Fall auf das Ausland hoffen, sei gesagt, daß wir von dort noch niemals billig beliefert worden sind, wenn die eigene Erzeugung kein marktregulierender Faktor mehr war. Hierauf möchte ich sehr nachdrücklich hingewiesen haben.
Wenn Sie aber, Herr Minister Schwarz, diese Gefahren ebenso wie ich sehen - ich erwarte keine Antwort darauf -, wenn Sie nur infolge eines nicht ausgewogenen Kräfteverhältnisses im Kabinett Ihre bessere Einsicht einer höheren Einsicht unterordnen mußten oder unterordnen zu müssen glaubten, dann möchte ich Ihnen zurufen: Landgraf, werde hart! So geht es nicht weiter!
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Meine Feststellungen wären jedoch unvollkommen, wollte ich nicht auch im Zusammenhang mit der Butterpreisbewegung sehr nachdrücklich darauf hinweisen, daß die psychologische Beeinflussung des Marktes durch so manche Auslassung in der Öffentlichkeit ein Schulbeispiel dafür ist, wie es nicht gemacht werden darf, wenn einem daran liegt, einen unruhig gewordenen Markt wieder in solide Bahnen zurückzuführen.
Die Landwirtschaft kann kein Interesse daran haben, daß sich überhöhte Preise bilden. Ihr ist mit auskömmlichen, aber stabilen Preisen viel mehr gedient. Butterverbraucher, die zur Margarine abwandern, müssen erst wieder zurückgewonnen werden; es ist besser, man verliert sie nicht erst. Die Margarineindustrie hat natürlich das ihre dazu getan, durch eine unerhörte Reklame und durch eine Preissenkung gerade zu der Zeit der höchsten Butterpreise ihr Geschäft zu machen. Die Margarineindustrie kann wohl lachen, da gerade sie einen Schutz genießt, der in der ganzen Welt einmalig ist,
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und da sie darüber hinaus auch noch aus dem Grünen Plan großzügig unterstützt wird.
Die Butterpreise sind inzwischen wieder auf einen normalen Stand zurückgegangen; sie liegen bei etwa 7 DM pro Kilogramm. Es spricht vieles dafür, daß nicht nur die Knappheit überwunden ist, sondern daß wir schon bald vor einem Überangebot mit allen Folgen stehen werden.
Von der sozialdemokratischen Fraktion sind im Zusammenhang mit dem Geschehen auf dem Buttermarkt die Einfuhr- und Vorratsstellen und damit die Marktordnung einer lebhaften Kritik unterzogen worden. Ich möchte sagen, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen als Instrument der Marktordnung unentbehrlich sind und sich grundsätzlich durchaus bewährt haben. Es liegen keine Strukturfehler vor, sondern Regiefehler, und die lassen sich beseitigen.
Innerhalb der EWG werden wir - das kann man aus dem Protokoll der Kommission über die letzte römische Tagung entnehmen - die Marktordnung auf dem Gebiet der Veredelungswirtschaft sogar noch sehr viel weiter ausbauen; das wird besonders nachhaltig von dem Sozialisten Mansholt gefordert. Wenn aber immer größere Mengen Weichweizen und andere nicht benötigte Einfuhren, die nur aus politischen Gründen und im Interesse der Exportindustrie getätigt werden, auf die Einfuhr- und Vorratsstellen zukommen und man nicht bereit ist, die erforderlichen Mittel zu geben - auch das zeichnet sich bereits ab -, dann darf man sich nicht über gelegentliche Funktionsstörungen wundern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine kurze Bemerkung über den Protektionismus überhaupt einflechten. Wir Liberalen wünschen den Abbau protektionistischer Maßnahmen, soweit das nur irgend möglich ist. Wir sind aber nicht so wirklichkeitsfremd, daß wir nicht sehen, in welchem Umfange die ganze Wirtschaft - nicht nur in Deutschland, sondern auch in der gesamten westlichen Welt - protektionistisch dirigiert wird. Wo alles liebt, können wir allein nicht hassen.
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Die Landwirtschaft kann entgegen überlieferter Auffassung von einem Abbau der protektionistischen Maßnahmen auf allen Gebieten im europäischen Raum nur profitieren. Die einzige Voraussetzung ist dann nur, daß überall gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Leider sind wir hiervon noch sehr weit entfernt.
Die deutsche Landwirtschaft muß zu denselben Preisen erzeugen können wie beispielsweise die holländische, die hier so oft zitiert wird, und sie kann das auch. Aber sie steht in einem unmöglichen Wettbewerb. Die holländische Landwirtschaft produziert ihre Veredelungserzeugnisse zu einem großen Teil mit zollbegünstigten ausländischen, also billigen Futtermitteln. Das könnten wir natürlich auch tun, aber das würde zu einer Veredelungsproduktion führen, für die einfach der Markt fehlt. Wir würden dann nicht nur in kürzester Frist vor dem Zusammenbruch der Veredelungswirtschaft, sondern auch der Getreide- und der Hackfruchterzeugung stehen. Aus diesem und nur aus diesem Grunde wird unsererseits, aber auch seitens der Regierung, was ich gern zugebe, alles getan, um das Getreidepreisproblem innerhalb der EWG seiner Bedeutung entsprechend zu behandeln.
Im übrigen sind die holländischen Agrarpreise auf dem deutschen Markt das Ergebnis einer Subventionspolitik, gegenüber der wir in Deutschland geradezu in den Anfängen stecken.
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600 Millionen Gulden, also etwa eine halbe Milliarde D-Mark, wurden in einem einzigen Jahr für die Stützung der Milchwirtschaft in Holland ausgegeben. Das macht, auf deutsche Verhältnisse übertragen, einen Betrag von 3 Milliarden DM aus. Im Grünen Plan sind 354 Millionen DM hierfür vorgesehen.
Ich glaube, daß das Wissen um diese Dinge, das leider nicht allzusehr verbreitet ist, eine gerechte Urteilsfindung wesentlich erleichtern könnte. Ich habe wiederholt auf die Bedeutung der psychologischen Beeinflussung der Verbraucher im guten und im bösen Sinne hingewiesen. Ein mahnendes Wort aus diesem Hohen Hause dürfte sehr am Platze sein. Was in den letzten Wochen an Diskriminierung der Landwirtschaft geschehen ist, übersteigt jedes erträgliche Maß und ist ein einziges großes Unrecht.
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Einem so schwer um seine Existenz ringenden Berufsstand - das sind nicht nur Worte, sondern Tatsachen -, der nachweislich keine Rentabilität hat - alle Jahre beweist das der Grüne Bericht -, für den die 40-Stunden-Woche eine Fata Morgana ist, dessen Fremdarbeitskräfte mit ihrem Stundenlohn um mehr als 1 DM unter dem der vergleichbaren gewerblichen Löhne liegen
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- Herr Kollege Bading, wenn Sie genau zuhörten,
würden Sie von manchen Irrtümern befreit werden
einem Stand, dessen Familienarbeitskräfte wiederum nur einen Bruchteil dessen bekommen, was die Fremdarbeiter beziehen, einem Berufsstand, dessen völlig unzulängliche Investitionen nur mit Schulden vorgenommen werden können, die verzinst und amortisiert werden müssen durch Lohnverzicht, einem solchen Berufsstand wirft eine Gewerkschaftszeitung rücksichtsloses Gewinnstreben vor,
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und eine große Tageszeitung meinte kürzlich, daß die Verbraucher mehr Ursache hätten, auf die Barrikaden zu gehen, als die Erzeuger. Ich bin der Ansicht, daß weder die Verbraucher noch die Erzeuger Ursache haben, auf die Barrikaden zu gehen. Wenn noch einmal Barrikaden in Deutschland errichtet werden sollten, dann werden das die letzten sein, die in Freiheit errichtet werden. Was sollen solche aufwühlenden und Zwietracht säenden Worte!
Nicht minder unbegreiflich und in der Wirkung noch schwerwiegender ist es, daß die Regierung es unterlassen hat, so ausreichend und rechtzeitig aufklärend zu wirken, daß es zu einer derart verzerrten Meinungsbildung gar nicht kommen konnte. Sie hat das nicht nur unterlassen, sondern noch Öl ins Feuer gegossen. So heißt es im Bulletin des Presse-und Informationsamtes vom 27. November 1959, daß die Regierung mit Sorge die Preisentwicklung der jüngsten Vergangenheit verfolge, zumal da die Geldwertstabilität nach wie vor ihr oberstes Ziel sei. Das wird von uns nicht bestritten. Aber dann heißt es weiter: die Preissteigerung auf dem Agrarsektor habe erhebliche Beunruhigung unter der Bevölkerung ausgelöst.
Hier kann es sich doch nur um Preissteigerungen handeln, die, wie ich vorhin aufgezeigt habe, nicht ganz ohne Schuld der Regierung entstanden sind - durch Unterlassen, nicht durch das, was sie getan hat. Es ist nur noch ein kleiner Schritt von dieser Formulierung bis zu der Behauptung, daß die Bauern die Währung gefährden. Jedermann weiß doch, daß die Landwirtschaft immer ein währungserhaltender Faktor und niemals ein währungszerstörender gewesen ist.
So verhält sich eine Regierung, die sich in ihrer Agrarpolitik so lange Illusionen hingegeben hat, bis es zu spät war, die Agrarpreise reibungslos dem allgemeinen Preisgeschehen anzupassen. Das duldet der Herr Bundeskanzler, dessen Rhöndorfer
Versprechen von 1951 bis heute noch nicht eingelöst wurde und dessen Politik, was die EWG anbetrifft, ganz zweifellos - ich will nicht über Wert oder Unwert der EWG sprechen - weitere große, noch gar nicht zu übersehende Opfer von der deutschen Landwirtschaft fordern wird. Demgegenüber verlieren die Erklärungen des Verstehens und des Wohlwollens für die Landwirtschaft - besonders die rührenden, gefühlsbetonten Worte an die Adresse der Bauersfrau -, die regelmäßig und reichlich vor den Wahlen gespendet werden, doch sehr an Wert.
Nun noch ein Letztes. Es geht nicht an, das Agrarpreisgeschehen losgelöst von dem allgemeinen Preisgeschehen zu behandeln. Ich deutete das vorhin schon an. Das Budget der Hausfrau wird nicht nur durch die Lebensmittelpreise belastet, sondern in noch größerem Maße von tausend anderen Dingen, die ein Haushalt in unserer modernen Zeit nicht mehr entbehren kann. Angesichts des schwindenden Anteils der Ausgaben für Lebensmittel im Verhältnis zu all den anderen Ausgaben, die ein Haushalt hat,
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sollte man nun endlich damit aufhören, die Lebensmittelpreise zu politischen Preisen zu stempeln. Dann sind ungezählte Preise für andere Produkte auch politische Preise.
Aber wer spricht von den ganz zweifellos in vielen Fällen zu hohen Preisen für diese Artikel? Die überhöhten Preise auf dem Gebiet der industriellen und gewerblichen Wirtschaft einschließlich der immer neuen Lohnbewegungen, die wirklich ein sehr ernstes Problem darstellen, werden gegenüber der Kritik an den Lebensmittelpreisen mit geradezu vornehmer Zurückhaltung bedacht.
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Dort liegen die Ursachen für eine Gefährdung der Währung. Herr Präsident Blessing hat sich kürzlich in Essen hierüber eindeutig geäußert. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich ihn zitieren; er hat gesagt:
Man kann von den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften schwer ein Maßhalten verlangen bei der Lohnforderung, wenn die Produktivitätsgewinne in übertriebenem Umfang bei den Unternehmern verbleiben. Die Unternehmer haben es recht oft versäumt, dort, wo die Produktivitätszunahme es erlaubt hätte, auf diese Weise ihre Preise zu senken.
Wir können uns dem nur anschließen, und wenn Herr Professor Erhard etwas Ähnliches sagte, so können wir diese Einstellung nur begrüßen. Wir meinen nur, daß schon lange, sehr lange etwas hätte geschehen müssen und daß es inzwischen sehr spät hierzu geworden ist.
Der überhitzte Teil der deutschen Wirtschaft läuft dem unterkühlten einfach davon. Er schreibt den Zurückgebliebenen die Preise, die Löhne und die sozialen Leistungen vor. Und wo diese nicht mehr folgen können -- das trifft auch für die Landwirtschaft zu -, werden die Spannungen immer größer. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein hochpolitisches Problem, das gar nicht ernst genug genommen werden kann. Die Bremse der Diskonterhöhung trifft die überhitzte Wirtschaft sehr viel weniger als gerade den zurückgebliebenen Teil. Diese Diskonterhöhung trifft nicht zuletzt die Landwirtschaft hart, deren Ausgaben und Einnahmen immer noch in einem Mißverhältnis stehen. Dafür bezieht die Landwirtschaft dann auch noch die Prügel einer ungerechten Kritik.
Meine Damen und Herren, die FDP denkt nicht daran, sich der so billigen Stimmungsmache gegen die Landwirtschaft anzuschließen. Sie ist der Ansicht, daß ein so großer und hart arbeitender Berufsstand, wirtschaftspolitisch und gesellschaftspolitisch gesehen, nicht von der Warte taktischer, wahlpolitischer Überlegungen aus gewertet werden darf, sondern ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gewertet werden muß, einer Gerechtigkeit, die unteilbar ist und die meine Partei auch gegenüber allen anderen Berufsschichten, denen Unrecht geschieht, jederzeit zu üben gewillt ist.
Die agrarpolitische Konzeption der FDP führt nicht zu einer Bevorzugung der Landwirtschaft. Die berechtigten Belange der Verbraucher liegen ihr nicht minder am Herzen. Sie will vor allen Dingen ausgeglichene Preise, mit denen sowohl die Erzeuger wie die Verbraucher und namentlich die Hausfrauen auf lange Sicht rechnen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die heutige Debatte über die Preise. Diese Aussprache war nach all den vielen Reden und Auslassungen in der Presse in der letzten Zeit wirklich notwendig, und wir hoffen, daß sie heute in Klarheit und Sachlichkeit geführt wird. Herr Bading hat vorhin schon festgestellt, daß die Landwirtschaft an den Preissteigerungen, die wir in den letzten Monaten hatten, nicht schuld ist. Damit ist zugleich bereits gesagt, daß man dann auch die Landwirtschaft als unschuldigen Berufsstand nicht bestrafen kann, indem man Maßnahmen trifft, wie sie sich jetzt aus dem Bestreben der Bundesregierung ergeben, zu einer Preissenkung zu kommen. Ich möchte mich heute mit all den Maßnahmen beschäftigen, die inzwischen getroffen worden sind, und auch mit denen, die noch getroffen werden sollen und die nach meiner Auffassung das Agrarpreisniveau in den nächsten Monaten stark nach unten drücken werden.
Zunächst will ich aber noch kurz allgemein zu den Ursachen vorübergehender Preiserhöhungen Stellung nehmen. Hier liegt kein agrarpolitisches Versagen vor, sondern die wirkliche Ursache ist eine Naturkatastrophe, eine Dürre, hervorgerufen durch die Sonne, die über der Bundesrepublik und über vielen Nachbarländern den ganzen letzten Sommer hindurch gebrannt hat. Die Auswirkungen der Dürre zeigen sich in den Nachbarländern noch
viel stärker als in der Bundesrepublik. In Holland, Dänemark und besonders der Schweiz gibt es Preissteigerungen. All das ist heute schon hervorgehoben worden.
Nach meiner Auffassung wäre es nicht gut, wenn wir einen vollständigen Verbraucherschutz gegen Auswirkungen einer solchen Naturkatastrophe hätten. Wir sollten in der Wirtschafts- und auch in der Agrarpolitik bemüht bleiben, die Funktion der Preise zu erhalten, die doch oftmals eine heilsame Wirkung haben können. Wenn eine Ware knapp ist, muß es das Bestreben sein, auf Waren auszuweichen, die reichlicher vorhanden sind. Wenn eine Ware knapp ist, wird ein höherer Preis die Landwirtschaft oder die betreffenden anderen Betriebszweige veranlassen, mehr Ware an den Markt zu bringen. Es ist falsch, immer wieder Monatsvergleiche bei den Preisen anzustellen. Man sollte da einen besseren Vergleichsmaßstab nehmen. Die letzte Preissteigerung wäre gar nicht so sehr in Erscheinung getreten, wenn statt der Monatsvergleiche ein Jahresdurchschnittsvergleich der landwirtschaftlichen Preise genommen worden wäre.
Die Landwirtschaft ist durchaus an einem stabilen Preisniveau interessiert; es liegt im Interesse von Erzeugern und Verbrauchern. Aber, meine Damen und Herren, Sie werden der Landwirtschaft zugestehen, daß ein solches stabiles Preisniveauich denke an ein Jahresdurchschnittspreisniveau - der allgemeinen Einkommensentwicklung in den übrigen Wirtschaftszweigen angepaßt bleiben muß.
Gestatten Sie mir noch ein weiteres Wort zu den Auswirkungen der Preiserhöhung. Sicher ist eine Steigerung der Lebenshaltungskosten festzustellen; aber ich finde, die Zahlen über die Entwicklung in den letzten Monaten sind doch übertrieben, weil man mit dem Jahre 1958 verglichen hat, in dem die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, vor allem im Oktober, einen im Verhältnis zu den Vorjahren beachtlichen Tiefstand erreicht hatten.
Die Preissteigerung bei Nahrungsmitteln hat sich besonders empfindlich auf die Bezieher von kleinen Einkommen ausgewirkt. Von der Bundesregierung müßte hier etwas getan werden. Wir von der Landwirtschaft möchten nicht, daß den unteren Einkommensgruppen die Butter vom Brot genommen wird. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß z. B. die Aufbesserung der Kriegsopferrenten nicht bis zum 1. Juni hinausgezögert werden darf; man wird sich, wenn neue Lohnwellen kommen - sie sind schon angekündigt -, für einen früheren Zeitpunkt entschließen müssen.
Die steigenden Ausgaben für die Ernährung sind nicht allein auf die Preiserhöhungen bei den Erzeugnissen der einheimischen Landwirtschaft zurückzuführen; sie sind vielmehr mit bedingt durch eine starke Zunahme des Verbrauchs von Genußmitteln und durch eine gewisse Verteuerung dieser Genußmittel. Ich bitte zu berücksichtigen, daß wir in Westdeutschland in den letzten Jahren auch eine starke Zunahme des Verbrauchs hochwertigerer Nahrungsmittel zu verzeichnen haben. So waren beispielsweise 1958 etwa 57 % der Mehrausgaben
auf eine Verbesserung der Nahrung zurückzuführen. Auch dieser Gesichtspunkt muß mit beachtet werden.
Wie man abschließend feststellen kann, war die letzte Preiserhöhung nur kurzfristig, und die allgemeine Einkommensentwicklung hat damit durchaus Schritt gehalten, wie Herr Bundesminister Erhard vorhin ausgeführt hat. Wenn das so ist, muß ich doch sagen, daß von gewisser Seite in den letzten Monaten die Preisentwicklung sehr dramatisiert worden ist. Das ging von den Kartoffeln bis zu den Weihnachtsbäumen.
Nun noch eine kurze Stellungnahme zu einigen landwirtschaftlichen Einzelerzeugnissen. Meine Fraktion hat immer die Auffassung vertreten, daß es bei Speisekartoffeln kein besonderes Problem gegeben hat. Die Preissteigerungen bei den Speisekartoffeln ergaben sich auf Grund der verschiedenen Entwicklung bei den einzelnen Sorten. Es wäre gut gewesen, wenn dazu früher, als es geschehen ist, von amtlicher Seite Stellung genommen worden wäre. Es ist Tatsache, daß in diesem Herbst Speisekartoffelsorten, die 1958 noch gefragt und verkäuflich waren, entweder nur weit unter Preis verkauft werden konnten oder unverkäuflich waren. Verlangt waren dagegen gewisse Spitzensorten. Bei ihnen ergab sich ein starker Preisanstieg, weil ihre Ernte gering war.
Ich möchte mich dann mit dem von der SPD erhobenen Vorwurf auseinandersetzen, daß die Marktordnung einseitig gehandhabt worden .sei, und der sich überhaupt gegen die Einfuhr- und Vorratspolitik richtete. Daß ein solcher Vorwurf nicht berechtigt ist, möchte ich an einem Beispiel beweisen, an den Kartoffeln.
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Ich möchte auf ein bestimmtes Beispiel eingehen, das Sie vorhin erwähnt haben, nämlich auf den Kartoffelpreis im September 1959. Der Kartoffelpreis lag im September 1959 in der Bundesrepublik mit an niedrigster Stelle. In Frankreich zahlte man im September 1959 für 100 kg Kartoffeln 16,65 DM, in Italien 16,05 DM, in Belgien 15,90 DM, in der Bundesrepublik Deutschland 16,10 DM. Das war ein Jahr mit einer knappen Ernte bei gewissen Spezialsorten - ich will mich vorsichtig ausdrücken - von Speisekartoffeln.
Wenn hier von einer einseitigen Handhabung der Einfuhrpolitik gesprochen wird, dann muß man auch einmal einen Vergleich mit Jahren ziehen, in denen wir eine reichliche Kartoffelernte hatten und in denen die Speisekartoffeln entsprechend billig waren. 1957 betrugen die Preise in den von mir soeben angeführten Ländern: in Frankreich 14,45 DM - für Italien liegt keine Notiz vor -, in Holland 11,55 DM, in Belgien 7,95 DM und in der Bundesrepublik 9,10 DM. Diese Aufstellung zeigt, daß in den Jahren mit reichlicher Kartoffelernte die Kartoffeln hei uns billiger waren als in den meisten Ländern der EWG. Man hat aber damals nicht daran gedacht, den Zollsatz zu erhöhen. Jetzt wurde aber eine Aussetzung des Zollsatzes beschlossen. Ich
glaube, dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, daß bei Kartoffeln nicht von einseitigen Maßnahmen zugunsten des Erzeugers gesprochen werden kann.
Nun ein anderes Erzeugnis, die Butter: Hier ist inzwischen für den Verbraucher „alles in Butter". Die Erzeuger haben aber wieder neue Sorgen. Bis vor wenigen Monaten wurden von der Opposition immer die höheren Vorräte der Einfuhr- und Vorratsstellen und die dadurch entstehenden höheren Lagerhaltungskosten kritisiert. In der letzten Zeit war das anders. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, daß sie bei der Butter zu spät geschaltet und sich nicht rechtzeitig um eine bessere Versorgung bemüht habe. Ich darf feststellen, daß das Bundesernährungsministerium in die zweite Dürreperiode mit einem Buttervorrat von etwa 20 000 t hineinging. Ich darf weiter feststellen, daß die Milcherzeugung .in der Bundesrepublik bis dahin noch über der Milcherzeugung von 1958 lag. Wir gingen also in die zweite Dürreperiode mit einer reichlichen Versorgung.
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Nun kam allerdings die zweite Dürreperiode; und hier ist es tragisch, daß sie nur der Kollege Kriedemann und sonst niemand vorausgesehen hat. Gerade dann nahm allerdings der Trinkmilchverbrauch sehr stark zu; die Buttererzeugung ging infolgedessen zurück. Ich möchte aber ausdrücklich feststellen, daß die Milcherzeugung, die Milchanlieferung an die Molkereien insgesamt in den letzten Monaten nicht niedriger gewesen ist als im Jahre 1958.
Sehr deutlich zeigt sich auch, wie stark das Bundesernährungsministerium bemüht war, den Markt zu versorgen. Im Oktober 1959 standen für den Markt 36 000 t Butter zur Verfügung. Im Monat Oktober 1958 waren es 32 600 t. Der Mehrverbrauch - trotz steigender Preise - im Oktober 1959 wird auf etwa 2100 t geschätzt.
Die Landwirtschaft hat durchaus kein Interesse an hektischen Preissteigerungen, wie sie bei Butter vorgekommen sind. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die Ursachen dieser Preissteigerungen nicht in landwirtschaftlichen Kreisen zu suchen sind. Wir hätten es lieber gesehen - das ist auch im Ernährungsausschuß zum Ausdruck gekommen -, wenn statt der Zollaussetzung eine Regelung der Buttereinfuhren über die Einfuhr- und Vorratsstelle erfolgt wäre. Eine solche Regelung wäre wirksamer gewesen.
Die neue Situation aber, die wir jetzt bei der Butter haben, gibt uns zu großen Sorgen Anlaß. Wir haben meiner Auffassung nach eine verhältnismäßig geringe Fehlmenge bis zum März; das Bundesernährungsministerium beziffert sie auf etwa 8000 bis 10 000 t. Es sind aber schon Importe in Höhe von 50 000 t in Aussicht genommen. Wir sind also in Gefahr, uns einen neuen Butterberg zu importieren. Auf diese Gefahr möchte ich besonders hinweisen.
Ich bedauere, daß Herr Minister Schwarz vorhin auf die Anfrage der SPD über ihre Preisvorstellungen bei Butter keine klare Preisansage gegeben hat.
Herr Minister Schwarz, ich kann Ihren Argumenten nicht ganz zustimmen. Sie haben u. a. gesagt, man werde bemüht sein, den Butterpreis auf dem Niveau vom Kalenderjahr 1958 zu halten. Ich darf darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft schon im Wirtschaftsjahr 1958/59 gegenüber dem Vorjahr einen Milchpreisrückgang um 1,6 Pf je Liter und infolgedessen einen Mindererlös von rund 220 Millionen DM hatte. Herr Minister Schwarz, wenn Sie hier sagen: „Butterpreis des Kalenderjahres 1958", dann möchte ich die Frage an Sie richten: Sind Sie, wenn wir diesen Butterpreis akzeptieren sollen, bereit, dann auch das Kraftfutter für unsere Milchkühe zu den Preisen des Kalenderjahres 1958 zur Verfügung zu stellen? Es ist doch Tatsache, daß in der Zwischenzeit die Unkosten gerade bei der Milcherzeugung sehr erheblich gestiegen sind.
Meine Damen und Herren, ich behandle dieses Thema etwas ausführlicher, weil ein Rückgang des Milchpreises vor allen Dingen eine Vielzahl von bäuerlichen und kleinbäuerlichen Betrieben trifft. Jeder Preisrückgang bei Milch senkt den Familienlohn in der Landwirtschaft. Deshalb ist es wichtig, gerade hier die Entwicklung der Erzeugerpreise sehr genau zu beobachten.
Ich will mich bei der Butter nicht lange damit befassen, wieweit hier in den letzten Monaten eine einseitige Auslegung der Marktordnung erfolgt ist, weise aber darauf hin, daß auch in den Nachbarländern die Butterpreise stark gestiegen sind. Herr Kollege Köhler hat vorhin schon auf die holländische Situation aufmerksam gemacht. Ich glaube, die deutsche Landwirtschaft wäre durchaus bereit, über eine Milchpreisregelung zu verhandeln, wie sie Holland hat. Der holländische Erzeuger hat einen Garantiepreis für Milch von 32 Pf. Der wird so oder so, unabhängig vom Butterpreis, ausgezahlt. Aber das würde hier eine Subvention von 8 bis 9 Pf je Liter Milch kosten. Das bitte ich zu beachten. Ich bitte aber auch zu beachten, daß trotz der Dürre der Trinkmilchpreis unverändert geblieben ist und daß - wenn ich das noch einmal sagen darf - die Erzeugerpreise jetzt bei Butter sogar unter den Vorjahrspreisen liegen.
Herr Kollege Bading hat vorhin gesagt, die Landwirtschaft sei nicht schuld an den jetzigen Preisauswirkungen. Ich bin der Auffassung, daß die Landwirtschaft, wenn sie unschuldig ist, auch nicht bestraft werden darf, daß man ihr nicht die Folgen der Entwicklung aufhalsen darf, die sich auf dem Buttersektor - in Richtung auf einen „Butterberg" - anbahnt. Herr Bading, wenn Sie sagen, die Landwirtschaft sei hier unschuldig, müssen Sie mir auch zustimmen, wenn ich sage, der Butterzoll, der vor kurzem ausgesetzt worden ist, müsse sofort wieder eingeführt werden. Meiner Ansicht nach muß er wieder eingeführt werden, wenn wir Preisabbröckelungen verhindern wollen, die für eine Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe verhängnisvoll werden könnten.
Nun noch eine ganz kurze Stellungnahme zu den Fleischpreisen. Es ist bereits gesagt worden, daß die Erzeugerpreise in diesem Jahr weit unter die des Vorjahres gesunken sind. Die Eingriffe der Einfuhr5208
und Vorratsstelle bei Rindern waren berechtigt. Es konnte der Landwirtschaft nicht zugemutet werden, bei Notverkäufen auch noch Spottpreise hinzunehmen. Hier war die Entwicklung der Preise auch volkswirtschaftlich durchaus gerechtfertigt. Bei den Schweinepreisen haben wir in der Zwischenzeit einen neuen Tiefstand erreicht, und mir ist nicht erklärlich, warum neulich im Bulletin der Bundesregierung geschrieben wurde, daß ein Schweinepreis von zur Zeit 1,34 DM dem Bundesernährungsministerium immer noch zu hoch erscheine. Ich darf darauf hinweisen, daß wir im Jahre 1958/59 einen Durchschnittspreis von 1,31 DM erreicht hatten, daß dieser Durchschnittspreis des Jahres 1958/59 aber auch bereits der Durchschnittspreis des Jahres 1954 war und damals trotz geringerer Kaufkraft von den Verbrauchern durchaus hingenommen worden ist.
Zu den Handelsspannen, über die heute morgen wiederholt gesprochen worden ist, wollte ich eigentlich nichts sagen. Ich möchte aber auch nicht ganz daran vorbeigehen, weil wir als Landwirte ja in Gefahr sind, für die überhöhten Vermarktungsspannen, die wir auf verschiedenen Gebieten haben, bestraft zu werden. Daß die Handelsspannen größer geworden sind, ist durch neutrale Institute auf Grund genauester Untersuchungen festgestellt worden. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften, aber auch die Konsumvereine, sollten versuchen, diese Handelsspannen zu korrigieren. Es ist besser, hier wird jetzt gehandelt, als daß noch viel über diese Dinge geredet wird.
Noch ein Hinweis zur Agrarpolitik. Ich bringe ihn vor allem deshalb noch, weil ich der Auffassung bin, daß die Einfuhrpläne der Bundesregierung, von denen hier ebenfalls schon gesprochen worden ist, bereits jetzt zu Preisstürzen führen und unser landwirtschaftliches Preisniveau in der nächsten Zeit noch weiter in Bewegung bringen werden. Es ist notwendig, hier an den § 1 des Landwirtschaftsgesetzes zu erinnern. Dieser Paragraph darf nicht nur auf dem Papier stehen; vielmehr ist die Bundesregierung verpflichtet, nach ihm zu handeln, und sie sollte dieser Verpflichtung nachkommen.
Herr Minister Erhard hat heute morgen viel Beifall bekommen, als er in seiner Rede auf die allgemeine Entwicklung der Preise einging. Ich stimme ihm in vielem zu, muß ihm aber doch einen Vorwurf machen. Nach Pressemeldungen, die uns vorliegen, hat der Bundeswirtschaftsminister - ich bedauere, daß er nicht mehr anwesend ist - in der letzten Zeit sehr wenig Rücksicht auf die Belange der Landwirtschaft genommen. Er scheint meiner Ansicht nach nicht bereit zu sein, einem zahlenmäßig schwächeren Berufsstand in schwierigen Situationen die notwendige Unterstützung zu gewähren.
In Verbindung mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik darf ich weiter darauf aufmerksam machen, daß trotz Landwirtschaftsgesetz und Grüner Pläne das Je-Kopf-Einkommen in den landwirtschaftlichen Betrieben, besonders in den bäuerlichen Betrieben und hier vor allem auch in den Familienbetrieben, die ja in der Aussprache immer wieder so sehr herausgestellt werden, nach wie vor - das ergibt sich aus dem Vergleich mit der Industrie und dem Gewerbe - auf der untersten Stufe steht. Das Erschütternde ist, daß das landwirtschaftliche Je-Kopf-Einkommen dem Je-Kopf-Einkommen in der Industrie und im Gewerbe nicht einmal nähergekommen ist. Ich befürchte, daß die neue Lohnwelle, die jetzt angekündigt wird, den Abstand der Landwirtschaft gegenüber Industrie und Gewerbe noch weiter vergrößern wird.
Heute morgen ist festgestellt worden, für die neue Lohnwelle könne nicht die Entwicklung der landwirtschaftlichen Preise die Ursache sein. Ich begrüße es, daß Herr Minister Erhard das heute in aller Deutlichkeit gesagt hat. Ich möchte aber doch meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, daß mit dem Voreilen konjunkturbegünstigter Bereiche der Wirtschaft die Gefahr immer wieder neuer Lohnwellen entsteht. Auch vom Standpunkt der Agrarpolitik aus ist es bedauerlich, daß Rationalisierungserfolge dort, wo sie erreicht sind, nicht auch zu Preissenkungen geführt haben.
Wir hätten in der Landwirschaft bei Preisforderungen kürzer treten können, wenn die landwirtschaftlichen Betriebsmittel in den letzten Jahren durch Preissenkungen verbilligt worden wären. Die neue Lohnwelle im Baugewerbe zeigt, daß wir auch hier noch Preissteigerungen zu erwarten haben. Ich weiß nicht, wie es möglich sein soll, den in der Landwirtschaft vorhandenen Nachholbedarf auf dem Bausektor bei den steigenden Preisen überhaupt noch irgendwie vor der Eingliederung in die EWG zu befriedigen.
Ein typisches Beispiel, wie eine Wirtschaftspolitik nicht gemacht werden sollte, ist die Entwicklung bei einem anderen Betriebsmittel der Landwirtschaft, bei den Düngemitteln. Wir hatten Herrn Minister Erhard im vorigen Jahre wiederholt bei Gelegenheit Kleiner Anfragen gebeten, keine Preiserhöhungen für die Düngemittelindustrie zu bewilligen. Wir hatten darauf hingewiesen, daß die Bilanzen der Düngemittelindustrien sehr günstig seien. Wir hatten auch darauf hingewiesen, daß z. B. bei Stickstoff sogar ein überhöhter Inlandspreis gefordert würde. Nun aber ist bezeichnend für die Überhöhung des Inlandspreises bei Stickstoff ein Preisvergleich, den ich hier anführen möchte. Im zweiten Halbjahr 1958 betrug der Inlandspreis je Kilogramm Ammonsulfat 1,13 DM, zu gleicher Zeit lag der Exportpreis bei 0,81 DM. Wir haben also einen gegenüber dem Exportpreis um 25 bis 30 % höheren Inlandspreis.
Es wird davon gesprochen, daß die Subventionen für die Landwirtschaft langsam abgebaut werden sollen. Die Landwirtschaft muß einen Fortfall der Subventionen bei einem überhöhten Preis dieser Industriezweige kritisieren, weil man die Preise trotz günstiger Tendenzen, trotz überhöhter Inlandspreise vorher erhöht hat. Herr Minister Etzel hat gestern über das Problem der Subventionen nach meiner Auffassung gerechter als im Vorjahr gesprochen. Im vergangenen Jahr wurde die Landwirtschaft einseitig als Nutznießer herausgestellt. Der Bundesfinanzminister ging gestern so weit, anzuerkennen, daß es in der Wirtschaft auch viele unsichtbare Subventionen ,gebe, daß besonders auch
daran gedacht sei, die Siebenerreihen des Einkommensteuergesetzes genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir hoffen, es geschieht, und hoffen weiter, daß nicht einseitig abgebaut wird. Wir haben das Recht, zu verlangen, daß alle im Etat erscheinenden Subventionen überprüft werden.
Die jetzige Entwicklung zeigt, daß wir nicht auf eine Senkung der Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel hoffen können. Schon der Vorgänger des Herrn Ministers Schwarz ist immer wieder enttäuscht worden.
Ich möchte aber doch Herrn Minister Erhard sagen - ich hoffe, es wird ihm ausgerichtet -: Es geht nicht an, daß nur die Landwirtschaft von ihm scharf an die Kandare genommen wird, er zu gleicher Zeit aber in den konjunkturbegünstigten Bereichen, wo nicht maßgehalten wird, die Zügel schleifen läßt. Diese Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftspolitik zwingt uns in der Agrarpolitik immer wieder zu neuen Preisforderungen.
Zum Schluß noch einmal zusammengefaßt: Die Landwirtschaft wünscht keine sprunghaften Preissteigerungen. Was wir in der Agrarpolitik verlangen, ist ein Agrarpreisniveau, das der allgemeinen Einkommensentwicklung ,auf längere Sicht angepaßt bleibt.
Zum Schluß noch einen Appell an Minister Schwarz: Sorgen Sie dafür, daß eine solche Agrarpolitik in der Zukunft geführt wird. Für den Bundesernährungsminister besteht kein Anlaß zu irgendwelchen Entschuldigungen. Vielmehr ist Tatsache, daß eine solche Agrarpolitik der gesamten Landwirtschaftspolitik und durchaus auch der gesamten Volkswirtschaft dient. Wir werden uns aber gegen Maßnahmen wehren, wie sie jetzt angekündigt worden sind, die eine große Gefährdung der Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe mit sich bringen können.
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Meine Damen und Herren, zu diesem Punkt 10 der Tagesordnung sind alle Fraktionen bisher einmal zu Wort gekommen. Es haben sich noch acht weitere Redner gemeldet.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird nicht erwartet haben, daß auf seinen unfairen Angriff, auch nachdem er nach seinem Auftritt den Saal verlassen hat, nicht mehr geantwortet werden würde.
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Lassen Sie mich zunächst drei Feststellungen treffen, die mir für das Auftreten des Herrn Bundeswirtschaftsministers bemerkenswert erscheinen.
Der Herr Bundesernährungsminister hatte am Schluß seiner Rede dem Redner der sozialdemokratischen Fraktion bestätigt, daß er die Große Anfrage in ausgesprochen sachlicher und fairer Weise begründet habe. Diese Worte waren noch nicht ganz verklungen, als der Herr Bundeswirtschaftsminister auf die Bühne trat und uns ein Beispiel an Unfairneß und Maßlosigkeit gab, das in eklatantem Widerspruch zu dieser Feststellung seines Ministerkollegen stand.
({1})
Er hat sich nicht gescheut, obwohl er weiß, wie die Preisentwicklung ist, davon zu sprechen, hier werde eine Debatte „inszeniert".
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Meine Damen und Herren, eine zweite Feststellung: Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat nach dieser Intervention a tempo das Haus verlassen. Das ist eine Mißachtung des Parlaments
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und zugleich eine Mißachtung aller derer, die sowohl durch die Preiserhöhungen als auch durch seine Ausführungen sehr betroffen werden.
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Und eine dritte Bemerkung. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat wieder versucht, seine einseitigen Angriffe zu tarnen und so zu tun, als handele es sich um wohlmeinende Ratschläge an alle Seiten. Er hat sich selber gleich Lügen gestraft, indem er von der Straße sprach, indem er sagte, die Preiserhöhungen seien keine Gefahr. Damit hat er die Verbraucher, die diese Preiserhöhungen zu bezahlen haben, verhöhnt. Er hat gesagt, die kommenden Löhne seien das kritische Element. Damit diffamierte er jene Arbeitnehmer, die nunmehr versuchen müssen, die Entwertung der Mark durch erhöhte Löhne wieder wettzumachen.
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Außerdem muß ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister richtigstellen. Er muß wissen, daß die Lohnforderung der ÖTV nicht auf 20 %, sondern auf 15 % geht; er muß wissen, daß die letzte Lohnerhöhung im Jahre 1957 stattfand, also drei Jahre zurückliegt; er muß wissen, daß es sich darum handelte, den Arbeiter am Produktivitätsfortschritt und am Aufschwung der Wirtschaft für diese drei Jahre zu beteiligen. Schließlich weiß der Herr Bundeswirtschaftsminister, daß wir auf dem Arbeitsmarkt Tarifautonomie mit Verhandlungen haben und daß es sich hier um Forderungen handelt. Was würden Sie sagen, wenn ich hier behauptete, die Arbeitgeber wollten keinen Pfennig geben, es drohe also die Auspowerung der Arbeitnehmerschaft. Das wäre die gleiche Methode, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier angewandt hat.
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Denn natürlich weiß man aus der Erfahrung, daß das Endergebnis etwa um die Mitte zwischen Angebot und Nachfrage liegen wird. Ein Marktwirtschaftler sollte das verstehen.
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Dann möchte ich aber ein Zitat verlesen, das zugleich die Unaufrichtigkeit der Argumentation des Herrn Bundeswirtschaftsministers offenlegt. Wir lesen in den Vorbemerkungen zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1960 auf Seite 13 unter dem Kapitel Löhne:
Das Tariflohnniveau der Arbeiter und Angestellten nahm in der ersten Jahreshälfte 1959 gegenüber dem Vorjahre um 5 v. H. zu. Obwohl für fast 8 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge abgeschlossen wurden, blieben die Aufbesserungen in ihrem Ausmaß hinter den tariflichen Lohnerhöhungen des Vorjahres von etwa 6 v. H. zurück.
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Und der Herr Bundesarbeitsminister hat in seinem Bericht zur Lohnsituation zum 30. Oktober - wenn ich nicht irre; ich bitte, mich auf das Datum nicht festzulegen, entweder September oder Oktober - gesagt:
Insgesamt ist hiernach anzunehmen, daß die
Steigerung der Löhne durch neue Tarifverträge im Jahre 1959 geringer sein wird als in
den Vorjahren, und die geringste seit 1954.
Meine Damen und Herren, wenn das Lohnklima so ruhig ist, d. h. wenn die Lohnentwicklung im laufenden Jahre hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben ist, wie kann der Bundeswirtschaftsminister es wagen, solche diffamierenden Worte gegen diese selbe Arbeiterschaft zu richten?
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Die Unaufrichtigkeit - und ich kann das nicht
anders nennen - ergibt sich auch aus Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers in der Kurzfassung seines Wirtschaftsberichts vom 28. November 1959. Die Druckerschwärze ist noch keine drei Wochen trocken. Dieser Bericht spricht davon, daß man eine lebhaftere Tendenz in der Verbrauchsentwicklung feststelle, und er stellt fest, „die Verbrauchsentwicklung sei nicht etwa die Folge einer stärkeren Aufwärtsentwicklung der Masseneinkommen, die im Gegenteil hinter der im Vorjahr zurückgeblieben ist", sie sei vielmehr überwiegend eine Folge der Preissteigerungen. Meine Damen und Herren, ,das stellt der Herr Bundeswirtschaftsminister fest: Wir haben Verbrauchssteigerungen nicht wegen der Entwicklung der Löhne, die zurückgeblieben sind, sondern wegen der Preissteigerungen, um die es hier heute geht.
In demselben Monatsbericht sagt der Herr Bundeswirtschaftsminister auf Seite 6:
Im dritten Quartal lag das Produktionsergebnis der Industrie je Arbeiterstunde um 7,7 %, im Vorquartal allerdings um 10,4 % über den jeweils entsprechenden Vorjahresziffern.
Also eine ungeheure Steigerung der Produktivität.
Und weiter heißt es:
Die Zuwachsraten für den Lohn je Arbeiterstunde lauten für die gleichen Zeiträume 5,5 % - das ist etwa die Hälfte der Produktivitätssteigerung und 3,8 %,
- das ist etwas weniger als die Hälfte was einen wichtigen Hinweis für die Beurteilung der Preisentwicklung in der Industrie liefert.
Meinen Sie, meine Damen und Herren, daß ein Bundeswirtschaftsminister, der das sachlich feststellen muß, berechtigt ist, so unfaire Angriffe gegen die Lohnpolitik der Gewerkschaften zu führen?
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Um die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers zutreffend zu charakterisieren, eine weitere Ausführung aus seinem eigenen Monatsbericht. Er weiß ganz genau, daß wir nicht nur Preissteigerungen im Ernährungssektor haben, sondern daß leider auch im industriellen Sektor Preissteigerungstendenzen vorhanden sind;
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er weiß auch - vielleicht lesen Sie einmal den Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers -, daß z. B. in der Textilindustrie oder Verbrauchsgüterindustrie innerhalb von sechs bis sieben Monaten eine Preissteigerung zwischen 1 1/2 und 2 % stattgefunden hat.
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Sie können doch nicht fragen, „Wo?", wenn das in allen statistischen Darlegungen festgelegt ist.
Meine Damen und Herren, der Bundeswirtschaftsminister weiß, daß diese Preissteigerungen in erster Linie auf die marktbeherrschende Stellung von Großunternehmungen zurückzuführen sind, die einfach nicht bereit sind, den Produktivitätsfortschritt und die dadurch eintretende Kostensenkung weiterzugeben, sondern die auf Grund ihrer Marktstellung ihre Preise halten wollen.
Da wir heute, wie alle Stellen - Bundesbank und Bundeswirtschaftsminister - feststellen, ein geradezu hektisches, unvernünftiges Verhalten der Industrie zu verzeichnen haben, ergibt sich folgende paradoxe Situation. Wir haben eine geringe Steigerung der Masseneinkommen, eine noch geringere Steigerung der Verbrauchernachfragen, aber geradezu unvernünftige Bestellungen des Handels, der Verbrauchsgüterindustrie und der Investitionsgüterindustrie. Durch dieses unvernünftige Unternehmerverhalten tritt eine Marktsituation ein, in der die marktbeherrschenden Unternehmungen ihre Marktstellung ausnutzen können, während wir eine schwache Nachfrage der Verbraucher haben.
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Dazu sagt der Herr Bundeswirtschaftsminister, der I das weiß:
Durch die Lockerung des Konkurrenzdrucks werden Preissenkungen selbst in den Bereichen verhindert, in denen der Produktivitätsfortschritt außerordentlich groß ist und durch höhere Lohnkcsten keinesfalls voll aufgezehrt wird.
Dann folgt:
Neben solchen „verborgenen" Preiserhöhungen sind in wichtigen Bereichen Preissteigerungen schon klar sichtbar geworden.
Er spricht, Herr Kollege Atzenroth, von der traditionellen Verbrauchsgüterindustrie: „letztere hat ihre Preise seit April um 2,2 % heraufgesetzt." Er fährt fort:
Auch im Oktober setzte sich hier der Preisanstieg fort. Hinzu trat im Berichtsmonat eine merkliche Verteuerung des Angebots der Nahrungsmittelindustrie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Herr Bundesminister für Wirtschaft diesen steigenden Trend feststellt - es handelt sich nicht um einen Monat, den sich irgend jemand unbilligerweise ausgesucht hat -, woher nimmt er dann das Recht, zu sagen: „An den Preisen liegt es nicht"?
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Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein Stück weiter zitieren, weil es mir wichtig erscheint, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu sagen, daß sich ein Parlament nicht gefallen lassen kann, daß er innerhalb von drei Wochen so widersprechende Äußerungen von sich gibt:
Beim Verbraucher sind die Preiserhöhungen von den landwirtschaftlichen Erzeugermärkten her bereits deutlich angekommen.
Und der Herr Bundeswirtschaftsminister fährt fort - nicht wir bringen das hier vor, um eine Debatte zu „inszenieren" -:
Im ganzen haben sich die Kosten für Ernährung binnen Jahresfrist um 6,6 % erhöht. Da außerdem im Vergleich zum Vorjahr bei den meisten anderen Ausgabegruppen, vor allem bei Wohnung und Bekleidung sowie bei verschiedenen Dienstleistungen, die Preise gestiegen sind, während nur Getränke und Hausrat im Preis nachgegeben haben, weist der Preisindex für die Lebenshaltung gegenüber Oktober 1958 eine Erhöhung um 3,7 % auf.
Er sagt dann, daß es sich hier um eine „nicht unerhebliche Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltung" handle, von der vornehmlich solche Bevölkerungskreise betroffen werden, deren Einkommen wie das der oben erwähnten Index-Familie fast zur Hälfte für Nahrungsmittel ausgegeben wird.
({15})
- Ich diskutiere mit Ihnen nur darüber, ob ein Bundeswirtschaftsminister, der ja wohl seine eigenen statistischen Feststellungen kennen muß, hier in der Form auftreten darf, wie es geschehen ist.
({16})
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich nicht gescheut, darauf hinzuweisen, daß in den ersten zehn Monaten des Jahres 1959 das Preisniveau gegenüber den ersten
zehn Monaten 1958 nur um rund 1 % gestiegen ist. Er hat zweifellos recht. Nur, meine Damen und Herren, ist denn die Bundesregierung eigentlich lediglich dann in der Lage, ein einigermaßen stabiles Preisniveau zu sichern, wenn sich krisenhafte Erscheinungen in der Wirtschaft zeigen, wie das Ende 1958 und im ersten Halbjahr 1959 der Fall gewesen ist? Ich erinnere an die Stagnation bei der Kohle, in der Stahlindustrie und in der ganzen Konsumgüterindustrie. Ist es so, daß diese Bundesregierung immer ein bißchen Krise braucht, damit die Preise nicht steigen, weil sie sonst keine Möglichkeit sieht, Preiserhöhungen zu verhindern?
({17})
Es kommt auf den langfristigen Preistrend an, nicht auf die Entwicklung innerhalb von acht oder zehn Monaten. Wir haben von 1950 bis 1954 eine Konjunkturaufschwungsperiode gehabt. In dieser Periode ist das Lebenshaltungskostenniveau um 8 % gestiegen. Wir haben eine zweite Periode von 1954 bis 1958 gehabt. In dieser Zeit ist das Lebenshaltungskostenniveau um 10 % gestiegen. Das ist eine regelmäßige Aufweichung der Kaufkraft der D-Mark um jährlich 2 bis 2 1/2 %. Wenn man angesichts dessen so spricht, wie das der Herr Bundeswirtschaftsminister getan hat, dann ist das eine Verhöhnung des Verbrauchers, der die Kosten dieser Preiserhöhungen zu tragen hat.
({18})
Ich frage mich, wie es eigentlich der Herr Bundeswirtschaftsminister wagen kann, die Dinge so darzustellen, als seien die Preiserhöhungen nicht wichtig zu nehmen, und damit eine so verbraucherfeindliche Haltung zu offenbaren. Wie kommt er dazu, solche Ausfälle zu machen, wie sie hier beinahe haßerfüllt hervorgequollen sind?
({19})
Vielleicht sollte man auch in seinen Ausführungen maßhalten.
({20})
Ich habe mich gefragt, wie der Minister diese einseitige Frontstellung gegen Verbraucher und Arbeitnehmer, wie sie ganz unverkennbar aus seinen Äußerungen herauszuhören war, einnehmen kann. Da fiel mir ein, daß ich in den „Monatsblättern für freiheitliche Wirtschaftspolitik", herausgegeben von Herrn Volkmar Muthesius, der Ihnen und dem Bundeswirtschaftsminister ja nicht ganz fern steht, eine Randnote von Herrn Muthesius - ich will vorsichtig sein: ich nehme an, daß sie von ihm ist; sie ist ohne Namensnennung wiedergegeben - gelesen habe, in der es heißt:
Die Interessen der Produzenten setzen sich
leichter durch als die der Konsumenten. Die
letzteren begehren nicht auf, wenn ihnen ir5212
gendwo ein paar Mark mehr abgezwackt werden, weil es sich für sie nicht lohnt. Bei den Produzenten dagegen sind die paar Mark -auf jedes Erzeugnis! Sie summieren sich also - ein so großer Einkommenszuwachs, daß sich eine entsprechende politische Kampagne gut auszahlt.
({21})
So leuchtet Herr Volkmar Muthesius in die Hintergründe Ihrer Politik:
({22})
Daß Sie glauben eine Politik treiben zu können, die den Konsumenten belastet, weil er sich nicht in einer Weise wehren kann, die sich gut auszahlt. Es ist eine abgrundtiefe Haltung, die hier zum Ausdruck kommt.
Nach dem, was der Herr Bundeswirtschaftsminister ausgeführt hat, darf ich - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - auch noch einige Ausführungen zitieren, die der Herr Präsident der Deutschen Bundesbank aus Anlaß der Diskonterhöhung gemacht hat. Ich wäre dankbar, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister von seinen Herren auf dieses Zitat hingewiesen würde. Es geht nicht an, daß er andere Versionen in die Welt setzt, ohne sich mit solchen Ausführungen wenigstens auseinanderzusetzen. Es heißt in den Ausführungen von Herrn Blessing, Präsident der Bundesbank:
Die Unternehmer haben von der ihnen gebotenen Chance, zur Mengenkonjunktur durchzustoßen, zwar weitgehend Gebrauch gemacht, jedoch nur in der Weise, daß sie die bisherigen Preise nicht erhöht haben. Sie haben es aber recht oft versäumt, dort, wo die Produktivitätszunahme es erlaubt hätte, auch die Preise zu senken.
Die Aufrechterhaltung des allgemeinen Preisniveaus ist nur möglich, wenn unvermeidlichen Preiserhöhungen auf der anderen Seite entsprechende Preissenkungen gegenüberstehen. Seien wir doch ehrlich
- sagt Herr Blessing! -:
in den meisten Unternehmungen ist in letzter Zeit gut verdient worden. Man kann von den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften schwer ein Maßhalten in den Lähnen verlangen, wenn die Produktivitätsgewinne im übertriebenen Umfange dem Unternehmer verbleiben.
({23})
Das sollte sich auch der Herr Bundeswirtschaftsminister einmal zu Gemüte führen.
Unter diesen Umständen hat der Bundeswirtschaftsminister kein Recht, zu behaupten, die Preise seien für die Entwicklung der Konjunktur uninteressant, und gewissermaßen als Ablenkungsmanöver - nachdem er vorher in seinem Bericht festgestellt hat, wie ruhig sich die Löhne verhalten haben auf angeblich ganz gefährliche Lohnentwicklungen hinzuweisen.
({24}) - Bitte schön, Herr Kollege Ruf.
Herr Kollege Dr. Deist, haben Sie von der Rede des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Blessing, vielleicht ein unvollständiges Exemplar vorliegen? - Freut mich sehr, Herr Kollege! Haben Sie übersehen, daß der Präsident der Deutschen Bundesbank in der gleichen Rede einen Appell an die Arbeitnehmer gerichtet hat? Bitte, seien Sie doch so freundlich und lesen Sie auch diesen Absatz noch vor. Denn man muß beides im Zusammenhang sehen; beides gehört zusammen. Die beiden Ausführungen werden auch von uns in vollem Umfange bejaht.
Ich bitte, nur Fragen zu stellen.
Herr Kollege Ruf, ich habe zunächst den ersten Teil zitiert, der mir sehr bedeutsam zu sein scheint, weil er nämlich in den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht zu finden war und weil aus seinen Ausführungen das Gegenteil entnommen werden muß.
({0})
Der Ton macht die Musik, besonders beim Herrn Bundeswirtschaftsminister!
({1})
Lesen Sie die Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers einmal so genau, wie ich das tun werde; dann werden Sie sehen, was er gesagt hat.
Es ist richtig, daß die Bundesnotenbank angefügt hat: Wir appellieren aber gleichzeitig auch an die Arbeitnehmer und an die Gewerkschaften.
({2})
Und weiter: Selbstverständlich sollen die Arbeitnehmer ihren Anteil an dem Produktivitätsfortschritt haben; weiter gehende Forderungen müssen aber unweigerlich zu Preiserhöhungen führen und die Gefahr einer Kosteninflation mit sich bringen. - Dazu sage ich Ihnen: Streiten wir nicht über Formulierungen; aber daß für Lohnerhöhungen in jeder wirtschaftlichen Situation gewisse Grenzen gegeben sind, wird von niemandem von uns bestritten.
({3})
Dann sagt Herr
Entscheidend ist nicht das Nominaleinkommen, sondern das Realeinkommen.
Sehen Sie, darauf kommt es uns an: daß das Realeinkommen nicht ständig durch solche Steigerungen
der Lebenshaltungskosten vermindert werden darf.
- Bitte schön, Herr Ruf!
Herr Kollege Dr. Deist, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesrepublik in der Entwicklung der Reallöhne seit 1950 an der Spitze aller Länder steht?
({0})
Herr Kollege Ruf, könnten Sie nicht folgender Überlegung zustimmen: Wenn man die Lohnsteigerungen verschiedener Länder in dem Zeitraum von 1950 bis 1959 miteinander vergleicht - wie Sie es liebenswürdigerweise selber im Deutschland-Union-Dienst getan haben -, muß man ein klein wenig auf den Ausgangspunkt schauen. Und der Ausgangspunkt der Löhne war im Jahre 1950 bei uns in Deutschland sehr niedrig; daß Großbritannien und die skandinavischen Länder in 1950 bereits einen sehr hohen Ausgangspunkt erreicht hatten, werden Sie als Kenner der Verhältnisse nicht bestreiten können.
({0})
Ihr Einwand liegt also doch wohl ein klein wenig daneben, Herr Kollege Ruf.
({1})
Nachdem sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Debatte über die Preise für Ernährungsgüter und über die Ernährungspolitik - und schließlich wird ja wohl der Schwerpunkt und der Sinn einer Debatte auf eine Große Anfrage durch den Inhalt dieser Großen Anfrage bestimmt - dazu hergegeben hat, ein solches Ablenkungsmanöver zu starten, möchte ich wenigstens noch einen wichtigen Gesichtspunkt vorbringen.
In allen wichtigen Darlegungen, auch im Monatsbericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers, ist zu lesen, daß die Preissteigerungen bei verhältnismäßig geringer Entwicklung der Masseneinkommen nicht etwa dazu geführt haben, daß nunmehr weniger industrielle Güter verlangt werden, weil für die Ernährungsgüter so viel mehr gezahlt werden muß, sondern dazu, daß die Sparquote zurückgeht. Sie können von einem Arbeitnehmer, der nicht erst den Bericht des Herrn Bundesbankpräsidenten lesen muß, um zu wissen, daß in vielen Zweigen riesig verdient wird, der handgreiflich vor sich sieht, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung vollzieht, nicht verlangen, daß er nun seinen Rücken hinhält und die Preissteigerungen auf dem Ernährungssektor durch Verzicht auf andere Konsumgüter ausgleicht. Die zwangsläufige Folge ist deshalb ein Sinken der Sparrate.
Im dritten Quartal 1959 ist die Sparquote nicht nur erstmalig zurückgegangen, nachdem sie vorher ständig gestiegen war; sie lag erstmalig sogar unter der Höhe des Vorjahres. Der Präsident der Bundesbank hat in seinem November-Bericht erklärt: das liege nicht an einer geringeren Sparneigung, sondern durch die steigenden Nahrungsmittelpreise sei eben die Sparmöglichkeit der breiten
Schichten der Bevölkerung heruntergedrückt worden.
Was geschieht hier? Sie reden über Eigentumsbildung bei breiten Schichten der Bevölkerung. Sie führen den Aktionären gut verdienender Gesellschaften, insbesondere den Großaktionären, über steuerfreie Gratisaktien riesige Vermögensbeträge zu, und hier betreiben Sie eine negative Eigentumspolitik mit der Folge, daß die breiten Schichten weniger ,sparen können als früher.
({2})
Insgesamt muß ich auf diese völlig ungerechtfertigte und unaufrichtige Attacke des Herrn Bundeswirtschaftsministers folgende Feststellung treffen. Wir haben nach seinen eigenen Worten erhebliche und ernsthafte Preiserhöhungen zu verzeichnen. Es besteht kein Anlaß, von einer Preislawine zu sprechen. Ich werde das nicht tun, und meine Fraktion hat das auch in der Vergangenheit nicht getan. Viel gefährlicher ist ja das ständig langsame Ansteigen des Niveaus der Lebenshaltungskosten. Die Preiserhöhungen sind einmal - das hat auch die Bundesbank bestätigt - auf die Marktpolitik auf dem Gebiet der Ernährungsgüter zurückzuführen. Sie sind zum anderen darauf zurückzuführen, daß die Bundesregierung darauf verzichtet, wirksame Mittel gegen die preissteigernden Tendenzen der großen oligopolistischen marktbeherrschenden Unternehmungen zu ergreifen.
({3})
- Ich habe Ihnen die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers zu diesem Punkt vorgelesen. Vielleicht setzen Sie sich ,einmal mit ihm auseinander, um festzustellen, ob seine Ausführungen im letzten Monatsbericht zutreffen oder nicht. - Und das geschieht in einer Zeit, in der von einer übertriebenen Lohnentwicklung schon gar nicht, vielmehr von einer zurückbleibenden Lohnentwicklung gesprochen werden muß. Hier tragen beide, Bundeswirtschaftsminister und Bundesernährungsminister, gleiche Verantwortung. Uns hilft .es gar nichts, daß die Minister sich gegenseitig bestätigen, wie gut und tüchtig sie eigentlich sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat seinem Kollegen hier das Lob erteilt, er sei ein guter Ernährungsminister. Darüber zu urteilen, ist nicht seine Sache, sondern das ist Sache des Parlaments. Darüber, wie die Herren Minister zueinander stehen, brauchen wir im übrigen keine mündlichen Erklärungen von der Regierungsbank; darüber sind wir durch die Erörterungen in der Presse ausreichend informiert.
({4})
Eine zweite Feststellung zu diesen Preiserhöhungen: wir haben nicht nur eine sehr langsame Lohnentwicklung, sondern auch eine zurückbleibende Verbrauchernachfrage. Darin ist eine relative Verschlechterung der Situation der breiten Schichten der Arbeitnehmer und der Verbraucher zu sehen. Wir haben drittens festzustellen, daß die Sparfähigkeit verringert und damit entgegen allen Deklamati5214
onen die Eigentumsbildung in den breiten Schichten der Bevölkerung behindert wird.
({5})
- Natürlich wird sie behindert, wenn ein Teil dessen, was bisher gespart worden ist, nicht mehr für Sparen, d. h. für Vermögensanlage, verwendet werden kann, sondern zur Bezahlung der höheren Ernährungspreise dient.
({6})
Eine letzte Bemerkung! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat diese diabolischen Hinweise gemacht:
({7})
- bitte sehr - die Preise sind nicht schuld, sondern die Lohnwelle; diese bösen Arbeitnehmer, die Gewerkschaften sind diejenigen, die die Entwicklung bedrohen!
({8})
- Ich spreche das deutlich aus, was der Bundeswirtschaftsminister hier gesagt hat, damit es so in die Öffentlichkeit weitergetragen wird.
({9})
Wer so spricht wie der Bundeswirtschaftsminister, muß sich eine sehr deutliche Antwort gefallen lassen. Diese seine Rede muß wirken wie eine Verunglimpfung der Organisationen der Arbeitnehmerschaft,
({10})
die nach diesen Darlegungen als die Friedensstörer, als das Hemmnis für eine gesunde Entwicklung anzusehen sind.
Diese Rede muß dahin wirken, meine Damen und Herren - und das sollten sich der Herr Bundeswirtschaftsminister und auch Sie vielleicht gelegentlich überlegen -, daß die gesamte Stellung, auch die politische Kraft der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften vermindert und beeinträchtigt wird, das in einem Augenblick, in dem' wir wissen, in welcher schweren Auseinandersetzung wir mit dem Kommunismus jenseits der Zonengrenze stehen und weiter stehen werden. Wer anders soll denn diese Auseinandersetzung insbesondere bei den breiten Arbeitnehmerschichten führen als die Gewerkschaften? Und, meine Damen und Herren, Sie sollten sich überlegen, ob Sie mit einer derartigen Argumentation, wie sie der Bundeswirtschaftsminister gebracht hat, die zwangsläufig zu einer Diffamierung der Gewerkschaften führen muß,
({11})
nicht die Kampfkraft jener Organisationen schwächen, die die ernstesten Kämpfer gegen kommunistische Infiltration sind.
({12})
Sie müssen sich überlegen, ob Sie in einem Falle, in dem Sie die Haltung der Bundesregierung, hier in der Preispolitik, nicht mehr rechtfertigen können, mit einer solchen Rede so viel politisches Porzellan
zerschlagen lassen dürfen, wie das hier versucht wird.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen -ohne Verzicht auf Klarheit in der Sache -, auf jedwede demagogische Illustration zu verzichten.
({0})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zweifellos in der Sache scharf gesprochen. Daß er weggegangen ist, lag nicht an seinem freien Willen.
({1})
Er hätte bereits um halb elf zur Vorbesprechung der Dillon-Konferenz weggehen müssen, und von halb zwölf an hatte er die Leitung der Besprechungen mit dem Beauftragten der USA-Regierung, Herrn Dillon. Nur deshalb mußte er weggehen.
({2})
Die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers waren von der Sorge getragen - ({3})
- Sie wissen ja noch gar nicht, von welcher Sorge, da regen Sie sich schon auf.
({4})
Warten Sie bitte mit Ihrer Opposition, bis ich die Sache gesagt habe. Ich wiederhole: Der Bundeswirtschaftsminister hat aus der Sorge gesprochen, daß Preisdebatten draußen eine andere Wirkung haben können, als wir und auch Sie sie wünschen müssen; aus dieser Sorge hat er gesprochen.
Nun muß ich aber folgendes sagen. Sehr verehrter Herr Kollege Deist, Sie haben seine Äußerung zur Lohnpolitik als übertrieben bezeichnet. Ich will Sie nicht verletzten; aber wenn Herr Erhard nach Ihrer Meinung übertrieben hat, dann haben Sie zehnfach übertrieben.
({5})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zur Lohnpolitik im Grunde nichts anderes gesagt - man kann ja seine Worte nachlesen, meine Damen und Herren -, als daß man maßhalten solle.
({6})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leber?
Herr Kollege Burgbacher, haben Sie nicht gehört, daß ,der Herr Bundeswirtschaftsminister eingangs seiner Ausführungen sagte, er wolle sich nun mal an die Straße wenden, und finden Sie nicht, daß es doch merkwürdig klingen mußte, wenn er im Anschluß daran von der Maßlosigkeit der Gewerkschaften sprach? Finden Sie nicht, daß das gegenüber Leuten, die nach 1945 immerhin eine große Aufgabe hatten, etwas taktlos war?
Ich habe den Hinweis auf die Straße, die man zweifellos besser als Offentlichkeit bezeichnet hätte,
({0})
so verstanden, daß er eben auf die Gefahr hinweisen wollte, daß aus Preisdebatten Käuferpsychosen entstehen; deshalb hat er sich an die Öffentlichkeit gewandt.
({1})
Es wird niemand im Saale sein, der den Gewerkschaften die Verdienste, die Mitverdienste um den Aufbau der Wirtschaft bestreitet.
({2})
Und wenn Herr Erhard von Maßlosigkeit gesprochen
hat, dann hat er von Maßlosigkeit aller gesprochen
({3})
und damit nicht nur die Forderungen einzelner Gewerkschaften, sondern auch das Verhalten von Unternehmern gemeint, die den Markt ausnutzen.
({4}) - Er hat ausdrücklich von allen gesprochen.
({5})
Wenn die Gewerkschaft ÖTV im Gesamtergebnis eine 20%ige Lohnerhöhung fordert, Herr Kollege Deist - diese Rechnung ergibt sich daraus, daß sie noch das 13. Monatsgehalt dazu fordert -, dann kann man das, so glaube ich, ebensowenig als maßvoll bezeichnen, als wenn ein Unternehmer unter Mißbrauch der Nachfrage übersetzte Preise fordert.
({6})
Um dieses Maßhalten in der Wirtschaft geht es uns, und der Appell des Ministers war an alle und nicht an einen Stand oder an eine Gruppe gerichtet.
Im übrigen hat es mich beglückt, daß Herr Kollege Deist in der Lage war, den Herrn Bundeswirtschaftsminister so oft zu zitieren. Er hat damit das nachgeholt, was der Herr Minister wegen der Kürze seiner Ansprache nicht sagen konnte, und er hat damit den Beweis geliefert, daß Herr Erhard objektiv zu denken weiß.
({7})
Es läßt sich auch nicht bestreiten - und darüber sind wir froh und glücklich -, daß der Bruttostundenverdienst im Jahre 1959 um 5 % höher als im Jahre 1958 war. Wir sind der Meinung, daß allen Anteil am Fortschritt der Produktivität im Maße der Produktivitätssteigerung gehört. Daß in einer Zeit der Vollbeschäftigung mehr Aufträge erteilt werden, als man bei einer ruhigeren Konjunktur erteilen würde, liegt auf der Hand. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was wir heute von dem Herrn Kollegen Dr. Deist gehört hätten, wenn die Wirtschaft über mangelnde Aufträge zu klagen hätte.
({8})
Glauben Sie denn, wir wären solche Zauberkünstler
- wenn Sie das glauben, dann ehrt uns Ihr Vertrauen -, daß wir einen völligen Ausgleich von Angebot und Nachfrage, von Auftragseingang und Fertigung erreichen könnten? Das Spiel des Marktes erlaubt es nicht, daß man unter Preisstabilität Preisstarrheit versteht. Das ist völlig unmöglich. In einer modernen Wirtschaft revidiert sich der sogenannte Preisfächer laufend. Es ist auch nicht ganz korrekt - ich bitte um Entschuldigung, wenn ich das sage -, den einen Punkt herauszugreifen, an dem eine Steigerung ersichtlich ist und die Gesamtsituation weniger klar herauszustellen. Es ist zuzugeben, daß wir leider eine Kaufkraftsenkung um 1 % in einem Jahr haben.
Ich gehöre zu denen, die der Meinung sind, daß alle Arbeitnehmer Anteil an der Produktivitätssteigerung haben sollten und daß das Einkommen
- so Gott es will und die Konjunktur und die allgemeine Weltlage es erlauben - laufend steigen sollte. Das bedeutet aber implicite, daß alle Produkte mit einem relativ hohen Anteil an Personalkosten dann entweder verschwinden oder teurer werden. Wie wollen Sie denn den gestiegenen Personalaufwand, der sich in den Produkten sehr verschieden als Kostenfaktor auswirkt, anders abgelten? Sie müssen diese Entwicklung als eine der Folgen einer fortschrittlichen wirtschaftlichen Entwicklung hinnehmen.
({9})
- Andere Preise sind auch gesunken. Sie haben gesagt, die Textilpreise seien gestiegen. Das ist wahr. Aber sie liegen noch 2,2 % unter dem Stand vom Vorjahr und trotz der inzwischen eingetretenen Steigerung - nun hören und staunen Sie - 84 % unter dem Stand von 1950.
({10})
- Ja, natürlich, sonst hätten sie keine 84 % heruntergehen können, Sie Hellseher!
Herr Abgeordneter Burgbacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Deist?
Mit Vergnügen!
Herr Abgeordnete] Dr. Deist!
Herr Kollege Burgbacher, wollen Sie nicht konzedieren, daß es ebenso, wie es falsch wäre, auf einen Monat abzustellen, es auch falsch ist, auf einzelne Produkte abzustellen, und daß es darauf ankommt, wie sich die Lebenshaltungskosten im ganzen erhöht haben?
({0})
Müssen Sie da nicht konzedieren, daß sich die Lebenshaltungskosten im September um 2,4 % und im Oktober um 3,7 % erhöht haben und daß nach den Feststellungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers der gesamte Preistrend leider steigend ist?
Ich nehme Ihnen gern ab, daß man sich nicht auf ein Produkt konzentrieren darf. Ich bin sogar der Meinung, daß man sich noch nicht einmal nur auf die Lebensmittel konzentieren darf, wie Sie es in Ihrer Anfrage getan haben.
({0})
Ich bin auch der Meinung, daß man sich nicht auf ein oder zwei Monate konzentieren darf, wie Sie es soeben getan haben. In den zwei Monaten ist in der Tat eine Lebenshaltungsverteuerung von 2 bis 3 % gewesen. Aber in den zehn Monaten dieses Jahres gegenüber den entsprechenden zehn Monaten des Vorjahres ist es eben nur 1 Prozent.
Sie haben dann durch einen Zwischenruf - nicht der Redner - Herrn Erhard als „Minister der Großindustrie" bezeichnet. Ich glaube, diese Meinung können Sie nicht aufrechterhalten. Ich darf Sie nur an die Haltung des Ministers in Fragen des Kartellgesetzes erinnern.
({1})
- Also dann haben Sie ja dem „Minister der Großindustrie" geholfen.
({2})
Dann haben Sie dem „Minister der Großindustrie" geholfen; das will ich mit Vergnügen feststellen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Abgeordneter Deist.
Herr Burgbacher, trifft es nicht zu, daß der Bundeswirtschaftsminister bei allen Vorhaben, die auf Stärkung des Wettbewerbs und stärkere Kontrolle der marktbeherrschenden Unternehmungen hinausgingen, die Unterstützung meiner Fraktion, aber nicht immer die geschlossene Unterstützung Ihrer Fraktion gefunden hat? Und trifft es nicht zu, daß die Regierung und die Koalition von dem ursprünglichen Entwurf des Kartellgesetzes abgewichen und .zurückgegangen sind, nachdem der Bundesverband der Industrie quergeschossen hatte und es zu einer Abmachung zwischen den Ministerien und dem Bundesverband der Industrie gekommen war, das Kartellgesetz abzuschwächen?
Es wäre natürlich eine Anmaßung oder pharisäerhaft, wenn man sagen würde, alles wäre vollkommen. Was aber die „Querschüsse" des Bundesverbandes der Industrie angeht, so erinnere ich mich auch gelegentlicher Querschüsse des DGB, die eine gewisse andere Entwicklung herbeigeführt haben, als man sie vorher gern gewünscht hätte. Im übrigen stellen wir mit Vergnügen gern fest, daß Sie Herrn Erhard wiederholt unterstützt haben und meine Freunde nicht alle. Aber warum wollen Sie denn dem Manne jetzt Ihr Vertrauen entziehen, nachdem Sie das getan haben?
({0})
Meine Damen und Herren! Unser verehrter Kollege Deist hat auch davon gesprochen, daß seit der Währungsreform eine gewisse Verschlechterung der Kaufkraft eingetreten ist. Das trifft zu und ist zweifellos bedauerlich. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß eine weit größere Steigerung der Masseneinkommen eingetreten ist und daß in einer Zeit, in der wir von vielleicht 12 oder 15 Prozent im Sinne von Dr. Deist sprechen können, die Arbeitseinkommen um 70 Prozent nominal gestiegen sind.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren - ich habe es schon einmal gesagt -: Gewöhnen wir uns doch alle, die wir die Freiheit lieben - und die Liebe zur Freiheit ist ja diesem ganzen Hause gemein -, daran, von der Freiheit keinen Perfektionismus zu erwarten; erkennen wir doch an, daß eine gewisse kleine Unordnung der Preis für dieses große Gut ist, auf dem unsere ganze menschliche und politische Existenz beruht.
({1})
Deshalb ist in einer freiheitlichen Ordnung die Forderung nach Perfektionismus nicht fair.
({2})
Perfektionismus könnte, nebenbei bemerkt, noch nicht einmal mit Zwang erkauft werden; die Mängel wären dann noch größer.
({3})
- Bitte!
Herr Kollege Burgbacher, darf ich Sie bitten, darzulegen, worin Sie die Forderung nach Perfektionismus in meinen Darlegungen gesehen haben?
({0})
- Herr Kollege Burgbacher, würden Sie mir sagen, wo ich von hundertprozentiger Stabilität gesprochen habe? Habe ich nicht immer von Sicherung und Erhaltung des Preisniveaus gesprochen?
Ja, das haben Sie auch. Und in bezug auf dieses Preisniveau können Sie - bitte, tut mir leid - nicht mit 8 oder 10 Prozent debattieren, da können Sie für die Zeit von 1958 zu 1959 nur über 1 Prozent debattieren; und
dieses 1 Prozent nenne ich das Mindeste, was in einer vollkommenen sozialen Marktwirtschaft an Abweichung von der „Vollendung" zuzugestehen ist.
Zurück zur Großen Anfrage! Wer die Geschichte der Menschheit kennt, weiß, welche Folgen Dürrejahre früher für die Menschen gehabt haben. Wenn man sich das überlegt und dann sieht, daß es heute vorübergehend um die Butter- und Fleischpreise geht, muß man doch wahrhaftig feststellen, daß wir unter einem System leben, das ganz bedeutende Fortschritte gebracht hat.
({0})
-Warum sagen Sie denn „oder"? Sagen Sie doch „und", und dann stimmt alles!
({1})
Wir sollten überhaupt viel mehr „und" statt „oder" sagen. Hier muß man schon „und" mit Rücksicht auf die Vermehrung der Bevölkerung sagen.
({2})
Meine Formulierung wäre: Diese Fortschritte sind
natürlich durch die Gnade Gottes, die Klugheit der
Menschen und die Technik erzielt worden. Aber man
kann das alles auch durch die Politik kaputt machen.
({3})
Unser System läßt hier eben der Entwicklung freien Raum, und wir halten dieses System nun einmal für das beste.
Mit Rücksicht darauf, daß wir alle möglichst bald zum Schluß zu kommen wünschen - ich möchte auch die anderen nicht behindern -, will ich auf vieles verzichten, was ich mir noch notiert hatte. Aber auf eines möchte ich doch noch zu sprechen kommen. Ich habe gesagt, daß durch die Erhöhung des sozialen Standings die Personalkostenanteile an den Preisen der Produkte steigen, soweit sie nicht durch Automation oder Technisierung aufgefangen werden können. Es gibt Produkte, bei denen dieses Auffangen einfach nicht möglich ist und bei denen man den Preis gelten lassen muß.
Noch ein Weiteres! Ich freue mich darüber, daß mit steigendem Einkommen auch die Ansprüche aller unserer Mitbürger an die Qualität der Ware steigen und die Nachfrage nach Massenware zurückgeht.
({4})
Das ist ein sozialpolitisch erfreuliches Zeichen. Man darf sich allerdings nicht wundern, wenn dadurch auch eine Veränderung im Preisfächer eintritt.
({5})
Man darf sich nicht wundern, daß ein Metzger, der, während sein Kollege vor hundert Jahren nur zwei oder drei Sorten Wurst anbot, heute 15 bis 20 Sorten Wurst anbieten muß, um genügend Kunden zu
bekommen, einen ganz anderen Aufwand hat als sein Kollege früher.
({6})
Die Nachfrage nach einer besseren Qualität bedingt eine Veränderung des Preisfächers. Das ist gar nicht anders möglich.
({7})
Ich habe den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Köhler mit Vergnügen entnommen - ist Herr Atzenroth da? -, daß er sich als Sprecher der FDP dazu bekannt hat, daß Korrekturen an dem freien Ablauf der Marktwirtschaft notwendig sein können. Ich möchte das sozusagen ausdrücklich zu Protokoll erklären und empfehlen, diesen Spruch vielleicht eingerahmt im Fraktionssaal der FDP aufzuhängen. Denn wir sind schon wiederholt angegriffen worden, wenn wir auf anderen Gebieten als dem Ihren, Herr Kollege Köhler, Korrekturen anbringen wollten. Ich nehme nach dieser grundsätzlichen Erklärung an, daß Ihnen in Zukunft der Kohlenzoll und die Heizölsteuer sympathischer sind.
({8})
Was haben wir getan? Wir haben eine vollbeschäftigte Wirtschaft, wir haben eine Verbesserung des sozialen Standings erreicht. Gewisse Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen, die wir hier genügend debattiert haben, haben wir entweder ganz oder teilweise überwunden. Bitte sagen Sie uns, ob das Gesamtbild unserer Wirtschaft gut oder schlecht ist, ,das Gesamtbild dieser Wirtschaft, die unter der Führung Professor Ludwig Erhards steht!
({9})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich noch sechs Redner gemeldet haben. Ich darf die Redner bitten, sich möglichst zu konzentrieren; das Haus darf ich um das gleiche bitten. Dann kommen wir rascher voran.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Meine Herren und Damen! Ich werde mich bemühen, meine Ausführungen möglichst kurz zu halten. Ich möchte aber vorher noch sagen, daß der Auftritt des Herrn Erhard hier doch außerordentlich merkwürdig wirkt. Er hat den drohenden Zeigefinger gegen das Parlament bzw. gegen die Initiatoren dieses Antrages, gegen die Sozialdemokraten, gehoben und ausgedrückt, s i e seien es eigentlich, die mit einer Debatte die Preise hochspielten, sie und die bösen Gewerkschaften, die durch ihre Lohnforderungen alles das mit in Bewegung brächten, was, wie er glaubt, bisher so hübsch stabil gewesen sei. Bisher ist leider nichts stabil gewesen! Der Preismarkt ist seit vielen Monaten in voller Bewegung. Es ist geradezu Ignoranz, das hier vor dem Parlament zu leugnen.
Ich möchte einen anderen Akzent in diese Debatte hineinbringen. Ich habe das Gefühl und bin darin bestärkt durch die Ausführungen der Minister und
auch der Redner aus den Regierungsparteien, daß man die ganze Preisentwicklung mit einer gewissen Gleichmütigkeit, so etwas platonisch führt. Man weiß von der Teuerungswelle, aber man lebt nicht mit ihr und hat deshalb auch nicht das dringende Bedürfnis, die Gefahren deutlich werden zu lassen, die in dieser Entwicklung für die Menschen liegen, die wir in der Bundesrepublik noch immer vor einer preislichen Ausbeutung zu schützen haben. Sie sehen diese Gefahren vielleicht einfach nicht. Sie begnügen sich in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Annahme, der Konsument rechne doch nicht mit dem Groschen, und es komme ja überhaupt nicht so genau darauf an. Oder es kommt sogar als Argument von gewisser Seite, z. B. von Erzeugerverbänden, aber auch aus der Regierung, mehr oder minder versteckt, der Alkohol- und der Tabakverbrauch zeige ja, daß es im deutschen Volke gar nicht so schlecht bestellt, daß praktisch also alles nur halb so schlimm sei. Meine Herren und Damen, wir hier im Parlament sollten uns verpflichtet fühlen, die Menschen in der Bundesrepublik, die weder in der wünschenswerten noch in der notwendigen Weise am Wirtschaftswunder teilgenommen haben, vor neuen Belastungen zu schützen. Wir sollten uns bemühen - ich werde es jedenfalls jetzt versuchen -, die allgemeinen Vorstellungen über die Einkommenstruktur in der Bundesrepublik ein bißchen zurechtzurücken. Ich finde es außerordentlich gefährlich, daß eine gängige Vorstellung ist, ungefähr jeder Bürger in der Bundesrepublik habe an der Entwicklung des Wirtschaftswunders teil. Damit wird u. a. auch verhindert, daß die politisch verantwortliche Regierung nicht unter den nötigen Druck gesetzt wird, Preissteigerungen und alles, was daran-hängt, mit allen zur Verfügung stehenden politischen und wirtschaftspolitischen Mitteln zu bekämpfen. Ich begründe diese Meinung mit der großangelegten Art, wie hier die Abwehrargumente dem Hause dargelegt werden, und vermisse die ernsten Überlegungen, wie diese Dinge wirklich in den Griff zu bekommen sind,
({0})
und die Vorschläge darüber, was wirklich dazu notwendig ist. Es ist u. a. notwendig, den Sparten der Wirtschaft in der Bundesrepublik, die Preise und Spannen bestimmen, deutlich und t mit allen der Regierung zur Verfügung stehenden Mitteln zu sagen, daß man heute doch noch mit dem Groschen, ja mit dem Pfennig zu kalkulieren hat. Vielleicht glauben gar gewisse Wirtschaftskreise, daß sie sich quasi aus „höheren volkswirtschaftlichen Erwägungen" wirtschaftspolitisch korrigierend betätigen müßten! Auch sie möchten nun dafür sorgen, daß eine infolge erhöhter Renten oder Löhne vermehrte Kaufkraft, nämlich über die hohen Preise und Spannen abgeschöpft wird. Ich meine, das müßte ihnen von der Regierung sehr deutlich verdorben werden. Man darf die Illusion von einer hohen Durchschnittskaufkraft im deutschen Volk nicht weiter nähren, sondern sollte die Wirklichkeit auch in diesem Hause einmal unter die Lupe nehmen.
Ich möchte Ihnen klar sagen - ich habe diese Zahlen nicht irgendeiner Erhebung entnommen, sondern sie. sind vom Statistischen Bundesamt oder von dem Institut für Wirtschaftsforschung -, daß wir 9 Millionen Arbeitnehmerhaushaltungen mit etwa 28 Millionen Familienmitgliedern haben, von denen mehr als die Hälfte mit einem Einkommen - einem Haushaltseinkommen, keinem Einzeleinkommen! - bis 500 DM monatlich auskommen müssen. Das sind 14 Millionen Menschen, die von diesem Familieneinkommen leben! Von den 4,8 Millionen Haushaltungen der Rentner muß weitaus mehr als die Hälfte, nämlich zirka 2,5 Millionen, mit einem Familieneinkommen von monatlich insgesamt bis 300 DM leben. Das sind zusammen mehr als 17 Millionen im deutschen Volk, also ein gutes Drittel unter uns, die nicht nur mit dem Groschen, sondern die mit dem Pfennig rechnen müssen.
({1})
Ich bitte Sie, das zu sehen, wenn wir hier wirklich ernsthaft und verantwortungsbewußt zu den Folgen der Preisentwicklung Stellung nehmen wollen.
Das Einkommensbild in der Bundesrepublik sieht so aus, wie ich es Ihnen eben aufgezeigt habe, einschließlich der Mehrfacheinkünfte in einer Familie; denn die Zahlen schließen die Einkünfte einer mitarbeitenden Frau und auch mitarbeitender Familienmitglieder, also erwachsener Kinder, ein. Wenn Sie nach Rheinland-Pfalz, Hessen oder auch in gewisse badische Gebiete gehen, werden Sie mir bestätigen, daß ich die Verhältnisse zutreffend geschildert habe.
Ich glaube nicht, daß es überflüssig war, sich diese Zahlen hier zu vergegenwärtigen. Unsere Vorstellungen von den tatsächlichen Einkommensverhältnissen sind doch recht oft - das werden Sie mir zugeben - sehr vage. Nach meiner Meinung erübrigt sich darüber hinaus die Betrachtung der Durchschnittslöhne und Durchschnittsrenten. Wenn ich sie Ihnen sagte, würden Sie zugeben, daß sie die aufgezeigte Situation nicht nur erhärten, sondern noch verschärfen.
Ich darf Sie außerdem darauf hinweisen, daß sich bei diesen Einkommensbeziehern, bei diesem erwähnten Drittel des deutschen Volkes, fast drei Millionen Empfänger von Bezügen befinden, die auf Grund von Bedürftigkeitsprüfungen gegeben werden. Das sind die Menschen unter uns, die also an der äußersten unteren Einkommensgrenze liegen. Sie wissen, daß der Fürsorgesatz in den Ländern für Einzelpersonen höchstens 88 DM und für Ehepaare etwa 150 DM beträgt, wozu natürlich noch die Miete kommt.
Wenn Sie die heutigen Preisindizes betrachten, werden Sie mir zugeben, daß es sehr ernsthaften Nachdenkens bedarf, um die nötigen politischen Mittel zu finden, die den Schutz für die Lebenshaltung dieser Millionen in unserem Volke gewährleisten können. Nur eine für die sozial Schwächsten in unserem Volk gute Politik ist eine wirklich gute Politik. Um die soziale Oberschicht brauchen wir uns kaum zu sorgen. Das Statistische Bundesamt hat für Juni 1959 errechnet, daß die untere Verbrauchergruppe in der Bundesrepublik heute für die Lebenshaltung 226,08 DM monatlich aufbringen muß, die
mittlere Verbrauchergruppe benötigt 348,20 DM. Stellen Sie das einmal in Vergleich zu den Ihnen soeben genannten Haushaltseinkommen. Sie werden einsehen, daß die Preisprobleme eine Debatte wert sind. - Ich argumentiere nicht mit den Lebenshaltungskosten der sogenannten gehobenen Verbrauchergruppe. Sie betragen 608,20 DM im Monat für eine vierköpfige Familie! Nach meiner Ansicht wird dieser Lebensstandard nur von einem kleinen Prozentsatz der Arbeitnehmer erreicht.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat leider bitter recht, wenn es am 25. September 1959 in seinem Wochenbericht feststellt - die Ausführungen erhärten das, was mein Fraktionsfreund Dr. Deist auch mit Blick auf die konjunkturelle Situation gesagt hat, die sich aus diesem Sinken der Masseneinkommen ergibt -:
Die Masseneinkommen sind erneut zurückgeblieben. Sie liegen zur Zeit mehr an der Unterals an der Obergrenze des konjunkturell Vertretbaren.
Hier ist also das Einkommen nicht nur mit Blick auf die Familiensituation, sondern auch mit Blick auf seine Funktion in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik gesehen, und die Lage ist hier ebenso bedenklich.
Für die übliche und äußerst oberflächliche Beurteilung unserer Sozialsituation dagegen zieht man meistens das knappe Sechstel von Arbeitnehmergruppen heran, das an der Obergrenze der Lohneinkommen liegt, und zwar meistens noch deshalb, weil ein zweiter Verdiener im Haushalt ist. Nur diese Haushalte mit ihrer einigermaßen ausreichenden Kaufkraft können am Wohlstand partizipieren. Für diese von mir kritisierte Betrachtungsweise gilt das Wort aus der „Dreigroschenoper": „Doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht."
Von diesem nun etwas zurechtgerückten Ausgangspunkt unserer Sozialsituation möchte ich die Preisbewegung der letzten Jahre untersuchen und feststellen, was auf diese Familien in diesen Jahren und Monaten tatsächlich zugekommen ist. Die Preisspirale ist seit 1950 nicht nur langsam und unauffällig jährlich um etwa 3 % höher geklettert, sondern auch sprunghaft und erschreckend stark nach oben gelaufen, wie z. B. bei vielen Krisensituationen, aber auch wie wir es jetzt wieder sehen. Diese Tatsache verdient eine bessere und eingehendere Untersuchung, als sie in den verschiedenen Diskussionsreden von der Regierungsbank aus, aber auch von Rednern der Regierungskoalition vorgenommen wurde.
Ich will nicht noch einmal die Situation bei Butter und Fleisch erörtern. Sie ist hier sehr nachdrücklich klargelegt worden. Die Kartoffeln sind auch heute noch ein Grundnahrungsmittel. In der vielbemängelten Kartoffelpreisisituation liegt nicht nur die Preisspitze der letzten Monate; es liegt drin - kein Mensch spricht mehr darüber -, daß sich seit 1957 ein Kartoffelpreis einpendelt, der den Normalpreis früherer Jahre um mehr als 50 % übersteigt. Man kritisiert heute nur die jetzt eingetretene
Preisspitze, ohne daß man diese langsame und versteckte Verteuerung überhaupt ernsthaft unter die Lupe nimmt.
Herr Minister Schwarz, nicht nur Sie gehen auf den Bonner Wochenmarkt, auch ich bin einmal hingegangen. Gestern noch wurden dort gelbfleischige Kartoffeln für 18 Pf pro Pfund verkauft. Salatkartoffeln kosteten 22 und 25 Pf. Ich finde das ganz unglaublich. Ich habe mir die Marktberichte angesehen und festgestellt, daß die Großhandelsabgabepreise für diese Kartoffeln etwa zwischen 10 und 14 Pf liegen. Da muß doch etwas mit dem Wettbewerb nicht in Ordnung sein! Wenn das auf dem Bonner Markt passiert, in der rheinischen Tiefebene, in der doch alles sozusagen vor der Tür wächst! Und dazu noch auf diem Markt, wo sowieso alles billiger sein soll. Ich muß sagen, Herr Minister Schwarz, Sie sollten sich ein bißchen mehr um diese Auswüchse kümmern. Ihr Verbraucherreferat ist nicht gut genug besetzt - Sie sollten einmal ein Augenmerk darauf richten -, und das gleiche trifft übrigens auch für das Verbraucherreferat im Wirtschaftsministerium zu. Leider sind in diesen beiden Ministerien die Erzeuger so ungemein stark vertreten - auch durch die Minister -, daß die Verbraucher schon einen Anspruch hätten, auch ihre Anliegen durch ein entsprechend starkes und auch fähiges Referat mehr an den Minister heranzubringen.
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Doch das nur nebenbei.
Herr Minister, ich darf Ihnen noch einmal persönlich sagen, es hat mich damals schon geärgert, daß Sie dem Ernährungsausschuß die Schuld in die Schuhe schoben, daß der Kartoffelzoll zu spät aufgehoben worden sei. Die Bundesregierung wollte es im August tun, wie sie sagten. Sie meinten, wir wären aber im Ausschuß erst im Oktober dazu gekommen. Wir haben hier am 15. September anläßlich der Vereidigung des neuen Bundespräsidenten zusammengesessen, aber mich hat niemand zu einer Sitzung des Ernährungsausschusses eingeladen. Ich wäre liebend gern hiergeblieben und hätte für die Aufhebung des Kartoffelzolls plädiert.
Meine Damen und Herren, ein Besuch auf dem Markt ist manchmal sehr aufschlußreich. Es genügt nämlich nicht, sich nur Statistiken anzusehen, obgleich diese wichtig sind. Wenn man auf den Markt geht, dann sieht man, daß bei Grobgemüse, das doch in dieser Jahreszeit sozusagen den Suppentopf der Normalfamilie füllt, von 1957 bis heute eine Preiserhöhung von 250 bis 300 % zu verzeichnen ist. Sie denken vielleicht, ich übertreibe. Ich habe aber noch einmal festgestellt, daß z. B. Rotkohl, Weißkohl und Wirsingkohl vor zwei Jahren noch etwa 14 Pf pro Pfund kosteten, während Sie heute 40 Pf dafür zahlen.
Im Außenhandelsausschuß hat anläßlich der Debatte um die Aufhebung des Zolls für Bohnenkonserven einer der Sachverständigen - ich glaube, er kam von der FDP - gesagt, es gebe reichlich Kohl, es gebe da keine Krise, es bestehe das alte Preisniveau, deshalb brauche man den Bohnenzoll nicht
aufzuheben. Das stimmt ja gar nicht. Bei Grobgemüsen, die in dieser Zeit ein so wichtiges Nahrungsmittel sind, haben wir einen erheblichen Preisaufstieg gehabt, bei Rosenkohl z. B. um mehr als 80 %. Von Möhren will ich gar nicht reden; wir wissen alle, daß sie sehr teuer sind. Sie sind dreieinhalb- bis viermal so teuer als sonst, d. h. um mehr als 350 %. Die Preise für Porree und Sellerie, von denen ich hörte, sie seien wirklich niedrig, sind auf mehr als das Zweieinhalbfache gestiegen. Spinat und Blumenkohl sind mehr als doppelt so teuer. Nun sagen Sie nur, Herr Minister Schwarz, wohin denn eine Hausfrau noch ausweichen soll! Das Fleisch ist teuer, die Kartoffeln sind teuer, das Gemüse ist teuer.
Man sollte sich einmal etwas mehr in die Lage einer solchen Familie hineinversetzen.
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Meine Herren und Damen, ich wohne in einer Siedlung, in der Menschen leben, die ein unteres und mittleres Familieneinkommen haben. Ich kaufe immer selbst ein - jedenfalls wenn ich sonnabends im Hause bin - und erkundige mich nicht nur nach den Preisen, sondern spreche auch mit den Leuten. Die Frauen stöhnen nicht grundlos, wenn sie sagen: „Was sollen wir nur machen? Was wir jetzt infolge all der Preiserhöhungen, die vor allen Dingen in den letzten Monaten vorgenommen wurden, mehr ausgeben müssen, beträgt monatlich bis 15 und bis 20 Mark."
Wissen Sie, was 15 bis 20 Mark hier bedeuten,
Herr Minister? Dieser Betrag ist vielleicht die Rate für den notwendigen Staubsauger in einer jungen Familie, vielleicht das Geld, das man für die Kinderschuhe zurücklegen wollte, oder die 20 Mark sind der Betrag, den man für Weihnachten sparen wollte. Man sollte das wirklich nicht auf die leichte Schulter nehmen. All diese Preiserhöhungen treffen ganz besonders junge Familien, die nicht nur diese gestiegenen Lebenshaltungskosten bestreiten müssen und nur einen Ernährer haben, sondern die auch hohe Mieten zahlen müssen, weil sie meistens in Neubauten wohnen.
Frau Abgeordnete Keilhack, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sander?
Bitte sehr.
Herr Abgeordneter Sander!
Frau Keilhack, darf rich Ihnen eine Frage stellen? Sie sprachen von dem FDP-Abgeordneten, der ein sogenannter Sachverständiger ist, aber anscheinend die großen Zusammenhänge nicht versteht. Es ist Ihnen doch sehr wahrscheinlich bekannt, daß das Grobgemüse vollkommen frei und in jeder Menge als Gemüse über die deutsche Grenze kommen darf.
Ich bitte, eine Frage zu stellen und nicht Ausführungen zu machen.
Die Frage kommt, Herr Präsident: Wer hat denn nun nach Ihrer Ansicht die Schuld an den überhöhten Gemüsepreisen?
Herr Sander, ich habe hier weiter nichts gesagt, als daß das, was Sie im Ausschuß festgestellt haben, nicht stimmt. Sie haben uns im Außenhandelsausschuß gesagt - Sie wollten damit Ihre Ansicht begründen, daß der Zoll für Gemüsekonserven nicht ermäßigt werden dürfe -, daß Grobgemüse in ausreichender Menge und zu normalen Preisen zur Verfügung stehe. Nur von dieser Ihrer Behauptung habe ich gesprochen. Im übrigen, Herr Sander: ich habe das Verbraucherreferat im Wirtschafts- und im Ernährungsministerium nicht, und ich bin auch gar nicht in der Lage, die Verhältnisse bis ins kleinste zu übersehen. Ich bin der Meinung, daß Herr Minister Schwarz uns einmal Auskunft darüber gehen sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Grobgemüse, wenn es reichhaltig gewachsen ist und wenn der Import frei ist, 40 Pf statt 14 Pf pro Pfund kosten muß. Nur das wollte ich mit meinen Ausführungen sagen. Wir haben das Recht, von dem Herrn Minister eine Erklärung hierzu zu erbitten.
Ich wollte Ihnen diese Preise einmal nennen, damit Sie eine Anschauung davon haben, um was es sich hier dreht, damit es keine ausdeutbare Diskussion gibt und man nicht später sagt: Ach Gott, das ist alles übertrieben. Das ist es wirklich nicht. Man kann auch nicht sagen, es handle sich nur um eine Preiszuspitzung im November 1959. Auch bis November 1958 hat es schon eine beträchtliche Preissteigerung gegeben. Es handelt sich also nicht nur um eine Tendenz in diesem Jahr.
Da hier schon so viele Berichte des Bundeswirtschaftsministeriums zitiert sind, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen noch eine Passage daraus vorlese. Das Bundeswirtschaftsministerium äußert in einem, im Bulletin vom 28. November 1959 veröffentlichten Bericht über die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik:
Höhere Preise als im September erzielten die Landwirte vor allem für Gemüse und Obst; auch die Kartoffelpreise sind von ihrem hohen September-Stand aus im Oktober nochmals gestiegen. Gegenüber der gleichen Vorjahreszeit macht die Verteuerung der ebengenannten Waren 109 v. H., 55 v. H. und 32 v. H. aus.
Diese Zahlen stellen zweifellos obendrein nur den Durchschnitt dar. Sie kennzeichnen nur die Veränderung der Preissituation vom vergangenen zu diesem Jahr. Ich habe Ihnen auch den Vergleich gegenüber 1957 gebracht, weil ich der Meinung bin, daß wir ein bißchen weiter zurückblicken sollten, um den Trend zu erkennen, auf den es in dieser Frage doch ankommt.
Herr Minister Schwarz hat gesagt, wir sollten nicht suchen, wer schuld an diesen Dingen sei. Ich
bin nicht unbedingt darauf erpicht, einen Schuldigen zu suchen und ihn festzunageln. Aber wenn man etwas aus dem lernen will, was man falsch gemacht hat, muß man sich einmal ansehen, wer es falsch gemacht hat oder was unterlassen worden ist. Herr Minister Schwarz, die Dürre war tatsächlich bereits im Juni 1959 erkennbar. Der Beweis dafür liegt darin, daß bereits zu diesem Zeitpunkt dem Bundestag von Herrn Struve ein Antrag über die Abgeltung von Dürreschäden vorgelegt worden ist. Es wäre also möglich gewesen, schon damals ungefähre Ernteschätzungen vorzunehmen. Warum ließ man dann z. B. die Preise für Kartoffeln laufen, zumal Sie jetzt selber sagen, daß die Kartoffelpreise von irgendwelchen Kreisen, von denen ich annehme, daß Sie sie sehr genau kennen, spekulativ hochgetrieben sind. Herr Professor Erhard hat bei früheren Debatten immer von dem Dolch im Gewande gesprochen, den er brauche, um gewissen Dingen entgegenzutreten. Ich meine, Herr Minister Schwarz, Ihnen fehlt auch ein solcher Dolch im Gewande, und Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie sich ihn nicht beschaffen können.
Man kann wohl auch nicht alles, was Sie zur Einfuhr und zur Vorratslagerung gesagt haben, so hinnehmen, Herr Minister Schwarz. Ich erinnere an die schwierige erste Phase der Situation bei der Butter, als man schon sagte, die Buttermärkte seien für uns verschlossen. Ich weiß, daß damals Hamburger Importeure - mir ist nicht bekannt, ob sie besonders tüchtig sind - aus Australien laufend Butter beziehen konnten. Man konnte sie damals nicht loswerden - die Butterimporteure durften sie hier nicht hereinlassen - und hat sie deswegen nach Italien weitergeschleust. Als die Lage zu schlimm wurde und die Regierung den Butterpreis nicht mehr verantworten konnte, haben die gleichen Importeure die von ihnen nach Italien verkaufte Butter in Italien wieder aufgekauft, und zwar mit einem Aufschlag von 30 bis 40 %. Das ist doch wohl nicht sehr sinnvoll. Solche Dinge sollte man für die Zukunft verhindern.
Herr Minister Schwarz, ich habe noch eine Sache, die vielleicht nicht ganz in die Butterbevorratungspolitik paßt, aber doch immerhin in den Rahmen der Debatte. Sie wissen, daß wir in Hamburg zeitweise in den Genossenschaften überhaupt keine Butter bekommen konnten und daß auch unsere Krankenhäuser keine Butter hatten. Da hat man in Hamburg gesagt: Beschafft uns wenigstens die von den Dänen angebotene Butter, damit wir in Hamburg ein gewisses Angebot haben. Darauf wurde gesagt: Nein, diese Butter dürft ihr nicht haben, das ist nämlich verpackte Butter, sie ist von den Dänen verpackt und mit allen Bezeichnungen ihrer Qualität versehen, und dänische Butter ist eine erstklassige Butter, wenn wir eine solche gute Butter hereinlassen, dann wollen die Leute, weil sie ja sehen, daß es dänische Butter ist, überhaupt nur noch dänische Butter haben, und das ist ein unlauterer Wettbewerb gegenüber der deutschen Butter.
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Ich meine, daß das eine sehr schlechte Sache war.
Sie haben sich nachher insofern bekehren lassen,
Herr Minister - oder ich will lieber sagen: Ihr Referat -, als Sie wenigstens gestattet haben, diese Butter für die Krankenhäuser hereinzulassen, damit der größte Notstand beseitigt war. Aber ich glaube, man kann das als symptomatisch für die mangelhafte Bewältigung der Preis- und Versorgungssituation bezeichnen.
Ich meine auch, daß Sie die Kartoffelspekulation nicht so weit hätten kommen zu lassen brauchen. Sie hätten ihr mit psychologischen Mitteln entgegentreten müssen. Sie haben gesagt: „man hat es hochgespielt". Sie hätten auch Futtergetreide hereinlassen sollen, damit die Bauern ihre Kartoffelernte, die übrigens im ganzen gar nicht so schlecht war - sie war nur gebietlich unterschiedlich -, an den Markt gegeben und nicht vielleicht für Fütterungszwecke bei sich gelagert hätten.
Ich meine, daß man manche Dinge im Ministerium falsch macht, weil man sie so lange treiben läßt. Mit den Gemüsekonserven ist es jetzt ähnlich, Herr Minister Schwarz. Jetzt, wo es notwendig ist, durch Importe von zollfreien Gemüsekonserven korrigierend auf die Preissituation einzuwirken, geht die geballte Nachfrage der Importeure auf den internationalen Markt. Diese sind auch nicht so dumm und bieten uns das dann zu normalen Preisen an, sondern sie schleusen sie nach dem Wettbewerbsprinzip genau wie hier so hoch, daß sich dann Importgemüsekonserven fast nicht mehr lohnen, jedenfalls nicht vom Gesichtspunkt der Preisregulierung her.
Ich darf auch noch einmal auf die Situation beim Gefrierfleisch kommen, Herr Minister Schwarz, gerade weil es bei ,diesen Produkten um Regulative für die Versorgungs- und Preissituation geht. Unsere Hamburger Genossenschaft, die außerordentlich groß ist, hat normalerweise 80 % ihres Rindfleisches als Gefrierfleisch verkauft. Sie hat jetzt allenfalls einen Anteil von 30%. Das muß sich natürlich preisverteuernd für die Käufer auswirken, denn jetzt fehlt das billigere Fleischangebot, was natürlich die Metzger dazu verführt, höhere Preise zu nehmen.
Ich kann verstehen, daß Ihnen das auch nicht lieb ist. Aber ich glaube, es gibt eine ganze Menge Mittel. Es fehlt heute noch argentinisches Fleisch, das qualitativ besser und preislich billiger ist. Wenn man in den Läden heute Gefrierfleisch bekommt, dann ist es von Ihnen ausgelagertes, im Juli oder noch vorher zu relativ hohen Kosten eingelagertes Fleisch. Es ist qualitativ nicht so gut und obendrein teurer.
Ich meine auch, Herr Minister Schwarz, daß man die Auslagerung von Fleischdosen nicht wochenlang ankündigen kann, ohne daß etwas folgt. Man hat mir gesagt: Vor Januar ist überhaupt nicht damit zu rechnen. Wenn das Fleisch jetzt nicht kommt, wo man vielleicht zu Weihnachten wieder eine neue Preiswelle befürchten muß, wenn es nicht in den vorigen Wochen auf die Handelsspannen drücken konnte, dann weiß ich nicht, ob es im Januar im Hinblick auf eine Preisregulierung noch großen Wert hat.
Es gibt jedenfalls eine Fülle von Eingriffsmöglichkeiten, von denen nur ein ganz kleiner Teil angewendet worden ist. Ich darf nur hoffen - das möchte ich vor allen Dingen Herrn Minister Schwarz sagen, weil er durch unsere Anfrage im wesentlichen angesprochen ist -, daß diese Debatte dazu beiträgt, als eine besondere Art von Weihnachtsgeschenk für die Festtage auf jeden Fall wenigstens eine neue Preiswelle zu inhibieren. Sie ist, wie ich glaube, durch eine feste, unzweideutige Haltung der Regierung mit ebenso unmißverständlichen Maßnahmen der Regierung zu verhindern.
Herr Minister Schwarz, der Verbraucher mußte seit dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft seinen Buckel oft für all die Dinge hinhalten, die bei uns passieren, weil er über keine Kartelle oder über keine machtvollen Wirtschaftsverbände verfügt. Ihm sollte auf alle Fälle eine neue Preiswelle erspart werden; denn auf seinem Buckel, auf dem der Arbeitnehmer, ist doch der Wirtschaftsaufbau praktisch erfolgt. Er ist doch der Finanzier des sogenannten Wirtschaftswunders gewesen, weil die Preise zu hoch waren und die Löhne zu niedrig.
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Wir brauchen uns darüber nicht mehr zu streiten. Es liegen genug Beweise dafür vor, Beweise in Form des neu geschaffenen riesigen Eigentums, an dem der Arbeitnehmer nicht partizipiert hat. Es handelt sich nur um ein Äquivalent, Herr Minister Schwarz, wenn Sie den Verbraucher jetzt dafür entschädigen, daß er die ersten Jahre mit dem hohen Preisniveau über sich hat ergehen lassen müssen, und ihm jetzt wirklich das Maß an Sicherung verschaffen, das überhaupt menschenmöglich ist. Damit Herr Dr. Bürgbacher mich nicht noch darauf anspricht, möchte ich hinzufügen, daß ich dabei die Relativität eines stabilen Preisniveaus durchaus einsehe. Ich meine vor allen Dingen die spekulative Preistreiberei. Es kann vor allem von diesem Gesichtspunkt aus gar nicht gegen die Landwirtschaft gemünzt sein. Ich bedaure sehr, daß die Bauern nicht mehr mit den Konsumenten gehen; denn nur eine solche Front schützt den Konsumenten gegen die spekulative Preisausbeutung und gewährleistet die gerechte Preisgestaltung, die die Landwirtschaft auch für sich fordern kann. Ich bin immer wieder erstaunt über die völlig falsche Frontstellung, die die Landwirtschaft einnimmt.
Die Situation auf dem Gebiet der Buttererzeugung wird der Landwirtschaft doch wahrscheinlich schwer ins Portemonnaie gehen. Ich weiß, daß die Verbraucher zu 20 bis 40 % von der Butter zur Margarine abgewandert sind. Es fragt sich, ob jemals auch nur annähernd wieder eine solche Rückwanderung zur Butter erfolgt. Ich sehe schon den Zeitpunkt kommen, da wir uns im Ernährungsausschuß die Köpfe darüber zerbrechen, wie wir den 30%igen Anteil der Milchwirtschaft am landwirtschaftlichen Einkommen durch entsprechende Erhöhung des Trinkmilchverbrauchs oder durch einen verbesserten Butterabsatz erhalten können. Ich finde die jetzige Preispolitik auch für die Bauern außerordentlich unklug. Das trifft ebenso auf
die Kartoffellage zu. Die Landwirtschaft selbst hat ja schon erklärt: Das sind spekulative Preise, die wir nicht wollen und die wir nicht brauchen; sie schaden uns nur. Deshalb sollte hier niemand von der Landwirtschaft aufstehen und diese Preise noch verteidigen.
Die Bundesregierung müßte sich viel mehr Sorgen um das Recht des Verbrauchers machen. Sie allein hat nämlich die politischen, wirtschaftlichen und psychologischen Eingriffsmöglichkeiten, um den Verbraucher zu schützen. Es gibt eine ganze Menge Möglichkeiten. Ich ersehe hier z. B. aus einer landwirtschaftlichen Nachricht, daß sich die französische Regierung wirklich Sorgen um den Verbraucher macht. Dort steht - ich finde das geradezu beispielhaft -:
Die Regierung hat ein ministerielles Preiskomitee gebildet, das jeden Dienstag unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten zusammentritt, um die Preisentwicklung zu prüfen und um eventuell binnenwirtschaftliche oder handelspolitische Sofortmaßnahmen zu treffen. Dazu gehören u. a. Zollsenkungs- und Einfuhrmaßnahmen. In der letzten Novemberwoche hat eine im ganzen Land von über 50 000 Verkaufsstellen durchgeführte sogenannte PreisBaisse-Aktion bei 51 Gebrauchsartikeln begonnen.
Da hat es die Regierung also fertiggebracht, Erzeuger, Groß- und Einzelhändler zusammenzubringen, um etwas gegen die unberechtigten spekulativen Preisbewegungen tun zu können. Ich glaube, die französische Regierung hat sehr klug gehandelt. Frankreich hat ja besonders unter Preissteigerungen zu leiden. Aber auch wir leiden ganz außerordentlich darunter.
Vielleicht können Sie sich auch einmal Gedanken darüber machen, Herr Minister Schwarz, was seit vielen Jahren in den USA mit Erfolg praktiziert wird. Ich denke an die normierten und standardisierten Waren, deren Qualität man kennt und die der Verbraucher deshalb natürlich auch zu einem ausgezeichneten Preisvergleich heranziehen kann.
(Abg. Bauer ({2})
- Wir haben das in einem solchen Maße nicht, Herr Bauer. Es wäre jedenfalls der Mühe wert, sich darüber Gedanken zu machen. Wir sollten alles tun, um das Preisklima ein bißchen zu verbessern. Herr Minister Schwarz, eine ganze Menge der Anstände, die wir nicht erst heute, sondern in sehr vielen Debatten bereits erhoben haben, dürfte darauf beruhen, daß wir in der Bundesrepublik kein Preisklima haben. Man denkt: Na, wenn das oben mit dem Groschen nicht so genau genommen wird, warum sollen wir das unten tun? Ich will zwei Beispiele anführen, die nur scheinbar scherzhaft sind, aber einen durchaus ernsten Hintergrund haben. Gestern traf ich eine Dame, die mir sagte: Ich kaufte mir vorgestern auf dem Markt einen kleinen Tannenzweig, vielleicht 40 cm lang, um eine Vase daFrau Keilhack
mit zu füllen, dafür verlangte man 40 Pf; auf meine verwunderte Frage: 40 Pf für einen Tannenzweig? erklärte mir die Verkäuferin: Es ist doch alles teurer geworden. Eine zweite Sache: In der Kantine im Bundeshaus wurde gestern anschließend an das Essen Kuchen angeboten, halb so groß wie ein normales Stück, Butterkuchen, ein bißchen ausgetrockneter und auch sonst ein bißchen unansehnlicher, das Stück für 35 Pf. Diese beiden Beispiele, Herr Minister Schwarz, gehören zum Preisklima. Hier wird über den Daumen kalkuliert.
Wir sollten uns mit aller Kraft - und ich hoffe, daß das ein Ergebnis dieser Debatte ist - dafür einsetzen, daß in der Bundesrepublik in allen Sparten der Wirtschaft, aber auch von der Bundesregierung her durch ihre Einfuhr- und Vorratspolitik mit dem Pfennig gerechnet wird und daß das ernsthaft auch nach draußen sichtbar wird. Ich möchte Ihnen zum Schluß nur einen Ausspruch von Herrn Prof. Nell-Breuning mitteilen, der - von viel kompetenterer Seite - erhärten soll, was ich mit meinen Ausführungen sagen wollte. Herr Professor Nell-Breuning hat auf ein Interview über die Möglichkeiten „Wie hilft man dem schutzlosen Verbraucher?" folgendes gesagt:
Die Produzenten haben in der Hauptsache immer nur e i n Interesse, das sie schützen müssen, und sie können darum ihre ganze Kraft darauf vereinigen. Die Verbraucher haben eine unübersehbare Vielzahl von Interessen zu verteidigen und müssen daher in einer sehr weitläufigen Front kämpfen.
Er empfiehlt ihnen wegen ihrer Ohnmacht den Zusammenschluß zu Genossenschaften und machtvollen Verbraucherverbänden. Die Verbraucher aber sind schwer organisierbar, und es wird niemals einen machtvollen Verbraucherverband ähnlicher Art geben, wie es machtvolle Wirtschaftsverbände und Kartelle gibt. Ich glaube auch nicht, daß der Verbraucher allein durch Selbsthilfe aus seiner Ohnmacht herauskommt, obgleich ich meine, auch dazu könnte man mit Hilfe der öffentlichen Hand ein bißchen tun, vor allen Dingen durch eine bessere Verbraucheraufklärung. Der Verbraucher bedarf des ganz besonderen Schutzes der Politik, die die Regierung macht. Es tut mir leid, erklären zu müssen, daß eine solche verbraucherfreundliche Politik von der bisherigen Regierung und den bisherigen Ministern nicht demonstriert wurde.
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Meine Damen und Herren! Während die Rednerin gesprochen hat, haben sich bereits zwei weitere Redner gemeldet. Ich bitte die Fraktionsgeschäftsführer, zu besprechen, wie die Arbeit bis zu dem vom Ältestenrat vorgeschlagenen Zeitpunkt für die Beendigung der heutigen Tagesordnung, nämlich 14 Uhr, erledigt werden soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich mit Rücksicht auf den Vorschlag des Ältestenrats so kurz wie möglich fassen. Aber es sind in diesem Hause einige Ausführungen gemacht worden, die nicht unwidersprochen gelassen werden können.
Ich möchte zunächst auf einige Ausführungen von Ihnen, Frau Keilhack, eingehen. Sie haben versucht, in einer sehr maßvollen Art und Weise die Dinge vorzutragen, und ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn Sie sich in Ihren Äußerungen zunächst im wesentlichen auf die Bevölkerungskreise konzentriert haben, deren Einkommen unter dem allgemeinen Durchschnitt liegt. Das ist Ihr gutes Recht, und daraus ist Ihnen durchaus kein Vorwurf zu machen. Aber, Frau Keilhack, ging es nicht durch Ihre Rede wie ein roter Faden: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!"? Sie sprachen davon, daß die Lebenshaltungskosten auf dem Ernährungssektor in den vergangenen Monaten stark gestiegen seien und daß das natürlich Rückwirkungen auf die Ausgaben der einzelnen Familie habe, sagten aber zugleich, Sie wollten der Landwirtschaft keinen Vorwurf daraus machen, und wünschten auch nicht - das klang wenigstens durch -, daß das landwirtschaftliche Einkommen durch die Maßnahmen, die die Regierung zu treffen habe, in irgendeiner Weise geschmälert werde. Ich frage nur: Wie ist das zu realisieren?
Wie liegen denn die Dinge gegenwärtig in der Landwirtschaft? Meine beiden Kollegen Köhler und Logemann haben schon bestimmte Hinweise gegeben. Ich erlaube mir, dem Hohen Hause einige Ergebnisse der neuesten Erhebungen über die eminenten Dürreschäden des Jahres 1959 mitzuteilen. Diese Erhebungen zeigen, wie sich die Dürre auf die Landwirtschaft ausgewirkt hat. Ich möchte dann die Frage stellen, wie das Hohe Haus diese untragbaren Schäden auszugleichen gedenkt. Nach dieser Großen Anfrage steht die Anfrage betreffend die Dürreschäden zur Behandlung in diesem Hause an. Sie können ja Einsicht in die Drucksache nehmen. Es ist vorgesehen, daß sich der Bund an dem Ausgleich der Dürreschäden mit 4,2 Millionen DM beteiligt. Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen, aber doch darauf aufmerksam machen, daß diese 4,2 Millionen DM, die für Zinsverbilligungen bei Existenzgefährdung gegeben werden sollen, wieder irgendwo anders abgezwackt werden; denn der Haushaltsausschuß hat beschlossen, daß die 4,2 Millionen DM im Einzelplan 10 eingespart werden müssen. Praktisch muß es also die Landwirtschaft doch verkraften, nämlich durch Mittelkürzungen im Grünen Plan oder bei anderen Dotationen. Mit andern Worten, der Bund gibt keinen Pfennig extra.
Wie liegen nun die Dinge nach exakten Erhebungen? Herr Bundesminister Schwarz, wenn die Zahlen, die ich jetzt bekanntgebe, nicht stimmen, bin ich gerne bereit, bei der Erstattung des Grünen Berichts darauf zurückzukommen und Rede und Antwort zu stehen. Ihrem Haus wird es aber sicher sehr schwerfallen, nachzuweisen, daß diese Zahlen nicht stimmen, und ich bezweifle gar nicht, daß Sie mit mir auf den Boden dieser Zahlen treten. Wenn wir die Verhältnisse des Vorjahres und dieses Jahres miteinander vergleichen und als unbestrittene Tat5224
sache zugrunde legen, daß die Getreideernte in diesem Jahr im Vergleich zu der des Vorjahres ungewöhnlich gut war - der Mehrertrag liegt etwa bei 12 % -, so müssen wir in Betracht ziehen, daß bei der Ernte der Kartoffeln, der Zuckerrüben, des Gemüses, ferner bei Obst und vor allen Dingen beim Grünland und bei den Futterfrüchten, die für die Viehhaltung auf dem Acker angebaut werden, ungeheure Schäden entstanden sind.
Exakte Berechnungen haben folgendes ergeben. Wenn man die Durchschnittsernte - in Getreidewerten ausgedrückt - in den Jahren 1935 bis 1939 gleich 100 setzt, ergibt sich für die Ernte 1958 ein Vergleichsindex von 120 und für die Ernte des laufenden Jahres ein Vergleichsindex von 106. So stark sind wir zurückgeworfen worden.
Ich frage das Hohe Haus, wie man sich eine Lösung denkt, wenn die entstandenen Schwierigkeiten keinen Niederschlag in den Preisen auf dem Markt finden sollen, ja, wenn die Preise unter das gegenwärtige Niveau gesenkt werden sollen? Man schätzt den Minderertrag auf etwa 5,4 Millionen t Getreidewert. Wenn man die Tonne nur mit 300 DM ansetzt, ergibt das einen Gesamtverlust von etwa 1,6 Milliarden DM.
Ich frage das Hohe Haus: Womit soll sich der Bauer einen Ausgleich verschaffen? Man wird sagen, bestimmte Erzeuger in Gegenden, in denen keine Dürre war, bekommen dafür eine Differenzialrente. Das ist aber nur bis zu einem gewissen Grade so. Man muß auch berücksichtigen, daß die Bundesregierung im Jahre 1958 gegen die Dumping-Einfuhren auf dem milchwirtschaftlichen Gebiet kaum etwas oder recht wenig tun konnte. Dadurch haben die Betriebe des Futterbaus im Süden große Verluste erlitten. Davon muß man auch sprechen.
Wenn man das Preisniveau so senken will, daß auch derjenige Verbraucher glatt durchkommen kann, der ein niedriges Einkommen hat, dann muß man praktisch das Einkommen der ganzen Landwirtschaft auf dieses Niveau senken. Frau Keilhack, ich nehme nicht an, daß Sie das wollten. Aber in Wirklichkeit würden sich die Dinge so auswirken.
Noch ein paar Worte zu den einzelnen Produkten. Was soll man bei Obst und Gemüse machen? In Europa ist doch einfach kein Obst und Gemüse gewachsen. Alle Grenzen sind offen. Herr Minister Schwarz hat in seiner Antwort gesagt, daß keine Hindernisse für die Einfuhr bestehen. Trotzdem sind die Preise so hoch. Wen will man hierfür verantwortlich machen? Es herrscht ein völlig freier Markt. Die Konsumgenossenschaften könnten diesen freien Markt ausnutzen und könnten, wenn sie Beziehungen hätten und irgendwo etwas billiger kaufen könnten, die Preise beeinflussen. Aber sie können das nicht, weil einfach nichts da ist.
Die hohen Preise sind bedauerlich. Aber die Landwirtschaft hat von ihnen keinen Nutzen. Sie muß im Gegenteil in diesem Jahr einen Verlust von 1 1/2 Milliarden in Kauf nehmen.
Was soll man tun? Man muß die Dinge beim wahren Namen nennen und darf nicht in der Öffentlichkeit eine Psychose hervorrufen. Ich habe verschiedene Zeitungsausschnitte hier, mit denen ich das belegen könnte. Mit Rücksicht auf die Zeit will ich sie aber nicht vorlesen. Aus ihnen geht hervor, daß in der Öffentlichkeit von gewisser Seite eine Psychose hervorgerufen wurde. Bei dem Verbraucher entstand der Eindruck, daß die Nahrungsmittel wirklich knapp seien. Es wurden Rufe laut: „Stopp dem Preiswucher bei der Landwirtschaft!" Ein Preiswucher bei der Landwirtschaft ist aber wirklich nicht vorhanden.
Ich darf darauf hinweisen, daß z. B. die Kartoffeleinkäufe im September dieses Jahres ein Ausmaß erreichten, das weit über den September-Einkäufen anderer Jahre lag. Warum hat man nicht gewartet, bis im Süden der Bundesrepublik, nämlich in Bayern und im südlichen Teil von Württemberg, mit der Ernte begonnen wurde? Die Rodungen begannen dort erst Anfang Oktober.
Ich freue mich, daß die Anfordermngen an die Qualität höher geworden sind. Wenn aber ausgerechnet bei den Kartoffelsorten, die als ausgesprochene Qualitätskartoffeln anzusehen sind, die Ernte so verheerend schlecht ist, dann sollte man dieser Tatsache Rechnung tragen und in diesem Jahr einmal auf andere Kartoffelsorten ausweichen, beispielsweise auf die „Ackersegen", die noch vor wenigen Jahren sehr begehrt waren. Diese „Ackersegen" hat in meiner Heimat den ganzen Herbst hindurch nie mehr als 6,50 DM gekostet. 1,50 DM kostet die Fracht ins Ruhrgebiet. Das ergibt zusammen einen Preis von 8 DM. Wo will man hier einen Schuldigen finden? Wir mußten unsere Lieferung nach dem Ruhrgebiet einstellen, weil keine Nachfrage nach „Ackersegen" vorhanden war.
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- Wie ich mir das erkläre? Weder der Handel noch die GEG wollten diese Kartoffeln haben, weil sie, wie sie sagten, keinen Absatz dafür hätten.
Noch ein Wort betreffend das Obst. Man könnte sagen, daß beim Obst durch die Dürre kein Schaden entstanden ist. Es sollte sich aber doch auch herumgesprochen haben, daß im vergangenen Jahre ein Spätfrost weite Gebiete, und zwar bevorzugte Gebiete, der Apfelproduktion restlos vernichtet hat, so beispielsweise in weiten Teilen des Bodenseegebiets. Diese Dinge muß man doch wirklich berücksichtigen.
Der Hauptvorwurf, der heute erhoben wird, ist der, daß nicht rechtzeitig die Grenze für Butterimporte geöffnet worden sei. Meine Damen und Herren, ich möchte dem Hohen Hause doch empfehlen: Lesen Sie einmal nach, was verschiedene Zeitungen im Mai und noch Anfang Juni dieses Jahres gebracht haben. Da saßen wir auf der Anklagebank und standen unter dem Vorwurf, wir nähmen Butter aus dem Markt und lagerten sie ein. Gleichermaßen saß das Ernährungsministerium auf der Anklagebank; man hielt ihm vor, es wäre gescheiter gewesen, die Butter auf den Markt gehen zu lassen, um die Preise zu senken. Meine Damen und Herren, was wäre dann entstanden? Dann hätten
auch noch diese 20 000 t gefehlt, und sie wären auf dem Weltmarkt nicht zu haben gewesen, da, wie sich herausstellte, die Dürre so groß war.
Ich darf noch ein Wort zur augenblicklichen Situation sagen. Herr Bundesernährungsminister, Sie sind sicher in einer keineswegs beneidenswerten Lage. Denn nun ist der Stiel völlig umgedreht; man müßte eigentlich die Frage erheben: Was gedenkt die Bundesregierung zum Schutz der Landwirtschaft zu tun, damit die Butterpreise nicht endlos weiter absinken? Im Augenblick hat man nur die Möglichkeit, einzulagern. Meine Damen und Herren, dann wird eben der Zustand eintreten, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle im Dezember genötigt sein wird, einzulagern, und daß man dann im Frühjahr Winterbutter, gelagerte Butter, wieder ausgeben muß.
Die einheimische Butterproduktion liegt im Augenblick um 4,8 % über der Vorjahresproduktion. Es wäre keinerlei Veranlassung gewesen, in einer überstürzten Weise den Butterzoll aufzuheben und die Importe nicht zu befristen. - Schade, Frau Strobel ist nicht mehr da; sonst müßte ich ihr jetzt einiges antworten in bezug auf die Politik drüben in Holland. Es ist richtig, dort hat man eine Marktpolitik, aber den absoluten Schutz des Staates für den Erzeuger dahinter. Für den holländischen Bauern ist es völlig uninteressant, was sein Käse oder seine Butter kosten - Herr Köhler oder Herr Logemann hat bereits darauf hingewiesen -; der bekommt den garantierten Milchpreis von 31 Pf. Frage an das Hohe Haus: Ist etwa die Bundesregierung oder das Hohe Haus gewillt, entsprechende Subventionen zu zahlen, damit unsere Landwirtschaft hier keine Einbuße erleidet? Ich glaube nicht. Nach dem, was man gestern in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers gehört hat, was die allgemeine Auffassung ist, will man von den Subventionen herunterkommen. Und nun weiß ich nicht, wie man, wenn man dem Erzeuger nicht den Preis zugestehen will, bei dem auch er auf seine Kosten kommt, diese Dinge ordnen will.
Auf dem Sektor Vieh und Fleisch sind die Verhältnisse ganz ähnlich. Sicherlich ist zuzugeben, daß die Preise im Vorsommer und im Sommer des vergangenen Jahres angezogen haben. Meine Damen und Herren, was hat denn diese arme Bundesregierung getan? Sie hat nicht eine Politik einseitig zugunsten des Erzeugers gemacht, sondern den dreifachen Auftrag dieses Hohen Hauses zu realisieren versucht, der bei der Verabschiedung der letzten drei Grünen Pläne erteilt worden ist und dahin ging, nicht mit Subventionen des Bundes allein, d. h. nicht allein mit Mitteln aus dem Grünen Plan auf Grund der §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes eine bessere Agrarpolitik zu machen, sondern auch nach § 1, das heißt, mit Mitteln der Handelspolitik. Das hat sie getan; und jetzt wird sie dafür vor diesem Hohen Hause angeklagt.
Meine Damen und Herren, wenn heute die Preise so sind, daß sie in dieser Woche bei den Rindern um 5 DM, bei den Kälbern um 12 DM und bei den Schweinen um 6 DM niedriger liegen als vor einem Jahr, dann muß ich mich fragen, wie angesichts der gestiegenen Produktionskosten in der Landwirtschaft nun eine vernünftige Agrarpolitik in Zukunft betrieben werden soll. Diese Dinge dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.
Die Landwirtschaft hat leider nicht die Möglichkeit, über eine Rationalisierung ihre Produktionskosten zu senken. Was erreicht die jetzt so stark in Gang gekommene Mechanisierung? Eine Erleichterung der Arbeit und in gewissem Maße eine Verkürzung der Arbeitszeit, leider aber keine Verbilligung der Produktion. Woher soll die Landwirtschaft die erforderlichen Mittel nehmen, wenn man ihr andere Wege versperrt? Dann muß sie doch versuchen, auf dem Markt für bessere Einkommensverhältnisse zu sorgen.
Frau Keilhack, ich glaube, Sie sind mit mir einig, wenn ich sage, daß die 1,2 Millionen kleinbäuerlichen Betriebe wirklich keinen adäquaten Lebensstandard haben und daß man hier noch einiges zur Verbesserung der Verhältnisse tun sollte. Ich möchte daher die Bundesregierung bitten, auch diese Dinge nicht aus dem Auge zu lassen. Wenn schon keine Möglichkeit besteht - um es noch einmal zu sagen -, durch Verbilligung der Produktionsmittel etwas zu erreichen, bleibt uns eben gar nichts anderes übrig als der Weg, gestiegene Kasten über den Markt auszugleichen. Das kann man uns nicht verwehren, wenn man wirklich eine Politik treiben will, die dem Verbraucher und dem Erzeuger gleichermaßen gerecht wird.
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Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Mauk, Mensing, Müller ({0}), Bauer ({1}) und Simpfendörfer haben im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit auf ihre Rede verzichtet; ich danke ihnen.
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- Das Schlußwort hat der Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können auch mir ruhig zuklatschen; ich werde mich ganz kurz fassen.
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Ich bin sehr froh darüber, daß mein Kollege Dr. Deist auf die - ich möchte kein beleidigendes Wort gebrauchen; auf der anderen Seite fällt es mir schwer, einsachliches Wort zu finden; darum vermeide ich eine Bewertung - Ausführungen des Herrn Ministers Erhard geantwortet hat. Diese Ausführungen gingen völlig am heutigen Thema vorbei.
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Er hat die Gewerkschaften, die Lohnpolitik usw. angegriffen. Er hätte sich lieber in sachlicher Weise mit dem Anliegen, das wir mit unserem Antrag verfolgen, auseinandersetzen sollen.
Die Ausführungen des Herrn Ministers Schwarz konnten mich trotz all ihrer Ausführlichkeit nicht befriedigen. Auf diese Ausführungen hat bereits Frau Strobel geantwortet, und auch Frau Keilhack ist darauf eingegangen. Ich bin Frau Keilhack be5226
sanden dafür dankbar, daß sie sehr eindringlich darauf hingewiesen hat, daß nicht das gesamte deutsche Bundesvolk in Fett und Freude lebt, sondern daß es noch eine Unmenge von Menschen gibt, die sich sehr stark einschränken müssen und deren Lebensstandard durch jede Preiserhöhung außerordentlich beschränkt wird. Diese Menschen werden durch jede Preiserhöhung welter von dem allgemeinen Lebensniveau der übrigen Bevölkerung abgedrängt. Wir haben eben zwei Schichten in der Bevölkerung, eine Schicht, der es sehr gut geht, und eine andere, wenn auch etwas kleinere, aber durchaus nicht kleine Gruppe, der es noch außerordentlich schlecht geht. Das ganze Gerede vom Wirtschaftsaufschwung und von der Wirtschaftsblüte hängt mir zum Halse heraus, wenn ich an diese anderen Menschen, die Rentner usw. - es gibt auch noch Arbeiter, die sich in Lohn befinden und denen es sehr schlecht geht -, denke. Ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen.
Ich möchte nur noch etwas zu den Ausführungen des Herrn Ministers Schwarz sagen. Herr Minister Schwarz hat darauf hingewiesen, daß die Geflügelpreise um 25 bis 35 Pf niedriger geworden seien oder daß die Eierpreise um 2 Pf niedriger seien als im Vorjahr. Natürlich stimmt das. Aber sind das etwa Waren, die der Marktordnung unterliegen? Das sind doch Waren, die sozusagen liberalisiert sind! Die Marktordnungswaren sind nicht billiger, sondern teurer geworden. Die liberalisierten Waren sind zweifelsohne billiger geworden, und ich finde es geradezu rührend, wenn im Regierungskommuniqué zum Schluß angeführt wird, der Ernährungsminister werde nichts unternehmen, um die Preise für Geflügel und Eier zu erhöhen.
All die Fragen, deren Lösung uns am Herzen liegt, sind hier immer wieder nur sehr oberflächlich behandelt worden. Ich halte es für dringend notwendig, daß wir uns in den Ausschüssen für Wirtschaft und für Ernährung noch weiter über diese Fragen unterhalten. Deswegen bitte ich Sie, die beiden vorliegenden Anträge der SPD - Umdruck 451 - und der CDU - die Umdruck-Nummer ist mir nicht bekannt - zur weiteren Behandlung dem Ernährungsausschuß - federführend - und dem Wirtschaftsausschuß - mritberatend - zu überweisen.
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Meine Damen und Herren, die Debatte ist beendet. Es ;ist beantragt, den Antrag Umdruck 451 der Fraktion der SPD und den Antrag Umdruck 452 der Fraktion der CDU/CSU an den Ernährungsausschuß - federführend - und dem Wirtschaftsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den heute morgen noch auf die Tagesordnung gesetzten
Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Struve, Dr. Pflaumbaum, Wehking und Genossen betreffend Trockenheitsschäden ({1}).
Zu einer Ergänzung des Schriftlichen Berichts hat das Wort der Berichterstatter, der Abgeordnete Diekmann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will Ihre Aufmerksamkeit nicht lange in Anspruch nehmen, ich habe nämlich nicht die Absicht, den Schriftlichen Bericht um einen mündlichen zu erweitern. Es kommt hier lediglich auf die Beschlußfassung an. Im Auftrage des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Haushaltsausschusses schlage ich Ihnen folgende neue Fassung des Antrages vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, gemäß dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Februar 1957 ({0}) bei der Schadensregelung zur Milderung der Trockenheitsschäden 1959 zu verfahren, dafür 4 200 000 DM zur Verfügung zu stellen und davon vorerst 3 Millionen DM dem am meistengeschädigten Lande Niedersachsen anzuweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag, der soeben hier verlesen und zu Protokoll genommen wurde. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen in der Mitte angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist nun noch an mich der Antrag gestellt worden, die Drucksache 1184 auf die Tagesordnung zu setzen. Ich frage zunächst, ob dem jemand widerspricht. - Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Antrag auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich rufe also auf:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres über den Antrag der Abgeordneten Wilhelm, Bach, Ritzel, Schmitt ({0}) und Genossen betr. Abgeltungsbetrag und Härteausgleichszahlung für Arbeiter, Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes im Saarland ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Hübner als Berichterstatter. - Er ist nicht im Hause. Verzichtet das Haus auf einen Bericht?
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- Das ist der Fall. Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der mitberatende Haushaltsausschuß hat sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Antrag des federführenden Ausschusses für Inneres beschäftigt und schlägt dem Hause vor, den
Schmitt ({0})
Antrag für erledigt zu erklären. Die Regierung hat nämlich im Haushaltsausschuß die Erklärung abgegeben, daß die Zahlungen der Abgeltungsbeträge noch vor Weihnachten vorgenommen werden. Der Ausschuß für Inneres konnte nicht mehr zu einer erneuten Beratung zusammentreten. Aber ich darf im Namen der Antrgsteller erklären, daß wir damit einverstanden sind, daß der Antrag für erledigt erklärt wird, nachdem die Regierung eine so klare, eindeutige Erklärung zu unserem Antrag abgegeben hat.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist der Antrag gestellt, den Antrag Drucksache 1453 für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Sitzung und zugleich am Ende unserer Arbeit im alten Jahr. Ich darf Ihnen frohe und ruhige Weihnachtstage wünschen und ein gesegnetes neues Jahr.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 20. Januar 1960, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.