Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Zu Beginn dieser Sitzung möchte ich ein Wort des Gedenkens sagen
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für die Opfer des schweren Unglücks, das unser französisches Nachbarvolk mit der Staudammkatastrophe bei Fréjus betroffen hat. Wir haben mit Bewegung von diesem Unglück Kenntnis erhalten. Ich spreche unserem französischen Nachbarvolk, seinem Parlament und den Hinterbliebenen dieser Opfer unser aller aufrichtiges und herzliches Mitgefühl aus.
Glückwünsche zu Geburtstagen spreche ich folgenden Abgeordneten aus: Am 8. Dezember wurde Herr Abgeordneter Diel 73 Jahre alt,
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und am 10. Dezember, also heute, gratulieren wir dem Herrn Abgeordneten Wittmer-Eigenbrodt zum 70. Geburtstag.
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Ich teile dem Hause mit, daß die Fraktion der CDU/CSU mir mit Schreiben vom 9. Dezember 1959 für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Oesterle den Abgeordneten Niederalt als Mitglied im Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung benannt hat. Gemäß § 6 des Gesetzes über die Errichtung einer Schuldenverwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 13. Juli 1948 und der Verordnung über die Bundesschuldenverwaltung vom 13. Dezember 1949 hat der Bundestag die Wahl vorzunehmen. Wer der Wahl des Abgeordneten Niederalt in den Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Dieser Beschluß ist, soweit ich sehe, einstimmig herbeigeführt. Der Herr Abgeordnete Niederalt ist damit in diesen Ausschuß gewählt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundsrat hat in seiner Sitzung am 4. Dezember 1959 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über die Beschränkung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
Gesetz über die Errichtung des Bundesverwaltungsamtes
Erstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ({3})
Gesetz zu dem Sechsten Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 11. April 1957 zum Wortlaut der dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen beigefügten Zollzugeständnislisten
Gesetz über den zivilen Ersatzdienst
Gesetz über Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({4})
Zu der
Verwaltungsgerichtsordnung ({5})
und dem
Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 1456 und 1457 verteilt,
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 4. Dezember 1959 auf Grund des Beschlusses des Bundestages am 12. Juni 1959 über die Prüfungsergebnisse bezüglich einer Eingliederung der Bundesanstalten für Vegetationskartierung und für Naturschutz und Landschaftspflege in die Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung berichtet. Sein Schreiben, das als Drucksache 1459 verteilt wird, ist zugleich auch die Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({6}), Bading, Margulies, Dr. Schild und Genossen betr. Zusammenlegung von Bundesanstalten ({7}).
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 4. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller-Hermann, Scharnberg, Engelbrecht-Greve und Genossen betr. Arbeitsschutz in der Seefahrt ({8}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1461 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 8. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({9}), Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger ({10}) und Genossen betr. Abgase und Lärm von Kraftfahrzeugen ({11}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 14M verteilt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960 ({12}) ({13}).
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt heute dem Deutschen Bundestag den Entwurf des Haushaltsgesetzes für das Finanzjahr 1960 fristgerecht vor, nach dem 1. Durchgang im Bundesrat.
Der Entwurf eines neuen Haushaltsplans muß nach der Haushaltsordnung spätestens am 5. Januar eingebracht werden. Wir tun dies also in diesem Jahre - wie im Vorjahr - schon 5 Wochen vorher. Die Bundesregierung hofft, daß es den gesetzgebenden Körperschaften, vor allem dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages, möglich sein wird, die zweite und dritte Beratung des Haushaltsgesetzes noch vor Beginn des neuen Finanzjahres
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Bundesfinanzminister Etzel
stattfinden zu lassen. Die Beratungszeit für den neuen Bundeshaushaltsplan wird auch deswegen verkürzt werden können, weil er für alle persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben unverändert die Vorjahresansätze enthält. Die Bundesregierung folgt dabei einer einmütigen Entschließung des Deutschen Bundestages. Lediglich der Einzelplan der Verteidigung enthält Stellenvermehrungen und Stellenhebungen. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, die in Einzelfällen aus der unveränderten Fortgeltung des Stellenplans entstehen könnten, enthält das Haushaltsgesetz eine Ermächtigung für den Bundesminister der Finanzen, mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages unter der engen Voraussetzung eines unabweisbaren Bedarfs wie bei Haushaltsüberschreitungen für dieses Jahr Mehr-Stellen zu bewilligen. Diese Zwischenlösung muß dann beim nächstjährigen Haushalt von den gesetzgebenden Körperschaften endgültig bestätigt werden.
Das Finanzjahr 1960 wird nur drei Vierteljahre umfassen. Am 1. Januar 1961 gehen der Bund und wahrscheinlich auch die Länder und Gemeinden zum Kalenderjahr als Finanzjahr über. Wenn ich auch diesen ersten Reformschritt zur Anpassung des Haushaltsrechts an eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise nicht überschätze, so wollen Sie doch darin erneut einen Ausdruck meines Bemühens sehen, den Ablauf der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht bloß in seinen vielfältigen Einzelmaßnahmen, sondern auch in seinem zeitlichen Rhythmus weitestmöglich in den gesamtwirtschaftlichen Ablauf einzuordnen.
Dieser Übergang zum Kalenderjahr als Finanzjahr bringt es mit sich, daß die Bundesregierung schon jetzt mit der Aufstellung des Haushaltsplans für 1961 beginnt. Die Bundesregierung wird diesen weiteren Haushaltsplan, wie ich hoffe, bereits Ende Mai verabschieden und Ende Juni den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten. Die parlamentarische Behandlung dieses Haushaltsplans für 1961 beginnt dann unmittelbar vor oder nach den Parlamentsferien. Ich brauche nicht hervorzuheben, welches außerordentliche Maß an Arbeit für die parlamentarischen Körperschaften, insbesondere den Haushaltsausschuß, und für die Ministerien, insbesondere das Finanzministerium, damit verbunden ist. Angesichts dieser Entwicklung ist der Haushaltsplan für 1960 praktisch mehr ein Übergangshaushalt. Materiell allerdings enthält er einige finanzpolitische Probleme und Entscheidungen von großer Tragweite für die Zukunft.
Es ist ein guter Verfassungsbrauch, daß der Finanzminister in seiner Haushaltsrede zunächst über den Stand der Bundesfinanzen berichtet. In meiner Vorjahresrede habe ich vier tragende Grundgedanken hervorgehoben, die die Finanzpolitik der Bundesregierung bestimmen sollten. Diese Generallinie wurde beim bisherigen Vollzug des Haushalts 1959 und bei der vorbereitenden Planung des Haushalts 1960 eingehalten. Diese Leitgedanken sind:
Die Ausgaben sollen so niedrig wie möglich gehalten werden; Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
sollen die Planung und den Vollzug jedes Haushalts bestimmen.
Nachdem die großen Steuersenkungen der Jahre 1956 und 1958 bis auf weiteres im wesentlichen abgeschlossen sind, sollten die Steuern tunlichst nicht wieder erhöht werden. Neue Ausgaben sollten ihre Grenzen finden, soweit sie nicht aus höheren Steuereinnahmen infolge des Wachstums des Sozialprodukts oder durch Wenigerausgaben für fortfallende Zwecke gedeckt werden können. Steuerliche Maßnahmen zur Anpassung der Finanzpolitik an außerordentliche Konjunkturerfordernisse bleiben erforderlichenfalls vorbehalten.
Die Haushaltswirtschaft des Bundes, die insbesondere bei den Verteidigungsausgaben der letzten Jahre unter Ausnahmebedingungen gestanden hat, soll schrittweise wieder in die bewährten Maßstäbe und Formen übergeleitet werden. Dazu gehört insbesondere der Abbau eines unsichtbaren Haushalts aus übermäßigen Ausgaberesten und Bindungsermächtigungen früherer Jahre, der durch die völlige Auskehrung des Juliusturms erforderlich wird.
Der Kapitalmarkt sollte für außerordentliche Finanzbedürfnisse des Bundes so spät und so wenig wie möglich beansprucht werden. Die großartige Steigerung der Kapitalbildung sollte sich zunächst in einem ausgewogenen Kapitalmarkt bei niedrigen und gleichbleibenden Zinssätzen konsolidieren. Die Früchte dieses deutschen Sparwunders sollten zuerst . den privaten Investitionen der produktiven Wirtschaft und dem Wohnungsbau zugute kommen.
Diese Leitgedanken meiner Finanzpolitik wurden beim Vollzug des Haushaltsplans 1959 und bei dem Entwurf für 1960 mit Einschränkungen, auf die ich zu sprechen komme, beachtet. In einigen Teilgebieten konnten sie nicht uneingeschränkt verwirklicht werden.
Das Rechnungsjahr 1958 konnte am 31. März 1959, also zu Beginn des laufenden neuen Haushaltsjahres, mit Hilfe der Entnahme von 1,8 Milliarden DM aus dem Rückstellungskonto - sprich: Juliusturm - in Einnahme und Ausgabe ausgeglichen werden. Bezieht man in den Jahresabschluß auch die Haushaltsreste ein, so ergibt sich allerdings ein SollFehlbetrag von 10,1 Milliarden DM. Er beruht allein auf den hohen Ausgaberesten in gleicher Höhe, von denen 7,1 Milliarden DM auf den Verteidigungshaushalt entfielen. Inzwischen hat die Abwicklung der Haushaltsreste erfreuliche Fortschritte gemacht. Für das Ende des Finanzjahres 1959 erwarten wir insgesamt eine Verminderung der übernommenen Ausgabereste von rund 10,1 Milliarden DM auf etwa 8 Milliarden DM, also eine Senkung um rund 2 Milliarden DM. Der Verteidigungshaushalt vermindert seine Reste darin von rund 7,1 Milliarden DM auf 5,6 Milliarden DM, also er allein um 1,5 Milliarden DM. Zu der fortschreitenden Abwicklung des Nebenhaushalts der Restewirtschaft hat die planmäßige Neudeckung der überhohen Ausgabereste des Verteidigungshaushalts im Haushaltsplan für 1959 demnach entscheidend beigetragen. Erfreulich ist auch die weitere Minderung der Ausgabereste bei den zivilen Ausgaben von
Bundesfinanzminister Etzel
rund 3 Milliarden DM auf voraussichtlich 2,5 Milliarden DM, also um 1/2 Milliarde DM. Die zivilen Ausgabereste haben damit die normale Größenordnung fast wieder erreicht.
Am 1. Oktober 1959 haben wir den üblichen Halbjahresabschluß gezogen, um auf seiner Grundlage den voraussichtlichen Ablauf des gesamten Finanzjahres 1959 bis zum 31. März 1960 sicherer beurteilen zu können. Die Ausgaben des Bundes waren im ersten Halbjahr um 826 Millionen DM größer als die Einnahmen. Das war so vorgesehen. Die Mehrausgaben im ersten Halbjahr beruhen auf einigen außerordentlichen Zahlungen, insbesondere den Aufwendungen anläßlich der Saarrückgliederung mit rund 880 Millionen DM und der vorzeitigen Tilgung von Nachkriegskrediten an die Vereinigten Staaten mit 627 Millionen DM und Großbritannien mit 265 Millionen DM. Dazu treten gewisse höhere Zahlungen für den Wohnungsbau und den Straßenbau, die in diesem Jahre frühzeitiger als sonst begonnen und abgerechnet werden konnten.
Eine annähernd zuverlässige Vorhersage über die Gesamtausgaben bis zum Jahresende ist unter dem veränderten Rhythmus dieses Jahres kaum möglich. Ein besonderes Problem sind die Verteidigungsausgaben. Im ersten Halbjahr blieben sie um rund 900 Millionen DM unter dem Halbjahres-Soll. Ihr Ansteigen in der zweiten Jahreshälfte ist mit Sicherheit zu erwarten. Nach den Angaben des Verteidigungsministers werden seine Haushaltsbewilligungen in diesem Jahr ausgeschöpft, was einer Ist-Ausgabe von rund 8,5 Milliarden DM entsprechen würde.
Eine große Überraschung haben uns im bisherigen Ablauf des Finanzjahres 1959 die Steuereingänge bereitet. Noch im Frühjahr dieses Jahres wurden meine Haushaltsansätze für 1959 und die zugrunde liegende Annahme über das Wachstum des Bruttosozialprodukts als sehr, ja als zu optimistisch bezeichnet. Wie in jedem Jahr, so haben wir auch in diesem Jahr die Steuerschätzungen nicht allein erarbeitet, sondern in Zusammenarbeit mit völlig unabhängigen Stellen außerhalb des Bundesfinanzministeriums. Dazu gehören das Bundeswirtschaftsministerium, das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank und einige wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute. Alle diese Stellen waren unter dem Eindruck des verminderten Wirtschaftswachstums Ende 1958 der Meinung, daß für 1959 die Annahme eines Wachstums des Bruttosozialprodukts um 5,5 v. H. äußerst optimistisch sei. Der Meinungsaustausch mit den Wirtschaftsforschungsinstituten ging lediglich darum, ob ein Wirtschaftszuwachs von 5 v. H. oder 5,5 v. H. zu erwarten sei, wobei ich mich für die höhere Zahl entschieden habe.
Inzwischen hat die Konjunktur ,sich bei uns in einem unerwarteten Maße zur Vollbeschäftigung, ja zur Überbeschäftigung entwickelt. Wir dürfen annehmen, daß das Bruttosozialprodukt gegenüber dem Vorjahr nicht bloß um 5,5 v. H., sondern um etwa 6,5 v. H. ansteigen wird. Wir haben die begründete Hoffnung, daß auch das Jahr 1960 eine
weitere Steigerung um 6 v. H. bringen wird. Diese Entwicklung hat natürlich zu höheren Steuereinnahmen in den Kassen des Bundes, der Länder und Gemeinden geführt. Für den Bundeshaushalt rechnen wir mit einer Mehreinnahme von etwa 1,2 Milliarden DM bis zum Ende des Finanzjahres 1959. In den Haushalten der Länder sind die Steuermehreinnahmen wegen ihres größeren Anteils am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer sogar noch erheblich höher als beim Bund.
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Bei den Gemeinden führt die steigende Konjunktur zu noch größeren Unterschieden der örtlichen Steuerkraft, weil die Hochkonjunktur vor allem das Aufkommen der Gewerbesteuer erheblich erhöht und damit in erster Linie die Industriegemeinden erfaßt.
Wenn die Steuern höher als vorgeschätzt in die Kasse kommen, wird der Finanzminister leicht beschuldigt, sie aus Zweckpessimismus niedrig geschätzt zu haben. Ich hoffe Sie überzeugt zu haben, daß davon keine Rede sein kann. Es ist meine Absicht, die Steuereinahmen bewußt eher höher als niedriger zu schätzen, damit dieser immer wiederkehrende Vorwurf des Zweckpessimismus endlich verstummt. Ich darf Sie auch daran erinnern, daß im Jahre 1958, also in meinem ersten Haushaltsjahr, die tatsächlichen Steuereinnahmen um 750 Millionen DM niedriger waren, als ich sie vorher geschätzt hatte. Ich habe also dort nicht in Zweckpessimismus, sondern offenbar in Zweckoptimismus gemacht. Bei den Steuerschätzungen für 1960 ging ich daher wieder bewußt an die obere Grenze des Vertretbaren, nicht um dadurch den Haushaltsplan rechnerisch auszugleichen, sondern weil ich mich durch die voraussichtliche Entwicklung des Bruttosozialprodukts dazu berechtigt fühle.
Was macht nun der Finanzminister im Jahre 1959 mit den erwarteten Steuermehreinnahmen von etwa 1,2 Milliarden DM? Er hat theoretisch verschiedene Möglichkeiten. Verwendet er sie zu Mehrausgaben über die Haushaltsbewilligungen hinaus? Das ist ein Wunsch vieler, der an mich herangetragen wurde. Oder benutzt er sie zur Überschußbildung in einem neuen Juliusturm, um damit die Maßnahmen der Bundesbank zur Dämpfung der überhitzten Konjunktur und zur Sicherung der Preise und des Geldwertes zu unterstützen? Auch das ist ein Wunsch, der an mich herangetragen wird. Oder verwendet er sie zur zusätzlichen Tilgung von Schulden des Bundes, was bei Auslandsschulden konjunkturpolitisch eine ähnliche wohltuende Wirkung auf die Preise und den Geldwert enthalten könnte? Nichts von diesen drei Möglichkeiten ist hier bei uns gegeben. Hätten wir diese Steuermehreinnahmen nämlich nicht, so würde ein großer Teil der Vorhaben des außerordentlichen Haushaltsplans 1959 nicht verwirklicht werden können, weil der Kapitalmarkt den erwarteten Gesamtbetrag von rund 3 Milliarden DM, den wir ja zur Deckung des Gesamthaushalts eingesetzt hatten, nicht erbringt, also dieses Weniger durch das Mehr an Steuereinnahmen ausgeglichen werden muß. In
Bundesfinanzminister Etzel
einer Hochkonjunktur ist es natürlich und durchaus erwünscht, daß ein Steuermehraufkommen gegenüber dem Voranschlag zur Deckung des ursprünglich geplanten außerordentlichen Finanzbedarfs herangezogen wind. In einer solchen Konjunkturlage werden die Möglichkeiten des Kapitalmarktes regelmäßig stärker für Zwecke der privaten Wirtschaft beansprucht. Öffentliche Investitionen, die in einer solchen Lage eigentlich verringert werden sollten, müssen, wenn sie trotzdem beibehalten werden -in dieser Lage sind wir ja -, verstärkt aus dem gestiegenen Steueraufkommen finanziert werden. Zwischen der Finanzierung aus Steuermitteln und Kreditmarktmitteln besteht hier nach Art kommunizierender Röhren ein natürlicher Ausgleich, d. h. bei hoher Konjunktur haben wir hohe Steuereinnahmen, aber geringere Möglichkeiten am Kapitalmarkt, bei schwächerer Konjunktur haben wir geringere Steuereinnahmen, aber größere Möglichkeiten am Kapitalmarkt.
Zur Finanzierung des außerordentlichen Bedarfs konnten bisher langfristig am Kapitalmarkt nur rund 300 Millionen DM aufgenommen werden. Daneben haben wir bisher rund 180 Millionen DM mittelfristige Kassenobligationen zur Finanzierung des außerordentlichen Haushalts begeben. Das sind zusammen also rund 1/2 Milliarde DM. Wir hoffen, bis zum Ende dieses Rechnungsjahres, also bis zum 31. März 1960, noch Bundesanleihen in möglichst großen Beträgen marktgerecht unterzubringen. Den Restbetrag werden wir zunächst mittelfristig durch Kassenobligationen aufbringen. Alle diese Maßnahmen der außerordentlichen Geldbeschaffung treffen wir in engem Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank und unserem Anleihe-Konsortium.
Der Betriebsmittelkredit des Bundes bei der Deutschen Bundesbank und die im Bundesbankgesetz gleichgestellten Schatzwechsel bis zum Gesamtbetrage von 3 Milliarden DM werden unter keinen Umständen zur Finanzierung außerordentlicher Vorhaben, auch nicht zur Vorfinanzierung, verwendet. Der Betriebsmittelkredit dient ausschließlich dem Ausgleich unterschiedlicher Kassenbeanspruchungen aus dem unterschiedlichen Fluß von Einnahmen und Ausgaben im Ablauf des Jahres. Diesen Betriebsmittelkredit bei der Bundesbank haben wir vorübergehend bis zu 1,2 Milliarden DM beanspruchen müssen. Wir müssen diese Geldquelle für die Bundeskasse auch aus konjunkturpolitischen Gründen so klein wie möglich halten, weil jeder Kredit der Bundesbank an den Bund eine Kreditschöpfung darstellt. Der Umlauf an Schatzwechseln stellte sich im Höchstbetrag auf 750 Millionen DM. Inzwischen wurde er auf rund 250 Millionen DM zurückgeführt.
Abschließend muß ich also feststellen, daß die Steuermehreinnahmen des Jahres 1959 in keiner Form für irgendwelche Mehrausgaben verfügbar sind. Vielmehr sind sie in voller Höhe erforderlich, um die Deckungslücke im außerordentlichen Haushalt auszugleichen. Ohne diese Steuermehreinnahmen würde der außerordentliche Haushaltsplan mit seinem Gesamtbedarf von 3 Milliarden DM fast zur Hälfte nicht verwirklicht werden können; denn aus dem Kreditmarkt werden wir in der gegebenen Konjunktursituation bis zum Ende
des laufenden Finanzjahres voraussichtlich höchstens 1,8 Milliarden DM entnehmen können.
Damit, meine Damen und Herren, darf ich meinen Rechenschaftsbericht über den Stand der Bundesfinanzen in diesem Jahr abschließen. Ich wende mich nunmehr den großen finanzpolitischen Problemen der kommenden Jahre zu, womit ich eine knappe Vorschau auf einige wesentliche Umstände im Haushaltsplan für 1960 verbinde.
Im Vorjahr habe ich an dieser Stelle gesagt, daß ich an der schrecklichen Treppe ständig steigender Staatsausgaben nicht weiterbauen möchte. Gesetzliche Verpflichtungen und harte politische Tatsachen haben es mir verwehrt, dieses Ziel meiner Finanzpolitik zu erreichen, hinter dem das Bestreben steht, die Steuern niedrig zu halten.
Vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal das Wachstum der Bundesausgaben in den letzten Jahren an Hand der Haushaltspläne: Im Jahre 1956 35,0 Milliarden DM, im Jahre 1957 37,4 Milliarden DM, im Jahre 1958 38,7 Milliarden DM, im Jahre 1959 39,8 Milliarden DM und nunmehr für 1960 41,9 Milliarden DM, also fast 42 Milliarden DM. Lag der laufende Haushaltsplan 1959 schon um rund 1,1 Milliarden DM über seinem Vorgänger, so wird der für 1960 seinen Vorgänger sogar um rund 2,1 Milliarden DM übersteigen. Der laufende Haushalt 1959 übertrifft also seinen Vorgänger um 2,8 v. H., der neue für 1960 den von 1959 sogar um 5,3 v. H. Das Bruttosozialprodukt stieg in diesen beiden Jahren vergleichsweise 1958 auf 1959, wo also der Haushalt um 2,8 v. H. gestiegen ist, um 6,5 v. H., also um wesentlich mehr, und wird voraussichtlich von 1959 auf 1960 um 6 v. H. steigen, also um eine Kleinigkeit mehr, als der Haushalt steigt.
Ähnlich erschreckend ist das Wachstum des öffentlichen Gesamthaushalts von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden und Lastenausgleichfonds in den letzten Jahren. Hier sind die Zahlen ihres bereinigten Finanzbedarfs: 1956 59,4 Milliarden DM, 1957 66,0 Milliarden DM, 1958 71,0 Milliarden DM, 1959 voraussichtlich 77,0 Milliarden DM und für 1960 müssen über 80,0 Milliarden DM erwartet werden. Das bedeutet, daß die Ausgaben der öffentlichen Haushalte von 1956 bis heute eine Steigerung um 20 Milliarden DM erfahren haben. Das ist eine erschreckende Zahl. Wir sollten sie uns immer vor Augen halten, wenn es um neue Ausgaben und ihre Finanzierung geht.
Dazu treten die aus Zwangsbeiträgen gedeckten Eigenausgaben der Sozialversicherung. Sie betrugen im Jahr 1958 rund 20 Milliarden DM und werden in 1960 voraussichtlich 21 Milliarden DM erreichen. Dieser öffentliche Gesamthaushalt einschließlich Sozialversicherung erfordert also im nächsten Jahr etwa 101 Milliarden DM.
Das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin, aus dem alle öffentlichen Finanzbedürfnisse in tausendfältigen Formen nach dem Zwangsspruch der Gesetze umverteilt werden müssen, betrug im Jahre 1958 232 Milliarden DM, im Jahre 1959 247 Milliarden DM und für 1960 erwarten wir etwa 261 Milliarden DM. Rechnerisch erfaßt der öffentliche GesamtfinanzbeBundesfinanzminister Etzel
darf danach in den, letzten Jahren durchschnittlich rund 40 v. H. des Bruttosozialprodukts.
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Ich pflege das immer so klarzumachen: wenn jeman 100 DM verdient, wird seine Freiheit, über die Verwendung seines Einkommens zu entscheiden, durch die öffentliche Hand und durch die Soziallasten um 40 DM eingeschränkt. - Mit diesem Anteil des öffentlichen Gesamthaushalts am Bruttosozialprodukt stehen wir an der Spitze aller nichtkommunistischen europäischen Länder. Wir haben dementsprechend auch die höchste Ausgabenlast an Steuern und Sozialbeiträgen unter diesen Ländern, wie ich in anderem Zusammenhang noch erläutern werde.
Zu unserer finanzpolitischen Gewissenserforschung gehört es auch, die Entwicklung der Steuereinnahmen im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt einmal kritisch zu betrachten. In früheren Jahren stiegen die Steuern stärker als das Bruttosozialprodukt. In den Jahren 1955 bis 1957 gelang es, diese Entwicklung umzukehren; die Steuereinnahmen stiegen weniger als das Bruttosozialprodukt. Seit 1958 beanspruchen die Steuern ziemlich unverändert etwa 23,5 v. H. des Bruttosozialprodukts. Diese Anpassung wurde durch mehrfache Steuersenkungen erreicht. - Wenn ich eben von 40 v. H. sprach, so handelte es sich dort um die Gesamtlasten, während es hier nur die Steuereinnahmen sind; daraus erklärt sich die Differenz.
Im Jahre 1960 werden die Steuereinnahmen aller Steuergläubiger voraussichtlich um 6,5 v. H. über dem Vorjahr liegen, während das Bruttosozialprodukt voraussichtlich „nur" um etwa 6 v. H. wachsen wird. Hoffentlich gelingt es uns in späteren Jahren, das Wachstum des Bruttosozialprodukts wieder mehr dem privaten Verbrauch und der Ersparnisbildung und weniger den öffentlichen Kassen zuzuführen.
Wo liegen nun die Gründe für das sprunghafte Anwachsen des Bundesfinanzbedarfs im kommenden Jahr um mehr als 2 Milliarden DM?
Die Bundesressorts legten ursprünglich Anforderungen vor, die mit 45,5 Milliarden DM um fast 6 Milliarden DM über dem Haushaltsvolumen des Vorjahres lagen. Ich konnte meine Ministerkollegen davon überzeugen, daß solche Anforderungen nicht verwirklicht werden können, und kürzte sie mit meinem vielberufenen Rotstift insgesamt um 3,2 Milliarden DM einschließlich der 6%igen Kürzung, Ein Gesamtausgabebedarf von 42,3 Milliarden DM - vor Abzug der 400 Millionen DM, um die sich die Ausgaben durch Rückeinnahmen aus dem Garantiekonto für Rüstungseinfuhren vermindern - mußte aber auch bei strengen Sparsamkeitsmaßstäben anerkannt werden, weil er ganz überwiegend auf alten oder neuen Gesetzen beruht. Dem Bundesfinanzminister sind hier weitgehend die Hände gebunden.
Der größte Posten von diesem unabweisbaren Mehrbedarf entfällt auf die Steigerung der Sozialausgaben. Die Gesamtausgaben des Bundes für die soziale Sicherung, die in den Jahren 1958 bis 1959 mit rund 15,7 Milliarden DM gleich hoch waren, stiegen nunmehr in einem Jahr um 2 Milliarden DM auf 17,7 Milliarden DM. Zu diesen sozialen Gesamtaufwendungen rechnen die Bundesausgaben für die Sozialversicherung, für die Kriegsopferversorgung, für den Lastenausgleich, für die Versorgung nach dem 131er-Gesetz sowie sonstige soziale Sicherungsmaßnahmen - wie Arbeitsschutz, Arbeitslosenhilfe, Fürsorge für Vertriebene, für Gesundheit, Sport und Jugendpflege - und auch die für die Förderung des Wohnungsbaues. Diese Sozialausgaben beanspruchen im laufenden Jahr knapp 40 v. H. der Gesamtausgaben, in 1960 werden es über 40 v. H. werden. Vergleichsweise beanspruchen die Verteidigungsausgaben im laufenden Jahr rund 21 v. H., im kommenden Jahr rund 23 v. H. der Bundesausgaben.
Es besteht in diesem Hause immer der Streit, was zu Sozialausgaben im weiteren und im engeren Sinne zählt. Für Sozialleistungen im engeren Sinne - das sind die Zuschüsse zur Sozialversicherung, die Kriegsopferversorgung, die Arbeitslosenhilfe, die Kriegsfolgenhilfe, der Zuschuß zum Lastenausgleichsfonds, Umsiedlung und Auswanderung und betriebliche Altersfürsorge - werden wir im Jahre 1960 rund 11,9 Milliarden DM ausgeben, das sind 1,9 Milliarden DM mehr als im laufenden Finanzjahr. Diese Bundesausgaben sind von 4,7 Milliarden DM im Jahre 1950 bis heute um mehr als das Zweieinhalbfache erhöht worden. Nehmen Sie lieber das Jahr 1954 als Vergleichsjahr, so ergibt sich, daß sie um mehr als die Hälfte gestiegen sind.
Unter den sozialen Mehrleistungen des Rechnungsjahres 1960 sind folgende Großbeträge besonders hervorzuheben: Für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung sind 900 Millionen DM mehr veranschlagt. Dieser Betrag soll die Mehrkosten decken, die die Reform des Bundesversorgungsgesetzes in der letzten Fassung des Initiativantrages der Koalitionsparteien bei einem Inkrafttreten am 1. Juni 1960 im Finanzjahr 1960 erfordert.
Diese Verbesserung der Kriegsopferversorgung um durchschnittlich ein Drittel der bisherigen Rentenhöhe wird eine ganz außergewöhnliche Sozialhilfe dieser Bundesregierung für die Kriegsopfer sein. Für unsere Finanzpolitik ist sie eines der schwierigsten Probleme. Die gewaltige Erhöhung der Leistungen im kommenden Jahr kann finanziell nur dadurch ermöglicht werden, daß sie, abweichend von dem ursprünglichen niedrigeren Regierungsvorschlag, erst am 1. Juni 1960 wirksam wird, um so einen Rückstellungsbetrag von rund 460 Millionen DM aus 1959 einmalig zur Deckung des Mehrbedarfs in 1960 heranzuziehen. Das ist kein Trick des Finanzministers, der beim genauen Hinsehen noch zusätzliches Geld in seinem großen Sack gefunden hätte, sondern das Ergebnis einer klaren und nüchternen Rechnung. Nur das Hinausschieben des Inkrafttretens ermöglichte uns für 1960 die Steigerung der Leistungen gegenüber der Regierungsvorlage.
Diese Maßnahme bleibt im Hinblick auf die folgenden Jahre finanzpolitisch ein Wagnis. Ohne eine Erhöhung der Steuern oder eine Kürzung von Ausgaben sehe ich keinen Weg, etwaige Mehrleistun5124
Bundesfinanzminister Etzel
gen zu decken. Ich bitte daher das Hohe Haus, bei der weiteren Beratung der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz diese Finanzgrenze nicht zu überschreiten. Nach den Regierungsplänen sollen die Kriegsopfer ab 1960 jährlich 4,2 Milliarden DM erhalten. Das sind mehr als 10 % dieses neuen „Rekordhaushalts". Die Kriegsopferversorgung kostet fast die Hälfte des gesamten Wehrhaushalts, sie erfordert fast das Doppelte dessen, was der Bund jährlich für die gesamte Landwirtschaft oder die gesamten Fern- und Wasserstraßen leistet.
Das zweite Rentenanpassungsgesetz sowie die automatisch auf Grund der Lohnentwicklung angestiegenen allgemeinen Bemessungsgrundlagen haben zu einer weiteren Erhöhung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung der Arbeiter, der Angestellten und der Knappschaft um insgesamt 307 Millionen DM geführt. Auf die finanzpolitische Problematik alljährlicher Rentenanpassungen im Ausmaß der durchschnittlichen Lohnentwicklung der Vorjahre will ich hier nicht näher eingehen.
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Mit der Deutschen Bundesbank bin ich der Meinung, daß sie im Hinblick auf den Geldwert sehr ernst gesehen werden muß.
Das Jahr 1960 bringt uns auch höhere Aufwendungen für das Fremd- und Auslandsrentengesetz um rund 195 Millionen DM. Die neuen Rechtsverordnungen über die Anrechnung von Versicherungszeiten in der Rentenversicherung kosten zusätzlich 79 Millionen DM.
Schwer wiegen vor allem die hohen Bundeszuschüsse an die Knappschaftsversicherung. Dort hat die Kohlenkrise zu einem merklichen Beitragsausfall und zugleich zu einem erheblichen Rentenzuzug geführt, was die Knappschaft mit rund 220 Millionen DM mehr belastet. Obwohl die Beiträge zur Knappschaft schon 23,5 v. H., also fast ein Viertel der Lohnsumme betragen, kann die Rentenversicherung der Bergarbeiter nur durch einen Bundeszuschuß gesichert werden, der im laufenden Jahr 46 v. H. der Gesamtausgaben der Knappschaft erreicht und im Jahre 1960 sogar 61,4 v. H. übersteigen wird.
Die Gesamtaufwendungen für soziale Zwecke aus den Mitteln der Versicherungsträger, der öffentlichen Körperschaften und des Lastenausgleichsfonds werden von 34 Milliarden DM im laufenden Jahr auf etwa 37 Milliarden DM im neuen Jahr, also um rund 3 Milliarden DM, ansteigen. Das ist mehr als ein Drittel aller Steuern und Sozialbeiträge. Von dem erwarteten Bruttosozialprodukt des kommenden Jahres in Höhe von rund 260 Milliarden DM entfallen mehr als 14 v. H. auf Sozialleistungen. Mit diesem Anteil der Sozialleistungen am Bruttosozialprodukt liegt die Bundesrepublik an der Spitze aller vergleichbaren Staaten der westlichen Welt.
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Der Anteilsatz beträgt - wegen sachlicher Vergleichsschwierigkeiten abgerundet - in Frankreich rd. 13 v. H., in Italien und den Niederlanden rd. 12 v. H., in Großbritannien und Schweden rd. 11 v. H. und in den Vereinigten Staaten rd. 6 v. H. gegenüber reichlich 14 v. H. bei uns.
Daß die Bundesrepublik unter allen vergleichbaren europäischen Staaten den höchsten Anteil der Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt hat, ist der unmittelbare Ausdruck der Folgen des verlorenen Krieges. Kein Land muß Jahr für Jahr solche Leistungen für die Beseitigung der Kriegsschäden, für die wirtschaftliche und soziale Eingliederung der Flüchtlinge und viele andere Kriegsfolgelasten aufbringen.
Die Verteidigungsausgaben werden bei uns im kommenden Jahr um 1 Milliarde DM höher sein als im laufenden Jahr. Für eigene Streitkräfte sieht der Haushaltsplan 10 Milliarden DM vor. Davon sind 8 Milliarden DM für neue Bewilligungen, der Rest - wie im Vorjahr - zur Deckung von Ausgaberesten aus Vorjahren vorgesehen. Wenn unsere nationale Sicherheit aus eigener Bemühung demnächst einigermaßen gewährleistet sein soll, werden wir bei den unerhörten Kosten einer allein wirksamen modernen Verteidigung in den künftigen Jahren weiter steigende Lasten zu tragen haben.
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Das Schicksal der Bundesfinanzen wird sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich an den beiden großen Komponenten der Sozialleistungen und Verteidigungsausgaben entscheiden, die heute schon rund zwei Drittel aller Bundesausgaben beanspruchen. Wir müssen uns nunmehr darüber klarwerden, daß Spitzenleistungen für die soziale Sicherheit und Normalleistungen für die nationale Sicherheit unausweichlich zu höheren Steuern führen werden, wenn nicht das Rangverhältnis dieser beiden großen Bedarfskreise aufeinander abgestimmt wird.
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Andere Staaten haben diesen Zeitpunkt schon früher erreicht, uns wird der unerbittliche Anpassungsprozeß verspätet um so schmerzlicher treffen.
Beim Verteidigungshaushalt ist im übrigen der Finanzminister mit dem Verteidigungsminister gemeinsam um eine bessere formelle Ordnung bemüht. Die Verteidigungsausgaben wurden in den letzten Jahren weiträumiger veranschlagt und bewirtschaftet, als es dem allgemeinen Haushaltsrecht entspricht. Das war und ist notwendig, um dem Tempo unserer Rüstung keine unnötigen Bremsen des formellen Haushaltsrechts anzulegen. Diese Ausnahmemaßstäbe sollen allmählich wieder auf Regelmaßstäbe zurückgeführt werden.
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Das schwierigste und wichtigste Teilproblem, der Abbau der überhöhten Reste aus dem Verteidigungshaushalt, kommt, wie mir scheint, befriedigend vorwärts. Am 1. April 1959 entfielen von den gesamten Ausgaberesten mit 10,1 Milliarden DM noch 7,1 Milliarden DM auf den Verteidigungshaushalt. Für den 1. April 1960 erwarten wir Reste von insgesamt vielleicht noch 8 Milliarden DM, von denen nur noch 5,6 Milliarden DM auf den Verteidigungshaushalt entfallen. Bemerkenswert ist hierbei auch, daß die Ausgabereste der zivilen Ressorts von 3,0 Milliarden DM auf 2,5 Milliarden DM zurückgegangen sind. Bei rund 30 Milliarden DM
Bundesfinanzminister Etzel
ziviler Ausgaben im Bundeshaushalt betragen die Reste, die vorher sehr viel höher waren, also nur noch 7,5 v. H. Ich habe in meiner vor- und vorvorjährigen Haushaltsrede ausgeführt, daß 5 % das Normale sind. Wir bewegen uns also auf eine normale Entwicklung der Ausgabereste zu.
Den Überblick über die sonstigen wichtigen Ausgabenbereiche des Bundeshaushalts fasse ich ganz kurz. Für Straßenbauten bei Autobahnen und Bundesstraßen sollen 725 Millionen DM mehr als heute ausgegeben werden. Damit haben sich die Straßenbauleistungen des Bundes in einem Jahr von 1,1 Milliarden DM auf 1,8 Milliarden DM erhöht; gegenüber 1956 haben sie sich fast verdreifacht.
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Die Bundesregierung hofft, daß der Bundestag das ihm vorliegende Straßenbaufinanzierungsgesetz bald verabschiedet. Sollte er den vorgeschlagenen Erhöhungen der Mineralölsteuer für Benzin um einen Pfennig und für Dieselöl um vier Pfennige nicht zustimmen, so müßte der Straßenbauplan für 1960 gekürzt werden. Ich bin davon überzeugt, daß diese geringe Steuermehrbelastung um einen Pfennig bei Benzin bei der gegenwärtigen Lage des Mineralölmarktes und der Ertragskraft der großen Mineralölgesellschaften zu keiner Erhöhung der Tankstellenpreise zu führen braucht. Dasselbe möchte ich sogar für den größeren Teil der steuerlichen Mehrbelastung bei Dieselöl annehmen.
Ich verzichte diesmal darauf, meine Damen und Herren, Ihnen den in früheren Jahren üblichen Überblick über die wesentlichen Veränderungen der Einzelpläne zu geben, obwohl das z. B. bei den höheren Ausgaben für die Landwirtschaft, vor allem die Vorratshaltung bei Getreide, für die Ländliche Siedlung, die erhöhten Eiersubventionen und dergleichen, reizvoll wäre. Ich erläutere im einzelnen auch nicht die bedeutende Ausgabensteigerung für den Wohnungsbau, die mehr oder weniger aus großen Bindungsermächtigungen aus dem Vorjahr herrührt. In diesem Einzelplan werden Sie auch erhöhte Mittel für die Räumung der Wohnlager finden, die der Bund den Ländern gewährt, damit diese sozialen und städtebaulichen Schandflecke innerhalb von drei Jahren beseitigt werden.
Mit einem Wort muß ich auf die Förderung der Wissenschaft aus Bundesmitteln eingehen. Für die Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft auf Empfehlung des Wissenschaftsrates sind Ausgaben von 120 Millionen DM und Bindungsermächtigungen von 50 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet eine Erhöhung des Verfügungsbetrages gegenüber dem Vorjahr um rund 60 Millionen DM. Diese Bundeszuschüsse zur Wissenschaftsförderung dienen vor allem der Finanzierung von Bauten sowie der Beschaffung von Großgeräten und wissenschaftlichen Einrichtungsgegenständen. Die Mehrkosten aus der Vermehrung der Dozentenstellen und des sonstigen wissenschaftlichen Personals trauen die Länder allein. Die Zusammenarbeit von Fund und Ländern mit dem Wissenschaftsrat ist auch in Finanzfragen erfreulich eng. Natürlich können nicht alle weitgespannten Wünsche der Professoren verwirklicht werden. Unser ernstes Bemühen, den anerkannten Bedarf mit steigenden Beträgen zu befriedigen, wird allseits gewürdigt.
Unter den kulturellen Aufgaben des Bundes gewinnt die Kulturarbeit im Ausland steigende Bedeutung. Hier handelt es sich vor allem darum, die deutschen Leistungen in Kunst und Wissenschaft dem Auslande näherzubringen, wozu heute wieder ein ausgedehntes deutsches Schulwesen im Auslande beiträgt. Die Mittel für die deutsche Kulturarbeit im Ausland sind in den letzten Jahren fortlaufend erhöht worden. 1957 erreichten sie nur 32 Millionen DM; im Jahre 1960 sind für die gleichen Zwecke 96 Millionen DM vorgesehen, das ist in meiner Amtszeit also das Dreifache des ursprünglichen Ansatzes.
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Unter den kulturellen Leistungen erwähne ich schließlich aus geschichtlichem Respekt noch den erstmaligen Ansatz von 4,5 Millionen DM für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Bundesminister des Innern und der Bundesfinanzminister sind bereit, gemeinsam mit dem Sitzland Berlin die gesamten Finanzlasten aus der Verwaltung des preußischen Kulturbesitzes notfalls auch allein, d. h. ohne Zuschüsse einzelner ehemals preußischer Landesteile zu tragen.
Zum Ausbau und zur Verbesserung der freien gemeinnützigen Krankenanstalten werden im Rahmen eines Vierjahresplans erstmalig 25 Millionen DM für zinslose Darlehen vorgesehen. Diese Finanzhilfe des Bundes soll in den nächsten drei Jahren fortgesetzt werden, beläuft sich also auf insgesamt 100 Millionen DM. Auf die öffentlichen Krankenanstalten braucht sie nicht ausgedehnt zu werden, weil diese meist von Gemeinden und Gemeindeverbänden getragen werden, die im Bedarfsfalle zur Verbesserung ihrer Einrichtungen von den Ländern erhebliche Finanzhilfe erhalten.
Wie alljährlich muß ich mit einem kritischen Wort auf die Subventionen im Bundeshaushalt eingehen. In Verfolg der vorjährigen Haushaltsdebatte hat die Bundesregierung eine umfassende Untersuchung über die sichtbaren und unsichtbaren Subventionen im Bundeshaushalt gemacht und veröffentlicht. Die bestürzenden Feststellungen dieser Denkschrift haben die sonst so leicht erregbaren Wellen der öffentlichen Meinung leider nur zu einem gelinden Kräuseln gebracht.
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Wir sollten uns nunmehr ernsthafter daran machen, diese Fülle sichtbarer und unsichtbarer Finanzhilfen des Staates zugunsten einer unübersehbaren Zahl von Betrieben und Personengruppen planmäßig zu vermindern.
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Unsere Denkschrift hat gezeigt, daß viele dieser staatlichen Finanzhilfen als Start- und Anpassungshilfe gewährt wurden, um strukturelle Umstellungen auf veränderte Erzeugungs- und Absatzbedingungen zu erleichtern oder um akute Notstände zu überbrücken. Mit dieser und ähnlicher Begründung
Bundesfinanzminister Etzel
war ein großer Teil unserer heutigen Subventionen gerechtfertigt, als sie eingeführt wurden. Der fortschreitende Aufbau unserer Wirtschaft in den Nachkriegsjahren, der inzwischen in weiten Bereichen, vor allem der gewerblichen Wirtschaft, abgeschlossen ist, hat aber einem großen Teil dieser Subventionen ihre Rechtfertigung genommen. Sie müssen jetzt fortfallen; dazu zwingt uns auch die Verschärfung der Finanzlage. Wollten wir diese inzwischen nicht mehr gerechtfertigten Subventionen auch künftig beibehalten, so würden die nichtbegünstigten Kreise sie mit Recht als anstößige Privilegien ansehen, die dem Gemeinwohl ebenso widersprechen wie dem Gleichheitsgebot der Verfassung.
Ob Subventionen sichtbar als Geldleistungen aus dem Staatshaushalt gewährt werden oder unsichtbar durch Steuerbegünstigungen vielfältiger Art, ist für ihre wirtschaftliche und politische Beurteilung gleichgültig. Es ist deshalb auch nicht gerechtfertigt, etwa nur auf den Anteil der Landwirtschaft an den sichtbaren Subventionen aus dem Bundeshaushalt hinzuweisen, daneben aber die für die gewerbliche Wirtschaft typische Form der unsichtbaren Subventionen durch Steuerbegünstigungen zu übersehen.
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Im Bundeshaushalt 1960 sind die Subventionen leider noch nicht geringer als im Vorjahr. Im Gegenteil: Die günstige Getreideernte des vergangenen Jahres hat zu einem um 172 Millionen DM höheren Finanzbedarf geführt. Auch die Eiersubvention folgt wegen ihrer bisherigen gesetzlichen Bindung der wesentlich größeren Eiererzeugung und springt von 48 Millionen DM im Vorjahr auf rund 65 Millionen DM im neuen Jahr.
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Das Bundesernährungsministerium bereitet hier eine bessere gesetzliche Regelung vor, von der ich hoffe, daß sie die Eiersubvention besser als bisher gegen Mißbräuche schützt und sie zugleich vermindert.
Es wird sehr zu prüfen sein, ob nicht schon im kommenden Jahr ein Teil der Düngemittelsubvention fortfallen kann. Für 1960 erfordert sie wiederum 230 Millionen DM. Seit ihrer Einführung vor fünf Jahren sind allein für sie rund 1,3 Milliarden DM aus Steuermitteln gezahlt worden. Der freiwerdende Betrag sollte für andere, vor allen Dingen strukturelle Zwecke des Grünen Planes zusätzlich verwendet werden.
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Ich hoffe, daß der Grüne Plan für 1960, der noch nicht vorliegt, eine solche weitere Schwerpunktbildung bei den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur vorsehen wird.
Auch im Bereich der gewerblichen Wirtschaft werden die Subventionen, die dort überwiegend unsichtbar als Steuervergünstigungen gegeben werden, abzubauen sein.
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Hier denke ich insbesondere an eine weitere Verringerung der Steuervergünstigungen in den Fällen
des Paragraphen 7 des Einkommensteuergesetzes.
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Das Subventionswesen ist ein Krebsschaden der modernen Massendemokratie.
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In einem großen Nachbarland hat es zur Zerrüttung der Staatsfinanzen und der Währung in den vergangenen Jahren entscheidend beigetragen. Schärfen wir in diesem Punkte frühzeitig unser Urteil und unser Gewissen, damit wir nicht ähnlichen Erscheinungen auch bei uns begegnen!
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun einige grundsätzliche Ausführungen machen. Ich wende mich mit einigen Worten der steuerpolitischen Generallinie der Bundesregierung zu und dabei insbesondere der Einordnung unserer gesamten Finanzpolitik in die Erfordernisse der Konjunkturentwicklung.
Unsere finanzpolitischen Bemühungen waren bisher darauf gerichtet, mit einem Teilumbau einiger Hauptsteuern, insbesondere der Einkommen- und Körperschaftsteuer, beachtliche Steuersenkungen zu verbinden. Die größte Steuersenkung konnten wir bei der Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer verwirklichen, die heute durchschnittlich um 15 v. H. niedriger sind als zu Beginn meiner Arbeit vor zwei Jahren. Diese Steuererleichterungen sind bevorzugt den unteren und mittleren Einkommensempfängern zugeflossen, bei denen die Steuerschuld sich sehr erheblich ermäßigt hat, z. B. bei einem Ehepaar mit einem Kind und 1000 DM Monatseinkommen um 26,6 v. H. Diese großen Steuerermäßigungen sollten zu einer verstärkten privaten Vermögensbildung und damit zu einer besseren eigenen Vorsorge für die Zukunft beitragen. Gleichzeitig bewirkten sie, daß nicht mehr Steuern erhoben wurden, als zur Deckung des dringenden Staatsbedarfs erforderlich war. Wir wissen aus Erfahrung, in welchem Maße hohe Steuereinnahmen zur Vermehrung der öffentlichen Ausgaben anreizen.
Daß wir mit diesen Bemühungen zur Förderung der privaten Vermögensbildung durch niedrige Steuern auf dem richtigen Wege sind, beweist die Statistik über die Vermögensbildung, die die Deutsche Bundesbank im Juni dieses Jahres erneut veröffentlicht hat. Danach ist der Anteil der privaten Haushalte an der Vermögensbildung von 31,3 v. H. in 1957 auf rund 36 v. H. der insgesamt größeren Vermögensbildung im Jahre 1958 angewachsen. Der Anteil der öffentlichen Haushalte an der Vermögensbildung ist im gleichen Zeitraum von rund 40 v. H. auf rund 31 v. H. zurückgegangen. Gewisse statistische Mängel lassen die private Vermögensbildung sogar niedriger erscheinen, als sie wirtschaftlich tatsächlich gewesen ist. Wir hoffen, daß diese Entwicklung sich weiter durchsetzt, wozu auch die steuerlichen Vergünstigungen für das Versicherungs- und Bausparen sowie die Wohnungsbauprämien und die allgemeinen Sparprämien beiBundesfinanzminister Etzel
tragen werden. Ich glaube, wir sind damit in der Verwirklichung unserer gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf dem richtigen Wege; das kann ich mit diesen Zahlen beweisen.
In den vergangenen Jahren habe ich mehrfach die Hoffnung ausgesprochen, daß wir die allgemeinen Steuern in diesem und im kommenden Jahr nicht zu erhöhen brauchen, wenn nicht neue Maßnahmen und Gesetze die Bundesausgaben wesentlich vermehren. Ich habe Ihnen bereits dargelegt, wie sehr dies bei den Sozialausgaben gerade in diesem Jahr geschieht. Dennoch möchte ich an diesem Ziel meiner Steuerpolitik festhalten, was durch die höheren Steuereinnahmen in der Folge eines kräftig wachsenden Sozialprodukts und durch fortfallende Ausgaben erleichtert wird. Sollten aber, meine Damen und Herren, neue Gesetze und konjunkturpolitische Erfordernisse oder harte politische Notwendigkeiten uns zu einer weiteren wesentlichen Ausgabenerhöhung zwingen, so würde ihnen nur mit einer Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer oder auch der Verbrauchsteuern auf Genußmittel begegnet werden können. Ich wiederhole, daß der Bundesregierung ein solcher Zwang zur Steuererhöhung sehr zuwider wäre. Den Deutschen Bundestag bitte ich daher, bei seinen gesetzgeberischen Arbeiten, insbesondere den vorliegenden bedeutenden Sozialgesetzen, nicht über die Vorschläge der Regierungsvorlagen hinauszugehen. Unsere Finanzpolitik ist an dem Punkt angekommen, an dem weitere Ausgabesteigerungen nur durch Wenigerausgaben für andere Zwecke oder durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden können. Dasselbe gilt für Steuersenkungen. Ein Ausweichen in eine höhere Verschuldung ist nicht möglich, worüber wir in diesem .Jahre bereits nachdrücklich belehrt worden sind.
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Es ist kein Abweichen von dieser Generallinie, wenn die Bundesregierung gewisse Erhöhungen bei der Mineralölsteuer vorgeschlagen hat. Die geringe Erhöhung der Mineralölsteuer auf Benzin und Dieselöl ist gerechtfertigt, weil sie zweckgebunden eine nochmalige kräftige Erweiterung des Straßenbaues ermöglicht und dadurch den betroffenen Steuerzahlern unmittelbar wieder zugute kommt.
Die sogenannte Heizölsteuer wird von der Bundesregierung nicht aus fiskalischen Gründen, sondern, wie Sie wissen, aus rein wirtschafts- und sozialpolitischen Überlegungen vorgeschlagen. Diese Maßnahme ist auch im Grunde genommen keine Steuererhöhung, sondern die Beseitigung eines heute ganz unzeitgemäßen Steuerprivilegs, das im Jahre 1953 als Anreiz zur vermehrten Verwendung von Heizöl gewährt worden ist, als wegen der großen Kohlenknappheit die Einfuhr von Heizöl gefördert werden sollte. - Es ist so, Herr Wehner! - Die Beseitigung dieses Steuerprivilegs gehört daher zum Abbau wirtschaftlich unerwünschter Subventionen.
In unserer steuerpolitischen Generallinie liegt in diesem Jahr vor allem die Reform der Umsatzsteuer. Die vorbereitenden Arbeiten sind inzwischen so weit fortgeschritten, daß sich gewisse Lösungen abzeichnen.
Alle Überlegungen müssen davon ausgehen, daß die Steigerung der Bundesausgaben keine Verminderung des Umsatzsteueraufkommens zuläßt; dieses Aufkommen muß auch künftig dem wachsenden Sozialprodukt folgen. Eine Änderung des Umsatzsteuersystems, etwa der Übergang zu einer Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug, darf daher kein Risiko für den Haushalt enthalten. Nach den angestellten Untersuchungen ist außerdem zu erwarten, daß ein solcher Systemwechsel zu erheblichen Änderungen der Preiskalkulation in der Produktion, im Großhandel und im Einzelhandel führen würde. Hieraus könnte sich je nach der Konjunkturlage eine Verzerrung des Preisgefüges und damit die Gefahr von Preissteigerungen in einzelnen Sparten ergeben. Schließlich ist z. B. eine Mehrwertsteuer, wie die Untersuchungen technischer Sachverständiger ergeben haben, für Wirtschaft und Verwaltung schwerer zu handhaben als die jetzige Umsatzsteuer. Besonders im Übergang würden Verwaltungsschwierigkeiten auftreten. Alle diese Gründe sprechen dafür, daß eine schnelle Umstellung - ich betone: eine schnelle Umstellung - auf ein anderes Steuersystem nicht möglich ist, also die Einführung eines anderen Systems noch in dieser Legislaturperiode undurchführbar wäre.
Unter diesen Umständen ist es erklärlich, daß weite Kreise der Öffentlichkeit und auch des Parlaments uns empfohlen haben, auf eine Systemänderung zunächst zu verzichten und statt dessen im Rahmen der geltenden Allphasen-Bruttoumsatzsteuer vordringlich gewisse Teilreformen vorzunehmen, die dieses System wettbewerbsneutraler machen sollen. Ich habe für diese Überlegung Verständnis und meine, daß jetzt zweierlei geschehen sollte.
Erstens. Die Bundesregierung wird in einigen Monaten einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des heutigen Umsatzsteuerrechts vorlegen, um gewisse ungünstige Einflüsse der Allphasenbesteuerung auf die Wettbewerbsneutralität und zugunsten der Wirtschaftskonzentration zu verringern. In diese Planung werden die bereits vorliegenden Initiativanträge zur Befreiung der Großhandelslieferungen bestimmter Lebensmittel, zu einer gewissen Einschränkung der Organschaft, zur Wiedereinführung der Hersteller-Zusatzsteuer einbezogen werden. Ein vorbereiteter Initiativantrag will den Phasenausgleich in der Textilwirtschaft bei den Spinn-Webern wiederherstellen. Darüber hinaus sind andere Maßnahmen vorgesehen, die die konzentrationsfördernden Wirkungen des geltenden Systems einengen sollen. Die geplanten Maßnahmen werden so aufeinander abgestimmt sein, daß Ausfälle für den Bundeshaushalt vermieden werden. Soweit sich aus dem Initiativgesetz über die Befreiung bestimmter Lebensmittel bei der Lieferung im Großhandel ein Steuerausfall ergibt, wird dieser in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes voll gedeckt werden.
Zweitens beabsichtigt das Bundesfinanzministerium der Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des nächsten Jahres einen Studienentwurf für ein neues Umsatzsteuersystem vorzulegen, damit es allen in5128
Bundesfinanzminister Etzel
teressierten Kreisen möglich ist, in aller Ruhe und Sorgfalt die Voraussetzungen und die Folgen einer Systemänderung bei der Umsatzsteuer an einem Gesetzentwurf durchzudenken. Mit diesem Studienentwurf müßte - unter Berücksichtigung der vorliegenden Anregungen und Vorarbeiten - eine Lösung versucht werden, die einerseits möglichst wirtschaftsgerecht, wettbewerbsneutral und nicht konzentrationsfördernd, andererseits aber für Wirtschaft und Verwaltung leicht anwendbar ist und die bei ihrer Einführung wirtschaftliche Störungen tunlichst vermeidet.
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Dabei müßte möglichst auch auf die Harmonisierungsbestrebungen im Rahmen der EWG Rücksicht genommen werden. Mit der für das nächste Jahr geplanten gesetzgeberischen Überarbeitung der Umsatzsteuer im Rahmen des geltenden Systems werden die eigentlichen Steuerreformmaßnahmen für diese Legislaturperiode im wesentlichen abgeschlossen sein.
Nach 1961 werden die neue Bundesregierung und der Bundestag zu prüfen haben, ob noch weitere Steuerarten, die in ihrer Rechtfertigung und ihrer Ausgestaltung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der 20er Jahre oder auf noch viel früher zurückgehen, einer inzwischen wesentlich veränderten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung angepaßt werden sollten. Dabei werden wahrscheinlich echte Reformen bei der Vermögensteuer, bei der Erbschaftsteuer und vor allem bei den Realsteuern erörtert werden müssen. Unverzüglich muß dann auch ein neues Bewertungsgesetz eingebracht werden.
Bei der künftigen Generallinie unserer Steuerpolitik werden wir auch die Steuerrechtsentwicklung in unseren Nachbarstaaten beachten müssen. Eine Harmonisierung der Steuersysteme ist, wie Sie wissen, in dem EWG-Vertrag angestrebt. Bemerkenswert ist, daß kein europäischer Staat im Laufe der letzten drei Jahre sein Gesamtsteuersystem strukturell wesentlich geändert hat. In einzelnen Staaten, die bisher entweder die direkten Steuern oder die indirekten Steuern einseitig stark betont haben, machen sich leichte Tendenzen in der Richtung eines ausgeglicheneren Verhältnisses zwischen diesen beiden Steuergruppen bemerkbar. Sie kommen damit den deutschen Verhältnissen näher, wo die direkten und die indirekten Steuern etwa je zur Hälfte zum Gesamtsteueraufkommen beitragen.
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich einige Bemerkungen zu dem Verhältnis der Finanzpolitik und der Konjunktur machen.
Einige andere europäische Länder haben ihre Steuerpolitik in den letzten Jahren stärker auf konjunkturpolitische Überlegungen abgestellt. Auch unsere bisherigen Steuerreformen haben diese Zusammenhänge keineswegs verkannt, unsere Steuersenkungen und Einzelmaßnahmen waren immer von wirtschaftspolitischen Überlegungen bestimmt, wobei natürlich auch sozialpolitische Erwägungen nicht vernachlässigt werden durften. Auch wir dürfen in unserer Finanzpolitik, sowohl bei den Steuern wie
auch bei den Staatsausgaben und ihrer Finanzierung aus Krediten, die Rückwirkungen auf den Konjunkturablauf nicht vernachlässigen.
Bei unserer gegenwärtigen Hochkonjunktur könnte es theoretisch geboten erscheinen, die öffentlichen Investitionen zu vermindern und gleichzeitig die Steuern hochzuziehen, um so einen Haushaltsüberschuß mit entsprechenden Kassenbeständen bei der Notenbank entstehen zu lassen und diese als Kaufkraft vorübergehend stillzulegen. Wir kennen diese Zusammenhänge, meine Damen und Herren. Wir kennen sie leidvoll aus den früheren Jahren. Dieses Problem muß immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Konjunkturlage gesehen werden. Darin liegen selbstverständlich die Schwierigkeiten, zumal sich jetzt die Konjunkturlage in rasanten Kurven verändert. Eine solche Überschußbildung im Bundeshaushalt wird uns nun auch heute wieder empfohlen, diesmal sogar in einer bewußteren Form als früher. Mögen derartige Überlegungen zur Zeit vielleicht konjunkturpolitisch gerechtfertigt sein, politisch wären sie, so glaube ich, sehr schwer durchzuführen. Ich bekenne mich mit der Notenbank grundsätzlich zu einer antizyklischen Politik, die aber auch in anderen Formen als der Überschußbildung mit hohen Kassenbeständen durch Steuererhöhung gefördert werden kann.
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Mit der Entschließung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank über eine bessere Anpassung der öffentlichen Ausgabengebarung an die Erfordernisse der Konjunkturlage stimme ich im Grundsatz überein. Wenn die Bundesbank fordert, die öffentlichen Ausgaben abzubremsen, so wiederholt sie damit nur eine Mahnung, die ich in den letzten Jahren bei vielen Gelegenheiten ausgesprochen und bei der Aufstellung des Haushaltsplans im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch beachtet habe.
Es würde aber nicht viel zu einer ausgeglicheneren Konjunkturentwicklung und damit zur Sicherheit der Währung beitragen, wenn nur der Bund mit gedrosselten Ausgaben sich antizyklisch richtig verhält.
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Der größere Teil der öffentlichen Investitionen entfällt doch auf die Länder sowie die Gemeinden und Gemeindeverbände. Diese Vielzahl öffentlicher Haushalte zu einer Verminderung ihrer Investitionen zu veranlassen, ist nach unseren bisherigen Erfahrungen - wir haben es versucht - nur sehr schwer zu erreichen.
Trotzdem haben wir uns bei der Aufstellung des Haushaltsplans für 1960 nachhaltig um eine Verminderung vor allem des außerordentlichen Bundesbedarfs bemüht und ihn gegenüber sehr viel weitergehenden Anforderungen auf rund 3 Milliarden DM begrenzt. Im Ablauf des Jahres 1960 wird zu prüfen sein, ob eine weitere Verminderung dieses außerordentlichen Bedarfs, sei es aus konjunkturpolitischen Gründen, sei es infolge einer geringeren Ergiebigkeit des Kreditmarktes, ins Auge gefaßt werden muß.
Bundesfinanzminister Etzel
Bei einer Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Bundeshaushalt, Geldversorgung und Konjunkturablauf zeigt sich im übrigen, daß der Bundeshaushalt des Jahres 1959 infolge der hohen auslandswirksamen Zahlungen die Inlandsnachfrage in beträchtlichem Maße kontraktiv beeinflußt hat. Die kontraktive Beeinflussung machte mehr als anderthalb Milliarden aus. Ich glaube, das ist ein großer Beitrag des Bundeshaushaltes und unserer Bundesfinanzpolitik zu dem Problem der Konjunktur.
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Auch der Haushalt 1960 wirkt - wiederum bei Herauslösung der auslandswirksamen Zahlungen - im Inland neutral, vielleicht sogar durch besondere Zahlungen, die sich im Rahmen des Rüstungssektors ergeben, wiederum kontraktiv.
Im übrigen meine ich, daß eine eindeutige Vorhersage der voraussichtlichen Konjunkturentwicklung über das ganze Jahr 1960 heute noch nicht möglich ist. Ich habe jedenfalls nicht den Mut, eine eindeutige Vorhersage zu machen.
Der außerordentliche Haushalt des Bundes für 1960 beträgt rund 3 Milliarden DM. Dieser Betrag ist finanzwirtschaftlich überhöht. Der Anteil der außerordentlichen Ausgaben an den Gesamtausgaben beträgt nur 7 %, meine Damen und Herren, nur 7 %! Dieser Satz ist niedriger als in den meisten anderen europäischen Ländern. In Frankreich beträgt er wie bei uns auch 7 %, in Belgien 12 %, in Großbritannien 15 %, in den Niederlanden 16 % des gesamten Haushalts. Ich gebe zu, daß sich die Verhältnisse anderer Länder wegen ihrer verschiedenartigen Aufgaben- und Verwaltungsordnung nicht ohne weiteres mit den unseren vergleichen lassen; das gilt auch umgekehrt.
Der außerordentliche Haushaltsplan für 1960 ordnet nur bestimmte vermögenswirksame Ausgaben der Finanzierung durch Kreditaufnahme zu. - Ich habe den Aufsatz, lassen Sie mich diese Zwischenbemerkung machen, eines Professors gelesen, der dadurch bekannt ist, daß er immer anderer Meinung ist. Er ist der Auffassung, daß in den außerordentlichen Haushalt nur außerordentliche Ausgaben gehören. Ich bin aber der Meinung, da gehören vermögenswirksame Ausgaben hinein. Das scheint er mir in seinem Aufsatz wesentlich verkannt zu haben. ({23})
Dazu rechnen vor allem die großen Darlehnshergaben zur Förderung des Wohnungsbaues und anderer Zwecke bei den Ländern, Gemeinden und anderen Stellen. Zu diesen vermögenswirksamen Ausgaben rechnen wir bisher nicht den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen und auch nicht die technische Ausrüstung der Bundeswehr einschließlich der Kasernenbauten. Lediglich der Wohnungsbau für Soldaten ist dem außerordentlichen Haushaltsplan zugewiesen.
Eine kritische Durchsicht der Bundesausgaben zeigt, daß der Anteil der vermögenswirksamen Ausgaben daran ziemlich niedrig ist, insbesondere weil
die Ausgaben für die Rüstung und den Straßenbau nicht zu den vermögenswirksamen gerechnet werden. Selbst wenn man den Straßenbau, ähnlich dem Wasserstraßenbau, für vermögenswirksam halten wollte, wäre er unter den gegenwärtigen Konjunkverhältnissen zur Kreditfinanzierung auch nicht geeignet. Der Bundeshaushalt ist im Unterschied zu dem der Länder und Gemeinden infolge des großen Anteils der Sozial- und Verteidigungsausgaben und der weit gestreuten Bundesleistungen für andere Aufgabenträger weithin ein Umverteilungshaushalt. Unter den echten vermögenswirksamen Bundesausgaben haben wir nur einen Betrag von 3 Milliarden DM der außerordentlichen Finanzierung aus Krediten vorbehalten.
Ein Kreditbedarf des Bundes von 3 Milliarden DM ist, gemessen an der Kapitalbildung, meines Erachtens nicht überhöht.
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Wir erwarten für 1959 eine Netto-Kapitalbildung von 28 bis 30 Milliarden DM, von denen rund 11 Milliarden DM auf die Neubegebung von Wertpapieren aller Art entfallen. Es scheint mir kein unbilliges Verlangen zu sein, daß ein angemessener Teil der Wertpapierbegebungen am Kapitalmarkt den Bundesanleihen vorbehalten bleibt. Bisher haben wir den Kapitalmarkt kaum beansprucht, um den Finanzbedürfnissen der Wirtschaft und des Wohnungsbaues den Vortritt zu lassen. Nunmehr aber muß der Bund seinen gleichberechtigten Anspruch an den Kapitalmarkt anmelden. Die erste Bundesanleihe von 300 Millionen DM ist ein voller Erfolg geworden, nicht zuletzt, weil wir sie mit einer Effektivverzinsung von rund 6,12 v. H. marktgerecht ausgestattet haben. Wir trugen dadurch zu einer Beruhigung des Zinsgefüges und damit zu einer Beruhigung des Kapitalmarktes bei. Unsere Kreditpolitik im Jahre 1960 will nach den gleichen Grundsätzen weiter verfahren. Dabei werden wir so viel wie möglich von dem außerordentlichen Bedarf der 3 Milliarden DM in langfristigen Bundesanleihen unterzubringen versuchen und nur den unvermeidlichen Rest in der Form mittelfristiger Kassenobligationen. Die Unübersichtlichkeit der Marktentwicklung gestattet es dem Finanzminister nicht, die volle Bedienung des außerordentlichen Haushaltsplans unbedingt zuzusagen. Ich werde mich jedoch darum bemühen, daß ein möglichst großer Teil des außerordentlichen Bedarfs auch wirksam finanziert wird und hoffe, daß dies auch gelingt.
Unsere Kapitalmarktwünsche verpflichten uns auch zu einer entsprechenden Kapitalmarktpflege. Wir werden deshalb auch an den bisherigen vielfältigen Formen der Sparförderung zur Eigentumsbildung festhalten. Der Bund will ein guter, möglichst der beste Schuldner sein.
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Dazu gehört auch eine gute Kurspflege unserer neuen Anleihen. An uns sollen unsere Gläubiger nichts verlieren.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einem Fragenbereich unserer Finanzpolitik, der sehr bedeutsam ist, zu den Problemen der Finanzverfas5130
Bundesfinanzminister Etzel
sung, d. h. des Verhältnisses von Bund, Ländern und Gemeinden.
In jedem Jahr muß ich hier über neue Ansprüche der Länder an die Bundesfinanzen berichten. Im vorhergehenden Jahr forderten die Länder, daß der Bund bestimmte bisherige Länderlasten auf seinen Haushalt übernehmen sollte. Beim ersten Durchgang des Haushaltsplanentwurfs für 1960 hat das Plenum des Bundesrates, überwiegend gegen den wohlbegründeten Widerspruch seines Finanzausschusses, eine weitere Erhöhung der Bundesausgaben um rund 360 Millionen DM gefordert.
({26})
Diese Mehrforderungen betreffen ganz überwiegend ausgesprochene Interessentenwünsche der Länder, zu deren Sprecher sich die Fachausschüsse des Bundesrats gemacht haben. Ich meine, daß der Bundesrat sich auch in Finanzfragen in erster Linie als die zweite Kammer des Bundesparlaments und als Hüter der Bundesfinanzen, weniger aber als Sprecher für Wünsche der Länder an den Bundeshaushalt betrachten sollte.
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Die erheblichen Finanzwünsche der Länder an den Bund konzentrieren sich über die erwähnten 360 Millionen DM hinaus in diesem Jahr auf die Durchführung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1959. Das Bundesverfassungsgericht hat darin das Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen für nichtig erklärt, weil der Bund nach Artikel 120 des Grundgesetzes diese Tilgungsleistungen als Kriegsfolgelasten zu tragen habe. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts legt dem Bund allein unter diesem Gesichtspunkt im 15. Nachkriegsjahr eine Gesamtlast von rund 15 Milliarden DM als Kriegsfolgen auf;
({28})
ihre finanzpolitische Tragweite, von den Entscheidungsgründen kaum angedeutet, ist sehr erheblich. Die Bundesregierung wird die Entscheidungen des Verfassungsgerichts selbstverständlich beachten.
({29}) - Ich hoffe, daß Sie das auch wollen.
({30})
- Einverstanden.
Mit den Länderfinanzministern erörtern wir Zur Zeit Mittel und Wege, wie ein Teil des jährlichen Schuldendienstes den Ländern erstattet werden kann. Da auch der Zuschuß der Länder zum Lastenausgleichsfonds als Kriegsfolgelast im Sinne des Artikels 120 des Grundgesetzes angesehen werden könnte, haben wir diese Jahreslast von vorläufig rund 860 Millionen DM in den Verhandlungskreis einbezogen. Das Bundesverfassungsgericht erklärt eindeutig, daß die Einnahmen den zusätzlichen Ausgaben des Bundes im Rahmen der Revisionsklausel des Artikels 106 Abs. 3 des Grundgesetzes zu folgen haben. Unzweifelhaft führt der Verfassungsgerichtsspruch zu einer so wesentlichen Lastenverschiebung zwischen Bund und Ländern, daß dem Bund ein angemessener Ausgleich auf der Einnahmeseite oder auf der Ausgabeseite seines Haushalts gewährt werden muß.
Die Länder betrachten den Verfassungsgerichtsspruch als eine Grundlage für eine materielle Verbesserung der Länderfinanzen und versagen ihm bis jetzt die Beachtung auf der Deckungsseite.
({31})
Sie wollen nur den süßen, nicht aber auch den bitteren Tropfen der Verfassungstreue genießen. Der Bund ist in dieser schwierigen Lage zu einem verständigen Ausgleich mit den Ländern bereit. Zu einem verständigen Ausgleich!
({32})
Wie diese Verhandlungen schließlich ausgehen werden, ist nicht vorherzusagen. Der Bund ist nicht verpflichtet, den Ländern anläßlich der Durchführung dieses Verfassungsgerichtsspruchs eine wesentliche materielle Verbesserung ihrer Finanzen zukommen zu lassen. Im Gegenteil: Während der Bund sich einem ständig weiter wachsenden Mehrbedarf für Sozialausgaben, Verteidigung, Straßenbau und anderes gegenübersieht, wachsen die Ausgaben der Länder in den nächsten Jahren in geringerem Maße. Gleichzeitig steigen aber die Steuereinnahmen der Länder in den nächsten Jahren voraussichtlich durchweg um 2 bis 2,5 v. H. mehr als die des Bundes; sie werden einschließlich des Saarlandes im Jahre 1960 um mehr als 10 v. H. höher sein als 1959. Das erklärt sich aus dem höheren Länderanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Mit anderen Worten: Wir stehen einer ausgesprochenen Disproportionalität, einer Schere in der Entwicklung des unabweisbaren Finanzbedarfs und der Deckungsmittel zwischen Bund und Ländern gegenüber.
In diesem Zusammenhang muß auch einmal hervorgehoben werden, daß der Bund jährlich mehr als 2 Milliarden DM für Aufgaben ausgibt, die nach der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes eigentlich Länderaufgaben sind.
({33})
Hierzu rechnen insbesondere die großen Bundesleistungen für die Förderung der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft, des Wohnungsbaues, der Wissenschaft und sonstiger kultureller Aufgaben. Vom Standpunkt des Finanzministers aus - wahrscheinlich aber nur von seinem - könnte ernstlich erwogen werden, diese Ausgaben im Bundeshaushalt wenigstens teilweise fortfallen zu lassen, weil die Länder sie nunmehr unverändert aus den eigenen Mitteln selbst leisten können. Ich bin aber nicht sicher, ob eine solche Kürzung der Bundesleistungen für Länderaufgaben die Zustimmung dieses Hohen Hauses und auch der Länder selbst finden würde.
Da das Ausmaß der finanziellen Lasten aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch nicht feststeht, konnte ein Ausgabeansatz dafür noch nicht in den Entwurf des Haushaltsplans aufgenommen werden. Erst nach Abschluß der schwebenden Verhandlungen mit den Ländern kann der dann
Bundesfinanzminister Etzel
feststehende Betrag in den Haushaltsplan eingestellt werden. Dabei wird aber auch über die Deckung dieses Betrages zu entscheiden sein.
Der andere große Partner des öffentlichen Gesamthaushalts, die Gemeinden und Gemeindeverbände, haben ihre eigenen Finanznöte. Ihre Spitzenverbände ersuchen den Bundesgesetzgeber, den Gemeinden erhebliche zusätzliche Mittel für unabweisbare zusätzliche Investitionen zuzuführen. Über das wirkliche Ausmaß eines unabweisbaren zusätzlichen Investitionsbedarfs der Gemeinden kann man streiten. Daß die Investitionen der Gemeinden, vor allem im Schulwesen, im Straßenbau, bei den großen Gemeindeanstalten für Entwässerung, Müllbeseitigung und anderes mehr, in den nächsten Jahren wachsen werden, ist unstreitig. Das gilt insbesondere von den mittleren und kleineren Städten und von den Landgemeinden, bei denen der „kanalisierte Einwohner"
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- das ist nicht original - steigende Ansprüche an die zivilisatorischen Einrichtungen stellt, während gleichzeitig die Steuerkraft dieser Gemeinden hinter der der großen Städte erheblich zurückbleibt. Wenn man diesen Investitionsbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände überhaupt in einem Betrag zusammenfassen darf, so kann er im Durchschnitt der nächsten zehn Jahre etwa - ich muß sagen: etwa - mit 400 Millionen DM jährlich angenommen werden.
Um die entsprechenden zusätzlichen Deckungsmittel zu bekommen, fordern die kommunalen Spitzenverbände eine allgemeine Erhöhung der Meßbeträge bei der Grundsteuer um 40 vom Hundert. Dieser Satz erscheint sicherlich überhöht. Die Bundesregierung muß sich zunächst einmal fragen, ob nicht andere Umstände zu einer höheren Finanzmasse der Gemeinden führen werden, aus der der zusätzliche Investitionsbedarf nach einer entsprechenden Anpassung des Gemeindefinanzausgleichs in den Ländern gedeckt werden kann. Die Eigenverantwortung der Selbstverwaltungskörper macht es ihnen meines Erachtens zur Pflicht, höhere örtliche Gemeinschaftsleistungen in erster Linie aus zusätzlichen örtlichen Deckungsmitteln zu finanzieren.
({35})
Das würde bedeuten, daß die Gemeinden selbst höhere Hebesätze bei .der Grundsteuer zu beschließen hätten, wenn deren Aufkommen mit der Entwicklung des Bedarfs und auch mit der Belastung bei der Gewerbesteuer in der betreffenden Gemeinde nicht mehr Schritt hält. Es ist ein etwas einfacher und, wie mir scheint, allzu summarischer Weg, die Verantwortung für die Vermehrung der örtlichen Deckungsmittel dem Bundesgesetzgeber zuzumuten.
Das Bundesfinanzministerium wird im nächsten Monat eine Denkschrift über den Stand und die Entwicklung der Gemeindefinanzen veröffentlichen. Darin wird es Feststellungen und Vorschläge zu diesem Fragenkreis machen. Schon jetzt kann ich aber hierzu einige Feststellungen treffen.
Die Gemeindefinanzen werden sich auch ohne eine bundesgesetzliche Erhöhung der Grundsteuermeßbeträge schon vom Jahre 1960 an wesentlich und gleichbleibend verbessern. Zunächst werden die Grundsteuereinnahmen infolge des Auslaufens der Steuervergünstigungen bei Neubauten von Jahr zu Jahr ansteigen.
({36})
Das Wachstum ist in den ersten Jahren verhältnismäßig gering, aber das Aufkommen erreicht nach zehn Jahren jährlich rund 340 Millionen DM mehr als heute; schon nach vier Jahren werden es jährlich rund 120 Millionen DM sein.
Eine weitere wesentliche Verbesserung soll den Gemeindefinanzen aus der Durchführung des Straßenbau-Finanzierungsgesetzes des Bundes zufließen. Danach sollen die Länder durch den Bund jährlich um rund 100 Millionen DM entlastet werden und weitere 150 Millionen DM durch Mehrerträge der Kraftfahrzeugsteuer erhalten. Die Bundesregierung hat schon in der Begründung dieses Gesetzes hervorgehoben, daß diese Finanzverbesserungen der Länder nach ihrer Meinung in größtmöglichem Umfang an die Gemeinden und Gemeindeverbände weitergegeben werden sollten.
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Einen Zwang in dieser Richtung kann die Bundesregierung allerdings nicht ausüben.
Schließlich werden die Gemeinden durch den Wegfall der Grundsteuervergünstigungen für den älteren Neuhausbesitz und der Steuerbefreiung für Trümmergrundstücke nach Maßgabe eines vorbereiteten Bundesgesetzes jährlich 50 Millionen DM erhalten. Sollte das Bundesbaugesetz die vorgeschlagene zusätzliche Grundsteuerbelastung für Bauland bringen, so würden auch daraus den Gemeinden in unterschiedlicher Streuung jährlich etwa 50 Millionen DM mehr zufließen.
Rechnet man diese im Durchschnitt der nächsten Jahre sich ergebenden Beträge zusammen, so ergibt sich, daß schon nach wenigen Jahren eine Besserstellung der Gemeinden um etwa 400 Millionen DM jährlich eintreten dürfte. Dabei will ich von den erheblichen Verbesserungen, die das ständige Wachsen des Gewerbesteueraufkommens im Gleichschritt mit der Zunahme des Bruttosozialprodukts bringt, gar nicht sprechen. Für 1960 allein wird ein Gewerbesteueraufkommen von 6,1 Milliarden DM erwartet, also ein Aufkommen, das um 400 Millionen DM über dem des Vorjahres liegt. Alles in allem drängt sich der Eindruck auf, daß ein wirklich unabweisbarer Bedarf an zusätzlichen Deckungsmitteln für größere Investitionen in den Gemeinden wohl auch ohne eine bundesgesetzliche Erhöhung der Meßzahlen bei der Grundsteuer gedeckt werden könnte.
({38})
Der Schwerpunkt des Problems scheint mir gar nicht einmal in erster Linie in der Gesamtgrößenordnung der gemeindlichen Finanzmasse neben der von Bund und Ländern zu liegen, sondern in der angemessenen Verteilung zwischen den Gemeinden und Gemeindeverbänden, d. h. in einem wesentlich intensiveren gemeindlichen Finanzausgleich.
({39})
Bundesfinanzminister Etzel
Auf die Dauer ist es nicht zu vertreten, daß gleichartige öffentliche Bedürfnisse, vor allem auf dem Gebiet des Schul-, Straßenbau- und Gesundheitswesens, nur wegen unterschiedlicher Steuerkraft in den einzelnen Gemeinden ungleich erfüllt werden.
({40})
Der Gedanke des Ausgleichs zwischen reich und arm dringt auch in der Welt der Gebietskörperschaften breit vor. Hier liegen große und schwierige Aufgaben für die Landesgesetzgebung. Im Unterschied zu der Weimarer Reichsverfassung verwehrt das Grundgesetz dem Bund den Einfluß darauf. Im übrigen würde eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuermeßbeträge durch Bundesgesetz auch besondere politische Probleme aufwerfen, vor allem, wenn die erhöhte Grundsteuer offen auf die Mieter abgewälzt werden sollte. Eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer um nur 20 v. H. würde eine Mieterhöhung um etwa 2 bis 3 v. H. bedeuten.
Die Bundesregierung wird den gesamten Fragenkreis der Gemeindefinanzen nach der Veröffentlichung der erwähnten Denkschrift mit den Landesregierungen und den kommunalen Spitzenverbänden erörtern.
Herr Minister, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen, um zwei Mitglieder des amerikanischen Senats in unserer Mitte herzlich willkommen zu heißen.
({0})
Die beiden Herren, Senator Olin D. Johnston und Senator Francis Case, sind unserer Einladung gefolgt. Dem Hause ist es eine Ehre, die beiden Herren willkommen heißen zu können. Senator Johnston ist bekannt durch seine Bemühungen in einer Frage, die uns alle angeht: in der Frage der Rückgabe der deutschen Vermögen in den Vereinigten Staaten.
({1})
Senator Case ist Mitglied des Verteidigungsausschusses und damit sehr besorgt um unsere Sicherheit, wofür wir ihm besonders dankbar sind.
({2})
Fahren Sie bitte fort, Herr Finanzminister.
Ich komme zur Außenfinanzpolitik. Von Jahr zu Jahr wachsen die internationalen Verpflichtungen unserer Finanzpolitik. Die großen Fortschritte des Verkehrswesens lassen unsere Welt mehr und mehr zusammenschrumpfen. Zugleich mit der Entwicklung der Verkehrstechnik, zum Teil aber auch unabhängig davon, nimmt die Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften zu, soweit sie nicht der Eiserne Vorhang durch eine verschiedene Wirtschaftsphilosophie trennt; Tempo und Ausmaß dieser Verflechtung sind dabei allerdings in den einzelnen Teilen der freien Welt verschieden.
Dieser Sachverhalt bedeutet für uns die Verpflichtung, einen angemessenen Anteil an den gemeinsamen Aufgaben auf uns zu nehmen und nach dem bereits erwähnten Grundsatz, die Unterschiede zwischen arm und reich zu mildern, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um den Ländern zu helfen, die sich noch im Zustand der Entwicklung befinden.
Zu dieser Aufgabe ist zweierlei zu bemerken. Das rasche Wachstum der Bevölkerung in diesen Ländern und der Drang ihrer Einwohner, ihren Lebensstandard zu heben, macht diese Hilfe besonders vordringlich. Außerdem haben wir Verständnis dafür, daß die Vereinigten Staaten, die so viel für die übrige Welt tun, im Hinblick auf ihre Zahlungsbilanz eine andere Verteilung der Lasten auf diesem Gebiete anstreben.
Dieses Bekenntnis zur Übernahme internationaler Verpflichtungen darf aber nicht so verstanden werden, als ob in diesem Bereiche bei uns bisher noch nicht viel geschehen sei. Auf weltweiter Ebene haben wir unsere Beteiligung an dem Internationalen Währungsfonds und an der Weltbank erhöht, und zwar bei der letzten von knapp 1,4 Milliarden DM auf rund 4,5 Milliarden DM, d. h. im Verhältnis zu den meisten übrigen Ländern stark überproportional. In absehbarer Zukunft werden wir auch zu den Mitgliedsländern der Internationalen Entwicklungs-Vereinigung gehören, der sogenannten IDA, die in enger Anlehnung an die Weltbank den Entwicklungsländern Kredite zu Vorzugsbedingungen gewähren soll. In Europa sind wir an der Europäischen Investitionsbank und an dem Überseefonds für die überseeischen Gebiete der Mitgliedsländer der EWG mit rund 1,25 Milliarden DM und 840 Millionen DM beteiligt, ferner mit rund 200 Millionen DM an dem Kreditfonds des Europäischen Währungsabkommens, das an die Stelle der Europäischen Zahlungs-Union getreten ist. Zu welchen Leistungen wir im Rahmen des Europäischen Sozialfonds im laufenden und in den nächsten Haushaltsjahren herangezogen werden, läßt sich noch nicht abschließend übersehen.
Soweit internationale Einrichtungen nicht tätig werden, kommen Kredite an weniger entwickelte Länder aus Mitteln von Sondervermögen, also vor allem des ERP-Sondervermögens, und aus dem Kapitalmarkt in Betracht. Kredite aus Haushaltsmitteln können für diese Zwecke grundsätzlich nicht
1. gewährt werden.
Was das ERP-Sondervermögen anlangt, so prüfen wir zur Zeit, ob die Entwicklung des Kapitalmarktes es gestattet, einige seiner bisherigen Aufgaben dort wegfallen zu lassen und die frei werdenden Mittel im verstärkten Maße für die Förderung von Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die Entwicklungsländer würde, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit einer deutschen Kapitalausfuhr, den klassischen Vorstellungen entsprechen. Bei der immer noch labilen Lage dieses Marktes und der regen Nachfrage der öffentlichen Hand, der privaten Wirtschaft und des Wohnungsbaues nach langfristigen Finanzierungsmitteln wird jedoch für größere Anleihen der Entwicklungsländer auf dem deutschen Kapitalmarkt zunächst wenig Raum sein. Um so mehr ist es erBundesfinanzminister Etzel
forderlich, die Kapitalausfuhr auf sonstige Weise, vor allem also durch Übernahme von Bürgschaften und ähnlichen Gewährleistungen, zu fördern.
Allerdings kann ich nicht verhehlen, daß mir die Höhe dieser Bürgschaften gewisse Sorgen bereitet und daß die Grundsätze, nach denen diese Hilfe gewährt wird, einer ständigen Beobachtung und Überprüfung bedürfen.
({0})
In dieser Hinsicht hat der Bundesrat eine zutreffende Bemerkung gemacht. Die gesamte Haftungssumme aus Bundesbürgschaften dieser Art hat inzwischen bereits 10 Milliarden DM überschritten. Das darin liegende Risiko, für das es keine Rückstellungen gibt, ist groß und kann in Zukunft noch größer werden. Bisher schon mußten wir 370 Millionen DM zur Ablösung unserer Bürgschaftsverpflichtungen aus dem Haushalt aufbringen.
({1})
Sie erkennen aus diesem Überblick, daß der Bund auf dem Gebiete der Außenfinanzpolitik keineswegs müßig ist. Neben den materiellen Leistungen, die wir in Zukunft voraussichtlich in verstärktem Maße zu erbringen haben werden, erscheint es mir jedoch dringend geboten, daß die Hilfe für die Entwicklungsländer nach klaren und eindeutigen Grundsätzen erfolgt und daß die hochindustrialisierten Länder nicht neben- und unabhängig voneinander vorgehen, sondern ihre Maßnahmen koordinieren. Vor der Schaffung neuer größerer oder kleinerer Fonds muß dringend gewarnt werden: es gilt auch hier der lateinische Satz: „Non multa, sed multum", nicht vielerlei, sondern viel! In Zusammenarbeit mit dem Kollegen Erhard bin ich um eine Ordnung und Straffung auf diesem Gebiete bemüht. Die Auffassung der Bundesregierung hierzu wird dem Hohen Hause zu gegebener Zeit noch dargelegt werden.
Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit, den Entwicklungsländern zu helfen, soll im übrigen die finanzielle Förderung zur strukturellen Verbesserung zurückgebliebener Landesteile in unserem eigenen Lande keineswegs vergessen werden.
({2})
Meine Damen und Herren! Damit habe ich Ihnen einen Überblick über den Stand der Bundesfinanzen und über die Hauptprobleme unserer Finanzpolitik gegeben. Sie wollen daraus bitte die Überzeugung gewinnen, daß die Finanzen des Bundes geordnet sind und auch künftig in Ordnung gehalten werden können.
({3})
Wir verfügen zwar nicht mehr über die hohen Kassenrücklagen früherer Jahre, in denen auch sehr erhebliche Gefahren steckten. Unsere Finanzpolitik wird nunmehr natürlich schwieriger. Wir haben aber klare Vorstellungen über unsere finanzpolitischen Möglichkeiten und ihre Grenzen. Unsere größte Sorge ist es, das weitere unaufhaltsame Wachstum der öffentlichen Ausgaben zu bremsen. Wir müssen dies nicht nur tun, um den Bundeshaushalt in Ordnung zu halten. Bei der gegenwärtigen
Konjunkturentwicklung müssen wir die Ausgaben aller öffentlichen Körperschaften auch niedrig halten, um die Konjunktur im Gleichgewicht zu behalten.
({4})
Wir wollen auch die Steuerlasten nicht ohne zwingenden Grund wieder wachsen lassen, nachdem wir sie in den letzten Jahren so wesentlich vermindert haben. Zu diesem Ziele sollten beide Häuser des Parlaments, die Bundesregierung und nicht zuletzt auch eine breite öffentliche Meinung ihre Bemühungen vereinigen.
Lassen wir unser junges Staatswesen, an dessen kraftvollem Aufbau und dessen wachsender Autorität wir Schritt für Schritt bauen, nicht in einen kraftlosen Gefälligkeitsstaat abgleiten. Der Staat kann keine Geschenke machen. Alle Leistungen des Staates an seine Bürger müssen von eben diesen Bürgern, sei es unmittelbar oder mittelbar, durch Steuern wieder hereingebracht werden. Wer nach zusätzlichen Staatsleistungen ruft, sollte ihre Rechtfertigung daran prüfen, ob er entsprechende Hilfen auch unmittelbar von seinem Nachbarn verlangen würde. Um der Demokratie willen sollten wir uns rechtzeitig genug gegen die Anfälligkeit der modernen Massendemokratie in Finanzfragen schützen. Hier liegt die wichtigste Zukunftsaufgabe unserer Finanzpolitik.
({5})
Meine Damen und Herren, wir sind übereingekommen, nicht jetzt, sondern erst heute nachmittag um 15 Uhr in die Beratung in erster Lesung einzutreten.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr ({0}) ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Drucksache 1435 und die Drucksache 1448 ({0}) stehen in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem, was wir eben als Auftakt zum Jahreshaushalt 1960 gehört haben; denn der Jahreshaushalt 1960 bezieht sich bereits, vorausgesetzt, daß der vorliegende Gesetzentwurf angenommen wird, auf die Änderung des Rechnungsjahres und seine Gleichstellung mit dem Kalenderjahr. In gründlichen Beratungen sind im Haushaltsausschuß die Probleme, die damit zusammenhängen, erörtert worden. Der jetzt im Entwurf vorliegende Haushaltsplan 1960 soll nur noch für neun Zwölftel, also für drei Vierteljahre, nämlich für die Zeit vom 1. April 1960 bis zum 31. Dezember 1960 gelten. Dann soll das neue
5134 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1'0. Dezember 1959
Rechnungsjahr 1961 gleichgesetzt mit dem Kalenderjahr beginnen.
Damit wird eine jahrzehntealte Übung zu Grabe getragen, nach der das Rechnungsjahr am 1. April begann und am 31. März des nächsten Jahres endete. Die Rechnungsführung in der Bundesrepublik Deutschland wird damit der in anderen Ländern gleichgesetzt. Ich nenne Belgien, Holland und Frankreich. Im ganzen haben etwa 32 Länder in der ganzen Welt das Kalenderjahr als Rechnungsjahr. Auch ein deutsches Land, das Saarland, das bisher in seiner Rechnungsführung Frankreich angegliedert war, führt die Rechnung für das Kalenderjahr durch.
Für die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr lassen sich erhebliche Argumente anführen. Ich will auf ihre Wiedergabe im einzelnen verzichten und nur darauf hinweisen, daß sowohl in der Wirtschaft als auch im Privatleben das Kalenderjahr der maßgebliche Zeitraum ist. Der Begriff des Rechnungsjahres wurde vor Jahrzehnten in Deutschland im damaligen Deutschen Reich eingeführt. Dieser Zeitraum ist aber dem natürlichen Ablauf, dem natürlichen Rhythmus wesensfremd, der sich in der Wirtschaft und auch in der Steuergesetzgebung - ich erwähne die Steuertermine - ergeben hat.
Auf manchen Gebieten werden wir es nach dieser Änderung erheblich leichter haben. Die Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden wird es mindestens in der Übergangszeit erheblich schwerer haben. Auch für dieses Hohe Haus und seine Ausschüsse wird die Bewältigung der sich stellenden Aufgabe nicht leichter werden. Im kommenden Kalenderjahr 1960 werden wir es sogar ganz besonders schwer haben; wir werden nämlich gezwungen sein, in einem Kalenderjahr zwei Haushalte zu beraten und zu verabschieden.
Trotz allem waren wir im Haushaltsausschuß der Auffassung, daß es richtig sei, die vom Parlament angeregte Regierungsvorlage - Drucksache 1435 - mit den aus Drucksache 1448 ({1}) ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Ich empfehle Ihnen daher im Namen des Ausschusses die Annahme dieser Vorlage.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung und rufe die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - die Einleitung und die Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Nunmehr rufe ich den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({0})
a) Bericht des Haushaltsausschuses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2})
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({3}) ({4})
({5}).
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe in der zweiten Lesung den Artikel 1 des Gesetzentwurfes auf. Dazu liegt auf Umdruck 447 ein Änderungsantrag vor. Zur Begründung Frau Abgeordnete Beyer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck 447 ersuchen wir darum, Obst, Gemüse und Kindernährmittel in die Ziffer 4a des Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes - Drucksache 1270 - aufzunehmen. Zur Begründung darf ich folgendes ausführen.
In den Ausschüssen haben lange Debatten über die aufzustellende Warenliste stattgefunden. Man hat sich zum Schluß auf den Begriff „lebensnotwendige Artikel" geeinigt. Wir waren uns aber von Anfang an klar darüber, daß dieser Begriff schwer abgrenzbar ist. Es wäre natürlich besser, außerdem sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzämter einfacher und vor allen Dingen steuergerechter gewesen, wenn man alle Lebensmittel einbezogen hätte. Es kam aber darauf an, daß ein bestimmtes Volumen nicht überschritten wird, und so betrachteten alle an der Diskussion Beteiligten das Problem sehr stark unter dem Gesichtspunkt, welche Steuerminderung für den Finanzminister eintritt. Dabei muß ich erwähnen, daß gerade das Jahr 1959 bei der Umsatzsteuer eine Mehreinnahme von 450 Millionen DM gebracht hat.
Die Aufnahme von Obst, Gemüse und Kindernährmitteln, wie wir sie jetzt beantragen, war schon vom Mittelstandsausschuß beschlossen. Der Finanzausschuß hat sich nach langer Debatte für eine Streichung entschieden; das Abstimmungsergebnis war 9 zu 7 bei 3 Enthaltungen. Sie erkennen aus diesem Abstimmungsergebnis, wie groß die Problematik und die Meinungsverschiedenheiten waren.
Inzwischen ist uns eine große Anzahl von Eingaben aus der Öffentlichkeit zugegangen, aus Kreisen, die man keinesfalls als direkte oder indirekte Interessentengruppen bezeichnen kann. Ich darf nur einzelne nennen: der Deutsche Familienverband, die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, Raiffeisenverband.
Bei der Beurteilung unseres Antrages sollten Sie mit uns davon ausgehen, daß Obst, Gemüse und Kindernährmittel nichts anderes sind als lebensnotwendige Artikel; von diesem Begriff sind wir ausgegangen.
Frau Beyer ({0})
Bei der Auseinandersetzung im Ausschuß wurde vor allen Dingen die Frage aufgeworfen, ob die Handelsspannen auf den einzelnen Gebieten die Beibehaltung der Umsatzsteuer nicht doch rechtfertige. Das ist stark angezweifelt, ja bestritten worden. Selbstverständlich lassen sich für eine bejahende wie verneinende Antwort auf die aufgeworfene Frage Argumente anführen; das läßt unsere heutige Marktwirtschaft einfach zu. Wir haben aber inzwischen, glaube ich, überzeugendes Material dafür erhalten, daß man von der bisherigen Auffassung abweichen muß. Wir haben erkennen müssen, daß bei Obst und Gemüse allein schon durch die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs eine andere Handhabung Platz greifen muß. Heute ist es durchaus nicht mehr so, daß die Klein- und Mittelbetriebe direkt einkaufen; sie müssen vielmehr einheitlich über die Einkaufsstellen des Auslands, die mit ganz bestimmten Versteigerungssystemen arbeiten, einkaufen. Dazu kommt eine einheitliche Sortierung und Verpackung über den Großhandel. Außerdem kommt hinzu, daß gerade bei Frischobst und Gemüse die Gefahr ,des Verderbs sehr groß ist. Diese Erwägungen haben, glaube ich, ebenso die Urheber des Initiativgesetzentwurfs geleitet, wie sie die Beratungen des Mittelstandsausschusses bestimmt haben.
Bei der Beurteilung unseres Antrages sollten wir auch nicht vergessen, daß in dem Neunten Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes aus dem Jahre 1957 dem Bundesfinanzminister bereits die Ermächtigung erteilt wurde, im Wege der Rechtsverordnung den Umsatz von Obst und Gemüse von der Umsatzsteuer zu befreien oder aber die Steuer zu ermäßigen. Von dieser Ermächtigung ist kein Gebrauch gemacht worden, einfach deshalb, weil der Finanzminister die Verfassungsmäßigkeit einer solchen steuerlichen Sonderbehandlung eines einzelnen Produkts für fraglich ansah. Wenn wir uns aber schon seinerzeit zu dem Begriff „lebensnotwendige Artikel" bekannt haben, dürfen wir auch jetzt, glaube ich, nicht davon abweichen. Inzwischen ist auch von den Regierungsparteien auf Umdruck 449 ein Antrag bezüglich Frischobst und -gemüse vorgelegt worden. Ich hoffe daher, daß wir uns in diesem Punkte einig sind.
Unterschiedliche Meinungen bestehen nur hinsichtlich des dritten Punktes unseres Änderungsantrages, der die Kindernährmittel noch einzufügen wünscht. Ich glaube, es kann sich eigentlich nur um ein Versehen handeln, daß man Kindernährmittel nicht einbezogen hat. Die Familienverbände bezeichnen es als einen glatten Mißstand, wenn man Kindernährmittel nicht einbezieht, da diese Produkte auf der Getreide- und Milchgrundlage aufgebaut sind. Wir haben diese Artikel schon immer als lebenswichtig anerkannt. Es würde auch grotesk wirken, wollte man gerade diese Gruppe ausnehmen, während z. B. Backaromen, Backhilfsmittel und Gewürzsoßen in der Liste Aufnahme gefunden haben und damit steuerfrei bleiben. Ich will hier auf Markenartikel und Preisbindungen nicht besonders eingehen. Wir sollten uns also dafür entscheiden, auch die Kindernährmittel unter den Begriff „lebensnotwendige Artikel" fallen zu lassen.
Ich bitte daher um Annahme unseres Änderungsantrages Umdruck 447. Sollten Sie ({1}) der Ziffer 3 unseres Antrages nicht zustimmen wollen, dann bitte ich, Herr Präsident, über die Ziffern 1, 2 und 3 getrennt abzustimmen.
({2})
Ich gebe jetzt das Wort zur Begründung des gleichlautenden Antrages Umdruck 449 dem Herrn Abgeordneten Wieninger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute durch den Herrn Bundesfinanzminister von dem Ziel der Bundesregierung gehört, die wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer einzuführen. Auf diesem Wege sind wir mit dem hier zur Beratung stehenden Antrag bereits einen Schritt gegangen. Was unseren Änderungsantrag Umdruck 449 anlangt, darf ich bemerken, daß wir ursprünglich, als wir den Antrag Drucksache 515 einreichten, selbstverständlich im Auge hatten, daß auch Frischobst und -gemüse in der Liste enthalten sein sollten. Lediglich aus Rücksicht auf den Bundeshaushalt, aus Gewissenhaftigkeit gegenüber unserer Haushaltslage haben wir es uns zunächst versagen müssen, Frischobst und Frischgemüse in die Liste aufzunehmen. Als wir nun nach gewissenhafter Prüfung sahen, daß die Einbeziehung von Frischobst und Frischgemüse möglich ist, haben wir als ganz selbstverständlich diesen Zusatzantrag gestellt, und wir bitten Sie, den Antrag anzunehmen.
Noch ein kurzes Wort zu der Ziffer 3 des Antrages der SPD-Fraktion Umdruck 447! Wir sind der Meinung, daß Kindernährmittel in der Liste, die wir vorgelegt haben, bereits enthalten sind. Wir betrachten die von der SPD beantragte ausdrückliche Aufführung der Kindernährmittel lediglich als eine redaktionelle Klarstellung. Wir werden aus diesem Grunde gegen die Absicht der SPD keine Einwendungen erheben.
({0})
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Es kann über die gleichlautenden Anträge Umdruck 447 Ziffern 1 und 2 und Umdruck 449 Ziffern 1 und 2 zusammen abgestimmt werden, Einverstanden? - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung sind diese gleichlautenden Änderungsanträge angenommen.
Ziffer 3 des Änderungsantrages - Umdruck 447 - der Fraktion der SPD! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Wir hätten über alle Anträge zusammen abstimmen können. Auch Ziffer 3 ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift, zusammen mit dem durch die Annahme der Änderungsanträge geänderten Art. 1. Wer zu5136
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Beyer ({0}) !
Ich muß als Mitglied des Finanzausschusses und vor allen Dingen für meine Fraktion eine Erklärung abgeben. Ich bin darin durch die Einwände bestärkt worden, die soeben der Kollege Dresbach gemacht hat, und zwar auch durch seine Stimmenthaltung. Allein schon durch die Überschrift - Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes - wird bewiesen, wie unvollkommen unser System ist. Auch mit dieser Änderung bleibt das Gesetz nur Stückwerk. Die seit Jahren geführte Diskussion um eine grundlegende Reform bleibt nach wie vor offen, trotz der mannigfachen Reformvorschläge von einer ganzen Anzahl Mitgliedern der Regierungskoalition und auch aus Kreisen der Öffentlichkeit. Im übrigen hat sich ja auch der Herr Finanzminister heute morgen in seiner Etatrede ausdrücklich mit dem Problem beschäftigt; er unterstützt diese jetzt von mir gemachten Ausführungen.
Wenn wir dem Gesetz unsere Zustimmung geben, so erstens, weil damit eine kleine Entlastung und Verbesserung auf dem Sektor „Lebensmittel" eintritt, zweitens, weil wir im Hinblick auf die angespannte Wettbewerbslage auf dem Gebiet der Lebensmittel erwarten, daß die Beseitigung von 1 Prozent Umsatzsteuer den Großhändler veranlaßt, die Einsparung an den Einzelhändler im Preis weiterzugeben, damit letztlich auch der Verbraucher davon profitiert. Eine andere Handhabung käme einer Subventionierung gleich und müßte als systemwidrig bezeichnet werden.
Dias Wort hat der Herr Abgeordnete Dollinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Verabschiedung des alten Antrages Drucksache 515, mit dem sie eine Initiative in Richtung auf die Herstellung einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer ergriffen hat.
({0})
Wir sind uns darüber im klaren, daß dies nur ein erster Schritt ist.
({1})
Aber die heutigen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers haben uns gezeigt, daß zweite und dritte Schritte folgen werden. Wir haben mit dieser Maßnahme einen unserer Programmpunkte zu verwirklichen begonnen, und wir hoffen, daß wir damit im Hinblick auf die Debatten um die Förderung des Mittelstandes, im Hinblick auf die Debatten über Maßnahmen gegen die Konzentration und gegen Bevorzugung einzelner Wirtschaftspartner einen entscheidenden Schritt getan haben.
Wir bitten daher um Zustimmung in dritter Lesung.
({2})
Weitere Wortmeldungen? - Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache in dritter Beratung ist geschlossen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist dieser Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zu dem Punkt 3 der Tagesordnung.
({0})
- Wollen Sie zur Tagesordnung sprechen, Herr Abgeordneter Rösing?
({1})
- Herr Abgeordneter Rösing.
Herr Präsident ! Meine Damen und Herren! Ich bitte, noch die Drucksache 1474 betreffend Zustimmung des Bundestages gemäß § 47 der Reichshaushaltsordnung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg, auf die Tagesordnung zu setzen.
Wie soll ich das auf die Tagesordnung setzen? Bis jetzt habe ich die Drucksache nicht. Haben Sie sie denn?
({0})
Aber das Haus hat sie doch noch nicht.
({1})
- Bei aller Großzügigkeit, - schließlich und endlich muß man ja doch wissen, um was es sich handelt. Hat das Haus keine Bedenken, diesem Antrag zuzustimmen? - An sich ist es nicht korrekt, Herr Kollege Rösing. Man müßte wenigstens wissen, um was es sich handelt.
({2})
- Ich kann jetzt nicht abstimmen lassen, wenn das Haus nicht weiß, worum es sich handelt. Wir kommen nachher darauf zurück, wenn die Drucksache vorliegt; wir müssen ja wenigstens wissen, was wir beschließen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Italiens zu den zwischen den Regierungen Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland geschlossenen und am 17. April 1950 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über Grenzarbeitnehmer und über Gastarbeitnehmer ({3}),
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({4}) ({5})
({6}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zu nehmen wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe in zweiter Lesung auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -In zweiter Lesung angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Ich lasse über den Antrag des Ausschusses, den Sie auf der Drucksache 1447 Seite 2 unter B Ziffer 2 finden, abstimmen. Wer diesem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Ausschußantrag ist angenommen.
Punkt 4 der Tagesordnung ist bereits erledigt. Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 15 des Ausschusses für Petitionen ({7}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen ({8}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes ({9}) .
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht?
({10})
- Auf das Wort wird verzichtet. Ich eröffne die Aussprache in erster Lesung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht; die Aussprache ist geschlossen. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Finanzausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Mittelstandsfragen und an den Haushaltsausschuß. Das Haus ist einverstanden?
- Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Wilhelm, Bach, Ritzel, Schmitt ({11}) und Genossen betr. Abgeltungsbetrag und Härteausgleichszahlung für Arbeiter, Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes im Saarland ({12}).
Wird das Wort. zur Begründung des Antrages gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch? - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Die Punkte 8 bis 10 der Tagesordnung sind für morgen vorgesehen.
Meine Damen und Herren, die Drucksache 1474 ist noch immer nicht verteilt.
({13})
- Also gut, wir kommen zur Beratung dieses Punktes, sobald das Haus die Drucksache hat; wir werden jedenfalls Zeit genug haben.
Meine Damen und Herren, wir haben beschlossen, in die erste Beratung des Haushaltsplans heute nachmittag pünktlich um 15 Uhr einzutreten. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
({14})
Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Soeben wird mir gesagt, daß ein weiterer Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, wir also die Tagesordnung ergänzen müssen. Es handelt sich um den Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betreffend Zustimmung des Bundestages gemäß § 47 der Reichshaushaltsordnung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg - Drucksache 1474. Widerspricht jemand?
({0})
- Es wird nicht widersprochen. Die Tagesordnung wird also entsprechend ergänzt. Besteht ein Wunsch, wann der Punkt behandelt werden soll?
({1})
-- Der Punkt wird nach der ersten Lesung des Haushalts aufgerufen werden.
Wir treten in die Aussprache über den Gesetzentwurf des Bundeshaushaltsplans 1960 ein. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Während der Ausführungen, mit denen der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag den Entwurf des Haushaltsplans 1960 begründete, kam mir wiederholt ein Stoßseufzer des Marschalks in Goethes „Faust" in Erinnerung: „Welch Unheil muß auch ich erfahren, wir wollen alle Tage sparen, und brauchen alle Tage mehr."
({0})
So ungefähr klang das durch zahlreiche Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers hindurch. Ich glaube sagen zu dürfen, daß alle Fraktionen des Hohen Hauses für einen solchen Stoßseufzer des Finanzministers volles Verständnis aufbringen.
Der Etat, der uns hier im Entwurf vorgelegt wird, ist in diesem Jahre wiederum - obwohl er nur für ein dreiviertel Jahr bemessen ist, oder gerade um dessentwillen - als ein Überrollungsetat zu betrachten und zu bezeichnen. Eine Fülle von Positionen wird unverändert aus dem Jahre 1959 übernommen.
Ich möchte diese Tatsache aber zum Anlaß nehmen, um einmal in aller Öffentlichkeit eine Warnung auszusprechen. Dieses an sich recht bequeme System der Überrollung enthält auch die Gefahr einer Versteinerung von Titeln, der Bewilligung von Mitteln, die bei einer neuen kritischen Nachprüfung, für die im Haushaltsausschuß keine zeitliche Möglichkeit besteht, wahrscheinlich in nicht seltenen Fällen herabgesetzt werden könnten.
Ich will mich gleich mit einem weiteren Ausgleichsproblem - auch die Überrollung ist im gewissen Sinne ein Ausgleichsvorgang - auseinandersetzen, das in dem Haushaltsgesetzentwurf wie in vergangenen Jahren wiederum auftaucht, mit der Kürzung der Gesamttitel, soweit sie nicht auf gesetzlichen Verpflichtungen und vertraglichen Abmachungen beruht. Es soll wieder eine Kürzung von 6 a/0 durchgeführt werden. Ich darf schon hier erklären, daß meine Fraktion bei der zweiten und i dritten Beratung der Kürzung mindestens auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und des Straßenbaues widersprechen wird und daß wir darum ,bitten müssen, diese wichtigen Gebiete der Bundespolitik von der Kürzung frei zu lassen.
({1})
Meine Damen und Herren, wir vermißten heute morgen in den tiefgründigen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers klare Hinweise auf das, was uns seit Jahren auf den Nägeln brennt, nämlich praktische Hinweise auf Sparmöglichkeiten. Es ist nicht das erstemal, daß Redner meiner Fraktion von diesem Platz aus einer Einsparung von Ministerien das Wort reden. Wir wünschen endlich eine Durchforstung der Ministerien, um Überflüssiges auszuschneiden.
({2})
Wir sind auch enttäuscht darüber, daß die gute Erkenntnis des Herrn Bundesfinanzministers auf dem Gebiet der Zahlung weithin übersetzter Subventionen, obwohl die Erkenntnis jetzt schon geraume Zeit gewonnen wurde, nicht zu konkreten Vorschlägen geführt hat. Aus den früheren schriftlichen Darlegungen und aus den Berechnungen ergibt sich, daß heute - ich kann die Zahl nicht genau nachprüfen - im Etat eine aus den verschiedensten Anlässen herrührende Subventionsfülle im Gesamtwert von 13 Milliarden DM steckt. Wenn wir annehmen, daß wir davon nur 10 % einsparen, würden wir zum Ausgleich 1,3 Milliarden DM, bei einer Einsparung von 20 % 2,6 Milliarden DM zur Verfügung haben. Ich hätte mir denken können, daß es die Pflicht der Regierung ist, bereits bei der Einbringung des Haushalts dem Hause mit ganz bestimmten Vorschlägen gegenüberzutreten.
({3})
Soweit ich bis jetzt die Einzelpläne durchgesehen habe, vermisse ich in dem Haushaltsplanentwurf auch eine Aktivität der Regierung zu weiteren Einsparungen etwa durch die Technisierung der Verwaltung. Der Bund der Steuerzahler hat nicht zu Unrecht auf ein Gutachten des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hingewiesen, aus dem sich ergeben hat, welch erstaunliche Einsparungen durch eine Technisierung des technischen Apparates der Verwaltung gemacht werden konnten. Hier scheint es mir des Schweißes der Edlen im Finanzministerium und in der gesamten Bundesregierung wert, nun endlich einmal mit Hilfe des Bundesbeauftragten in allen in Frage kommenden Ressorts Vorschläge auszuarbeiten, wie durch eine Technisierung wirklich größere Mittel in dem Etat eingespart werden können.
Auch außerhalb der Ministerien bestehen Sparmöglichkeiten. Es ist noch kein Ansatz zu entdekken, daß diese genutzt werden. Ich nenne den Paßkontrolldienst, die Verkehrssünderkartei, das Bundesamt für äußere Restitution, das Bundesamt für innere Restitution und die Sparmöglichkeiten, die vielleicht auch im Rahmen einer Reform des Haushaltsrechts liegen.
Meine Damen und Herren, die Bundesfinanzpolitik, wie sie uns heute von dem Herrn Bundesfinanzminister dargelegt wurde, kann man von den verschiedensten Gesichtspunkten aus beurteilen. Man kann in guten Treuen dieser oder jener Meinung sein. Man sollte aber in bezug auf die Notwendigkeit, sich an eine alte Geschichte aus der Bibel zu erinnern, nicht verschiedener Meinung sein. Es ist jene Geschichte von dem Beispiel Josephs von Ägypten, die Geschichte von den sieben mageren und den sieben fetten Jahren. Steuerpolitisch gesehen sind wir augenblicklich in dem Zyklus der sieben fetten Jahre, und ich könnte mir gut denken, daß sich die Bundesfinanzpolitik an diesem geschichtlichen Beispiel orientieren könnte.
Ich bin auch durchaus bereit, anzuerkennen, daß die Politik des verflossenen Herrn Bundesfinanzministers, die zu dem „Juliusturm" geführt hat, in weiten Teilen nicht ganz so unglücklich war, wie sie heute in der öffentlichen Meinung vielfach dargestellt wind.
({4})
- Jawohl, Herr Kollege Niederalt! Wenn Sie sich einmal liebenswürdigerweise der Mühe unterziehen wollten, nachzulesen, was damals gesagt worden ist, dann hätten Sie es in der Beurteilung leichter. Zur Gedächtnisstärkung darf ich Sie an einen Antrag aus der Etatberatung 1959 erinnern, der von Ihnen abgelehnt worden ist. Der Antrag ging dahin, der Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, zur Regelung der ÜberschußverwenRitzel
dung bzw. der Defizitdeckung das in Belgien praktizierte System eines sogenannten Ausgleichsfonds, wonach die Haushaltsdefizite aus Jahren ungünstiger Wirtschaftskonjunktur mit einem Teil der im Konjunkturanstieg sich erhöhenden Fiskalerträgnisse verrechnet werden, zu prüfen und dem Bundestag bis zum 31. Oktober 1959 hierüber einen Bericht vorzulegen.
({5})
- Herr Kollege Niederalt, erstens bin ich kein Schlüsselbewahrer, und zweitens lege ich keinen Wert auf einen Schlüssel zu einer Einrichtung, in der nichts mehr ist.
({6})
Der Herr Bundesfinanzminister hat dem Etatentwurf eine optimistische Steuererwartung zugrunde gelegt. Ich teile diesen Optimismus. Ich bin der Auffassung, daß die Ansätze nicht ungerechtfertigt sind. Es kann natürlich passieren, daß ,sie nicht ganz erreicht werden, es kann passieren - wie im Rechnungsjahr 1959 -, daß die Tatsachen die Erwartungen hinter sich la ss en. Das ist durchaus möglich. Niemand ist \auf diesem Gebiet ein Prophet. Man kann nur tun, was zu verantworten ist. Aber der Herr Bundesfinanzminister betont immer wieder, wenn nicht neue Tatsachen einträten, die zu bestimmten Maßnahmen zwängen, dürften keine neuen Steuern vorgesehen werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat das, wie ich einer Zeitungsnotiz entnommen habe, vor einigen Monaten auch auf einer CDU-Veranstaltung in Frankfurt sehr deutlich gesagt. Ich habe mich darüber gefreut. Nur eines ist nicht ganz in Ordnung: In den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers kam wiederholt die Einschränkung „in den nächsten drei Jahren" vor. Nun, ein Jahr ungefähr liegt in der Vergangenheit. Wenn das zweite und das folgende Jahr abgelaufen sind, dann ist ein Zeitpunkt erreicht, der nach den nächsten Bundestagswahlen liegt. Herr Bundesfinanzminister, es ist keine reine Freude, immer wieder eine Ankündigung zu hören, die praktisch bedeutet: „nach uns die Sintflut" oder „wenn wir erst einmal die Ernte in der Scheuer haben, so findet sich das andere schon von selbst". Außerdem stimmt die Ankündigung nicht ganz.
Herr Finanzminister, Sie haben heute morgen in Ihrer Rede den Versuch gemacht, die bestehenden Pläne z. B. auf dem Gebiet der Mineralöl- und der Heizölsteuer usw. in ihrer Bedeutung etwas abzuschwächen. Ich habe dafür Verständnis. Andererseits hört man draußen nur das Negative, d. h. man sieht vor allem nur die effektiv in Erscheinung tretende Steuererhöhung.
In diesem Zusammenhang brennt mir immer noch ein anderes Wort im Gedächtnis. Sie haben einmal geäußert, Herr Bundesfinanzminister, eine Erhöhung der Kriegsopferrente sei letzten Endes nur bei Erschließung neuer Steuerquellen möglich. Das ist jetzt dadurch einigermaßen verkleistert worden, daß man den Termin für die Erhöhung der Kriegsopferrenten bis zum 1. Juni 1960 hinausgeschoben hat. Aber das Wort steht noch immer, wie der Herr Bundessozialminister zu sagen pflegt, im Raume, und weil es im Raume steht, müssen wir höllisch aufpassen, daß nicht die Kriegsopferversorgung nach draußen hin als Anlaß zu einer Steuererhöhung angegeben wird. Es gibt im Rahmen des Etats ganz andere Dinge, die man zur Grundlage für eine etwaige Steuererhöhung machen kann.
Aus dem Etat ergeben sich auch eine Reihe von anderen Überlegungen. Da haben wir z. B. - das hat auch den Bundesrat gereizt - den Vermerk über die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen. Wir bedauern schon seit Jahren, daß hier keine eigentliche Kontrolle des Parlaments gegeben ist, und wir wünschen eine solche Kontrolle.
Im Bundesrat wurde errechnet, daß im Jahre 1960 die Summe der Bürgschaftsverpflichtungen etc. bis zum Betrag von 35 Milliarden anwachsen könnte. Das ist eine Feststellung, die sehr bedenklich stimmt. Ich möchte dazu aus grundsätzlichen Erwägungen folgendes feststellen. Die jährlichen Ermächtigungen durch das Haushaltsgesetz geben der Regierung und dem Parlament Anlaß zur Überprüfung der eingegangenen Verpflichtungen. Angesichts der Größenordnungen dieser Ermächtigungen und der mit ihnen verbundenen Risiken ist eine jährliche Überprüfung finanzpolitisch notwendig. Umfang und Dringlichkeit der Ermächtigungen müssen mit den Bedürfnissen und den finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts abgestimmt werden. Dies ist nur bei den jährlichen Haushaltsberatungen möglich. Wir begrüßen daher die Zusammenfassung der Ermächtigungen im Haushaltsgesetz. Wir alle sollten in jedem Fall an dieser Regelung festhalten.
Ich betone dies besonders, weil Anlaß zu der Befürchtung besteht, daß es nicht dabei bleiben soll. Offenbar werden im Schoße der Bundesregierung schon wieder Erwägungen angestellt, diese Regelung zu ändern und durch ein Sondergesetz zu ersetzen oder zu vervollständigen. Wir sollten dabei nicht mitmachen, sondern dieses Problem einmal mit aller gebotenen Gründlichkeit im Haushaltsausschuß erörtern.
Der Herr Bundesfinanzminister hat sich im Verlaufe seiner Darlegungen wiederholt auch mit der sehr massiven Warnung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank - wie es in der Zeitung hieß: „der Hüterin unserer Währung" - befaßt. Zu den Hütern unserer Währung zähle ich vor allem und in erster Linie auch das Parlament, das in dieser Hinsicht eine Verpflichtung hat und sie auch nicht außer acht lassen darf und sie meiner Überzeugung nach auch nicht außer acht lassen wird. - Der Zentralbankrat hat erklärt, daß er mit Sorge die beim Bund, bei den Ländern und den Gemeinden festzustellende Tendenz einer fortgesetzten, zum Teil beträchtlichen Steigerung der Ausgaben beobachte. Er bezeichnet diese Tendenz als um so bedenklicher, als offenbar nicht daran gedacht sei, auch für eine entsprechende Zunahme der ordentlichen Einnahmen durch Steuererhöhungen zu sorgen. Nun, die bessere Erkenntnis auf diesem Gebiete, ob also eine Notwendigkeit für Steuererhöhungen gegeben ist, liegt in erster Linie bei der Bundesregierung.
5140 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1,0. Dezember 1959
Der Zentralbankrat sagt, er halte es deshalb finanzpolitisch nicht für vertretbar, Ausgaben aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt zu verlagern und dafür Deckung durch Kreditaufnahme, vorzusehen, die Einstellung von Ausgaben in den außerordentlichen Haushalt grundsätzlich solchen Ausgaben vorzubehalten, die zeitlich verschoben oder sachlich gekürzt werden könnten, wenn sich die Aufbringung der erforderlichen Deckungsmittel am Kapitalmarkt als unmöglich erweisen sollte. - Dazu möchte ich folgendes sagen. Im Grunde ist die Forderung berechtigt, man soll in den außerordentlichen Haushalt, dessen Dekkung durch Kapitalaufnahmen erfolgen soll, nur diejenigen Aufgaben hineinnehmen, die gegebenenfalls ohne großen Schaden und ohne Vertrags- und Rechtsbrüche auch unterlassen werden können.
Aber wir stimmen dem Herrn Bundesfinanzminister auch darin zu, daß in den außerordentlichen Haushalt - das entspricht einer alten Forderung meiner Fraktion - vor allem auch die vermögenswirksamen Ausgaben hineingehören. Wir haben eine ungute Erinnerung an vergangene Tage. Damals wurden unter der Leitung des früheren Herrn Finanzministers im laufenden Haushalt, also zu Lasten von Steuereinnahmen, fortgesetzt riesige vermögenswirksame Beträge gebucht, Beträge, auf die ich nachher noch des näheren zu sprechen kommen werde, die einfach nicht anders als als vermögenswirksame Ausgaben betrachtet und behandelt werden durften und nicht in den außerordentlichen Haushalt hineingehörten.
Zu der Warnung des Zentralbankrates noch ein Wort! Ich fürchte, daß die Herren vom Zentralbankrat übersehen haben, welche Bedeutung die bisherigen Bundesleistungen, an denen das ganze Haus mit beteiligt war und die es mit getragen hat, auf dem Gebiete der Förderung der Kleinbetriebe und der Mittelbetriebe gehabt haben. Für den Fall, daß dieser Hahn, abgesehen von Subventionen, irgendwie verstopft werden sollte, möchte ich angesichts des Überwiegens und der stündlich steigenden Macht der Großwirtschaft, der Großindustrie, hier beizeiten eine Warnung ausgesprochen haben.
Gar nicht zufrieden sind wir mit der etwas laxen Haltung des Herrn Bundesfinanzministers auf dem Gebiet der Kommunalfinanzen.
({7})
Im Juli dieses Jahres hat der Herr Bundeskanzler, der lange Zeit Oberbürgermeister, und, wenn ich recht unterrichtet bin, auch einmal Stadtkämmerer gewesen ist, den Herrn Bundesfinanzminister aufgefordert, bis zum Oktober eine Denkschrift vorzulegen. Diese Denkschrift soll die finanzielle Ordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände sichern; das Kabinett soll darüber beraten. Ist diese Denkschrift schon ausgearbeitet, Herr Bundesfinanzminister? Wann kommt sie? Der Oktober ist lange vorbei; die Gemeinden warten. Wir haben zwar heute morgen gehört, daß Überlegungen angestellt werden, aber eine Regelung der zum großen Teil sehr drängenden kommunalen Finanzprobleme wird dadurch nicht erzielt.
Herr Bundesfinanzminister, Sie beanspruchen mit Recht Verständnis für die Finanzpolitik des Bundes und gerechte Beurteilung. Ich vermisse die gleiche Haltung bei der Bundesregierung mit ihren verschiedenen Gliedern auch in bezug auf die deutschen Kommunen.
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Das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben, von dem Sie in Ihrer Rede wiederholt zu Recht gesprochen haben und bei Ihren Überlegungen ausgegangen sind, trifft die Gemeinden und Gemeindeverbände nicht weniger als den Bund, nur ist es dort - ich komme darauf zurück - viel schwerer zu ertragen. Wir wünschen, daß dem wirtschaftlichen Notstand, der in zahlreichen Gemeinden bereits bis an die Grenze der Kreditwürdigkeit geführt hat, nun endlich einmal Rechnung getragen wird.
Wir haben schon oft die generelle Forderung auf gerechte Beteiligung der Gemeinden am Volkseinkommen im Rahmen einer Gesamtrechnung des Finanzbedarfs angemeldet. Der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, einen Ausgleich zwischen den sogenannten reichen und den tatsächlich armen Gemeinden herbeizuführen, ist keine Lösung. Diese Rechnung würde im Augenblick einer ersten Krise, im Augenblick eines sich abzeichnenden Rückgangs des Realsteueraufkommens bereits ein großes Loch aufweisen.
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Nun einige Wort zum Problem der Bundesschuld und des Bundesvermögens. Das Bundesvermögen ist größer geworden. Am 1. April dieses Jahres belief es sich auf 39,6 Milliarden DM. Es kommen noch Sondervermögen im Werte von 27,9 Milliarden DM hinzu.
Die fundierte Schuld betrug am 31. März dieses Jahres 18,3 Milliarden, die schwebende Schuld 4,9 Milliarden, zusammen 23,2 Milliarden DM.
Im Blick auf Anleihewünsche des Bundes, die wir verstehen und unterstützen, können wir sagen: der Bund ist ein ausgezeichneter Schuldner; er verdient Vertrauen, und er steht viel besser da als die deutschen Gemeinden.
Ich habe hier schon aus anderem Anlaß auf eine Feststellung hingewiesen, die vor einiger Zeit getroffen worden ist. Bei der Verteilung des Steueraufkommens bezieht der Bund 53,6 %; nach dem Stand des Rechnungsjahres 1958 bezogen die Länder 27,8 % und die Gemeinden 14,1 %, der Rest entfiel auf den Lastenausgleich. Bei der Neuverteilung der Lasten, bei der Neuverschuldung ist es umgekehrt. Die Neuverschuldung des Bundes betrug am 31. März 1958 12 % aller Schulden der öffentlichen Hand, die der Länder 33 % und die der Gemeinden 55 %. Das kommt daher, daß trotz aller schönen Reden, gleich oh sie der Herr Bundeskanzler, der Herr Bundesfinanzminister oder wer sonst hält, die Gemeinden, gemessen am Stand der Bundesfinanzen, als ein lästiges Anhängsel, faktisch sogar als ein Fremdkörper, betrachtet werden.
({10})
Zu dem Problem der Anleihen noch eine Bemerkung! Wir haben in den Jahren von 1949/50 bis 1958 keine eigentliche klare Anleihekonzeption des Bundes gekannt. Als Beispiel für diese Planlosigkeit erwähne ich nur die Mittel für den Wohnungsbau und für die ländliche Siedlung. In den letzten Jahren war so ein Bäumchen-wechsle-dich-Spiel im Gange, hat die Veranschlagung mehrmals gewechselt. Ein bis zwei Jahre waren die Mittel im ordentlichen Haushalt, dann im außerordentlichen Haushalt, dann wieder im ordentlichen Haushalt veranschlagt. Eine einheitliche Linie kann man auch dann nicht sehen, wenn man davon ausgeht, daß die Veranschlagung unter dem Gesichtspunkt erfolgt ist, außerordentliche Ausgaben nur dann zu leisten, wenn entsprechende Anleihen aufgenommen werden können.
Ich weise nur darauf hin, daß 80 v. H. der in diesen Jahren veranschlagten außerordentlichen Ausgaben auf gesetzlichen oder anderen rechtlichen Verpflichtungen beruhten. Sie hätten also nicht in den außerordentlichen Haushalt gehört. Auch bei den restlichen außerordentlichen Ansätzen gab der Finanzminister schon vor Wirksamwerden des Haushaltsplans verbindliche Bedienungszusagen. Seit 1950 sind rund 17,6 Milliarden DM außerordentliche Ausgaben geleistet worden, von denen nur 3,2 Milliarden DM echt durch Anleihen oder anleiheähnliche Einnahmen gedeckt waren. Die übrigen 13,9 Milliarden DM wurden aus Überschüssen des außerordentlichen Haushalts geleistet - weitere 0,5 Milliarden DM waren durchlaufende Posten -; entweder wurden sie aus Steuermehreinnahmen oder aus Minderausgaben des ordentlichen Haushalts finanziert.
Diese Finanzierungsform muß einmal überwunden werden. Der außerordentliche Haushalt muß künftig wieder das werden, was er sein soll. Ich habe darüber vorhin genügend gesagt.
Nun erhebt sich die Frage: Ist die Bundesregierung bereit, in bezug auf das, was heute morgen der Herr Bundesfinanzminister hinsichtlich der Verwendung der etwaigen Erträgnisse aus dem außerordentlichen Haushalt gesagt hat, dem Haushaltsausschuß ein Mitentscheidungsrecht darüber einzuräumen, welche Ausgaben, die für den außerordentlichen Haushalt vorgesehen sind, aus Mehreinnahmen des ordentlichen Haushalts gedeckt werden können? Ist die Bundesregierung bereit, mit dem Haushaltsausschuß über die Verwendung der im Rahmen des außerordentlichen Haushalts erhofften Kapitalaufnahmen zu reden und seine Zustimmung zu dieser Verwendung einzuholen? Im außerordentlichen Haushalt sind vorgesehen: Darlehen an Verbände der freien Wohlfahrtspflege, Darlehen zur Deckung des Nachholbedarfs freier gemeinnütziger Krankenanstalten, Darlehen für die ländliche Siedlung, Leistungen für Bundeswasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung, Wohnungsfürsorge für Angehörige der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung und andere militärische Baumaßnahmen, Wohnungsbauten für Evakuierte.
Wir möchten verhüten, daß die Rechte des Parlaments auf Mitwirkung bei der praktischen Gestaltung des Haushaltsplans umgangen werden. Man könnte Bedenken gegen die Verweisung erheblicher Bedürfnisse des sozialen Wohnungsbaus in den außerordentlichen Haushalt haben. Soweit es sich um Darlehen handelt, ist der Vorgang korrekt und richtig. In bezug auf die tatsächliche Auswirkung ist es aber dringend notwendig, daß die Bundesregierung mit dem zuständigen Parlamentsausschuß und gegebenenfalls mit dem Hohen Hause selber im engsten Kontakt bleibt.
Zur Frage der Anleihepolitik noch ein Letztes. Wir haben den Wunsch - auch die Wünsche des Herrn Finanzministers gehen dahin -, daß, wenn irgend möglich, darauf abgestellt werden sollte, keine mittelfristigen, sondern langfristige Anleihen unterzubringen. Wir haben diesen Wunsch auch im Hinblick auf die notwendige Beruhigung der deutschen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, die erste Beratung des Haushaltsplans ist der rechte Anlaß, um etwas darzulegen, was uns in der Opposition sehr erheblich mißfällt und auch kränkt. Wir haben am laufenden Band eine Mißachtung des Parlaments festzustellen.
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Meine Damen und Herren, ich habe mir über Mittag - vorher hatte ich keine Zeit - aus einer bekannten Zeitung - ich will hier keine Propaganda für eine Zeitung machen; deswegen nenne ich den Namen nicht -, aus einer ausgezeichnet orientierten Zeitung einen Bericht mit der Überschrift „Bonn will Schulden vorzeitig zahlen" zu Gemüte geführt, der vermutlich neun Zehntel der Mitglieder des Bundestages - vielleicht sind einige Kundige doch unter uns - überrascht und unangenehm berührt. Wieder einmal zeigt es sich, daß die deutsche Presse, der ich alles Gute gönne, auf Kosten des Deutschen Bundestages Informationen zu einem Zeitpunkt besitzt, da der Deutsche Bundestag noch vollkommen im dunkeln tappt.
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Zum Ausgleich der amerikanischen Zahlungsbilanz bietet nach diesem Zeitungsbericht die Bundesregierung auf Grund einer Stellungnahme des Bundeskabinetts - anscheinend ist dieser Beschluß des Bundeskabinetts erst gestern erfolgt - den Amerikanern demnächst - Beauftragte sind ja unterwegs, Mister Dillon kommt - erhebliche Zahlungen in Milliardenhöhe zur vorzeitigen Rückerstattung der Bundesschuldverpflichtungen an.
Ganz abgesehen davon, daß ich meine, der Herr Bundesfinanzminister wäre, wenn ein solcher Kabinettsbeschluß gestern erfolgt sein sollte, verpflichtet gewesen, bei der heutigen Einbringung des Etats dem Hohen Hause darüber Auskunft zu geben,
({13})
muß ich leidvoll feststellen, daß sich diese Handlungsweise „würdig" einreiht in das System, das
wir bisher auf weiten Gebieten beobachten mußten.
Da lese ich heute mittag in einer Korrespondenz, daß der Herr Bundesinnenminister, den vor mir sitzen zu sehen ich mich sehr freue - Sie sind ja in diesem
Hohen Hause so selten zugegen, und noch öfter vermissen wir Sie in den Ausschüssen, Herr Innneminister -, eine gesetzliche Bestimmung, wonach die Kenntlichmachung von Zusätzen in Lebensmitteln am 22. Dezember 1959 in Kraft treten soll, durch eine „Rechtsverordnung" hinausschieben will, ich weiß nicht, ob ad calendas graecas oder auf welche Dauer. Jedenfalls wäre es mir eine Freude, Herr Bundesinnenminister, wenn Sie die Liebenswürdigkeit haben wollten, bei erster sich bietender Gelegenheit zu konstatieren, daß diese Behauptung nicht richtig ist
({14})
und daß Sie Respekt vor der Gesetzgebung haben.
({15})
- Sie irren, ich war da!
Eine weitere Feststellung, die sich auf die Kontrolle der Staatsfinanzen bezieht, ergibt sich aus einer Betrachtung des Systems der über- und außerplanmäßigen Ausgaben, der gegenseitigen oder einseitigen Deckungsfähigkeit bestimmter Titel des Haushalts, der Ausgabereste, der Bindungsermächtigungen und der Geheimfonds. Es gibt ja auch noch andere merkwürdige Vorgänge bei der Bundesregierung, die fast auf ein System schließen lassen. Sie veröffentlicht beispielsweise Referentenentwürfe, läßt sie auf irgendeine Weise der Öffentlichkeit zur Kenntnis kommen, um einmal zu testen, ) wie das Ding da ankommt.
({16})
Wenn es starken Widerstand findet, dann war es ein „unverantwortlicher Referentenentwurf", und man zieht es zurück. Findet es aber so langsam einen gewissen Anklang, dann kommt die offizielle Regierungsvorlage hintennach. Diese Testversuche sind alles andere als erfreulich, sie sind vor allem nicht richtig. Auch nicht schön ist es - es ist sogar falsch -, wenn ein Minister gegen den anderen in der einen oder anderen Frage - ich erinnere an die Kriegsopferversorgung - zu Felde zieht und wenn der andere dann vor den Augen des Hohen Hauses umfällt und als blamierter Mitteleuropäer oder, wie sagten Sie doch heute morgen, Herr Bundesfinanzminister, als „kanalisierter Bürger" dasteht.
({17})
Das alles sind keine schönen Dinge.
({18})
Meine Damen und Herren, wir haben ein Recht darauf, im Parlament frühzeitig, d. h. im rechten Augenblick, zu erfahren, was die Regierung denkt, was sie zu tun beabsichtigt. Das ist unser verbrieftes Recht; die Opposition wird niemals davon ablassen, es geltend zu machen.
Wenige Zahlen zu dem schönen System der über-und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben, soweit sie 10 000 DM übersteigen! Ich weiß, daß da vieles richtig gehandhabt wird; aber wenn Sie die ganze Größenordnung auf sich wirken lassen, dann finden Sie, daß einiges nicht richtig sein kann. Ein Beispiel:
Im Rechnungsjahr 1958 betrug das Haushaltsvolumen im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt 38 723 Millionen DM; im ersten bis vierten Quartal des gleichen Jahres wurden 3981 Millionen DM, also mehr als 10 °/o des Gesamtvolumens, im Rahmen von über- und außerplanmäßigen Bewilligungen ohne das Parlament, nur mit Information des Haushaltsausschusses, erledigt.
({19})
Im Rechnungsjahr 1957 betrug das Haushaltssoll 37,3 Milliarden DM; die über- und außerplanmäßigen Ausgaben des ganzen Rechnungsjahres betrugen rund 2,5 Milliarden DM. Ich weiß, daß für die Bürokratie - ich war lange genug Bürokrat, um es den Herren nachfühlen zu können- ein solches System mindestens sehr angenehm, wenn nicht herzlich willkommen ist. Aber es ist nicht gut und ist vor allem auch nicht richtig.
Und nun soll dieses System ausgedehnt werden. Meine Damen und Herren, vor Ihnen liegt auch der Entwurf des Haushaltsgesetzes 1960. Dort können Sie in der Begründung zu § 10 lesen:
Die in Absatz 1 vorgesehene Zulassung der gegenseitigen Deckungsfähigkeit für die Mehrzahl der Bewilligungen für Sachausgaben innerhalb der einzelnen Kapitel steht im Zusammenhang mit der grundsätzlich unveränderten Übernahme der Einzelansätze für Personal- und Sachausgaben aus dem Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1959 in den Entwurf des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1960. Zur Erleichterung der Bewirtschaftung der Sachausgaben erschien es bei dieser Veranschlagungspraxis geboten und vertretbar, die gegenseitige Deckungsfähigkeit ... zuzulassen,
darunter für die Titel 200 bis 209 in allen Einzelplänen.
Herr Kollege Niederalt hat sich das Verdienst erworben, schon recht früh aus anderem Anlaß auf die Unmöglichkeit eines solchen Verfahrens hingewiesen zu haben. Dafür gebührt ihm Dank. Wenn Sie sich aber einmal ansehen, wie die Titel 200 bis 209, die sich nun gegenseitig decken sollen - also ohne Parlament -, in den verschiedenen Einzelplänen lauten, dann finden Sie folgendes: Der Tit. 200 betrifft Geschäftsbedürfnisse, Tit. 201 Unterhaltung, Ersatz und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in den Diensträumen, Tit. 202 Bücherei, Tit. 203 Post- und Fernmeldegebühren, Tit. 204 Unterhaltung der Gebäude, Tit. 205 kleinere Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, Tit. 206 Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen, Tit. 207 Unterhaltung, Ersatz und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in Amts-, Dienst- und Werkdienstwohnungen und Tit. 208 Betrieb von Dienstfahrzeugen.
Wir balgen uns im Haushaltsausschuß um jede Bewilligung eines Autos für irgendeine Dienststelle, und hier werden die Mittel aus neun oder zehn Titeln für gegenseitig übertragbar erklärt - ohne das Parlament! Pfeift denn die Verwaltung völlig auf die Beschlüsse des Hauses, das nach Gesetz und Recht den Haushaltsplan festzustellen hat? Herr
Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den FO. Dezember 1959 5143
Bundesfinanzminister, ich muß Ihnen sagen, ich bin enttäuscht. Ich hätte nicht erwartet, daß gerade von Ihnen und Ihren heutigen Mitarbeitern dem Hause ein solcher Vorschlag zugeht.
Ein Wort zu der Verschleierung der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit durch Ausgabenreste! Am Ende des Rechnungsjahres 1956 hatten wir Haushaltsreste im Betrage von über 5 Milliarden DM, 1957 von 7275 Millionen DM. Das waren 21 % der Ist-Ausgaben des Rechnungsjahres. Jetzt haben wir Haushaltsreste - der Herr Bundesfinanzminister hat die Zahlen heute morgen zitiert - von insgesamt 10,1 Milliarden DM; davon entfallen 7,1 Milliarden DM auf den Einzelplan 14, Bundesminister für Verteidigung, und 3 Milliarden DM auf die übrigen, zivilen Haushalte.
Die Regierung versucht nun ein neues System. Sie hat das im Haushaltsgesetz und in einzelnen Ansätzen zum Ausdruck gebracht. Sie will eine Neudeckung der verbliebenen Ausgabenreste. Diesmal soll also nicht der § 75 der Reichshaushaltsordnung außer Kurs gesetzt werden - wie das seit Jahren üblich war -, der vorschreibt, daß die aus dem vorvorhergegangenen Jahre verbliebenen ungedeckten Beträge in dem neuen Haushalt Deckung finden müssen, sondern man will erreichen, daß durch eine teilweise Nachdeckung - so beim Einzelplan 14 - die Reste nach und nach „getötet" werden. Ich befürchte, daß das ein sehr langwieriger Prozeß ist, Herr Bundesfinanzminister. Wenn ich an die heutigen Reste denke und nicht 4 % - wie die Reichshaushaltsordnung sagt -, sondern entgegenkommender- und großzügigerweise 5 % rechne, so komme ich zu dem Schluß, daß die Haushaltsreste nur 2,1 Milliarden DM betragen dürften. Rund 2 Milliarden DM also - das wäre das zulässige Maß. Wann, glauben Sie, Herr Bundesfinanzminister, werden Sie bei dieser Endstation einer geordneten Haushaltsführung angekommen sein?
Und noch ein kritisches Wort zu den Geheimfonds. Es gibt Dinge, die auch dem Gesetz der wachsenden Staatsausgaben unterliegen. Im Kap. 04 01 - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt - haben wir in Tit. 300 - Zur Verfügung des Bundeskanzlers zu allgemeinen Zwecken - in diesem. Jahr 250 000 DM, bei Kap. 04 03 - Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - in Tit. 300 - Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens - 13 Millionen DM, beim Kap. 04 04 - Bundesnachrichtendienst - 4.3,4 Millionen DM, beim Kap. 05 02 - das ist das Kapitel ,,Allgemeine Bewilligungen" im Einzelplan des Auswärtigen Amtes - bei Tit. 301 4 Millionen DM und bei Kap. 06 09 - Bundesamt für Verfassungsschutz - in Tit. 300 4 288 000 DM; ohne Einzelnachweise, ohne wirkliche Kontrolle. Die Parlamentskontrolle ist nach wie vor weithin ausgeschaltet. Als seinerzeit ein führender Mann aus dem Bundesfinanzministerium in das Bundeskanzleramt versetzt wurde - es ist gar nicht lange her -, da dachte ich: „Er nimmt hoffentlich seinen Kommentar mit und sorgt dafür, daß dem Herrn Bundeskanzler die Kommentierung der Bestimmungen über Geheimfonds vor Augen gehalten wird." Aber offensichtlich kam er nicht dazu, oder ein solches Bemühen blieb bis zu dieser Stunde völlig wirkungslos.
({20})
- Nein, die Neuauflage ist erst vor einem Jahr erfolgt.
({21})
Es sind Geheimfonds im Betrag von 64,9 Millionen DM. Sie sind zu einem erheblichen Teil mit unserem Wissen, insbesondere in bezug auf die größte Summe, zustande gekommen. Sie werden beim Bundesnachrichtendienst auch von einem kleinen Parlamentsausschuß kontrolliert. Aber, meine Damen und Herren, die 13 Millionen DM beim Presse- und Informationsamt - um nur diesen Posten herauszugreifen - werden nach wie vor jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen. Damit finden wir uns nicht ab, und wir werden bei jeder Gelegenheit wieder auf diesen unmöglichen Zustand hinweisen.
({22})
Ich sprach davon, daß auch diese Ausgaben dem Gesetz des steigenden Staatsbedarfs unterliegen, einem Gesetz, das kein Gesetz ist, das etwa ein Parlament beschlossen hat. Es ist jenes berühmte nationalökonomische Gesetz, das ein berühmter Mann
({23})
- Sie haben recht, Herr Kollege Dresbach: Adolf Wagner - in der 3. Auflage seines Buches, ich glaube, 1883, zum Ausdruck brachte, indem er sagte: „Das Gesetz der wachsenden Ausdehnung der öffentlichen, insbesondere der Staatstätigkeiten, wird für die Finanzwirtschaft zum Gesetz der wachsenden Ausdehnung des Finanzbedarfs."
Meine Damen und Herren! „Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen." Wenn ich lese - sei es vom Bund der Steuerzahler, sei es von irgendeinem Leitartikler, einem noch so klugen Mann -, was da alles in bezug auf das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben gesagt und auch dem Bundestag an die Rockschöße gehängt wird, dann möchte ich doch manchen der Kritiker einmal - ohne die Bundesregierung verteidigen zu wollen - daran erinnern, worauf es eigentlich beruht, daß dieses Gesetz heute Wirklichkeit ist. Man könnte darüber ein bekanntes, treffendes Wort setzen, ein schlechtes Wort, weil es einer schlechten Sache gewidmet gewesen ist - manche von Ihnen kennen es besser als ich -, nämlich das Wort: Das danken wir dem Führer! Unsere bundesdeutsche Öffentlichkeit hat weitgehend vergessen, was ein verlorener Weltkrieg für die öffentlichen Finanzen zwangsläufig im Gefolge haben muß.
({24})
Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat vor kurzem die Ursachen für das Anwachsen der Ausgaben der öffentlichen Verwaltung untersucht. Sie ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Bei den Gemeinden sind es vor allem die Entwicklung des Schulwesens, die Entwicklung der Krankenhäuser, der Wohlfahrtspflege, der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe. Bei den Gemeinden, Kreisen, Ländern und im Bund sind es die Einführung bzw. der Ausbau der Sozialversicherung, der Kriegsopfer- und Flüchtlingsfürsorge, der Wohnungsbewirtschaftung, der 13l er-Gesetzgebung, des Lastenausgleichs und der Wiedergutmachung. Bei den Ländern und im Bund sind es die föderalistische Staatsstruktur, die Verwaltungsgerichte, der Bevölkerungszuwachs, die Entwicklung der technischen Wissenschaften, die Entwicklung des Verkehrs -siehe Straßenwesen - und die staatliche Interventionspolitik im Bereich der Wirtschaft. Im Bund allein ist die Ursache zunächst das Anwachsen des auswärtigen Dienstes. Ach, wie klein haben wir doch angefangen mit dem Einzelplan 05, und wie wächst er! Wenn es eine schöne Sache wäre, würde man sich wirklich darüber freuen. Im Bund allein ist die Ursache weiter die internationale Zusammenarbeit mit den unvermeidlich dadurch entstehenden Kosten durch internationale Organisationen, durch die enge Verflechtung der Staaten untereinander.
Bei dieser Gelegenheit ein Wort an die Bundesregierung. Ich danke dafür, daß der Herr Bundesfinanzminister und sein Herr Staatssekretär für die wiederholten Anregungen des Haushaltsausschusses ein echtes Interesse gezeigt haben und auch entsprechende Taten haben folgen lassen, um die unerhört hohen, weithin übersetzten Gehälter bei den sogenannten Europäern zu bekämpfen.
({25})
Was hier vor sich geht, ist ein Skandal, meine Damen und Herren! Ich weiß, man hört etwas Derartiges nicht gern. Aber einmal muß es auch von einem solchen Platz aus gesagt werden. Und dann gehört schließlich in die gleiche Kategorie - mindestens zu einem erheblichen Teil - der Kostenaufwand für den neuen Aufbau und den weiteren Ausbau der Verteidigung mit dem gesamten damit zusammenhängenden Riesenapparat.
Wo bleibt die Gegenwirkung der Bundesregierung? Wo bleibt das Streben nach wirklich energischem Behördenabbau, nach Verringerung der Zahl der Ministerien, nach Verlangsamung der Gesetzgebungsmaschine? Wo bleibt der Verzicht auf eine allzu perfektionistische Gesetzgebung? Wir sollten den Dingen doch so ins Auge sehen, wie sie sind.
Ich habe mir einmal aus dem Etat herausgezogen, wie hoch prozentual und summenmäßig die Ausgaben sind, die so gut wie restlos auf den verlorenen zweiten Weltkrieg zurückzuführen sind. Es sind 35O/0 der gesamten Endsumme des Bundeshaushalts! Wenn es gewünscht wird, kann ich es im einzelnen belegen.
Was hat man dagegen getan, was haben auch wir dagegen getan? Man hat da oder dort, auch bei uns,
versucht, Institutionen einzusetzen, um eine wirkliche Ersparnis zu erreichen. Wir haben schon im alten Reich und im alten Preußen - nicht wahr, Herr Kollege Dresbach? - einen Sparkommissar gehabt.
({26})
- Sämisch! Es war nicht alles ungut oder gar schlecht, was er zustande gebracht hat. Vieles ist ihm nicht honoriert worden. Wir hier haben mit dem System der Einstellungssperren und mit der Verhinderung der Wiederbesetzung eines bestimmten Prozentsatzes frei werdender Stellen gearbeitet. Das alles war nur und ist auch heute nur ein Herumkurieren an Symptomen, aber keine Klärung und keine Überwindung der Ursachen, durch die erst eine Beseitigung der Folgen herbeigeführt werden kann.
Wenn man korrekt sein will, muß man feststellen, daß dieses Gesetz der wachsenden Staatsausgaben nicht nur bei uns, nicht nur in der Bundesrepublik und nicht nur in der öffentlichen Wirtschaft festzustellen ist. Meine Damen und Herren, betrachten Sie sich die Haushalte anderer Länder! Da sehen Sie genau das gleiche. Betrachten Sie einmal die Vorgänge in der privaten Wirtschaft, bei den Banken oder den großen Versicherungsgesellschaften oder auch der Sozialversicherung mit ihren Aufwendungen. Man soll die Dinge korrekt und geradlinig sehen. Niemand hat in dem jetzigen Zustand das Recht, über den anderen zu schmähen; aber jeder hat die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß die Kirche im Dorf bleibt.
Ich kündige Ihnen einen Antrag an. von dem ich hoffe, daß er auf diesem Gebiet eine segensreiche Wirkung zuwege bringen wird. Wir werden nämlich eine methodische Untersuchung auf wissenschaftlicher Grundlage über die Ursachen des Behördenwachstums beantragen, um nicht nur den Verwaltungsleuten die Urteilsbildung zu ermöglichen. Wir wollen damit erreichen, daß staatspolitische Notwendigkeiten von vermeidbaren Aufblähungen unterschieden werden.
Nun darf ich mich mit einigen Einzelheiten der Einzelhaushalte befassen. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gesagt, daß die Anforderungen der einzelnen Ministerien zunächst zu einer Endsumme von, wenn ich mich recht erinnere, 45,5 Milliarden DM geführt hätten. Es ist ihm und seinen Räten in heißem Bemühen gelungen, diese Forderungen auf die heute bekannte Größenordnung herunterzudrükken. Ich habe die Hoffnung, daß wir im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages nur mit dem Entwurf des Haushaltsplanes zu tun haben, den der Herr Bundesfinanzminister vorgelegt hat, und daß wir ebensosehr von Nachschiebelisten verschont bleiben wie von einem gern und oft geübten System, daß der eine oder andere Ministerialvertreter sich an den einen oder anderen Abgeordneten wendet, um den einen oder anderen Antrag bei der Beratung des einen oder anderen Einzelplans im Haushaltsausschuß zu erreichen. Herr Bundesfinanzminister, ich bin kein Freund von Verboten. Vielleicht könnten Sie aber einmal dafür sorgen, daß den einzelnen Ressorts die Verpflichtung auferlegt
wird, nicht mit derartigen Mitteln und Möglichkeiten Manipulationen auszulösen.
Der Etat des Herrn Bundeskanzlers und seines Amtes steigt in diesem .Jahre um 14,2 Millionen DM, der des Auswärtigen Amtes um 67,4 Millionen, der des Bundesministers für Verteidigung um 1,105 Milliarden DM. Ich versichere Ihnen, daß wir nicht lokker lassen werden, um in allen den Fällen, wo in Einzelhaushalten derartige Steigerungen zu verzeichnen sind, eine kritische Prüfung durchzusetzen. Wir finden einen Etat, dessen Sinken bedauerlich ist: das ist der Etat des Herrn Bundeswohnungsbauministers.
Wir haben heute morgen die Freude gehabt, zwei Vertreter des amerikanischen Parlaments bei uns begrüßen zu können. Es wurde ein Zwischenruf gemacht, den ich gerade im Hinblick auf den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - aufgreifen möchte. Wie steht es, darf ich die hohe Bundesregierung fragen, mit der endlichen Freigabe der deutschen Vermögen in Amerika?
Eine andere Frage. Wir haben im Haushaltsausschuß in gutem Glauben sehr erhebliche Mittel für eine gesteigerte Informationsarbeit im Ausland gutgeheißen. Als ich in den letzten Tagen immer wieder lesen und am Rundfunk hören mußte, wie sich der Ministerpräsident Indiens, Herr Nehru, in bezug auf die deutsche Wiedervereinigung ausgelassen hat, habe ich mich gefragt, ob denn diese Mittel für die Informationsarbeit, beispielsweise in Indien, völlig zum Fenster hinausgeworfen sind.
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Gelingt es nicht, dem dortigen Ministerpräsidenten einmal zu sagen, was das innerste Anliegen des deutschen Volkes ist? Gelingt es nicht, derartige Äußerungen, die so falsch und gefährlich für unser Anliegen sind, zu verhindern?
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- Herr Professor Meyer ist doch nicht ein von der Bundesregierung engagierter und bezahlter Vertreter, der ständig in Indien, in Neu-Delhi einwirken soll,
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um die Stellungnahme zu diesem Problem und die Bewegung auf diesem Gebiete der dortigen Regierung zur Kenntnis zu bringen. Soweit ich im Bilde bin, ist Herr Professor Meyer ein freier und von der Bundesregierung nicht bezahlter Parlamentarier, der seine Pflicht hundertprozentig tut, so wie Sie, Herr Dr. Vogel.
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- Das stimmt schon, was Herr Erler soeben sagte: Als Herr Meyer noch in Neu-Delhi war, war es in der Lesart des Herrn Nehru etwas anderes, als es heute ist.
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Aber wir können Herrn Meyer jetzt nicht wieder nach Neu-Delhi schicken.
Meine Damen und Herren, nun ein Blick auf eine Anforderung, die wir begrüßen, die wir aber auch mit aller Vorsicht und mit nüchternem Sinn erörtern müssen. Es handelt sich um die Beträge der Hilfe für Entwicklungsländer. Ich begrüße den gestrigen oder vorgestrigen Beschluß des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. In diesem Etat haben wir im ordentlichen Haushalt 50 Millionen DM direkt als Ausgabe vorgesehen. Weiterhin sind Bindungsermächtigungen in Höhe von 70 Millionen DM und eine Ermächtigung zur Übernahme von Bürgschaften für Entwicklungsländer bis zur Größenordnung von zwei Milliarden DM vorgesehen.
Das sind Aufgaben und Ausgaben, die uns wirklich veranlassen müssen, die Interessen, die wir politisch, wirtschaftlich und sozial im Zusammenhang mit solchen Bewilligungen zu wahren haben, sehr ernst zu nehmen und diese Fragen kritisch zu betrachten.
Ich möchte mir einige Bemerkungen zum Einzelplan des verehrten Herrn Bundesinnenministers Dr. Schröder gestatten. Der Bundestag hat die Bundesregierung bei der Etatberatung 1959 ersucht, die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Bundes und der Länder im kulturellen Bereich baldmöglichst zum Abschluß zu bringen. Ich darf fragen, Herr Bundesinnenminister: wie steht es damit?
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- Großartig! Wann wird der „Gang" zu Ende sein? Wann wird ein Ergebnis vorliegen?
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- Warten wir die Dinge ab. Sie werden uns dann einmal darüber berichten.
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Wir würden Sie so gern öfter einmal in den Ausschüssen sehen, Herr Bundesminister.
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- Ich bin immer da, jedenfalls weit häufiger, als Sie mich offenbar sehen; aber ich sehe Sie so oft nicht, wenn ich Sie gern sehen würde.
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Noch eine Frage, Herr Bundesinnenminister: Wie steht es denn mit der Erhöhung der Beamtengehälter? Diese Frage möchte ich auch an den Herrn Bundesfinanzminister richten. Ich habe im Haushaltsplan darüber nichts gefunden. Wie steht es denn mit der Haltung des Bundesinnenministers als Kommunalminister? Er müßte doch eigentlich stärkstens in einer Kampffront zu dem Herrn Bundesfinanzminister stehen und das „heiße Bemühen" des Herrn Bundeskanzlers unterstützen, der den Herrn
Bundesfinanzminister gebeten hat, bis zum Oktober endlich eine Vorlage zur Regelung der kommunalen Finanzverhältnisse zu machen.
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Herr Bundesinnenminister, wir können Ihnen in vielen Fragen kein Vertrauen schenken.
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Das tut uns herzlich leid, und Sie bedauern es sicher auch.
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- Das freut mich sehr.
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Ich denke z. B. an Ihr Verlangen nach einer bestimmten Art von Gesetzgebung, Stichwort: Staatssicherheit
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oder an Ihren Druck auf die Redaktion der Zeitung „Das Parlament".
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Herr Minister, das sind Dinge, die nicht gut sind und die uns gar nicht freuen. Ich denke auch an Ihr Versagen auf dem Gebiete der Förderung von Wissenschaft und Forschung. Sie haben heute abend Gelegenheit, in der CDU-Fraktion die Vertreter der deutschen Universitäten zu hören, wenn sie um acht Uhr zusammenkommen. Lassen Sie sich dort einmal über das belehren, was im Interesse des deutschen Volkes, der deutschen Volkswirtschaft und des deutschen Ansehens für lange Zeit unbedingt notwendig ist, und vergleichen Sie das bitte mit dem Ergebnis Ihrer mehr als bescheidenen Bemühungen auf diesem Gebiet.
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Ich muß mir mit Rücksicht auf die Zeit versagen, noch eine ganze Reihe von Punkten zu erörtern, die ich auf dem Gebiet des Einzelplans 06 gern erörtert hätte. Aber eine Zahl möchte ich Ihnen nicht schenken. Ich habe hier eine zuverlässige Statistik über die öffentlichen Ausgaben einiger Länder für Schule und Hochschulen je Kopf der Bevölkerung in den Jahren 1938 und 1956. Dias Deutsche Reich brachte im Jahre 1938 12,81 Mark pro Kopf auf, die Bundesrepublik im Jahre 1956 23 Mark und 5 Pfennige. Nach der Bundesrepublik kommen Japan, Italien, Chile, Portugal und Indien. Über der Bundesrepublik stehen Finnland, Norwegen, Australien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich Großbritannien, Dänemark, Neuseeland, Schweden, Kanada, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten. Die höchste Leistung liegt natürlich bei den Vereinigten Staaten mit 108,13 DM, die Sowjetunion folgt mit 78 DM. Bei uns: 23 Mark und 5 Pfennige!
Sie werden Gelegenheit haben, das Memorandum der Rektorenkonferenz zu lesen, das uns gestern überreicht wurde und das Ihnen spätestens
heute überreicht werden wird. Ich darf Sie auf Seite 7 dieses Memorandums aufmerksam machen. Die Stelle bezieht sich zwar auf ein anderes Kapitel; aber sie hängt innerlich mit dem ,erwähnten Sachverhalt zusammen: Es heißt da:
Entwicklungsländer. Die Bundesregierung macht neuerdings Zusagen für die Entsendung von Wissenschaftlern und wissenschaftlichem Personal in die Entwicklungsländer. Die hohen Schulen
- der Bundesrepublik -sind hierauf nicht im mindesten vorbereitet. Das bedeutet: Außer den Ausführungen über die Äquivalenzen und die Sicherstellung muß beachtet werden, daß die zum Dienst in den Entwicklungsländern heranzuziehenden deutschen Hochschulinstitute für solche Aufgaben meist selbst personell noch unterentwickelt sind. Die deutschen materiellen Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Entwicklungshilfe ,sind noch nicht vorhanden.
Meine Damen und Herren, das ist eine beschämende und ebenso bedenkliche Feststellung, und das fällt in Ihr Ressort , Herr Bundesinnenminister.
Ich bedaure, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht da ist. Wir werden wohl morgen eine Aussprache über die Preispolitik im Hohen Hause haben. Ich will heute nur eine Bemerkung zu dier Auffassung machen, alle in Deutschland hätten Anteil am sogenannten Wirtschaftswunderland. Ich stelle zwei. Beispiele einander gegenüber, die nicht willkürlich gewählt sind. Beim Kapital: Die Selbstfinanzierung und damit dier Vermögenszuwachs haben ungeheure Ausmaße erreicht. Man erhöhte die Dividende auf 12 bis 14 %, hätte viel mehr festsetzen können, aber man hatte Angst, und darum umfangreiche Investitionen. Bei dien Arbeitern: 25,7 % aller Arbeiterfamilien leben in Notwohnungen oder in Untermiete.
Ein Mitglied des Hohen Hauses, Herr Professor Dr. Friedensburg, zeichnet mit verantwortlich für dien Wochenbericht dies Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Aus der Nr. 47 vom 20. November 1959 bitte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wenige Sätze verlesen zu dürfen:
Weder die Einkommensentwicklung und erst riecht nicht die Verausgabung der verfügbaren Einkommen durch die Verbraucher geben zu begründeten inflatorischen Besorgnissen Anlaß.
Ich verlese das wegen der angemeldeten Lohnforderungen.
Bei dien für das kommende Jahr erwarteten verstärkten Lohn- und Gehaltsaufbesserungen sowie den autonomen Einkommenserhöhungen durch Rentenanpassungen usw. liegen die auf die westdeutsche Wirtschaft zukommenden Probleme keineswegs nur in einer dadurch -vermeintlich zwangsläufig - induzierten Lohn-Preis-Spirale. Sie liegen mindestens ebensosehr in der Frage, ob dieses Nachziehen dier Einkommen der Nichtselbständigen überhaupt rechtzeitig und ausreichend erfolgt, um die durch die
Investitionswelle dieses Jahres erneut und verstärkt geschaffenen Angebotsmöglichkeiten, vor allem gerade des industriellen Verbrauchsgüterbereichs auch auszulasten.
Für die wachstums- und preispolitisch befriedigende Lösung dieses Problems kommt es - neben dem entsprechenden tarifpolitischen Einigungswillen - in erster Linie (auf ein diesen Notwendigkeiten Rechnung tragendes Preisverhalten der Unterm mangen und, soweit es sich um öffentlich „geordnete" Preise handelt, wie auf dem Agrarsektor, auch der verantwortlichen staatlichen Stellen an.
Meine Damen und Herren, wenn die Preispolitik und die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung andere, bessere, vernünftigere Wege gegangen wäre, wenn sie auf dem Gebiet der Marktordnung die Preistreibereien, unter denen unser Volk leidet, verhütet hätte, wäre das Endergebnis heute auch ein anderes, als wir es augenblicklich, besonders auf dem Agrargebiet, vor uns sehen. Nach den Marktordnungsgesetzen - Sie können sich darüber orientieren, wenn Sie einmal im Einzelplan 10 nachlesen - ergeben sich Abschöpfungsbeträge, wenn die Inlandspreise als Abgabepreise über den Auslandspreisen als Übernahmepreisen liegen. In Frage kommen hier Brotgetreide, Industriegetreide, Futtergetreide und Zucker. Die Wirkung der jetzt betriebenen Politik besteht in einer Verteuerung des Marktpreises und in einer sich zum Teil unerhört auswirkenden Belastung des Verbrauchers. Wir werden bei der Beratung des Haushalts im einzelnen Gelegenheit nehmen, darauf zurückzukommen.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten sind nach wie vor bereit, der Landwirtschaft die erforderlichen Hilfsmaßnahmen zu gewähren. Aber wir setzen voraus, daß sich die Bundesregierung nicht allein darauf verläßt, sondern daß sie endlich eine konstruktive Politik auch im Interesse der Verbraucher treibt, aus deren Steuerleistung ja auch die Hilfe für die Landwirtschaft auf Grund des Grünen Planes finanziert wird. Das bedeutet vor allem auch die Überwindung der ständigen Steigerung der Lebensmittelpreise.
Im Haushaltsentwurf - ich will diesen technischen Vorgang kurz erwähnen - sind Leertitel als Ersatz für ordentliche Ansätze unter Hinweis auf den Grünen Plan enthalten. Wir behalten uns im Einzelfall eine Überprüfung im Haushaltsausschuß vor. Die Unterlassung normaler Ansätze, beispielsweise bei der Flurbereinigung, und ihre Verweisung in den Grünen Plan wirkt nach unserer Auffassung irreführend. Beim Steuerzahler erweckt dieses Vorgehen den Eindruck besonderer Geschenke an die Landwirtschaft, beim Bauern Unsicherheit. In Wirklichkeit handelt es sich um unausweichbare öffentliche Aufgaben. Wir wenden uns aus gegebenem Anlaß auch gegen die Fortführung der Töpfchenwirtschaft im Bereich des Bundesernährungsministeriums.
Ich könnte zu diesem Gebiet noch eine Reihe von Bemerkungen machen. Ich will mich auf einige Zahlen beschränken. Der Steuerzahler bedankt sich dafür, daß als Brotgetreide eingekaufter Roggen auf
Kosten des Steuerzahlers billiger als Futterweizen abgegeben wird. Dieses System drückt auf die kleinen Landwirte, die Getreide zukaufen müssen. Man muß sich die Zahlen und die Entwicklung ansehen. 1959 besteht ein Getreidevorrat von 189,3 Millionen t, 1960 ein Getreidevorrat von 241,99 Millionen t. Wir haben 1959 einen subventionierten Export oder Verkauf von Brotgetreide als Futter von 21 Millionen t, 1960 von 94 Millionen t. Meine Damen und Herren, mit der Agrarpolitik und Vorratswirtschaft kann es unmöglich auf diese Art weitergehen.
Nun gestatten Sie mir einige weitere Bemerkungen zu einem Einzelplan, der die Sozialpolitik umfaßt. Wir haben in der letzten Zeit in steigendem Maße eine bösartige Interpretation des Begriffsinhalts des Wortes „Wohlfahrtsstaat" erlebt. Wir wissen um das Elend in vielen Familien, bei vielen Alten. Wenn Sie darum zum Teil nicht wissen sollten, dann lade ich Sie ein, es so zu machen wie ich: Halten Sie am laufenden Band Sprechstunden für arme Leute ab; dann werden Sie Ihr blaues Wunder erleben.
Wir haben im Bereich des Einzelplans 11 eine Fülle von Bemerkungen zu machen, die dann vor allem in der Einzelberatung begründet werden. Wir möchten generell feststellen, daß der Staat die Aufgabe hat, dem einzelnen Daseinsfürsorge zu gewähren. Wir Sozialdemokraten fordern eine staatlich finanzierte Mindestrente und eine umfassende Heilfürsorge. Die deutschen Leistungen liegen nach unseren Feststellungen erheblich unter dem Durchschnitt anderer Länder.
Der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat vor kurzem gemeint, daß heute mehr als 40 % des Bruttosozialprodukts durch die öffentliche Hand verteilt werden. Das wirkt in gewissem Sinne irreführend. Wir dürfen nicht vergessen. was ich schon vorhin sagte: Wir haben Kriege geführt und Kriege verloren, und der Etat ist in entscheidender Weise von Kriegsfolgen belastet. Seine Ansätze beruhen weitgehend nicht auf einer Sozialpolitik, die in ihren Entscheidungen frei ist und freiwillig Leistungen gewährt, sondern auf einer Zwangssituation. Wir unterstreichen eine Feststellung des Sozialberichts im Bulletin vom 3. Oktober dieses Jahres: Die Sicherung des Lebensabends vieler Menschen muß durch Umschichtung des Sozialprodukts zwischen den Generationen ohne Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und ohne untragbare Minderung des Lebensstandards der Schaffenden erreicht werden. Aber wir verlangen, daß damit auch endlich ein Anfang gemacht wird.
Eine Spezialfrage möchte ich dem Hohen Hause zur wohlwollenden Berücksichtigung empfehlen. Im Einzelplan 11 Kap. 11 11 Tit. 45 sind Einnahmen aus Tilgungs- und Zinsbeträgen aus Darlehen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von Gebietskörperschaften veranschlagt. Der Zinssatz beträgt laut Erläuterung 2,5 bis 5 %. Wir werden im Haushaltsausschuß und in einem anderen Ausschuß vorschlagen, den wirklich armen Gemeinden, deren Steueraufkommen zur Übernahme dieser Last nicht ausreicht, eine Entlastung zukommen zu lassen.
Noch ein Wort zur Frage der Kriegsopferversorgung! Sie wissen, daß wir die von der Mehrheit vorgesehene Regelung, die Neuordnung der Kriegsopferversorgung erst zum 1. Juni 1960 wirksam werden zu lassen, ablehnen. Wir halten die Möglichkeit für gegeben - und werden darüber in Fortsetzung dessen, was schon gesagt worden ist, noch näher zu sprechen haben -, eine nennenswerte Erhöhung sowohl der Grundrenten als auch der Ausgleichsrenten zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Wir freuen uns - im Gegensatz zu dem Herrn Bundesfinanzminister, der heute morgen sein Bedauern darüber ausgedrückt hat -, daß der Bundesrat in gewissem Umfang in diese Kerbe haut. Er hat vorgeschlagen, für die Kriegsopferversorgung nicht 900 Millionen DM, sondern 1,1 Milliarden DM zusätzlich einzusetzen, damit die geplante Neuregelung nicht zum 1. Juni, sondern bereits zum 1. April 1960 wirksam werden kann.
({44})
- Sind ja schon gemacht worden, Herr Kollege Niederalt, und werden weitergemacht werden.
Noch eine Bemerkung zu der dieser Tage berührten Frage der Verpflichtung der Bundesregierung in bezug auf die Abzahlung einer Bundesschuld von 1,9 Milliarden DM an die Rentenversicherungsträger. Herr Bundesarbeitsminister Blank hat seinerzeit dem Hohen Hause erklärt, wir brauchten darüber an sich nicht zu debattieren, denn 200 Millionen DM würden im nächsten Rechnungsjahr bezahlt. Wir haben im Haushalt den Ansatz von 200 Millionen DM vergeblich gesucht und schließlich festgestellt, daß die Bundesregierung erklärt, das werde durch die Zuteilung von Schuldbuchforderungen geschehen. Aber Schuldbuchforderungen haben gegenüber anderen Schulden den Nachteil, daß sie nur im Einvernehmen mit dem Schuldner veräußert werden können. Das ist alles andere als eine Lösung und gegenüber dem Parlament - ich will mich ganz gelinde ausdrücken - eine unbewußte oder gar eine bewußte Irreführung durch den Herrn Sozialminister.
({45})
Wenige Bemerkungen zum Einzelplan 12, Verkehr! Gestern las ich eine Statistik, derzufolge es in der Bundesrepublik 230 000 km Gemeindestraßen gibt, - 230 000 km! Herr Bundesfinanzminister, wenn ich bei dieser Größenordnung an die bescheidenen Zuwendungen denke, die Sie im Rahmen des noch nicht zustande gekommenen Zweiten Verkehrsfinanzgesetzes für die Gemeinden vorgesehen haben, wenn ich mich weiter daran erinnere, wie verschuldet ein großer Teil der Gemeinden und Gemeindeverbände als Träger des Straßenwesens sind, dann muß ich sagen: die Lösung, die Ihnen bis jetzt auf dem Gebiete der Finanzierung der Straßenunterhalts- und -bauverpflichtungen der Gemeinden vorschwebt, ist keine Lösung.
Was ist außerdem eigentlich mit dem berühmten Zweiten Verkehrsfinanzgesetz? Ich denke noch an die Kursivzahlen im Bundeshaushalt 1959. Dutzende von Millionen sollten aus den Erträgnissen des Zweiten Verkehrsfinanzgesetzes zur Finanzierung
verwendet werden. Es kam ein Höcherl-Ausschuß, und weiter ist die Sache noch nicht gediehen. Es fehlt offensichtlich an der nötigen Courage, um dieses Verkehrsfinanzgesetz durchzubringen. Für das Rechnungsjahr 1959 wird eine Wirkung des Gesetzes wohl mit hundertprozentiger Sicherheit überhaupt ausbleiben. Bleibt die Hoffnung, daß die Bundesregierung die erhöhten Einnahmen aus der Mineralölsteuer als Ersatz noch im Rechnungsjahr 1959 für die Bedienung der Ansätze in Kursivzahlen verwendet, die andernfalls ohne Bedienung bleiben würden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat schon vor längerer Zeit einen neuen Antrag eingebracht, der auf der Zweckbindung der Einnahmen basiert, die aus der Straßenbenutzung fließen. Wir wollen aus dieser Zweckbindung - das ist eine der großen Sorgen des verehrten Herrn Kollegen Dr. Dresbach; ich möchte ihm das nicht als nachträgliches Geburtstagsangebinde servieren , wir wollen aus diesem Verlangen kein Dogma machen, aber wir wollen doch die Dinge einmal ins rechte Licht stellen, in das Licht der Wahrheit.
Ich habe mir aus dem Etat und aus den anderen Unterlagen einmal herausgezogen, was es an Zweckbindungen gibt. Es ist viel mehr, als Sie offensichtlich bisher gewußt haben und als auch ich gewußt habe. Wenn man die Dinge auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht, kommt man zu ganz interessanten Ergebnissen. Die Kohlenabgabe zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues ist eine zweckgebundene Abgabe. Die Abgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz zugunsten des Ausgleichsfonds ist eine zweckgebundene Abgabe. Der Münzgewinn zur Förderung des Wohnungsbaues ist eine zweckgebundene Leistung. Die Rückflüsse, Tilgung und Zinsen aus alten und neuen Wohnungsbaudarlehen zur Förderung des Wohnungsbaues sind zweckgebunden. Das Aufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz vom 6. April 1955 zur Förderung des Straßenbaues, des Baues von Autobahnen, der Erneuerung von Anlagen der Deutschen Bundesbahn und der nichtbundeseigenen Eisenbahnen ist zweckgebunden. Im Wohnungsbaugesetz ist zugunsten des sozialen Wohnungsbaues eine Zweckbindung vorhanden, im Landwirtschaftsgesetz zugunsten des Grünen Planes eine Zweckbindung, und auch das Notopfer Berlin ist in seiner früheren und heutigen Form zweckgebunden.
({46})
- Doch, es ist so!
({47})
-- Das ist von dem Herrn Bundesfinanzminister a. D. Fritz Schäffer immer so behauptet worden; in Wirklichkeit ist es anders!
Zweckbindungen sind nach der Reichshaushaltsordnung gar nicht verboten; sie wird vielfach falsch interpretiert. § 29 der Reichshaushaltsordnung sagt wörtlich:
Alle Einnahmen des Reichs dienen als Dekkungsmittel für den gesamten Ausgabebedarf
des Reichs, soweit nicht im Haushaltsplan oder in besonderen Gesetzen etwas anderes bestimmt ist.
Sicher, aber das hindert das Parlament und die Regierung nicht, aus den allgemeinen Erträgnissen des Haushalts zweckgebunden für ganz bestimmte Dinge ständig Mittel bereitzustellen.
({48})
- Es wird ja auch nicht alles für den Straßenbau verlangt! Wir wollen, Herr Kollege Leicht, für den Straßenbau nur das haben, was durch die Straßenbenutzung hereinfließt.
Ich habe schon aus früherem Anlaß darauf hingewiesen, daß es schon im alten Deutschen Reich bei den Wehrabgaben eine Zweckbindung gab, daß es in der Schweiz eine Zweckbindung gibt und daß es in Wien Zweckbindungen gab und gibt. Kurzum, wir befinden uns in ganz guter Gesellschaft. Bei der Etatberatung im einzelnen werden wir darauf noch zu sprechen kommen.
Ich hatte vor, noch zum Sondervermögen und zur Dotationsauflage zu sprechen, werde mir aber die Bemerkungen aus Zeitgründen ersparen und für die Debatte im Haushaltsausschuß vorbehalten.
Noch ein Wort zum Thema der Zweckbindung. In den USA wird ab 1. Juli 1961 bis zum 30. Juni 1964 nach dem dortigen neuen Straßenbaufinanzierungsgesetz eine Zweckbindung zugunsten des Straßenbaues für 50 %der Einnahmen aus der Bundessteuer auf neue Kraftwagen und für 62,5 %der Einnahmen aus der Bundessteuer auf Kraftfahrzeugzubehör festgelegt.
Ich komme zum Einzelplan 14 - Verteidigungshaushalt -. Der Herr Verteidigungsminister scheint nicht anwesend zu sein. Zur Vermeidung von Mißverständnissen und Geschichtsklitterungen möchte ich hier für meine Fraktion feststellen, daß die Sozialdemokratie bereit ist, die vom Bund eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das bedeutet aber nicht, daß sie darauf verzichten kann und verzichten wird, den Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums möglichst gewissenhaft zu prüfen und gegen diejenigen Teile Stellung zu nehmen, die nach ihrer Auffassung nicht zu verteidigen sind. Wir meinen damit die überhöhten unrealistischen Ansätze, aus denen gegebenenfalls neue Ausgabenreste erwachsen. Wir meinen auch das Versäumnis der gesamten Bundesregierung, bei der NATO rechtzeitig die Anrechnung derjenigen Bundesleistungen zu erwirken, die im Rahmen der anrechenbaren Verteidigungsleistungen ebenfalls Berücksichtigung erfordern. Das sind die Aufwendungen für die Kriegsopfer, für die Vertriebenen und die Heimkehrer, die Aufwendungen für Berlin, alles Kosten der deutschen inneren und damit letzten Endes auch der deutschen äußeren Verteidigung.
Wir behalten uns eine Überprüfung der Einzelansätze vor. Entsprechend dem vorjährigen einstimmigen Beschluß haben wir im Haushaltsgesetz einen allgemeinen Stopp bei Neueinstellungen und Stellenhebungen. Anders im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums! Der Bundesrat hat festgestellt, daß im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums zirka 20 000 Stellenhebungen vorgesehen sind. Der Haushalt ergibt, daß im Jahre 1960 verlangt werden zu den vorhandenen 10 640 Beamtenstellen weitere 3177, zu den vorhandenen 28 295 Angestelltenstellen weitere 14 847, zu den vorhandenen 42 880 Arbeiterstellen weitere 33 246, zusammen im Einzelplan 14 - Verteidigung 51 270 neue Stellen.
({49})
Ein interessanter Beitrag zum Thema der wachsenden Staatsausgaben!
In dem Zusammenhang auch noch ein Wort zu dem Problem der Reste aus den Verteidigungshaushalten. Der Bundesfinanzminister hat, wie gesagt, die Hoffnung, daß es in absehbarer Zeit möglich sein wird, die Reste zu töten, indem sie nachträglich wieder zur Deckung verwandt werden durch Einstellung entsprechender Beträge in die einzelnen Haushalte seit 1959. Das System ist nicht übel, aber es genügt nicht. Es genügt vor allem auch deshalb nicht, weil es nach wie vor eine Blankovollmacht für den Verteidigungsminister enthält, das zu tun, was ihm beliebt. Wenn das Parlament etwas auf sich hält, muß es verlangen, daß die Bundesregierung die technischen Voraussetzungen dafür schafft, daß diese ungedeckten, aber zur Ausgabe genehmigten Reste, die sich nach dem heutigen Stand im Verteidigungsbereich auf 7100 Millionen und im zivilen Bereich anderer Haushalte auf 3000 Millionen, also insgesamt auf 10,1 Milliarden DM belaufen, nun, wie es in der Sprache der Fachbürokratie heißt, getötet werden. Das Ganze muß erneut in die Mühle der parlamentarischen Beratung und Prüfung getragen werden. Dort muß das bewilligt werden, was wirklich notwendig ist, und es muß das unter den Tisch fallengelassen werden, was nicht notwendig ist. Das ist ein Problem, das sehr, sehr wichtig ist und das wir nicht leichtnehmen dürfen, das wir nicht ernst genug nehmen können.
Wenige Sätze zu dem Einzelplan 25 - Wohnungsbau -! Herr Wohnungsbauminister, wo bleibt die Durchführung der Zusage des Bundesfinanzministers und des Bundeswohnungsbauministers auf Vereinheitlichung der Sondertöpfe und der Einzelmaßnahmen? Warum geschieht jetzt im neuen Haushalt wiederum das Gegenteil durch Aufteilung in Kapitalhergabe und Zinszuschuß? Damit erreichen Sie doch keinen Abbau der Verwaltung, keine Übersicht und keine Klärung der Begriffe. Wir bedauern, daß im sozialen Wohnungsbau gewisse Rückschritte zu verzeichnen sind. Wir wünschen eine verstärkte Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus, damit in absehbarer Zeit die Wohnungszwangswirtschaft beseitigt werden kann. Wir sind auch gegen eine jährliche Kürzung der Förderungsmittel.
Schließlich noch eine Bemerkung zu dem letzten Einzelplan, zu dem ich mir vorgenommen habe, etwas zu sagen, nämlich zu dem Haushalt des Bundesministers für Vertriebene. Diese Bemerkung bezieht sich nicht auf den Haushalt, sondern auf die Person. Ich hebe nicht auf umstrittene Dinge ab. Ich hebe nicht auf diesen oder jenen Bericht in dieser oder jener Presse ab. Ich hebe darauf ab, daß wir doch mehr und mehr in uns die Erkenntnis
reifen lassen sollten, daß der Herr Bundesvertriebenenminister Oberländer mit Rücksicht auf seine frühere geistige Haltung der letzte ist, der als Vertriebenenminister in Betracht kommt.
({50})
Er war doch einer der Vertreter der geistigen Vorbereitung der Umsiedlungsaktionen einer unheilvollen Zeit.
({51})
Er war doch praktisch der Anhänger der Ideologie oder des „Mythos des 20. Jahrhunderts" des unseligen Herrn Alfred Rosenberg.
Ich will die Dinge in diesem Augenblick nicht vertiefen. Aber ich möchte an Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU, die diesen Herrn Minister stellt, und an den Herrn Bundeskanzler die Frage richten, ob Sie nicht endlich einmal diese schwere Hypothek von der deutschen Außenpolitik, diese schwere Hypothek für eine vernünftige Außenpolitik wegnehmen wollen, um dem Herrn Bundesvertriebenenminister die notwendige Ruhe zu geben.
({52})
Dann eine Bemerkung über andere Auffassungen! Ich erinnere mich daran, daß der frühere Herr Bundesfinanzminister einmal in seiner Eigenschaft als Finanzminister mit erhobenem Zeigefinger sagte: Die Anträge der sozialdemokratischen Opposition würden 22 Milliarden kosten. Die Rechnung war wahrscheinlich richtig; wir haben sie nicht nachgeprüft. Nur mangelte dem früheren Herrn Finanzminister die Erkenntnis, daß wir bei der Beurteilung eines Haushalts wie des Bundeshaushalts von ganz anderen Voraussetzungen ausgehen, daß unsere Vorschläge betreffend die Haushaltsgestaltung von einer ganz anderen Meinung getragen werden. Wir haben bei unseren Anträgen in vergangenen Tagen - das werden wir auch künftig wiederum tun - andere Alternativen entwickelt, als sie Ihrer Auffassung entsprechen. Die Sozialdemokraten halten sich an die Vorschrift des Art. 111 Abs. 2 des Grundgesetzes, wonach Einnahmen und Ausgaben auszugleichen sind. Die Sozialdemokraten wünschen auch keine weitere Aufblähung des Bundeshaushalts, aber sie gehen von anderen Voraussetzungen, von einer anderen Verteilung der Gewichte aus. Bei den Ausgaben liegt für uns das Schwergewicht auf dem Gebiete der kulturellen Leistungen, dem Gebiete des Wohnungsbaus, der sozialen Sicherung sowie des Verkehrs, alles zur inneren Sicherheit und zur Stärkung der Demokratie ohne sträfliche Vernachlässigung der äußeren Sicherheit!
Nach unserer Auffassung sind zur Finanzierung der Ausgaben keine Steuererhöhungen erforderlich. Vielleicht könnte man im Hinblick auf eine Einkommens- und Vermögensverteilung und im Sinne einer breiteren Streuung von Eigentum über eine Verschärfung der Steuerbelastung bei der Einkommen- und Vermögensteuer bzw. bei der Erbschaftsteuer bei den Spitzenbeträgen reden. Wir wünschen einen Katalog ganz anderer Maßnahmen. Wir verlangen eine Durchforstung der Ausgabeposten durch Beseitigung des Überflüssigen und der sogenannten Luftpolster im Haushalt. Wir verlangen einen Abbau der Subventionen und konkrete Vorschläge der Bundesregierung auf diesem Gebiet. Wir verlangen eine Auflösung der überflüssigen Ministerien, vor allem des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder. Wir verlangen eine Reduzierung der weithin übersetzten Aufgaben auf dem Gebiete der Propaganda, für die erhebliche Mittel im Haushalt stehen. Wir verlangen Sparmaßnahmen, insbesondere, wie vorhin schon erwähnt, die Beseitigung unnötiger Behörden. Wir sind gegen die fortgesetzt festzustellende Überbewertung einzelner Stellen mit entsprechend aufgeblähtem Verwaltungsapparat. Wir sind für eine elastischere Verwendung der Beamten und Angestellten. Wir wünschen wir wünschen das seit Jahr und Tag, und jetzt endlich geschieht es zum erstenmal -, daß vermögenswirksame Ausgaben weiterhin in den außerordentlichen Haushalt eingestellt werden. Wir wünschen also eine andere Verteilung des Kuchens.
Im Jahre 1960 ist nach dem Haushaltsplanentwurf wiederum kein Haushalt der sozialen Gerechtigkeit gegeben. Nach wie vor herrschen große Unterschiede, die ihren Ausdruck auch in der Besteuerung der Kleinen und in der Besteuerung der Großen finden. Die Steuerreform 1957/1958 brachte nach unwidersprochenen Feststellungen den kapital- und einkommenstarken Kreisen besonders große Vorteile. Nur ein Beispiel: 3000 Personen konnten sich durch diese Steuerreform in einen Steuernachlaß von 126 Millionen DM teilen.
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Das weiß ich. Ich meine die, die den unteren Rängen angehören und noch Steuern zahlen und die vor allem von den indirekten Steuern - da handelt es sich ja um eine Massenbelastung - erheblich betroffen sind.
Ich meine nicht etwa die, von denen vor kurzem einmal, Herr Kollege Leicht, im Rechnungsprüfungsausschuß die Rede war. Sie erinnern sich vielleicht noch an die Frage, die ich einem Regierungsvertreter stellte. Ich fragte ihn nach dem Gehalt leitender Angestellter bundeseigener Betriebe. Nach einigem Zögern war der Herr Regierungsvertreter bereit, zu sagen, daß es sich um Gehälter von 200 000 DM pro Jahr handele. Derselbe Regierungsvertreter erklärte, als er unser Erstaunen und unsere Verwunderung bemerkte: Was wollen Sie, meine Herren, wenn wir das nicht zahlen, werden sie von der Privatwirtschaft wegengagiert. Er nannte uns als Beispiel das Einkommen eines leitenden Mannes in einer mittleren Bank, nicht in einer Großbank; da kann sogar einer, der im Staatsdienst an der Spitze steht, vor Neid erblassen, wenn er des Neides fähig ist, Herr Kollege Dresbach. Er bezifferte das Einkommen bei einer mittleren Bank auf 600 000 DM jährlich. Das ist natürlich das personifizierte Wirtschaftswunder; das geht aber an den anderen vorbei.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem Antrag sagen, den wir gestellt haben und der Sie hoffentRitzel
lieh bald beschäftigen und Ihnen Gelegenheit geben wird, Ihre so viel erwähnte soziale Gesinnung zu beweisen. Wir haben einen Antrag zur Senkung der Kaffee- und Teesteuer gestellt. Vielleicht ist es nützlich, über die Feiertage einmal zu überlegen, was folgende Zahlen uns sagen können: Die Verbrauchsteuern für Kaffee betragen je 100 kg in der Bundesrepublik 143 Dollar, in Italien 116 Dollar, in Osterreich 87 Dollar, in Frankreich 62 Dollar, in Spanien 52 Dollar, in Finnland 32 Dollar, in Portugal 31 Dollar, in England 1 Dollar und in Holland 0 Dollar. Meine Damen und Herren, da haben Sie ein nur ganz winziges Beispiel aus dem Gebiet dessen, was nach unserer Auffassung auch im Bereich des Bundeshaushalts geändert werden muß.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wir haben bei der Beratung früherer Haushalte im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages im großen und ganzen in einer beinahe vorbildlich zu nennenden Weise zusammengearbeitet. Wir haben ein gutes Klima gehabt, und ich hoffe, daß wir das auch in Zukunft haben werden. Aber dieses gute Klima - Herr Dr. Krone und all die Damen und Herren der CDU, die es angeht, Ihnen darf ich als nicht gerade der Jüngste, sondern als ein Mann, der mit einiger Erfahrung ausgestattet ist, das einmal ganz offen sagen - ist im Plenum nicht vorhanden, und es ist deshalb nicht vorhanden, weil Sie allzusehr geneigt sind, auf Ihrer Mehrheit zu beharren und den wohlerwogenen und wohlüberlegten, begründeten und verantwortungsbewußten Vorschlägen der sozialdemokratischen Opposition - für die anderen Herren habe ich nicht zu sprechen - kein Gehör zu schenken.
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Sie setzen oftmals eine Walze in Bewegung, die dem Gedanken des Parlaments und des Parlamentarismus schadet.
({55})
Ich glaube, eine gute Zusammenarbeit wäre auch im Interesse der Bundesregierung und für den Etat nützlicher, und sie wäre zu erreichen, wenn Sie nicht immer mit Keulen auf die Vorschläge der Sozialdemokraten dreinschlügen, sondern sich angesichts dessen, worauf es ankommt, zu einer wirklich sachlichen Zusammenarbeit auch im Plenum des Bundestages und in manchen Fachausschüssen so bereit finden wollten, wie es im Haushaltsausschuß im großen und ganzen der Fall gewesen ist, auch wenn wir dort in vielen Dingen zu keiner Einigung kamen.
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- Herr Kollege Dresbach, ziehen Sie die Dinge nicht ins Lächerliche; dazu sind sie viel zu ernst. ich glaube, wir alle sind doch gebrannte Kinder. Sind Sie nicht gleich mir der Meinung, daß die deutsche Demokratie auch bei jeder Haushaltsberatung etwas zu beweisen hat und sich bewußt sein muß, daß sie etwas zu verlieren hat?
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, nach einer eindreiviertelstündigen Rede noch von seiten der CDU mit Bemerkungen zu dem wichtigsten Ereignis des Jahres, der Einbringung des Haushalts, anzukommen, vor allem wenn man weiß, daß der Redaktionsschluß der großen Zeitungen gewöhnlich um 17 Uhr ist. Aber ich will trotzdem den Versuch machen, das zu tun.
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- Herr Hermsdorf, Sie sind ein kundiger Thebaner, Sie wissen, was ich mit meiner Bemerkung meine. - Erlauben Sie mir zunächst, eins zu tun: Wir sollten dem Bundesfinanzminister dafür danken, daß er trotz der schon herannahenden Arbeiten für den zweiten Haushalt, den wir im kommenden Jahr zu verabschieden haben werden, diesen Haushalt sehr pünktlich vorgelegt hat und daß er es trotz der zu überwindenden personellen Schwierigkeiten in seinem Hause rechtzeitig geschafft hat.
Lassen Sie mich nun zu allgemeinen Bemerkungen kommen, die sich direkt an die Rede des Herrn Bundesfinanzministers anschließen. Ich beabsichtige nicht, hier einen stundenlangen Rundgang durch die einzelnen Haushalte zu machen, sondern will versuchen, die großen Linien darzulegen, die uns hier bei der Einbringung des Jahreshaushalts bewegen.
Eine kleine bittere Vorbemerkung kann ich mir allerdings nicht ersparen. Herr Bundesfinanzminister, wir haben sonst alljährlich die ausgezeichneten „Allgemeinen Vorbemerkungen zum Entwurf des Haushaltsplanes" immer so rechtzeitig erhalten, daß wir daraus unseren Nutzen ziehen konnten. In diesem Jahre ist das leider nicht der Fall gewesen - ich habe sie erst heute morgen bekommen -; ich möchte bitten, sie in Zukunft wieder zu angemessener Zeit vorzulegen.
Gleich auch eine Anmerkung zu einem sehr schmerzlichen Kapitel, das seit Jahren hier auf der Tagesordnung steht und das auch mein Vorredner angeschnitten hat: zu den über- und außerplanmäßigen Ausgaben, die im Jahre 1957 2,28 Milliarden DM - meine Zahlen weichen ein wenig von den Ihren ab, Herr Kollege Ritzel - und im Jahre 1958 immerhin noch über 2 Milliarden DM betragen haben. Ich sage das aus einem bestimmten Anlaß. Denn gestern haben wir im Haushaltsausschuß z. B. Vorlagen bekommen, die von sehr einschneidender finanzieller Natur waren. Es erfüllt uns im Haushaltsausschuß mit wachsendem Unbehagen, daß in den letzten Jahren in steigendem Maße solche Vorlagen mit außer- und überplanmäßigen Ausgaben außerhalb des Haushaltsplans eingebracht worden sind. Es ist anzuerkennen, daß sie regelmäßig dem Haushaltsausschuß vorgelegt werden, eine Pra5152
xis, die früher nicht immer geübt wurde. Aber ich glaube, es geht zu viel im Grunde genommen am Haushalt vorbei. Das sollte in Zukunft unbedingt eingeschränkt werden. Wenn ich z. B. allein an die leidigen Vorlagen hinsichtlich unserer Subventionen als Folge des Eiergesetzes denke - ein sehr profaner Vorgang, aber immerhin umfaßt er viele Millionen DM , so komme ich zu der Schlußfolgerung, man sollte bei der Einbringung der Gesetzentwürfe die Kosten besser vorausberechnen, sofern das möglich ist. Aber ich kann mir vorstellen, daß es auch hier so gegangen ist wie mit manchen anderen Bundeszuschüssen: es werden aus einer gutgemeinten Aktion heraus Subventionen gewährt, die einen Notstand mindern sollen, und dann wird daraus ein Eigengebilde, das von Jahr zu Jahr immer größere Formen annimmt. Ich erinnere nur an die Brotsubventionen, die wir in den ersten Jahren hatten und die abzubauen nachher einige Mühe gekostet hat.
Ein weiteres ist hier ebenfalls schon erörtert worden: die Frage der Bindungsermächtigungen. Der Herr Bundesfinanzminister ist auf Seite 17 seiner Rede näher darauf eingegangen. Ich werde auf die Frage im Zusammenhang mit dem Konjunkturverlauf noch zu sprechen kommen.
Ich darf hier aber eines zur Ehrenrettung meiner Freunde aus der Landwirtschaft betonen. Vorhin ist die neue Erweiterung der Subventionen um einen Betrag in der Größenordnung von fast 200 Millionen DM angeführt worden, der diesem „Berg" hinzugefügt worden ist. Dazu muß mit Nachdruck festgestellt werden, daß es sich hier um Hilfe für Berlin, um Bevorratungen, um Ausgaben für die landwirtschaftliche Siedlung handelt, die in keinem Zusammenhang mit den sonstigen landwirtschaftlichen Subventionen stehen.
Und eines muß sich auch die deutsche Industrie ständig vor Augen halten. Bestimmte große Summen, die wir für den „Getreideberg" aufbringen, sind im Grunde genommen nichts weiter als versteckte Exportsubventionen für unsere Industrie
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und kommen der Landwirtschaft nicht zugute; im Gegenteil, sie belasten sie nur. Wenn wir einen Handelsvertrag mit einer Nation schließen, sind wir häufig - Beispiel: Schweden - genötigt, große Getreidemengen hereinzunehmen, für die wir beim besten Willen bei uns überhaupt keine Verwendung haben. Wir müssen sie dann mit Verlust exportieren oder - was wir gestern z. B. im Haushaltsausschuß beschlossen haben - sie mit einem Verlust von 80 DM pro Tonne als Viehfutter mitvermahlen lassen; immerhin noch ein billigerer Vorgang, als mit Verlust zu exportieren. Aber um es klarzustellen: das sind keine Subventionen für die Landwirtschaft, das sind echte Industriesubventionen.
Der Bundesfinanzminister hat sich wiederholt auf die letzten Monatsberichte der Deutschen Bundesbank bezogen, und er hat auch die Kundgebung des Zentralbankrates erwähnt. Dabei sind hier Erinnerungen an den Juliusturm aufgeklungen, von dem auch mein Herr Vorredner gesprochen hat. Meine Damen und Herren, ich mache für meine Person gar
kein Hehl daraus, daß ich in den vorangegangenen Jahren, als der Vorgänger des jetzigen Finanzministers im Amte war, diese Politik der Zurücklegung von Mehreinnahmen des Bundes für kommende Zeiten, in denen mit Sicherheit höhere Ausgaben zu erwarten waren, für richtig gehalten habe und daß ich auch heute nicht zögere, mich dazu zu bekennen.
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Inzwischen bahnt sich ja so etwas - ich möchte keinen Ausdruck gebrauchen, den man nachher mißverstehen könnte - wie eine ganz andere Beurteilung der Vorgänge an, die sich damals abgespielt haben. Seien wir doch so ehrlich, klopfen wir an unsere Brust und sagen wir: Dieses Hohe Haus, ob Regierungskoalition oder Opposition, hat dafür gesorgt, daß diese Vorräte an Geld, die eigentlich für kommende Jahre bestimmt waren, verausgabt worden sind. Ich möchte an die Aufsätze erinnern, die damals, zum Teil sogar in der deutschen Fachpresse, erschienen sind und in denen dargelegt wurde, welche Inflations-Wirkungen dies haben müsse. Wir haben aber keine Inflation erlebt, sondern wir konnten uns in den letzten eineinhalb Jahren einer außerordentlich stabilen Preislage erfreuen. Ich will hier keine einzelnen Aufsätze zitieren. - Herr Kollege Hermsdorf, die Bundesbank, die doch wohl darin ein völlig unbestrittener Zeuge ist, hat zusammen mit dem von Ihrer Seite ebenfalls völlig unbestrittenen Präsidenten Dr. Fürst klargestellt, daß wir uns fast eineinhalb Jahre lang in dein erstaunlichen magischen Dreieck bewegt, daß wir nämlich eine Vollbeschäftigung bei stabilen Preisen durchgehalten haben. Das war ein außerordentlicher Glückszufall für unser Volk.
Ich möchte aber noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Heute wird es beinahe bedauert, daß man keine Reserven mehr hat, schon wegen ihrer antizyklischen Bedeutung. Die Überhitzung vor allen Dingen der öffentlichen Bauvorhaben wird heute wohl kaum noch bestritten. Sie liegen in diesem Jahr um 29 % über den Bauvorhaben der öffentlichen Hand im vergangenen Jahr. Wenn man heute fordert, der Bund solle dies besser steuern, sollte man sich rückblickend der antizyklischen Bedeutung der Geldstillegungen in den vergangenen Jahren erinnern und sie auch entsprechend würdigen.
Lassen Sie mich noch ein Zweites zur Kapitalmarktpflege sagen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß der Bundesfinanzminister sich hier derartig .entschieden für eine Kapitalmarktpflege ausgesprochen hat. Nichts werden wir in den kommenden Jahren mehr brauchen als wachsendes oder vielleicht überhaupt erst neues Vertrauen der deutschen Sparer zu Bundesanleihen und zu sonstigen öffentlichen Anleihen. Man kann nicht von einem Volke, das zwei Inflationen überstanden hat, ohne weiteres verlangen, daß es zu öffentlichen Anleihen das gleiche Vertrauen wie vor 1914 hat oder das gleiche Vertrauen, das heute die Sparer oder die Käufer derartiger Anleihen in England und in anderen Ländern der Welt haben. Ich bin dankbar dafür, daß das deutsche Volk, nicht zuletzt auch infolge der Stabilitätspolitik unserer Regierung, wieder
von neuem das Vertrauen gefaßt und von 1948 bis heute wieder 41 Milliarden DM den Spartöpfen zugeführt hat. Denn ohne diese 41 Milliarden DM wäre die Aufbaupolitik in Deutschland überhaupt nicht möglich gewesen.
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Aber der Bundesfinanzminister wird in die Tasche greifen müssen, um für die jetzt wieder neu in Erscheinung tretenden Bundesanleihen das umbedingt erforderliche Vertrauen zu schaffen. Ich werde mir nachher noch erlauben, einiges zur Kapitalmarktlage als solcher auszuführen.
Lassen Sie mich jetzt auch gleich noch ein Wort an die Rede des Bundesfinanzministers hinsichtlich der Hilfe für die Entwicklungsländer anknüpfen. Gerade im Zeichen der Reise des amerikanischen Unterstaatssekretärs Dillon durch die europäischen Länder - es ist ja keine Reise, die uns allein betrifft, sondern eine Reise, die alle NATO-Länder angeht - werden wir wahrscheinlich einiges über die amerikanischen Pläne und Absichten vernehmen. Mir ,scheint dabei (ein Posten, den der Bundesfinanzminister nannte, bedeutsam zu sein. Er erwähnte die nicht weniger als 370 Millionen DM, die wir bislang schon an den Bürgschaften verloren haben. Angesichts der Tatsache, daß das gegenwärtige Bürgschaftsvolumen bei 10 Milliarden DM liegt, bin ich manchmal sehr besorgt über die Verluste, die wir vielleicht in der Zukunft noch in Kauf nehmen müssen. Mein Freund Dr. Leverkuehn hat ja in verschiedenen Gremien, neuerdings auch in einer Rede vor dem Überseeklub in Hamburg, zu diesem Problem Stellung genommen. Er hat, glaube ich, nicht ohne Grund als Fachmann davor gewarnt, etwa zu glauben, daß das kapitalarme deutsche Volk Leistungen auf diesem Gebiet erbringen könne, die über seine Kräfte gehen.
Nach zwei Inflationen ist nicht mehr das Kapital vorhanden, das früher einmal vorhanden war. Wir hatten bereits vor 1914 bei uns nicht im entferntesten jene Kapitalreichtümer bei den großen Banken zu verzeichnen, wie sie damals die „Big Fives" in England besaßen. Wenn ich mich nicht irre, hat heute die kleinste der fünf englischen Großbanken mehr Kapital als die drei großen Banken Deutschlands zusammengenommen. Das sind Dinge, die man sich dabei ständig vor Augen halten sollte.
Nun lassen Sie mich noch einiges zu dem sagen, was ich gestern in der Zeitung las über die Vorschläge, die Lord Shawcross hinsichtlich der OEEC geäußert hat. Ich habe es sehr begrüßt, daß sich die OEEC nunmehr entschlossen hat, die von der deutschen Seite ausgearbeiteten Schutzbestimmungen für deutsche Kapitalanlagen im Ausland aufzugreifen und sie zur Sache der OEEC zu machen. Ohne derartige Schutzbestimmungen für Kapitalanlagen im Auslande kann es schwerlich zur Ausweitung der Hilfe für die Entwicklungsländer kommen. Ich hoffe, daß auch die Entwicklungsländer selbst in ihrem ureigensten Interesse willig in der Sicherung des Eigentums und gleichzeitig auch in der Wahrung der rechtsstaatlichen Beziehungen zwischen den gebenden und den empfangenden Ländern mitgehen werden.
Noch eine kleine Anmerkung zu der Rolle des Bundesrechnungshofes inmitten unserer Beratungen und der Beratungen des Haushaltsausschusses im besonderen. Wir wollen die Rolle des Bundesrechnungshofes in keiner Weise unterschätzen. Im Haushaltsausschuß haben wir immer darauf gehalten, das Urteil des Bundesrechnungshofes zu hören und ihn als Gutachter mit heranzuziehen. Aber mir scheint - ich habe Gelegenheit gehabt, es heute Herrn Präsidenten Dr. Hertel selbst zu sagen, der heute morgen hier anwesend war -, die Kontrollmaßnahmen, die jetzt nebeneinander, neben Oberfinanzdirektion, Bundesrechnungshof und den einzelnen beteiligten Ressorts laufen, haben sich gerade bei den Bauaufträgen in einer Weise gehäuft, daß der Kontrollen ein wenig zuviel geworden ist. Es scheint, daß wir heute beinahe eine Kostensteigerung zu befürchten haben, weil häufig genug die notwendigen Schlußabrechnungen infolge der übermäßigen Kontrollen hinausgezögert werden und mehr und längere Kredite erfordern. Das ist auch ein Punkt, der wohl beachtet werden muß. Es darf nun deswegen nicht zu einer Minderung notwendiger Kontrollen kommen, wohl aber sollte nach meinem Dafürhalten ein Abbau überflüssiger Kontrollen erfolgen.
Ich möchte angesichts der vorgerückten Zeit nicht auf das Thema der Neuinvestitionen bei Verkehrswegen und bei Verkehrsmitteln eingehen. Ich darf Sie aber wohl darauf hinweisen, daß vor allen Dingen die Entwicklung des Luftverkehrs uns in Bälde vor einige Aufgaben ganz besonderer Größenordnung stellen wird. Nachdem wir nun einmal zur Errichtung einer deutschen Luftfahrtgesellschaft A gesagt haben, werden wir hier noch sehr bittere neue Zusagen machen müssen, wenn die nächsten Anforderungen an neuen Maschinen kommen. Ich bedaure das zu langsame Zusammenwachsen der vier Gesellschaften, die sich in dem neuen Luftfahrtpool zusammengeschlossen haben. Es wäre uns lieber, wenn dieser Zusammenschluß rascher
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und infolgedessen breiter vor sich ginge - ich nehme das gern auf. Es wäre uns lieber, wenn sich vielleicht auch die holländische Gesellschaft entschließen könnte, einem solchen Pool beizutreten. Ich darf die Voraussage wagen, daß in absehbarer Zeit wohl kaum noch Raum für kleine nationale Gesellschaften sein wird angesichts der Entwicklung in der modernen Luftfahrt und wenn man bedenkt, welche neuen Zusammenballungen vor allen Dingen in Amerika bereits entstehen. Wenn man für die Luftfahrt ein gutes Werk tun will, sollte man in allen europäischen Ländern rechtzeitig überlegen, ob man durch einen frühzeitigen Zusammenschluß unter Umständen nicht Millionen - ich wage sogar zu sagen: Milliarden - an Fehlinvestitionen einsparen könnte.
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Noch eine kleine Randbemerkung. Die Vertreter der Rektorenkonferenz und der Studentenschaft haben uns mit ihrem Besuch beehrt. Sie waren bei der SPD zu Gaste und werden heute abend bei uns,
bei der CDU zu Gaste sein. Da mein Vorredner das Thema angeschnitten hat, kann ich nicht umhin, auch dazu eine Bemerkung zu machen.
Ich muß offen gestehen, ich hätte es lieber gesehen, wenn uns von seiten der Wissenschaft und der Forschung ein einheitlicher Vorschlag unterbreitet worden wäre. Das hatten wir im Grunde genommen von den Mitgliedern des Wissenschaftsrates erwartet. Mir will, so möchte ich einmal sagen, das getrennte Vorgehen der einzelnen Körperschaften nicht ganz gefallen. Ich weiß, wie schwierig es ist, Professoren unter einen Hut zu bringen; ich nehme an, daß mir die anwesenden Professoren diese Bemerkung gestatten werden. Aber es wäre uns lieber, wenn wir hier einen genau durchdachten Vorschlag, einen Wunschzettel aller dabei Beteiligten bekommen hätten und nicht den Vorschlag einer bestimmten Gruppe.
({6})
- Über die Höhe der Forderung möchte ich mich hier überhaupt nicht äußern, denn dazu ließen sich Ausführungen von einer halben Stunde Dauer machen.
Lassen Sie mich außer diesen Randbemerkungen einiges zu dem äußern, was hier vorher gesagt worden ist. Ich werde meinem Vorredner in einigen Vorwürfen, die er erhoben hat, vielleicht zustimmen, und ich freue mich immer, wenn ich ihm zustimmen kann. In einigen Punkten aber muß ich Übertreibungen zurückweisen. Nehmen wir z. B. einmal die Subventionen. Es ist sehr einfach zu sagen: Weg mit den Subventionen! Aber, meine Damen und Herren, ich habe bis jetzt noch keine derartigen Anträge gehört, wenn es hier in der Vergangenheit um die Beratung des Einzelplans 10 ging. Wenn hier Anträge gestellt wurden, betrafen sie niemals eine Verminderung des Ansatzes, sondern nur eine Umgruppierung. Man sollte sich daher hüten, der Regierung in dieser Beziehung Vorhaltungen zu machen.
Ebenso vermag ich keinen Vorzug darin zu sehen, etwa die Personalien im Haushalt des kommenden Jahres zu beraten. Wir waren uns wohl darüber einig, daß ein Überrollungshaushalt außer dem zeitlichen Vorteil den Vorteil hat, daß er das Parkinsonsche Gesetz zumindest einmal für neun Monate inhibiert. Schon das scheint mir ein großer Vorzug eines solchen Verfahrens zu sein; denn mit Sicherheit wären sonst neue Stellenhebungen und neue Ausweitungen auch außer denen im Verteidigungsministerium gefordert worden.
Einiges, was die kommunalen Finanzen betrifft, darf hier „nicht im Raum stehenbleiben" - um diesen jetzt so beliebten Ausdruck zu verwenden; neben „flexibel" ist es der schönste moderne Ausdruck, den ich in diesem Hause gehört habe -. Man kann nicht so mit leichter Hand vom Tisch wischen, was der Bundesfinanzminister in einer sehr durchdachten Aufzählung an neuen Einnahmen der Kommunen darlegte. Man kann einfach nicht daran vorbeigehen, daß sich die Gewerbesteuereinnahmen allein in diesem Haushaltsjahr um 400 Millionen
DM erhöhen werden, und um weitere 400 Millionen
das ist vorausschaubar - in den nächsten drei oder fünf Jahren. Das sind sehr, sehr einschneidende Summen.
Vor allen Dingen kann man doch an einem nicht vorbeigehen: Warum will man den Bund in einer Angelegenheit beschuldigen, in der er nun weiß Gott nicht zuständig ist?
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- Er hat nicht nur das getan, sondern er hat nach meinem Dafürhalten die Länder überaus fair behandelt, indem er einiges auszusprechen vermied, was eigentlich dabei auszusprechen gewesen wäre.
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Die SPD hat sonst, wenn ich recht unterrichtet bin, auf ihre Fahnen geschrieben, sie wolle etwas zum Ausgleich zwischen Reich und Arm beitragen. Warum nicht auch hier zwischen reichen und armen Kommunen? Ich sehe durchaus nicht ein, warum es nicht Aufgabe der Länder bleiben sollte, hier einiges zum Ausgleich zwischen dem Reichtum einiger Gemeinden und der unverkennbaren Armut der großen Mehrzahl mit beizutragen.
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- Auch wenn wir das einmal abziehen, Herr Kollege Dresbach! Ich könnte Ihnen unschwer allein aus meiner engeren Heimat mehr als 14 Städte aufzählen, bei denen man nun weiß Gott nicht von einer Notlage sprechen kann. Aber es gibt dann auch soundso viel arme, und es ist, wenn wir das Subsidiaritätsprinzip richtig anwenden, zunächst einmal Sache der Mittelinstanz, der Länder, hier für einen Ausgleich zu sorgen. Man kann, glaube ich, in keinem Fall sagen, der Bundesfinanzminister oder wir hätten die Gemeinden als ein „lästiges Anhängsel" betrachtet.
Was den Wohnungsbau anlangt, darf ich Ihnen eines in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Wir haben schon das letzte Mal bei der zweiten Lesung des Haushalts gewarnt, zuviel in den Wohnungsbauhaushalt hineinzustecken. Uns lagen entsprechende Anträge von Ihrer Seite vor, und ich war damals dankbar, daß die massivsten dieser Anträge in der dritten Lesung zurückgezogen worden sind; denn in der Zwischenzeit zeichnete sich am Horizont die Entwicklung der Baukonjunktur bereits ab. Es ist doch wohl unbestreitbar, daß wir heute alle ein Interesse haben, die Baukonjunktur nicht zu überhitzen. Sie ist ja doch bereits an einem sehr kritischen Punkt angelangt.
Wenn wir im Jahre 1959 auf 580 000 größere und teurere Wohnungseinheiten - gemessen am Vorjahr - kommen werden, dann ist das eine außerordentliche Leistung. Einfach erstaunlich ist es, daß
sie ohne noch größere Preisanhebungen und Verteuerungen zustande gekommen ist. Der Index, den ich gestern noch in der Hand hatte, war niedriger als der, den ich erwartet hatte, und die neuesten Untersuchungen, die das Statistische Bundesamt angestellt hat, bringen ein neues Licht in die Meßziffern. Ich stelle mit Erleichterung fest, daß wir bis jetzt von höheren Teuerungsschätzungen ausgegangen sind.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu einer Nachricht sagen, die hier, wie ich glaube, über Gebühr aufgebauscht worden ist. Heute morgen lasen wir in der „Welt" eine Information über einen angeblichen Kabinettsbeschluß, der gestern in bezug auf neue Leistungen gegenüber den Vereinigten Staaten gefaßt worden sein soll. Ich war, als ich diese Meldung in die Hand bekam, genauso betroffen wie Kollege Ritzel und habe als Haushaltsobmann meiner Fraktion sofort den Herrn Bundeskanzler gefragt, was es damit für eine Bewandtnis habe. Der Herr Bundeskanzler hat mir sofort versichert, daß es sich dabei keineswegs uni Kabinettsbeschlüsse handelt, sondern um Überlegungen, die selbstverständlich jedes Kabinett in Europa vorher anstellen wird, wenn ihm der Besuch des amerikanischen Unterstaatssekretärs mit bestimmten Absichten angekündigt wird. Ich glaube, man sollte die Bedeutung dieses Vorgangs nicht übertreiben.
Vor allen Dingen hat mich die, ich möchte einmal sagen, übermenschliche Rolle geradezu etwas betroffen gemacht, die ein paar armen TO.A-III-Angestellten - vielleicht waren es auch TO.A-II-Angestellte - in New-Delhi zugemutet wird: Sie sollten den indischen Herrn Ministerpräsidenten rechtzeitig davon unterrichten, was er zu der deutschen Wiedervereinigungsfrage zu sagen habe!
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- Lieber Kollege Ritzel, ich möchte nicht, daß hier ein Schatten auf meine ausgezeichneten persönlichen Beziehungen zu dem früheren Botschafter, dem Kollegen Professor Dr. Meyer fällt, der in Indien eine ausgezeichnete Tätigkeit entfaltet hat. Aber wenn es seinem vorzüglichen Verhältnis zu Nehru, wenn es den wiederholten Spaziergängen Arm in Arm mit dem verstorbenen Vizekanzler Blücher, der sich seines besonderen Vertrauens erfreute, wenn es den Bemühungen von Professor Erhard - und den ganz bescheidenen Bemühungen auch einer kleinen deutschen Parlamentarier-Konferenz - in Unterredungen mit Nehru nicht gelungen ist, den indischen Ministerpräsidenten davon abzuhalten, in einem Presseinterview, so möchte ich es bezeichnen, einen Lapsus linguae zu begehen, dann sollte man doch nicht von kleinen deutschen Angestellten eines Informationsdienstes draußen übermenschliche Dinge verlangen!
Herr Kollege Ritzel, Sie haben gesagt, die SPD hätte die Absicht, einen Antrag einzubringen, wonach die Auswirkungen des Parkinsonschen Gesetzes - um es auf diesen Nenner zu bringen - wissenschaftlich analysiert werden sollen. Wir werden einem jeden derartigen Beginnen frohen Herzens zustimmen. Aber wir werden uns dabei
auch gleichzeitig mit Skepsis wappnen. Denken Sie an die traurige Geschichte all derartiger Versuche in der Vergangenheit; sie haben dieses Gesetz, glaube ich, wenig ändern können. Solange sich dieses Hohe Haus nicht entschließt, bei seinen kommenden Gesetzen etwas mehr auf die Kostenfrage zu achten als bisher, hat es keinen Sinn, sich darüber zu beschweren, daß sich die Bürokratie ausbreitet.
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Was die Steigerung der Preise und die damit zusammenhängenden Fragen anbelangt, so werde ich dazu einiges in meinen weiteren Ausführungen sagen. Aber ich möchte der morgigen Debatte nicht vorgreifen. Ich weiß, daß im Hintergrund nicht nur die Messer geschliffen, sondern ja auch bereits die Sensen gedengelt werden. Aber es muß etwas gesagt werden, um die Dinge richtig darzustellen und die deutsche Öffentlichkeit vor Übertreibungen zu warnen, die in der letzten Zeit offenbar ein wenig überhand genommen haben. Ich wäre dankbar gewesen, wenn mein Vorredner auch festgestellt hätte, daß neben einem unbestreitbaren Anstieg der Preise gerade gegenwärtig vor Weihnachten eine ebenso unbestreitbare Tendenz zu sinkenden Preisen vermerkt werden kann.
({12}) Das sollte man entsprechend würdigen.
Lassen Sie mich nun zu dem kommen, was ursprünglich als eigentliche Konzeption meiner Rede zur Einbringung des Haushalts gedacht war.
Der Herr Bundesfinanzminister und sein Haushalt 1960 haben in der deutschen Fachpresse eine höchst unterschiedliche Behandlung erfahren. In einem der bekanntesten Organe ist er wenig erfreulich weggekommen. „Der Volkswirt" z. B. überschrieb seine Betrachtung zum Haushalt mit „Finanzpolitischer Seiltanz". Der Bund der Steuerzahler machte es diesmal gnädiger und empfahl den Abbau der Subventionen, ohne allerdings zu sagen, ob er auch damit einverstanden sei, daß bestimmte steuerliche Vorteile, die gerade den hinter ihm stehenden Kreisen zugute kommen, ebenfalls abgebaut werden sollten. Diese Frage aber muß man beantworten, wenn man von einem Abbau der Subventionen als einem Allheilmittel spricht.
Das größte Fragezeichen, das im Haushalt 1960 gesetzt werden könnte, gehört nach meiner Ansicht hinter das Kapitel der Anleihen. Es ist hier wiederholt, auch bei der. Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes, vorgeschlagen worden, eine Dekkung für den Finanzbedarf stärker als bisher auf dem Anleihemarkt zu suchen. Meine Damen und Herren, wenn es in den kommenden Monaten um die Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes geht, warne ich Sie sehr, sich der Hoffnung hinzugeben, daß für diese Zwecke Milliardenbeträge aus dem deutschen Kapitalmarkt geschöpft werden könnten. Wenn der Bund nicht in der Lage war, ihm größere Beträge zu entnehmen, als er es bisher tatsächlich vermochte - obwohl er Bedingungen eingegangen ist, die höchst lukrativ sind
-, dann wird es der Offa oder einer anderen Gesellschaft noch wesentlich schwerer als dem Bund fallen, hier zum Zuge zu kommen. Halten Sie sich doch bitte das Schicksal der Bundesbahn- und der Bundespostanleihe von vor zwei Monaten vor Augen und messen Sie daran einmal die Chancen künftiger Anleihen!
Ich stehe nicht an zu erklären, daß der Bundesfinanzminister völlig recht hat, wenn er sagt, bei einer Zeichnung von 11 Milliarden DM festverzinslicher Werte im abgelaufenen Jahr sollte es nicht unmöglich sein, außer den geplanten Bundespost- und Bundesbahnanleihen und den sonstigen Anleihen der Länder und Kommunen drei Milliarden DM Bundesanleihen unterzubringen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat; der Bundesfinanzminister ist gar nicht in der Lage, hier etwas zu erwirken oder zu bewirken, wenn auf der anderen Seite die Bundesbank, die Großbanken und die sonstigen an solchen Zeichnungen beteiligten Konsortialbanken nicht freiwillig mitziehen. Wir haben doch in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, daß man nicht ohne weiteres bereit ist, für die Zeichnung von Bundesanleihen in einer solchen Größenordnung einzutreten.
Ich möchte also ein Fragezeichen hinter diese drei Milliarden DM Bundesanleihen des Jahres 1960 setzen. Wir werden wohl nicht fehlgehen in der Erwartung, daß notfalls durch Einsparungen und vielleicht auch durch mittelfristige Finanzierungen ein Übergang gefunden werden muß, wie er auch in diesem Jahr gefunden wurde. Ich halte diesen Weg gar nicht einmal für schlecht und ungangbar.
Wir dürfen dabei schließlich nicht die noch offenstehenden Forderungen vergessen, die der Bundesfinanzminister nicht voll aufgezählt hat; er sprach von den Forderungen der Länder. Mein Freund Niederalt wird nachher noch nähere Ausführungen dazu machen. Aber der Bundesfinanzminister weiß auch um die Forderungen, die z. B. vielleicht von den Vereinigten Staaten an uns gestellt werden. Er weiß auch von den Wiedergutmachungsforderungen uns verbündeter Nationen, die gleichfalls noch ausstehen.
Von meinem Herrn Vorredner ist bezüglich der Versicherungsanstalten die Summe von 1,9 Milliarden zitiert worden. Auch darüber wird man sich einmal einigen müssen.
Es ist die Größe X angesprochen worden, die für den Bund in den neu angekündigten oder in den bereits vollzogenen Tarifkündigungen liegt. Lassen Sie mich einmal ein offenes Wort zu der Begründung sagen. Die Beamten können ja keine Tarife kündigen. Aber in einem Organ, das mir mit der Post zugeschickt worden ist, lese ich die ganz schlichte und einfache Begründung: Da der Bund in diesem Jahre ein Mehraufkommen an Steuern von 1,2 Milliarden habe, sei es wohl nicht mehr als recht und billig, daß die Beamten jetzt eine Gehaltsaufbesserung von 15 % bekämen.
({13})
- Aber bitte, lesen Sie es doch in der letzten Nummer dieses Organs selber nach! Man sollte sich
wirklich etwas mehr darum bemühen, die Argumentation zu vertiefen.
Ich möchte auch hier ganz offen folgendes aussprechen, Herr Kollege Dr. Schäfer: Wenn die deutsche Beamtenschaft glaubt, mit der Konjunktur gehen und an jeder Lohnerhöhung partizipieren zu müssen, setzt sie sich - das wissen Sie genauso gut wie ich - der ungeheuren Gefahr aus, daß sie nachher, wie es in der Vergangenheit schon einmal passiert ist - mit der Brüningschen Notverordnung von 20 % -, auch Abschläge hinnehmen muß, von denen sie jetzt bei der Rezession verschont geblieben ist. Das ist ein sehr gefährlicher Weg, und ich wünschte, daß die deutsche Beamtenschaft ihn nicht geht.
Allerdings werden wir unsere Augen nicht davor verschließen können, daß die Angestelltenrenten in der heutigen Entwicklung im Vergleich mit den Beamtenpensionen einen Stand erreicht haben, der einmal unserer besonderen Beachtung wert ist.
Lassen Sie mich nun auf eine der Kernfragen dieses Haushalts eingehen. Diese Frage lautet schlicht: Kann sich das deutsche Volk einen Haushalt in der Größenordnung von über 42 Milliarden DM leisten? Diese Frage ist nur zu berechtigt. Wer in der letzten Zeit einmal Gelegenheit hatte, die Vereinigten Staaten zu besuchen und sich dort mit Finanzexperten zu unterhalten, wird sehr bald auf ein Problem stoßen, das mein Herr Vorredner vorhin angesprochen hat, als er den Einzelplan 14 streifte. - Herr Kollege Ritzel, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt besonders intensiv zuhörten! - Vorhin ist der Regierung von meinem Herrn Vorredner der Vorwurf gemacht worden, sie habe es versäumt, die deutschen Kriegsfolgeleistungen bei der Anrechnung der deutschen Rüstungsbeträge voll und ganz zu vertreten und durchzusetzen. Herr Kollege Ritzel, ich möchte dazu mit allem Freimut und in aller Offenheit folgendes sagen. Daß es überhaupt gelungen ist, den deutschen Beitrag heute auf 4,7 % zu halten - gemessen an den 12 % der Vereinigten Staaten -, verdanken wir einzig und allein der Tatsache, daß die andere Seite anerkannt hat, daß wir bestimmte Kriegsfolgelasten hatten. Glauben Sie denn ernstlich, ein Volk wie die Amerikaner oder die Engländer - die 11 % ihres Haushalts dafür ausgeben - ließe es sich auf die Dauer bieten, daß das deutsche Volk bei der Verteidigung mit 4,7 % davonkommt, während die Verbündeten das Doppelte und das Dreifache zu leisten haben?
({14})
Ich möchte die Dinge hier einmal völlig klarstellen.
({15})
Wir kannten die Hartnäckigkeit des Bundesfinanzministers Schäffer, und Sie werden genau wie ich anerkennen, daß er gerade die Leistungen für Berlin, die Leistungen für die Heimatvertriebenen, für den Lastenausgleichsfonds, für die zerstörten Wohnungen etc. in zähen und unermüdlichen Verhandlungen ins rechte Licht gerückt hat. Das ist sein historisches
Verdienst, und das sollte auch nicht geschmälert werden.
({16})
- Das erkenne ich ebenso an, und ich zögere auch nicht, das zu sagen. Aber, Herr Kollege Barsig, wenn Sie sich einmal mit amerikanischen Experten darüber unterhalten haben, dann wissen Sie doch, in welcher Situation wir uns befinden, wenn wir denen erst mühsam aufzählen müssen, was wir für Lasten haben.
({17})
- Ich bitte wegen der Namensverwechslung um Entschuldigung.
Zurück zum Thema. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich mit der ersten deutschen Parlamentsdelegation einer Einladung der Hansard-Society folgte - die englische Regierung wagte es damals, 1949/50, noch gar nicht, uns einzuladen - und nach England kam. Als wir aus .dem Parlamentsgebäude heraustraten, fanden wir ein uraltes Vehikel vor dem Parlamentsgebäude, und als wir darüber eine kleine Bemerkung machten, bekam ich vom Herrn Stephen King-Hall, der vielen von Ihnen ein Begriff ist, eine geradezu klassische Antwort. Er sagte: Meine lieben deutschen Freunde, ich glaube, wir Engländer müssen noch einen dritten Weltkrieg verlieren, damit ihr uns in einem Mercedes 300 nachher abholt, während wir als Siegernation mit dem Fahrrad fahren werden! Das war in der Zeit, in der wir unseren Verwandten in England noch ein Speckpaket mitbrachten - 1950 -, während die siegreiche Nation noch ihre Lebensmittelkarten hatte.
Ich möchte hier einmal vor dem Hohen Hause eine Warnung aussprechen. Sehr viele im deutschen Volk glauben, das deutsche Volk habe nach zwei Katastrophen einen historischen Anspruch darauf, auf einer Insel der Seligen einer glücklichen Zukunft entgegenzuleben und andere den größten Teil seiner eigenen Sicherheit gewährleisten und dafür zahlen zu lassen.
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Wir haben heute bei uns bereits vielfach einen Grad an Opferunwilligkeit gegenüber dem Staat erreicht, der uns allen, ob wir nun in der Regierungskoalition oder in der Opposition sitzen, ernstlich zu denken geben sollte. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir bereits alles getan haben, um noch die Reste des guten Willens zu mobilisieren, die heute noch im deutschen Volk vorhanden sind.
Während der Parlamentarierkonferenz in Washington ist ein Gedanke aufgekommen, der sich in der letzten Zeit infolge der steigenden Bedeutung der konventionellen Waffen wieder darbietet. Gerade bei den kommenden Haushaltsberatungen über den Einzelplan 14 - Verteidigung - sollten wir uns ernsthaft überlegen, ob wir nicht in stärkerem Maße als bisher auf freiwilliger Basis allen denjenigen eine Möglichkeit geben sollten, sich in Kursen für die Territorialarmee zur Verfügung zu stellen, die
dazu heute noch freiwillig bereit sind. Wir könnten damit versuchen, einen Beitrag über die 12 Divisionen hinaus zu leisten, die aufzustellen wir uns in den Pariser Verträgen verpflichtet haben. Ich weiß, daß man über den militärischen Effekt einer solchen Aufstellung sich vielleicht noch unterhalten muß, Kollege Kreitmeyer, aber darauf kommt es hier nicht an. Vielmehr kommt es darauf an, dem im deutschen Volk noch vorhandenen good will eine Möglichkeit zur Entfaltung zu geben.
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- Ich freue mich, daß wir da übereinstimmen.
Ein zweiter Punkt verdient, heute oder später noch einmal vertieft zu werden. Wir können unsere Augen nicht vor dem weltweiten Diffamierungsfeldzug gegen die Bundesrepublik schlechthin verschließen. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß heute von seiten des Ostblocks - wobei man den Leuten in Pankow, aber auch den Polen und den Tschechen ganz besondere Aufgaben zugewiesen hat - versucht wird, in der Welt den Eindruck zu erwecken, die Bundesrepublik sei nichts weiter als die Erbin des Naziregimes von 1933 bis 1945 und die Bundeswehr nichts weiter als ein Haufen revanchelüsterner Soldaten, die bereit seien, über friedliebende Nachbarn herzufallen. Wir dürfen uns über die ungeheure Gefährlichkeit einer solchen Unterstellung, die draußen dem Ausland eingehämmert wird, nicht hinwegtäuschen! Es gibt leider draußen Leute genug, die auf Grund der bitteren Erfahrungen, die sie mit uns Deutschen in zwei Weltkriegen gemacht haben, solchen Einflüsterungen heute ein offenes Ohr leihen. Wer sich einmal offenen Auges die Fernsehprogramme in den Vereinigten Staaten ansieht, wer sich dort die Masse der neuen Hetzfilme ansieht und sich bestimmte Radiosendungen anhört, die in steigendem Maße gesendet werden, der wird einfach nicht daran vorbei können, festzustellen, daß es sich hier um einen groß angelegten Feldzug zur Diffamierung der Bundesrepublik handelt. Das Hohe Haus wird sich zu überlegen haben, was es dagegen zu unternehmen bereit ist.
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- Auch in Deutschland, Herr Schmitt. Wir sind durchaus bereit, das auch hier zu tun.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hermsdorf?
Ja!
({0})
Herr Kollege Vogel, glauben Sie nicht, daß erstens - ({0})
Herr Kollege Bausch, ich bitte Sie, dem Zwischenfrager die Möglichkeit zu geben, seine Frage zu stellen.
({0})
Herr Kollege Vogel, glauben Sie nicht, daß wir auch innerhalb der Bundesrepublik dazu eine ganze Menge beitragen können, damit diese Geschichten draußen abgestellt werden? Wissen Sie nicht, daß gerade wir im Ausschuß es waren, die Ihren Freunden, die in dieser Frage sehr zögernd waren, hinsichtlich der Auslandsarbeit gesagt haben: Jawohl, wir sind bereit, dafür Beträge zu bewilligen?
Herr Kollege Hermsdorf, ich werde stets anerkennen, daß gerade bei Ihnen persönlich unid Ihren Freunden diese Bereitschaft bei der Berlinfrage und den sich daraus entwikkelten Fragen da war.
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- Ja, ich hörte nachher, daß Sie zustimmten, gemeinschaftlich etwas zu unternehmen. Wir sind die allerletzten, die das abstreiten wollen. Herr Kollege Hermsdorf, wenn wir uns nicht langsam angewöhnen, in Dingen, die die Existenz dieser Nation angehen, zusammenzustehen, dann ist dieses Volk in der Situation, in der es sich befindet, verloren.
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- Das bestreitet Ihnen niemand. Aber Sie müssen mir erlauben, bei einer solchen Gelegenheit auf einen Gefahrenpunkt hinzuweisen, den wir gemeinsam sehen müssen.
Lassen Sie mich jetzt zu weiteren Punkten kommen, die im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung stehen. Der Haushalt des Jahres 1960 gründet sich im Grunde genommen auf zwei Dinge: erstens auf die Steuereingänge, die vorauskalkuliert sind, und zweitens auf die Bereitschaft des Kapitalmarkts, die 3 Milliarden DM aufzubringen, die der Bundesfinanzminister vom Kapitalmarkt haben möchte. Auf den letzten Punkt bin ich bereits etwas näher eingegangen. Auch ich teile mit dem Bundesfinanzminister die Sorge, die der Zentralrat der Bundesbank ausgesprochen hat. Ich glaube, die Mitglieder des Hohen Hauses werden alle mit Nutzen die Rede des Herrn Präsidenten der Deutschen Bundesbank vom 30. Oktober lesen, die er vor der Industrie- und Handelskammer in Essen über den gegenwärtigen Stand der deutschen Konjunktur gehalten hat und die in der Oktober-Nummer der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank abgedruckt ist. Es ist eine überaus lesenswerte konzentrierte Darstellung des Ablaufs des Jahres 1959.
Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen, weil es auch für den künftigen Haushalt von entscheidender Bedeutung sein kann. Herr Kollege Professor Dr. Erhard ist in der deutschen Presse manchmal etwas
spöttelnd kritisiert worden, er sei als eine Art Wanderprediger durch die Lande gezogen, um in bestimmten Gefahrenmomenten der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung seine Stimme zu erheben. Professor Erhard hat etwas durchaus Richtiges getan. Er ist ein sehr kluger Psychologe, der die volle Bedeutung dessen begriffen hat, was es heißt, eine bestimmte Meinung auch in der Wirtschaft zu bilden. Nicht umsonst hat der Präsident der Bundesbank dabei gesagt, daß z. B. der Kreditmarkt wahrscheinlich buchstäblich „zerredet" worden ist, und nicht umsonst ist darauf hingewiesen worden, was für eine ungeheure Bedeutung eine bestimmte herrschende Meinung über den Konjunkturablauf auch für die Dispositionen in der gesamten Wirtschaft haben kann und wahrscheinlich auch haben wird. Wenn erst einmal ein Verdacht erwacht und allzuviel geredet wird, daß es besser sei, sich jetzt ein großes Lager anzulegen, weil die Entwicklung in der Währung vielleicht nicht ganz so sein könnte, wie man erwarte, und wenn erst einmal davon geredet wird, es sei besser, jetzt nicht festverzinsliche Werte zu kaufen, weil eine kurze Notiz in den Zeitungen stand, man könne nach Meinung der Bundesbank mit billigeren Zinssätzen im kommenden Frühjahr rechnen - das war eine Vermutung, die die Bundesbank jetzt dementiert hat -, dann geht davon eine ungeheure suggestive Kraft aus; sie hat in der Vergangenheit bestimmte wirtschaftliche Aufschwungserscheinungen und auch Rezessionen bewirkt. Ich glaube, daß es infolgedessen durchaus richtig ist, wenn hier rechtzeitig mit allem Nachdruck erklärt wird: Nein, ihr müßt mit dem Zinssatz von 51/2 % rechnen, der augenblicklich auf dem Markt gilt, und wenn die Bundesregierung klipp und klar sagt, daß sie entschlossen ist, alles . in ihren Kräften Stehende zu tun, um irgendwelchen weiteren Preisausweitungen entgegenzutreten. Wir werden das ja morgen hoffentlich in konzentrierter Form bei der Preisdebatte hören.
Es ist übrigens ganz interessant, sich einmal die ungeheuren Differenzen in dem Konjunkturablauf des vergangenen Jahres vor Augen zu führen. An der Spitze der Ausweitung standen die Kunststoffe mit 28 %. Dann kam der Schiffsbau mit 20 %; das ist eine sehr bemerkenswerte Entwicklung in den Hafenstädten. Es folgten die Fahrzeugindustrie mit nur 14 % und die Elektroindustrie mit 9 %. Weite Bereiche der deutschen Wirtschaft haben sich sehr wenig verändert, wobei die Textilindustrie im ersten Quartal sogar ein Minus von 5 % gegenüber dem Vorjahr hatte und erst in den letzten beiden Quartalen mit 3,9 % und 3,2 % aufholte. Der Bergbau wies gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 4,1 % auf.
Für eine Betrachtung der künftigen Konjunktur sind aber entscheidender als diese Ziffern die Auftragseingänge. Hier ist die Entwicklung folgende: Seit April haben wir eine Steigerung der Auftragseingänge von über 20 % - immer am Vorjahr gemessen - und im August von 25 %, im September von 34 %. Diese Entwicklung hält an und kann natürlich unter Umständen im kommenden Jahr zu einer Überhitzung führen.
Wir können unsere Augen aber auch nicht vor bestimmten großen strukturellen Veränderungen verschließen, und hier komme ich zu einem zweiten Problem, dessen Erörterung mir in diesem Zusammenhang ganz besonders am Herzen liegt; das ist die zentrale Stellung, die der deutsche Export nicht nur jetzt hat, sondern auch in den kommenden Jahren im deutschen Wirtschaftsleben immer haben wird.
Meine Damen und Herren, wir sind in der Bundesrepublik nun einmal in die Lage hineingedrängt worden, in der sich England seit ungefähr einer Generation befindet. Von dem Steigen oder Fallen des deutschen Exports wird der Lebensstandard des deutschen Volkes in den kommenden Jahren in ganz entscheidender Weise abhängen.
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Infolgedessen werden wir gut daran tun, diese Dinge sehr genau zu überwachen und uns hier auch bestimmte Strukturveränderungen vor Augen zu führen. Es ist, glaube ich, bis in weite Teile des deutschen Volkes noch nicht durchgedrungen, daß die Vereinigten Staaten der erste Abnehmer Deutschlands - vor Holland - geworden sind, daß auch Kanada einen entsprechenden Sprung vorwärts getan hat und daß wir einer wachsenden Verlagerung unseres Exports entgegengehen. Diese Dinge werden naturgemäß bestimmte Rückwirkungen auf den Kapital- und Geldverkehr zwischen diesen Ländern haben.
Eines jedoch sollten wir uns dabei ständig vor Augen halten: Wir wollen alle eine weitere Steigerung unseres nationalen Lebensstandards; aber der Export hängt - das wissen wir alle - auf das allerengste mit der Preisfrage zusammen, und wir werden nicht mehr exportieren können, wenn wir in den Preisen nicht mehr mit den Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein werden.
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Hier sehen wir den Ring sich schließen - einen Ring, der um die Preisfrage, die Lohnfrage, die Frage der Arbeitszeit und den deutschen Export fest geschlossen ist. Alle diese Probleme sind ein untrennbares Ganzes, und wir können sie nicht voneinander trennen. Wir können unseren Export nur dann, steigern, wenn wir mehr arbeiten, wenn wir m e h r produzieren. Wir sind nicht in der Lage, dieselben Kapitalinvestitionen wie die Vereinigten Staaten in unsere Wirtschaft hineinzugeben. Wir sind nicht in der gleichen Lage wie England und Frankreich, die keine Inflation hinter sich haben. Wir Deutsche leben im Grunde genommen mehr oder weniger von unserer Hände Arbeit. Infolgedessen sollten wir sehr sorgsam beachten, daß wir immer ein wenig mehr und intensiver arbeiten müssen, als die anderen Völker zu arbeiten brauchen, die sich noch ihr Kapital erhalten haben.
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Ich erkenne dankbar an, daß in der vergangenen Zeit auch von seiten der Gewerkschaften Maß gehalten worden ist. Wir von der CDU - und das möchte ich in diesem Zusammenhang mit dem gleichen Nachdruck sagen - haben stets auf dem Standpunkt gestanden, daß steigende Gewinne auch steigende Löhne oder, wenn das nicht möglich ist, zum mindesten Preissenkungen seitens der mehr verdienenden Industrie nach sich ziehen sollen.
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Das ist ein gesunder und vernünftiger Grundsatz; das ist nicht nur ein Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit, sondern er entspringt einer ganz kühlen und nüchternen volkswirtschaftlichen Überlegung. Aber wir alle können gerade jetzt am Jahresende unsere Sorge vor einer sich hier und da bereits abzeichnenden neuen Lohn-Preis-Spirale nicht verbergen. Dann wird wieder ein langes Gerede über die Schuldfrage einsetzen.
Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren: wir haben bereits in den letzten zwei Jahren eine kleine Schere sich öffnen sehen. Wir haben eine sehr schnelle Steigerung der Reallöhne beobachtet. Ich habe hier in den vergangenen Jahren klipp und klar gesagt: Ich sehe in einem solchen Voraneilen der Reallöhne keine Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft, solange das deutsche Volk in dem gleichen Maße weiter spart, wie es bisher gespart hat, d. h. wenn es nicht das, was es mehr verdient, gleich verzehrt, sondern es zurücklegt und dadurch zu einer Zinsverbilligung und zu neuen Investitionen beiträgt. Dieser Sparsinn ist uns Gott sei Dank erhalten geblieben, und ich glaube, wir haben allen Grund, der deutschen Öffentlichkeit dafür dankbar zu sein, daß sie diesen Sparsinn weiter gepflegt und entwickelt hat und damit sich selbst und dem ganzen deutschen Volke einen großen volkswirtschaftlichen Dienst erwiesen hat.
Lassen Sie mich aber im Zusammenhang mit diesen Bewegungen auf dem Kapital- und Geldmarkt auf eins zu sprechen kommen, was wir gewöhnlich übersehen: Durch die neuen großen Kapitalbeteiligungen der Bundesrepublik an den neuen supranationalen Institutionen wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds, dem EWG-Fonds, dem Europäischen Fonds usw. werden außerhalb der Bundesrepublik gewaltige neue Vermögen geschaffen. Wenn Sie z. B. nur die in den kommenden Jahren einzuzahlenden Beträge hei der Weltbank und beim Währungsfonds zusammennehmen, kommen Sie allein bei diesen beiden Institutionen auf eine deutsche Beteiligung - ich sage ausdrücklich, wenn die Einzahlungen vollzogen sein werden -, die größer sein wird als das jetzige ERP-Vermögen in Höhe von 7 Milliarden DM. Auch diese Bewegungen sollten wir bei unseren Betrachtungen nicht ganz außer acht lassen; wir sollten sie keineswegs verschweigen, wenn wir im Ausland gefragt werden, was wir bisher für die Entwicklungsländer unternommen haben. Ich glaube, wir können mit Stolz darauf verweisen, daß wir hier his an die Grenze unserer Kapitalleistungsfähigkeit gegangen sind. Wir werden in der Zukunft vielleicht noch neue Beiträge auf diesem Gebiet zu leisten haben.
Wer aus diesem Hohen Hause mit mir zusammen an der Begegnung mit den afrikanischen Politikern in Cannes teilgenommen hat, wird sich erinnern, wie zugespitzt bereits die Forderungen sind, die uns von einer Reihe von afrikanischen Entwicklungsländern heute unterbreitet werden. Wenn heute die afrikanischen Länder z. B. unter Berufung auf die - von niemandem geleugneten - alten, traditionellen Verbindungen zwischen uns und Afrika aus einer langen gemeinsamen Geschichte - nicht nur einer Kolonialgeschichte, sondern einer in die Jahrtausende zurückreichenden alten Kulturgeschichte - die Forderung stellen: „Ihr Europäer seid auf Grund dieser Bindungen verpflichtet, zuerst für uns in Afrika etwas zu tun und dann erst für die anderen etwas zu tun", so wirft das für uns alle eine ungeheuer folgenschwere Frage auf. Ich weiß nicht, ob wir heute schon in der Lage sind, auf eine solche Forderung zu antworten; ich weiß nicht, ob wir es uns heute leisten können, die weiten Gebiete Asiens in das zweite Glied zurücktreten zu lassen und unsere volle finanzielle Kraft zuerst auf Afrika zu konzentrieren. Ich fürchte, meine Freunde, daß das Ausland zum Teil zu hohe Erwartungen hegt, die Vorstellungen über die deutsche Leistungsfähigkeit zu hoch emporgeschraubt hat - wir haben das sicherlich nicht beabsichtigt, aber es ist so - und daß man in die Möglichkeit der Entsendung von Tausenden von deutschen Ingenieuren, von noch viel mehr Tausenden von deutschen Lehrkräften, von Medizinern heute ganz bestimmte Erwartungen setzt, während wir selber im Inland noch nicht einmal die nötigen Kräfte haben, um unsere Fachschulen, um unsere Hochschulen, um die Arbeitsplätze in unserer Industrie zu besetzen. Das alles wird zu weitergehenden Folgerungen führen, auf die ich hier zunächst noch nicht näher eingehen möchte, die uns aber bei der zweiten Lesung, vor allen Dingen der Einzelpläne 05 und 06, der Haushaltspläne des Auswärtigen Amtes und des Innenministeriums, beschäftigen werden.
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- Herr Kollege Dr. Schäfer, soweit bei Ihren Anträgen die Möglichkeit einer vernünftigen Deckung besteht, haben wir uns, glaube ich, immer verständigen können.
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Wenn aber heute morgen in den Zeitungen zu lesen ist, daß auch Ihr Kollege von Knoeringen in Ihrer eigenen Fraktion, glaube ich, schon auf einige Schwierigkeiten hinsichtlich der Erfüllbarkeit seiner finanziellen Vorstellungen gestoßen ist, dann, meine ich, wird es notwendig sein, auch diese einmal einer bestimmten Korrektur zu unterziehen und zu prüfen, was in den nächsten Jahren überhaupt möglich ist. Das werden wir einmal gemeinsam untersuchen.
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- Nun, was die gegenseitige Ablehnung betrifft, so haben wir uns vermutlich gegenseitig nichts vorzuwerfen, Herr Kollege Erler.
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- Herr Kollege Erler, es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen alle Anträge zuzureichen, bei denen wir mit Ihnen gestimmt haben. Sie können sich darauf verlassen; mein Gedächtnis und das meiner Freunde in dieser Beziehung ist sehr präzise.
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Herr Abgeordneter Erler, ich bitte Sie, sich nachher zu Wort zu melden, wenn Sie eine Rede halten wollen.
Ich bin durchaus nicht abgeneigt, mich in eine Diskussion einzulassen, weil wir in dieser Beziehung gar nichts zu fürchten haben. Aber wir können ja das Thema nachher in der zweiten und dritten Lesung noch vertiefen; ich glaube, wir werden uns gegenseitig nichts ersparen.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine allgemeine Bemerkung einflechten. Es täte mir leid, wenn die Erfahrungen, die von über fünfzig Kollegen quer durch alle Fraktionen hindurch bei Auslandsreisen gesammelt worden sind, dem Hohen Hause verlorengingen. Wir sollten einmal ernstlich nachdenken, ob das, was draußen in der Welt gesehen worden ist, nicht in irgendeiner vernünftigen Form dem ganzen Hohen Hause zugänglich gemacht werden sollte. Wir können, glaube ich, alle miteinander etwas daraus lernen, wenn einzelne von uns Beobachtungen in Afrika, in Mittelamerika, in Südamerika, also in entlegenen Gebieten, gemacht haben.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluß komme, noch ein kurzes Wort zu den sogenannten Sondervermögen sagen. Wir haben mit Vergnügen festgestellt, daß in der Zwischenzeit bei der Bundespost, nicht zuletzt dank der energischen Bemühungen unseres Kollegen Stücklen - ich glaube, hier muß ich ihm ein Lob aussprechen - eine Wandlung zum Besseren stattgefunden hat und daß hier die neuen großen Investitionen vor allem im Fernsprech- und Fernmeldeverkehr ihre Früchte getragen haben. Im Haushaltsausschuß sind wir immer dankbar, wenn die Umsätze der Bundespost sich erhöhen und infolgedessen auch dem Bundeshaushalt mehr zufließt und wir hier nicht in Anspruch genommen werden, wie das bei der Bundesbahn der Fall ist.
Ich spreche einen Wunsch meiner Freunde aus, wenn ich der Erwartung Ausdruck gebe, daß das Bundesverkehrsministerium mit großer Energie
daran geht, ein neues Bundesbahngesetz zu erarbeiten. Wir erwarten, daß es uns im kommenden Jahr vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns völlig darin einig, daß das Brandtsche Gutachten und die anderen bereits erstatteten Gutachten wahrscheinlich nur dann einen Sinn haben werden, wenn sie auch zu einer Änderung des Bundesbahngesetzes führen und wenn an der Spitze der Bundesbahn eine elastischere, eine kaufmännischere Führung möglich wird, als das bis jetzt auf Grund des allzu starren Gesetzes der Fall war.
In den letzten Tagen hörten wir eine Meldung, die, glaube ich, von mancher Seite mißdeutet worden ist. Es wurde gemeldet, der Bargeldumlauf in der Bundesrepublik habe zum erstenmal die 20-Milliarden-Grenze überschritten. Das stimmt den einfachen Mann zunächst bedenklich. Aber ich glaube, man kann an dieser Stelle ruhig sagen, daß mit der Ausweitung des Bruttosozialprodukts, das 1958 bereits eine Höhe von 236 Milliarden DM erreicht hatte, naturgemäß auch das Umlaufgeld mit wachsen muß, wenn es seinen Funktionen gerecht werden soll. Wir haben aller Voraussicht nach im kommenden Jahr eine Steigerung des Bruttosozialprodukts um mindestens 6 % zu erwarten und werden uns auch mit einer Steigerung des Bargeldumlaufs abfinden müssen.
Ich möchte noch ein Wort an die Adresse bestimmter Kreise sagen, die im Zusammenhang mit Veröffentlichungen des auch von mir sehr geschätzten Professors Hahn wieder das Thema der Aufwertung der Mark anklingen lassen. Ich glaube, die bisherige Entwicklung hat klar bewiesen, daß wir mit dem Festhalten an dem jetzigen Mark-Kurs gut getan haben und daß wir keinerlei Veranlassung haben, etwa gerade in diesem Augenblick an eine Aufwertung der Mark oder an irgendeine Kursveränderung zu denken.
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Die Entwicklung in diesem Dezember wird besonders interessant werden. In dem letzten Bundesbank-Bericht können Sie Hinweise darauf finden, daß man unter Umständen mit einer Rückkehr von über einer Milliarde Mark von im Ausland angelegtem deutschem Geld rechnen könne. Ich weiß nicht, ob eine solche Erwartung angesichts der neuen Zinserhöhungen in den Vereinigten Staaten noch gerechtfertigt ist. Wir dürfen unsere Augen allerdings nicht davor verschließen, daß wir zur Zeit zwar eine aktive Handelsbilanz, aber eine passive Kapitalbilanz haben. Das ist ein Faktum, das der Allgemeinheit noch viel zuwenig bewußt geworden ist. Zwar haben wir, auch im Rahmen des Haushalts, eine Reihe von Kapitalexporten vorgenommen, die nicht ohne Einfluß darauf geblieben sind. Aber insgesamt werden wir uns in den kommenden Jahren vielleicht doch einmal überlegen müssen, ob die Auslandsreisen, die das deutsche Volk sich jetzt angewöhnt hat, noch weiter in dem gleichen Umfang gesteigert werden können, wie das bis jetzt der Fall war. Auch hier sehe ich eine bestimmte Grenze kommen, die einfach durch unsere Handels- und unsere Kapitalbilanz gezogen wird.
Ich habe jedoch keine Sorge, daß die Konjunkturentwicklung des nächsten Jahres den Optimismus des Bundesfinanzministers nicht rechtfertigen wird. Ich habe im allgemeinen bis jetzt die Erfahrung gemacht - ich glaube, Sie werden sie mit mir gemacht haben -, daß eine überhitzte Konjunktur unter Umständen weitaus gefährlichere Folgen haben kann als eine kleine Rezession, eine kleine Abschwächung. Einer kleinen Abschwächung kann man mit Regierungsmaßnahmen begegnen, einer überhitzten Konjunktur kann jedenfalls eine Regierung nur sehr schwer entgegentreten. Die Regierung wird alle Hände voll zu tun haben, um in diesem Winter und im kommenden Jahr einer solchen Überhitzung entgegenzutreten, falls sie sich noch weiter entwickeln sollte.
Ich freue mich, daß der Bundesfinanzminister den Grundsatz, daß keine neuen Ausgaben ohne neue Steuern denkbar sind, zum Kern seiner Ausführungen gemacht hat. Dieser Grundsatz ist ein uralter Grundsatz jeder vernünftigen. Haushaltsgebarung gewesen und sollte es auch in der Zukunft sein. Keiner von uns kann über seine Verhältnisse leben, wenn er nicht jemanden findet, der ihn für vertrauenswürdig genug hält und ihm das Geld dafür borgt, daß er über seine Verhältnisse - eine gewisse Zeitlang vielleicht - leben kann. Auch kein Land kann über seine Verhältnisse hinaus leben. Wie schwer Anleihen zu bekommen sind, wie schwer es ist, wieder Fundamente in das nach zwei Inflationen schwer erschütterte Vertrauen des deutschen Volkes zu senken, das haben wir alle am eigenen Leibe mit gespürt. Seien wir dankbar dafür, daß es gelungen ist, wieder eine neue Vertrauensbasis zu schaffen, und arbeiten wir alle gemeinschaftlich daran, daß uns diese Vertrauensbasis weiter erhalten bleibt!
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Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich Sie zu so spater Nachmittagsstunde mit meinen Ausführungen noch einigermaßen redlich „ernähren" kann.
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Meine Anfangspointe ist mir leider verlorengegangen, weil mein sehr verehrter Kollege Ritzel das Wort aus dem zweiten Teil des „Faust" bereits zitiert hat, das auch ich in dieser Legislaturperiode einmal wieder anbringen wollte.
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An der Sache ist gar nicht zu rütteln, Goethe hat völlig recht!
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Meine Damen und Herren, wir sind bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes immer in einer etwas mißlichen Lage. Die Regierung ist nach dem Grund5162
Lenz ({3})
Besetz gehalten, den Haushalt nach Verabschiedung im Kabinett dem Bundesrat zuzuleiten. Das bedeutet gleichzeitig, daß damit der Bundeshaushaltsplan an die Öffentlichkeit kommt. Aus diesem Grunde lesen wir nun in den letzten 3 Wochen in Zeitungen, in Zeitschriften, in Wochenblättern das, was wir über den Bundeshaushalt zu denken haben. Das Überraschungsmoment - der „Budget day" ist in England ein großer Tag - ist damit eben leider verlorengegangen.
Uns ist der Haushalt heute vormittag eingebracht und durch den Herrn Bundesfinanzminister begründet worden. Nun müssen wir gewissermaßen aus dem Stand springen und einiges dazu sagen. Ich weiß, daß man das nicht ändern kann. Aber es hat unbewußt im Parlament zu der Haltung geführt, als ob die erste Lesung des Bundeshaushaltes eigentlich nicht so sehr wichtig sei und daß wir uns nicht so sehr damit abzugeben haben. Die Hauptsache sei, über die Bühne zu kommen und den Haushaltsplan möglichst schnell an den Ausschuß zu überweisen.
Es ist sicher auch sehr schwer - ich kann das vom publizistischen Standpunkt aus verstehen -, innerhalb von ein paar Wochen die Öffentlichkeit ein zweites Mal mit dem Haushalt zu befassen und sie dafür zu interessieren. Trotzdem könnte man die Meinung vertreten, die erste Lesung des Haushalts sei eigentlich die wichtigste, weil hier noch die Möglichkeit besteht, zu dem Plan der Regierung - das ist ja schließlich der Haushalt - etwas zu sagen, was ihn noch beeinflussen kann. In der zweiten und in der dritten Lesung sprechen wir über Dinge, die bereits mehr oder weniger abgeschlossen sind. Das Parlament könnte zum Ausdruck bringen, wie es das Programm der Regierung beurteilt, ob es dem Haushaltsausschuß Direktiven geben will und dergleichen mehr. Das würde natürlich eine Beratung im einzelnen erfordern. Ich gehe mit Ihnen, Herr Kollege Ritzel, gar nicht so sehr scharf ins Gericht, daß Sie kasuistisch, pragmatisch die einzelnen Haushalte durchgenommen haben. Das hat durchaus seinen Sinn. Es ist zweifellos zu vertreten, daß man hier in der ersten Lesung über Einzelheiten spricht. Trotzdem gehe ich sicherlich nicht fehl in der Annahme, daß wir alle das Gefühl haben: Möglichst rasch Schluß mit einer Haushaltsdebatte, der Haushaltsausschuß wartet schon.
Meine Damen und Herren, die Finanzminister im allgemeinen, unser Finanzminister im besonderen, haben die Angewohnheit, den Haushaltsplan mit einer „Spitzmarke" zu versehen wie einen guten Wein. 1957 war es: „Gutes Geld ist wichtiger als mehr Geld."
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- Das Etikett, darüber spreche ich ja gerade; wir hoffen, daß es nicht täuscht. 1958 war es der „Haushalt der Stabilität und der inneren Sicherheit". Diesmal ist es der „Haushalt der Konsolidierung". Dabei bemerke ich, daß dieser Ausdruck heute früh in der Haushaltsrede nicht gefallen ist.
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Ich will nun keine Untersuchungen anstellen, ob etwa der Finanzminister von dieser Bezeichnung abgerückt ist, ob ihm nicht ganz wohl ist, wenn man diesen Haushalt als „konsolidierten Haushalt" bezeichnet. Das lasse ich einmal offen.
Ich bin nicht der Meinung, daß man diesen Haushalt so bezeichnen kann. Ich habe in meinem Fremdwörterbuch nachgesehen, was Konsolidierung heißt. Da steht drin, daß es „die Festigung eines labilen Zustandes" bedeutet.
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Sie halten das Nachschlagen vielleicht für Halbbildung. Das ist nicht richtig. Man muß nur wissen, wo etwas steht. Konsolidieren heißt also: etwas auf eine sichere Grundlage stellen. Ich meine doch, daß in diesem Haushalt ganz zweifellos einige Unsicherheitsfaktoren enthalten sind.
Ich erinnere an die Sorgen, die der Herr Finanzminister vielleicht haben wind, wenn er morgen in diesem Hohen Hause die Preisdebatte hören wird. Er weiß sicher auch von der Kündigung der Tarife, er weiß von den Wünschen des öffentlichen Dienstes nach einer „Einkommensberichtigung" - ich glaube, so heißt man das heute. Kurzum, dem Herrn Finanzminister wird sicherlich klargeworden sein, daß nicht alles so konsolidiert ist, wie es wirklich sein sollte.
Ich weiß nicht, Herr Bundesfinanzminister - ich darf Sie einen Augenblick persönlich ansprechen -: mit den Grundsätzen, die Sie verkünden und für die Sie eintreten, sind wir eigentlich immer einig. Darüber gibt es gar keinen Streit. Nachdem wir heute früh diese Rede gehört haben, darf ich wiederum, Herr Kollege Ritzel, Goethe zitieren: „Wenn man's so hört, mag's leidlich scheinen". Aber bei der Anwendung dieser Grundsätze hätte es doch einer größeren Härte bedurft, eines Mutes zur Unpopularität; man hätte vielleicht doch weniger Konzessionen machen sollen, man hätte vielleicht doch etwas mehr den viel berufenen Rotstift anwenden müssen.
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- Ich bin für die Etikettierung der Haushalte nicht verantwortlich, aber ich empfehle dem Herrn Finanzminister, sich etwas Besseres einfallen zu lassen.
Zur Sache! Muß es denn sein, daß in der Ausschöpfung der Steigerung des Sozialprodukts, mit der ständig und auch heute wieder operiert wird, immer bis an die Grenze des nur Vertretbaren gegangen wird? Ich frage: wäre Zurückhaltung aus konjunkturellen Gründen in der berühmten Hochkonjunktur, wäre die Ansammlung einer gewissen Konjunkturreserve nicht doch richtiger? Sie haben es heute früh in Ihrer Rede verneint, Herr Bundesfinanzminister. Aber ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Ich will nicht sagen, daß man alles nachahmen soll. Aber wer ein wenig im Ausland herumgekommen ist und sich umgesehen hat, der hat manchmal den Eindruck: die anderen scheuen sich nicht, etwas zurückzulegen. Den viel zitierten Joseph aus dem Alten Testament will ich nicht
Lenz ({8})
noch einmal zitieren, aber ich meine, diese uralte Weisheit dieser Geschichte ist auch heute durchaus angebracht. Bei uns habe ich immer ein wenig das Gefühl, als handele man nach dem Motto: Hinein ins Volle! Wir werden das irgendwie schon schaffen!
Im Frühjahr fliegen die Tarife auf, darüber gibt es keinen Zweifel. Die öffentlichen Bediensteten holen sich ihre Bezüge. Die Preise sind jetzt schon ein wenig dran. Ich will gegen den Begriff der Konsolidierung nicht bloß polemisieren, aber sehen wir in diesem Hause uns nicht einem Haushalt mit einer ganzen Reihe von Unbekannten gegenüber? Diese ständige Balance auf dem Wellengipfel der Konjunktur macht uns Sorge.
Heute vormittag ist mir bei Ihrer Rede, Herr Minister, aufgefallen, daß Sie nichts über den Haushaltsausgleich gesagt haben. Eigentlich, glaube ich, sind Sie und sind wir 'das dem Hause schuldig; denn wir haben ja Ihre Vorschläge zur Haushaltsdeckung im Haushaltsausschuß erfahren, und ich nehme nicht an, daß das vertrauliche Mitteilungen waren. Da ist doch sehr klar gesagt worden, daß von den 41,9 Milliarden DM Haushaltsvolumen nur 40,7 Milliarden durch Steuern gedeckt werden können und daß eine Deckungslücke von 1,2 Milliarden besteht. Ich hätte doch erwartet, daß man das auch dem Hause sagt und auch sagt, wo man diese 1,2 Milliarden hernehmen will.
Man wird mit dieser Deckungslücke nur dadurch fertig, daß man zwei Kunstgriffe anwendet. Der eine Kunstgriff ist ein alter Bekannter. Bisher haben wir im Haushaltsgesetz dem Finanzminister immer wieder die Vollmacht gegeben, im Lauf des Haushaltsjahres einen Globalabstrich vorzunehmen, wenn es notwendig werden sollte. Diesmal soll dieser Abstrich bis zu der unwahrscheinlichen Höhe von 9 % gehen können. Über die Anforderungen an die Verwaltungen, die mit einem solchen Globalabstrich bisher verbunden waren, will ich nicht sprechen. Aber bisher war es wenigstens eine Möglichkeit im Nachhinein. Diesmal jedoch, meine Damen und Herren, soll die Globalkürzung von 6 % 800 Millionen DM bringen, und die will man als Mindereinnahme in den Haushalt einsetzen.
Da frage ich nun unsere Haushaltsplaner, was das soll. Warum hat man, wenn man das will, wenn man ganz grundsätzlich alle nicht durch Gesetz festgelegten Ausgaben um 6 % kürzen will, damit das Haushaltsvolumen auf die entsprechende Deckungsmöglichkeit kommt, das nicht schon bei den Ansätzen, bei der Aufstellung des Haushalts getan?
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Das muß gefragt, es muß auch, wenn ich bitten darf, beantwortet werden. Ich habe gehört, daß die Bedenken der Ressorts dabei eine Rolle gespielt haben; aber das kann doch für uns kein plausibler Grund sein.
Es gibt noch eine andere Unbekannte, jedenfalls für mich und bis heute; ich weiß nichts weiter darüber. Um auf die 1,2 Milliarden DM zu kommen - die Differenz zwischen dem Ausgabensoll und der Einnahmeerwartung -, müssen Sie die Möglichkeit haben, bei der Bundesbank das Garantiekonto für
Rüstungsaufträge in den USA aufzulösen; denn die auf diesem Konto liegenden und verbuchten 400 Millionen DM sollen zurückgeführt und als Minderausgabe in den Haushalt eingestellt werden. Auch davon haben wir heute früh nichts gehört. Wir wären interessiert, zu erfahren, ob unsere amerikanischen Freunde damit einverstanden sind oder waren. Besteht Aussicht, daß sie zustimmen? Werden das Deckungsmittel werden, oder werden wir uns weiterhin umsehen müssen?
Erlauben Sie mir, daß ich ein paar Worte zu den Einnahmen sage. Bei den Einnahmen ist man auf Schätzungen angewiesen, und für die Schätzungen ist der Finanzminister nur zum Teil verantwortlich. Mit einer gewissen Befriedigung, ja vielleicht berechtigtem Stolz hat der Herr Bundesfinanzminister die günstige Entwicklung auf diesem Gebiet im letzten Haushaltsjahr gekennzeichnet. Überraschend ist das Bruttosozialprodukt um ein halbes Prozent mehr gestiegen, als die Expertenkommission vorausgesagt hat, und wir haben 1,2 Milliarden DM Steuern mehr eingenommen. Sicher hat das die Sorgen des Herrn Bundesfinanzministers um einen Ausgleich seines Haushalts wesentlich verringert. Er war hier ein richtiger „Franz im Glück".
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So wird auch diesmal wieder das Steueraufkommen um 2,2 bis 2,3 Milliarden DM höher als das des Jahres 1959 geschätzt. Die Mehrbeträge sollen im wesentlichen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer und aus der Umsatzsteuer kommen. Ansätze über die Heizölsteuer habe ich nicht gefunden.
An Lohnsteuer sollen offenbar 800 Millionen DM mehr einkommen. Aber man spricht sicher kein Geheimnis aus, wenn man sagt, daß der Arbeitsmarkt - die Tatsache selber ist sehr erfreulich - praktisch keine Reserven mehr aufweist. Wenn ich es richtig sehe und die Ausweise unseres früheren Kollegen Sabel richtig sind, dann werden im kommenden Jahr doch nicht zusätzliche Lohn- und Gehaltsempfänger steuerpflichtig werden. Man wird es wahrscheinlich abstreiten, aber offenbar erwartet man ein größeres Steueraufkommen aus einer Lohnerhöhung, und das scheint mir kein Element der Konsolidierung, sondern eher ein gewisses spekulatives Element zu sein.
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Auch ist höchst fraglich - Herr Kollege Vogel hat dazu ausgezeichnete Ausführungen gemacht -, wie wir die 3 Milliarden DM im außerordentlichen Haushalt bedienen wollen. Zugegeben, man hat den außerordentlichen Haushalt von 4,2 auf 3 Milliarden DM gedrosselt. Man hat einmal eine Tranche aufgelegt und hat die 300 Millionen DM glatt bekommen. Es wird darüber gestritten, ob das so ganz marktgerecht gewesen oder ob man da nicht ein wenig in das teure Geld hineingeraten sei. Immerhin, das war eine glatte Sache. Aber wenn man glaubt, man könne im Jahre 1960 neben der Deutschen Bundesbahn und der Bundespost den zehnfachen Betrag herausholen, dann möchte ich dagegen sagen, man darf das füglich bezweifeln.
5164 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Lenz ({12})
Ich habe schon im Vorjahr gesagt: wir jagen hinter einem Phantom her, wenn wir glauben, daß der Kapitalmarkt diese Mittel für die öffentliche Hand bereitstellen kann. Was ist bis jetzt herausgekommen? Ganze 300 Millionen DM zu Bedingungen, über die man zweifellos streiten kann. Ich glaube, man wird im kommenden Jahr Überraschungen erleben.
Nun gebe ich Ihnen zu, Herr Bundesfinanzminister - nach meinen Notizen habe ich Sie allerdings einiges dazu fragen wollen -, es hat mich beeindruckt, was Sie in Ihrer Rede heute früh gesagt haben. Sie haben erklärt: Ich kann nicht sagen, ob ich alle Ansätze im außerordentlichen Haushalt bedienen kann; hier sind Unsicherheitsfaktoren. Diese Bemerkung genügt an sich schon; denn sie wird ganz sicher manchen Zweifel und manche Sorge nehmen. Nur ist eben die Frage, ob man von diesen Ausgaben im Extraordinarium herunterkommen kann. Das wird wahrscheinlich gar nicht so sehr vom guten Willen des Bundesfinanzministers abhängen, denn Staatsausgaben haben nun einmal eine gewisse Zwangsläufigkeit in sich.
Ich darf noch zu einigen weiteren Punkten allgemeiner Art in diesem Haushalt Stellung nehmen. Ein weithin sichtbares beeindruckendes Element ist die Tatsache, daß der „Juliusturm" nicht mehr existiert; er wurde geschleift, und zwar sehr schnell, schneller - ich gebe Ihnen das ganz offen zu -, als ich erwartet habe, vielleicht auch schneller, als nötig gewesen wäre. Ich bin mit Ihnen, Herr Vogel, der Meinung, daß darüber nicht so rasch hätte hinweggegangen werden dürfen. Ich sage nichts von der vorzeitigen Schuldentilgung der Nachkriegswirtschaftshilfe an die USA und Großbritannien. Schulden bezahlen ist zu jeder Zeit eine gute Sache. Dagegen will ich nichts sagen.
Aber der sprunghafte Anstieg der Verteidigungsausgaben in den letzten beiden Monaten des abgelaufenen Rechnungsjahres, im Februar und März 59, haben es mir angetan. Damals wurden - das scheint sich auch noch in diesem Rechnungsjahr fortgesetzt zu haben - Vorauszahlungen für Rüstungslieferungen in einem derartigen Ausmaß geleistet, daß man sich fragen muß, ob das wirtschaftlich noch vernünftig ist. Sicherlich ist die Behauptung richtig, daß die Vorauszahlungen auf künftige Lieferungen die Haushalte der nächsten Jahre finanziell nicht mehr belasten. Soweit gut. Aber wenn diese Vorauszahlungen für Lieferungen, die erst in einigen Jahren erfolgen sollen, einen Umfang von 100 % erreichen, dann ist die wirtschaftliche Vernunft eines solchen Verhaltens recht zweifelhaft, ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, ob wir uns nicht nach zehnjährigem Bestehen der Bundesrepublik vielleicht - ich weiß es nicht, ich verstehe nichts davon - eine neue Verteidigungskonzeption überlegen müssen.
Alles das war mindestens der Überlegung wert, und es wäre Zeit dafür gewesen. Jetzt sind schon Riesenbeträge festgelegt. Vorauszahlungen in dieser Höhe sind in der Wirtschaft nicht üblich. Selbst bei größten Aufträgen erreichen die vereinbarten Anzahlungen im allgemeinen höchstens 30 v. H. der
Auftragssumme. Man kann sich - das weiß ich - in der Wirtschaft höhere Anzahlungsforderungen „bestellen" ; das soll gelegentlich vorkommen. Aber mit wirtschaftlicher Vernunft hat das nichts zu tun.
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Die Bundesregierung hat vor Jahren mit den USA ein Werterstattungshilfeabkommen geschlossen. Danach ist die Bundesregierung verpflichtet, für Rüstungsaufträge in den USA 15 % der Auftragssumme einzuzahlen. Weitere 25 % sollen auf den Garantiekonten bei der Deutschen Bundesbank hinterlegt werden. Das sind die Summen, die wir ganz gern zur Haushaltsdeckung hätten. In Wirklichkeit aber sind Einzelbestellungen in den USA bis zu 100 % angezahlt worden. Ich frage: Auf Grund welcher Verpflichtungen geschah das? Ist die Bundesrepublik ein so schlechter Schuldner geworden? Herr Finanzminister, Sie haben heute früh dem Hause eindrucksvoll erklärt: Mein Ziel ist, Deutschland zu einem guten, zu einem vertrauenswürdigen Schuldner zu machen. - Sollten wir das nicht sein? Welche Gründe lagen hier vor?
Meine persönliche Vermutung ist, daß der Finanzminister - ich kann das angesichts einiger Vorgänge im Hohen Haus auch verstehen - vor das Plenum und vor die Öffentlichkeit hintreten und sagen wollte: Ich habe kein Geld mehr, ich muß Schulden machen, um den laufenden Verpflichtungen nachkommen zu können, und hier im Hause sollen keine neuen Ausgaben bewilligt werden.
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Es werden heute die Schwierigkeiten beklagt - und sie bestehen tatsächlich -, die der Bund bei seinem Vorhaben hat, den Bedarf des außerordentlichen Haushalts auf dem Kapitalmarkt zu decken. Demgegenüber muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß jene überhöhten Vorauszahlungen einer der wesentlichen Gründe dafür sind, daß der Bund vorzeitig, jedenfalls früher, als seine Kassenlage es nötig gemacht hätte, an den Kapitalmarkt gehen muß. Der Bund muß sich jetzt verschulden und die Schulden verzinsen, um überhöhte Vorauszahlungen leisten zu können. Diese Finanzpolitik kann ich beim besten Willen nicht mehr als sparsam und wirtschaftlich bezeichnen.
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In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Etatgestaltung des Verteidigungshaushalts! Bei der Durchsicht dieses Haushalts fällt auf, daß auch für 1960 ebenso wie für 1959 die Ansätze für Einzelbaumaßnahmen - also Kasernenneubauten, Instandsetzung von Kasernen, Errichtung von Depots, Bau von Truppenübungsplätzen, Lazarettbauten usw.; es ist Kap. 14 12 - ohne Geldansätze als Leertitel veranschlagt sind. Gespeist werden sollen diese Ansätze aus den Ausgaberesten früherer Rechnungsjahre, ganz gleichgültig, ob dieses Geld damals für diese Zwecke bewilligt worden war. Wir haben doch damals - es war vielleicht ein Fehler - globale Summen bewilligt, „Baumaßnahmen aller Art" und dgl. Man hat zunächst versucht, mit diesen
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Resten hin- und herzujonglieren. Aber schließlich sind sie in einen großen Topf geworfen worden, und daraus werden nun Einzelvorhaben finanziert. Das ist eine technisch interessante Lösung, ich habe aber Zweifel, ob man sich da noch durchfinden kann. Ich behaupte, ein Parlamentarier ist nicht mehr in der Lage - ich jedenfalls nicht -, herauszufinden, für welche Zwecke die Mittel ursprünglich bewilligt waren. Bei der Größenordnung, um die es hier geht, sollte dieses Verfahren vom Hohen Haus nicht mehr hingenommen werden.
In den Jahren 1956 bis 1958 wurden für Neubaumaßnahmen rund 5 Milliarden DM bewilligt, von denen bis Ende 1958 noch nicht einmal 1,5 Milliarden ausgegeben sind. In dem großen Topf für militärische Bauten stecken noch über 3,2 Milliarden DM. Wo bleiben hier die tragenden Grundprinzipien der Haushaltsordnung, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit?
Wir sollten jetzt wirklich mit dem Versteckspiel aufhören und den tatsächlichen Bedarf für das Rechnungsjahr veranschlagen. Das gilt auch für die übrigen Beschaffungsprogramme der Bundeswehr. Wenn wir so verfahren, brauchen wir die Neudeckung der Reste gar nicht; die werden nämlich dadurch überflüssig, daß die Ausgabenreste im gleichen Umfange gestrichen werden.
Der Bundesfinanzminister hat in seiner vorjährigen oder vorvorjährigen Haushaltsrede mit einem großen Paukenschlag den Subventionen seinen Kampf angesagt. Ich will mich darüber jetzt nicht verbreitern. Aber was ist eigentlich geschehen? Sicher wird in der morgigen Debatte einiges darüber zur Sprache kommen. Ich will deshalb den Ansatz von 200 Millionen DM im Landwirtschaftshaushalt nicht kritisieren. Die Tendenz ist ja, dem Verbraucher zu helfen, obwohl die Frage gestellt werden kann, ob die Einfuhr- und Vorratsstellen ihre marktregulierende Aufgabe wirklich erfüllt haben. In diesem Jahr wäre doch wohl die Bewährungsprobe für diese Stellen gewesen, und man hat allgemein den Eindruck: in diesem Jahr haben sie versagt. Zudem gibt es einzelne Fälle, in denen die Methode, zu subventionieren, kritisiert werden muß, etwa beim Getreide. Bei einem Überhang geht die Subvention auf die Futtermittel über, und bei einer Dürre, wenn die Futtermittel knapp werden, werden auch diese subventioniert. Wir haben eine dreimalige Subventionierung bei einem und demselben Vorgang. - „Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode"!
Als großer Mangel muß empfunden werden, daß die Mittel des Grünen Planes 1960 wiederum in einer Globalsumme veranschlagt sind. Die Aufgliederung werden wir also wie in früheren Jahren durch eine förmliche Ergänzung frühestens im März nächsten Jahres erhalten, wenn die Haushaltsberatungen praktisch abgeschlossen sein müssen, da der Haushalt am 1. April 1960 in Kraft treten soll. Dieses Verfahren sollten wir ebenfalls abstellen. Der Einwand, daß der Grüne Bericht, der erst zum 15. Februar im Bundestag zu erstatten ist, die Grundlage für den Grünen Plan bildet, stimmt in diesem Jahr nicht mehr. Durch die Umstellung des
Rechnungsjahres ergibt sich für die Haushaltsaufstellung ein neuer Terminplan. Der zum 15. Februar jeden Jahres zu erstattende Grüne Bericht fällt bereits in die Zeit nach Beginn des neuen Rechnungsjahres. Der zum 15. Februar 1960 zu erstattende Bericht kann also nur die Unterlage für den Haushalt 1961 sein, der zu diesem Zeitpunkt schon aufgestellt und dem Finanzminister vorgelegt werden muß. Dieser Tatsache hätte man schon für das Rumpfrechnungsjahr 1960 Rechnung tragen sollen. Wir sollten daher die Bundesregierung ersuchen, die Einzelanforderungen für den Grünen Plan 1960 sofort auf Grund des vorjährigen Grünen Berichts mit den inzwischen bekanntgewordenen Änderungen vorzulegen.
Ein anderes tragendes Prinzip der Reichshaushaltsordnung scheint mir für diesen neuen Haushalt nicht ausreichend beachtet worden zu sein. Ich werde den Eindruck nicht los, daß eine ganze Menge von Entscheidungen, die in den Haushalt gehören, außerhalb des Haushalts getroffen werden.
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Ich fordere das Hohe Haus auf, wachsam zu sein. Es geht hier, glaube ich, nicht um die Möglichkeit von Konflikten zwischen Opposition und Regierung, sondern es geht um Parlament und Regierung. Ich habe den Eindruck, dieser Haushalt ist nicht vollständig. Im Haushaltsentwurf 1960 sind z. B. keine Ansätze für Leistungen des Bundes nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes zur Bereinigung der finanziellen Auseinandersetzungen des Bundes mit den Rentenversicherungsträgern aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Renten-Neuregelungsgesetze vorgesehen. Nach einer Vorschrift des Haushaltsgesetzes soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, den Rentenversicherungsträgern für diesen Zweck 200 Millionen DM in Schuldbuchforderungen zuzuteilen. Entgegen der Verkündung des Herrn Bundesarbeitsministers, der am 6. November, also vor einem Monat, hier an dieser Stelle wörtlich erklärte, daß die Bundesregierung in den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1960 als Teilbetrag 200 Millionen DM einsetzen werde, fehlt im Haushaltsplan ein Ansatz dafür. Die Vorschrift des Haushaltsgesetzes gibt lediglich die gesetzliche Ermächtigung im Sinne des Art. 115 des Grundgesetzes wieder; es handelt sich nur um eine Kreditermächtigung. Aber sowohl eine Kreditaufnahme wie auch eine Leistung des Bundes durch Hergabe von Schuldbuchforderungen an Stelle einer Barleistung bedürfen einer haushaltsmäßigen Bewilligung. Ich stelle fest, daß die Bewilligung nicht erteilt worden ist.
Außerdem vermisse ich einen Ansatz für die Verpflichtungen des Bundes auf Grund des bekannten Karlsruher Urteils zum Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen. Ferner sind im Haushaltsentwurf 1960 keine Mittel für die von der Bundesregierung schon seit geraumer Zeit beschlossenen und verkündeten Hilfsmaßnahmen für den Kohlenbergbau enthalten. Dieses Versäumnis dürfte durch die Tatsache, daß die ersten Ausgaben für diesen Zweck noch im laufenden Rechnungsjahr ge5166
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leistet werden sollen, nicht geringer werden. Die Gründe dafür, daß keine Mittel für diese Maßnahmen angesetzt sind, sind nicht ganz ersichtlich; denn in allen Fällen handelt es sich unbestritten um Leistungsverpflichtungen oder Leistungszusagen des Bundes. Darf man vermuten, daß die Ausgaben absichtlich nicht ausgewiesen wurden, um die Ausgabensteigerung nicht noch gewaltiger erscheinen zu lassen, als sie ohnehin schon ist?
Wir sollten uns nicht mit dem Hinweis zufrieden geben, daß man die Ansätze bei der Beratung im Ausschuß noch nachschieben kann. Das Verfahren des Nachschiebens ist von der Bundesregierung schon zu oft praktiziert und strapaziert worden. Nachher heißt es dann: Der böse Bundestag hat das Haushaltsvolumen erweitert.
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Das Verfahren, daß wir durch Nachschublisten gezwungen werden, erst im Haushaltsausschuß Beträge, die oft in die Hunderte von Millionen DM gehen, zu bewilligen, darf nicht zu Lasten des Parlaments gehen. Das ist kein guter Stil. Ich wehre mich gegen dieses Verfahren und bitte darum, daß sich auch das Hohe Haus gegen dieses Verfahren zur Wehr setzt.
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Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Ansätze für das Saarland unzureichend sind. Das gleiche Spiel wird auch mit der Bundeshilfe für Berlin getrieben. Wir erleben doch Jahr für Jahr, daß ein geringerer Betrag als im gerade laufenden Haushalt eingesetzt wird, und der Haushaltsausschuß muß dann die Ausgabe auf die Höhe bringen, die inzwischen von der Bundesregierung und dem Land Berlin ausgehandelt worden ist. Für das Jahr 1960 ist die Berlin-Hilfe gegenüber 1959 um 185 Millionen DM gekürzt worden, und das, soweit mir bekannt ist - ich lasse mich gern korrigieren; ich würde mich freuen, wenn es nicht wahr wäre -, ohne vorherige Verhandlungen mit Berlin. Der Schwarze Peter wird also hier wieder einmal dem Parlament zugeschoben.
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Wir begrüßen den Fortschritt im neuen Haushaltsgesetz, der hinsichtlich der abgewandelten Inkraftsetzung der Vorschrift über die Fehlbedarfsdeckung unverkennbar zu verzeichnen ist. Wenn diese Regelung erhalten bleibt und zum festen Bestandteil der künftigen Haushaltsgesetze wird, ist die Gefahr, die von den überhöhten Ausgaberesten der Vergangenheit ausgeht, praktisch neutralisiert.
Noch ein Wort zur Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr. Das Umstellungsgesetz ist heute früh vom Hohen Hause verabschiedet worden. Meine Freunde und ich haben schon seit langem das Rechnungsjahr als Kalenderjahr für die gesamte öffentliche Finanzwirtschaft angestrebt. Ich möchte aber vor der Hoffnung warnen, daß die Umstellung des Rechnungsjahres dem Parlament etwa mehr Zeit für seine Haushaltsberatungen gibt und daß es dadurch möglich sein wird, den Haushaltsplan tatsächlich zu Beginn des Rechnungsjahres in Kraft zu setzen. Das wäre ein gefährlicher Irrtum. Der Zeitdruck wird nicht von uns genommen. In diesem Jahr haben wir eine Chance. Wir haben die Chance, daß wegen der Uberrollung der Personal- und Sachausgaben die Ausschußberatungen kürzer werden. Im nächsten Jahr aber, in einem Vierteljahr oder in vier Monaten, kommt bereits ein vollständiger Haushaltsplan für das Jahr 1961 auf uns zu. Er wird in allen Einzelheiten zu beraten sein.
Nun steht das Parlament vor einem regelrechten Dilemma. Entweder wird der Haushaltsplan 1961 - wie in früheren Jahren - mit drei bis vier Monaten Verspätung verabschiedet oder der Bundestag kürzt seine Beratungen ab; im letzten Falle kürzt er sein Budgetrecht, und er verzichtet auf eine genaue Durchleuchtung. Der Regierung dürften wahrscheinlich beide Wege recht sein, denn in beiden Fällen ist es ihr Vorteil. Eine Verzögerung der Verabschiedung des Haushalts beeindruckt die Regierung wenig, denn sie kann mit Hilfe des Art. 111 des Grundgesetzes frei und munter im bisherigen Rahmen weiter wirtschaften und gestützt auf Art. 112 des Grundgesetzes kann sie sogar höhere Ausgaben als im Vorjahr leisten oder neue Ausgaben veranlassen, wenn sie glaubt, daß ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Eines ist jedenfalls sicher: die parlamentarische Prüfung der Maßnahmen kommt in jedem Falle zu spät. Dieser Tatsache wird von uns zuwenig Beachtung geschenkt. Wie oft schon haben wir „ohne Bedenken" von solchen Dingen Kenntnis genommen oder irgendeinen Betrag bewilligt, weil es keinen Sinn mehr hatte, über die Dinge zu diskutieren.
Ich betone hier ausdrücklich, daß dieses Verfahren, das einen gefährlichen Kern hat, bis jetzt zu ernsten Konflikten nicht geführt hat, weil der Finanzminister in diesen Fragen ausgesprochen loyal gehandelt hat. Ich möchte das ausdrücklich betonen, damit nicht der Verdacht aufkommt, es handele sich um eine Frage der Person; hier geht es um die Institution. Es kann ja auch einmal anders kommen - es ist nicht vorgeschrieben, so zu handeln --; dann liegt die Schuld bei uns.
Der Bundestag - wir, das Parlament - kann kein Interesse daran haben, daß der Haushaltsplan verspätet verabschiedet wird. Wir können auch kein Interesse daran haben, daß unser Budgetrecht gekürzt wird. Wir dürfen uns dieses Recht auch nicht selber beschneiden. Deshalb sollten wir ernsthaft nach Wegen suchen, die unseren Interessen gerecht werden.
Der Vorschlag, den der verehrte Kollege Schoettle vor Jahren gemacht hat, nach der Einbringung des Haushalts etwa zwei bis zweieinhalb Monate für Ausschußberatungen plenarfrei zu halten, hat sich nicht verwirklichen lassen, und er wird sich bei dem Arbeitsanfall des Hauses auch nicht verwirklichen lassen. Auch meine schon vor Jahren vorgebrachte Anregung, für den Verwaltungsteil einen Mehrjahreshaushalt aufzustellen, bringt nur in dem jeweiligen Überollungsjahr eine Erleichterung. Wir müssen daher versuchen, die vielschichtige und umfangreiche Beratungsmaterie auf andere Weise zu entLenz ({22})
zerren und die Beratung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen.
Ich bitte deshalb, daß ich Ihnen einen alten, ein wenig abgewandelten Vorschlag machen darf. Lassen Sie uns im Haushaltsausschuß jeden neuen Haushaltsplan immer nur mit den Vorjahresansätzen der Personal- und Sachausgaben verabschieden. Wir sparen damit sehr viel Zeit, gerade so viel Zeit, wie nötig ist, um die eigentlichen Zweckausgaben des Bundes zu prüfen. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung den Auftrag erhalten, ihr notwendig erscheinende Änderungen des Personal- und Sachaufwandes, die gar nicht bestritten werden sollen - das kann jedes Jahr vorkommen -, in der Form eines Nachtragshaushalts vorzulegen. Dieser kann sofort nach der Verabschiedung des Haushaltsplans im Bundestag beraten werden und nach einer Zeitspanne verabschiedet sein, die etwa der Verzögerung entspricht, die bisher jeder Haushalt erlebte.
Damit ist also im Grunde gar nichts verloren, aber für mein Empfinden sehr viel gewonnen. Der Haushaltsplan kann fristgerecht in Kraft treten, die Veränderungen bei den Personal- und Sachausgaben werden noch für das neue Rechnungsjahr wirksam; sie bilden die Grundlage für den Haushaltsentwurf des nächsten Jahres. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, daß die Personal- und Sachforderungen der gesamten Bundesverwaltung einmal hintereinander beraten werden können. Dadurch ergeben sich ausgezeichnete Möglichkeiten für Vergleiche; man kann dabei schön Querschnitte ziehen. Ich kann mir vorstellen, daß die Regierung von diesem Vorschlag nicht sehr erbaut ist, denn sie profitiert vom Zeitdruck.
Ich komme zum Schluß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der größten Unbekannten in diesem vielschichtigen Komplex des Haushalts sind wir, ist das Parlament. Schon einmal hat mit der Einrichtung des sogenannten Kuchenausschusses eine verhängnisvolle Entwicklung ihren Lauf genommen. Ich fürchte, wir müssen wieder damit rechnen. Wir sollten uns vornehmen, in diesem Haushalt keine Erhöhungen zu bewilligen. Ich bitte den Finanzminister, sich hier als Sturmbock oder Deichhauptmann - er kann sich den Ausdruck, der ihm lieber ist, heraussuchen - zu erweisen.
Eines ist sicher: wir haben keine Reserven mehr, der Juliusturm ist endgültig geleert. Aus der Rede des Finanzministers dürfen wir 'entnehmen, daß neue Steuererhöhungen nicht in Betracht gezogen werden; die Erhöhung der Mineralölsteuer, der Heizölsteuer, vielleicht auch der Grundsteuer anerkennt er nicht als Steuererhöhung.
Ich sage aber noch einmal: es ist ein Haushalt der Unsicherheit: es können Einnahmen ausfallen, es gibt unvorhergesehene und unabweisbare Ausgaben, wir können den Garantiefonds vielleicht nicht absetzen, oder die 6 %ige Kürzung klappt nicht, und das kunstvolle Gebilde des Ausgleichs bricht zusammen. Wir glauben deshalb nicht so recht daran, daß wir bereits stabile Finanzen haben. Wir sind in großer Sorge, und mit uns sind es alle Gutmeinenden. Warum hört man nicht stärker auf den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, der in
den letzten Tagen einige sehr eindrucksvolle Worte zu diesem Problem gesagt hat?
Wir verfolgen mit Kritik und mit Ernst den Gang des Finanzministers auf einem schmalen Grat, des Finanzministers, der umdroht ist vom Steinschlag neuer Ausgaben und der sich ein wenig von optimistischen Steuerschätzungen und von der Steigerung des Sozialprodukts in Sicherheit wiegen läßt und getrieben ist von den Forderungen des Staatsapparates, dem der Bundeskanzler nicht oder zu spät die nötigen Zügel anlegt. „Etzel werde, sei und bleibe hart!"
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Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ein Bundeshaushalt, der einem auf den Tisch gelegt wird, stellt, bildlich gesprochen, ein Riesenbukett dar, in dem viele Blumen sind, schöne und weniger schöne, solche, die wir besonders gerne haben, und solche, auf die wir auch verzichten könnten. Je nach Veranlagung wird der einzelne die Blumen, die er liebt, besonders loben und andere, die er weniger mag, deren Farbe ihm nicht paßt, kritisieren.
Das Parlament muß sich allerdings, wenn es dieses Bukett des Haushaltsplans sieht, daran erinnern, daß es eine Funktion hat, nämlich die Funktion der Kontrolle und damit auch die Funktion der sachlichen Kritik. Ich spreche dabei vom gesamten Parlament, weil ich der Auffassung bin - das kann gar nicht oft genug klargestellt werden -, daß die Regierungsparteien bei sachlicher, positiver Kritik genauso an dieser Aufgabe der Kontrolle mitarbeiten wie etwa die Opposition. Allerdings wird man bei uns die Kritik gepflegter halten. Sie wird nicht spektakulär sein, sie wird vielleicht auch nicht auf dem offenen Markt ausgetragen. Aber sie braucht deshalb nicht weniger intensiv zu sein.
Vor allem muß eine Kritik - und damit komme ich zu einigen Ausführungen von Herrn Kollegen Ritzel - eine ganze Sache sein. Das heißt, es darf nicht nur die eine Seite des Problems aufgerissen, sondern es muß das ganze Problem dargestellt werden. Herr Kollege Ritzel hat beispielsweise daran Kritik geübt, daß der Bundesfinanzminister in der Frage der Subventionen - so habe ich ihn verstanden - zuwenig forsch vorgegangen sei. Er hat es aber unterlassen zu sagen, welche Subventionen er im Bundeshaushalt streichen will. Will er die Subventionen des Einzelplans 10 für die Landwirtschaft streichen? Will er die Subventionen für die Industrie streichen? Das hätten wir gern gewußt. Dann hätten wir konkret Stellung nehmen und sagen können: Nein, Herr Kollege Ritzel, das können wir aus den und den Gründen nicht mitmachen.
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- Ich gehe davon aus, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß Herr Kollege Ritzel gesagt hat, da müsse noch mehr herausgestrichen werden. Dann hätte er konsequenterweise auch sagen müssen, was denn herausgestrichen werden soll.
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- Wollen wir das doch in aller Ruhe, gar nicht polemisch erörtern! Geben Sie uns doch einmal Ihren Haushaltsplan, nicht in Kapiteln und Titeln, sondern in den wesentlichen Zügen; sagen Sie uns doch einmal an: soundso viel Milliarden wollen wir für die Landesverteidigung ausgeben, soundso viel für die sozialen Aufgaben, soundso viel für den Straßenbau, soundso viel für andere Aufgaben. Dann können wir die Rechnung aufmachen, dann können wir addieren und können Sie fragen: Woher nehmen Sie die Einnahmen?
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- Herr Kollege Schäfer, Sie könnten sich für Ihre Fraktion ein Verdienst erwerben, wenn Sie uns einmal einen SPD-Etat in großen Zügen darstellten.
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Meine Damen und Herren! Ich bin ausgegangen von dem Blumenstrauß, den ein solcher Bundeshaushalt darstellt, in dem also sehr Angenehmes und auch weniger Schönes ist. Es ist nicht meine Aufgabe, nun als Angehöriger einer Regierungspartei im einzelnen das herauszustellen, was besonders gut und angenehm ist. Wir, die wir die Regierung tragen, halten es für selbstverständlich, daß unsere Regierung einen guten Haushaltsplan vorlegt, daß sie die Probleme, die uns politisch besonders wichtig sind, auch im Haushaltsplan zur Geltung bringt. Ich will deshalb hier davon absehen, Einzelheiten anzuführen. Ich will nicht auf die mehr als 700 Millionen DM zusätzlich für den Verkehrsetat hinweisen, auch nicht auf die wesentliche Erhöhung für den Sozialetat oder auf die Erhöhungen im kulturellen Bereich. Aber wenn ich von den guten und angenehmen Seiten spreche, möchte ich doch ein Positivum herausstellen, das nach meiner Kenntnis der Dinge bisher noch zu wenig gewürdigt worden ist: Wir haben zum erstenmal einen Etat, in dem mit der Übung, die beinahe Gewohnheitsrecht geworden wäre, gebrochen wurde, daß wir alljährlich soundso viele neue Planstellen, soundso viele Stellenhebungen zu beraten haben. Bei Beginn unserer Bemühungen auf diesem Gebiet hat es manchmal den Eindruck gemacht, als ob unsere Bemühungen erfolglos sein müßten. Ich sage das ganz offen. Es ist doch eine gute Sache, daß wir hier nun einen Erfolg feststellen können.
Wenn Herr Kollege Ritzel vorhin die 20 000 Stellenhebungen im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums, das ja aus unserer bekannten Entschließung im vergangenen Haushalt naturgemäß ausgenommen werden mußte, so sehr betont hat, so hat er nach meiner Meinung wiederum nicht
ganz der Wahrheit die Ehre gegeben. Es ist theoretisch, formell richtig, formaljuristisch kaum etwas zu beanstanden. Aber man muß, wenn man von 20 000 Stellenhebungen spricht, auch sagen, um was es sich dabei handelt: daß es sich nicht darum handelt, Oberste zu Generälen, Oberstleutnante zu Obersten und Majore zu Oberstleutnanten zu befördern, sondern darum, daß eine ganz große Gruppe der Obergefreiten in Hauptgefreitenstellen übergeführt werden sollen. Wir werden gerade diese Fragen im Haushaltsausschuß streng prüfen, und ich möchte heute schon sagen, daß Sie - wahrscheinlich genauso wie ich - nach strenger Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommen werden: „Ja, bei diesen kleinen Leuten können wir nicht gut nein sagen." Hier aber wird es als ganz großer Gegenstand der Kritik herausgestellt. Ich betone noch einmal: ich sage das nicht polemisch, sondern deshalb, weil es mir darum zu tun ist, an den Positionen eine Kritik vorzunehmen, die in der Sache selber weiterführt. Auch ich will ja Kritik üben; und ich übe auch Kritik.
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Ich komme gleich zu einem der Punkte, wo ich etwas zu kritisieren habe. Eine Sache, die mir ganz und gar nicht gefällt - auch Herr Kollege Lenz hat sie schon kurz angesprochen, und ich habe im Haushaltsausschuß mit dem Herrn Bundesfinanzminister schon gehadert - ist die sechsprozentige Kürzung; es ist eine äußerst unschöne Sache in diesem Haushalt. Eine sechsprozentige Kürzung - sie ist schon mehrere Jahre alt, ist also auch schon in den vergangenen Jahren geübt worden - kann das eigentliche Klassenziel nicht erreichen, weil das Überraschungsmoment wegfällt, weil die Verwaltung diese 6 Prozent automatisch schon bei ihren Anforderungen einschließt; diese Maßnahme ist also sinnlos geworden, nur noch ein Widerspruch mit der Haushaltswahrheit. Ich bin dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar, daß er in der Haushaltsausschußsitzung erklärt hat, er werde sich bemühen, im nächsten Jahr von dieser unschönen Pauschalkürzung Abstand zu nehmen.
Eine andere Sache, die mir ebenfalls nicht gefällt: das Anwachsen des Haushaltsvolumens. Rund 2 Milliarden DM mehr als im vergangenen Jahr! Keine Tatsache des Haushalts hat in der Öffentlichkeit so großes Aufsehen erregt wie gerade diese. Ich bin überzeugt, der Herr Bundesfinanzminister ist derjenige, dem dieses Ansteigen am unangenehmsten ist. Er hat ja nur das auszuführen, was das Plenum des Bundestages in den Spezialgesetzen beschlossen hat, er hat am Schluß nur noch zu addieren, und dann kommt eben die Summe heraus.
Im übrigen habe ich - das wird Sie interessieren -, weil ich schon in den früheren Jahren gerade der Frage des Anwachsens des Haushaltsvolumens immer besondere Bedeutung beigemessen habe, Vergleiche zwischen Haushaltsvolumen und Sozialprodukt angestellt und habe die für mich erfreuliche Tatsache festgestellt, daß wir seit 1950 im großen und ganzen - es gibt natürlich Variationen - ungefähr beim gleichen Prozentsatz des Haushaltsvolumens zum Sozialprodukt geblieben sind.
Das mag vielleicht ein kleiner Trost bei dieser sonst nicht sehr schönen Sache sein.
Herr Bundesfinanzminister, ich habe mit Aufmerksamkeit Ihre Ausführungen zur konjunkturpolitischen Lage gehört. Wir alle sind uns wohl darin einig, daß gerade diesen Ausführungen große Bedeutung zukommt. Denn der Einfluß eines 40-Milliarden-Haushalts auf den Ablauf der Wirtschaft, auf die Konjunktur ist natürlich ungeheuer.
Ich glaube, wir müssen mehr, als wir das bisher getan haben, darauf achten - wir, Parlament und Regierung -, daß beispielsweise bei den Hochbauten der öffentlichen Hand, die der Bund, die Länder und die Gemeinden durchführen, eine größere Zurückhaltung geübt wird, als es bisher der Fall war,
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und daß auf diesem Gebiet vor allem auch eine zeitliche Verteilung durchgeführt wird. Vielleicht kommen wir bei der Beratung des Haushalts dazu, uns hier im einzelnen konkrete Vorschläge zu überlegen und diese dann in einer Entschließung zusammenzufassen.
Andererseits haben Sie selbst, Herr Bundesfinanzminister, wenn auch in anderem Zusammenhang, einen zarten Hinweis darauf gegeben, daß diese Sorgen hinsichtlich einer Hochkonjunktur, um nicht zu sagen einer überhitzten Konjunktur, nicht für alle Teile der Bundesrepublik zutreffen.
Nun komme ich - Sie wissen es wahrscheinlich, Herr Bundesfinanzminister, und meinen: Aha, jetzt kommt sein Steckenpferd - auf ein außerordentlich wichtiges Problem zu sprechen, das immer noch zuwenig Beachtung findet, nämlich auf die Tatsache, daß es noch heute viele, viele Gebiete in unserer Bundesrepublik gibt, in denen nicht die Hochkonjunktur, sondern die Arbeitslosigkeit Hauptgegenstand der Sorge ist.
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Das wird einem kaum noch abgenommen, aber es ist so. Hören Sie bitte! Im Jahre 1957 hatten wir im Arbeitsamtsbezirk Cham eine Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 19 %, im Arbeitsamtsbezirk Deggendorf eine Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 16,9 %. Im Bundesgebiet lag der Durchschnitt bei 3,4 %. Im Jahre 1958 hatte der Arbeitsamtsbezirk Cham im Jahresdurchschnitt eine Arbeitslosigkeit von 18,7 %, der Arbeitsamtsbezirk Deggendorf von 17,2 % bei einem Durchschnitt im Bundesgebiet von 3,5 %. Und Ende 1959 hatte der Arbeitsamtsbezirk Cham 11,7 % Arbeitslose, während die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik 1,1 % betrug. Nachdem nunmehr die Bausaison allmählich zu Ende ist, wird die Arbeitslosenzahl abermals steigen, so daß wir voraussichtlich Weihnachten 1959 wieder 15, 16 % aller unselbständigen Erwerbstätigen in diesen Bezirken vor den Arbeitsämtern stehen haben werden, wo sie ihr Arbeitslosengeld zu holen haben.
Warum ist dieses Problem so schwierig? Aus den verschiedensten Gründen, u. a. aber auch deshalb, weil diese Gebiete keinen Anwalt haben, weil sie nicht organisiert sind. In der Massendemokratie gilt
doch nur das, was von Sprechern der großen Verbände gesagt wird. Ich brauche hier unter politisch denkenden Menschen kein Wort darüber zu sagen, daß solche Kontraste - Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und Sorgen wegen der Hochkonjunktur auf der anderen Seite - in unserer Bundesrepublik auf die Dauer zu sozialpolitisch, wirtschaftspolitisch und allgemeinpolitisch außerordentlich unerwünschten Folgen führen müssen, vor allem dann, wenn es sich um Gebiete handelt, die unmittelbare Nachbarn, unmittelbare Anrainer der östlichen Welt sind.
Die Bundesregierung hat bisher im Wege des regionalen Förderungsprogramms zu helfen versucht. Damit sind zweifellos schon sehr gute Erfolge erzielt worden, auch in jenen Gegenden, die ich eben angeführt habe. Vor Durchführung dieses Programms bzw. in der Zeit, wo dieses Programm noch zu gering war, hatten wir in diesen Gebieten ja haarsträubende Verhältnisse. Da hatten wir eine Arbeitslosigkeit von 30, 32 %. Also die Erfolge sind auch dort festzustellen; das darf nicht geleugnet werden. Wir wissen der Bundesregierung Dank dafür, daß wir hier von Jahr zu Jahr immer etwas mehr tun konnten. Fürs nächste aber - und deshalb spreche ich in diesem Jahr überhaupt dieses Problem an - scheint mir eines wichtig zu sein: In diesem Jahr ist erstmals das Darlehen in Höhe von 70 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt. Wir müssen es unbedingt wieder in den ordentlichen Etat umstellen, nicht sosehr deshalb, weil uns etwa die 70 Millionen Darlehen im außerordentlichen Etat nicht sicher genug wären - sie befinden sich dort in bester Gesellschaft mit den Wohnungsbaumitteln usw.; auf die Sicherheit stelle ich es also nicht ab -, sondern einfach deshalb, weil für die Beträge, unterteilt in Zuschüsse und Darlehen, die gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen diesen beiden Gattungen vorhanden sein muß. Diese kann aber nicht mehr durchgeführt werden, wenn das Darlehen im außerordentlichen Etat steht. Ich bin überzeugt, Herr Bundesfinanzminister, daß wir in gütlichem Einvernehmen miteinander zu einem positiven Ergebnis kommen, weil Sie und auch Ihr Staatssekretär für diese Situation Verständnis haben.
Ein weiteres Problem geht uns im Parlament, vor allem die Damen und Herren vom Unterausschuß Zonenrandgebiet, an. Wir müssen überlegen, die Richtlinien zu ändern. Die Richtlinien müssen nach meiner Auffassung in der Weise geändert werden - ich will auf keine Einzelheiten eingehen -, daß eine allzu schematische, nur regional verständliche Handhabung bei der Vergabe der Mittel in Zukunft ausgeschlossen ist. Insgesamt aber möchte ich zu diesem Problem die Bundesregierung bitten, endlich einmal die Sache nicht nur vorn Ressortstandpunkt zu betrachten, sondern von einer Gesamtschau aus.
Dazu gehört viel mehr, als etwa nur Subventionen in irgendeinem Ressort einzusetzen. Dazu gehört beispielsweise auch die Mitwirkung des Verkehrsministeriums. Der Verkehrsminister hat einen Vierjahresplan für den Straßenbau vorgelegt. Zu meinem Entsetzen habe ich festgestellt, daß die Autobahn Nürnberg-Regensburg nicht in dem Plan
enthalten ist. Diese Autobahn wäre eine richtige und geeignete Maßnahme - ich erwähne das nur als Beispiel - zur Erschließung des ganzen Gebiets, von dem ich vorhin gesprochen habe. Warum ist sie nicht im Plan enthalten? Weil man eben im Verkehrsministerium - verständlich wegen der mangelnden Mittel - nur immer die mathematische Lösung sucht und nicht die politische Lösung in den Vordergrund schiebt.
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Ich muß in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Tatsache hinweisen. Wir können auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsförderung nicht auf die tätige Mitarbeit der Länder verzichten. Unter „tätiger Mitarbeit der Länder" verstehe ich etwas mehr als nur die Verteilung der Mittel des Bundes auf die einzelnen Projekte und die Reden darüber. Ich verstehe vielmehr darunter auch die Aufbringung von Eigenmitteln.
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Der Bund kann, glaube ich, die Länder aus der Mitverantwortung für diese Aufgabe nicht entlassen.
Es ist ein Leichtes, etwa im Bundesrat ohne Rücksicht auf die einmal gegebene Haushaltslage eine Erhöhung der Mittel für das regionale Förderungsprogramm zu empfehlen. Ich fürchte, daß bei diesem Antrag das Bestreben der beteiligten Länder eine Rolle spielte, sich selbst auf Kosten des Bundes zu entlasten. Gerade die bei diesem Programm beteiligten Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhalten alljährlich im horizontalen Finanzausgleich hohe Millionenbeträge, nicht zuletzt deshalb, weil diese wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebiete den Finanzkraftdurchschnitt unter den Bundesdurchschnitt herabdrücken. Die Notstands- und Grenzlandgebiete haben deshalb nach meiner Meinung einen moralischen Anspruch, an diesen Mitteln des horizontalen Finanzausgleichs beteiligt zu werden.
Der Bund - ich möchte das ausdrücklich erwähnen - hat bisher gute Arbeit geleistet. Im Jahre 1953 haben wir im wesentlichen angefangen. Damals betrug der Etat für diesen Posten noch 50 Millionen DM, heute ist er auf 132 Millionen DM gestiegen. Ich bin überzeugt, wenn auch die Länder eine solche Entwicklung vorweisen könnten, würde der Bund wieder weiter gehen.
Dieser Punkt, die regionale Wirtschaftsförderung, war ein wichtiger Gesichtspunkt, der nach meiner Meinung im neuen Haushalt nicht genügend beachtet worden ist.
Ich habe noch andere Sorgen. Ich sehe - Herr Kollege Lenz ist auch schon darauf eingegangen in diesem Haushalt einige Risiken. Ich glaube, es wäre falsch, diese Risiken nicht klar anzusprechen. Das eine Risiko besteht zweifellos in der Tatsache, daß ein Betrag von drei Milliarden DM für den Ausgleich des Haushalts durch Anleihen beschafft werden muß. Die Erfahrungen des laufenden Haushalts ermutigen nicht zu der Annahme, daß das so ohne weiteres möglich ist.
Das zweite Risiko, auf das ich näher eingehen möchte, ergibt sich aus den finanziellen Auswirkungen jenes Urteils des Bundesverfassungsgerichts, in dem das Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen für nichtig erklärt wurde. Die unmittelbare Folge dieses Urteils ist, daß die Länder nunmehr vom Bund die Tilgungsbeträge in Höhe von jährlich 110 Millionen DM und die Zinsbeträge in Höhe von 330 Millionen DM erwarten. Herr Kollege Lenz, daß solche Beträge im Haushalt 1960 noch nicht eingestellt sind, finde ich nur natürlich. Es wäre falsch, solche Beträge etwa schon in den Haushalt einzusetzen, weil ja über die Höhe dieser Beträge noch verhandelt werden soll.
Mittelbar hat das Urteil aber zur Folge, daß der Bund alle Kriegsfolgelasten, die in die vielen Milliarden gehen, zu tragen hätte. Es ist selbstverständlich, daß in diesem Falle Artikel 106 des Grundgesetzes angewendet werden müßte, daß also eine Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern vorgenommen werden müßte. Ich glaube, wir haben in Bund und Ländern genug andere Probleme zu lösen und können auf diese neue Belastung gern verzichten, die eine solche Auseinandersetzung zwangsläufig mit sich bringen würde. Ich möchte dies besonders betonen, weil das natürliche Spannungsverhältnis, das nun einmal zwischen Bund und Ländern besteht, nach meiner Ansicht in der gegenwärtigen Zeit doch um einige tausend Volt zuviel Spannung hat. Es ist nicht notwendig, daß wir - wie ich schon sagte - angesichts der sonstigen Probleme auch noch diese unnötige Spannung heraufbeschwören.
Ich möchte deshalb Sie, Herr Bundesfinanzminister, bitten, alles zu tun, um mit den Ländern zunächst einmal hinsichtlich der unmittelbaren finanziellen Folgen des Urteils ins reine zu kommen. Allerdings müßte dabei gleichzeitig bezüglich der mittelbaren Folgen des Urteils Einvernehmen darüber hergestellt werden, daß es insoweit bei der bisherigen Regelung bleibt. Dieses Einvernehmen müßte auch in einer verfassungsrechtlich unangreifbaren Form festgelegt werden. Die Länderfinanzminister, die die Haushaltslage des Bundes genau kennen, müssen wissen, daß Ihr Verhandlungsterrain, Herr Bundesfinanzminister, nicht sehr groß ist. Keinesfalls könnten Sie, Herr Bundesfinanzminister, etwa nach den Verhandlungen mit den Ländern mit der Forderung nach Steuererhöhungen in den Bundestag zurückkommen, mit der Forderung nach Steuererhöhungen, die ihren Grund nur in der Umverteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern hätten. Ich kann Ihnen Brief und Siegel geben, daß Sie hierfür niemals eine Mehrheit des Bundestages finden würden, und am allerwenigsten würden Sie hierfür das Verständnis des Steuerzahlers finden, der natürlicherweise nur an die Belastung als solche denkt und dem es völlig egal ist, wo seine Steuer hingeht, zum Bund oder zum Land.
Nun noch ein Anliegen, das Sie vielleicht nur aus dem Mund eines bayerischen Abgeordneten verstehen! In die erwähnten Verhandlungen bezüglich der Tilgung der Zinsforderungen sollte tunlichst
auch das Problem der Leistungen des Bundes auf kulturellem Gebiet eingeschlossen werden,
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wenigstens mit dem Ziel, endlich eine gewisse Flurbereinigung herbeizuführen, und mit dem Ziel, das heillose Durcheinander von Zuständigkeiten und von Töpfchenwirtschaft,
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das auf diesem Gebiet allmählich eingerissen ist, etwas abzubauen und einzudämmen. Die deutsche Öffentlichkeit und zum Teil auch die Kultusminister der Länder und ihre Verwaltungen machen es sich häufig zu leicht auf diesem Gebiet. Wo immer im kulturellen Bereich - und wir haben das heute auch schon wieder einmal in der Diskussion gehört - irgendwelche Unzulänglichkeiten der vorhandenen Mittel festgestellt werden, ruft man sofort nach dem Bund um finanzielle Hilfe. An die Zuständigkeit der Länder erinnert man sich gar nicht. Die Anziehungskraft des größeren Etats ist auf keinem Gebiet so sichtbar wie gerade auf diesem. Die einen rufen nach der Hilfe des Bundes; andere, die vielleicht den Ruf nach Bundesmitteln selbst gar nicht erheben, sehen diesem Treiben untätig zu, weil sie bei Gewährung der Bundeshilfe nicht genötigt sind, sich im eigenen Haus oder im eigenen Land mit ihren Forderungen durchzusetzen.
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Viel zuwenig wird bei all dem bedacht, daß mit der Vergabe der Mittel auch die tatsächliche Zuständigkeit verbunden ist,
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und nachträglich entstehen dann wie immer die bekannten Kompetenzstreitigkeiten. Denken Sie nur an den allerjüngsten Fall auf diesem Gebiet! Der Bundesinnenminister läßt die Denkschrift eines Referenten über die Lage an den deutschen Universitäten veröffentlichen. Es ist keine offizielle Denkschrift des Bundesinnenministers; es ist die Arbeit eines Referenten. Der Bundesinnenminister gibt sein Vorwort. Die Länder wehren sich sofort dagegen und sagen: Was geht das den Bund an? Das ist doch unsere Zuständigkeit!
Wenn Sie mich persönlich fragen, meine Damen und Herren: auch ich bin der Meinung, daß es nicht eine unabdingbare Notwendigkeit war, diese Denkschrift vom oder durch das Bundesinnenministerium herauszugeben. Man hätte das mit der Rektorenkonferenz oder irgendwelchen anderen Stellen auch machen können. Aber das ist eine ganz nebensächliche Frage. Nachdem feststeht, daß im Bund viele hundert Millionen für die Wissenschaft ausgegeben werden, und nachdem weiter feststeht, daß in diesem Etat beispielsweise 59 Millionen für die Studentenförderung ausgegeben werden, darf man sich bei den deutschen Ländern doch nicht wundern - darauf möchte ich hinaus -, daß der Bundesinnenminister oder seine Referenten sich Gedanken machen, wie diese Mittel verwendet werden!
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Der Bundesinnenminister trägt die Verantwortung für die Verwaltung dieser Mittel gegenüber dem Parlament, gegenüber dem Bundestag, und im Bundestag ist es nun einmal so - das geht aus dem Budgetrecht eindeutig hervor -: Wer die Mittel hergibt, muß auch beim Einsatz der Mittel mitwirken und muß sicherstellen, daß die Mittel richtig eingesetzt werden. Und wenn er mitwirkt, ist damit schon die praktische Zuständigkeit zum Ausdruck gebracht. Was ist denn das sonst? Mitwirkung ist doch nichts anderes als praktische Zuständigkeit. Ich mache auf diese Dinge aufmerksam, weil sie in der Praxis zuwenig bedacht werden.
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- Sagen Sie es doch Herrn Minister Mauntz; ich wäre Ihnen sehr dankbar. - Ich habe in diesem Raume schon einmal gesagt, daß ich es nicht verstehen kann, daß die Kultusminister diese politischen Folgen nicht übersehen. Ich habe es nicht verstehen können, daß die Kultusminister der Länder die Forderung auf 300 Millionen DM für Schulbauten stellen. Meine Damen und Herren, man muß sich klar sein: Solches Verhalten ändert die faktische Zuständigkeit ohne Rücksicht darauf, wie sie das Grundgesetz vorschreibt.
Darauf sollten wir - Herr Bundesfinanzminister, das ist mein Anliegen - bei den anstehenden Verhandlungen jetzt zurückkommen und sollten eine kleine Flurbereinigung durchführen. Gewiß, es gibt Anliegen, die auch auf kulturellem Gebiet eine zentrale Regelung erfordern. Das verwehrt und verneint kein vernünftiger Mensch. Aber das Durcheinander soll weg, und jedem das Seine in seiner Zuständigkeit!
Das waren zwei Risiken, die ich Ihnen bisher aufzeigte. Es gibt noch mehr. Das größte Risiko, wenn Sie so wollen, für den Haushalt 1960 und seine Durchführung sehe ich aber in dem Verhalten des Deutschen Bundestages.
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Machen wir uns nichts vor! Es werden im Jahr der Bewährung, 1960, viele politische Forderungen an uns herangetragen werden, die außerordentlich hohe Ausgaben nach sich ziehen, und es wird in allen Fraktionen, bei Ihnen in der Opposition und bei uns in den Regierungsparteien, ernsthaft um eine Lösung gerungen werden müssen; das ist unvermeidlich.
Aber wenn wir hier um Lösungen ringen - das sollte wenigstens der Sinn des heutigen Tages sein -, müssen wir uns alle, gleichgültig, wo wir sitzen, ob links oder rechts oder in der Mitte, klar sein, daß mehr Ausgaben in diesem Haushalt zugleich Steuererhöhungen bedeuten. Nach meiner festen Überzeugung gibt es kein Jonglieren mehr. Es gibt kein Umdisponieren von Zahlen. Wir sind - beinahe möchte ich sagen: Gott sei Dank - wieder bei dem natürlichen Zustand angekommen, daß eben mehr Ausgaben mehr Einnahmen bedeuten müssen und mehr Einnahmen, da der Kapitalmarkt eben doch nicht so offen ist, nur in Form von neuen Steuern erschlossen werden können. Deshalb soll sich jeder Abgeordnete - darum bitte ich -, wenn
er sich mit diesen Problemen befaßt, dieses Junktim der Steuererhöhung immer vor Augen halten.
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Meine Damen und Herren, ehe wir die Tagesordnung fortsetzen, möchte ich schon jetzt bekanntgeben, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung der Beginn des morgigen Plenums nicht auf 9.30 Uhr, sondern bereits auf 9 Uhr festgesetzt worden ist. Ich bitte diejenigen, die noch in der Lage sind, die jetzt abwesenden Kollegen zu verständigen, davon Gebrauch zu machen. Deshalb gebe ich ,es jetzt bekannt.
In der Rednerliste war jetzt der Abgeordnete Schild von der Fraktion der Deutschen Partei vermerkt. Er ist offenbar von der Beisetzung des Oberbürgermeisters Glock noch nicht zurückgekehrt. Ich gebe daher jetzt dem Herrn Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum dritten Male wiederholt sich bei der Einbringung des Haushalts das gleiche Spiel: das Interesse des Hohen Hauses an einer ,großen Replik des Bundesfinanzministers scheint nicht sehr groß zu sein. Ich darf daher vielleicht unterstellen, daß sich das, was ich zu sagen habe, in sehr kurzen Bemerkungen sagen darf. Ich sehe, daß viele Damen und Herren zustimmen, und bitte daher die Herren Redner keine Unhöflichkeit darin zu sehen, wenn ich nur sehr kurz repliziere. Ich unterstelle ohnehin, daß 'die von Ihnen aufgeworfenen Probleme im Haushaltsausschuß noch eingehend diskutiert werden.
Zunächst möchte ich dem Hohen Hause und den beteiligten Rednern für die sachliche, klare und undemagogische Diskussionsführung dank en. Ich glaube, es ist genau das gegeben, was wir uns bei der Vorlage des Haushalts wünschen: das Bewußtsein einer gemeinsamen Verantwortung für das, was ich einmal das Schicksalsbuch der Nation genannt habe; denn das ist der Haushalt. Hierher gehört keine Polemik, hierher gehört sachliche Kritik. Ich habe, meine sehr verehrten Herren Redner, die Kritik Ihrer Reden so empfunden und möchte Ihnen dafür ausdrücklich danken.
Von den Herren der Opposition ist ein bißchen die Sorge geäußert worden, daß die Bundesregierung und vielleicht auch der Bundesfinanzminister das höchste Recht des Parlaments, den Haushalt zu kontrollieren, einschränken wollten. Ich darf Sie versichern, daß das nicht die Absicht der Bundesregierung ist. Sie waren so freundlich, Herr Kollege Lenz, mir Loyalität zu bescheinigen. Diese Loyalität erblicke ich gerade darin, daß ich ein gläsernes Portemonnaie auf den Tisch lege und daß ich Ihnen die Probleme, so wie sie sind, bis zum letzten in voller Wahrheit und voller Klarheit darlege. Das ist mein großes Anliegen.
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Nur wenn wir die Demokratie in dieser Atmosphäre exerzieren, werden wir sie, wie ich heute morgen schon sagte, weiter aufbauen können. In diesem Geist kenne ich keinen Unterschied von Regierung und Opposition. Wir, Regierung und Opposition, haben gemeinsam die Demokratie aufzubauen, zu verteidigen, und dieses Gemeinsame ist das, was uns in diesem Hause in dieser Diskussion zusammenschließen sollte.
Nachdem ich so persönlich gesprochen habe, nehmen Sie, Herr Kollege Ritzel, es nicht übel, daß ich ein paar Worte zu einem Thema sage, zu dem das im Augenblick verantwortliche Regierungsmitglied etwas sagen muß, ich meine zu Ihrer Kritik an Herrn Kollegen Oberländer. Ich würde es für nicht sauber halten, wenn ich das nicht täte. Ich möchte zu den Erklärungen, die Sie abgegeben haben, Herr Kollege Ritzel, eindeutig feststellen: Sie haben zunächst selber und sicherlich mit vollem Recht erklärt, daß man nicht alles glauben darf, was besonders von einer gewissen Quelle behauptet wird. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß nach allem, was bekannt ist, gegen Herrn Kollegen Oberländer ein Vorwurf nicht erhoben werden kann.
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- Sie haben es erwähnt und haben gesagt, Sie wollten auch nicht alles glauben. Herr Kollege Oberländer hat mir soeben einen Zettel hereinreichen lassen, daß er im Augenblick nicht in der Lage sei, herzukommen, und hat erklärt, daß er, soweit Sie ihn einer intellektuellen Urheberschaft an der im sowjetisch-nationalsozialistischen Vertrag vereinbarten Umsiedlung bezichtigt haben, in die Hand Ihres Herrn Parteivorsitzenden, also des Kollegen Ollenhauer, Material gegeben habe, das diese Behauptung widerlege. Es kann durchaus sein, daß Sie nicht in den Besitz und in Kenntnis dieses Materials gekommen sind. Ich will Ihnen also keinen Vorwurf daraus machen, daß Sie das nicht erwähnt haben. Aber ich erkläre von dieser Stelle: Er sagt ausdrücklich: dieses Material widerlege die Behauptung.
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- Er hat Material über dieses Thema gegeben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ritzel?
Bitte sehr!
Herr Minister, verstehen wir uns recht: Ich habe in der Kritik des Herrn Ministers Oberländer nicht von dem in letzter Zeit aus Zeitungen und Zeitschriften ersichtlichen Material - nennen wir es mit einem Stichwort: Lemberg - gesprochen. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß ich davon nicht zu sprechen wünsche, sondern ich habe von der Einstellung des heutigen Herrn Ministers Oberländer gesprochen, aus den Tagen, in denen er à la Alfred Rosenberg Schuld mit übernahm für
die Politik, die er heute als Vertriebenenminister bekämpfen muß.
Herr Kollege Ritzel, das haben Sie schon gesagt, insofern verstehen wir uns. Aber ich darf wiederholen: Herr Oberländer - ich kenne die tatsächlichen Vorgänge nicht, ich habe das Material auch nicht gesehen - erklärt auf diesem Zettel ausdrücklich, er habe in die Hände von Herrn Kollegen Ollenhauer Material gegeben, das diese Zusammenhänge widerlege. Zum zweiten erklärt Herr Oberländer, wenn er einer Teilhaberschaft am „Mythos des 20. Jahrhunderts" von Rosenberg bezichtigt worden sei, so sei auch diese Behauptung - ich selber habe Sie nicht so verstanden, das will ich ausdrücklich sagen - nicht einmal von der SED aufgestellt worden. Ich glaube, Sie haben es auch nicht so gesagt; da ist anscheinend ein Irrtum unterlaufen.
Ich möchte also noch einmal sagen und auch für die Bundesregierung feststellen, daß nach unserer Auffassung Ihre Befürchtungen keinerlei sachliche und materielle Grundlagen haben. Wir haben Vertrauen zu Herrn Oberländer. - Das zu diesem Thema.
Nun erlauben Sie mir, daß ich zu der Diskussion in großen Zügen Stellung nehme und einige Fragen beantworte. Die Herren Kollegen Vogel und Niederalt haben so viel Positives zu meinen Ausführungen gesagt, daß sie mir sicher verzeihen, wenn ich meinerseits nicht noch einmal zu dem, was sie vorgetragen haben, Stellung nehme. Aber die beiden Redner der Opposition haben Anspruch darauf, daß ich wenigstens ein paar Sätze sage.
Herr Kollege Ritzel, Sie haben gewisse Bedenken gegen den Überrollungshaushalt vorgebracht und haben gesagt, daraus könnten sich einige Gefahren entwickeln. Sie haben völlig recht. Ich glaube, die Bundesregierung sollte nicht den Ehrgeiz haben, zu häufig Überrollungshaushalte aufzustellen. Auch darin könnte eine Einschränkung der Rechte des Parlaments liegen. Wenn wir diesmal einen Überrollungshaushalt aufgestellt haben, so hat das den natürlichen Grund, daß wir praktisch in einem Jahre uns selbst und auch Ihnen drei Haushalte vorlegen müssen: den laufenden, der gerade abgeschlossen ist, den für 1960, und der für 1961 kommt ja auch. Da war es der Wunsch des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und auch des Parlaments, man möge den Haushalt 1960 als Überrollungshaushalt vorlegen. Dagegen haben Sie auch nichts gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Aber wir wollen daraus kein Gewohnheitsrecht herleiten; insofern gehe ich mit Ihnen einig.
Was die allgemeine Kürzung um 6 % anlangt, so haben Sie, glaube ich, beide zu diesem Thema Stellung genommen. Ich möchte hier ausdrücklich wiederholen, was ich schon im Haushaltsausschuß gesagt habe: von diesen allgemeinen Kürzungsmöglichkeiten wollen wir - als Regierung jedenfalls - in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen, sondern wir wollen, wenn auch wir etwas mehr Zeit haben, die Positionen mit den Ressorts einzeln ausdiskutieren und bereits in der uns im Endeffekt richtig
erscheinenden Größenordnung dem Hohen Hause vorlegen. Wenn wir hier die allgemeine Kürzungsklausel vorgelegt haben, dann ganz einfach deswegen, weil in der kurzen Zeit eine solche umfangreiche Diskussion außerordentlich erschwert worden wäre und uns vielleicht nicht in die angenehme Situation gebracht hätte, den Haushalt so zeitig vorzulegen, - was ja, glaube ich, auch in Ihrem Interesse liegt.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Ritzel, daß auch Sie die Steuererwartungen des Finanzministers für begründet halten. Wenn sie nach meiner Auffassung nicht begründet wären, hätte ich sie auch nicht so vorgetragen.
Dann haben Sie mir gesagt: Ja, aber ich habe dich Bruder im Verdacht, daß du sagst, du wolltest bis 1961 keine Steuererhöhungen, aber - „Nach mir die Sintflut" - nachher mit Steuererhöhungen kommen willst. - Herr Kollege Ritzel, wenn ich gesagt habe: für die nächsten vier Jahre ist es meine Politik, keine Steuererhöhungen zu machen, dann ist das das mir notwendig erscheinende Maß an Bescheidenheit; denn ich weiß nicht, ob ich in fünf, sechs, sieben, acht Jahren noch Finanzminister bin.
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ich darf also Erklärungen nur für diese Zeit abgeben. Ich spreche nicht von der gegenwärtigen Regierungskoalition; ich spreche von mir selbst. Ich weiß nicht, ob ich in vier Jahren noch die Finanzpolitik zu vertreten habe und ob mein Nachfolger nicht anderer Meinung ist. Das ist der Inhalt meiner Erklärung. Aber lesen Sie aus ihr nicht heraus, daß ich nach 1962 für eine Steuererhöhung sein wollte!
Dann, Herr Kollege Ritzel, haben Sie ein wichtiges Wort ausgesprochen. Sie haben gesagt, nicht nur die Notenbank, nicht nur der Finanzminister, sondern auch das Parlament sei Hüter der Währung. Ich bin durchaus dieser Meinung. Die größte Funktion, die Währung zu hüten, muß das Parlament darin sehen, daß es für einen ausgeglichenen Haushalt sorgt. Hier ist die entscheidende Basis Ihrer Tätigkeit, und nur das echte Zusammenspiel zwischen Regierung und Parlament in seiner Funktion, die Währung zu hüten, bildet die Basis für eine stabile Währung. Das ist auch meine Auffassung.
Sie teilen die Auffassung des Bundesrates über den Inhalt des außerordentlichen Haushaltsplans nicht. Ich stimme Ihnen da weitgehend zu. Ich habe heute morgen gesagt: im Grundsatz bin ich mit dem Zentralbankrat einverstanden, aber keineswegs in allen Einzelheiten. Ich bin vor allen Dingen der Meinung, daß das vorgeschlagene Mittel der Steuererhöhung in diesem Augenblick verfrüht wäre. Die Steuererhöhung aus konjunkturpolitischen Gründen sollte die letzte Möglichkeit konjunkturpolitischer Einwirkung sein, nicht aber die erste. Zunächst einmal müßte die Bundesbank die konjunkturpolitischen Mittel, die sie noch hat, verschärft einsetzen, wenn sie das überhaupt für notwendig hält.
Sie haben scharfe Kritik an meiner Haltung gegenüber den Gemeindefinanzen geübt. Sie haben
Bundesfinanzminister Etzel
von einer „laxen Haltung" des Bundesfinanzministers gesprochen. Ich weiß, daß darin keine persönliche Beleidigung liegen soll, sondern eine sachliche Kritik. Aber, Herr Kollege Ritzel, meine Haltung gegenüber den Gemeindefinanzen ist nicht lax. Wir schneiden hier ein sehr ernstes Problem an. Das Wesen der Selbstverwaltung beruht seit dem Freiherrn vom Stein darin, daß die Gemeinden auch eine eigene Verantwortung für ihre Finanzen übernehmen müssen. Das habe ich heute morgen herausgestellt. Soweit die Gemeinden in der Lage sind, ihre finanzielle Situation durch Beschlüsse ihrer eigenen Parlamente zu sanieren, sollten die Verwaltungen und die Parlamente das schon erzwingen, um dafür zu sorgen, daß nicht unnütze Ausgaben in größtem Maße gemacht werden, was man ja vielen Gemeinden vorwirft, wenn es sicher auch nicht für jede Gemeinde gilt. Ich habe mit Hunderten Gemeindeparlamentariern gesprochen, die gerade diesen Grundsatz in vollem Umfang anerkannt haben.
Was fehlt denn den Gemeinden? Ich habe heute morgen gesagt, daß sie natürlich große Ansprüche haben. Darüber könnte man sehr viel sagen und noch stundenlang reden.
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- Sicher werden Sie das noch tun; denn man kann darüber eine ganze Menge reden. Aber eines ist sicher nichtig: Ein Teil der Ansprüche ist überhöht. Ich habe heute morgen gesagt: 400 Millionen würde ich anerkennen. Ich habe weiter nachgewiesen, daß bereits in wenigen Jahren eine Mehreinnahme von 400 Millionen aus Sonderzuwächsen entsteht und daß wir in diesem einen Jahr bereits die gleiche Summe noch einmal aus der Gewerbesteuer gehabt haben.
Das Problem der Verteilung der Finanzmasse auf die Gemeinden insgesamt, der Ausgleich zwischen Arm und Reich, steht daneben als ein besonderes Problem, das die Länder lösen müssen und das wir ganz sicher nicht lösen können.
Sie haben die Frage gestellt: Wo bleibt die Denkschrift? Ich habe heute morgen gesagt: die Denkschrift kommt; sie ist so gut wie fertiggestellt. Wir werden sie also in Kürze veröffentlichen, und ich habe zugesagt, darüber zu diskutieren.
Sie haben weiter erklärt, der Haushaltsausschuß sollte mitwirken, wenn ordentliche Deckungsmittel zur Finanzierung außerordentlicher Ausgaben herangezogen werden, also praktisch die 1,2 Milliarden Steuermehreinnahmen zur Verringerung des Betrages von 1,8 Milliarden dienen sollen. Ich glaube, in diesem konkreten Fall des laufenden Haushaltsjahres ist das ganze kein Problem; denn wenn ich 3 Milliarden decken soll und ich allein 1,2 Milliarden Steuereinnahmen mehr habe, dann bleibt ein Rest von 1,8 Milliarden, und wenn ich die schwer bekomme, dann ist der Weg, den der Bundesfinanzminister dank Ihrer Bewilligung zu gehen hat, ziemlich eindeutig: er muß zunächst einmal die Mittel auf die gegebenen Bewilligungen verteilen. Das ist mein Weg. Ihr Hauptanliegen scheint zu sein, daß
in einem Augenblick, wo der Finanzminister mangels erteilter Bindungszusagen auch die 3 Milliarden nicht mehr auf die Beine bringt, er souverän einfach sagt: Du kriegst etwas, du kriegst nichts. Dazu hätte er formell sicherlich das Recht. Ich will Ihnen aber gern zusagen, daß ich in einem solchen Falle eine Fühlungnahme mit dem Haushaltsausschuß suchen würde, und zwar schon aus dem Respekt heraus, den ich diesem Hause schulde und von dem ich heute eingangs meiner Ausführungen gesprochen habe.
Sie haben dann sehr hart gesagt, Sie erblickten eine Mißachtung des Parlaments darin, daß ich einen angeblichen Beschluß, der in der gestrigen Kabinettssitzung hinsichtlich des Dillon-Besuches gefaßt worden sei, nicht bekanntgegeben hätte. Ich habe Ihnen schon in einer privaten Unterhaltung gesagt und kann das ruhig hier wiederholen: einen solchen Beschluß, von dem in der Zeitung die Rede war, hat es nicht gegeben. Natürlich hat sich das Kabinett über den Dillon-Besuch unterhalten. Wir werden mit Herrn Dillon Gedanken austauschen. Aber diese Gedanken sind noch nicht beschlußreif. Wenn sie beschlußreif sind, werden wir Sie sehr gern - wie das geboten ist - darüber informieren. Hier tauchen in der Tat schwierige Probleme auf. Aber ich glaube, es war nicht Ihre Absicht, zu verlangen, daß interne Besprechungen des Kabinetts über eine erst morgen stattfindende Zusammenkunft schon heute im Parlament bekanntgegeben werden. Von einer Mißachtung des Parlaments kann hier gar nicht gesprochen werden.
Dann haben Sie mir vorgeworfen, Herr Kollege Ritzel, ich zeigte mich zuwenig in den Ausschüssen. Ich war darüber etwas bestürzt.
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-- Dann liegt ein Mißverständnis vor. Ich darf mir einbilden, daß ich so oft komme, wie ich eben kann. Wenn Sie den Wunsch haben, mich zu sehen, bin ich jederzeit bereit, zu Ihnen zu kommen.
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- Danke schön.
Das Problem der Reste, Herr Kollege Ritzel, will ich nicht noch einmal groß aufwerfen; es ist ein schwieriges Problem. Sie haben vorgeschlagen, die Reste zu töten. Auch Herr Lenz ist auf dieses Problem zu sprechen gekommen. Ich stelle mir vor, daß wir mit den Resten, wenn wir das nicht machten, was sie sagten, auch in drei Jahren fertig sein könnten. Wir wollen auch jetzt wieder 2 Milliarden absetzen. Wir werden dann Ende des Haushaltsjahres noch 8 Milliarden haben. Sie haben ausgerechnet, daß ungefähr 2 Milliarden normal seien. Wir hätten also noch 6 Milliarden wegzubringen. Wenn wir jedes Jahr 2 Milliarden wegbekommen, haben wir diese 6 Milliarden in drei Jahren beseitigt. Ich glaube, daß wir auf diesem Wege die Reste auch wegbringen können.
Hier kann ich gleich auf etwas eingehen, was Sie, Herr Kollege Lenz, angesprochen haben, nämlich
Bundesfinanzminister Etzel
auf das Problem der Globalbewilligungen im Einzelplan 14. Ich habe heute morgen schon gesagt, daß diese großzügige Handhabung vielleicht in einer gewissen Übergangszeit notwendig war, in der keine Bremsen angelegt werden sollten. Ein schöner Zustand ist das nicht. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß er zur Wahrung der Kontrollrechte des Parlaments so schnell beseitigt werden muß, wie das nur irgend möglich ist.
Herr Kollege Ritzel, ich erspare mir, auf Ihre Bemerkungen zu den Einzelplänen einzugehen. ich bin auch der Meinung von Herrn Kollegen Lenz, daß solche Bemerkungen sehr nötig sind, glaube aber, daß ich dazu nicht Stellung zu nehmen brauche.
Eine Ausnahme möchte ich allerdings machen: zu Ihren Bemerkungen über die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherungsträger möchte ich etwas sagen. Sie haben meinem Kollegen Blank den Vorwurf gemacht, daß er das Haus vielleicht sogar getäuscht habe. Ich glaube, das ist nicht richtig. Wir haben über dieses Thema schon anläßlich der Debatte über den Abschluß des Jahreshaushaltsplans 1959 gesprochen. Wir haben damals gesagt, es sollten 200 Millionen Schuldbuchforderungen in einer Situation gegeben werden, in der die Kassen das Geld noch gar nicht brauchten. In einer solchen Situation sind diese Forderungen dann so gut wie bares Geld, denn dieser Schuldner, der Bund, muß zahlen; er wird in dem Augenblick zahlen, in dem die Gelder benötigt werden.
Das Problem der Gemeindestraßen sollten wir einmal in einem anderen Zusammenhang behandeln. Es ist ja sehr vielfältig.
Die Behauptung, daß die Steuersenkungen der Vergangenheit eindeutig den Empfängern höherer Einkommen zugute gekommen seien, stimmt weder in bezug auf die Summe noch in bezug auf die Masse. Im Einzelfalle bekommt natürlich der, der mehr verdient, auch eine höhere Ermäßigung. Das ist ganz natürlich und liegt im Wesen unseres progressiven Systems. Praktisch sind die Steuersenkungen aber der Zahl und der Summe nach den Empfängern der mittleren und kleinen Einkommen zugute gekommen.
Das Gesetz der wachsenden Staatsaufgaben ist mir hier mit klassischen Zitaten bestätigt worden. Es scheint ein sehr altes Gesetz zu sein. Auch Herr von Goethe war Staatsminister und mußte auf diesem Gebiet wahrscheinlich ebenfalls seine besonderen Erfahrungen sammeln. Ich erkläre Ihnen freimütig: als ich mit jugendlichem Optimismus vor nunmehr stark zwei Jahren Finanzminister wurde, bildete ich mir ein, ich könne die Ausgaben total anhalten. Daß ich aber durch Gesetze, die dieses Hohe Haus gemacht hat, Herr Kollege Ritzel, gebunden war, habe ich sehr bald merken müssen; das ist die Tragik eines jeden Finanzministers.
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Daß wir sie mitgemacht haben, bestreite ich gar nicht. Ich habe von diesem Hohen Haus, nicht von der SPD gesprochen.
Noch ein paar Worte zu dem, was ,der Herr Kollege Lenz hier vorgetragen hat. Er hat gesagt: Herr Etzel, deine Grundsätze sind ja alle ganz gut, aber die Anwendung läßt zu wünschen übrig. Zum Schluß hat er gesagt: Etzel, bleibe hart! Oder er hat gesagt: Werde hart! Vielleicht hat er sogar beides gesagt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich Grundsätze aufstelle, um sie auch anzuwenden, ist selbstverständlich. Daß ich sie auch mit Härte anzuwenden gewillt bin, habe ich in sehr vielen Fällen bewiesen. Wenn ich in einem Falle, der mir gern immerzu aufs Butterbrot geschmiert wird, nämlich im Falle der Kriegsopferversorgung, eine Lösung vesucht habe, so entsprang das dem Respekt vor dem Parlament, weil große Teile dieses Hauses gesagt haben: Die Regierungsvorlage machen wir nicht mit, die befriedigt uns nicht. In voller Harmonie mit meinem Kollegen habe ich dann diese neue Lösung versucht, die nicht durch eine Geldneuschöpfung, sondern durch die Terminverschiebung ermöglicht wurde.
Ich bin der Auffassung, daß wir gute Grundsätze, die Sie anerkennen, hart anwenden müssen. Dazu bedarf ich aber, meine Damen und Herren, Ihrer Hilfe. Ich will hier niemanden ansprechen. Aber wenn selbst am grünen Holze solche Dinge geschehen, daß Gesetzesvorlagen, die Milliarden von Ausgaben vorsehen, mit der „klassischen" Begründung kommen, das Geld - es handelte sich in dem Falle, den ich im Auge habe, um 3 Milliarden müsse ja in einem 40-Milliarden-Haushalt vorhanden sein, und wenn in einer anderen Situation in einem großen Einfuhrförderungsgesetz 4 Milliarden von mir verlangt werden, dann stehe ich allerdings vor der Schwierigkeit, gute Grundsätze nicht anwenden zu können.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß für die schlechte Praktizierung dieser Grundsätze nicht immer die Redner persönlich verantwortlich sind, die heute hier aufgetreten sind, und ich weiß auch, daß man sich - ich beziehe mich dabei durchaus mit ein - nicht immer in der Fraktion durchsetzen kann. Aber wir sollten bei der Gesamtkonzeption, die wir bei den Haushaltsplänen diskutieren, die Grenzen unserer Möglichkeiten sehen und dafür sorgen, daß als gut anerkannte Grundsätze auch realisiert werden.
Nun ein Wort zur Konjunktur. Herr Kollege Lenz, Sie haben gesagt, die Entwicklung gehe immer weiter dahin, daß sich auch die Finanzminister in die Maßnahmen zur Beeinflussung der Konjunktur durch ein antizyklisches Verhalten einschalteten. Nun, mein österreichischer Kollege Kamitz hat das mit großem Erfolg praktiziert, mein belgischer Kollege van Houtte praktiziert es augenblicklich, und mein luxemburgischer Kollege Werner tut es auch; sie haben Steuern erhöht, um damit die Konjunktur zu beeinflussen. Wir haben - ein gebranntes Kind scheut das Feuer - von dem heute zum erstenmal gelobten Juliusturm her allerdings schlechte Erfahrungen gemacht, und ich bin nicht ganz sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob sich die schlechten Erfahrungen nicht wiederholen wür5176
Bundesfinanzminister Etzel
den, wenn eines Tages irgendwo wieder ein Juliusturm entstünde und wir dann alle mitschuldig würden. Dieser Gesichtspunkt sollte in der Polemik nicht unbeachtet bleiben.
Herr Kollege Lenz, Sie haben gesagt, es gefalle Ihnen nicht, daß wir in unserer Haushaltssituation immerzu auf den Wellen der Konjunktur balancierten. Sie haben völlig recht. Wir sollten in der Tat die letzten Chancen der Konjunktur nicht immer haushaltsmäßig ausnutzen. Wenn eines Tages die Konjunktur zurückschlüge, kämen wir in der Tat in große Schwierigkeiten. Das kann ich nicht bestreiten; ich kann es nur bestätigen.
Sie haben mich dann „Franz im Glück" genannt. Ich will Ihnen, Herr Kollege Lenz, dazu reine kleine Geschichte vom Alten Fritz erzählen. Er ging eines Abends durch die Lagergasse und traf einen Offizier auf Posten an, der keine Dekoration hatte. Er fragte ihn: Wie lange bist du schon da? - Soundso viele Jahre! - Warum hast du keinen Orden? - Ja, einmal war ich gerade nicht da, als ich einen bekommen sollte, dann war ich krank, dann wurde ich abgelöst, so habe ich nie einen Orden bekommen. - Darauf schickte der Alte Fritz seinen Adjutanten, dem Offizier einen Orden zu geben. Am nächsten Tage lief ihm der Kerl wieder in der Lagergasse über den Weg - und trug wieder keinen Orden. - Warum trägt er keinen Orden? Ja, Majestät, ich war gestern abend gerade abgelöst, als ich den Orden bekommen sollte. - Da sagte der Alte Fritz: Scher er sich weg, er hat kein Glück, ich kann ihn nicht brauchen! - Seien Sie also froh, wenn Ihre Politiker, Ihre Minister in der politischen Wirksamkeit auch Glück haben! So ganz einfach ist das mit dem „Franz im Glück" allerdings auch nicht. Das will ich aber nicht im einzelnen begründen.
Warum ich Heizölsteuer und Lohnsteuer nicht eingesetzt habe, Herr Kollege Lenz, habe ich schon heute morgen in der Haushaltsrede diskutiert. Ich kann jetzt vielleicht darüber hinweggehen.
Von dein globalen Bewilligungen habe ich schon gesprochen.
Das Thema der Subventionen ist von beiden Herren angesprochen worden. Man hat mir bescheinigt: Du hast ja im Grunde recht; aber was willst du tun? Nun, etwas ist schon im agrarischen Sektor geschehen: die Roggenprämie wird jetzt statt mit 30 DM nur noch mit 10 DM subventioniert, und bei der Düngemittelsubvention haben wir bereits eine Kürzung von 20 % auf 14 % letztmalig vorgenommen. Es sind neue Maßnahmen in Vorbereitung; Sie werden also in Kürze auch hier, glaube ich, etwas erfahren können. Im übrigen wollen wir dem Subventionsproblem jetzt ernsthaft an den Hals gehen. Ich denke, daß ich Ihnen sehr bald dazu Vorschläge werde machen können.
Ich werde gerade gebeten, nicht mehr so lange zu reden; meine Fraktion schickt mir einen dahin gehenden Wunsch, und ich glaube, es ist der Wunsch des ganzen Hauses. Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über. Ich mache also Schluß.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich noch einmal für den Geist dieser Verhandlung.
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Da auf allgemeinen Wunsch nicht mehr geredet werden soll, darf ich die erste Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 für beendet erklären und darf diejenigen Damen und Herren, die der Überweisung des Entwurfs an den Haushaltsausschuß zuzustimmen wünschen, bitten, das Handzeichen zu geben. - Es ist so beschlossen.
Dann ist interfraktionell vereinbart worden, noch auf die Tagesordnung zu setzen - das ist bereits geschehen -:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes - Drucksache 1039 - betreffend Zustimmung des Bundestages gemäß § 47 der Reichshaushaltsordnung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg ({0}).
Wird noch eine mündliche Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es wird auf den Antrag des Ausschusses, der Veräußerung zuzustimmen, verwiesen.
Wird in der Aussprache das Wort gewünscht? -Herr Abgeordneter Lohmar!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat gestern über die Vorlage der Bundesregierung beraten und bei Stimmenthaltung meiner Fraktion dem Hohen Hause empfohlen, die Vorlage der Bundesregierung anzunehmen. Sie scheinen entschlossen zu sein, meine Damen und Herren, dem zu folgen. Erlauben Sie mir trotzdem, einige noch offene Fragen hier anzusprechen, von denen meine Freunde und ich glauben, daß sie einer präziseren Beantwortung durch die Bundesregierung bedürfen, als wir sie in den Beratungen des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik und im Haushaltsausschuß bekommen konnten.
Zunächst möchte ich zum Ausdruck bringen, daß es gut gewesen wäre, wenn das Parlament bzw. seine Ausschüsse rechtzeitiger mit dieser Vorlage befaßt worden wären. Es ist eine schlechte Sache, unter Zeitdruck über eine solche Vorlage verhandeln zu müssen, deren politisches Gewicht sich nicht aus dem Kaufpreis ergibt - so wichtig er sein mag -, sondern aus der Tatsache, daß wir es bei der Wochenschau um einen der entscheidenden Faktoren in der öffentlichen Meinungsbildung zu tun haben.
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Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Fragen zum Kaufpreis stellen, um mit dem am wenigsten gravierenden Problem zu beginnen. Die Revisions- und Treuhand AG in Frankfurt, eine angesehene Firma, hat den Wert der „Deutschen Wochenschau", um deren Veräußerung oder TeilLohmar
veräußerung an die UFA es sich heute handelt, auf etwa 5 Millionen DM geschätzt. Die Bundesregierung und die UFA sind mit Zustimmung der Mehrheit des Haushaltsausschusses zu der Meinung gekommen, man sollte die „Deutsche Wochenschau" zu einem sehr viel geringeren Betrag veräußern. Meine Frage an die Bundesregierung ist deshalb die: aus welchen Gründen hat die Bundesregierung darauf verzichtet, einen dem Wert des Gegenstandes angemessenen Kaufpreis auszuhandeln? Wir haben auf unsere entsprechenden Fragen in den Beratungen im Kulturpolitischen Ausschuß vom Vertreter der Bundesregierung leider nicht erfahren können, ob in den Verhandlungen mit der UFA überhaupt der Versuch gemacht worden ist, einen dem Gegenstand angemessenen Preis zu erhalten.
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Unser Eindruck bei diesen Beratungen war der, daß das Interesse, das die UFA im Hinblick auf eine wirtschaftliche Monopolisierung der Wochenschauen in ihrer Hand an dem Ankauf der „Deutschen Wochenschau" hat, von der Bundesregierung bei weitern nicht hoch genug veranschlagt worden ist und daß man bei einem ernsthaften Versuch, mit der UFA zu verhandeln, sicherlich zu einem angemesseneren Preis hätte kommen können. Die Tatsache, daß der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zwar in der Frage des Kaufpreises keinen Beschluß gefaßt, sondern diese Frage an den Haushaltsausschuß zurückgegeben hat, aber in seinen Beratungen klar erkennen ließ, daß seine Mitglieder der Meinung waren, die „Deutsche Wochenschau" solle hier unter Preis an einen privaten Interessenten verhökert werden, diese Tatsache hat die Bundesregierung offensichtlich unbeeindruckt gelassen; denn uns ist nichts von einem seither etwa unternommenen Versuch bekanntgeworden, in dieser Frage zu neuen, befriedigenderen Vereinbarungen zu kommen.
Die zweite Frage, die ich Herrn Minister Lindrath stellen möchte, bezieht sich auf die Absichten, die die Bundesregierung mit dieser Teilprivatisierung im Ganzen verbindet. Es gibt dazu zwei interessante Versionen, die man in den letzten Tagen in den Wandelgängen dieses Hauses erfahren konnte.
Die erste Version besagt: es entspricht der Absicht der Bundesregierung, entsprechend der Vorlage, über die wir heute zu befinden haben, lediglich einen Gesamtanteil von 74 % an einen privaten Interessentenkreis zu veräußern, während die Sperrminorität von 26 % in der Hand des Bundes bleiben soll.
Es gibt eine zweite Version - meine Damen und Herren, vielleicht interessiert das sogar die Mehrheit dieses Hauses -, wonach es innerhalb der Bundesregierung eine Meinungsverschiedenheit darüber geben soll, ob es sich bei der Teilprivatisierung, die jetzt zur Debatte steht, um einen ersten oder um einen endgültigen Schritt handelt. Anders gesagt: hat die Bundesregierung die Absicht, den restlichen Anteil von 26 %, der nach der jetzigen Vorlage in der Hand des Bundes verbleiben soll, zu einem späteren Zeitpunkt an private Interessenten zu veräußern? Und ist es zutreffend, daß sich in den Verhandlungen um die Teilprivatisierung der „Deutschen Wochenschau" nicht das Bundesschatzministerium, sondern das Bundespresseamt gegen eine volle Privatisierung der „Deutschen Wochenschau" gewandt hat? Wenn ja, welche Gründe haben das Bundespresseamt bewogen, hier auf einer Sperrminorität des Bundes zu bestehen, die aber nach der neuen rechtlichen Konstruktion ausschließlich durch die Bundesregierung repräsentiert werden soll, während die Verhandlungsführer der Bundesregierung offensichtlich auf eine starke Stellung des Beirats der Wochenschau, auf den ich jetzt zu sprechen kommen werde, kein Gewicht gelegt haben?
Die „Deutsche Wochenschau" hat - die meisten von Ihnen werden es wissen - bisher einen Beirat gehabt. Er besteht zur Zeit aus 13 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter sechs Mitgliedern dieses Hohen Hauses, nämlich fünf Abgeordneten der Christlich-Demokratischen Union und einem Sozialdemokraten. Auch das ist bezeichnend für die Art, wie sich die Regierung die „Zusammenarbeit" in diesem Beirat offenbar vorstellt.
Dieser Beirat hat bis jetzt die Möglichkeit gehabt, seine Meinung über die Güte oder die mangelnde Qualität der „Deutschen Wochenschau" von Zeit zu Zeit in seinen Beratungen zum Ausdruck zu bringen. Nun ging es darum an dieser Frage haben wir im Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik angesetzt -, welche Stellung dieser Beirat nach der neuen Vereinbarung mit der Ufa besitzen soll. Die Frage war: Soll dieser Beirat bestehenbleiben? Wenn ja, mit welchen Kompetenzen soll er bestehenbleiben? Einige Sprecher der Unionsfraktion haben uns im Ausschuß für Kulturpolitik gesagt, man könne es angesichts des geschäftlichen Risikos, das die Ufa übernehme, der Ufa nicht zumuten, einen Beirat zu akzeptieren, der mehr sei, als das Wort Beirat besage, der also mehr Rechte habe, als von Zeit zu Zeit ohne verbindliche Konsequenzen seine Auffassungen zur Wochenschau und ihrer Qualität zu äußern. Auf der anderen Seite stand von vornherein die Auffassung, daß dieses Argument zwar richtig sei, daß es aber eine völlig andere Sache sei, ob ein Beirat, der zur Hälfte aus Parlamentariern bestehe, eine öffentliche Mitverantwortung für eine solche Institution übernehme und aus dieser öffentlichen Mitverantwortung auch das Recht ableiten müsse, in der Sache mitentscheiden zu können.
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Kulturpolitischen Ausschusses haben es sehr begrüßt, daß im Ausschuß schließlich eine einmütige Meinung über diese Frage zustande gekommen ist. Diese Meinung hat der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Dr. Heck, dahin gehend zusammengefaßt, daß der Beirat das Recht haben müsse, seinen Vorstellungen über die Arbeit und das Aussehen der Wochenschau dadurch Nachdruck zu verleihen, daß er bei der Besetzung oder Entlassung der Redaktion mitwirke. Es wäre interessant zu erfahren, Herr Bundesminister, inwieweit die Bundesregierung bereit und in der Lage ist, in Verhandlungen mit der Ufa diesem An5178
liegen des Kulturpolitischen Ausschusses Rechnung zu tragen. Es wäre sicher eine gute Vorbereitung der heutigen Entscheidung gewesen, wenn man den Ausschuß vor der Beratung hier hätte wissen lassen, wie die Dinge in dieser Frage stehen.
Lassen Sie mich dazu noch ein paar sachliche Bemerkungen machen. Bei der Wochenschau handelt es sich um zwei Probleme. Das eine Problem hat vor ein paar Wochen die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einigen knappen, aber treffenden Sätzen angesprochen. Ich darf sie mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Sie beziehen sich auf die „Neue Deutsche Wochenschau". Die FAZ schreibt dazu:
Nach der „Neuen Deutschen Wochenschau" könnte man meinen, daß die Politik vorwiegend aus freundlich lächelnden Staatsmännern und Militärparaden bestehe und die übrige Welt aus Aschenbahnrennen, Modenschauen und den Affen im Zoo ... In dürren Worten: Die Wochenschau ist miserabel!
Diesem Urteil braucht man nichts hinzuzufügen, und es wird sicherlich von denjenigen unter Ihnen geteilt, die ab und zu des Vergnügens eines Kinobesuches teilhaftig werden.
Hier, meine ich, liegt die erste, inhaltlich klar zu umreißende Aufgabe eines Beirats, der sich darum bemühen müßte, diese Als-ob-Vorstellung von der Politik, die heute die Wochenschauen den Menschen vermitteln, durch eine realistische, objektive Darstellung dessen zu ersetzen, was sich im Raum des Staates und der Politik tut. Wenn ich das sage, meine Damen und Herren, dann mit der sehr nachdrücklichen Frage an die Regierung, wie sie sich etwa angesichts der Rolle des Bundespresseamtes bei den bisherigen Verhandlungen eine Entwicklung der neuen Wochenschau denkt, die einen parteipolitischen Mißbrauch ausschließt. Wir jedenfalls haben kein Bedürfnis, uns jede Woche die politischen Schüttelreime des Bundeskanzlers in den Wochenschauen anzuhören. Wir meinen, daß die Wochenschau ein objektives Bild des politischen Geschehens geben soll, wozu selbstverständlich auch die Meinungen des Regierungschefs gehören. Aber es wäre sicher eine zu weitgehende Strapazierung der Langmut der Kinobesucher, wenn man ihnen ausschließlich, wie das in der „Deutschen Wochenschau" bisher mehr als in anderen Wochenschauen der Fall war, den Bundeskanzler allein und in den verschiedensten Situationen darstellte.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich in der Frage der Teilprivatisierung der „Deutschen Wochenschau" vernünftig zu verhalten. Wenn Sie eine Teilprivatisierung wollen, wenn Sie also dem Bund eine in den Eigentumsverhältnissen begründete Mitverantwortung weiterhin geben und wenn Sie einen Beirat bestehen lassen wollen, dem Mitglieder dieses Hohen Hauses angehören, dann müssen Sie diesen Beirat in seinen inhaltlichen und personellen Mitwirkungsrechten so ausstatten, daß er mehr ist als ein Aushängeschild für die UFA, daß er der Sache nach in der Lage ist, diese seine Mitverantwortung zu übernehmen. Wenn Sie dem Beirat diese Stellung nicht geben
wollen, dann entschließen Sie sich zu einer völligen Privatisierung! Dann halten Sie den Bund völlig aus der Sache heraus! Aber tun Sie auf keinen Fall etwas, was die Kompetenzen und die Verantwortlichkeiten unklar werden läßt, indem Sie eine Verbindung von wirtschaftlicher und staatlicher Macht schaffen, die nachher niemand mehr durchschauen, niemand kontrollieren und für die niemand mehr geradestehen kann.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der teilweisen Privatisierung der Wochenschau können wir nur dann objektiv beurteilen, wenn wir uns an die vor 8 oder 10 Jahren gegebene Situation erinnern. Damals wurden sämtliche Wochenschauen in Deutschland unmittelbar von den Alliierten betrieben. Als im Zuge bestimmter Umwandlungen im Jahre 1950/51 die Möglichkeit bestand, die Wochenschau aus dem unmittelbaren Einflußbereich der Alliierten herauszulösen, trat nach Lage der Dinge der Bund als Treuhänder auf. Der Bund war eigentlich niemals dafür vorgesehen, die Wochenschauen auf lange Sicht zu betreiben. Die Aufgabe des Bundes war treuhänderisch. Sie erlischt klar mit dem Tag, an dem diese Situation nicht mehr besteht; und diese Situation ist heute gegeben. Nach unserem Dafürhalten ist also die Frage entschieden, ob der Bund hier eine vorübergehend von ihm wahrgenommene Aufgabe nun wieder in private Hände zurücklegen soll. Das ist der eine Komplex.
Die zweite Frage lautet: Ist die Wochenschau so miserabel, wie hier vom Kollegen Lohmar gesagt wurde, oder - wie es im Ausschuß hieß - ist sogar zu erwarten, daß die Wochenschau, wenn die UFA sie in die Hände bekommt, wieder sehr zweifelhafte politische Wege gehen wird? Dazu ist zu sagen, daß, wenn die Wochenschau heute miserabel wäre, der Beirat, der heute besteht, daran sicher nicht unschuldig wäre. Es genügt nicht, zu sagen, in diesem Beirat seien vier Abgeordnete der CDU und nur ein Abgeordneter der SPD. Man muß ergänzend hinzufügen, daß der Vorsitzende dieses Beirats ein Mitglied der SPD ist, und zwar der Hamburger Kultursenator Landahl. Wenn der Beirat
nicht funktioniert, ist das sicher mit auf den Vorsitzenden zurückzuführen. Der Beirat hat nämlich bisher überhaupt kaum eine Funktion wahrgenommen. Es war so, daß im Verlaufe von drei oder vier Monaten diese Herren einmal mehr oder weniger zu einem Frühstück zusammengekommen und dann wieder auseinandergegangen sind. Das ist doch das Kriterium. Was soll so ein Beirat, wenn er nichts tut? Er muß also etwas tun, er soll etwas tun. Er ist heute schon so zusammengesetzt, daß die SPD eigentlich keine Veranlassung hat, sich zu beschweren. Eher müßte schon meine Fraktion sagen: Was ist denn mit uns? Denn die Fraktion der Freien Demokraten wird in diesem Beirat durch den ehemaligen Bundesminister Hermann Schäfer vertreten, der
seit Jahren nacht mehr unserer Fraktion angehört. Welchen Wert dieser Beirat hat, welchen Wert man diesem Beirat zumißt, mögen Sie allein daran erkennen, daß er praktisch kaum existent ist.
Also, Herr Kollege Lohmar, Sie müssen sich selber mit an die Brust klopfen und müssen Ihren Kollegen Landahl etwas mehr auf Trab bringen, damit der Beirat mehr tut, als er bisher getan hat.
Bezüglich der zukünftigen Regelung möchte ich sagen, daß der Beirat eine tatsächliche Zuständigkeit bekommen muß, wenn er einen Sinn haben soll. Aber man darf nicht vergessen, daß der Beirat niemals das wirtschaftliche Risiko, die Verantwortung übernehmen kann und daß Sie daher immer das Ganze in einem bestimmten Verhältnis zu den tatsächlichen Gegebenheiten lassen müssen, die dann entstehen, wenn Sie diese Wochenschau in private Hände überführen.
Und ein Weiteres! Mir ist eines nicht ganz klar, das habe ich auch schon im Ausschuß gesagt. Die SPD will im Grunde genommen - wie sich das bei der Abstimmung ergeben wird, kann ich nicht übersehen - darauf hinaus, die Wochenschau im staatlichen Bereich zu halten, und zwar unter Hinweis darauf, daß man ein so wichtiges Instrument der Information über Zeitgeschehen usw. im staatlichen Bereich handhaben müsse. Von der gleichen Stelle wird aber für das Fernsehen genau gegenteilig argumentiert. Wir haben keine Veranlassung, hier für die Fernsehpläne der Regierung einzutreten. Aber hier wird dann gesagt: Wenn der Bund das Fernsehen übernimmt, ist das höchst gefährlich. Ich kann nicht einsehen, weshalb etwas gefährlich sein sollte, wenn es über die Glasscheibe des Bildschirms geht, und ungefährlich, wenn es über die Leinwand der Filmtheater läuft. Da reicht mein Verstand nicht aus.
Herr Abgeordneter Zoglmann, gestatten Sie dazu eine Frage des Abgeordneten Lohmar?
Herr Kollege Zoglmann, erinnern Sie sich an die Bemerkung, die mein Fraktionskollege Jacobs im Kulturpolitischen Ausschuß zu diesem Ihrem Gedankengang gemacht hat, und erinnern Sie sich an seine These, daß es einen großen Unterschied ausmache, ob man eine Anstalt des öffentlichen Rechts vor sich hat oder einen Fragenkomplex wie den, über den wir uns jetzt unterhalten, und daß Sie daraufhin mit einer Gebärde der Zustimmung Ihr soeben wiederholtes Argument zurückgezogen haben?
Gebärden zu interpretieren ist immer eine Glückssache. Lieber Kollege Lohmar, auch hier, in diesem Bundesgesetz, das uns als Entwurf vorliegt, ist doch eine Anstalt öffentlichen Rechts vorgesehen. Es ist also, wenn Sie so wollen, einfach ausgedrückt „hüh wie hott". Im Augenblick sind es Anstalten des öffentlichen Rechts auf Landesebene. Bundesinnenminister Dr. Schröder will eine Anstalt öffentlichen Rechts auf Bundesebene
schaffen. In jedem Fall isst es eine Anstalt öffentlichen Rechts. Ich will nur sagen: es ist eine gewisse Inkonsequenz vorhanden. Wir können nur so taktieren, daß wir sagen: Der Bund hat eine vorübergehende treuhänderische Aufgabe übernommen. Diese treuhänderische Aufgabe ist erfüllt, und nun soll man vernünftigerweise die Dinge in die Bereiche zurückführen, in die sie vernünftigerweise hineingehören. Mit 26 % hat der Bund immer noch ,den Einfluß, daß er die Dinge mit steuern kann, wenn sie nicht richtig laufen sollten. Wir sollten uns dann überlegen - und das kann man sicher, wenn das vernünftig ausgehandelt wird, bei der Ufa erreichen -, wie dieser Beirat wirklich aktiviert werden kann, wie er eine wirkliche Aufgabe übernehmen und auch so zusammengesetzt werden kann, daß das Haus, die politischen Kräfte der Bundesrepublik, echt vertreten sind. Dann, glaube ich, können wir die Risiken, die allenfalls noch vorhanden sind, auffangen.
Das Wort hat der Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Ich will die mir gestellten Fragen sehr kurz und sehr präzise beantworten.
Zunächst ist von Herrn Kollegen Lohmar beanstandet worden, daß das Hohe Haus zuwenig Zeit gehabt habe. Er hat gesagt, wir hätten die Vorlage rechtzeitig einbringen sollen. - Die Vorlage liegt seit April theses Jahres dem Hohen Hause vor.
Dann sind mir einige Fragen gestellt worden: zuerst nach der Höhe des Preises. Es ist gesagt worden, die Deutsche Revisions- und TreuhandAtiengesellschaft - ein ,so angesehenes Institut - habe eine Bewertung mit 5 Millionen vorgenommen. - Verehrter Herr Kollege, so global ist das nicht. Man hat in dem !Gutachten gesagt, es komme ein Preis von 4,5 bis etwa 5 Millionen in Frage, wenn der Verleihvertrag in der bisherigen Form bestehenbleibe. Das ist das Entscheidende! Aber gerade das ist nicht der Fall.
Zur Höhe des Kaufpreises möchte ich bemerken, daß sich die Treuarbeit gutachtlich zu dieser Frage geäußert hat. Die Treuarbeit ist der Ansicht, daß der Wert des Unternehmens dem vereinbarten Kaufpreis entspricht, wenn man davon ausgeht, daß der Vertriebsvertrag mit der Ufa, der zur Zeit eine wesentliche Grundlage der Rentabilität des Unternehmens darstellt, nichtfortgeführt wird. Da diese Voraussetzung der Nichtfortführung im Fall des Scheiterns der Verkaufsverhandlungen nicht mehr gegeben ist, hält die Treuarbeit unter Berücksichtigung aller ,gegebenen Umstände den ausgehandelten Kaufpreis in kaufmännischer Hinsicht für vertretbar. Das ist die Haltung zum Kaufpreis. Wir beabsichtigen also nicht, unter dem Preis zu verkaufen. Wir haben einen angemessenen Preis erzielt. Sie müssen dabei bedenken, daß wir zwischen dem
Produktionsunternehmen und dem Verleih unterscheiden müssen. Über den Verleih verfügen nicht wir, ,er gehört nicht uns. Wir können nur das Produktionsunternehmen verkaufen, das praktisch wertlos ist, wenn der Verleihvertrag gelöst ist. Er läuft am 31. Dezember dieses Jahres ab.
Zweite Frage: Welche Absicht besteht im ganzen? Sie haben gefragt, was mit der Sperrminorität von 26 % ,geschehen soll, ob der Bund sie behalten will. - Der Bund will ,sie behalten. Der Bund denkt nicht daran, sie weiter zu veräußern. Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen. Ursprünglich wurden die Verhandlungen mit der Ufa und der Bavaria geführt. Die Bavaria hat Interesse geäußert. Das Interesse der Bavaria soll berücksichtigt werden, aber nicht aus den Beständen der 26 % des Bundes, sondern aus den Beständen der Käufer, den 48 % und den zweimal 13 %. Diese Frage kann ich nach dieser Richtung hin beantworten.
Drittens möchte ich ebenfalls kurz die Frage des Beirats beantworten. Ich habe in den Ausschüssen gesagt, daß die Ufa sich nach den bisherigen mündlichen Erklärungen und Vereinbarungen bereit erklärt hat, daß die Wirkung des Beirats verstärkt werden soll, daß der Beirat insbesondere bei Anstellung von leitenden Persönlichkeiten in der Wochenschau gehört werden soll. Ich habe aber heute noch einmal - weil ich annehmen durfte, daß die Frage erneut kommt - die schriftliche verbindliche Erklärung von dem Vorstand der Universum Film AG, unterzeichnet von Herrn Hauke und Dr. Neudeck, bekommen, daß die Bestellung der leitenden Redakteure der Wochenschau jeweils im Benehmen mit dem Beirat vorgenommen wird. Der Wunsch des Kulturpolitischen Ausschusses ist damit erfüllt.
Das sind, soweit ich es übersehe, die wesentlichsten Fragen. Bezüglich der Probleme, die Sie anschnitten, möchte ich noch eines richtigstellen. Sie hatten von der Neuen Deutschen Wochenschau gesprochen. Diese ist keine Ufa-Wochenschau, sondern wird von der Bavaria vertrieben.
Ich möchte daher das Hohe Haus bitten, dem Antrag der Bundesregierung zu entsprechen, weil der Preis durchaus angemessen ist und die Fragen, die hier gestellt worden sind, wie ich glaube, zufriedenstellend beantwortet worden sind.
({0})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, der Veräußerung zuzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen ist die Veräußerung beschlossen.
Meine Damen und Herren, jetzt muß ich Sie noch um einige Aufmerksamkeit bitten. Nach § 96a unserer Geschäftsordnung haben wir noch über drei in Schriftlichen Berichten des Außenhandelsausschusses enthaltene Anträge über von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete Zollvorhaben zu beschließen.
Ich rufe zunächst auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 ({1}) ({2}).
Auf mündlichen Bericht wird verzichtet. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, der Bundestag wolle unverändert zustimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die das zu tun bereit sind, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte um Enthaltungen. - Soweit ich sehe, bei einer Gegenstimme ohne Enthaltungen beschlossen.
Als nächstes rufe ich auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({3}) über .den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Elften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 ({4}) ({5}).
Auch hier wird auf mündlichen Bericht verzichtet. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, unverändert zuzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Als letztes rufe ich auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({6}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 ({7}) ({8}).
Bitte, Herr Wehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Bericht bedarf es einer mündlichen Ergänzung, da sich hier zwei Ausschußbeschlüsse einander gegenüberstehen, und zwar der Beschluß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der den Entwurf der Zwölften Verordnung abgelehnt hat, und der Beschluß des federführenden Ausschusses, des Ausschusses für Außenhandelsfragen, der mit Mehrheit dieser Vorlage der Bundesregierung zugestimmt hat. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in getrennter Sitzung über die Vorlage der Bundesregierung Beschluß gefaßt und hat dann über die Gründe Bericht erstatten lassen, die zur Ablehnung durch die Mehrheit führten, und zwar wurden dem Ausschuß für Außenhandelsfragen als Gründe vorgetragen:
1. Die Erwartungen, die man seinerzeit an die Aussetzung des Kartoffel- und des Butterzolls geknüpft habe, hätten sich nicht als berechtigt erwiesen; es sei damit keine Wirkung erzielt worden.
2. Die Gemüseernte des vergangenen Jahres habe nur uni 10 % unter der des Vorjahres gelegen; es seien immerhin Ausweichmöglichkeiten vorhanden.
3. Durch die vorgesehene Zollherabsetzung könnte die Stetigkeit der Entwicklung in den Verträgen zwischen den Anbauern und der Konservenindustrie gestört werden.
Der Außenhandelsausschuß hat sich diesen Argumenten nicht angeschlossen. Die Mehrheit war vielmehr, nachdem durch die Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eindrucksvolle Zahlen über die Entwicklung der Produktion, der Preise und des, Bedarfs vorgelegt worden waren, der Auffassung, daß die von der Bundesregierung zu ihrer Vorlage gegebene Begründung gerechtfertigt sei und daß die Notwendigkeit bestehe, mit der vorliegenden Verordnung Preissteigerungen entgegenzutreten. Nach dem vorgelegten Material sind seit 1958 die Preise für Bohnengemüse im Durchschnitt um 39 % gestiegen. Im einzelnen erhöhten sich die Preise nach dem Ausweis des Statistischen Bundesamtes seit 1958 um 25 bis 44 %. Die Ernte an Bohnen ist wegen der bekannten Wetterverhältnisse gegenüber 1958 sehr stark zurückgeblieben. Während die Ernte 1958 rund 68 000 Tonnen betrug, belief sie sich 1959 nur auf 39 800 Tonnen. Es ist daher bei Erbsen- und Bohnendosengemüse mit einem Angebotsrückgang von 25 bis 30 Millionen Dosen zu rechnen. Selbst unter Berücksichtigung des noch vorhandenen Überhangs an Bohnengemüse würde ,die Versorgung nicht ausreichend sein. Es hat sich bereits gezeigt, daß beim Verteiler Schwierigkeiten auftreten; es wurde darauf hingewiesen, daß nur zwei Drittel und weniger von dem geliefert worden seien, was angefordert sei.
Bezüglich des Gefriergemüses bestanden keine Meinungsverschiedenheiten.
Der Ausschuß beantragt, dem Entwurf einer Zwölften Verordnung -- Drucksache 1462 - unverändert zuzustimmen und darüber hinaus der Bundesregierung zu empfehlen, möglichst bald aus der Tarifnummer 07.04 A - 4 den Zoll für getrocknete grüne Bohnen bis 31. März 1960 von 27 % auf 10 % herabzusetzen.
Ich bitte Sie, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen, damit die Verordnung noch rechtzeitig wirksam werden kann.
({0})
Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über Ziffer 1 des Antrages des Außenhandelsausschusses, dem Entwurf einer Zwölften Verordnung unverändert zuzustimmen. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 1 des Antrages ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr über Ziffer 2 des Ausschußantrages ab, der Bundesregierung zu empfehlen, möglichst bald auch den Zoll für getrocknete grüne Bohnen bis 31. März 1950 von 27 % auf 10 % herabzusetzen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit der gleichen Mehrheit wie Ziffer 1 angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 11. Dezember 1959, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.