Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Menne Damen und Herren, unser Kollege Abgeordneter Harnischfeger feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ich handele wohl in Ihrer aller Namen, wenn ich ihm die herzlichsten Glückwünsche ausspreche.
({0})
Wir treten in die Tagesordnung ein. Zunächst setzen wir die
Fragestunde
fort. Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage des Abgeordneten Wienand betreffend Linienführung der geplanten Entlastungsstraße für die Bundesstraße 42 auf.
Ist der Herr Fragesteller anwesend? - Das ist nicht der Fall. Dann erfolgt die Antwort schriftlich.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Schütz ({1}) über die Beschleunigung des deutschen Autobahnbaues auf:
Stimmen Berichte englischer Zeitungen, daß Beamte des Bundesverkehrsministeriums den fertiggestellten Teil der Autobahn von London nach Birmingham besichtigt haben? Stimmt es, daß sie dabei festgestellt haben, daß eine Strecke, für deren Bau in der Bundesrepublik drei Jahre benötigt werden, dort in neunzehn Monaten fertiggestellt wurde?
Haben die Beamten dabei Erkenntnisse gesammelt, wie der deutsche Autobahnbau in den kommenden Jahren beschleunigt werden kann?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Seiermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berichte englischer Zeitungen über den Besuch des fertiggestellten Teils der Autobahn London-Birmingham durch Beamte des Bundesverkehrsministeriums treffen nicht zu. Es konnten daher an Ort und Stelle weder Feststellungen über die Baufrist getroffen noch Erkenntnisse für die deutschen Autobahnen gewonnen werden.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage des Abgeordneten Müller-Hermann über die Losgröße bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß im Bundesausschreibungsblatt Nr. 117 vom 17. Oktober 1959 eine Ausschreibung des Autobahnamtes Nürnberg über die Herstellung
der Fahrbahndecke der Autobahn Frankfurt ({0}) -Nürnberg über eine Strecke von rund 35 km veröffentlicht wurde und diese Ausschreibung zusätzlich sämtliche Anschlußstellen, einen Zubringer, ca. 27 Rastplätze und 53 000 qm Kleinpflaster, ferner 5 km Gleisanschluß enthält?
1st der Herr Bundesverkehrsminister der Auffassung, daß diese Losgröße den Richtlinien seines Hauses über wirtschaftliche Losgrenzen entspricht?
Handelt es sich bei dieser Ausschreibung um einen Sonderfall?
Wie will der Herr Bundesverkehrsminister andernfalls diese Maßnahme, die gleichbedeutend mit der Ausschaltung aller kleineren und mittleren Bewerber ist, mit den in der Regierungserklärung der Bundesregierung vom 27. Oktober 1957 niedergelegten Grundsätzen über die Erhaltung eines leistungsfähigen Mittelstandes in Ubereinstimmung bringen?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, in seinem Ressort und in den zuständigen Länderressorts dafür Sorge zu tragen, daß bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen die Losgröße so gewählt wird, daß auch kleinere und mittlere Unternehmen sich erfolgreich an den Ausschreibungen beteiligen können?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Seiermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Verkehr hat die öffentliche Ausschreibung für das 35 km lange Fahrbahndeckenlos an der Autobahn Frankfurt-Nürnberg gebilligt. Er hat die Verhältnisse an Ort und Stelle selbst geprüft.
Er ist der Auffassung, daß solche Losgrößen in Sonderfällen aus Gründen wirtschaftlichster Baugestaltung erforderlich sind. Die Voraussetzungen sind in diesem Fall durch die örtlichen Bedingungen gegeben.
Mittlere Bewerber können auch bei diesen Losgrößen zum Zuge kommen, wenn sie in Form von Arbeitsgemeinschaften anbieten. Im übrigen steht den mittleren und kleineren Bietern der weite Markt der mittleren und kleineren Ausbaumaßnahmen der Bundesfernstraßen in der Regel beim öffentlichen Wettbewerb offen. Das anteilige Bauvolumen dieser Baumaßnahmen beträgt wertmäßig etwa drei Viertel des jährlichen Gesamtbauvolumens der Bundesfernstraßen. Daher ist den mittleren und kleineren Betrieben ein sich von Jahr zu Jahr mit steigendem Gesamtbauvolumen ausweitendes Betätigungsfeld eröffnet.
Der Bundesminister für Verkehr ist im übrigen durch ständige Fühlungnahme mit den Länderressorts um eine ausreichende Beschäftigung der mittleren und kleineren Betriebe bemüht. Bei bestimmten Bauaufgaben wird es aber immer zweckmäßig sein - besonders beim Deckenbau, an den besonders hohe technische Anforderungen gestellt werden müssen -, eine gewisse Auswahl zu treffen.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Danke schön!
Vizepräsident Dr. Becker
Wir kommen zur Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner. Die Frage betrifft betriebsfremde Lasten der Deutschen Bundesbahn:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung bei der Deutschen Bundeshahn den Geldausfall, der durch die ihr auferlegten sogenannten „politischen Lasten" - z. B. verbilligte Familienheimfahrten oder verbilligte Frachttarife für Kohle - jährlich eintritt?
Hält es die Bundesregierung im Interesse einer klaren und richtigen Kostenabgrenzung nicht für richtiger, solche Lasten bei den Haushaltsplänen der zuständigen Ministerien, also z. B. Familienheimfahrten beim Familienministerium, auszuweisen, um ein klares Bild über die wirkliche Lage bei der Bundesbahn zu erhalten?
Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Defizit der Bundesbahn, das aus dem Unterhalt unrentabler Strecken, die nur mit Rücksicht auf lokale Bedürfnisse der Bevölkerung noch weiter unlerhalten werden, herrührt?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welche Tatbestände als politische Sonderlasten der Deutschen Bundesbahn anzusehen sind und wie hoch der jährliche Ausfall an Einnahmen zu schätzen ist, soll von der durch Beschluß dieses Hohen Hauses vom 12. Februar 1958 eingesetzten Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn unter Vorsitz von Präsident Brand geklärt werden. Entsprechendes gilt für das Defizit aus der Unterhaltung unrentabler Strecken. Das Gutachten der Prüfungskommission wird voraussichtlich noch in diesem Jahre fertiggestellt.
Die Bundesregierung wird nach Vorliegen des Gutachtens prüfen, inwieweit es notwendig ist, der Deutschen Bundesbahn politische und betriebsfremde Lasten über diejenigen Lasten hinaus ab, zunehmen, die das Kabinett der Deutschen Bundesbahn bereits mit Beschluß vom 30. Januar 1957 abgenommen hat. Es handelte sich hier um die Lasten aus Versorgungs- und Übergangsbezügen für verdrängte Reichsbahnbedienstete, volksdeutsche Bedienstete fremder Staatsbahnen, Westberliner Eisenbahner sowie Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene des ersten und zweiten Weltkrieges und die Last aus dem Anteil der Deutschen Bundesbahn an der Zinsverpflichtung des Bundes für die Ausgleichsforderung der Bank deutscher Länder.
Der Bundesminister für Verkehr neigt der Auffassung zu, daß es angebracht sein wird, eine etwaige Erstattung von Leistungen, die als sogenannte politische Last anerkannt werden, den Haushalten derjenigen Ministerien anzulasten, deren Geschäftsbereich die Begünstigungen ihrem Anlaß nach zuzurechnen sind.
Die Deutsche Bundesbahn hat bereits 1958 ein erstes Programm vorgelegt, das die Stillegung solcher Nebenbahnen oder Teilstrecken von Nebenbahnen mit zusammen 533 km Betriebslänge vorsieht, die auch bei Berücksichtigung ihres Zubringerwertes als unwirtschaftlich anzusehen sind. Dieses Programm wird zur Zeit durchgeführt. Die Bundesregierung schätzt auf Grund von Unterlagen der Deutschen Bundesbahn die laufenden Einsparungen, die durch eine Stillegung dieser Strecken erzielt werden können, auf etwa 6 Millionen DM jährlich. Hierzu kommen eine einmalige Einsparung von rund 25 Millionen DM für die sonst notwendige Instandsetzung dieser Strecken und ein Ertrag von rund 12 Millionen DM aus dem Wert der durch
den Abbau gewonnenen Altstoffe. Die von der Bundesbahn darüber hinaus erwogene Einstellung des Reiseverkehrs auf weiteren Nebenbahnstrecken mit zusammen 247 km Streckenlänge dürfte nach von der Bundesregierung anerkannten Schätzungen der Bundesbahn 1,7 Millionen DM laufende Einsparungen im Jahr und 2,4 Millionen DM einmalige Einsparungen erbringen. Ich brauche nicht zu bemerken, daß diese Einsparungen im Vergleich zu den Abschlußziffern der Deutschen Bundesbahn eine untergeordnete Rolle spielen.
Eine Zusatzfrage? - Nein.
Die nächsten drei Fragen sind von den Fragestellern zurückgestellt worden.
Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Rehs. Die Frage betrifft Leistungen na ch dem Lastenausgleichsgesetz für Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß gegenwärtig rund 500 000 Vertriebene im Bundesgebiet und in Berlin ({0}) wohnen, die von den Leistungen des LAG, insbesondere auch hinsichtlich der Altersversorgung, ausgeschlossen sind, weil sie nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in der SBZ erst nach einem bestimmten Stichtag in die Bundesrepublik gekommen sind?
Welche Überlegungen hat die Bundesregierung angestellt, um diesem Notstand abzuhelfen?
Herr Minister, darf ich bitten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage bezieht sich offenbar auf die Vertriebenen, die nach dem in § 230 des Lastenausgleichsgesetzes enthaltenen Stichtag vom 1. Januar 1953 in die Bundesrepublik oder nach West-Berlin gekommen sind. Es handelt sich um etwa 620 000 Personen. Von diesen besitzt bereits der größte Teil das Recht auf Leistungen aus dem Lastenausgleich oder aus dem Härtefonds. Es handelt sich um Aussiedler oder im Wege der Familienzusammenführung gekommene Vertriebene, die_ auf Grund von § 230 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes volle Rechte genießen. Außerdem erhalten Hilfe aus dem Härtefonds, und zwar Altersversorgung durch die Unterhaltshilfe, Hausratbeihilfe und Existenzaufbaudarlehen, jene Vertriebenen, die als Sowjetzonenflüchtlinge anerkannt wurden. Ferner sind versorgt die Vertriebenen, die 1953 und 1954 ins Bundesgebiet gekommen sind, ohne als Sowjetzonenflüchtlinge anerkannt zu werden; sie erhalten im Falle der Notlage auf Grund der Zweiten Leistungs-Durchführungsverordnung die eben genannten Hilfen aus dem Härtefonds.
Nach der Ausweisstatistik bleibt dann noch ein Rest von rund 180 000 Personen. Auch diese Zahl wird sich nach den Erfahrungen auf etwa 10 000 bis 15 000 Personen reduzieren, weil die Mehrzahl dieser Personen im jugendlichen Alter steht oder die Alterssicherung durch die Sozialversicherung gegeben ist.
Wie Sie aus diesen Zahlen ersehen, ist teils durch den Gesetzgeber, teils durch die Bemühungen der Bundesregierung in weitem Umfang bereits geholBundesvertriebenenminister Dr. Dr. Oberländer
fen worden. Bei den Überlegungen, ob und gegebenenfalls auf welchem Wege weiter geholfen werden kann, sind neben den menschlichen und finanziellen vor allem die gesamtdeutschen politischen Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, selbst wenn Sie bei dem von Ihnen genannten Rest die unvollständige Ausweisstatistik mit den zu niedrigen Zahlen, aber nicht die Notaufnahme- und insbesondere die Wanderungsstatistik zugrunde legen - wird die Bundesregierung, wenn sie prüft, ob und welche Möglichkeiten für den Rest übrigbleiben, bereit sein, eventuell auf dem Wege über die Zweite LeistungsDurchführungsverordnung - das wäre ja ein Weg - besondere zusätzliche Haushaltsmittel für den Härtefonds zur Verfügung zu stellen, um diesem Rest helfen zu können?
Es ist noch nicht sicher, ob die Bundesregierung den Weg einer Änderung der Zweiten Leistungs-Durchführungsverordnung gehen wird. Wenn sie diesen Weg geht, ist allerdings zu prüfen, ob sie durch eine Erhöhung der Haushaltsmittel den Härtefonds verstärken kann.
Welche Möglichkeiten sehen Sie außerhalb des Weges über die Zweite LeistungsDurchführungsverordnung? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß eine Änderung des Lastenausgleichsgesetzes erforderlich wäre, um diese Härten zu beseitigen?
Ich möchte diese Frage erst mit den anderen Ressorts prüfen. Aber ich glaube wohl, daß wir für diesen Personenkreis unbedingt etwas tun müssen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft. Fragesteller ist der Herr Abgeordnete Dr. Menzel. Die Frage betrifft die Vermeidung technischer Mängel beim Bau von Atomreaktoren:
Trifft es zu, daß die Zerstörung eines für friedliche Zwecke bestimmten Atom-Reaktors durch eine sogenannte konventionelle Sprengbombe die gleiche radioaktive Verseuchung zur Folge haben würde wie die Explosion einer Atombombe?
Trifft es zu, daß nach der Fertigstellung des Atom-Reaktors Garching bei München nicht weniger als 133 undichte Stellen festgestellt wurden, und was kann geschehen, um künftig derartige Fehler bei der Herstellung der Atom-Reaktoren zu vermeiden?
Herr Bundesminister, bitte schön.
Zu Frage 1: Die Antwort ist nein; denn die Explosion einer Atombombe ist nicht mit der Zerstörung eines Atomreaktors durch die Explosion einer konventionellen Sprengbombe vergleichbar.
Die Druck- und Hitzewelle einer explodierenden Atombombe führt in Verbindung mit einer extremen Ausbreitung der Radioaktivität zu einer Vernichtung, mindestens aber ernsten Gefährdung aller l Lebewesen im weiten Umkreis des von ihr betroffenen Gebietes. Dagegen wird durch den Volltreffer einer normalen Sprengbombe in das Herz eines Reaktors die an sich schon wesentlich langsamere Kettenreaktion unterbrochen, so daß eine Kernexplosion unmöglich ist. Die Sprengwirkung der Bombe könnte daher lediglich die radioaktiven Bestandteile des Reaktors in der näheren Umgebung zerstreuen mit örtlichen Auswirkungen und örtlichen Bekämpfungsmöglichkeiten.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, darf ich Sie auf die Auslassung des Amerikaners Edward Teller zu diesem Punkte hinweisen. In seinem Buch „Ausblick in das Kernzeitalter" ist auf Seite 135 zu dieser Frage festgestellt, daß die radioaktive Verseuchung in dem Falle, daß ein Reaktor von einer der bisher üblichen Sprengbomben getroffen werden würde - wie er sagt -, in einem Gebiete von Hunderten von Quadratkilometern alles menschliche Leben gefährden würde. Sind Sie bereit, Ihre Ausführungen nach nochmaliger Überprüfung dieser Auslassung zu revidieren?
Ich werde mir das noch einmal durchlesen und komme dann darauf zurück, Herr Dr. Menzel.
Dann darf also diese Zusatzfrage schriftlich beantwortet werden?
Einverstanden.
Zu 2: Der Reaktor Garching bei München weist keine Undichtigkeiten auf. Hingegen ließ die Umhüllung einiger Brennstoffëlemente ausländischen Fabrikats während des Betriebs geringfügige Undichtigkeiten erkennen. Diese Feststellung bot aber bisher keinen Anlaß, den Reaktorbetrieb einzustellen, da die Einhaltung der Toleranzdosis ,gewährleistet ist und daher weder für das Betriebspersonal noch für die Allgemeinheit eine Gefahr besteht. Die undichten Elemente werden nach und nach ausgetauscht.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, das nach dem bisherigen Recht für die Sicherheit dieses Reaktors ausschließlich verantwortlich ist, hat fol- gerade Verlautbarung veröffentlicht:
Die laufende Überwachung des Reaktors durch das Bayerische Staatsministerium des Innern zeigt, daß ,er nach wie vor gefahrlos arbeitet. Die mit der Genehmigung des Reaktors gemachten Auflagengewährleisten, daß weder das Bedienungspersonal noch die Nachbarschaft gefährdet werden. Außerhalb der Reaktorstation sind Auswirkungen des Reaktors überhaupt nicht feststellbar.
Ich möchte hinzufügen, Herr Dr. Menzel, daß vorgesehen ist, nach der Verabschiedung des Atomgesetzes alle Reaktoranlagen in der Bundesrepublik nochmals auf ihre Sicherheit zu überprüfen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Minister, vielleicht liegt ein Mißverständnis zwischen Fragestellung und Antwort insofern vor, als sich meine Frage auf den Zeitpunkt unmittelbar nach der Herstellung des Atomreaktors in Garching erstreckt, der vor zwei oder drei Jahren errichtet worden ist, und nicht auf die jetzige Arbeitsmethode. Soweit ich das feststellen kann, sind an der jetzigen Arbeitsmethode keine Beanstandungen zu erheben.
Meine Frage zielte aber darauf ab, ob es zutrifft, daß der Technische Überwachungsverein in München damals, also vor zwei, drei Jahren, festgestellt hat, daß zunächst eben 133 undichte Stellen vorhanden waren, die dann beseitigt worden sind.
Augenscheinlich handelt ,es sich hier um die Prüfung einzelner Schweißnähte vor dem Zusammenbau und vor der Inbetriebnahme des Reaktors. Undichtigkeiten im Betrieb sind nur an Brennstoffelementen festgestellt worden, nicht am Reaktor.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Junghans. Die Frage betrifft das Hüttenwerk Salzgitter:
Ist dem Herrn Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes bekannt, daß entgegen der Auffassung des Herrn Bundesverkehrsministers, die er in seiner Ansprache anläßlich der 120-Jahr-Feier der Firma Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter am 10. Oktober 1959 vertreten hat, die damalige Hatte Watenstedt in Salzgitter ({0}) nicht auf der Demontagestopp-Liste des sog. Petersberger Abkommens gestanden hat?
Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Junghans beantworte ich nach Rücksprache mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr wie folgt.
Daß die Hüttenwerke Salzgitter AG nicht auf der Demontagestopp-Liste des sogenannten Petersberger Abkommens gestanden hat, ist sowohl dem Herrn Bundesminister für Verkehr als auch mir bekannt. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat in seiner Ansprache anläßlich der 120-Jahr-Feier der Firma Linke-Hofmann-Busch am 10. Oktober 1959, wie die Bandaufnahme seiner Ansprache ausweist, auch lediglich ausgeführt, daß der Herr Bundeskanzler durch das Petersberger Abkommen, durch seinen Besuch 1950 in Salzgitter und durch seine Arbeit am Deutschlandvertrag die Grundlage für den Wiederaufstieg dieses Raums geschaffen habe. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß erst durch das Petersberger Abkommen weitere Verhandlungen und Bemühungen mit dem Ziele, die Demontagen in der Bundesrepublik ganz einzustellen, möglich waren.
Eine Zusatzfrage? Bitte schön.
Herr Bundesminister, Sie sprachen soeben von dem Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Salzgitter 1950. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der Herr Bundeskanzler 1953 erstmals in Salzgitter war und daß sich im Gegensatz hierzu Hans Böckler und Kurt Schumacher in der Demontagezeit in Salzgitter an Ort und Stelle um die Arbeitnehmer gekümmert haben?
({0})
Nach Unterlagen, die mir vorliegen, ist der Bundeskanzler bereits 1950 einmal in Salzgitter gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, sich einmal über die Vorgänge um die Demontage in Salzgitter bei unserem Kollegen Anton Storch zu informieren?
({0})
Das werde ich tun.
Damit ist diese Frage erledigt.
Wir kommen zur letzten Frage. Fragesteller ist der Abgeordnete Kreitmeyer. Seine Frage betrifft die Verlängerung von Pachtverträgen für landwirtschaftliche Siedler auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Belsen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Siedlungsbank in Bonn die Kreditgewährung für landwirtschaftliche Siedler auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Belsen von einer Dauer des Pachtvertrages abhängig macht, die bis zum Jahre 1963 reicht?
Ist die Bundesregierung bereit, die jetzt bis 1961 laufenden Verträge entsprechend zu verlängern, damit die Siedler in den Genuß der bereits 1958 beantragten Kredite kommen?
Die Anfrage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer beantworte ich wie folgt.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Deutsche Siedlungsbank in Bonn die Kreditgewährung für landwirtschaftliche Pächter auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne von einer Vertragsdauer bis zum Jahre 1963 abhängig gemacht hat. Bisher wurde bei der Deutschen Siedlungsbank in Bonn noch kein solcher Antrag auf Kreditgewährung gestellt.
Der Truppenübungsplatz in Bergen-Hohne wird in Zukunft in seiner Gesamtgröße für Zwecke der NATO benötigt. Wann die heute noch landwirtschaftlich genutzten Randflächen geräumt werden müssen und welche Pächter zuerst davon betroffen werden, wird der Herr Bundesminister für Verteidigung bis Ende dieses Jahres feststellen.
Die Bundesregierung ist bereit, die Verträge mit den Pächtern zu verlängern, die bis zum Jahre 1963 auf dem Übungsplatz verbleiben können.
Danke schön! Damit sind die Fragen beantwortet.
Ich rufe als nächsten den Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung ({0}),
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Wünscht Herr Abgeordneter Dr. Böhm als Berichterstatter das Wort? - Das ist anscheinend nicht der Fall.
Wir treten dann in die Einzelberatung der zweiten Lesung ein. Ich rufe in der Fassung des Ausschusses auf den Artikel I Nr. 1 - also immer die Nummern, vor die der Rhombus gedruckt ist -,
- Nr. 2, - Nr. 3, - Nr. 4, - Nr. 4a, - Nr. 5, - Nr. 6, - Nr. 6a. - Ich mache darauf aufmerksam, daß auch noch die Nr. 6b besteht. - Dann rufe ich auf Nr. 7, - Nr. 8. - Es sind alles Nummern, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wird das Wort hierzu gewünscht?
({4})
- Bei 8a liegt ein Antrag vor. Wird also zu den aufgerufenen Nummern das Wort gewünscht?
({5})
- Bei Art. I habe ich nach den vorgedruckten Nrn. 1 bis 8 aufgerufen; diese sollen unverändert bleiben. Wünschen Sie dann das Wort? - Bitte, Frau Diemer-Nicolaus!
({6})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich am Dienstag meine Unterlagen holte, stellte ich fest, daß diese Vorlage zur Änderung der Gewerbeordnung in Nr. 8 eine erhebliche Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf erfahren hat,
({0})
und zwar insofern, als jetzt neu hinzugekommen ist, daß der bisherige § 33d der Gewerbeordnung durch eine Reihe von Bestimmungen, nämlich durch die §§ 33d bis h, ersetzt werden soll.
Verzeihen Sie, Frau Kollegin, Sie sprechen jetzt zu Nr. 8a. Ich hatte nur bis zu Nr. 8 aufgerufen, weil diese Nummern bisher unstreitig und Anträge hierzu nicht gestellt worden sind. Nr. 8, aber nicht 8a!
Ich darf zunächst bitten, die Nummern, zu denen offenbar nicht das Wort gewünscht wird und keine Änderungsanträge vorliegen, zu erledigen. Wer den Nrn. 1 bis 8 des Art. I in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Nummern sind angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Nr. 8a. Hierzu liegen vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 428 Ziffer 1 und auf Umdruck 433 Ziffer 1. Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wünschen Sie jetzt zu der Debatte das Wort? - Bitte, Frau Diemer-Nicolaus!
Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, entschuldigen Sie den Lapsus, der mir vorhin passiert ist. Über die Problematik, die mit der Einfügung dieser Bestimmungen zusammenhängt, hatte ich gerade noch mit Kollegen der anderen Fraktion gesprochen. Ich sagte schon, ich war überrascht, als ich feststellte, daß eine weitgehende Änderung der Gewerbeordnung infolge der Ersetzung des bisherigen § 33d durch eine Reihe von anderen Bestimmungen im Ausschuß neu hinzugekommen ist. Ich hatte dies vorher nicht gewußt - so was erfährt man erst durch die Drucksachen - und habe mich dann erkundigt, wieso es zu dieser Änderung gekommen ist. Darauf wurde mir gesagt, es sei vor allen Dingen ein Wunsch des Bundesrats gewesen, der diesen damit begründet hätte, mit den bisherigen Bestimmungen des § 33d der Gewerbeordnung und den dazugehörigen Durchführungsverordnungen - ich nehme an, daß es sich dabei insbesondere um den § 10 der Durchführungsverordnung handelt - sei man verwaltungsmäßig nicht zurechtgekommen.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich verpflichtet, in diesem Zusammenhang auf folgendes aufmerksam zu machen. Über die Problematik, die mit diesen Bestimmungen des § 33d zusammenhängt, ist ein Rechtsstreit anhängig, in dem sich die Verwaltung auf ein Gutachten der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt in Braunschweig gestützt hat. Die Prozeßgegner haben sich auf andere Gutachten gestützt, darunter auch auf das Gutachten eines angesehenen Wissenschaftlers, der zum Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums gehört. Dieser und die anderen Gutachter haben bezüglich der Auslegung andere Auffassungen als die Bundesanstalt in Braunschweig vertreten. Die Verwaltung hat in den beiden ersten Instanzen mit ihrer Auffassung nicht recht bekommen, sowohl beim Verwaltungsgericht nicht als auch beim Oberverwaltungsgericht nicht. Beim Bundesverwaltungsgericht ist die Sache anhängig. Da ging es auch zunächst darum, ob der Gewerbebetrieb wegen Gefährdung der öffentlichen Interessen untersagt werden könne, und auch insofern hat die Verwaltung vom Bundesverwaltungsgericht nicht recht bekommen. Die Hauptentscheidunq steht noch aus.
Da ich nun aber rein zufällig Kenntnis von den divergierenden Gutachten habe. habe ich festgestellt, daß jetzt in den Ermächtigungen, die insbesondere in dem § 33f zugunsten der Bundesanstalt enthalten sind, strittige Punkte, in denen die Bun5024
desanstalt nicht recht bekommen hat, jetzt kraft Gesetzes zugunsten der Auslegung der Bundesanstalt geregelt werden sollen. Ich muß Ihnen sagen, daß ich außerordentlich starke Bedenken dagegen habe, daß jetzt ein derartiges Gesetz erlassen wird, nachdem in dem Musterverfahren, das nachher für all diese Streitfragen bestimmend sein soll, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unmittelbar bevorsteht. Ich weiß -das habe ich durch die Kollegen vom Wirtschaftsausschuß erfahren -, daß diese Dinge bei der Beratung dieser Bestimmungen nicht bekannt gewesen sind. Ich fühle mich deshalb verpflichtet, auf diese Tatsache hinzuweisen.
Noch etwas anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als es bei der ersten Lesung darum ging, in welche Ausschüsse das Gesetz überwiesen werden sollte, wurde der Rechtsausschuß nicht eingeschaltet. Jetzt bergen aber diese Bestimmungen, wie sie in den §§ 33d ff. enthalten sind, eine Fülle von Rechtsfragen in sich, die natürlich bei der ersten Lesung nicht zu übersehen waren, weil ja dieser Vorschlag noch gar nicht vorlag. § 33d hat nämlich eine ganz wesentliche Erweiterung der Erlaubnispflicht erfahren. Während vorher § 33d auf mechanisch betriebene Spiele beschränkt war, sollen jetzt darüber hinaus noch sonstige Spiele einbezogen werden; ich habe den Eindruck, als wollte man auch alle Geschicklichkeitsspiele einbeziehen.
Damit taucht die Frage auf, inwieweit so etwas nach Art. 12 GG möglich ist. Sie müssen sich immer vergegenwärtigen, daß wir in unserem Grundgesetz die Gewerbefreiheit ganz stark als ein Grundrecht ausgestaltet haben, und zwar in Art. 12, als ein Grundrecht, das allerdings in seiner Ausübung gewissen Einschränkungen unterliegen kann. Es liegt aber eine umfangreiche Rechtsprechung darüber vor, in welchem Umfange das möglich ist. Dieses Grundrecht der Gewerbefreiheit darf nur aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls eingeschränkt werden. Soweit es sich dabei um Glücksspiele handelt, bedarf es keiner weiteren Erörterungen. Aber jetzt fängt die Problematik an. Ist es mit Art. 12 GG vereinbar, daß auch reine Geschicklichkeitsspiele in diesen Erlaubnisvorbehalt einbezogen werden? Das ist eine Frage, die eingehend im Rechtsausschuß geprüft werden müßte.
Weiter weise ich noch darauf hin, daß in dem jetzigen Vorschlag auch bezüglich der Ausübung an die Zuverlässigkeit sehr hohe Anforderungen gestellt werden, daß gewisse einmalige Verfehlungen schon ausreichen sollen, drei Jahre ,ein entsprechendes Gewerbe nicht ausüben zu dürfen; insbesondere trifft dies auf eine einmalige Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 146 Ziffer 5 zu, also auf jemanden, der fahrlässig eine Übertretung nach diesem Gesetz begangen hat. Das ist ein sehr starker Eingriff in das Recht der freien Berufsausbildung, das jedem Bürger zusteht.
'Die Bestimmungen wären auch darauf zu überprüfen, inwieweit sie mit der bisherigen Rechtsprechung übereinstimmen. Vom Bundesverwaltungsgericht und von den Oberverwaltungsgerichten wird anerkannt, daß Einschränkungen möglich sind und daß die Zuverlässigkeit eine besondere Prüfung erfahren darf. Die Rechtsprechung geht aber dahin, daß es nicht darauf ankommt, ob einmalige Verfehlungen vorliegen. Eine einmalige Verfehlung kann so schwer sein, daß ihretwegen die Zuverlässigkeit ohne weiteres in Frage gestellt werden muß. Entscheidend kommt es aber auf die Gesamtwertung der Persönlichkeit an. Es liegen Entscheidungen vor, die ausdrücklich betonen, daß diese Frage von Fall zu Fall besonders geprüft werden muß; eine einmalige Verfehlung kann gegebenenfalls nicht ausreichen.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf kann schon bei einer Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Tat - wenn z. B. einmal fahrlässig unterlassen worden ist, eine Ordnungsvorschrift dieses Gesetzes einzuhalten - eine Untersagung der Ausübung des Berufes erfolgen.
({0})
- Herr Kollege, ich lasse mich gerne gegebenenfalls berichtigen!
({1})
- Ich wollte nur darauf hinweisen, daß die Kolleginnen und Kollegen des Wirtschaftausschusses über die Rechtsprechung in diesen Fragen nicht so unterrichtet sind. Ich würde die Prüfung dieser Frage doch für notwendig erachten. Es liegt eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin vor, Herr Kollege Lange. Die Einschränkung der freien Berufsausübung, wie sie jetzt in diesem Vorschlag enthalten ist, ,entspricht in etwa dem bisherigen § 10 der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz. Die Entscheidung des Gerichtes sagt eindeutig, daß das in dieser Form nicht zulässig sei. Es müßte also noch einmal genau überprüft werden, inwieweit die hier verwendete Formulierung mit der Rechtsprechung der oberen Verwaltungsgerichte und auch des Bundesverfassungsgerichts in Einklang steht.
Dann ein weiterer Punkt! Ich darf in Ihre Erinnerung rufen, daß uns der Art. 80 GG im Bundestag schon wiederholt Kummer bereitet hat. Es ist uns nicht sehr angenehm, daß das Bundesverfassungsgericht Gesetze mit der Begründung aufgehoben hat, daß in diesen Gesetzen die Grenzen des Art. 80, die für Rechtsverordnungen gegeben sind, nicht entsprechend eingehalten worden sind. Im Rechtsausschuß wird deshalb immer sehr sorgfältig geprüft, oh sich die Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Grundsätze halten, damit nach Möglichkeit die vom Bundestag verabschiedeten Gesetze nicht für verfassungswidrig erklärt werden.
In dem § 33f werden einer ,einzelnen Bundesanstalt sehr weitgehende Befugnisse erteilt. Es ist für mich als Juristin im Augenblick nicht zu übersehen, ob hier die Grenzen der Bestimmbarkeit, wie sie in Art. 80 des Grundgesetzes gefordert sind, tatsächlich eingehalten sind.
Es ist natürlich ein schlechter Zustand, daß diese Dinge erst jetzt bei der zweiten Lesung zur Sprache
Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
kommen; zudem soll die dritte Lesung so schnell wie möglich erfolgen. Das kommt aber daher, daß diese Bestimmung erst im Ausschuß eingefügt wurde. Sonst hätte ich, auch wenn ich nicht dem Wirtschaftsausschuß angehöre, schon vorher darauf aufmerksam gemacht.
Es geht also ,einmal um die wichtige Tatsache, daß der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist und dort in Kürze zur Entscheidung steht, zum anderen um die Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Art. 12, 19 und 80 GG.
Nach meiner Auffassung ist es unbedingt notwendig, daß sich der Rechtsausschuß doch noch mit diesem Teil der Gewerbeordnung befaßt. Sie werden mich fragen, wie das geschäftsordnungsmäßig geschehen soll. Wir hatten gestern bereits eine sehr instruktive Aussprache über die Möglichkeit der Rückverweisung eines Teils eines Gesetzes, die ich mit großer Aufmerksamkeit verfolgt habe.
In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht auf folgendes aufmerksam machen. Nach meiner persönlichen Auffassung müßte es geschäftsordnungsmäßig möglich sein, daß dann, wenn es sich um einen Teil eines Gesetzentwurfs handelt, der in sich ein vollkommen abgeschlossenes Ganzes bildet - so wie es hier bei §§ 33d ff. der Fall ist -, dieser Teil an einen Ausschuß - in diesem Fall an den Rechtsausschuß, der bisher noch nicht mit der Sache befaßt war, obwohl hier ganz wichtige rechtliche Fragen zu beurteilen sind - zurückverwiesen wird, ohne daß dadurch der Fortgang der übrigen Beratungen inhibiert würde. Es müssen dann nur die notwendigen redaktionellen Änderungen - bei Verweisungen in einigen späteren Bestimmungen - vorgenommen werden. Das könnte ohne weiteres in ganz kurzer Zeit zwischen der zweiten und dritten Lesung geschehen.
Sollte das Hohe Haus jedoch der Auffassung sein, daß dies geschäftsordnungsmäßig nicht möglich sei, so gibt es zwei weitere Verfahren, die eingeschlagen werden könnten.
Einmal könnte man das ganze Gesetz an den Rechtsausschuß zurückverweisen und insofern die Beratung aussetzen, oder, falls das Hohe Haus der Auffassung sein sollte, daß die Sache dadurch zu lange verzögert würde, könnte man zunächst einmal die Regierungsvorlage bezüglich des § 33d wiederherstellen, also heute - ich betone ausdrücklich: heute! - zunächst einmal gegen diese Bestimmungen stimmen, dann durch eine Gesetzesinitiative die hier vorgeschlagenen Bestimmungen aufnehmen und diesen Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß verweisen. Ich sage mir aber: Warum so umständlich, wenn man es nach der Weise, die ich zuerst vorgeschlagen habe, auch einfacher machen kann?
Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Kollegien und Kolleginnen, um Verständnis für meine Ausführungen heute, und ich bitte Sie, bei der Entscheidung daran zu denken, daß es sich doch um ganz wesentliche verfassungsrechtliche Fragen handelt. Die Gewerbefreiheit, die freie Berufsausübung sind Grundrechte, die nur dann eingeschränkt werden
dürfen, wenn ihnen überwiegende öffentliche Belange entgegenstehen. Das muß geprüft werden.
Einen Augenblick bitte, Frau Kollegin! Welchen Antrag haben Sie gestellt? Ich habe nur gehört, daß Sie verschiedene Möglichkeiten erörtert haben. Haben Sie einen bestimmten Antrag auf Zurückverweisung gestellt?
Ja, mein erster Antrag geht dahin, diesen Teil, also die Nr. 8a, an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen.
Hilfsweise habe ich den Antrag gestellt, dann, wenn nur eine Rückverweisung des gesamten Gesetzentwurfes möglich sein sollte, den Entwurf an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen. Da die rechtliche Überprüfung bisher noch nicht erfolgt ist, ist die Überweisung an den Rechtsausschuß notwendig.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berliner Prozeß hat zum Gegenstand die Frage, ob die alte Ermächtigung des § 33d ausreicht, die alte Durchführungsverordnung zu § 33d in der Fassung von 1957 zu rechtfertigen. Der Prozeß betrifft also altes Recht. Der Bundestag kann neues Recht schaffen und ist durch diesen Prozeß hieran in keiner Weise gehindert. Die Bewertung der Gutachten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ist Sache der Gerichte, die insoweit unabhängig sind. Die Änderung der Fassung in der Vorlage hat mit dieser Frage nichts zu tun. Art. 12 des Grundgesetzes wird nicht berührt; die Frage ist im Wirtschaftsausschuß geprüft worden.
Im übrigen können wir auf eine Regelung für die sogenannten anderen Spiele nicht verzichten. Die Mißstände bei den sogenannten Kesselspielen in den Spielkasinos sind allgemein bekannt.
Herr Abgeordneter Lange hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Frau Kollegin Diemer-Nicolaus mit uns über diese Frage gesprochen hatte, war ich zuerst der Meinung, daß man dem Ersuchen entsprechen sollte. Nun steht aber fest, daß die vorliegende Novelle zur Gewerbeordnung, selbst wenn sie heute verabschiedet wird, erst am 1. Oktober 1960 in Kraft tritt. Infolgedessen kann der Rechtsstreit um diesen Punkt durchaus weiter ausgetragen werden, ja, die Frage, die dort anhängig ist, wird durch die Novelle zur Gewerbeordnung gar nicht berührt. Aus diesem Grunde bin ich dafür, die Überweisung an den Rechtsausschuß nicht vorzunehmen.
Die Möglichkeit des Gewerbeentzugs bei Fahrlässigkeit ist nach den Bestimmungen des § 35 nicht mehr gegeben. Das war der Inhalt meines Zwischenrufs von vorhin. Insoweit wird die Fahrlässigkeit nach dem 1. Oktober des nächsten Jahres anders bewertet, als es bisher der Fall war.
Das Wort hat der
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus den Gründen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister angeführt hat und die soeben auch noch von Herrn Kollegen Lange unterstrichen worden sind, bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse die Ausführungen der Vertreterin der Fraktion der Freien Demokraten. gehört. Frau Dr. Diemer-Nicolaus hat ein Wort gesprochen, das mir sehr beachtlich erscheint. Sie hat 'gesagt: „Warum so umständlich, wenn man es auch einfach machen kann?"
Die Institutionen, zu deren Anwalt sich Frau Dr. Diemer-Nicolaus ,gemacht hat, sind, wie jedermann weiß, der sich mit den Problemen der Jugend befaßt, Pflanzstätten der Jugendkriminalität. Wir sollten uns nach meiner Meinung sehr ernsthaft überlegen, ob es richtig ist, solche Einrichtungen auch weiterhin in der Bundesrepublik zu dulden.
Die Frau Kollegin, die soeben gesprochen hat, war im Bundestag noch nicht tätig, als wir uns vor einigen Jahren sehr ernsthaft über das ,allgemeine und grundsätzliche Verbot der Spielbanken unterhielten. Aus Umständen, die ich jetzt nicht im einzelnen erörtern kann, die ich aber für sehr bedauerlich halte, ist es damals nicht zu einem Verbot der Spielbanken gekommen. Überlegen Sie sich bitte, wieviel Unheil für unser Volk hätte vermieden werden können, wenn das Gesetz über das Verbot der Spielbanken damals angenommen worden wäre. Ich bedaure außerordentlich, daß es dazu nicht gekommen ist.
Wenn man sich idas überlegt, dann erscheint die Diskussion, die heute von einer Vertreterin der FDP hier geführt worden ist, in einem sehr seltsamen Licht. Wenn ich 'die Dinge recht verstehe - ich habe an der Arbeit im Ausschuß nicht mitgewirkt -, dann hat man dort vom Bundesrat oder von den Ländern her versucht, mit den Bestimmungen, die hier vorgeschlagen werden und Gegenstand der Beratung sind, Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß sich die Spielhallen und Spielsäle, wie das bisher der Fall war, schädlich auswirken. Die im Ausschuß angenommenen Bestimmungen haben doch, wenn ich es recht verstehe - ich lasse michgern korrigieren, Herr Kollege Lange -, den Sinn, diese Einrichtungen, die sehr fragwürdiger Art sind, unter eine bessere Kontrolle nehmen zu können, als das bisher der Fall war. Es ist das allermindeste, was man tun müßte, solche Bestimmungen zu treffen, die eine sorgfältige, wirksame Kontrolle dieser Institutionen sicherstellen.
Meine Damen und Herren, wenn man nun noch darüber diskutieren will, daß solche Vorschriften
möglichst rasch wirksam werden, wenn das noch Gegenstand der Auseinandersetzung sein soll, dann sollten wir uns, glaube ich, doch sehr ernsthaft überlegen, ob wir nicht diese Gelegenheit benutzen sollten, ein generelles Verbot solcher fragwürdigen Institutionen auszusprechen. „Warum denn so umständlich, wenn es auch einfacher geht"? Ich behalte mir jedenfalls vor, wenn der Streit um diese Bestimmungen noch andauern sollte, ein solches generelles Verbot von Spielhallen und Spielsälen zu beantragen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Debatte hierzu wird geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der weitestgehende Antrag ist der Antrag auf Zurückverweisung der gesamten Nr. 8a in der Ausschußfassung an den Rechtsausschuß. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 428 Ziffer 1 und Umdruck 433 Ziffer 1. Beide sind gleichlautend; sie haben zum Inhalt, daß auf Seite 6 der Ihnen vorliegenden Ausschußdrucksache in der ersten Zeile von oben das Wort „Betriebsarten" durch „Betriebe" ersetzt wird. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich rufe dann die Nr. 8a insgesamt zur Abstimmung auf. Wer ihr in der soeben geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Nr. 8a ist in der soeben geänderten Fassung angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Nr. 9, - 10, - 11, - 11a. - Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über die soeben aufgerufenen Nummern. Wer ihnen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Die Nummern sind angenommen. Wir kommen jetzt zum Umdruck 424, der die Einführung einer neuen Nr. 11b beantragt. Wird der Antrag begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß ich mich zum Sprecher der Interessen der Seehäfen machen darf, wenn ich den Ihnen vorliegenden Antrag auf Umdruck 424 begründe. Ich darf dabei auf folgendes hinweisen.
Die amerikanische Militärregierung hat im Jahre 1948 bei der Einführung der totalen Gewerbefreiheit im Lande Bremen auch die Stauereibetriebe ausgenommen, und der Bremer Senat hat im Jahre 1949 eine neue Grundlage für die Stauereibetriebe im Lande Bremen geschaffen. Unser Antrag hat als
Schneider ({0})
Grundlage diese Verordnung des Bremischen Senats aus dem Jahre 1949. Der Senat hat damals bei der Wiedereinführung der Zulassungspflicht für Stauereibetriebe folgende Begründung gegeben:
Der Bremer Senat hält auch bei den Stauereibetrieben eine behördliche Zulassung für erforderlich, weil unsachgemäßes Arbeiten beim Stauen die Sicherheit des Schiffes sowie der in den Ladeluken arbeitenden Personen erheblich gefährden kann. Im Interesse der Sicherheit unserer Schiffahrt und der in ihr tätigen Personen sowie des Ansehens unserer Häfen müssen derartige Gefahrenquellen ausgeschaltet werden.
Es ist natürlich etwas schwierig - ich will niemandem damit zu nahe treten, wenn ich das sage -, Binnenländern klarzumachen, worum es geht.
({1})
- Es ist doch so, Herr Kollege Lange! - Ich darf aber darauf hinweisen, daß beim Verladen der Güter beachtet werden muß, daß es sich um tausenderlei verschiedene Güter, vom leichtesten und sperrigsten Gut bis zum größten Schwergut von, sagen wir, 100 t handelt und daß insofern also in der Weiträumigkeit des Hafens der Stauereibetrieb ein Dienstleistungsbetrieb ist, der größte Rücksicht auf die Sicherheit in der Schiffahrt zu nehmen hat.
Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß die Stauer, speziell diejenigen, die die Aufsicht beim Beladen der Schiffe führen, es mit fremden Flaggen und damit im großen und ganzen auch mit Seeleuten fremder Sprache zu tun haben, was eine erhebliche weitere Erschwerung darstellt.
Vor allem aber - das ist das wesentlichste Argument - verlangt das Stauen bzw. Beladen die Kenntnis der Stabilität und der Trimmung der zu beladenden Schiffe. Wenn auch der Schiffsführer als der rechtlich Verantwortliche für das Beladen und Stauen der Schiffe gilt, so ist doch der technische Berater der Stauereibetriebe derjenige, der das Schiff belädt. Wir müssen die Dinge auseinanderhalten. Ich weiß aus Diskussionen mit Kollegen, die anderer Ansicht sind, als sie in unserem Antrag niedergelegt ist, daß diese Frage der rechtlichen Verantwortung auf der einen Seite und der sachlichen Verantwortung auf der anderen Seite bei der Frage, ob man diesem Antrage zustimmen könne oder nicht, eine Rolle spielt. Die rechtliche Stellung des Schiffsführers bzw. Ladeoffiziers beim Stauen und Beladen der Schiffe ist unbestritten; das möchte ich ausdrücklich feststellen. Andererseits wird selbst der Laie verstehen können, daß der Ladeoffizier nicht zur gleichen Zeit an sämtlichen Luken und in sämtlichen Räumen des Schiffes sein kann. Mit anderen Worten: er muß sich auf die Stauer verlassen können.
Hinzu kommt, daß mit dem weiteren Ausbau und Aufbau der deutschen Seehäfen auch die Mechanisierung der Stauereigeräte einen immer größeren Umfang annimmt. Allein schon aus diesem Grunde sind gewisse Spezialkenntnisse des verantwortlichen technischen Stauers erforderlich.
Darüber hinaus muß, wie ich schon kurz bemerkte, der Stauer die Trimmung und die Beladungsmöglichkeiten des Schiffes kennen. Er muß die Bestimmungen des Germanischen Lloyd über die Zulässigkeit der Decksbeladung kennen; er muß alle Typen der Verlade- und Löscheinrichtungen kennen; er muß die Tragfähigkeit der Ladegeschirre kennen, und so weiter und so weiter. Kurzum: das ausreisende Schiff kann nur auf Reise geschickt werden, wenn sichergestellt ist, daß die Ladung, gleichviel, um was es sich handelt, so gestaut ist, daß Mannschaft, Schiff und Ladung nicht in Gefahr gebracht werden. Ich darf mir vielleicht erlauben, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß viele schwere Schiffsunglücke der letzten Jahre auf falsches Stauen bzw. Beladen der Schiffe zurückzuführen sind. Sie alle werden sich beispielsweise noch jenes dramatischen Falles der „Flying Enterprise" entsinnen und nicht zuletzt auch der „Pamir", an deren Untergang zum großen Teil -schuld war, daß die Ladung während der Fahrt verrutschte.
Ich will damit die Dinge keineswegs dramatisieren, ich möchte Sie nur mit allem Nachdruck an Hand dieser eklatanten Beispiele darauf aufmerksam machen, daß nichts unterlassen werden darf, was verhindern kann, daß das Schiff, die Ladung und die Mannschaft in Gefahr gebracht werden.
In diesem Falle befinde ich mich ausnahmsweise einmal - aber Gott sei Dank - in Übereinstimmung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr.
({2})
- Das ist ein erfreulicher Tatbestand! Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Bremen, also eine Gewerkschaft, die von den örtlichen Verhältnissen etwas verstehen muß, schreibt an den Verein der Bremer Stauereibetriebe folgendes:
Sehr geehrte Herren!
Wie Ihnen von dem Unterzeichneten bereits telefonisch mehrfach mitgeteilt wurde, schließt sich die Gewerkschaft ÖTV gleichfalls Ihrer Auffassung an, daß es unbedingt erforderlich ist, bei der bevorstehenden bundesgesetzlichen Neuregelung die Zulassungspflicht auch für Stauereibetriebe vorzusehen und dafür entsprechende bundesgesetzliche Zulassungsvorschriften in die Gewerbeordnung aufzunehmen. Das ist notwendig, weil von der sachgemäßen Ausführung von Stauereiarbeiten Leben und Gesundheit der mit diesen Arbeiten betrauten Werktätigen, in erster Linie also der Stauereiarbeiter, sowie des übrigen Personals an Bord und an Land, die Sicherheit der Schiffahrt, die Verhinderung von See- und Arbeitsunfällen, von Ladungs- und Transportschäden und das Ansehen unserer Häfen in hohem Maße abhängt.
Die ÖTV schreibt weiter:
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die
Ausführung von Stauereiarbeiten gründliche
Schneider ({3})
spezielle Sachkunde, umfassende Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten besonderer Art, große praktische Erfahrung, persönliche Eignung und Zuverlässigkeit erfordern. Es muß vor allem die völlige Beherrschung der vielseitigen Arten der Umschlagstechnik beherrscht werden, insbesondere wenn man die in einem Seehafen vorkommenden verschiedensten Ladearten berücksichtigt, die unter stets wechselnden Bedingungen beim Be- und Entladen, sprich Stauen bzw. Löschen, der Schiffe in Frage kommen. Die Gewerkschaft ÖTV steht deshalb auf dem Standpunkt, daß für die in verantwortlicher Stellung mit der technischen Leitung von Stauereiarbeiten betrauten Personen ein vorheriger ausreichender Nachweis der Sachkunde und der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit unerläßliche Voraussetzung für ihre Zulassung sein muß.
Die ÖTV spricht dann zum Schluß noch die Hoffnung aus, daß der Bundestag entsprechend beschließen möge. Darum möchte auch ich Sie, meine Damen und Herren, herzlichst bitten.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter, Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuß war sich darüber klar, daß das Stauereigewerbe eine ungemein verantwortungsreiche Tätigkeit ausübt. Was wir aber zu beurteilen haben, ist die Frage: Bietet ein Zulassungsverfahren die mindeste Garantie dafür, daß die Zahl der Unfälle, die durch schlechtes Verladen verursacht werden, vermindert wird?
Der Ausschuß hat sich die Mühe gemacht, die Unterlagen über eine Reihe von Schiffsunfällen, die auf schlechtes Stauen zurückzuführen sind, zu prüfen. In keinem einzigen dieser Fälle war ein deutscher Hafen beteiligt. Im Falle der „Pamir" ist nicht ganz geklärt, wer eigentlich verladen hat und wer schuld war. In keinem einzigen Fall besteht aber nur ein Gran von Vermutung dafür; daß der Unfall hätte vermieden werden können, wenn vorher der betreffende Leiter des Stauereibetriebes einer Prüfung unterzogen worden wäre. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß diese Unfälle nicht passiert wären bei Stauereibetrieben, deren Leiter jene Prüfung abgelegt und einwandfrei bestanden hätten.
Außerdem besteht eine der größten Sorgfaltsgarantien, die es überhaupt gibt, in der Vermögenshaftung für Unfälle. Bei der Stauerei handelt es sich um sehr große Vermögensobjekte. Daher weiß jeder Leiter eines Stauereibetriebes, mit welch hohen Zahlungen er rechnen muß, wenn er sich einer Nachlässigkeit schuldig macht.
({0})
Ich bitte doch, die Privatgespräche etwas zu dämpfen, damit der Redner richtig gehört werden kann.
Nun ist es aber im Stauereigewerbe wie bei vielen anderen Gewerben dahin gekommen, daß die Betriebe ihre Haftung durch allgemeine Geschäftsbedingungen beschränkt haben. Das müßte zunächst auch geprüft werden. Der Bundestag müßte, bevor er überhaupt irgendeine Zulassungsregelung in Betracht zieht, dafür sorgen, daß die volle Vermögenshaftung für schuldhaft herbeigeführte Stauereischäden wieder eingeführt wird.
Es ist ein Widerspruch in sich, daß ein Gewerbe auf der einen Seite seine Haftung begrenzt und auf der anderen Seite eine Zulassungsbeschränkung fordert. Das hat auch den Verdacht aufkommen lassen, daß es sich hier im Grunde um eine zünftlerische Angelegenheit handelt. Das muß immerhin bedacht werden.
Hier liegt es auch nicht so wie bei sonstigen Zulassungsbeschränkungen, wo ein Publikum beliefert wird, das nicht sachkundig und in der Lage ist, die Qualität der Arbeit zu beurteilen, sondern hier sind die Auftraggeber der Stauer Unternehmungen, die ebenfalls das allergrößte Interesse an der richtigen Verladung haben und die es auch ihrerseits an Aufsicht nicht fehlen lassen. Das hat ja der Herr Antragsteller selbst hervorgehoben. Wir sind zwar der Meinung, daß geprüft werden muß, ob unter Umständen ein Plus an Sicherheit erreicht werden kann, wir sind aber nicht der Meinung, daß eine Zulassungsprüfung ein solches Plus schafft. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Kollegen Schneider recht gern zu, daß die Landratten von den Dingen nicht allzuviel, jedenfalls nicht unmittelbar etwas davon verstehen. Aber ich kann nur bestätigen, daß wir mit der entsprechenden Sorgfalt an die Prüfung dieses Problems herangegangen sind. Wir haben dabei feststellen müssen - das haben uns die Kollegen aus den Küstengebieten und den Hafenstädten auch eindeutig erklärt -, daß zuerst einmal der Kapitän für sein Schiff und auch für seine Ladung verantwortlich ist, daß zweitens der Verladeoffizier und drittens der Stauereibetrieb verantwortlich sind.
Hier können also dem Grunde nach nur zwei entscheidende Dinge getan werden. Zunächst sollte für Ausübung des Stauereigewerbes nach Artikel 12 des Grundgesetzes eine gesetzliche Regelung erlassen werden, die eine entsprechende Berufsausbildung zur Voraussetzung macht; aber sie könnte heute schon von den an der Berufsausbildung interessierten Stellen unabhängig von irgendwelchen sonstigen gesetzlichen Bestimmungen betrieben werden.
Zweitens muß, wie Professor Böhm ausgeführt hat, zuerst wieder die unbeschränkte Haftung der Verantwortlichen eingeführt werden, damit alle anderen möglichen Gedankenverbindungen bei solchen
Lange ({0})
Anträgen ausgeschaltet werden. Ich muß für meinen Teil erklären, daß das, was von unseren Kollegen im Ausschuß hierzu entschieden worden ist, aufrechterhalten bleibt.
Ich muß noch auf ein Weiteres hinweisen. Das, was hier über die Komplizierung des Stauvorganges durch entsprechende Mechanisierung gesagt worden ist, gilt für einen ganzen Teil anderer Gewerbe auch, von denen wir Landratten - vielleicht im Gegensatz zu dem Teil, der hier zur Debatte steht - wieder etwas verstehen. Unter diesen Voraussetzungen müßte man sich überlegen, was man beispielsweise in der Bauwirtschaft im einzelnen zu tun beabsichtigt. Ich denke etwa an die weitgehende Mechanisierung im Hochbau, an die weitgehende Mechanisierung im Straßenbau und an die Unfallhäufigkeit dort. Ich meine, wir sollten jetzt nicht nur einen Gewerbezweig mit verstärkter Mechanisierung herausgreifen, sondern die Bundesregierung in diesem Zusammenhang beauftragen, noch einmal im einzelnen zu prüfen, welche Maßnahmen außerhalb der Gewerbeordnung erforderlich sind. Die Gewerbeordnung sehen wir nämlich in diesem Fall als das ungeeignete Instrument an. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung prüfen, inwieweit diese Dinge bei einer späteren Neukodifikation von Gewerbe- und Berufsrecht schlechthin zusammengefaßt werden können. Aber zwei entscheidende Voraussetzungen sind - um das noch einmal zusammenfassend zu sagen - zu erfüllen: Verschärfung der Berufsausbildung und Verschärfung der Haftungsbestimmungen, d. h. Wiedereinführung der uneingeschränkten Haftung.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde es ganz kurz machen. Der Fall „Pamir", den zu untersuchen ich hier nicht die Absicht hatte, steht letzten Endes doch für alle. Denn Tatsache ist, daß das Unglück nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß die Ladung verrutscht ist. Es ist müßig, hier nun zu untersuchen, wer gestaut hat. Es ist ja bekannt, daß es die Besatzung selbst war. Tatsache ist, daß das Schiff nicht zuletzt deswegen untergegangen ist, weil die Ladung nicht sachgemäß gestaut war, und daß das Schiff den großen Anforderungen, die dann bei Schlechtwetter an es gestellt wurden, nicht mehr gewachsen war.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Schneider, die „Pamir" ist nicht im deutschen Hafen gestaut worden. Es ist in diesem Zusammenhang auch uninteressant, wer sie gestaut hat. Das, was hier für den Geltungsbereich des Grundgesetzes an gesetzlichen Maßnahmen ergriffen werden könnte, würde keine Wirkung auf das haben, was Sie hier
anführen. Wir können uns also nur auf Vorfälle im deutschen Hoheitsbereich beziehen. Frage: Haben Sie dafür irgendwelche Beispiele?
Nein, Herr Kollege Lange, es geht nicht darum, ob innerhalb des deutschen Hoheitsbereiches gestaut wurde oder nicht. Mir geht es jedenfalls ausschließlich darum, den Damen und Herren klarzulegen, daß ein Schiff, das nicht richtig gestaut ist - egal, ob im Ausland oder in Deutschland -, gegebenenfalls in entsprechender Situation Wind und Wetter nicht widerstehen kann.
Es liegt mir vollkommen fern, hier irgendeiner Zunft das Wort zu reden. Ich spreche auch nicht für irgendwelche Interessenten. Das möchte ich ausdrücklich feststellen. Ich befinde mich mit dieser Auffassung in der ausgezeichneten Gesellschaft der ÖTV. Ich habe nur die Befürchtung, daß wir, wenn wir den von Herrn Kollegen Lange hier vorgeschlagenen Weg gehen, wieder zu einem Gesetzesperfektionismus kommen, den wir doch im großen und ganzen in den vergangenen Jahren abgelehnt haben. Gewiß, ein Berufsausbildungsgesetz ist eine schöne Sache. Aber Sie haben doch selbst gesagt, wir müßten eventuell im Hochbau und hier und dort etwas Ähnliches tun. Grundsätzlich sollten wir es ja nicht tun, um nicht zu dieser totalen Perfektion zu kommen. Es genügt vollkommen, daß in einem Gesetz wie der Gewerbeordnung eine grundsätzliche Festlegung erfolgt.
Wenn unser Antrag angenommen würde, so würde das keineswegs die Möglichkeit ausschließen, im Nachwege noch die totale Vermögenshaftung der Stauereibetriebe festzulegen - ich bin durchaus damit einverstanden -, damit hier absolute Gerechtigkeit gegenüber anderen Wirtschaftszweigen geschaffen ist. Ich möchte nicht, daß hier der Eindruck entsteht, ich redete hier irgendwelchen Interessen das Wort.
Die Tatsache, daß die Untersuchungen über die Frage, ob irgendwo Unfälle von Schiffen zu verzeichnen sind, die in deutschen Häfen beladen wurden, so ausfielen, daß diese Frage glücklicherweise verneint werden kann, zeichnet ja nicht nur unsere Häfen aus. Auf der anderen Seite darf sie nicht Veranlassung sein, darauf zu hoffen, daß dies immer der Fall sein wird. Wir sind schließlich alle nur Menschen. Selbst wenn eine solche Bestimmung in die Gewerbeordnung eingefügt wird, ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß in Zukunft einmal etwas passiert; aber es ist eben weitestgehend ausgeschlossen.
Wenn es mir gelungen sein sollte, Sie davon zu überzeugen, daß es hier nicht um ein zünftlerisches Anliegen geht - ich betone das noch einmal ausdrücklich -, und wenn ich Sie davon zu überzeugen vermag, daß auch die vermögensrechtliche Haftung in der hier vom Kollegen Lange vorgetragenen Form durchgeführt werden möge - ein solcher Antrag könnte sogar gegebenenfalls von uns allen gemeinsam gestellt werden -: dann bitte ich Sie doch noch einmal, zu überprüfen, ob Sie, nachdem sich die Betriebe der Seehäfen, und zwar sowohl die
Schneider ({0})
Landhäfen wie die Schiffahrtsbetriebe, die mit dieser Frage befaßt sind, positiv in dem Sinne ausgesprochen haben, nicht doch unserem Antrage zu folgen vermögen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fritz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können das Anliegen des Kollegen Schneider ({0}) sehr wohl verstehen. Aber ich darf darauf hinweisen, daß bei der Beratung im Ausschuß nicht alle Länder, die an Seehäfen interessiert sind, gleicher Meinung waren.
({1})
Es hat sich herausgestellt, daß eigentlich nur in der Bremer Bürgerschaft ein dementsprechendes Anliegen starke Unterstützung gefunden hat.
Nun, glaube ich, würde es genügen, wenn wir nach eingehenden Beratungen im Ausschuß in diesem Hause dem Willen des Ausschusses folgten. Der Wille des Ausschusses ist auf der Titelseite der Drucksache 1304 niedergelegt, wonach die Bundesregierung ersucht wird, „zu prüfen, welche Maßnahmen möglich sind, um die durch sachunkundige Stauerei bedingte Unfallhäufigkeit herabzusetzen."
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Debatte ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 424. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke schön. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf die Ziffer 12 im Artikel I. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 437 vor. Wird dieser Antrag begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Punkt schreibt der Herr Berichterstatter in seinem ausgezeichneten Bericht:
Der Ausschuß erwartet dabei, daß die zuständigen Behörden auf Grund der geänderten Fassung des § 35 Abs. 1 im Falle der Gefährdung des Eigentums oder des Vermögens anderer von der Möglichkeit der Gewerbeuntersagung nur Gebrauch machen, wenn es sich um eine Schutzmaßnahme gegen ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Gewerbetreibenden handelt.
Wir sind damit durchaus einverstanden, möchten aber die Erwartung, die in dem Bericht ausgesprochen ist, doch etwas stärker fixieren. Wir haben deshalb unseren Ergänzungsantrag vorgelegt, wonach in § 35 Abs. 1 ein Satz 3 eingefügt werden soll. Danach ist Voraussetzung für die Untersagung des Gewerbebetriebes in diesen beiden Fällen, daß die Gefährdung den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt und der Gewerbetreibende wegen dieser Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist. Ich mache also ausdrücklich darauf aufmerksam, daß sich unser Zusatz nur auf die beiden Fälle bezieht, in denen das Eigentum oder Vermögen anderer gefährdet wird, nicht dagegen auch auf die Gefährdung des Lebens, der Gesundheit, Freiheit oder der Sittlichkeit. In diesen Fällen wollen wir selbstverständlich nicht verlangen, daß erst eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.
Dagegen handelt es sich in den Fällen der Gefährdung des Eigentums und des Vermögens eigentlich nicht um einen Gefährdungstatbestand im üblichen Sinne, denn die Gefährdung kann in den praktisch meisten Fällen nur darin bestehen, daß vorher Verletzungshandlungen vorgenommen worden sind, daß also jemand mehrere Betrügereien begangen hat und hierdurch die Besorgnis begründet ist, also die Gefahr besteht, daß er das auch weiterhin tut und so mit seinem Gewerbebetrieb das Vermögen oder das Eigentum anderer gefährdet. Wenn man das aber so stehen läßt, wie es hier steht, ist die Grenze der Tatbestände, die eine Untersagung erfordern, doch sehr schwer zu finden.
Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen. Ein Gastwirt gibt etwa einem Gast, von dem er weiß, daß er nicht gerade auf Rosen gebettet ist und besser täte, seiner Frau zu Hause etwas mehr Geld zu geben, zu trinken, soviel er verlangt, ohne dabei gegen die Bestimmung des Gaststättengesetzes zu verstoßen, wonach er einem Betrunkenen nichts geben darf. Es ist eine moralisch nicht zu billigende, nicht sehr schöne Handlung, aber keine strafbare Handlung.
In einem anderen Beispiel versteht es ein Geschäftsmann, durch seine etwas anreißerische Reklame, die aber noch unterhalb der Schwelle bleibt, bei der sie ein Verstoß gegen den lauteren Wettbewerb wäre, Leute zum Kauf kostspieliger, aber nicht gerade notwendiger Dinge zu verleiten, sagen wir einmal: zum Kauf von Perserteppichen. Die Leute täten vielleicht auch besser, ihr Geld anders zu verwenden. Hier liegt auch kein strafbarer Tatbestand vor, aber man könnte darin schon eine Gefährdung des Vermögens Dritter sehen.
Nehmen wir nun das Gegenbeispiel: Der genannte Gastwirt nutzt die Betrunkenheit des Gastes meinetwegen dazu aus, ihm eine höhere Zeche anzulasten, als er sie gemacht hat, oder ihm gar in die Tasche zu greifen. Das ist ganz klar ein strafbarer Tatbestand. Hier muß eingegriffen werden. Oder nehmen wir in dem anderen Fall an, der Geschäftsmann verstößt mit der Reklame, die er betreibt, gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, er macht schwindelhafte unwahre Angaben und gefährdet dadurch wirklich das Vermögen anderer, dann soll eingegriffen wenden.
In allen diesen Fällen ist es aber durchaus möglich - und in der Praxis wird es auch häufig sowieso der Fall sein -, daß die strafbare Handlung durch ein Urteil festgestellt ist. Das wollen wir hier als Voraussetzung sehen. Wir möchten dadurch vermeiden, daß derselbe Fall einerseits vom Strafgericht, andererseits von der Verwaltungsbehörde
und dem vielleicht noch dahintergeschalteten Verwaltungsgericht eventuell verschieden beurteilt wird.
Aus diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({0})
Herr Professor Böhm hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es trifft zwar durchaus zu, was Herr Kollege Bucher gesagt hat, daß nämlich der Ausschuß selbst der Meinung war, daß da, wo ein Gewerbebetrieb wegen Gefährdung des Eigentums und des Vermögens untersagt werden soll, von diesem Versagungsrecht nur Gebrauch gemacht werden soll, wenn es sich um eine Schutzmaßnahme ,gegen ein strafrechtlich relevantes Verhalten handelt. Das ist auch im Ausschußbericht zum Ausdruck gekommen. Mit dem ersten Toil des von Herrn Kollegen Bucher begründeten Antrags, der sagt: „wenn die Gefährdung den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt", wäre ungefähr gerade das als Kautele in das Gesetz eingefügt, was der Ausschuß nicht in den Gesetzestext selbst schreiben wollte, wohl aber in dem Bericht andeutet. Wir alle waren im Ausschuß davon überzeugt, daß wir mit § 35 eine außerordentlich weitgehende Ermächtigung erteilen und daß die Möglichkeit besteht - das wird sich vielleicht später zeigen -, daß diese Ermächtigung zu weitgehend war und eingeschränkt werden muß.
Wir fürchten in der Tat, daß eine Ausweitung möglich ist. Das ist namentlich da der Fall, wo es sich um Gefährdung des Vermögens oder des Eigentums handelt, denn schließlich tangiert alles: unlauterer Wettbewerb oder was man sonst denkt, Vermögensinteressen. Wenn hier die Entwicklung dahin gehen sollte, daß der § 35 strapaziert und zu streng ausgelegt wird, wenn zu viele Gewerbeuntersagungen wegen angeblicher Gefährdung des Vermögens oder des Eigentums ausgesprochen werden in Fällen, in denen von einem strafbaren Verstoß gar keine Rede sein sollte, dann würde ich allerdings der erste sein, der für eine nachträgliche gesetzliche Einengung spräche. Nach unseren sehr ausführlichen Besprechungen mit den Vertretern der Länder und auch der Ressorts über diesen Punkt glauben wir uns aber darauf verlassen zu können, daß dieses Blankett und diese Ermächtigung von der Praxis nicht über das hinaus in Anspruchgenommen wird, was wir in unserem Ausschußbericht ausgesprochen haben. Zweifellos würde es aber zu weit gehen, wenn man, wie in dem Antrag Bucher gesagt wird, auch noch rechtskräftige Verurteilung verlangte, also sozusagen nur ein Anhängeverfahren machte. Es handelt sich ja bei der Gewerbeuntersagung nicht um eine Nebenstrafe, sondern um eine Prophylaxe. Würde man bis zur rechtskräftigen Verurteilung warten müssen, so würde dem Gesetzeswillen hier nicht entsprochen werden. Also obwohl ich persönlich mit der ersten Alternative des Antrags Bucher sympathisieren
würde, würde ich es doch nicht mit der zweiten, und im allgemeinen würde ich bitten, unter Berufung auf das, was im Bericht steht, diesen Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem, was Herr Kollege Professor Böhm zur Erläuterung des § 35 als Berichterstatter für den Ausschuß ausgeführt hat, nichts hinzufügen. Insoweit hat es also Übereinstimmung im Ausschuß gegeben. Ich möchte nur auf eines hinweisen. Auch wenn man entsprechend der persönlichen Meinung des Kollegen Böhm den ersten Teil des Antrags annähme, der lautet:
Im Falle einer Gefährdung des Eigentums oder des Vermögens anderer ist die Ausübung eines Gewerbes unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur dann zu untersagen, wenn die Gefährdung den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt...
würde das wiederum voraussetzen, daß man wirklich festgestellt haben müßte, daß der Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt ist, und das hätte insgesamt die Wirkung dessen, was dieser Antrag an sich bezweckt: Es müßte nämlich die rechtskräftige Verurteilung erfolgt sein. Denn vorher kann kein Mensch mit Sicherheit feststellen, ob der Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt ist. Insoweit, meine ich, müßte man das auch in den ersten Teil des Antrags einfügen.
Ich möchte aber noch auf einen anderen Punkt aufmerksam machen. Verehrte Kollegen! Herr Präsident! Wir haben vor nicht allzu langer Zeit hier in diesem Hause eine Änderung zur Gewerbeordnung und eine Änderung zum Bürgerlichen Gesetzbuch verabschiedet. Beide Änderungen hatten die berühmte Reinhaltung der Luft zum Gegenstand. Wir haben dabei auch eine Änderung des § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Hinsicht auf die Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung, Nachbarschaftsgrundstücke usw. vorgenommen. Würde man jetzt hier eine entsprechende Einschränkung über das, was in § 35 steht, hinaus vornehmen, würde man zu einem gewissen Teil möglicherweise auf jener Seite liegende Einschränkungen und Gefährdungen mit der Gewerbeordnung einfach nicht mehr fassen können. - Ich glaube, auch aus diesem Grunde sollte man diesen Antrag ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 437. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke schön. Enthaltungen? -- Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen dann über die Ziffer 12 des Art. I Insgesamt ab. Wer dieser Ziffer 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Vizepräsident Dr. Becker
Ich rufe jetzt Art. I Nr. 13 und Nr. 13a auf und bitte um Wortmeldungen, wenn das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die beiden aufgerufenen Absätze in der Ausschußfassung. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe jetzt die Nr. 14 des Art. I auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 442 vor. Darf ich fragen, ob dieser Antrag begründet wird? - Herr Kollege Unertl hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag Umdruck 442 wurde von meinen Freunden und mir eingebracht und soll § 38 Abs. 3 der Gewerbeordnung ändern; d. h. es soll eine neue Nr. 8 hinzugefügt werden mit dem Wortlaut:
Bereithaltung von Unterkünften für den Reiseverkehr, soweit sie nicht nach § 1 des Gaststättengesetzes erlaubnispflichtig ist ({0}).
Es ist notwendig, diesen Antrag näher zu erläutern, weil aus dem Text vielleicht gar nicht hervorgeht, warum die Antragsteller so großen Wert auf die Änderung dieses Absatzes bzw. auf die Neueinfügung dieser Nr. 8 legen.
Das Betreiben eines Gaststättenbetriebes oder einer Fremdenbeherbergungsgaststätte oder eines Hotels ist nach § 1 des Gaststättengesetzes erlaubnispflichtig. Die Erlaubniserteilung ist aber an gewisse Voraussetzungen gebunden, und die konzessionierten Beherbergungsbetriebe, Hotels, Fremdenheime, Gaststätten usw. sind vielfältigen Auflagen und eben auch Vorschriften unterworfen. Die Abgabe von Privatzimmern zu kurzfristigen Beherbergungen von Fremden im Reiseverkehr ist in der Praxis durchweg ungeregelt und auch bisher unkontrolliert geblieben, obwohl die Privatbeherbergung ebenso eine gewerbliche Betätigung darstellt wie die Betätigung nach dem Gaststättengesetz für konzessionierte Beherbergungsbetriebe. Im Interesse des Fremdenverkehrs ist es notwendig, da wir doch wissen, daß in Spitzenzeiten des Fremdenverkehrs die private Beherbergung herangezogen wird, daß wenigstens im Rahmen des § 38 der Gewerbeordnung eine Ermächtigung an die Länder gegeben wird, nach der diese von sich aus Bestimmungen erlassen können.
Ich darf Ihre Geduld noch ganz kurz in Anspruch nehmen und darauf verweisen, was in § 38 bisher geregelt ist. Da heißt es:
Die Zentralbehörden sind befugt, über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen sowie über den Geschäftsbetrieb ... Vorschriften
- und zwar auf Landesebene - zu erlassen.
Im Abs. 3 dieses Paragraphen sind dann einzelne
Gewerbezweige aufgezählt, und zwar unter Nr. 1
der An- oder Verkauf von Gebrauchtwaren und
Kleinhandel mit alten Metallen, unter Nr. 2 der Kleinhandel mit Eisen- und Stahlschrott, unter Nr. 3 der An- oder Verkauf von Waren und Bruch aus Edelmetall und von echten Perlen, unter Nr. 6 die Vermittlung von Eheschließungen, unter Nr. 7 der Betrieb eines Reisebüros und die Vermittlung von Unterkünften. Diesem Katalog soll nun eine Nr. 8 hinzugefügt werden, durch die die Privatbeherbergung erfaßt wird, soweit dies auf Landesebene - besonders in den Ländern mit größerem Fremdenverkehr - gewünscht wird.
Ich darf das Hohe Haus bitten, dem Antrag auf Umdruck 442 zuzustimmen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 442, dessen Begründung Sie eben gehört haben. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich rufe nunmehr die Nr. 14 in der Ausschuß-fassung auf. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe die Nr. 15 in der Ausschußfassung auf. Änderungsanträge liegen dazu nicht vor, Wortmeldungen ebenfalls nicht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Nr. 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe die Nr. 15a auf. Hierzu lag auf Umdruck 431 ein Änderungsantrag vor, der zurückgezogen worden ist. Nunmehr liegt noch ein Antrag auf Umdruck 433 Ziffer 2 vor. Wird dieser Antrag begründet? ({0})
Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Nr. 15a gewünscht? - Herr Bundesminister Wuermeling wünscht das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem jetzt zur Erörterung stehenden neuen § 41a der Gewerbeordnung handelt es sich um eine bereits seit Jahren von der Bundesregierung zum Schutze unserer Jugend erstrebte Regelung, also um eine dem Jugendschutz dienende Vorschrift. Als der für Jugendfragen zu- ständige Bundesminister möchte ich deshalb das Hohe Haus bitten, das Ziel des Jugendschutzes im Vordergrund zu sehen und der Regierungsvorlage in der verbesserten, vom Wirtschaftsausschuß vorgeschlagenen Fassung der Drucksache 1304 zuzustimmen, also den hier jetzt vorliegenden Änderungsantrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, eine breitere Erörterung des hier zugrunde liegenden Themas gehört gewiß weniger ins Plenum als in die Ausschußberatungen. Ich möchte mich deshalb auf folgende ganz kurze tatsächliche Feststellungen zur Sache beschränken.
Erstens. Zur Erörterung steht hier - ({0})
- Herr Kollege, wenn Sie Ihren Antrag im Ausschuß gestellt hätten, wie das sonst üblich ist,
({1})
dann hätten wir im Ausschuß darüber reden können. Aber wenn Sie den Versuch machen, im Handicap
({2})
im Plenum gegen Jugendschutzbestrebungen der Bundesregierung vorzugehen,
({3})
dann ist es Aufgabe des zum Schutze der Jugend berufenen Bundesministers, dazu in sachlicher Weise Stellung zu nehmen.
({4})
Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn wir gerade diese Debatte in großer Sachlichkeit und Ruhe führen könnten.
({5})
Erstens. Zur Erörterung, meine Damen und Herren, steht hier ausschließlich der hinsichtlich Jugendlicher nicht kontrollierbare Automatenverkauf von sogenannten Schutzmitteln, nicht aber die Herstellung und der Verkauf in Läden und durch Versandgeschäfte, so daß weder die Herstellung noch der Erwerb durch Nichtjugendliche durch die Vorlage irgendwie verhindert werden sollen. Ich glaube deshalb, daß die Regierungsvorlage zu weltanschaulichen Auseinandersetzungen keinen Anlaß gibt, und ich glaube ferner, mit allen Mitgliedern des Hauses dahin einig zu sein, daß kein Mitglied dieses Hauses die Absicht hat, seine persönlichen Grundauffassungen anderen aufzuzwingen.
Zweitens. Die Bundesregierung hat das hier in Rede stehende gesetzliche generelle Automatenverkaufsverbot bereits in der vorigen Wahlperiode des Bundestages den gesetzgebenden Körperschaften vorgeschlagen. Der - bekanntlich auch zahlreiche andere Vorschriften enthaltende - Gesetzentwurf konnte damals vor Ablauf der Wahlperiode nicht mehr verabschiedet werden. Er wurde deshalb von der 1957 neu gebildeten Bundesregierung erneut den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet.
Der Standpunkt der Bundesregierung ist und bleibt durch die Erkenntnis bestimmt, daß die persönliche Verantwortung des Gewerbetreibenden -übrigens auch des Käufers - hier angesprochen werden muß, eine persönliche Verantwortung, die nicht auf einen anonym arbeitenden Automatenmechanismus abgewälzt werden kann, der jedem Jugendlichen auch unbeobachtet zugänglich ist. Die Bundesregierung hat diesen Standpunkt auch gegenüber abweichenden Stellungnahmen des Bundesrats nach wiederholter Prüfung stets aufrechterhalten. Das gilt für das Jahr 1956 wie für das Jahr 1959.
Dem hat sich, meine Damen und Herren, auch der Wirtschaftsausschuß des Bundestages - meines Wissens einstimmig - angeschlossen, nachdem auch alle gesundheitspolitischen Gesichtspunkte innerhalb des Hohen Hauses sehr gründlich und nach allen Seiten hin geprüft worden waren.
({6})
- Herr Kollege, mir ist sehr genau bekannt, daß jedenfals im Rahmen der CDU/CSU-Fraktion
({7})
gerade unter diesem Gesichtspunkt eine sehr gründliche Erörterung stattgefunden hat.
({8})
Also, meine Damen und Herren, war bis zur Veröffentlichung des Ausschußberichts alles klar.
({9})
Drittens. Alsbald nach Bekanntwerden des Ausschußberichts hielten sich hier im Hause tagelang immer wieder Vertreter geschäftlich interessierter Wirtschaftsbereiche auf, die versuchten, in Einzelgesprächen dafür zu werben, daß das Automatenverkaufsverbot auf öffentliche Straßen und Plätze beschränkt werde, der Automatenverkauf im übrigen aber erlaubt und damit also auch jedem Jugendlichen unkontrolliert zugänglich bleiben müsse. Die hierbei vorgebrachten gesundheitspolitischen Argumente, die längst sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch innerhalb des Hauses mit ersten Sachverständigen eingehend erörtert und als nicht durchschlagend festgestellt waren, sollten nun aus dem Munde derer, die an diesen Dingen Geld, bekanntlich viel Geld verdienen, überzeugender wirken.
Schließlich ging allen Mitgliedern des Hauses kürzlich ein Gutachten eines Rechtsanwalts, des Fachreferenten für Warenautomaten im Zentralverband des Automatengewerbes, zu, in dem mit vielerlei - auch gesundheitspolitischen - Argumenten für die Beschränkung des Automatenverbots auf öffentliche Straßen und Plätze eingetreten wird. Meine Damen und Herren, diese Eingabe, die Ihnen allen vorliegt, bringt in ihrem ersten Absatz mit geradezu überraschender Unmißverständlichkeit zum Ausdruck, daß es dem Verfasser nicht so sehr um gesundheitspolitische oder sonstige staatspolitisch viertvolle Erwägungen zu tun ist, als vielmehr um das Geschäft seiner Auftraggeber. Ich darf das hier deshalb so deutlich aussprechen, weil es einleitend im ersten Absatz des Gutachtens mit dürren Worten, wohlgemerkt: ohne jeden anderen Zusatz, heißt:
Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling
Die Sparte der Warenautomatenaufsteller für Schutzmittel sieht sich gezwungen, aus der brennenden Sorge um die Erhaltung ihrer gewerblichen Existenz sich unmittelbar an jeden Bundestagsabgeordneten zu wenden mit dem dringlichen Antrage ...
Dann folgt der Vorschlag einer Beschränkung des Verbots auf öffentliche Straßen und Plätze. Es geht also dem Verfasser eingestandenermaßen um die Frage: Jugendschutzinteressen oder geschäftliche Interessen? Ich meine, hierauf besonders hinweisen zu sollen.
Viertens. Ich habe zu der Eingabe der Automatenaufsteller noch eine Bemerkung zu machen. In der Eingabe wird auf Seite 4 der Eindruck erweckt, die frühere Staatssekretärin meines Ministeriums, Frau Dr. Wülker, die dort namentlich genannt wird, habe sich gegen das in Rede stehende Automatenverkaufsverbot ausgesprochen. Ich stelle mich gegenüber dieser Unterstellung in aller Form schützend vor meine Mitarbeiterin mit der ausdrücklichen Feststellung, daß eine solche Stellungnahme von Frau Dr. Wülker nicht existiert.
Fünftens. Zu den neuerdings in den Vordergrund gerückten gesundheitspolitischen Argumenten selbst nur drei kurze Feststellungen:
Die Arbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat sich schon vor einigen Jahren gegen jeden Automatenverkauf von Schutzmitteln ausgesprochen. 23 von 32 Gesundheitsämtern, also etwa eine Dreiviertelmehrheit von ersten gesundheitspolitischen Fachleuten, teilen den Standpunkt der Bundesregierung.
Ebenso hat sich die Gesundheitsabteilung des Bundesministeriums des Innern, also die für das Gesundheitswesen innerhalb der Bundesregierung zuständige Stelle, auch jetzt wieder gegen jedwede Aufstellung von Schutzmittelautomaten ausgesprochen.
Noch gestern habe ich mit einem der SPD angehörenden westfälischen Landrat über das in Rede stehende generelle Automatenverkaufsverbot gesprochen. Dieser Landrat hat mir eindeutig erklärt, daß er aus seiner Jugendarbeit heraus das Verbot aus Jugendschutzgründen in vollem Umfang für geboten halte. Ich bin davon überzeugt, daß er damit auch im Sinne von Millionen sozialistisch wählender Väter und Mütter gesprochen hat.
Sechstens noch die Feststellung: Es sollte keinem Zweifel unterliegen, daß ganz allgemein unsere Väter und Mütter und auch unsere Pädagogen in ihrer überwältigenden Mehrheit nicht wünschen, daß ihren Kindern diese Schutzmittel anonym und unkontrolliert in Automaten, wo es auch sei, zugänglich sind. Es sollte deshalb unser wichtigstes Anliegen in dieser Frage sein, unseren Vätern und Müttern in der Erfüllung ihrer schweren Erziehungsaufgabe helfend zur Seite zu stehen und unserer Jugend den Schutz, auf den sie Anspruch hat, nicht zu verweigern.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nur das tiefste Bedauern darüber aussprechen, daß es der Herr Bundesfamilienminister für notwendig gehalten hat, den Versuch zu machen, eine Art Ausschußberatung vor dem Plenum einzuleiten,
({0})
die, wenn ich mich nicht sehr irre, zum mindesten nicht ohne seine Mitwirkung im zuständigen Ausschuß, dem Gesundheitsausschuß, in der Tat verhindert worden ist.
({1})
Alle einsichtigen Mitglieder -dieses Hohen Hauses waren sich bis vor wenigen Minuten darüber einig, daß es sinnvoller sei, diese Debatte hier nicht zu führen,
({2})
sondern lediglich über den Antrag abzustimmen und es jedem einzelnen Mitglied des Hauses zu überlassen, sich zu diesem Thema selber seine Meinung zu bilden. Ich bin der Auffassung, daß wir diesen Versuch trotz des einfach unverständlichen Eingriffs des Bundesfamilienministers doch noch unternehmen und noch einmal versuchen sollten, hier von einer Sachdebatte abzusehen.
({3})
Ich weise ausdrücklich darauf hin: Wenn diese Bitte ausgesprochen wird, meine Damen und Herren, dann nicht deshalb, weil wir diese Sachdebatte scheuten. Wir sind bereit dazu; wir sind bereit, das, was im Ausschuß hätte gesagt werden müssen, im Plenum in aller Breite und Ausführlichkeit zu sagen. Aber die Frage ist doch: Wem wird damit gedient?
({4})
Wird damit der Sache gedient, wird damit letzten Endes dem Ansehen dieses Hauses gedient, wenn, nachdem man verhindert hat, daß im zuständigen Gesundheitsausschuß eine sachgerechte Beratung stattfindet, die Beratung nun in alle Öffentlichkeit vor das Plenum verlagert wird?
({5})
Meine Damen und Herren! Unter diesen Umständen muß ich mich auch, zum mindesten namens meiner Freunde hier im Hause, in aller Schärfe gegen den Vorwurf des Herrn Ministers verwahren, daß mit diesem Antrag der Versuch gemacht werden solle, das Haus zu überrumpeln und Knall und Fall vor eine Entscheidung zu stellen, die nicht vorberaten worden sei. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß der Herr Minister, der ja an diesem Thema ein so eigenartig warmes Interesse nimmt,
({6})
nicht über die zahllosen Bemühungen unterrichtet sein sollte, die in den letzten Tagen und Wochen unternommen worden sind, um außerhalb des Plenums zu einer Einigung und einer Vereinbarung zu kommen. Im Ältestenrat ist noch vor wenigen TaJahn ({7})
gen ein sehr gründlicher und energischer Versuch gemacht worden, diese Dinge aus der Plenardebatte herauszuhalten, und unter den Fraktionen ist sehr eingehend und sehr gründlich über die Art ihrer Behandlung in diesem Hause gesprochen worden. Es ist einfach eine Verdrehung der Tatsachen, wenn behauptet wird, hier solle der Versuch einer Überrumpelung unternommen werden.
({8})
Ich habe ausdrücklich erklärt, daß ich von einer Sachdebatte im Plenum absehen will, - vorläufig, möchte ich ausdrücklich betonen; denn wenn es gewünscht wird, kann diese Sachdebatte hier geführt werden, Herr Minister. Dann wird sie aber mit allen Argumenten und in allen Einzelheiten so geführt, wie sie dann um diesen Gegenstand geführt werden muß; und ich weiß nicht - ich muß das wiederholen -, wem damit eigentlich gedient sein soll.
({9})
Ich möchte nur noch auf eines hinweisen. Der Herr Minister hat es für notwendig gehalten, sich hier in aller Breite und Ausführlichkeit mit den Argumenten irgendwelcher Interessentenverbände auseinanderzusetzen. Damit keine Unklarheit darüber entsteht: Wir halten es nicht für unsere Aufgabe, den Standpunkt irgendwelcher Interessenten zu wahren, sondern sehen unsere Aufgabe lediglich darin, eine reine Sachentscheidung, wie wir sie für richtig und notwendig halten, zu treffen. Wir lehnen deshalb auch diese Form der Auseinandersetzung ab.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Probst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es außerordentlich, daß ich durch die Rede des Herrn Bundesministers wider meinen Willen und wider die Absprache mit den Kollegen der anderen Fraktionen gezwungen bin, nun trotzdem zu den angeschnittenen Problemen hier Stellung zu nehmen.
({0})
Ich bin nicht der Meinung, daß wir jetzt in die Sachdebatte einsteigen sollten,
({1})
und ich unterstütze hierin auch den Kollegen Jahn von der Sozialdemokratischen Partei.
({2})
Aber die Ausführungen von Herrn Wuermeling zwingen mich trotzdem, zu einigen grundsätzlichen Fragen, die er hier angeschnitten hat, Stellung zu nehmen und mich gegen eines zu verwahren: dagegen, daß er den Jugendschutz oder die Absicht, die Jugend zu schützen, nur für diejenigen in Anspruch nimmt, die hinter die Ausschußvorlage treten. Ich glaube, daß auch den anderen, die durchaus der Meinung sind, daß man Automaten aufhängen sollte, ihr Bestreben, die Jugend zu schützen, nicht abgesprochen werden kann.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte!
Herr Kollege, glauben Sie nicht, daß es besser wäre, wenn Sie sich jetzt selber an das hielten, was Sie soeben gesagt haben: daß wir nämlich Herrn Wuermeling das Monopol überlassen sollten, im Augenblick zur Sache zu sprechen?
({0})
Glauben Sie nicht, daß das Haus jetzt weiß, worum es geht, und daß es besser wäre, wenn wir einfach zur Abstimmung kämen?
({1})
Ich will mich diesem Einwand keineswegs verschließen. Wenn Sie glauben, daß wir damit weiter kommen, will ich gern auf Ihre Seite treten und auf meine Erklärung verzichten.
({0})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Lüders.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der überaus lebhafte Empfang ehrt mich.
({0})
Was dahintersteckt, werden wir ja später bei den Einzelberatungen erleben. Im übrigen werden Sie etwas enttäuscht sein. Sie erwarten eine Sensation Ich bin kein Mensch, der auf Sensationen geht; das dürften Sie in den letzten sechs Jahren eigentlich schon gemerkt haben.
Auch ich bedaure es lebhaft, daß der Herr Minister hier in der Weise gesprochen hat, wie er es getan hat,
({1}).
und damit eine Debatte ausgelöst hat, die in diesem Augenblick völlig überflüssig ist und nicht hierher gehört. Ein schlechteres Plädoyer für Ihre Sache, Herr Minister - mit der ich sachlich übereinstimme -, konnten Sie überhaupt nicht liefern.
({2})
Es kam mir ein bißchen vor wie die Laufübungen
eines gewissen Tieres im politischen Porzellanladen.
({3})
Wenn Sie später Gelegenheit haben sollten, weiter dazu Stellung zu nehmen da, wo es hingehört - nämlich im Ausschuß - und wo es leider von Ihnen früher versäumt worden ist, dann, bitte, operieren Sie etwas geschickter, damit Sie der Sache dienen, die Sie vertreten wollen und der beizustimmen ich absolut bereit bin, schon auf Grund der Dinge, die
ich vor Jahren im Reichstag die Ehre hatte zu vertreten. So aber, Herr Minister, dient man einer Sache nicht, ganz abgesehen davon, daß es im allgemeinen zur politischen Loyalität unter den Parteien und Abgeordneten gehört - und auch Sie, Herr Minister, sind ja nebenbei noch Abgeordneter -, daß Vereinbarungen, die auf Grund sehr intensiver, eingehender und in größter Freundschaft und Bereitschaft von allen Seiten geführter Verhandlungen getroffen worden sind, nachher auch eingehalten werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die CDU/CSUFraktion nur erklären, daß wir nicht beabsichtigen, in die Sachdebatte einzusteigen. Ich glaube, daß sich jeder Abgeordnete sein Bild über diese Materie, die diskret zu behandeln ist, gemacht hat.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte die Abstimmung zu wiederholen; das Stimmenverhältnis ist unübersichtlich. Wer für den Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich aufzustehen. - Gegenprobe! - ;Das ;Präsidium ;hat Zweifel; wir müssen auszählen.
Die Abstimmung hat folgendes Ergebnis: Der Änderungsantrag ist mit 197 Ja-Stimmen gegen 176 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 15a in der soeben beschlossenen geänderten Fassung. Wer dieser geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ziffer 15a ist mit der soeben beschlossenen Änderung angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 16, - 17, - 18, - 18a, -19 und 20 des Art. I. - Änderungsanträge und Wortmeldungen liegen hierzu nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den eben aufgerufenen Punkten zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Ziffern sind angenommen.
Nun wird die Beratung dieses Punktes der Tagesordnung unterbrochen, und wir kommen zu Punkt 17 der Tagesordnung.
({1})
Meine Damen und Herren, wie vereinbart, rufe ich Punkt 17 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ({0}),
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2})
({3}) ;
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren ({4}) ({5}),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Atomkernenergie und Wasserwirtschaft
({6}) ({7}) ({8}).
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen. Herr Abgeordneter Wahl, wünschen Sie noch das Wort? - Das ist offenbar nicht der Fall. Herr Abgeordneter Geiger?
({9})
- Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht.
Damit eröffne ich die Aussprache in der zweiten Lesung.
Zunächst einmal rufe ich auf den Antrag der Fraktion der SPD - Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes - in der Ihnen vorliegenden Fassung des Ausschusses:
Artikel 1. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Artikel 2. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Einleitung und Überschrift. - Wer Artikel 1, Artikel 2, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich glaube, daß es zweckmäßig sein wird, unmittelbar die dritte Lesung dieses Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes anzuschließen. Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Beratung.
Es ist interfraktionell vereinbart, dieses das Grundgesetz ändernde Gesetz seiner Bedeutung wegen und gleichzeitig zur Vereinfachung des Verfahrens im Wege der namentlichen Abstimmung zu beschließen. Ich darf die Damen und Herren Schriftführer bitten, die namentliche Abstimmung durchzuführen.
Meine Damen und Herren, wir haben den Zeitpunkt der Abstimmung etwas früher erreicht, als
Vizepräsident Dr. Preusker
vorgesehen war. Ich bitte um Ihr Einverständnis, daß wir einigen Kollegen, die sich in anderen Sitzungen befinden, noch ein paar Minuten Zeit geben, damit sie sich an der Abstimmung beteiligen können.
Darf ich diejenigen, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben, bitten, das jetzt mit Beschleunigung zu tun. Ich habe den Eindruck, daß niemand mehr im Saal ist, der nicht seine Stimmkarte abgegeben hat, und daß sich auch niemand mehr dem Saal nähert, um noch seine Stimme abzugeben. Ich erkläre die namentliche Abstimmung für geschlossen und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes bekannt. Es haben 412 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 16 Berliner Abgeordnete abgestimmt. Sämtliche 412 Stimmen der uneingeschränkt Stimmberechtigten und die 16 Berliner Stimmen sind JaStimmen. Somit ist die Grundgesetzergänzung einstimmig beschlossen worden.
Ja
CDU/CSU
Frau Ackermann
Graf Adelmann
Dr. Adenauer
Dr. Aigner Arndgen
Baier ({10})
Baldauf
Dr. Balke Balkenhol Dr. Barzel
Bauer ({11}) Bauereisen Bauknecht
Dr. Becker ({12}) Becker ({13}) Berberich
Berger
Dr. Bergmeyer
Dr. Besold Blank
Frau Dr. Bleyler
Blöcker
von Bodelschwingh
Dr. Böhm Brand
Frau Brauksiepe
Brese
Frau Dr. Brökelschen Brück
Bühler
Dr. Burgbacher Burgemeister
Caspers
Cillien
Dr. Conring Dr. Czaja Demmelmeier
Deringer Diebäcker Diel
Dr. Dittrich Dr. Dollinger
Draeger
Dr. Dresbach Ehren
Eichelbaum
Dr. Elbrächter Engelbrecht-Greve
Frau Engländer
Enk
Eplée
Dr. Dr. h. c. Erhard
Etzenbach
Dr. Even ({14})
Even ({15})
Finckh
Dr. Franz Franzen Dr. Frey
Dr. Fritz ({16}) Fritz ({17})
Fuchs
Funk
Dr. Furler
Frau Dr. Gantenberg Gaßmann
Gehring
Geiger ({18})
Frau Geisendörfer
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gibbert Giencke
Dr. Gleissner ({19}) Glüsing ({20})
Dr. Görgen
Dr. Götz Goldhagen
Gontrum Dr. Gossel
Gottesleben
Günther
Freiherr zu Guttenberg Hackethal
Häussler
Dr. von Haniel-Niethammer Harnischfeger
Dr. Heck ({21})
Heix
Dr. Graf Henckel
Dr. Hesberg
Hesemann
Höcherl
Dr. Höck ({22})
Holla Hoogen
Horn Huth Illerhaus
Dr. Jordan
Josten
Dr. Kanka
Katzer
Kemmer
Dr. Kempfler
Kirchhoff
Kisters
Frau Klemmert
Knobloch
Dr. Knorr
Koch Kraft Kramel
Krammig
Kroll
Krüger ({23})
Krug
Frau Dr. Kuchtner Kühlthau
Kunst Kuntscher
Lang ({24})
Leicht
Dr. Leiske
Lenz ({25})
Lenze ({26}) Leonhard
Lermer
von Lindeiner-Wildau
Dr. Lindenberg
Dr. Löhr
Lücke ({27})
Maier ({28}) Majonica
Dr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. Martin
Maucher
Meis Memmel
Mengelkamp
Menke
Meyer ({29}) Mick
Muckermann
Mühlenberg Müller-Hermann
Müser
Nellen
Nieberg
Niederalt
Frau Niggemeyer
Oetzel
Pelster
Dr. h. c. Pferdmenges
Dr. Pflaumbaum
Dr. Philipp
Frau Pitz-Savelsberg
Frau Dr. Probst
Dr. Reinhard
Dr. Reith
Riedel ({30})
Frau Rösch
Rösing
Dr. Rüdel ({31})
Ruf Ruland
Scharnberg
Scheppmann
Schlee
Dr. Schmidt ({32}) Frau Schmitt ({33}) Schmücker
Schneider ({34})
Dr. Schröder ({35}) Schüttler
Schütz ({36}) Schulze-Pellengahr
Frau Dr. Schwarzhaupt
Dr. Schwörer
Dr. Seffrin Siebel
Dr. Siemer Simpfendörfer
Solke
Spies ({37})
Spies ({38}) Stauch
Dr. Stecker
Frau Dr. Steinbiß
Stiller
Dr. Stoltenberg
Storch
Dr. Storm ({39})
Storm ({40}) Struve
Sühler
Teriete
Dr. Toussaint
Varelmann Vehar
Dr. Vogel Vogt
Wacher
Wehking Weinkamm
Frau Welter ({41}) Wendelborn
Dr. Werber Werner
Wieninger Windelen Winkelheide Dr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt
Worms
Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Berliner Abgeordnete
Benda Hübner Dr. Krone
Stingl
SPD
Dr. Arndt Auge
Dr. Baade Bach
Bading
Dr. Bärsch Bäumer
Bals
Baur ({42})
Bazille
Dr. Bechert Behrendt Behrisch
Frau Bennemann Bergmann Berkhan
Berlin
Frau Beyer ({43})
5038 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode - 92. Sitzung. Bonn, Donnerstag, ,den 3. Dezember 1959
Birkelbach
Börner
Dr. Brecht
Bruse Büttner Cramer Dr. Deist
Dewald Diekmann
Frau Döhring ({44}) Dopatka
Dröscher
Frau Eilers ({45}) Erler
Eschmann
Faller Felder Folger Franke Dr. Frede
Frehsee Frenzel
Geiger ({46}) Geritzmann
Haage Hamacher
Hansing
Dr. Harm
Hauffe Heide Heiland
Dr. Dr. Heinemann Hellenbrock
Frau Herklotz
Herold Höcker Höhmann
Höhne Hörauf Hufnagel
Iven ({47})
Jacobi
Jahn ({48})
Jaksch Jürgensen
Kalbitzer
Frau Kettig
Killat ({49})
Kinat ({50})
Frau Kipp-Kaule
Könen ({51})
Koenen ({52})
Frau Korspeter
Kraus
Dr. Kreyssig
Lange ({53})
Lantermann
Leber
Lohmar Ludwig
Lucke ({54}) Lünenstraß
Marx
Matzner
Meitmann
Metter
Meyer ({55}) Frau Meyer-Laule
Müller ({56}) Müller ({57}) Müller ({58})
Frau Nadig
Odenthal
Ollenhauer
Peters Pöhler Pohle
Priebe
Pütz
Pusch
Rasch
Dr. Ratzel Regling Rehs
Reitz
Reitzner Ritzel
Rhode
Frau Rudoll
Ruhnke
Dr. Schäfer
Frau Schanzenbach Scheuren
Dr. Schmidt ({59}) Schmidt ({60})
Schmitt ({61}) Schröder ({62})
Seidel ({63})
Seither Frau Seppi
Seuffert Stenger Stierle
Sträter
Striebeck Frau Strobel
Wagner Wegener Wehner Welke
Welslau
Weltner ({64})
Frau Wessel
Wilhelm Wischnewski
Wittrock Zühlke
Berliner Abgeordnete
Frau Berger-Heise Frau Krappe
Mattick
Neubauer
Neumann
Scharnowski
Dr. Schellenberg Schröter ({65}) Schütz ({66}) Dr. Seume
FDP
Dr. Achenbach
Dr. Becker ({67})
Dr. Bucher Dr. Dahlgrün
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Döring ({68}) Dowidat
Dürr
Eberhard
Eilers ({69}) Eisenmann
Frau Friese-Korn
Keller
Köhler
Dr. Kohut Kreitmeyer
Lenz ({70}) Margulies
Dr. Mende Dr. Miessner
Mischnick Freiherr von Mühlen
Murr
Dr. Schneider ({71}) Spitzmüller
Stahl
Walter
Weber ({72}) Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Will
DP
Logemann Matthes
Dr. von Merkatz
Dr. Preiß
Probst ({73})
Dr. Schild
Schneider ({74}) Dr. Schneider ({75}) Dr. Schranz
Dr. Steinmetz
Tobaben
Meine Damen und Herren, damit haben wir nach dem Schriftlichen Bericht unter Nr. 2 noch über den Ausschußantrag zu beschließen, den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf als erledigt abzulehnen. Da es sich um einen Gesetzentwurf handelt, rufe ich diesen Antrag der Fraktion der FDP zur Ergänzung des Grundgesetzes zur zweiten Beratung auf. Ich rufe auf Art. I, - II, - Einleitung und Überschrift.
({76})
- Die Antragsteller haben ihren Entwurf zurückgezogen. Damit ist dieser Punkt erledigt.
Wir kommen zur zweiten Beratung des unter Punkt 17b der Tagesordnung genannten von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzesüber die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren mit dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft.
Der Herr Berichterstatter hat vorhin bereits mitgeteilt, daß er auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet. Ich rufe auf in der zweiten Beratung § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - und § 6. - Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den §§ 1 his 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Sie sind einstimmig beschlossen.
Zu § 7 liegt dem Hohen Hause ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 434 Ziffer 1 vor. Er soll von Herrn Abgeordneten Dehler begründet werden. Herr Abgeordneter Dehler hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 434, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, d. h. daß nach § 7 Abs. 2 Anlagen zur Erzeugung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe und entsprechend nach § 9 die Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb genehmigungspflichtiger Anlagen dann, wenn bestimmte gesetzlich festgelegte Voraussetzungen erfüllt sind, genehmigt werden müssen. Uns scheint der sehr ausgereifte Vorschlag der Regierung der richtige zu sein. Die Ihnen jetzt vorliegende Fassung geht auf einen Beschluß des Wirtschaftsausschusses und des Plenums des Bundesrates zurück. Er wird damit begründet, daß man sagt, es solle kein klarer Gesetzesbefehl
an die Genehmigungsbehörden vorliegen, bei bestimmten Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen, sondern die Genehmigungsbehörde solle weitgehend von diesem Zwang befreit werden; der Genehmigungsbehörde solle weitgehend im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens ein Spielraum eingeräumt werden. Es wurde behauptet, das sei notwendig, weil mit der Kodifizierung des Kernenergierechts Neuland beschritten werde.
Ich bin der Meinung, daß diese Begründung nicht stichhaltig ist. Wir haben die Voraussetzungen für eine Genehmigung nach § 7 Abs. 2 genau gefaßt und unter Übernahme von Anregungen des Bundesrates noch eine Ziffer 5 angefügt. Diese Bestimmungen sind so umfassend und so elastisch, wie sie nur sein können. Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die persönliche Zuverlässigkeit ergeben. Notwendig ist, daß nach dem jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik Vorsorge gegen irgendwelche Schäden getroffen worden ist. Weiter muß Vorsorge für die Erfüllung von gesetzlichen Schadensersatzverpflichtungen getroffen sein. Uns erscheint diese Lösung als die allein rechtsstaatliche. Wenn diese strengen Voraussetzungen erfüllt sind, ist aber auch ein gesetzlicher Anspruch des Antragstellers auf Genehmigung gegeben.
Wenn Sie die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 und des § 9 Abs. 2 in der jetzigen Vorlage beschließen würden, bestünde die Gefahr abweichender Handhabung in den verschiedenen Ländern, also eines Gefälles von dem einen Land zum anderen, und die Möglichkeit, daß in dem einen Land im Rahmen des Ermessensspielraums bestimmte wirtschaftspolitische Erwägungen angestellt würden. Die Entscheidung könnte also von einer, sagen wir: Bedürfnisprüfung oder einer sonstigen wirtschaftspolitischen Überlegung abhängig gemacht werden.
Es wäre falsch, zu sagen, es handle sich hier nur um einen Streit um Worte. Es handelt sich um eine wesentlich andere Gestaltung des Genehmigungsverfahrens. Nach der Fassung, die Ihnen jetzt vorliegt, hat die genehmigende Behörde einen weitgehenden Ermessensspielraum. Der Antragsteller hat kein subjektiv-öffentliches Recht, das er verfolgen kann. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde kann also im. wesentlichen insoweit beim Verwaltungsgericht nicht nachgeprüft werden.
Vielleicht noch ein Wort zu der nicht uninteressanten Geschichte dieser Bestimmung! Sie wissen, daß schon der 2. Bundestag ein Gesetz ausgearbeitet hat. In dem Entwurf des 2. Bundestages ist die von uns gewünschte Formulierung enthalten. Der Atomausschuß des 3. Bundestages hat in allen entscheidenden Lesungen mit großer Mehrheit die Fassung der Regierungsvorlage übernommen. Besonders interessant ist, daß der Rechtsausschuß - Herr Kollege Jacobi, Sie sind nicht böse, wenn ich das noch einmal erwähne - gerade unter der Zustimmung der Kronjuristen der sozialdemokratischen Partei, der Kronjuristen hohen und höchsten Grades -; auch unter Ihrer Zustimmung, Herr Kollege Jahn - den rechtsstaatlichen Standpunkt eingenommen, also unsere Fassung angenommen hat. Als
dann die Vorlage von den mitberatenden Ausschüssen wieder zu uns zurückkam, als also die reguläre Behandlung dieser Vorschrift mit unserer Fassung abgeschlossen war, kamen Erwägungen, die nach meiner Meinung nicht in der Sache liegen.
Sie, meine Damen und Herren, müssen entscheiden, ob Sie die richtige, die rechtsstaatliche Lösung wollen oder ob Sie sich der Taktik beugen. Wenn Sie letzteres nicht tun wollen, müssen Sie unserem Antrag zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die CDU/CSU-Fraktion zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 434 Stellung nehmen. Dieser Änderungsantrag der FDP erhält eine ganz kleine Würze dadurch, daß er von dem Herrn Ausschußvorsitzenden des federführenden Ausschusses begründet wurde.
Wenn Sie die Drucksache 1412 aufschlagen, dann sehen Sie auf Seite 6, daß sich die linke und die rechte Spalte durch die beiden Wörtchen „ist" und „darf" unterscheiden. Mancher wird sich vielleicht fragen: „Was soll der ganze Streit? Ob es heißt: ist zu erteilen, oder: darf nur erteilt werden, ist doch kein großer Unterschied." Wenn man sich nicht zu sehr mit der Materie befaßt hat, wird man sicher den Eindruck haben, daß das kein großer Unterschied sei.
Sie haben aber eben aus den Worten meines Vorredners gehört, daß mehr dahintersteckt. Es steckt dahinter, daß bei der einen Fassung der Gesetzgeber einen eindeutigen Gesetzesbefehl gibt: Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Bürger bekommt einen subjektiven Rechtsanspruch auf Erteilung dieser Genehmigung. Im anderen Falle ist ein gewisser Ermessensspielraum für die Behörde gegeben, die sagen kann: Selbst wenn du die Voraussetzungen erfüllst, können wir dir die Genehmigung doch nicht geben.
Nun ist es aber nicht so, wie in der Ausgabe des „Volkswirt" vom 28. November steht, daß wegen des kleinen Wörtchens „ist" die Beratungen im federführenden Ausschuß so lange gedauert haben. Ein wesentlicher Teil der Beratungen galt schon der Anhörung der Sachverständigen, die in der Drucksache 1412 aufgeführt sind. Im Ausschuß war es für die Juristen auch schwierig, technische Begriffe und Vorgänge in juristische Klauseln zu fassen.
Wir legen aber Wert darauf, daß wir das Atomgesetz jetzt bald bekommen. Es mag vielleicht einige kleine Schönheitsfehler haben und nicht ganz so sein, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber wir legen Wert darauf, daß wir das Gesetz jetzt und nicht erst in acht Wochen bekommen. Die Annahme des Antrags des Kollegen Dehler würde letztlich bedeuten, daß auch geschäftsordnungmäßige Möglichkeiten geboten werden, die Sache noch einmal um einige Wochen - ich denke, vielleicht sogar
um sieben Wochen - hinauszuziehen. Das können wir uns jetzt nicht leisten. Ich darf darauf hinweisen, daß der 15-Megawatt-Reaktor des Versuchskraftwerks in Kahl in meiner unterfränkischen Heimat fertig ist und auf die Zulieferung der Brennstoffelemente wartet. Diese Brennstoffelemente will die General Electric Company in Amerika liefern. Sie tut es aber nur - und das mit Recht -, wenn das Atomgesetz und wenn bundeseinheitliche Vorschriften da sind. Wir verhindern also, wenn wir dieses Gesetz heute nicht in der Form, in der es uns vorliegt, verabschieden, die Inbetriebnahme dieses Kahler Reaktors. Wir müssen ferner daran denken, daß der FR 2-Reaktor in Karlsruhe seiner termingerechten Fertigstellung entgegengeht, ebenso der Reaktor in Jülich. Diese Reaktoren wie die Zulieferer erwarten ein Gesetz. Wir sind schon durch die Verzögerung im 2. Bundestag ins Hintertreffen geraten; Sie wissen, daß es dort schon zweimal gestrauchelt ist: Einmal war es eine echte Panne; es fehlten zwei Stimmen, weil die Betreffenden nicht im Saale waren. Das zweite Mal soll einem Ondit zufolge eine gewisse Regie dahinter gewesen sein. Daß dadurch eine gewisse Verzögerung eingetreten und ein Schaden entstanden ist, wenn dieser auch nicht ziffernmäßig feststellbar ist, glaube ich auf jeden Fall. Wenn wir das Gesetz in der vorliegenden Form jetzt nicht verabschieden, entsteht tatsächlich, wie ich am Beispiel der drei Reaktoren, die ich nannte, gezeigt habe, ein eminent großer Schaden.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Dehler abzulehnen. Lieber ein Gesetz mit kleinen Schönheitsfehlern, aber jetzt, als ein perfektes und vollkommenes Gesetz, aber später; man wird auf diesem Gebiet vielleicht überhaupt kein vollkommenes bekommen können. Schon in zwei Jahren kann auf Grund der sich überstürzenden Entwicklung auf diesem Gebiete wieder ein Umformung des Gesetzes notwendig sein. Wir werden also nie ein Gesetz bekommen, das up to date ist. Uns liegt daran, daß dieses längst überfällige Gesetz - ich denke auch an die Strahlenschutzverordnung, die an diesem Gesetz hängt - jetzt endlich zustande kommt.
({0})
Dass Wort hat Herr Abgeordneter Ratzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf sagen, daß sich Herr Kollege Dr. Dehler im Ausschuß um eine zügige Beratung und baldige Verabschiedung des Gesetzes bemüht hat, und wir sind uns ja alle darin einig, daß wir im Hinblick auf die genannten Reaktoren das Atomgesetz sehr bald brauchen. Wir brauchen es aber noch dringender wegen der fehlenden Strahlenschutzverordnung, und gerade deshalb sind wir der Meinung, Herr Dr. Dehler, wir sollten das Gesetz heute verabschieden, wir sollten es so verabschieden, daß wir auch die Gewähr dafür haben, daß der Bundesrat ebenfalls keine Schwierigkeiten mehr macht. Sie wissen, daß der Bundesrat, dem wohl auch Juristen angehören, diese Formulierung vorgeschlagen hat. Die Bundesregierung hat sich dann gleichfalls für die Formulierung „darf nur erteilt werden" entschlossen, und auch der Ausschuß hat es in seiner letzten Sitzung getan.
Ich darf also für meine Fraktion erklären, daß wir im Interesse der baldigen gesetzlichen Regelung dem Gesetz in dieser Formulierung und mit diesem besonderen Paragraphen zustimmen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Erwiderung auf das, was Herr Kollege Dr. Dehler über die Beratungen im Rechtsausschuß hier gesagt hat! Ich bin der Meinung, Herr Kollege Dehler, daß Sie darüber hier besser nicht gesprochen hätten; denn die Art und Weise, wie die Dinge im Rechtsausschuß regelrecht durchgepeitscht worden sind, war teilweise unwürdig, und es war dem Ausschuß - da es nur noch um Tage ging - bei diesem unverständlichen Drängen, nicht die Möglichkeit gegeben, die Fragen in allen Einzelheiten zu beraten. Daran mag es auch gelegen haben, daß wir zunächst gesagt haben, auch wir würden der rechtsstaatlich eindeutigeren Lösung im Sinne Ihres Antrags oder der Regierungsvorlage den Vorzug geben. Man soll trotzdem in der Lage sein, sich besseren Argumenten zu beugen. Wir haben dieses bessere Argument eben hinterher gehört. Ich glaube, das ist durchaus so in Ordnung.
Dabei stellte sich die Frage, wie wir zu einer möglichst sicheren Lösung kommen, die uns die größtmögliche Garantie dafür gibt, daß auf diesem völlig neuen Gebiet nicht irgendwelche Mißbräuche vorkommen oder in irgendeiner Weise Schaden gestiftet werden kann. Nun glauben wir - und das glauben heute auch die Juristen der sozialdemokratischen Fraktion -, daß mit der Fassung, die der Ausschuß jetzt vorgelegt hat, eine bessere Lösung geschaffen worden ist.
Deshalb bitten wir unter Aufgabe unseres früheren Standpunktes, den Antrag der Freien Demokratischen Fraktion abzulehnen.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP unter Ziffer 1, § 7 Abs. 2 zu ändern. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir stimmen dann über den § 7 in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 8. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Zu § 9 liegt der gleiche Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Er braucht sicher nicht noch
Vizepräsident Dr. Preusker
einmal begründet zu werden. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 10 bis 59. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Einleitung und zur Überschrift.
- Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie abgeschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird zur allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann darf ich diejenigen Damen und Herren des Hohen Hauses, die in der dritten Beratung dem Entwurf eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren zuzustimmen wünschen, bitten, sich zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei einer Enthaltung mit überwältigender Mehrheit des Hauses angenommen.
Nun liegen noch einige Ausschußanträge zur Erledigung vor. Der Ausschußantrag zu Ziffer 2 war darauf gerichtet, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP als erledigt abzulehnen. Die Fraktion der FDP hat mir mitgeteilt, daß sie diesen Entwurf zurückzieht, so daß er damit seine Erledigung gefunden hat.
Zum Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 344 wird vom Ausschuß unter Ziffer 3 vorgeschlagen, ihn durch die Beschlußfassung über den Gesetzentwurf als erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag zu folgen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Damit haben wir die Punkte 17 a und b der Tagesordnung abgewickelt.
Wir kehren nunmehr zurück zu der vorhin unterbrochenen
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung.
Wir müssen mit Nr. 21, § 55 fortfahren.
Ich rufe also den § 55 auf. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem § 55 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 55 ist angenommen.
Zum § 55a liegt dem Hohen Hause ein Änderungsantrag auf Umdruck 428 unter Ziffer 2a vor. Soll dieser Antrag der Fraktion der CDU/CSU noch begründet werden? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse also darüber abstimmen. Wer in § 55a Abs. 1 der Nr. 5 die Fassung des CDU-Antrages Umdruck 428 zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Dann §§ 55b, - 55c, - 55d, - 55e. - Hierzu liegen keine Änderungsanträge und keine Wortmeldungen vor. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Paragraphen sind angenommen.
Zum § 56 liegt wieder eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor. Zunächst sind auf Umdruck 426 Ziffer 1 und 2 von den Abgeordneten Dr. Dittrich, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Stammberger und Genossen Änderungen zu medizinischen Dingen beantragt.
({0})
- Ich bitte um Entschuldigung. Der Antrag Umdruck 433 Ziffer 3a geht in der Tat vor, weil er den Buchstaben c betrifft. Wird der Antrag begründet?
- Die Antragsteller verzichten auf eine Begründung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Dann Herr Abgeordneter Dr. Dittrich zur Begründung des Antrages Umdruck 426 Ziffer1.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag Umdruck 426 Ziffer 1 strebt an, daß in § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d medizinische Stützapparate und - wie wir unseren Antrag ergänzen möchten - orthopädische Fußstützen aufgenommen werden. Ich wäre also dankbar, wenn vor „Fußstützen" das Wort „orthopädischen" eingefügt würde.
Zur Begründung kann ich mich kurz darauf berufen, daß wir es nicht für zweckmäßig halten, daß derartige medizinische Apparate im Reisegewerbe vertrieben werden dürfen. Eine weitere Begründung kann ich mir ersparen, weil die SPD dieselbe Änderung anstrebt.
Sie haben den Ergänzungsantrag gehört, daß in Buchst. d vor „Fußstützen" noch „orthopädischen" eingefügt werden soll.
({0})
- Das ist Ziffer 3 Buchstabe b des Antrages Umdruck 433. Kann ich beide Anträge zugleich zur Abstimmung stellen, also Umdruck 426 Ziffer 1 erster
Vizepräsident Dr. Preusker
Teil und Umdruck 433 Ziffer 3 Buchstabe b, beide zu § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d? - Wer beiden Änderungsanträgen, die gleichlautend sind, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Wir kommen zu dem Antrag Umdruck 426 Ziffer 1 zweiter Teil zu § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Herr Dittrich, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Umdruck 426 Zitter 1 Teil 2 wird beantragt, in § 5b Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f die Gerate für ultraviolette und infrarote Bestrahlung, die Niederfrequenzgerate und die Hörgerate vom Vertrieb im Reisegewerbe auszuschließen.
Ich kann mich auch hier in der Begründung kurz fassen. Das sind Gerate, die nicht im Reisegewerbe vertrieben werden sollten. Es sind Verschlimmerungen, es sind Augenschaden, es sind Hautschaden bei Anwendung dieser Gerate zu befürchten. Sie sollten nur dann angewendet werden, wenn sie der Arzt verschreibt; es sollte nicht Hausierern Gelegenheit gegeben werden, mit diesen Geräten draußen Geschafte - noch dazu zu übersetzten Preisen, wie es vorgekommen sein soll - zu betreiben.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Zur Nr. 2 des § 56 Abs. 1 liegt auf Umdruck 433 Ziffer 3 Buchstabe c der Antrag vor, die Buchstaben a und b der Nr. 2 zu streichen. Soll der Antrag begründet werden? - Herr Abgeordneter Lange, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewerbeordnung ist zu einer Zeit entstanden und ergänzt worden, als man das Reisegewerbe - damals Wandergewerbe, ambulantes Gewerbe genannt - als einen nicht ganz honorigen Gewerbezweig ansehen zu müssen glaubte. Man hat dabei gleichzeitig an Landstreicher und ähnliche Elemente gedacht, die da unterschlüpfen und sich betätigen könnten, man hat an Diebe gedacht, die sich gegebenenfalls solcher Elemente als Hehler bedienen könnten, und so fort und so fort. Dieses Element der Gewerbeordnung, meine Damen und Herren, trägt einen ausgesprochen polizeilichen Charakter. Wir sollten, wenn wir der Auffassung sind, daß das Reisegewerbe eine durchaus zu vertretende Sache, daß es eine Gewerbetätigkeit wie jede andere ist, über die durch das Grundgesetz erforderliche Begrenzung hinsichtlich der Voraussetzungen hinaus keine zusätzlichen Begrenzungen für das Reisegewerbe schaffen, die mit der gewerblichen Tätigkeit an sich nichts zu tun haben. Hier spielen auch keine gesundheitspolitischen oder ähnlichen Erwägungen eine Rolle. Vielmehr geht es in § 56
Abs. 1 Nr. 2 a und b um die von mir soeben angedeuteten Überlegungen. Diese Überlegungen sind in der heutigen Zeit dem Grunde nach falsch. Denn wenn Edelmetalle, Edelsteine oder Gegenstände, die damit verbunden sind, irgendwo gestohlen werden, dann geschieht das meist in wertmäßig großem Umfang und darüber hinaus durch organisierte Banden, die sich für den Absatz wertvoller Gegenstände sowieso nicht des Reisegewerbes bedienen. Das Argument der Bekämpfung der Kriminalität spielt also auf diesem Gebiet keine Rolle.
Daher beantragen wir, in der in Art. I Nr. 21 des vorliegenden Gesetzentwurfs vorgesehenen Fassung des § 56 Abs. 1 Nr. 2 der Gewerbeordnung die Buchstaben a und b zu streichen. Auf diese Weise sollte dem Reisegewerbe der ihm vom Wandergewerbe her immer noch anhaftende ungute Geruch genommen werden. Auch der Gesetzgeber sollte erklären, daß es sich hier um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, die so honorig und ehrenhaft ist wie jede andere. Betrüger und ähnliche Elemente gibt es keineswegs nur bei den kleinen Leuten. Sie sind unter Umstände ganz woanders zu suchen, bei Unternehmen, die durchaus feste Betriebsstätten haben, aber dennoch in keiner Weise eine Gewähr dafür bieten, ehrenhafter zu sein als jene kleinen Gewerbetreibenden. Man sollte endlich von dieser Beurteilung des Reisegewerbes, die in unserer heutigen Gesellschaftsordnung einfach nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, loskommen. Ich bitte Sie, der von uns beantragten Streichung zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fritz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von Herrn Lange gegebene Begründung des Antrags ist sicher sehr menschenfreundlich gedacht. Es ist nicht unsere Absicht, mit der von uns beschlossenen Fassung in § 56 Abs. 1 Nr. 2a und -b irgendeinen Gewerbezweig zu diffamieren. Es hat darüber eine längere Diskussion stattgefunden. Die Mehrheit war der Meinung, daß es aus rein polizeilichen Gründen der Überwachung, insbesondere zur Verhinderung der Hehlerei, notwendig sei, das Feilbieten und den Ankauf von Edelmetallen, Edelsteinen usw. dort zu verbieten, wo die Überwachung schwierig sei, und sie ist nun einmal im Reisegewerbe schwierig. Ich bitte Sie daher, der vom Ausschuß beschlossenen Fassung in § 56 Abs. 1 Nr. 2 Buchstaben a und b zuzustimmen und den Antrag der SPD, so gut er gemeint sein mag, abzulehnen.
Sie haben Begründung und Gegenstellungnahme gehört. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3c, in Art. I Nr. 21 des vorliegenden Entwurfs im § 56 Abs. 1 Nr. 2 der Gewerbeordnung die Buchstaben a und b zu streichen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Preusker
Wer § 56 Abs. 1 Nr, 2 Buchstaben a und b sowie c in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf § 56 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3d vor. - Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diesen Antrag gilt die gleiche Begründung, die ich soeben vorgetragen habe.
Herr Präsident, die gleichen Gründe, die ich soeben vorgetragen habe, sprechen für eine Ablehnung.
Meine Damen und Herren, ich bitte dann, dem Antrag in der gleichen Weise zu folgen oder nicht zu folgen. Wer der Streichung der Buchstaben a und c in der Nr. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Streichung ist abgelehnt.
Jetzt liegt noch ein Antrag auf Umdruck 443 zu dem Buchstaben b vor. Es handelt sich um einen Antrag der Abgeordneten Stiller, Dittrich usw. auf Streichung.
Herr Abgeordneter Unertl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 56 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe b regelt die Behandlung derjenigen Waren, die für den Vertrieb im Reisegewerbe oder im Hausierwesen verboten werden sollen. Es heißt unter Buchstabe b, daß das Feilbieten der vorher bezeichneten Waren verboten ist. Ebenfalls verboten ist das Hausieren mit geistigen Getränken. Zugelassen ist der Verkauf von Bier und Wein in festverschlossenen Behältnissen innerhalb des Gemeindebezirks der gewerblichen Niederlassung des Gewerbetreibenden. Dieser Passus soll nach dem Antrag Umdruck 443, der Ihnen vorliegt, gestrichen werden, und zwar von dem Wort „zugelassen" bis zu dem Wort „Weitere". Der Text soll dann mit den Worten „Ausnahmen können aus besonderem Anlaß von der unteren Verwaltungsbehörde oder von der Ortspolizeibehörde jeweils für ihren Bereich zugelassen werden," fortfahren.
Die Antragsteller wünschen die Streichung deswegen, weil kein zwingender Grund vorhanden ist, das Hausieren mit geistigen Getränken, das nun einmal generell verboten sein soll, bei Bier und Wein für den Gemeindebereich wieder zuzulassen. Der Gesetzgeber hat die Abgabe geistiger Getränke wegen der Gefahren für die Volksgesundheit von jeher strengsten Vorschriften unterworfen. Diese Vorschriften sind z. B. im Gaststättengesetz geregelt. Aus dem gleichen Grunde ist das Verbot des Feilhaltens geistiger Getränke im Umherziehen auch in der Gewerbeordnung enthalten.
In den Drucksachen 318 und 1304 ist zwar an dem grundsätzlichen Verbot des Feilhaltens geistiger
Getränke im Reisegewerbe festgehalten worden, von diesem Verbot sollen jedoch, wie bereits erwähnt, einzelne geistige Getränke ausgenommen werden. Bereits bei der seinerzeitigen ersten Beratung der Gewerbeordnung war beantragt worden, Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot in die Gewerbeordnung aufzunehmen. Diese Anträge sind damals abgelehnt worden, weil das grundsätzliche Verbot nicht durchbrochen werden sollte.
Es liegt jetzt kein zwingender und vertretbarer Grund vor, in der Novelle diese oder jene Getränke, in unserem Falle Bier, von dem Verbot auszunehmen. Unbedingt notwendige Ausnahmen könnten allenfalls, wie es im Nachsatz heißt, von der unteren Verwaltungsbehörde beschlossen werden.
Das Hausieren mit Bier war früher nicht üblich.
({0})
- Auch nicht in Bayern, lieber Herr Kollege; denn in Bayern hat man sich bis vor einigen Jahren noch streng an die überlieferten Traditionen gehalten.
({1})
Das möchten wir auch weiterhin so haben. Dabei befinden wir uns in Übereinstimmung mit dem Deutschen Brauerbund
({2}) und mit den Gastwirten.
({3})
Wir möchten hier klar herausstellen, daß die Brauer an der Verhinderung des Hausierens genauso interessiert sind wie die Gaststättenbetriebe. Niemand wird ja gehindert, Bier zu bestellen; es soll nur verhindert werden, daß damit hausiert werden kann.
Gestatten Sie eine Frage?
Warum nicht?
Darf ich den Herrn Abgeordneten Unertl fragen, ob er mit dem „Hausieren" auch den seit Jahrzehnten üblichen Flaschenbierhandel meint?
Meine Damen und Herren, ich muß nun doch weiter ausholen.
({0})
- Ja, wenn die Frage gestellt wird, muß ich dem Fragesteller doch eine Antwort geben. Der Flaschenbierhandel ist in den konzessionierten Gaststätten und zugelassenen Verkaufsständen üblich, jedoch soll der Hausierhandel mit Flaschenbier von Haus zu Haus untersagt werden. Bestellen kann jeder. Der Hausierhandel hat in einem solchen Maße überhand genommen, daß ein Verbot für die mittelständischen Gewerbebetriebe der Gastronomie ein wichtiges Anliegen wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie wirklich bitten, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Wir möchten nur Klarheit in das Gesetz hineinbringen. Im übrigen kann ja, wie bereits erwähnt, jeder Biertrinker nach wie vor sein Bier dort bestellen, wo er will. Entgegentreten möchten wir nur dem Hausierhandel.
Ein abschließendes persönliches, freundschaftliches Wort. Das Anliegen kommt auch - ich gebe es zu - aus der bayerischen Gastwirtsseele, die in mir steckt. Im übrigen habe ich heute wie alle Franz Xavers am 3. Dezember meinen Namenstag, und ich darf Sie herzlich bitten, mir dieses Namenstagsgeschenk mit der Zustimmung zu geben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle gratulieren dem Kollegen Unertl zu seinem Namenstag.
({0})
Aber ich fürchte, es darf nicht zur Praxis werden, daß besondere Anliegen jeweils am Namens- oder am Geburtstag hier vertreten werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Sätze des Herrn Kollegen Unertl machen es mir natürlich sehr schwer, seinem Antrag nicht zuzustimmen. Aber vielleicht betrachtet es der Herr Kollege nicht als unerlaubten Hausierhandel, wenn ich ihm als Trost dafür gelegentlich eine Flasche Wein aus meinem Keller überreiche.
({0})
Einen zwingenden Grund, wie Herr Kollege Unertl sagt, gibt es natürlich weder für den Kauf noch für den Verkauf geistiger Getränke, und zwar weder im Umherziehen noch sonstwie. Aber es gibt auch keinen zwingenden Grund, den Verkauf von Bier und Wein in abgefüllten und fest verschlossenen Flaschen zu verbieten. Da hätte ich eher noch Verständnis für den folgenden Antrag der Abgeordneten Burgemeister und Genossen, die den Hausierhandel mit Brot, 'Fleisch und derartigen Dingen verboten haben wollen. Hier handelt es sich jedoch, wie gesagt, um verschlossene Flaschen, deren Verschlossenheit man überprüfen kann.
({1})
- Aber dort ist es doch etwas ganz anderes. Dort ist wohl der Alkoholgehalt das Wesentliche.
Was den Weinhandel betrifft, so meine ich, wenn schon jemand glaubt, Wein von einem Hausierer kaufen zu sollen, sollten wir ihn daran nicht hindern.
({2})
Ich habe vor längerer Zeit die Verhandlungen gegen jenen „Wein"-Produzenten verfolgt, der chemisch „Wein" hergestellt hat; ich glaube er heißt Valentin Korn. Die Anklage lautete auf Herstellung von 3 Millionen Liter synthetischen Weins. Zugegeben hat er 1,5 Millionen Liter. Die können ja nun nicht sämtlich im ambulanten Handel verkauft worden sein.
({3})
Daran, daß es möglich gewesen ist, daß 1,5 Millionen Liter von diesem Zeug getrunken werden, ist leider der deutsche Verbraucher schuld, und wenn sich dieser keinen vernünftigen Weingeschmack angewöhnt, können wir ihm durch ein Verbot des Hausierhandels auch nicht helfen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier Bier oder Wein zu verteidigen, obwohl ich beides sehr gern mag. Mich ruft nur eine Bemerkung von Ihnen, Herr Unertl, hier auf die Tribüne, und zwar folgende. Sie sagen, der Hausierhandel nehme überhand. Wir haben eben einen Antrag angenommen, wonach es verboten ist, Schmucksachen im ambulanten Gewerbe zu vertreiben. Jetzt stellen Sie denselben Antrag für den Vertrieb von Flaschenbier; dann kommen noch weitere Anträge hinsichtlich des Verkaufs von Fleischwaren, Backwaren usw.
Ich komme hier auf Ihre Bemerkung: „Der Hausierhandel nimmt überhand." Meine Damen und Herren, ich wehre mich dagegen, daß mit diesen Einzelanträgen durch das ganze Gesetz. die Linie geht, einen ganzen Berufsstand zu vernichten. Das wird der Erfolg sein, wenn wir diese Anträge annehmen. Ich möchte Sie bitten: Bei diesem Berufsstand handelt es sich um eine ganze Reihe von sozialen Hintergründen. Sie wissen ganz genau, daß es in diesem Berufsstand eine Menge von Menschen gibt, die überhaupt nur damit ihr Geld verdienen und hier die einzige Möglichkeit haben, noch den Versuch zu machen, dem Staat nicht zur Last zu fallen.
All die von Ihnen angeführten Anträge helfen mit, diesen Berufsstand zu zerschlagen. Ich möchte Sie bitten: Bedenken sie das. Hier geht es nicht darum, einen Berufsstand abzuservieren. Wenn Sie das auf diesem oder jenem Gebiet, auf dem Gebiet der Hygiene wollen, tun Sie es bitte nicht in der Gewerbeordnung. Dazu haben wir andere Möglichkeiten. Aber versuchen Sie nicht, hintenherum, ohne etwas zu sagen, gegen das ambulante Gewerbe eine Haubitze aufzufahren.
({0})
Das Wort hat der Abgeordneter von Haniel.
Ich möchte den vorliegenden Antrag ebenfalls befürworten. Es geht nicht darum, wie der Kollege Hermsdorf meint, einem vorhandenen Berufsstand die Möglichkeiten der Betätigung zu entziehen. Ich
bin für den vorliegenden Antrag und für die Streichung der in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Sätze.
Ich spreche jetzt zunächst über den Biersektor. Niemand kann leugnen, daß der Hausierhandel in Flaschenbier in ungeheurem Maße überhand nimmt. Es ist wohl sinnvoll, den Flaschenbierhandel auch dahin zu beschränken, daß mit Flaschenbier nur von Haus zu Haus gehandelt werden darf, wenn vorher eine Bestellung vorliegt. Das entspricht auch, ich möchte sagen, den Ansichten und den Bedürfnissen des Großteils der Brauereien.
({0})
- Ja, das sind hier die Betroffenen, um die geht es ja. Die Gastwirte sind natürlich in vermehrtem Maße daran interessiert, daß der Hausierhandel nicht zu sehr überhand nimmt.
({1})
Nun könnte der Kollege Hermsdorf sagen: „Was gehen mich die Gastwirtschaften an." Nun, auf diesen Standpunkt kann man sich natürlich stellen. Aber ich glaube, daß wir uns doch reiflich überlegen müssen, ob nicht die Forderungen der Gastwirtschaft genauso ihren guten Grund haben wie die irgendeines anderen Gewerbezweiges.
({2})
Es liegt im Interesse des ganzen Volkes, daß wir ein gesundes Gastgewerbe behalten.
Nun kommt noch ein anderer Grund, warum ich Für die Streichung der Sätze bin, wie sie in dem vorliegenden Antrag vorgesehen ist. Im Antrag des Ausschusses heißt es nämlich - ich lese die Sätze vor, die gestrichen werden sollen -:
zugelassen sind Bier und Wein in fest verschlossenen Behältnissen innerhalb der Gemeinde der gewerblichen Niederlassung des Gewerbetreibenden.
Danach wäre also der Hausierhandel mit Flaschenbier ohne Bestellung innerhalb der Gemeinde zugelassen. Nun ist Ihnen aber doch bekannt, daß wir in der Bundesrepublik sehr verschiedenerlei Gemeinden haben. Wir haben Gemeinden mit einigen hundert Einwohnern, einige mit Tausenden von Einwohnern und einige mit Millionen. Das bedeutet eine derartige Diskriminierung der kleineren und mittleren Brauereien auf dem Lande gegenüber den in Großstädten, daß schon aus diesem Grunde dieser Satz gestrichen werden muß. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl, dann Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hermsdorf, ich freue mich, daß Sie zugeben, wirklich noch ein wahrer Freund des Gastwirts zu sein. Aber wenn Sie das sind, dann sollten Sie mit mir helfen, daß der Verkauf von Bier im Hausierwesen unterbunden wird. Ich rede speziell vom Bier und nicht vom Wein;
denn der Weinverkauf im Hausierweg ist dort, wo ich herkomme, überhaupt nicht bekannt, wohl aber der Bierverkauf.
Herr Kollege Hermsdorf, es geht uns nicht um die Diskriminierung des Hausierhandels oder des ambulanten Gewerbetreibenden; denn dieser hausiert ja gar nicht mit Bier. Den Hausierhandel mit Bier betreiben die Brauereien unter sich. In diesem Fall gibt es die Bierhausierer im Brauereigewerbe. Da wünscht sich nun die Mehrheit der Brauer und der Wirte, daß mit den bisher geübten Methoden Schluß gemacht wird. Deswegen betrifft es, Herr Hermsdorf, nicht das ambulante Gewerbe.
Ich glaube, alle Gastwirte wissen, daß die im ambulanten Gewerbe tätigen Menschen sehr oft auch die Gaststätten aufsuchen. Wir begrüßen das Vorhandensein und das Weiterleben dieses Gewerbezweiges. Verwechseln wir nicht die Dinge, sondern bleiben wir bei dem, was der Antrag als solcher will, was von meinem Vorredner, Herrn Kollegen von Handel, in ganz sachlicher Art und Weise dargestellt wurde!
Ich bitte daher nochmals, dem Antrag die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Herr Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen Antrag, der sozusagen nur eine kleine Ausnahme betrifft. Nach der Gewerbeordnung ist nämlich der ambulante Handel mit Bier nach außerhalb des Gewerbebetriebes des Anbietenden verboten. Der Handel ist lediglich am Ort des Gewerbebetriebes erlaubt. Nun soll auch das noch ausgeschlossen werden. Ich fürchte, daß mit diesem Antrag gar nicht erreicht werden kann, was erreicht werden soll. Herr Kollege Unertl hat ja ganz offen dargelegt, daß es hier nicht um ambulanten Handel geht, sondern um die Lieferautos der Brauereien, die aufs Land fahren, um dort ganz legitim ihre Wirte zu versorgen. Diese versorgen an den betreffenden Orten natürlich nebenher auch noch einige andere.
Die Frage bezüglich der Gewerbeordnung ist, ob das zum Schutz des Publikums und nicht, wie Herr von Haniel-Niethammer meinte, im Interesse bestimmter Gewerbe verhindert werden soll. Bestimmte Gewerbe vor der Konkurrenz anderer Gewerbe - in diesem Fall der Brauereien - zu schützen, das ist eine andere Frage. Eine solche Regelung gehört aber eigentlich nicht in die Gewerbeordnung.
({0})
- Hier muß ich Ihnen sagen: dann hilft eben leider nur ein Kartell, und dann haben Sie mich erst recht gegen sich.
({1})
Herr Dr. Dittrich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich in dieser Angelegenheit nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht Herr Professor Böhm eine Begründung gegeben hätte. Diese Begründung, Herr Professor Böhm, halte ich nicht für logisch aus folgenden Gründen.
Bisher war in § 56 der gegenwärtig gültigen Fassung der Gewerbeordnung ganz klar und deutlich ausgedrückt:
Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind: 1. geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend gestattet ist;
Das ist die gegenwärtige Rechtslage, wie ich sie aus der neuesten Fassung der Gewerbeordnung kenne, und nun möchte die Mehrheit des Wirtschaftsausschusses eine Änderung dahingehend haben, daß eine Ausnahme für Bier und Wein geschaffen wird, d. h. daß Bier und Wein im Umherziehen veräußert werden dürfen.
Die Begründung, die die Regierung gibt, ist die - wie ich aus der Drucksache 318 entnehme -, daß mit Rücksicht auf die sich aus einem Alkoholmißbrauch ergebenden Gefahren an dem Verbot unter der bisherigen Nr. 1 festgehalten werden soll. Die Ausnahmemöglichkeit für Bier und Wein, die ja auch geistige Getränke sind, soll, so sagt die Begründung der Regierung, zum Teil auch regional bedingten Bedürfnissen dienen. Das halte ich nicht für richtig.
Wir wollen natürlich den Schutz des Verbrauchers anstreben. Das ist der Sinn, die ratio legis der Gewerbeordnung. Ich vermag aber nicht zu erkennen, weshalb beispielsweise ein leichter Likör, ein leichter Kognak nicht im Reisegewerbe vertrieben werden dürfen, dagegen beispielsweise ein Starkbier oder ein Wein vertrieben werden darf. Diese Systematik, meine Herrschaften, paßt nicht, und deswegen unterstütze ich diesen Antrag und bitte Sie, ihn anzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, jetzt ist das Für und Wider ausgiebig erörtert worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 443, den Vertrieb von Bier und Wein in fest verschlossenen Behältnissen usw. zu streichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist zweifellos mit Mehrheit abgelehnt. Es bleibt also bei der Ausschußfassung.
Jetzt kommt Umdruck 427 der Abgeordneten Burgemeister, Holla, Mensing und Genossen, Einfügung vor dem Buchstaben c) wegen des Verbots von Brot und Backwaren, Fleisch usw. Herr Abgeordneter Burgemeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 56 Nr. 3 ist der Verbotskatalog derjenigen Waren enthalten, die nicht im Reisegewerbe feilgeboten werden dürfen. Der Antrag auf Umdruck 427 verfolgt in seinem ersten Teil den Zweck, diesen Verbotskatalog um vier Artikel zu erweitern, was ich wie folgt begründe. Bereits während der Verhandlungen im Wirtschaftsausschuß ist dieser Antrag gestellt, aber damals abgelehnt worden mit dem etwas einseitigen Hinweis darauf, daß hier vor allem Wettbewerbsgesichtspunkte im Vordergrund gestanden hätten. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß diese Betrachtungsweise sehr einseitig ist und dem wirklichen Anliegen nicht gerecht wird.
Es kommt uns vor allen Dingen darauf an, hier auch einen gewissen Verbraucherschutz berücksichtigt zu sehen. Wir sehen im Vordergrund unseres Bemühens den Schutz des Verbrauchers, dies besonders zum ersten Teil, soweit es sich um Brot, Fleisch und Fleischwaren handelt. Hierbei spielen hygienische Gesichtspunkte eine besondere Rolle, die wir doch zu beachten bitten. Im Lebensmittelgesetz sind zwar Bestimmungen enthalten, die einen Mißbrauch verhindern können. Nun ist aber gerade beim Reisegewerbe die Anwendung des Lebensmittelgesetzes außerordentlich schwer und kompliziert zu handhaben. Es ist ein Leichtes für die Behörden, das Lebensmittelgesetz bei den Läden, im stehenden Gewerbe zu handhaben, weil dort die Kontrollmöglichkeiten durchaus gegeben sind. Aber ich frage Sie: Wie soll die vorhandene Gesundheitspolizei im Reisegewerbe diese Kontrolle durchführen, der sich doch diejenigen, die Brot und Lebensmittel im Reisegewerbe vertreiben wollen, weitgehend entziehen können? Wenn in der Vorlage in derselben Nummer Futtermittel in den Verbotskatalog aufgenommen sind und wenn in der Begründung der Regierung dazu gesagt ist, daß die Futtermittel deswegen aufgenommen werden müßten, weil sonst die Durchsetzung der Vorschrift des Futtermittelgesetzes gefährdet sei, dann, glaube ich, kann man das gleiche auch vom Lebensmittelgesetz sagen. Wir sind der Meinung, daß der Brot- und Frischfleischverkauf im Reisegewerbe nach den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes nicht so überwacht werden kann, wie das beim stehenden Gewerbe der Fall ist. Deshalb meinen wir, daß diese beiden Artikel mit in die Verbotsliste aufgenommen werden müßten.
Der Kauf von Pelzbekleidung und Rauchwaren - Pelzfelle - und Polstermöbeln ist und bleibt immer eine Vertrauensangelegenheit. Pelzimitationen und minderwertige Ware werden gerade auf diesem Sektor im Reisegewerbe sehr gern angeboten, weil hier ein entsprechendes Geschäft zu machen ist. Wir wissen alle, daß die Gerichte sich immer wieder mit entsprechenden Anliegen befassen müssen und daß reihenweise Verurteilungen durchgeführt worden sind. Gerade weil auf diesem Gebiet Betrugsfällen sehr leicht Tür und Tor geöffnet und eine Übervorteilung der Käufer sehr leicht möglich ist, sind wir der Meinung, daß auch diese beiden Artikel mit in die Verbotsliste aufgenommen werden sollten. Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren, daß Sie diesem Antrag auf Umdruck 427 Ihre Zustimmung geben sollten.
Dass Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn es scheinbar nur Kleinigkeiten sind, die hier in einer sehr vielgestaltigen Form in der Gewerbeordnung niedergelegt sind, muß hierzu doch einiges gesagt werden. Herr Burgemeister wäre vermutlich hinsichtlich seiner volksgesundheitlichen Begründung uneingeschränkt glaubwürdig, wenn eben nicht in den gleichen Antrag Pelzbekleidung, Rauchwaren, d. h. Pelzfelle, und Polstermöbel eindeutig aus Konkurrenzgründen hereingenommen worden wären.
({0})
Dazu möchte ich noch sagen: Wer sich - entschuldigen Sie - von einem Wildfremden, von dem er nicht einmal die Legitimationskarte verlangt, übers Ohr hauen läßt, der hat selbst schuld! Wir sind nicht dazu da, überall den Polizisten hinzustellen.
({1})
Wenn hier darauf hingewiesen wurde, daß auch Futtermittel aufgeführt werden, dann möchte ich sagen, daß, soweit ich mich erinnere - ich würde mich von den Landwirtschaftsexperten gern eines anderen belehren lassen -, Futtermittel zum Teil der Marktordnung, den Einfuhrbestimmungen und auch anderen Bestimmungen unterliegen, die im Zusammenhang mit Bäumen, Sträuchern und Saatgut berücksichtigt worden sind. Das kann man nicht ohne weiteres vergleichen.
Dann möchte ich noch auf eins hinweisen. Haben sich einmal der Bäckermeister, der unser Kollege ist, und auch der Fleischermeister, der unser Kollege ist, überlegt, daß sie sich selbst oder ihren Kollegen in den ländlichen Gebieten damit ganz bestimmte gewerbliche Möglichkeiten abschneiden?
({2})
Das muß man doch hierbei berücksichtigen. Ich will nicht weiter darauf eingehen; ich möchte nur auf diesen Punkt hinweisen. Dann wäre es keinem Bäcker und keinem Metzger mehr möglich, mit seinem Wagen über Land zu fahren und seine Erzeugnisse anzubieten, weil er nicht in jedem Falle nur Bestellungen aufsucht und dann liefert. Ich halte diesen Antrag einfach für sinnlos.
Was der Zentralverband des Deutschen Handwerks sich gedacht hat - ich weiß nicht, ob irgendwelche Vertreter des Zentralverbandes im Augenblick auf der Tribüne sitzen -, als er diese Einschränkung angeregt hat, ist mir auch völlig schleierhaft. Er vertritt in diesem Zusammenhang noch nicht einmal die von ihm wahrzunehmenden Interessen seiner Mitglieder.
Wir haben alle Veranlassung, aus diesen Erwägungen den Antrag abzulehnen. Dabei ist der zuletzt erwähnte Gesichtspunkt der Interessenvertretung nicht der durchschlagende Punkt.
Außerdem verweise ich mit Nachdruck darauf, daß diese Dinge sondergesetzlichen Bestimmungen - dem Lebensmittelgesetz usw. - unterworfen sind. Es kommt nur darauf an, daß erstens das Lebensmittelgesetz und zweitens die Hygieneverordnungen der verschiedenen Bundesländer auch auf der unteren Ebene in entsprechender Weise durchgeführt werden. Das ist der Gesichtspunkt, der dabei eine Rolle spielt. und nichts anderes kann von der Ware her entscheidend sein.
Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Burgemeister und Genossen Umdruck 427 auf Einfügung der neuen Buchstaben c biss f, die sich auf Brot, Fleisch, Pelzbekleidung und Polstermöbel beziehen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Es wird nichts eingefügt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3d. Danach sollen die Buchstaben a und c gestrichen werden. Wird dieser Antrag noch besonders begründet, oder ist er eben gewissermaßen bereits mitbegründet worden, Herr Kollege Lange?
Es gilt hier die gleiche Begründung, die ich vorhin gegeben habe. Herr Fritz hat dagegen gesprochen und die gleiche Gegenbegründung vorgebracht.
Gut, die gleiche Begründung und die gleichen Gegengründe. Wer also dem Antrag auf Umdruck 433 Ziffer 3d auf Streichung der Buchstaben a und c in § 56 Abs. 1 Nr. 3 zuzustimmen wünscht, - ({0}) - Ist bereits erledigt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 428 Ziffer 2b zu Nr. 5 des § 56 Abs. 1; er betrifft die Ausübung des Friseurhandwerks. Soll dieser Antrag noch begründet werden?
({1})
- Die Ziffer 3e des Änderungsantrags auf Umdruck 433 ist gleichlautend.
({2})
- Es wird nicht mehr begründet.
Wer den beiden Bleichlautenden Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Anträge sind mit großer Mehrheit angenommen.
Jetzt kommen die Nrn. 6 und 7 des § 56 Abs. 1. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Zu § 56 Abs. 2 liegt auf Umdruck 426 Ziffer 2 ein Änderungsantrag vor; danach sollen hinter dem Wort „kann" die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern" eingefügt werden. - Auf Begründung wird wohl verzichtet. Wer diesem
Vizepräsident Dr. Preusker
Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Das zweite war zweifellos die Mehrheit; die Einfügung ist abgelehnt.
Jetzt kommt der § 56 Abs. 2a, der sich mit Schriften, Bildwerken usw. beschäftigt. Dazu liegen wieder zwei Bleichlautende Anträge vor, diesen Absatz zu streichen, und zwar auf Umdruck 433 Ziffer 3f und auf Umdruck 441.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den beiden gleichlautenden Anträgen wird die Streichung des § 56 Abs. 2a aus folgenden Gründen gefordert. Wir haben erstens keine Veranlassung, unerhörte Verwaltungsschwierigkeiten zu bereiten, indem ein solches Druckschriftenverzeichnis vorgelegt werden muß. Zweitens haben wir keine Veranlassung, durch die Hintertür der unteren Verwaltungsbehörde - oder wem immer - gewisse Zensurvollmachten zu geben, die nach dem Grundgesetz ausgeschlossen sind.
Ich glaube, diese kurze Bemerkung dürfte genügen, um klarzumachen, daß diese Bestimmung nicht vertretbar ist.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung über die gleichlautenden Anträge auf Umdruck 433 Ziffer 3f und Umdruck 441, den § 56 Abs. 2a zu streichen. Wer dieser Streichung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Ist gestrichen!
Zum Abs. 3 haben wir zwei Anträge vorliegen, von denen der auf Umdruck 440 der Abgeordneten Dr. Elbrächter, Dr. Siemer, Burgemeister und Genossen weiter geht als der auf Umdruck 433 Ziffer 3g. Wird zu dem ersten das Wort gewünscht? - Herr Lange, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache sieht jetzt so aus, daß in dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 433 nach nochmaliger eingehender rechtlicher Überprüfung die Worte zwischen „von" und „Arzneimitteln" gestrichen werden sollen, weil hier der umgekehrte Ausgangspunkt gegenüber einer ähnlichen Formulierung des Entwurfs vorhanden ist. Im übrigen soll diese Formulierung nicht mehr und nicht weniger bedeuten als die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes. Es hat insofern keine Bedeutung, als es nicht die Entscheidungen über das Arzneimittelgesetz und die dort vorhandenen Probleme vorwegnehmen will. Es bleibt also - das erkläre ich nachdrücklich - dabei, daß, wenn es zu irgendwelchen Entscheidungen dieses Hauses im Zusammenhang mit dem Arzneimittelwesen kommen wird - zwei Vorlagen liegen in den Ausschüssen und werden dort, zuerst vom Gesundheitsausschuß, beraten -, wir dann auch entsprechend in
der Gewerbeordnung verfahren müssen. Es heißt also nichts anderes, als nur im Augenblick den gegenwärtigen Zustand aufrechtzuerhalten.
Herr Abgeordneter Lange, darf ich Sie bitten, zu wiederholen, was gestrichen werden soll; ich habe das nicht ganz mitbekommen.
Es fängt an mit den Worten „von dem freien Verkehr". Gestrichen werden also die Worte: „dem freien Verkehr überlassenen und in ihrer Wirkung allgemein bekannten", und es muß heißen: „von Arzneimitteln . . .".
Danke sehr! Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur der Deutlichkeit halber möchte ich darauf hinweisen und damit die Ausführungen des Herrn Kollegen Lange ergänzen: Das Feilbieten von Tierarzneimitteln bleibt nach wie vor verboten. Es handelt sich hier nur um die Möglichkeit, Bestellungen entgegenzunehmen, so wie es bisher der Fall war. Tun wir das nicht, sondern verbieten es nach der Fassung des Wirtschaftsausschusses, so werden einige solide Betriebe mit einer großen Zahl von Mitarbeitern betroffen. Ich sehe keinen Anlaß, daß wir aus Gesundheitsgründen so verfahren. Der andere Grund, daß wir die bäuerliche Bevölkerung vor Übertölpelung schützen sollten, greift nicht durch. Erstens bin ich erstaunt, daß wir der bäuerlichen Bevölkerung einen geringeren Intelligenzgrad zumessen sollen; ich glaube, das ist nicht statthaft. Zum zweiten hat die bäuerliche Bevölkerung meist eine Eigenschaft dem Städter voraus, nämlich ein gesundes Mißtrauen, das dafür sorgt, daß sie nicht übertölpelt wird. Ich bitte also doch darum, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, da ich den Ausschußbeschluß zu verteidigen beabsichtige, jetzt nicht in den Verdacht kommen, daß ich die bäuerliche Bevölkerung auch nur annähernd für dumm halte. Aber ich meine, der Beschluß des Wirtschaftsausschusses ist schon begründet und deckt sich einmal mit der Regierungsvorlage, deckt sich aber auch - und das scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein - mit den beiden Entwürfen zum Arzneimittelgesetz, nämlich dem Entwurf der SPD und dem Entwurf der Regierung.
In § 24 des SPD-Entwurfs zum Arzneimittelgesetz heißt es nämlich:
Im Reisegewerbe ist das Anbieten, Anpreisen, Empfehlen und Verkaufen von Arzneimitteln sowie das Aufsuchen von Bestellungen verboten.
„Das Aufsuchen von Bestellungen verboten" heißt es hier! - Der Regierungsentwurf kommt zu demselben Ergebnis.
Nun gestatten Sie mir dazu einige Bemerkungen! Man kann meines Erachtens die Arzneimittel nicht in zwei Gruppen aufteilen, in diejenigen, die für den Menschen, und in die anderen, die für das Tier bestimmt sind. Man kann vielmehr nur von Arzneimitteln im ganzen sprechen. Will man aber so verfahren und will man so folgern, dann meine ich, daß für die veterinär-pharmazeutischen Mittel dasselbe gilt wie für diejenigen Arzneimittel, die bei Menschen anzuwenden sind.
Ich habe von dieser Stelle und auch damals in Berlin, als der SPD-Entwurf zum Arzneimittelgesetz gelesen wurde, zum Ausdruck gebracht, daß wir gut daran tun, dem Reisegewerbe sowohl dem Feilbieten als auch dem Aufsuchen von Bestellungen in Arzneimitteln, den schärfsten Kampf anzusagen; denn draußen kommen doch Mißbräuche vor. Es ist deshalb gut, auch das Aufsuchen von Bestellungen zu untersagen.
Herr Elbrächter ist der Ansicht, es handle sich um eine solide Industrie, die das Aufsuchen von Bestellungen vornehme. Das bestreite ich gar nicht. Aber es ist immerhin zu erwähnen, daß es auf diesem Gebiet seit dem Zusammenbruch eine ganze Anzahl von neuen Betrieben gibt, die nicht alle die Solidität haben, die wir von einer Arzneimittelfirma erwarten. Vor diesen Betrieben, vor ihren Erzeugnissen und vor dem Anbieten möchten wir die bäuerliche Bevölkerung draußen geschützt wissen.
Herr Kollege Lange hat zum Ausdruck gebracht, daß er die bisher bestehende Regelung bis zum Existentwerden des Arzneimittelgesetzes aufrechterhalten wissen will. Er will also offensichtlich den Boden, der im Arzneimittelgesetzentwurf betreten ist, nicht verlassen. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, daß man das, was draußen auf unsere Landwirtschaft zukommt -zum Teil werden „Wundermittel", zum Teil Mittel zu übersetzten Preisen angeboten -, im Rahmen dieses Gesetzes untersagen sollte. Deshalb bin ich für die Aufrechterhaltung des Beschlusses des Wirtschaftsausschusses und für die Ablehnung der beiden Anträge.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns jetzt genau da, wo wir uns eigentlich nicht befinden sollten. Wir befinden uns nämlich nicht mehr in der zweiten und dritten Lesung der Gewerbeordnung, sondern bei den Ausschußberatungen zum Arzneimittelgesetz.
({0})
Es ist von der Bundesregierung wenig glücklich gewesen, diese Probleme bei der Novelle zur Gewerbeordnung anzuschneiden, da sie zur gleichen Zeit ein Arzneimittelgesetz vorgelegt hat, in dem alle diese Fragen ihre endgültige Klärung finden sollen. Es wäre viel besser gewesen, der Herr Wirtschaftsminister, federführend- für die Gewerbeordnung, und der Herr Innenminister, federführend für das Arzneimittelgesetz, hätten sich in etwa auf ihre gesetzgeberischen Vorhaben abgestimmt.
Wir beraten im Augenblick das Arzneimittelgesetz im Gesundheitsausschuß; das ist bereits von meinen Vorrednern gesagt worden. Eines der schwierigsten Probleme, nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch - sagen wir es ganz offen -wirtschaftspolitisch, ist zweifellos die Abgabe der Arzneimittel. Ein Teilgebiet der Freiverkäuflichkeit ist auch die Frage des Versandhandels und des Hausierhandels. Beides darf man im übrigen nicht miteinander verwechseln. Alle diese Fragen müssen jetzt geklärt werden.
Wir immer wir es auch machen, wir dürfen uns jetzt nicht einbilden, in der zweiten und dritten Lesung der Novelle zur Gewerbeordnung die Ideallösung finden zu können. Die Lösung, die wir finden, wird sowieso, gleichgültig, wie wir uns entscheiden, nur bis zur Verkündung des Arzneimittelgesetzes Bestand haben, das hoffentlich im Laufe des nächsten Jahres hier im Hause das Licht dieser schönen Welt erblicken wird.
Ich bin aus diesem Grunde der gleichen Meinung wie Herr Kollege Lange: Man sollte die beiden Änderungsanträge annehmen, nicht als ein Präjudiz für das kommende Arzneimittelgesetz und nicht als Versprechen an irgend jemanden, der daran wirtschaftlich interessiert ist. Das ist nicht nur die veterinärpharmazeutische Industrie, sondern das sind auch die Herren Tierärzte mit ihrem Dispensierrecht, das wir ihnen durchaus zubilligen wollen. Meine Damen und Herren, rühren wir diese Frage einmal offen an! Es ist also für niemanden ein Präjudiz, sondern wir schaffen, nachdem die Bundesregierung die Frage leider in diese Novelle hineingebracht hat, eine vorläufige Lösung, die, gleichgültig wie sie aussieht, nur bis zum Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes Bestand haben wird. Bis dahin bin ich der gleichen Meinung wie Herr Kollege Lange: wir sollten die Dinge jetzt so lassen, wie sie sind, und sollten die Änderungsanträge annehmen, die dem bisher geltenden Zustand auch in Zukunft Geltung verschaffen, vorbehaltlich einer irgendwie andersgearteten Regelung im Arzneimittelgesetz.
({1})
Herr Abgeordneter Lange, wünschen Sie noch das Wort? Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dittrich hat hier so argumentiert, als ob die sozialdemokratische Fraktion in dieser Frage nicht genau wisse, was sie wolle. Ich habe soeben hinsichtlich des Präjudizes Eindeutiges gesagt.
({0})
- Man konnte jedenfalls den Eindruck haben, Herr Kollege Dittrich. Ich wollte Ihnen nur eins sagen: Wir haben damals in der ersten Lesung hier - oder war es in Berlin - das Dispensierrecht der Tierärzte zugestanden, das wir nicht in unserem Ent5050
Lange ({1})
wurf festgelegt haben. Das zwingt uns logischerweise, am heutigen Zustand auf diesem Gebiet festzuhalten, wenn die Zusage des Dispensierrechts an die Tierärzte überhaupt einen Sinn, auch einen wirtschaftlichen Sinn haben soll. Das wollte ich nur noch zur Korrektur sagen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die nun wohl, soweit ich sehe, gleichlautenden Anträge auf Umdruck 440 und Umdruck 433 Ziffer 3g. Wer diesen beiden Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Anträge sind angenommen.
Dann muß noch wegen der beschlossenen Streichung des Abs. 2a von Ihnen beschlossen werden, daß die erste Zeile des Abs. 3 wie folgt gefaßt wird: „Die Vorschriften des Absatzes 1 finden ..." ; denn einen Abs. 2a gibt es ja nicht mehr. Wer dieser zwangsläufigen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Zu § 56 liegen dann keine Anträge mehr vor. Wer dem § 56 in der soeben durch die verschiedenen Beschlüsse geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 56 ist angenommen.
Ich bitte, schon jetzt vorzumerken, daß ich am Schlusse der Beratung dieses Gesetzes um die übliche Ermächtigung zur redaktionellen Anpassung bitten werde. Das scheint mir doch notwendig zu sein, falls das eine oder andere an Verweisungen oder an Singular- und Pluralfassungen nicht mehr stimmen sollte.
§ 56a! Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. - § 56b genauso. - § 57 ebenso. - Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 57a liegt auf Umdruck 426 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich und Genossen vor, das Wort „amtsärztlichen" durch „ärztlichen" zu ersetzen. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Dittrich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit klar ist, um was es geht, möchte ich mir gestatten, den § 57a in seiner gegenwärtig vorliegenden Fassung vorzulesen. Es heißt darin:
Die Reisegewerbekarte kann dem Antragsteller versagt werden, wenn er
1. mit einer abschreckenden oder ansteckenden Krankheit behaftet oder in abschreckender Weise entstellt ist,
2. blind, taub oder stumm ist oder an Geistesschwäche leidet,
3. ...
Um diese zwei Nummern des § 57a geht es, und hierzu hat der Wirtschaftsausschuß einen Abs. 2 mit folgendem Wortlaut geschaffen:
Die zuständige Behörde kann die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses und sonstige Nachweise verlangen.
Mein freiberufliches Herz sträubt sich dagegen, daß nur ein Amtsarzt soll feststellen können, ob es sich um eine abschreckende oder ansteckende Krankheit handelt oder ob der Antragsteller blind, taub, stumm oder geistesschwach ist. Ich bin der Meinung, daß das jeder Praktiker tun kann und daß man dazu nicht unbedingt nach dem Staat rufen muß. Deshalb unser Änderungsantrag.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Lange, bitte.
Natürlich, Herr Kollege Dr. Dittrich, wenn es so völlig offenkundig ist, wie Sie es darstellen, dann ist es in jedem Falle unbestritten. Aber Sie wissen gar nicht, unter welchen Umständen häufig genug solche Versagungen betrieben werden können. Man muß, glaube ich, dem amtsärztlichen Zeugnis insoweit einen höheren Wert - auch anfechtbaren, auf dem ordentlichen Rechtsweg anfechtbaren Wert - zumessen, den das normale ärztliche Zeugnis nicht hat.
({0})
- Entschuldigen Sie, das ist gar kein Ruf nach dem Staat. Denn es kann jedes andere Zeugnis beigebracht werden; außerdem steht in der Bestimmung: es kann ein amtsärztliches Gutachten verlangt werden. Es muß ja nicht verlangt werden. Aber als Sicherheit sollte es sein, neben dem normalen ärztlichen Zeugnis, das - unbeschadet dieser Bestimmung - jeder beibringen kann. Ich weiß nicht, warum die Behörde nicht die Möglichkeit haben soll, dann, wenn sie es für nötig hält, auch die Beglaubigung eines bestimmten Zustandes des Betreffenden, gegen den sie ein Verfahren durchführen will, durch einen Amtsarzt zu verlangen, dessen Begutachtung insoweit ein höheres Gewicht hat - wegen des öffentlichen Glaubens des amtsärztlichen Zeugnisses -, den man andererseits aber auch entsprechend haftbar machen kann.
Herr Abgeordneter Lange, ehe Sie vom Rednerpult heruntergehen: Gestatten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Stammberger? Es vereinfacht vielleicht das Verfahren.
Bitte!
Herr Kollege Lange, Sie sprechen von der Anfechtbarkeit des amtsärztlichen Zeugnisses. Ist es aber nicht so, daß im Falle einer Versagung der Reisegewerbekarte nicht das amtsärztliche Zeugnis, sondern der Verwaltungsakt, mit dem die Versagung ausgesprochen worden ist, angefochten werden muß?
Das ist richtig, soweit es das Verfahren selbst betrifft. Mir geht es aber hier um die Frage, welches Beweismittel im Zweifelsfalle außerdem noch anfechtbar ist. Anfechtbar ist nämlich auch das Beweismittel als amtsärztliche Begutachtung; bei dem anderen Beweismittel ist das nicht der Fall.
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrage der Abgeordneten Dr. Dittrich und Genossen zuzustimmen wünscht, das Wort „amtsärztlichen" durch das Wort „ärztlichen" zu ersetzen, den bitte ich um das Handzeichen.-Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist schwierig zu beurteilen, wo die Mehrheit liegt. Ich versuche es noch einmal mit Erheben von den Plätzen. Wer dem Antrag Dr. Dittrich zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich glaube, meine Damen und Herren, da ist das Präsidium fast überfordert. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es traut sich niemand im Präsidium zu sagen, ob das erste oder das zweite die Mehrheit war.
Wir stehen jetzt ausgerechnet vor der für 13 Uhr angesetzten Mittagspause. Ich möchte also die Abstimmung über diesen Antrag im Moment aussetzen, das Haus zur Auszählung noch einmal zusammenrufen, inzwischen in der Beratung der anderen Punkte fortfahren, aber noch vor der Mittagspause die Auszählung zu dem Antrag, „amtsärztlich" durch „ärztlich" zu ersetzen, durchführen.
({0})
- Ja, dann hilft es nichts, dann müssen wir jetzt auszählen.
({1})
Ich mache Ihnen den Vorschlag: Wir unterbrechen jetzt die Sitzung bis 15 Uhr und setzten die Abstimmung zu dem Antrag aus. Ich bedauere, daß das in diesem Augenblick so gelaufen ist. Wir beginnen pünktlich um 15 Uhr mit Punkt 22 der Tagesordnung, Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Erst danach fahren wir in der Beratung des Punktes 15 der Tagesordnung fort.
Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.
({2})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe auf Punkt 22:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({0}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Herr Abg. Dr. Mende!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei hat den Gesetzentwurf zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes, Drucksache 1264, eingebracht mit dem Ziel, daß § 12 Abs. 3 gestrichen wird. Diese Bestimmung war erst durch das Gesetz zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 eingeführt worden.
Die FDP-Fraktion hat sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen, eine Änderung des erst vor wenigen Monaten beschlossenen Gesetzes zu beantragen, nachdem sie sich davon überzeugt hat, daß ihre damalige Zustimmung durch eine Täuschung erreicht worden ist.
({0})
In der Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages am 18. Februar 1959 ist die Notwendigkeit der Einfügung des § 12 Abs. 3 in das Kapitalverkehrsteuergesetz mit der Behauptung begründet worden, daß die sogenannten Teilschuldscheindarlehen annähernd den Umfang der Obligationsausgaben erreicht hätten.
({1})
Diese Begründung hat der Vorsitzende des Finanzausschusses, Abgeordneter Neuburger, gegeben. Er wurde unterstützt von dem Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, Ministerialdirektor Mersmann, der noch andere Argumente hinzufügte. Diese Begründung ist nach unserer Auffassung objektiv falsch. Unterlagen, auf die sich eine solche Angabe stützen könnte, sind nicht vorhanden.
Die Bundesregierung hat in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der FDP vom 4. November 1959, Drucksache 1933, Antwort Drucksache 1436, dazu folgendes erklärt - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -:
Der Gesamtumfang aller umlaufenden Schuldscheindarlehen entzieht sich einer auch nur annähernd zuverlässigen Schätzung.... Über den Gesamtumfang der Darlehen, bei denen Schuldscheine über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt worden sind, liegen Angaben nicht vor.
Angesichts dieses Sachverhalts muß die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei den Vorwurf aufrechterhalten, daß ihre damalige Zustimmung durch eine irrige Vorstellung erreicht worden ist.
Die Beratung der jetzt von uns vorgelegten Novelle soll Gelegenheit zu einer sachlichen Erörterung des Problems der sogenannten Schuldscheindarlehen unter Berücksichtigung zutreffender Unterlagen geben. Wir erwarten, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses für sich und daß der Herr Bundesminister der Finanzen für seinen Beamten erklären, worauf sich die im Finanzausschuß am 18. Februar 1959 aufgestellte Behauptung gründete, die abgegeben worden ist, obgleich die Bundesregierung mit der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage bestätigt hat, daß Unterlagen, auf die sich eine solche Behauptung stützen könnte, nicht vorliegen.
Ich darf mich, Herr Präsident, auf diese geschäftsordnungsmäßigen Bemerkungen beschränken und
Ar. Mende
bitte, zur sachlichen Begründung meinem Kollegen Dr. Dehler das Wort zu erteilen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stehen schwere Vorwürfe im Raum. Ich glaube, uns alle verbindet der Wunsch, daß unsere Demokratie intakt und sauber ist. Wenn wir den Boden verlieren, dann schwankt alles. Oft zeigen sich auch an kleinen Dingen Fehlentwicklungen.
Es handelt sich um den Hintergrund der Bestimmung des § 12 Absatz 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes, das in diesem Hohen Hause am 18. Februar 1959 - später noch einmal in Bestätigung eines Beschlusses des Vermittlungsausschusses, der aber diese Sache nicht berührte - einstimmig beschlossen worden ist. Eingefügt wurde der Satz:
Als Schuldverschreibung gelten auch im Inland ausgestellte Schuldscheine, wenn sie über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt sind.
Daran hat sich nun eine sehr harte Kritik in der Öffentlichkeit angeschlossen, nicht nur von politischer Seite, nicht nur von interessierter Seite, sondern besonders durch durchaus seriöse Steuerrechtswissenschaftler und durch Publizisten.
Damit Sie erkennen, wie weit diese Vorwürfe reichen und wie sehr sie jeden einzelnen von uns im Hause angehen, darf ich eine kleine Auslese geben. Im „Betriebsberater" hat Professor Meilicke aus Bonn am 13. Juni 1959 diese Bestimmung über Schuldscheine als einen gesetzgeberischen Fehlschlag bezeichnet. Viel härter noch hat sich der Senior unserer Steuerrechtswissenschaft, Herr Professor Dr. Bühler, ausgedrückt, der am 11. September 1959 von ,,Tax-Lobbyismus", vom Mißbrauch der Gesetzgebungsgewalt gesprochen und zur Begründung angeführt hat, eine hinter den Kulissen tätige Interessentengruppe habe hier zwar nicht für sich eine Begünstigung, aber für ihre wirtschaftlichen Konkurrenten eine Sonderbelastung erwirkt, von deren Ausmaß und Wirkung der Bundestag sich offenbar kein Bild verschafft habe, als er diese Bestimmung beschloß.
Diese Wertung des Herrn Professor Dr. Bühler ist noch eine sehr wohlwollende; denn diese Interessentengruppe - ob sie hinter den Kulissen tätig war, wollen wir erst noch sehen - hat nicht nur eine Sonderbelastung für einen wirtschaftlichen Konkurrenten erreicht, sondern - ich muß schon sagen: sehr am Gesetzgeber vorbei - auch eine handfeste Begünstigung für sich, und zwar durch die Änderung der §§ 21 und 22 des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Das hatte nämlich zur Folge, daß Geschäfte mit Wertpapieren und auch mit Schuldscheinen für die Banken - bei Geschäften von Bank zu Bank - von der Umsatzsteuer befreit worden sind.
Professor Dr. Katz, Köln, sprach von dieser Schuldscheinbestimmung als einer der unpassendsten Vorschriften, die der Deutsche Bundestag in der Steuergesetzgebung bisher beschert hat. Der ausgezeichnete Kommentator des Kapitalverkehrsteuergesetzes, Professor Dr. Kinnebrock, München, hat festgestellt, daß dieser gesetzlichen Bestimmung alle Grundlagen fehlten, daß der Schuldschein eben wesentliche Eigenschaften der Obligationen nicht besitze und deswegen nicht mit Schuldverschreibungen gleichgestellt werden könne und daß ihre Gleichstellung dazu führe, daß der Schuldschein auch von der Börsenumsatzsteuer erfaßt werde; das könne der vernünftige Gesetzgeber gar nicht gewollt haben, weil es gegen den Begriff, gegen das Wesen der Wertpapiere, gegen die Systematik des Gesetzes, gegen die Rechtssicherheit und gegen die Bestimmbarkeit steuerlicher Tatbestände verstoße. Er erklärt, diese Bestimmung müsse vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden.
Schwerer können die materiellrechtlichen Bedenken gar nicht mehr sein als die, die hier von Wissenschaftlern geltend gemacht werden.
Aber der härteste Vorwurf wird von dem sicher vielen von Ihnen bekannten Herrn Professor Dr. Flume von der hiesigen Universität erhoben, der zwischen dem Willen des Gesetzgebers und dem Willen der Initiatoren des Gesetzes unterscheidet und von der Möglichkeit spricht, daß die Initiatoren den Gesetzgeber über die denkbaren Konsequenzen im unklaren gelassen hätten. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem Mißbrauch der Gesetzgebung, der eine Perfidie sei.
({0})
Das sind die Vorwürfe gegen den Bundestag, die im Raume stehen und über die wir uns nach meiner Meinung mit allem Ernst unterhalten müssen.
Auch Professor Flume ist der Meinung, daß die Unterstellung von Darlehen mit Teilschuldscheinen unter die Börsenumsatzsteuer verfassungswidrig sei. Er fährt dann fort:
Sollten die Initiatoren des Gesetzes die Auswirkung, daß durch die Anwendung der Börsenumsatzsteuer die bisherige Praxis der Schuldscheindarlehen verhindert wird, tatsächlich erkannt haben, so ist der Wille der Initiatoren des Gesetzes nicht der Wille des Gesetzgebers und erst recht nicht des Gesetzes.
Selbst ein Mitglied des Finanzausschusses, also ein Mitglied unseres Hauses, der Herr Kollege Dr. Eckhardt, schreibt in einem Gutachten, daß nach seiner Meinung eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben werde, wenn der Nachweis geliefert werden könne, daß das Gesamtbild bei der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine gegen wenige Finanzmakler gerichtete Tendenz ergebe und daß es Ziel und Zweck des Gesetzes gewesen sei, gerade diese Personen um ihre Rechte zu bringen.
Also schwere Vorwürfe! Wir haben Anlaß, die Dinge genau zu erforschen und aus Anlaß dieses Falles zu prüfen, ob sich nicht in unsere Arbeit Methoden eingeschlichen haben, die als Fehlentwicklung des Parlamentarismus gewertet werden müssen.
Ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns das Zustandekommen der gesetzlichen Bestimmung des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes ganz genau überlegen und uns den Hintergrund sowie den Ablauf der Dinge vergegenwärtigen, damit wir ein klares Bild haben. Es besteht die Möglichkeit, beinahe wie bei einem anatomischen Präparat klarzulegen, wie die Dinge gelaufen sind. Es ergibt sich kein erfreuliches Bild.
Eine Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes war bei der Steuerreformgesetzgebung, die von der Bundesregierung Anfang 1958 eingebracht worden ist, mitgewollt. Ziel dieser Reform der Steuergesetzgebung war es, steuerliche Maßnahmen zur Entwicklung eines gesunden Kapitalmarktes und eine Vereinfachung der Steuerpraxis zum Nutzen der Steuerpflichtigen und auch der Finanzverwaltung, auch im Interesse der Steuergerechtigkeit durchzuführen. Dabei sollte der Grundsatz der wirtschaftlichen Neutralität der Steuerpolitik befolgt werden.
Herr Kollege Etzel hat, als er diese Gesetzgebung einbrachte, ausdrücklich darauf hingewiesen, man müsse den Mut haben, bequeme Finanzierungsmöglichkeiten zu beenden; wir müßten uns zu der Erkenntnis durchringen, daß es in der Marktwirtschaft auch eine unternehmerische Aufgabe ist, das Kapital über den Markt hereinzuholen, wenn man es mit den Grundsätzen und dem Begriff des Eigentums ernst meint. Er hat dabei auch die Vereinfachung der Besteuerung, insbesondere in der Praxis der Verwaltung, als ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung bezeichnet. Ich glaube, es bestand bei allen Sachkundigen an sich Einverständnis: gerade diese Kapitalverkehrsteuer ist eine Steuer, die nicht im Sinne der Tendenzen liegt, die uns der Herr Kollege Etzel aufgezeigt hat, sondern an sich nur wider Willen mitgeschleppt wird. Sie ist Steuerquelle der Länder, eine ungerechte Steuer, die nur wenige, willkürlich herausgegriffene Fälle erfaßt, während die Masse der Kredite, die Masse der Kapitalerhöhungen in Wirklichkeit steuerfrei bleiben.
Sie ist doppelt deplaciert im Hinblick auf die Notwendigkeiten des Kapitalverkehrs in dem größeren Raume der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die erstrebte wirtschaftliche Harmonisierung erfordert auch im Hinblick darauf, daß verschiedene Länder diese Steuer nicht kennen, den Abbau.
Das Gegenteil geschah. Man hat im Schoße des Finanzausschusses die Steuer nicht abgebaut, sondern ausgebaut. Darum geht es. Die Vorlage hat nur sehr wenige technische Bestimmungen, daneben einige wichtige materiell-rechtliche Herabsetzungen der Kapitalverkehrsteuer, insbesondere der Gesellschaftsteuer.
In der ersten Lesung im Ausschuß am 13. Mai 1958 gingen die Dinge erregungslos über die Bühne. Kaum Änderungen! Man hat sich an die Vorlage der Bundesregierung gehalten und sie gebilligt. Nicht anders in der zweiten Lesung ein halbes Jahr später am 5. November 1958! Damals hat der Herr Kollege Dr. Eckhardt im Hinblick auf eine
Denkschrift des Bundes der Steuerzahler und eine Stellungnahme der Gesellschaft für Betriebswirtschaft erwogen, ob nicht die Aufhebung der Börsenumsatzsteuer am Platz sei, da sie kapitalmarktfeindlich, kostspielig, auch nicht voll realisierbar ist. Darüber hat man sich unterhalten, und der Ausschuß hat beschlossen, daß eine entsprechende Entschließung mit einer Tendenz zur Aufhebung der Börsenumsatzsteuer hin vorgelegt werden soll.
Dann dritte Lesung wieder ein Vierteljahr später am 14. Januar 1959! Mit einem Male völlig neue materiell-rechtliche Bestimmungen aus heiterem Himmel, man weiß nicht woher, ohne ordnungsgemäße Behandlung ganz entscheidende materiellrechtliche Veränderungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Das sieht im Protokoll dann so aus:
Als Ergebnis der Ausschußdiskussionen über
eine Vereinfachung der Börsenumsatzsteuer ...
- niemals ist eine solche Diskussion geführt worden, nach dem Protokoll vom 5. November 1958 lediglich „eine Diskussion über die Aufhebung der Börsenumsatzsteuer!" hat das Bundesfinanzministerium einen Vereinfachungsvorschlag zu den §§ 18 bis 34 Kapitalverkehrsteuergesetz vorgelegt, der mit den zuständigen Wirtschaftskreisen abgesprochen sei. Den Überlegungen lag der Wunsch der Banken, die Erhebungskosten der Börsenumsatzsteuer zu senken und eine Vereinfachung bei der Abrechnung herbeizuführen, zugrunde. Künftig sollen nur noch die Kundengeschäfte börsenumsatzsteuerpflichtig sein, die Händlergeschäfte dagegen steuerfrei. Dadurch würden sich die Kosten für die Kunden jedoch kaum verändern; die Aktien würden etwas billiger, die Industrieobligationen etwas teurer werden.
Also ganz wesentliche materielle Änderungen mit der großen Bedeutung, daß die Geschäfte von Bank zu Bank börsenumsatzsteuerfrei sind. Aus heiterem Himmel, wir wissen nicht von wem, beantragt! Die Banken haben es gewünscht, und der Finanzausschuß des Bundestages vollzieht diesen Wunsch!
Herr Kollege Preusker hat wieder die Auffassung vertreten, daß die Börsenumsatzsteuer überhaupt beseitigt werden soll. Sodann ist die Anregung des Bundesfinanzministeriums behandelt und im wesentlichen akzeptiert worden. Die Beratung im Ausschuß ist abgeschlossen worden. Es waren noch der Haushalts- und der Wirtschaftsausschuß mitberatend, wodurch sich keine Änderungen ergeben haben. Dann wurde der Bericht des Berichterstatters, des Herrn Kollegen Dr. Harm, vom 22. Januar vorgelegt. Er ist sehr knapp gehalten, und es ist für denjenigen, der die Vorlage nicht genau prüft, nicht erkennbar, daß ganz entscheidende materiell-rechtliche Änderungen über den Antrag der Bundesregierung hinaus, in das Gesetz eingearbeitet worden sind.
Jetzt hätte man erwarten können, daß die Dinge glatt über die Bühne gingen; es war alles abgeschlossen. Nun, wir kennen - nicht dadurch, daß wir nachgebohrt haben, sondern durch die Publika5054
timen aus Anlaß dieses Falles - genau die Hintergründe, die da eine Rolle gespielt haben. Das Kapitalverkehrsteuergesetz war im Ofen. Nun entstand bei den Interessenten die Frage: was kann man in dieses Gesetz noch hineinbacken?
Im kreditpolitischen Ausschuß des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes ist am 2. Februar eine sehr scharfe Rede gehalten worden, die zu einem Verfahren vor dem Bundeskartellamt wegen Boykotterklärung geführt hat. In dieser Rede wurde mitgeteilt, daß unser Kollege Herr Dr. Pferdmenges schon kurze Zeit vorher bei dem Präsidenten der Bundesbank, Herrn Dr. Blessing, vorstellig geworden sei, weil er bestimmte Schuldscheindarlehnsgeschäfte bekämpft wissen wollte. Hier kam also nun der Gedanke auf, in das Kapitalverkehrsteuergesetz - ({1})
- Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Sie haben als ein guter Bänker bei der Konkurrenz Gefahren gewittert, vor allem natürlich, Herr Kollege Dr. Pferdmenges, Gefahren für Ihr privates Bankgewerbe.
({2})
- Darüber müßte man sich unterhalten.
Der Bundestag hat entschieden und der Finanzausschuß hat entschieden, ohne daß diese Frage jemals sachlich erörtert, ohne daß sie jemals geklärt worden ist.
({3})
Ich kenne die Protokolle, und ich weiß aus Ihren eigenen Zugeständnissen und aus dem, was die Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage erklärt hat, daß Sie keine Unterlagen hatten, also gar nicht in der Lage waren, objektive Feststellungen darüber zu treffen, daß bestimmte Kreditgeschäfte, die an den Banken vorbeigehen, eine Gefahr für unsere Währung in einer bestimmten Lage bedeuten könnten. Und wenn dies der Fall wäre, wäre es Ihre Pflicht und Schuldigkeit gewesen, Herr Kollege Neuburger und Herr Kollege Dr. Pferdmenges, hier heraufzugehen und diesem Hause, das nichts davon wußte, wenigstens mit einem Wort zu sagen, was hinter diesem. § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes steht.
({4})
Sie haben wohlweislich geschwiegen. Darum geht es, und darüber wollen wir uns unterhalten.
Wir wissen jetzt aus den Erklärungen, die das Ministerium im Ausschuß gegeben hat, genau, wie die Entwicklung weitergegangen ist. Am 17. Februar 1959, am Tage vor der Verabschiedung des Kapitalverkehrsteuergesetzes in diesem Hause, war der Arbeitskreis III der CDU/CSU-Fraktion zusammengetreten. Er hat sich auch mit diesem Gesetz befaßt. Nach dem ganzen Zusammenhang kann es nicht anders gewesen sein, als daß aus diesem Anlaß der Herr Kollege Dr. Pferdmenges auf Grund seiner Rücksprache mit Herrn Dr. Blessing von der Bundesbank die Gefahren - ich muß richtig formulieren -, die in bestimmten Schuldscheingeschäften liegen können, dargelegt und danach gerufen hat, daß eine entsprechende Regelung für diese Geschäfte noch rasch vor Toresschluß in das Kapitalverkehrsteuergesetz hineinkommt. Das Bundesfinanzministerium selbst sagt, daß es angerufen worden ist und Rücksprache mit dem Bundeswirtschaftsministerium und mit der Bundesbank genommen hat und dann - ich zitiere die Erklärung des Bundesfinanzministeriums in der Sitzung des Finanzausschusses vom 22. Oktober dieses Jahres -... im Einvernehmen mit einem Vertreter des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes einen Formulierungsvorschlag erarbeitet hat.
Ein herrlicher Zustand!
({5})
Es geht um die Wünsche des privaten Bankgewerbes gegen einen Konkurrenten im Kapitalmarkt. Und das Bundesfinanzministerium holt sich diesen Konkurrenten zur Formulierung eines Gesetzes! Und das Groteske, meine Damen und Herren, die Dinge sind dann so gelaufen, daß wir - ich muß schon sagen - noch dazu den gesetzgeberischen Mist, den der Justitiar des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes am 17. Februar ausgeheckt hat, hier einstimmig angenommen haben. Da steigt einem die Schamröte ins Gesicht;
({6})
da sind wir alle mitschuldig. Aber wir fragen danach, wer dieses Hohe Haus in diese einfach unmögliche Lage gebracht hat, und wollen verhindern, daß sich das jemals wiederholt.
Wir haben eine Erklärung des Bundesverbandes, die folgendes über die Vorgänge am 17. Februar sagt:
Tatsache ist, daß die Geschäftsführung des Bundesverbandes im Laufe des 17. Februar erstmalig eine im Parlament
- in Wirklichkeit in dem Arbeitskreis III der CDU/CSU-Fraktion bestehende Absicht, bei der Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes auch Schuldscheine der Kapitalverkehrsteuerpflicht zu unterwerfen, erfahren hat. An diesem Tage wurde uns nämlich die Bitte des Bundesfinanzministeriums übermittelt, zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts und zur Hilfe bei der Formulierung eines zu erwartenden Initiativantrags an einer Sitzung im Bundesfinanzministerium um 18 Uhr des gleichen Tages teilzunehmen.
({7})
Es ist köstlich, wenn man sich das vorstellt: Der einseitige Interessent, der nicht aus Sorge um den Kapitalmarkt, nicht wegen irgendwelcher Gefahren handelt, die einmal bei wirtschaftlichen Rückschlägen eintreten könnten, sondern - das wissen wir klar aus den vorausgegangenen Auseinandersetzungen - um eine konkurrierende wirtschaftliche
Macht - na, Macht ist zuviel gesagt -, um einen Konkurrenten im wirtschaftlichen Markte auszuschalten, formuliert selber das Gesetz gegen den Konkurrenten!
Das war am 17. Februar. Am 18. Februar vormittags trat der Finanzausschuß aus anderem Anlaß nochmals zusammen. Nachmittags war Plenum. Auf dessen Tagesordnung stand das Kapitalverkehrsteuergesetz. Im Finanzausschuß hat - ich darf Ihnen das Protokoll verlesen - vor Eintritt in die Verhandlung der Herr Vorsitzende mitgeteilt, daß die sich ständig vermehrende Aufnahme von Schuldscheindarlehen es ratsam erscheinen lasse, auch die Ausstellung von Schuldscheinen über Teildarlehen der Wertpapier- und Börsenumsatzsteuer zu unterwerfen. Es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationenausgabe erreichten. Ergänzend teilte Ministerialdirektor Mersmann mit, daß sich auch die Bundesbank, das Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesverband des privaten Bankgewerbes für eine steuerliche Gleichstellung mit Industrieobligationen einsetzten.
Der Ausschuß beschließt ohne Aussprache, ohne wirkliche Behandlung, einen interfraktionellen Antrag zur Einfügung des § 12 Abs. 3 im Kapitalverkehrsteuergesetz einzubringen und die Börsenumsatzsteuer auf diese Darlehen auszudehnen, dafür jedoch den Steuersatz für Schuldverschreibungen und Dividendenwerte statt auf 3 auf 21/2 vom Tausend festzusetzen.
Eine Besprechung in den Fraktionen war nicht mehr möglich. Der Vormittag des 18. Februar war durch Ausschußsitzungen in Anspruch genommen. Den Fraktionen, zumindest meinem Kollegen Lenz ({8}), ist dieser Antrag vorgelegt worden mit der Erklärung, soweit wir feststellen können - er ist an den Mitarbeitern in unserer Fraktion vorbeigegangen -: es handle sich nur um eine Formsache.
({9})
- Sie müssen ja herumgeschickt haben, Herr Kollege Neuburger. Von Ihnen ist es ja ausgegangen.
({10})
- Der ist genau so getäuscht worden wie die anderen auch, Herr Kollege Krammig!
({11})
- Dann haben Sie Hellsehergaben gehabt; wenn Sie auf Grund dieser Eingabe in der Lage waren, die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen und die steuerrechtlichen Grundlagen dieser Bestimmung des § 12 Abs. 3 festzulegen, dann beneide ich Sie um Ihre divinatorischen Fähigkeiten. Das muß ich schon sagen.
Dann vollzog sich die Verabschiedung hier im Hause. Herr
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 217 Ziffer 1. Es ist ein interfraktioneller Antrag. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Auf Begründung wird verzichtet. Wird zur Sache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über Ziffer 1 des Änderungsantrags. Wer ist dafür? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
({0})
So vollzog sich dieses traurige Schauspiel.
Die Dinge gingen dann in den Bundesrat. Während der Beratung im Bundesrat ist dann die erste sachliche Grundlage in den Gesetzgebungsgang gegeben worden. Am 24. Februar hat nämlich die Deutsche Bundesbank durch die Herren Dr. Troeger und Dr. Wolf gegenüber dem Präsidenten des Bundesrates zum Entwurf über die Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes Stellung genommen und dann zu dieser Frage - das ist vielleicht auch nicht uninteressant - ausgeführt:
Der noch immer verhältnismäßig große Umfang der Aufnahme von Schuldscheindarlehen bereitet uns gewisse Sorgen.
- Wir wissen also, daß Herr Kollege Dr. Pferdmenges den Herren diese Sorgen mitgeteilt hat. Wir sind der Ansicht, daß es gesünder wäre, die Schuldscheindarlehen wieder stärker zugunsten der Vergebung von Wertpapieren in den Hintergrund treten zu lassen. Die Tatsache, daß die Aufnahme von Schuldscheindarlehen steuerfrei ist, während die Begebung und der Umsatz von Wertpapieren besteuert werden, erschwert jedoch eine solche Entwicklung. Die mit der Gesetzesnovelle der Bundesregierung
- die Bundesbank nahm also an, die Bundesregierung habe diese Novelle zu § 12 Abs. 3 erstrebt, was nicht der Fall ist angestrebte steuerliche Gleichbehandlung von Schuldscheindarlehen und Wertpapieren würde im Sinne einer nicht unwichtigen Reform der Kapitalmarktverhältnisse liegen.
({1})
- Sie kommen doch noch zu Wort.
({2})
Nein, nein, Herr Abgeordneter. Nehmen Sie Platz! Der Abgeordnete Dehler ist bei der Begründung.
Eben! Ich begründe! Der Stoff ist so reich, Herr Kollege Neuburger!
Herr Abgeordneter Dr. Dehler, einen Augenblick. Die Begründung soll in der ersten Lesung die Grundsätze der
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Vorlage bringen. Wir befinden uns jetzt in einer sehr strittigen Kontroverse, die über die Grundsätze der Vorlage hinausgeht. Dennoch, Herr Abgeordneter Neuburger, würde ich bitten, Ihre Frage nachher zu stellen, wenn die Aussprache eröffnet ist.
Man kann unsere Vorlage nicht verstehen, wenn man nicht den Hergang des Gesetzesbeschlusses kennt.
({0})
- Zum Lachen ist es wirklich nicht, sondern es ist doch eine betrübliche Sache. Wir wollen sie möglichst ruhig, Herr Neuburger, und unauffällig behandeln. Ich habe bisher nichts vorgetragen, was ich nicht belegt hätte. Ich habe kein Wort vorgetragen, was nicht von den Mitakteuren bestätigt worden wäre.
Die Sache ging also, wie ich sagte, zum Bundesrat. Es ist ganz interessant, wie sich die Dinge im Bundesrat vollzogen. Dort hatte am 27. Februar der bayerische Staatssekretär - also der Mann von der Finanzverwaltung, der bayerische Staatssekretär, der an dieser Steuer interessiert ist - dem Plenum berichtet und dabei folgendes ausgeführt:
Nicht voll ließ sich im Zeitpunkt der Beratung des Finanzausschusses die Bedeutung der neuen Bestimmung überblicken, die Schuldscheine den Schuldverschreibungen gleichstellt und damit der Wertpapiersteuer unterwirft, wenn sie über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt sind. Diese Bestimmung dürfte nicht nur im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liegen, sondern darüber hinaus auch volkswirtschaftliche Vorteile haben.
Eine merkwürdige Begründung für eine Gesetzesvorlage: Es ließe sich nicht voll überblicken, was in Wirklichkeit Grundlage dieses Gesetzes ist!
Aus anderen Gründen - nicht wegen dieser Bestimmung - ist dann der Vermittlungsausschuß angerufen worden. Die Bundesregierung hat es für notwendig gehalten, sich an den Vermittlungsausschuß mit einer Eingabe zu wenden. Das ist auch ein ganz exzeptioneller Vorgang. Herr Dr. Pferdmenges weiß vielleicht, warum das geschehen ist. In der Begründung der Bundesregierung vom 16. März 1959 wird dann folgendes ausgeführt:
Bei der Wertpapiersteuer ist die Besteuerung der Schuldscheindarlehen von besonderer Bedeutung. Dadurch soll Mißbräuchen vorgebeugt und die Abwanderung von Obligationen auf den Schuldschein verhindert werden.
Auch eine merkwürdig schiefe Sicht der Dinge! Es geht nicht nur um die Wertpapiersteuer, sondern vor allem um die Börsenumsatzsteuer, sie ist das entscheidende. Es geht nicht allgemein um Schuldscheindarlehen, sondern um die Besteuerung von gestückelten Darlehen. Nicht einmal der Tatbestand ist also richtig angegeben!
Das Gesetz ist aber dann verkündet worden. Unser Antrag geht dahin, den § 12 Abs. 3 wieder zu streichen.
Vielleicht darf ich zunächst darlegen, was wir mit dieser Bestimmung beschlossen haben; es ist ein wahrlich betrübliches Ergebnis eines Gesetzgebungsversuches. Der § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes ist in Wirklichkeit nicht praktikabel. Die Begriffe, die der Justitiar des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes für richtig gehalten hat, sind nicht objektivierbar; sie können gar nicht angewendet werden. Es ist noch kein Pfennig Steuer auf dieses Gesetz erhoben worden. Die Finanzämter sind angewiesen, diese Steuer nicht zu veranlagen.
({1})
Die Finanzämter sind angewiesen, Steuerpflichtigen, die Fragen stellen, keine Auskunft zu geben.
({2})
Wenn Sie zu einem Finanzamt gehen und fragen: Bitte, bin ich nach diesem Gesetz genötigt, eine Kapitalverkehrsteuer, eine Wertpapiersteuer oder eine Börsenumsatzsteuer zu bezahlen?, dann geben die Finanzämter auf Grund der Anweisungen keinen Bescheid. Der präsumtive Steuerpflichtige ist auch nicht einmal in der Lage, Rückstellungen für potentielle Steuerverpflichtungen zu machen. Das ist auf Grund dieses Gesetzes so, und das ist durch ein mangelhaftes Gesetzgebungsverfahren verursacht.
Was Schuldscheine sind, ist eine schwierige Frage. Was ist ein Gesamtdarlehen? Der Begriff „Gesamtdarlehen" ist aus irgendwelchen Maklergeschäfts-Formularen herausgeschrieben und zu einem Gesetzesbegriff umgewandelt worden. So fahrlässig ist man zu Werke gegangen.
Schon der Versuch, mit einem Steuergesetz Wirtschaftspolitik zu machen - ({3})
- Ja bitte, Herr Kollege Dresbach!
Dem ersten, der da oben steht und den Namen Münemann nennt, gebe ich einen aus!
({0})
Das ist eine kluge Bemerkung. Aber mir geht es nicht um diesen Mann.
({0})
Ich nehme diesen Namen nicht in den Mund, wahrlich nicht; ich habe es nicht nötig. Es gibt nicht nur ihn, es gibt auch Banken, die sehr gern seinem Finanzierungsmodell gefolgt sind und seine Finanzierungsart übernommen haben. Es gibt auch noch andere kluge Leute, die die Möglichkeiten des Kapitalmarktes erkennen und nützen.
Hier haben wir den schlimmen Versuch, mit einem Steuergesetz Wirtschaftspolitik machen zu wollen. Herr Dr. Pferdmenges und Herr Neuburger sagen, die Besteuerung sei deswegen notwendig,
weil es gefährliche Geschäfte seien und weil aus diesen Geschäften für den Kapitalmarkt möglicherweise Schwierigkeiten entstehen könnten. Ich muß schon sagen: Welch ein Verkennen des Wesens eines Steuergesetzes: ein Steuergesetz als gewerbepolizeiliche Maßnahme, um Gefahren zu beseitigen!
({1})
Da sieht man, wie sich bei uns die Begriffe verwirrt haben.
Die größte Ironie liegt in folgendem: Wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird, dann werden die Geschäfte des gestückelten Schuldscheins gedrosselt; sie sind nicht mehr praktikabel. Das wird ja gewollt mit der Folge, daß die Steuer nicht anfällt, daß steuerpflichtige Vorgänge sich nicht mehr vollziehen. Das haben Sie fertiggebracht: ein Steuergesetz nicht mit dem Ziel, eine Steuer einzuheben, sondern mit dem Ziel, unangenehme, als gefährlich erscheinende Geschäfte im Kapitalmarkt unmöglich zu machen.
({2})
Sie wissen, daß das Wesen bestimmter Darlehnsgeschäfte, die mit dem gestückelten Schuldschein zusammenhängen, darin liegt, daß in kurzer Frist dieses Darlehen revolviert, erneuert wird, mit der Folge, daß nach diesem Gesetz immer wieder auch die Börsenumsatzsteuer anfallen würde. Ein Tor, der vier-, fünfmal im Jahre Börsenumsatzsteuer zahlen würde! Infolgedessen ist selbstverständlich, daß diese Geschäfte nicht mehr getätigt werden und daß keine Steuer anfällt. - Ein Steuergesetz mit dem Ziel, keine Steuer zu erhalten!
Na, es wäre viel über das Sachliche zu sagen. Überhaupt der Gedanke, Schuldscheine der Wertpapier- und der Börsenumsatzsteuer zu unterstellen! Etwas Ähnliches gab es einmal im Jahre 1922. Damals gab es ein Urkundensteuergesetz. Bei ihm tauchte die Frage auf, ob Schuldscheine urkundensteuerpflichtig sein können. Der Reichsfinanzhof hat sich damals auf den Standpunkt gestellt, daß Darlehnsscheine, wenn sie fungibel sind, urkundensteuerpflichtig seien. Das hat mit dem Versuch dieses Gesetzes nichts zu tun, Schuldscheine Wertpapieren gleichstellen zu wollen. Als ob Schuldscheine Gegenstand des Wertpapier- oder Börsenhandels sein könnten! Und dann diese Ungerechtigkeit - ich sagte es schon -, daß auch Banken solche Teilschuldscheine im Sinne des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes ausstellen können; sie fallen nach den neu gefaßten §§ 21 und 22 des Kapitalverkehrsteuergesetzes nicht unter das Gesetz.
({3})
- Beim Verkehr von Bank zu Bank natürlich nicht der Börsenumsatzsteuer!
({4})
- Natürlich, Sie haben den § 22 geschaffen: Händlergeschäfte, von Bank zu Bank, die nicht steuerpflichtig sind.
({5})
- Ach, widerlegen Sie mich einmal! Oder kennen Sie das Gesetz nicht?
({6})
- Wenn man so wie Sie die Miene des überlegenen Lächelns aufsetzt, hat man gewöhnlich ein schlechtes Gewissen.
({7})
Daß dieses Gesetz den Grundsätzen der Gleichheit widerspricht, daß es verfassungswidrig ist, daß es ohne weiteres vom Bundesverfassungsgerichtshof aufgehoben werden muß, ist nicht nur meine, sondern auch die Überzeugung einer Reihe führender Wissenschaftler, deren Namen ich Ihnen schon genannt habe.
Was uns besonders berührt, meine Damen und Herren, das ist das bei diesem Gesetz eingeschlagene Verfahren. Hier werden die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie mißachtet. Was ist denn das Wesen unserer parlamentarischen Demokratie, des Government by discussion, der Behandlung jedweder Sache in der Öffentlichkeit, in der Öffentlichkeit dieses Hauses, so daß alle es wissen, daß alle es mitanhören, Klärung durch Rede und Gegenrede, durch Argument und Gegenargument? Hier ist die Grundlage der parlamentarischen Demokratie in einer schlimmen Weise - ({8})
- Sie haben sie verhindert, indem Sie nicht einmal das primitivste Nobile officium eines Ausschußvorsitzenden ausgeübt haben, hier heraufgegangen sind und mit zwei Sätzen auf die Tragweite dieses Gesetzes hingewiesen haben.
({9})
Über dieses materielle Gesetz ist kein Bericht erstattet worden, mit keiner Silbe, und Sie wollen jetzt den Spieß umdrehen und uns beschuldigen, daß wir im Unwissen Gelassenen uns nicht geregt haben! Bei diesem Gesetz, Herr Neuburger, fehlt es an allem, was die Rechtsgarantie der parlamentarischen Demokratie ausmacht. Das Ergebnis ist danach.
Man hat so herrlich gesagt, man sei im letzten Augenblick darauf gekommen, daß eine Lücke in diesem Gesetz sei, die man schließen müsse; das geschehe doch auch sonst.
Meine Damen und Herren, das Kapitalverkehrsteuergesetz besteht seit 1934; 1955 ist es in diesem Hause umfassend geändert worden. Die Bundesregierung bringt im Jahre 1958 eine Novellierung, ohne eine materiellrechtliche Bestimmung im Sinne des Art. 12 Abs. 3 für nötig zu halten.
Ich habe, Ihnen dargelegt, daß die Bundesregierung vereinfachen will; sie ist an sich der Meinung, dieses Kapitalverkehrsteuergesetz sei schlecht und
sei abzuschaffen. Und der Finanzausschuß bringt es fertig, einen neuen Tatbestand der Wertpapier- und der Börsenumsatzsteuer einzuführen, ohne diesem Haus ein Wort zu sagen! Und Herr Neuburger bringt es fertig, hier meine Kritik mit Lächeln aufzunehmen.
({10})
Glauben Sie, mir geht es um die Börsenumsatzsteuer? Oder glauben Sie, Herr Dresbach, mir gehe es um den Herrn Münemann?
({11})
- Hier geht es um parlamentarische Grundfragen, Herr Dr. Fritz.
({12})
Glauben Sie, ich lasse mich von Ihnen in diese schiefe Betrachtung hineinziehen? Ich habe es nicht nötig, irgend jemand etwas zuliebe oder zuleide zu tun, aber ich habe ein Leben für die Demokratie eingesetzt; ich tue das, wenn ich sehe, daß Gefahren drohen.
({13})
- Ich glaube, Herr Stoltenberg, Sie sollten mir gegenüber schweigen.
({14})
Wir haben im Grundgesetz, gerade weil wir wissen, wie notwendig es ist, daß Gesetzgebung reift, daß sie gründlich überlegt wird, verschiedene Gesetzgebungsverfahren vorgesehen. Das Normale ist, daß die Regierung eine Vorlage einbringt, eine Vorlage, an der sämtliche Ministerien beteiligt sind, insbesondere das Justizministerium, das die Rechtsförmlichkeit und die Verfassungsmäßigkeit prüft, also eine Vorlage, die ausgereift ist. Wir haben weiter vorgesehen, daß dann zunächst der Bundesrat eingeschaltet wird und daß danach in einer ersten Lesung die Dinge dargelegt werden, dann die Verweisung in die Ausschüsse erfolgt und schließlich die zweite und dritte Lesung stattfinden. Was ist von diesen Rechtsgarantien hier bei einem materiellen Gesetz erfüllt worden? Nichts, nicht das Geringste, keine Begründung, kein Material, keine Grundlagen, nur einige Thesen, die sich als hinfällig und morsch erwiesen haben.
Wenn Sie der Meinung gewesen wären, Herr Dr. Pferdmenges, es sei eine Lex Münemann notwendig, warum haben Sie nicht den Mut gehabt, einen Initiativantrag hier in das Plenum zu bringen
Sie haben doch das Initiativrecht -, ,ihn hier zu begründen und nach der ersten Lesung an den Ausschuß verweisen zu lassen? Nein, Sie sind den Weg der Hintertüren, den Schleichweg gegangen. Das werfen wir Ihnen vor.
({15})
Und dann die Behandlung! Stellen Sie sich vor: Am 17. Februar - vor dem Eintritt in die Tagesordnung - wird ein solcher vom Bundesverband des privaten Bankgewerbes entworfener Antrag eingebracht! Kein Berichterstatter ist bestellt, kein
Mitberichterstatter! Ich sagte Ihnen schon: keine Möglichkeit, das Problem der Fraktion vorzulegen. Und dann erschleicht man - den Vorwurf erheben wir - die Unterschriften der Fraktionsvorsitzenden,
({16})
denen man nicht sagt, worum es sich handelt, und läßt dann die Dinge hier über die Bühne gehen.
({17})
- Der ist doch genauso getäuscht worden wie die anderen.
({18})
Sprechen wir doch ein Wort über die Täuschung! Wir halten den Vorwurf der Täuschung aufrecht. Ich werde ihn noch begründen. Der Herr Kollege Dr. Eckhardt als der beste Sachverständige, oder ich will sagen: als einer der besten Leute im Finanzausschuß rückt von dem Beschluß ab und bezeichnet ihn als verfassungswidrig.
({19})
- Ich habe genau zitiert, was er gesagt hat.
({20})
- Ich habe es doch zitiert. Anscheinend waren Sie nicht im Saal, als ich es zitiert habe.
({21})
Ich brauche mich ja Ihnen zuliebe nicht zu wiederholen.
({22})
- Ich bin gespannt auf Ihre Replik, auf das, was Sie dagegen zu sagen haben.
Ich möchte Ihnen doch noch einmal eins sagen, Herr Neuburger: Sie haben eine schöne Taktik, Wünsche mehr oder minder persönlicher Art in interfraktionelle Anträge einzuschmuggeln.
({23})
- Ich belege Ihnen das.
({24})
- Lesen Sie einmal - Sie werden dann auf die peinliche Analogie kommen - den Antrag auf Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften vom 14. April 1959 nach! Sie spekulieren auf die Gutgläubigkeit Ihrer Kollegen. Welcher Kollege sagt nein, etwa Herr Kollege Lenz ({25}), wenn ihm vorgetragen wird: hier ist eine unwesentliche Bestimmung, der Antrag soll interfraktionell eingebracht werden? Dann vertraut man Ihnen doch und sucht nicht Arg. Das ist doch das Entscheidende.
Fest steht die eine These: Der § 12 Abs. 3 ist von interessierter Seite an den Garantien einer ordentlichen Gesetzgebung vorbeigesteuert und zum
Gesetz gemacht worden. Diesen Vorwurf halten wir aufrecht, und wir sind der Meinung, dieses Ziel ist durch eine Täuschung der Abgeordneten erreicht worden. Weder die Mitglieder des Finanzausschusses noch die Abgeordneten des Bundestages haben etwas über die Größenordnungen der fraglichen Geschäfte gewußt.
({26})
- Ich präzisiere die Vorwürfe, die wir erheben. Wir sind getäuscht worden, sowohl die Mitglieder des Finanzausschusses wie die Abgeordneten des Bundestages, über die Größenordnungen der fraglichen Geschäfte, nämlich der Darlehnsgeschäfte, über die gestückelte Schuldscheine ausgestellt werden. Wir sind durch die Behauptung getäuscht worden, daß das Gesetz im Interesse der Kapitalmarktpflege notwendig sei. Wir sind durch die Behauptung getäuscht worden, daß es sich um einen Akt handele, der zu einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung führe. Wir sind in den Angaben über den zu erwartenden Steuerbetrag getäuscht worden. Und ich meine, daß das Plenum durch das völlige Stillschweigen darüber getäuscht worden ist, daß es sich überhaupt um eine sachlich bedeutsame Ergänzung des Kapitalverkehrsteuergesetzes handelt, also nicht um eine technische, eine redaktionelle, sondern um eine materielle Ergänzung des Gesetzes.
Wir müssen uns noch einmal vergegenwärtigen, was der Herr Vorsitzende des Finanzausschusses seinem Ausschuß vorgetragen hat:
Der Vorsitzende teilte mit, daß die sich ständig vermehrende Aufnahme von Schuldscheindarlehen es ratsam erscheinen lasse, auch die Ausstellung von Schuldscheinen über Teildarlehen der Wertpapier- und Börsenumsatzsteuer zu unterwerfen. Es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationsausgabe erreichten.
Was Herr Mersmann gesagt hat, habe ich schon zitiert.
Wir haben, um die Unterlagen über diese Geschäfte zu bekommen, mit der Drucksache 1339 eine Kleine Anfrage eingereicht mit der entscheidenden Frage unter Ziffer 3:
In welchem Umfang werden Schuldscheindarlehen von § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes betroffen, inwieweit unterliegen die von dieser Bestimmung betroffenen Schuldscheindarlehen der Wertpapiersteuer oder der Börsenumsatzsteuer?
Die Antwort ist von der Bundesregierung mit Drucksache 1436 gegeben worden. Zu der entscheidenden Frage, welche Vorgänge am Kapitalmarkt hier in Frage stehen, lautet die Antwort:
Über den Gesamtumfang der Darlehen, bei
denen Schuldscheine über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt worden sind, liegen Angaben nicht vor.
Es ist also noch nichts da; es kann über die Größe dieser Geschäfte nichts gesagt werden; nicht die geringste Grundlage ist hier vorhanden.
Was wir feststellen können, ergibt ungefähr - auch unter Zugrundelegung dessen, was die Bundesregierung im übrigen auf unsere Kleine Anfrage geantwortet hat -, daß festverzinsliche Wertpapiere im Betrage von etwa 37 Milliarden DM umlaufen, daß Schuldscheindarlehen insgesamt von der Währungsreform bis zum 30. Juni 1959 nach der Schätzung des Bundesaufsichtsamtes für Versicherung und Bausparwesen in Höhe von 2,6 Milliarden DM ausgestellt worden sind. Aber alle diese Schuldscheine sind niemals in gestückelter Form gegeben worden.
Wenn man zusammenfaßt, dann kommt äußerstenfalls - äußerstenfalls! - an Beträgen, die in gestückelten Schuldscheinen ihren Niederschlag gefunden haben, vielleicht eine halbe Milliarde heraus. - Herr Dr. Pferdmenges, ich bin gespannt, wenn Sie mir gegenteilige Zahlen geben wollen. - Das ist ja auch mehr oder minder eine Schätzung. Aber so „sicher" sind die Unterlagen, die Sie gegeben haben. Und zu der Behauptung des Vorsitzenden Ihres Ausschusses, daß die gestückelten Schuldscheindarlehen annähernd die Größenordnung der Obligationsausgabe erreichen, - keine Rede davon! Noch nicht 0,5 % dieser Größe machen sie aus.
Ich will es mir versagen, all die einzelnen Ungereimtheiten, die in diesen Angaben liegen, noch auszuführen.
Wir fühlen uns getäuscht durch die Behauptung, daß durch dieses Gesetz die Gleichmäßigkeit der Besteuerung geschaffen werde. Das ist doch auch in Wirklichkeit nicht richtig. Der normale, der Einheitsschuldschein wird durch diese Bestimmung überhaupt nicht erfaßt, sondern nur der gestückelte Schuldschein. Warum denn nicht der Einheitsschuldschein? Damit unterliegt also der größte Teil der Schuldscheine gar nicht der Steuer. Die Banken sind infolge ihres Privilegs nach § 22 des Kapitalverkehrsteuergesetzes für ihre Geschäfte von Bank zu Bank von der Börsenumsatzsteuer freigestellt. Und zur Frage der Gefährlichkeit der Schuldscheingeschäfte, mit der man offensichtlich auch den Finanzausschuß geschreckt hat, und zu dem Vorwurf, daß man gegen die „goldene Bankregel" verstoße, daß man nicht aus kurz lang machen dürfe, nicht aus kurzfristigen Einlagen langfristige Kredite: na, wer etwas von den Bankgeschäften versteht, weiß, daß auch die Banken einen großen Teil ihrer kurzfristig fälligen Spargelder langfristig ausleihen, daß das in Ordnung ist und daß es nur darauf ankommt, das Maß der Gefährlichkeit solcher Vorgänge zu ermessen. Wenn man sich also schon über die „Gefährlichkeit" unterhalten will, dann ist vielleicht das beste, daß man sich auf den Nutznießer dieser Geschäfte beruft.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie - wohl unbedenklich als Zeuge - spricht sich in seinem Bericht für die Zeit vom 1. Mai 1958 bis 1. Sep5060
tember 1959 ausdrücklich für das Schuldscheindarlehen aus. Es heißt in dem Bericht:
Die Pflege des Kapitalmarktes erschöpft sich
nach Ansicht des BDI nicht darin, das festverzinsliche. Wertpapier und die Aktie zu fördern.
Es gebe vielmehr, so sagt der Bundesverband der Deutschen Industrie, auch noch sehr positive Instrumente der Kreditversorgung. Mit geradezu dürren Worten wird gesagt:
Die Wirtschaftsentwicklung, die sich seit dem Kriege vollzogen hat, und die Gefüge-Veränderungen, die mit ihr einhergegangen sind, verwehren es, den Zutritt zum Kapitalmarkt auch für den Anbieter unter dem Gesichtspunkt der „wohlerworbenen Rechte" zu beurteilen und es als ideal anzusehen, wenn man möglichst schnell in den Kreis des Althergebrachten zurückkehren würde. . . . Für die Industrie gilt deshalb der Grundsatz, daß neben der Obligation das Schuldscheindarlehen und die Sammelanleihe als anerkannte und gebräuchliche Mittel der Fremdfinanzierung von Investitionen weiter gepflegt werden.
Das sagt der Bundesverband der Deutschen Industrie über die von Ihnen behauptete Gefährlichkeit der Geschäfte. Wir wollen uns über diese Dinge nicht erregen. Wenn diese Geschäfte gefährlich sind, dann ist es nicht Aufgabe eines Steuergesetzes, sondern Aufgabe eines Gesetzes über das Kreditwesen, eines gewerbepolizeilichen Gesetzes, dieser Gefährlichkeit zu begegnen.
Ich will mich damit begnügen. Wir sind der Meinung, es handelt sich um ein Interessentengesetz. Das ist nach dem Zusammenhang, den ich Ihnen dargelegt habe, ganz klar. Ich möchte sagen: Die Lobbyisten stehen nicht mehr draußen, die Lobbyisten sind mitten unter uns!
({27})
Wer in diesem Hause behauptet, daß er bei der Abstimmung über den § 12 Abs. 3 am 18. Februar im Bilde war, der möge sich erheben, dessen Mut bewundere ich.
({28})
Was soll geschehen?
({29})
Einen Augenblick, meine Damen und Herren!
({0})
Ich bitte den Redner ausreden zu lassen.
({1})
- Meine Damen und Herren, Sie müssen sich auch harte Angriffe gefallen lassen. Der Präsident hat die
Möglichkeit einzugreifen nur bei Verbalinjurien. Sie haben die Möglichkeit, mit gleichem Geschütz zu antworten.
Immerhin, Herr Neuburger hat mich als Lobbyisten bezeichnet, und Herr Stoltenberg hat mir zugerufen, es sei eine Verleumdung, was ich sage. Ich erwarte Ihre gutchristliche Begründung Ihrer Angriffe!
({0})
Was soll geschehen? Ich würde es für unerträglich halten, wenn man versuchte, diesen in jeder Hinsicht, in der Form und in der Sache mißglückten § 12 Abs. 3 im Finanzausschuß zu verbessern, aktionsfähig zu machen. Das würde nach meiner Meinung nur bedeuten, daß die bestehende Verfassungswidrigkeit noch erhärtet wird. Nach meiner Ansicht kann mit diesem Gesetz nichts Besseres geschehen, als es möglichst bald von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Ich würde es begrüßen, wenn der Bundestag den Mut hätte, heute in erster, zweiter und dritter Lesung die Streichung des § 12 Abs. 3 zu beschließen
({1})
und dadurch dem Herrn Bundesfinanzminister den Weg zu eröffnen, eine korrekte Vorlage zu machen, der eine Begründung beigefügt ist, die auf reiflicher Überlegung beruht und die entsprechend der Geschäftsordnung der Bundesregierung im Kabinett unter Beiziehung des Bundesjustizministeriums, das für eine zweckmäßige, treffende Formulierung zuständig ist, beraten wird. Das wäre eine saubere Erledigung. Darum bitte ich Sie in erster Linie.
Wenn Sie sich dazu entschließen, schlage ich folgendes Verfahren vor. Es geht vor allem um die Einhaltung der Geschäftsordnung. Meine Vorwürfe besagen: es ist an den Vorschriften des Grundgesetzes über die Gesetzgebung vorbei, an der Geschäftsordnung des Bundestages vorbei ein Gesetz zustande gekommen. Der Geschäftsordnungsausschuß soll diese Vorwürfe überprüfen. Deswegen schlage ich Überweisung an ihn vor. Mein zweiter Angriff richtet sich gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes. Ich halte es für verfassungswidrig, ich halte es auch für nicht praktikabel. Es ist in der Sprache, überhaupt in allem mißglückt. Über diese Frage muß der Rechtsausschuß entscheiden.
Ich schlage also Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß - federführend - und an den Rechtsausschuß - mitberatend - vor. Ich glaube, dem Finanzausschuß kann man nur die Wohltat erweisen, ihn mit diesem Gesetz nicht mehr zu belasten.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Dehler, habe ich Sie recht verstanden? Wünschen Sie, daß heute drei Lesungen stattfinden? Wollen Sie das beantragen?
({0})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Antrag kann mit fünf Stimmen abgelehnt werden. Ich frage das Haus, ob fünf Mitglieder den drei Lesungen widersprechen.
({1})
- Sie widersprechen.
Wir treten in die Aussprache der ersten Lesung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich diesen Vorgang als einmalig bezeichnen soll.
- Entschuldigen Sie, wenn ich dadurch, daß ich persönlich angesprochen wurde, zunächst vielleicht nicht die nötige Ruhe habe; ich werde aber noch zu dieser Ruhe zurückfinden.
Herr Kollege Mende hat hier zu Beginn nochmals die Beschuldigung der Täuschung erhoben und hat diese Beschuldigung unmittelbar mir gegenüber ausgesprochen. Herr Dr. Dehler hat sich dieser Beschuldigung angeschlossen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erkläre hiermit vor dem Hause, daß die Behauptung des Herrn Dr. Mende und des Herrn Dr. Dehler unwahr ist.
({0})
Ich habe vorhin kurz mit dem Herrn Präsidenten gesprochen. Ich sehe zur Minute keine andere Möglichkeit als die, diese Erklärung zu wiederholen, daß die beiden Herren hier eine unwahre Behauptung aufgestellt haben.
({1})
- Da fragen Sie noch „und?"! ({2})
Herr Kollege Dehler hat sich so sehr auf die geheiligten parlamentarischen Grundsätze berufen. Ich hätte erwartet, daß, wenn man einen solchen Vorwurf gegen einen Kollegen dieses Hauses erhebt, man diesem Kollegen zumindest vorher einmal die Möglichkeit gibt, sich zu einer so schwerwiegenden Anschuldigung zu äußern.
({3})
Das hätte ich in Wahrnehmung der so hoch gepriesenen parlamentarischen Grundsätze in diesem Hause erwartet, denn das gehört zu den ganz primitiven Grundsätzen eines jeden anständigen Mannes.
({4}) Mehr möchte ich zu dieser Sache nicht sagen.
Weiterhin möchte ich jetzt vorlesen - ({5})
- Wenn es Ihnen zu einfach ist, können Sie ja nachher heraufkommen.
Herr Dr. Mende hat seinerzeit diese Beschuldigung erhoben, und der Finanzausschuß hat sich mit dieser Beschuldigung in seiner Sitzung vom 22. Oktober befaßt. In dieser Sitzung waren Vertreter der FDP nicht anwesend.
({6})
Ich lese die Erklärung vor, die der Finanzausschuß in dieser Sitzung einstimmig angenommen hat:
({7})
Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages befaßte sich in seiner Sitzung vom 22. Oktober 1959 mit den in der Öffentlichkeit und aus dem Parlament aufgestellten Behauptungen, daß die Neufassung des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({8}) auf Interessentenwünsche zurückgehe und durch Täuschung der Abgeordneten zustande gekommen sei.
Der Finanzausschuß weist diese Vorwürfe mit Entschiedenheit zurück.
Die fragliche Bestimmung, deren Einbringung in Form eines interfraktionellen Antrags der Ausschuß am 18. Februar 1959 einstimmig empfahl, war laut Protokoll des Ausschusses vom 18. Februar 1959 vom Finanzministerium und Bundeswirtschaftsministerium unter Berufung auf die Bundesbank befürwortet worden. Gemäß demselben Protokoll hat laut Mitteilung des Bundesfinanzministeriums auch der Bundesverband des privaten Bankgewerbes diese Vorschrift befürwortet.
({9})
Die Bestimmung selbst war nach der Beschlußfassung des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1959 noch bis zum 8. Mai 1959 im Gesetzgebungsverfahren in Beratung.
- Also beinahe drei Monate lang war dieses Gesetz dann noch in Beratung! Während dieser Zeit haben sich die Bundesbank, der Finanzausschuß des Bundesrates
- was ich jetzt sage, steht nicht in dieser Erklärung; das sage ich den Herren der FDP: Der Finanzausschuß des Bundesrates, dessen Vorsitzender der FDP-Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg, Herr Finanzminister Dr. Frank ist ({10})
und die Bundesregierung ausdrücklich für diese Vorschrift ausgesprochen. Stimmen dagegen waren in dieser Zeit nicht bekanntgeworden.
Das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium erklärten in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses, daß sie die Vorschrift nach wie vor für richtig und durchführbar halten.
Der Finanzausschuß hat deshalb Herrn Dr. Mende um eine Erklärung zu seinen Äußerungen in dieser Sache ersucht. Im übrigen behält er sich weitere Schritte vor.
Die Schreiben, die ich dann namens des Finanzausschusses an Dr. Mende gerichtet habe, sind ausweichend beantwortet worden. Das letzte Schreiben ist nicht beantwortet worden.
({11})
Herr Dr. Mende hat erklärt, er werde heute dazu Stellung nehmen. Die Stellungnahme bestand darin, daß er seine ungeheuerliche Beschuldigung wiederholt hat.
Herr Dr. Dehler hat vorhin auch das Justizministerium zitiert, das angeblich auch mitwirken sollte. Ich muß das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß in der Sitzung des Finanzausschusses am 18. Februar 1959, in der die hier kritisierte Gesetzesergänzung in Anwesenheit des FDP-Abgeordneten Dr. Dahlgrün ausführlich behandelt wurde, auch der Vertreter des Justizministeriums, Herr Dr. Jung, anwesend war.
Ich muß nun an das Hohe Haus einige Fragen richten. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, die in das Kapitalverkehrsteuergesetz aufgenommen wurde. Wesentlicher Sinn und Zweck der von der Regierung vorgelegten Novelle war es, die auf dem Kapitalmarkt in Konkurrenz miteinander stehenden Finanzierungsarten gleichmäßig zu besteuern.
({12})
Ist dieses Verlangen berechtigt oder ist dieses Verlangen unberechtigt?
({13})
Ich betone nochmals - das ist nämlich etwas, was man nicht hören will -: Sinn und Zweck dieser Vorlage war, die auf dem Kapitalmarkt in Konkurrenz miteinander stehenden Finanzierungsarten gleichmäßig zu besteuern,
({14})
weil das bisherige Kapitalmarktgesetz diese Gleichmäßigkeit nicht gewährleistete.
Diese gleichmäßige Besteuerung herbeizuführen, war auch Ziel und Aufgabe des Finanzausschusses.
({15})
Ich frage das Hohe Haus: Hat der Finanzausschuß diese Aufgabe oder hat er sie nicht?
({16})
Bitte schön, das frage ich auch die Herren da drüben ({17}), die hier eben auch geklatscht haben!
({18})
- Halt, halt, halt! Ich entlasse hier niemand so einfach aus der Verantwortung.
({19})
So einfach, wie Sie sich das vorstellen, geht es nicht.
({20})
- Jawohl, Sie können alles hören, alles miteinander.
({21})
Ich sage nur: das war die Aufgabe des Finanzausschusses. Wer das bestreitet, der möge hier heraufgehen und das bestreiten.
({22})
So haben wir das Gesetz beraten. Vor der dritten Lesung ergab sich die Frage, ob das Geschäft der Teilschuldverschreibungen mit anderen Finanzierungsarten, die bereits vom Gesetz erfaßt werden, nämlich der Aktie und der Obligation, auf dem Markt konkurriert. Weil wir uns nicht zuständig fühlten, festzustellen, ob das Finanzierungsinstrument der Teilschuldverschreibungen mit den anderen Instrumenten der Obligationen und der Aktien, die wir besteuern, in Konkurrenz steht, haben wir dort gefragt, wo die sachverständige Entscheidung, nach Ansicht von Herrn Dr. Dehler die Interessentenentscheidung, liegt.
Wir haben bei dem für uns zuständigen Finanzministerium gefragt. Daraufhin hat das Finanzministerium das getan, was es tun muß. Es hat beim Bundeswirtschaftsministerium und bei der Bundesbank angefragt und hat sich auch, wie ich dann gehört habe, mit dem Bundesverband des privaten Bankgewerbes in Verbindung gesetzt. Aber das ist eine Angelegenheit des Bundesfinanzministeriums. Wir vom Ausschuß haben jedenfalls gesagt: „Bitte schön, sagt uns, ist diese Finanzierungsart eine Konkurrenz. Dann muß sie besteuert werden, und zwar ohne jede Rücksicht darauf, ob sie viel oder wenig Ertrag bringt." Mit keinem Wort ist im Finanzausschuß die Rede davon gewesen oder ist darüber debattiert worden, was diese Steuer einbringen könnte. Mit keinem einzigen Wort!
Herr Dehler, der nicht dabei war, weiß es besser. Mit so viel Phantasie und ebenso viel Unverstand habe ich noch nie jemand reden hören.
({23})
Ich betone also: Daraufhin hat das Finanzministerium erklärt: Jawohl, diese Finanzierungsart steht in Konkurrenz. Daraufhin haben sämtliche Anwesende im Finanzausschuß - einschließlich des Herrn Dr. Dahlgrün von der FDP - gesagt: Gut, dann wollen wir im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung so verfahren. Nur darum ging es; das Gesetz hatte gar keinen anderen Sinn, als nur die Gleichmäßigkeit der Besteuerung herbeizuführen. Das war das A und O der Vorlage. Daraufhin haben wir im Interesse der Gleichmäßigkeit gesagt: Diese Bestimmung nehmen wir auf.
Die Bundesbank hat wenige Tage später an den Bundesrat ein Schreiben gerichtet. Herr Dr. Dehler hat es zwar auch vorgelesen, aber in einem völlig anderen Sinn. Aber ich lese es vor, um zu zeigen, was uns veranlaßt hat und was unsere Verantwortung ist, nämlich das Problem der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Da heißt es:
Der noch immer verhältnismäßig große Umfang von Schuldscheindarlehen bereitet uns gewisse Sorgen. Wir sind der Ansicht, daß es gesünder wäre, die Schuldscheindarlehen wieder stärker zugunsten der Vergebung von Wertpapieren in den Hintergrund treten zu lassen. Die Tatsache, daß die Aufnahme von Schuldscheindarlehen steuerfrei ist, während die Begebung und der Umsatz von Wertpapieren besteuert werden, erschwert jedoch eine solche Entwicklung. Die
mit der Gesetzesnovelle der Bundesregierung angestrebte steuerliche Gleichbehandlung von Schuldscheindarlehen und Wertpapieren würde im Sinne einer nicht unwichtigen Reform der Kapitalmarktverhältnisse liegen.
({24})
- Aus einem Schreiben, unterzeichnet von Herrn
Dr. Troeger und Herrn Dr. Wolf, vom 24. Februar, d. h. sechs Tage nach der Sache, also unmittelbar nachdem sie dem Finanzministerium mündlich erklärt haben: Jawohl, diese Finanzierungsart steht in Konkurrenz und muß deshalb notwendigerweise auch der gleichen Steuer unterliegen. Das ist also auch diese im Hintergrund stehende Interessentengruppe!
Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom April heißt es:
Diese Gleichstellung ist durchaus berechtigt; denn es ist nicht einzusehen, warum die Kapitalbeschaffung über Schuldscheindarlehen steuerlich gegenüber der Begebung von Wertpapieren bevorzugt werden soll.
({25})
So sehen die Täuschung und der Betrug aus, die ich begangen habe!
({26}) Das ist hier nachzulesen.
Dann wird lächerlicherweise darauf abgestellt, als ob das Volumen bei der Beurteilung der Angelegenheit irgendeine Rolle gespielt hätte.
({27})
- Nein, dann müssen Sie das Protokoll lesen. Das Protokoll enthält in seinem ersten Satz den Grundsatz. der steuerlichen Gleichbehandlung. In einem zweiten Satz habe ich eine Prognose ausgesprochen. Diese Prognose findet eine Bestätigung auch in dem Bericht der Deutschen Bundesbank.
({28})
- Den Nachsatz, ja. Der erste Satz enthält also den Grundsatz der steuerlichen Gleichheit. Das war unsere Aufgabe. Im zweiten Satz habe ich von der Frage der Kapitalmarktpflege gesprochen, genau wie hier. Darauf komme ich nachher noch. Ich habe dann gesagt, es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationenausgabe erreichten. Denn wir haben den im Gesetz genannten Steuersatz ja von 1,5 auf 2,5 erhöht und haben damit die Steuerungleichheit vergrößert und dadurch wiederum das Wettbewerbsverhältnis zweier auf dem Markt konkurrierender Papiere geradezu noch mehr verzerrt.
Darauf sind, wie die Bundesbank sagt, auch noch entsprechend mehr Verhandlungen geführt worden, um mit den Schuldscheindarlehen möglichst rechtzeitig steuerfrei nach Hause zu kommen. Das können Sie nachlesen im Bericht der Bundesbank. Das
war, wie ich vorhin betont habe, am 27. Februar, also neun Tage später.
In der Zwischenzeit, zwischen dem 18. und 27. Februar, hat der Finanzausschuß des Bundesrates unter Vorsitz des FDP-Landtagsabgeordneten Finanzminister Dr. Frank getagt, und der hat die Dinge nicht übersehen; denn er hat sie genauso für wesentlich gehalten wie wir. Dr. Dehler sagt, es sei unwesentlich gewesen. Nein, es war für uns die wesentliche Sache. Deshalb haben wir uns auch bemüht, sie im Gesetz zu berücksichtigen. Da sagt der Finanzausschuß des Bundesrats, daß sich im Zeitpunkt der Beratung des Finanzausschusses die Bedeutung der neuen Bestimmungen nicht voll überblicken lasse, wenn man die Schuldscheine und Schuldverschreibungen gleichstelle und damit der Wertpapiersteuer unterwerfe, sofern sie über Teile des Gesamtdarlehens ausgestellt sind. Aber nun die Beurteilung:
Diese Beurteilung dürfte nicht nur im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liegen,
genau mein Satz in meinem Protokoll sondern darüber hinaus auch wirtschaftliche Vorteile haben.
({29})
Ich habe von Kapitalmarktpflege gesprochen. -Das ist der Finanzausschuß des Bundesrats, offenbar auch eine Interessentengruppe im Hintergrund nach Dr. Dehler.
Damit war aber die Geschichte immer noch nicht zu Ende. Das ist also immer der Gesetzentwurf, der angeblich hopplahopp über die Bühne ging. Die Bundesregierung hat den Entwurf dann nochmals hier eingebracht und hat auch zu dieser Änderung wieder Stellung genommen, und zwar ausdrücklich Stellung genommen. Aber das möchte ich vorlesen. Die Bundesregierung schreibt:
Bei der Wertpapiersteuer ist die Besteuerung der Schuldscheindarlehen von besonderer Bedeutung. Dadurch soll den Mißbräuchen vorgebeugt und die Abwanderung von der Obligation auf den Schuldschein verhindert werden.
Also dasselbe, was die Bundesbank sagt, wenn ich sage: Diese Gleichstellung ist durchaus berechtigt; dann ist nicht einzusehen usw.
Dann ist die Sache im Vermittlungsausschuß gewesen, und ich nehme an, daß im Vermittlungsausschuß die FDP-Mitglieder nicht geschlafen haben.
({30})
Ich nehme an, daß sie nicht geschlafen haben.
({31})
Am 8. Mai, beinahe drei Monate nach dieser Bestimmung, hat man endlich dieses Gesetz verabschiedet, und, wie gesagt, zu keiner Zeit, während dieses Verfahren lief und alle Instanzen sich gerade mit dieser Änderung befaßten, ist irgendwie etwas gehört worden. Da ist offenbar zu der Zeit auch Herrn Dr. Mende noch nichts von einer Täuschung
5064 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Neuburger
zugeflüstert worden. Soviel, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Sache.
Ich betone nochmals: Die Einführung dieser Bestimmung war notwendig und muß von all denen gutgeheißen werden, die sich dafür einsetzen, daß auf dem Markt in Konkurrenz stehende Dinge - ich kann es hier speziell sagen: auf dem Markt in Konkurrenz stehende Finanzierungsarten -, wenn schon versteuert, dann der gleichen Besteuerung unterworfen werden müssen, gleichgültig um welche Größenordnung es sich da oder dort handelt.
({32})
Meine Damen und Herren! Ich mache darauf aufmerksam, daß, wenn nicht etwas ganz Unvorhergesehenes passiert, wir heute mit der Tagesordnung fertig werden. Ich bin nicht in der Lage, die Präsenzpflicht für morgen, Freitag, aufzuheben, sondern ich möchte die Herren Ausschußvorsitzenden einladen, für morgen Ausschußsitzungen anzusetzen. Das Haus ist mit Arbeit überladen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat das Wort.
Meine Damen und Herren! In diesem temperamentvollen Streit ist auch das Bundesfinanzministerium angesprochen worden. Ich möchte daher zunächst zu der Frage Stellung nehmen, wie die Steuerschätzung von 15 Millionen DM bei uns erwähnt worden und zustande gekommen ist. Ich möchte erklären, daß in der Finanzausschußsitzung vom 18. Februar 1959
- es war ja die erste, in der dieser Paragraph behandelt wurde - der Vertreter meines Hauses - so hat er mir ausdrücklich erklärt - eine Erklärung, daß das Volumen der Schuldscheindarlehen ebenso hoch sei wie die Obligationen, nicht abgegeben hat. Es ist aber in meinem Hause - ich weiß nicht, ob in dieser Sitzung oder später - ({0})
-Diese Erklärung ist nicht abgegeben worden. Herr Mersmann hat mir ausdrücklich erklärt - ich persönlich war ja nicht da -: Ich habe diese Erklärung nicht abgegeben. Ist das klar? In meinem Hause ist aber das Mehraufkommen an der Wertpapiersteuer auf 15 Millionen DM damals, da es noch um 1,50/0 ging, geschätzt worden. Das wären heute also entsprechend 25 Millionen DM.
Es wurde die Frage gestellt: Wie ist eine solche Schätzung - um mehr kann es sich ja nicht handeln
- zustande gekommen? Sie beruht natürlich auf konkreten Überlegungen. Unter Berücksichtigung der damaligen 1,5 % entsprach das Mehraufkommen einem Gesamtvolumen an steuerpflichtigen Schuldscheindarlehen von rund 1 Milliarde, wobei man im wesentlichen an die revolvierenden Kredite dachte; es wären damals genau 15 Millionen herausgekommen.
Diese naturgemäß sehr hohe Schätzung ist wie folgt gemacht worden. Normalerweise wird über jedes größere Darlehen ein Schuldschein ausgestellt. Das Gesamtvolumen an Schuldscheindarlehen dürfte daher sehr beträchtlich sein. Die Gewährung neuer
Schuldscheindarlehen dürfte möglicherweise den gleichen Umfang wie bei sämtlichen Schuldverschreibungen haben und bei etwa 10 Milliarden DM liegen. Bestimmte Unterlagen haben wir nicht; das haben wir in der Beantwortung der Anfrage der FDP angegeben. Wir haben gesagt: Angaben gibt es aber darüber nicht, weil darüber keine Statistik geführt wird. Wenn von dieser Summe von 10 Milliarden DM nur 10 v. H. Gesamtdarlehen sind, dann ergibt das schon einen Betrag von 1 Milliarde DM. Dieser Betrag von 10 Milliarden DM ist auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Denn bei der Versicherungswirtschaft werden in der Tat etwa 10 % Schuldscheindarlehen in Frage kommen. Das ist einfach übernommen worden. Ob das nun stimmt, weiß ich nicht. Ich kann nur wiederholen: die Schätzung ist sehr roh. Aber auf Grund dieser sehr rohen Schätzung ist das Mehraufkommen damals auf 15 Millionen DM geschätzt worden; auf heute übertragen wären es 25 Millionen DM.
Nun zu der Rolle, die das Bundesfinanzministerium in dieser Frage gespielt hat, und zu der Meinung des Bundesfinanzministeriums zu diesem ganzen Problem. Die Vorschrift, deren Streichung von der Fraktion der FDP hier durch die Gesetzesvorlage beantragt wird, ist unseres Erachtens aus folgenden Gründen berechtigterweise in das Kapitalverkehrsteuergesetz aufgenommen worden. Ein größerer Kapitalbedarf wurde früher in der Regel durch Erhöhung des Eigenkapitals oder auf dem Anleiheweg befriedigt. Beide Finanzierungsarten lösen Kapitalverkehrsteuer von 2,5 % aus. Die Kapitalerhöhung unterliegt der Gesellschaftsteuer, die Emission von Obligationen der Wertpapiersteuer. Eine Kapitalverkehrsteuerpflicht entstand jedoch dann nicht, wenn Darlehen gewährt wurden, die in Schuldverschreibungen verbrieft sind, über die jedoch Teilschuldverschreibungen ausgestellt wurden. Durch die Teilschuldverschreibungen werden derartige Gesamtdarlehen auf eine größere Anzahl von Gläubigern verteilt und leicht abtretbar gestaltet. Da über die Teilung des Gesamtdarlehens ausgestellte Schuldscheine wirtschaftlich gesehen die gleiche Funktion wie Obligationen erfüllen, erschien die steuerliche Gleichstellung mit der Obligation geboten. Dies gilt nicht nur für die Wertpapiersteuer, sondern auch für die Börsenumsatzsteuer, die bei weiteren Geschäften- erhoben wird.
Meine Damen und Herren! Der Gedanke ist nicht so absurd. Diese Gleichstellung war im Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, auf das das zur Zeit geltende Recht im wesentlichen zurückgeht, deswegen nicht erforderlich, weil damals Schuldscheine noch unter die Landesstempelsteuergesetze fielen, die im Jahre 1936 durch das Urkundensteuergesetz ersetzt wurden. Die Urkundensteuer ist im Jahre 1941 aus kriegsbedingten Gründen außer Erhebung gesetzt worden. Sie soll auch jetzt nicht wieder eingeführt werden. Damals waren diese Teilschuldscheine unter die Landesstempelsteuergesetze gestellt und wurden schon belastet; ich weiß nicht in welcher Höhe. Aber es ist jedenfalls ein Argument.
Das Bundesfinanzministerium ist nun mit der Frage der kapitalverkehrsteuermäßigen Erfassung bestimmter Schuldscheingeschäfte erstmalig am
Bundesfinanzminister Etzel
17. Februar befaßt worden. Am 18. Februar war die Sitzung des Finanzausschusses. Es wurde damals um technische Hilfe gebeten. Eine solche technische Hilfe ist ein sehr gewöhnlicher Vorgang; er kommt in meinem Hause fast täglich vor.
Bei dieser technischen Hilfe haben meine Herren naturgemäß die notwendigen Erkundungen einziehen müssen; das entspricht der Geschäftsordnung der Bundesregierung. Sie haben deswegen zunächst beim Bundeswirtschaftsministerium und dann auch bei der Bundesbank festgestellt, daß die steuerliche Gleichstellung im Interesse des Kapitalmarktes erwünscht sei. Das geschah also nicht aus der Tiefe des deutschen Gemütes beim Bundesfinanzministerium, sondern nach entsprechenden Rückfragen beim Bundeswirtschaftsministerium und bei der Bundesbank.
Dann ist, was Sie, Herr Dr. Dehler, so sehr aufgeregt hat, auch der Bundesverband des privaten Bankgewerbes befragt worden. Herr Kollege Dehler, auch das ist nicht außergewöhnlich. Es ist einfach für meine Herren bei der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge gar nicht möglich, alles zu übersehen. Es entspricht auch einer Bestimmung der Geschäftsordnung der Bundesregierung, daß in solchen Fällen die Verbände zu fragen sind.
Hier handelt es sich um eine technische Formulierung. Die Hintergründe, die jetzt hier mehr gefühlsmäßig dargestellt werden, waren meinem Hause in diesem Augenblick völlig unbekannt und haben überhaupt keine Rolle gespielt. Bei der technischen Frage, die zur Debatte stand, hat man auch das private Bankgewerbe gefragt. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, der jeden Tag passiert; wir fragen immer Verbände.
Am folgenden Tage, dem 18. Februar 1959, hat der Finanzausschuß des Bundestages beschlossen, einen interfraktionellen Antrag einzubringen. Darüber hat Herr Kollege Neuburger eingehend berichtet. Dieser von sämtlichen Fraktionen unterzeichnete Änderungsantrag wurde am gleichen Tage bei der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs ohne Begründung und ohne Aussprache einstimmig angenommen.
Nun kommt etwas, worauf Herr Neuburger schon hingewiesen hat und was ich noch einmal hervorheben möchte. Während der weiteren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs, die sich infolge einer aus ganz anderem Grunde erfolgten Anrufung des Vermittlungsausschusses noch über etwa drei Monate erstreckte, sind dem Bundesfinanzministerium von keiner Seite, Herr Kollege Dr. Dehler, insbesondere auch nicht vom Ring deutscher Makler, dessen Vizepräsident der Finanzmakler Münemann ist, irgendwelche Bedenken gegen die Besteuerung der Schuldscheingeschäfte mitgeteilt worden. Keiner hat während des ganzen Zeitraumes ein Wort gesagt. Jetzt wird so getan, als ob wir hier die bösesten Dinge im Auge gehabt hätten. So war es gar nicht.
In der Sache selber möchte ich feststellen, daß das Bundesfinanzministerium auch heute noch in Übereinstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der Deutschen Bundesbank die Auffassung vertritt, daß die Vorschrift des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 für Anleihen und Schuldscheindarlehen die erforderlichen gleichen Startbedingungen schafft. Wir halten das aus Gründen der Gleichheit und der steuerlichen Gleichbehandlung für richtig. Die Vorschrift richtet sich nicht, wie gern behauptet wird, gegen eine bestimmte Person - Lex Münemann -, nein, sie trifft jeden, der derartige Schuldscheingeschäfte betreibt. Auf die Erhebung der Wertpapiersteuer und der Börsenumsatzsteuer in diesen Fällen sollte deshalb nicht verzichtet werden.
Das Bundesfinanzministerium ist der Auffassung, daß für die Anwendung des § 12 Abs. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 eine besondere Regelung durch Rechtsverordnung nicht erforderlich und auch nicht zweckmäßig ist. Angesichts aber der Vielfalt der vorkommenden Tatbestände und im Hinblick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse erscheint es zweckmäßig, den elastischeren Weg des Verwaltungserlasses zu gehen, für den nach dem Grundgesetz die obersten Finanzbehörden der Länder zuständig sind. Wegen dieses Tatbestandes und nur wegen dieses Tatbestandes - sind die Dinge noch in der Schwebe. Um eine einheitliche Handhabung im gesamten Bundesgebiet herbeizuführen, hat sich das Bundesfinanzministerium auf Wunsch eines Landes bereit erklärt, an einer Koordinierung der Ländererlasse mitzuwirken. Dabei mußte in Kauf genommen werden, daß die Ermittlung und Prüfung der neu der Besteuerung unterworfenen Tatbestände unter Anhörung der beteiligten Wirtschaftskreise eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Eine abschließende Regelung konnte in einer Besprechung mit allen Beteiligten im September noch nicht erreicht werden, wird aber in einigen Wochen erreicht sein.
Etwaige mögliche Ungerechtigkeiten und Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung sowie das unnötige Einlegen von Rechtsmitteln sollen in der Zwischenzeit dadurch vermieden werden, daß die Landesfinanzbehörden eine Festsetzung der Steuern vorläufig zurückstellen. Die Zurückstellung erfolgt also, weil der gemeinsame Ländererlaß noch nicht da ist. Das ist der einzige Grund. Irgendwelche anderen Gründe gibt es nicht.
Aus allen diesen Gründen schlagen wir vor, sich gegen den Antrag der FDP auszusprechen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als seinerzeitiges Mitglied des Finanzausschusses habe ich an der Sitzung vom 18. Februar 1959 teilgenommen. Ich finde, daß es in keiner Weise eine Prestigefrage ist, zu erklären, man habe bei einer solchen Hast die Hintergründe einer Entscheidung nicht richtig erkannt;
({0}) das ist mir jedenfalls so ergangen.
Ich kann im wesentlichen die Schilderung des Hergangs der Sache bestätigen, wie sie Herr Kollege Neuburger gegeben hat. Insbesondere hat Herr Kollege Neuburger richtig hervorgehoben, daß die Frage der Steuergleichheit bei der Erörterung eine Rolle gespielt habe, und er hat auch richtig erklärt, daß die Frage der zu erwartenden Steuerhöhe nicht erörtert worden sei. Der Betrag von 15 Millionen ist erst später im Bundesrat in die Debatte hineingekommen.
Ich muß dem Herrn Kollegen Neuburger aber in einem Punkte - und da allerdings ganz entschieden - widersprechen, nämlich seiner Behauptung, daß die Größenordnung bei unserer Entscheidung keine Rolle gespielt habe. Da ist, glaube ich, bei Herrn Kollegen Neuburger eine Erinnerungstäuschung vorgekommen; denn auch das Protokoll zeigt in seinem Aufbau ganz eindeutig, daß die Größenordnung bei den annähernd 20 Abgeordneten des Finanzausschusses, die an jenem Morgen noch kurz vor der Plenarsitzung diesen interfraktionellen Antrag verfertigt haben, eine wesentliche Rolle gespielt hat. Die Protokollnotiz fängt nämlich an, „daß es die sich ständig vermehrende Aufnahme von Schuldscheindarlehen ratsam erscheinen lasse". Es ist so - wenigstens bin ich subjektiv davon ausgegangen
Früher, als die Geschäfte mit gestückelten Schuldscheindarlehen klein waren, lohnte es nicht. Inzwischen ist durch die Steuerungleichheit eine ständige Zunahme von Schuldscheindarlehen entstanden; infolgedessen muß man durch eine Steuer einen gleichen Start herstellen. Da habe auch ich im Ausschuß, obwohl mit einigen Bedenken - so muß ich schon sagen, Herr Kollege Neuburger -, geglaubt. die ständige Vermehrung führe durch die Verkehrsteuerfreiheit rapide an die Größenordnung der Obligationen heran. Unter dem Eindruck, daß diese Größenordnung etwas notwendig mache, haben wir alle im Finanzausschuß gestanden.
({1})
Und nun muß ich sagen, ich hätte, nachdem die Auskunft in der Drucksache Nr. 1436 vorliegt, allerdings erwartet, daß von irgendeiner Seite im Finanzausschuß gesagt worden wäre: Ja, aber Zahlen über diese anwachsende oder sich überschlagende Entwicklung der Schuldscheindarlehen haben wir nicht. Das ist erst jetzt herausgekommen.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die sachliche Nachprüfung der umstrittenen Vorschrift anlangt, so würden keine Einwendungen dagegen zu erheben sein, daß diese nochmalige Nachprüfung, nachdem einmal das Bedürfnis dazu ausgesprochen worden ist, in den Ausschüssen erfolgt. Das ist auch der Wunsch meiner
Fraktion. Damit kann ich es mir versagen - ebenso wie Herr Kollege Dehler, der eigentlich nicht zur Sache gesprochen hat -, hier auf Einzelheiten der Sachbegründung einzugehen. Das soll im Augenblick keine Stellungnahme für oder wider die Berechtigung dieser Vorschrift bedeuten. Ich kann und will es mir deswegen auch versagen, sachliche Unrichtigkeiten über die Auswirkung und über den Inhalt des Gesetzes, wie sie Herr Kollege Dr. Dehler vorgetragen hat, jetzt richtigzustellen. Ich werde deswegen auch nicht über die Auswirkung des Gesetzes, über die ebenfalls sehr viele Unrichtigkeiten verbreitet worden sind, hier sprechen.
Ich möchte immerhin eine Bemerkung machen. Wenn ich mich bei der Beschlußfassung über dieses Gesetz in einem Irrtum befunden habe, so bezog er sich auf folgendes: ich hielt es nicht für möglich, daß die Auswirkung bei der Börsenumsatzsteuer - auf die es ja, wie auch Sie, Herr Dr. Dehler, selbst zugeben, ankommen soll - für irgend jemand von erheblicher geschäftlicher Bedeutung sein könnte, weil ich es nicht für möglich gehalten habe, daß jemand, der nicht unter Bankenaufsicht steht, solche Geschäfte vornimmt oder vornehmen will, und weil ich weiß, daß jemand, der unter Bankenaufsicht steht, derartige Geschäfte in einer Form, bei der die Börsenumsatzsteuer irgendeine Rolle spielt, nicht vornehmen kann. Das war allerdings ein Irrtum, in dem ich mich befunden habe, über den ich aber auf Grund von Mitteilungen, die man von Herrn Münemann inzwischen erhalten hat, mittlerweile aufgeklärt worden bin.
Es sind Vorwürfe erhoben worden, das Gesetz sei ein gesetzgeberischer Fehlschlag, es sei hastig zustande gekommen, es sei nicht durchführbar usw., es sei sogar verfassungswidrig. Das sind Vorwürfe, mit denen wir legitimerweise bei jeder Gesetzesberatung und bei jeder Kritik an einem Gesetz in der Öffentlichkeit rechnen müssen. Sie mögen erhoben werden, und darüber mag gesprochen werden.
Was dagegen den Vorwurf der Täuschung und Irreführung des Hauses durch bestimmte Abgeordnete anlangt, den die Herren Kollegen Dr. Mende und Dr. Dehler hier nochmals erhoben haben, so bin ich den Mitgliedern des Finanzausschusses, insbesondere den sozialdemokratischen Mitgliedern des Finanzausschusses gegenüber und mir selber gegenüber verpflichtet, zu erklären, daß ich nach wie vor zu dem einstimmigen Beschluß des Finanzausschusses stehe,
({0})
durch den diese Vorwürfe mit den Stimmen der sozialdemokratischen Mitglieder und mit meiner Stimme eindeutig und schärfstens zurückgewiesen worden sind.
({1})
Der Vorwurf der Täuschung - ich will jetzt gar nicht auf Weiteres eingehen - ist trotz der Aufforderung durch den Finanzausschuß von den Urhebern, insbesondere von Herrn Kollegen Dr. Mende, nicht näher spezifiziert worden, auch heute nicht durch Herrn Kollegen Dr. Dehler.
({2})
Der Vorwurf der Täuschung ist durch die Behauptung zu präzisieren versucht worden, es hätten keine klaren Vorstellungen über den Umfang der Teilschuldscheindarlehen bestanden.
Was die Präzision der Behauptungen anlangt, so darf ich bemerken, daß im Protokoll des Finanzausschusses steht, es sei darauf hingewiesen worden, daß die Teilschuldscheindarlehen und die Schuldscheindarlehen überhaupt die Größenordnung der Obligationsdarlehen erreicht hätten. Für jeden, der in der Sache Bescheid wußte - und das Protokoll ist für solche gemacht -, konnte das eigentlich nur heißen, daß derartige Finanzierungsmethoden jetzt in Fällen angewandt werden, die ihrer Größenordnung nach bisher nur zur Obligationenausgabe in Betracht kamen.
({3})
Die Frage aber, wieviel Schuldscheindarlehen es gibt, ist bei den Sachverständigen - und, Herr Kollege Dr. Dehler, Sie haben eine ganze Reihe von Gutachten zitiert; ich will die Qualifikation dieser Gutachten nicht angreifen, aber es waren bezahlte Gutachten - ({4})
Ich habe den Herrn Kollegen Dr. Eckhardt aus diesem Hause bereits durch einen Zwischenruf Ihnen gegenüber dagegen in Schutz nehmen müssen, daß Sie ihm unterstellt haben, er habe als Mitglied dieses Hauses ein bezahltes Gutachten über die Frage gemacht, ob ein Beschluß, an dem er selbst mitgewirkt hat, verfassungsmäßig sei oder nicht. Ich habe das Gutachten vorliegen. Herr Kollege Dr. Eckhardt hat in diesem Gutachten ausdrücklich gesagt, daß er über die Frage der Verfassungsmäßigkeit selbst nicht gutachte.
({5})
Ich habe eine ganze Reihe von Gutachten gesehen; aber ich habe überhaupt noch keines gesehen, das sich über die Frage der Verfassungsmäßigkeit ausspricht.
Herr Abgeordneter Seuffert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Herr Abgeordneter Seuffert, Sie sprachen soeben von den Gutachten der Professoren Bühler, Flume, Klein, Meilicke als „bezahlten Gutachten". Darf ich Sie bitten, näher zu präzisieren, ob es auch unbezahlte Gutachten gibt und welches der Unterschied sein soll.
({0})
Ich nehme nicht an, daß die Herren Professoren Flume usw., deren Gutachten ich gesehen habe, diese Gutachten umsonst gemacht haben. Das interessiert mich aber nicht. Unbezahlt, Herr Kollege Dr. Mende, sind auf jeden Fall die Äußerungen des Bundesrates und der Bundesbank,
({0}) die Sie nicht in den Vordergrund gestellt haben.
Ich wollte zu dem einzigen Punkt, zu dem Sie noch etwas Konkretes gesagt haben, nämlich zu der Frage der Größenordnung der Teilschuldscheindarlehen, nur noch das eine sagen, daß sowohl aus der Stellungnahme des Finanzausschusses des Bundesrates - Sie haben sie vorgelesen, Herr Kollege Dr. Dehler - wie aus der Stellungnahme der Bundesbank, die ja auch wußte, daß sie über die Zahlen nichts vorliegen hat, genau hervorgeht, daß diese Zahlen für diese Stellen - genau wie für uns bei der Beurteilung der Frage, ob diese Bestimmung richtig ist oder nicht, keine Rolle spielen. Der Bundesrat hat ausdrücklich gesagt, die wirtschaftliche Auswirkung lasse sich nicht übersehen, aber die Bestimmung sei richtig, und die Bundesbank hat ebenfalls ohne jede Beziehung darauf gesagt, diese Bestimmung ist richtig.
Herr Kollege Dr. Dehler, gerade Sie haben vorhin so viel davon gesprochen, daß der Geist der Demokratie und die Reinheit der parlamentarischen Debatte gewahrt werden müßten. Ich bin der Ansicht, Herr Kollege Dr. Dehler, daß es dem Geist der Demokratie und der parlamentarischen Auseinandersetzung Schaden tut, wenn man auf Anschuldigungen von außen,
({1}) : Von Interessenten!)
ohne sich mit den betroffenen Kollegen in Verbindung zusetzen, wie sie es Ihnen persönlich und Ihrer Fraktion angeboten haben, derartig ungeheuerliche Vorwürfe erhebt, wie Sie es hier getan haben.
({2})
Ich bedauere außerordentlich, daß der Herr Präsident offenbar der Ansicht ist, daß der Vorwurf gegen Abgeordnete, sie hätten andere Abgeordnete getäuscht und irregeführt, ein Vorwurf ist, den man nach parlamentarischen Regeln hier erheben kann.
({3})
Ich bin der Ansicht, daß eine Täuschung des Parlaments dann vorliegt, wenn man durch eine einseitige und leichtfertige Darstellung in einer so komplizierten Sache wie dieser bei den Mitgliedern des Hauses ein falsches Bild erweckt, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Dr. Dehler.
({4})
Meine Damen und Herren, hier ist der Präsident des Hauses im Amt angesprochen worden. Ich darf dem Hause das Grundgesetz in Erinnerung rufen. Artikel 46 des Grundgesetzes, das von diesem Platz aus vor allem gewahrt werden muß, sagt:
Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Präsident dieses Hauses wird sich nicht erlauben, von sich aus ohne Gerichtsverfahren zu entscheiden, was eine verleumderische Beleidigung ist.
({0})
Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren, ich habe mich nicht zu Wort gemeldet, um über die bedauerlichen Vorgänge zu sprechen, die zu dieser Vorlage geführt haben.
({0})
Hier sind Vorwürfe erhoben worden, sie sind begründet worden,
({1})
hier sind Rechtfertigungen dargelegt worden vor aller Öffentlichkeit. Der Richter wird die Öffentlichkeit sein, die diesmal zum ersten Male in dieser Sache wirklich angesprochen ist, und wir werden von der Öffentlichkeit das Urteil erwarten. Für den Kollegen Seuffert wird darüber hinaus noch das Urteil seiner eigenen Fraktion von Bedeutung sein.
({2})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
({0})
Ich bitte, Platz zu nehmen!
({1}) - Ruhe, Herr Abgeordneter Bausch!
Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth, ich kann Ihnen einen Ordnungsruf nicht erteilen, denn eine Verbalinjurie haben Sie nicht ausgesprochen. Aber ich finde, daß Sie einem Kollegen zu nahe getreten sind, der höchst freimütig und in einer Weise, wie es der Ehre dieses Hauses wohl ansteht, hier gesprochen hat.
({2})
Herr Präsident! Ich bin ohne weiteres bereit, Herrn Seuffert eine absolute Ehrenerklärung zu geben. Ich habe Herrn Seuffert in keiner Weise beleidigen oder verleumden wollen, habe es auch meiner Ansicht nach nicht getan.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe mich zur Sache zum Wort gemeldet, zur Begründung, warum wir diese Gesetzesvorlage eingebracht haben: Wir haben sie eingebracht - abgesehen von den Vorgängen, zu denen ich nicht sprechen wollte -, weil
wir das beschlossene Gesetz für undurchführbar halten. Und da muß ich feststellen, daß uns die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nicht befriedigt haben. Er gibt praktisch zu, daß das Gesetz nicht durchführbar ist, daß die Finanzämter angewiesen sind, das Gesetz nicht durchzuführen. Meine Damen und Herren, wie ist es denn überhaupt in unserer Demokratie? Hat eine Regierung das Recht, ein Gesetz nicht durchzuführen? Kann eine Regierung ein beschlossenes Gesetz einfach inhibieren? Wenn sie es aus bestimmten Gründen, weil Fehler in dem Gesetz vorliegen, nicht durchführen kann, dann muß sie den Deutschen Bundestag anrufen und ihn veranlassen, die Fehler zu berichtigen.
Eine weitere Bemerkung. Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, daß es richtig ist: aus Konkurrenzgründen, aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung habe dieser Paragraph eingefügt werden müssen. Wir sind weit davon entfernt, uns dagegen zu wehren. Wir betrachten es als die Pflicht eines Ausschusses und des Hohen Hauses, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung herzustellen. Man kann uns also keineswegs den Vorwurf machen, wir wollten für irgendeinen Interessenten eintreten.
Aber was ist denn geschehen? Dieses Gesetz ist in langer, sorgfältiger Arbeit von der Bundesregierung erarbeitet worden. Das Bundesfinanzministerium ist bei dieser Arbeit nicht auf den Gedanken gekommen, daß hier eine Ungleichmäßigkeit der Besteuerung vorliegen könnte. Es ist erst am 17. Februar, wie der Herr Bundesfinanzminister hier erklärt, auf diesen Gedanken gestoßen worden. Meine Damen und Herren, wenn so etwas vorkommt, dann muß doch die Regierung dem Ausschuß sagen: Das ist eine Angelegenheit, die wir sorgfältig prüfen müssen. Die Bundesregierung, das Bundesfinanzministerium hätte die Forderung erheben müssen, daß die Angelegenheit noch einmal an den Ausschuß verwiesen wird. Das Finanzministerium hätte sorgfältige Erhebungen anstellen und nachprüfen müssen, warum es nicht auf den Gedanken gekommen ist.
Nichts davon hört man in der Erklärung des Herrn Finanzministers. Die Errechnungen, die hinterher angestellt worden sind, sind, wie offen zugegeben wird, völlig „über den Daumen gepeilt". Das gibt auch der Herr Bundesfinanzminister zu. Eine exakte oder auch nur einigermaßen exakte Errechnung liegt bis heute nicht vor. Sie wäre aber die Grundlage dafür, daß man von seiten des Ministeriums eine Gesetzesbestimmung befürwortet. Auch das ist nicht geschehen.
In dem Gesetz steht die berühmte Formel, daß diese Teilschuldscheine im Inland ausgestellt sein müssen. Warum? Wenn man das in das Gesetz schreibt, muß man sich doch dabei etwas denken! Das hat man auch nicht getan. Es fehlt also eine Fülle von Grundlagen für die Durchführbarkeit des Gesetzes.
Ich wiederhole: Ein Gesetz, zu dem die Anordnung der Bundesregierung besteht, es nicht durchDr. Atzenroth
zuführen, bedarf der Überprüfung durch das Parlament. Aus diesem Grund haben wir unseren Gesetzentwurf vorgelegt. Wir hoffen, daß diese Vorlage im Ausschuß gründlicher überarbeitet wird als die eine Gesetzesbestimmung, die so anstößig ist.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht in Gefahr, zu den Sach- und Fachproblemen zu reden, die hier zur Debatte stehen. Die sind offenbar so kompliziert, daß auch unsere Experten im Ausschuß oder die, Herr Kollege Mende, die nicht da waren
({0})
- sie sind auch schuldig, wenn es in diesem Falle Schuld gibt -, Schwierigkeiten damit haben konnten.
Ich möchte namens meiner Fraktion sagen, daß es nötig sein wird, die Vorwürfe, die erhoben werden, im Ausschuß, im Ältestenrat und in den Fraktionen sehr gründlich zu untersuchen. Es muß restlose Klarheit geschaffen werden. Wir Soziademokraten werden das im Schoße unserer Fraktion ohne Rücksicht auf Personen tun.
Dabei möchte ich aber Herrn Atzenroth eines sagen. Wir halten es für möglich, daß sich auch unsere Fraktionskollegen geirrt haben, daß sie nicht übersehen haben, welche Konsequenzen das hatte, was sie mit befürworteten und was wir alle hier mit beschlossen haben. Wir halten es aber für unmöglich, Herr Atzenroth, daß es die Absicht unserer Kollegen gewesen sein könnte, jemanden zu täuschen oder privaten Sonderinteressen zu dienen. Wer sich in solchen Dingen noch nicht geirrt hat, der soll den ersten Stein aufheben und ihn auf unsere Kollegen werfen, die sachlich-fachlich mit dem Problem befaßt waren.
({1})
Mir scheint, wenn wir untersucht haben werden, wie das gekommen ist, wie das möglich war, müssen wir uns weiter überlegen, wie wir in unserer Arbeitsweise dies und jenes verbessern können, damit das nicht wieder vorkommt. Leider ist es so, daß in der Hetze und unter dem Zeitdruck, unter dem wir immer wieder arbeiten müssen, Vorschläge kommen, die ungenügend diskutiert und durchgearbeitet werden. Es ist keine gute Sache, wenn bei der Beratung der Gesetze in letzter Minute noch Vorschläge kommen, die keiner Ausschußberatung unterworfen worden sind. Ich glaube, daran sollten wir in Zukunft denken. Im übrigen sollten wir uns vielleicht darin einig werden, daß wir mit ehrenrührigen Vorwürfen vorsichtig sein und daß wir untersuchen sollten, wie es zu dem bedauerlichen Zustand kommen konnte, in dem wir uns jetzt befinden.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Dehler! - Verzeihen Sie, Herr Bundesfinanzminister, ich habe schon Herrn Abgeordneten Dehler aufgerufen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich hat der Vorwurf des Herrn Kollegen Seuffert berührt, ich hätte das Gutachten des Herrn Kollegen Dr. Eckhardt nicht zutreffend wiedergegeben. Ich habe das Protokoll vorliegen. Selbst ein Mitglied des Finanzausschusses, also ein Mitglied unseres Hauses, der Herr Kollege Dr. Eckhardt, schreibt in einem Gutachten, daß nach seiner Meinung eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben werde, wenn der Nachweis geliefert werden könne, daß das Gesamtbild bei der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine gegen wenige Finanzmakler gerichtete Tendenz ergebe und daß es Ziel und Zweck des Gesetzes gewesen sei, gerade diese Personen um ihre Rechte zu bringen. Mehr will ich nicht behaupten.
({0})
- Natürlich, wenn! Ich habe es doch zitiert; mehr kann ich doch nicht tun. Der Vorwurf des Herrn Kollegen Seuffert, ich hätte das Gutachten eines Kollegen falsch zitiert, ist völlig unbegründet.
Herr Kollege Neuburger meint, ich hätte mit ihm reden sollen. Warum hat er als Vorsitzender des Ausschusses auf die von mir erwähnten schweren Vorwürfe in der Öffentlichkeit, in Tageszeitungen, in Fachblättern, in wissenschaftlichen Zeitungen, die schweren Vorwürfe, die bis zum Vorwurf der Perfidie unseres Hauses gingen, nicht erwidert, sie nicht richtiggestellt, sondern alles im Raume stehen lassen?
({1})
Wir, die FDP-Fraktion, sind doch nicht vorgeprellt, sondern wir haben erst eingegriffen, als uns die Dinge unerträglich erschienen, als es wirklich um das Ansehen dieses Hauses ging.
({2})
- Ach Gott, um nichts anderes ging es uns. ({3})
Ich glaube, daß die Worte, die jetzt - besonders vom Kollegen Mommer - gesprochen worden sind, wirklich sehr erwägenswert sind und daß wir diesen Vorfall zum Anlaß nehmen sollten, uns auch in Selbstdisziplin zu beherrschen.
({4})
- Selbstdisziplin in der Gesetzgebung, meine Damen und Herren!
({5})
- Verstehen wir uns doch! Glauben Sie, das sei eine schöne Sache? Führen Sie sich doch einmal vor Augen: Am 17. Februar veranlaßt Herr Dr. Pferdmenges - er ist plötzlich von der Bildfläche verschwunden -({6})
ein Gesetz mit einer, ich will einmal sagen: Schlagseite, und am 18. Februar wird es hier beschlossen, ohne daß über die Sache in diesem Hause auch nur ein Wort gesprochen worden ist. Das wollen Sie verteidigen? Das will Ihnen als richtig erscheinen?
({7})
Ich behaupte nicht, daß eine böswillige, daß eine arglistige Täuschung vorliegt.
({8})
- Ich habe gesagt: wir sind getäuscht worden, wir fühlen uns durch dieses Verfahren getäuscht. Ich sagte, es habe die Pflicht bestanden, hier zu sprechen und die Dinge darzulegen.
({9})
Herr Kollege Neuburger sagt, die Sache sei doch bis zum Mai im Gesetzgebungsgange gewesen. Was hat denn der Bundestag noch mit der Sache zu tun gehabt? Kein Wort ist zu uns gedrungen! Wir haben ja gar nicht gewußt, was im Spiele war. Wer hat denn die Tragweite dieser gesetzlichen Bestimmung überhaupt erfaßt?! Herr Kollege Atzenroth und Herr Kollege Dahlgrün haben es schon ganz präzise herausgearbeitet. Selbstverständlich hat der Herr Neuburger im Ausschuß nicht nur potentielle Angaben gemacht. Im Protokoll ist es in der indirekten Rede wiedergegeben. Der Herr Neuburger macht jetzt den Versuch, zu sagen, er habe auch nur potentielle Angaben gemacht.
({10})
Sie müssen doch das, was im Protokoll in indirekter Rede wiedergegeben ist,
({11})
positiv sagen. Dann heißt das: Es ist im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führt, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationenausgabe erreicht hat. Das haben Sie gesagt. Und was ist der Sachverhalt?
({12})
Ich verweise noch einmal auf die Unmöglichkeit ({13})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Was meinen Sie damit, daß Sie sagen, Sie erheben den Vorwurf der bewußten Lüge?
({0})
- l ch behalte mir vor, darauf zurückzukommen.
Ich habe nur das, was in dem Protokoll
({0})
in indirekter Rede wiedergegeben ist,
({1})
in direkte Rede gesetzt.
({2}) - Na, also die Angriffe erreichen mich nicht.
Ich will mich nicht wiederholen. Das, was in dem Hause drüben, im Bundesrat, vorgegangen ist, hat doch niemanden von uns erreicht, und damit kann sich doch der Herr Neuburger nicht exkulpieren.
({3})
Ich wiederhole nur noch einmal die Fakten, die
für uns von Bedeutung waren, als wir den Vorwurf
erhoben, wir seien in einen Irrtum versetzt worden.
Was über die Größenordnung gesagt worden ist, ist unrichtig. Es ist unrichtig - das wurde behauptet -, daß dieses Gesetz im Interesse der Kapitalmarktpflege notwendig sei. Es ist unrichtig - diese Behauptung hat gerade der Herr Kollege Neuburger herausgestellt -, daß dieses Gesetz notwendig sei, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erreichen. Das war nicht die Tendenz des Gesetzes; die Tendenz war eine ganz andere, sie war eine marktpolitische. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird in keiner Weise erreicht. Der normale Schuldschein, der nicht gestückelte Schuldschein, wird überhaupt nicht erfaßt. Der größte Teil der Schuldscheine entfällt damit für die Besteuerung. Nochmals: Die Banken sind infolge ihres Privilegs nach § 22 des Kapitalverkehrsteuergesetzes für ihre Geschäfte von Bank zu Bank von dieser Steuer freigestellt. Im gleichen Gesetz geschieht das! Und Sie wollen von Gleichmäßigkeit der Besteuerung sprechen? Wie will man überhaupt einen Schuldschein einer Wertpapiersteuer und einer Börsenumsatzsteuer unterstellen? Jeder Laie begreift, daß das unmöglich ist und daß man damit nicht eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung erreicht, sondern im Gegenteil einen wirtschaftlichen Vorgang einer Steuer unterstellt, die nichts damit zu tun hat. Es käme vielleicht eine Umsatzsteuer in Frage. Das ist das Entscheidende.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Dehler, ist Ihnen nicht bekannt, daß der GmbHAnteil z. B. kein Wertpapier ist und trotzdem der Wertpapiersteuer unterworfen ist?
Natürlich! Eine Fiktion!
Eine Fiktion! Warum soll hier diese Fiktion nicht auch unterstellt werden?
Fiktionen im Gesetz sind eine mißliche Angelegenheit, Herr Kollege Schmidt. Ich kenne genau die Beratungen Ihres Ausschusses über die Frage der Behandlung des GmbH-Anteils. Das ändert nichts daran, daß alles, was im Ausschuß zur Begründung dieses Gesetzes gesagt worden ist, nicht zutrifft.
({0})
Der Vorwurf bleibt, daß der Vorsitzende des Ausschusses seine Pflicht, dieses Haus zu unterrichten, nicht erfüllt hat.
({1})
Ehe ich das Wort dem Herrn Bundesfinanzminister gebe, will ich folgendes sagen. Ich halte es der Schärfe der Debatte zugute, Herr Abgeordneter Neuburger, daß ich Sie mit einem Ordnungsruf bestrafe. An sich ist der Vorwurf der bewußten Lüge natürlich so weitgehend, daß ich mich gefragt habe, ob ich nicht von den Vorschriften des § 42 der Geschäftsordnung Gebrauch machen müßte. Bis jetzt ist mir das in meiner Amtszeit noch nicht passiert. Ich möchte auch nach Möglichkeit ohne Anwendung des § 42 auskommen. Die Vorwürfe - das würdige ich -, die gegen Sie gerichtet waren, sind außerordentlich schwer. Ich verstehe Ihre Erregung und lasse es deshalb mit einem Ordnungsruf bewenden.
Nun hat das Wort der Herr Bundesfinanzminister.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach.
({1})
Der Herr Abgeordnete Dr. Dehler hat keine Narrenfreiheit. Aber der Präsident kann nicht tun, was er will, sondern der Präsident ist gebunden an das, was er für recht hält und was ihm die Geschäftsordnung vorschreibt.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein lieber Freund Dehler - ich spreche Sie nach wie vor so an -, ich habe mich nicht getäuscht gefühlt. Was mich bestimmt hat, hier mitzutun, war der Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dann aber auch dunkle, böse Erinnerungen an die Zeit zu Ende der 20er Jahre und Anfang der 30er Jahre, wo insbesondere unter der Ägide von Jakob Goldschmidt aus kurz lang gemacht wurde, was zu verheerenden Folgen geführt hat.
({0})
Das waren meine Gesichtspunkte. Aber deshalb habe ich mich nicht eigentlich zum Wort gemeldet, sondern ich wollte einmal eine Bitte an die FDP-Fraktion aussprechen. Meine Damen und Herren,
sorgen Sie doch bitte dafür, daß im Steuerausschuß, der doch kein unwichtiger Ausschuß ist, eine kontinuierliche Vertretung Ihrer Fraktion existiert
({1})
Es sind anwesend gewesen Herr Dr. Achenbach, von mir sehr geschätzt; Herr Dahlgrün, sehr geschätzt; Herr Lenz ({2}), sehr geschätzt; Frau Diemer-Nicolaus, die ich schon als Dame hoch schätzen muß,
({3})
die aber auch eine hervorragende Sachkennerin ist. Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht zu erwarten, daß jedermann dem anderen sofort Mitteilung macht. Dieser Steuerausschuß soll kein Geheimklub werden. Aber wir müssen Sie herzlich bitten, daß Sie für eine kontinuierliche, sachkundige Besetzung sorgen. Sie haben doch Leute genug in Ihrer Fraktion dafür.
Es handelt sich hier nicht um die Frage der Unterwanderung von Ausschüssen durch Interessentenvertreter, wie wir sie manchmal auch in der CDU erleben. Ich muß sagen, daß da die SPD fast am saubersten von uns allen ist.
({4})
- Denken Sie nicht, daß ich konvertieren wollte! Aber, meine Damen und Herren, eine kontinuierliche Besetzung durch die FDP hat uns in der letzten Zeit gefehlt. Bitte, sorgen Sie für Abstellung.
({5})
Nun, meine Damen und Herren, vielleicht kann sich das ganze Haus diesen Appell gefallen lassen. Der Präsident dieses Hauses möchte diese unerquickliche Auseinandersetzung mit einem Wunsch beenden. Ich möchte an die Vertreter der Fraktionen im Ältestenrat appellieren, bevor eine solche Sache noch einmal vor das Plenum kommt, sie vorher mindestens im Ältestenrat zu einer fairen Diskussion zu stellen. Das Haus kann sich solche Auseinandersetzungen nicht beliebig leisten.
Damit ist die Beratung in erster Lesung beendet. Vorgesehen ist die Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend -. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kehren dann in der Tagesordnung zu dem Punkt 15 zurück und fahren in der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Gewerbeordnung fort.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 426 Ziffer 3 zu § 57a auf. Der Änderungsantrag ist begründet. Die Aussprache hat stattgefunden. Ich lasse darüber abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich, Frau Dr. Steinbiß und Genossen auf Umdruck 426 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Wer dem so geänderten § 57a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
- Enthaltungen? - In der geänderten Fassung angenommen.
Zu den §§ 58 und 59 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Zu § 60 liegt der Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3h vor. Ich frage, ob das Wort zur Begründung dieses Änderungsantrags der Fraktion der SPD gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon heute vormittag darauf hingewiesen, daß in der Gewerbeordnung den wirtschaftlichen Überlegungen zum Teil polizeiliche Überlegungen vorangestellt sind. Das ist in § 60 auch dieses Entwurfes der Fall. Nach § 60 soll jemandem, der das Reisegewerbe betreiben will, eine Reisegewerbekarte auf die Dauer von nur drei Jahren ausgestellt werden. Jemand, der einen stehenden Betrieb oder einen Gewerbebetrieb schlechthin anmelden will, meldet ihn an, und dabei bleibt es. Er ist an keine Befristung gebunden. Er braucht seine Anmeldung nicht zu erneuern oder ähnliches zu tun.
Ich sage hier noch einmal: wenn wir alle miteinander keinen Gewerbezweig diskriminierend behandeln wollen - und das wird immer wieder beteuert -, dann haben wir keine Veranlassung, für die Erlaubnis zur Ausübung des Reisegewerbes Fristen zu setzen, dann soll die Reisegewerbekarte auf unbeschränkte Dauer ausgestellt werden. Eine andere Möglichkeit darf es dem Grunde nach nicht geben.
Ich bin sogar der Meinung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß diese Begrenzung auf drei Jahre verfassungswidrig ist. Wir schaffen heute eine Novelle zur Gewerbeordnung, die sich in diesem Punkte unter der Herrschaft des Grundgesetzes vollzieht. Vorher ist so etwas nicht gemacht worden. Die Begrenzung war bisher vorkonstutionelles Recht. Vorkonstitutionelles Recht ist nicht überprüft worden. Die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der zeitlichen Gültigkeit der erteilten Erlaubnis erzeugt in hohem Maße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung.
Wir sind für die Reisegewerbekarte bzw. für das Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren - das haben wir im Ausschuß ausdrücklich gesagt -, aber wir sollten um der gleichmäßigen Behandlung willen hier auf die zeitliche Begrenzung der Genehmigung zur Ausübung des Reisegewerbes verzichten. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag Umdruck 433 Ziffer 3h zu entsprechen. Was gestrichen werden soll, ergibt sich aus der unbegrenzten Gültigkeit der Reisegewerbekarte.
Herr Abgeordneter Dr. Fritz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir setzen gewissermaßen die Diskussion um den § 60 so fort, wie wir sie im Ausschuß geführt haben. Erlauben
Sie mir deswegen, die Gründe darzulegen, die uns schon im Ausschuß bewogen haben, den Antrag von Herrn Kollege Lange abzulehnen.
Selbstverständlich wollen wir das Reisegewerbe nicht diffamieren. Schlechte Leute gibt es im stehenden Gewerbe und auch im Reisegewerbe. Aber wenn wir die im stehenden Gewerbe benötigen, könen wir sie gleich erreichen, während wir sie im Reisegewerbe nicht wiederfinden. Das ist auch ungefähr die Meinung, die die kommunalen Sachverständigen dazu geäußert haben. Wir haben zu dieser Frage im Ausschuß ja Sachverständige gehört. Ich glaube, daß wir ganz richtig liegen, wenn wir von der ursprünglichen Vorlage abgegangen sind und die Gültigkeit der Reisegewerbekarte von einem Jahr auf drei Jahre verlängert haben. Damit haben wir einmal den unteren Stellen Verwaltungsarbeit erspart, und außerdem ist der Kontrollzeitraum viel größer. Ferner ist in § 60 noch die Möglichkeit einer weiteren Ausdehnung vorgesehen: Wenn der Betreffende fünf Jahre tätig war, kann die Gültigkeit der Reisegewerbekarte auf fünf Jahre ausgedehnt werden. Das sollte vorläufig - ich sage ausdrücklich „vorläufig" - ausreichen. Es stellt wesentliche Verbesserungen gegenüber dem jetzigen Zustand dar. Wir sind der Meinung, daß die Frage so, wie sie in dem SPD-Antrag - den wir jetzt für viel zu weitgehend halten -, angeschnitten worden ist, durchaus prüfenswert ist und daß wir sie erneut bei der Kodifizierung des Gewerberechts, die ja angestrebt wird, behandeln sollten. Ich bitte deswegen, den SPD-Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Lange.
Ich möchte nur auf einen Punkt hinweisen: Der Fahndungsdienst ist heute so ausgebaut, daß das Argument, man bekäme nur denjenigen Reisegewerbetreibenden, der sich innerhalb gewisser Zeitabstände wieder melden müsse, um seine Genehmigung erneuern zu lassen, völlig abwegig ist. Mit solchen Einwänden sollte man nicht argumentieren.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen. Umdruck 433, Änderungsantrag der SPD, Buchstabe h). Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ein weiterer Änderungsantrag: Umdruck 433 i). wird dazu das Wort gewünscht? - Ist erledigt?
({0})
- Keine Begründung. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Minderheit. Der Änderungsantrag Umdruck 433 i) ist angenommen.
Ich lasse jetzt über § 60a in der so geänderten Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 60a ist in der geänderten Fassung angenommen.
Ich rufe auf die §§ 60b, 60c und 61. Soweit keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, dem bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Zu § 62 wieder ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 433 Ziffer 3 k). Wird er begründet? - Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn hier wieder bemerkt werden sollte, daß wir die Diskussion, die wir im Ausschuß gehabt haben, von neuem aufnähmen - ich muß das trotzdem tun. Von welchem Arbeitgeber wird verlangt, daß er bei der Anmeldung seines Gewerbes gleichzeitig die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer anmeldet? Das ist die Ausgangsfrage, die zur Behandlung dieses § 62 zu stellen ist. Von dem Reisegewerbetreibenden, wenn auch einem eingeschränkten Personenkreis, verlangen wir, daß er seine Arbeitnehmer - denn dass sind die ihn begleitenden Personen - in seine Reisegewerbekarte eintragen läßt, und machen gegebenenfalls sogar die Ausübung des Gewerbes, das er betreibt, davon abhängig, ob man die Leute eintragen kann oder nicht.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß das wiederum ein entscheidender Punkt der unterschiedlichen, und zwar der unberechtigt unterschiedlichen Behandlung zwischen Reisegewerbetreibenden und Gewerbetreibenden anderer Art ist, die unter gar keinen Umständen zu verantworten ist. Auch hier spielen wiederum nur die rein polizeilichen Erwägungen eine Rolle, von denen in diesem Zusammenhang nichts zu halten ist. Aber ich weiß, Sie haben sich auf diese polizeilichen Überlegungen festgelegt, und ich habe keine Hoffnung, daß wir auch in diesem Punkt zu einer Wandlung Ihrer Meinung beitragen können. Wir sind allerdings der Auffassung, daß auf Grund von Überlegungen im Hinblick auf Jugendschutz - und darin sind Kinderarbeit und Kinderschutz mit eingeschlossen - der § 62 dann in seinem Abs. 3 weiter bestehen bleiben soll, wobei er noch eine Änderung erfahren müßte, wenn die Absätze 1, 2 und 4 entsprechend unserem Antrag entfielen. Dann müßte nämlich der erste Satz des Abs. 3 aufgelöst und folgendermaßen formuliert werden: „Wer bei der Ausübung des Reisegewerbes Kinder mitführen will, bedarf einer Erlaubnis. Die Erlaubnis kann versagt oder eine bereits erteilte Erlaubnis entzogen werden, wenn bei Kindern unter 14 Jahren . . ." Dann bleibt es bei dem alten Text. In dieser Weise müßte der § 62 Abs. 3 geändert werden.
Ich bitte also gerade die Kollegen der CDU/CSUFraktion, sich auch an diesem Punkt noch einmal zu überlegen, ob eine so ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung des Reisegewerbes hier Platz greifen soll oder nicht. Wir sind der Meinung, sie sollte nicht Platz greifen, weil darunter ansonsten die Glaubwürdigkeit aller Aussagen über die
volkswirtschaftliche und sonstige Nützlichkeit des Reisegewerbes leidet.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lange hat die Frage gestellt, in welchem anderen Gewerbe, das zulassungspflichtig ist, der Arbeitgeber oder der Inhaber, der Unternehmer jeden seiner Arbeiter, den er bei sich anstellt, auch noch polizeilich approbieren lassen müsse. Ja, es ist ganz richtig, daß dies in der Gewerbeordnung schon seit Jahrzehnten nur für das ambulante Gewerbe vorgesehen ist. Es ist nun einmal so: die Gewerbeordnung fängt mit 13 Paragraphen an, und die ersten 13 Paragraphen gehören zu den schönsten Paragraphen, die wir in deutschen Gesetzen überhaupt haben. Bis dahin ist sie ein. Wirtschaftsverfassungsgesetz. Vom § 14 bis zum § 156 ist sie eines der langweiligsten und betrüblichsten Gewerbepolizeigesetze, die es überhaupt gibt.
({0})
Das liegt aber leider Gottes nun einmal in der Materie. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß in der heutigen Fassung, angefangen von § 14 bis zu § 156, eine riesige Fracht überflüssig gewordener polizeilicher Erschwerungen enthalten ist.
({1})
Aber ich bin im Unterschied von Herrn Kollegen Lange nicht der Meinung, daß das bei dem § 62 Abs. 2 der Fall ist,
({2})
und zwar aus einem einfachen Grunde nicht. Die SPD-Fraktion hat ja auch dem Paragraphen zugestimmt, der die Versagungsgründe für die Inhaber aufführt.
Nun ist aber der ambulante Gewerbebetrieb in großem Umfange ein kleiner Betrieb. Er wird häufig ohne jeden Arbeitnehmer oder aber mit dem einen oder anderen betrieben. Da liegen die Dinge tatsächlich so, daß sehr häufig nicht der Geschäftsinhaber, sondern sein Arbeiter die Seele des Geschäftes ist.
({3})
In solchen Fällen, in denen die Begleitperson die Seele des Geschäftes ist, müßten wir, wenn diese Person vielfach vorbestraft ist und niemals zum selbständigen Betrieb hätte zugelassen werden können, den Arbeitgeber bestrafen und ihm die Erlaubnis entziehen, weil er sich eine solche Person hält. Wenn wir das aber täten, würde auch der nächste, der diesen Mann anstellt, seine Zuverlässigkeit als Geschäftsinhaber verlieren. Praktisch käme das also auf das gleiche hinaus.
Ich möchte annehmen, wir sind der Meinung, es liege im Interesse des Ansehens des ambulanten
Gewerbes, daß nicht ein Bodensatz von asozialen und gelegentlich auch kriminellen Leuten sozusagen die ganze Innung blamiert. Die große Masse der seriösen ambulanten Gewerbetreibenden wird deshalb die Vorschriften begrüßen und sich mit Einsicht den lästigen Polizeibestimmungen unterordnen, die ja in 95 oder 96 % der Fälle durchaus hochachtbare Persönlichkeiten betreffen, Persönlichkeiten, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind, weil sie tatsächlich eine nützliche und verdienstliche Gewerbetätigkeit ausüben. Durch diese lästigen Bestimmungen werden ja alle sowohl für ihre Person wie für ihre Arbeiter betroffen. Aber jeder, der in dieser Branche arbeitet, weiß auch, daß diese Bestimmungen keine Willkür darstellen und daß es auch für den normalen Gewerbetreibenden ein Akt der bürgerlichen Hilfsstellung ist, wenn er sich diesen Belästigungen unterzieht,
Wir gehen also davon aus, daß der Angestellte, die Begleitperson, die Seele des Geschäftes sein kann. Wenn nun dem Mann wegen Kriminalität die Erlaubnis entzogen wird, übernimmt die unbestrafte Frau die Leitung, der sie nicht entzogen werden kann. Sie nimmt dann ihren Mann als Begleitperson. Die Sache ist dann genau wie vorher. Wir wissen ja, daß es Kleinbetriebe gibt, die eine oder zwei Personen mitführen. Die Tatsache, daß diese mitgeführten Personen einen ganz anderen Einfluß als Arbeitnehmer in stehenden Betrieben ausüben, rechtfertigt diese Bestimmung.
Aus diesem Grunde möchte ich bitten, den Antrag der SPD abzulehnen und es bei der Fassung des Ausschusses zu belassen. In den Teilen unseres Entwurfs, die dick gedruckt sind, hat der Ausschuß Kautelen eingeführt, die gerade die Aufsichtsbehörden zwingen sollen, diese Bestimmung nicht zu einer bürokratischen Schikane für das ganze Gewerbe auszunutzen.
Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhm hat ausgeführt, daß häufig genug der Arbeiter oder der Angestellte die Seele des Geschäftes sei. Das gilt nicht nur für das Reisegewerbe, Herr Kollege; das können Sie auch in einer Reihe von stehenden Gewerbebetrieben feststellen. Insoweit sticht dieses Argument nicht.
Außerdem sind wir der Meinung, daß wir es allenthalben mit mündigen Staatsbürgern zu tun haben. Wir sollten diesen mündigen Staatsbürgern nicht eine unerwünschte Hilfestellung polizeilicher Art leisten wollen, die hier einfach nicht in Betracht kommen dürfte. Bedenken Sie bitte, daß der Reisegewerbetreibende genauso seine wirtschaftliche Verantwortung in vollem Umfang übernehmen muß wie jeder andere Gewerbetreibende. Er muß diese Verantwortung auch für diejenigen übernehmen, die er als Arbeiter oder als Angestellte bei sich zu beschäftigen beabsichtigt. Ergeben sich aus solchen Vorgängen für ihn unangenehme Konsequenzen, so hat er sie zu tragen. Das ist eine völlig eindeutige Sache. Wir sollten aber nicht mit so merkwürdigen
Instrumenten, wie sie hier als angebliche Hilfsinstrumente geboten werden, arbeiten. Ich halte das für unwürdig.
({0})
Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 433 Ziffer 3k mit den hier vorgetragenen redaktionellen Änderungen seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Abstimmung muß wiederholt werden. Ich frage nochmals: Wer dem SPDAntrag Ziffer 3k auf Umdruck 433 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! -Danke! Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3k ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich trage nach, daß der vorhin angenommene Änderungsantrag Umdruck 433 Ziffer 3i zu § 60a identisch ist mit dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 428 Ziffer 2c. Infolgedessen ist dieser Antrag erledigt.
Nun die §§ 62 und 63 und Nr. 22! Sie sollen unverändert bleiben.
({0})
- Schön! Wer § 62 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - § 62 ist angenommen.
§ 63! Wer ihm zustimmen will, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig!
Nun kommen wiederum die Nummern. Ich rufe zunächst Nr. 22 und Nr. 23 auf, und zwar finden Sie sie dort, wo der schwarze Rhombus ist. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Nun Nr. 23a! Dazu liegt auf Umdruck 427 Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Burgemeister, Holla, Mensing und Genossen vor. - Herr Abgeordneter Burgemeister zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst eine redaktionelle Änderung ankündigen, und zwar bitte ich, unseren Antrag wie folgt zu ändern.
In der Zeile „oder für einzelne Angehörige dieser Geschäftszweige" muß an Stelle des Wortes „Angehörige" das Wort „Betriebe" gesetzt werden, und darunter ist zu setzen: „Die bisherige Nr. 23a wird 23b."
Nachdem mir von allen Seiten des Hauses versichert worden ist, daß keine Einwendungen gegen diesen Änderungsantrag vorzubringen sind und ich damit rechnen kann, daß er allseitige Zustimmung findet, verzichte ich auf eine Begründung.
Das letzte ist eine technische Sache. Ist das Haus einverstanden? - Ich lasse abstimmen. Wer zustimmen will, den
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Nr. 23a in der so geänderten Fassung auf.
({0})
- Er wird jetzt Nr. 23a. Wer dieser Nr. 23a zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen nun zu den Nrn. 24, 25 und 26. Dazu liegen keine Änderungsantrage vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den Nrn. 24, 25 und 26 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Angenommen.
Zu Nr. 27 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 428 Ziffer 3 vor, der gleichlautend ist mit dem Änderungsantrag der SPD Umdruck 433 Ziffer 4. - Darüber besteht Einverständnis. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Auf Begründung wird verzichtet.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 428 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wer Art. I Nr. 27 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - In der geänderten Fassung angenommen.
Wir kommen zu Nr. 28 und Nr. 29. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer diesen beiden Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Zu Nr. 30 liegen ein Änderungsantrag der CDU/ CSU auf Umdruck 428. Ziffer 4 und ein wiederum Bleichlautender Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 433 Ziffer 5 vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Die Änderungsanträge sind angenommen.
Wir stimmen über die so geänderte Fassung der Nr. 30 ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Herr Präsident! Zu Nr. 30 möchte ich eine rein redaktionelle Änderung beantragen, die durch die Änderung des § 56 notwendig geworden ist.
Eine rein redaktionelle Änderung nehmen wir zu Protokoll.
In § 148 Abs. 1 Nr. 7 sollen die Worte „und Abs. 2a" gestrichen werden.
Es ist eine rein redaktionelle Änderung. - Das Haus stimmt zu; es ist so beschlossen.
Zu Nrn. 31, 32, 33 und 34 liegen keine Änderungsanträge und keine Wortmeldungen vor.
Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Nun rufe ich auf den ganzen Art. II sowie die Art. IIa, IIb, III, IV, V, VI, VII, VIIa, VIII, IX, X, XI, XII, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingedenk der Mahnung, die ich gestern abend nach einer Schlußabstimmung, zu der Erklärungen abgegeben worden waren, ausgesprochen habe, will ich nun zur dritten Lesung die Bemerkungen machen, die man sonst vielleicht auch in eine Erklärung zur Schlußabstimmung hineinpacken könnte.
Die Novelle zur Gewerbeordnung, so wie sie uns heute vorliegt, enthält als Kernstück den § 35 mit der allgemeinen Gewerbeuntersagungsmöglichkeit unter Beachtung aller rechtsstaatlichen Grundsätze. Wir glauben mit diesem § 35 gleichzeitig erreicht zu haben, daß eine Menge Entwürfe von Sondergesetzen, die in Gestalt von Berufsausübungsgesetzen, Berufsbezeichnungsgesetzen und in sonstiger Form auf das Hohe Haus zugekommen wären, nicht mehr an das Haus gelangen werden.
Wir waren der Meinung - und ich glaube, das auch für die Kollegen der CDU/CSU im Ausschuß sagen zu können -, daß dieser § 35 das geeignete ergänzende Mittel - Negativmittel - zur allgemeinen Gewerbefreiheit unter der Voraussetzung der einfachen Anmeldung eines Gewerbebetriebes ist. Insoweit begrüßen wir also diese Regelung im § 35, die außerdem noch auf einen einstimmigen Beschluß dieses Hauses in der ersten Legislaturperiode zurückzuführen ist.
Darüber hinaus enthält dieser Gesetzentwurf unter Nr. 8a Bestimmungen, die sich auf mechanische Spielgeräte und den Umgang damit beziehen. In der Nr. 8a und auch - das muß ich ergänzend hinzufügen - in der Nr. 9 sind der Regierung eine Reihe von Ermächtigungen gegeben, die der Ausschuß nur sehr zögernd gegeben hat und, wie ich glaube, auch dieses Haus nur sehr zögernd geben wird. Wir haben hier anerkannt, daß ganz bestimmte Möglichkeiten gewerblicher Betätigung eröffnet bleiben sollen, wollte man nicht, wie es heute schon einmal Herr Kollege Bausch angerührt hat, das Problem von Grund auf wieder aufrollen und sich dann allgemein damit befassen, ob man Spielkasinos, Klassenlotterien, Lotto, Toto usw. zulassen will oder nicht. Solange aber diese Dinge als legitime gewerbliche Tätigkeiten gelten und damit. auch das, was hier in den 33er Paragraphen der eben zitierten Art enthalten ist, als legitime gewerbliche Tä5076
Lange ({0})
tigkeiten gilt, darf unter keinen Umständen über die Rechtsverordnungen versucht werden, hier die Grundlagen für die gewerbliche Tätigkeit beiseite zu räumen und damit in Wirklichkeit eine solche an sich gesetzlich gestattete gewerbliche Tätigkeit unmöglich zu machen.
Ich sage das mit voller Absicht, weil wir einige Erfahrungen haben, erstens im Zusammenhang mit dem Erlaß von Rechtsverordnungen, zweitens im Zusammenhang mit dem Erlaß von Durchführungsvorschriften und drittens im Zusammenhang mit dem Erlaß von Verwaltungsanordnungen. Ich bitte also die Regierung, sehr wohl zu berücksichtigen, was im Ausschuß zu diesem Fragenkomplex gesagt worden ist, und ich bitte, sehr wohl an das zu denken, was uns die Regierungsvertreter mündlich dargelegt und schriftlich bestätigt haben. Ich bin der Meinung, es darf mit den Ermächtigungen, die in den 33er Paragraphen enthalten sind, kein Mißbrauch getrieben werden. Es sollte auch der Ermessensmißbrauch, der denkbar wäre, ausgeschaltet sein. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, diese Bemerkungen zu machen, weil im Ausschuß von allen Seiten dazu sehr kritische Äußerungen und Bemerkungen gemacht worden sind.
Zu den anderen Punkten möchte ich mich nicht weiter äußern. Es bleibt mir nur noch übrig, einen Punkt zu erwähnen: das ist der Titel III. Ich bin nach wie vor - das erkläre ich auch für meine Fraktion - der Meinung, daß Titel III in seiner gegenwärtigen Gestalt - d. h. wenn das, was im Augenblick noch als Entwurf vorliegt, nachher verabschiedet und damit Gesetz wird -, eine eindeutige ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung für weite Teile des Reisegewerbes bedeutet. Ich brauche nicht zu wiederholen, was ich vorhin ausgeführt habe; ich möchte jetzt nur eine Erklärung daran knüpfen.
Bis auf den Titel III wären wir durchaus imstande und waren wir auch bereit, der Gewerbeordnungsnovelle zuzustimmen, und auch in bezug auf den Titel III hätten wir ihr zustimmen können, wenn dort die von uns gewünschten Änderungen vorgenommen worden wären. Da aber dieser Titel III in seiner eindeutig diskriminatorischen Form aufrechterhalten geblieben ist - eindeutig diskriminatorischen Form, Herr Kollege Fritz, das ist unsere Auffassung! -, sehen wir uns außerstande, dieser Novelle zuzustimmen. Wir werden sie nicht ablehnen, weil wir die positiven Elemente eben nicht ablehnen wollen; wir werden uns aus diesem Zwiespalt der Novelle - ({1})
- Nicht herauswinden, wir tun etwas! Wir haben eine feste Meinung. Wir werden aus dieser Zwiespältigkeit der Novelle für uns den Schluß ziehen, daß wir uns bei dieser Schlußabstimmung enthalten müssen. Wir werden aber sehr sorgfältig beobachten, wie sich die Dinge entwickeln, und zu gegebener Zeit mit entsprechenden Novellierungsanträgen an dieses Haus herantreten; vielleicht schon recht bald. Aber es ist völlig unmöglich, nachdem wir so nachdrücklich betont haben, daß dieser diskriminatorische Charakter des Titels III von uns nicht vertreten werden kann, dieser Novelle zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat Herr Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können - und meine Fraktion wünscht das auch - von einer großen Generaldebatte absehen, und auch ich kann mich infolgedessen ganz kurz fassen, zumal Herr Kollege Lange die drei Punkte hervorgehoben hat, die auch für meine politischen Freunde im Mittelpunkt dieses ganzen Gesetzgebungswerkes stehen. Ich möchte dazu sagen, daß, soweit die ersten beiden Punkte, nämlich die Generalermächtigung zur Versagung jeglichen Gewerbes in § 35 und die sehr weitgehende Ermächtigung des Bundeswirtschaftsministeriums zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Eindämmung des Spieltriebes bei den Spielautomaten, in Betracht kommen, die Meinung, die Herr Kollege Lange wiedergegeben hat, nicht nur die Meinung seiner Fraktion ist, sondern die Meinung aller Mitglieder des Wirtschaftsausschusses gewesen ist.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, daß der Ausschuß nicht leichten Herzens diese umfassenden Ermächtigungen erteilt hat. Über das hinaus, was Herr Lange gesagt hat, möchte ich bemerken: Die Gefahr bei Ermächtigungen dieser Art auf diesem Gebiet besteht darin, daß wir Abgeordneten von dem Gebrauch, der von der Ermächtigung gemacht wird, niemals mehr etwas zu hören bekommen, weil sich diese ganze Praxis in den Ländern, bei den Gewerbeaufsichtsämtern der Länder abspielt und nur ganz wenige Abgeordnete und Politiker die Neigung haben, sich mit einer so langweiligen Affäre zu beschäftigen.
({0})
Wir wollen uns der Tatsache bewußt sein, daß die Dinge von den Gewerbeaufsichtsämtern etwas bürokratisch gehandhabt werden - nicht aus bösem Willen der Gewerbeaufsichtsämter; ich selber habe in jungen Jahren längere Zeit in einem Gewerbeaufsichtsamt gesessen - und daß kleine Gewerbetreibende das „Hauptbewirtschaftungsobjekt" der Gewerbeaufsichtsämter sind, kleine Gewerbetreibende, die wegen der Behelligungen und Einschränkungen ihres Alltagsdaseins vorstellig werden. Es ist nicht angenehm, sich auf einem Amt zu melden, womöglich draußen auf der Bank zu warten, bis man eingelassen wird, um dann eventuell zu erfahren, daß der Antrag noch nicht entschieden ist; vielleicht wird man auch nicht immer sehr freundlich behandelt.
Die vorgesehene Regelung kann also für den Alltag unzähliger unserer Mitbürger wichtig werden. Wenn wir hier eine Ermächtigung geben, so kann sich das in einer Verschärfung dieser Alltagsbelästigungen zahlloser Mitbürger auswirken. Niemand erfährt dann von einer Klage, und die Sache kommt womöglich niemals wieder vor den Bundestag. DesDr. Böhm
halb möchte ich alle im Saale anwesenden Abgeordneten recht herzlich bitten, auch in den kommenden Jahren ihre Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet zu lenken, insbesondere sich in ihren Wahlkreisen und ihrer Heimat zu vergewissern, welche Änderungen im Alltag unserer Gewerbetreibenden sich durch den Gebrauch der Ermächtigungen ergeben, so daß wir die Sache hier gegebenenfalls zur Sprache bringen können. Die gleiche Bitte geht an die Presse und an die ganze Öffentlichkeit. Wir wollen, daß die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in diesen abseitigen, bürokratischen Bezirk etwas frische Luft bringt. Das ist unser Appell.
Das gleiche gilt für das ambulante Gewerbe. Auch meine Freunde sind der Meinung, daß dieses Gewerbe nicht das Gefühl bekommen darf, in der Anwendung eines Gesetzes, das gewisse Ermächtigungen für den Fall vorsieht, daß bekämpfenswerte Erscheinungen auftreten, diskrimatorisch behandelt zu werden. Auch hier kommt es auf die Handhabung an. Wenn wir die Regelung für das Reisegewerbe so verabschieden, wie sie jetzt gefaßt ist, und wir müssen in ein paar Jahren unsere Entscheidung revidieren, so kann niemand behaupten, wir seien getäuscht worden. Wir sind nicht getäuscht worden, wir wissen alle zusammen um die Problematik und die Gefährlichkeit der Regelungen, die wir getroffen haben. Wenn also die Sache schiefgeht, so kann niemand von uns aufstehen und sagen, wir seien getäuscht worden. Sollten wir uns täuschen, sollten die Erwartungen, die wir in bezug auf die Exekutive haben, nicht erfüllt werden, so sollten wir keinen Anstand nehmen - so unerfreulich die Behandlung solcher Kleinigkeiten, wie sie dieses Gesetz enthält, im Ausschuß ist und so froh wir sind, daß wir nach der Verabschiedung diese Sache hinter uns haben -, die Angelegenheit wieder aufzurollen.
Anderer Meinung als Herr Lange bin ich bezüglich des ambulanten Gewerbes. Owohl ich sehe, daß hier eine Menge von Belästigungen in Kauf genommen werden müssen, sind die Ermächtigungen auf diesem Gebiet doch so, daß ihr Gebrauch gerade von dem aktiven und energischen Teil dieses Gewerbes durchaus mit dem Gefühl, gute Bürger zu sein, hingenommen werden kann. Der Aufstieg vom Unselbständigen zum Selbständigen erfolgt in der Regel entweder auf dem Wege über das ambulante Gewerbe oder in der Entwicklung vom Heimarbeiter über den Haus-Gewerbetreibenden. Diese Aufstiegsmöglichkeiten sollten wir hegen und pflegen. Wir sollten den Menschen, die in kleinen Existenzen beginnen, ein selbständiges Dasein aufzubauen, nicht mit Argwohn und Vorurteilen gegenübertreten. Wir sollten diese Existenzen von Leuten, die sich von klein auf hocharbeiten, hegen und pflegen. Denn wieviel Tausende solcher Menschen an unserem Wirtschaftswunder mitgewirkt haben, das wird der Bundeswirtschaftsminister selbst wohl am besten wissen.
({1})
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 448 hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich nach den grundsätzlichen Ausführungen, die gerade von Herrn Kollegen Lange und Herrn Professor Böhm gemacht wurden, Sie nun wieder mit einem Einzelantrag belästige, den Sie auf Umdruck 448 finden.
Es geht um folgendes. In § 56 Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b ist die Bestimmung enthalten, daß das Feilbieten von geistigen Getränken im Rahmen des Reisegewerbes untersagt ist. Davon sind zwei Ausnahmen gemacht, und zwar a) für Bier und b) für Wein. Gestatten Sie, daß ich dazu, nachdem in der zweiten Lesung eine unterschiedliche Auffassung herrschte, in der dritten Lesung kurz noch einmal die Gründe darlege, die uns veranlaßten, den Änderungsantrag auf Umdruck 448 einzubringen. Nach diesem Antrag soll bei den geistigen Getränken auch für Bier und Wein keine Ausnahme gemacht werden; Bier und Wein sollen ebenso wie die anderen geistigen Getränke im Reisegewerbe nicht vertrieben werden dürfen.
Bei dieser Frage geht es uns nicht etwa um eine Diffamierung der Reisegewerbetreibenden, wie es uns hier überhaupt nicht um eine Beurteilung dieses Standes geht. Es geht vielmehr darum, daß sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Teilen unserer Bundesrepublik, unter anderem auch in Bayern, bei einzelnen Brauereien das Verfahren eingebürgert hat, den Vertrieb ihrer Erzeugnisse durch das Reisegewerbe vornehmen zu lassen. Das scheint uns nach dem geltenden Gesetz nicht zulässig zu sein. Die Gewerbeordnung in der geltenden Fassung - ich darf noch einmal in aller Deutlichkeit darauf hinweisen - besagt im § 56 Absatz 2 Nr. 1, daß der Ankauf und das Feilbieten geistiger Getränke in ihrer Gesamtheit für den Handel im Umherziehen verboten ist. Der Änderungsantrag strebt an, daß der ungesetzliche Zustand, der sich draußen da und dort entgegen der klaren Bestimmung der Gewerbeordnung, also widerrechtlich, eingebürgert hat, nicht durch die Neufassung der Gewerbeordnung legalisiert wird.
Es geht uns hier nicht etwa darum, die Lieferungen auf Bestellung hin zu untersagen. Wenn ich Bier oder Wein bestelle, steht es dem Erzeuger, der Brauerei oder dem Weinlieferanten oder dem Weinbauern, selbstverständlich frei, mir dieses Bier oder diesen Wein frei Haus zu liefern. Diese Bestellungen sollen nach wie vor ausgeführt werden.
Es geht auch nicht darum - aus einer Zwischenfrage heute morgen konnte geschlossen werden, daß eine solche Annahme besteht -, die Flaschenbierhandlungen zu untersagen. Das alles ist nicht Gegenstand unseres Antrages.
Uns leitet bei unserem Antrag ausschließlich die Erwägung, daß es inkonsequent ist, die geistigen Getränke vom Reisegewerbe auszuschließen, bei Bier und Wein jedoch eine andere Beurteilung zugrunde zu legen. Das haben diese edlen Getränke sicher nicht verdient. Gerade das in Bayern erzeugte Bier sollte nicht so vertrieben werden, daß man an den Türen anklopft, um es flaschenweise in die Haushaltungen zu bringen, ohne daß eine Bestellung vorlag. Vielmehr sollte dieses Bier nach un5078
serer Ansicht auf den ordnungsgemäßen Bahnen vertrieben werden, nämlich durch die Gastwirtschaft, durch die Flaschenbierhandlung und sicher auch auf Bestellung durch die Brauereien.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag auf Urn-druck 448 zuzustimmen. Wir bitten Sie, obwohl dabei selbstverständlich auch merkantile Interessen im Spiele sind, nicht etwa nur im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung der Brauereien, der Gastwirte und der anderen Vertriebsmöglichkeiten, sondern im Interesse der gleichmäßigen Behandlung von Bier und Wein mit den übrigen geistigen Getränken und auch im Interesse des Schutzes unserer Verbraucher, den Vertrieb von Bier und Wein ebenso wie den Vertrieb der übrigen geistigen Getränke durch ein Wandergewerbe, durch ein Reisegewerbe, durch Hausierer nicht zu gestatten.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß diesem Antrag, der heute früh in der zweiten Lesung mit viel Charme von Herrn Unertl und jetzt mit viel Scharfsinn von Herrn Dittrich vertreten wurde,
({0})
nach wie vor widersprechen. Herr Dittrich hat hier die These von der Gleichheit der Getränke aufgestellt.
({1})
- „Gleichheit der geistigen Getränke." Meine Erfahrung geht jedenfalls auch dahin, daß diese geistigen Getränke nicht gleichwertig sind.
({2})
Der Gesetzgeber ist ja gehalten, Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich zu behandeln. Niemand in diesem Hause hat verlangt, daß sämtliche geistigen Getränke zum Vertrieb im Reisegewerbe zugelassen werden. Diese Frage steht also nicht zur Debatte. Für die Ausnahme, Bier und Wein zuzulassen, spricht aber in der Tat sehr viel. Ich will mich jetzt nicht mehr mit dem Wein befassen wie heute morgen, nachdem Herr Unertl gesagt hat, das sei ja uninteressant, in der dortigen Gegend werde der Wein nicht so ästimiert. Aber auch für das Bier ist sein Antrag nicht richtig. Hier existiert offenbar ein Interessengegensatz zwischen Gastwirten einerseits und Brauereien andererseits.
({3})
- Nein? Gut, wenn er nicht existiert, ist es um so besser.
({4})
- Richtig, darauf will ich kommen. Ein Interessengegensatz zwischen verschiedenen Berufsgruppen kann uns ja nichts angehen,
({5})
den dürfen wir nicht auszugleichen oder einseitig zu beeinflussen versuchen. Aber wir dürfen keine Maßnahme treffen, die innerhalb der gleichen Wirtschaftsgruppe vielleicht zu Wettbewerbsverschiebungen führt. Da kann ich mir vorstellen, daß gerade im Brauereigewerbe die kleinen und mittleren Brauereien viel mehr daran interessiert sind, im Reisegewerbe Bier vertreiben zu können, als die großen, die darauf nicht so sehr angewiesen sind.
Es geht nun einmal der Zug der Zeit zum Flaschenbier, das prozentual bereits mehr Verbreitung hat als das Faßbier. Der Zug geht dahin, die Ware möglichst direkt zum Verbraucher zu bringen. Dem sollten wir nicht entgegentreten, zumal wenn, wie hier, dieser Zug zweifellos den kleineren Betrieben eher entgegenkommt als den großen. Deshalb halte ich die hier gefundene Lösung für richtig und bitte, den Änderungsantrag abzulehnen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag in der dritten Lesung nicht mit Charme begründen. Ich glaube, das habe ich auch heute vormittag nicht getan; dazu bin ich gar nicht in der Lage. Ich möchte aber eines sagen, meine Damen und Herren - die Begründung selbst hat mein Vorredner, der Kollege Dr. Dittrich, voll und ganz gegeben -, ich habe den Eindruck, daß es vielen, sogar meinen Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion und auch aus der FDP und der Deutschen Partei - denn auch diese Abgeordneten haben den Änderungsantrag für die dritte Beratung unterschrieben - heute vormittag nicht ganz klar war, worum es ging.
({0})
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Pelster, ich möchte etwas Grundsätzliches sagen, das hier vielleicht einmal bei dieser Debatte gesagt werden muß. Wenn man als Gastwirt zu einem solchen Problem spricht, läuft man in diesem Hause Gefahr, sofort als Interessentenvertreter gestempelt zu werden. Es fällt mir und, ich gebe zu, der Mehrheit der Kollegen, die im Hause sitzen, gar nicht ein, einem Herrn Abgeordneten, Kollegen, Rentner, MdB, Interessentenpolitik zu unterstellen, wenn er zur Rentenanpassung oder zu irgendeinem Gesetz der Sozialversicherung spricht. Selbst Herr Professor Böhm sagt, wir sollten die Beobachtungen, die wir draußen in den Wahlkreisen machen, dann auch hier bei der Schaffung von Gesetzen verwenden. Deswegen bitte ich wirklich herzlich darum, mir abzunehmen, daß ich als Sachverständiger mit meinen Freunden weiß, warum wir diese Änderung haben wollen.
Die Sache betrifft besonders bei uns im süddeutschen Raum und in Bayern die Brauereien, die früher nicht in dem Ausmaße wie heute den Hausierhandel betrieben haben.
({1})
Sie erwarten genauso wie die 170 000 Inhaber von Gaststättenbetrieben mit ihren 700 000 Angestellten und Arbeitern, daß bei der Beratung einer Gewerberechtsnovelle auch Rücksicht auf Wünsche genommen wird, die dieses Gewerbe vortragen läßt.
({2})
In einem Parlament müssen doch die verschiedenen Stände noch das Recht haben, ihre Anliegen vorzutragen. Ich habe bisher immer einen ganz bestimmten Weg eingehalten. Wenn ich annehmen konnte, daß ein Kollege hier zu einer Sache spricht, von der ich nicht so viel weiß, dann habe ich ihm den guten Willen nicht abgestritten.
({3})
Ich darf zum Schluß die Bitte wiederholen: Stimmen Sie nun in der dritten Lesung diesem Änderungsantrag zu!
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als nicht Befangener und nicht mehr Betroffener, aber als ehemaliger Gastwirt auf einem kleinen Dorf und als ein Anhänger der freien Marktwirtschaft lassen Sie mich die sachlichen Gründe darlegen.
Wenn Sie wüßten, wie schwer es ist, in einem Dorf den Verpflichtungen nachzukommen, das ganze Jahr über die Gastwirtschaft offen zu halten und Angestellte bereit zu halten, dann wäre Ihre Haltung aufgeschlossener! Ich selbst wollte meine Gastwirtschaft schließen. Ich durfte nicht, weil es die einzige Gastwirtschaft in einem Dorf mit 300 Einwohnern an der Durchgangsstraße war. Im Dorf werden die Frauen auch in Zukunft froh sein, wenn sie keinen Hausierer sehen, der sie in der Arbeit stört, der sie von der Arbeit abhält und den sie nicht loswerden.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Es wird auch vom Land weitgehend so empfunden, daß, wenn jemand von der Möglichkeit Gebrauch macht, das ambulante Gewerbe zu betreiben - ich stimme da dem Herrn Kollegen Professor Dr. Böhm zu -, dies der Beginn einer neuen Existenz sein kann. Aber es gibt auch eine Grenze. Ein Sprichwort heißt: „Fingerslang gehandelt ist besser als armslang geschafft".
Ich glaube, die Hauptgrundlagen für den Aufstieg zur Selbständigkeit müssen nicht unbedingt von dieser Seite kommen. Es dürfte ungeeignet sein, die Wettbewerbsgleichheit auf die Art herzustellen, daß man Bier und Wein für den Hausierhandel zuläßt.
Sie sollten alle diese Dinge berücksichtigen. Es ist schwierig, gerade in den abgelegenen Gegenden als Gastwirt jederzeit sein Lokal in Ordnung zu halten, zu modernisieren. Wenn die Gemeinde ein Anliegen hat, soll der Wirt da sein. Ich glaube, daß es nicht mehr als billig ist, den Gleichheitsstandpunkt entsprechend diesem Antrag zu vertreten.
Ich bitte Sie, den Antrag des Kollegen Dr. Dittrich und Genossen anzunehmen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dittrich und Genossen Umdruck 448 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte scheint die Mehrheit zu sein, das bezweifle ich nicht. Aber der Vorstand ist sich nicht einig. Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für den Antrag Dittrich ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist doch die Mehrheit; der Antrag, Herr Kollege Unertl, ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Schlußabstimmung. Ich gebe das Wort zur Schlußabstimmung dem Herrn Abgeordneten Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat mich gebeten, vor der Schlußabstimmung folgende Erklärung abzugeben.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Vierten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung zu. Es ist der Sinn dieses Gesetzes, durch die Entwicklung überholte Bestimmungen, soweit dies besonders dringlich ist, den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. Leider war es noch nicht möglich, eine umfassende Neugestaltung des Gewerberechts vorzunehmen. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern diese Neugestaltung vorbereitet. Viele der auch im Plenum angeschnittenen Probleme werden dabei behandelt werden müssen.
Die wichtigste Bestimmung der nun zu verabschiedenden Novelle ist der § 35. Sein neuer und, wir wir meinen, moderner Inhalt sowie die Neuregelung des Reisegewerbes und des Gewerbescheinsystems entsprechen der Grundauffassung der sozialen Marktwirtschaft, die allen Bürgern gleiche Chancen geben will und nur in Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses Einschränkungen zuläßt. Dieses öffentliche Interesse wird naturgemäß nicht von allen Seiten in ein und derselben Weise ausgelegt. Darum war es unvermeidbar, daß auch in unserer Fraktion nicht jeder mit allen Punkten im einzelnen einverstanden ist. Die Änderungsanträge, ob angenommen oder abgelehnt, besagen es. Dennoch wird das Gesamtergebnis von uns bejaht.
Starke Bedenken richten sich gegen die in der zweiten Lesung beschlossene Fassung des § 41a, wenngleich auch sie eine Verbesserung gegenüber
dem geltenden Recht darstellt. Die Sorge um die Jugend ist das Anliegen sicherlich aller Damen und Herren in diesem Hause. Wir müssen in der Arbeit für die Jugend alles nur Denkbare tun. Wir weisen aber gerade jetzt darauf hin, daß der notwendige Schutz der Jugend auch durch eine Anzahl anderer Gesetze angestrebt wird; es kommt nur darauf an, diese Gesetze richtig anzuwenden.
({0})
Wir haben darauf verzichtet, in der dritten Lesung einen neuen Antrag zum § 41a zu stellen. Sollte die Erfahrung jedoch lehren, daß die durch den angenommenen SPD-Vorschlag geänderte Fassung die Folgen zeitigt, die viele von uns befürchten, werden wir bei der Neukodifizierung der Gewerbeordnung oder schon früher eine Änderung vorschlagen.
Auch in weiteren Anträgen sind gewichtige Anliegen nicht zum Zuge gekommen. Wir werden auch hier beobachten müssen, ob sie nicht wieder aufgegriffen werden müssen.
Wir würden es aber für falsch halten, dieses umfangreiche Gesetz nur nach einigen wenigen Paragraphen zu beurteilen, über die sich offen oder diskret, aber in jedem Falle sehr leicht diskutieren läßt. Die Bedeutung der neuen Gewerbeordnung liegt in den §§ 35 und 56 sowie in der systematischen Vereinfachung der Vorschriften, durch die eine weitgehende Verwaltungsvereinfachung und damit Kostenersparnis entsteht. Wir begrüßen diesen Fortschritt und halten uns für berechtigt, trotz Bedenken im einzelnen die Novellierung der Gewerbeordnung als geglückt anzusehen. Wir werden dem Gesetz in der dritten Lesung zustimmen.
({1})
Keine weiteren Erklärungen zur Abstimmung.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung. Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU nachher auf.
Wer in dritter Lesung dieser Vorlage zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich lasse abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 429. - Möchten Sie dazu das Wort? - Hier ist in dem Schlußabsatz meiner Meinung nach ein Druckfehler enthalten. Es heißt: „auf die Landesregierung dahingehend einzuwirken". Soll es „Länderregierungen" oder „Bundesregierung" heißen?
({0}) - Wir lesen also „Länderregierungen".
Das Wort zu diesem Entschließungsantrag hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag stellen, diesen Entschließungsantrag heute nicht zu verabschieden, sondern dem Wirtschaftsausschuß zu
überweisen, weil darin eine Reihe wirtschaftspolitischer Fragen enthalten sind und genau überprüft werden muß, inwieweit solche Empfehlung an die Regierung gegeben werden sollte oder nicht.
Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht vor; ich muß zunächst darüber abstimmen lassen. Wird dem Antrag auf Überweisung an den Wirtschaftsausschuß zugestimmt? Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag auf Ausschußüberweisung ist abgelehnt.
Ich lasse über den Entschließungsantrag selbst abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist die gleiche Minderheit. Der Entschließungsantrag Umdruck 429 ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über die Ausschußanträge Nr. 2 und Nr. 3, die Sie auf der ersten Seite der Drucksache 1304 finden. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist diese Vorlage erledigt.
({0})
Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Volksverhetzung ({0}),
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1}) ({2})
({3}).
Darf ich fragen, ob der Berichterstatter das Wort wünscht?
({4})
- Der Herr Berichterstatter bezieht sich auf den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe also die Art. 1, - 2, - 3 und 4 sowie gleichzeitig Einleitung und Überschrift des Gesetzes in der Fassung der Drucksache 1143 auf. Änderungsanträge liegen hierzu nicht vor. Wird das Wort zu den aufgerufenen Teilen des Gesetzes gewünscht? Da Wortmeldungen nicht erfolgen, kommen wir zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer den aufgerufenen Teilen des Gesetzes von Art. 1 bis Art. 4 einschließlich Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist bei einer Reihe von Enthaltungen mit Mehrheit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Generaldebatte zur dritten Beratung und erteile dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß für die Bundesregierung, den Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung einzubringen, war, wie Ihnen bekannt ist, eine Reihe von Vorfällen, die mit Recht Aufsehen und Unruhe in der Öffentlichkeit erregt haben. Doch waren diese Vorfälle nur ein äußerer Anstoß. Denn, wie dem Hohen Hause ebenfalls bekannt ist, ist schon seit Jahren geplant, dem geltenden § 130 des Strafgesetzbuches eine neue, wirksamere Fassung zu geben. Die alte Vorschrift ist überholt, weil sie mit dem Begriff der „Klassen der Bevölkerung" arbeitet, der sich für uns überlebt hat. Die alte Vorschrift ist wenig wirksam, weil sie nur dann eingreift, wenn jemand Bevölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt. Diese enge Fassung wird den Formen nicht mehr gerecht, mit denen heute eine friedenstörende Volksverhetzung betrieben wird.
Von beiden Seiten dieses Hohen Hauses wie auch von der Bundesregierung ist daher schon seit langem immer wieder versucht worden, eine wirksamere Vorschrift an die Stelle des alten § 130 StGB zu setzen. Zuerst ist das in § 9 des 1950 von der Fraktion der SPD vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie geschehen. Im gleichen Jahre hat die Bundesregierung im Entwurf des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes eine entsprechende Neufassung des § 130 StGB vorgeschlagen, die auch den Bundesrat durchlief, aber aus Zeitgründen weder mit dem Ersten, noch mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz verabschiedet werden konnte. Die Fraktion der CDU/CSU hat daher 1957 den Entwurf eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes eingebracht, der ebenfalls eine auf den früheren Entwürfen aufbauende Neufassung des § 130 StGB zum Ziele hatte. Zwar konnte auch dieser Entwurf aus zeitlichen Gründen nicht mehr verabschiedet werden. Doch zeigen alle diese Bemühungen, daß Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat hier im Grundsätzlichen ein gemeinsames Anliegen verfolgen.
Trotzdem sind die Auffassungen über die Wege, die man einschlagen sollte, verschieden. In der ersten Lesung des Entwurfs in diesem Hohen Hause sind daher auch Stimmen wohlmeinender Kritik laut geworden, die auch während der Beratungen im Rechtsausschuß nicht verstummt sind. Einmal hat man eingewendet, daß das Strafrecht kein taugliches Mittel sei, um der Intoleranz zu begegnen und zu geistiger Toleranz zu erziehen. Gewiß, das Strafrecht ist kein ideales Erziehungsmittel. Die Aufgabe, Achtung und Verständnis für eine Volksgruppe zu wecken, der man selber nicht angehört, ist eine Aufgabe, die zuerst und vor allem durch Erziehung im Elternhaus, in Kirche und Schule sowie durch Vorbild und gemeinschaftliches Erleben in der staatlichen Wirklichkeit gelöst werden soll und muß.
Doch hat auch hier das Strafrecht seine Aufgabe. Seine Sache ist es, weithin sichtbar Werttafeln aufzurichten, die nicht nur eine negative, sondern auch eine positive Wirkung ausstrahlen. Weiter
hat das Strafrecht auch eine hemmende Wirkung. In den Beratungen des Rechtsausschusses ist bereits das Wort eines hohen englischen Richters zitiert worden, das diese Wirkung sehr schön zum Ausdruck bringt: Das Gesetz kann nicht dazu zwingen, den Nächsten zu lieben; aber es kann es schwieriger machen, Haß gegen ihn zu schüren.
Schließlich lassen Sie mich noch eines sagen: Der Intoleranz stets nur mit Toleranz zu begegnen, ist gefährlich. Die Weimarer Republik ist nicht zuletzt daran zu Grunde gegangen, daß sie die Toleranz gegen die Intoleranten zu weit getrieben hat.
({0})
Der zweite wesentliche Einwand gegen den Entwurf war der, daß er trotz seiner allgemeinen Fassung auf ein Schutzgesetz für die Juden hinauslaufe, denen man durch ein solches privilegium odiosum einen schlechten Dienst erweise; denn der Entwurf isoliere sie als eine Sondergruppe der Bevölkerung und erreiche damit gerade das, was die Antisemiten wollten. Sosehr ich Verständnis für die Sorge habe, die hinter diesen Bedenken steht, so vermag ich diese Bedenken doch nicht zu teilen.
Zunächst ist der Entwurf kein Schutzgesetz für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Was er schützen will, ist, wie aus dem Wortlaut des neuen § 130 und auch aus dessen systematischer Stellung im Gesetz eindeutig hervorgeht, der öffentliche Frieden, der durch die Erregung von Haß gegenüber einzelnen Volksgruppen sehr empfindlich gestört werden kann. Der öffentliche Frieden ist nicht nur ein durch die Rechtsprechung klar abgegrenzter juristischer, sondern auch ein sehr realer politischer Begriff, wie die Auswirkungen der Fälle gezeigt haben, die Anlaß dieses Entwurfes geworden sind.
Daß es sich bei dem Entwurf nicht um ein Schutzgesetz für unsere jüdischen Mitbürger handelt, zeigt auch, daß er sich auf Gruppen verschiedenster Art bezieht. Inwieweit das Gesetz hinsichtlich dieser Gruppen praktische Bedeutung erlangen wird, läßt sich heute noch nicht übersehen. Als das 1. Strafrechtsänderungsgesetz entworfen wurde, spielten auch die Flüchtlinge eine aktuelle Rolle. In weiteren acht Jahren wird vielleicht eine andere Volksgruppe Zielscheibe einzelner Böswilliger werden. sicher ist jedenfalls, daß der Entwurf nicht ein Sondergesetz zum Schutz der Juden ist.
Dem Entwurf liegt auch nichts ferner, als die in dem neuen § 130 genannten Volksgruppen von der Gesamtbevölkerung zu isolieren. Daß es innerhalb des Volkes Gruppen gibt, ist eine Realität, und zwar in der Regel eine sehr gesunde und begrüßenswerte Realität. Erst diese Gruppen sind es, die in ihrer Eigenart den Gesamtkörper eines Volkes und Staates prägen und darstellen. Daß ein Gesetz solche Gruppen nennt, heißt in keiner Weise, das es sie isoliert.
Ob unsere jüdischen Mitbürger eine Gruppe im Sinne des Entwurfs bilden, ist eine Frage, die sich der Kompetenz des Gesetzgebers entzieht. Der Rechtsausschuß hat insoweit auch eine Fassung gefunden, die die Frage mit aller Vorsicht offenläßt und es für ausreichend erklärt, wenn der Täter be5082 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode
Bundesjustizminister Schäffer
stimmte Menschen als Gruppe treffen will. Ich möchte meinen, daß mit dieser Fassung auch der Rest des Bedenkens ausgeräumt sein sollte, daß der Entwurf legalisiere, daß es eine isolierte Gruppe der jüdischen Mitbürger gebe.
Wir beseitigen die Gefahr nicht, wenn wir es beim geltenden Recht bestehen lassen. Denn wie sieht es mit der Heraushebung der Juden als einer besonderen Gruppe aus, wenn das geltende Recht den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland dazu zwingt, in solchen Fällen Strafantrag wegen Beleidigung der deutschen Juden als eine beleidigungsfähige Personengemeinschaft zu stellen?
Damit komme ich zum letzten Punkt der Kritik, dem Einwand, daß das Gesetz nicht nötig sei, weil andere Vorschriften des Strafrechts ausreichten, um den erforderlichen Schutz zu gewähren, und weil es in Deutschland einen Antisemitismus im eigentlichen Sinne nicht gebe. Gewiß ist richtig, daß in manchen Fällen das geltende Strafrecht helfen kann, etwa mit den §§ 93 oder 140 des Strafgesetzbuches. Das gilt aber nur für Einzelfälle. Die Beleidigungsvorschriften kommen zwar für die große Masse der Fälle in Betracht. Ich bin aber mit Entschiedenheit der Meinung, daß sie keinen ausreichenden Ersatz bieten; denn es geht nicht darum, daß einzelne Mitbürger beleidigt werden, deren Sache es dann sein muß, ihr Recht mit Hilfe eines Strafantrags selber zu suchen, sondern es geht darum, daß der Frieden im gemeinsamen Hause des Volkes gestört wird, und damit um eine Angelegenheit, die den Staat unmittelbar angeht und in die er eingreifen muß, um den öffentlichen Frieden zu sichern.
Der neue § 130 soll solchen Störungen vorbeugen. Gewiß kann zum Glück keine Rede davon sein, daß es einen Antisemitismus in eigentlichem Sinne in Deutschland gibt. Doch kommen immer wieder einzelne Fälle antisemitischer Äußerungen vor, die mit den Beleidigungsvorschriften nur unbefriedigend erfaßt werden können. Erst in diesen Tagen ist durch meine Hände das Urteil eines Schöffengerichts gegen den Betriebsratsvorsitzenden eines mittleren Betriebes gegangen, der mehrmals gegenüber seinen Arbeitskollegen erklärt hatte, daß noch viel zu wenig Juden vergast worden seien. Sehr mit Recht wehrt sich der Zentralrat der Juden in Deutschland dagegen, in solchen Fällen Strafantrag stellen zu müssen, damit es überhaupt zu einer Bestrafung kommt. Es ist Sache des Staates, hier den Anfängen zu wehren. Nach den schrecklichen Erlebnissen der Jahre vor 1945 kann das nicht früh genug geschehen. Deshalb ist das Gesetz gegen Volksverhetzung meiner Überzeugung nach heute und jetzt notwendig.
Zu den einzelnen rechtlichen Problemen, die der Entwurf aufwirft, möchte ich nicht Stellung nehmen. Ich glaube, daß diese Probleme in der Arbeit des Rechtsausschusses und schon vorher in den Beratungen des Rechtsausschusses des Bundesrates und der Großen Strafrechtskommission, die ebenfalls den Entwurf decken, vorbildlich gelöst worden sind. Der Dank der Bundesregierung gilt allen diesen Gremien. Sie haben den Weg frei gemacht für meine rechts- und kriminalpolitisch wohl begründete Bitte
an das Hohe Haus, dem Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch unter Beachtung der Ausführungen, die der Herr Bundesminister der Justiz soeben gemacht hat, bleibt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei den von ihr in den Ausschußberatungen bereits vorgetragenen Bedenken.
Ich darf hierzu im einzelnen namens meiner Fraktion folgende Erklärung abgeben.
Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, eine Mitverantwortung für dieses Gesetz zu übernehmen. Daß wir uns bei dem Versuch, den öffentlichen Frieden vor einem Mißbrauch der Meinungsfreiheit zu schützen, der Stimme enthalten, beruht auf der Überzeugung, daß wir hier Strafbestimmungen für kein geeignetes Mittel ansehen. Nicht aber bedeutet die Stimmenthaltung ein Schweigen zu Gefahren, die zu bekämpfen und zu überwinden eine gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Kräfte sein muß. Bereits die Tatsache, daß es zu der Erwägung kommen konnte, wie neuen Anzeichen des Rassenwahns zu begegnen ist, sollte uns eindringlich an die Verantwortung erinnern, die uns aus der Vergangenheit gegenwärtig zu bleiben hat. Darum darf nicht einmal der Anschein erweckt werden, als ließen sich die gesetzgebenden Körperschaften von einer Rücksicht auf das Ausland bestimmen. Das, meine Damen und Herren, wäre eine leere Geste des Opportunismus, die das eigene Verhalten nur entwerten könnte.
Haßerregenden Äußerungen eines die Menschenwürde verletzenden Ungeistes entgegenzutreten, isst für uns Verpflichtung um unserer Selbstachtung willen. Wir sind es unserer Jugend schuldig, um sie vor einer Wiederkehr des Makels zu bewahren, der unsere Geschichte dadurch befleckt, daß Menschenverachtung aus Feindschaft wegen des Glaubens und Denkens und aus Rassenwahn zur mörderischsten aller politischen Waffen gemacht wurde.
Wenn auch einzelne Vorkommnisse nicht verallgemeinert und überschätzt werden sollten, so hat doch angesichts der Verfolgungen und der Massenmorde, die sich zu unserer Zeit in Deutschland ereigneten, jede Regung solcher Gehässigkeit eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Es wäre eine gefährliche Selbsttäuschung, anzunehmen, daß es Antisemitismus nicht mehr gebe und Rückstände oder Ansätze verhüllter Verbindungen nicht mehr bestünden. Es gibt noch Antisemitismus, sowohl latent als auch offen in Äußerungen, die für einzelne Presseerzeugnisse und Splitterparteien kennzeichnend sind. Das zu verschweigen wäre falsch.
Einen Beweis dafür, daß sich immer wieder im Verborgenen Helfershelfer finden, um Schuldige durch eine Verschwörung des Schweigens abzuschirmen oder durch jede Art der Begünstigung zu unterstützen, ein Beispiel für eine solche Verschwörung des Schweigens zugunsten eines Mitträgers jeWittrock
nes Ungeistes haben wir in diesen Tagen beobachten können.
Der Bundestag, so wünschen wir, ruft das ganze deutsche Volk auf, mit allem Nachdruck das unwürdige Treiben der Verhetzten oder Unbelehrbaren von sich zu weisen, die zur gruppenweisen Verachtung, zur hetzerischen Feindschaft zwischen Andersdenkenden und Andersglaubenden, insbesondere zum Judenhaß, aufstacheln.
Wir Sozialdemokraten halten jedoch ein Gesetz für verfehlt, das seinem Anlaß und seinem Kern nach als ein strafrechtlicher Sonderschutz für die Deutschen wirken könnte, die aus Rassenwahn als Juden angegriffen werden. Im eigenen Volke als Jude beschützt werden zu müssen, ist für den Verletzten ebenso kränkend wie die ihm widerfahrende Mißachtung. Es ist peinlich für uns alle.
Mit Recht hat man es einen antisemitischen Neutralismus genannt, wenn Mitbürger als Juden unter eine Art Denkmalsschutz gestellt werden sollen. In der Fassung der Regierungsvorlage hätte ein solches Gesetz daher das Gegenteil seines Zieles erreicht, da es einen Zerfall des Volkes in Gruppen anerkannt hätte, die durch unfreiwillige Merkmale aus der Gemeinschaft aller auszusondern sind.
Die Ausschußvorlage schwächt diesen Fehler in anerkennenswerter Weise ab, indem sie es nicht mehr darauf abstellt, daß solche angeblichen Gruppen, in die man ohne eigenes Zutun hineingeboren sein soll, wirklich beständen. Nach der Ausschußvorlage wird es vielmehr als rechtswidrig anzusehen sein, daß der Täter aus seiner Einbildung die Gemeinschaft in Gruppen aufzulösen sucht, die er sich vorstellt und die er zu Unrecht mit seiner Verachtung treffen will. Wir sind dankbar, daß der Ausschuß insoweit Vorschlägen von sozialdemokratischer Seite gefolgt ist.
Dennoch vermag diese Verbesserung unsere grundsätzlichen Bedenken nicht auszuräumen. Auch die Neufassung kann die Gefahr nicht vollständig bannen, daß eine solche Strafvorschrift den gesetzgeberischen Absichten zuwider auf die zurückschlägt, die geschützt werden sollen. Die für alle gleiche Rechtsordnung darf auch aus der Sicht eines Rechtsbrechers nicht zwischen vorstellbaren Gruppen, die besonders verletzlich und schutzwürdig sind, und solchen Gruppen, die es nicht sind, teilen. Die Rechtsgemeinschaft eines Volkes ist nicht teilbar.
Wir sind der Auffassung, daß die bestehenden Strafbestimmungen, wenn sie nur richtig angewandt werden, ausreichen, um den Ausschreitungen zu begegnen, die von diesem Gesetzentwurf getroffen werden sollen. Mit Recht hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß ein Angriff auf die Gleichberechtigung dadurch, daß angeblichen Gruppen das Gleichsein als Mensch und Bürger aberkannt werden soll, nicht nur die Geschmähten trifft, sondern sich gegen die gemeinsame Freiheit aller richtet und dadurch strafrechtlich das Ganze gefährdet.
Es fehlt nicht an Gesetzen; aber es hat leider in Einzelfällen an Richtern gefehlt. Der verantwortlichen Richterschaft muß das Gewissen dafür geschärft werden - das sei im übrigen in diesem Zusammenhange bemerkt -, daß in Strafverfahren mit politischem Hintergrund nur der zum unbefangenen Richter berufen sein kann, der selber nicht aus seiner Vergangenheit in eigene Schuld verstrickt ist.
Kein Gesetz ist gegen Fehlanwendung sicher. Dieser Gesetzentwurf birgt jedoch in so gesteigertem Maße die Gefahr eines innenpolitischen Mißbrauchs in sich, daß die demokratische Notwendigkeit der Meinungsfreiheit uns davon zurückhalten sollte, auch nur einen Ansatz dafür zu bieten, der falschen Bestrebungen dienstbar gemacht werden könnte, die Freiheit der Meinung zu beschränken. Angesichts bedenklicher Präzedenzfälle besteht leider keine Gewähr dafür, daß sich die Rechtsprechung an die Auslegung gebunden hält, die nach einstimmiger Auffassung richtig im Ausschußbericht zum Ausdruck kommt.
Was dieser Gesetzentwurf zu schützen meint, ist der Frieden der Gemeinschaft. Darüber, daß dieser Frieden in Freiheit ein hohes Gut ist, kann es keine Meinungsverschiedenheit geben. Es ist zwar selbstverständlich, daß eine Gemeinschaft Gesetze nicht entbehren kann. Wir dürfen aber nicht Gesetze für Allheilmittel halten und nicht die Einsicht außer acht lassen, daß Gesinnungen, nicht Gesetze, die Gemeinschaft bilden.
Die uns gestellte Aufgabe ist eine Frage der politischen Gesittung. Für die Lösung dieser Aufgabe gilt es im ganzen Volke die aus freiem Willen entspringenden Kräfte guter, mitmenschlicher Gesinnung zu wecken, auch dadurch, daß wir getreu den Mahnungen von Theodor Heuss niemals den Versuchungen der Vergeßlichkeit und des Vergessenswollens nachgeben.
Dazu gehört auch, meine Damen und Herren - und das ist ein sehr wesentlicher Punkt -, offene oder versteckte Reden zu unterlassen, welche bezwecken, die Wiedergutmachung in Verruf zu bringen.
({0})
Dazu gehört, Bestrebungen zu entlarven, die das Geschehene nicht wahrhaben wollen oder Gerechtigkeit nicht mehr walten lassen wollen. Selbstverständlich ist die Wiedergutmachung nicht unfehlbar und deshalb auch der Kritik nicht entzogen. Aber daß einer - und das kann ein einzelner sein, meine sehr verehrten Damen und Herren - aus kaum verhülltem Antisemitismus durch böswillige Redereien und Anzweiflungen die ohnehin schwächliche Bereitschaft zur Wiedergutmachung untergräbt, kann schlimmer sein als eine antisemitische Rüpelei und würde doch durch dieses Gesetz nicht getroffen. Denn der Staat kann durch ein Gesetz nicht leisten, was in einem solchen Falle die gesellschaftlichen Kräfte selber tun müßten.
Und was müssen sie tun? Sie müssen den Betreffenden, den Rechtsbrecher, denjenigen, der sich in Widerspruch zu den moralischen Prinzipien der Gemeinschaft stellt, disqualifizieren. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, deren Pflege namentlich im Bereich der Wiedergutmachung sich der Bundestag, die Bundesregierung, die Länder und das ganze
Volk mehr noch als bisher widmen sollten, die in der Vergangenheit übermächtigen Ausbrüche des Rassenwahns und der um Bemäntelungen und um Selbstmitleid nie verlegenen Menschenverachtung als eine schändliche Entwürdigung des Menschen zu erkennen.
Dieser Aufgabe kann die Gesellschaft sich nicht durch ,eine neue Strafvorschrift entledigen, die gleichsam zuständigkeitshalber der Polizei überweist, was die gesellschaftlichen Kräfte selber in die Hand nehmen müssen. Nicht durch falschverschämtes Wegsehen und Überhören, sondern durch Erziehung, durch Aufklärung, auch durch gemeinsame Empörung und durch Einstehen für den anderen und durch die Macht der wachsamen öffentlichen Meinung können die Gefahren gebannt werden, denen der Gesetzenwurf in untauglicher Weise entgegenzuwirken versucht.
Mit anderen Worten: Die ständig getätigte Anerkennung der Gleichberechtigung all e r Menschen kann allein die Grundlage einer freien Gesellschaft sein, die den dunklen Außenseiter ohne Strafgesetz einer selbstverständlichen Ächtung preisgibt.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wittrock hat viel Richtiges in guter Form gesagt, das gegen den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung spricht. Eine Strafbestimmung dieses Inhalts wird von uns seit zehn Jahren erörtert. Wir meinen, es sei nicht richtig, diese Strafbestimmung jetzt zu verabschieden, sondern halten es für richtig, sie im Zusammenhang mit der nach unserer Hoffnung möglichst bald durchgeführten allgemeinen Reform unseres Strafrechts zu bedenken.
Der Gesetzentwurf erstrebt vor allem die Abwehr judenfeindlicher Äußerungen und Handlungen. Es will auch uns fraglich erscheinen, ob eine solche strafrechtliche Schranke wirksam wäre. Vor allem: Nach dem Schlimmen, das geschehen ist, will uns das Strafgesetz nicht als das gemäße Mittel erscheinen, den letzten Rest des Ungeistes zu bannen; die geistige Umkehr muß tiefer ,gründen. Gewichtige jüdische Stimmen haben vor dem verhängnisvollen Geschenk eines strafrechtlichen Sonderschutzes gewarnt. Wir dürfen diese Stimmen nicht überhören.
Die Tatbestände, die durch den Entwurf getroffen werden sollen, werden im wesentlichen von den Vorschriften des Strafgesetzbuches gegen die Beleidigung erfaßt. Es bedarf lediglich einer Ergänzung - gerade im Hinblick auf das Ziel dieses Entwurfs daß dann, wenn durch die Beleidigung der öffentliche Friede gefährdet wird, die Strafverfolgung von Amts wegen eingeleitet werden kann. Wird eine solche Regelung getroffen, so erübrigt sich nach unserer Überzeugung in Übereinstimmung mit der Ansicht der Repräsentanten der deutschen jüdischen Verbände der Erlaß eines Gesetzes gegen Volksverhetzung.
Ausschließlich diese Gründe führen die Freien Demokraten dazu, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Volksverhetzung gebe ich im Namen der DP-Fraktion folgende Erklärung ab.
Zur ersten Lesung des Entwurfs am 8. April dieses Jahres hat mein Kollege Probst namens der DP-Fraktion bereits die Grande dargelegt, die die Haltung meiner Fraktion gegenüber diesem Entwurf bestimmen. Die Verhandlungen im Rechtsausschuß, die ihren Niederschlag in dem uns vorliegenden Bericht des Herrn Kollegen Benda gefunden haben, sind nicht geeignet gewesen, uns zu einer Änderung unserer grundsätzlichen Auffassung zu veranlassen. Insofern kann ich mich nach wie vor uneingeschränkt auf die damaligen Ausführungen meines Kollegen Probst beziehen. Unsere Auffassung, daß es unmöglich ist, mit Hilfe strafgesetzlicher Maßnahmen ein größeres Maß an Toleranz herbeizuführen, ist durch die Argumente der Befürworter dieses Gesetzentwurfs nicht erschüttert worden. Zu dieser unserer grundsätzlichen Auffassung kommt noch hinzu, daß es sich nach unserer Ansicht bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um eine Regelung handelt, die bestimmte Gruppen unseres Volkes unter eine Ausnahmegesetzgebung stellt. - Soweit zum Grundsätzlichen.
Darüber hinaus ist nach Auffassung meiner Fraktion der Gesetzentwurf aber auch in seinen einzelnen Bestimmungen nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. In dem geänderten § 130 Strafgesetzbuch ist die Rede von nationalen, rassischen. religiösen oder durch ihr Volkstum bestimmten Gruppen. Wir sind der Meinung, daß es in bezug auf die nationalen, religiösen oder durch ihr Volkstum bestimmten Gruppen in der Praxis kaum Tatbestände gibt, die als strafwürdige Delikte im Sinne des geänderten § 130 faßbar wären. Es muß aber an dieser Stelle vor der Gefahr gewarnt werden, daß der Hinweis auf die religiösen Gruppen unter Umständen zu Mißbräuchen in der politischen Auseinandersetzung führen kann.
Was im Kern übrigbleibt - und das ist ja auch der Ausgangspunkt dieser Vorlage -, ist der Hinweis auf die rassische Gruppe und ihre eventuelle Diskriminierung. Das ist aber faktisch die auf eine bestimmte Gruppe bezogene Ausnahmegesetzgebung. Hier halten wir an unserer Auffassung fest, daß eine solche Heraushebung oder Abgrenzung den Prozeß der von uns allen gewünschten Einfügung und Einschmelzung nicht fördert, sondern hemmt. Wer eine Versöhnung zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk wünscht, wer mitwirken will an der Herbeiführung eines Zustandes, in dem das Miteinander die selbstverständliche Lebensweise in unserer Gesellschaft darstellt, der
Dr. Schneider ({0})
kann kein Gesetz wünschen, das eine bestimmte Gruppe heraushebt und sie damit der Gefahr der Vereinzelung und Entfremdung in der Gemeinschaft aussetzt.
Mit dem gleichen Ernst betrachten wir schließlich eine andere Folge, die gewiß von allen nicht gewünscht ist, sich aber an die Verabschiedung dieses Gesetzes knüpfen kann. Niemand von uns kann bestreiten, daß seit geraumer Zeit im Ausland eine neue Welle der Verdächtigungen gegen das deutsche Volk hervorgerufen wird. In einem Zusammenspiel, dessen Einzelheiten kaum zu beweisen und oftmals nur zu erahnen sind, bemühen sich bestimmte Kreise, das Gespenst eines neuen Antisemitismus in Deutschland an die Wand zu malen. Demgegenüber muß hier mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, daß unser Volk in seiner überwiegenden Mehrheit aus den furchtbaren Taten der Vergangenheit Lehren gezogen hat.
({1})
Unter 50 Millionen wird es immer eine Reihe von räudigen Schafen, wird es immer auch Unbelehrbare, Dumme und Narren geben. Das gilt wie für uns auch für alle übrigen Völker. Mit diesen Ausnahmen fertig zu werden, bedarf es nach Auffassung meiner Fraktion keines neuen Gesetzes. Die Verabschiedung eines solchen neuen Gestezes, wie es uns hier vorliegt, kann demgegenüber allzu leicht für alle jene, die uns insgesamt übelwollen, ein Beweis dafür sein, daß wir uns des angeblich neu aufkommenden Antisemitismus gar nicht mehr anders als durch neue Gesetze zu erwehren wissen. Genau das trifft aber auf unsere Situation in keiner Weise zu. Auch aus diesem Grunde lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Meine Damen und Herren, vorhin ist mir eine Notiz gereicht worden, die ich Ihnen doch nicht vorenthalten will. Im heutigen 13-Uhr-Nachrichtendienst des Norddeutschen Rundfunks und des Westdeutschen Rundfunks wurde folgende Meldung durchgegeben:
Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland,
- heute, 13 Uhr! Herr Dr. van Dam, hat am heutigen Donnerstag sich noch einmal zu dem Gesetz gegen Volkshetzung geäußert und seine Bedenken gegen dieses Gesetz noch einmal unterstrichen.
Damit ist das gleiche, was der Sprecher der SPD sagte, heute noch einmal ganz deutlich über den Rundfunk zum Ausdruck gebracht worden. Ich meine, diese Äußerung, der ich allergrößten Wert beimesse, sollte man doch auch berücksichtigen, wenn man zu diesem Gesetz Stellung nimmt.
Herr Präsident, gestatten Sie mir schließlich außerhalb des Rahmens meiner Erklärung noch einen einzigen Satz. Herr Kollege Wittrock, ich bedaure es außerordentlich, daß Sie vorhin in Ihrer Erklärung die Formulierung gebraucht haben: bei der sowieso schwächlichen Bereitschaft zur Wiedergutmachung. Diese Behauptung stimmt nicht, denn die Leistungen, die wir bei der Wiedergutmachung schon erbracht haben, widerlegen sie restlos.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte lediglich zu der Äußerung des Herrn Vorredners Stellung nehmen, die sich auf eine angebliche Rundfunkrede des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Herrn van Dam, bezieht. Ich kenne Herrn van Dam persönlich, und ich habe auch seine schriftliche Stellungnahme aus der früheren Zeit. Ich kann nicht annehmen, daß er seine Meinung geändert hat, ich kann aber wohl annehmen, daß hier ein Mißverständnis vorliegt.
Herr van Dam wendet sich sehr nachdrücklich dagegen, daß die Strafverfolgung nur auf Antrag des einzelnen geschieht, er will die Form des Offizialdelikts. Er sagt ausdrücklich:
Es erscheint uns
- er spricht im Namen des Zentralrats als unbedingt erforderlich, diese sogenannten Beleidigungen oder Verleumdungen von nationalen, rassischen, religiösen und durch ihr Volkstum bestimmten Gruppen unter richtigen strafrechtlichen Gesichtspunkten zu ahnden. Hierbei ist nicht die Höhe der Strafe das Entscheidende, sondern die Notwendigkeit, derartige Handlungen zu Offizialdelikten zu machen und sie dem Ermessen des einzelnen zu entziehen.
Der Sinn des Gesetzentwurfs ist es gerade, dem Ersuchen zu entsprechen und diese Delikte zu Offizialdelikten zu machen, so daß die Strafverfolgung nicht mehr von der Antragstellung des einzelnen abhängig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend den interfraktionellen Vereinbarungen muß ich es mir versagen, zu dem, was im Verlauf dieser Debatte gesagt worden ist, im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich möchte daher, genau wie meine Kollegen von den anderen Fraktionen, eine vorher formulierte Erklärung abgeben. Ich bitte Sie aber, damit einverstanden zu sein, daß ich zunächst in meiner Eigenschaft als Berichterstatter zu zwei Punkten dieser Materie ganz kurz etwas bemerke.
Das eine ist der Punkt, den der Herr Bundesminister der Justiz soeben bereits erwähnt hat. Ich habe zu berichten, daß dem Ausschuß in der Tat, wie Herr Abgeordneter Dr. Dehler hier gesagt hat, gewichtige Äußerungen angesehener Juden vorgelegen haben, in denen Bedenken gegen das Gesetz zum Ausdruck kamen. Das ist im Ausschuß von verschiedenen Seiten zur Sprache gekommen.
Auf der anderen Seite hat dem Ausschuß ein Schreiben des Zentralrats der Juden in Deutschland vom 8. Mai 1959 vorgelegen, aus dem der Herr Bundesminister der Justiz eben einen Absatz zitiert
hat, mit einer anhängenden Presseverlautbarung, die mir hier genauso vorliegt, wie sie dem Ausschuß vorgelegen hat. Der Ausschuß hat selbstverständlich pflichtgemäß neben anderen Eingaben, die ihm vorgelegen haben, auch diese Eingabe zum Gegenstand seiner Überlegungen gemacht. Die Presseverlautbarung des Zentralrats der Juden in Deutschland, die diesem Schreiben angehängt war, enthielt in der Tat Bedenken gegen den Entwurf der Bundesregierung, aber nicht etwa in der Richtung, wie sie meine Herren Vorredner hier von ihren verschiedenen Standpunkten aus vorgetragen haben. Vielmehr beruhten diese Bedenken auf den Gesichtspunkten, die der Herr Bundesminister der Justiz eben vorgetragen hat. Sie gingen von einer irrtümlichen Auslegung des Entwurfs durch den Zentralrat der Juden aus, der annahm, daß es, wenn der Entwurf Gesetz werde, weiterhin erforderlich sein werde, bei derartigen Straftaten einen Strafantrag zu stellen. Dies trifft nicht zu. Darüber hat bei aller sonstigen Verschiedenheit der Auffassungen im Ausschuß Einmütigkeit bestanden.
Von einem Kollegen ist bezweifelt worden, daß es sich um eine Stellungnahme des Zentralrats der Juden in Deutschland, also des gesamten Gremiums, handele. In dem Schreiben heißt es jedenfalls, daß eine Stellungnahme des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland zu diesem Gesetzentwurf überreicht werde. Wie diese Stellungnahme zustande gekommen ist, entzieht sich meiner Beurteilung.
Zweitens. Der Herr Kollege Schneider hat auf die von ihm gesehene Möglichkeit eines Mißbrauchs des Begriffs der religiösen Gruppe hingewiesen. Ich darf mir erlauben, aus dem von mir vorgelegten Ausschußbericht, zu Drucksache 1143, einen kurzen Absatz zu zitieren, aus dem sich die einmütige Auffassung des Ausschusses zu dieser Frage ergibt. Es heißt in meinem Bericht wie folgt:
Hinsichtlich der religiösen Gruppen bestand im Ausschuß einmütige Übereinstimmung darüber, daß unter einer solchen religiösen Gruppe - auch subjektiv vom Täter her gesehen - nur eine solche Gruppe verstanden werden kann, deren Angehörige ausschließlich und unmittelbar durch ihre Religion verbunden sind, also nicht etwa durch eine berufliche oder sonstige weltliche Tätigkeit auf der Grundlage ihrer Religion.
Alle Mitglieder des Ausschusses haben, wie ich glaube, mit Recht, auf diese Feststellung der Übereinstimmung Wert gelegt. Welchen praktischen Wert eine solche Feststellung in den Motiven der Gesetzgebung hat, ist eine andere Frage, die ich hier nicht zu untersuchen habe. Ich wollte es aber nicht unterlassen, auf diese einmütige Auffassung des Ausschusses hier hinzuweisen. Diese Bemerkungen habe ich als Berichterstatter gemacht.
Nun möchte ich im Namen meiner politischen Freunde folgendes erklären. Zunächst sollten wir - das erscheint mir und meinen Freunden wichtig -bei allen Meinungsverschiedenheiten über Fragen der kriminalpolitischen Zweckmäßigkeit, die in den eben abgegebenen Erklärungen hervorgetreten sind, nicht die Übereinstimmung in der grundsätzlichen Frage der Zielsetzung übersehen. Es besteht - das ist aus den Erklärungen meiner Herren Vorredner in begrüßenswerter Weise hervorgegangen - Einigkeit darüber, daß es heute und in Zukunft den Unbelehrbaren oder Unverbesserlichen in Deutschland nicht gestattet werden kann und soll, den öffentlichen Frieden durch böswillige Hetze gegen bestimmte Volksteile zu gefährden. Es besteht, wie ich glaube, in diesem ganzen Hause Einigkeit darüber, daß niemand in unserem Volke seines Glaubens oder seiner Abstammung wegen zum Gegenstand des Hasses oder der Verleumdung gemacht werden darf. Dies gilt nicht nur, aber sicherlich ganz besonders für die jüdischen Menschen, die in einer traurigen Zeit so sehr dem Hasse ausgesetzt gewesen sind, daß sie heute wohl Anspruch auf ein besonderes Maß von Achtung, ich möchte sagen, von Liebe ihrer Mitmenschen haben.
Über diese Grundsätze sind wir einig. Wir von der Fraktion der CDU/CSU - auch das darf ich hinzufügen - denken nicht etwa daran, irgend jemandem, der über die zur Entscheidung stehende konkrete Frage anderer Auffassung ist als wir, zu unterstellen, daß er sich in diesen selbstverständlichen Grundsätzen von uns irgendwie unterscheide.
Meinungsverschiedenheiten bestehen vielmehr über die Frage, was der Gesetzegber tun kann und tun soll. Wir wissen - ich darf das von dem Herrn Bundesminister bereits zitierte Wort noch einmal aufgreifen -, daß der Gesetzgeber die Nächstenliebe nicht erzwingen kann; aber er kann und soll es schwieriger machen, Haß zu schüren. Um diese Frage geht es uns. Der Gesetzgeber kann und muß nach unserer Überzeugung derjenigen Störung des öffentlichen Friedens wehren, die mit der bösen Hetze, der haßvollen Beschimpfung oder der niederträchtigen Verleumdung häufig verbunden ist. Der Entwurf der Bundesregierung erfaßt mit Recht nur diese schwersten Fälle. Wo lediglich der einzelne Staatsbürger beleidigt worden ist, mag er selbst sein Recht nach den §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches suchen. Der Staat hat nur dort einzugreifen, wo der öffentliche Friede gefährdet ist.
Dies heißt nach unserer Auffassung nicht - um ein Wort des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt aus früheren Beratungen aufzunehmen -, daß man „der Intoleranz intolerant mit dem Strafgesetzbuch wehren" wolle. Zwar ist Strafrecht seinem Wesen nach intolerant und muß es auch sein. Maßgebend ist, wogegen sich das Gesetz wendet.
Dieses Gesetz wendet sich nicht gegen die bei einzelnen noch vorhandene traurige Geisteshaltung, gegen die weniger durch Befehle des Gesetzgebers als durch die ständigen Bemühungen jedes einzelnen redlichen Staatsbürgers, insbesondere in der Erziehung im weitesten Sinne, anzugehen ist. Tätertyp im Sinne dieses Gesetzes ist nicht der einzelne Uneinsichtige, für den man manchmal beinahe nur Bedauern empfinden muß. Tätertyp im Sinne dieses Entwurfes ist ein Mensch wie Julius Streicher, dessen Haßfeldzüge den ungeheuren Mord der Nazizeit erst ermöglicht haben. Gegenüber diesen MenBenda
schen geht es nicht um die Frage der Toleranz, sondern um die Selbsterhaltung des demokratischen Staatswesens schlechthin.
Wir folgen dabei Äußerungen wie denen des sozialdemokratischen Berliner Sozialsenators Joachim Lipschitz in der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland vom 22. Mai dieses Jahres, in der es heißt:
Wir haben zu appellieren an den Deutschen Bundestag als das höchste Parlament, als die frei gewählte Volksvertretung dieses deutschen Volkes und sie zu bitten, weil das Entsetzen uns Furcht einflößt vor der Zukunft: Schafft endlich harte Gesetze zur Strafe für jene, die offensichtlich nichts lernen wollen, die sich auch noch der Schande rühmen und uns damit neue Schande antun. Zwingt uns nicht, durch falschverstandene Toleranz Unmenschen . . . in unserer Mitte zu dulden. Demokratie ist doch nicht Bekenntnis zur Wehrlosigkeit, und Demokratie offenbart sich doch nicht mit der Duldung gegenüber ihren Feinden. Demokratie muß auch Stärke und Härte sein, wenn sie zum Glaubensinhalt für die Jugend werden soll.
Diese Überlegungen sind nicht neu. Schon im Februar 1950 hat die SPD-Fraktion dieses Hauses in dem Entwurf eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie ganz ähnliche Vorschläge gemacht. Seitdem gab es mehrere Entwürfe, insbesondere aus Kreisen unserer Fraktion. Unmittelbarer Anlaß allerdings nur Anlaß und nicht Grund - des vorliegenden Gesetzes war der Vorstoß des Herrn Regierenden Bürgermeisters von Hamburg Brauer bei der Bundesregierung, wegen aktueller Vorfälle entsprechende Maßnahmen zu erwägen. Der aktuelle Anlaß hat gleichzeitig die Eilbedürftigkeit gezeigt und die alten Überlegungen neu aufleben lassen.
Die vorgetragenen Bedenken halten wir nicht für überzeugend. Gewiß ist es richtig, daß der Schutz der Juden gegen gewisse Erscheinungsformen eines niederträchtigen Antisemitismus besonders vordringlich ist; aber es handelt sich doch nicht um ein Ausnahme- oder Sondergesetz zugunsten der Juden. Andere Gruppen, insbesondere nationale oder ähnliche Minderheiten sowie religiöse Gruppen, werden in gleicher Weise geschützt. Daß auch solche Gruppen Angriffen ausgesetzt werden, die sie als besonders schutzwürdig erscheinen lassen, ist mindestens in der Zukunft möglich. Soweit Formulierungen der Regierungsvorlage eine mißbräuchliche Anwendung oder unangemessene Ausweitung der Bestimmungen hätten ermöglichen können, sollten die im Ausschuß gerade auch auf Anregung der sozialdemokratischen Kollegen hin vorgenommenen Änderungen solche Bedenken beseitigen. Wir sind insgesamt überzeugt, daß die an strenge und klare Voraussetzungen des äußeren und inneren Tatbestandes gebundene Vorschrift nicht mehr mißbraucht werden kann als eine jede andere Gesetzesvorschrift.
Meine Damen und Herren, wir bedauern es, daß über den Entwurf keine Einmütigkeit erzielt werden konnte, die gerade um dieser Sache willen
sicherlich wünschenswert gewesen wäre. Ich meine dennoch, daß wir die unterschiedlichen Auffassungen über die Methode dann hinnehmen können, wenn - ich bin davon überzeugt - in der Zielsetzung Übereinstimmung besteht.
Wir von der Fraktion der CDU/CSU sind darüber hinaus überzeugt, daß der Entwurf nicht nur diese Zielsetzung nach außen hin klar dokumentiert, sondern auch dem Richter die Möglichkeit gibt, den öffentlichen Frieden da, wo er gefährdet ist, zu wahren. Daher begrüßen wir den Entwurf in der vorliegenden Form und stimmen ihm zu.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Veranlassung zu zwei kurzen Bemerkungen. Zunächst darf ich dem Herrn Bundesminister der Justiz mitteilen, daß er über den Inhalt der Rundfunkmeldung, die Kollege Dr. Schneider erwähnt hat, falsch unterrichtet ist. Ich habe hier die dpa-Meldung, welche der Rundfunkmeldung zugrunde liegt. In dieser dpa-Meldung heißt es unzweideutig:
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. van Dam, äußerte am Mittwoch erneut Bedenken gegen ein besonderes Gesetz zur Verhinderung von Volksverhetzung.
Das ist ganz klipp und klar und eindeutig. An späterer Stelle heißt es:
Der Generalsekretär wies auf die Kritik und die Mißverständnisse hin, die der Entwurf eines besonderen Gesetzes gegen Volksverhetzung ausgelöst habe.
Im übrigen weist er darauf hin, daß man allenfalls hier, wie das auch ausgeführt wurde, im Falle einer Beleidigung die Möglichkeit einer Offizialverfolgung vorsehen soll. Das ist das eine.
Aber nun zum zweiten. Dem Herrn Kollegen Schneider muß ich mich noch mit einer kurzen Bemerkung zuwenden. Verehrter Herr Kollege, Sie haben sich gegen meine Äußerung zur Frage der Wiedergutmachung gewandt. Ich darf Ihnen sagen: die Statistik erweist, daß das, was das deutsche Volk in einem Jahr für Tabak und Spirituosen ausgibt, die Summe der Wiedergutmachungsleistungen für einen Zeitraum von 20 Jahren übersteigt. Angesichts dieser Tatsache glaube ich, daß Sie die von Ihnen geäußerte Meinung einer Überprüfung unterziehen sollten.
Aber ich möchte gerade Ihnen, meine Damen und Herren von der DP, noch etwas sagen. Jeder, der den Versuch macht, dem Volk einzureden, schnelle, gründliche und kräftige Wiedergutmachungsleistungen seien keine Selbstverständlichkeit, trägt mehr zur Verbreitung antisemitischer Stimmungen bei als irgendein dummer und halbirrsinniger Schwätzer in irgendeiner Kneipe.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht eine Debatte eröffnen, sondern möchte nur eines feststellen. Der Herr Kollege hat eine Äußerung zitiert, die angeblich von dem Herrn Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Dr. van Dam, abgegeben worden ist. Ich kann diese Äußerung zunächst nur dahin verstehen, daß er sich dagegen wendet, daß die Verfolgung dieser Straftat an einen bestimmten Antrag gebunden sei. Der Wortlaut dessen, was er im März offiziell mitgeteilt hat, ist bekannt; er wurde hier vorgelesen. Es ist ausgeschlossen, daß der Herr Generalsekretär heute im Radio eine halbe Stunde vor der Abstimmung eine andere Meinung vertreten wird, als er sie im März dem Deutschen Bundestag offiziell mitgeteilt hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, daß ich es an und für sich beinahe für eine selbstverständliche Pflicht einer deutschen Bundesregierung gehalten habe, bei der Prüfung der Frage, wie Dinge, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben, in der Zukunft wirksam verhindert werden können, insbesondere auch einen Strafrechtsschutz zu erwägen. Ich begrüße es aufrichtig, daß die Bundesregierung und der Herr Bundesjustizminister einen solchen Entwurf vorgelegt haben, und ich würde es fast für eine Anomalie halten, wenn das nicht irgendeinmal von einer unserer Bundesregierungen geschehen wäre. Insofern fühle ich mich mit den Motiven der Bundesregierung, die diesem Entwurf zugrunde liegen, vollständig im Einklang.
Ich möchte das vorweg sagen, um nunmehr zu begründen, warum ich trotzdem gegen diesen Gesetzentwurf stimmen werde, und zwar in voller Anerkennung, Würdigung und Hochschätzung der Beweggründe, auf denen diese Vorlage beruht.
Mein Argument ist dieses: Meine Damen und Herren, wir haben in der Weimarer Zeit ein Gesetz zum Schutz der Republik mit sehr erheblichen Strafen gegen alles das gehabt, was wir in den Jahren 30, 31, 32 erlebt haben; ein Gesetz, bei dessen Anwendung wir sozusagen die gesamte nationalsozialistische Partei während der Kampfzeit beinahe mit allen ihren Angehörigen hätten hinter Schloß und Riegel setzen können und, wenn unsere Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip verfahren wäre, auch hinter Schloß und Riegel hätten setzen müssen.
({0})
Das ist bekanntlich nicht geschehen. Seit 1931 spätestens ist dieses Gesetz zwar nicht aufgehoben, aber auch nicht mehr angewendet worden, und zwar nicht mehr angewendet worden von republikanischen und zweifellos auch verfassungstreuen Staatsanwälten gegen die beispiellose Haßentfaltung, die
beispiellos rüpelhafte Anpöbelung unserer damaligen Verfassung. Alle diese Tatbestände, die unter dieses Gesetz fielen, wurden plötzlich nicht mehr zum Gegenstand einer Anklage oder einer Anzeige gemacht. Warum? Weil allen diesen aufrechten und ehrenhaften Beamten angesichts der elementaren Wucht dieser politischen Strömung das Herz in die Hose gefallen war. Es zeigte sich, daß das Gesetz zum Schutz der Republik ein Schönwettergesetz war.
Ich fürchte, meine Damen und Herren, daß auch dieses Gesetz ein Schönwettergesetz sein wird. Ich habe nicht die Besorgnis, daß wir im Politischen schlechtes Wetter bekommen. Aber das ist doch ein Gesetz, von dem wir annehmen können, daß es insofern eine für unser staatsbürgerliches Selbstbewußtsein unerfreuliche Nebenwirkung haben wird, als nunmehr wieder Millionen unserer Mitbürger sagen:Na, Gott sei Dank, hier hat der Bundestag so ein Gesetz gemacht, und nun können wir ruhig schlafen; die Staatsanwälte und die Polizei werden für uns sorgen. Sie werden sich also wieder in Sicherheit wiegen und werden die große Lehre, die sie aus der Vergangenheit zu ziehen hätten, nicht befolgen, daß nämlich eine Nation, die nicht will, daß so etwas wie der Nationalsozialismus aufkommt, sich nicht auf ihre Staatsanwälte und auf ihre Polizei verlassen darf, sondern auf die Straße gehen muß, in die Hände spucken und sich zur Wehr setzen muß, wenn irgendwelche Leute eine gehässige Politik propagieren.
({1})
Ich habe auch mit sehr vielen meiner jüdischen Freunde gesprochen. Überwiegend waren sie meiner Meinung bezüglich dieses Gesetzes. Ein Teil war durchaus positiv zu diesem Gesetz eingestellt. Alle zusammen haben es als wohltuend empfunden, daß dieses Gesetz wenigstens vorgelegt worden ist und diskutiert wird. Im allgemeinen fühlten sie sich aber von dem Gedanken bedrückt, unter einen Sonderschutz gestellt zu werden. Das Recht allerdings wollen sie für sich in Anspruch nehmen, sich nach Maßgabe unserer Strafgesetze, die seit eh und je bei uns galten und überall gelten, gegen Beleidigungen zur Wehr setzen zu können. Herr van Dam war der Meinung, daß die Menschen, die beleidigt würden, nach dem alten Strafgesetzbuch das Recht haben müßten, sich zu wehren. Wenn ein jüdischer Mitbürger etwa dadurch persönlich beleidigt würde, daß ihm jemand ins Gesicht sagte: „Hitler hat noch zuwenig vergast", dann handelt es sich hier z. B. um eine schwere Beschimpfung und schwere Beleidigung eines bestimmten Menschen. Hier wurde allerdings die Meinung vertreten, daß in diesem Falle von der Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht werden sollte und daß der Staatsanwalt auch dem privaten Kläger oder dem Antragsteller zur Seite treten oder auch selbst einen Antrag stellen müsse. Das Mißverständnis in bezug auf die Auffassung des Herrn van Dam, die ich in diesem Punkt nicht genau kenne, liegt in einer ganz anderen Sache begründet. Herr van Dam hat sich wahrscheinlich früher dafür eingesetzt, daß das öffentliche Interesse bejaht werde und die Staatsanwaltschaft bei Beleidigungsklagen eingreifen
sollte. Er war aber nicht der Meinung, daß ein Schutzgesetz einzuführen sei, das bisher nicht bestanden hat und das auch normalerweise nicht besteht.
Ich war niemals in meinem Leben ein Anhänger der Generalprävention in ruhiger Zeit. Wir haben heute nicht nur eine ruhige, sondern geradezu eine erfreuliche Zeit. Allen, die im Ausland immer wieder sagen, bei uns rühre sich der neue Antisemitismus und ein Neonazismus, sage ich: was sich bei uns rührt, ist eine immer größere Zahl von Leuten, die sich so etwas nicht mehr gefallen lassen, und nur deshalb, weil es sich viele Leute nicht mehr gefallen lassen, steht es in den Zeitungen, und nur weil es in unseren Zeitungen steht, erfahrt ihr das überhaupt. Es ist geradezu umgekehrt. Die Tatsache, daß verhältnismäßig viele Fälle in unseren Zeitungen stehen, ist ein Beweis für eine sehr richtige und gute Reaktion des wachsenden Selbstbewußtseins derer, die sich auf einem demokratischen und freiheitlichen Boden befinden.
Ich bin also der Meinung, daß wir jetzt schönes Wetter haben. Wir sollten aber gerade bei diesem schönen Wetter keine Sonderschutzbestimmungen aufstellen. Wir können auch gar nicht wissen, gegen was sich der Haß einer künftigen radikalen Bewegung bei uns richtet. Diese Bewegung wird eventuell sagen: Wir werden unseren Haß gegen irgend etwas richten, das nicht im § 130 steht. Sie wird sich dann für ihre Verunglimpfungen Opfer aussuchen, die weder unter den Begriff „national" noch unter die Begriffe „rassisch" oder „religiös" fallen. Dann sitzen wir wieder da. Ich bin der Meinung, wir müssen uns für stark genug halten, um ein Wiederaufflammen dieser Tatbestände, die hier genannt sind, spontan und aus der Gesellschaft und ohne Inanspruchnahme staatlicher Machtmittel zu verhindern. Ich würde mich freuen, wenn ich das mal wirklich erlebte: spontan und nicht auf dem offiziellen Wege.
({2})
Das ist der Grund, weswegen ich gesprochen habe. Ich glaube, ich stehe wirklich nicht im Verdacht eines Menschen, der nicht gerade unseren jüdischen Mitbürgern jedes Maß an Sicherheit und jedes Maß an Wiedergutmachung, aber auch jedes Maß an liebreichem Entgegenkommen gönnen würde.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde beantrage ich, die Schlußabstimmung auszusetzen.
Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag, den der Kollege Benda gestellt hat, die Schlußabstimmung in dritter Lesung auszusetzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verordnungen zum Lebensmittelgesetz ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Dittrich. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sind sicher einverstanden, wenn ich den Bericht des Gesundheitsausschusses so kurz wie möglich gebe; denn die Zeit ist inzwischen erheblich fortgeschritten.
Der von der Fraktion der SPD eingebrachte Antrag auf Drucksache 1286 betreffend Verordnungen zum Lebensmittelgesetz wurde in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 22. Oktober 1959 dem Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen. Dieser Ausschuß hat den Antrag in seiner 57. Sitzung vom 4. November 1959 beraten.
Bei der Mehrheit des Ausschusses bestanden gegen die ursprüngliche Fassung des Antrages der Fraktion der SPD erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Es wurde vorgebracht, daß der Bundestag, nachdem er die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt habe, entweder durch ein neues Gesetz den der Bundesregierung im Lebensmittelgesetz eingeräumten Spielraum eingrenzen bzw. die Ermächtigung ganz zurückziehen könne oder aber bei Überschreitung der Ermächtigung Veranlassung habe, Verfassungsklage zu erheben. Eine Annahme des von der Fraktion der SPD eingebrachten Antrags würde daher nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Gewaltenteilung verletzen. Die Fraktion der SPD hat daraufhin ihren Antrag geändert und an die Stelle des Wortes „ersucht" das Wort „erwartet" gesetzt.
Wenn auch mit dieser Änderung die verfassungsrechtlichen Bedenken im wesentlichen gegenstandslos geworden waren, hielt es die Mehrheit des Ausschusses dennoch nicht für zweckdienlich, der Bundesregierung in einem Zeitpunkt, in dem bereits der Verordnungsentwurf im Bundesrat beraten wurde, spezielle Empfehlungen zu geben. Darüber hinaus sah sich ein Teil der Mitglieder des Ausschusses nicht in der Lage, die im Antrag gewünschten Empfehlungen ohne Anhörung von Sachverständigen abzugeben. Der Ausschuß beschloß auf Grund dieser Sachlage mit Mehrheit, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Die Debatte ist eröffnet. Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Versuch gemacht, die Verordnungen zum Lebensmittelgesetz, die nach der Auffassung vieler Fachleute nicht dem Geiste dieses Gesetzes entsprechen, im Gesundheitsausschuß einer Beratung zu unterziehen, die es ermöglicht hätte, im Rahmen des Ausschusses auch unter Hinzuziehung von Sachverständigen die Fragen im einzelnen zu prüfen.
Wie Sie soeben von dem Herrn Berichterstatter gehört haben, hat sich die CDU/CSU im Ausschuß diesem Anliegen aus den von Herrn Dittrich genannten Gründen verschlossen. Das führt nun allerdings dazu, daß wir die Gründe, aus denen wir diesen Antrag für notwendig gehalten haben, hier vorbringen müssen.
Es ist unmöglich und sicher auch nicht unsere Aufgabe, sämtliche Verordnungsentwürfe zum Lebensmittelgesetz von Anfang bis zu Ende gründlich durchzustudieren und zu beurteilen. Wenn es sich aber in Einzelfragen um ganz besonders eklatante Verletzungen des Geistes und des Textes des Gesetzes handelt, dann, so meinen meine Freunde und ich, muß der Deutsche Bundestag den Versuch machen, rechtzeitig zu verhindern, daß diese Verordnungsentwürfe Gültigkeit erlangen; das ist in dem Augenblick der Fall, in dem der Bundesrat diesen Verordnungen zugestimmt hat. Wenn sich also der Deutsche Bundestag noch dazu äußern will, muß er es vorher tun. Aus diesem Grunde müssen wir heute darüber reden.
Meine Damen und Herren, wir haben im vorigen Jahr nach sehr vielen und schweren Auseinandersetzungen ein gutes Lebensmittelgesetz gemacht; es war wirklich eine sehr schwere Geburt. Wenn man ein Kind großgezogen hat, das an Leib und Seele gesund ist, und dann gezwungen ist, dieses Kind außerhalb der Familie in Pflege zu geben, dabei aber feststellen muß, daß es nicht so gut behandelt wird wie zu Hause, schlechten Einflüssen ausgesetzt ist und die Gefahr besteht, daß dieses Kind an Leib und Seele verdorben wird, ist man verpflichtet, dafür zu sorgen, daß das unmöglich gemacht wird.
({0})
-- Herr Dittrich, ich gehöre nicht zu denjenigen, die die Bundesregierung Adenauer zum Pflegevater bestellt haben. Das kann man natürlich auch dazu sagen.
({1})
- Ich habe eben gesagt, daß das Lebensmittelgesetz ein gutes Gesetz ist. Es braucht eine große Reihe von Verordnungen. Für diese Verordnungen ist die Bundesregierung zuständig. Es handelt sich jetzt um Vorlagen der Bundesregierung, die nach unserer Meinung nicht dem Gesetzestext entsprechen. Da es sich hier um Fragen handelt, von denen die Gesundheit der Menschen, die Gesundheit unserer Kinder erheblich abhängt, ist man in einem besonderen Maße verantwortlich.
Wir haben in unserem Antrag - das ist im Text genau gesagt - den Versuch gemacht, aus den Verordnungen nur die Einzelprobleme herauszugreifen, die ganz besonders kraß zeigen, in welcher Gefahr der Verbraucher ist, wenn die Fremdstoffe in die Verordnungen aufgenommen werden.
Darf ich zu den Einzelfragen, die wir in unserem Antrag angeschnitten haben, nur ganz kurz sagen, um was es sich handelt. In der Verordnung betreffend Konservierungsmittel soll z. B. die Borsäure zugelassen werden. Dazu sagt die Kommission zur Prüfung der Lebensmittelkonservierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, daß eine Zulassung der Borsäure als Konservierungsstoff für Krabben und Krabbenerzeugnisse abgelehnt werden muß, da nach den vorliegenden Arbeiten einer derartigen Verwendung schwerwiegende gesundheitliche Bedenken entgegenstehen.
Der wichtigste Satz der Lebensmittelgesetz-Novelle ist, daß Fremdstoffe nur zugelassen werden dürfen, soweit das mit dem Schutz des Verbrauchers vereinbar ist. Mit dem Schutz des Verbrauchers ist nicht vereinbar, daß man Fremdstoffe zuläßt, deren Verwendung gesundheitlich nicht unbedenklich ist.
Nun kann man natürlich sagen: Wollen Sie denn die Krabbenindustrie in einer solchen Situation dieses wichtigen Konservierungsmittels berauben? Dieser Einwand mag richtig sein. Aber wir beraten das Lebensmittelgesetz seit 1957. In der Bundesregierung war das Gesetz lange vorher in Vorbereitung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und ihre Kommissionen haben sich lange mit den Konservierungsstoffen beschäftigt. Es ist seit vielen Jahren bekannt, daß die Wissenschaft die Verwendung der Borsäure für gesundheitlich bedenklich hält.
Jetzt kommt aus der Bundesregierung der Vorschlag, durch entsprechende finanzielle Hilfe die Möglichkeit zu schaffen, nach einem anderen, weniger bedenklichen Konservierungsmittel zu suchen. Dazu kann man nur fragen: Warum haben Sie das nicht früher getan? Wir Sozialdemokraten haben immer darauf aufmerksam gemacht, daß viel zuwenig Mittel für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung gestellt werden. Jetzt haben wir eine spezielle Situation, in der sich erweist, daß sich diese Unterlassung zum Schaden der Gesundheit des Verbrauchers auswirkt.
({2})
- Bitte schön, Herr Dr. Elbrächter!
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, daß es bisher noch kein Konservierungsmittel gibt, das die Darmenzyme in den Krabben vernichtet, außer Borsäure? Es gibt ja gar keinen anderen Weg, Frau Kollegin, als auf die Borsäure zu verzichten und dafür andere Einrichtungen zu schaffen, die jetzt ins Leben gerufen werden.
Herr Dr. Elbrächter, ich möchte meinen, daß die Herren, die der Konservierungskommission der Deutschen ForschungsgemeinFrau Strobel
Schaft angehören - es handelt sich in diesem Falle um lauter namhafte Wissenschaftler -, besser als wir wissen, welche Möglichkeiten es gibt, die Krabben in verzehrfähigem Zustand auf den deutschen Markt zu bringen. Außerdem wird immer wieder gesagt, daß es bereits ein Fabrik gibt, die Krabben auch ohne Borsäure für den Verzehr auf den Markt bringt.
({0})
- Das wissen Sie genauso gut wie ich.
({1})
Herr Abgeordneter, das Wort erteile ich!
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident! - Frau Kollegin, wissen Sie nicht, daß es zur Zeit nur mit dem Tiefkühlverfahren möglich ist, ohne Gefährdung der Gesundheit Krabben in den Handel zu bringen? Wenn wir auf die Borsäure verzichten, bedeutet das doch praktisch, daß die Krabben aus dem Handel - mit Ausnahme der Küstengebiete - herausgezogen werden müssen!
Herr Elbrächter, wenn wir nicht endlich einmal sagen, mit diesen gesundheitsgefährdenden Fremdstoffen muß Schluß gemacht werden,
({0})
dann werden Sie in zwei und drei Jahren noch genau dasselbe sagen, und dann kommen wir in dieser Frage überhaupt nicht weiter.
Ich darf in diesem Zusammenhang gleich ein zweites Mittel nennen! Sie wissen schon, was ich meine: Hexamethylentetramin. Ich habe dem Unterausschuß „Lebensmittelrecht" des 2. Deutschen Bundestages angehört. Wir haben uns in diesem Unterausschuß sehr lange darüber unterhalten, was geschehen kann, damit wir die Fischmarinaden in Zukunft auch ohne Verwendung von Hexamethylentetramin auf den Markt bekommen. Damals hat uns die Fischindustrie einen Brief geschrieben, in dem sie mitteilte, sie sei durch einen Beschluß der Konservierungskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der 1956 oder 1957 gefaßt wurde, plötzlich vor die Situation gestellt worden, daß dieses Wissenschaftlergremium sehr deutlich erklärt habe, Hexamethylentetramin sei gesundheitsschädlich.
({1})
Sie habe nun sofort eine Kommission eingesetzt, die wissenschaftliche Forschungen betreibe.
Damals wurde uns in einem Schreiben mitgeteilt - ich kann es wörtlich verlesen -, daß zwei Jahre nötig seien, um diese Forschungen abzuschließen. Wenn also damals die Forschungen begonnen wurden und zwei Jahre nötig waren, um sie abzuschließen, dann muß ich feststellen, daß diese zwei Jahre jetzt abgelaufen sind. Die Fischindustrie hat
allerdings schon damals ihren Wunsch geäußert, daß nach diesen zwei Jahren trotzdem noch einmal drei Jahre lang das Hexamethylentetramin verwendet werde. Genau das, ganz genau dieses Datum ist nun in der Verordnung der Regierung fixiert. Daraus vermag ich zu entnehmen, von wem sich die Regierung bei diesen Verordnungsentwürfen hat beraten lassen. Ich meine, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, dann genügt auch ein Jahr. Für meine Begriffe ist das schon viel zuviel, aber auf jeden Fall genügt dann auch ein Jahr. Wir haben daher dieses eine Jahr in unserem Antrag fixiert. Sie sehen also, daß wir uns bemüht haben, sehr maßvoll zu sein.
Ich will noch ein drittes Mittel nennen, nur um zu zeigen, worauf es uns besonders ankommt: der Farbstoff Annatto, mit dem Margarine gefärbt wird, also ein Lebensmittel, das zu den Grundnahrungsmitteln gehört und sehr viel verzehrt wird, gerade jetzt bei den bisher sehr hohen Butterpreisen. Der Farbstoff Annatto ist nicht, wie es ordnungsgemäß sein müßte, in die Farbstoffliste aufgenommen worden, so daß sie kennzeichnungspflichtig ist, sondern sie ist in die allgemeine Fremdstoffliste aufgenommen und damit der Kennzeichnungspflicht entzogen worden. Warum eigentlich? Sollen die deutschen Hausfrauen nicht wissen, daß sie gefärbte Margarine kaufen? Mehr würde ja gar nicht darauf stehen. Das ist doch auch ein Beispiel dafür, daß die Regierung hier nicht nach dem Interesse des Verbrauchers und auch nicht nach dem Willen des Gesetzgebers gehandelt hat. Denn hier ist z. B. von Ihrem Kollegen Bausch
({2})
- lassen Sie mich bitte diesen Satz zu Ende sprechen - bei der Kennzeichnungspflicht als besondere Begründung dafür, daß er für die Kennzeichnungspflicht eintrat, gesagt worden: „Wir wollen wissen, was wir essen." Wir wollen auch wissen, daß Margarine mit Annatto gefärbt ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?
Bitte!
Frau Kollegin Strobel, wiswissen Sie nicht, daß jedem Konsumenten bekannt ist, daß Margarine, wenn sie gelb ist, gefärbt worden ist, so daß die Kennzeichnungspflicht im Grunde genommen völlig überflüssig ist?
({0})
Ich verzichte aber darauf, weitere Fachfragen wegen Annatto zu stellen. Sie wissen genauso gut wie ich, daß es sich dabei um einen Farbstoff handelt, der sich chemisch fast in nichts von dem sonst gebräuchlichen Palmkernöl unterscheidet.
Herr Kollege Elbrächter, Sie sind Chemiker, ich bin es nicht. Aber die Betonung liegt hier auf dem Wörtchen „fast": daß es sich „fast" nicht unterscheidet. Außerdem ist auch dem
Laien bekannt, daß es genügend Carotin gibt, um Margarine zu färben.
Die Wissenschaftler sind der Meinung - ich habe hier schon einmal Professor Druckrey zitiert, der als Wissenschaftler Weltruf genießt -, daß besonders gefährlich die Summierung der ungeheuer vielen Fremdstoffe ist, die wir zu uns nehmen. Herr Dr. Elbrächter, es ist ja nicht nur das Annatto, das nicht gekennzeichnet zu werden braucht; das soll ja für alle die Stoffe gelten, die in der allgemeinen Fremdstoff-Verordnung aufgeführt sind. In der Verordnung der Regierung wird vorgeschlagen, daß Lebensmittel, die solche Stoffe enthalten, als „rein", als „natürlich", als „naturbelassen" bezeichnet werden dürfen, als für Kinder und Schonungsbedürftige besonders verträglich usw. Das ist der Geist dieser Verordnung.
Vielleicht darf ich - weil ich gerade bei diesen Bezeichnungen „naturrein" usw. bin - noch darauf aufmerksam machen, daß in dieser Fremdstoffliste, dieser Liste von Stoffen, die nicht gekennzeichnet werden müssen und bei deren Verwendung nach dem Willen der Regierung - ich hoffe, nicht nach dem Willen des Bundesrates - für die betreffenden Lebensmittel trotzdem die Bezeichnung „naturrein" usw. verwendet werden dürfen, auch Salpeter aufgeführt ist, und zwar nicht nur Salpeter, sondern es steht hier wörtlich: der Gehalt an Salpeter und der Gehalt an dem durch seine Anwendung gebildeten Nitrit. Nun, wir wissen aus der Zeit der Nitrit-Vergehen doch sehr genau, was Nitrit bedeutet. Wir wissen auch, daß man vielleicht nicht ganz darauf verzichten kann und verzichten muß. Aber daß man Lebensmittel, die mit Nitrit behandelt sind, oder gar Erfrischungsgetränke, die mit Orthophosphorsäure behandelt sind, als „naturrein", „natürlich" „naturbelassen" bezeichnen kann, das ist eine Täuschung des Verbrauchers und hier sogar eine Täuschung, die in einer Verordnung sanktioniert werden soll.
({0})
Nun möchte ich gern noch auf eine Sache aufmerksam machen, die ebenfalls sehr deutlich macht, daß diejenigen, die diese Verordnungen kritisieren, im Recht sind. Wir haben vor etwa anderthalb oder zwei Jahren - ich weiß es im Augenblick nicht mehr genau - von der Bundesregierung eine sehr schöne Verordnung bekommen, die die Getreidemahlerzeugnisse vor der chemischen Behandlung schützt. Das war eine sehr fortschrittliche Verordnung. In der jetzigen Konservierungsstoffverordnung ist auf einmal das Verbot der Verwendung von Persulfaten und Perboraten und anderen Borverbindungen wieder aufgehoben. Das ist ein Rückschritt gegenüber dem gegenwärtigen Zustand; das bedeutet, daß Chemikalien, die bisher verboten waren, jetzt auf einmal wieder zugelassen werden, - zugelassen werden, obwohl namhafte Wissenschaftler der Auffassung sind, daß die Gesundheitsschädlichkeit dieser Stoffe feststeht. Nun, ich bin immer der Auffassung gewesen und habe sie auch im Gesundheitsausschuß vertreten, daß man von uns Abgeordneten nicht verlangen kann, daß wir in allen diesen Fragen von der wissenschaftlichen Urteilsfähigkeit her firm sind; aber ich sage: ich verlasse
mich auf das Urteil der Wissenschaftler der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die sind für mich dann richtunggebend.
Lassen Sie mich noch einen Stoff nennen, der uns neuerdings in diesen Verordnungen beschert wird, der bisher wenigstens in den meisten Ländern der Bundesrepublik verboten war. Ich meine die Verwendung von Phosphaten bei der Herstellung von Brühwurst. Ich glaube, es gibt nicht sehr viele Leute,
({1})
Diesen Einwand habe ich erwartet, daß die Verwendung von Phosphaten, die sonst seit 1940 verboten ist, nur in den Ländern Hessen und Niedersachsen erlaubt ist. Nun, das kann uns nicht veranlassen, dasselbe zu tun, wenn wir es für gefährlich halten. Wir haben das Lebensmittelgesetz unter anderem auch mit der Begründung gemacht, daß die Ausnahmebewilligungen der Länder endlich aufhören müssen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wann Hessen diese Ausnahmebewilligung gegeben hat. Aber sie liegt so weit zurück, daß ich „fürchte", es hat damals in Hessen noch keine sozialdemokratische Regierung gegeben.
Ich darf es noch einmal sagen: Bisher war die Verwendung von Phosphaten bei der Brühwurstund überhaupt bei der Wurstherstellung in der Bundesrepublik generell verboten; nur in Teilen der Bundesrepublik war sie durch Ausnahmeregelungen zugelassen. Jetzt soll sie durch die Fleischwarenverordnung der Bundesregierung generell erlaubt werden. Das bedeutet praktisch, daß man in Zukunft bei der Brühwurstherstellung ein Mittel verwenden darf, das es erlaubt, sehr viel mehr Wasser, sehr viel mehr Fett 'in der Wurst zu verarbeiten, als ,es bisher der Fall ist. - Herr Elbrächter, Sie schütteln den Kopf.
({2})
Das ist aber nun wirklich eine allgemein bekannte Tatsache, die nicht zu widerlegen ist. - Was heißt, ich unterstelle? Ich darf Sie bitten, sich einmal an die Verhandlungen des Unterausschusses „Lebensmittelrecht" zu erinnern, in denen wir Sachverständige zu der Frage gehört haben, wieweit Hauptlebensmittel von Fremdstoffen freigehalten werden können oder nicht. Damals ist Herr Mensing in unseren Ausschuß gekommen und hat uns beschworen, auf das Verbot von Phosphat zu verzichten,
({3})
mit der Begründung, wenn man Phosphat verwenden dürfe, könne man alte, ich sage überbetont: ausgemergelte Kühe noch zu Wurst verarbeiten, wenn man kein Phosphat verwenden dürfe, sei das nicht möglich. Alle diejenigen also, die etwas davon verstehen, sagen, daß man mit Phosphat weniger gutes Fleisch verwenden kann, ohne Phosphat aber nicht. Insbesondere handelt es sich um den Wasser- und den Fettgehalt.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Frau Strobel, ist Ihnen bekannt, daß man auf technischem Wege, durch die moderne Kuttertechnik, zu demselben Effekt kommen kann, daß also der Schutz nur dadurch gegeben ist, daß man die Einhaltung der Fleischverordnungen kontrolliert? Das kann also kein Argument sein. Hier handelt es sich lediglich darum, ob die Sachverständigen der Meinung sind, daß der Phosphatzusatz gesundheitlich bedenklich ist oder nicht. Meines Wissens haben die Sachverständigen diese Frage eindeutig zugunsten der Phosphate entschieden.
Herr Elbrächter, im Lebensmittelgesetz steht aber, daß Fremdstoffe nur zugelassen werden sollen, soweit dies mit dem Schutz des Verbrauchers vereinbar ist. Sie wissen genau, daß die Auslegung dahin geht: Schutz vor gesundheitlicher Schädigung und vor Täuschung. Die Phosphate erlauben aber eine Täuschung des Verbrauchers.
Nun sagen Sie, die Sachverständigen seien der Meinung, Phosphate schadeten nichts. Ich könnte Ihnen wörtlich vorlesen, was die Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft dazu sagt. Sie hat sich einverstanden erklärt, wenn es keine weitere Ausweitung gibt. Die Bundesregierung hat sich vor allen Dingen immer auf das Gutachten von Professor Lange in Mainz berufen. Ich habe einen Brief, in dem festgestellt wird: „Herr Professor Lange ist damit einverstanden, daß die vorstehende Erklärung abgegeben wird." Nur deshalb zitiere ich diesen Brief. Darin heißt es unter Punkt zwei, Professor Lange ,sei der Meinung, Phosphate sollten nur verwendet werden, wenn sich hierzu eine technische Notwendigkeit ergebe, d. h. wenn für diesen Zweck kein unbedenklicheres Mittel vorhanden sei.
Herr Elbrächter, ich hätte das nicht zitiert, wenn Sie nicht gesagt hätten, man könne den gleichen Zweck mit technischen Hilfsmitteln erreichen. Sie haben also bestätigt, daß es ein technisches Mittel gibt, den gleichen Zweck zu erreichen. Nun, ich möchte die Kolloidmühle nicht zur Grundlage der Wurstherstellung in, der Bundesrepublik machen, aber Phosphate eben auch nicht, weil mit ihnen viele Nachteile verbunden sind. Wenn die Länder der Bundesrepublik mit Ausnahme der beiden genannten bisher ohne Phosphat ausgekommen sind, sehe ich nicht ein, wieso plötzlich eine Notwendigkeit für die Verwendung von Phosphat gegeben sein soll.
Das waren die Punkte, die ich als Beispiele anführen wollte. Ich will die Zahl der Beispiele nicht vermehren, weil wir nicht so sehr viel Zeit haben.
Abschließend möchte ich noch sagen: ich bin der Auffassung, daß man das, was man durch das Lebensmittelgesetz nicht erreicht hat, nachher nicht durch Verordnungen korrigieren kann,
({0})
nicht nach der Seite der wirtschaftlichen Interessen und auch nicht nach der Seite des Verbraucherschutzes. Sie wissen ja, daß wir einige Vorhaben in diesem Lebensmittelgesetz nicht durchgesetzt haben,
so zum Beispiel die Reinhaltung der Hauptlebensmittel. Das kann nun heute - das müssen wir leider sagen - auch nicht in die Verordnungen aufgenommen werden.
({1})
- Bitte schön!
Frau Kollegin Strobel, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir den Begriff „Hauptlebensmittel" überhaupt nicht definieren konnten und daß die Physiologen der Meinung sind, daß es so etwas nicht gibt?
Herr Elbrächter, Sie sind so gescheit, daß Sie verstanden haben müssen, daß ich das an die Adresse derjenigen Verbraucher gerichtet habe, die bedauern, daß in den Verordnungen für die Hauptlebensmittel Fremdstoffe zugelassen werden, Fremdstoffe gleich welcher Art, auch unbedenkliche. Ich habe, an die Adresse dieser Verbrauchergerichtet, gesagt: das kann man leider nicht in den Verordnungen erwarten, weil es nicht im Gesetz steht. Hätten wir die Regierung bzw. die CDU CSU-Fraktion dazu gebracht, diese Bestimmungen in das Gesetz hineinzunehmen, dann könnten auch die Verordnungen heute in dieser Beziehung besser aussehen,
({0})
aber nur in dieser Beziehung.
In all den Fragen, die ich aufgeführt habe, entsprechen die Verordnungen nicht dem Gesetz. Bevor die Verordnungen in Kraft treten, möchten wir rechtzeitig gewarnt haben. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.
Ich komme nun zu einem weiteren Punkt in diesem Antrag und in diesen Verordnungen, nämlich zur Verlängerung der Kennzeichnungspflicht. Das ist zunächst - aber nicht nur - eine juristische und verfassungsrechtliche Frage. Es ist auch zu fragen: was hat der Verbraucher von diesem Gesetz erwartet? Er hat nach dieser langen und gründlichen Debatte, die wir damals hier zur Kennzeichnungspflicht hatten, erwartet, daß die Kennzeichnungspflicht jetzt in den Verordnungen termingemäß und eindeutig in Kraft tritt.
Beides ist leider nicht der Fall. Ich hoffe sehr, daß es noch eine Gelegenheit geben wird, diese Verordnungen so zu korrigieren, daß sie dem Geist des Gesetzes entsprechen. Ich hätte mich gefreut, wenn das mit Ihrer Hilfe geschehen wäre.
({1})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema ist, obwohl die Abendstunde gekommen ist, sicherlich geeignet, weiteres Interesse zu finden. Deswegen bin ich versucht, mit einiger Ausführlichkeit
zu antworten. Frau Kollegin Strobel hat einiges gesagt, was sie, möchte ich annehmen, bei näherem und härterem Abwägen auf der Goldwaage nicht gesagt haben würde.
({0})
- Ich will den Versuch machen, Frau Kollegin. Wenn sie dem nicht zustimmen, dann bleibt das Ihre Sache. Sie haben gesagt, das, was wir in diesem großen und schwierigen Verordnungswerk vorgelegt haben, sei eine eklatante Verletzung des Gesetzes. Wenn Sie bei dieser Formulierung bleiben möchten, muß ich das mit allem Nachdruck und aller Entschiedenheit zurückweisen.
({1})
- Das gilt auch Ihnen gegenüber. Ich muß das mit aller Klarheit und Entschiedenheit zurückweisen.
Wir haben ein neues Lebensmittelgesetz oder ein Stück neuen Lebensmittelrechtes. Es ist selbstverständlich die Aufgabe der Bundesregierung, dieses neue Lebensmittelgesetz unverändert durchzuführen. Sie darf es nicht etwa mit anderen Ideen füllen, sondern muß es bei den Ideen belassen, die uns alle bei der Verabschiedung des Gesetzes beseelt haben.
Es ist auch keineswegs so - es war etwas amüsant, was die Frau Kollegin gesagt hat -, daß das Kind sich bei schlechten Zieheltern befinde. Das Kind befindet sich gar nicht bei schlechten Zieheltern.
({2})
- Frau Kollegin, Ihr Vertrauen in den Bundesrat ehrt Sie. Aber ob das bessere Zieheltern sind als die Väter des Gesetzes, das wollen wir offen lassen. Schließlich kann man sich zu seiner Elternqualität immer nur subjektiv äußern. Ich bin jedenfalls der Meinung, wir sind für dieses Gesetz keine schlechten, sondern außerordentlich bemühte Zieheltern.
Die Öffentlichkeit muß allmählich so ein bißchen den Eindruck bekommen, wir hätten nichts Wichtigeres zu tun, als ein ganzes Jahr lang darüber nachzudenken, wie wir das Inkrafttreten der Bestimmungen des Gesetzes verhindern können, alles Mögliche zu verändern und möglichst das Gegenteil von dem zu tun, was in dem Gesetz drinsteht. Meine Damen und Herren, man sollte uns für zu intelligent halten, etwas Derartiges zu versuchen.
({3})
Ich möchte den Kollegen von der Opposition sagen: Wenn Sie uns schon nichts Besseres zutrauen, fangen Sie bitte wenigstens nicht an, an unserer Intelligenz zu zweifeln! Dazu besteht ganz sicherlich kein Anlaß, wenn Sie uns auch sonst jede Schlechtigkeit zutrauen.
({4})
Deswegen möchte ich hier wirklich mit dem Blick auf die Öffentlichkeit - Sie werden verstehen, warum ich das tue - feststellen. Dieses Gesetz ist
in Kraft, und wir werden das Gesetz so schnell wie möglich - mit den notwendigen Anpassungs- und Übergangsfristen, versteht sich - in einer Weise durchführen, die erkennen läßt, daß das Gesetz wirklich in Kraft ist.
Man darf sich doch nicht der naiven Auffassung hingeben, daß man auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts jahrzehntelang sündigen könne und daß dann von heute auf morgen ein Zustand völliger befriedeter Seligkeit eintreten werde. Das bedarf schwieriger Anpassungen; die Verordnungen sind dazu da, diesen schwierigen Anpassungsvorgang zu ermöglichen.
Ich habe hier eine etwas längliche und auf besonderem Papier geschriebene Übersicht mitgebracht, in der ich zur Vorbereitung der heutigen Debatte einmal den Weg dieser elf Verordnungen habe aufzeichnen lassen, an denen wir gearbeitet haben. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten behelligen; das ist ein sehr weites Feld. Aber die Namen der Verordnungen möchte ich doch wenigstens einmal alle vorlesen, damit man eine Vorstellung von dem Umfang dieser schwierigen Aufgabe bekommt. Es handelt sich hier um die Allgemeine FremdstoffVerordnung, die Farbstoff-Verordnung, die Konservierungsstoff-Verordnung, die Verordnung über Fleisch und Fleischerzeugnisse, die Tabak-Verordnung, die Essenzen-Verordnung, die Trinkwasseraufbereitungs-Verordnung, die FruchtbehandlungsVerordnung, die Kaugummi-Verordnung, die Lebensmittelbestrahlungs-Verordnung und schließlich - beinahe unaussprechbar - die Diätetische Fremdstoff-Verordnung.
Diese Übersicht ist aufgemacht nach dem Schema: Erster Entwurf nach Inkrafttreten der Novelle, Anhörung des Beirats für Lebensmittelrecht, Anhörung der Sachkenner nach § 5d des Lebensmittelgesetzes, Anhörung der Länder, Abschluß der Ressortbesprechungen, vorläufige Übersendung an die Ausschüsse des Bundesrats, Abschluß der Rechtsförmlichkeitsprüfung, Zuleitung an den Bundesrat; das Ganze ist hier datenmäßig entwickelt.
Ich führe das nur deswegen an - das darf ich vielleicht sagen, ohne mißverstanden zu werden -, um den Gutwilligen unter Ihnen, meine Damen und Herren, eine Vorstellung von der gewaltigen und schwierigen Arbeit zu geben, die in den vergangenen Monaten auf diesem Gebiet geleistet worden ist.
({5})
Solche Arbeiten, in die auch so viele Gremien - ich habe die Gremien vorgelesen - einzubeziehen sind, sind ungeheuer zeitaufwendig. Wenn ich als Anlauffrist ein Jahr mehr hätte, würde das alles noch einmal sehr viel eingehender behandelt werden können.
Zum Trost möchte ich Ihnen gleich sagen: solche Verordnungen sind sowieso nicht für die Ewigkeit gedacht, sondern sie sind zur Einführung der neuen Lebensmittelgesetzgebung gedacht, und sie eignen sich sehr wohl zur Verbesserung unter neuen Erkenntnissen. Also wir sollten hier nicht so tun, als werde ein Werk für Jahrzehnte geschaffen. Das
ist nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich hier um einen vorsichtigen Anpassungsvorgang. Das muß man wissen, um diese Sache richtig würdigen zu können.
Nun liegen wir mit all den genannten Verordnungen oder jedenfalls mit beinahe allen in einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit dem Bundesrat. Wenn Sie allein die Dokumente gesehen hätten, die von den dortigen Ausschüssen, dem Agrarausschuß, dem Innenausschuß usw., auf uns zugekommen sind, wenn Sie die Serien von Punkten gesehen hätten, würden Sie erkannt haben, daß alle diese Dinge hüben und drüben mit großer Sorgfalt behandelt werden.
Hier haben wir - ich kann das nicht immer sagen -, wie hoffentlich auch das Ergebnis zeigen wird, mit dem Bundesrat eine ziemlich gute Zusammenarbeit. Angesichts der Schwierigkeit dieser Materie möchte ich das doch besonders hervorheben.
Ich sage noch einmal: Dies ist ein Anfang, und alle diese Dinge werden im Laufe der folgenden Zeit durchaus nach den gesammelten Erfahrungen angefaßt werden können.
Um in der Sache etwas konkreter zu werden, darf ich mit der Borsäure beginnen. Ich habe vor einigen Monaten extra der Borsäure und der Krabben wegen eine Reise nach Büsum gemacht, um mir einmal an Ort und Stelle anzusehen - nicht, wie die Krabben aussehen; das wußte ich vorher - sondern welche Fang- und Behandlungsmethoden angewendet werden und was man tun könne, um etwa ohne die seit Jahrzehnten gebrauchte Borsäure auszukommen. Dort traten natürlich nur Leute auf, die sagten, sie hätten an Borsäure oder jedenfalls an Krabben - an Borsäure kann man sehr wohl umkommen - noch niemanden umkommen sehen. Ich gebe es so wieder, wie es dort erzählt worden ist: die Kurgäste seien alle nach reichlichem Krabbengenuß gesund wieder abgereist, sie schätzten den Artikel sehr. Ich habe gesagt: Das liegt vielleicht daran, daß Sie nicht Zellphysiologie studiert haben. Die Leute guckten mich etwas erstaunt an.
({6})
- Das sagen Sie so! Herr Kollege Heiland, was Sie sagen, ist ein Einwand, der nur zum Teil zutrifft. Die Leute bekommen natürlich nicht immer nur frische Krabben. Ich kann Ihnen übrigens versichern: Unter den Kostproben, die ich dort gegessen habe, waren die überzeugendsten Kostproben „Krabben frisch". Daran will ich gar keinen Zweifel aufkommen lassen, daß derjenige den größeren Genuß hat, der den Vorzug hat, an der Küste zu leben und die Krabben frisch zu bekommen. - Das besagt jedoch noch nichts darüber, welche Zusätze und in welchem Umfang diese schädlich sind.
Ich fahre fort in dem, was ich erzählte. Ich habe dem Betreffenden gesagt: Sie werden wahrscheinlich nicht auf Zellphysiologie studiert haben; ich auch nicht. Aber ich habe mit Zellphysiologen gesprochen, sogar mit einem, der weltberühmt ist und dessen Namen ich hier aus anderen Gründen nicht nennen will, Der Betreffende hat mir übrigens gesagt: Lassen Sie ruhig die Krabben weiter mit Borsäure behandeln. Wer keine Krabben essen will, braucht es ja nicht zu tun, das ist kein Volksnahrungsmittel. Das war das Urteil eines sehr berühmten Mannes, den ich, weil die Sache kontrovers werden könnte, hier nicht weiter nennen möchte.
Aber, meine Damen und Herren, da das wahrscheinlich kein verantwortungsloser Mann war, bleibt in der Tat die Frage, ob man nun, nachdem man jahrzehntelang und ohne nachgewiesene Schäden jedenfalls hinsichtlich der Krabben - Borsäure verwendet hat, über Nacht sagen kann: Für die Konservierung von Krabben darf man keine Borsäure mehr nehmen, auch nicht statt 7 Gramm 5 Gramm, oder was immer die Dosen sein mögen; das muß endlich aufhören. Das ist etwas, das man natürlich auf dem Papier verfügen kann. Aber dann muß man sich das Land ansehen oder was dahintersteht oder die See oder die Schiffahrt oder die Menschen, die Familien. Da muß man sich überlegen, was dabei auf einen zukommt.
Ich hatte z. B. den etwas naiven Gedanken: Na, schön, wenn also die Krabben nicht mehr für den menschlichen Verzehr genommen werden dürfen, können sich die Leute vielleicht damit helfen, daß sie auf Krabben als Futtermittel ausweichen, und ihre Existenz ist weiter gesichert. Ich habe mich an Hand der Zahlen davon überzeugt, daß das in der Tat keine Ausweichmöglichkeit bei diesem Problem ist. Deswegen lautet die Lösung, von deren Richtigkeit ich überzeugt bin: keine Ausweichmöglichkeit.
Frau Kollegin, Sie sagen: Da gibt es eine Fabrik, die macht es anders, nämlich unter Zuhilfenahme von Hexamethylentetramin. Dieses Mittel bietet aber auch nicht viel mehr Sicherheit als Borsäure, wie ich aus Ihrem Vortrag entnommen habe. Aber die wirkliche Lösung des Problems besteht darin, daß man auf See mit guten Kochgeräten intensiv kocht, nicht nur immer ein bißchen kocht, sondern wirklich intensiv kocht, und daß man dann eine Tiefkühlkette hat - bleiben wir bei dem Beispiel - von Büsum über Hamburg bis in die Küche des Bonner Verbrauchers oder wo immer sich der Betreffende befinden mag. Das ist die ideale Lösung, das ist die Lösung der Zukunft, das ist der Fortschritt. Aber es wird noch ein bißchen dauern, wie ich fürchte.
Ich spreche gerade von dem Punkt, weil ich ihn zufällig an Ort und Stelle und mit einigem Bemühen studiert habe. Man muß, glaube ich jedenfalls, den Leuten die Chance geben, zu einer solchen Möglichkeit überzugehen. Das bedeutet, daß man ihnen helfen muß. Man wird ihnen dabei auch finanziell helfen müssen, wenn man das kann. Wenn die Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden sollen, fragt es sich, von wem, vom Bund oder Land oder mit wessen Zustimmung? Kurz und gut, hier braucht man einen gewissen Übergang.
Alles, was Ihnen jetzt an der Regelung, an dieser oder jener Übergangs- oder Ausnahmebestim5096
mung nicht passen mag, dient nicht dem Zweck, das Gesetz zu verfälschen, es außer Kraft zu setzen, sondern es dient dazu, nach Lösungen zu suchen, wie in einer begrenzten Zeit dieses Problem tatsächlich auch technisch gemeistert werden kann.
Was die Behandlung der Frage der Borsäure im Bundesrat angeht, so hat sich der Agrarausschuß des Bundesrats für die Verwendung von Borsäure ausgesprochen, der Innenausschuß dagegen. Was das Plenum des Bundesrats beschließen wird, muß man abwarten. Aber es soll niemand sagen, diese Probleme seien nicht gründlich geprüft und nicht intensiv genug diskutiert worden und es stecke, wie Sie sagen, eine eklatante Verletzung des Gesetzes und irgendwie schlechter Wille dahinter. Hinter der Sache steckt gar kein schlechter Wille, sondern das Bemühen, das Beste in angemessener Zeit zu tun.
Das eine möchte ich Ihnen sagen. Wenn Sie kurzerhand dekretieren, daß keine Borsäure und kein anderes Mittel verwendet werden darf, dann haben Sie vielleicht plötzlich etwas, was man bei der Verwendung von Borsäure nicht erlebt hat. Dann haben Sie nämlich bei ungenügend gekochten oder konservierten Krabben unter Umständen eine Fleisch- bzw. Fischvergiftung. Ob das besser ist als ein Zusatz, dessen Verwendung man wegen seiner Schädlichkeit durchaus begrenzen kann, bleibt die Frage. Dann hätte man vielleicht die ersten nachgewiesenen Opfer durch Krabbengenuß, die man bisher jedenfalls nicht kennengelernt hat.
Nun zu dem nächsten Punkt. Es handelt sich um das Hexamethylentetramin. Mir tun die Stenographen leid,
({7})
aber dieses Präparat heißt nun einmal so. Die Beurteilung der Schädlichkeit von Hexamethylentetramin ist in den letzten Jahren durchaus schwankend gewesen. Sie wissen ja aus der Vorlage. daß eine etwas längere Übergangsfrist notwendig ist, um andere Methoden zu finden. Das wird übrigens keineswegs so leicht sein, wie man glaubt. Ich habe auch mit den Leuten in den wissenschaftlichen Untersuchungs- und Laboratoriumsstätten gesprochen. Es sind Aufgaben, an denen man im übrigen nicht erst, seitdem wir das Lebensmittelgesetz haben, arbeitet, sondern an denen man schon sehr lange herumdoktert. Wir können nur hoffen, daß man vernünftige Konservierungsmittel findet; denn daß davon sowohl wirtschaftlich wie ernährungsmäßig sehr viel abhängt, liegt doch wohl auf der Hand.
Dann haben Sie noch von Annatto-Bixin gesprochen, dem Stoff, mit dem ich sonst keine nähere Berührung gehabt habe und über den ich nicht so viel aussagen kann wie über die Borsäure und die Krabben. Dieser Stoff steht bei uns in der Allgemeinen Fremdstoff-Verordnung. Sie würden ihn gern in der Farbstoff-Verordnung sehen. Die Meinungen darüber sind auch auf der Bundesratsebene geteilt. Da er aber eingesundheitlich unbedenklicher Stoff ist - mir ist aus Ihrem Vortrag nicht ganz klar geworden, ob Sie diese Auffassung teilen -, ist der Streit darüber, ob er in die Allgemeine Fremdstoff- oder in die Farbstoff-Verordnung gehört, vielleicht nicht so weittragend. Unter den in der Farbstoff-Verordnung aufgeführten Stoffen würde man sich doch wahrscheinlich die chemisch hergestellten Farbstoffe vorstellen. Deswegen gehört ein natürlicher Farbstoff nach unserer Auffassung eher in die Allgemeine Fremdstoff-Verordnung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Minister, Sie sagen, da Annatto ein unbedenklicher Stoff ist, gehört er in die Allgemeine Fremdstoff-Verordnung und nicht in die Farbstoff-Verordnung. Sind sie denn der Meinung, daß in der Farbstoff-Verordnung bedenkliche Stoffe stehen? Es wäre allerdings sehr bedenklich, wenn Sie dieser Auffassung wären.
Frau Strobel, Sie sind dabei, mich auf etwas festzunageln. Ich habe mich vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt. Ich wollte so sagen: Der zweite Teil dessen, was ich ausgeführt habe, ist der Hauptpunkt. So wie man den Begriff „fremde Stoffe" definiert hat, gehören die natürlichen Stoffe nach unserer Auffassung eher in die Allgemeine Fremdstoff-Verordnung und nicht in eine Farbstoff-Verordnung, in der man natürlicherweise eher, wie ich gerade ausgeführt habe, chemisch hergestellte Stoffe erwarten wird.
Ich habe auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit nur deswegen hingewiesen, weil sich in die öffentliche Propaganda über Annatto offenbar der Gedanke eingeschlichen hat, daß das eine ganz gefährliche Sache sei.
({0})
- Ich unterstelle es Ihnen auch nicht. Ich habe meinen Mitarbeitern schon gesagt: Das beste ist, die Werke bringen eine Annatto-Margarine heraus. Sie sollen mal sehen, wie die Leute dann AnnattoMargarine kaufen. Das werden sie für einen vorzüglichen Namen halten, und damit haben sie gleichzeitig die Kennzeichnung des schönen Mittels, das diese Margarine auf natürlicher Basis schön gelb erscheinen läßt, gegeben. Ich bin allerdings nicht dazu da, Ratschläge der Ernährungsindustrie zu erteilen; die ist in der Werbung und Aufmachung ihrer Artikel kenntnisreich genug.
Nun haben Sie darauf hingewiesen, daß wir gewisse Ausnahmen von dem Verbot zulassen können, bestimmte Dinge nicht als natürlich, naturrein usw. anzupreisen, wenn sie das etwa nicht sind. Diese Ausnahmen hängen mit der etwas komplizierten Gestaltung zusammen, die der Fremdstoffbegriff bekommen hat. Zu diesen Ausnahmen sind wir im übrigen, wie Sie ja wissen, im Gesetz ermächtigt,
und sie sind nach sorgfältigen Beratungen vorgenommen worden.
Ferner haben Sie noch die Verschiebung der Kenntlichmachungsfrist für fremde Stoffe erwähnt. Gerade dieser Punkt - und das möchte ich nachdrücklich sagen - ist im Rechtsausschuß des Bundesrats - vielleicht haben Sie schon davon gehört oder haben Aufzeichnungen darüber gesehen - sehr ausführlich geprüft worden. Der Rechtsausschuß des Bundesrats teilt in dieser Sache - was gar nicht immer so der Fall ist - mit vorzüglicher Begründung völlig den Standpunkt, den wir eingenommen haben. Unser Hauptgesichtspunkt ist, daß sonst drei Sorten Lebensmittel nebeneinander im Verkauf sein würden, der Verbraucher vielleicht gerade auf diese Weise nach der falschen greift und damit also gerade entgegen der Tendenz des Gesetzes gehandelt würde. Das hier im einzelnen auseinanderzusetzen, ist vielleicht etwas zu kompliziert. Aber diese Protokolle des Bundesrats werden ja bereitwillig zur Verfügung gestellt.
Das, meine Damen und Herren, ist leider in einiger Länge das Wesentliche, was ich auf die Ausführungen meiner verehrten Vorrednerin entgegnen wollte. Ich darf ihr im übrigen mitteilen, daß der Bundesrat noch elf weitere Stoffe zur Aufnahme in die Allgemeine Fremdstoff-Verordnung empfohlen hat, also über unsere Vorschläge hinausgegangen ist.
Mir liegt aber abschließend daran, mit allem Nachdruck klarzumachen, daß niemand von uns daran denkt, das Gesetz zu durchlöchern und, wie Sie sagen, unter dem Einfluß von Lobbyisten oder der Wirtschaft oder anderen Stellen irgendwie nachgiebig zu sein. Im übrigen eignet sich das Innenministerium für eine solche Nachgiebigkeit außerordentlich wenig. Das gilt nicht generell. Ich spreche hier von den Lobbyisten der Wirtschaft und dergleichen. Die einzigen Interessenten, wenn Sie so wollen, die ich überhaupt gesprochen habe, waren die Krabbenfischer, deren Problem mir eines der interessantesten zu sein schien, und es ist dabei genügend diskutiert worden.
Wir sind also durchaus unempfindlich gegenüber Wünschen von dieser Seite, weil wir glauben, daß die Wirtschaft immer wieder Wege finden wird, sich auch gesetzlichen Bestimmungen, die wir für notwendig halten, anzupassen. Die Wirtschaft hat sich im Laufe ihrer jahrhundertelangen Entwicklung und die moderne Wirtschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte an sehr viele gesetzgeberische Veränderungen anpassen müssen, und sie wird diese Probleme einschließlich der Probleme anderer Konservierungsstoffe usw. ebenfalls lösen, wenn man ihr dafür genügend Zeit läßt.
({1})
Ich darf aber vielleicht, da wir ja etwas ausführlich über die Sache sprechen, noch einen Gesichtspunkt anfügen. Das ist die Frage: Wer soll in Zukunft bei der Verordnungsgesetzgebung als der Verordnungsträger, so möchte ich einmal sagen, angegeben werden? Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, lehren, daß es praktischer ist, das Verordnungsrecht der Bundesregierung als solcher zu geben anstatt drei Ressorts, die sich verständigen müssen. Wenn das Verordnungsrecht dem Innenminister nur „im Einvernehmen mit dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Bundesminister für Wirtschaft" gegeben wird, dann bedeutet es keine Erleichterung und Beschleunigung des Verfahrens, wenn wir federführend sind, sondern es ist eigentlich schwieriger, als wenn die Bundesregierung als solche Träger der Sache ist. Das erklärt sich für jemand, der entweder die Regierungspraxis erlebt hat oder genügend Phantasie besitzt, um sie sich vorzustellen, sehr einfach. Es ist sehr oft sehr viel leichter, eine Mehrheitsentscheidung in einem Gremium herbeizuführen als das Einvernehmen mit zwei Ressorts herzustellen, die unter Umständen ihre eigenen Auffassungen über dieses oder jenes haben mögen, Auffassungen, die letztlich nur durch Mehrheitsentscheidungen geklärt werden können. Ich erwähne diesen Punkt deswegen, weil wir manchen Tadel bekommen haben, das Ganze dauere lange. Sicherlich hat es lange gedauert, wenn man sich nur eine ungenügende Vorstellung von den Schwierigkeiten macht. Für denjenigen, der die Schwierigkeiten kennt, ist nach meiner Überzeugung so schnell und so gründlich wie nur möglich gearbeitet worden.
Ich sage nochmals: dies ist kein Gesetzgebungswerk für die Ewigkeit, sondern es sind im Grunde genommen relativ kurzlebige rechtliche Bestimmungen. Aber sie basieren auf einem Gesetz, das wir alle bejahen, und wir werden alles tun, es in die Wirklichkeit umzusetzen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dittrich.
({0})
- Er verzichtet. Dann hat das Wort Frau Abgeordnete Blohm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Ausführungen des Herrn Bundesministers Schröder gehört. Ich kann mich daher heute abend sehr kurz fassen. Ich möchte der SPD doch nur sagen, sie solle nicht glauben, daß sie der Gralshüter der Volksgesundheit ist.
({0})
Wir von der CDU/CSU sind an dem Lebensmittelgesetz genauso beteiligt wie Sie.
({1})
Sicherlich. Wir haben im Gesundheitsausschuß und nachher im Plenum dieses Lebensmittelgesetz verabschiedet, und es besteht meines Erachtens gar kein Grund, daß heute die SPD-Fraktion in die Verordnungsgebung eingreift und nun der Regierung Vorschriften machen will, wie sie und wann sie die Verordnung zu verabschieden hat.
({2})
Ich habe voller Befremden festgestellt, daß z. B. in Hamburg große Schilder stehen: „Geh mit der Zeit! Geh mit der SPD!" Darunter steht: „Der Verbraucher wird betrogen"! Die Vorträge hält Frau Keilhack. Es tut mir ausgesprochen leid, daß Frau Keilhack nicht da ist; sonst hätte ich es ihr selber gesagt.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Halten Sie es nicht für sehr unfair, Frau Keilhack, die wegen schwerer Grippe nicht da sein kann, was Sie wissen, in dieser Weise anzugreifen? Sie wissen, daß Frau Keilhack gesprochen hätte, wenn sie da wäre!
Ich habe ja gerade gesagt, Frau Strobel: es tut mir sehr leid, daß Frau Keilhack nicht da ist; sonst hätte ich es ihr selbst gesagt.
({0})
Außerdem ändert das nichts; die Schilder stehen trotzdem auf den Straßen.
({1})
- Warten Sie es ab! Die Verbraucher sind eben nicht betrogen worden. Denn die Regierung wird in Zukunft und auch schon jetzt alles tun, das zu verhüten, was Sie so sehr befürchten.
Lassen Sie mich zur Borsäure noch etwas sagen. Es ist zwar schon viel darüber geredet worden. Sie glauben doch wohl nicht, daß wir nicht auch der Meinung wären, daß Borsäure schädlich sei. Das wissen wir genauso gut wie Sie. Wir wissen aber ganz genau, daß im Augenblick 700 Fangboote, kleine Küstenschiffe betroffen würden, wenn wir morgen die Krabben verbieten würden. Deswegen ist es nicht möglich, diese 700 kleinen Küstenfischer heute und morgen mit den großen Kochgeräten und Kühlanlagen zu versorgen. Dazu braucht man sehr viel Geld. Ich möchte heute schon sagen, daß wir dem Haushaltsausschuß empfehlen sollten, Mittel bereitzustellen, um diesen Schiffern zu helfen, damit sie sich die neuen Kühlanlagen und Kochgeräte anschaffen können und damit auf diese Weise die Borsäure endgültig ausgeschaltet wird.
({2})
Über das Hexamethylen brauche ich nichts weiter zu sagen; es ist kein gesundheitsgefährdendes, sondern nur ein Mittel, gegen das jetzt Bedenken angemeldet worden sind. Es wird ersetzt werden, sobald ein anderes Mittel erfunden ist. Sie wissen ganz genau, daß Herr Professor Werner, der uns im Ausschuß und der auch die Bundesregierung beraten hat, Ihnen damals bei der Beratung sehr gut war. Heute meinen Sie, Professor Werner oder die anderen Wissenschaftler würden die Bundesregierung
nicht richtig beraten; sie würden heute andere Schlüsse ziehen, als sie sie damals gezogen haben.
({3})
Diese Wissenschaftler sind keineswegs der Melnung, daß die Bundesregierung das Gesetz durchlöchere und Fremdstoffe zulasse, die bedenklich seien. Das steht in der Rede von Professor Werner drin, die er im Bayerischen Rundfunk gehalten hat.
({4})
Jedenfalls ist das Hexamethylen keineswegs gesundheitsgefährdend; es ist nur bedenklich. Es wird sofort ersetzt werden, wenn ein neues Mittel gefunden ist. Wenn dieses Mittel gefunden ist, kann sich die Wirtschaft auch nicht von heute auf morgen umstellen. Sie braucht eine gewisse Zeit, mindestens aber drei Jahre. Wir hoffen, daß wir in drei Jahren so weit sind, diese Mittel ersetzen zu können. Wenn es früher geht, sollte es uns nur freuen.
Zu dem Annatto-Bixin brauche ich nichts weiter zu sagen. Da es sich wirklich um einen Naturfarbstoff handelt, ist einfach nicht einzusehen, daß dieser Naturfarbstoff, der nur in der Margarine verwendet wird, nun gekennzeichnet werden soll. Dabei muß ich bemerken, daß das Palmöl, das ebenfalls zur Färbung der Margarine zugelassen ist, nur von einer Firma benutzt werden darf und daß das Annatto-Bixin von den anderen Firmen benutzt wird. Wenn das Annatto-Bixin gekennzeichnet werden müßte, würden die Verbraucher getäuscht werden, weil sie glaubten, sie hätten einen fremden Stoff drin, während sie im Palmöl einen naturbelassenen Stoff hätten. Das wäre also eine Täuschung des Verbrauchers, die sicher nicht im Sinne des Erfinders wäre.
Dann möchte ich noch etwas zu der Kenntlichmachung sagen. Es war sicher nicht so von Ihnen gemeint, daß diese Kenntlichmachung sofort in Kraft treten soll, wenn die Verordnungen da sind. Wenn das so gemeint gewesen wäre, dann würden wir in den nächsten Jahren zweierlei oder dreierlei Lebensmittel nebeneinander haben. Stellen Sie sich einmal folgenden Fall vor: Eine Mutter will ihrem Kind Bonbons kaufen. Es gibt zwei Arten von Bonbons, die beide gefärbt sind. Die eine Art ist kenntlich gemacht, die andere Art nicht. Sie würde natürlich zu den nicht kenntlich gemachten greifen, weil sie glaubt, daß da keine Farbe oder nur eine Naturfarbe drin sei. In Wirklichkeit ist in beiden Bonbons die gleiche Farbe drin. Das wäre wieder eine Täuschung des Verbrauchers. Es ist aber nicht möglich, daß wir ihn jetzt täuschen, indem wir in diese Verordnung über die Kenntlichmachungspflicht diese Dinge sofort hineinnehmen. Dazu brauchen wir ein Jahr Zeit, damit sich die Wirtschaft umstellen kann und damit die Wirtschaft die Kenntlichmachung auf alle Lebensmittel anwenden kann.
Bei allen diesen Beratungen zum Lebensmittelgesetz dürfen wir das Lebensmittelrecht nicht isoliert für Deutschland betrachten. Wir müssen schließlich auch einmal dazu kommen, ein LebensmittelFrau Blohm
recht zu schaffen, das im Europäischen Markt bestehen kann. Frau Kollegin Strobel, Sie haben in Straßburg den Vorschlag gemacht, möglichst schnell ein gemeinsames Lebensmittelrecht für den Europäischen Markt zu schaffen. Dazu ist es aber auch notwendig, daß unsere Ware nicht schlechter behandelt wird als die importierte Ware. Wir müssen deshalb einheitliche Rechtsgrundlagen haben.
Das ist das, was ich heute zu dem Lebensmittelgesetz zu sagen habe.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Blohm, Sie haben sich in so netter und scharmanter Weise das Anliegen der Bundesregierung zu eigen gemacht daß es mir fast schwerfällt, etwas dagegen zu sagen.
({0})
Aber man soll sich durch den persönlichen Eindruck nicht von den sachlichen Argumenten ablenken lassen.
({1})
Auch wir Freien Demokraten haben gegen den ursprünglichen Wortlaut des SPD-Antrags die bereits vom Herrn Berichterstatter Dr. Dittrich erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Wir sind allerdings nicht so weit gegangen wie der Rechtsexperte, den uns die Bundesregierung zu den Beratungen in den Ausschuß schickte. Dieser Kronjurist, den ich übrigens persönlich sehr hoch schätze, war nämlich der Meinung, man könnte den Antrag in letzter Konsequenz nur dadurch durchsetzen, daß man ihn verbinde mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum gegen die Bundesregierung.
({2})
Nun, dabei hat der wackere Mann zweifellos zwei Dinge miteinander verwechselt
({3})
- einen Augenblick bitte, Herr Kollege Dittrich! -, nämlich die Möglichkeit einer Rotfärbung von Krabben durch Borsäure mit der Möglichkeit einer Rotfärbung der Bundesregierung durch ein konstruktives Mißtrauensvotum.
({4})
Beides ist nicht unbedingt nach dem Geschmack der Freien Demokraten.
({5})
- Herr Kollege Reith, gefallen Ihnen die roten Krabben nicht? Dann lassen Sie sich eines gesagt sein: wenn die Krabben erst schwarz geworden sind, sind sie unter Garantie völlig verdorben.
({6})
- Nun zu Ihrer Frage, Herr Kollege!
Wissen Sie nicht, Herr Stammberger, daß der Regierungsvertreter, von dem Sie soeben sprachen, drei Möglichkeiten aufzeigte: einmal die Möglichkeit, ein eigenes Gesetz einzubringen und hier im Bundestag zu verabschieden mit all den Einzelheiten der Fremdstoffe und der Deklarierung, zweitens die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde und drittens - das war offensichtlich doch nur theoretisch gemeint
({0})
- und spaßhaft - das konstruktive Mißtrauensvotum? Ich bitte Sie, das einmal zu beantworten.
Herr Kollege Dr. Dittrich, ich habe es auch nur spaßhaft gemeint. Aber abgesehen davon: Wenn Sie schon von den drei Möglichkeiten sprechen, die der Vertreter der Bundesregierung aufgezeigt hat - zwei Möglichkeiten haben Sie in Ihrem Ausschußbericht erwähnt, die dritte nicht; ich wollte lediglich Ihre Ausschußberichterstattung in diesem Punkte ergänzen. Nehmen Sie mir das bitte nicht übel!
({0})
Nun, meine Damen und Herren, die SPD hat ihren Antrag geändert. Sie hat in den letzten Wochen so vieles geändert; da kam es ihr auf diesen Antrag auch nicht mehr an.
({1})
Sie hat nun nicht mehr gesagt: „Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, dieses oder jenes zu tun", sondern hat gesagt: „Der Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung dieses oder jenes tue", was dann im einzelnen in ihrem Antrag niedergelegt ist und was Frau Kollegin Strobel vorhin hier im einzelnen dargelegt hat. Da sind wir Freien Demokraten der Meinung gewesen, daß man über diese Dinge ruhig hätte sprechen können und auch hätte sprechen müssen;
({2})
denn, meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß das Parlament nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, sich um seine legislativen Kinderchen zu kümmern, wenn sie dieses Haus verlassen haben, damit diese „böse" Exekutive sie nicht verdirbt. Auch das „böse" ist wieder nur scherzhaft gemeint.
({3})
- Bitte, Herr Kollege, stellen Sie nur Ihre Zwischenfrage!
Herr Abgeordneter Dittrich!
Herr Stammberger, welche Möglichkeiten hätten Sie für das Parlament gesehen, wenn die Bundesregierung diesem Erwarten des Deutschen Bundestags nicht entsprochen hätte?
Nun, Herr Kollege, darum handelt es sich nicht einmal. Es handelt sich vielmehr zunächst um die Frage, was denn nun nach Auffassung des Parlaments in dieser Rechtsverordnung Rechtens ist; und wenn wir zu der Auffassung gekommen wären, daß nicht Rechtens sei, was hier geschieht, daß es mit dem Geist des Gesetzes nicht vereinbar sei, wenn dann die Bundesregierung dieser Empfehlung - es kann ja zweifellos nur eine Empfehlung sein, darin gehe ich mit Ihnen einig - nicht gefolgt wäre, hätten wir eben die Konsequenzen zu 1 und 2 ziehen müssen, wie Sie sie vorhin dargelegt haben, worüber wir ebenfalls einig sind. Aber, Herr Kollege, warum soll man nicht offen über diese Dinge sprechen? Warum muß man denn unbedingt einen Antrag auf Schluß der Debatte und auf Abstimmung stellen, wie es im Ausschuß bedauerlicherweise geschehen ist?
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Stammberger, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dittrich?
Ich gestatte noch eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Stammberger, ist Ihnen nicht genausogut wie uns allen bekannt, daß die Verordnungsentwürfe noch gar nicht das Stadium der Verabschiedung erreicht haben? Sind nicht auch Sie mit mir der Meinung, daß es ein höchst unrationelles Verfahren ist, in Verhandlungen der Bundesregierung und des Bundesrates hineinzugreifen und über eine Sache, in der letzten Endes die Wissenschaft das entscheidende Wort sprechen muß, in einem Gremium zu debattieren, das, wie wir selber heute aus dem Munde von Frau Kollegin Strobel gehört haben, an sich gar nicht über den notwendigen Sachverstand verfügt? Sind nicht auch Sie der Meinung, daß das sehr unrationell ist?
Auf die Vorlage der Verordnungen wollte ich -gerade zu sprechen kommen. Herr Kollege, es geht heute, in diesem Zeitpunkt, gar nicht mehr um eine Einzelfrage, etwa die Frage, ob Annatto in die Allgemeine Fremdstoffverordnung oder in die Farbstoffverordnung gehört.
({0})
Es geht vielmehr für uns um die Frage, ob die Rechtsverordnungen überhaupt rechtzeitig vorliegen werden, wenn das Gesetz am 23. Dezember in Kraft tritt.
({1})
- Herr Kollege Dittrich, ich nehme auch noch zu dieser Frage Stellung. Aber ich bitte, daß das dann die letzte ist.
Außerordentlich liebenswürdig, Herr Stammberger! Hätten Sie nicht die Gefahr gesehen, Herr Stammberger, daß, wenn wir den Antrag der SPD - der nach unserer Ansicht mehr auf Wirkung nach außen hin abzielt , entsprochen hätten, eine Verzögerung in der Verordnungsgesetzgebung der Bundesregierung eingetreten wäre?
Herr Kollege, wieweit der Antrag der SPD nur auf Wirkung nach außen bedacht war, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich dieser Fraktion nicht angehöre. Aber was die Verzögerung der ganzen Angelegenheit und den Zeitdruck betrifft, unter dem wir uns jetzt befinden, so wollte ich darauf gerade zu sprechen kommen.
Frau Kollegin Blohm hat vorhin gesagt: Man muß es der Bundesregierung nicht nur überlassen, w i e sie die Rechtsverordnungen gestaltet, sondern auch, wann sie die Rechtsverordnungen herausbringt. Frau Kollegin Blohm, ich muß Ihnen in beiden Punkten widersprechen.
Bei der Verabschiedung des Gesetzes ist es auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung unterblieben, daß in der dritten Lesung noch gesprochen wurde. Das war nach der Redeschlacht in der zweiten Lesung einerseits sehr erfreulich. Andererseits aber ist es bedauerlicherweise unterblieben Herr Kollegs Dr. Elbrächter nickt ,schon -, noch einen Appell an die Bundesregierung zu richten, den nach meinen Informationen sowohl Herr Kollege Elbrächter als Sprecher der CDU/CSU als auch ich als Sprecher meiner Fraktion, der Freien Demokraten, an die Bundesregierung richten wollten, nämlich den Appell, die Rechtsverordnungen so rechtzeitig vorzulegen, daß derartige Pannen, wie sie jetzt leider unter Umständen passieren können, vermieden werden.
({0})
- Ich komme gleich darauf zu sprechen, Herr Minister. - In diesem Appell wollte ich insbesondere darauf hinweisen, daß es notwendig ist, der durch das Gesetz und die Verordnungen zweifellos betroffenen Lebensmittelwirtschaft die nötige Zeit zur Umstellung zu geben.
({1})
Das ist nicht geschehen. Das Gesetz tritt in drei Wochen in Kraft. Wir wissen, daß zur Durchführung des Gesetzes die Rechtsverordnungen notwendig sind. Noch keine einzige der elf Verordnungen, Herr Bundesinnenminister, ist bisher verkündet.
({2})
Sie sind, soweit wir unterrichtet sind, noch nicht einmal alle dem Bundesrat vorgelegt worden.
Nun haben Sie die große Liste der elf Verordnungen vorgelegt. Sie haben das vorhin hier erläutert; es war uns auch bereits bekannt, Herr Bundesinnenminister. Sie werden höchstwahrscheinlich sagen: Wir - d. h. die Bundesregierung - haben dazu nicht genügend Zeit gehabt. Über die Frage, welche Zeit zwischen der Verkündung und dem InDr. Stammberger
krafttreten liegen muß, Herr Minister, haben wir uns im Gesundheitsausschuß eingehend unterhalten. Es hat verschiedene Mitglieder des Ausschusses gegeben, wie etwa Herrn Kollegen Dr. Elbrächter, die, wahrscheinlich schon in Befürchtung der kommenden Entwicklung, gesagt haben: Wir brauchen eine längere Zeit als ein Jahr. Es hat verschiedene andere Mitglieder des Ausschusses gegeben - dazu gehörte Frau Kollegin Strobel -, die gesagt haben: Es genügen 'auch sechs Monate. Wir haben uns schließlich einmütig - wenn ich mich recht entsinne, auch mit Zustimmung der Herren Ihres Ministeriums, Herr Minister - auf einen Zeitraum von einem Jahr geeinigt.
Aber das ist es ja nicht allein, Herr Minister. Diese Rechtsverordnungen sind samt und sonders eine Folge des Verbotsprinzips, nach welchem der Zusatz jeglicher Fremdstoffe verboten ist, wenn er nicht ausdrücklich durch Rechtsverordnung genehmigt ist, weil der Fremdstoff als gesundheitlich unbedenklich gilt. Daß es zu diesem Verbotsprinzip kommen würde, war nicht erst vom Tage der Verkündung des Gesetzes an bekannt. Denn über das Verbotsprinzip hat es in diesem Hause niemals einen Streit gegeben, darüber waren sich alle Fraktionen einig, darüber bestand auch Einigkeit zwischen diesem Hause und der Bundesregierung, darüber bestand sogar Einigkeit mit den Vertretern der Lebensmittelwirtschaft, von einigen Außenseitern abgesehen. Dieses Verbotsprinzip, Herr Minister, war bereits im Regierungsentwurf von 1956 enthalten, der ja wegen der Neuwahl des Bundestages seinerzeit nicht mehr zur endgültigen Verabschiedung kam. Ihr Haus hat also nicht nur ein Jahr, es hat praktisch drei Jahre Zeit gehabt, Herr Minister, und wenn man in Ihrem Hause so gearbeitet hätte, wie man angesichts der Wichtigkeit der Materie hätte arbeiten müssen, dann hätten bereits kurz nach der Verkündung des Gesetzes die Entwürfe zu den Rechtsverordnungen nur so aus den ministeriellen Schubladen herausfliegen müssen.
({3})
Aber geschehen ist nichts, und nun befinden wir uns heute - das müssen wir offen zugeben - in einer für die Durchführung des Gesetzes äußerst unerfreulichen Situation und in einem Zeitdruck, gegen den sich mit Recht vor allen Dingen der Bundesrat wehrt, weil er gar keine Veranlassung hat, sich nun den Schwarzen Peter zuschieben zu lassen.
Daher möchte ich zum Schluß zwei Fragen an Sie stellen, Herr Minister:
1. Worauf ist es zurückzuführen, daß die Bundesregierung trotz genügender Zeit nicht in der Lage war, die Entwürfe zu den Rechtsverordnungen zum Lebensmittelgesetz so rechtzeitig vorzulegen, daß ein termingemäßer Beginn der Durchführung des Gesetzes auf jeden Fall gewährleistet ist?
2. Ist die Bundesregierung in der Lage, dem einmütigen Beschluß des Bundestages vom 6. November 1958 nachzukommen, wonach sie bis zum 1. Januar 1960, also in vier Wochen, eine Novelle zur
Neuregelung des Lebensmittelstrafrechts vorzulegen hat?
({4})
Das Wort hat ,der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gedacht, daß der an sich sonst so liebenswürdige Kollege Stammberger doch von den Aufzeichnungen, die ich hier vorgelegt habe, tiefer beeindruckt wäre, als er es offenbar ist.
({0})
- Diese Konzession machen wir uns gegenseitig, und nun versuche ich, mein Möglichstes zu tun. -Daß man eine relativ kurze Frist vorgeschlagen hat, geschah erstens in dem Bestreben, die neuen Bestimmungen des Gesetzes möglichst schnell Wirklichkeit werden zu lassen. Also war es doch wohl ein löblicher Vorsatz, der das Ministerium und seine Referenten dabei geleitet hat. Man tat es auch auf der Basis, daß man bereits sehr umfangreiche Vorarbeiten hatte. Aber einen ganz entscheidenden Punkt übersehen Sie, nämlich den, daß man die endgültige Definition des Begriffs „Fremdstoff" nicht vorhersehen konnte Sie wissen, daß wir ursprünglich eine andere Definition hatten - und daß sich ein großer Teil der sehr zeitaufwendigen Arbeit erst an diesem speziellen Punkt angeschlossen hat.
Ich habe im übrigen eine Reihe Briefe von hervorragenden Wissenschaftlern - ich will das Hohe Haus jetzt nicht damit aufhalten -, die sagen: in diesem Punkte sind wir noch nicht ganz sicher und in jenem Punkte sind wir noch nicht sicher. Diese Dinge basieren doch nicht auf längst reifen, definitiven Ergebnissen umfassender Forschungen, sondern auf diesem Gebiet ist man doch noch sehr am Tasten. Ich habe hier einen Brief von Professor Druckrey, in dem das sehr deutlich gesagt wird.
Nun sagen Sie, verehrter Herr Kollege Stammberger: „Wir sind in Zeitdruck!" „Wir" sagten Sie qua Bundestag. Gar nicht! I c h bin in Zeitdruck, ich bin derjenge, der sich damit herumschlagen muß, um diesen Termin, um diesen Hafen noch einigermaßen zu erreichen.
({1})
Ich habe vorhin schon - etwas vorsorglich, möchte ich sagen - das Verständnis des Bundesrates gefeiert, der im Innenausschuß fünf von den Verordnungen, die wichtigsten aus der ,ganzen Serie, definitiv ,erledigt hat. Der Bundesrat wird in seiner nächsten Sitzung, also nicht in der morgigen, sondern in der, die darauf folgt, diese und wahrscheinlich noch einzelne weitere Verordnungen verabschieden ; und dann wird die Bundesregierung sich in folgender schwieriger Lage befinden - das ist eine Schwierigkeit, die aus der Gestaltung der Verordnungsrechts an sich hervorgeht -: sie wird vor der schwierigen Frage stehen, ob sie dem Bundesrat in diesem oder jenem Punkt folgen kann oder
andere Entschließungen wird fassen müssen. Das ist eine schwierige Geschichte, und ich habe nur die Hoffnung, daß es uns gelingt, bei gutem gegenseitigen Verständnis zwischen uns und dem Bundesrat dazu zu kommen, daß auch negative Empfehlungen von ihm nicht weiter gehen, als sie von unserem Standpunkt aus akzeptabel bleiben.
Wenn ich also nun einmal etwas Optimist sein darf, optimistischer als die Frau Kollegin Strobel hinsichtlich der Zieheltern ist, denen gegenüber sie ja viel Skepsis aufgebracht hat, dann glaube ich in der Tat, daß die Verordnungen, oder jedenfalls sicherlich der größte Teil von ihnen, pünktlich im Bundesgesetzblatt stehen werden. - Herr Kollege Stammberger, ich bin gern einmal bereit, Ihnen diese Unterlagen im ,einzelnen zu zeigen, die Protokolle, die Sachverständigenanhörungen, die neuen Vorschläge, das Hin und Her in der ganzen Sache; Sie werden dann als ein gerecht und billig denkender Mann sagen, daß auch Sie, wenn Sie es selber zu tun gehabt hätten, die Schwierigkeiten nicht besser gelöst hätten, als wir es jetzt versuchen. Dieses Vertrauen habe ich zu Ihrem Billig- und Gerechtdenken.
({2})
- Lieber Herr Stammberger, ich würde sagen: ich weigere mich, diese Eventualität bereits heute abend ins Auge zu fassen.
({3})
Aber das ist alles, was ich dazu sagen möchte. Ich möchte das Hohe Haus nur bitten, durch den liebenswürdigen Einfluß, den es auch auf den Bundesrat hat - der ja auch nicht aus Maschinen, sondern aus Menschen besteht -, durch den Einfluß, den die Mitglieder des Hohen Hauses dort ausüben können, das Seine dazu beizutragen, daß wir dort eine Unterstützung für unser Bemühen finden, in dieser Sache termingerecht zu bleiben.
({4})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere sehr, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion uns hier heute beschäftigen muß und daß das Problem nicht im Ausschuß gelöst werden konnte.
({0})
- Nein, dann wäre es mit meiner Stimme nicht gelöst. S i e hätten dafür sorgen müssen, denn Sie haben die Mehrheit im Ausschuß.
Ich bedauere aber auch, daß Herr Dr. Elbrächter meint, es sei ein unrationelles Verfahren. Ich finde, es ist ein demokratisches Verfahren. Unrationell
war heute abend in so später Stunde, daß er so
viele Fragen gestellt und nicht hier gesprochen hat.
({1})
Wenn er hier seine Meinung gesagt hätte, brauchte ich jetzt um diese späte Stunde nicht mehr zu sprechen. Ich stelle das ganz sachlich fest.
Wir können heute nichts beschließen. Wir können nur appellieren. Aber diesen Appell an den Bundesminister des Innern und den Appell an den Bundesrat - den sollten wir nicht versäumen.
({2})
- Herr Dr. Elbrächter, ich kann Ihnen jetzt keine Fragen beantworten, weil ich die Ungeduld des Hauses in dieser späten Stunde kenne, und ich möchte, daß wir jetzt sachlich unsere Meinung sagen. Ich meine auch, daß diese Debatte nicht von Ihnen mit Lächeln begleitet, sondern mit allem Ernst geführt werden sollte,
({3})
weil in unserem Land unendlich viele Menschen besorgt sind. Denn kaum ,ein Problem hat die Öffentlichkeit so beschäftigt wie das neue Lebensmittelgesetz.
Die Verabschiedung der Novelle trotz aller vorangegangenen Auseinandersetzungen hat nicht nur die Verbraucher, unsere Familien, sondern auch die Ärzte, hat alle Menschen, die um die Volksgesundheit besorgt sind, aufhorchen und, wie ich weiß, auch aufatmen lassen. Nachdem auf Grund von Kompromissen viele Regelungen in dem Gesetz nicht so sind, daß ohne weiteres die Möglichkeit besteht, alle Fragen durch Rechtsverordnung zu lösen, habe ich gern gehört, daß der Minister hier eine Auffassung vertreten hat, die auch die meine ist: daß das neue Lebensmittelgesetz ein Anfang und nicht das Ende der Entwicklung im Lebensmittelrecht ist.
Die Novelle hat eine Begründung der Regierung mitbekommen. Wer die Rundfunkrede des Ministers am 23. September gehört oder sie etwas später, im Bulletin gelesen hat, wird sich jetzt an das Versprechen erinnern, das er abgegeben hat, daß nämlich der „Schutz der Gesundheit des Volkes oberstes Ziel" sein soll.
({4})
- Ich bezweifle es nicht, Frau Kollegin. Nur Ihre Meinung ist angezweifelt worden, meine ganz gewiß nicht. - Die Novelle der Regierung hat eine Begründung mitbekommen. Ich glaube daran -und ich hoffe es auch - daß es gelingen wird - wenn auch nicht mehr in diesem Jahr -, dieses Gesetz so durchzuführen, wie es die Mehrheit des Hauses, gewollt hat.
Es wäre sehr tragisch, Frau Kollegin Dr. Steinbiß, wenn die Unruhe, die besonders bei den Frauenorganisationen, bei den Verbraucherverbänden und bei Ihrer eigenen Zunft, bei den ärztlichen Standesorganisationen - Sie können das in den „Ärztlichen Mitteilungen" und einigen anderen gesundheitspolitischen Veröffentlichungen nachlesen -,
entstanden ist, eine unnötige Besorgnis förderte. Diese Besorgnis gäbe es gar nicht, wenn man etwas früher und mit etwas klareren Veröffentlichungen deutlich gemacht hätte, um was es geht.
Ich bin nicht der Ansicht des Herrn Ministers, daß man, wenn man zehn Jahre gesündigt hat, ruhig noch etwas weitersündigen kann, sondern man sollte sehen, daß man so schnell wie möglich in den Beichtstuhl kommt, Herr Minister - das sage ich Ihnen als Protestantin -, weil dann wenigstens die Hoffnung auf eine Besserung besteht.
Herr Stammberger hat von der Zeitlage gesprochen. Ich bin mit ihm der Meinung, es hätte nicht passieren dürfen, daß wir uns zu diesem Zeitpunkt noch einmal über die Verordnungen unterhalten müssen. Es ehrt den Herrn Minister, daß er sich vor seine Mitarbeiter stellt. Ich fürchte aber, daß die Bundesregierung in eine sehr schwierige Lage kommen wird; auch Sie, Herr Minister, werden in eine schwierige Lage kommen, denn der Vater dieses Kindes, der zur Zeit die Betreuungsaufgabe hat, ist nicht Herr Adenauer, sondern das Kind hat viele Väter - die Ministerpräsidenten werden demnächst in dieser Rolle sein -, und es ist immer eine schlechte Sache, wenn viele Väter verantwortlich sind.
({5})
Das wird also Herr Kopf genauso wie Herr Brauer, Herr Brandt genauso wie Herr Zinn sein. Es wird an Ihnen, Frau Kollegin Strobel, liegen, daß so wichtige Väter im Bundesrat alles tun, damit unser gemeinsames Anliegen verwirklicht wird.
Mit besonderer Sorge, Herr Minister, hat mich eine Behauptung erfüllt, die in einer Veröffentlichung im „General-Anzeiger" vom 2. Dezember mit der Überschrift „Chemie bedroht Gesundheit" enthalten ist. Es wird darin gesagt, „daß von der Ministerialbürokratie durch eine allzu willfährige Berücksichtigung industrieller Interessen anläßlich der Ausführungsbestimmungen das Gesetz sabotiert wird". Hier sollten Sie sich allerdings vor Ihre Beamten stellen und sollten nicht zugeben, daß mit solchen Veröffentlichungen Unruhe gestiftet wird. Aber auch eine den Ärzten sehr nahestehende Information, die „Bonner Sozialpolitik" - des Herrn Burckhardt - hat behauptet, „daß das Gesetz undurchführbar sei". Ich halte das Gesetz nicht für undurchführbar. Ich bin nur der Meinung, daß jetzt alles geschehen muß, damit in der Durchführungsverordnung dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird. Es müssen auch noch die Dinge ausgeräumt werden, die, weil es an Aufklärung über manche Zusammenhänge fehlte, in der Öffentlichkeit Besorgnis erwecken konnten. Sie haben u. a. gesagt, Herr Minister, „daß die Regierung noch weiter gehen werde als die Forschungsgemeinschaft". Sie haben eine große Chance, das zu beweisen.
Ich bedauere, daß Sie dem Problem der Krabben und der Krabbenfischerei eine solch große Bedeutung beimessen. Sie haben das im Rundfunk getan, Herr Minister, die Frau Kollegin Strobel hat das gleiche heute abend gesagt. Ich glaube nicht, daß das Problem der Konservierung von Krabben das
Hauptanliegen dieses Gesetzes ist. Krabben sind weder ein Hauptnahrungsmittel, noch ist es entscheidend, wie lange noch dieses Nahrungsmittel mit Borsäure konserviert wird. Für mich ist etwas ganz anderes entscheidend.
Kernstück des Gesetzes ist das grundsätzliche Verbot der Fremdstoffzusätze und die Kennzeichnungspflicht.
({6})
Wenn auf die Verpackungen geschrieben wird, daß die Krabben zur Zeit mit Borsäure oder eben mit einem Stoff konserviert werden, über dessen Schädlichkeit man sich streitet, dann möge jeder in eigener Verantwortung entscheiden, ob er Krabben essen will oder nicht. Darauf kommt es an, und dafür sollten Sie sorgen, Herr Minister. Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht, die jetzt bei der Durchführung des Gesetzes gemacht werden, sollten soweit wie möglich beschränkt und nur in den seltensten Fällen genehmigt werden.
Lassen Sie mich noch kurz ein Wort zur Kennzeichnung selbst sagen. Ich halte es wirklich für außerordentlich gefährlich, wenn die Auffassung vertreten wird, man könne die mit Borsäure bearbeiteten Konserven nicht kennzeichnen. Die Wirtschaft, auch die Krabbenfischerei sollte selbst das allergrößte Interesse haben, diese Kennzeichnung vorzunehmen.
Ein weiteres Wort zu der Absicht - ich weiß nicht, ob sie noch besteht, aber ich nehme an, daß der Bundesrat sich auch noch mit dieser Frage auseinandersetzen muß -, die Kennzeichnung durch Kenn-Nummern vorzunehmen. Diese Absicht muß ich auf das entschiedenste beanstanden. Es kann nicht dem Willen des Gesetzes und dem Willen des Hauses bei der Verabschiedung des Gesetzes entsprechen, daß die Hausfrauen, wenn sie einkaufen, ein Taschenlexikon mitnehmen sollen, um festzustellen, was die einzelnen Kenn-Nummern bedeuten, oder daß sie erst suchen müssen, um von der Liste die Bedeutung abzulesen. Die Kennzeichnung muß einfach und für jeden erfaßbar sein.
({7})
- Nein, Herr Kollege. Ich muß sie aber darauf aufmerksam machen, daß selbst der Staatssekretär Dr. Sonnemann
({8})
- ja, was ich jetzt sage, ist Ihnen unangenehm, aber Sie sollten es ruhig anhören - unseres Ernährungsministeriums vor einer möglichen Verwässerung dieses Gesetzes gewarnt hat. Die „Ärztlichen Mitteilungen" vom 11. 11. 1959 haben darüber sehr ausführlich berichtet.
Für all die Probleme, die die Gesundheit unseres Volkes angehen, sollten wir uns, finde ich, Zeit lassen, auch wenn es eine Viertelstunde länger dauert, und die notwendige Diskussion mit mehr Ernst führen.
({9})
- Herr Kollege, ich muß wirklich sagen, das ehrt Sie keineswegs. Sie sollten sich genieren! Sie merken doch, mit welcher Eile ich mich bemühe, auf Ihre Müdigkeit Rücksicht zu nehmen.
({10})
Ich betrachte es als sehr positiv, daß wir endlich bei den Fleischerzeugnissen eine bundeseinheitliche Klärung der Verwendung von Phosphaten bekommen werden. Ich frage mich aber: wenn neun Länder bei der Wurstbearbeitung ohne Phosphate auskommen, warum sollen es die fehlenden zwei Länder nicht auch können?
Herr Minister, man kann eben nicht nach zehnjährigem Sündigen noch drei Jahre lang abwarten! Man kann die Auffassung haben: wenn wir ein Jahr mehr für die Vorbereitung gehabt hätten, wäre die Situation weniger schwierig. Ich möchte Ihnen aber entgegnen: mindestens seit 1956 wissen Sie, weiß Ihr Haus, weiß die Wirtschaft und weiß die Lebensmittelindustrie, worum es geht.
({11})
Seit 1956 wissen aber auch alle Beteiligten, daß die Verordnung kommen muß und daß ein Verbot zu erwarten war.
Wenn die Wissenschaft nicht über alle Stoffe Bescheid weiß, so ist das gar kein Grund zum Vorwurf gegen die Wissenschaft, aber auch kein Grund zur Entschuldigung für Ihre Auffassung. Denn die Wissenschaft hat die permanente Aufgabe, sich um die Erkenntnis in der Lebensmittelchemie genauso zu bemühen wie um die Erkenntnis neuer Stoffe und die Erkennung neuer Gefahren. Es besteht gar kein Zweifel, daß wir immer wieder Neuland betreten müssen und daß alle Beteiligten - alle! - Erfahrungen sammeln müssen. Ich habe sehr gern vermerkt, daß auch der Minister diese Auffassung hat, und wir werden zur gegebenen Zeit daran erinnern, wenn es notwendig sein sollte, die Verordnungen zu überprüfen und das Gesetz noch deutlicher zu machen.
Nun ist behauptet worden, daß wir in Kürze dreierlei Lebensmittel haben werden - dies ist auch von der Frau Kollegin Blohm angedeutet worden -, weil beim Inkrafttreten am 23. Dezember eben noch nicht alle Verordnungen angewandt werden können. Ich bedaure es, daß die Lebensmittelindustrie nicht von sich aus die Initiative ergriffen und ihre eigenen Konserven und Erzeugnisse mit Etiketten versehen hat. Ich bedauere, daß sie nicht schon ohne Zwang und ohne Polizeikontrolle das getan hat, was sie im Interesse ihres eigenen Geschäfts hätte tun sollen.
({12})
Die Kennzeichnungspflicht, die wir fordern, richtet sich doch nicht gegen die Lebensmittelindustrie. Sie dient unserem Volk, und sie dient auch der Erziehung der Verbraucher dazu, sich anzuschauen, was sie kaufen, und zu überlegen, wofür sie Geld ausgeben. Sie liegt im Interesse der Gesundheit unserer Familien. Durch sie wird dafür gesorgt, daß
die Beschaffenheit der verwendeten und genossenen Lebensmittel auch von den Verbrauchern überprüft wird.
Die Wirtschaftsgruppen, die heute protestieren, wären wirklich gut beraten gewesen, wenn sie während der jahrelangen Vorbereitungen für dieses Gesetz ihrerseits das Notwendige getan hätten, um die im Handel befindlichen Packungen an einem Tage X zu kennzeichnen. Das kann man über den Großhandel machen, das kann man bei der Margarine wie bei anderen Erzeugnissen durch Umwickeln, durch Umverpacken oder durch Etiketten machen.
({13})
- Ich bin nicht Chemikerin in der Lebensmittelindustrie, Herr Dr. Elbrächter. Sie müssen mir zugute halten, daß ich die Dinge, die in der Backmittelindustrie - Backpulver - oder in anderen Industrien eine Rolle spielen, vielleicht nicht im einzelnen kenne. Sie müssen aber, auch wenn Sie sich noch so getroffen fühlen, anerkennen, daß es möglich ist, Etiketten zu beschaffen und zu verwenden.
({14})
Bei dem Verlangen nach reinen und unverfälschten Lebensmitteln handelt es sich um eine außerordentlich wichtige Frage! Ich kann nur wiederholen, daß es nicht um eine Auseinandersetzung mit der Industrie geht. Im Vordergrund steht vielmehr die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit unseres Volkes. Ich möchte an dieser Stelle die Hoffnung aussprechen, daß aller Pessimismus und viele Sorgen überflüssig gewesen sein mögen und daß es dem Minister und seinen Beamten gelingt, im Bundesrat Verständnis dafür zu finden, daß ein Gesetz, wie es hier beschlossen worden ist - auch in der Durchführung -, dem Willen des Volkes und seiner Vertreter entspricht. Es ist besser, daß dieses Gesetz gelegentlich auch einmal gewisse Leute ärgert, Herr Dr. Elbrächter, als daß man ,etwas versäumt, was im Interesse der Volksgesundheit zu tun ist. Ihren Zwischenruf, Herr Kollege,möchte ich in Ihrem Interesse, weil ich mich für Sie schäme, überhört haben.
({15})
Ehe ich dem Herrn Bundesminister des Innern das Wort erteile, möchte ich doch an diejenigen, die hier noch als Redner vorgemerkt sind - das sind nach dem Minister gegenwärtig noch drei -, den dringenden Appell richten, sich möglichst kurz zu fassen. An das Hohe Haus möchte ich appellieren, möglichst ruhig zuzuhören. Sonst muß ich als Präsident doch zu erwägen geben, ob die Beratung nicht morgen früh fortgesetzt werden soll. Nur unter der Voraussetzung, daß mein Appell auf fruchtbaren Boden fällt, möchte ich versuchen, diese Verhandlung noch zu Ende zu führen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will wirklich versuchen, zu erreichen, daß wir aus dieser Atmosphäre herauskommen, in der es so scheint, als seien die einen für den Schutz der Gesundheit, die anderen dagegen gar nicht. Meine Damen und Herren, wir sterben vermutlich alle gleich ungern, und uns allen ist unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Wähler - und Sie wissen, das sind bei uns eine ganze Menge - gleich lieb.
({0})
- Ich kann nicht verstehen, was Sie sagen, Frau Kollegin. Ich glaube, wir sollten uns hier nicht irgendwie ereifern und den Eindruck erwecken, daß der eine mehr und der andere weniger um die Volksgesundheit besorgt sei. Ich würde von niemandem hier im Hause annehmen, daß er in dieser Beziehung leichtfertiger ist als ein anderer. Dafür sind wir alle viel zu gesundheitsbewußt.
Nun zu dem, was Frau Kollegin Kalinke im einzelnen gesagt hat. Das Beispiel mit den Sünden paßt sehr schlecht. Es ist keineswegs so - ({1})
- Doch, doch, Frau Kollegin, es ist keineswegs so, als ob wir uns derzeit von unseren Sünden zu trennen hätten und als ob das nun über Nacht möglich oder nicht möglich sei. Darum geht es nicht, vielmehr hat ein ganzes Volk Jahrzehnte hindurch auf dem Gebiete der Lebensmittelgesetzgebung eine bestimmte Position eingenommen. Es hat sich nun nach vielen Erwägungen entschlossen, eine andere Position einzunehmen, wir sind jetzt dabei, diese Position in die Wirklichkeit umzusetzen. Das ist doch der Vorgang, und demgegenüber bitte ich, weder mit Unterstellungen zu arbeiten noch ihn zu dramatisieren,
({2})
noch sonst etwas. Dies ist eine sehr verantwortungsvolle, aber auch sehr nüchterne Sache.
Frau Kollegin, wir hätten es uns eben vielleicht in manchem leichter machen können. Ein Ministerium hat ja auch die Überlegenheit, etwas auf stur zu schalten. Wir hätten vielleicht nicht den Versuch zu machen brauchen, tatsächlich innerhalb dieser relativ kurzen Zeit ein recht reifes Verordnungswerk herauszubringen. Das war eine ungeheure Aufgabe, und es hat gar keinen Zweck, so zu tun, als ob Sie schon vor drei Jahren wußten: Da kommt ein solches Gesetz, darauf kann man sich einstellen, und dann geht das alles. Ich wäre der verehrten Frau Kollegin - sie hat das in einer für mich überraschend scharfen Weise kritisiert - sehr dankbar, wenn sie einmal an der Arbeit eines Ministeriums teilnähme, um zu sehen, was dazugehört, unabhängig von irgendeinem besonders guten oder schlechben Willen die reine Technik zu handbaben - ich sage Ihnen, die reine Technik -, eine so umfangreiche Materie in relativ wenigen Monaten bis zu einer Reife zu bringen.
Hier wird gesagt, es sei höchst bedauerlich, daß der sozialdemokratische Antrag erst heute diskutiert wird. An wem liegt das? Der Antrag stammt vom 14. Oktober. Wer hat zu vertreten, daß wir heute den 3. Dezember haben? Wenn man es früher hätte diskutieren wollen, hätte man es früher diskutieren können. Wenn die sozialdemokratische Fraktion früher Bedenken hatte, lag es doch an ihr, damit früher zu kommen. Ich halte das alles für abwegig. Ich werfe es Ihnen ja nicht vor, ich spreche jetzt zufällig nach einer anderen Seite. Seien Sie bitte nicht so empfindlich; ich hätte mehr Anlaß dazu, empfindlich zu sein, und versuche auch, mich freundlich zu geben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, es scheint Ihnen entfallen zu sein, daß wir beantragt hatten, das Lebensmittelgesetz im 2. Bundestag zu verabschieden, und daß Ihre Fraktion dies verhindert hat.
({0})
Liebe Frau Kollegin, ich kann jetzt nicht auf die Vorgeschichte eingehen. Aber eines ist doch ganz sicher: Ich bin auch nicht dazu da, irgendeine Fraktion zu verteidigen oder anzugreifen, sondern ich habe hier den Standpunkt der Bundesregierung möglichst klar, möglichst verständlich zu entwickeln, und das tue ich. Ich kann hier nur für das einstehen, wofür ich selbst verantwortlich bin. Das tue ich allerdings mit aller Deutlichkeit.
Nun ein anderes Wort an die Adresse der Frau Kollegin Kalinke. Sie haben den an sich nicht so besonders gefährlichen „General-Anzeiger" zitiert, der offenbar im inneren Teil - ({0})
- Der „General-Anzeiger" CDU-Zeitung?! Da sei Gott vor, kann ich nur sagen. Das wird er auch selbst gar nicht behaupten, schätze ich. Jedenfalls, darin stand ein Angriff, die Ministerialbürokratie versuche, das Lebensmittelgesetz zu verfälschen. Ich kann Ihnen sagen, Frau Kollegin: Wenn ich jedem Angriff auf das Ministerium und seine Beamten nachlaufen wollte, dann könnte ich morgens um 8 das Büro betreten und es um 24 Uhr verlassen, und dann wäre ich nur mit Dementis beschäftigt. Bitte, glauben Sie mir, ich kann mich nur in dien allerwichtigsten Fällen auf Dementis einlassen.
Damit die Öffentlichkeit in dieser Sache nicht getäuscht wird, spreche ich so ausführlich darüber. Deswegen habe ich auch im Rundfunk darüber gesprochen. Sie können ganz sicher sein: Sobald die Verordnungen im Bundesgesetzblatt erschienen sind, werden wir alles tun, um der Öffentlichkeit ganz klar das zu sagen, was ich hier ausgeführt habe.
({1})
Uns ist das Reden über Volksgesundheit nicht eine
Spielerei oder irgendeine Wahl- oder sonstige Ge5106
schichte, sondern wir meinen es ernst. Es handelt
sich um unsere eigene Gesundheit, um die unserer
Kinder, um die unserer Familien. Die ist uns bestimmt so lieb, wie sie irgend jemand anderem ist.
({2})
- Wir werden das der Bevölkerung klarmachen. Wir wollen uns deswegen auch nicht auf einen Streit darüber einlassen, ob die einen die Bösen und die anderen die Guten sind, ob die einen für den Schutz der Gesundheit sind und die anderen nicht. Leider eignet sich dieses Thema offenbar zur Demagogie, und dieser Demagogie werden wir mit aller Entschlossenheit entgegentreten.
({3})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kalinke?
Bitte sehr!
Herr Minister, vieles, was Sie als Appell an mich richten, habe nicht ich unterstellt. Sie appellierten an die Gutwilligen in diesem Hause. Finden Sie nicht auch, daß es sich in dieser Frage bei allen, die diskutiert haben, nur um gutwillige Menschen handeln kann? Dabei haben Sie offenbar über die Mittel und Methoden eine andere Auffassung, als diejenigen sie deutlich gemacht haben, die hier gesprochen haben.
Frau Kollegin, ich höre das sehr gern. Ich habe auch nicht die Absicht zu polemisieren; wie könnte ich gerade gegen Sie polemisieren wollen! Dazu habe ich bestimmt keinen Anlaß. Innerhalb der Regierungskoalition würde ich doch durchaus eher bemüht sein, die Polemik zurückzustellen.
Ich antworte nur auf das, worauf ich angesprochen worden bin. Sie waren der Meinung, daß zuviel über die Krabben geredet worden sei; sie seien kein Volksnahrungsmittel. Ich finde, daß gerade die Krabben - seien Sie ganz sicher, das ist der einzige Grund, warum ich dieses Beispiel gewählt und warum ich mich gerade um diese Sache selbst gekümmert habe - ein sehr instruktives und so leicht faßliches Beispiel sind. Es ist ein Beispiel, das Sie der Bevölkerung klarmachen können. Da sieht sie die See, die Fische, die Schiffe und den Weg hierher. Das sieht sie natürlich sehr leicht und einfach vor sich.
Im übrigen, Frau Kollegin, kann bei den Krabben auch heute schon gar keine Täuschung unterlaufen. Wenn Sie eine Büchse kaufen, werden Sie feststellen, daß bereits heute tadellos gekennzeichnet ist, ob die Krabben mit Hexamethylentetramin, Borsäure oder wie immer behandelt sind. Von einer Täuschung des Verbrauchers kann also schon heute überhaupt keine Rede sein. Man soll nicht so tun, als ob das goldene Zeitalter anbreche und nur die Bundesregierung oder die CDU verhinderten, daß es auch auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik anbricht. Deswegen darf ich nochmals die Bitte äußern: Unterstützen Sie uns beim Bundesrat; dann werden Sie Heiligabend - Sie wissen, dann tritt das Gesetz in Kraft - die wichtigsten Verordnungen im Bundesgesetzblatt haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß auch ich mich zu diesen Dingen äußere, und zwar nur zu der der Phosphatfrage. Es ist selbstverständlich, daß ich mich damit befaßt habe, und ich bekenne mich dazu, daß wir auf schnellstem Wege zu einer generellen Regelung der ganzen Phosphatfrage kommen müssen. Es ist ein unmöglicher Zustand, wie wir ihn bisher hatten, daß in einem Teil der deutschen Länder Phosphate verarbeitet werden durften, in einem Teil nicht, und daß in diesen Ländern die vielen Phosphatprozesse laufen. In ein und demselben Staat eine solche grundverschiedene Rechtsprechung - dafür haben viele Menschen bei uns kein Verständnis.
({0})
Ich bin fest davon überzeugt, Frau Strobel, daß auch die Ihnen nahestehenden Betriebe Phosphate verarbeiten, und ich glaube, wenn Sie sich dort erkundigen, dann werden Sie auch da diese offene Antwort bekommen.
Ich bin nicht der Meinung, daß ein Verbot der Phosphate unserer deutschen Wirtschaft dienlich ist. Sie alle wissen doch genau, daß in fast allen Ländern, die Export betreiben, die Phosphate gestattet sind.
({1})
Wenn Sie bei uns ein generelles Verbot aussprächen, würden Sie damit z. B. auf dem Ernährungsgebiet die exportierende Fleischwarenindustrie außerordentlich schädigen.
({2})
Es ist ferner eine Tatsache - und damit komme ich auf das zurück, Frau Strobel, was ich seinerzeit im Ausschuß sagte -, daß diese Phosphate wesentlich mit dazu beigetragen haben, daß die C- und B-Tiere der Landwirtschaft, die uns zum Verkauf angeboten wurden, dadurch eine solche Auffrischung erhielten, daß dieses Fleisch verarbeitungsfähig war. Das Fleisch auch von B- und C-Tieren ist durchaus einwandfrei, so daß sich diese Behandlung günstig auf den Verarbeitungsprozeß auswirkte.
Um auch hier Klarheit über das zu schaffen, was Frau Kalinke verlangte, bekenne ich mich dazu: z. B. mein Berufsstand hat nichts dagegen, wenn eine Kennzeichnungspflicht eingeführt wird. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang aber von folgender Episode Kenntnis geben. Sie wissen, wir hatten vor eineinhalb Jahren im württembergischen Raum die Nitritangelegenheit. Daraufhin haben wir
im Fleischergewerbe folgendes gemacht: Ein Teil der Betriebe hat zwei Wochen lang einen Teil ihrer Fabrikate ohne irgendwelche Verschönerungsmitte] hergestellt, die andere Hälfte mit diesen Mitteln
({3})
Die Ware wurde nebeneinander gesetzt. Und was haben wir erlebt? Die Hausfrau lehnte es ab, meinem Berufsstand die unansehnlichen Waren abzunehmen, so daß wir nach 14 Tagen den Versuch aufgaben.
({4})
- Ja, das sage ich auch: es war einmal. Wenn ich das politisch ausdrücken soll, dann will ich Ihnen sagen: Wir sind auf dem besten Wege dazu, unserer Bevölkerung in einem Eiltempo, in einem 100Meter-Tempo so viele Gesetze und Verordnungen zu geben, daß ich mir oft Gedanken darüber mache, wo die vielen Aufsichtspersonen und Kontrollstellen herkommen sollen, die tatsächlich in der Lage sind, diese Gesetze, die wir beschließen, auch zu kontrolieren.
({5})
- Wenn Sie fragen, ob es bei den Metzgern sehr viel Sünder gibt, so antworte ich: nicht mehr als auch in Ihren Reihen.
({6})
Ich will dem Wunsche des Herrn Präsidenten entsprechen und mich nicht weiter über diese Dinge auslassen. Es wäre sehr vieles darüber zu sagen. Lassen wir die Vernunft walten und begehen wir nicht die Torheit, von einem Extrem ins andere zu fallen!
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, in Kauf zu nehmen, daß ich noch einige wenige Bemerkungen mache.
({0})
- Ja, zu Ihrem Trost und auch zu meinem eigenen. Ich möchte zunächst dem Herrn Bundesminister des Innern einiges erwidern. Herr Bundesminister, es geht ja nicht so sehr darum, wer hier Gralshüter der Volksgesundheit ist. Diesen Ausdruck beliebten Sie anzuwenden. Es geht vor allem darum, Herr Bundesminister, wie die Autorität des Gesetzes, die auch ein Wesensmerkmal des Rechtsstaates ist, beachtet wird und ob sie beachtet wird. Es geht darum, im Rahmen des Möglichen der Autorität des Gesetzes zum Durchbruch zu verhelfen.
Ich möchte hier nur ein Beispiel aus diesen Rechtsverordnungsentwürfen herausgreifen, die zur
Zeit dem Bundesrat vorliegen. Wir wissen alle, daß in diesen Rechtsverordnungen auch Regelungen über das Hinausschieben des Inkrafttretens dei Kennzeichnungspflicht enthalten sind. Nicht wahr, so ist es doch, Herr Bundesminister? - Ja, bitte, Herr Minister, sagen Sie uns und dem Hause, welcher Stelle im Gesetz eine Ermächtigung dafür entnommen werden kann, dieses Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht hinauszuschieben. Das Gesetz sagt in seinem letzten Artikel - ich glaube, in Art. 9 Abs. 2 - klipp und klar, daß das Gesetz am 23. Dezember 1959 in Kraft tritt. Das bedeutet, daß, sofern Fremdstoffe durch Rechtsverordungen zugelassen werden, für diese zugelassenen Fremdstoffe am gleichen Tage die Kennzeichnungspflicht in Kraft tritt. Ausgenommen von diesem Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht sind nach Art. 9 Abs. 2 lediglich die Lebensmittel, die eben noch nicht dem Gesetz unterworfen sind. Das sind die Lebensmittel, die bis zum Inkrafttreten eingeführt oder hergestellt sind.
Das ist eine ganz klare Situation. Herr Minister, weder Sie noch sonst irgend jemand kann herkommen und im Wege der Auslegung diese Vorschrift über das Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht verändern oder hinausschieben. Denn das bedeutet eine Auslegung, Herr Bundesminister Dr. Schröder, gegen das Gesetz.
({1})
Damit verletzen Sie die Autorität des Gesetzes.
({2})
Bitte schön, Herr Kollege Dr. Dittrich.
Herr Wittrock, kennen Sie nicht die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundesrates aus den Sitzungen vom 19. und 20. November 1959, die sich in ausgezeichneter Weise mit diesem Problem auseinandersetzt?
Herr Kollege Dr. Dittrich, mir ist informatorisch diese Stellungnahme bekannt. Der entscheidende Punkt dieser Stellungnahme ist hier von Herrn Dr. Schröder vorgetragen worden. Dieser entscheidende Punkt ist der: Auf Grund von Art. 9 Abs. 2 hat man es nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, und zwar zwischen dem 23. Dezember 1959 und dem 23. Dezember 1960 mit Lebensmitteln zu tun, die bezüglich der Kennzeichnungspflicht unterschiedlich behandelt werden. Die Lebensmittel, die bis zum 23. Dezember eingeführt oder hergestellt worden sind, brauchen nicht gekennzeichnet zu werden. Die Lebensmittel, die nach diesem Termin hergestellt werden, aber zugelassene Fremdstoffe enthalten, müssen bezüglich ihres Gehalts an Fremdstoffen gekennzeichnet sein. Aber, verehrter Herr Kollege Dittrich, Ihnen und auch dem Bundesminister des Innern ist sicherlich bekannt, daß diese unterschiedliche Regelung bezüglich der Kennzeichnungspflicht seinerzeit im federführenden Ausschuß erörtert worden ist. Man hat diese unterschiedliche Regelung in Kauf genommen, nicht wahr? Nun sagt der Herr Bundesinnenminister, das können wir
nicht in Kauf nehmen, denn es besteht dann die Gefahr, daß der Verbraucher nach den nicht gekennzeichneten Lebensmitteln greift, nach den Lebensmitteln also, die vor dem 23. Dezember eingeführt oder neu hergestellt worden sind.
({0})
- Ja. Aber der Bundesinnenminister hat vorhin von dieser Stelle aus gesagt, der Verbraucher greife dann nach den verkehrten, nämlich nach den nicht gekennzeichneten Lebensmitteln.
Das sollte eine Aufgabe der Verbraucheraufklärung sein, an der sich auch der Bundesminister des Innern beteiligen muß. Es gehört zu seinen Pflichten, dafür Sorge zu tragen, daß auf Grund der Werbung der Verbraucher den gekennzeichneten Lebensmitteln den Vorrang gibt. Die unterschiedliche Regelung bezüglich der Kennzeichnungspflicht ist vom Gesetz gewollt und muß deshalb auch vom Bundesminister des Innern in Kauf genommen werden. Es ist ein wesentliches Prinzip des Rechtsstaates - Herr Dr. Schröder, ich erlaube mir, das Wort Rechtsstaat zu gebrauchen -, daß alle öffentliche Gewalt - auch die Bundesregierung - dem Gesetz unterworfen ist. Die Unterwerfung unter das Gesetz, die Bindung an das Gesetz verbietet, bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Rechtsverordnungen so zu verfahren, wie es hier geplant ist.
Wenn man so auf ganz anderen Gebieten liegende Ermächtigungen, Rechtsverordnungen zu erlassen, mißbraucht, dann wird sich das Hohe Haus in Zukunft überlegen müssen, ob es nicht die Erteilung der Ermächtigung, Rechtsverordnungen zu erlassen, sehr wesentlich einschränkt.
({1})
Das muß eine notwendige Konsequenz sein. - Verehrter Herr Kollege Rösing, Sie sind ungeduldig; das verstehe ich vollkommen.
({2})
- Natürlich gehört das zum Thema; das haben Sie noch nicht begriffen. Zum Thema gehört die Frage, daß die Bundesregierung verpflichtet ist, die Bindung an das Gesetz zu respektieren.
({3})
Selbst wenn hier der Herr Bundesminister des Innern die Auffassung vertritt: Gewisse Zweckmäßigkeitserwägungen gebieten es, daß man hier andere Regelungen vorsieht, als sie das Gesetz zuläßt, ist es allein die Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, was hier geschehen soll. Aber die Bundesregierung kann keine Auslegung gegen das Gesetz vornehmen. Die Bundesregierung muß, wenn sie als ein rechtsstaatliches Organ anerkannt werden soll, die Bindung an das Gesetz anerkennen.
({4})
- Ja!
Herr Kollege Wittrock, meinen Sie nicht, daß Sie die Bundesregierung erst in dem Augenblick rügen und kritisieren können - was Ihnen als Opposition wie jedem anderen Mitglied des Hauses jederzeit zusteht -, in dem eine Rechtsverordnung im Rahmen eines Gesetzes erlassen ist, und nicht vorher schon?
({0})
Herr Kollege Dittrich, das Parlament ist auf Grund seiner Kontrollfunktion schon in dem Augenblick, in dem die Bundesregierung durch die Vorlage eines Entwurfs die Absicht kundtut, gegen ,das Gesetz zu handeln, verpflichtet, seine Meinung hierzu zu sagen. Deshalb ist das Parlament verpflichtet, hier im Wege einer Entschließung, einer Willensäußerung, zum Ausdruck zu bringen, daß ein solches Handeln nicht seinem Willen entspricht.
({0})
Ich erinnere an das, was ich schon im Gesundheitsausschuß gesagt habe: Das Parlament hat nicht nur das Recht, sondern es hat sogar die Pflicht, seinen politischen Willen - das ist auch ein politischer Wille, verehrter Herr Kollege - gegenüber jedem, den es angeht, zu äußern, sowohl gegenüber der Bundesregierung als auch gegenüber dem Bundesrat.
({1})
- Das sind keine allgemeinen Vorlesungen; ich lese überhaupt keine Silbe vor, sondern trage meine Meinung vor, und dazu habe ich das Recht, und dazu fühle ich mich verpflichtet, und da können Sie sich lauf den Kopf stellen.
({2})
- Ich war ja fertig, und dann hat Herr Kollege Dittrich es für richtig gehalten, noch eine Frage zu stellen, und ich habe diese Frage beantwortet; schließlich hat Ihr eigener Fraktionskollege ein Recht darauf, eine solche Frage zu stellen. Ich hatte eben ,geglaubt, Frau Kollegin Steinbiß sei ebenfalls zu einer Frage aufgestanden. Ich hätte mich darauf gefreut und die Frage gern beantwortet. Das ist der entscheidende Punkt, auf den es ankommt neben den wesentlichen Betrachtungen über die Volksgesundheit. Dieser entscheidende Punkt ist, daß die Bundesregierung das Gesetz zu respektieren hat und dieses Hohe Haus verpflichtet ist, darüber zu wachen.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren; Herr Kollege
Wittrock hat hier eine große Menge von Selbstverständlichkeiten vorgetragen.
({0})
Herr Abgeordneter Wittrock möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese, Herr Minister?
Bitte sehr!
Herr Bundesminister, vermögen Sie einzusehen, daß es gerade auch nach der von Ihnen geübten Praxis leider nur allzuoft notwendig ist, hier Selbstverständlichkeiten auszusprechen?
({0})
Herr Kollege Wittrock, Selbstverständlichkeiten soll man in einer fortgeschrittenen Diskussion nach Möglichkeit nicht unnötig vorbringen. Ich zweifle nämlich etwas daran, ob Sie überhaupt im Saale waren, als ich mich mit diesem Problem befaßt habe. Ich habe den Eindruck, Sie waren überhaupt nicht im Saal. Das scheint zuzutreffen.
({0})
- Wenn Sie im Saal waren, tut es mir leid, daß Sie Selbstverständlichkeiten wiederholt haben. Daß die Bundesregierung an das Gesetz gebunden ist, ist eine völlige Selbstverständlichkeit, daß wir in einem Rechtsstaat leben, ist eine völlige Selbstverständlichkeit, und darüber hinaus ist noch etwas anderes völlig selbstverständlich: daß wir viele Gerichte haben, die darauf zu achten haben, daß auch die Bundesregierung und alle anderen Gremien nach dem Gesetz verfahren. Wem erzählen Sie das also?
({1})
- Tut mir leid, meine Damen und Herren, komplette Fehleinschätzung Ihrerseits!
({2})
Herr Kollege Wittrock, der doch ausgebildeter Jurist ist, hat vielleicht schon etwas davon gehört, daß rechtliche Bestimmungen auch sinngemäß anzuwenden sind,
({3})
und hier handelt es sich um eine sinngemäße Anwendung. Wenn Sie, Herr Kollege Wittrock, in Rechtsfragen anderer Meinung sind als wir, so ist es Ihr gutes Recht, das zu sein, und es ist ebenso Ihr gutes Recht, zu versuchen, das zu begründen. In dieser Sache sind wir absolut anderer Meinung als Sie.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, in dieser Diskussion wird eines deutlich. Ein Parlament kann sicher sagen: Die langen Tabellen, die in irgendeine Sache hineingehören, werden wir alle genauestens ausarbeiten. Vom Standpunkt der Bundesregierung ist gar nichts dagegen einzuwenden, daß der Bundestag sagt: Spart euch die Mühe, Verordnungen zu machen; wir werden in Zukunft alles selber machen. - Ich kann Ihnen nur sagen, wie das ausgehen wird. Der Bundestag wird sich nach kürzester Frist dafür bedanken und sagen: Wie kommen wir überhaupt dazu, uns mit den Positionen a und b und c und d usw. auseinanderzusetzen?! Dafür ist ja die Regierung da, das zu tun.
({4})
Sie können zu anderen Methoden übergehen. Bitte sehr, beantragen Sie das in den Ausschüssen! Es ist mir ganz recht.
Wenn also die Regierung allein auf weiter Flur wäre, dann könnten Sie, da Sie voll Mißtrauen sind, sagen: Um Himmels willen!
({5})
Aber das Mißtrauen ist nicht immer ganz gesund; das ist wohl eine zutreffende Feststellung. Die Bundesregierung ist nicht allein auf weiter Flur. Der Rahmen, den das Grundgesetz für die Verordnungsgewalt gelassen hat - das sage ich Ihnen in aller Offenheit -, ist vielmehr viel zu eng.
({6})
- Er ist viel zu eng! Glauben Sie mir, daß ich etwas davon verstehe, und zwar aus der Praxis, die Ihnen, meine Herren, bisher leider erspart geblieben ist. Sie würden mir zustimmen, meine Damen und Herren: die Verordnungsgewalt ist im Grundgesetz viel zu stark eingeschränkt.
Aber sie ist ja im übrigen an die Zustimmung des Bundesrates geknüpft, und das sollte Sie doch hundertprozentig beruhigen. Sie haben alle noch nicht das Vergnügen gehabt, sich in einem so vielgestaltigen Bundesstaat, wie wir ihn haben, bei den Vorbereitungsarbeiten auf einem solchen Gebiet mit dem Bundesrat ins Benehmen setzen zu müssen. Ich spreche jetzt nur von der Vorbereitung einer solchen Sache. Wenn Sie eine Vorstellung davon hätten, wie hier Stein um Stein umgepflügt wird
({7})
- Ihre Zwischenrufe sind sehr schwer zu verstehen; ich antworte gern darauf; aber wenn Sie möglichst präzise und klar sprechen, habe ich es leichter -, wenn Sie wüßten, wie Stein um Stein, Wort um Wort, Komma um Komma gewendet worden ist, dann hätten Sie eine Vorstellung davon, daß überhaupt keine Chance besteht, leichtfertig und gegen das Gesetz oder sonstwie zu handeln, selbst wenn Sie uns das Schlechteste unterstellen wollen.
Tun Sie mir den Gefallen -das werden Sie heute abend nicht mehr tun können -, einmal in dem Protokoll des Rechtsausschusses des Bundesrates vom 20. November nachzulesen. Da finden Sie im einzelnen dargestellt, wie der Rechtsausschuß des Bundesrates dazu steht. Ich habe keinen Zweifel, daß der Bundesrat das bestätigen wird.
Wenn nun sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat in dieser Sache nach Ihrer Meinung,
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Herr Kollege Wittrock, irren sollten, dann werden Sie mit den gegebenen Rechtsmitteln dagegen vorgehen. Mit wie vielen Prozessen haben Sie uns nach Karlsruhe geschleppt, meistens ohne Ergebnis, wie Sie wissen. Aber ,es ist Ihr gutes Recht, gegen alles, in dem Sie rechtlich anderer Meinung sind, vorzugehen. Es hat gar keinen Zweck, hier eine dramatische Szene in der Anklägerrolle aufzuführen. Einstweilen sind die Verordnungen noch nicht da.
({8})
Die Verordnungen stehen noch gar nicht im Bundesgesetzblatt. Sobald sie im Bundesgesetzblatt verkündet sind, können Sie alles dagegen tun, was Ihnen richtig enscheint.
Eines werden Sie mir aber zugeben. Es ist vorhin schon von Kollegen gesagt worden, die ein bißchen auf das verfassungsmäßig Bedenkliche hingewiesen haben. Das Grundgesetz hat mit gutem Grund eine bestimmte Art der Gewaltenteilung gewählt. Die Gewaltenteilung besagt auch: Das Stadium, in dem wir uns jetzt befinden, ist nicht ein Stadium des Bundestages, sondern ein Stadium von Bundesregierung und Bundesrat. Wenn das Ergebnis von Bundesregierung und Bundesrat in dieser Sache - nachdem sie damit fertig sind und nicht mitten darin - nicht gefällt, können Sie dagegen alle die Schritte tun, die das Grundgesetz Ihnen zur Verfügung stellt.
Es ist eine sehr mißliche Sache, in das Werden eines Verordnungswerkes einzugreifen und über Bestimmungen zu streiten, die möglicherweise ins Bundesgesetzblatt kommen, möglicherweise aber auch nicht hineinkommen werden. Das dient nicht der Sache, aber es dient der Demagogie, und davon haben Sie nach meiner Meinung reichlich geliefert.
({9})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich halte es für nötig, in einem einzigen Punkt Frau Kollegin Blohm zu berichtigen. Frau Blohm, Sie haben Herrn Professor Werner zitiert. Ich fürchte, es ist Ihnen nicht sehr angenehm, daß er heute abend so oft zitiert wird. Aber ich muß es nun tun. Ich habe ebenfalls die Aufzeichnung des Radiogesprächs vor mir, das Sie angeführt haben. Darin hat Herr Professor Werner gesagt, die Konservierungsstoffverordnung liege dem Bundesrat noch nicht vor und er wisse nicht, ob z. B. Borsäure darin sei. Infolgedessen könne er noch nicht darüber reden.
Sie haben sich aber auf Hexamethylentetramin bezogen. Nun, ich zitiere jetzt auch einmal aus einem Protokoll des Unterausschusses des Innenausschusses des Bundesrates. In dem Protokoll heißt es:
Professor Dr. Werner als Mitglied der Kommission zur Prüfung der Lebensmittelkonservierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft berichtet, daß dieses Gremium Hexamethylentetramin nach wie vor als gesundheitlich bedenklich ablehne. Eine Auslauffrist in der vom Verordnungsgeber vorgesehenen Dauer erscheine keinesfalls tragbar.
Das ist die Meinung von Herrn Professor Werner.
({0})
Sie haben ihn in der anderen Richtung zitiert.
({1})
- Entschuldigen Sie, Frau Blohm hat gesagt, Herr Professor Werner habe in der Rede vor dem Bayerischen Rundfunk gesagt, nach seiner Meinung seien die Verordnungen durchaus mit dem Gesetz in Übereinstimmung.
Frau Abgeordnete Strobel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Frau Strobel, ich habe gemeint und auch gesagt, Herr Professor Werner sei der Ansicht, daß das Gesetz keineswegs durchlöchert würde und daß nur solche Fremdstoffe zugelassen würden, die auch im Gesetz verankert sind, die als harmlos anzusehen sind.
Frau Blohm, wollen Sie damit sagen, daß Professor Werner damit gerechnet hat, daß der Bundesrat Hexamethylentetramin auf keinen Fall zuläßt?
({0})
- Entschuldigen Sie, nur dann ist das, was Sie behaupten, richtig.
Ich möchte zum Abschluß noch sagen, weil ich es vorhin nur in einem Zwischenruf tun konnte, daß ich außerordentlich bedauere, daß Frau Blohm, obwohl sie weiß, daß Frau Keilhack mit einer schweren Grippe in Hamburg krank liegt und ihr nicht antworten kann, hier Frau Keilhack zitiert hat, ohne daß sich Frau Keilhack dagegen zur Wehr setzen konnte.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht in die ganzen Kontroversen einmischen, sondern möchte nur eine einzige Frage stellen, weil mich die Sache sehr beunruhigt. Soviel mir bekannt ist, tritt das Gesetz am 23. Dezember in Kraft. Wie denkt man sich nun eigentlich die Situation, wenn die Rechtsverordnungen erst im Laufe der nächsten Zeit erlassen werden, wie stellt man sich die Möglichkeiten für die Industrie vor, mit dieser Situation fertig zu werden?
({0})
Ich bin kein Industrievertreter wie gewisse andere Leute hier im Hause, ich gehöre weder zu einem Konzern noch zu irgendeiner Lebensmittelorganisation; aber ich finde es unmöglich, daß man die Industrie vor eine solche Situation stellt, mit der sie absolut nicht fertig werden kann.
({1})
- Sie haben ganz recht, mein lieber Freund, daß Sie „sehr richtig" sagen. Aber warum sind Sie Ihrem verehrten Kollegen von der CDU, dem Herrn Minister, nicht längst auf den Leib gerückt und haben dafür gesorgt, daß die Regelung schneller kommt? Ich weiß sehr wohl, Herr Minister - Sie brauchen mir keine Verwaltungskenntnisse beizubringen, ich war selber in der öffentlichen Verwaltung -, daß es sehr schwer war, die Sache so schnell zu machen; aber es ist auch sehr viel Zeit verbummelt worden, das kann niemand leugnen. Ich weiß aber wirklich nicht, wie es werden soll, wenn nun das Gesetz in Kraft tritt und die Industrie in drei, vier Wochen alle diese Dinge in Ordnung bringen soll. Das kann sie nach meiner Ansicht überhaupt nicht, und dann wird man sich - und jetzt kommt das Unangenehme - damit entschuldigen, daß man sagt, weil man es objektiv nicht kann, ist man berechtigt, es so lange hinauszuschieben, wie man Lust hat.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin, glaube ich, die letzte Rednerin heute abend, und ich möchte beinahe um Entschuldigung dafür bitten, daß ich noch das Wort ergreife.
Hier ist viel von der Wissenschaft gesprochen worden. Sicherlich ist der gemeinsame Eindruck bei uns allen gewesen, daß wir alle um die Gesundheit unserer Bevölkerung, eingeschlossen unsere eigene und die unserer Familien, in gleicher Weise besorgt sind. Zitiert wurde die Wissenschaft heute hier oft; aber ich habe den Eindruck, wir haben uns mehr oder weniger temperamentvoll erregt und sehr viel vom Herzen her gesprochen und recht wenig mit der Kühle des Verstandes, der allein in der Wissenschaft herrscht und allein die Wissenschaftler reden läßt.
Ich hatte im letzten Monat, vor drei Wochen, Gelegenheit, mit Herrn Professor Sucy und Herrn Professor Thaler persönlich zu sprechen, gerade im Anschluß an Fragen, die wir heute hier debattieren, und ich bin auch noch in der vergangenen Woche in Hamburg gewesen und habe mit den Wissenschaftlern des Fischkonservierungs-Instituts über die Dinge sprechen können, über die wir uns heute so erregt haben. Wie steht denn die Wissenschaft überhaupt zu all diesen Dingen, denen diese Novelle zum Lebensmittelgesetz, also unsere Fremdstoffnovelle als Unterlage dient? Was sagt die Wissenschaft denn zu dem Ganzen? Sie nennt das Gesetz insgesamt gut; aber alle Wissenschaftler sagen gemeinsam, wir hätten hier etwas beschlossen, bei dem die Wissenschaft bis heute überfordert ist. Sie kann nicht so schnell ihre Resultate ans Licht fördern, wie wir im Bundestag Gesetze machen.
({0})
Wir haben unserer Lebensmittelnovelle die These - eine hypothetische Arbeitsdoktrin noch nicht einmal, lediglich eine Vorstellung, eine Hypothese - des Professors Druckrey zugrunde gelegt, von der die Wissenschaftler selber sagen, daß sie nicht nur umstritten ist, sondern sogar abgelehnt wird. Diese These von Herrn Professor Druckrey sagt nämlich, daß die Summierung von gleichen chemischen Stoffen, in kleinsten Dosen lange Zeit genossen, zu echten Schädigungen, zuechten Krankheitsschädigungen führen könnte. Dafür ist kein einziger Beweis erbracht. Kein einziger!
({1})
Diese Hypothese steht im Raum. Professor Oettel hat auf dem Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der im September stattgefunden hat, zu diesen Fragen ganz klar in aller Öffentlichkeit Stellung bezogen. Professor Oettel hatte als Überschrift für sein Thema: „Fragen der Verunreinigung von Lebensmitteln mit kanzerogenen Substanzen", wobei er die Problematik eventueller Gesundheitsschädigungen durch kleinste, nicht vermeidbare Beimengungen bei sehr langen Einwirkungszeiten in die Überlegungen und Ausführungen mit einbezogen hat. Professor Oettel hat erklärt - er ist Wissenschaftler -, daß nach den bisherigen gesicherten Erfahrungen es nur sehr wenige chemische Substanzen gibt, die beim Menschen bösartige Gewebswucherungen hervorrufen. Die These von Professor Dr. Druckrey, die eine verlustlose Summation unterschwelliger Dosen bei der täglichen Zufuhr von spurenweisen Kanzerogenen hypothetisch annimmt, lehnt Professor Oettel ausdrücklich ab, und er lehnt diese These mit Nachdruck ab, denn weder im Tierversuch noch in der Praxis - und das beweisen die Ärzte, und sie waren in nicht kleiner Zahl da - haben sich Anhaltspunkte für eine Summationswirkung ergeben.
({2})
- Ich wundere mich, warum Sie mich nicht in Ruhe diese Dinge, die rein sachlicher Natur sind, wenigstens vortragen lassen und sie in Ruhe anhören. Wir sind in der Wissenschaft an sich gewohnt, den Vortragenden ruhig anzuhören; und wenn Sie nicht seiner Meinung beitreten wollen, ist es natürlich die Sache jedes einzelnen. Aber in der Wissenschaft herrscht ganz klare Objektivität
({3})
und nicht subjektive Auffassung und Meinung. Wenn die These von Professor Druckrey wirklich zu Recht bestünde - meine Damen und Herren, überlegen Sie bitte -, dann müßte es ja Gifte an sich geben, auch in den sogenannten naturreinen und von der Natur nicht gefälschten Stoffen, die wir alle täglich zu uns nehmen. Dann wären wir alle längst mausetot.
Professor Oettel macht mit deutlichen Worten Front gegen die, die mit wissenschaftlich nicht beweisbaren Thesen und mit bedenkenlosen Übertreibungen in der Öffentlichkeit die Angst vor dem Krebs schüren. Man geht nicht mit wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, sondern mit Aberglaube und Voreingenommenheit gegen die wissenschaftliche Erkenntnis an, daß solche Leiden ganz andere Ursachen haben. Das Wort, das Frau Strobel vorhin gebraucht hat, das von dem Kind, das in die Hand des Pflegevaters Adenauer gegeben ist, scheint mir dafür ein genügender Ausdruck zu sein. Denn wenn Sie zu dem Pflegevater Adenauer kein Vertrauen haben, muß ich Ihnen sagen, daß es sehr viele Leute in der Bundesrepublik gibt, die ihn als echten Vater anerkennen. Außerhalb dieser Bezeichnung haben wir es bei diesem Gesetz mit Wissenschaft und nicht mit Aberglauben und Voreingenommenheit zu tun.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der Rednerliste angekommen. Nachdem wir dieses schwierige Thema zu Ende diskutiert haben, müssen wir gemäß der Tagesordnung noch einige formale Beschlüsse fassen.
Zunächst lasse ich über den Antrag Drucksache 1357 abstimmen, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Wer für den Antrag auf Ablehnung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD abgelehnt.
({0})
- Ich glaube, beide Beisitzer können mir nur bestätigen, daß die Mehrheitsverhältnisse ganz eindeutig waren.
({1})
- Ich darf noch einmal ausdrücklich erklären, daß das Präsidium sich über das Abstimmungsergebnis völlig einig ist.
({2})
- Das ist schon längst vorher geschehen.
Ich bitte, jetzt noch einmal Punkt 6 der Tagesordnung vorzunehmen. Punkt 6 ist bis an den Schluß der heutigen Tagesordnung zurückgestellt worden. Es handelt sich um die
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu der Vereinbarung vom 6. Juni 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschalt über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden/Zivilstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen ({3}), Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres ({4}) ({5}) ({6}).
Auf eine Berichterstattung wird verzichtet. Der Antrag des Ausschusses für Inneres geht dahin, den Entwurf unverändert anzunehmen.
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe Artikel 1, - 2, - 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Das Wort ist nichtgewünscht worden.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - In zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen nun zur
dritten Beratung.
Ich muß die Damen und Herren, die der soeben angenommenen Fassung zuzustimmen wünschen, bitten, sich zu erheben. - Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit angenommen.
Leider sind wir damit immer noch nicht ,am Ende der Tagesordnung, sondern ich muß noch einmal auf den Entwurf eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung zurückkommen. Sie erinnern sich, daß ich in der zweiten Lesung bei der Behandlung des § 57 a, als der Absatz 2 a gestrichen wurde, sagte, wir müßten uns wahrscheinlich am Ende der dritten Lesung die Ermächtigung für die redaktionelle Überarbeitung geben lassen. Das ist von meinem Nachfolger im Amt des Präsidenten wohl übersehen worden. Ich darf also das Hohe Haus bitten, diese Ermächtigung zur redaktionellen Überarbeitung zu erteilen. Zu dieser Überarbeitung gehört insbesondere, daß in § 63, in dem im Augenblick noch ein Hinweis auf diesen gestrichenen Absatz 2 a des § 57 steht, dieser Hinweis gestrichen wird.
Ich darf Sie bitten, formell durch Handzeichen die Ermächtigung zu erteilen. - Ich danke Ihnen.
Damit sind wir nun wirklich am Ende dieser Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 10. Dezember 1959, 9.00 Uhr, ein. Ich danke Ihnen allen für Ihr Ausharren bis zu dieser Stunde und schließe die Sitzung.