Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/19/1959

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde - Drucksache 1159 Die Frage 1 ist durch die Beantwortung einer Kleinen Anfrage erledigt. Ich rufe auf die Frage 2, gestellt von Herrn Abgeordneten Kalbitzer; sie betrifft die Unterrichtung des Bundestages über das Attentat auf einen Algerier: Weshalb antwortete die Bundesregierung in der Sitzung am 8. April 1959 auf die Frage nach dem Attentäter im Falle des Algeriers Ait Ahcene, daß die französische Polizei eine Darstellung über die Machtkämpfe rivalisierender algerischer Gruppen gegeben" liche, obwohl zu dein Zeitpunkt klar war, daß dieses Attentat nichts mit algerischen Gruppenkämpfen zu tun hatte, sondern von einer französischen Dienststelle geplant war? Woraus leitet die Bundesregierung das Recht her, das Parlament so mangelhaft und wahrheitswidrig zu unterrichten? Hat die Bundesregierung einen Antrag auf Auslieferung der Attentäter bei der französischen Regierung gestellt - und wie ist er beantwortet worden? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Die Bundesregierung hatte weder am 8. April noch hat sie heute einen Anhaltspunkt dafür, daß das Attentat von einer französischen Dienststelle geplant gewesen sei. Der Hinweis auf die Auskünfte der französischen Polizei entspricht den Tatsachen. Der Vorwurf mangelhafter und wahrheitswidriger Unterrichtung des Parlaments entbehrt daher jeder Begründung. Ein Auslieferungsersuchen ist bisher nicht gestellt worden. Erst dann, wenn der Aufenthalt des mutmaßlichen Täters ermittelt worden ist, kann geprüft werden, ob in Ansehung der hier in Rede stehenden Straftat ein Auslieferungsersuchen an den Aufenthaltsstaat gestellt werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, war der Bundesregierung bei Abfassung dieser soeben gegebenen Antwort nicht gegenwärtig, daß ein leitender Beamter des Bundeskriminalamtes gleich nach dem Attentat, also etwa bis zum 15. November, in Paris gewesen ist und dort mehrere Feststellungen getroffen hat, z. B. - erinnern Sie sich dessen nicht? - daß der Attentäter der französischen Sûreté mit Namen bekannt ist und daß er der französischen Behörde auch erkennungsdienstlich bekannt war? Ist Ihnen nicht bekannt, daß die französische Polizei die erkennungsdienstlichen Mitteilungen der Bundesbehörde nicht ausgeliefert hat, weil sie argumentierte, daß es sich um ein politisches Attentat handle und deshalb Interpol nicht eingeschaltet werden könnte? Und ist nicht auch verdächtig, daß, obwohl die französische Behörde also den Täter kannte, ihn erkennungsdienstlich erfaßt hatte, die erkennungsdienstliche Erfassung den Deutschen aber nicht mitteilte, sie dennoch den Attentäter nicht verhaften ließ? Läßt das eine andere Deutung zu als die, daß die Franzosen an der Sache sehr wohl beteiligt sind und daß die Vorgänge um den Attentäter den deutschen Behörden seit Monaten bekannt ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann diese Frage hier jetzt nicht beantworten. Es wird Gelegenheit sein, sie im Ausschuß für Inneres zu stellen, dem ein Bericht in der Angelegenheit zugesagt worden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine zweite Zusatzfrage?

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung nicht ebenso wie ich auf das stärkste darüber beunruhigt, daß sich bei dieser Gelegenheit erweist, daß nicht nur östliche Agentenzentralen, sondern auch ein westlicher Agentenapparat auf dem Boden der Bundesrepublik gewaltsam vorgeht?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann leider nur auf meine Antwort zur ersten Zusatzfrage verweisen. Ich möchte wirklich bitten, diese Frage bei der Erörterung im Innenausschuß zu stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 3 - Herr Abgeordneter Dr. Kohut - betreffend Erlaß des Aufgebots zur Eheschließung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier Hält die Bundesregierung den Erlaß des Aufgebots noch für sinnvoll, obwohl das Aufgebot mir am Ort der Bestellung, der nur Wohnort einer der Eheschließenden sein muß, 'ausgehängt wird und obwohl eine Befreiung von dieser Vorschrift jederzeit möglich ist? Ist es vertretbar, daß bei Abkürzung der Aufgebotsfrist oder Befreiung von dem Aufgebot erhöhte Gebühren verlangt werden? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Innenministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Zur ersten Frage: Bei der Beratung der Novelle zum geltenden Personenstandsgesetz, die am 1. Januar 1958 in Kraft getreten ist, wurde im Innenausschuß des Bundestages auch geprüft, ob die Bekanntmachung des Aufgebots beibehalten werden soll. Die Frage wurde bejaht, weil die Bekanntmachung einer alten Übung entspricht und außerhalb der Großstädte ihre bisherige Bedeutung behalten hat, auch wenn das Aufgebot aus Gründen der Vereinfachung nur noch bei dem Standesbeamten bekanntgemacht wird, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Bundesregierung hat daher nicht die Absicht, eine Änderung des jetzigen Rechtszustandes vorzuschlagen. Zur zweiten Frage: Die Erhebung erhöhter Gebühren für die Abkürzung der einwöchigen Aufgebotsfrist und für die Befreiung vom Aufgebot ist nach der Ausführungsverordnung zum Personenstandsgesetz vorgesehen, weil bei den Standesämtern bei solchen Anträgen eine Mehrarbeit und ein erhöhter Verwaltungsaufwand für die Prüfung des Umstandes entstehen, ob gesetzliche Ehehindernisse vorliegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist der Bundesregierung bekannt, ob wirkliche Ehehindernisse auf Grund des Aufgebots überhaupt jemals gemeldet worden sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Soweit ich unterrichtet bin, ist das der Fall. Ich möchte aber noch einmal betonen, daß die Entscheidung des Innenausschusses hauptsächlich auch darauf begründet war, daß die Bekanntmachung einer alten Tradition entspricht, an der die Ehe- , schließenden hängen.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 4 - Herr Abgeordneter Dr. Menzel - betrifft die Aufnahme Spaniens in die NATO: Wie glaubt der Herr Bundeskanzler seine Empfehlung, Franco-Spanien in die NATO aufzunehmen, damit vereinbaren zu können, daß die Teilnehmer des Nordatlantikvertrages „die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten haben" und auf der anderen Seite die Internationale JuristenKommission beim Sozial- und Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen in ihrem jetzt veröffentlichten Bericht ({0}) feststellt, daß a) in Spanien die Zusage des freien Geleits gebrochen wurde, b) es eine Habeas-corpus-Akte oder ähnliches in Spanien nicht gebe, c) bei Verhandlungen mit politischem Hintergrund die Verhöre „häufig unter Anwendung brutaler Mittel" durchgeführt werden, d) die Verhaftung aus politischen Gründen - auch im Falle des Freispruchs - den Verlust von Arbeit und jeglicher öffentlicher Unterstützung mit sich bringt, e) der spanische Ein-Parteien-Staat dadurch gestützt werde, daß die Mitgliedschaft bei einer anderen Partei als der Falange als Verbrechen gilt"? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts:

Not found (Staatssekretär:in)

Auf die Frage des Abgeordneten Dr. Menzel kann ich folgendes erwidern. Der Herr Bundeskanzler ist am 30. April dieses Jahres in Cadenabbia in einem Interview mit dem italienischen Rundfunk und Fernsehen, in dem im allgemeinen keine politischen Fragen behandelt wurden, nach seiner Ansicht über die Befürwortung einer Aufnahme Spaniens in die NATO durch den französischen Staatspräsidenten de Gaulle gefragt worden. Hierauf hat der Herr Bundeskanzler geantwortet, daß er von dem Vorschlag mit großem Interesse Kenntnis genommen habe und froh wäre, wenn Spanien in die NATO aufgenommen würde. Eine Empfehlung hat er hingegen nicht ausgesprochen, wie er auch die von der Presse behauptete Unterstützung der Aufnahme Spaniens in die NATO nicht erklären konnte, weil eine Aufnahme Spaniens in die NATO von einem Mitgliedstaat beantragt und von sämtlichen Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden müßte. Ein solcher Antrag liegt dem NATO-Rat jedoch nicht vor. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, ihn zu stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kommt nicht die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, er würde sich freuen, wenn Franco-Spanien Mitglied der NATO werden würde, in ihrem politischen Schwergewicht praktisch einer Empfehlung gleich? Ist es nicht so, daß sich die Bundesregierung bei dieser Antwort nur hinter eine Wortinterpretation zurückzieht?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube, das würde doch keine ausreichende Unterscheidung treffen zwischen dem Gewicht einer mehr oder weniger gesprächsweise gemachten Äußerung und einer offiziellen Stellungnahme der Bundesregierung in den für die Entgegennahme solcher Stellungnahme bestimmten Gremien. Es ist etwa der gleiche Unterschied zwischen Äußerungen, die außerhalb dieses Hauses, und solchen, die in diesem Hause gemacht werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine zweite Zusatzfrage!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung nicht klargeworden, daß meine Anfrage nicht darauf abzielt zu klären, ob es sich hier um eine Empfehlung oder nur um etwas Ähnliches wie eine Empfehlung gehandelt hat? Meine Frage hat vielmehr einen politischen Sinn; sie ist nach wie vor unbeantwortet, und ich bitte, sie zu beantworten. Hält es die Bundesregierung für richtig, daß der Herr Bundeskanzler angesichts der Vorkommnisse, die die UNESCO-Juristenkommission über die Unfreiheiten in Spanien festgestellt hat, in einer Unterredung mit dem französischen Staatspräsidenten de Gaulle erklärt, er würde sich freuen, wenn Franco-Spanien Mitglied der NATO werden würde? Glauben Sie, daß das mit den erklärten Zielen des NATO-Vertrages vereinbar ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir stellen zur Zeit fest, daß die spanische Regierung auf den verschiedensten Gebieten bemüht ist, sich an Europa anzunähern. Ich erinnere nur an die Gespräche, die über die Aufnahme Spaniens in die OEEC stattfinden. Bei diesen Gesprächen zeigt sich eine sehr starke - ich möchte sagen - Liberalisierung in der spanischen Politik ({0}) auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Aber was die NATO betrifft, so kann ich nur sagen, ({1}) in dieser Frage wird die Bundesregierung keinen Antrag stellen. Sie hat keinen gestellt und sie wird keinen stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 5 -des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke - betreffend Auslegung des § 59 des Bundesversorgungsgesetzes: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Versorgungsämter die Bestimmung des § 59 des Bundesversorgungsgesetzes in dem Sinne auslegen, daß Elternrenten dann nicht gewährt werden, wenn zwar vor dem 1. Januar 1959 alle Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen haben, die Bedürftigkeit aber erst nach diesem Zeitpunkt eintritt? Sicht die Bundesregierung darin eine gerechte Behandlung der Eltern, die versucht haben, sich so lange wie möglich durch eigene Erwerbstätigkeit zu unterhalten? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das in der Anfrage beanstandete Verfahren entspricht dem Gesetz, da nach § 50 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes alle Voraussetzungen für die Gewährung der Elternrente bis Ablauf der Frist des § 59 Abs. 1 BVG - in der Regel also bis 31. Dezember 1958 - erfüllt sein müssen. Damit ist auch der zweite Teil Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, beantwortet. Ich darf mir aber den Hinweis gestatten, daß in dem neuen Entwurf zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung eine dem § 50 Abs. 4 entsprechende Vorschrift nicht mehr enthalten ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage! Frage 6 - des Herrn Abgeordneten Ritzel - betreffend Regelung der Überweisung der Bezüge der Postbediensteten: Ich frage den Herrn Bundespostminister, auf welche allgemein gültigen rechtlichen Bestimmungen sich die Deutsche Bundespost stützt, wenn sie ihren Angestellten und Beamten verweigert, Gehaltszahlungen, Ruhegehalte oder Wartegelder an ein den Beamten und Angestellten nahestehendes Geldinstitut ({0}) außerhalb eines Postscheckkontos zu überweisen. Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel wie folgt. Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Zahlungen aus öffentlichen Kassen vom 21. Dezember 1938 sind Gehälter usw. „an der Arbeits- oder Dienststelle in Empfang zu nehmen, sofern der Empfangsberechtigte nicht die Überweisung auf ein Konto beantragt hat. Der zuständige Minister kann etwas Abweichendes anordnen." Der Reichspostminister hat auf Grund dieser Ermächtigung durch allgemeine Dienstanweisung im Jahre 1941 bestimmt, daß die Dienstbezüge entweder bar gezahlt werden oder auf das eigene Postscheckkonto des Zahlungsempfängers zu überweisen sind. Dieses Verfahren, Herr Abgeordneter, hat sich bis heute ausgezeichnet bewährt. Wünsche aus dem Personal auf Änderung sind mir bislang nicht bekanntgeworden. Es besteht weder Anlaß noch Absicht, 'dieses Verfahren zu ändern.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin erstaunt darüber, Herr Staatssekretär, daß Ihnen Wünsche aus dem Kreis des Personals auf Änderung dieses aus der Nazizeit stammenden Gebrauchs nicht bekannt sind. Ich darf Ihnen das Aktenzeichen eines Briefes der OPD Frankfurt am Main vom 16. Februar 1959 angeben: IV B 2 7122/0.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Wo bleibt die Frage? Das ist eine Feststellung.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Soeben wollte ich zu der Frage kommen. Ich wollte nur zuerst die Feststellung treffen, die der Herr Staatssekretär gewünscht hat. Ich frage also: Ist es richtig, was in dem Brief der Oberpostdirektion steht, daß sich das unbare Gehalts- und Lohnzahlungsverfahren der Deutschen Bundespost seit Jahren gut bewährt hat, daß es aus Vereinfachungs- und Ersparnisgründen beibehalten werden soll? Ist es richtig, daß den Beamten und den Angestellten der Deutschen Bundespost auf Grund eines Gesetzes aus der Zeit des „Dritten Reiches" diktiert wird, .daß sein Gehalt, das er an sich abholen kann, bargeldlos nur auf das Postscheckkonto überwiesen wird, und daß man es ihm verweigert, 'daß sein Gehalt etwa auf ein Konto seines Namens bei einer Genossenschaftsbank in seinem Wohnort überwiesen wird? Denn das geschieht, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Ritzel, ich darf wiederholen, daß mir von einem Schreiben der Oberpostdirektion Frankfurt an das Ministerium - wie ich unterstelle - nichts bekannt ist. Wir werden das sofort nachprüfen. Zur Sache darf ich noch folgendes bemerken. Nach der gesetzlichen Bestimmung, die ich Ihnen genannt habe, sind Lohn und Gehalt eine Holschuld. Deswegen ist es bei uns immer und zu jeder Zeit erlaubt, das Geld bar abzuholen. Soweit abweichende Regelungen getroffen werden, kann es sich immer nur um solche handeln, die dem Dienstherrn keine Mehrarbeit verursachen. Wollte man auf etwaige Sonderwünsche eingehen, würde das bei den nahezu 400 000 Angehörigen der Deutschen Bundespost erhebliche Mehrarbeit der Besoldungskassen und damit eine merkliche Erhöhung der Personalkosten verursachen. Zahlreiche Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden haben von der Möglichkeit dieser abweichenden Regelung Gebrauch gemacht. Sie fordern von ihren Bediensteten die Einrichtung von Gehalts- und Lohnkonten bei ihren Geldinstituten, bei Girokassen, Sparkassen usw. Meines Wissens überweist auch beispielsweise die Deutsche Bundesbahn bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Gehälter, Entgelte und Löhne ihrer Angehörigen nur an die Bundesbahn-Spar- und Darlehnskassen e. G. m. b. H., bei denen die Zahlungsempfänger laufende Gehaltskonten unterhalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine weitere Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß die Oberpostdirektion Frankfurt, wie sie in einem Schreiben nicht an das Ministerium, sondern an einen Beamten mitteilt - das ist das Aktenzeichen, das ich Ihnen angegeben habe -, den Standpunkt vertritt, daß nur Überweisungen an das Postscheckkonto zulässig seien? Sehen Sie darin nicht eine Beschränkung der persönlichen Freiheit, die nach dem Grundgesetz auch dem Beamten einer Bundesbehörde zusteht? Hat der Beamte nicht das Recht, zu verlangen, daß sein Gehalt, wenn es schon nicht in bar ausgezahlt, sondern überwiesen werden soll, auf das ihm genehme Konto statt auf das der Post genehme überwiesen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Verehrter Herr Abgeordneter Ritzel, ich glaube, ich kann mit einem sehr großen Teil dieses Hohen Hauses feststellen, daß solche dienstlichen Anweisungen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen nicht eine Einschränkung der persönlichen Freiheit bedeuten. Diese Maßnahmen werden einfach aus Gründen der Zweckmäßigkeit getroffen, um nämlich eine gewisse Rationalisierung der Arbeit zu erreichen und sonst notwendige Erhöhungen von Personalkosten zu vermeiden. Das ist der einzige Grund.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß im Gegensatz zu dem, was Sie vorhin sagten, bei der Deutschen Bundesbahn die Überweisung der Gehälter auf die Konten erfolgt, die von den Beamten und Angestellten angegeben werden, daß hier also eine andere Regelung besteht als bei der Bundespost?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: Mir ist bekannt, daß bei der Bundesbahn die Konten bei deren eigenen Kassen eingerichtet sind. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 7 - des Herrn Abgeordneten Höhmann - betreffend Anwerbung für die Fremdenlegion: Ist der Bundesregierung bekannt, unter welchen Umständen sich der Eintritt des 22jährigen Karl-Heinz Becker, Gensungen Bezirk Kassel, in die Fremdenlegion vollzog? Üben Werber für die Fremdenlegion ihr Gewerbe noch immer innerhalb der Bundesrepublik aus? Welche Maßnahmen sind nach Meinung der Bundesregierung geeignet, diesen jungen Menschen seinen Angehörigen zurückzugeben und weitere Anwerbungen für die Zukunft unmöglich zu machen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Die äußeren Umstände des Eintritts des 22jährigen Karl-Heinz Becker in die Fremdenlegion sind der Bundesregierung bekannt. Becker fuhr am 27. April 1959 mit dem Kraftwagen seiner Eltern geschäftlich in den Kreis Waldeck und wurde am Nachmittag dieses Tages in Fritzlar gesehen. Am 29. April erhielt sein Vater einen Brief, der in Kehl abgestempelt war und von dessen kurzem Inhalt ich die ersten Sätze wiedergeben darf: Ihr Lieben alle, entschuldigt bitte, daß ich Euch in Sorgnis gebracht habe. Durch meine Gutmütigkeit bin ich in falsche Hände geraten. Euer Wagen steht in Kehl bei Straßburg. Daraufhin begaben sich die Eltern Becker sofort nach Kehl und Straßburg. Sie stellten fest, daß ihr Sohn am 28. April im Hotel Royal in Straßburg allein gewohnt hatte und am anderen Morgen nach dem Frühstück allein weggegangen war. Sie konnten ihren Sohn in der Straßburger Kaserne der Fremdenlegion sprechen. Er weigerte sich, mit ihnen zurückzukehren, weil er schon unterschrieben habe. Im Verlauf des Gesprächs äußerte er nun auch Zweifel, ob er die Grenze überschreiten könne, weil er dort registriert sei. Die inneren Gründe für das Verhalten Beckers sind nicht bekannt. In den letzten Jahren sind der Bundesregierung keine Fälle einer nachgewiesenen Werbung für die Fremdenlegion im Bundesgebiet bekanntgeworden. Auf Grund eines Ersuchens des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 1959, die Bundesregierung möge mit der französischen Regierung ein ÜbereinStaatssekretär Dr. Anders kommen treffen, das die Zugehörigkeit minderjähriger Deutscher zur Fremdenlegion gegen den Willen der Erziehungsberechtigten unterbindet, hat wie ich im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt mitteilen kann - die Deutsche Botschaft in Paris mit dem französischen Außenministerium Verbindung aufgenommen, eine abschließende französische Stellungnahme aber noch nicht erhalten. Im Falle Becker hat das Auswärtige Amt die Botschaft in Paris angewiesen, sich bei der französischen Regiernug für die Entlassung Karl-Heinz Beckers zu verwenden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Egon Höhmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000919, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, daß verschiedene Jugendverbände sowie auch Organisationen des Ringes politischer Jugend seit Jahren große Anstrengungen machen, um die deutsche Jugend über Unwesen und das Tun und Lassen, in der Fremdenlegion aufzuklären?

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist bekannt.

Egon Höhmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000919, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es dann ein gutes Werk wäre, wenn aus den verschiedenen Fonds, die der Bundesregierung für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stehen, Gelder für eine solche Aufklärungsarbeit zur Verfügung gestellt würden, und ist die Bundesregierung bereit,' das nun auch wirklich zu tun?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich sage Ihnen gern zu, daß geprüft werden wird, ob in dieser Hinsicht noch Maßnahmen getroffen werden können.

Egon Höhmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000919, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 8 - des Herrn Abgeordneten Folger - betreffend den Finanzmakler Münemann: Ist der Bundesregierung die Nachricht einer Wochenzeitschrift bekannt, in der mitgeteilt wird, der Münchner Finanzmakler Münemann habe sich nicht gescheut, einem seiner Kontaktspezialisten, der die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als kontinuierlichen Geldgeber warb, an Jahresgehalt und -provision 250 000 DM zu zahlen? Hat die Bundesregierung die darin enthaltene Behauptung, diese Bundesanstalt gebe Münemann Geld, nachgeprüft und mit welchem Ergebnis? Wenn sie richtig ist, ist die Bundesregierung damit einverstanden, daß ein Finanzmakler von einer Bundesanstalt ständig zu erneuernde Darlehen bekommt, diese in langfristige profitbringende Kredite transformieren kann, die ihm ermöglichen, solche Gehälter und Provisionen zu zahlen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zur Klarstellung vorausschicken, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als Selbstverwaltungskörperschaft eine eigene Finanzhoheit besitzt und über die Vermögensanlagen in eigener Zuständigkeit entscheidet. Die Bundesregierung hat lediglich insofern eine gewisse Einflußnahme auf die Anlage des Vermögens, als sie die vom Verwaltungsrat zu erlassenden Richtlinien über die Anlage der Rücklage und die Verwaltung des sonstigen Vermögens zu genehmigen hat. Die Anlage von Kassenbetriebsmitteln, um die es sich hier offenbar handelt, für die Dauer bis zu 12 Monaten obliegt auf Grund der vom Vorstand erlassenen „Richtlinien für die Führung der Geschäfte durch den Präsidenten der Bundesanstalt" diesem ihrem Präsidenten. Die Bundesregierung hat kein Recht, im Einzelfall zu prüfen, ob das Vermögen ordnungsgemäß angelegt worden ist oder nicht. Das obliegt den Organen der Selbstverwaltung, also in erster Linie dem Vorstand und dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung der Bundesanstalt gegenüber nur ein beschränktes Aufsichtsrecht hat. Trotzdem habe ich die Bundesanstalt um Aufklärung über die erhobenen Vorwürfe gebeten. Sie hat mir berichtet, daß tatsächlich Gelder der Anstalt, um höhere Zinsen zu erzielen, durch die Vermittlung des Herrn Münemann angelegt wurden. Die Verhandlungen wurden überwiegend mit einem Vertreter der Firma Münemann geführt. Über die Höhe des Gehalts und die diesem Vertreter gegebenenfalls gewährten Provisionen ist der Bundesanstalt nichts bekannt. Sie selbst hat keinerlei Vergütungen gewährt. Bei den Anlagen wurde nach Mitteilung der Bundesanstalt durchweg ein höherer Zinsertrag erzielt, aber kein Risiko eingegangen, da entweder das Obligo der Banken oder die Deckungsstockfähigkeit gegeben war. Die Anlagen entsprechen, worauf die Bundesanstalt ergänzend hinweist, in besonderem Maße den Liquiditätsbedürfnissen der Bundesanstalt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind diese Transaktionen in den Geschäftsberichten, die die Bundesanstalt dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorzulegen hat, erwähnt?

Not found (Staatssekretär:in)

Das weiß ich nicht, ich werde es aber nachsehen lassen.

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, der Deutsche Bundestag hat im Jahre 1952 nach der Verabschiedung des Gesetzes über (die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eine Entschließung gefaßt, in der er die Erwartung ausspricht, (die Bundesanstalt werde die flüssigen Mittel so anlegen, daß die Gebiete wirtschaftlichen Notstands und die Bedürfnisse der Aufbringungsländer berücksichtigt werden. Liegt in der Vergabe von flüssigen Mitteln an einen Finanzmakler nicht auch nach Ihrer Meinung eine Umgehung dieses Beschlusses des Deutschen Bundestages, weil nun die Bundesanstalt keine Möglichkeit mehr hat, auf die Verteilung der Mittel im Sinne dieser Entschließung Einfluß zu nehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, meine Meinung ist in diesem Punkt wohl völlig uninteressant, weil zuständig für die Anlage der Mittel und für die Überwachung der Geschäftsführung Vorstand und Verwaltungsrat der Bundesanstalt selber sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage!

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie nicht der Meinung, Herr Staatssekretär, daß das zu ,der Geschäftsaufsicht des Bundesministers im Sinne von § 34 des Bundesanstaltsgesetzes gehört?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich hatte schon darauf hingewiesen, Herr Abgeordneter, daß unsere Aufsichtsbefugnis sehr beschränkt ist und daß der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung seine Aufsichtsbefugnisse nur in einem gewissen Rahmen ausüben kann. Ich werde die von Ihnen gestellte Frage nachprüfen lassen, da sie offenbar auch eine Rechtsfrage der Zuständigkeit ist, und darf Ihnen einen schriftlichen Bescheid geben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 9 - des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) - betreffend Termin für die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in das Bundesgebiet: Ist die Bundesregierung entsprechend dem von dem Saarländischen Landtag, der Regierung des Saarlandes und allen Organisationen des Saarlandes bisher vertretenen Standpunkt der Auffassung, daß wenigstens der ungefähre Termin für die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in das Bundesgebiet fixiert in etwa auf einen Zeitraum zwischen 2 bis 3 Wochen -einige Monate im voraus der Saarbevölkerung bekanntgegeben werden muß, damit die wirtschaftliche Eingliederung reibungslos und ohne Nachteile für alle beteiligten Kreise durchgeführt werden kann? Sollte die Bundesregierung diese Auffassung teilen - wann wird die Bekanntgabe des ungefähren Termins erfolgen? Falls die Bundesregierung diesen Standpunkt nicht teilen sollte - welche Frist wird nach Auffassung der Bundesregierung zwischen dem Eingliederungstag und seiner Bekanntgabe liegen? Hält die Bundesregierung diese Frist für ausreichend, um die wirtschaftliche Eingliederung trotz damit verbundener Umstellungsprobleme reibungslos und ohne Nachteile für die saarländische Wirtschaft und Bevölkerung durchfuhren zu können? Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat Verständnis für den Wunsch der Regierung und der Wirtschaft des Saarlandes, den ungefähren Termin der wirtschaftlichen Rückgliederung einige Zeit vorher zu kennen. Diese Kenntnis würde es sowohl der Verwaltung als auch der Wirtschaft erleichtern, exakte und verbindliche Dispositionen zu treffen. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Verwaltung des Bundes, deren Aufgaben sicherlich leichter zu bewältigen wären, wenn sie mit einem vorher bekannten Termin für die wirtschaftliche Rückgliederung anstelle des unbekannten Tages X arbeiten könnte. Ich denke hier vor allem an die Zollverwaltung, aber auch an andere, mehr technische Dienststellen, für die die ersten Tage nach dem Tag X wahrscheinlich einige Schwierigkeiten bringen können. Wie Ihnen bekannt ist, ist aber die Bundesregierung nicht in der Lage, von sich aus den Tag der wirtschaftlichen Rückgliederung ohne Zustimmung der französischen Regierung bekanntzugeben. Ich darf hier auf den Art. 3 des Saarvertrages hinweisen. Es ist Ihnen weiterhin bekannt, daß die französische Regierung Bedenken gegen eine vorzeitige Bekanntgabe des Tages der wirtschaftlichen Rückgliederung geäußert hat und daß diese Bedenken in den bisherigen Gesprächen mit der französischen Regierung nicht beseitigt werden konnten. Es wird jedoch sichergestellt, daß der Tag X den zuständigen Verwaltungen so rechtzeitig bekannt sein wird, daß die notwendigen technischen Vorbereitungen - ich denke vor allem an die Verlegung der Zollgrenzen und den Umtausch des Geldes - getroffen werden können. Im übrigen glaubt die Bundesregierung, daß von einer Bekanntgabe bzw. Geheimhaltung des Tages der wirtschaftlichen Rückgliederung das nachhaltige Gelingen dieser Rückgliederung nicht entscheidend abhängt. Es mag und wird vielleicht zu Störungen auf diesem oder jenem Gebiet kommen. Man darf jedoch hoffen, daß diese Störungen kurzfristig behoben werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Dr. Heinrich Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002044, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zusatzfrage eins: Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die französische Regierung bereit war, den Eingliederungstag X auf den 28. Juni oder den 5. Juli zu legen, und daß die Bundesregierung für den späteren Termin eingetreten ist, weil die Vorbereitungen, insbesondere die Eingliederungsgesetze, bis zum 28. Juni noch nicht erledigt sein würden?

Not found (Staatssekretär:in)

Auf die Frage kann ich keine Antwort geben, ohne in Kollision mit Art. 3 des Saarvertrages zu geraten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage!

Dr. Heinrich Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002044, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kann die Bundesregierung die aus gut unterrichteten französischen Kreisen im Saarland stammende, zuverlässig erscheinende Information bejahen oder verneinen, a) daß der Eingliederungstag am Sonnabend, dem 4. Juli, nachmittags 14 Uhr - nach Bankschluß -, bekanntgegeben werden soll, b) daß am Sonntag, dem 5. Juli, die französischen Zollbeamten von der saarländisch-bundesdeutschen Grenze zurückgezogen und an die französisch-saarländische Grenze verlegt werden sollen, c) daß schließlich am Montag, dem 6. Juli, der Geldumtausch beginnen soll? Wenn diese Frage nicht jetzt beantwortet werden kann, wann kann ich Antwort bekommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich habe vorhin dargelegt, daß wir durch den Saarvertrag gehindert sind, über den Termin etwas bekanntzugeben. Ich darf nicht annehmen, daß Sie mich mit der Fragestellung in die Verlegenheit bringen wollen, mit dem Vertrag zu kollidieren.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage!

Dr. Heinrich Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002044, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, im Saarvertrag steht meines Wissens nur, daß der Termin im Einvernehmen festgestellt wird. Es steht aber nichts von der Geheimhaltung darin. Wo steht das?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen den Artikel jetzt nicht genau vorlesen; ich habe den Vertrag nicht da. Aber es ist über die Bekanntgabe mit der französischen Regierung eine Festlegung getroffen worden, als der Saarvertrag geschlossen wurde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 10 - des Herrn Abgeordneten Wehr - betreffend Entschädigung der in der Handelsschiffahrt während des zweiten Weltkrieges tätig gewesenen Seeleute: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den während des zweiten Weltkrieges in der Handelsschiffahrt tätig gewesenen Seeleuten die durch Feindeinwirkung oder Selbstversenkung des Schiffes erlittenen Verluste an Effekten sowie andere Verluste, die daraus entstanden sind, einschließlich der Internierungsschäden zu ersetzen? Ist die Bundesregierung bereit, für derartige Schäden eine gesetzliche Regelung zu treffen? Zur Beantwortung der Herr Bundeminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder in Vertretung des Herrn Bundesfinanzministers!

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Verluste an Effekten und andere Verluste, die den in der Handelsschiffahrt während des zweiten Weltkrieges tätig gewesenen Seeleuten durch Feindeinwirkung oder Selbstversenkung des Schiffes entstanden sind, gehören begrifflich zu den Kriegssachschäden im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes. Die Voraussetzungen ihrer Geltendmachung im einzelnen ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 13, 228 Abs. 2 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Nr. 1 des Lastenausgleichsgesetzes. Wie bei allen anderen Personengruppen können auch bei Seeleuten Kriegssachschäden nur berücksichtigt werden, wenn es sich um den Verlust an bestimmten, im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Wirtschaftsgütern, z. B. an Gegenständen, die für die Berufsausübung erforderlich sind, oder an Hausrat handelt. Bagatellschäden bis zu 500 RM sowie Verluste an barem Geld, Edelmetallen oder Schmuck sind nach den Grundsätzen des Lastenausgleichsgesetzes und anderer Nachkriegsgesetze allgemein von der Feststellung und Entschädigung ausgeschlossen. Ebensowenig kann, wie bei Schäden an Hausrat, der bloße Verlust von Kleidungsstücken zu einer Entschädigung führen. Verluste, die Seeleuten während des zweiten Weltkrieges durch Feindeinwirkung oder Selbstversenkung der Schiffe entstanden sind, werden demnach durch das Lastenausgleichsgesetz mitgeregelt, sind jedoch hinsichtlich ihrer Geltendmachung und Feststellung den auch für alle übrigen Kriegssachgeschädigten geltenden Beschränkungen unterworfen. Die Bundesregierung hält es nicht für gerechtfertigt, für die Personengruppe der Seeleute eine über das Lastenausgleichsgesetz hinausgehende gesetzliche Sonderregelung zu treffen. Ansprüche wegen Freiheitsentziehung und Arbeitsleistung während der Internierung werden nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz durch eine Entschädigung abgegolten, wenn das Festhalten in ausländischem Gewahrsam über den 1. Januar 1947 fortgedauert hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Philipp Wehr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002445, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß bei der Handhabung des Lastenausgleichsgesetzes für diese Seeleute sich dadurch Schwierigkeiten ergeben, daß immer wieder Streitfälle auftreten, inwieweit die verlorenen Gegenstände als zur Berufsausübung und für die im Gesetz vorgesehenen Zwecke notwendige Wirtschaftsgüter angesehen werden können? Hat die Bundesregierung einmal eine Feststellung darüber getroffen, wie groß der Personenkreis ist, der von den Ausgleichsbehörden abgewiesen worden ist, weil man in diesem Falle mit dem Gesetz nichts anfangen konnte?

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Kollege, die einzelnen Vorgänge sind mir nicht bekannt. Alle Geschehnisse auf dem Gebiet der Gesetzgebung und ihrer Durchführung werden von dem zuständigen Ministerium geprüft und verfolgt. Eine weitergehende Zusage zu machen fühle ich mich hier als Vertreter nicht befugt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Philipp Wehr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002445, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wäre die Bundesregierung nicht bereit, einmal den ganzen Fragenkomplex zu überprüfen, damit die Unruhe, die bei den heute noch nicht befriedigten Seeleuten auf diesem Gebiet immer noch vorhanden ist, endlich beseitigt wird?

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Ich muß mich leider auf die zweite Antwort zurückziehen. Ich fühle mich nicht befugt, in diesem Punkt eine konkrete Zusage zu geben, bin aber gerne bereit, dem Herrn Kollegen Etzel Ihre Gesichtspunkte vorzutragen.

Philipp Wehr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002445, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke Ihnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 11 - des Herrn Abgeordneten Junghans - betreffend Abstempelung der polizeilichen Kennzeichen an Kraftfahrzeugen: Aus welchem Grunde müssen in der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern die polizeilichen Kennzeichen an den Kraftfahrzeugen immer noch abgestempelt werden? Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei welchen sich das Vorhandensein des Stempels auf den polizeilichen Kennzeichen als nützlich erwiesen hatte? Ist die Bundesregierung bereit, falls sich diese Maßnahme als überflüssig erweisen sollte, das Stempeln der polizeilichen Kennzeichen an den Kraftfahrzeugen abzuschaffen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Anfrage wie folgt beantworten: Die amtlichen Kennzeichen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger werden im Bundesgebiet abgestempelt, um den Kennzeichenmißbrauch zu erschweren und um eine wirksame Kontrolle von Zulassung, Versicherung und Versteuerung zu ermöglichen. Die Kennzeichenschilder als solche werden nicht amtlich ausgegeben. Ihre Beschaffung und Anbringung ist Sache des Fahrzeughalters. Die Behörde bestätigt durch den Stempel, daß sie die Vorschriftsmäßigkeit des Schildes und seiner Anbringung geprüft hat. Der Stempel macht das Schild zu einer öffentlichen Urkunde, was für den Strafschutz von Bedeutung ist. Er erschwert den Austausch des Kennzeichenschildes und sichert dadurch die Identifizierung des Fahrzeugs im Straßenverkehr. Außerdem zeigt er an, daß das Fahrzeug ordnungsgemäß versichert und versteuert ist; besteht keine ausreichende Haftpflichtversicherung mehr oder wird die fällige Kraftfahrzeugsteuer nicht entrichtet, so wird der Stempel entfernt. Bei parkenden Fahrzeugen kann die Polizei durch die Feststellung, ob der Stempel vorhanden ist, die Zulassung, die Versicherung und die Versteuerung des Fahrzeugs prüfen, ohne sich den Kraftfahrzeugoder Anhängerschein vorlegen zu lassen. Dies ist von Bedeutung, weil die Polizei wegen der Fülle ihrer Aufgaben zur Prüfung von Kraftfahrzeug- und Anhängerscheinen nur verhältnismäßig selten Zeit findet. Auf Grund jahrelanger Erfahrungen - ich komme damit zur Beantwortung Ihrer zweiten und dritten Frage - kann die Bundesregierung feststellen, daß die durch den Kennzeichenstempel gebotenen Kontrollmöglichkeiten wesentlich dazu beigetragen haben, daß Kennzeichenmißbrauch und Fahren ohne Versicherungsschutz verhältnismäßig selten sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage!

Hans Jürgen Junghans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind die aus anderen europäischen Ländern, die diese Stempel nicht kennen, bekannten Erfahrungen so schlecht, daß wir in der Bundesrepublik nicht bereit sind, diese meines Erachtens überflüssige Maßnahme abzuschaffen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Erfahrungen in anderen Ländern sind wohl nicht so, ,daß ein Vergleich ergeben könnte, daß das dortige System unserem System vorzuziehen ist. Es ist durchaus möglich, die Abstempelung durch ,die amtliche Ausgabe der Schilder zu ersetzen. Diese amtliche Ausgabe der Schilder würde aber bedeuten, daß die Polizeibehörden einen großen Vorrat von Plaketten usw. halten müssen, und es wäre nicht mehr möglich, daß die Schilder wie bisher nach dem persönlichen Geschmack ,des Fahrzeughalters ausgesucht und beschafft werden. Wir haben gerade in diesen Tagen festgestellt, daß auch in Ländern, die die Abstempelung nicht kennen, wie z. B. in Frankreich, wo man die sogenannte Autovignette hat, auf die Einführung eines äußeren Kennzeichens nicht verzichtet werden kann. Die Vignette muß in Frankreich als Zeichen der Steuerzahlung am Auto angebracht werden. Unser :System hat Iden Vorzug, daß es erlaubt, nicht nur die Versteuerung zu prüfen, sondern auch - und das ist für die Sicherheit des Verkehrs auf der Straße viel wichtiger - die Tatsache der ordnungsgemäßen Haftpflichtversicherung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Hans Jürgen Junghans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir ungefähr das Ausmaß des jährlichen Verwaltungsaufwands bei rund einer Million Zulassungen angeben, die das Stempeln der polizeilichen Kennzeichen erfordert?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann auf diese Frage natürlich nicht mit Ziffern antworten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß der Verwaltungsaufwand nicht größer ist, als er sein würde, wenn das Abstempelungsverfahren durch die amtliche Ausgabe der Kennzeichen ersetzt würde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Frage 12 ist zurückgestellt. Frage 13 - des Herrn Abgeordneten Baier ({0}) - betreffend Arbeitsstatistik der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung: Warum werden in der Arbeitsstatistik der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die beschäftigten Arbeiter, Angestellten und Beamten nach Wohnbezirken gezählt? Ist der Bundesregierung bekannt, daß dieses Verfahren zu falschen Vorstellungen über die tatsächliche Beschäftigungslage insbesondere in den Arbeitsamtsbezirken führt, die einen hohen Anteil an Saisonarbeitskräften, Tages- und Wochenpendlern aufweisen, und daß diese meistens kleinbäuerlich strukturierten Bezirke gleichzeitig eine Unterbeschäftigung in der Landwirtschaft aufweisen, über die die Arbeitsstatistik nichts aussagt? Ist die Bundesregierung daher bereit zu veranlassen, daß künftig die beschäftigten Arbeitnehmer in den Bezirken gezählt werden, in denen sie beschäftigt sind, damit so ein genaues Bild über die tatsächliche Beschäftigungslage in den einzelnen Arbeitsamtsbezirken vermittelt wird? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Arbeitsstatistik der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung werden die beschäftigten Arbeiter, Angestellten und Beamten nach WohnbeStaatssekretär Dr. Clausen zirken gezählt. Die Arbeitnehmerkarten sind deswegen bei den Arbeitsämtern des Wohnsitzes abgestellt, weil diese für die Arbeitsvermittlung und auch für die Zahlung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe zuständig sind. Dieses Verfahren hat sich in der Praxis durchaus bewährt. Die Bundesanstalt weist in ihren Amtlichen Nachrichten bei der Veröffentlichung der Beschäftigtenzahlen in ,der Gliederung nach Arbeitsamtsbezirken in Fußnoten darauf hin, daß die Arbeitskräfte an ihrem Wohnort gezählt werden, um so falsche Vorstellungen über die Beschäftigtenstatistik auszuschließen. Bei diesem Verfahren ist zwar die tatsächliche Beschäftigungslage der bezirklichen Wirtschaft in den Arbeitsamtsbezirken mit starker Abgabe oder Aufnahme von Arbeitskräften nicht sofort erkennbar. Jedoch läßt sich leicht aus einem Vergleich der Zahl der Beschäftigten mit derjenigen der Wohnbevölkerung die soziale Lage ,an dem jeweiligen Ort ermitteln. Wenn man die auswärts Beschäftigten nicht am Wohnort zählte, würde die Arbeitslosenquote, die doch ein wichtiger Maßstab für den Beschäftigungsstand in der Bevölkerung ist, im Abgabebezirk höher und im Aufnahmebezirk niedriger ausfallen, als sie in Wirklichkeit ist. Aus diesem Grunde erscheint eine Änderung des gegenwärtigen Verfahrens nichtangezeigt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben mit Ihrer Ansicht sicherlich recht. Ich habe aber bereits in meiner Anfrage darauf hingewiesen, daß es auch aus raumordnerischen Gründen und Gründen der Hilfeleistung sehr wesentlich wäre, die Arbeitskräfte am Beschäftigungsort zu zählen, um damit auch die Pendler festzustellen. Wäre es aus diesen sehr wichtigen Gründen nicht möglich, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mindestens Repräsentativerhebungen für bestimmte in Frage kommende Arbeitsamtsbezirke vornimmt, um damit einen Überblick über die tatsächliche Beschäftigungslage zu erhalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, wir sind der Meinung, ,daß die Daten, die Sie brauchen, aus der vorhandenen Statistik ersichtlich sind. Aber es kann sehr wohl bei der sehr detaillierten Aufstellung, die die Bundesanstalt jeweils liefert, auch der Versuch unternommen werden, für bestimmte Bezirke die von Ihnen geforderten Angaben zu ermitteln. Wir werden diese Anregung an die Bundesanstalt weitergeben.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 14 - des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher - betreffend Kritik an einem Urteil des Bundesgerichtshofes: Hält es der Herr Bundesjustizminister für richtig, daß das Bundesministerium des Innern in einem amtlichen, mit Steuergeldern finanzierten Organ, nämlich dem Bulletin vom 15. Mai 1959, gegenüber dem Bundesgerichtshof in Sachen Dr. Otto Strasser eine Urteilsschelte vornimmt? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: In der von Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Bucher, beanstandeten Pressemitteilung ist eine „Urteilsschelte" im Sinne einer Kritik an den rechtlichen Ausführungen des Urteils des Bundesgerichtshofs nicht enthalten. Es sind nur irrige Angaben des Urteils in tatsächlicher Hinsicht richtiggestellt worden. Hierzu war das Bundesministerium des Innern im Hinblick auf die Erörterung des Urteils in der Presse nicht nur berechtigt, sondern zur Beseitigung eines falschen Eindruckes in der Öffentlichkeit auch verpflichtet. Im Interesse der erforderlichen Verbreitung erschien es angezeigt, die. Pressemitteilung auch im Bulletin zu veröffentlichen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich hätte es begrüßt, wenn das Justizministerium selber die Frage hätte beantworten können; die Herren sind aber, glaube ich, durch die Tagung der Strafrechtskommission verhindert. In Ihrem Hause scheinen etwas merkwürdige Vorstellungen über das Wesen eines Urteils zu herrschen. Oder halten Sie es für richtig, daß hier von einem im Urteil des Bundesgerichtshofs enthaltenen unbegründeten Vorwurf gesprochen wird? Das klingt so, als ob ein Urteil eine Art polemische Streitschrift wäre.

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist sicherlich mit der Verlautbarung, die im Bulletin veröffentlicht worden ist, nicht gemeint, sondern es sollte nur klargestellt werden, daß die tatsächlichen Angaben insofern nicht dem Akteninhalt entsprechen. Es war damit nicht ein Vorwurf in dem Sinne gemeint, wie Sie das hier soeben zum Ausdruck gebracht haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage?

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich, nachdem diese Wendung, der Vorwurf sei unbegründet, hier steht, die Bitte aussprechen, bei eventuellen ähnlichen Anlässen künftig eine solche Form zu vermeiden, die dem Ansehen der Gerichte nicht gerade dienlich ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Es wird geschehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 15 - der Abgeordneten Frau Bennemann - betreffend Unterhalt unehelicher Kinder amerikanischer Soldaten in der Bundesrepublik: Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen zu treffen, das den Unterhalt der unehelichen Kinder amerikanischer Soldaten in der Bundesrepublik regelt? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Frage wie folgt beantworten. Die Frage der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen unehelicher Kinder amerikanischer Soldaten, der sich die Bundesregierung schon seit langem annimmt, ist unter anderem Gegenstand der Verhandlungen über die Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut gewesen. Diese Verhandlungen sind vor kurzem abgeschlossen worden. Da die Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut jedoch noch nicht unterzeichnet sind, können zu meinem Bedauern Angaben über das Ergebnis der Verhandlungen, auch soweit es die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen unehelicher Kinder amerikanischer Soldaten betrifft, im jetzigen Augenblick noch nicht gemacht werden. Die Bundesregierung rechnet aber damit, daß die Zusatzvereinbarungen in nächster Zeit unterzeichnet werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Franziska Bennemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was würden Sie unter „nächster Zeit" verstehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich würde jedenfalls sagen: vor Mitte nächsten Monats.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 16 - des Herrn Abgeordneten Höhmann - betreffend Verkauf eines Teils des Flugplatzes Eschwege: Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt, daß sich eine Firma in Eschwege Bez. Kassel seit Jahren bemüht, einen Teil des ehem. Flugplatzes Eschwege ({0}) käuflich zu erwerben? Ist es mit den in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers entwickelten Grundsätzen über die Förderung des Mittelstandes zu vereinbaren, daß die Oberfinanzdirektion Frankfurt ({1}) den Streit um die Übernahme des Industriehofes mit der Stadt Eschwege offensichtlich auf dem Rücken kaufinteressierter kleiner und mittlerer Unternehmer austrägt? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesschatzministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann an den Herrn Bundesfinanzminister, die zuständigkeitshalber dem Herrn Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen wurde, beantworte ich in dessen Namen wie folgt. Es ist mir bekannt, daß nicht nur eine, sondern die überwiegende Zahl der nach dem Kriege auf dem heutigen Industriehof in Eschwege angesiedelten Firmen sich um den Erwerb des Eigentums an den ihnen mietweise überlassenen Teilflächen bemühen. Den Erwerbswünschen wird entsprochen werden, sobald die für die Eigentumsübertragung erforderlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Der Industriehof gehört dem Bund bis auf einige Parzellen, deren Eigentum aber dem Bund in Kürze durch Flächenaustausch ebenfalls übertragen wird. Zwischen der Stadt Eschwege und der Oberfinanzdirektion Frankfurt sind die Verhandlungen über die Übernahme der zur Zeit noch im Eigentum des Bundes stehenden Versorgungseinrichtungen - Straßen, Entwässerungsanlagen und Kläranlagen -inzwischen so weit zum Abschluß gebracht, daß mit der Übernahme dieser Einrichtungen durch die Stadt in Bälde zu rechnen ist. Nach Schaffung dieser notwendigen Voraussetzungen werde ich darum besorgt sein, daß die Kaufverhandlungen mit den interessierten Firmen unverzüglich zum Abschluß gebracht werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Egon Höhmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000919, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß sich diese Verhandlungen mit der Stadt Eschwege schon seit Jahren hinziehen und daß die Stadt nicht bereit ist, die Versorgungsanlagen einfach in dem jetzigen Zustand zu übernehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist bekannt, daß in den Verhandlungen Schwierigkeiten gerade wegen der technischen Frage der Kläranlagen enstanden sind, deren Kosten der Bund aber übernehmen wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage.

Egon Höhmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000919, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wäre es nicht notwendig, Herr Staatssekretär, die bereits ergangenen ablehnenden Bescheide an die am Kauf interessierten Unternehmer noch einmal zu überprüfen und ihnen die Grundstücke gleich zu geben, um eine Abwanderung aus dem Zonenrandgebiet zu verhindern?

Not found (Staatssekretär:in)

Die interessierten Firmen werden unterrichtet werden, daß nach Abschluß der Verhandlungen mit der Stadt, die nach den mir zugegangenen Informationen in Kürze zu erwarten sind, die Eigentumsübertragung und Einweisung erfolgen werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 17 - des Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) - betreffend Dienststrafverfahren gegen den Botschafter Blankenhorn und den Präsidenten Hallstein: Beabsichtigt die Bundesregierung auf Grund des Urteils des Landgerichts Bonn in dem Verfahren gegen den Botschafter Blankenhorn und dem Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Hallstein entsprechend den bisherigen Gepflogenheiten im deutschen Beamtenrecht gegen die Betreffenden ein Dienststrafverfahren einzuleiten? Beabsichtigt die Bundesregierung, alsbald einen Wechsel in der Person des deutschen Botschafters in Paris vorzunehmen, damit dieser Posten während der kommenden wichtigen außenpolitischen Verhandlungen nicht unbesetzt bleibt? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den Botschafter Blankenhorn und den Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Professor Hallstein, wurden den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend bereits vor längerer Zeit Vorermittlungen eingeleitet. Die eingeleiteten Verfahren mußten jedoch mit Erhebung der öffentlichen Klagen nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ausgesetzt werden. Da nach den gleichen gesetzlichen Bestimmungen die Vorermittlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt bleiben müssen, ergibt sich nunmehr folgender Sachverhalt. Die bereits eingeleiteten Vorermittlungen gegen Botschafter Blankenhorn können, da dieser gegen das Urteil der Großen Strafkammer beim Landgericht in Bonn Revision eingelegt hat, zur Zeit nicht fortgesetzt werden. Die Vorermittlungen gegen den Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Professor Hallstein, der von der Strafkammer bekanntlich freigesprochen wurde, werden fortgeführt werden, wenn die Gründe des Urteils in schriftlicher Fassung vorliegen. Zu der weiteren Frage kann ich erklären, daß ein Wechsel in der Person des deutschen Botschafters in Paris zur Zeit nicht beabsichtigt ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann also Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär, entnehmen, daß Sie auf die Einleitung eines förmlichen Dienststrafverfahrens ausdrücklich verzichtet und sich lediglich auf Vorermittlungen beschränkt haben. Ich frage: Werden in Zukunft auch Beamte, die nicht zur unmittelbaren Umgebung des Herrn Bundeskanzlers gehören, dienststrafrechtlich so behandelt?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Einleitung eines förmlichen Dienststrafverfahrens kann das Ergebnis von Vorermittlungen sein. Es wäre aber im Widerspruch zu unserer Schutzpflicht gegenüber den Beamten, wenn wir ohne Vorermittlungen Maßnahmen träfen, die sich dann vielleicht als gar nicht gerechtfertigt herausstellen. Die Vorermittlungen sind ein völlig regulärer Teil des Disziplinarverfahrens.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß Herr Botschafter Blankenhorn am Dienstag, dem 28. April, in seiner Wohnung am Bois de Boulogne ein Abendessen für die deutsche Verhandlungsdelegation gegeben hat, an dem u. a. auch der Herr Bundesaußenminister sowie leitende Beamte des Auswärtigen Amts teilgenommen haben, und erhält Herr Botschafter Blankenhorn seine Post täglich dienstlich zugestellt?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen leider über die einzelnen Termine, die der Herr Botschafter Blankenhorn in Paris hat, nicht Auskunft geben. Es ist mir nicht bekannt; ich war nicht dabei. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, das genügt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 18 - des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel - betreffend V-Männer in der Bundesfinanzverwaltung: Billigt die Bundesregierung, daß nunmehr auch die Bundesfinanzverwaltung V-Männer beschäftigt, und billigt sie es, daß bei falschen Angaben von V-Männern die Betroffenen dadurch schutzlos gemacht werden, daß sich die Finanzverwaltungen weigern, den Gerichten die Namen der V-Männer mitzuteilen? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder in Vertretung des Bundesfinanzministers.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Vergebung, daß ich diese Frage etwas ausführlicher beantworte; ich muß idas aber tun. Die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel könnte leicht den Eindruck erwecken, als ob die Bundesfinanzverwaltung ein Netz von Agenten zur Bespitzelung der Steuerzahler unterhalte. Ich kann Ihnen mit aller Bestimmtheit versichern, daß dies nicht das Fall ist. Zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und insbesondere, um ehrliche Steuerpflichtige vor unlauterem Wettbewerb zu schützen, bestimmt § 441 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung, daß die Finanzämter - darunter fallen auch die Hauptzollämter - Anzeigen, die bei ihnen eingehen, darauf zu prüfen haben, ob wegen eines Steuervergehens einzuschreiten sei. Es gibt Fälle, in denen der Anzeigeerstatter aus bestimmten Gründen eine vertrauliche Behandlung seiner Anzeige zugesichert haben will. Es tauchte daher die Frage auf, ob die Finanzverwaltung in derartigen Fällen eine entsprechende Zusicherung abgeben und später auch einhalten kann. Hierauf dürfte sich auch die vorliegende Anfrage mit erstrecken. Die Zweifelsfrage war schon in der Weimarer Republik durch einen Erlaß des damaligen Reichsfinanzministers aus dem Jahre 1923 geregelt, der von dem späteren Finanzminister Popitz unterzeichnet ist. Danach sollte der Name einer Person, die einen anderen zu Unrecht der Steuerhinterziehung bezichtigt hatte und gegen die wegen wissentlich falscher Anschuldigung oder wegen Beleidigung eingeschritten werden sollte, der Staatsanwaltschaft dann bekanntgegeben werden dürfen, wenn nach Lage der Sache mit Sicherheit anzunehmen war, daß der Anzeigende böswillig gehandelt hatte. Diese Regelung hat der Bundesminister der Finanzen für die Bundeszollverwaltung schon im Jahre 1951 insofern erweitert, als der Name des Anzeigeerstatters schon bei wissentlich falscher Anschuldigung der Staatsanwaltschaft mitzuteilen ist. Diese Regelung, die sich auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Verweigerung der Aussagegenehmigung und Aktenvorlage gegenüber den Gerichten ({0}) sowie auf die Vorschriften über das Steuergeheimnis ({1}) stützt, ist verschiedentlich angegriffen worden. In einem vom Generalstaatsanwalt in Celle gegen den Bundesfinanzmini4236 ster angestrengten Verwaltungsstreitverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden, daß die Befugnisse der Staatsanwaltschaft in der Strafprozeßordnung abschließend geregelt seien - die schriftliche Begründung zu diesem Entscheid liegt noch nicht vor -; die Staatsanwaltschaft könne deshalb gegen die Auskunftsverweigerung der Finanzbehörde nicht mit einer Klage vor den Verwaltungs- oder den Finanzgerichten vorgehen. Um den Belangen aller Beteiligten gerecht zu werden, hat die Finanzministerkonferenz am 2. Juli 1958 folgendes beschlossen: Die Finanzbehörden sollen von Amts wegen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten, wenn sie feststellen, daß ein Gewährsmann einen anderen wissentlich, vorsätzlich und leichtfertig angeschuldigt hat. In anderen Fällen, d. h. wenn die Finanzbehörde die Tatbestandsmerkmale der falschen Anschuldigung nicht als gegeben ansieht, soll die Finanzbehörde zwar den Namen der Gewährsperson mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis der Staatsanwaltschaft nicht benennen. Das Bundesfinanzministerium hat den Finanzverwaltungen der Länder jedoch vorgeschlagen, daß die zuständige Finanzbehörde der Staatsanwaltschaft auf deren Ersuchen in einem Verfahren gegen Unbekannt wegen falscher Anschuldigung die Gründe angibt, warum sie die Nennung des Namens des Anzeigeerstatters nicht für zulässig hält. Dabei soll sie auch der Staatsanwaltschaft die Anzeige - und zwar möglichst im Wortlaut, es sei denn, daß sich daraus auf die Person des Anzeigeerstatters zwingend schließen läßt - und das Ergebnis der steuerlichen Ermittlungen mitteilen. Der Staatsanwaltschaft wird es dann in der Regel möglich sein, aus diesen Unterlagen festzustellen, daß keine strafbare Handlung vorliegt. Abschließend darf ich noch folgendes bemerken: In der Öffentlichkeit ist vielfach der Glaube verbreitet, es handele sich bei den Personen, die den Finanzbehörden vertrauliche Mitteilungen über Steuerunehrlichkeiten machen, ausschließlich um üble Denunzianten, deren Tun durch niedrige Motive wie Rachegefühle, Neid, Mißgunst u. a. bestimmt werde. Das ist aber keineswegs der Fall. Es handelt sich bei diesen Personen sehr häufig um ehrenwerte Bürger, die sich an die Finanzbehörde wenden, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, sich eines auf Steuerhinterziehung gegründeten unlauteren Wettbewerbs zu erwehren. Der Gang zur Finanzbehörde wird ihnen oft schwer genug fallen. Ich meine, daß die Finanzverwaltung die Pflicht hat, solchen Dingen nachzugehen. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren - ich darf dies im Namen des Herrn Bundesministers der Finanzen erklären -, daß die Bundesfinanzbehörden dabei mit aller Vorsicht vorgehen und jede derartige Anzeige, bevor sie zum Anlaß eines Einschreitens genommen wird, gründlich auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, ist Ihnen demnach bekannt, daß der Verdacht, die Finanzverwaltung beschäftige sogenannte V-Männer, auf den Feststellungen des von Ihnen zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts beruht, und sind Sie in der Lage, zu sagen, welche rechtlichen Möglichkeiten ein Staatsbürger, der zu Unrecht der Steuerhinterziehung verdächtigt worden ist, hat, um sich gegen derartige falsche Anzeigen schützen zu können?

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Der Staatsbürger hat alle ihm im Strafrecht und in der Strafprozeßordnung gegebenen Möglichkeiten. Die Bundesfinanzverwaltung wird - das ist die Absicht, von der ich genaue Kenntnis habe - im Hinblick auf die besondere Lage, die hier im Steuerrecht und mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis gegeben ist, alle Maßnahmen treffen, damit kein Mißbrauch zu Lasten des Staatsbürgers stattfindet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine zweite Zusatzfrage!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, die Finanzverwaltung werde dafür sorgen, daß der zu Unrecht Verdächtigte alle Möglichkeiten des Strafrechts und der Strafprozeßordnung habe, dann frage ich Sie: Wie kann ein Staatsbürger seine Rechte gegen einen anderen geltend machen, wenn die Finanzverwaltung die Angabe des Namens des Täters verweigert? Ich darf damit die weitere Frage verbinden: Was hat ein Gesetzentwurf über den Ehrenschutz, auf den die Bundesregierung so sehr drängt, für einen Sinn, wenn die gleiche Bundesregierung nicht gewillt ist, einen solchen Verleumder nachher auch dem Betroffenen zu nennen, sondern schützend ihre Hand über ihn hält?

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Abgeordneter, ich glaube, daß in der Antwort auf Ihre Anfrage eine sehr genaue Begründung dafür gegeben worden ist, daß das Steuergeheimnis unter allen Umständen gewahrt werden muß. ({0}) Der Popitz-Erlaß ist durch den Herrn Bundesminister der Finanzen so weit eingeschränkt worden, daß irgendein Unheil daraus nicht entstehen kann. Mir ist bekannt, daß die ganze Diskussion über diese Frage mit dem Verwaltungsstreitverfahren angefangen hat, das der Generalstaatsanwalt in Celle geführt hat. Die Revision des Herrn Generalstaatsanwalts in Celle ist vom Bundesverwaltungsgericht verworfen worden. Ich darf namens der Bundesregierung die Versicherung abgeben, daß im Rahmen des Steuerstrafrechts genau dieselben Grundsätze angewendet werden, die für den Herrn Bundesminister der Justiz maßgebend waren, dem Hohen Hause den Entwurf über den Ehrenschutz vorzulegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, steht demnach das Rechtsgut des Steuergeheimnisses über dem Rechtsgut der persönlichen Ehre?

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Das Rechtsgut des Steuergeheimnisses und idas Rechtsgut der persönlichen Ehre werden nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden. Das Steuergeheimnis als solches - auch nach meiner persönlichen Auffassung gehört seine Wahrung in den persönlichen Rechtskreis - muß auf jeden Fall gewahrt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf ,die Frage 19 - Herr Abgeordneter Dürr - betreffend Zollbefreiung für sogenannte Rückwaren: Erwägt die Bundesregierung eine Änderung der Bestimmungen über die Zollbefreiung von Rückwaren, damit auch solche Waren deutschen Ursprungs zollfrei bleiben, die vorn Verkäufer zurückgenommen werden, weil der Käufer sie nicht verkaufen konnte? Zur Beantwortung noch einmal in Vertretung des Herrn Bundesministers der Finanzen der Herr Bundesratsminister.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Die Antwort lautet: Waren aus dem freien Verkehr des Zollgebiets, die vom Verkäufer zurückgenommen werden, weil der ausländische Käufer sie nicht verkaufen konnte, werden künftig auf Grund des § 1 Nr. 15 der Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Zollverordnung vom 3. Juni 1959 zollfrei gelassen. Die Verordnung wird Anfang nächster Woche im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Sie tritt eine Woche nach ihrer Verkündung in Kraft. Nach Inkrafttreten dieser Verordnung ist die Gewährung der Zollbefreiung für Rückwaren nicht mehr davon abhängig, daß der ausländische Versender der Waren gesetzlich oder vertraglich zur Rücknahme ,der Waren verpflichtet ist. Es genügt vielmehr, daß die aus dem freien Verkehr des Zollgebiets stammenden Waren an den inländischen Versender zurückgehen. Die Waren dürfen, von Ausnahmen abgesehen, außerhalb des Zollgebiets wirtschaftlich nicht genutzt worden sein. Sie müssen innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Ausfuhr wieder eingeführt werden. Die Frist kann in besonderen Ausnahmefällen, z. B. bei einem Überseegeschäft, überschritten werden. Somit hat der inländische Verkäufer, ,der unverkäufliche Waren aus Kulanz zurücknimmt, nunmehr einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Zollbefreiung für diese Waren.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, nein!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich muß die Fragestunde abbrechen. Die letzte Frage wird schriftlich beantwortet. Ich rufe den gestrigen Tagesordnungspunkt 1 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres ({0}) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Entwurf eines Gesetzens zur Änderung des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung ({1}). ({2}) - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der CDU/CSU beantrage ich, den Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung von heute abzusetzen und ihn in einer Plenarsitzung am kommenden Dienstag, dem 23. Juni, zu behandeln, jenem Termin also, den gestern der Herr Bundestagspräsident als den letztmöglichen Zeitpunkt für die anstehende Entscheidung genannt hat. Was hier zu entscheiden ist, steht unter der Gesamtverantwortung, die dieses Hohe Haus mit zu tragen hat für die Bundesrepublik wie für Berlin, aber auch für die Versuche, unter Sicherung von Freiheit und Recht auf internationalen Konferenzen für Entspannung zu wirken. Unsere Fraktion hat unmißverständlich erklärt, daß wir die Bundesversammlung in Berlin tagen sehen möchten, es sei denn, daß Stadt oder Staat ein Schade entstehe. Die zugespitzte Situation in Genf - die Konferenz dort befindet sich, wie das ganze Haus weiß, in ihrer kritischsten Phase - läßt es uns unangebracht erscheinen, die anstehende Entscheidung heute zu fällen. Niemand in diesem Hause wird zurückweichen vor Drohungen. Jeder in diesem Hause hat aber gerade in dieser Konferenzsituation die Pflicht zu Besonnenheit, Klugheit und - gerade wir Deutschen - zur Zurückhaltung. ({0}) Wir erklären ausdrücklich, daß die heute von uns erbetene Vertagung auf Dienstag die zu treffende Sachentscheidung in keiner Weise präjudiziert. Alle Seiten dieses Hauses - das sollte unbestritten sein - lassen sich gerade in dieser Frage von allgemeinpolitischen wie vaterländischen Motiven leiten. Wir wären dankbar, wenn das nicht in Frage gestellt würde, und wir würden es begrüßen, wenn auch die Opposition diesem letzten Aufschub der Entscheidung bis Dienstag zustimmte.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Geschäftsordnung hat Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP habe ich zu dem Geschäftsordnungsantrag der CDU folgende Erklärung abzugeben. Die von der Fraktion der CDU gewünschte Vertagung der Abstimmung über den von zwei Ausschüssen dieses Hauses einmütig gemachten Vorschlag einer Empfehlung an den Herrn Bundestags4238 präsidenten ist nicht klug. Wir sind außerordentlich betroffen über das, was sich in dieser Frage in den letzten Tagen hier abgespielt hat. ({0}) Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesversammlung zwar noch nicht einberufen ist, aber daß schon vor längerer Zeit der Herr Bundestagspräsident erklärt hat, er beabsichtige, sie nach Berlin einzuberufen, und daß er damit in Übereinstimmung mit dem Hohen Hause gehandelt hat, was der Herr Kollege Rasner soeben auch für den jetzigen Zeitpunkt noch bestätigt hat. Nun ist behauptet worden, es gebe außerdeutsche Politiker oder Mächte, die ein Zusammentreten der Bundesversammlung in Berlin im Jahre 1959 zur Wahl des neuen Bundespräsidenten als Provokation ansehen würden. Im Jahre 1954 ist Bundespräsident Heuss von der Bundesversammlung in Berlin in sein hohes Amt gewählt worden. Nach unserer Erinnerung ist das von niemandem als Provokation angesehen worden. Im Jahre 1957 hat dieses Hohe Haus in Berlin seinen jetzigen Bundestagspräsidenten gewählt. Im Herbst des letzten Jahres haben wir in Berlin eine eingehende Debatte über die Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone geführt. An deren Ende stand eine politisch höchst bedeutsame Entschließung vorn 1. Oktober 1958. Ist das von irgend jemandem als Provokation angesehen worden? ({1}) Aber, meine Damen und Herren, die richtige Frage ist gar nicht: Wird die Wahl des Bundespräsidenten in Berlin vielleicht von irgend jemandem als Provokation bezeichnet werden? Die Frage ist vielmehr: Kann diese Wahl mit rechtlicher oder moralischer Fundierung von irgendwelcher Seite als Provokation angesehen werden? Die Antwort darauf ist ein einfaches Nein. Die Frage an sich ist schon absurd. Ebensowenig wie die Tatsache, daß wir uns heute vormittag hier in diesem Hause friedlich versammeln, als Provokation angesehen werden kann, kann es eine Provokation sein, daß dieses Haus, dem einmütigen Wunsch der freien Westberliner. Bevölkerung folgend, sich in normaler Weise friedlich nach West-Berlin begibt, um dort, wie im Jahre 1954, auch dieses Jahr den Bundespräsidenten zu wählen. Wenn schon von Provokation gesprochen wird, könnte vom deutschen Volk , höchstens die Tatsache als Provokation empfunden werden, daß von dazu unzuständiger Seite hier eine Einmischung in innere Angelegenheiten erfolgt, die nur uns angehen. Meine Damen und Herren, wer in dieser Frage auf Grund irgendwelcher Gerüchte nachgibt, der zerstört das Selbstbewußtsein dieses freien Volkes und verliert die Achtung der ganzen Welt. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat in dieser Sache in den letzten Wochen viel Geduld aufgebracht, und sie ist bis an die Grenze des ihr Möglichen gegangen, um Argumente, die da kamen, abzuwägen und Schlußfolgerungen aus ihnen zu ziehen. Aber jetzt sind wir wirklich des traurigen und für Berlin gefährlichen Spieles müde. So viel Ränke und so viel Wankelmut in einer nationalen Frage von allererster Ordnung hätten wir nicht für möglich gehalten. ({0}) Wie war Glas denn im Oktober 1958? Ziehen Sie den Arbeitsplan des Deutschen Bundestages aus Ihrer Tasche! Da steht es seit Oktober gedruckt, daß wir am 1. Juli die Bundesversammlung in Berlin haben sollen. Bei dieser Entscheidung, die eine gemeinsame Entscheidung aller Fraktionen war, ist es dann geblieben, auch als sich die politische Situation durch die Berlin-Offensive der Sowjets grundlegend veränderte. Nach dieser Berlin-Offensive haben wir uns noch einmal in einer Formel zusammengefunden - ich glaube, sie stammt vom Präsidenten dieses Hohen Hauses --, die das Problem ganz exakt politisch definiert und die sagt: Alles, was wir mehr tun als das, was wir vor der Berlin-Offensive vorhatten, wäre in der Tat Provokation; und alles, was wir weniger tun als das, was wir vor der schlimmen Note vorhatten, wäre Kapitulation. ({1}) Wir waren uns in diesem wichtigen Punkte darin einig, daß es für uns in dieser gefährlichen Lage unseres Volkes nur eine Politik geben könne: ruhige, feste Selbstbehauptung in den Positionen, die wir haben. Nun, und dann kam die Arbeit von einer gewissen Seite. Da wurde zuerst ein Schlag gegen Berlin in der Frage des Stimmrechts geführt. Ich erwähne das nur, weil es zum Tableau gehört. Dann kam das Intrigenspiel um den Tagungsort. In der ersten Phase des Intrigenspiels hieß es, die Westmächte wünschten nicht, daß wir nach Berlin gingen. Tatsächlich war es so: von der Bundesregierung wurde den westlichen Außenministern die Suggestivfrage gestellt: Sehr geehrte Herren Außenminister, denken Sie doch einmal nach, haben Sie wirklich keine Bedenken, daß wir nach Berlin gehen? ({2}) - Sehr verehrter Kollege Krone, dazu Willy Brandt, heute morgen in der Zeitung nachzulesen: Mitglieder der Bundesregierung haben behauptet, die Westmächte hätten sich gegen die Einberufung der Bundesversammlung nach Berlin gewandt. Ich habe mich in Genf vom Gegenteil überzeugt. ({3}) Deutscher Búndestag - 3. Wahlperiode Dr. Mommer In der zweiten Phase kamen die finsteren Meldungen über schreckliche Blockadedrohungen gegen Berlin, und in einer dritten Phase zum vorigen Wochenende kam das Schwarze-Peter-Argument - so will ich es einmal nennen -, das besagt, daß, wenn wir jetzt den Beschluß fassen, nach Berlin zu gehen, ,die Russen uns die Schuld an etwaigen Schwierigkeiten oder am Scheitern der Genfer Konferenz zuschreiben. Nun, wir haben journalistische Beobachter in Genf. Ich habe gestern dort Erkundigungen eingeholt. Diese Beobachter haben gesagt: Das ist eine typische Bonner Spinnerei und eine völlige Überschätzung ({4}) - eine völlige Überschätzung der Bedeutung dieser Entscheidung für die Genfer Konferenz. Außerdem haben wir am Montag die gemeinsame Sitzung der beiden Ausschüsse gehabt. In dieser Ausschußsitzung spielte ja dieses Argument des Schwarzen Peter eine Rolle. Obschon dieses Argument in seinem ganzen Gewicht schon vorhanden war, hat der Ausschuß einstimmig bei zwei Stimmenthaltungen beschlossen, die Vorlage, die Sie kennen, einzubringen. Sie, Herr Rasner, haben allerdings bei der Abstimmung gefehlt, was Ihnen sicher das Manövrieren in den letzten Tagen erleichtert hat. ({5}) Gestern kam dann eine neue Phase; gestern kam die Einschaltung der Sowjets. Gromyko sagte, das sei eine Provokation. Seit wann, meine Damen und Herren, ist diese Bundesregierung, ist diese Fraktion dadurch zu beeindrucken, daß der sowjetische Außenminister sagt, irgendein Verhalten unsererseits sei eine Provokation? ({6}) Sie haben dieses Argument nicht angenommen, als es um ganz andere Entschlüsse hier in diesem Hause ging, ({7}) um atomare Bewaffnung und dergleichen mehr! ({8}) Die Existenz des freien Berlins als solche ist eine Provokation für die Sowjets, wenn wir ihre Noten lesen. Dann sollten wir uns nicht scheuen, sollten nicht das Argument annehmen, daß es eine Provokation sei, wenn wir der Tradition und dem Recht folgend, die Bundesversammlung wie schon einmal in Berlin zusammentreten lassen. Das Schwarze-Peter-Argument ist gestern mit diesem Provokationsargument von Herrn Gromyko wieder aufgewertet worden, und es ist jetzt in der Argumentation von Herrn Rasner zum Hauptpunkt geworden. Wir dürfen, so wird gesagt, die Entscheidung heute und hier nicht fällen, weil dann in Genf etwas Schlimmes passiert, weil man dann sagt: Diese böse Bundesrepublik ist schuld an allen Übeln in Europa. Das ist ein trauriges Argument, und ich wiederhole: wir haben dieses Argument am Montag erledigt, als wir einstimmig für die Entschließung stimmten, die heute auf der Tagesordnung steht. ({9}) Eine letzte Bemerkung! Die Lage wird am nächsten Dienstag nicht anders sein als heute. Wenn Sie Ihr Argument sehr ernst nehmen, müssen Sie am Dienstag wieder mit diesem Argument kommen und wieder sagen, daß wir ja nicht entscheiden können. So kommen wir langsam über den 1. Juli hinweg und sind nicht in Berlin gewesen. Jetzt aber Schluß mit diesem frivolen Spiel! Was meinen Sie, was die Leute draußen darüber denken! ({10}) Ein Angestellter des Hauses sagte mir heute, die Abgeordneten müßten einmal mit der Straßenbahn fahren; dann bekämen sie einen Eindruck davon, was man draußen über dieses Trauerspiel denkt. ({11}) Die Entscheidung heute kommt nicht vier Tage zu früh, sie kommt vier Wochen zu spät, ({12}) und es ist schlimm genug, daß wir das Gift des Zweifels, der Furcht und des Finassierens, das da von einer bestimmten Stelle ausgespritzt wird, solange haben wirken lassen. Heute muß hier entschieden werden. ({13})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Heren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei bedauert außerordentlich, daß es zu dieser Geschäftsordnungsdebatte gekommen ist, ({0}) und sie bedauert noch mehr die Ausführungen, die der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei soeben gemacht hat. ({1}) Ich spreche hier für die Fraktion der Deutschen Partei. Ich gehöre zu denen, die ihre Unterschrift unter die Entschließung gesetzt haben. Ich habe es getan in vollem Bewußtsein für alle meine Freunde. Niemand in diesem Hause - ich habe jedenfalls keinen gehört - hat den Inhalt der Entschließung überhaupt und die eindeutige Willensäußerung je in Frage gestellt. ({2}) Wer wirklich für Berlin ist, wer wirklich wünscht, ({3}) an Traditionswerten festzuhalten, der muß in diesel Stunde die ganze Verantwortung spüren und sich zu der Verantwortung für unsere Entschließung be4240 kennen, nicht schon jetzt, nicht in dieser Stunde abzustimmen. ({4}) Wer wirklich in dieser Lebensfrage und in den Fragen der großen Not unseres Volkes fern aller Parteipolitik Verantwortung trägt, ({5}) kann und darf sich nicht mit solchen Schlagzeilen identifizieren, wie sie heute in einigen deutschen Zeitungen stehen: „Widerstand gegen Wahl in Berlin". ({6}) - Das ist doch eine Unterstellung! ({7}) - Sie sollten sich wirklich selber sorgen um Ihre Haltung und um das, was Sie als Demokraten, als Deutsche mit uns gemeinsam zu verantworten haben: daß wir in dieser Stunde der Sache Berlins und der Sache aller Deutschen viel mehr Schaden zufügen, als Sie vielleicht jemals wiedergutmachen können. ({8}) Niemand sollte jemanden der Feigheit verdächtigen, wenn er Verantwortung spürt, ({9}) und niemand, niemand in diesem Hause, stünde er links oder rechts, hat das Recht, etwas zu unterstellen oder es sich so einfach zu machen, wie es die beiden Oppositionsparteien heute getan haben. ({10}) Meine Fraktion steht zu der Entschließung, die zwei Fraktionsvorstandsmitglieder im Ausschuß unterzeichnet haben. Wir stehen zu der Verantwortung und zu dem Wunsch, die Bundesversammlung in Berlin, wenn es möglich ist, noch diese Woche einzuberufen. ({11}) - Unterstellen Sie doch nicht immer auf Grund Ihrer schlechten Gedanken anderen Menschen, daß sie auch so schlechte Gedanken haben! ({12}) Ich meine, meine Herren und Damen, es ist besser für Berlin und besser für die deutsche Sache, die Bundesversammlung - wenn nicht am 1. Juli, dann, wenn Sie wollen, am 10. Juli - nach Berlin einzuberufen. Aber in dieser Stunde geht es darum, zu spüren und zu wissen, daß wir Verantwortung nicht nur für das Schicksal der Besprechungen in Genf, sondern auch für das Schicksal und für die Einheit der deutschen Nation tragen. ({13})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ehe ich abstimmen lasse, mache ich auf folgendes aufmerksam. Art. 54 GG macht es dem Bundestagspräsidenten zur Pflicht, die Bundesversammlung einzuberufen. Der Bundestagspräsident hat als Präsident der Bundesversammlung vor allem die Pflicht, für die geordnete Durchführung der Versammlung Sorge zu tragen. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich nicht gesonnen bin, den Termin 1. Juli zu ändern. Daraus folgt, daß der letzte Termin für die Entscheidung der politischen Ermessensfrage, zu der diese Sache nun gemacht worden ist, der 23. Juli, 13 Uhr, ist. Was das Haus jetzt auch beschließen möge, es möge im Bewußtsein dessen entscheiden. Ich komme zur Abstimmung. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner gehört. Der Herr Abgeordnete Rasner beantragt gemäß § 26 Abs. 4 der Geschäftsordnung Absetzung von der heutigen Tagesordnung und erklärt das Einverständnis seiner Fraktion mit einer Plenarsitzung am Dienstag, dem 23. Juni, die ich auf 13 Uhr einberufen würde, falls dieser Antrag durchgeht. Ist alles klar? - Wer dem Antrag des Abgeordneten Rasner zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; der Antrag des Abgeordneten Rasner ist angenommen. ({0}) Ich rufe auf Punkt 17: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft ({1}). Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange. ({2})

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß es nach dem soeben gefaßten Beschluß schwierig ist, für dieses Thema noch ein wenig Ruhe aufzubringen. Trotzdem glauben wir, die erste Lesung dieses Entwurfs nicht ohne einige Bemerkungen vorübergehen lassen zu sollen. Mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft, Drucksache 1096, wird zum drittenmal ein Gesetz vorgelegt, das sein Vorbild in der Kriegswirtschaft des ersten und zweiten Weltkrieges hat. Auch hier wieder geht die Bundesregierung davon aus, daß mit Hilfe dieses Gesetzes zuerst einmal die Erfüllung der Verpflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen - -({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter; Sie können gegen diese Unruhe nicht ansprechen. Warten wir einen Moment, bis die Herren entweder Platz genommen oder aber Präsident D. Dr. Gerstenmaier den Saal verlassen haben. - Meine Damen und Herren, so kann hier nicht verhandelt werden. Bitte beruhigen Sie sich. Unsere Tagesordnung ist nicht erschöpft. Es ist einem Redner nicht zuzumuten, gegen eine Reihe stattlicher Rücken anzusprechen. Fahren Sie bitte fort.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! In diesem Entwurf soll wiederum, wenn auch mit anderen Formulierungen, zuerst einmal die Erfüllung von Verpflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationierung und die Rechtsstellung von Streitkräften auswärtiger Staaten im Bundesgebiet sichergestellt werden, an zweiter Stelle die Erfüllung von Verteidigungsaufgaben, und erst an dritter Stelle wird etwas über die notwendige Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten gesagt. Dieser Entwurf läßt wieder erkennen, daß man sich Krisenzeiten nur dergestalt vorstellen kann, daß sich irgendwo Verhältnisse entwickeln, die zu harten, zum Teil zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen. Es kann aber auch Krisenzeiten und Krisenerscheinungen anderer Art geben, lin denen die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigem Bedarf unter allen Umständen sichergestellt werden muß. Ich darf in diesem Zusammenhang an das erinnern, was unser Kollege und mein Freund Georg Kurlbaum am 7. Dezember 1956 bei der zweiten und dritten Lesung des zweiten Gesetzes dieser Art für die sozialdemokratische Fraktion gesagt hat. Ich will ,es nicht wiederholen. Was am Eingang seiner Erklärung stand, ist auch heute richtig, daß nämlich „jede Regierung, die ihre Verantwortung gegenüber der Volksgesamtheit ernst nimmt, verpflichtet ist, auch in kritischen Zeiten die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen". Das wäre, wenn überhaupt, die vordringliche Aufgabe des Gesetzes. Wenn Sie wollen, könnte man sich in zweiter und dritter Linie darüber unterhalten, ob auch die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen und die Erfüllung von Verteidigungsaufgaben in ein solches Gesetz eingebaut werden sollen. Eines, was ebenfalls ausgesprochen wurde, ist heute so richtig wie damals. Durch das, was die Bundesregierung bisher bei diesen Fragen in der Praxis gezeigt hat, ist in keiner Weise gewährleistet, daß sie den ernsthaften Versuch machen würde, solchen Krisen mit marktentsprechenden Mitteln zu begegnen. Denn trotz Inkrafttretens des EWG-Vertrages, trotz des Gemeinsamen Marktes - damit wiederhole ich ein Argument, das damals genannt worden ist - hat sie sich beispielsweise noch nicht dazu verstehen können, über die Verpflichtungen des Vertrages hinaus wirksame Maßnahmen der Zollsenkung einzuleiten. Im Gegenteil, Zollsenkungen, die auf Grund des Vertrages vorgenommen wurden, sind aus fiskalischen Erwägungen durch Steuererhöhungen ausgeglichen worden. Ein weiterer entscheidender Punkt, über den auch im Ausschuß geredet werden muß, ist die Tatsache, daß man in dem Entwurf in einem umfassenden Umfange Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen gibt, die uneingeschränkte Möglichkeiten für die Bewirtschaftung - bis zur Kleiderkarte und ähnlichen Erscheinugen, wie wir sie schon einmal kennengelernt haben - enthalten. ,Die Bundesregierung wird im Ausschuß zu der Frage Rede und Antwortstehen müssen, ob sie solche Absichten, die sie bei dem zweiten Gesetz, das ausgelaufen ist, ausdrücklich erklärt hat, wiederum hat. Zum letzten ist darauf hinzuweisen - und das erscheint uns sehr bedenklich -, daß Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen gegeben werden, die wiederum Ermächtigungen für weitere Rechtsverordnungen enthalten. Das ist eine für unser Empfinden verfassungsrechtlich sehr bedenkliche Methode. Die Frage ist, ob die Maßnahmen, die nach der Vorstellung der Bundesregierung erforderlich sein würden, um krisenhaften Erscheinungen in der Versorgung der Bevölkerung zu begegnen, nicht durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen ersetzt werden sollten, damit eine wie immer geartete Willkür völlig ausgeschaltet wird. Diese Fragen müssen im Ausschuß besonders sorgfältig erörtert und geprüft werden, um gleichzeitig feststellen zu können, ob dieses Gesetz die Erklärungen der Bundesregierung betreffend ihre Wirtschaftspolitik innerlich glaubwürdig erscheinen läßt oder nicht. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hält es nicht für erforderlich, über das Wirtschaftssicherungsgesetz ausführlich zu diskutieren, weil das, wie auch Kollege Lange das vorhin erwähnt hat, bereits zu früheren Zeitpunkten geschehen ist. Wir legen aber Wert auf eine kurze Erklärung. Das Wirtschaftssicherungsgesetz soll der Bundesregierung und dem Bundeswirtschaftsminister für den Fall ernster Versorgungskrisen die Ermächtigung zu Lenkungsmaßnahmen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft geben. Die CDU/CSU-Fraktion stellt ausdrücklich fest, daß dieses Gesetz lediglich eine Vorsichtsmaßnahme ist. Sie ist der Überzeugung, daß mögliche Notfälle ihre Ursache nicht in unserer Wirtschaftspolitik haben werden. Sie muß aber damit rechnen, daß Ereignisse eintreten, auf die wir keinen Einfluß haben. Es sei an die Suezkrise erinnert. Auch können Vorgänge auf dem Weltmarkt zu Versorgungskrisen führen. Für derartige Ereignisse müssen rechtzeitig die Mittel zur Verfügung stehen, damit allen Notlagen ohne Verzögerung begegnet werden kann. Ein solches Mittel ist der vorliegende Gesetzentwurf. Die CDU/CSU-Fraktion stellt fest, daß Befürchtungen, der Staat könne mit einer solchen Ermächtigung nach seinem Gutdünken die Dispositionsfreiheit der Wirtschaft einengen, jeglicher Grundlage entbehren. Allein die Tatsache, daß das Ende 1957 ausgelaufene erste Gesetz dieser Art nicht ein einziges Mal angewandt worden ist, beweist, daß uns jeglicher Dirigismus fernliegt. Die Fraktion der CDU/CSU wird einer Lenkungsbefugnis, wie sie das Gesetz verlangt, nur dann zustimmen, wenn klar ersichtlich ist, daß andere, marktkonforme Mittel für die Beseitigung des gegebenen wirtschaftlichen Notstandes nicht ausreichen. Es darf darauf hingewiesen werden, daß die freiheitliche Konzeption unserer sozialen Marktwirtschaft und der Bundeswirtschaftsminister selber eindeutig die Gewähr dafür bieten, daß im Ernstfall die Lenkungsmaßnahmen ausschließlich im Sinne des Gesetzes und nur vorübergehend zur Überwindung einer Notlage angewandt werden. Wir sind aber der Meinung, daß die für Notfälle erforderliche Lenkungsvollmacht bereits zur Verfügung stehen muß, wenn die Krise auftritt. Bei Eintritt der Krise hier im Bundestag ein Initiativgesetz zu diskutieren, würde nur Beunruhigung schaffen und womöglich die Lage noch verschärfen, ganz davon abgesehen, daß wir zeitlich in Verzug kommen könnten. Wir ziehen es daher vor, dieses Gesetz in einer wirtschaftlich ruhigeren Situation, als wir sie heute haben, zu beraten und zu verabschieden. Wir schlagen Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000364, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht ohne Reiz, daß hier in diesem Hause die Sozialdemokratie als Verfechterin marktwirtschaftlicher, freier Grundsätze ({0}) - es war ein langer und schmerzhafter Prozeß; ganz sattelfest sind Sie ja nicht, Abg. Lange [Essen] : Wieso denn nicht? Das konnten Sie alles in unserem Aktionsprogramm nachlesen!) aber hier und da haben Sie gute Anwandlungen! - und daß die CDU als Verfechterin planwirtschaftlicher, extrem lenkungswirtschaftlicher Vorstellungen auftritt. ({1}) - Eben nicht! Wir werden noch ein Wort darüber wechseln, Herr Schmücker. Es ist für mich 'das Schmerzlichste, daß mit diesem Gesetz gegen die Wirtschaft, gegen die wirtschaftliche Vernunft, gegen die wirtschaftliche Grundordnung der Name von Ludwig Erhard verbunden ist. Ich weiß nicht, ob er das Gesetz ernstlich geprüft hat. Ich glaube, ,er hat andere Sorgen. Das Gesetz ist in der Suezkrisis entstanden. Damals hat man Sorge gehabt, die Versorgung unserer Wirtschaft mit Erdöl könne durch die Vorgänge am Suezkanal gestört werden. Völlig grundlos! Es war nicht der geringste Anlaß dazu. Unsere Wirtschaft war so leistungsfähig, daß sie auch die damals aufgetretenen Störungen völlig gemeistert hat, und wir haben, Herr Schmücker, viel größere Belastungen und Erschütterungen der Weltwirtschaft, von denen Sie sprachen, überstanden, aber nicht durch Lenkungsmaßnahmen, nicht dadurch, daß wir den Herrn Obersekretär und den Herrn Oberregierungsrat beauftragt haben, mit einem Male zu wirtschaften. Schade, ,daß Ludwig Erhard nicht da ist; aber mein Kollege Storch kann Ihnen darüber berichten. Wir haben in der Koreakrisis im Juni 1950 vor einer Situation gestanden, die heute, wenn dieses Gesetz gilt, ohne weiteres unsere gesamte Wirtschaft der Planung und Lenkung unterstellen würde. Damals war der Weltmarkt völlig umgestülpt, die Preise für die Rohstoffe um Hunderte von Prozenten gestiegen. Im Kabinett wurde damals sehr ernstlich erwogen, mit Hilfe der noch antiquierten besatzungsrechtlichen Möglichkeiten einzugreifen. Es war ein geschichtliches Verdienst von Ludwig Erhard und meinen Parteifreunden, daß wir das nicht getan haben und daß wir auch in der Notlage den Mut zu den richtigen Gesetzen der Wirtschaft gehabt haben. Die Bundesrepublik hat damals die Erschütterung des Marktes besser überstanden als alle Wirtschaften in der Welt, selbst als die Wirtschaft der Vereinigten Staaten, die da glaubte, man müsse die Schwierigkeiten mit planenden, mit lenkenden Maßnahmen zu überwinden versuchen. Sagen Sie doch nicht, Herr Schmücker, dieses Gesetz sei nur für den Notfall gedacht. Wer bestimmt denn den Notfall, wer bestimmt denn die Mangellage? Die Bürokratie! Sie sagen, die CDU werde nur zustimmen, wenn bestimmte Dinge gesichert seien. Sie haben ja gar nichts mehr zu bestimmen, denn Sie geben doch durch dieses Gesetz der Bürokratie die Möglichkeit, mit Rechtsverordnungen und, wie Herr Kollege Lange sehr richtig ausgeführt hat, mit unglaublich weitreichenden, nach meiner Meinung verfassungswidrigen Verordnungen die gesamte Wirtschaft von oben her zu lenken. Das ist ein Ausfluß des mangelnden Glaubens daran, daß die Wirtschaft besser wirtschaftet als die Bürokratie. ({2}) - Wir wissen doch, wie die Bürokratie wirtschaftet und wer am Ende die Dinge in der Praxis durchführt. Der Herr Minister wird vielleicht noch die Mangellage feststellen. Im übrigen wird dann freies Feld für die Bürokratie gegeben sein. Ich habe das Empfinden, daß dieser Gesetzentwurf nicht im Herzen von Ludwig Erhard und nicht im Herzen von Westrick, sondern bei einem aus der Hermann-Göring-Zeit übriggebliebenen Planwirtschaftler entstanden ist, der an die herrlich strahlenden Zeiten von damals, wo man von oben her die gesamte Wirtschaft leitete, zurückdenkt. Ich habe gegen dieses Gesetz sehr ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken, nicht nur die von Herrn Kollegen Lange geäußerten, sondern ich habe überhaupt Bedenken. Sie müssen bedenken, daß auf Grund dieses Gesetzes die Regierung oder der Wirtschaftsminister unsere gesamte WirtschaftsordDr. Dehler nung auf die Planwirtschaft umstellen kann. Er hat die Möglichkeit, in die Grundrechte, in das Eigentum, in die Vertragsfreiheit einzugreifen. Er kann die gesamte Produktion vom Rohstoff bis zur Verteilung des Fertigfabrikats regeln. Und das nicht in Kriegszeiten, nicht in ganz ungewöhnlichen Zeiten, sondern in Friedenszeiten, weil irgendein Bedarf der Besatzungsmacht auftritt! Es ist ausgeschlossen, daß das mit den Grundlagen unserer Verfassung in Einklang zu bringen ist. ({3}) - Herr Schmücker, wie Sie mich verkennen, wenn Sie glauben, daß ich etwas aus koalitionspolitischen Gründen sage! Ich pflege nur etwas zu sagen, wenn ich es für richtig halte, und kümmere mich den Teufel darum, wem es gefällt oder nicht gefällt, Herr Schmücker. Hier wird an die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung gerührt. Gut, man kann eine Notstandsgesetzgebung einführen, das soll der Innenminister Schröder machen. Nicht etwa für den Sektor der Agrarpolitik, nicht etwa für die Lebensmittel, sondern für die gewerbliche Wirtschaft ein solches Zwangsgesetz einzuführen, widerstreitet allen verfassungsrechtlichen Grundlagen und widerstreitet jeder wirtschaftspolitischen Einsicht. Ich will nicht auf weitere Einzelheiten eingehen und Ihnen nur sagen, daß wir diesem Gesetz aus tiefer Überzeugung, aus verfassungsrechtlichen und aus wirtschaftsrechtlichen Gründen widerstreiten. Dieser Gesetzentwurf ist ein einziger Greuel. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen? - Meine Damen und Herren, beantragt ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß. Ist das Haus damit einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Damit sind wir am Schluß der für gestern und heute verbundenen Tagesordnung. Ich berufe das Haus ein auf Dienstag, den 23. Juni, 13 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.