Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe zunächst dem Kollegen Krüger ({0}) zu seinem 60. Geburtstag zu gratulieren.
({1})
Dann habe ich bekanntzugeben, daß auf Grund der Verhandlungen im Ältestenrat Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung morgen als erster Punkt nach der Fragestunde aufgerufen werden wird.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen auf Grund Ides § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Zusammenstellungen über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen. Inzwischen ist die Zusammenstellung über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1958 - Drucksache 1123 - eingegangen. Ich nehme an, daß das Haus mit der Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll Punkt 16 - Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Kreditwesen ({2}) - abgesetzt werden.
Der Punkt 6 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kreyssig, Seuffert, Marx, Folger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes ({3}) - wird zurückverwiesen an den Ausschuß für Inneres als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht ,aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat seine Antwort - Drucksache 942 - auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Varelmann und Genossen betr. Leistungen der Krankenkassen - Drucksache 810 - mit Schreiben vom 8. Juni 1959 ergänzt, das als Drucksache zu 942 verteilt ist.
Ich rufe nun den Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung ({4}).
Das Wort hat ,der Abgeordnete Schmitt ({5}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 30. Januar dieses Jahres eine Große Anfrage eingebracht, die sich mit den Korruptionsfällen in der Bundesverwaltung beschäftigt. Wir haben damit eine Entwicklung aufgezeigt, an der Parlament und Öffentlichkeit, nicht zuletzt aber auch die Regierung beim Aufbau der Demokratie nicht länger vorbeigehen können. Erfreulicherweise ist Sinn und Ziel unserer Anfrage in der deutschen Öffentlichkeit richtig verstanden und gewürdigt worden.
Uns Sozialdemokraten geht es bei dieser Großen Anfrage nicht darum, an beklagenswerten Einzelfällen unsere Beamtenschaft als solche zu tadeln oder ihre Arbeit in einer oft für die Beamten nicht freundlichen Atmosphäre noch zu erschweren. Deshalb hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Herr Abgeordnete Ollenhauer, mehrfach die grundsätzliche Haltung meiner Fraktion im Hinblick auf die Diskussion in der Öffentlichkeit dargelegt. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Brief des Herrn Abgeordneten Ollenhauer einige Sätze zitieren. Er schreibt:
Für die Vermutung, die deutsche Beamtenschaft sei in ihrer Allgemeinheit korrupt oder Bestechungen leicht zugänglich, liegt auch nicht der geringste Anhaltspunkt vor. Das hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion immer wieder zum Ausdruck gebracht, so zuletzt noch einmal in der Ziffer 3 ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung vom 29. September 1958.
Und er führt am Schluß weiter aus:
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird sich durch solche sicherlich bedauerlichen Einzelvorgänge nicht in ihrer grundsätzlichen Einstellung zu den Trägern des öffentlichen Dienstes beirren lassen. Sie wird sich nach wie vorschützend vor die große Masse aller jener Männer und Frauen stellen, die ihren Dienst in der Verwaltung einwandfrei und sorgfältig erledigen.
Schmitt ({0})
Mit der Abwehr eines verallgemeinernden Angriffs können und dürfen sich Parlament und Öffentlichkeit aber nicht begnügen, sondern wir müssen uns mitverantwortlich fühlen für die geistige und sittliche Haltung der Beamtenschaft; denn diese ist ja in einem wesentlichen Teile mitverantwortlich für das Staatsganze. Ich darf hier auf eine Definition von Spranger Bezug nehmen:
Wenn die Demokratie diejenige staatliche Willensbildung ist, bei der jeder ein Gewissen für das Ganze haben soll, so gilt diese ethische Forderung mit in erster Linie für die Beamtenschaft.
Der Herr Bundesinnenminister glaubte, die Frage der Korruption, insbesondere im Bereich der Bundesverwaltung, mit dem Hinweis darauf abtun zu können, man solle solche Fälle nicht „dramatisieren". Meine Damen und Herren, sicherlich soll man das nicht tun; man soll aber auch nicht in bequemer Selbstgenügsamkeit von Einzelfällen sprechen. Berechnungen über die Zahl der Korruptionsfälle, die von der Gesamtzahl aller Beamten ausgehen, können nicht anders als als Haarspalterei und als Versuche angesehen werden, den wirklichen Umfang der Fälle im unmittelbaren Bereich der Bundesverwaltung zu bagatellisieren. Man kann diesen Korruptionserscheinungen auch nicht in der primitiven Art entgegenwirken, daß man mit Erlassen die Beamten auf ihre Verpflichtung zur Sauberkeit hinweist und - echt bürokratisch - sogar die Annahme kleinster Aufmerksamkeiten, etwa einer angebotenen Zigarre oder einer Tasse Kaffee, verbietet.
Parlament und Regierung müssen den tieferen Ursachen dieser Erscheinungen nachgehen, ihnen entgegentreten und Gegenkräfte wirksam werden lassen,
({1})
wenn wir nicht jene Staatsverdrossenheit noch weiter fördern wollen, die uns alle so viel Sorge macht, eine Staatsverdrossenheit, die sich weiter Kreise der Bevölkerung bemächtigt hat, die uns Anlaß gibt, unser Gewissen zu erforschen und den Gründen nachzugehen, die zu einer solchen Einstellung geführt haben.
Meine Damen und Herren, neben dem Zustand auf dem Gebiet der Steuermoral sind es gerade die Zustände in hohen und höchsten Bundesdienststellen, die dem Staatsbürger immer wieder Anlaß zu neuer Verdrossenheit geben. Das unschöne Wort Korruption ist in aller Mund. Vor wenigen Tagen hat ein amerikanisches Nachrichtenmagazin von Weltbedeutung aus der Unterredung, die es mit einem westdeutschen Richter über die Massierung der Korruptionsaffären hatte, dessen resigniert empörte Bemerkung zitiert, daß in der Bundesrepublik die Korruption „wie Gas aus den Kanalröhren" aufsteige.
({2})
Nach dem gleichen Magazin soll eine hochgestellte westdeutsche Persönlichkeit die Zahl der bekannten Korruptionsfälle mit Tausenden angegeben haben. - Das Wort Korruption beherrscht die Menschen in der Bundesrepublik, und das Delikt ist gleich häßlich, auch wenn das Gewicht nach Art des Vergehens und Stellung des Täters unterschiedlich ist.
Nur in wenigen Ländern der Welt ist die öffentliche Meinung gegen materielle Nachhilfe zur Förderung von Eigeninteressen so empfindlich wie bei uns. Was in vielen Ländern nachsichtig belächelt wird, gilt in Deutschland als ein Verbrechen. Nun gilt es heute nicht mit puritanischer Strenge zu richten; aber es gilt offen auszusprechen, was geschehen ist, und Konsequenzen zu ziehen, bevor der Staat noch mehr Schaden leidet. Denn Korruption und Bestechung sind immer höchst unerfreuliche Erscheinungen, ganz gleich, ob man ihnen im Gebiet der Politik oder aber, wie man so schön zu sagen pflegt, nur in dem der Wirtschaft begegnet. Ich glaube, es ist schon einer der Grundfehler, daß allzu oft eine Unterscheidung gebilligt wird, nach der ein bestimmtes Verhalten auf dem einen Gebiet vielleicht weniger anstößig sein könnte als auf einem anderen. Es kommt noch hinzu, daß sich Korruption und Bestechung in Politik und Wirtschaft überschneiden und dort besonders kräftig zu wachsen beginnen, wo die Politik mit der Wirtschaft oder die Wirtschaft mit der Politik in Berührung kommt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Wort zu jenen Ewig-Gestrigen aus dem Tausendjährigen Reich sagen, die gewissermaßen post festum zu rechtfertigen suchen. Denn im „Dritten Reich" blühte ja die Korruption besonders. Gauleiter und Amtsträger in Staat und Partei bereicherten sich und wußten ihre persönlichen Vorteile zu ziehen. Man zog aber aus ihren Verfehlungen nur recht selten Konsequenzen, breitete vielmehr den dichten Schleier des Amtsgeheimnisses um sie, ein Versuch, der leider auch heute manchmal wieder gemacht wird. Hier darf über alles gesprochen werden, und es müssen nach dem Maße des Verschuldens ohne Rücksicht auf die Amtsstellung Konsequenzen gezogen werden. Es müssen Konsequenzen gezogen werden, damit Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit als die Voraussetzungen eines demokratischen Staatswesens gesichert bleiben.
In diesem Zusammenhang dürfte es angebracht sein, der dritten Gewalt in unserem Staate, der unabhängigen Richterschaft, ein Wort der Anerkennung und des Dankes zu sagen. Wir haben hier im Bundestag manchmal Veranlassung gehabt, uns kritisch mit Urteilen auseinanderzusetzen. Gerade dies gebietet uns aber, den Richtern und auch den Staatsanwälten den Respekt für gewissenhafte Pflichterfüllung ohne Ansehen der Person zu bezeugen.
Leider haben gewisse Ereignisse der letzten Wochen uns mit Sorge erfüllt. So darf ich nur daran erinnern, daß die Strafkammer hier in Bonn, die den Fall des Ministerialrats Kilb zu bearbeiten hatte, durch eine sehr merkwürdige Geschäftsverteilung aufgeteilt worden ist, indem plötzlich die Buchstaben A bis Ho zusammengestellt worden sind. Es hat uns mit Sorge erfüllt, daß der Ermittlungsrichter Böckling, der in dem Fall Kilb viele Monate tätig war, plötzlich versetzt worden ist. Es ist sicher auch kein Wunder, daß kurz nach der Rede des Bundeskanzlers, die er vor wenigen Tagen zum Prozeß Blankenhorn hielt, die Übertragungsanlage im Bonner Landgericht arbeitsunfähig geworden ist. Schließlich möchte ich auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß man versucht hat, den Herrn Staatsanwalt
Schmitt ({3})
Pfromm aus seiner Stellung als Leiter der Pressestelle abzuberufen. Offensichtlich ist es nur dem Eingreifen des Herrn Justizministers Flehinghaus zu danken, daß es nicht dazu gekommen ist.
({4})
Mein Freund Walter Menzel hat im vorletzten Heft des Deutschen Verwaltungsblatts einen vielbeachteten Aufsatz über Grundgesetz und Verfassungswirklichkeit geschrieben. Ich hätte mich gefreut, wenn er in diesem Aufsatz auch das Bonner Landgericht und das Untersuchungsgefängnis in der Wilhelmstraße mit seinem Einfluß auf die Ordnung dieses Staates ausführlich gewürdigt hätte. Vielleicht läßt sich das bei Gelegenheit noch nachholen.
Leider geht die Bundesregierung den eigentlichen Ursachen dieser Verhältnisse nicht mit der notwendigen Konsequenz nach, und leider bemüht sie sich auch nicht um schnelle Entscheidungen. Der Herr Bundesinnenminister hat die Beamten vor den Verlockungen einer, wie er sagt, „etwas zu großzügigen Geschenkpraxis" der deutschen Wirtschaft gewarnt. Damit sind zahlreiche Firmen der deutschen Wirtschaft angesprochen. Viele verlassen sich nicht nur auf Leistungen, sondern erhoffen Kunden durch Geschenke zu halten und zu gewinnen. Die Unredlichkeit beginnt dort, wo große und kleine Unternehmer ihre Leistungen und Angebote dadurch herausstellen wollen, daß sie den Auftraggebern geheime Zuwendungen machen.
In früheren Zeiten gab es eine Korruption, die es heute offensichtlich nicht mehr gibt. Es ist jene Korruption, die Ländern und Reichen Vermögen kostete. Heute sind es Zuwendungen, je nach dem Objekt und der Stellung derer, die Einfluß haben, wie Radioapparate, Kühlschränke, Wein und Luxuswagen. Wenn solche Luxuswagen auch als Leihwagen getarnt bis in die höchsten Staatsstellen geschoben werden, dann besteht für den Staat Gefahr, wenn dagegen nicht eingeschritten wird.
({5})
Ich kann leider nicht darauf verzichten, hier mit aller 'Deutlichkeit auszusprechen, daß das Verhalten der Regierung Adenauer, insbesondere aber des Chefs der Regierung, bei der Verfolgung und Aufklärung solcher Delikte in seinem unmittelbaren Amtsbereich nicht immer dazu beigetragen hat, die moralische Stellung der Bundesregierung zu stärken.
Bei der Betrachtung dieser Umstände dürfen wir leider auch nicht das allgemeine geistige Klima in der Bundesrepublik außer acht lassen, von dem die Beamten umschlossen und beeinflußt werden. 'Die 'allgemeine Sucht nach Geld und Besitz - oft besprochene Zeitkrankheit in diesen Nachkriegsjahren - ist nicht zu billigen. Man kann diese Zeiterscheinungen auch nicht lediglich als Rückschlag nach den Jahren der Not und Entbehrung erklären. Ich glaube aber, ich gehe nicht fehl, wenn ich heute und hier feststelle, daß die Bundesregierung allzusehr dieses geistige Klima, sei es direkt oder indirekt, beeinflußt hat.
Ich will in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, daß die deutsche Öffentlichkeit seit dem berühmten Hauptstadtstreit weiß, was sich in Bonn alles hinter und vor den Kulissen abspielt. Hunderte von Lobbyisten sind in Bonn allzuoft mit großem Erfolg tätig. Weder der Herr Bundesinnenminister noch die Bundesregierung haben sich einmal mit der Frage beschäftigt, wie .dieses Bonner Klima, das für viele Menschen in unserem Volk geradezu ein Charakteristikum geworden ist, gebessert werden kann. Erst in den letzten Wochen mußten wir im Rahmen der Haushaltsberatung die Tatsache beklagen, daß das Bundespresse- und Informationsamt an gewisse Bonner Journalisten für die Anfertigung sogenannter politischer Situationsanalysen Beträge zahlt. Ich will von den Millionenbeträgen, die von der deutschen Wirtschaft Iden Regierungsparteien auf den vielfältigsten Wegen zur Verfügung gestellt werden, hier nicht sprechen; aber solche Zuwendungen müssen und werden immer wieder dazu führen, daß Menschen ,auch privat diese Geldquellen für sich anzapfen. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur auf die verschiedensten Berichte hinzuweisen, die der Öffentlichkeit bekanntgeworden sind. Dieses Klima ist nicht geeignet, Sauberkeit und Rechtschaffenheit und damit die Tugenden zu fördern, auf denen der Staat beruhen muß.
Lassen Sie mich noch ein Wort hinzufügen. Der Herr Bundesinnenminister dürfte mit dem von ihm vorgelegten Gesetzentwurf für ein Parteiengesetz alles in seiner Macht Liegende getan haben, um eine Sauberkeit gerade auf diesem Gebiet im öffentlichen Leben zu verhindern und einen Beitrag zu leisten, das Bonner Klima mit allen seinen Anfälligkeiten für die Menschen noch zu verschlechtern.
({6})
Im Zusammenhang mit der Bereitwilligkeit der Bundesregierung, den hinter ihr stehenden Finanzgruppen zuzugestehen, daß ihre 'Spenden bei der Steuer abgezogen werden können, ist es sicher für die deutsche Öffentlichkeit interessant, festzustellen, daß der Verein gegen das Bestechungsunwesen, der hier in Bonn tätig ist, trotz mehrerer schriftlicher und mündlicher Erinnerungen sehr lange auf die Anerkennung als förderungswürdig warten mußte.
({7})
Auch die mehrfachen Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers, selber indirekt oder in versteckter Form in schwebende Verfahren zugunsten von Angeklagten aus seiner näheren Umgebung einzugreifen, müssen das Rechtsgefühl im Volke lähmen. Ich werde gerade auf ,diese Frage noch gesondert eingehen, zumal sie oft verbunden ist mit der Bemühung, klare gerichtliche Entscheidungen solange wie möglich hinauszuzögern.
Es darf auch nicht übersehen werden, daß manche Maßnahmen der Regierung dazu beigetragen haben, die Korruptionsanfälligkeit in bestimmten Bereichen der Bundesverwaltung zu erhöhen. Die Erfahrung lehrt, daß immer dann, wenn öffentliche Mittel in Zeiten des Wiederaufbaues und vor allem einer forcierten Rüstung in erhöhtem Maße fließen, die Gefahr der Korruption besonders groß ist und allzuviele durch Bestechung, meist in Verbindung mit
Schmitt ({8})
Betrug, Untreue, Unterschlagung und Urkundenfälschung, Nutznießer ,der öffentlichen Mittel werden wollen.
Meine Damen und Herren, es würde den Rahmen unserer Auseinandersetzung und Aussprache sprengen, einmal an bestimmten Fällen zu untersuchen, wie die Entscheidung für Bonn und zahlreiche überstürzte Entscheidungen auf dem Gebiet der Aufrüstung die verantwortlichen Beamten unter einen unerhörten Zeitdruck gestellt und zu Korruptionsfällen geführt haben, über die die Öffentlichkeit in so beredten Worten klagt.
Die Bundesregierung und die hinter ihr stehende Mehrheit haben aber nicht zuletzt auch dadurch zu manchen Erscheinungen beigetragen, daß unsere Steuer- und Wirtschaftspolitik einseitig die Vermögensbildung in der Wirtschaft begünstigt und Beamte, Angestellte und Arbeiter benachteiligt hat. Ich will mit dieser Feststellung niemanden entschuldigen. Aber es ist eine schwierige Sache, wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung die Erhöhung des Lebensstandards über die Steuergesetzgebung regulieren kann, während dem größeren Teil, darunter der Beamtenschaft, diese Möglichkeit verwehrt bleibt.
Die Mehrheit dieses Hauses und die Bundesregierung haben erst vor einigen Monaten mit der Ablehnung des Arbeitnehmerfreibetrages unter gleichzeitiger Anderung des Körperschaftsteuergesetzes ihre Entscheidung in dieser Richtung bekräftigt. Der Spesendeutsche ist, die kürzlich eine große Zeitung schrieb, ein Geschöpf der Steuergesetzgebung. Seine Erscheinung ist mehr als bedenklich.
({9})
Die Bundesregierung hat leider auch nichts getan, um einmal mit aller Klarheit und Eindeutigkeit festzustellen, daß Korruption kein Kavaliersdelikt ist.
({10})
Ich möchte hier nur an die Tatsache erinnern, daß ein prominenter Mann der Wirtschaft, gegen den bereits Anklage erhoben ist, mit höchsten Ehren und Auszeichnungen versehen in der Öffentlichkeit auftritt, als ob überhaupt nichts geschehen wäre, und daß ihm niemand die primitivsten Grundsätze klarmacht und ihm sagt, um was es geht und daß er sich doch wenigstens zurückhalten sollte.
({11})
Ich komme nunmehr zu einigen Einzelfragen, die unsere Fraktion in ihrer Großen Anfrage gestellt hat. Das „Sonntagsblatt" hat sich im Februar dieses Jahres mit der „Chronique scandaleuse" des Winters beschäftigt. In einem dieser Berichte wird davon erzählt, einer der Angeklagten habe sein Verhalten mit dem begründet, was „die anderen" auch tun. Das „Sonntagsblatt" kommt in diesem Zusammenhang zu folgender Feststellung - ich darf das hier mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Kein sachkundiger Kritiker mag heute noch bestreiten, daß Denkart und Verhaltensweise der Absatzwirtschaft sich haargenau dort eingependelt haben, wo die untere Grenze des gerade noch Zulässigen liegt - ja, daß die Neigung eher dahin geht, die Grenze zu unterschreiten,
als sie zu wahren. Eine Art „Mindestmoral" hat I sich gebildet, windschlüpfig und bequem, eine Grenzer-Ethik des Wettbewerbs. Was das Christentum Jahrhunderte hindurch erstrebt: das sittliche Höchstmaß als Norm; was der ehrbare Kaufmann des Mittelalters mit der „Binnenmoral" ({12}) übernommen hatte - hier wird es im Preis gedrückt. Der Absatzzwang herrscht vor. Das Diktat des Marktes gilt. Die Aufforderung „Kaufen und Wegwerfen", der Wechselbezug von Massenherstellung und Massenverbrauch sind mehr als nur der Antrieb unseres Wohlstands: Sie schaffen allmählich ein neues Gewohnheitsrecht.
Gewohnheitsrecht - das ist es, wenn Geschenkunsitten einreißen, für die das Gesetz den häßlichen Namen Bestechung hat, wenn Absprache-ringe entstehen oder wenn die Ware vermanscht wird. Gewohnheitsrecht sind die Handlungen einer Werbung, die längst davon abgegangen ist, den Käufer zu unterrichten, und deren erklärtes Ziel es wird, ihn zu verführen. Gewohnheitsrecht kann eines Tages sein, was heute noch als Unfug gilt: der Schuß ins Unterbewußte ({13}), die Massenhypnose, das rüde wissenschaftliche Planspiel mit Leuten, die nach dem Grundgesetz auf personale Würde Anspruch haben.
Die Wirtschaft hat sich an der Grenze eingependelt. Und daß die Grenze hin und wieder unterschritten wird: Wen, so kann man fragen, geht das etwas an?
Meine Damen und Herren, es gibt auch in der Wirtschaft eine wachsende Zahl von Männern, die sich darüber im klaren ist, daß sie Verantwortung haben und daß diese Verantwortung der Wirtschaft öffentlicher Art ist. Ich glaube aber, auch hier kann es nur so gehen wie im öffentlichen Bereich, nämlich mit Vorbildern. Darauf werde ich nachher noch zu sprechen kommen. Hier fehlt es leider oft.
Zur Charakterisierung mancher Sitten in der Wirtschaft möchte ich auf das Baugewerbe verweisen. Abgesehen von den Beanstandungen des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau über schlechte Bauausführungen darf ich auszugsweise ein Schreiben des Herrn Bundesministers für Wirtschaft vom 9. Januar 1959 zitieren, in dem es heißt:
Wie in der letzten Zeit mehrfach festgestellt worden ist, pflegen die an einer Ausschreibung von Bauleistungen auf Grund öffentlicher oder mit öffentlichen Mitteln finanzierter Aufträge beteiligten Bauunternehmer zuweilen bewußt ihrer Kostenlage völlig widersprechende überhöhte Angebote abzugeben, um auf diese Weise sicherzustellen, daß ihnen der Auftrag nicht erteilt wird.
Die Lieferanten eifern häufig miteinander, um durch Anbieten von Provisionen die Architekten, auch wenn diese vom Bauherrn beauftragt und bezahlt werden, zur Zuwendung von Aufträgen zu veranlassen. Gerade hier muß allen Einwendungen, daß die Zahlung von Provisionen in diesem oder jenem Gewerbe allgemein üblich sei, entgegengeSchmitt ({14})
treten werden, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein an sich strafbares Verhalten noch nicht dadurch erlaubt wird, daß es zu einer allgemein üblichen Unsitte geworden ist. In diesem Zusammenhang ist es meines Erachtens auch von Bedeutung, daß Angeklagte verschiedentlich in Prozessen die Erlaubtheit der von ihnen gezahlten Gelder damit begründet haben, das Finanzamt habe sie in voller Höhe als steuerabzugsfähige Werbungskosten unbeanstandet anerkannt,
({15})
nachdem der Name des Empfängers auf Verlangen des prüfenden Finanzbeamten angegeben worden sei. Ich glaube, der Herr Bundesfinanzminister sollte gerade diesen Fragen einmal nachgehen.
Im Oktober dieses Jahres ist der § 12 des UWG 50 Jahre in Kraft. Es ist ihm nicht gelungen, die Arbeit mit Schmiergeldern zu verhindern, aber immerhin hat er einiges dazu getan, die schlimmsten Unsitten einzudämmen. Aber diese Bestimmung wird, wie ich glaube, immer ein Torso bleiben, wenn sie nicht durch die Selbsthilfe von Industrie und Handel tatkräftig ergänzt und unterstützt wird. Erhebliche Teile der Industrie und des Handels teilen nämlich die sittliche Entrüstung; sie stehen aber allen Bestrebungen zur Ausrottung dieser Unsitten ziemlich gleichgültig gegenüber. Es genügt nicht, das Schmiergeld als Werbungsmittel zu verwerfen und sich in sittlicher Entrüstung über diejenigen zu äußern, die den Staat korrumpieren, wenn es eine platonische Sympathie bleibt. Der erstrebte Erfolg ist nur dann gewährleistet, wenn die gesamte Wirtschaft es als ihre Pflicht ansieht, an der Bekämpfung der Bestechung und der Erhaltung gesunden kaufmännischen Brauchtums mitzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, wie stark gewisse Dinge dazu beitragen, daß heute vielfach die Vorbilder fehlen und so das Gefühl für Recht und Unrecht verlorengeht, möchte ich Ihnen an einem kleinen Beispiel zeigen. Ein Bekannter, der eine Tankstelle hat, erzählte mir folgende Geschichte. Ein großer Wagen einer südwestdeutschen Autofirma fährt vor, hält an der Tankstelle - nicht ein Wagen der Firma, sondern ein Modell -, tankt 5 Liter Benzin, der Fahrer drückt dem Tankwart diskret 1 Mark für eine Quittung über 40 Liter Gemisch und 1 1/2 Liter Öl in die Hand. Auf Vorhaltungen hin hat der Mann gesagt: Aber ich verstehe Sie wirklich nicht. Wenn die reichen Leute so ihr Geld verdienen können, warum kann ich dann nicht auch etwas davon haben?
Sehen Sie, meine Damen und Herren, so ist es:
Fast alle Bezirke unseres Lebens werden heute von einem Gefälligkeitswesen durchwuchert,
- ich darf mich hier auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. September 1958 berufen das sich gern vornehm wie die vermeintliche große Welt gibt und dessen Gefährlichkeit kaum noch bewußt zu werden scheint. ... Bedenklich wird es dann bei den kleinen und großen Festgelagen, Ausflügen, Betriebsbesichtigungen mit Cocktail, dem reichen Angebot von
Whisky und Kognak im Sitzungszimmer, den Weihnachtsgeschenken vom prächtigen Rauchverzehrer bis zum schlichten Pelzmantel, den Leihgaben von Autos, Eisschränken, Waschmaschinen ({16}), mit denen Einkäufer und Inhaber verwandter Positionen bei Laune gehalten werden. Ein beträchtlicher Teil der deutschen Jagdgründe und unzählige Gästehäuser dienen keinem anderen Zweck als dem, dem so unmenschlich objektiven Angebot einen menschlich warmen Bezug zu geben. Public relations, Werbung und Korruption fließen verwirrend ineinander über.
Meine Damen und Herren, ich darf hier einfügen: auch in der berühmten Schützenpanzeraffäre hat ja ein Jagdhaus mit vielen reizenden Rehlein eine besondere Rolle gespielt.
({17})
Ich frage hier weiter: Was hat die Bundesregierung getan, um den Beamten die Vorschrift des § 70 des Bundesbeamtengesetzes in Erinnerung zu rufen, der die Annahme von Geschenken und Vergünstigungen an die Genehmigung des Vorgesetzten bindet? Ich hatte schon ausgeführt, daß ich nicht der Meinung bin, nunmehr sollte eine kleinliche Zurückhaltung Platz greifen. Aber der Beamte muß sich klar sein und klarwerden, wo die erlaubte Grenze ist. Der Vorgesetzte, der von seinem Beamten korrekterweise um Rat gefragt wird, muß wissen, was er antworten soll.
Ich muß bei dieser Anfrage auch wieder einmal in die Erinnerung zurückrufen, daß die einfache Bestechung im Sinne des § 331 StGB schon dann gegeben ist, wenn ein Beamter Geschenke oder Vorteile entgegennimmt, ohne dafür eine pflichtwidrige Handlung zugunsten desjenigen zu begehen, von dem er das Geschenk bekommt. Ich verstehe daher die langwierigen Erörterungen nicht, mit denen offensichtlich aus Kreisen der Bundesregierung bei jedem neu auftauchenden Fall untersucht wird, ob der bestochene Beamte dem Geldoder Sachspender auch wirklich einen rechtswidrigen Vorteil verschafft habe. Ob einfache oder schwere Bestechung vorliegt, das werden die Gerichte mit aller Sorgfalt prüfen. Für den Dienstvorgesetzten aber ist das Signal zu disziplinarischen Maßnahmen schon immer dann gegeben, wenn ihm die bloße Tatsache der Annahme eines Geschenks, gleichgültig ob mit oder ohne Gegenleistung, bekanntwird.
({18})
Ich glaube, noch ein weiterer Punkt verdient von höchster Stelle dem Bewußtsein der Allgemeinheit deutlich gemacht zu werden. Bestechung ist nicht auf die Annahme von Geschenken mit Vermögenswert beschränkt. Sie besteht auch in der Gewährung wie in der Annahme von Vorteilen, oder sagen wir es einmal mit dem modernen Ausdruck: von Dienstleistungen.
Wie weit dieser Begriff zu ziehen ist, hat das Oberlandesgericht Oldenburg - „Niedersächsische Rechtspflege", Jahrgang 1950, Seite 179, zum Nach4180
Schmitt ({19})
lesen! - einmal dargelegt. Es hat auch die Befriedigung des Geltungsbedürfnisses und des Ehrgeizes als einen Vorteil im Sinne des § 331 StGB bezeichnet. Wem von uns drängt sich beim Hören des Wortes „Befriedigung des Geltungsbedürfnisses" nicht das Bild eines bestimmten Beamten im schnittigen Sportwagen einer bekannten südwestdeutschen Automobilfirma auf?
({20})
Ich bin auch der Meinung, daß ein Offizier der Bundeswehr sich nicht wie ein Filmschauspieler auf Seifenfabrikaten als Glamourgirl benutzen lassen sollte. Es gibt bis auf den heutigen Tag keine klare Antwort der Bundesregierung auf die Frage, ob die Benutzung eines Leihwagens, und sei es auch nur für zwei Tage, erlaubt ist oder nicht. Ich erwarte daher als Ausfluß der Fürsorgepflicht eine klare Äußerung des Herrn Ministers.
Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß es unmöglich ist, gerichtlich und disziplinarisch mit zweierlei Maß zu messen. Wie soll der Obersekretär in der Kanzlei und der Assistent der Bundespost oder der Bundesbahn noch Maßstäbe für sein Verhalten haben, wenn er feststellen muß, daß gegen hohe und höchste Beamte, gegen die Strafverfahren laufen, keine Dienststrafverfahren eingeleitet werden, während es nach dem Beamtenrecht in allen anderen Fällen selbstverständlich ist, daß die Behörde ein Dienststrafverfahren einleitet und es bis zum Abschluß des Strafverfahrens aussetzt!
({21})
Zu den Grundsätzen, mit denen sich die Bundesregierung beschäftigen sollte, gehört meines Erachtens nicht zuletzt die Frage, ob und inwieweit Änderungen in den steuerlichen Vorschriften erforderlich sind, damit Klarheit besteht, welche Werbegeschenke nur als Betriebsausgaben angesehen werden dürfen und können. Es wäre sicher viel getan, wenn der Herr Bundesfinanzminister zu einer Änderung der Sitten durch Änderung der Vorschriften zu seinem Teil beitragen würde. Es bleibt schließlich die Frage, ob und inwieweit eine sogenannte Antibestechungsklausel noch stärker als bisher zum Tragen kommen sollte, um bei Verträgen wirklich allen Auswüchsen entgegentreten zu können.
Nun noch ein Hinweis zu Frage 4. Hier darf ich darauf hinweisen, daß die Betriebe im Bundesbesitz ein noch recht wenig durchleuchtetes Kapitel sind. In ihren Aufsichts- und Verwaltungsräten ist eine nicht unerhebliche Zahl von hohen Bundesbeamten vertreten, die dort den Anfechtungen durch schlechte Sitten noch stärker als in ihren Ministerien ausgesetzt sind. Eine Verordnung bestimmt, daß ein solcher Beamter als Mitglied eines Aufsichtsrates nur 960 DM seiner dort bezogenen Vergütungen behalten darf.
Es gibt Unterlagen über die Frage der Sachleistungen an Bundesbedienstete in Aufsichtsräten. Der Fall, der die Öffentlichkeit mit am stärksten beeindruckt hat, ist der des späteren Präsidenten des Bundesrechnungshofs und heutigen Ersten Präsidenten der Bundesbahn Heinz-Maria Oeftering. Ich kann mich hier kurz fassen. Es ist einfach nicht angängig, daß die Bestimmungen der Verordnung über die Nebentätigkeit von Beamten auf dem Umwege über Sach- und Dienstleistungen aufgehoben wer-den. Es kommt darauf an, daß die Bundesregierung alles tut, durch Verbesserung und Änderung der bestehenden Bestimmungen einen Beitrag für die Sauberkeit im öffentlichen Dienst zu leisten. Ich darf auf 'den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag Drucksache 84, Drucksache 815, Seite 7, Bezug nehmen, in dem es heißt:
Es handelt sich insbesondere um Ausgaben für Repräsentation, für Beratungen und für betriebliche Veranstaltungen aus verschiedenen Anlässen, Sitzungsgelder für die Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse, Trennungsentschädigungen, Vergütungen für Reisen und um die durch die Benutzung firmen- und privateigener Kraftfahrzeuge entstandenen Ausgaben. ... eine rechtzeitige Beanstandung verhütet ... die Wiederholung unwirtschaftlicher Aufwendungen.
Der Rechnungsprüfungsausschuß hat 'die Bundesregierung ausdrücklich gebeten, alles zu tun, um künftig solche Verfehlungen zu verhindern.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf unsere weitere Frage verweisen, nach welchen Grundsätzen die Sach- und Dienstleistungen erfaßt werden, die Beamte in ihrer Eigenschaft als Mitglieder von Aufsichtsorganen von Wirtschaftsunternehmen erhalten.
Die letzte Frage der von der SPD-Fraktion eingebrachten Interpellation gilt den Grundsätzen, die die Bundesregierung für die Annahme von Geschenken aus besonderen Anlässen durch Mitglieder der Bundesregierung aufgestellt hat. Auch hier sollte Klarheit geschaffen werden. Niemand wird das Verhalten von Herrn Kilb billigen. Aber man ist mehr als merkwürdig berührt, wenn man hört, daß sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter auch einen Leihwagen erhalten hat, der dann seiner Tochter zur Benutzung übergeben wurde. Deshalb bitten wir um klare Bekanntgabe der Grundsätze, die für die Annahme von Geschenken durch Mitglieder der Bundesregierung gelten, damit auch im öffentlichen Leben klar und eindeutig erkennbar ist, daß nicht Worte, sondern Beispiele entscheiden.
({22})
Ich darf mit der Leserzuschrift eines Amtsgerichtspräsidenten an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" schließen:
Anständigkeit braucht nicht den Fluch der Lächerlichkeit zu fürchten. Den Staatsdiener beglücken nicht Dankeserweise, sondern das Gefühl erfüllter Pflicht.
In diesem Sinne soll unsere Große Anfrage zur Sauberkeit in der öffentlichen Verwaltung und 'damit in unserem Staat beitragen.
({23})
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Große Anfrage, die der Kollege Schmitt ({0}) begründet hat, zunächst mit einer formulierten Erklärung beantworten. Ich behalte mir vor, im Laufe der Debatte auf einzelne Ausführungen, die er zusätzlich zu den formulierten Fragen gemacht hat, einzugehen.
In der öffentlichen Meinung ist auf Grund der Bestechungsfälle, die in letzter Zeit in der Presse erörtert worden sind, der Eindruck entstanden, daß Unbestechlichkeit nicht mehr zu den selbverständlichen Tugenden des deutschen Beamten gehöre und daß die Bestechlichkeit stark zugenommen habe. Auch die Große Anfrage der SPD, deren Begründung wir soeben gehört haben, erweckt den Eindruck, daß die Beamten und Angestellten in der Bundesverwaltung in größerem Umfang der Bestechlichkeit zugänglich seien. Ich begrüße es daher, daß die Große Anfrage mir Gelegenheit gibt, zu der entstandenen Korruptionspsychose Stellung zu nehmen und das Mißtrauen zu zerstören, das sich gegenüber dem öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik entwickelt hat.
Es erscheint mir notwendig, bevor ich auf die einzelnen Punkte der Großen Anfrage eingehe, einige grundsätzliche Feststellungen und Betrachtungen vorauszuschicken.
Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung jeden Bestechungsfall auf das schärfste verurteilt. Sie hält Bestechungsfälle in den obersten Bundesbehörden für besonders verwerflich, weil von den Angehörigen der Zentralbehörden mit Recht ein besonders starkes Pflichtbewußtsein und eine in jeder Hinsicht untadelige Haltung gefordert werden muß. Die Bundesregierung ist sich 'darüber hinaus der Bedeutung eines unbestechlichen Beamtentums für die Integrität unseres Staatswesens zu sehr bewußt, als daß sie bereit wäre, derartige Verfehlungen zu bagatellisieren.
Die Bestechungsfälle, die bisher festgestellt worden sind, sind nur Einzelfälle. Man darf diese Einzelfälle nicht verallgemeinern. Es ist auch nicht gerechtfertigt, diese Fälle als Symptome einer allgemein gelockerten Beamtenmoral zu betrachten. Dies wäre gegenüber unserer Beamtenschaft eine sehr ungerechte Feststellung.
Ich muß auch entschieden die Ausführungen im „Vorwärts" vom 24. Oktober 1958 zurückweisen, in denen davon gesprochen wird, daß die Verhältnisse in der Bundesrepublik - ich zitiere den Satz wörtlich - „wie in den guten alten Zeiten in Rußland und auf dem Balkan" seien.
Gegenüber dieser maßlosen Kritik und gegenüber der oberflächlichen Verallgemeinerung von Einzelfällen möchte ich mit Nachdruck betonen, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik, voran die deutsche Beamtenschaft, in ihrer überwältigenden Mehrheit heute wie früher tagtäglich pflichtbewußt, zuverlässig, fleißig und unbestechlich ihren Dienst verrichten.
({1})
Auch die verschiedenen Einzelfälle, die die Diskussion der Öffentlichkeit um die Frage nach der ethischen Haltung der heutigen Beamtenschaft verursacht haben, geben nicht den geringsten Anlaß, an dieser allgemeinen Feststellung zu zweifeln. Es ist für die ganze Beamtenschaft und für jeden einzelnen ehr- und pflichtbewußten Beamten ein bedrückendes Gefühl, daß ein ganzer Berufsstand für die Verfehlungen einiger weniger schwarzer Schafe in den eigenen Reihen verantwortlich gemacht wird.
Vor einigen Monaten, meine Damen und Herren, hat eine hiesige Zeitung bei den Fraktionen des Bundestages eine Umfrage gehalten zu dem Thema: „Sind unsere Beamten wirklich so korrupt?". Ich habe mich gefreut, daß die Vertreter aller Fraktionen, auch Sie, Herr Kollege Ollenhauer, zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen sind - im Grunde hat das der Kollege Schmitt ({2}) ja auch bestätigt -: „Es besteht kein Anhaltspunkt, daß die deutsche Beamtenschaft in ihrer Allgemeinheit korrupt ist."
Wir alle sind uns gewiß auch darin einig, daß die Erhaltung eines fachlich tüchtigen, charakterlich sauberen und unbestechlichen Berufsbeamtentums in unserem gemeinsamen Interesse liegt. Jeder, der von dieser staatspolitischen Notwendigkeit überzeugt ist, sollte sich deshalb aus seiner Verantwortung für das Ganze heraus Zurückhaltung gegen Übertreibungen und Verallgemeinerungen einzelner Vorkommnisse auferlegen. Die Beamtenschaft hat meines Erachtens auch ein Recht darauf, daß ihre Angehörigen gegen Vorwürfe geschützt werden, solange diese weder geprüft noch erwiesen sind. Ich halte es auch nicht für angängig, daß Beamte öffentlich herabgewürdigt und eines schweren Verbrechens bezichtigt werden, solange sie nicht vor ihrem gesetzlichen Richter gestanden haben.
Noch etwas anderes möchte ich in diesem Zusammenhang sagen. Daß es überhaupt Fälle von Bestechlichkeit und Korruption in der Welt gibt, ist gewiß tief bedauerlich. Wir sollten uns aber vor Augen halten, daß es solche Handlungen gegeben hat, solange überhaupt menschliche Gemeinwesen auf dieser Erde bestehen. Sie waren im alten Rom ebenso bekannt wie in der Wilhelminischen und in der Weimarer Zeit, vom tausendjährigen Reich ganz zu schweigen. Sie kommen leider auch in unserer Zeit vor. Solche Fälle finden sich aber nicht nur in der Bundesverwaltung, sondern auch in den Ländern und Gemeinden, übrigens ohne Schonung dieser oder jener politischen Richtung; ich lege großen Wert darauf, das doch festzuhalten.
Ich halte es für notwendig, auf diese Tatsache hinzuweisen. Die Bekämpfung der Korruption hat nichts mit dem Parteiinteresse zu tun, sondern nur mit dem übergeordneten Interesse des Staates und des Allgemeinwohls. Würden wir das anders sehen, so würden wir uns eines schweren Fehlers schuldig machen, eines Fehlers, der z. B. in der Weimarer Zeit begangen wurde, als man aus Parteiegoismus vermeintliche oder wirkliche Skandale aufbauschte und verallgemeinerte und damit nicht der Demokratie,
Bundesinnenminister Dr. Schröder
sondern den Feinden der Demokratie in die Hände arbeitete.
({3})
Wenn ich mich nach diesen allgemeinen Betrachtungen nunmehr den tatsächlichen Gegebenheiten zuwende, so darf ich zunächst die Feststellung wiederholen, die bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD - Drucksache 548 - vom 29. September 1958 enthalten war: Die Zahl der Bestechungsfälle in der Bundesverwaltung ist, wie die Statistik der Disziplinarverfahren ergibt, in den letzten Jahren sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtzahl der Bediensteten ständig zurückgegangen. Ebenso weist auch nach den Angaben des Statistischen Jahrbuchs die Zahl der durch die Strafgerichte abgeurteilten Amtsdelikte eine sinkende Tendenz auf. Vergleicht man beispielsweise die Zahl der wegen Amtsvergehen Verurteilten in den zwanziger Jahren mit den heutigen Zahlen, so ergibt sich, daß auf 100 000 strafmündige Personen im Jahre 1925 5,8, im Jahre 1926 5,7, im Jahre 1927 4,6 Verurteilte entfielen. Demgegenüber beträgt die Zahl der wegen Amtsvergehen Verurteilten im Jahre 1954 nur 3,2, im Jahre 1956 sogar nur 2,6; das ist weniger als die Hälfte der Verurteilten des Jahres 1925. Es ist schwer verständlich, wie angesichts solcher untrüglicher Ziffern von einer Korruptionsflut in unserer Zeit gesprochen werden kann. Selbst wenn man in Rechnung stellt - was von verschiedenen Seiten immer wieder behauptet wird -, daß sich ein Teil der Korruptionsfälle der Aufdeckung entzieht, so ist der Anteil solcher unaufgeklärter Fälle I in früherer Zeit sicherlich nicht geringer, sondern, entsprechend der höheren Zahl der Verurteilten, wahrscheinlich ebenfalls größer gewesen.
Eine Vergewaltigung der Wirklichkeit ist es vollends, wenn in diesem Zusammenhang vom „Vorwärts" in seiner Ausgabe vom 6. Februar 1959
({4})
- ich bedaure natürlich, daß ich den „Vorwärts" hierfür zitieren muß - das Wort von der „Korruptionshauptstadt Bonn" gebraucht wird.
({5})
- Ich würde es lieber sehen, das stünde nicht im „Vorwärts", Herr Kollege. Ich halte es für ziemlich leichtfertig, solche Behauptungen ungeprüft aufzustellen. So entnehme ich z. B. dem Band 158 der Statistik der Bundesrepublik Deutschland, daß im Jahre 1954 die Zahl der wegen Amtsdelikten Verurteilten, bezogen auf 100 000 Erwachsene, im Lande Nordrhein-Westfalen 2,8, im Lande Baden-Württemberg 2,7, in Schleswig-Holstein 2,5, im Bundesdurchschnitt 3,5, dagegen in Hamburg 7,8, in Bremen 5,1, in Bayern 4,4 und in Hessen 4,1 betragen hat.
({6})
- Meine Damen und Herren, ich bin für diese Zahlen nicht verantwortlich; das ist die Statistik.
({7})
- Sicherlich, Herr Kollege Schmitt ({8}) ! Warten Sie doch bitte ab! Ich bin bereit, das sehr zurückhaltend zu würdigen.
Wenn es mir auch fernliegt, aus derartigen Zahlengrößen, die durch verschiedenartige Faktoren bedingt sein können - wir haben gerade bei Hamburg schon das Stichwort „Großstädte" gehört -, den Schluß zu ziehen, daß die Beamtenschaft der an zweiter Stelle genannten Länder moralisch anfälliger sei als anderswo - ich sehe persönlich keinen Anlaß zu einer solchen Vermutung -, so sollte doch dieses Beispiel, um so mehr als es ,sich auf authentische Ziffern stützt, zur Vorsicht mahnen, aus vereinzelten lokalen Vorkommnissen generelle Schlüsse zu ziehen und der Bundeshauptstadt Bonn einen so häßlichen Beinamen zu geben.
({9})
Nach einer von mir veranlaßten Umfrage bei allen obersten Bundesbehörden beträgt die Zahl der Angehörigen der Bundesverwaltungen, die innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre rechtskräftig verurteilt worden sind a) wegen einfacher passiver Bestechung, 20, b) wegen schwerer passiver Bestechung, 40. Von der Anklage der einfachen oder schweren passiven Bestechung sind rechtskräftig freigesprochen worden 42. Die Zahl der noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren, in denen Anklage erhoben worden ist, beträgt 46. In einem dieser Verfahren ist der Beamte im ersten Rechtszug freigesprochen worden; gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Insgesamt handelt es sich also um 60 Verfahren, die bisher zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben. Das entspricht, bezogen auf die zurückliegenden fünf Jahre, einem Jahresdurchschnitt von 12 Verurteilungen von Beamten und Soldaten des Bundesdienstes. Diesen 12 Verurteilungen wegen passiver Bestechung stehen in den Jahren 1954 bis 1956 - die Zahlen der späteren Jahre stehen mir nicht zur Verfügung - im Mittel 47 Verurteilungen von Angehörigen aller übrigen Dienstherren im Bundesgebiet gegenüber. 12 im Bundesmittel, 47 bei den anderen Dienstherren! Bei einem durchschnittlichen Personalbestand von 680 000 Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Bund - ohne Arbeiter - und 960 000 in den Ländern und Gemeinden entfallen also auf je 100 000 Bedienstete im Bundesdienst 1,7 Verurteilte, in den Ländern und Gemeinden dagegen 4,9 Verurteilte.
({10})
Der Anteil der wegen Bestechung verurteilten Angehörigen des Bundesdienstes beträgt also ziemlich genau ein Drittel der Verurteiltenziffer bei den übrigen Verwaltungen im Bundesgebiet.
Ich habe hier eine Übersicht darüber, die sich nicht so ganz leicht vorlesen läßt; ich will aber doch einmal versuchen, sie Ihnen zu verdeutlichen, damit Sie sehen, wie sich das verteilt. Ich habe in dieser Übersicht die strafrechtlichen Bestechungsverfahren gegen Bundesbedienstete in den Jahren 1954 bis 1958 zusammengefaßt. Hier wird auch wieder unterschieden nach rechtskräftiger Verurteilung wegen passiver Bestechung, einfach und schwer, rechtskräftigen Freisprüchen und nicht abgeschlossenen Verfahren, in denen Anklage erhoben worden ist. Ich nenne einmal die vier Ziffern nach den Ressorts:
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Bundeskanzleramt: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung, 1 noch nicht abgeschlossenes Verfahren;
Auswärtiges Amt: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung;
Innenministerium: 3 Verurteilungen - aus dem ganzen Geschäftsbereich - wegen schwerer passiver Bestechung, 1 Freispruch, 2 laufende Verfahren;
Justiz: ohne etwas in irgendeiner dieser Spalten;
Finanz: - bei den Finanzen müssen Sie natürlich den ganzen Bereich der Finanzverwaltung dazunehmen, Zoll usw. -: 5 Verurteilungen wegen einfacher Bestechung, 23 wegen schwerer, 29 Freisprüche, 25 laufende Verfahren - es tut mir leid, aber in dieser Übersicht ist das Finanzressort weitaus am stärksten vertreten -;
Wirtschaft: 3 noch nicht abgeschlossene Verfahren, bisher keine Verurteilungen;
Ernährung: 1 Verurteilung wegen einfacher Bestechung;
Arbeit: 1 Freispruch, 1 laufendes Verfahren;
Verteidigung: 3 Verurteilungen wegen einfacher, 6 wegen schwerer Bestechung, 4 Freisprüche, 12 noch laufende Verfahren;
Verkehr: 8 wegen einfacher, 5 wegen schwerer Bestechung, 7 Freisprüche, kein laufendes Verfahren;
Post: 1 Verurteilung wegen einfacher, 3 wegen schwerer Bestechung.
Ich will noch die Ehrentafel der übrigen Ressorts vorlesen: Wohnungsbau, Vertriebene, Gesamtdeutsches, Bundesrat, Familienfragen, Atomenergie „ohne", Ministerium für wirtschaftlichen Besitz: schwebendes Verfahren, Bundespräsidialamt „ohne", Rechnungshof „ohne", Presse- und Informationsamt „ohne", der Bundestag hat sich in dieser Liste mit einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren eingefunden.
Prüft man die genannten Verfahren, soweit sie inzwischen abgeschlossen sind, unter dem Gesichtspunkt, ob zu den ihnen zugrunde liegenden Verfehlungen die Vorstellung beigetragen hat, gewisse Gebräuche aus dem Wirtschaftsleben seien im öffentlichen Dienst erlaubt - und damit komme ich zur Beantwortung der Ziffer 1 der Großen Anfrage -, so muß man sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen versuchen, an welche „gewissen Gebräuche" bei dieser Frage gedacht ist. Da die Große Anfrage unter der Überschritf „Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung" steht, können hier wohl nur solche Zuwendungen von Vorteilen gemeint sein, die geeignet sind, bei Beamten den Tatbestand der strafrechtlichen Bestechung zu erfüllen. Wir werden also Gebräuche des Wirtschaftslebens, die dieses Merkmal nicht erfüllen, hier ohne weiteres ausscheiden dürfen und müssen. Dazu gehört beispielsweise die Teilnahme der öffentlichen Bediensteten an allgemein üblichen Rabatt- und Vorzugskäufen der verschiedensten Art. Von derartigen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, kann grundsätzlich auch den öffentlichen Bediensteten nicht verwehrt werden. Anders verhält es sich nur dann, wenn es sich um Beziehungskäufe handelt, bei denen einem Beamten Sondervorteile in bezug auf sein Amt eingeräumt werden.
Überhaupt erscheint es mir in diesem Zusammenhang notwendig, sich einmal darüber Klarheit zu verschaffen, was eigentlich unter „Korruption" zu verstehen ist.
({11})
Korruption ist nach meiner Auffassung gleichbedeutend mit Bestechung. Von Korruption kann daher nur dort gesprochen werden, wo einem Beamten für eine Amtshandlung ein Vorteil gewährt wird, wenn also zwischen dem Vorteil und der Amtshandlung ein Zusammenhang besteht. Von „Korruption" kann also nicht die Rede sein, wenn der gewährte Vorteil in keinem Zusammenhang mit dienstlichen Handlungen steht. Das gilt für Vorteile aller Art, mag es sich um Rabattkäufe, Darlehnsgewährungen oder anderes handeln. Allerdings ist ein Beamter gehalten, auch den bloßen Anschein der Bestechlichkeit zu vermeiden. Aus diesem Grunde darf er ganz allgemein nach § 70 des Bundesbeamtengesetzes Belohnungen und Geschenke in bezug auf sein Amt nur mit Zustimmung seiner obersten Behörde annehmen. Die Annahme eines Geschenkes ohne diese Zustimmung ist in jedem Falle ein Dienstvergehen, aber deshalb keinesfalls schon in jedem Falle eine Bestechung.
({12})
Diese wichtige Unterscheidung ist bei den Erörterung der letzten Monate sehr häufg übersehen worden,
({13})
und es ist mancher Fall zum „Korruptionsskandal" gestempelt worden, in dem eine Korruption im richtig verstandenen Sinne überhaupt nicht, sondern nur eine dienstliche Unkorrektheit vorgelegen hatte. Wenn dann noch hinzu kam, daß sich ein Teil der Nachrichtenmittel einzelner derartiger Fälle oder Komplexe, die früher höchstens im lokalen Umkreis bekanntgeworden wären, annahm und mit so sensationellen Überschriften wie „Bonn im Nebel der Korruption" verbreitete, dann darf man sich nicht wundern, wenn sich der Öffentlichkeit vielfach die Vorstellung bemächtigte, daß die Beamtenschaft von heute in weitem Umfange korrupt sei.
Die Frage nun, in welchen der Fälle, bei denen es sich wirklich um Korruption oder Korruptionsverdacht handelt, beim Täter die Vorstellung eine Rolle gespielt hat, gewisse Zuwendungen, wie sie zwischen Geschäftspartnern des Wirtschaftslebens üblich sind, seien auch im öffentlichen Dienst erlaubt, läßt sich naturgemäß schwer beantworten. Sicherlich sind die Beweggründe der Verfehlungen von Fall zu Fall verschieden. Dabei besteht in manchen Fällen fraglos auch die Möglichkeit, daß Gebräuche aus dem Bereich des Wirtschaftslebens das Handeln von Verwaltungsangehörigen mitbestimmt haben. Auch wenn dem im einzelnen Falle so sein sollte, darf daraus aber nicht der Schluß gezogen
Bundesinnenminister Dr. Schröder
werden, daß unter dem Einfluß derartiger Vorstellungen das Pflichtbewußtsein der Beamtenschaft im ganzen Schaden genommen habe. Betrachtet man unvoreingenommen die aus derartigen Motiven begangenen Verfehlungen im öffentlichen Dienst, so muß man feststellen, daß sie sowohl absolut wie relativ gering sind und daß unser Berufsbeamtentum nach wie vor von einer seinem Wesen und seiner Tradition entsprechenden Sauberkeit ist. Während nämlich, wie ich mir vorhin auszuführen erlaubt habe, die Zahl der Bestechungsverfahren gegen Beamte und Angestellte seit Jahren ständig rückläufig ist, haben sich nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes die Betrugs- und Untreuedelikte im Wirtschaftsleben von 1950 bis 1956 mehr als verdoppelt.
({14})
In diesem Zusammenhang sollte auch nicht außer acht gelassen werden, daß zu einer Beamtenbestechung bekanntlich immer zwei gehören. Wenn es die Moral mancher Wirtschaftskreise zuläßt, den Weg zum Erfolg durch gewisse Hintertüren zu wählen, so darf man die Beamten nicht allein verantwortlich machen. Zum Glück dürfen wir feststellen, daß in den verantwortungsbewußten Führungsgremien unserer Wirtschaft solche fragwürdigen Praktiken ebenso verurteilt werden, wie wir sie verurteilen, und mit Genugtuung können wir zur Kenntnis nehmen, daß ein vor mehreren Monaten ergangener Aufruf des Bundesverbandes der Deutschen Industrie an seine Mitgliederverbände, zu dem ich die Anregung gegeben hatte, inzwischen offenbar schon seine heilsamen Wirkungen geübt hat.
Lassen Sie mich damit zu den Ziffern 2 und 3 der Anfrage übergehen.
§ 70 des Bundesbeamtengesetzes verbietet den Beamten, Belohnungen und Geschenke in bezug auf ihr Amt ohne Genehmigung ihrer obersten Dienstbehörde anzunehmen. Die §§ 331 und 332 des Strafgesetzbuches stellen darüber hinaus die Annahme von Vorteilen, die für eine in das Amt einschlagende, pflichtmäßige oder pflichtwidrige Handlung gewährt werden, unter schwere Strafen. Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes ist nach § 5 Abs 1 ATO ebenfalls verboten, Belohnungen oder Geschenke für dienstliche Verrichtungen ohne Genehmigung der zuständigen Stelle anzunehmen. Auch für diesen Kreis der Verwaltungsangehörigen ist die Bestechung teils nach dem Strafgesetzbuch, teils nach der Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen in der Fassung vom 22. Mai 1954 mit Strafe bedroht.
Diese Rechtslage besteht - von der zuletzt genannten Verordnung abgesehen - nunmehr seit vielen Jahrzehnten unverändert; die sich daraus ergebenden Pflichten sind - zumindest in grundsätzlicher Hinsicht und von Grenzfällen abgesehen - eindeutig und jedem Beamten und Angestellten bekannt. Gleichwohl hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bei verschiedenen Gelegenheiten die Angehörigen der Bundesverwaltungen auf die Einhaltung dieser Pflichten hingewiesen. So hat die Bundesregierung z. B. am 12. Oktober 1951 einen
Beschluß gefaßt, wonach alle Bundesbediensteten persönlich auf das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken hinzuweisen sind. In Vollzug dieses Beschlusses wurden die Bundesbediensteteten in einer von ihnen persönlich unterschriebenen Verpflichtungserklärung auf diese Pflicht aufmerksam gemacht. Auch heute noch wird jeder neu eintretende Bundesbedienstete auf das Verbot, Belohnungen und Geschenke ohne Genehmigung anzunehmen, ausdrücklich hingewiesen. Ich habe ferner als der für Beamtenfragen zuständige Bundesminister in meinem Fernsehinterview vom 26. Septembert 1958 sowie in Presseverlautbarungen an das Pflichtbewußtsein der Beamten appelliert und sie noch einmal auf die bestehende Rechtslage hingewiesen. Dabei habe ich insbesondere erwähnt, daß der Beamte bei Annahme einer Zuwendung, die er, gleichviel aus welchen Gründen, nicht ablehnen zu können glaubt, immer die Entscheidung des zuständigen Dienstvorgesetzten einzuholen hat und daß er nur auf diese Weise davor geschützt ist, in einen falschen Verdacht zu geraten.
Über diese allgemeinen Hinweise hinaus haben die einzelnen Bundesministerien, die nach § 70 des Bundesbeamtengesetzes für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung zuständig und verantwortlich sind, für ihren Geschäftsbereich, soweit dies wegen der besonderen Verhältnisse und Bedürfnisse der jeweiligen Verwaltung notwendig erschien, zur Durchführung des § 70 des Bundesbeamtengesetzes eigene Haus- oder Ressortverfügungen erlassen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die bisher getroffenen Maßnahmen ausreichen, um die Beamten über die Rechtslage, die das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken regelt, zu unterrichten und sie auf die bei der Annahme von Belohnungen und Geschenken zu beachtenden Gesichtspunkte hinzuweisen. Einheitliche Grundsätze für alle Bundesministerien können im übrigen auch nicht berücksichtigen, daß die Eigenart der einzelnen Verwaltungszweige in verschiedenen Punkten eine verschiedene Handhabung der Genehmigungspraxis erfordert. So wird z. B. an die Genehmigung zur Annahme von Zuwendungen bei Beamten der Zollverwaltung ein anderer Maßstab anzulegen sein als bei Beamten des Auswärtigen Dienstes, in dessen Bereich solche Zuwendungen oft schon aus der Rücksicht auf internationale Gepflogenheiten nicht zurückgewiesen werden können. Das sind Unterschiede, die sich durch eine generelle Regelung schwer überbrücken lassen. Im Grundsätzlichen aber, das darf ich feststellen, nachdem ich die verschiedenen Hausregelungen der Ressorts noch einmal überprüft habe, besteht bei allen Ressorts eine durchaus einheitliche Auffassung. Obwohl also, wie gesagt, ein Bedürfnis für eine generelle Regelung bis jetzt nicht hervorgetreten ist, ist die Bundesregierung selbstverständlich jederzeit bereit, die Notwendigkeit allgemeiner Grundsätze neu zu prüfen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang vor übertriebenen Erwartungen warnen, die möglicherweise an einen derartigen Erlaß geknüpft werden.
Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Sosehr die Bundesregierung entschlossen ist, jedem ernsthaften Verdacht der Bestechlichkeit von Bundesbediensteten nachzugehen und den zuständigen Disziplinar- und Strafverfolgungsbehörden jede mögliche Unterstützung zu gewähren, so glaubt sie doch andererseits, nicht in den Fehler verfallen zu sollen, auf die Annahme jedes Notizblockes, jedes Drehbleistiftes oder Werbeartikels mit Firmenaufdruck eine Hexenjagd veranstalten zu sollen.
({15})
Damit würde man über das Ziel weit hinausschießen. Ein Beamter, der einen ihm übersandten Taschenkalender zurückschickte, würde im Volk mit Recht als pedantischer Bürokrat angesehen werden. Er würde sich zudem ein schlechtes Zeugnis ausstellen, wenn er durch die Zurückweisung einräumen würde, daß schon derartige kleine Aufmerksamkeiten geeignet seien, einen Beamten in seiner Objektivität zu beeinflussen. An solchen Gefälligkeiten ohne echten Handelswert wird kein vernünftiger Mensch Anstoß nehmen.
Herr Schmitt ({16}), ich registriere mit Genugtuung, daß Sie diese Gedankengänge teilen. Ich habe sie nur deswegen vorgetragen, weil, wie Sie wissen, einzelne Dienstherren dazu übergegangen waren - das hat zu Weihnachten und Neujahr allerhand Enttäuschungen sowohl bei den Gebern als auch bei den mutmaßlichen Empfängern hervorgerufen -, auch die Annahme solcher Dinge zu verbieten und zu inkriminieren, die jahrelang gewohnheitsgemäß gegeben wurden.
Anders verhält es sich mit der Annahme geldwerter Geschenke und Vorteile. Derartige Zuwendungen wird man als unvereinbar mit den Dienstpflichten eines Beamten ansehen müssen. Der Beamte hat dem Gemeinwohl zu dienen und ist daher nicht berechtigt,. im Zusammenhang mit seiner Amtstätigkeit irgendwelche persönlichen Vorteile zu erstreben. Solche geldwerten Vorteile, die ihm in bezug auf sein Amt angeboten werden, muß der Beamte regelmäßig zurückweisen. Glaubt der Beamte, daß aus besonderen Gründen - etwa weil die Gebote der Höflichkeit oder des Taktes oder andere dienstliche Interessen es gebieten die Zurückweisung nicht angezeigt wäre, so hat er in jedem Fall die Zustimmung seiner obersten Dienstbehörde einzuholen; nur auf diese Weise kann er sich vor dem Vorwurf einer schweren Pflichtverletzung schützen. Die oberste Dienstbehörde wird ihre Zustimmung nur erteilen, wenn von seiten des Gebers eine Beeinflussung des Beamten weder beabsichtigt noch zu besorgen ist und wenn auch nach außen, gegenüber Dritten, der Anschein einer solchen Beeinflussung nicht erweckt wird. In dieser Weise wird von den obersten Bundesbehörden ständig verfahren. Dabei steht es den Bundesressorts frei, die Erteilung der Zustimmung an die Auflage zu knüpfen, das empfangene Geschenk an eine soziale Einrichtung weiterzuleiten.
Allerdings gibt es zwischen den bloßen Aufmerksamkeiten und den Geschenken und Vorteilen von echtem Geldwert eine Grenzsphäre, innerhalb derer
Zweifel auftreten können, ob eine Zuwendung genehmigt werden darf oder nicht. Gerade diese Grenzfälle entziehen sich aber einer generellen Regelung, weil es nun einmal nicht möglich ist, alle in der Lebenswirklichkeit vorkommenden oder denkbaren Einzelfälle - sei es auch nur beispielhaft - zu erfassen und ihre rechtliche Behandlung ohne Rücksicht auf die individuellen Besonderheiten jedes Falles im voraus generell festzulegen. Wo von verschiedenen Dienstherren derartiges versucht worden ist, haben sich die Regelungen in der Praxis stets schon nach kurzer Zeit als unzureichend und nicht allen Fällen gerecht werdend erwiesen und eine Fülle kasuistischer Ergänzungsregelungen nach sich gezogen, die die Unsicherheit eher vermehrt als vermindert haben. Gegenüber derartigen Versuchen muten die älteren Erlasse und Verfügungen, insbesondere aus dem vorigen Jahrhundert, in dem es dieses Problem natürlich auch gab, in ihrer Einfachheit und Kürze geradezu wohltuend und als ein vorbildliches Beispiel dafür an, daß die heute so oft beschworene Vereinfachung der Verwaltung nicht durch eine ausgedehnte Erlaßtätigkeit der zuständigen Zentralbehörden, sondern am wirksamsten durch Einräumung eines hinreichend großen Verantwortungsspielraums an die ausführenden Behörden erreicht wird.
Natürlich gibt es einen Bereich, in dem von den Beamten ein besonders hohes Maß an Korrektheit erwartet werden muß. Das ist die Berührungsfläche zwischen Staat und Wirtschaft. Aber auch für diesen Bereich, in dem sich die strengeren Anschauungen des Beamtendienstes mit den oftmals loseren Auffassungen des Wirtschaftslebens begegnen, gibt es keine für alle Fälle passenden Regeln. Was hier in einem Falle erlaubt sein kann, kann im anderen verboten sein. Das hängt von vielen Umständen ab, von der Stellung und dem Auftrag des Beamten, von der Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Gepflogenheiten und von anderem mehr. Auch wird man es grundsätzlich nicht untersagen können, daß sich zwischen Beamten und Personen außerhalb des öffentlichen Dienstes ein privater gesellschaftlicher Verkehr entwickelt. Dies kann sogar in vielen Fällen nützlich sein, weil die Beamten nur auf solche Weise in die Lage versetzt werden, die Verhältnisse und Anliegen der gesamten Bevölkerung richtig zu beurteilen. Keinesfalls darf die Beamtenschaft in die Rolle gedrängt werden, sich als eine besondere Kaste zu fühlen und sich von der Außenwelt abzuschließen.
Das bedeutet nicht, daß es den Beamten erlaubt werden darf, sich im Umgang mit den Angehörigen der freien Wirtschaft von diesen irgendwelche Vorteile in bezug auf ihr Amt gewähren zu lassen. Man darf aber, so scheint mir, auf der anderen Seite nicht in jeder gemeinsam eingenommenen Mahlzeit einen Korruptionsfall erblicken. Hier zeigt sich, daß, falls in letzter Zeit eine gewisse Unsicherheit die Beamtenschaft ergriffen haben sollte, diese Unsicherheit nicht auf das Fehlen einer detaillierten Einzelregelung, sondern darauf zurückzuführen ist, daß der Begriff der Korruption, wie ich vorhin schon bemerkt habe, über seine eigentliche Bedeutung hinaus im. mer wieder auf Vorgänge ausgedehnt wird, die
Bundesinnenminister Dr. Schröder
einen solchen Vorwurf in keiner Weise rechtfertigen.
Abschließend lassen Sie mich zu den Ziffern 2 und 3 der Anfrage nochmals nachdrücklich versichern, daß die Bundesregierung nichts unterlassen hat, um Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung, wo immer ein hinreichender Verdacht auf solche Fälle bestand, rasch aufzuklären und die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft zu unterstützen und zu fördern. Die Bundesregierung hat insbesondere bei jedem Verdacht der Bestechung zu der von der Staatsanwaltschaft oder den Richtern beantragten Aussage die Genehmigung erteilt.
Daß allerdings eine oberste Bundesbehörde in einem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft und ein Landgericht den Verdacht einer passiven Bestechung für begründet hielten, den Sachverhalt anders beurteilt, gibt niemandem das Recht, an dem ernsten und festen Willen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption zu zweifeln. Verschiedene rechtliche Beurteilungen des gleichen Tatbestandes sind nichts Außergewöhnliches. Selbst das Landgericht und das Oberlandesgericht waren in dem betreffenden Fall nicht in allen Punkten derselben Meinung. Auch Bundesregierung und Opposition haben schon oft verschiedene Rechtsansichten vertreten, ohne daß die Bundesregierung deshalb der Opposition ihre Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung bestritten hat.
Damit komme ich zur Beantwortung der Ziffer 4 der Großen Anfrage. Unter dieser Ziffer wird die Frage gestellt, durch welche Maßnahmen die Bundesregierung dafür gesorgt hat, daß die Beamten in den Aufsichtsräten von Wirtschaftsunternehmen die für die Beamtenschaft allgemein geltenden Grundsätze beachten. Hierzu darf ich folgendes feststellen.
Die in Organen von Wirtschaftsunternehmen tätigen Beamten haben selbstverständlich die gleichen Beamtenpflichten wie alle sonstigen Beamten. Auch sie dürfen daher Geschenke, die ihnen in bezug auf ihr Amt gewährt werden, nur mit Genehmigung der obersten Dienstbehörde annehmen. Die von der Bundesregierung und von den einzelnen obersten Bundesbehörden getroffenen Anordnungen gelten somit auch für diese Beamten. Eine andere Frage ist es, wann bei der Annahme eines Geschenkes durch Beamte, die in Organen von Wirtschaftsunternehmen tätig sind, eine Beziehung zum Amt gegeben ist, die den Beamten verpflichtet, die Genehmigung zur Annahme des Geschenkes einzuholen. An einer solchen Beziehung fehlt es, wenn ein Beamter aus rein privaten Gründen und ohne jeden Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit, etwa als Beteiligter eines Familienunternehmens oder wegen seiner besonderen Fachkenntnisse dem Organ eines Wirtschaftsunternehmens angehört. Zur Annahme von Geschenken, die der Beamte in solcher privaten Eigenschaft erhält, bedarf er keiner Genehmigung.
Anders ist die Rechtslage dann, wenn ein Beamter auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten oder im Zusammenhang mit seinen dienstlichen Aufgaben zur Wahrung öffentlicher Belange in ein Organ eines Wirtschaftsunternehmens berufen wird. In diesen Fällen handelt es sich um eine dienstlich ausgeübte Hauptoder Nebentätigkeit, für die der Beamte Belohnungen oder Geschenke nur nach vorheriger Genehmigung des Dienstvorgesetzten annehmen darf. Diese Rechtslage, die sich daraus ergibt, daß der Beamte in solchen Fällen als Repräsentant des Staates tätig wird, besteht seit langem unverändert und ist im beamtenrechtlichen Schrifttum unstreitig.
Unter Ziffer 5 der Großen Anfrage wird um Auskunft darüber ersucht, bei welchen Haushaltstiteln die von Bundesbeamten in Aufsichtsorganen von Wirtschaftsunternehmen gemäß Nr. 13 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten abzuliefernden Beträge verbucht werden und wie hoch diese im zuletzt abgeschlossenen Wirtschaftsjahr waren.
Die Frage beantworte ich wie folgt:
Die von Bundesbeamten und Angestellten in Organen von Wirtschaftsunternehmen nach Nr. 13 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten abzuliefernden Beträge werden bei Titel 69 ({17}) des ordentlichen Haushalts verbucht. Im zuletzt abgeschlossenen Rechnungsjahr 1957/1958 sind nach Auskunft des Herrn Bundesministers der Finanzen im Bereich aller obersten Bundesbehörden insgesamt 157 150,96 DM vereinnahmt worden.
Für die Erfassung von Sach- und Dienstleistungen, die Beamte und Angestellte in ihrer Eigenschaft als Mitglieder von Organen von Wirtschaftsunternehmen gewährt werden - damit komme ich zu Ziffer 6 der Großen Anfrage -, gelten die folgenden Grundsätze:
Sach- und Dienstleistungen für eine rein private, nicht mit dienstlichen Aufgaben zusammenhängende Tätigkeit in Organen von Wirtschaftsunternehmen unterliegen ebenso wie Vergütungen für andere rein private Tätigkeiten keiner Ablieferungspflicht. Soweit Sach- und Dienstleistungen als Geschenk oder Belohnung in bezug auf derartige Tätigkeiten gewährt werden, bedarf der Beamte zu ihrer Annahme keiner Genehmigung.
Ist der Beamte dagegen auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten Mitglied des Organs eines Wirtschaftsunternehmens geworden, so sind Sach- und Dienstleistungen, die eine Vergütung für die Aufsichtsratstätigkeit darstellen, mit ihrem Geldwert auf den Höchstbetrag der Vergütung, die dem Beamten nach Nr. 13 der Nebentätigkeitsverordnung belassen werden kann, anzurechnen. Sach- und Dienstleistungen, die keine Vergütung für die Tätigkeit in Organen des Unternehmens darstellen, sind als Geschenke oder Belohnungen im Sinne des § 70 BBG anzusehen. Selbstverständlich gelten auch in. diesen Fällen allgemein übliche Zuwendungen nach der Verkehrssitte als genehmigt.
Unter Ziffer 7 der Großen Anfrage wird die Frage gestellt, welche Grundsätze für die Annahme von Geschenken aus besonderen Anlässen für Mitglieder der Bundesregierung bestehen. Dazu ist folgendes zu sagen:
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Geschenke, die einem Bundesminister aus rein persönlichen Gründen und ohne jede Beziehung zu seinem Amt gewährt werden, können ebenso wie von jedem Beamten und Angestellten auch von dem Minister ohne weiteres angenommen werden. Für Geschenke in bezug auf das Amt enthält das Bundesministergesetz keine ausdrückliche Regelung. Das gleiche gilt übrigens für die Ministergesetze sämtlicher Bundesländer. Das bedeutet nicht, daß einem 'Minister die Annahme von Geschenken in bezug auf sein Ministeramt unbeschränkt erlaubt ist. Daß ein Minister keine Geschenke annehmen darf, mit denen direkt oder indirekt auf Amtshandlungen Einfluß genommen werden soll, folgt schon aus den auch für Minister geltenden §§ 331 und 332 StGB. Darüber hinaus wird man davon ausgehen dürfen, daß der für alle öffentlichen Amtsträger geltende Grundsatz, nach dem sie aus ihrer Amtsführung keine persönlichen Vorteile ziehen dürfen, auch für Minister Gültigkeit besitzt. Weitergehende Grundsätze lassen sich nicht aufstellen. Da Minister keine Dienstvorgesetzten haben, die die Genehmigung zur Annahme eines Geschenkes erteilen könnten, müssen sie stets in eigener Verantwortlichkeit darüber entscheiden, ob gegen die Annahme eines Geschenkes Bedenken bestehen. Diese Entscheidung wird immer vom Einzelfall und von der Rücksicht auf die Gebote des Taktes und der Höflichkeit abhängen, die sich einer juristischen Normierung entziehen. Dabei kommt es weniger auf den materiellen Wert des Geschenkes als vielmehr darauf an, unter welchen Umständen es angeboten wird, in welchem Verhältnis sein ideeller und sein materieller Wert zueinander stehen und ob die Ablehnung als eine Kränkung empfunden würde.
In vielen Fällen werden derartige Geschenke, besonders wenn ihr materieller Wert den ideellen Wert übersteigt, karitativen Zwecken zugeführt.
Damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen. Ich habe schon gesagt und möchte es an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, daß die Bundesregierung Fälle von Bestechlichkeit und verbotener Geschenkannahme innerhalb Ides öffentlichen Dienstes scharf verurteilt. Die Bundesregierung wird in allenderartigen Fällen gegen ,die Schuldigen unnachsichtlich vorgehen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung weiterhin bestrebt sein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Pflichtbewußtsein der im Dienst des Bundes stehenden Personen zu festigen und zu vertiefen.
Auf der anderen Seite sieht es die Bundesregierung aber als ihre Aufgabe an, der Beamtenschaft die Unbefangenheit wiederzugeben, die ihr durch die Korruptionspsychose der vergangenen Monate - leider muß ich sagen - vielfach genommen worden ist.
({18})
Diese Korruptionspsychose steht, wie ich dem Hohen Hause an Hand von Zahlen vor Augen zu führen versucht habe, in einem extremen Mißverhältnis zu der sehr geringen Zahl der wirklich vorgekommenen Fälle.
({19})
Die Zahl dieser Fälle ist gegenüber der Gesamtzahl der im Dienst des Bundes beschäftigten Personen von so verschwindender Bedeutung, daß kein Anlaß besteht, an dem Pflichtbewußtsein und der sittlichen Haltung unseres öffentlichen Dienstes zu zweifeln.
({20})
Ich glaube, daß wir allen Grund haben, den Angehörigen des öffentlichen Dienstes für ihre treue und aufopferungsvolle Arbeit im zurückliegenden Jahrzehnt des Aufbaues zu danken, und ich möchte es nicht unterlassen, das hier im Namen der Bundesregierung zu tun.
({21})
Die Bundesregierung erwartet von den Angehörigen ihrer Verwaltung, daß sie weiterhin ihre Pflichten gewissenhaft und uneigennützig erfüllen werden. Die Beamten, Richter, Soldaten, Angestellten und Arbeiter des Bundes dürfen auf der anderen Seite des Schutzes und der Fürsorge der Bundesregierung auch in Zukunft gewiß sein.
({22})
Wird eine Aussprache über die Antwort gewünscht? - Das ist der Fall. Der Wunsch wird auch genügend unterstützt. - Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Frage der Großen Anfrage der SPD zu den Korruptionsfällen in der Bundesverwaltung hat zunächst nur die Straffälligkeit einzelner Angehöriger der Bundesverwaltung zum Gegenstand. Liest man diese Frage genau, so stellt man fest, daß sich das Wörtchen „vielfach" nur auf die einzelnen straffällig gewordenen Angehörigen unserer Bundesverwaltung bezieht.
Die Frage behauptet nach ihrem Wortlaut nicht mehr, als daß bei vielen dieser einzelnen straffällig Gewordenen die Vorstellung bestanden habe, gewisse Gebräuche aus dem Wirtschaftsleben seien auch im öffentlichen Dienst erlaubt. Aber in der geschickten Formulierung des Satzes bringt es das Wörtchen „vielfach" durch seinen starken Gegensatz zu den „einzelnen" fertig, daß bei dem weniger sorgfältigen Leser unvermeidbar der Eindruck erweckt wird, diese einzelnen Angehörigen der Bundesverwaltung seien nur deswegen straffällig geworden, weil in der Allgemeinheit unserer Bundesverwaltungen die Vorstellung verbreitet sei, daß gewisse Gebräuche des Wirtschaftslebens auch im öffentlichen Dienst erlaubt seien, und in der Straffälligkeit dieser einzelnen Verwaltungsangehörigen trete eben diese verbreitete Vorstellung zutage. Was soll auch die Straffälligkeit einzelner Verwaltungsangehöriger - die zu allen Zeiten vorgekommen ist und immer vorkommen wird - als Gegenstand einer Großen Anfrage, wenn damit nicht ein Politikum geltend gemacht werden soll, daß diese Fälle bedenkliche Anzeichen dafür seien, daß unsere Bundesverwaltung, unser öffentlicher Dienst auf dem Wege sei, sich von den alten Tugenden der Unbestechlichkeit, der Pflichttreue, des uneigennüt4188
zigen Dienstes zum allgemeinen Wohle zu entfernen und für Gefälligkeiten gefällig, für Geschenke und andere Vorteile zu Gegendiensten bereit zu sein?
Ich will mich jetzt nicht damit befassen, ob es im Wirtschaftsleben gewisse Gebräuche gibt, die auf dem Boden des zivilrechtlichen Verkehrs noch angemessen oder schon anstößig, im Verkehr mit den Bundesverwaltungen und den Angehörigen dieser Verwaltungen aber untragbar sind. Wir wissen alle, was damit gemeint ist. Aber, meine Damen und Herren, die Vorstellung, daß diese gewissen Gebräuche des Wirtschaftslebens auch im öffentlichen Dienst erlaubt seien, besteht nicht. Sie besteht weder bei den Angehörigen der Bundesverwaltung noch im öffentlichen Dienst unserer Gemeinden, unserer Länder und unserer anderen öffentlichen Dienstherren. Wer aus diesem Kreise straffällig wird, der weiß genau, was er an Verbotenem tut, und ich möchte den Richter sehen, der ihn mit der Entschuldigung hören würde, er habe eben gewisse Gebräuche des Wirtschaftslebens auch in seiner dienstlichen Tätigkeit für erlaubt gehalten.
Im Anschluß an die erste Frage zielt dann die zweite Frage auf die Verantwortung der Bundesregierung für die Sauberkeit unserer Bundesverwaltungen. Die Bundesregierung hat uns mitgeteilt, daß sie nicht nur im Jahre 1951 in einer besonderen Aktion auf das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken hinweisen ließ. Jeder, der in den Bundesdienst eintritt, wird, wie das auch bei den Ländern und Gemeinden der Fall ist, über dieses Verbot ausdrücklich belehrt. Außerdem bemühen sich die Bundesregierung und ihre nachgeordneten Dienststellen und Behörden, durch eine Auslese jeden vom Bundesdienst fernzuhalten, der nach den Umständen seiner Vergangenheit keine Gewähr für zukünftige Zuverlässigkeit bietet.
Weiterhin können wir feststellen, daß in allen Fällen erfaßbarer Korruption die Justiz ihren freien Lauf nimmt. Sie können dessen sicher sein, daß Staatsanwälte und Richter bei Delikten dieser Art zu besonderer Strenge geneigt sind.
Wenn unsere heutige Aussprache dazu geeignet ist, Staatsanwälte und Richter in ihrer Strenge zu bekräftigen, so ist das nur zu begrüßen. Die Bundesregierung betrachtet es als selbstverständlich, solchen Verfahren jede mögliche Unterstützung zu leisten. Damit hat aber die Bundesregierung alles getan, was sie prophylaktisch gegen die Ausbreitung von Korruption im Bundesdienst tun kann und nach den gegebenen Verhältnissen überhaupt zu tun veranlaßt ist.
Ich habe schon gesagt, daß man die Wirkung einer Belehrung nicht überschätzen darf. Was verboten ist, ist im öffentlichen Dienst bekannt. Der Angehörige der öffentlichen Verwaltung weiß auch, daß er sich nicht nur an eine strenge Gesetzmäßigkeit halten muß, sondern daß er durch sein Amt verpflichtet ist, auch den bösen Schein zu vermeiden. Auch der öffentliche Dienst kennt natürlich Überwachung, Rechnungslegung und andere Sicherungen gegen persönliche Unzulänglichkeit. Aber die Natur der Sache bringt es mit sich, daß mit solchen Maßnahmen Bestechung und Korruption kaum von vornherein zu verhüten sind; denn die Versuchung tritt an den einzelnen in einer weise und aux Wegen heran, die von den vorgesetzten meist nicht beobachtet werden konnen. Im Gegenteu, ein standig und im Übermaß bekundetes Min trauen mußte den einzig wirksamen Schutz gegen Korruption zerstoren, der noch immer in unserem oruentichen Dienst obwaitet, namlich die persönliche Lauterkeit und Anstandigkeit des einzelnen. Denn nicht die Straidronungen der §§ 331, und 334 unseres Strargesetzbuchs sind es, die die Sauberkeit unseres offentlichen Dienstes gewahrleisten, sondern es Ist aas Ehrgeruhl des einzelnen, der stolz daraur ist, das Vertrauen zu rechtrertigen, das auf ihm ruht, der ohne Überwachung seine Pflicht tun und im Alter einmal aux ein sauberes Leben im Dienste der Allgemeinheit zuruckschauen will.
Menschliches Versagen kommt natürlich auch unter den Angehorigen des ortentlichen Dienstes des Bundes, der Lander und Gemeinden und aller anderen öffentlichen Dienstherren der Bundesrepublik vor. Bei 680 000 Angehörigen der Bundesverwaltungen und 960 000 Angehörigen der Länder- und Gemeindeverwaltungen waren es keine irdischen und menschlichen Verhältnisse mehr, wenn dem trotz sorgtäitigster Auslese nicht so wäre.
Ohne Rücksicht auf die politische Ausrichtung der Spitze kann jedem öffentlichen Dienstherrn das Unglück widerfahren, daß sich der eine oder andere aus seinem Personalbestand einer Versuchung zur Korruption nicht gewachsen zeigt. Ein solcher Fall wird nicht als Nachlässigkeit und als Schuld des Dienstherrn angesehen, sondern als ein Unglück, das ihm widerfahrt, wenn der Untergebene, dem er vertraut hat und dem er vertrauen muß, dieses Vertrauen enttäuscht. Man geht deshalb auch ganz fehl, die Bundesregierung oder einzelne ihrer Mitglieder für Fälle verantwortlich zu machen und, zu beschuldigen, die sich im Rahmen der Bundesverwaltung ereignet haben.
Die mitgeteilten Zahlen beweisen aber eindeutig, daß kein Grund zur Sorge um die Sauberkeit unseres öffentlichen Dienstes besteht. Im Gegenteil, erinnern wir uns, daß die Notjahre nach dem Kriege geradezu dazu aufforderten, alles zur Erhaltung der nackten Existenz einzusetzen, was man an begehrenswerten Vorteilen zur Verfügung hatte. Begehrenswerte Vorteile waren auch damals nicht nur Sachwerte, sondern die Handhabung der Staatsgewalt mit Bewilligungen, Erlaubnissen und Zuteilungen. Damals konnte die Gefahr bestehen, daß sich in unseren öffentlichen Diensten eine Lockerung der Auffassungen von Unbestechlichkeit und Pflichttreue ausbreitete und für die Zukunft verwurzelte. Aber unsere öffentlichen Dienste haben diese Zeiten überstanden. Sie haben zudem eine große Zahl neuer, nicht erprobter Kräfte in sich aufnehmen können, ohne an ihrer Integrität Schaden zu nehmen.
Wir dürfen ferner nicht vergessen, daß auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes die Lust an der Steigerung ihres Lebensstandards spüren. Auch für sie sind Fernsehapparate, Kraftwagen und ein eigenes Haus begehrenswerte Dinge.
Bedenken wir weiter, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die Beamten und Angestellten der Verwaltungen, nicht mehr mit der Autorität und mit der Unnahbarkeit früherer Zeiten umgeben sind. Das gilt gerade auch für die Beamten und Angestellten mit höheren Funktionen. Bedenken wir weiter, daß ihre Tätigkeit bei vielen Behörden sie heute in eine enge und ständige Beziehung zur Wirtschaft bringt, wo viele Firmen in einem heftigen Wettstreit miteinander stehen. Das Publikum tritt auch den Angehörigen der Verwaltung heute viel ungenierter und ungehemmter gegenüber.
Wir müssen leider feststellen, daß viele Menschen unseres Volkes tatsächlich der Meinung sind, mit Geld, mit Geschenken, mit Beziehungen sei heutzutage alles zu erreichen und die Angehörigen der Verwaltung - und nicht nur sie, sondern alle öffentlichen Funktionäre - seien im Grunde bestechlich; wenn jemand seinen Willen nicht erreicht, dann eben deswegen, weil der Gegeninteressent mehr geboten habe oder weil er bessere Beziehungen habe einsetzen können. Damit müssen auch die Versuchungen viel häufiger als früher an die Angehörigen unseres öffentlichen Dienstes herantreten. Dennoch zeigen uns die Zahlen klar und zweifelsfrei, daß sich unser Staatsapparat in Bund, Ländern und Gemeinden sauber und gesund erhalten hat.
Ich will damit nicht die Fälle bagatellisieren, die sich tatsächlich ereignet haben. Aber diese Fälle sind nicht geeignet, einen Schatten auf die Ehrlichkeit und Lauterkeit der Hunderttausende von Beamten und anderen Angehörigen unserer öffentlichen Verwaltung zu werfen, die noch nicht einmal eine Zigarette annehmen, um ihre Unbefangenheit zu erhalten, und die ihren Dienst nach wie vor einwandfrei versehen. Ich muß auch sagen, daß Herr Kollege Schmitt in seinen weiteren Ausführungen dem widersprochen hat, was er eingangs als seine eigene Meinung und die des Herrn Kollegen Ollenhauer zur Sauberkeit unseres Beamtenapparats und unseres öffentlichen Dienstes geäußert hat.
Ich möchte deshalb sagen, daß die Große Anfrage der SPD verdienstvoll sein kann, weil sie dem Hohen Hause Gelegenheit gibt, die Tatsache der unerschütterten Lauterkeit unseres öffentlichen Dienstes ins Licht zu rücken und der beginnenden Korruptionspsychose mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Die Entwicklung der Nachrichtenmittel läßt heute ,die Kunde vom einzelnen Korruptionsfall weiteste Kreise ziehen und bis ins letzte Dorf dringen. Bei der bekannten Unlust gegenüber dem Staat und gegenüber aller öffentlichen Tätigkeit werden solche Nachrichten gern aufgenommen und mit Ingrimm gelesen; aus dem einzelnen Fall wird ein Urteil über die Gesamtheit des öffentlichen Dienstes abgeleitet. Wirklich verdienstvoll wäre die Große Anfrage der SPD dann, wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mit uns klar, unmißverständlich und vorbehaltlos darin übereinstimmten, daß wir einen sauberen, unbestechlichen Staatsapparat wollen, daß wir für jeden, der das Vertrauen des Staates enttäuscht, eine strenge Bestrafung wünschen, daß wir aber einen in seiner
Zuverlässigkeit unerschütterten, sauberen Staatsapparat besitzen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Debatte ist besonders erfreulich, daß bereits der Herr Kollege Schmitt ({0}), der die Große Anfrage begründet hat, es sich verkniffen hat, eine Chronique scandaleuse der letzten paar Jahre vorzuführen. Er hat mit Recht die Frage nach der tieferen Ursache dafür gestellt, daß es heute mehr Korruption gibt, oder besser gesagt, daß heute mehr Versuche gemacht werden, Staatsdiener zu korrumpieren. Woher kommt das? Es kommt wohl zu einem beträchtlichen Teil daher, daß der Beamte heute nicht nur ein Staatsdiener ist, der Gebote ausspricht oder die Einhaltung von Verboten überwacht. Viele Beamte haben heute Leistungen zu gewähren, Zuschüsse, zinsverbilligte Darlehen zu bewilligen, Aufträge zu vergeben. Es gibt andere Beamte, die die Gewährung von Leistungen zumindest zu befürworten oder von der Gewährung abzuraten haben. Daraus ergibt sich die Folgerung: Je mehr der Staat dirigistisch in die Wirtschaft eingreift, um so mehr haben wir mit Versuchen aus der Wirtschaft zu rechnen, Mitglieder der Beamtenschaft zu korrumpieren. Demnach ist die Behauptung berechtigt, daß eine liberale Wirtschaftspolitik der beste Selbstschutz gegen Versuche ist, die Beamtenschaft zu korrumpieren.
Wir haben die zweite Tatsache festzustellen, daß der Angriffspunkt der Korruption in Bonn eher die Beamten der Bundesverwaltung, weniger die Mitglieder dieses Hohen Hauses sind, obwohl - sehr theoretisch gedacht - die Mitglieder dieses Hohen Hauses viel eher in Versuchung sind, da sie ja nicht die Hemmung haben, die der Beamte hat, weil bei diesem die Bestechung strafrechtlich geahndet wird.
Woher kommt das? Erstens ist unsere Gesetzgebung heute so kompliziert, daß jemand, der auf sie Einfluß nehmen will, bereits zu drei Vierteln zum Ziel gekommen ist, wenn er seine Wünsche im Gesetzentwurf geschrieben sieht. Zweitens aber haben die Herren Lobbyisten - hier meine ich nur diejenigen Lobbyisten, die ihre Tätigkeit nach den Regeln des „catch as catch can" ohne jede moralische Hemmungen betreiben - durchaus bemerkt, welche Stellung der jetzige Chef der Bundesregierung dem Parlament zudenkt. Wer das Parlament als bloße Akklamationsmaschinerie ansieht,
({1})
als ein Gremium, das von der Verwaltung vorbereiteten Regierungsbeschlüssen zuzustimmen hat, der muß als Folge in Kauf nehmen, daß die Beamten, die diese Regierungsbeschlüsse vorzubereiten haben, ganz besonders von Leuten angegangen wer4190
den, die unlautere Absichten mit Hilfe von Bestechung durchsetzen wollen.
({2})
- Meine Damen und Herren, das ist eine Frage, die wir vielleicht nicht hier, aber einmal im stillen Kämmerlein etwas durchdenken sollten. Es ist eine Frage, bei der wir uns vielleicht ein wenig tastend vorbewegen, aber sie ist eine Frage, über die wir nachdenken und bei der wir nicht gleich in der ersten Sekunde recht heftig reagieren sollten. Gehen wir hier bitte nach dem Leitsatz „Immer langsam voran!", und überlegen wir uns die Sache zuerst einmal!
Das Problem der Korruption ist alt, und wir sind nicht am Ende einer Entwicklung. Wir werden Gelegenheit haben, uns in den nächsten 3, 5, 10 oder 20 Jahren immer noch Gedanken über die Korruption zu machen.
({3})
- Danke schön. Ich hoffe, daß das im ganzen Hause eingesehen wird. Ich bin eigentlich vor mir selber etwas peinlich berührt, daß ich auf Grund dieses Zwischenrufs gezwungen war, eine solche Binsenwahrheit vor diesem Hause auszusprechen.
({4})
Der Herr Minister hat das Wort „Korruptionspsychose" verwendet. Ich glaube, wir sollten hier nicht zustimmen.
({5})
Die Korruptionsvorfälle sind nur von denjenigen Kreisen, die aus Vorgängen in einem auswärtigen Staat etwa in den Spalten ihrer Zeitung eine Soraya-Psychose gemacht haben, in einer Form behandelt worden, die das Beiwort „psychotisch" verdient.
({6})
Wenn man vor einer heute mit gewisser Naturnotwendigkeit größer werdenden Gefahr warnt, ist das keinesfalls eine Psychose.
Aber, ich glaube, dieser Gefahr kann man nicht durch Hinweise auf die Statistik entgegentreten. In Versuchung geführt wird nämlich nur ein sehr geringer Prozentsatz der Beamten, nämlich diejenigen, welche Leistungen zu gewähren haben. Das ergibt sich aus der Statistik, die der Herr Minister selber vorgelesen hat, aus dem einfachen Grunde: weil die Justiz nichts auszugeben hat, versucht man auch nicht, sie zu korrumpieren. Deshalb ist im Bereich des Justizministeriums ebensowenig ein Korruptionsfall bekanntgeworden wie beim Bundesrechnungshof, der sich in derselben Situation befindet.
({7})
- Verzeihen Sie, Herr Kollege Kramel, wir reden hier von der Bundesverwaltung.
({8})
- Das Justizministerium ist hier gemeint, das eine völlig weiße Weste aufweist. Daß die Unbestechlichkeit unserer Richter außer jedem Zweifel steht und in der Bundesrepublik allgemein bekannt ist, brauche ich beileibe nicht zu unterstreichen. Das hat Herr Kollege Schlee mit hinreichender Deutlichkeit getan, und ich stimme ihm voll zu.
Aber was den Begriff der Korruption angeht, kann ich mit dem Herrn Minister nicht völlig einig gehen. Korruption ist nicht gleich dem strafrechtlichen Tatbestand der Bestechung. Wenn es so wäre, brauchten wir eigentlich keine parlamentarische Behandlung. Dann wäre es lediglich eine Frage, die hauptsächlich die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften betreffen würde. Nach meiner Meinung ist für den Begriff der Korruption ein enger Zusammenhang zwischen Leistung und Amtshandlung nicht erforderlich.
Lassen Sie mich das ganz kurz an einem Beispiel klarmachen! Wer versucht, sich das ganz besondere Wohlwollen eines Beamten zu erwerben, weil er bei dem Arbeitsgebiet dieses Beamten damit rechnen muß, daß man ihn irgendeinmal, vielleicht in einem oder zwei Jahren, braucht, der begeht meines Erachtens eine vorsorgliche Korruption - wenn ich diesen, strafrechtlich selbstverständlich untechnischen Begriff einmal gebrauchen darf - und verdient keineswegs die Billigung seiner Mitwelt.
Die Korruption ist kein Problem des Strafrechts. Sie ist eine Frage der Gesinnung und eine Frage des politischen Stils. Weil sich Gesinnungsfragen weitgehend der statistischen Nachprüfung entziehen, bedaure ich, daß der Herr Bundesminister des Innern gar zu viel Zeit auf statistische Probleme verwendet hat.
Wir sind der Meinung, daß der alte Begriff des decorum officiale nicht nur in die Lehrbücher der Rechtsgeschichte gehört. Was vom Beamten als Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verlangt wird, ist mehr als das ethische Minimum, mit anderen Worten: mehr als die Vermeidung strafbarer Handlungen. Der Beamte hat alles zu vermeiden, was den Anschein geminderter Objektivität und Unparteilichkeit erwecken kann. Das ist sehr viel. Ich erinnere nur daran, daß ein hohes Gericht entschieden hat, bei einer Prozeßpartei könne Besorgnis der Befangenheit dann vorliegen, wenn der Richter mit dem Gegenanwalt in dessen Auto zu einem Augenscheintermin fahre.
Der allergrößte Teil der Beamten ist diesen sehr hohen Anforderungen gerecht geworden. Ich möchte hier keinen Wettbewerb in besonderer Beamtenfreundlichkeit veranstalten und verkneife es mir deshalb, mit Pathos zu behaupten, daß nicht nur 99 %, sondern 99,9% der Beamten anständig seien. Der allergrößte Teil der Beamten ist den Anforderungen gerecht geworden.
Ich glaube, hier ist durchaus der Ort, darauf hinzuweisen, daß die Berufsbeamten hohes Lob verdient haben, die Berufsbeamten, denen nicht alle politischen Gruppen in früherer Zeit so bejahend gegenübergestanden sind, wie wir Freien Demokraten es stets waren. Diese Beamten verdienen
Dank und Anerkennung. Mit ihrer Mithilfe wollen wir alle zusammen versuchen, den Korruptionsproblemen zu Leibe zu gehen, die heute noch ungelöst sind.
Man sage nun aber auf Grund der Statistik nicht, einzelne Korruptionsfälle seien unwichtig. Es ist auch keine Entschuldigung, wenn man sagt, Korruption habe es schon in der Antike gegeben, ebenso wie man etwa sagt, auch Halbstarke habe es schon in der Antike gegeben. Mit jedem einzelnen Korruptionsfall, der bekannt wird, wird das Vertrauen von ein paar Bürgern, insbesondere von ein paar jungen Menschen zum demokratischen Staat gefährdet und ein wenig erschüttert. Denn gerade die jungen Menschen schauen diesen Staat so an, daß ihnen manches als wesentlich auffällt, was uns beileibe nicht als wesentlich erscheint. Ihnen erscheinen bei oberflächlicher Betrachtung diese Korruptionsfälle als etwas Wesentliches. Jeder einzelne Korruptionsfall ist ein Stolperstein auf dem Wege zum Vertrauen eines jungen Menschen zur Demokratie. Es ist eine Frage der Optik, aber man sollte sie nicht unwichtig nehmen. Sie wird von jungen Menschen für so wichtig genommen wie die Tatsache, daß der Plenarsaal dieses Hohen Hauses an manchen Tagen bei wichtigen Fragen nur knapp halb gefüllt ist. Alten Parlamentshasen scheint das nicht so wichtig zu sein, aber für junge Menschen, die zum erstenmal auf der Tribüne dieses Hauses sitzen, wirkt es erschütternd. Ich hoffe, daß ich mit diesem Vergleich das, was ich sagen wollte, klargemacht habe.
Die Bekämpfung der Korruption ist letzten Endes eine Frage des Vorbildes. Wir alle wollen versuchen, dieser Anforderung gerecht zu werden.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen zu der Antwort des Herrn Bundesinnenministers auf unsere Große Anfrage. Zunächst muß ich das unterstreichen, was der Kollege Dürr schon zutreffend gesagt hat: es ist eine schlechte Sache, die Auseinandersetzung um die Frage der Korruption, die nun einmal tatsächlich und bedauerlicherweise in erheblichem Maße aufgetreten ist, damit abzuwehren, daß man von einer Korruptionspsychose spricht. Herr Minister, da läßt sich der Eindruck leider nicht vermeiden, daß hier der Versuch gemacht wird, die gesamte öffentliche Kritik, die dankenswerterweise in den letzten Monaten und Jahren hochgekommen ist und die notwendigerweise hochkommen mußte, so zu diffamieren, daß es in Zukunft eher als anrüchig angesehen wird, über diese Dinge in der Öffentlichkeit zu sprechen, aus Furcht davor, daß man eine Psychose erzeugen könne, als dazu etwas zu sagen.
({0}) Wir sollten es uns nicht ganz so einfach machen, weder damit, daß wir solche Worte und Begriffe als Maßstäbe in die Diskussion einführen, noch dadurch, daß wir - wie es der Herr Innenminister mit einem zwar sehr hübschen Trick gemacht hat, ohne allerdings der Sache gerecht zu werden - in großem Umfange mit Statistiken arbeiten. Ich will nicht die berühmten Geschichten wiedergeben, die es über die Statistik gibt, Herr Minister. Aber ganz so einfach sind die Dinge doch nicht. Niemand denkt daran - ich glaube, der Kollege Schmitt ({1}) hat das in ,der Begründung der Großen Anfrage eindeutig zu erkennen gegeben -, etwa den Tausenden von Beamten der Post- oder Bahnverwaltung Vorwürfe zu machen und in pauschaler Form etwas gegen die Beamten schlechthin zu sagen. Im Gegenteil, es ist schon in der Begründung eindeutig gesagt worden, daß an der Zuverlässigkeit, an der Sauberkeit der Haltung des größten Teiles der Beamten nicht gerüttelt werden kann und daß deshalb diese Debatte sich mit dieser Frage eigentlich gar nicht mehr beschäftigen sollte.
Aber da, meine ich, liegt doch ein gewisses Maß an intellektueller Unredlichkeit, Herr Minister: Sie wissen doch ganz genau, daß es in diesem Zusammenhang ,gewisse Schwerpunkte gibt und daß wir hier davon reden und reden müssen, daß beispielsweise in gewissen Ministerialverwaltungen, etwa in der Bundeswehrverwaltung, im Bundesbeschaffungsamt, in besonders gehäuftem Maße Korruptionsfälle aufgetreten sind, die doch im Grunde die ganze öffentliche Diskussion erst in Gang gebracht haben. Damit - das wäre jedenfalls erfreulicher und, wie ich meine, aufrichtiger gewesen - hätten Sie sich hier etwas eingehender beschäftigen sollen, und Sie hätten nicht mit dem Hinweis auf die sinkenden Zahlen der Statistik den Versuch machen sollen, die Dinge derart zu verniedlichen, wie es geschehen ist. Damit wird vom eigentlichen Thema abgelenkt und der Versuch gemacht, der echten Auseinandersetzung auszuweichen.
Aber wenn Sie schon, Herr Minister, in diesem Zusammenhang so sehr viel Statistik gebraucht haben, dann wäre es eigentlich ganz gut gewesen - und auch das wäre ein sehr interessanter Maßstab -, einmal zu hören, wieviel Staatsanwälte in der Bonner Staatsanwaltschaft eigentlich zur Zeit mit dem Dezernat „Korruption in Bundesverwaltungen" beschäftigt sind und wieviel mehr es gegenüber früheren Jahren geworden sind.
({2})
Vielleicht kann uns der Herr Minister noch die Antwort auf diese Frage geben. Daran wäre deutlich geworden, daß mit seinen Versuchen, hier mit der Statistik schlechthin zu arbeiten und die Dinge etwas zu egalisieren, doch der Sache nicht Genüge getan wird.
Im übrigen läßt sich der Eindruck nicht vermeiden, daß in manchen Fragen doch ein etwas erschreckend großes Maß von Großzügigkeit auch in der Beurteilung durch die Bundesregierung vorhanden ist, Wenn wir von der Möglichkeit hören, daß im Einzelfalle auch solche Geschenke, die aus Gründen der Höflichkeit oder des Anstandes nicht zurückgewie4192
Jahn ({3})
sen werden können, dem betreffenden Beamten verbleiben, dann wird da ein Punkt sichtbar, an dem nachher sehr schwer zu messen ist, wo mit diesem Ermessen nicht auch noch Mißbrauch getrieben werden kann. Tatsächlich sollte hier richtigerweise doch ein klarer Maßstab angelegt und grundsätzlich gesagt werden: Wenn Geschenke, die nicht zurückgewiesen werden können, von den einzelnen Beamten entgegengenommen werden, sind sie in jedem Fall an irgendwelche karitative oder ähnliche Organisationen abzuführen. Es sollte bei solchen Geschenken, die auch nur die Möglichkeit des Anscheins eines falschen Verdachts offenlassen, keinen Ermessensspielraum für die vorgesetzte Behörde geben. Es wäre besser, wenn wir hier ganz klare Grundsätze, ganz eindeutige Feststellungen und Bindungen auch für die Behördenleiter hätten, damit die Grenzen nicht allzu fließend werden.
Dafür, wie wichtig das werden kann, möchte ich eigentlich nur in einem Punkt etwas sagen. Bekanntlich werden ja beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Aufrüstung in den letzten Monaten und Jahren im großen Umfange Geschäfte mit dem befreundeten Ausland abgeschlossen. Wir wissen, daß es dort vielfach üblich ist, anläßlich solcher Geschäftsabschlüsse teilweise sehr erhebliche Geschenke, die über einen geringen Geldeswert weit hinausgehen, zu machen. Wie ist es denn mit Geschenken, die aus solchen Anlässen gemacht werden und die sicherlich - darüber besteht kein Zweifel - nicht zurückgewiesen werden können, einfach weil es der Anstand, die Höflichkeit verbieten? Diese Geschenke werden in die Bundesrepublik mitgebracht, und es wäre sicherlich ganz interessant, einmal zu hören, wie in solchen Fällen, die sicher nicht vereinzelt dastehen, verfahren wird und was seitens der Bundesregierung an Grundsätzen für solche Fälle vorgesehen ist.
Über diese Dinge sollten wir auch ganz offen sprechen. Das gehört nun einmal zu der Entwicklung der letzten Jahre, aber auch zu den Schwierigkeiten, die damit aufgetaucht sind, und darüber sollten wir nicht einfach elegant hinwegrutschen. Ich glaube, wenn wir hier mehr darüber gehört hätten, daß es auch seitens der Bundesregierung für notwendig erachtet wird, nicht allzuviel Ermessensspielraum zu lassen, sondern möglichst strenge und enge Maßstäbe anzulegen, dann hätte der Herr Bundesminister zum Schluß seiner Ausführungen nicht mit so starker Betonung etwas zu sagen brauchen, was eigentlich selbstverständlich ist und was nicht noch einmal hier gesagt werden sollte: daß es selbstverständlich zu den Pflichten der Regierung gehört, auch weiterhin für die Beamten zu sorgen und zu ihnen zu stehen und ihnen alle Fürsorge des Staates angedeihen zu lassen.
({4})
Das ist etwas so Selbstverständliches, daß man darüber nicht nur nicht diskutieren sollte, sondern daß es gerade in dieser Debatte nicht gesagt werden sollte, damit nicht unter Umständen daraus sogar noch ein falscher, gar gegenteiliger Verdacht hergeleitet wird.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem, was die Herren Vorredner ausgeführt haben, möchte ich doch gern noch etwas ins Detail gehen.
Herr Kollege Jahn, wenn Sie jetzt auch noch mich in die Liste der Beschuldigten bringen, indem Sie hier von intellektueller Unredlichkeit sprechen, dann geht das doch ein bißchen über das hinaus, was man noch als scherzhaft bezeichnen kann. Aber ich glaube, Sie haben das nicht so gemeint.
({0})
- Nun, ich kann in der Sache etwas ernsthafter werden, wenn Sie wollen.
Nachdem ich eine so detaillierte Übersicht gegeben habe, ist es, glaube ich, wohl nicht die richtige Würdigung dieses Opus, es als intellektuell unredlich hinzustellen. Ich glaube, bei näherem Nachdenken werden Sie mir recht geben.
({1})
- Herr Schmitt, Sie liefern mir das Stichwort. Wie soll ich es eigentlich machen, wenn ich über Verfahren Auskunft geben soll? Ich kann es doch nur so machen, daß ich die Verfahren zusammenzähle und sie dann in entsprechende Relationen bringe. Sie können nicht sagen, daß ich Sie, wie es bei der sowjetischen Statistik der Fall ist, nur mit Prozentzahlen bedient hätte, da ich Ihnen doch die exakten Zahlen gegeben habe. Ich bin sogar so weit gegangen und habe die Zahlen für jedes Ressort, für jeden Geschäftsbereich aufgeschlüsselt. Ich bin gern bereit, das zu wiederholen. Im Protokoll werden Sie es auch finden. Ich habe eine Übersicht gegeben, an der man nicht einfach vorbeigehen kann.
Sie haben gesagt, ich hätte die Schwerpunkte weggelassen. Ich habe die Schwerpunkte gar nicht weggelassen. Wenn Sie die von mir genannten Zahlen ansehen, werden Sie z. B. feststellen, daß 70 % der Fälle auf den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen entfallen. Er ist leider heute nicht da, sonst würde er uns vielleicht erklären, warum das gerade bei seinem Amt so ist.
({2})
- Es ist gleichgültig, womit das zusammenhängt. Die Gesamtzahl war 60 Fälle, 20 einfache und 40 schwere; davon entfielen 70 % auf dieses Ressort.
({3})
- Herr Kollege Ritzel, ich bin überzeugt, der Bundesfinanzminister wird entzückt davon sein, daß Sie sich so für die Verteidigung seines Ressorts einsetzen. Ich sage hier aber nicht etwas Ungerechtfertigtes. Ich bin angegriffen worden, daß ich nicht
Bundesinnenminister Dr. Schröder
gezeigt hätte, wo die Schwerpunkte lägen. Ich sage nochmals: ich habe sie gezeigt. Es sind 60 Fälle, und ich habe genau dargelegt, wo diese 60 Fälle vorgekommen sind.
Ich gehe noch einen Schritt weiter und greife einen anderen Schwerpunkt heraus, nämlich das Beschaffungsamt in Koblenz. Ich bitte Sie, einmal diesen Zahlen zu folgen. Seit zwei Jahren ist darüber nämlich sehr viel Falsches, Mißverständliches und Übertreibendes veröffentlicht worden. Ich gebe Ihnen auch hier die genauen Zahlen. Gegen Angehörige dieses Koblenzer Amtes sind insgesamt 84 Verfahren eingeleitet worden.Davon sind bereits 44 Verfahren eingestellt worden. Freigesprochen sind 2 Angeklagte. Unerledigte Anklagen gibt es noch 4. Verurteilungen gibt es 16, also 16 von 84 Verfahren. Dabei ist die Höchststrafe, die dort ausgeworfen worden ist, 1 Jahr und 7 Monate Zuchthaus. In all diesen Verfahren sind insgesamt 2 Zuchthausstrafen, 12 Gefängnisstrafen und 2 Geldstrafen verhängt worden. Von den hiernach noch verbleibenden 18 Verfahren werden, wie man mir hier sagt - das kann ich nur berichten - mit Sicherheit 15 eingestellt. Das ist dieser „Riesenkomplex"!
Und nun Bonn! Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte 101 Verfahren eingeleitet - das bezieht sich wieder auf denselben Sektor - gegen Angehörige der Bundeswehr, und zwar verschiedener Dienststellen. Von diesen 101 Verfahren sind bereits 53 durch Einstellung erledigt. Wegen Bestechung sind 2 angeklagt worden, zunächst nur angeklagt. Der überwiegende Teil der noch offenen Verfahren wird nach mündlicher Auskunft der Staatsanwaltschaft ebenfalls eingestellt; das kann ich nur mit allem Vorbehalt wiedergeben.
Meine Damen und Herren, das sind doch Zahlen, an denen man nicht vorbeigehen kann. Und dann wird gesagt: das ist Statistik; wir haben aber die schönen Überschriften in der Erinnerung! - Es handelt sich nicht um die schönen Überschriften, sondern es handelt sich um die Tatsachen! Ich spreche hier über die Tatsachen, und ich bringe sie im übrigen in einen korrekten statistischen Vergleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und mit der deutschen Geschichte, mindestens zwischen Weimar und heute. Kann man etwas Korrekteres tun? Ich verstehe wirklich nicht, daß Sie den Mut haben, so etwas als „intellektuell unredlich" hinzustellen. Ich finde es sehr redlich und außerdem auch durchaus intellektuell genug.
({4})
- Das ist es ja offenbar, was hier streitig ist.
Zum Vergleich will ich jetzt mal mit aller Diskretion, weil es sich hier nicht um Bundesbedienstete handelt, Verfahren gegen Angehörige anderer Behörden nennen. Ein Regierungsbaurat im Lande Nordrhein-Westfalen erhielt im Mai 1958 eine Zuchthausstrafe von 4 Jahren. Die Bestechungssumme betrug 300 000 DM. Ich setze das in Vergleich zu den Koblenzer Verfahren, in denen, obwohl doch das angeblich alles so furchtbar viel schlimmer war, die Höchststrafe 1 Jahr und 7 Monate Zuchthaus war. Ein Regierungsbauoberinspektor aus Donaueschingen - also etwas südlicher im Vaterland - erhielt 4 Jahre Zuchthaus; die Bestechungssumme betrug 130 000 DM. Bei einem Amt für Verteidigungslasten - lassen wir mal offen, wo dieses Amt ist - bekam der Betreffende 5 Jahre Zuchthaus; die Bestechungssumme betrug 123 000 DM, der Steuergeldschaden etwa 2,5 Millionen DM. Dagegen ist die höchste Bestechungssumme bei Angehörigen des Verteidigungsressorts bisher ca. 16 000 DM gewesen.
Ich gebe das aus den Unterlagen bekannt, weil man doch, wenn man ein Urteil und sogar ein „vernichtendes" Urteil über die Bundesbehörden gewinnen will, wirklich nicht an den Tatsachen vorbeireden oder sich vorbeiwünschen kann; das letztere nehme ich von Ihnen gar nicht mal an; sondern diesen Tatsachen hat man sich zu stellen, und sie sind so, wie ich das gerade dargelegt habe.
Zwei Bemerkungen noch zu den Auführungen des Kollegen Schmitt ({5}). Er hat einen Gedankengang entwickelt, der vielleicht ein bißchen kompliziert ist; ich will versuchen, es mit meinen Worten wiederzugeben. Er meinte, wenn es Kreise der Wirtschaft gebe, die die politische Arbeit, die die politischen Parteien unterstützten, könnte dabei unter Umständen auch Geld in Privattaschen gelangen. Es ist sicher, Herr Kollege Schmitt ({6}), daß immer Geld in Privattaschen gelangen kann. Für die Abgeordneten, so ist gerade gesagt worden - das war ein Gedankengang des Kollegen Dürr -, komme das deswegen nicht in Frage, weil sie nicht einflußreich genug seien.
({7})
- Ja, der Kollege Dürr hat hier ausgeführt, man würde gar nicht den Versuch machen, Abgeordnete zu bestechen, sie seien nicht einflußreich genug. Dabei denke ich daran, daß sich das Strafgesetzbuch sehr wohl auch mit solchen Tatbeständen befaßt. Aber Sie können nicht verhindern, daß in private Taschen Geld fließt. Das hat jedoch, glaube ich, nichts mit dem Thema zu tun, mit dem wir uns hier befassen. Jedenfalls kann man, wenn für die Parteienfinanzierung Spenden aus der Wirtschaft kommen, das nicht mit Betrachtungen über Unterschlagungen bei irgendwelchen Privaten verbinden.
In diesem Zusammenhang - und deswegen greife ich das auf; es scheint mir eine etwas zu starke Übertreibung zu sein - haben Sie gesagt, das von mir demnächst vorzulegende Parteiengesetz verhindere die Sauberkeit auf diesem Gebiet.
({8})
- Das Parteiengesetz - ich sehe mal auf das Endergebnis - wird so aussehen, wie das Hohe Haus es eines Tages beschließen wird.
Ich bin überzeugt, daß das Problem heute nicht etwa ist: Wie schneidet man den Parteien Geldgellen, Spendenquellen ab? Das hat sich schon längst geändert. Das Problem heute ist: Wie kommen die Parteien - und dabei sehe ich nach rechts
Bundesinnenminister Dr. Schröder
und nach links gleichmäßig; auch in der Haut Ihres Bundesschatzmeisters möchte ich nicht stecken, wenn er Wahlkämpfe zu finanzieren hat; das ist hüben wie drüben dasselbe - heute überhaupt in die Lage, den gewaltigen Aufwand, den die moderne Werbung in unserer Zeit verlangt, aufzubringen? Das ist ein Problem, das viel wichtiger ist als die Frage, ob die Firma X nur an die CDU etwas gegeben hat oder an die CDU und an die SPD oder an die FDP, die DP oder wer immer es sein mag.
Im übrigen - um ganz offen zu sein - habe ich es damals für ein Gebot der Sauberkeit gehalten, daß man in das Steuergesetz die Bestimmung über Abzugsfähigkeit von Parteispenden aufnahm, weil das nämlich den Firmen die Möglichkeit gab, säuberlich auszuweisen, daß sie für die und die Partei diese und jene Leistung im öffentlichen Interesse erbracht hätten. Denn die Parteien können nicht nach ihren Geldquellen gemessen werden, sondern nach ihren politischen Taten, und die politischen Taten der Parteien - an denen man sie erkennen soll - liegen völlig klar vor aller Welt. Sie haben in der Tat große Sorgen, in der modernen Propagandaauseinandersetzung zu bestehen. Das sind die Tatsachen, und man sollte darüber nicht einen Schleier breiten. - Ich werde aber Gelegenheit haben, vor dem Hohen Haus über diese Tatbestände in einigen Monaten, denke ich, etwas ausführlicher zu sprechen.
Nun haben Sie an mich eine Frage gerichtet. Sie wollten wissen, ob die Benutzung von Leihwagen, sei es auch nur für zwei Tage, zulässig sei oder nicht. Herr Kollege Schmitt ({9}), Sie werden verstehen, daß ich mich nicht sozusagen von Amts wegen auf dieses Gebiet begeben möchte, solange ein Fall dieser Art gerichtsanhängig ist.
({10})
- Ja, wenn ich meine Meinung sagte, würde das dem Gericht vielleicht gar nicht gefallen, und vielleicht würde es auch Ihnen nicht gefallen. Es ist für mich also schwer, diese Sache jetzt zu behandeln. Denn es dient keinem guten Zweck, wenn wir einen Tatbestand, der bereits den Gerichten unterbreitet ist, ohne Not von uns aus würdigen. Ich bin gern bereit, meine Meinung darüber eines Tages ganz offen zu sagen.
Ich darf noch ein Wort an ,den Kollegen Dürr richten. Er macht es uns und auch der kommenden Diskussion etwas schwer, wenn er kurzerhand sagt: Nein, nein; Sie sagen zwar, Korruption sei gleich Bestechung. Ich aber sage: Korruption ist auch noch etwas ganz anderes. - Dann haben wir es schwer, uns in Zukunft zu verständigen. Zunächst ist Korruption ein ziemlich scheußliches Fremdwort. Wir sollten versuchen, ob wir die Tatbestände des Politischen oder genauer die Tatbestände des Gesellschaftlichen nicht auch in 'deutschen Ausdrücken klarlegen können.
Aber wir kommen nur weiter, wenn wir sorgfältig zwischen zwei Bereichen unterscheiden, dem Breich genehmigungsfähiger Geschenkannahme und dem Bereich strafbarer Handlungen. Ich würde vorschlagen, den letzten Bereich tatsächlich so zu nennen, wie ihn das Strafgesetzbuch nennt, nämlich Bestechung.
Der Begriff Korruption - und deswegen ist dieser Ausdruck in meinen Augen ein bißchen gefährlich; ich habe ja schon das Wort Korruptionspsychose gebraucht - führt leicht dazu, daß sich die Öffentlichkeit darunter nicht etwas sehr Konkretes vorstellt, sondern etwas, was schon dem Ausdruck nach mehr oder weniger verworfen sein muß. Mir scheint, die öffentliche Auseinandersetzung um Tatbestände wird dadurch nicht erleichtert, daß man sie in einen Begriff kleidet, der offenbar - denn Sie selbst haben ihn so aufgefaßt - mehr als schillernd ist. Ich schlage also vor, zu den Begriffen zurückzukehren, wie ich sie gerade auseinandergesetzt habe.
Mit den Einwänden gegen die Statistik habe ich mich bereits eingangs befaßt. Man muß, um ein Bild zu gewinnen, die Entwicklung der Kriminalitätsziffern auf diesem Gebiet kennen. Man darf aber, wie ichgerade dargelegt habe, die Entwicklung der Kriminalitätsziffern nicht auf die letzten Jahre beschränkt betrachten. Um einen richtigen Vergleich zu gewinnen, muß man natürlich auch 20, 30 Jahre weiter rückwärtsgehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich halb scherzhaft mit folgender Bemerkung schließen. Herr Kollege Jahn hat vorgeschlagen, grundsätzlich festzulegen: alles, was ein Beamter mit Zustimmung erlaubtermaßen annehmen kann, muß an karitative Stellen oder sonstwie abgeliefert werden. Ich glaube, hier gibt es viele Fälle, in denen der ideelle Wert eines Geschenkes höher ist als der materielle. In einem solchen Falle hat es die oberste Dienstbehörde sehr wohl in der Hand, der Annahme eines Geschenkes zuzustimmen. Ich bin jetzt beinahe sechs Jahre in dem Amt, das ich bekleide. Ich habe ein einziges Mal etwas bekommen. Ich habe gerade darüber nachgedacht, ob das wirklich „in bezug auf mein Amt" war. In der Tat war es in bezug auf mein Amt. Es war nämlich eine Flasche Wein, und zwar eine sehr gute Flasche Wein, um es gleichgenau zu beschreiben. Diese Flasche Wein habe ich von einem der Kabinettskollegen dafür bekommen, daß ich eine Sache geschlichtet hatte. Herr Kollege Jahn, es wäre doch nun sehr schade gewesen, wenn ich diese aus Kollegialität, aber in bezug auf mein Amt dargebotene Flasche karitativen Zwecken zugeführt hätte! Die Flasche Wein war leichter ausgetrunken als erst noch weiterbefördert!
Ich erwähne dieses eigene Beispiel als Beweis dafür, daß sicherlich dort, wo der materielle Wert beträchtlich, der ideelle Wert gering ist, sich die Weiterleitung an karitative Organisationen empfiehlt, daß man es aber dort, wo der ideelle Wert überwiegt, doch besser bei der Genehmigung der obersten Dienstbehörde belassen sollte.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Kramel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 43 Jahren habe ich in der damaligen Lateinschule die Konjugation des Verbums corrumpere gelernt. Ich habe mir damals unter „bestechen" nichts oder nicht viel vorstellen können.
({0})
Wenn ich es in der Zwischenzeit nicht gelernt hätte, dann müßte ich offen gestehen, daß mir auch in der heutigen Debatte nicht ganz klar geworden wäre, was nun eigentlich Bestechung sein soll. Der eine legt es so aus, der andere wieder anders.
Aus der Betrachtung der statistischen Zahlen, die wir gehört haben - ich bin erfreut, daß in der zweiten Statistik wenigstens das Land Bayern nicht wieder erschienen ist -, habe ich den Eindruck: Ihre Fraktion, Herr Kollege Schmitt, hat die Große Anfrage an die falsche Adresse gerichtet. Sie hätten die Anfrage in den einzelnen Landtagen einbringen müssen, denn dort scheint sie etwas aktueller zu sein als bei uns.
Die Diskussion hat jetzt das eine ergeben: von irgendwelchen beängstigenden Erscheinungen an Korruption in der Bundesverwaltung kann gar keine Rede sein. Das steht auf Grund der heutigen Debatte nach den Ausführungen aller Redner, auch des Herrn Kollegen Schmitt ({1}), eindeutig fest.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zu berücksichtigen, daß die Bundesverwaltung innerhalb kürzester Frist aus dem Nichts geschaffen, aus dem Boden gestampft werden mußte, daß man gar nicht lange prüfen wollte und prüfen konnte, wer nun im einzelnen hereinkommt und ob er geeignet ist. Ich bitte Sie weiter, zu bedenken, daß die qualifizierten Beamten der Länder sich nur sehr schwer entschließen konnten, nach Bonn zu gehen; ich denke hier nicht allein an Bayern, sondern an alle Bundesländer. Trotz dieses raschen Aufbaus ist, wie wir gehört haben, die Zahl der Korruptionsfälle in der Bundesrepublik während dieser zehn Jahre eigentlich verschwindend gering. Die Anfrage der SPD hat also, muß ich sagen, ein gutes Ergebnis: daß hier vor aller Öffentlichkeit festgestellt worden ist, daß von einem Korruptionssumpf und einem Korruptionsnebel in der Bundeshauptstadt Bonn gar keine Rede sein kann.
({2})
Dazu kommt - und das ergab sich aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Dürr daß die Bundesverwaltung von Anfang an aufs engste mit der freien Wirtschaft verflochten war. Die freie Wirtschaft, nach der Währungsumstellung mehr oder minder aus dem Nichts geboren, hat auch nicht gerade immer mit den feinsten und mit allein zulässigen Mitteln gearbeitet, wenn es sich um Verhandlungen mit dem Bund handelte. Auch das steht fest. Wenn Sie sich das vergegenwärtigen und bedenken, daß die Beamten hier damals am Anfang doch den größten Anfechtungen ausgesetzt waren und daß trotzdem außer einigen Fällen, die gar nicht verkleinert werden sollen, praktisch nichts passiert ist, müssen Sie, glaube ich, sagen - ich muß das noch einmal wiederholen -: Von einem Korruptionssumpf kann gar keine Rede sein.
Ich teile die Meinung des Kollegen Dürr: Je mehr Staat in der Wirtschaft, um so eher besteht die Gefahr einer gewissen Korruption. Aber daß diese Entwicklung im Zuge des Hinneigens des Staates zum modernen Sozialstaat so ist, können wir ja nicht ändern. Infolgedessen können wir diesen Grund für eine gewisse Ansteckungsgefahr hinsichtlich der Korruption nicht beseitigen.
Auf der anderen Seite geschehen jedoch, das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit feststellen, innerhalb der einzelnen Behörden manche Dinge ich denke hier an den in der Öffentlichkeit so viel diskutierten Behördenhandel, den ich nicht billige, den ich mit aller Schärfe verurteile -,
({3})
durch die die Beamtenschaft, da es sich um ihr wesensfremde Betätigungen handelt, gewissen Gefahren ausgesetzt wird. Hier müssen wir den Hebel ansetzen und dafür sorgen, daß es nicht möglich ist, in jeder Behörde einfach irgend so einen „HO-Laden" aufzumachen und dort Waren zu verkaufen.
({4})
Wenn wir hier energisch vorgehen, beseitigen wir einen Anlaß für Erscheinungen, die nicht immer ganz in Ordnung sind. Denn wenn ich heute mit einem Steuerpflichtigen zu verhandeln habe und zu ihm sage: „Ich möchte für meinen Behördenhandel die und die Sachen; wieviel Rabatt geben Sie da?", und wenn dieser Mann dann am folgenden Tag irgendwie steuerlich verarztet werden muß, dann führt das zu Dingen, die nicht schön sind und die wir von Anfang an vermeiden wollen. Wir müssen nach außen jeden Anschein vermeiden, daß überhaupt nur eine Möglichkeit zur Korruption besteht.
In der Debatte ist außerordentlich viel davon gesprochen worden, daß man die Beamten doch durch strenge Anweisungen darüber, was erlaubt und was nicht erlaubt ist, anhalten sollte, entsprechend zu verfahren. Ich sage Ihnen ganz offen: ich halte solche Erlasse zwar nicht für absolut überflüssig und auch nicht für absolut unnütz. Aber allzuviel gebe ich nicht darauf. Ich habe mir die Mühe gemacht, zu verfolgen, wie diese Dinge im Bund und in den Ländern auf dem Erlaßwege geregelt worden sind. Es ist eine ganze Menge geschehen. Wenn das alles befolgt worden wäre, dann hätte der Herr Bundesinnenminister hier heute sagen können: Korruptionsfälle in der ganzen Bundesverwaltung gleich Null. Das allein zeigt, daß mit solchen Erlassen nicht allzuviel zu machen ist.
Ich darf Ihnen eines erzählen. Bis zum Jahre 1953 hatte ich die Ehre, der bayerischen Finanzverwaltung anzugehören. Wir haben dort alle sechs Monate einen - ich nenne es einmal so - Korruptionserlaß gegen Unterschrift vorgelegt bekommen. Jeder Angehörige der Finanzverwaltung mußte alle sechs Monate durch seine Unterschrift bestätigen, daß er davon Kenntnis genommen hatte. Ich glaube, der Erlaß stammte so4196
gar noch von Schwerin-Krosigk. Aber, Herr Kollege Schmitt, die Nazi-Elemente waren aus diesem Erlaß selbstverständlich beseitigt. Ich sage Ihnen ganz offen, ich habe den Erlaß selber gar nicht mehr gelesen, sondern habe, wenn er alle sechs Monate kam, gesagt: Ich weiß ja, was drinsteht, - und habe meinen Namen hingeschrieben. Wenn jemals der Versuch gemacht worden wäre, mich zu bestechen - das ist Gott sei Dank nicht der Fall gewesen -, so glaube ich kaum, daß dieser Erlaß mich bei meiner Entscheidung: soll ich mich bestechen lassen oder nicht, irgendwie beeinflußt hätte.
Ich glaube, viel wichtiger als papierene Erlasse ist das vorgelebte Beispiel des Dienstvorgesetzten. In der Diskussion hier ist vielleicht nicht mit der nötigen Deutlichkeit darauf hingewiesen worden, daß die weitaus überwiegende Mehrheit unserer Dienstvorsteher und Dienststellenleiter draußen in der unendlich großen Zahl von Dienststellen ihren Untergebenen auf diesem Gebiet ein Vorbild sind. Wir müssen die Entschlußkraft der Dienststellenleiter stärken.
Wir müssen aber auf der anderen Seite - und das wäre eine Aufgabe der Verwaltung und der Organisationen - unseren Beamten, vor allen Dingen jungen Anwärtern, die in den öffentlichen Dienst hineinkommen, immer wieder predigen und sagen, daß ihre Aufgabe öffentlicher Dienst ist, Dienst am Volk, daß es nicht irgendein Job und nicht irgendein Arbeitnehmerverhältnis ist, in das sie treten, sondern daß es ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis ist und daß sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit haben, das ihren übrigen Mitbürgern beispielgebend vorzuleben.
Das, meine Damen und meine Herren, ist sehr viel wichtiger, als daß Sie mit Erlassen regeln, ob jemand einen Taschenkalender oder einen Drehbleistift annehmen darf. Daß er keinen Kühlschrank annehmen darf, weiß er sowieso, und die übrigen Sachen müssen wir seinem eigenen Entschluß überlassen. Der Beamte hat im großen und ganzen ein sehr feines Gefühl dafür, was er annehmen darf und was nicht. Deshalb, glaube ich, ist es notwendig, daß wir das so vielbesprochene und viel beredete Berufsethos, das Beamtenethos, wieder etwas in den Vordergrund rücken.
({5})
Es ist bedauerlich, wenn man hin und wieder von jungen Kollegen hört: Ach, bleibt uns doch mit eurem Schmarrn von Berufsethos und von Beamtenethos weg; das hat doch alles gar keinen Sinn; wir wollen unsere Arbeit tun, wir wollen am Ersten unser Geld haben, und wir wollen einen anständigen Urlaub, und damit ist die Sache für uns erledigt; was heißt hier schon Ethos?!
Meine Damen und meine Herren, hier setzt sowohl für den Dienstherrn wie auch - ich wiederhole es - für alle Beamtenorganisationen die große Aufgabe ein,
({6})
den Geist des Nachwuchses und den Geist der gesamten Beamtenschaft zu erneuern und sie darauf hinzuweisen, daß es ihre Pflicht ist, Vorbild zu sein im ganzen öffentlichen Leben.
Wenn wir das erreichen, dann werden die wenigen Erscheinungen von Korruption, mit denen wir uns heute hier befaßt haben, auch noch verschwinden, und jeder, der wie ich dem öffentlichen Dienst angehört, kann dann stolz darauf sein, daß er Mitglied dieses öffentlichen Dienstes ist.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nur gemeldet, um den Herrn Bundesinnenminister um die Beantwortung einer einzigen Frage zu bitten.
Wir haben uns im Rechnungsprüfungsausschuß des öfteren mit den Problemen befaßt, bei denen es nicht gerade um Korruption, um Bestechung, sondern um die Verwendung öffentlicher Mittel ging. Der Haushalt enthält in jedem Rechnungsjahr eine Bestimmung mit vielen Ansätzen, die besagt, daß bei gegebener Gelegenheit - „aus besonderem Anlaß" heißt es ungefähr - öffentliche Mittel für entsprechende Zwecke verwendet werden können.
Nehmen wir einmal an, ein Bundesminister macht aus dienstlichem Anlaß einen dienstlichen Besuch - nun, ich will keinen Staat nennen, um keine Schwierigkeiten heraufzubeschwören -, sagen wir, beim Kalifen von Bagdad,
({0})
- den es nicht gibt. Er würde aus diesem Anlaß dem Kalifen aus Steuermitteln ein Geschenk mitbringen, sagen wir, in Gestalt eines Reitpferdes.
({1})
- Es könnten auch zwei sein. Der Kalif würde ihm dann ein Gegengeschenk machen, sagen wir, in Gestalt eines oder mehrerer echter Teppiche.
({2})
Herr Bundesminister, welche Verwendung hätten dann diese Teppiche zu finden? Die Pferde werden aus Steuermitteln geschenkt. Werden die Teppiche nunmehr
({3})
nicht gerade dem Rechnungsprüfungsausschuß gegeben, aber sagen wir, dem Steuerzahler auf irgendeinem Wege zur Verfügung gestellt, zur Ausstattung eines Dienstraumes oder zu etwas Ähnlichem? Welche Bestimmungen kennt die Bundesregierung in dieser Hinsicht, Herr Bundesinnenminister?
({4})
Der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege
Bundesinnenminister Dr. Schröder
Ritzel hat einen von ihm in den Ausdrücken des Märchens umschriebenen Fall dargestellt, den ich nicht kenne. Deswegen kann ich sein Märchen oder die hypothetische Frage
({0})
- ich bin ja dabei! - auch nur etwas verdeckt beantworten.
Herr Kollege Ritzel, persönliche Erfahrung auf diesem Gebiet habe ich gar nicht. Ich habe bisher weder Reitpferde verschenkt noch Teppiche bekommen, so daß ich aus persönlicher Erfahrung nichts sagen kann. Ich kann Ihnen eigentlich nur sagen, was meinem Rechtsempfinden entsprechen würde. Es kommt darauf an, ob es Geschenke sind, die eher persönliche Geschenke darstellen, oder Geschenke, die als Staatsgeschenke zu betrachten sind. Bei der Gegengabe ist meiner Ansicht nach entscheidend, was überwiegt: der ideelle oder der materielle Charakter der Gegengabe. Das kann im Einzelfall sehr verschieden liegen. Geschriebene Grundsätze darüber gibt es nicht.
Ich glaube deswegen, man muß es in diesen Fällen dem Ermessen, dem taktvollen Ermessen des Bedachten überlassen, welche Regelung er für richtig hält. Ich würde meinen, daß, wenn es sich um sehr aufwendige ausländische Staatsgeschenke an Deutsche in amtlicher Position handeln sollte, diese in irgendeiner Form zu irgendeinem Zeitpunkt am besten einer öffentlichen Verwendung zugeführt werden sollten.
Aber ich kann nur noch einmal sagen: ohne eine genaue Kenntnis von Einzelfällen und ohne eine Möglichkeit zum Abwägen des Ideellen und des Materiellen ist es sehr schwer, dafür generelle Regeln aufzustellen. Es gibt Dinge, die man nur, wie ich schon sagte, dem taktvollen Ermessen überlassen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind am Schluß der Debatte über unsere Große Anfrage. Ich möchte nur noch kurz auf einige Diskussionsbeiträge der Kollegen eingehen.
Herr Kollege Kramel, ich glaube, Sie sehen den Sinn der heutigen Auseinandersetzung nicht ganz richtig, wenn Sie glauben, im Sinne einer - entschuldigen Sie, wenn ich das so sage - Darlegung des Deutschen Beamtenbundes einen flammenden Appell an die Öffentlichkeit richten zu sollen.
({0})
Wir haben in keiner Weise hier die Beamten im allgemeinen angegriffen. Ich möchte das ausdrücklich noch einmal sagen.
Auch wenn wir uns in der Beurteilung grundsätzlich einig sind, müssen wir uns über eines klarsein: Die sittlichen Maßstäbe der Beamten stehen nicht isoliert, sondern sie stehen im Raum mit den sittlichen Maßstäben des ganzen Volkes. Es kommt darauf an, die Mißstände an der Wurzel anzupacken und dafür zu sorgen, daß eine solche Atmosphäre überhaupt nicht entsteht, die solchen Fällen der Bestechung in dieser oder jener Form Vorschub leistet. In diesem Sinne soll und hat sicher die heutige Aussprache einigermaßen ihr Ziel erreicht.
Die Bekämpfung der Korruption ist kein Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen, darüber sind wir uns alle einig. Das war aber auch nicht der Inhalt unserer Anfrage, sondern es ging uns dabei um den Staat und um seine Grundlagen. Darüber sollten wir uns hier auseinandersetzen.
Sie haben im vergangenen Jahr einem nordrhein-westfälischen Minister einmal erhebliche Vorwürfe gemacht, nur weil er über gewisse Dinge offen gesprochen hat. Es hat sich nachher gezeigt, daß alles, was er gesagt hat, stimmte. Man kann nicht in der Abwehr von Feststellungen durch Worte wie „Korruptionspsychose" oder „Wahlkampfauseinandersetzungen" den Sinn der Sache ins Gegenteil verkehren wollen. Ich bitte also, die Grundlage unseres Anliegens richtig zu sehen. In diesem Sinne möchte ich auch noch einmal das unterstreichen, was Herr Kollege Jahn gegen das Wort „Korruptionspsychose" gesagt hat.
Herr Minister, Sie haben meine Frage wegen des Leihwagens nicht beantwortet. Gestatten Sie folgende Frage: Was soll ein Dienstvorgesetzter tun, zu dem ein Beamter kommt, dem eine große Automobilfirma einen Leihwagen für seinen Urlaub angeboten hat und der nun wissen will, was er machen soll? Soll der auch sagen: „Ich muß erst mal warten, bis in Bonn ein gewisser Prozeß abgeschlossen ist?"
({1})
- Sie meinen, das sei nur ein hypothetischer Fall? Nun gut!
Ich darf jetzt noch auf einige grundsätzliche Fragen zurückkommen, die in der heutigen Aussprache eine Rolle gespielt haben. Ich bin dem Herrn Minister für seine Ausführungen zu Frage 7 über die Regelung für Minister dankbar. Ich muß Ihnen allerdings offen gestehen, Herr Minister, hier haben Sie sich mit sehr viel Geschick um konkrete Feststellungen herumgedrückt. Ich glaube, es wird nicht zu umgehen sein, daß sich das Kabinett noch einmal grundsätzlich mit dieser Frage beschäftigt.
In diesem Zusammenhang sei nur daran erinnert, daß Bismarck und verschiedene hohe Militärs - das wissen Sie - sich vom Reichstag aus den Kriegskontributionen hohe Beträge bewilligen ließen. Das hat in den Diskussionen der 70er Jahre - ich verweise nur auf die Äußerungen Laskers im Reichstag - eine große Rolle gespielt. Sie wissen, daß Bismarck auch von Interessenverbänden einmal einen Betrag bekommen hat.
Es ist aber eine harte Frage, wenn heute in der deutschen Öffentlichkeit gefragt wird, ob sich unsere Minister bewußt sind, von wem sie Geburtstags4198
Schmitt ({2})
Beschenke im Werte eines Jahresgehalts entgegennehmen und daß die kostbaren Gemälde aus steuerabzugsfähigen Geldern stammen. Das ist nicht beantwortet worden, und ich bitte, daß die Bundesregierung gerade in dieser Frage eine klare Antwort gibt. Die wehleidigen Aschermittwochsbetrachtungen von Ministern zu dem Überhandnehmen des Materialismus in der Bundesrepublik würden, so sagt man, den richtigen Adressaten oft schon dann erreichen, wenn sie im Rundbrief das eigene Haus durchlaufen.
({3})
Ich kann in diesem Zusammenhang auch nicht darauf verzichten, auf die vorhin angesprochene Leihwagenfrage in der Bundeskanzlei hinzuweisen.
Auch der Herr Bundesfinanzminister hat kein gutes Vorbild dadurch gegeben, daß er bei seinem Weggang aus Luxemburg zunächst die Dienstaustrittsentschädigung erhalten hat und dann die auf drei Jahre befristete Inkompatibilitätszulage Unvereinbarkeitszulage - in Höhe von 50 % des Gehalts, mithin monatlich 2450 DM, jährlich 29 400 DM, bezieht. Bitte, vergessen Sie nicht: was für einen Regierungsinspektor durch das Beamtengesetz bestimmt wird, das muß auch für Minister gelten, und es ist mehr als spät, wenn erst jetzt in der Novelle zum Ministerpensionsgesetz in dieser Hinsicht Vorschläge unterbreitet werden.
In diesem Zusammenhang will ich auf einen Hinweis von Professor Eschenburg aufmerksam machen, den er in seinem Buch „Die Herrschaft der Verbände" gegeben hat:
Das Beamtenrecht macht die bezahlte Nebenbeschäftigung der Beamten von einer Genehmigung abhängig; publizistische Tätigkeit ist hingegen davon ausgenommen. Diese Einschränkung ist nur sinnvoll, wenn den Beamten 'untersagt wird, mittelbare oder unmittelbare Vergütungen von Personen, Unternehmungen, Verbänden usw. ihres Verwaltungsbereiches für Vorträge und Veröffentlichungen entgegenzunehmen. Solche Bestimmungen müßten aus Gerechtigkeitsgründen dann auch für Minister gelten, die an sich keine Beamten sind und außerhalb des Beamtenrechts stehen.
Professor Eschenburg hat noch in anderem Zusammenhang auf diese Frage aufmerksam gemacht, die uns mit ernster Sorge erfüllt. Er hat in einem Vortrag im Süddeutschen Rundfunk gesagt, daß es darauf ankommt, jede Abhängigkeit und jeden Anschein einer Abhängigkeit im öffentlichen Leben zu vermeiden. Daraus ergibt sich etwas, wovon ich schon gesprochen habe und was für den Bestand des Staates von großer Wichtigkeit ist: Es darf Ministern, aber auch Beamten keine honorierte Tätigkeit wie Reden oder Publikationen für Verbände, Interessentenorganisationen erlaubt sein.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Ein Beamter des Finanzministeriums sollte nicht in Zeitungen der Industrie, des Handels, der Steuerberater usw. gegen Honorar schreiben. Niemand hat etwas dagegen, wenn Beamte des Wirtschaftsministeriums vor Wirtschaftsverbänden über Außenhandelspolitik oder über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sprechen. Aber sie sollten nicht honoriert werden, auch, meine Damen und Herren, die Ressortminister nicht. Hier bestehen unter der Oberfläche Lücken, und die Versuchung zur aktiven Bestechung muß vermieden werden, selbst wenn sie keine Aussicht hat, zum Erfolg zu kommen.
Ich gestehe Ihnen offen, ich habe mit großer Bestürzung vor einigen Monaten einen Zeitungsaufsatz gelesen; ich habe mich sehr gewundert, daß bisher von kompetenter Seite keine Stellung dazu genommen wurde. Ich will auf die Einleitung, Herr Minister, verzichten. Es ist „Der Mittag" vom 13. Februar 1959. Hier ist auf den Vortrag von Eschenburg Bezug genommen, und es heißt:
Was Eschenburg behutsam andeutete, wurde etwas handgreiflicher in den Zahlen sichtbar, die in der süddeutschen Presse genannt und bisher von den „zuständigen Stellen" nicht widerrufen worden sind. Danach scheinen Honorare zwischen 2000 und 5000 Mark für Vorträge prominenter Bundesminister eine durchaus mittlere Taxe zu sein, die in Sonderfällen aber auch bis zu 15 000 Deutsche Mark anschwellen kann.
({4})
Auf derart drastische Weise darüber belehrt zu werden, wie unsinnig ein Sprichwort ist, das uns das Schweigen als Gold und das Reden als Silber empfiehlt, müßte sogar auf einen so sanftmütigen Demokraten wie den durchschnittlichen deutschen Bundesbürger aufreizend wirken. Bei allem Gold, das aus qualifizierten Ministerkehlen dringen mag, sind derartige Phantasie-Entgelte für einen einzigen Abendvortrag ein korrumpierender Tatbestand. Gegen Organisationen und Veranstalter, die solche Summen anlegen, spricht die Vermutung, daß sie mit der Wurst nach der Speckseite werfen, und das müßten sie erst einmal entkräften. Wer Tausendmarkscheine übrig hat und sich nichts anderes bereiten will als einen Ohrenschmaus, der bestellt sich keinen Bundesminister. Für das Geld kommt auch Frau Meneghini-Callas.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Niemand ist der Ansicht, die Bundeshauptstadt sei ein Korruptionsnest par excellence. Korruption gibt es überall und hat es zu allen Zeiten gegeben. Aber wir müssen fragen, wie es zu solchen Affären kommt, den Ursachen nachgehen und uns fragen, wie es auch Kollege Dürr getan hat, ob nicht auch der „Wandelgang" des Parlaments, die Lobby, aller Laster Anfang ist. Ich glaube, wir sollten uns hier doch auch einmal daran erinnern, wie in Amerika der dem Amte nach mächtigste Mann der Welt, Präsident Eisenhower, es zulassen mußte, daß ihm seine rechte Hand genommen wurde. Das „ich brauche ihn" konnte Sherman Adams nicht retten; denn die Institution des demokratischen Staats durfte solche Verstöße gegen die guten Beamtensitten nicht hinnehmen.
Schmitt ({5})
Wer denkt nicht mit Bitterkeit daran, daß bei uns niemand und keine Sitte verhindern kann, daß der Herr Bundespräsident das Beglaubigungsschreiben eines schon zur Hauptverhandlung vor den Strafrichter geladenen Botschafters unterzeichnet. Der Herr Bundeskanzler - er hat es in den letzten 14 Tagen wieder unter Beweis gestellt - glaubt, in diesen Fällen der Staat zu sein. Er hat in diesem Hause gesagt, er brauche den Botschafter halt in Paris. Wir sollten auch nicht vergessen, Herr Minister - wir werden bei der Behandlung des Parteiengesetzes darüber diskutieren -, daß damals, als die Parteispenden der Industrie für steuerabzugsfähig erklärt wurden, der Sauberkeit im öffentlichen Leben kein guter Dienst geleistet worden ist. Immerhin, es gab noch Richter in Karlsruhe, die das Fortschreiten auf diesem Wege stoppten, und wir sollten uns hier und heute klar sein - damit möchte ich Ihnen antworten -, daß nicht die Amtsräte des Koblenzer Beschaffungsamtes den Kern und den Höhepunkt der Korruption ausmachen. Großindustrie und Regierungsmaschinerie durchdringen sich in der Ara Adenauer wechselseitig so sehr, daß viele Interessenten in der Regierung nicht viel mehr sehen als ein Instrument, mit dessen Hilfe man ungestört verdienen kann.
Einflußreiche Kreise betrachten die Bundesregierung als „unsere Bundesregierung",
- so heißt es in einem Aufsatz der man im Wahlkampf helfen muß und die sich nach der Wahl zu revanchieren hat und der man selbstverständlich auch Autos zum beliebigen Gebrauch zur Verfügung stellen darf.
Meine Damen und Herren, wir, das Parlament, müssen hiergegen angehen. Der Staat lebt auch heute noch von seiner Autorität. Ich darf mit einem Wort von Professor Eschenburg, das er in seinem Vortrag am 27. Januar gesagt hat, schließen:
Der Staat lebt auch heute noch in unserer modernen Massengesellschaft von seiner Autorität; denn die Korrelation, die Komplementärfigur zur Autorität ist der Respekt seiner Burger. Und dieser Respekt entsteht nicht nur aus dem Jubel um den Erfolg des Staates, selbst wenn er sich nur aufs Ökonomische begrenzt - es kann auch einmal dieser Erfolg ausbleiben -, sondern der Respekt ist nur dann dauerhaft, wenn er sagt: Mir steht eine moralische Autorität gegenüber, nämlich die Staatsautorität, die auch moralisch denkt und handelt. Die Demokratie ist eine große, umfangreiche, unglaublich vielteilige Maschine, an der zahllose Hände tagtäglich arbeiten und die daher leicht verschmutzt. Deswegen müssen wir immer wieder von neuem dafür Sorge tragen, daß sie wieder sauber wird.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es doch für richtig, noch auf einiges von dem einzugehen, was Herr Kollege Schmitt ({0}) gesagt hat.
Was Geburtstagsgeschenke angeht, glaube ich, in den Richtlinien, die ich dafür entwickelt habe, alles Notwendige gesagt zu haben. Darauf möchte ich nicht weiter eingehen.
Sie haben den Herrn Bundesminister der Finanzen wegen früherer Bezüge oder Abwicklungsbezüge aus seiner Luxemburger Tätigkeit angegriffen. Dazu kann ich nichts sagen, weil mir die Einzelheiten nicht bekannt sind. Ich möchte nur meine Überzeugung ausdrücken, daß er keinen Pfennig in Anspruch genommen hat, der ihm nicht nach den vorgesehenen Bestimmungen kraft Gesetzes oder kraft internationalen Statuts zustand. Das wird sicherlich ganz in Ordnung sein.
Aber etwas anderes, was Sie aufgebracht haben, darf nicht unwidersprochen bleiben. Sie haben einen Vortrag, ich glaube, auch eine Schrift und einen Zeitungsaufsatz von Professor Eschenburg zitiert. Ich kann Ihnen sagen, daß wir im Kreise der Bundesregierung eine sehr sorgfältige Umfrage veranstaltet haben; sie hat ergeben, daß diese Angaben unzutreffend sind. Die Zeitung ist in diesem Sinne unterrichtet worden. Ob sie die Berichtigung abgedruckt hat, weiß ich nicht. Der Sache will ich noch einmal nachgehen. Ich muß also alle diese Behauptungen, die dort aufgestellt worden sind, rundweg bestreiten.
({1})
Der Aufsatz - ich glaube es war in der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" war ein Gemisch aus der Wiedergabe eines Vortrags und eigenen Bemerkungen. Darüber hat es eine Korrespondenz gegeben. Die Rundfrage, die veranstaltet worden ist, war völlig klärend. Wie der Ausgang war, weiß ich nicht, weil ich in dieser Sache nicht federführend war. Ich werde aber sehen, ob ich dem Hohen Hause nicht das Schlußschreiben zuleiten kann. Den Vorbehalt möchte ich gerne machen.
Das Thema, das Sie angeschnitten haben, Honorare für Minister für öffentliche Vortragstätigkeit, gehört zu einem Kapitel, in dem man sich in der Tat sehr strikt verhalten muß. Ich will Ihnen aus meiner eigenen Praxis sagen, wie ich mich verhalte. Von so sagenhaften Angeboten, wie Sie sie vorgelesen haben, habe ich noch nichts gemerkt. Aber dann und wann schreibt ein Bundesminister einen Zeitungsaufsatz, und dann und wann hält er auch einen Rundfunkvortrag. Dann und wann schreibt er einen Zeitungsaufsatz, der vielleicht ganz sein eigenes Geistesgut ist. Dann und wann schreibt er einen Zeitungsaufsatz, an dem seine Mitarbeiter mitgewirkt haben; das kann sein.
Ich habe eine völlig strikte Regelung darin. Es hat gar keinen Zweck, den betreffenden Institutionen, seien es Rundfunkanstalten, seien es Zeitungen, mitzuteilen, sie sollten von der Überweisung von Honoraren absehen. Ich habe deshalb ein ganz einfaches Verfahren. Meine Sekretärin sammelt solche Überweisungen, und nach einem bestimmten Schlüssel senden wir sie automatisch an
Bundesinnenminister Dr. Schröder
karitative Institutionen weiter. Sie erscheinen in meiner Steuererklärung als Eingang und als Ausgang. Das scheint mir das beste Verfahren zu sein, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um die Honorierung meiner eigenen geistigen Leistung handelt, auf die ich nicht so besonders versessen bin, oder um die Honorierung von Mitleistungen meiner Mitarbeiter, wie es durchaus vorkommen kann. Einen solchen Überweisungsfall habe ich gerade noch vor zwei Tagen gehabt. Dies ist das Verfahren, das ich dafür als angemessen ansehe.
Nun kann es sehr wohl sein, daß jemand einen Vortrag hält - das kommt dann und wann sicherlich vor -, der unmittelbar nicht mit seinem dienstlichen Erfahrungsbereich zu tun hat, sondern den er auf Grund umfassenderer eigener, sozusagen außerdienstlicher Anstrengung und außerhalb seiner normalen Beanspruchung hält. Dabei wird es dann eine Frage des Taktes und des eigenen Ermessens sein, ob er ein dafür ausgeworfenes Honorar zu eigenen oder zu karitativen Zwecken verwendet.
Ich glaube, man muß klar unterscheiden zwischen amtlicher Tätigkeit und dem, was in einer gewissen Entfernung von der amtlichen Tätigkeit steht. Ich komme jedenfalls nicht auf die Idee, für Rundfunkansprachen, die ich als Minister halte, selbst ein Honorar beziehen zu wollen, obwohl die Anstalten das mehr oder weniger automatisch überweisen. Ich lege doch großen Wert darauf, meine Damen und Herren, daß das hier einmal klargestellt wird. Denn sonst könnte nach den Ausführungen des Kollegen Schmitt ({2}) der Eindruck entstehen, als ob die Bundesregierung nicht jenen strikten Grundsätzen huldige, für die er selbst sich hier eingesetzt hat.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt ({0}). Ich nehme an, daß es das Schlußwort ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister ist vorhin schon vorsichtig um die Frage des Kollegen Ritzel herumgegangen, und er ist auch jetzt um den Fragenkomplex herumgegangen.
({0})
Herr Minister, es wäre gut - damit will ich noch einmal unterstreichen, was der Kollege Ritzel gesagt hat -, wenn das Kabinett sich zu dieser Frage und auch zu der Vortragstätigkeit noch einmal unmißverständlich äußerte. Man sollte hier nicht den Takt in den Vordergrund rücken. Sie wissen, daß Takt für manche Leute nur die gleichmäßige Einteilung der Zeit ist
({1})
und daß dadurch allzuleicht Meinungsverschiedenheiten entstehen können.
Wir haben ja gewisse Vorbilder. Ich möchte einmal einige ausdrücklich anführen. Nehru ist im indischen Parlament einmal angegriffen worden. Sein Gewicht war ihm zu seinem Geburtstag in
Gold aufgewogen worden. Aber er konnte zur Überraschung der Opposition nachher sagen, daß er das Gold, das ihm für das Gewicht überreicht worden war, in vollem Umfang für mildtätige Zwecke zur Verfügung gestellt hatte. Es gibt auch im deutschen öffentlichen Bereich solche Dinge. Denken Sie nur an Senator Hertz, der von der Berliner Wirtschaft zu seinem 70. Geburtstag wegen seiner Tätigkeit beim Wiederaufbau der Berliner Wirtschaft hoch geehrt worden ist; er hat sämtliche Geschenke zu gleichen Teilen den freien Wohlfahrtsverbänden zur Verfügung gestellt. Senatspräsident Kaisen in Bremen ist anläßlich eines Geburtstages ähnlich verfahren, um auf diese Weise aber auch jeden ungünstigen Anschein auszuschließen.
Was ich von Kabinettsumfragen halte, das will ich Ihnen an einem Beispiel sagen. Ich denke nur an den Fall Schäffer, wo auch das Kabinett x Umfragen gehalten hat und dann auch erst auf Umwegen die Tatsachen herausgekommen sind. Solange die Bundesregierung in diesen Fällen Publikationsorgane nicht verklagt und zum Widerruf zwingt, muß ich Ihnen zu meinem Bedauern sagen, Herr Minister, daß solche Umfragen keine zureichenden Klarstellungen sind.
({2})
Meine Damen und Herren, nun liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich kann damit die Behandlung der Großen Anfrage abschließen.
Der nächste Punkt, die Fragestunde, wird morgen vormittag behandelt.
Ich rufe dann Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Sechsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bäumer. Er hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür.
Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Ausschußbericht auf Drucksache 1167 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und ,dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten ({3});
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({5}),
Vizepräsident Dr. Jaeger
b) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres ({6}) ({7}).
({8})
Der Bericht des Haushaltsausschusses ist in Drucksache 1134 erstattet. Ich kann feststellen, daß nach dem Bericht des Haushaltsausschusses keine Verhandlungen über 'die Deckungsfrage notwendig sind und daher sofort der Bericht des Ausschusses für Inneres aufgegriffen werden kann. Der Berichterstatter, der Abgeordnete Maier ({9}), schlägt Ihnen vor, auf einen Mündlichen Bericht zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden.Damit kommen wir zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs. Ich rufe die Artikel 1, - 2, - 3, - Einleitung und UÜberschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist sobeschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht gewünscht, wie ich feststelle.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf 'als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Soweit ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1959 ({10}) ({11}) ;
Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({12}) ({13}).
({14})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Lange ({15}), für den vorgelegten Schriftlichen Bericht.
Wir kommen nunmehr zur Beratung des Gesetzentwurfs in zweiter Lesung. Ich rufe auf § 1 - einschließlich des Wirtschaftsplans in der Fassung der Drucksache 1157 -, §§ 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7,
- Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. - Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, denbitte ich, sich zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung 'des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kreditermächtigungen aus Anlaß der Erhöhung der Beteiligungen der Bundesrepublik Deutschland an dem Internationalen Währungsfonds und an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({16});
Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({17}) ({18}).
({19})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Dr. Atzenroth, für den Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, - 2, - 3, -4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?
- Keine Enthaltungen; angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({20}) ({21});
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({22}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({23}),
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({24}) ({25}).
({26})
Der Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich auf Drucksache 1130 wurde am 11. Juni 1959 zusammen mit den Änderungsanträgen auf den Umdrucken 341, 345 und 346 gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß rückverwiesen. Ich erteile zunächst das Wort zur Berichterstattung gemäß § 96 der Geschäftsordnung dem Berichterstatter des Haushaltsausschusses, dem Abgeordneten Gewandt.
({27})
- Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß der Bericht gerade verteilt ist. Damit erübrigt sich die mündliche Berichterstattung. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses ist eine Verhandlung über die Deckungsfrage nicht erforderlich. Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat
Vizepräsident Dr. Jaeger
einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Arbeit.
Ich rufe in der zweiten Lesung den § 1 auf. Dazu liegen die gleichlautenden Änderungsanträge auf den Umdrucken 341, 345 und 346 vor. Wird das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Zühlke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Haushaltsausschuß keine Bedenken gegen die Anhebung der Unterhaltssätze hat und die dafür erforderlichen Beträge haushaltsmäßig abgedeckt sind, kann ich mich sehr kurz fassen. Ich möchte das Haus nur bitten, die drei von der DP, FDP und SPD gestellten gleichlautenden Anträge, nach denen die Unterhaltssätze von 135 DM auf 140 DM angehoben werden sollen, einstimmig anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Haushaltsausschuß diese Anträge genehmigt hat, habe ich die Ehre, im Namen der CDU/CSU-Fraktion zu erklären, daß wir ihnen zustimmen werden.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über die gleichlautenden Änderungsanträge. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Es ist so beschlossen.
Wir stimmen jetzt über den § 1 mit der soeben beschlossenen Änderung ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - die Einleitung und die Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Diebäcker, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die §§ 1, - la, - 2a, - 3a, - 3b, - 4a, - 5a, - 5b, - 6a, - 7a, 9a, - 9b, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14, - 15, - 16,
- 17, - 18, - 18a, - 19, - 19a, - 20, - 21, - 22, - 23, - 24, - 24a, - 25, - 26, - 27, - 28, - 28a,
- 28b und 29. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenenParagraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den § 30 mit dem Änderungsantrag Urn-druck 353 auf. Wird das Wort dazu gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 353 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wer dem § 30 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 31, - 32, - 33, - 34, - 35,
- 35a. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 354 auf, der die Einfügung eines § 35b betrifft. Wird das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 354 betreffend Einfügung eines § 35b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe § 36 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Ich sehe keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zusatzprotokoll vom 8. März 1958 zu dem Handelsabkommen vom 7. Mai 1926 zwischen dem Deutschen Reiche und dem Königreiche Spanien ({4});
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({5}) ({6}). ({7})
Ich danke dem Abgeordneten Krug als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, - 2,
- 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Deutscher Bundestag --- 3. Wahlperiode Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zur
dritten Beratung.
- Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 21. November 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik ({8});
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({9}) ({10}).
({11})
Ich danke dem Berichterstatter, Abgeordneten Sander, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, - 2,
- 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
- Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Mai 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gemeinsame Fischerei in der Flensburger Innenförde ({12}) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({13}) ({14}).
({15})
Ich danke dem Abgeordneten Struve für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, - 2, -3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort
wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine
Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur Anpassung der Berliner Rentenversicherung an die Vorschriften des ArbeiterrentenversicherungsNeuregelungsgesetzes und des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ({16}) ({17}).
- Auf Begründung wird verzichtet. Wünscht jemand das Wort zur Abgabe von Erklärungen? Die Möglichkeit dazu ist vorgesehen. - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich zur ersten Lesung des Entwurfs eines Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Erstens. Die Bundesregierung legt den Gesetzentwurf mit einer Verspätung von drei Jahren vor.
({0})
Bei einer sinnvollen Arbeitsgestaltung hätte der vorliegende Entwurf zusammen mit den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen, mit denen er in unlösbarem Zusammenhang steht, eingebracht werden müssen. Infolge dieser Unterlasung sollen jetzt etwa 50 Paragraphen der Renten-Neuregelungsgesetze geändert werden. Das ist gesetzessystematisch eine schlechte Sache und macht die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze noch komplizierter, als sie ohnehin schon sind.
Zweitens. Wegen der verspäteten Vorlage des Entwurfs schlägt die Bundesregierung vor, das Gesetz erst am 1. Januar 1959 in Kraft treten zu lassen. Das bedeutet, daß den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen die volle Anpassung ihrer Rente für zwei Jahre vorenthalten werden soll. Den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen war die Anpassung ihrer Renten zu dem gleichen Zeitpunkt wie allen anderen Rentnern gesetzlich zugesichert worden. Durch die Novelle sollen also die Rentenansprüche der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge insofern nachträglich verschlechtert werden. Im übrigen hat die Bundesregierung durch die verspätete Vorlage des Entwurfs gegen den ausdrücklichen Gesetzesbef ehl der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze gehandelt, wonach die Rententabellen bis zum 30. Juni 1957 anzupassen waren.
Drittens. Der dem Entwurf zugrunde liegende Gedanke der Eingliederung, wonach die Vertriebenen und Flüchtlinge so gestellt werden sollen, als ob sie ihr Arbeits- und Versicherungsleben in der Bundesrepublik zurückgelegt hätten, wird von der sozial4204
demokratischen Fraktion begrüßt und bejaht. Der Gesetzentwurf verwirklicht dieses Eingliederungsprinzip jedoch in viel zu schematischer Weise. Aus diesem Schematismus würden sich für viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge schwerwiegende Härten und Ungerechtigkeiten ergeben; die aber müssen unbedingt vermieden werden.
Viertens. Besonders bedenklich sind die Auswirkungen für die Vertriebenen und Flüchtlinge, die in ihrer Heimat Landwirte, Handwerker oder sonstige Selbständige waren und die jetzt genötigt sind, als Arbeiter oder Angestellte tätig zu sein. Wenn der Entwurf in der vorliegenden Fassung Gesetzeskraft erlangt, dann werden diese früher selbständig gewesenen Heimatvertriebenen vielfach Zwergrenten erhalten, die fast immer unter den Richtsätzen der Fürsorge liegen. Das kann nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion nicht Sinn des Eingliederungsprinzips sein, zumal die Nachversicherung für diesen Personenkreis nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen keine große Bedeutung erlangt hat. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt fest, daß die wiederholten Zusicherungen, die auch der Herr Bundeskanzler für die Hilfe an die selbständigen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge und insbesondere die Bauern abgegeben hat, beispielsweise auf dem ostdeutschen Bauerntag, durch die vorliegende Novelle nicht erfüllt werden.
Fünftens. Auch für die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, die stets Arbeiter und Angestellte waren, bringt die Novelle vielfältige Härten und Ungerechtigkeiten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verkennt nicht, daß das Bundesarbeitsministerium eingehende Berechnungen zur Erstellung jener Tabellen, die dem Gesetz als Anlage beigefügt sind, durchgeführt hat. In der Praxis werden sich aber auf Grund dieser Tabellen für viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge Renten ergeben, die völlig unzureichend sind.
Hierfür einige Beispiele: Für Frauen sind in den Tabellen Arbeitsentgelte angesetzt worden, die um 20 bis 50 % unter den Löhnen und Gehältern der Männer mit dem gleichen Beruf liegen, was praktisch zu einer entsprechenden Verminderung aller Frauenrenten führen wird. Ein weiteres Beispiel: Die Vertriebenen und Flüchtlinge, die früher in der Land- und Forstwirtschaft tätig waren, werden selbst nach einem vollen Arbeitsleben bei diesen Tabellen eine Rente von etwa 100 bis 120 DM im Monat erhalten. Wenn es sich um Frauen handelt, wird die Rente in der Regel selbst bei einem vollen Arbeitsleben kaum den Betrag von 100 DM monatlich erreichen können.
({1})
Sechstens. Nach dem Gesetzentwurf sollen auch für die Arbeiter und Angestellten, die lückenlose Belege über ihre in der Heimat entrichteten Beiträge beibringen können, die Renten vielfach nicht nach der Beitragszahlung, sondern nach den Tabellen berechnet werden. Das scheint uns ein übertriebener Schematismus zu sein, der dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit nicht entspricht. Ferner sollen nach der Novelle vielfach zusätzliche Beitragszahlungen nicht berücksichtigt werden, was eine Beeinträchtigung des Gedankens der selbstverantwortlichen Vorsorge bedeutet. Schließlich sollen nach der Novelle die Heimatvertriebenen für nicht nachweisbare Zeiten nur fünf Sechstel des Arbeits- und Versicherungslebens angerechnet erhalten, was praktisch eine automatische Kürzung um ein Sechstel des Arbeitslebens bedeutet.
Siebtens. Der Gesetzentwurf schafft keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Rentenanpassung für alle diejenigen, deren Versicherungsunterlagen bei einem deutschen Versicherungsträger außerhalb der Bundesrepublik durch Kriegseinwirkung verlorengegangen sind, also beispielsweise für die Versicherungszeiten, die bei den Landesversicherungsanstalten Breslau, Königsberg und Brandenburg zurückgelegt worden sind. Für die Bundesregierung ist zwar die Möglichkeit gegeben, durch Rechtsverordnung nach 6 1256 der Reichsversicherungsordnung oder § 33 AVG eine Regelung zu treffen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist jedoch nach den unguten Erfahrungen mit Rechtsverordnungen, die auf Grund der Rentengesetze zu erlassen waren, der Auffassung, daß diese Fragen hier im Gesetz geregelt werden müssen und nicht auf eine zu erlassende Rechtsverordnung verschoben werden dürfen.
Achtens. Viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene werden nicht nur durch die dargelegten Mängel betroffen. sondern auch infolge der Anrechnunqs- und Kürzunasvorschriften für Unterhaltshilfen oder für Ausgleichsrenten nur eine bescheidene, vielleicht aber auch gar keine Erhöhung ihrer Gesamtbezüge erhalten. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß Regelungen getroffen werden müssen, nach denen hier Härten vermieden werden.
Neuntens. Durch den Gesetzentwurf soll auch eine abschließende Anpassung der Berliner Rentenversicherung an die Vorschriften des Bundesgebietes vorgenommen werden, was die sozialdemokratische Bundestagsfraktion grundsätzlich begrüßt. Bedauerlicherweise sieht aber der Gesetzentwurf keine Wahrung des Besitzstandes für Berliner Renten vor. Es besteht die Gefahr, daß nach Inkrafttreten der Novelle 40- bis 80 000 Berliner Renten, die seit dem 1. Januar 1957 festgesetzt worden sind, herabgesetzt werden müssen. Da diese Berliner Renten nach bundesgesetzlichen Vorschriften der Renten-Neuregelungsgesetze
({2})
ohne Vorbehalt festgesetzt worden sind, läßt sich unseres Erachtens eine spätere Herabsetzung dieser Renten mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit schwer vereinbaren.
({3})
- Das ist unsere Auffassung. Wir hoffen sehr, daß auch Sie zu dieser Auffassung kommen, nachdem nicht nur Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin einstimmig, sondern nachdem auch der Bundesrat einstimmig die Wahrung des sozialen Besitzstandes für alle Berliner Renten empfohlen hat. Wir haben
also die Hoffnung, ,daß es bei den weiteren Beratungen gelingt, ein Einvernehmen darüber zu erzielen, .daß jede Herabsetzung von Berliner Renten unterbleibt.
({4})
- Eine Erklärung zu den wichtigsten Punkten! Wenn wir zu einer Debatte gekommen wären, Herr Kollege Horn, hätten wir bei der Bedeutung der Frage noch viel mehr zu sagen gehabt. Ich beschränke mich auf zehn Punkte und komme jetzt zum zehnten Punkt.
({5})
Nach dem Entwurf sollen - abgesehen von der knappschaftlichen Rentenversicherung - die Aufwendungen für die Novelle von den Trägern der Renten- und der Unfallversicherung übernommen werden. Hinzu kommen noch die Aufwendungen für die Versicherten jener deutschen Versicherungsträger, die nicht im Bereich der Bundesrepublik liegen. Insgesamt handelt es sich um eine Größenordnung von rund 200 Millionen DM jährlich, die auf die Rentenversicherung verlagert werden sollen.
Unbestreitbar handelt es sich bei den Zahlungen für Fremdrenten um Aufwendungen für Kriegsfolgelasten.
({6})
Kriegsfolgelasten aber hat nach 'dem Grundgesetz
der Bund zu tragen. - Diskutieren wollen wir nicht,
Herr Kollege Schütz, wie Herr Kollege Horn durch Zwischenruf bekundet hat.
Nach unserer Auffassung handelt es sich bei den Leistungen für Fremdrenten um Kriegsfolgelasten. Deshalb kann es die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht hinnehmen, wenn derartige Verpflichtungen 'des Bundes auf die beitragzahlenden Arbeiter, Angestellten und Betriebe abgewälzt werden.
({7})
- Die zahlen sie für ihre eigenen 'Leistungen. ({8})
Hier handelt es sich auch um eine Finanzierung der alten Last. Wir sind 'der Auffassung, 'daß hier eine Verlagerung zu Lasten der Rentenversicherung stattfindet, die das finanzielle Gefüge der Rentenversicherung beeinträchtigt.
({9})
Abschließend erkläre ich namens meiner Fraktion, daß der vorliegende Gesetzentwurf noch sehr gründlicher Überarbeitung bedarf, wenn er den sozialpolitischen ,Bedürfnissen gerecht werden soll.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf im Namen der Freien Demokraten zur Vorlage des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes folgende Erklärung abgeben:
Wir bedauern, daß diese Vorlage so verspätet an das Hohe Haus gekommen ist und daß die Ermächtigung, die bei der Verabschiedung der Rentenneu. regelung ausgesprochen worden ist, dazu geführt hat, daß einzelne Versicherungsträger in Verkennung der Lage die vorliegenden Rentenanträge lange Zeit unbearbeitet liegengelassen haben und daß damit für die Rentner eine erhebliche Verzögerung eingetreten ist.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auf Drucksache 750 ist von der Bundesregierung darauf hingewiesen worden, daß das nicht im Sinne des Gesetzgebers lag. Die Erfahrung hat aber leider gezeigt, daß die Rentenversicherungsträger, insbesondere die Knappschaft, lange Zeit so verfahren sind.
Wir hoffen, daß der Gesetzentwurf mit Beschleunigung beraten wird, damit diesem Notstand bzw. dieser Benachteiligung der Fremd- und Auslandsrentner endlich ein Ende gesetzt wird.
Wir wollen heute bei der ersten Lesung nur zwei oder drei Grundsätze darlegen, deren Anwendbarkeit unserer Auffassung nach einer eingehenden Prüfung bedarf.
Wir begrüßen, daß grundsätzlich eine Gleichstellung der Fremd- und Auslandsrentner mit den einheimischen Rentnern eingeführt wird. Wir bedauern, daß dadurch für viele eine Kappung ihrer bisherigen Renten und darüber hinaus durch das System, die Angestellten in fünf Gruppen einzuteilen, eine sehr erhebliche Nivellierung eintreten soll. Die Freien Demokraten halten es deshalb für notwendig, diese Art der Nivellierung im Ausschuß zu überprüfen und hier zu einer gerechteren Beurteilung zu kommen.
Die Freien Demokraten sind ferner der Auffassung, daß überprüft werden soll, ob nicht an Stelle der Tätigkeitsmerkmale das Einkommen als Vergleichsgröße genommen werden sollte, nachdem die technischen Einrichtungen unserer Versicherungsanstalten auch für die kompliziertesten Berechnungen geeignet sind.
Wir Freien Demokraten betrachten es mit großer Sorge, daß die Sowjetzonenbewohner nach der Gesetzesvorlage zwar rechtlich gleichgestellt, praktisch aber wie Auslandsrentner behandelt werden. Wir haben hier eine politische Frage vor uns, die wir im Ausschuß eingehend überlegen sollten. Dabei sollten wir prüfen, ob es nicht richtig ist, die Sowjetzonenbewohner in die allgemeinen Rentengesetze mit hineinzunehmen; denn ihre Beitragsleistung nach dem 30. Juni 1945 außerhalb der Bundesrepublik soll ja nach dieser Vorlage zwar gleichbehandelt werden, aber sie sollen doch als Auslandsrentner betrachtet werden.
Die FDP-Fraktion verzichtet darauf, alle übrigen Bedenken oder Änderungswünsche hier vorzutragen. Sie wird im einzelnen im Ausschuß darauf zurückkommen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.
Herr Präsident! . Meine Damen und Herren! Im Namen der beiden Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und der Deutschen Partei, gestatte ich mir, folgende Erklärung abzugeben.
Als der Deutsche Bundestag im Januar 1957 in der zweiten und dritten Lesung in diesem Hause die Renten-Neuregelungsgesetze verabschiedete, waren alle unsere Kräfte bis zum äußersten durch die Probleme der grundsätzlichen Neuordnung der Rentenversicherung in Anspruch genommen. Es war schon zeitlich gar nicht möglich, daran zu denken, mit der grundsätzlichen Neuordnung des Systems gleichzeitig auch die Anpassung von Teilgebieten vorzunehmen. Es war vor allem dann nicht möglich, wenn diese Teilgebiete, wie z. B. das Fremdrentenrecht, nach Umfang und Bedeutung selbst wiederum einen sehr schwierigen selbständigen und nicht leicht überschaubaren Komplex darstellten.
Wir beschränkten uns deshalb damals bekanntlich auf den Erlaß von Übergangsbestimmungen. Diese sollen durch den vorgelegten Entwurf des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes nunmehr ersetzt werden. Mit der Anpassung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und der Anpassung des Berliner Rentenversicherungs-Überleitungsgesetzes an die Rentenreformgesetze wird das große Werk der Rentenversicherungsreform ergänzt und abgerundet.
Bei dieser Ergänzung und Abrundung gilt es zahlreiche Besonderheiten und Eigentümlichkeiten zu bedenken, die das Fremdrentengesetz in seiner derzeitigen Form kennzeichnen. Mit einer rein schematischen Anpassung ist es hierbei nicht getan. Die Schwierigkeiten liegen darin, daß die Elemente, welche die Höhe der Rente nach der neuen Rentenformel bestimmen, nämlich Versicherungsdauer und Arbeitsentgelt, in den Renten der Vertriebenen und Flüchtlinge entweder überhaupt keinen oder nur einen sehr unzulänglichen und verzerrten Ausdruck gefunden haben. Von hier aus sind also keine Anknüpfungspunkte für eine befriedigende Anpassung zu finden. Die neuen Renten der Vertriebenen und Flüchtlinge sollen nach der Vorlage Renten sein, in denen sich über Versicherungsdauer und -entgelt der eigentliche Wert der Arbeitsleistung ausdrückt.
Für die Anpassung des Fremdrentenrechts an die Rentenreformgesetze hätte man sich darauf beschränken können, nach den Mitteln und Wegen zu suchen, diesen Gedanken zu verwirklichen. Bei einer solchen Beschränkung der Aufgabe aber wären zahlreiche Probleme des Fremdrentenrechts ungelöst geblieben. Die Fraktionen der Koalition begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung mit der Anpassung eine grundsätzliche Neuordnung des Fremdrentenrechts verbunden hat.
Bei der Erarbeitung der Vorlage mußte man sich entscheiden, ob man das Prinzip der Entschädigung für irgendwann und irgendwo gezahlte Beiträge zum Ausgangspunkt nimmt oder das Prinzip der Eingliederung. Wir halten es für richtig, daß man sich bei der Vorlage für den Grundsatz der Eingliederung entschieden hat. Dadurch wird die Rechtsgleichheit der Vertriebenen untereinander und im Verhältnis zu den einheimischen Versicherten hergestellt.
Im übrigen war die Regierung nicht einmal ganz frei bei dieser ihrer Entscheidung. Der Bundestag hat sich selbst zu diesem Ziel bekannt, indem er in dein Art. 2 § 43 des Arbeiterrentenversicherungs- Neuregelungsgesetzes und den analogen Bestimmungen der beiden anderen Neuregelungsgesetze bestimmt hat, daß die Personen, auf die das Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht Anwendung findet, den übrigen Berechtigten gleichzustellen sind. Dieser Grundsatz der Eingliederung, nach dem die Vertriebenen so zu behandeln sind, als ob sie im Bundesgebiet gelebt hätten und nach dein hier geltenden Recht versichert gewesen wären, ist nach unserer Auffassung eine geeignete Grundlage für eine solche Gleichstellung.
Wir geben zu, daß auch dieses Prinzip nicht ohne Mängel ist. Das Eingliederungsprinzip ist kein eigentlich versicherungsfechtliches Prinzip, aber bei der Stellung der Vertriebenen und Flüchtlinge im Rahmen der deutschen Sozialversicherung kann es sich leider primär nicht um ein versicherungsrechtliches handeln; vielmehr geht es hauptsächlich um ein sozialpolitisches Problem. Indem wir so handeln, kommen wir über eine Menge anderer Schwierigkeiten, vor allem die des Währungsvergleiches in den zahlreichen sehr unterschiedlichen Herkunftsländern, hinweg. Die Versichertengemeinschaft auf der einen Seite und die Gemeinschaft aller Steuerzahler auf der anderen Seite tragen etwa zu gleichen Teilen das dadurch entstehende Risiko.
Von einem kleinen Teil Versicherter wurde in der Diskussion um den Referentenentwurf angeführt, daß man zwar grundsätzlich gegen das Eingliederungsprinzip nichts einzuwenden habe, daß dieser Teil der Versicherten . aber dabei weniger gut wegkomme, als wenn man sich für das Entschädigungsprinzip entschieden hätte. Wir bestreiten nicht, daß an diesem Argument manches richtig ist. Wenn wir aber an die Solidarität aller Versicherten appellieren und darüber hinaus auch die Solidarität des Staatsvolkes durch beachtliche Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln in Anspruch nehmen, meinen wir nicht glaubhaft zu bleiben, wenn wir die Solidarität des betroffenen Personenkreises untereinander in jeder Form und auf jeden Fall ablehnen.
({0})
Dieser Gedanke leitete den Deutschen Bundestag, als er 1957 die Rentenhöchstbeträge festlegte. Wir waren uns damals bewußt, daß darin Stoff für einen Konflikt zwischen der reinen Versicherungsgerechtigkeit und dem Grundsatz der Solidarität
Schütz ({1})
liegt. Dieses Problem kann aber in diesem Gesetz nicht isoliert gelöst werden. Ich erkläre bei dieser Gelegenheit, daß nach Auffassung der Koalitionsparteien zu gegebener Zeit über dieses die ganze Rentengesetzgebung betreffende wichtige Anliegen gesprochen werden muß.
Wir verzeichnen mit Befriedigung, daß der Entwurf die komplizierte, bisher an zahlreichen Stellen verstreute Materie kurz und übersichtlich zusammenfaßt und sich offensichtlich darum bemüht, die zahlreichen Probleme und Besonderheiten des Fremdrentengesetzes unter dem Gesichtspunkt der Eingliederung systemgerecht zu lösen.
Zum materiellen Gehalt des Entwurfs möchte ich mich nach dem grundsätzlich Gesagten darauf beschränken, kurz über folgende Punkte zu sprechen: den sorgfältigen Aufbau der Tabellen und ihre Auffächerung, die Schließung der Lücke, die zwischen den Personenkreisen der unter das Gesetz zu Art. 131 GG und das Fremdrentengesetz Fallenden bestand, die Anrechnung von Beschäftigungszeiten, die Überführung der in knappschaftlichen Betrieben Beschäftigten in die knappschaftliche Rentenversicherung, auch wenn die Betreffenden in ihren Herkunftsländern in einem anderen Versicherungszweig versichert waren, die Erleichterung der Beweisführung durch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung.
Wir begrüßen, daß der Entwurf auch die Gleichstellung der Berliner Rentner bringt. Die vorgesehene Regelung wird für die Rentenzugänge ab 1. Januar 1957 die volle Auswirkung der Rentenneuregelungsgesetze bringen. Damit wird über die Pauschalverbesserungen hinaus die individuelle Berücksichtigung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten gesichert. Eine beachtliche Anzahl Berliner Rentner wird so, wenn der Entwurf Gesetz wird, Nachzahlungen erhalten. Hinsichtlich der Fälle, in denen die individuelle Neuberechnung Beträge ergibt, die hinter den bisher gewährten Renten zurückbleiben, werden wir den verständigen Wunsch der Berliner Rentner, der in dem Bundesratsantrag seinen Niederschlag gefunden hat, sehr sorgfältig prüfen.
Im Rahmen des vorgesehenen Systems werden auch, wie uns scheint mit Erfolg, Sonderprobleme wie das Problem der Zusatzversicherung und der Ersatzinstitute in der Tschechoslowakei aufgegriffen und zu lösen versucht. Über diese und weitere Einzelheiten werden wir uns im zuständigen Ausschuß und gegebenenfalls auch bei der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs eingehend zu unterhalten haben.
Schließlich gestatten Sie mir noch ein Wort zur Anpassung der Tabelle der ersten Durchführungsverordnung zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz. Der Bundesregierung war in den Renten-Neuordnungsgesetzen die Verpflichtung auferlegt worden, die Tabelle bis zum 30. Juni 1957 an die Neuregelungsgesetze anzupassen. Daß diese Anpassung erst durch dieses Gesetz erfolgt und dadurch eine so erhebliche Verzögerung eintrat, bedauern wir aufrichtig. Die Begründung, die dafür der verschiedentlich darauf angesprochene Bundesarbeitsminister gegeben hat, ist vor allem dadurch überzeugend, daß diese Anpassung mit der Neuordnung des gesamten Rechtsgebiets verbunden wurde. Eben dadurch konnte der gesetzte Termin nicht eingehalten werden. Wenn man bedenkt, daß sich die Tabellenwerte der ersten Durchführungsverordnung und die Tabellenwerte des neuen Gesetzes gerade hinsichtlich der hauptsächlich in Betracht kommenden Zeiten gar nicht wesentlich unterscheiden, und wenn man darüber hinaus berücksichtigt, daß der Übergang vom bisherigen Entschädigungs- zum Eingliederungsprinzip den Rentnern wesentlich mehr bringt, als sie aus der Anpassung der Tabellen jemals hätten erwarten können, so erkennt man, daß durch die relativ späte Vorlage des Entwurfs kein wesentlicher materieller Schaden entstanden ist.
({2})
Das ist auch ein Gesichtspunkt, der für den 1. Januar 1959 als Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes spricht.
({3})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - sowie gemäß § 96 ({0}) der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte ({1}).
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon gelegentlich der Haushaltsberatungen hat sich das Hohe Haus mit dem Entwurf befaßt, den Sie mir jetzt zu begründen erlauben wollen. Dieser Entwurf bezweckt zweierlei. Er soll einmal die finanzielle Lage der Alterskassen verbessern und zum anderen eine Reihe von rechtlichen Neuordnungen bringen, die die Handhabung des Gesetzes erleichtern.
Das Gesetz ist seinerzeit im Hohen Hause als Initiativgesetz eingebracht und verhältnismäßig schnell verabschiedet worden. Wenn man weiter bedenkt, daß man mit diesem Gesetz völliges Neuland betreten hat, ist es verständlich, daß nach einer Zeit, in der man einige Erfahrungen hat sammeln können, eine Novelle notwendig wird, um bestimmte Erfahrungen zu verwerten und das Gesetz etwas auszufeilen.
Als Verbesserung der Rechtslage für die Anspruchsberechtigten oder Beitragspflichtigen werden sich folgende Vorschläge auswirken:
Die Leistungsvoraussetzung der Hofübergabe ist in § 2 mit den Worten „übergeben oder entäußert" nicht klar genug definiert. Die Neufassung soll klarstellen, daß auch Rechtsgeschäfte, die weder mit einem Eigentumsübergang verbunden sind noch eine Verpachtung darstellen - wie z. B. die Fortsetzung eines Erbpachtverhältnisses -, der Abgabe hinsichtlich der Leistungsvoraussetzung gleichstehen. Außerdem wird klargestellt, daß auch eine gegen den Willen des Unternehmers erfolgte Abgabe, z. B. eine Zwangsversteigerung oder ein Verlust von Unternehmensteilen durch die Zonengrenze, die Leistungsvoraussetzung erfüllt.
Bezüglich der Wartezeit im Übergangszeitraum ist bisher bestimmt, daß der Berechtigte „während der 15 Jahre", die der Übergabe oder Entäußerung des Unternehmens vorausgegangen sind, hauptberuflich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sein muß. Der Entwurf bringt eine Änderung in der Weise, daß die 15jährige Unternehmertätigkeit innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren ausgeübt sein muß. Hiermit wird Sonderfällen Rechnung getragen, wie sie z. B. bei Pächtern oder Kleinlandwirten auftreten können, die zeitweise nicht Unternehmer waren oder keine Existenzgrundlage hätte. Es würde zu unvertretbaren Härten führen, in jedem Fall eine ununterbrochene Tätigkeit von 15 Jahren gefordert würde.
Besondere Härten haben sich für die heimatvertriebenen Landwirte ergeben, die erst verhältnismäßig spät in der Bundesrepublik eingegliedert werden konnten. Solchen Personen kann das Altersgeld Oft nicht gewährt werden, weil sie - durch die Vertreibung bedingt - die ununterbrochene 15jährige Unternehmertätigkeit nicht nachweisen können. Ihnen soll nunmehr die Zeit nach der Vertreibung bis zur Wiedereingliederung im Bundesgebiet als Ersatzzeit angerechnet werden. Mit dieser Regelung wird einem dringenden Anliegen aus Kreisen der Flüchtlingslandwirte entsprochen; die Bundesregierung stimmt ihm vorbehaltlos zu.
Auch der § 25 des geltenden Gesetzes schreibt vor, daß das Altersgeld zur Hälfte gewährt wird, wenn der Empfänger eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und wenn er keine 90 Beiträge zur Altershilfe geleistet hat. Dies führt in manchen Fällen zu Härten, nämlich dann, wenn die Rente nach neuem Recht berechnet wird und geringer ist als das ihretwegen entzogene halbe Altersgeld. Hier soll sichergestellt werden, daß das Altersgeld nur um den Betrag gekürzt wird, der als Rente gewährt wird.
Die ursprünglich als Vergünstigung gedachte Beitragsbefreiung für Verwandte, die gemeinsam ein landwirtschaftliches Unternehmen betreiben - §8 Abs. 6 - sowie für über 65jährige Unternehmer, deren Hoferbe noch nicht 25 Jahre alt ist - § 8 Abs. 7 - hat sich praktisch als Ausschluß aus der Altersgeldberechtigung ausgewirkt. Dies führt insbesondere im Rahmen des Übergangsrechtes zu Härten im Einzelfall, die nach dein vorliegenden Entwurf dadurch ausgeschlossen werden sollen, daß die genannten Personengruppen in die Beitragspflicht und damit in die Altersgeldberechtigung einbezogen werden.
Demgegenüber werden die Bezieher einer Beamtenpension, wenn sie im Alter von mehr als 50 Jahren erstmals beitragspflichtig werden, von der Beitragspflicht befreit und damit den Beziehern einer Rente gleichgestellt, weil in beiden Fällen eine Alterssicherung schon vorhanden ist.
Weiter bringt der Entwurf eine gewisse Erleichterung für Angehörige einer Erbengemeinschaft. Es wäre ungerechtfertigt, alle nur vorübergehend beteiligten Erben, die keinerlei Beziehungen zur Landwirtschaft haben, uneingeschränkt in die Beitragspflicht einzubeziehen.
Schließlich werden zur Vermeidung von Härten die Voraussetzungen für die freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen erleichtert. Damit können auch solche Personen ihre Altersgeldansprüche sichern, die nicht mehr unter das Übergangsrecht fallen und auch nicht 'die notwendige Anzahl von Pflichtbeiträgen ,entrichten können.
Neben den Änderungsvorschlägen, die Verbesserungen und Erleichterungen für die betroffenen Personen auf der Beitrags- und Leistungsseite zur Folge haben, 'stehen viele andere, ,die die Rechtsklarheit verbessern und die verwaltungsmäßige Durchführung des Gesetzes erleichtern sollen. Ich brauche auf diese und auf zahlreiche redaktionelle Änderungen nicht einzugehen.
Die Neufassung des § 1 soll der besseren und klareren Abgrenzung des Personenkreises der hauptberuflichen Landwirte dienen. Wenn auch die Beurteilung dessen, was unter den örtlichen Gegebenheiten als Existenzgrundlage anzusehen ist, im Prinzip weiterhin den Selbstverwaltungsorganen der Alterskassen obliegen soll, so erscheint doch an Hand 'der bisherigen Erfahrungen und der vorliegenden Rechtsprechung eine begriffliche Klärung zweckmäßig.
Änderungsbedürftig erscheint auch die Fristvorschrift für die Verpachtung als Leistungsvoraussetzung in § 2 Abs. 2. Die bisherige Möglichkeit, das Altersgeld bereits zu erhalten, wenn der Betrieb an Verwandte oder Verschwägerte für sechs Jahre verpachtet wird, hat leider vielfach Anlaß zur Umgehung des eigentlichen Zweckes des Gesetzes gegeben. Eine Repräsentativerhebung hat gezeigt, daß ein Viertel aller Übergaben auf diese Weise erfolgen. Die ursprünglich als Härteausgleich gedachte Vorschrift hat nach den Berichten der landwirtschaftlichen Alterkassen einen Anreiz zu Scheinpachtverträgen gegeben und führt zu einer starken Abhängigkeit des Pächters vom Verpächter. Die Vergünstigung für Verwandte sollte daher entfallen und im übrigen die Mindestpachtdauer heraufgesetzt werden.
Gelegentlich ist angeregt worden, eine Verpachtung überhaupt nicht als Hofübergabe ,anzuerkennen. Diesem weitgehenden Vorschlag glaubt die Bundesregierung jedoch nicht folgen zu sollen; sie macht einen mittleren Vorschlag, der sowohl dem Anliegen der Pächter wie auch dem der Verpächter in angemessener Weise Rechnung trägt.
Weitere Klarstellungen betreffen die Beitragszahlung, die Mitwirkung der Gemeinden sowie verStaatssekretär Dr. Claussen
schiedene Verfahrensvorschriften, die sich als zweckmäßig erwiesen haben.
Im zweiten Teil darf ich aus den zahlreichen Vorschriften ,des Entwurfs auf diejenigen eingehen, die erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Dabei ist zu betonen, daß der Entwurf unter dem Zwang steht, idie finanzielle Lage der Alterskassen zu verbessern. Ich will auf die Ursachen der entstandenen Fehlbeträge hier nicht näher eingehen, weil dazu zweifellos bei der Erörterung in den Ausschüssen Gelegenheit sein wird. Nur so viel gestatten Sie mir festzustellen: der augenblickliche Fehlbetrag ist nur zu einem geringen Teil auf fehlerhafte Vorausschätzungen zurückzuführen. Ich will diese keineswegs leugnen, aber doch darauf hinweisen, daß die Ursachen vielfältiger Natur sind und die Fehlbeträge auch auf zusätzliche Beschlüsse dieses Hohen Hauses zurückgehen.
Im November vorigen Jahres hat der Bundesminister für Arbeit an dieser Stelle vorgeschlagen, das Defizit der Alterskassen nicht durch einseitige Maßnahmen auszuräumen, sondern durch Zusammenwirken von Maßnahmen der Selbstverwaltungsorgane, der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses eine Lösung anzustreben. Die Bundesregierung hat die Liquidität ,der Alterskassen bisher aufrechterhalten. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in der vorigen Woche von dieser Stelle aus erklärt, daß die Bundesregierung auch weiter dafür sorgen wolle. Darüber hinaus sind gewisse Ausgleichsmittel für die agrarstrukturellen Auswirkungen im Rahmen des Grünen Planes bereitgestellt worden. Die Selbstverwaltungsorgane haben den Beitrag auf 12 DM erhöht. Es ist sozusagen nun an diesem Hohen Hause, dafür zu sorgen, daß durch Änderung gewisser rechtlicher Voraussetzungen eine günstigere Entwicklung der Alterskassen eingeleitet wird.
Hierzu unterbreitet die Bundesregierung in dem Ihnen vorliegenden Entwurf einige Vorschläge, von denen sie glaubt, daß sie unter den gegebenen Umständen vertretbar sind. Es handelt sich einmal darum, daß die Bezieher einer Rente aus der Sozialversicherung oder Bezieher einer Beamtenpension, die keinerlei eigene Beiträge zur Alterskasse entrichtet haben, künftig kein Altersgeld mehr erhalten sollen. In diesen Fällen, in denen auch bisher nur das halbe Altersgeld gewährt wurde, liegt bereits eine Alterssicherung vor. In erworbene Rechte wird mit einer derartigen Regelung nicht eingegriffen - worauf ich besonders hinweisen darf -, weil die Betroffenen keine Vorleistung erbracht haben.
Dem Einwand, daß dadurch derjenige benachteiligt wird, der eigene Vorsorge getrieben hat, indem er Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet hat, steht die Erwägung entgegen, daß allein die Ansprüche aus der Sozialversicherung voll aufgewertet worden sind, und zwar dadurch, daß die junge Generation im Wege des Umlageverfahrens für diese Ansprüche aufkommt. Eine Doppelversorgung ist aber in diesen Fällen nicht notwendig.
Ferner sollen alle Landwirte, die eine dauerhafte Existenzgrundlage haben, zur Beitragsleistung herangezogen werden, und zwar auch dann - worauf ich besonders hinweisen darf wenn sie eine Arbeitnehmerfunktion ausüben. Die Altenteiler dieser Betriebsinhaber beziehen in vielen Fällen Altersgeld, so daß eine Beteiligung der jungen Generation notwendig ist. Dies erscheint um so mehr vertretbar, als diesen Landwirten ausnahmslos finanzielle Vergünstigungen nach dem Landwirtschaftsgesetz zugute kommen. Ferner kann davon ausgegangen werden, daß Landwirte mit einer Existenzgrundlage, die zusätzlich ein Einkommen aus ihrer Arbeitnehmertätigkeit beziehen, leistungsfähiger sind als solche ohne Zusatzeinkommen. Wenn diese Vorschläge angenommen würden, ergäbe dies eine Minderung des Defizits um 25 Millionen DM.
Ein anderer Vorschlag betrifft den Altersgeldanspruch geschiedener Eheleute. Diese aus der Rentenversicherung der Arbeiter übernommene Regelung ist im Bereich der Altershilfe für Landwirte nicht zweckmäßig und entbehrt wegen des engen Zusammenhangs mit der Naturalversorgung auf dem Hofe auch der inneren Berechtigung.
Abschließend darf ich noch einmal feststellen, daß sich der Inhalt der Novelle nicht in den erwähnten finanziell wirksamen Vorschlägen erschöpft. Selbst wenn diese Vorschläge nicht die volle Billigung des Hauses finden sollten, wäre die Novelle ein wichtiger Beitrag zum Ausbau der Altershilfe für Landwirte, die sich im ganzen als ein sehr nützliches Werk erwiesen hat.
Wenn in diesem Hause, wie auch in der Öffentlichkeit, oft von finanziellen Schwierigkeiten, von den Härten im Einzelfalle und von den Grenzfällen die Rede gewesen ist, so sollte doch darüber Klarheit herrschen - gestatten Sie mir auch diesen Hinweis -, daß es nahezu 300 000 Altersgeldbezieher gibt, denen das Gesetz eine wichtige und notwendige Hilfe gebracht hat. Neben dieser sozialpolitischen ist auch die günstige agrarpolitische Auswirkung von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grunde hält der Entwurf der Bundesregierung auch an der Grundkonzeption des Gesetzes fest und eröffnet lediglich die Diskussion über notwendige, zweckmäßige und mögliche Änderungen, wobei er im einzelnen zwischen sozialen Notwendigkeiten und wirtschaftlichen Möglichkeiten sorgsam abzuwägen versucht.
({0})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf im Namen der Fraktion der Freien Demokraten eine kurze Erklärung abgeben und zu dem Entwurf Stellung nehmen. Wir begrüßen es, daß uns die Regierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vorgelegt hat. Es ist dringend notwendig, daß dieses übereilt verabschiedete, mangelhafte Gesetz die notwendige Ergänzung findet.
Weber ({0})
Aus dem Munde des Herrn Staatssekretärs haben wir eben gehört, daß der Gesetzentwurf die finanzielle Lage der Alterskassen verbessern soll. Wir stellen dazu fest, daß dieser Entwurf der Regierung wieder genauso große Mängel aufweist wie das Gesetz selber. Aus rein finanziellen Überlegungen hat man den Zirkel angesetzt, um auf der einen Seite Leistungsempfänger abzuschneiden und auf der anderen Seite Beitragszahler neu zu erfassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, was recht und billig ist.
({1})
Ich möchte nicht auf die Einzelheiten eingehen. Ich darf nur erklären, daß meine Fraktion dem Hause in aller Kürze einen eigenen Entwurf vorlegen wird, der unsere Auffassung enthält. Wir nehmen an, daß wir dann bei der Einbringung Gelegenheit haben werden, Näheres zu erklären und nachher auch im Ausschuß vernünftige Gründe dafür ins Feld zu führen, daß dieses Gesetz eine wirkliche Ergänzung erfährt.,
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Herrn Staatssekretär des Arbeitsministeriums eben richtig verstanden habe, dann hat er gesagt, die Novelle werde eine Verbesserung der finanziellen Lage der Alterskassen und eine Verbesserung der Rechtslage der Beteiligten mit sich bringen. In einzelnen Fällen mag tatsächlich eine Verbesserung der Rechtslage vorkommen; im großen und ganzen muß man aber sagen, daß die Novelle für einen sehr großen Teil der Beteiligten eine Verschlechterung bedeutet.
Ich muß dem Herrn Staatssekretär auch insofern widersprechen, als er sagt, mit diesem Gesetz sei Neuland betreten worden. Soweit ich unterrichtet bin - und ich glaube richtig unterrichtet zu sein -, gibt es bereits in 25 Kulturländern Gesetze über die Alterssicherung von Landwirten und Selbständigen.
({0})
- Die Bundesrepublik ist eines der ganz wenigen Länder, die erst im Jahre 1957 ein solches Gesetz beschlossen haben. Wenn dieses Gesetz von Ihnen, meine Herren, nicht als Wahlschlager übereilt und überhetzt und ohne richtige Berechnungen durchgepeitscht worden wäre, sondern wenn man sich Zeit genommen und auch die Gesetze in anderen Ländern angesehen hätte, dann wäre es nicht notwendig gewesen, eine solche falsche Konstruktion vorzunehmen.
({1})
Ich brauche hier nicht über die Grundlagen und die Ziele des Gesetzes zu reden. Darüber besteht ja absolute Einigkeit. Keine Einigkeit besteht aber schon über den Kreis der Beteiligten. Wir von der Sozialdemokratischen Partei haben uns ständig dafür eingesetzt, daß auch die mithelfenden Familienangehörigen in dieses Gesetz einbezogen werden sollen, wenn sie keinen Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber haben. Sie haben das ständig abgelehnt.
Eine viel stärkere Meinungsverschiedenheit gab es über die Konstruktion der Altershilfe. Wir haben von vornherein verlangt, daß der Bund, also die Allgemeinheit, so wie es in anderen Ländern auch üblich ist,
({2})
sich an den Kosten beteiligt, während Sie auf dem Standpunkt gestanden haben, daß dieses Gesetz auf der sogenannten berufsständischen Grundlage, auf der berufsständischen Selbsthilfeeinrichtung aufgebaut werden sollte.
Was ;ist nun mit dieser berufsständischen Grundlage, mit der Solidarität der Landwirtschaft geworden? Wir stehen vor einer großen Pleite. Der Zuschuß der Bundesregierung, der zuerst als Überbrückungsoder Anlaufkredit auf 50 Millionen DM begrenzt war, mußte auf 70 Millionen DM erhöht werden; er mußte auf 80, 90 Millionen DM erhöht werden und betrug im Mai etwa 120 Millionen DM. Im Juni sind schon wieder einige Millionen von der Bundesregierung abgerufen worden, weil sonst die Alterskassen pleite gewesen wären.
Das ist Ihre berufsständische Solidarität! Das Canze beruht einzig und allein auf der Hilfe der Bundes regierung. Ich vermute, daß die Leistungen der Alterskassen jetzt zu einem höheren Grade von der Bundesregierung aufgebracht werden als vom Berufsstand. Ich wäre sehr dankbar, wenn der Herr Staatssekretär mix auf diese Vermutung eine Antwort geben könnte. Ich nehme jedenfalls an, daß etwa 52 bis 55 % der Leistungen vom Bund getragen werden. Woran liegt das? Es liegt daran, daß das Gesetz eine Reihe von Konstruktionsfehlern hat.
Was heißt überhaupt Berufsstand? Der Begriff „Berufsstand" ist doch äußerst schwammig. Zählt man dazu auch die Leute, die noch einen Nebenberuf haben, oder zählt man sie nicht dazu? Wenn man sie dazu zählt, dann müßte man eigentlich auch diejenigen dazu zählen, die eine eigene private Versicherung eingegangen sind. Wer aber eine private Lebensversicherung auf Rentenbasis abgeschlossen hat, ist beitragsfrei und gehört nach dem Gesetz nicht zum Berufsstand.
Dann ein weiterer Punkt: Wie hat man immer die Grenze des Berufsstandes erweitert! Das geschah immer dann, wenn man Geld brauchte. Zuerst ist die untere Einheitswertgrenze auf 5000 DM festgesetzt worden. Als man sah, daß man nicht auskam und mehr Geld brauchte, gehörten plötzlich die Landwirte, die einen Betrieb mit einem Einheitswert von 3500 DM hatten, auch zu dem Berufsstand. Was ist das also mit diesem Berufsstand für eine komische Angelegenheit!
Kurzum, der Aufbau auf berufsständischer Grundlage war eine schlechte Konstruktion. Man sollte sich bei der Beratung der Novelle sehr überlegen, ob man nicht zu einer anderen Grundlage kommen kann.
Es muß auch kritisiert werden, daß auf der ganzen Linie völlige Unklarheit besteht. Die beteiligten
Ressorts konnten sich nicht einigen. Das Arbeitsministerium schob die Sache ans Finanzministerium; das Finanzministerium versuchte, die Gelder aus dem Grünen Plan dafür locker zu machen. Es gab in der Bundesregierung überhaupt keine Einigkeit über die Art und Weise, wie man den Schwierigkeiten der Alterskassen begegnen könnte.
({3})
Auch die Verhältnisse bei den Alterskassen selber sind alles andere als befriedigend. 8 1/2 % der von den Alterskassen als beitragspflichtig angesehenen Betriebe sind überhaupt noch nicht erfaßt. Die Beitragsrückstände betragen nach Berechnungen der Alterskassen etwa 35 Millionen DM. Über die Zahl der Beitragspflichtigen werden ungefähr alle 14 Tage neue Zahlen veröffentlicht. Im Juli 1958 - so konnte man in der Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU-Fraktion lesen -gab es 894 000 Betitragspflichtige. Nach der Begründung der Novelle gibt es nur noch 807 000 Beitragspflichtige, obwohl der Kreis der Beitragspflichtigen nach unten hin erweitert worden ist.
Wie denkt die Bundesregierung eigentlich über die Beitragshöhe? Ich erinnere mich noch genau, daß Herr Blank in der Sitzung am 7. November, als wir uns über die Altershilfe unterhielten, äußerte, der Beitrag solle nicht höher sein als der Mindestbeitrag zur Rentenversicherung, d. h. 14 DM. Die Alterskassen haben den Beitrag am 1. Januar auf 12 DM erhöht. Wird nun die Bundesregierung verlangen, daß er auf 14 DM erhöht wird? Auch hierüber hätten wir von der Bundesregierung gern etwas gehört.
({4})
- Ich bedauere, daß im Augenblick das Bundesernährungsministerium weder durch seinen Minister noch durch den Staatssekretär vertreten ist. Ich weiß nicht, ob Herr Lübke schon andere Sachen im Kopf hat, so daß er sich um dieses Gesetz nicht mehr zu kümmern braucht. Aber es ist ja festzustellen, daß er hier auch etwas übers Ohr gehauen worden ist; denn man hat plötzlich die Altershilfe als eine Maßnahme ersten Ranges auf dem Gebiet der Agrarstruktur hingestellt.
({5})
- Früher war das keineswegs gesagt worden.
({6})
- Nein, mein lieber Herr Kollege Stingl, das ist nicht gesagt worden. Ich war zwar noch nicht im 2. Bundestag, aber ich habe die Verhandlungen im Protokoll nachgelesen. Darin steht von einer Agrarstrukturmaßnahme nichts; das ist sie nämlich auch nur zu einem ganz winzigen Teil. Wenn das angestrebte Ziel der Altershilfe für die Landwirtschaft, nämlich eine Herabsetzung des Durchschnittsalters der Betriebsleiter, erreicht wird, so wird damit nur die Rationalisierung der Landwirtschaft gefördert. Denn man kann annehmen
({7})
- ich komme gleich darauf -, daß im allgemeinen ein jüngerer Landwirt moderner wirtschaftet als ein
älterer; das ist nun einmal ein Unterschied zwischen der jüngeren und der älteren Generation. Aber es ist keine echte Maßnahme der Agrarstruktur, wenn ich, statt mit Ochsen zu pflügen, mit Pferden ackere, sondern eine Maßnahme der Agrarstruktur - vielleicht gestatten Sie, daß ich Sie darüber belehre - ist eine Maßnahme zur Veränderung der Betriebsgröße und zur Veränderung der Struktur des Betriebes hinsichtlich seiner Flurlage oder hinsichtlich seiner Hoflage zur Flur; das verstehen wir unter Agrarstruktur. Rationalisierung der Landwirtschaft und verbesserte Arbeitsmethoden sind noch keine Maßnahmen der Agrarstruktur, sondern bedeuten nur eine Verbesserung der Agrartechnik. Man hat aber die Anzapfung des Grünen Plans mit 20 Millionen DM - vielleicht werden es aber noch ein paar Millionen mehr; das weiß man natürlich nicht - damit begründet, daß es sich um eine Verbesserung der Agrarstruktur handle.
({8})
- Ich bedauere außerordentlich, daß Herr Lübke, dem man gar nicht das Verdienst an der Durchdringung Ihrer Köpfe mit der Erkenntnis von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur absprechen kann, jetzt nicht hier ist, um dazu ein Wort zu sagen.
({9})
- Nein, Herr Dr. Pflaumbaum, da irren Sie aber gewaltig. Ich habe mich bereits, bevor überhaupt der Bauernverband oder irgendeine, sagen wir mal, offiziöse Richtung der Landwirtschaft vollen Herzens für eine Verbesserung der Agrarstruktur eintrat, sehr stark dafür eingesetzt. Aber ich freue mich, daß jetzt auch Ihre Herren und Ihre Berufskollegen in ungefähr unsere Meinung teilen.
({10})
- Ja, das bedaure ich natürlich auch. Aber das kann man leider nicht ändern.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie zwei Bemerkungen. Die eine: Federführend ist das Arbeitsministerium. Der Herr Staatssekretär Sonnemann vom Ernährungsministerium hat sich bei mir entschuldigt, weil er beim Bundeskanzler zu einer Besprechung mit dem australischen Ministerpräsidenten sein muß. Die zweite: Wenn Sie auf Zwischenrufe verzichteten, würden die Beratungen sicherlich rascher vorangehen.
({0})
- Der Minister hat seinen Staatssekretär geschickt. Der hat sich dafür entschuldigt, daß er früher weggegangen ist. Er hatte damit gerechnet, daß Punkt 15 früher aufgerufen wird. Das wäre auch möglich gewesen, wenn sich die Debatte bei den anderen Punkten nicht so lange hingezogen hätte.
Ich bitte fortzufahren.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt noch zu dem Problem der Rechtsverbesserungen hinwenden. Wie der Herr Staatssekretär schon ausgeführt hat, sollen die Landwirte, die bisher beitragsfrei waren, weil sie in einer Sozialversicherung waren, jetzt beitragspflichtig werden. Dafür sollen die Sozialaltersrentenempfänger, die bislang die Hälfte des Altersgeldes für Landwirte erhielten, praktisch überhaupt kein Altersgeld mehr erhalten. Denn das Altersgeld wird um den Betrag der Sozialrente gekürzt. Da diese in den meisten Fällen aber höher ist als die Altershilfe, bekommen sie praktisch überhaupt keine Altershilfe mehr. Das ist also die Rechtsverbesserung, die vom Arbeitsministerium vorgeschlagen worden ist.
Die Begründung hierzu aber ist geradezu köstlich. Es heißt in der Vorlage, die Einbeziehung dieser Unternehmer, die eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, in die Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse sei notwendig, weil diesen Landwirten ausnahmslos die finanziellen Vergünstigungen nach dem Landwirtschaftsgesetz zugute kämen. Ich weiß nicht, ob das Landwirtschaftsministerium an der Abfassung dieser Begründung beteiligt ist; ich kann es mir kaum vorstellen. Denn im Landwirtschaftsministerium wird man vielleicht wissen, daß die kleineren Landwirte, die einen viel größeren Teil ihrer Produktion im eigenen Haushalt verzehren - das sind die Nebenerwerbslandwirte - und die nur einen ganz geringen Teil ihrer Produktion verkaufen, selbstverständlich viel geringer an den Mitteln des Grünen Plans partizipieren als die größeren Landwirte. Um Ihnen das noch deutlicher zu machen: Ein Kuhbauer, ein Nebenerwerbsbauer, der mit Kühen ackert, bekommt keine Dieselölverbilligung wie ein großer Landwirt. Man könnte aus diesem Gedankengang aber umgekehrt den Schluß ziehen: Die Landwirte, die aus den Düngemittelsubventionen besonders große Einnahmen haben, sollten nach dieser Begründung eigentlich auch höhere Beiträge zur Altershilfe leisten.
Ferner heißt es: „Es kann davon ausgegangen werden, daß Landwirte mit einer Existenzgrundlage, die zusätzlich ein Einkommen aus ihrer Arbeitnehmertätigkeit beziehen, leistungsfähiger sind als solche ohne Zusatzeinkommen." Es heißt dann weiter: „Ein gewisser Anreiz zur Landabgabe ist außerdem agrarpolitisch erwünscht."
Meine Damen und Herren! Wenn ein kleiner Landwirt nebenbei noch als Industriearbeiter tätig ist oder als Forstarbeiter in den Wald geht, arbeitet er doch auch mehr als der andere, und es ist selbstverständlich, daß er dann auch eine größere Entlohnung bekommt. Außerdem wird seine Familie ja viel stärker in den landwirtschaftlichen Arbeitsprozeß eingespannt. Diese Begründung ist also geradezu lächerlich, zumal wenn damit noch der Gedanke verbunden wird, daß ein gewisser Anreiz zur Landabgabe erwünscht sei. Meine Damen und Herren, wo führt denn das nun hin! Auf der einen Seite will die Bundesregierung den Arbeiter ans Eigentum heranführen, und sie ermuntert ihn, möglichst Aktien
zu kaufen; auf der anderen Seite will sie durch sozialpolitische Maßnahmen erreichen, daß er Besitz und Eigentum wieder abgibt. Das scheint mir ein derartiger Widerspruch in sich zu sein, daß wir ihn nicht einfach so hingehen lassen können. Gott sei Dank hat auch der Bundesrat schon eine Stellungnahme vorgelegt. Es ist sehr erfreulich, daß er diese ausgesprochen unsozialen Vorschläge der Bundesregierung zurückgewiesen hat.
Abschließend kann ich feststellen: die Vorschläge der Bundesregierung in dieser Novelle enthalten zur Entlastung der Bundeskasse Vorschriften, die eine Rechtsverschlechterung auf Kosten der sozial Schwachen bedeuten. Wir werden uns hier noch sehr, sehr gründlich mit dieser Novelle beschäftigen müssen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion habe ich folgende Erklärung zur ersten Lesung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte abzugeben.
Das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 hatte eine doppelte Zielsetzung:
Erstens. Indem es durch die Gewährung eines Altersgeldes an Altbauern eine rechtzeitige Übergabe fördert, dient es der agrarstrukturellen Bestrebung der Bundesregierung, wie sie der Grüne Plan verfolgt.
Zweitens. Es wollte darüber hinaus insbesondere den Altenteilern in kleinbäuerlichen Betrieben zu den üblichen Naturalleistungen eine Bargeldleistung sichern.
Beide Ziele des Gesetzes sind über Erwarten erreicht.
Die vorliegende Novelle hat die Aufgabe, gewisse Mängel, die bei der Durchführung des Gesetzes sichtbar geworden sind, zu bereinigen. Darüber hinaus ist es erforderlich, für die Deckung eines Fehlbetrages zu sorgen, der sich im wesentlichen daraus ergeben hat, daß die Auswirkung der getroffenen Regelung in ihrem Gesamtumfang bei Erlaß des Gesetzes nicht voraussehbar war.
Unter Bezugnahme auf die zu diesem Punkt bereits während der Haushaltsdebatte von dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung abgegebenen Erklärungen betont die Fraktion der CDU/CSU ihren Willen, insoweit über den Grünen Plan eine Regelung zu suchen. Ein nach Durchführung der Novelle noch verbleibender Fehlbetrag soll dabei durch Aufstockung der dem Grünen Plan für diesen Zweck zufließenden Mittel sichergestellt werden.
Die Fraktion der CDU/CSU verzichtet zu diesem Zeitpunkt darauf, im einzelnen über die gesamte
Problematik der sehr komplexen Materie zu sprechen. Sie ist der Auffassung, daß alle hierzu angestellten Überlegungen einer eingehenden Überprüfung in den zuständigen Ausschüssen bedürfen. Sie bekundet ihren festen Willen, dabei Regelungen zu finden, die im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Personenkreises liegen.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich freue mich, daß mit der Erklärung meiner Koalitionsfreunde aus der CDU/CSU hier deutlich gemacht worden ist, daß es sich auch bei der jetzt vorliegenden Novelle zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vorwiegend um Probleme der Agrarpolitik, der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur, der Generationsfrage in der Landwirtschaft, vor allem um ein Problem der kleinbäuerlichen Betriebe handelt. Diese Novelle ist zwar auch sozialpolitisch von großer Bedeutung; die Sozialpolitik hat hier aber nicht den Vorrang. Sosehr - das ist hier mit Recht betont worden - die agrarstrukturellen Wünsche in dem Gesetzentwurf erfüllt worden sind, sowenig ist in ihm dem sozialpolitischen Anliegen der kleinbäuerlichen Betriebe in gerechter und zufriedenstellender Weise Rechnung getragen worden. In dem Ziel, hier eine Verbesserung zu erreichen, sind sich, wie ich soeben gehört habe, offenbar alle Fraktionen einig.
Das Gesetz über die Altershilfe in der Landwirtschaft - ich sage das, weil der Kollege der Sozialdemokratischen Partei gemeint hat, uns hier darüber belehren zu sollen, daß es so etwas in der ganzen Welt gibt - hat allerdings eine neue Phase der staatlichen Altersversorgungspolitik für mittelständische Gruppen eingeleitet. Was den sozialdemokratischen Kollegen als Ziel vorschwebt, ist etwas ganz anderes. Ich will heute nicht darüber sprechen. Wir werden sicher in der zweiten und in der dritten Lesung genügend Anlaß haben, uns mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Das Fehlen einer homogenen Struktur in unserer Landwirtschaft hat es offenbar unmöglich gemacht, ein Problem in bäuerlicher Selbstverantwortung zu lösen, von dem ich wünschte, daß es durch eine berufsspezifische Lösung geregelt werden könnte. Ich meine aber, die Ausführungen der SPD zum Berufsstand des Bauern können nicht unwidersprochen hingenommen werden. Ich hoffe, daß die bäuerlichen Kollegen dazu im Ausschuß in aller Deutlichkeit Stellung nehmen werden.
Das Parlament hat mit der Rentenreform eine Beschränkung der staatlichen Altersversicherung auf Arbeitnehmer einleiten wollen. In der staatlichen Rentenversicherung gibt es zur Zeit keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung für Selbständige wie in der Krankenversicherung. Wir werden auch zu prüfen haben, ob diese Frage bei einer Novellierung erneut untersucht werden muß.
Für den großen Kreis derjenigen in der Landwirtschaft, die die Chance und die Möglichkeit haben, individuelle Sicherungsmaßnahmen - sei es durch freiwillige Weiterversicherung in der Sozialversicherung, sei es durch Individualversicherung, sei es durch beide Maßnahmen zugleich - zu wählen, sollten keinerlei Bestimmungen getroffen werden, die die Betreffenden daran hindern, sich selbstverantwortlich zu entscheiden.
Ich möchte mich hier in der ersten Lesung darauf beschränken, nur einiges Grundsätzliches zu sagen. Zu den einzelnen mit dem Gesetz zusammenhängenden Problemen, die hier schon so oft gründlich diskutiert worden sind, will ich heute nichts mehr sagen. Ich meine, hier hat sich vieles, was ich vorausgesagt hatte, bestätigt.
Bei der weiteren Behandlung dieser Novelle darf meines Erachtens nicht etwa die Arbeitnehmer-Rentenversicherung als Modell angesehen werden. Auf Grund der Ausführungen der Sozialdemokraten muß man die Befürchtung haben, daß dies geschieht. Aus dem schlechten Gesetz darf aber auch nicht etwa ein Modell für eine Zwangsversorgung für Selbständige werden. Auch die Möglichkeit dieser präjudizierenden Wirkung muß man ansprechen. Es wird zu prüfen sein, ob es nicht trotz der finanziellen Klemme und des offenbaren Dilemmas der Finanzkrise möglich ist, dem Zwang auch hier Grenzen zu setzen und dafür Sorge zu tragen, daß die Kräfte unserer Landwirtschaft, die zur Selbsthilfe bereit und in der Lage sind, nicht durch eine Überforderung der Solidarhaftung selber geschwächt werden und dann dieser Selbsthilfe nicht mehr fähig und willens sind.
Die Sicherung der kleinen Betriebe des selbständigen Mittelstandes in der Landwirtschaft wird allerdings - davon sollten wir offen sprechen - angesichts der besonderen Situation hinsichtlich der Agrarstruktur in nächster Zeit kaum ganz ohne soziale Hilfsmaßnahmen möglich sein. Wirtschaftliche Krisen und risikoreiche Perioden, wie etwa der Beginn des Gemeinsamen Marktes und die mit ihm verbundene Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in die europäische Landwirtschaft, bringen eine eminent politische Aufgabe mit sich, die wir hierbei auch zu berücksichtigen haben.
So notwendig es ist, Hilfen zur Altershilfe zu geben, und so wichtig es ist, die Finanzklemme zu überwinden, so wenig glücklich scheint mir doch die Idee der Bundesregierung zu sein, den Versuch zu machen, dieses Ziel allein durch Beitragserhöhungen, durch Verminderung der Leistungen und durch neue Staatszuschüsse zu erreichen.
Auch der gesetzliche Zwang zur Doppelversicherung wirft grundsätzliche Fragen auf, die wir bis zur zweiten und dritten Lesung klären müssen.
Ich habe bei der Beratung dieses Gesetzes in der Vergangenheit deutlich gemacht, daß notwendige Staatszuschüsse auf Grund dieses Gesetzes nicht im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit, sondern im Haushalt des Bundesministeriums für Landwirtschaft, und zwar unter dem Titel „Struktur4214
maßnahmen der Agrarpolitik", verankert werden sollten. Ich freue mich, daß das auch heute hier so deutlich zum Ausdruck gekommen ist.
({0})
- Nein, ich bin darin mit dem Minister wahrscheinlich, mit dem Staatssekretär ganz sicher und noch viel mehr mit dem Arbeitsminister einig. Ich bin darin außerdem einig mit meinen Freunden in der CDU/CSU und in der DP, die hier bei der letzten Abstimmung einem anderslautenden Antrag zugestimmt haben, und zwar aus der sehr berechtigten Sorge, daß die Mittel, die im Grünen Plan für die Verbesserung der Agrarstruktur eingesetzt sind, gemindert werden könnten und daß die durch die Altersversorgung notwendigerweise hinzukommende Last durch Zuschüsse zu diesen Mitteln nicht aufgefangen werden würde. Unter der Voraussetzung, daß keinerlei Umschichtung und Ausweitung etwa mit dem Ziel erfolgt, daß die Leistungen als eine Soziallast mit steigender Tendenz empfunden werden, sondern daß vielmehr eine Entwicklung eingeleitet wird, durch die für eine begrenzte Zeit eine notwendige Subvention, die wir ehrlich beim Namen nennen sollten, im Plan unter den Strukturverbesserungen sauber und eindeutig verankert wird, halte ich es für möglich, daß die Einstellung der Mittel für diese Maßnahmen in den Haushalt für die Landwirtschaft nach dem Plan der Bundesregierung eine Hilfe bringt, und zwar - das betone ich nochmals ausdrücklich - ohne Einschränkung der im Grünen Plan für agrarstrukturelle Zwecke zugesagten Hilfen und Leistungen. Die endgültige Sanierung dieses Gesetzes wird allerdings nur durch eine Abkehr von prinzipiell falschen Zielen, nämlich vor allem von dem Ziel, das ich persönlich für falsch halte, Agrarprobleme mit unzulänglichen sozialpolitischen Mitteln lösen zu wollen, möglich sein.
Wenn wir über diese Grundsatzfrage nicht vor der zweiten und dritten Lesung zu einer Klärung kommen, werden uns die roten Zahlen im Grünen Plan unseres Haushalts noch lange belasten. Ich hoffe aber, daß unsere Beratungen dazu beitragen werden, daß wir in der zweiten und dritten Lesung aus einem unvollkommenen Gesetz und einer keineswegs vollkommenen Novelle etwas machen, das diese vorübergehende Maßnahme der Agrarstruktur so verbessert, daß die Debatten über das Dilemma der Altersversorgung der Landwirtschaft uns in der Zukunft nicht mehr belasten.
({1})
Meine Damen und Herren, nachdem alle Fraktionen ihre Sprecher vorgeschickt haben, können wir noch einen zweiten Umgang machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob es noch ein voller zweiter Durchgang wird, ist fraglich. Ich möchte aber meinen, das Problem ist so wichtig, daß wir uns gerade angesichts der uns vorgelegten Novelle sehr gründlich mit ihm beschäftigen müssen. Denn jeder einzelne von uns, der draußen in seinem Wahlkreis arbeitet, weiß, daß über die bäuerliche Altersversorgung eine Vielzahl von Anfragen, eine Vielzahl von Wünschen an uns herangetragen wird und daß dies im Grunde genommen einen Hauptteil unserer praktischen Arbeit draußen im Lande ausmacht.
({0})
Dies wird auch dann nicht anders, wenn einige Leute in der Verwaltung der Alterskassen auf dem Standpunkt stehen, den mir kürzlich der Leiter einer solchen Verwaltung schriftlich mitteilte, daß es doch eigentlich zweckmäßiger sei, von seiten der Abgeordneten die Leute zu beruhigen, die nach anderthalb Jahren immer noch keine Rente bekommen, als zu fragen, warum das noch nicht geschehe. Das ist genau die Haltung, die man uns Abgeordneten in der Frage der bäuerlichen Altersversorgung zumutet.
Mein Freund Bading hat vorhin den Regierungsentwurf vom Grundsätzlichen her behandelt und unsere Meinung vorgetragen. Ich darf mich 'deshalb auf einige Anmerkungen beschränken, die im wesentlichen aus der Praxis, die ich draußen erlebe, kommen. Ich darf von dem ausgehen, was uns die Regierung in ihrem Entwurf als Begründung schwarz auf weiß vorgetragen hat und was der Herr Staatssekretär hier vorhin auch gesagt hat. Typisch dafür, wie die bäuerliche Altersversorgung durch die Regierung behandelt wird, ist doch die Situation, in der wir heute abend stehen. Das Ministerium, von dem hier soviel gesagt wird, daß es mit diesem Entwurf eine Verbesserung der Agrarstruktur erreichen will, ist überhaupt nicht oder wenigstens nicht verantwortlich vertreten, um zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Die hier aufgestellte Behauptung, daß sich das Gesetz bewährt habe, trifft genauso zu wie die Meinung, daß eine Armensuppe für den Empfänger ein ausreichender Ersatz dafür ist, daß ihm die Gesellschaftsordnung, in der er lebt, in seinem Leben nicht die Möglichkeit gegeben hat, etwas aus eigener Kraft zu ersparen.
({1})
- Das ist nicht billig, mein sehr verehrter Herr Kollege! Gehen Sie einmal hinaus in die kleinbäuerlichen Betriebe, fragen Sie Ihren Kollegen Gibbert, dann wird er Ihnen sagen, was bei uns in der Mittelgebirgslage über diese Fragen gesprochen wird. Im übrigen lasse ich mir auch durch diese Zwischenrufe nicht nehmen, das zu sagen, was ich in diesem Zusammenhang für richtig halte.
({2})
Niemand wird bestreiten, daß Tausende von Altenteilern sich über die monatliche Zuwendung freuen. Ob man aber deshalb von einer Bewährung
des Gesetzes als einem Ausdruck staatsbürgerlicher Klugheit oder Gerechtigkeit sprechen kann, möchte ich sehr bezweifeln. Wenn etwa eine Gemeindevertretung beschließt, ihren Bürgern eine Zuwendung zu geben - und so etwas hat es, .das darf ich Ihnen verraten, schon gegeben -, dann ist das sicherlich ein von allen Empfängern freudig aufgenommener Beschluß.
({3})
- Nein, gar nicht in sozialdemokratisch geführten Gemeinden. Ich kann sie ihnen namentlich nennen. Wenn sich aber herausstellt, daß die wichtigste Voraussetzung, nämlich die finanzielle Leistungsfähigkeit, nicht dafür vorlag, dann kann man doch nicht von Bewährung eines solchen Beschlusses sprechen, sondern man muß ganz offen von einer Pleite sprechen.
({4})
Deshalb muß immer wieder ausgesprochen werden, daß sich dieses Gesetz über ,die Alterssicherung für Landwirte eben nicht bewährt hat. Die Zielsetzung muß im Lichte unserer bisherigen Erfahrungen als fragwürdig, die Grundkonzeption als falsch und die Organisation als verfehlt bezeichnet werden. Genau das muß ich sagen. Das ist nämlich in der Begründung der Regierung behauptet.
({5})
Ich habe mich heute noch einmal bei unserer Alterskasse in Düsseldorf erkundigt - das haben sehr viele von Ihnen auch getan - und festgestellt, daß mittlerweile das notwendige Aufkommen von 18 DM pro Monat von dem man noch vor einigen Wochen sprach, auf einen Betrag von 21 DM gestiegen ist. Von 21 DM! Das ist doch immerhin ein Beweis, daß Zielsetzung und Konzeption und Organisation im alten, durchgepeitschten Gesetz falsch waren. Die ganze Novelle - das muß man zugeben
- stellt doch im Grunde nichts anderes dar als den Versuch, durch eine recht einfache Manipulation, die mein Freund Bading vorhin dargestellt hat, die finanzielle Decke der Alterskassen zu verbessern. Die bisherigen Unklarheiten und Lücken, die wir in der praktischen Arbeit draußen so bitter empfunden haben, sind nicht etwa abgestellt worden, sondern werden im vollen Umfang bleiben, wenn diese Novelle Gesetz wird. Etwa, daß ,die mithelfenden Familienangehörigen z. B. nicht berücksichtigt werden!
({6})
- Ja, mein sehr verehrter Herr Kollege, man muß eben das Ganze anders anpacken. Das werden wir Ihnen während der Beratung im Ausschuß zeigen, wie man es machen könnte. Sie brauchen sich nur in anderen Ländern Europas umzuschauen, um zu sehen, wie es andere Länder machen.
({7})
Weitere Mängel sind, daß z. B. für Leute, die in Unkenntnis kommender gesetzlicher Bestimmungen ihren Betrieb an den heiratenden ältesten Sohn schon vor Vollendung ihres 50. Lebensjahres abgegeben haben, nach dem Gesetz nicht gesorgt werden kann.
({8})
Tausende von solchen Fällen gibt es, und die darf man doch einmal behandeln. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. - Leute,, die infolge unglücklicher Familienverhältnisse den Betrieb erst spät übernommen haben, aber es selber ihren eigenen Kindern gegenüber besser machen wollten und den Betrieb früh abgegeben haben, bekommen, weil sie aus diesem Grunde die Fünfzehn-JahresKlausel nicht erfüllt haben, ebenfalls nichts. Es gibt, insbesondere in den Mittelgebirgen, eine ganze Reihe von Kleinstbetrieben, aus denen sich Menschen ernährt haben und deren Inhaber nun aus den Alterskassen nichts erhalten, weil die Betriebe unter den festgesetzten Grenzen liegen. Das sind die Lücken, von denen wir, die wir draußen tätig sind, wissen, daß es sie gibt und die durch die Novelle nicht beseitigt werden.
({9})
- Das sind keine seltenen Fälle, sie kommen tausendfach vor; vielleicht nicht in ihrem Gebiet, Herr Bauknecht, aber bei uns.
({10})
- Ich kann Ihnen solche Fälle namentlich nennen.
({11})
- Er arbeitet im Betrieb seines Sohnes. - Das, was bei den Bauern schon seit tausend Jahren geschieht, daß in einer Familie gemeinschaftlich gearbeitet wird, daß verschiedene Rechtsformen des Besitzes vorliegen, das alles müßte mindestens im Rahmen eines Härteparagraphen oder auf andere Weise berücksichtigt werden, und das ist in der Novelle nicht geschehen.
({12})
Das Kunststück, das mit dieser Novelle vollbracht werden soll, ist, das in der Grundkonzeption falsch angelegte Gebäude nachträglich mit einem ausreichenden finanziellen Fundament zu versehen. Das mutet doch wie der Versuch an, dem Ruhebedürftigen, der nicht ins Bett paßt, einfach die Beine abzuhacken.
({13})
- Wie Sie wollen. - Dieser Versuch muß aber bei seiner inneren Unwahrhaftigkeit auf die Dauer scheitern.
({14})
Gehen Sie doch einmal, wenn Sie einen Wahlkreis in klein- und mittelbäuerlichen Gebieten haben, hinaus und versuchen Sie, den Menschen klarzumachen, daß sie jetzt doppelt Beiträge zu zahlen haben, nämlich in die Alterskasse und in die Sozialver4216 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Dröscher
sicherung, auf Grund des fadenscheinigen Vorwandes, daß dieser Staat, der den Altenteilern in zwei Inflationen ihre eigene Altersversorgung genommen hat, der jetzt mit dem Hineingehen in die EWG eine Reihe neuer Grenzbetriebe schafft, die die Alten nicht mehr ausreichend versorgen können, daß dieser Staat der doppelten Leistung bedürfe - obwohl er sonst für viele Dinge Geld hat -, um den Altenteilern so viel zu geben, wie zwei Tagegelder in Bonn ausmachen!
Dieses Zusammentreffen von Leistungspflichten wird vor allem in solchen Gegenden problematisch, wo die gewerbliche Nebenerwerbstätigkeit von landwirtschaftlichen Betriebsinhabern deshalb ausgeübt wird, weil Armut der Böden, Schwierigkeiten des Klimas und niedrige gewerbliche Löhne zusammentreffen. Wer glaubt denn wirklich, daß in unseren schwierigen Mittelgebirgslagen Stundenlöhne von 2,60 oder 3 Mark gezahlt werden, wie sie bei solchen Berechnungen zugrunde gelegt werden? Bei uns im Hunsrück, in der Eifel und sicher auch in den hessischen Mittelgebirgslagen werden in den gewerblichen Betrieben Stundenlöhne von 1,35 bis 1,50 DM gezahlt. Wo diese Löhne verdient werden und die Menschen, um ihre Familie zu ernähren, noch eine Nebenerwerbslandwirtschaft betreiben, da setzt dieses Gesetz mit seiner doppelten Leistungspflicht ein. Das muß man doch sehen! Es betreibt doch niemand zu seinem Vergnügen eine solche Nebenerwerbslandwirtschaft. Es werden nicht überall in der Industrie so hohe Löhne verdient, wie man sie hier zugrunde legt. Das kann man nicht mit einer Handbewegung vom Tisch fegen; das ist Wirklichkeit, die wir draußen erleben.
Wo man sich draußen im Lande über das Verhältnis zwischen Bevölkerung, Bauern und Alterskasse umhört, da stößt man auf die Unzufriedenheit vor allen Dingen mit einem - und das darf ich einmal dem Sozialministerium sagen -, nämlich mit der schleppenden Arbeit bei den Alterskassen. In Düsseldorf sind, nachdem das Gesetz jetzt fast zwei Jahre verabschiedet ist, von ca. 40 000 Anträgen erst 30 000 erledigt. Ein Viertel der Anspruchsberechtigten wartet also noch auf die Rente. Darunter befindet sich - um einen konkreten Fall anzuführen - eine 83jährige Frau. Ihr Antrag liegt auf dem großen Haufen, er wird nicht bearbeitet. Am 15. Mai fragte ich nach, warum er nicht bearbeitet werde. Der Antrag liegt deshalb auf dem großen Haufen, weil eine Heiratsurkunde fehlt. Alle Anträge, bei denen auch nur die geringste Kleinigkeit nicht richtig ausgefüllt ist, wandern auf den großen Haufen, wenn die Antragstellerin auch 80, 83, 90 oder 95 Jahre alt ist. Die Organisation unserer Alterskassen --- ich sprach vorhin schon von der Organisation - ist nicht ausreichend, um diese Aufgabe zu lösen.
({15})
- Sie sagen, wir haben Selbstverwaltung. Natürlich haben wir Selbstverwaltung, aber wir haben auch eine Aufsicht darüber. Ich wundere mich, daß nicht schon längst hier der Wunsch geäußert worden ist, daß wir uns alle gemeinsam anstrengen, diesen
schlechten Zustand zu verbessern. Ich wundere mich, daß Sie nicht oft daraufhin angesprochen und angeschrieben werden. Nach dem, was Sie sagen, ist das anscheinend nicht der Fall.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht etwa die Schuld der Angestellten und Beamten der Alterskassen, sondern einfach die der falschen Organisation, der zu geringen Zahl von Menschen, die das Stoßgeschäft der anfallenden Anträge in so kurzer Zeit trotz größter Anstrengung nicht erledigen können. Ihnen die Schuld zuzuschieben wäre leicht. Die Schuld müssen wir mehr uns und der Aufsicht zuschieben, daß nicht für eine bessere Organisation gesorgt ist. Die Leute draußen haben ein Anrecht darauf, daß sie rechtzeitig ihre Rente bekommen!
Nun noch ein Letztes. Diese Novelle stellt - das darf ich zusammenfassend sagen - nach unserer Meinung keine Verbesserung der so bemängelten Zustände dar. Die Bauern werden auch nach der Regelung dieser Novelle höhere Beiträge zahlen müssen, Die Betroffenen werden in ihrem sozialen Besitzstand zum Teil aufs schwerste gefährdet, d. h. sie erhalten - Kollege Bading hat darüber schon gesprochen - in Zukunft gar keine oder eine geringere Altershilfe. Der bäuerliche Berufsstand insgesamt erfährt durch die Verlagerung eines Teils des notwendigen Zuschusses aus dem Grünen Plan einen Gesamtabzug, der sich natürlich in einer Verschlechterung der Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft auswirken muß.
({16})
- Der einzige, der über diese Novelle lachen und sich freuen kann, ist der Bundesfinanzminister, weil sie ihm die Verpflichtung abnehmen will, die ihm von Rechts wegen zukäme. Und darüber müssen wir uns noch unterhalten.
({17})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung beantragt. Ist das Haus damit einverstanden? Kein Wider-. Spruch; es ist so beschlossen.
Punkt 16 ist abgesetzt.
Die Behandlung des Punktes 17 soll auf den 19. Juni verschoben werden. Ich werde ihn also morgen aufrufen.
Punkt 18 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes ({0}).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Vorgeschlagen ist die Überweisung an den
Finanzausschuß. Ist das Haus einverstanden? -- Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 19:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. November 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer ({1}).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Finanzausschuß. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 20 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz ({2}).
Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Aussprache! - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ist das Haus einverstanden? -- Es ist so beschlossen.
Punkt 21:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umwandlungs-Steuergesetzes ({3}).
Auf das Wort zur Begründung wird verzichtet. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Es ist Überweisung an den Finanzausschuß vorgeschlagen. - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 22:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({4}) - Immunitätsangelegenheit - betr. Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Greve gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 16. Mai 1958 ({5}) .
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Bucher das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 5. Juni 1958 einen Bericht des Herrn Generalstaatsanwalts in Celle mit Sichtvermerk des Herrn niedersächsischen Ministers der Justiz übersandt mit der Bitte, eine Entscheidung des Deutschen Bundestages darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abgeordneten Rechtsanwalt und Notar Dr. Greve aus Hannover wegen standeswidrigen Verhaltens erteilt wird.
Der Bericht des Herrn Generalstaatsanwalts in Celle lautet wie folgt:
Im Heft 5 vom 29. 1. 1958 der Zeitschrift „Der Spiegel" - S. 13 ff. - ist ein Artikel veröffentlicht:
„Wiedergutmachung Der neue Tatbestand".
Er befaßt sich vorwiegend mit der Erweiterung der entschädigungspflichtigen Tatbestände durch das neue Bundesentschädigungsgesetz. In diesem Artikel wird auf S. 16 Sp. 1 + 2 u. a. auch Rechtsanwalt Dr. Greve aus Hannover genannt.
Im Heft 10 vom 5. 5. 1958 des „Spiegel", S. 23 ff., ist ein weiterer Artikel veröffentlicht, der sich unter der Überschrift:
„Anwaltsgebühren Ich bin der Motor"
ebenfalls mit Wiedergutmachungsfragen und auch mit Rechtsanwalt Dr. Greve befaßt.
In den „Spiegel"-Veröffentlichungen wird Bezug genommen auf einen Brief des CDU-Bundestagsabgeordneten Diel vom 5. 2. 58, der desgleichen Wiedergutmachungsfragen zum Gegenstand hat. Auf den Inhalt der beiden Veröffentlichungen im „Spiegel" sowie des Briefes des CDU-Bundestagsabgeordneten Diel beziehe ich mich.
In diesen Verlautbarungen ist u. a. auch von einem Wiedergutmachungsfall „Katz" die Rede, den Rechtsanwalt Dr. Greve bearbeitet hat.
Am 25. 6 1957 hat der Rechtsanwalt Walter in Frankfurt/Main im Auftrage der Frau Katz an die Rechtsanwaltskammer in Celle geschrieben und beantragt, ein von ihm geschildertes Verhalten des Rechtsanwalts Dr. Greve einer standesrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Die Rechtsanwaltskammer in Celle hat daraufhin einen Schriftwechsel mit Rechtsanwalt Dr. Greve geführt, der in ihrer anliegenden Blattsammlung zusammengefaßt ist. Zu dieser Blattsammlung hat sich Rechtsanwalt Dr. Greve geäußert und seine in der Wiedergutmachungssache „Katz" entstandenen Handakten überreicht. Auf den Inhalt der Blattsammlung und der beiden Hefte Handakten des Rechtsanwalts Dr. Greve bitte ich ebenfalls Bezug nehmen zu dürfen.
Endlich habe ich Artikel der „Celleschen Zeitung" vom 22. 2. 1958 und der „Zeit" vom
27. 2. 1958 beigefügt, in denen von dem Verhalten des Rechtsanwalts Dr. Greve die Rede ist. Am 24. 2. 1958 hat die Rechtsanwaltskammer in Celle die bei ihr entstandenen Vorgänge überreicht und um Aufklärung gebeten.
Nach den verfügbaren Unterlagen gehen die gegen Rechtsanwalt Dr. Greve erhobenen Beschuldigungen standesrechtlicher Art in folgende Richtung:
1, Verquickung anwaltlicher Geschäftsinteressen - Vertretung jüdischer Wiedergutmachungsberechtigter in 30 000 Fällen - mit der politischen Tätigkeit, insbesondere mit der Stellung des Vorsitzenden im Wiedergutmachungsausschuß;
2. Standeswidrige Werbung von Mandanten in Entschädigungssachen unter Ausnutzung der politischen Tätigkeit und der Stellung als Vorsitzender des Wiedergutmachungsausschusses;
3. Sitten- und standeswidrige Berechnung und Forderung von Erfolgshonoraren - und quota litis - in allen Fällen der Vertretung jüdischer Antragsteller;
4. Im Entschädigungsfall Katz:
a) Pflichtwidrige Entgegennahme der Entschädigungsleistungen - ohne Geldempfangsvollmacht und entgegen dem Auftrag der Mandantin, Entschädigungsleistungen auf deren Konto überweisen zu lassen -,
b) verzögerte Auszahlung der Entschädigungssummen und pflichtwidrige teilweise Einbehaltung der Entschädigungssumme unter Verrechnung auf standeswidrige Honorare;
c) standeswidrige Berechnung von Erfolgshonoraren - und quota litis -, ({0}),
d) pflichtwidrige Verrechnung von Rentenzahlungen auf - unberechtigt erhobene oder überhobene - Anwaltsgebühren.
Soweit der Bericht des Generalstaatsanwalts in Celle.
Die dem Bericht beigefügten Akten bestehen aus:
a) Akten der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle betreffend die Anzeige des Rechtsanwalts Kurt Walter, Frankfurt, namens der Frau Sara Katz gegen Rechtsanwalt Dr. Greve;
b) Handakten des Rechtsanwalts Dr. Greve;
c) Abschrift eines Rundschreibens des Herrn Bundesministers der Justiz vom 11. Dezember 1958 betreffend Erfolgshonorare von Rechtsanwälten;
d) zwei Hefte des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel";
e) Denkschrift des Bundestagsabgeordneten Diel von-1 5. Februar 1958.
Die Anlagen a) und b) befassen sich mit dem Fall der Frau Sara Katz. Das Rundschreiben unter c) enthält eine Liste von Rechtsanwälten, die angeblich Erfolgshonorare vereinbaren. In dieser Liste ist. Rechtsanwalt Dr. Greve unter Ziffer 5 enthalten, wobei erwähnt wird, daß er im Fall der Frau Katz Erfolgshonorar genommen habe. Die Anlagen d) und e) enthalten die übrigen im Bericht des Herrn Generalstaatsanwalts aufgeführten Beschuldigungen gegen den Abgeordneten Dr. Greve.
Im Fall Katz wird Herrn Abgeordneten Dr. Greve das vorgeworfen, was ich bereits aus dem Bericht zitiert habe. Im einzelnen soll er als Unterbevollmächtigter eines Anwaltsbüros Horowitz & Co. in Tel Aviv den Auftrag übernommen haben, Frau Sara Katz in ihrer Wiedergutmachungsangelegenheit zu vertreten. Anfang 1957 habe dann das Wiedergutmachungsamt in Neustadt a. d. Weinstraße auf das Konto von Herrn Dr. Greve den Wiedergutmachungsbetrag von 41 000 DM - ich runde die Zahlen immer auf volle Tausend ab - überwiesen. Diese Überweisung sei entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Frau Katz geschehen, die das Geld auf ihr eigenes Konto überwiesen haben wollte. Von dem an Herrn Abgeordneten Dr. Greve überwiesenen Betrag habe Herr Dr. Greve abgezogen: 1. für ein Darlehen, das er der Frau Katz vorher auf ihre Bitte gewährt hatte, 1000 DM, 2. 15 % von der Kapitalentschädigung gleich 3915 DM, 3. 15 % von den Nachzahlungsbeträgen gleich 2100 DM, 4. 15 % vom fünffachen Jahresbetrag der Rente gleich 2900 DM, 5. Kosten für eidesstattliche Erklärung 93,50 DM, 6. Telephongespräche 10 DM, zusammen 10 069 DM.
Außerdem habe Herr Rechtsanwalt Dr. Greve am 22. Juli 1957 noch eine Gebührenrechnung gestellt, in der er aus einem Wert von 37 900 DM eine Gebühr gemäß § 13 Ziffer 1 der Rechtsanwaltsgebührenordnung mit 431,30 DM, zuzüglich Umsatzsteuer 17,25 DM, zusammen 448,55 DM berechnete. Diesen Betrag habe er durch Verrechnung gegen die eingegangene Rente von 327 DM kassiert und Frau Katz noch die Differenz in Rechnung gestellt. Auf spätere Klagedrohung eines anderen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt Pfeiffer in Hannover, hat Dr. Greve einen Betrag von 8500 DM an diesen überwiesen.
Dieser Sachverhalt wird von Herrn Rechtsanwalt Dr. Greve nicht bestritten. Er macht aber geltend, die von ihm berechneten Beträge seien nur insoweit ihm zugeflossen, als es sich um die zuletzt genannte Gebühr gemäß § 13 Ziffer 1 der Rechtsanwaltsgebührenordnung, also rund 400 DM, die Gebühr für die eidesstattliche Erklärung und die Umsatzsteuer handele. Die prozentual berechneten Beträge seien als Honorar für die Bevollmächtigten der Frau Katz in Tel Aviv, die Anwaltsfirma S. Horowitz & Co., bestimmt gewesen. Herr Abgeordneter Dr. Greve legt ein Schreiben der genannten Firma vor, in dem es heißt - ich muß die ,ersten Worte in Englisch wiedergeben, weil sie von Bedeutung sind -:
Accordingly, you were to retain a fee of 15 % from all Sums ...,
also: haben Sie zurückzubehalten - retain - eine Gebühr von 15 % aller Summen, die an Frau Katz ausgezahlt werden, und im Falle wiederkehrender Leistungen 15 % der Summe, die für fünf Jahre zu
bezahlen ist. Er habe also ein Quotenhonorar nicht für sich berechnet, sondern für seine und der Frau Katz israelischen Auftraggeber, für welche dies nach israelischem Recht zulässig sei.
Wegen der anderen Beschuldigungen gegen Herrn Abgeordneten Dr. Greve - Verquickung anwaltlicher Interessen mit politischer Tätigkeit, standeswidrige Werbung, Übernahme zu vieler Mandate - die Zahl 30 000 wurde genannt -, Berechnung von Erfolgshonoraren in allen Fällen der Vertretung jüdischer Antragsteller - enthalten die vorliegenden Akten keine Tatsachen oder Ermittlungsergebnisse.
Der Ausschuß kam in dieser Sache zu keiner einheitlichen Auffassung.
Eine Minderheit vertrat den Standpunkt, tatsächlich behauptet und dem Herrn Abgeordneten Dr. Greve deshalb vorgeworfen sei nur der Fall Sara Katz. Dieser Fall für sich sei nicht so gelagert, daß er nach der bisherigen Handhabung von Immunitätssachen zur Aufhebung der Immunität Anlaß geben könnte. Die übrigen gegen Herrn Dr. Greve erhobenen Beschuldigungen seien nur allgemein gehalten ohne Angabe von Tatsachen. Wenn man in solchen Fällen die Immunität aufhebe, müsse das dazu anreizen, daß bei Anzeigen gegen Abgeordnete wegen mehr oder weniger strafbaren Verhaltens, das an sich zur Aufhebung der Immunität nicht führe, noch weitere unsubstantiierte Verdächtigungen eingefügt werden, um so in jedem Fall eine Aufhebung der Immunität zwecks Untersuchung dieser weiteren Beschuldigungen zu erreichen.
Die Mehrheit des Ausschusses dagegen war der Ansicht, die Vorwürfe, ,die gegen den Abgeordneten Dr. Greve erhoben werden, seien so schwerwiegend, daß es das Ansehen des Parlaments erfordere, sie zu klären. Ermittlungen in der Richtung der Vorwürfe seien noch nicht möglich gewesen, weil der Abgeordnete Greve im Schutz der Immunität gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft müsse erst in die Lage versetzt werden, ,den Vorwürfen rdurch Ermittlung nachzugehen.
Ich bin deshalb beauftragt, namens des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Greve vorzuschlagen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldung. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Punkt 23 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Ernst Fink, Augsburg, gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 23. Februar 1959 ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dittrich, der eigentlich Berichterstatter sein sollte, hat mich schriftlich gebeten, für ihn den Bericht zu erstatten.
Es handelt sich um eine Entscheidung des Deutschen Bundestages zu der Frage, ob gegen einen Ernst Fink in Augsburg die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt werden soll. Der Oberstaatsanwalt München I hat entsprechende Vorlage gemacht.
Es handelt sich um einige Flugblätter, die von Fink in primitiver Art selbst hergestellt, verfaßt, geschrieben, vervielfältigt und auch verbreitet worden sind. Die Bundesregierung ist in diesen Flugblättern schwer angegriffen worden. Am Tage der Beratung in unserem Ausschuß, am 1. Juni 1959, hatte die Bundesregierung nach Mitteilung des Vertreters des Justizministers noch keine Strafanzeige erstattet. Soweit der Bundestag in Frage kommt, könnte er sich beleidigt fühlen, weil es in den Flugblättern des Ernst Fink in Augsburg heißt: „Adenauer und seine Volkszertreter", - also nicht „Volksvertreter", sondern „-zertreter".
Der Herr Oberstaatsanwalt hat in seinem Schreiben, das dem Ausschuß vorlag, darauf hingewiesen, daß Fink seit seiner Jugend an beiden Armen teilweise gelähmt sei und daß seine geistige Verfassung wohl nicht zuletzt auch auf diese Tatsache zurückzuführen sei.
Einstimmig hat der Ausschuß empfohlen, eine Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Ernst Fink in Augsburg nicht zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Görgen gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 16. April 1959 ({1}).
Berichterstatter Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ersuchen auf Aufhebung der Immunität liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Abgeordnete Dr. Görgen hatte bei dem Land4220
Bericht in Saarbrücken eine Zivilklage erhoben, und zwar eine Unterlassungklage mit dem Ziel, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Behauptung zu verbreiten, Herr Dr. Görgen habe 1953 wiederholt erklärt, es sei wichtiger, dem französischen Freund die Treue zu halten, als sie dem Vaterland zu erweisen. Außerdem sollte durch einen Feststellungsantrag in diesem Zivilprozeß ein Urteil dahin gehend erwirkt werden, diese Behauptung sei unwahr.
Das Landgericht in Saarbrücken hat die Klage abgewiesen, und hiergegen hat Herr Dr. Görgen Berufung eingelegt. Außerdem hat er an dem Abend des Tages, als das Urteil verkündet worden war, über den saarländischen Rundfunk eine Erklärung verbreiten lassen bzw. eine Erklärung veranlaßt. In dieser Erklärung ist ausgeführt worden, Herrn Dr. Görgen sei in dem Verfahren das rechtliche Gehör in Besetz- und verfassungswidriger Weise versagt worden. Außerdem hat der Kollege Dr. Görgen eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Präsidenten des Landgerichts in Saarbrücken eingelegt.
Wegen dieses Sachverhalts und insbesondere wegen der Behauptung des Herrn Dr. Görgen, daß ihm das rechtliche Gehör in verfassungswidriger Weise versagt worden sei, hat der Vorsitzende der 1. Zivilkammer einen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer sieht außerdem den Tatbestand der falschen Anschuldigung als erfüllt an.
Der Immunitätsausschuß ist der Auffassung, daß es sich hier um die Auswirkung einer Auseinandersetzung im politischen Raum handelt. Das Haus hat bisher ständig die Praxis verfolgt, die Immunität in derartigen Fällen nicht aufzuheben, wo es zu einem Beleidigungsprozeß oder zu einem sonstigen Strafverfahren kommen soll, das sich aus der im politischen Raum begründeten Verfahrensweise erklärt.
Demgemäß schlägt der Immunitätsausschuß vor, auch in diesem Falle entsprechend der bisherigen Praxis dem Antrag auf Aufhebung der Immunität nicht stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Punkt 25:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Nedetzka u. a. gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Mai 1959 ({1}).
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Ritzel las Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Entscheidung darüber, ob eine Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen Beleidigung des Deutschen Bundestages erteilt werden soll.
Es gibt einen „Bund der Landvertriebenen", der eine Zeitschrift „Neue Scholle" herausgibt. In dieser Zeitschrift sind vor einigen Monaten unter der Überschrift „Sie tragen dafür die Verantwortung, Herr Bundeskanzler!" beleidigende Ausführungen über den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung gemacht worden. Die Bundesregierung hat bis jetzt - wie sich aus den Feststellungen im Ausschuß ergab - keinen Strafantrag gestellt. In der Verlautbarung, die auch in einem Flugblatt enthalten ist, das in Bad Godesberg bei einer Tagung verteilt worden ist, heißt es:
Die Bundesregierung bzw. der Deutsche Bundestag und der Bundesrat lassen zu, daß die Landvertriebenen von den deutschen Ausgleichsbehörden schlechter behandelt werden als von den Besatzungsmächten.
Es heißt dann weiter:
Man schickte uns die Polizei auf den Hals, die in unserer Geschäftsstelle in München alle Akten durchwühlte und sogar die Wohnungen einer Anzahl von Mitarbeitern durchstöberte. Unser Vorstandsmitglied Breitfelder wurde in Untersuchungshaft genommen und wird bis heute festgehalten.
Es wird dann weiter gesagt, daß die offene Sprache, die der Bund der Landvertriebenen bzw. die Zeitschrift „Neue Scholle" sprächen, gewissen Parteipolitikern in Bayern zur Landtagswahl gefährlich erscheine.
Der Ausschuß hat sich dem Argument angeschlossen, das ich als Berichterstatter dort vorgetragen habe, die Angelegenheit nicht als so schwerwiegend anzusehen, daß sie Veranlassung sein könnte, eine Strafverfolgung im Bundestag zu beantragen. Im Namen des Ausschusses bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem Antrag, die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Nedetzka und Genossen nicht zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Ich rufe den Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({0}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, DP zur Beratung ,der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlebergbau ({1}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Serres, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wer ,dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 27:
Beratung des Berichts des Bundesrechnungshofes über die Prüfung der Bilanz und des Geschäftsbetriebs der Verwertungsstelle der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1956/57 ({2}).
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Finanzausschuß vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 28:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({3}) über den Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der Rentenversicherungen ({4}) ({5}).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg verweist auf den Schriftlichen Bericht. - Ich bedanke mich bei dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1155 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende der Tagesordnung. Ich mache darauf aufmerksam, daß das Haus morgen um 10 Uhr, nicht um 9 Uhr, zusammentritt.
Erster Punkt der Tagesordnung für morgen ist die Fragestunde. Dann werde ich den Punkt 1 der heutigen Tagesordnung und dann den Rest - das ist Punkt 17 - aufrufen.
Die Sitzung ist geschlossen.